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Schmidt, Studien am Integument der Reptilien. I. Die Haut der Geckoniden. (Mit 15 Figuren im Text und Tafel VIII— XII; .... 139 Rene Koehler, Ophioperla Ludwigi, nov. gen., nov. sp. (Avec la Planche XIII) 259 Th. Mortensen, Über Asteronyx loveni M. Tr. (Mit Tafel XIV- XVIII) 264 Siegfried Becher, Beobachtungen an Labidoplax buskii (MTntosh). (Mit 5 Figuren im Text und Tafel XIX^ 290 Hjalmar Üstergren, Über die Brutpflege der Echinodermen in den süd- polaren Küstengebieten 325 J. W. Spengel, Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. Zum Bau des Kopflappens der armaten Gephyreen. (Mit 3 Figuren im Text und Tafel XX— XXIII) 342 Beiträge zur Histologie und zum Verlauf der Regeneration bei Crinoiden. Von Dr. August Eeichensperger. (Aus dem zoologischen u. vergl. anatom. Inst, der Univ. Bonn.) Mit 9 Figuren im Text und Tafel I— IV Inhalt. Seite Material und Methoden 1 I. Zur Histologie des normalen Tieres 5 1. Das dorsale Nervensystem und seine Verzweigungen ... 5 2. Dorsalfasern, Syzygialfasern, Verbindung der Girren- und Stielglieder 11 3. Die ventrale Muskulatur 22 4. Das gekammerte Organ 27 5. Die Kalkgrundsubstanz 29 6. Die Sacculi 32 II. Histologisches Verhalten des Regenerats der Arme 39 1. Schließung der Wunde und Degeneration von Zellelementen . 40 2. Wassergefäß- und Cölombildung 43 3. Das dorsale und die ventralen Nervensysteme 47 4. Der Genitalstrang 51 5. Die Girren 53 III. Äußeres Wachstum des Regenerats und Einfluß verschiedener Fak- toren auf dasselbe 54 Material und Methoden. Bei der anatomischen Bearbeitung eines reichen Materials von Isocrinus decorus = Pentacrinus decorus Wy. Ths., das mir in dankens- wertester Weise von A. Agassiz zur Verfügung gestellt worden war, wurde meine Aufmerksamkeit stets von neuem auf die zahlreichen Regenerate hingelenkt. Schon damals beabsichtigte ich ein eingehen- deres Studium des Regenerationsverlaufs. Zur Erkenntnis histo- Zeitschrift f. wiasensch. Zoologie. CI. Bd. 1 2 August Reichensperger, logischer Vorgänge war das Material jedoch leider nicht genügend konserviert, oder wenigstens nicht ohne Kontrollserien brauchbar. Um solche zu erlangen, benutzte ich einen längeren Aufenthalt an der zoologischen Station zu Neapel und beobachtete dort u. a. den Ee- generationsverlauf von Antedon rosaceus. Dem leider inzwischen allzu früh dahingeschiedenen Cav, Lo Bianco gebührt mein besonderer Dank für die Besorgung der notwendigen Exemplare, die damals wegen des vorangegangenen Vesuv- Aschenregens große Schwierigkeiten bot. Dank- bar gedenke ich ferner der Unterstützung von Prof. Mayer und Dr. Hense, welche notwendig wurde, 'als sich die Tiere, früheren Angaben entgegen, als äußerst empfindlich erwiesen. Näheres darüber folgt unten. Wie überaus groß die Regenerationskraft der Crinoiden ist, geht am besten aus Przibrams experimentellen Studien hervor, die ich nur bestätigen kann. Um Eegenerate zu gewinnen, brach ich an verschieden weit vom Kelch entfernten Stellen mehrere bis alle Arme ab. Bei einer kleineren Anzahl schnitt ich die Arme durch und zwar nicht nur gerade, oder an einer Gelenkverbindung oder Syzygie, sondern auch ganz schief durch mehrere Kalkgheder durch. Auf den Erfolg der ver- schiedenen Verfahren komme ich später zurück. Nach der Amputation, die stets gelang, obwohl ich häufig die Tiere ganz aus dem Wasser nahm, wartete ich Stunden bis Tage, ehe ich das Eegenerat nebst einem Stück alten Armes lostrennte und fixierte. Als Fixierungsflüssigkeiten dienten an erster Stelle Alkohol-Sublimat- gemische in Meerwasser oder destilliertem Wasser, die meist vorher erwärmt wurden. Weniger günstig erwies sich konzentrierte Sublimat- lösung, welche bessere Resultate gab, wenn bis zu einem Viertel 10%iges Formol zugesetzt wurde. FLEMMiNGsche und ÜERRMANNsche Mischung bewährten sich für bestimmte Zwecke gut, besonders für ältere Regene- rate; bei jüngeren Stadien entkalkten sie zu plötzlich und riefen Gewebezerreißungen hervor. Nicht geringe Schwierigkeiten verursachte die Entkalkung und das Zerlegen in lückenlose Schnittserien. Die reine Paraffineinbettung zeitigt nach meinen Erfahrungen an Echinodermen, besonders bei Crinoiden, nur ungenügende Resultate. Fast nie gelingt es, bei ihrer Anwendung die sogenannten dorsalen Fasermassen gut zu zerlegen. Dieselben reißen ganz aus oder trennen sich wenigstens von dem be- nachbarten Kalkgewebe und verursachen große Lücken. Um dem zu entgehen, benutzte ich entweder das reine Celloidinverfahren oder in weitaus der Mehrzahl der Fälle die Einbettung in Celloidinparaffin. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 3 Letztere gestattete die Herstellung einwandfreier Schnitte von 4/i aufwärts. Die Bntkalkung wurde stets erst an dem von Celloidin gut durchtränkten Stück vorgenommen. Ich beließ die entwässerten Objekte bis 24 Stunden in Alkoholäther, brachte sie dann bis 4 Tage in Celloidin III, bis 6 Tage in Celloidin II, bis 8 Tage in Celloidin I. Als Entkalkungsflüssigkeit wandte ich, wie bei meinen früheren Arbeiten, 90%igen Alkohol + konzentrierte Salpetersäure (5 — 10 Teile auf 100 Teile Alkohol) an und wusch in reinem 95%igen Alkohol unter Zu- satz von präcipitiertem Calciumcarbonat aus. Bei der folgenden Über- führung in absoluten Alkohol löste sich natürlich das Celloidin zum größten Teile auf. Es empfiehlt sich daher baldmöglichst in Chloro- form — Chloroformparaffin und reines Paraffin zu überführen und die Objekte in letzerem ziemlich lange zu belassen. Als durchaus sicherstes Verfahren erwies es sich aber, wenn ich den großen Aufwand an Zeit und Mühe nicht scheute und vom absoluten Alkohol an nochmals mit dem nun entkalkten Objekte den Celloidinweg nahm, ehe ich in Chloroform und Paraffin überführte. Auf diese Weise ließen sich ganze Kelche von Äntedon, Pentacrinus und Actinometra in lückenlose Serien von 7,5 bis 15 (.i zerlegen. Gefärbt wurden die mit Wasser aufgeklebten Schnitte mit Dela- FiELDs Hämatoxylin in Verbindung mit Eosin, Orange, u. a. m. Ebenso wurde Thionin für Drüsen- und Nervenfärbung angewandt, besonders aber Eisenhämatoxylin unter Nachfärbung mit Säurefuchsin, Orange, Aurantium u. dgl. Speziellere Färbungen erwähne ich an den in Betracht kommenden Stellen. Bei der später erfolgten Durcharbeitung der Schnittserien stellte sich eine große Schwierigkeit heraus : Der Mangel an histologischen und embryologischen Vorarbeiten. Trotz Hamanns, Perriers u. a. ein- gehender histologischer Studien an dem spröden Crinoidenmaterial sind ganze Organkomplexe, wie auch einzelne Zellelemente noch recht problematischer Natur, und das wird meist schon durch den Namen angedeutet. Ich erinnere nur an das »gekammerte Organ«, das »drüsige Organ«, die »Sacculi«, oder an Bosshardts »zellige Elemente, die sich in den Partieen der Kalkgrundsubstanz vorfinden, die unmittelbar an die Dorsalfasermasse angrenzen« und andres mehr. — Ebenso ist der Verlauf der Embryonalentwicklung, der natürlich zwecks Vergleichs nüt den Vorgängen während des Verlaufs der Kegeneration überaus wichtig ist, nur bis zu einem verhältnismäßig frühen Punkte von BuRY, Barrois und vor allem durch Seeligers klassische Arbeit klargelegt worden. Bis zum ersten Auftreten der Armanlagen lassen sich nämlich 4 August Reichensperger, die kleinen Pentacrinulae von Antedon unschwer im Aquarium ziehen; dann sterben sie, ob aus Mangel an Nahrung oder aus andern Ursachen steht dahin, rasch ab. Auch meine Versuche, die weitern Stadien, die mir gerade bezüglich der Armregeneration von Bedeutung schienen, heranzuziehen, scheiterten ganz. — Besseren Erfolg hatten meine Be- mühungen bezüglich histologischer und anatomischer Einzelheiten am ausgewachsenen normalen Tier. Bevor ich auf die Kegeneration und ihren Verlauf näher eingehe, möchte ich diese besprechen, werde aber zur Klarlegung bisweilen schon auf Kegenerate hinweisen müssen, um spätere Wiederholungen zu vermeiden. Die Arbeit wird daher drei Kapitel umfassen, nämlich: 1. Zur Histologie des normalen Tieres. 2. Histologisches Verhalten des Regenerats. 3. Äußeres Wachstum des Regenerats. An Material standen mir gestielte und ungestielte Crinoiden zur Verfügung. Erstere gehören, wie oben bereits erwähnt, der Art Isocrinus decorus an. Daß es sich in der Tat um Isocrinus und nicht um Endoxo- crinus handelt, wie A. H. Clark 1908 behauptet hat, konnte ich durch Vergleich mit Exemplaren des Londoner naturhistorischen Museums fest- stellen. Dieselben stammten aus der Challenger- Ausbeute und waren demnach von P. H. Carpenter bearbeitet. Meine Exemplare stimmen ohne Ausnahme mit den CHALLENGER-Stücken und mit der Diagnose Carpenters 1884 sowie mit den Figuren auf Taf. XXXHI ff. überein. Sie sind im Besitze von Infrabasalia, welch letztere, nach A. H. Clark selbst, bei Endoxocrinus resorbiert sind. Ich gebe zu, daß meiner rein schematischen Darstellung 1905 eine Erklärung der beiden II. Br.-Serien fehlt. Solche Serien treten nämlich in der angegebenen Form in manchen Fällen an älteren Exemplaren auf, wie Carpenter übrigens PI. XXXVII, Fig. 1 und 2 darstellt. Unterlassen habe ich die in dem mit D 2 bezeich- neten GUede meiner Textfigur gelegene Syzygie einzutragen. Geschieht das, so würde nach neuerer Auffassung (Bather, Minckert) ein D 3 hin- zugefügt werden müssen. Im übrigen gibt die CLARKsche Fig. 27 (1908 b S. 126) mir den besten Identitätsbeweis, da meine Exemplare eben dies Auftreten der CLARKschen Z^ und Z^ Glieder zeigen, wie es als charakte- ristisch für die Gattung Isocrinus bezeichnet wird. Bei meiner da- maligen Darstellung kam es mir lediglich darauf an, zu zeigen, daß bei jeder Armteilung, sei sie normal oder anormal, ein Chiasma ner- vorum vorhanden ist. Was den Verlauf der Nervenstränge im Kelch anlangt, so finde ich ihn bei erneuter Durchsicht meiner Präparate genau, wie ich ihn damals beschrieben. Ich habe mich nicht darauf Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 5 beschränkt, den Verlauf an den Skeletstücken zu verfolgen, sondern habe auch Querschnittserien durch den ganzen Kelch hergestellt und danach rekonstruiert, ein Verfahren, das ich für ungleich sichrer, wenn auch für mühsamer halte wie rein morphologische Untersuchungen an den isolierten Skeletstücken. Von ungestielten Crinoiden untersuchte ich, außer dem in Neapel gesammelten Material von Antedon, noch Actinometra rohustifinna P. H. Carpenter 1881, welche mir in mehreren Exemplaren freund- lichst von Herrn Geheimrat Ludwig aus der Ausbeute von Prof. Stru- BELL überlassen wurde. Letztere kommen aber nur für den ersten histologischen Teil in Betracht, da ich weder bei ihnen, noch bei einer ganzen Reihe andrer Vertreter der Gattmig Actinometra, welche mir zur Verfügung standen, jemals ein Regenerat fand. Auch scheint beim Fang und der Konservierung von Actinometra, soviel ich aus dem mir vorliegenden Material schließe, seltener ein Bruch der Arme einzutreten, wie bei Antedon, Dagegen wird häufig die Scheibe innerhalb des Kelches ganz abgeworfen oder wenigstens stark gelockert. Auf diesen Punkt wies bereits P. H. Carpenter 1888 hin. I. Zur Histologie des normalen Tieres. 1. Das dorsale Nervensystem und seine Verzweigungen. Der Verlauf dieses mächtigen Systems im Kelch ist von verschie- denen Autoreu, ich nenne nur Ludwig 1877, P. H. Carpenter 1884 und Hamann 1889 eingehend geschildert worden, so daß ich hierauf nicht näher einzugehen brauche. Weniger genau ist unsre Kenntnis über die Verzweigungen in den Armen. P. H. Carpenter war der erste, welcher näher auf dieselben einging. Er fand in der Mitte eines jeden Kalkgliedes Anschwellungen des centralen Stranges, von welchen vier starke Nervenzüge ihren Ausgang nahmen. Zwei derselben ziehen zur ventralen echten Muskulatur, während die zwei andern durch das Kalk- gewebe zur Haut hinziehen. Eine Bestätigung dieser Verhältnisse gab Hamann und weise ich auf seine Ausführungen und die Abbildung in Bronns Klassen und Ordnungen hin (Seelilien, 1905, S. 1474). Näher eingehen möchte ich hier auf die Befunde Perriers 1890, der eine große Anzahl unregelmäßig vom, Hauptstrang ablaufender Nervenzüge konstatiert hat, und bestimmte Züge als sensitive, andre als rein motorische anspricht. Vorausgeschickt sei, daß er in jeder gelenkigen Gliedverbindung ventrale »muscles refringents «, von dorsalen »muscles hyahns« unterscheidet. Die motorischen Elemente des 6 August Reichensperger, 'VT?/? Nervensystems bei letztern bestehen nach seiner Schilderung aus zwei Teilen, nämlich »1 : de masses gangUonnaires anastomosees, qui se disposent en plaques sur toute la surface terminale des muscles hyalins, 2: d'une lame nerveuse dont le plan est perpendiculaire ä la direction de Taxe nerveux et qui occupe la region moyenne de chaque masse musculaire «. — Was nun die uns hier besonders interessierenden »masses ganglionnaires « angeht, so ist Perrier meines Wissens in der Tat der einzige gewesen und geblieben, der diese Zellelemente als Bestandteile des Nervensystems in Anspruch nahm, und ich kann ihm darin voll und ganz beistimmen. Leider f sind aber seine Zeichnungen, welche die Verhältnisse zur Darstellung bringen sollen, stark schematisiert und ganz irreleitend. Man vergleiche nur die Fig. 124 und 125, welch letztere ein Detail aus 124 bei stärkerer Vergröße- rung wiedergeben soll. — Perriers Nachfolger be- zweifelten entweder die ner- vöse Natur der «»masses ganglionnaires «, oder sie beschrieben die Zellen, ohne ihnen eine bestimmte Funk- tion zuzuweisen, als birn- förmige Gebilde mit Aus- läufern, so BOSSHARDT, 1900, S. 99. — Den Zusammenhang der Zellen mit dem Central- nervenstrang zu konstatieren ist nicht ganz leicht. Es gelang mir zuerst auf dünnen Längsschnitten durch Armstücke, welche genau tangential zur Ventralseite geführt wur- den. Hier zeigt sich folgendes : Aui3er einioen kleinen unregelmäßigen seitUchen Nervenzügen treten auf einem Schnitt, in den der Central- nervenstrang fällt, jederseits desselben, innerhalb eines Kalkgliedes sechs bedeutsamere Nervenzüge aus, im ganzen also zwölf. In Textf ig. A sehen wir sechs, da die übrigen in einer andern Ebene liegen. Das Kalkglied wird in dem nebenstehenden Schnitt nach unten von der Syzygie s, nach oben von Perriers muscle hyalin (m.Ä.), der dorsalen Fasermasse andrer Textf ig. A. Die im Arm vom Dorsal -Nervenstrang IS abgehenden Äste, hn 1, 2 Hautnerven ; dn Nerv zu den masses gang- lionnaires mg. — kg dichte Kalkgrundsubstanz. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 7 Autoren, begrenzt. Zwischen diesen Grenzen bemerken wir in der Mitte einen starken Nervenast, der vom Centralstrang abläuft. Es ist das der Ast, der in der HAMANNschen Figur dem nach hinten zur Epidermis verlaufenden Nerven hriy, Aw2 entspricht und den ich daher ebenso bezeichne. Oberhalb und unterhalb desselben nach den Grenzen des Kalkgliedes zu, zweigen sich aber in derselben Ebene, zwei sehr viel feinere, nur bei günstiger Färbung gut wahrnehmbare Nervenzüge dn ab, welche die Gliedverbindungen, seien dieselben nun Syzygien oder Synarthrieen im Sinne Bosshards 1900 und Minckerts 1905, begleiten. Diese nur im ersten Beginn kompakteren Nervenzüge teilen sich sehr bald in feine Faserbündelchen imd letztere treten mit den »masses ganglionnaires « in Zusammenhang. Welche Bedeutung dem zukommt, werden wir bei der Besprechung der dorsalen Fasermassen sehen. Die Hauptelemente des Armnerven und seiner Abzweigungen sind feine Nervenfäserchen und verschiedene Arten von Ganglienzellen, die von Hamann 1889 bereits näher charakterisiert wurden. Die Ver- teilung der Ganglienzellen ist nicht ganz gleichmäßig; meist liegen sie an der Oberfläche des Nervenfaserbündels und häufen sich ringförmig um die Austrittsstellen der Seitenäste, sowie besonders an dem Chiasma nervorum an, das sich am Beginn jeden Pinnulaenervs bildet. Sie können jedoch im Arm auch mehr in die Tiefe des Stranges rücken und dort ein fortlaufendes Band bilden. Ihre Gestalt ist im allgemeinen mehr abgerundet, wie Hamann op. cit. Taf. XI, Fig. 1 darstellt. Auch sind multipolare Zellen sowohl bei Pentacrinus, wie bei Antedon und Actino- metra als nicht übermäßig häufig zu bezeichnen. Die Bipolarität wiegt bei weitem vor. Ohne weiteres kenntlich sind die Zellen als Ganglien- zellen durch den großen runden bläschenförmigen Kern und durch die überaus langen Ausläufer. Bei stärkster Vergrößerung und scharfer Tinktion läßt sich deutlich erkennen, daß die Ausläufer sich fast stets mehr oder weniger büschelig verzweigen und mit den feinen Nervenfasern in Verbindung treten bzw. sich in diese fortsetzen. Die Größe der Ganglienzellen geht bis zu 36 x 10,« mit Ausläufern bis 65 X 10/«. In dem bläschenförmigen Kern tritt stets ein deut- liches Kernkörperchen in Erscheinung und der Kern selbst zeigt ein feines, mehr oder weniger ausgebreitetes Netzwerk von Chro- matinfäden. Färbt man stark mit Eisenhämatoxylin, so zeigen sich in dem Zellleib, außerhalb des Kerns, meist kleine Körnchen, bei Thionin- färbung treten dieselben noch deutlicher hervor. (Vergl. weiter unten.) Diese lassen sich dann auch in den Ausläufern bis zu den feinsten Enden hin konstatieren. Unter den gleichen Umständen erscheinen an 8 August Reichensperger, oünstigen Stellen auch wohl die Nervenfasern noch feiner gekörnt. — An der Abzweigungsstelle der feinen Nervenzüge, welche zu Syzygie und Dorsalfasern führen, sind beim normalen ausgewachsenen Tier nicht sehr viele Ganglienzellen vorhanden, um so mehr aber beim Kegenerat, das wir später verfolgen werden. Gehen wir nun einem solchen Nervenzug nach, so wird im allgemeinen das Bild schnell unklar, besonders wenn die Färbung des Objekts keine sehr distinkte ist. Der Nervenzug zerfasert sich und wird in dickern Schnitten absolut ver- deckt von jenen obenerwähnten birnförmigen Zellen, die sich dazu noch besonders bei Anwendung von Delafields Hämatoxylin oder Thionin klatschig färben. Die starke Tingierung beruht in erster Linie auf der Anwesenheit von Granulae der verschiedensten Gestalt, welche sich bei stärkster Vergrößerung zumeist in feine Pünktchen auflösen lassen. Färbung und Vorkommen legen den Gedanken an NissLsche Körperchen (Tigroide) nahe, deren Vorkommen bisher nach Heiden- hain 1911 bis zu den Würmern abwärts konstatiert wurde. Das eigent- liche Plasma der birnförmigen Zellen färbt sich ebenso wie das der Ganglienzellen im Dorsalstrang, d. h. nur in geringem Maße, so daß die Körnchen scharf hervortreten. Leider habe ich bei der Regeneration durch die Kleinheit des Objekts eine eigentliche Tigrolyse nicht be- obachten können; kenntlich war nur eine anscheinende Abnahme der Körperchen in vielen Zellen. So muß ich vorläufig dahingestellt sein lassen, ob die Granulae in der Tat Tigroide sind. — Aufklärung über die Verbindung der birnförmigen Zellen mit den Nervenfasern läßt sich dadurch erreichen, daß man bei sehr dünnen Schnitten (4 — 5 //), Eisen- hämatoxylin in Verbindung mit Säurefuchsin, oder mit Prikrinsäure- Säm'efuchsin anwendet. Im letztern Falle tut man gut, mit Eisen- hämatoxylin etwas zu überfärben. Bei gelungener Färbung nimmt man deutlich wahr, wie sich die Nervenzüge im Kalkgrundgewebe hin- ziehen und an die birnförmigen Zellen herantreten, oft vereinzelt, oft zu feinen Bündelchen vereint. Im jmigen Regenerat setzen sich die Nervenelemente meist direkt in Fortsätze der Zellen hinein fort, Text- fig. G, S. 51; in altern Armstücken hat es mehr den Anschein als träten die Fasern an die Zellen heran und umspönnen sie; vgl. Fig. 3 und 4, Taf. I, Fig. 1 und 2, Taf. III. Nun zu den Zellen selbst: nach dem Vorherge'sagten kann es wohl schon kaum einem Zweifel unterliegen, daß wir rein nervöse Elemente in ihnen zu erblicken haben; Perriers Ansicht der »masses ganglion- naires« wird aber noch besser bekräftigt, wenn wir den Bau der Zellen betrachten. Zu seiner Schilderung müßte ich das oben über die Ganglien- Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 9 Zellen des Centralstrangs gesagte wörtlich wiederholen. Das einzig abweichende ist die stärkere mikrochemische Reaktion. Aber auch diese erklärt sich oft so, daß, während im Centralstrang die Ganglien- zellen mehr vereinzelt liegen, sie hier gehäufter sind und sich vielfach decken. Im allgemeinen liegen sie paarweise in der Art, wie das Fig. 3 auf Taf. I von Isocrinus zeigt, unmittelbar an dem Bogen der Dorsal- fasern. Bei Antedon entfernen sie sich oft etwas mehr von letztern und zieht dann der Nervenzug statt oberhalb der Zellen, dünn verteilt unterhalb derselben, d. h. zwischen Fasern und Zellen, her. Die Fig. 1 und 2, Taf. III mögen die Erläuterung geben. Sie sind ein und dem- selben Schnitt entnommen und zwar zeigt Fig. 1 eine typische Ganglien- zelle aus dem Centralstrang, Fig. 2 zwei Zellen der »masses gangHon- naires« der Dorsalfasern mit herantretendenNervenfasern. Beides ist bei gleicher Vergrößerung gezeichnet. '■*% Peerier hat nun bereits erkannt, daß sich die Zellen mittels Aus- läufern in die Dorsalfasern und Syzygieen hineinziehen. Mit seiner Darstellung dieser Ausläufer stimme ich aber nicht überein. Er stellt dieselben sehr dünn und fadenförmig dar und hat überhaupt nicht gesehen, daß die birnförmigen Zellen einzelne Zellen sind; er hält jedes birnförmige Gebilde für zusammengesetzt aus einer großen Anzahl kleiner Ganghenzellen (s. seine Fig. 124). Demgegenüber stellte bereits BossHARDT 1900 fest, daß die birnförmigen Gebilde nui* je eine Zelle seien, von denen aus sehr fein gekörnelte, schwach färbbare Fortsätze in die Dorsalfasermasse eindringen. Cuenot hatte sie vorher, 1891, als amas cellulaires bezeichnet und sagt fernerhin: »je n'ai pu parvenir ä me faire une opinion sur leur nature, et ne puis confirmer chez Antedon que le fait meme de leur existence «. Zugleich gibt er an, sie fehlten bei Pentacrinus Wyville-Thomsoni. Es kann das wohl nur am Erhaltungs- zustand des Materials gelegen haben, da ich bisher überhaupt keine Crinoidenform ohne diese Zellen fand; vgl. Fig. 3, Taf. I von Isocrinus- Pentacrinus. — Nach Perrier entspringt nun einer solchen Vereinigung von vielen kleinen Ganghenzellen ein zarter Ausläufer, der zu ebenfalls kleinen bipolaren Ganglienzellen g' führen, bzw. in sie übergehen soll, die inmitten der Dorsalfasermasse liegen; bereits Bosshardt op. cit. S. 97 hat das bezweifelt. Oft auch läßt er eine ganze Reihe solcher so- genannter bipolarer Ganghenzellen kettenförmig sich aneinanderreihen. Nach meinen Präparaten von Antedon, Isocrinus und Actinometra hegen die Verhältnisse folgendermaßen : Den birnförmigen Zellen, welche nach Gestalt, Entstehung, Zusammenhang mit dem Centralstrang, Färbbar- keit u. a. m. echte Ganghenzellen sind, entspringen Ausläufer, welche 10 August Reichensperger, sich ebenfalls in gar keiner Beziehung von den Fortsätzen der Ganglien- zellen des Centralstrangs unterscheiden, es sei denn, daß sie zuweilen etwas reicher verzweigt sind. Letzteres ist vornehmlich bei Isocrinus der Fall, vgl. Fig. 3, Taf, I. Mit Zellen treten die Ausläufer nicht in Verbindung, sondern ihre letzten Enden verlaufen zwischen der Faser- masse und umspinnen einzelne Faserbündel, Taf. III, Fig. 10. Perriers bipolare Ganglienzellen a' sind zweifellos die von geringen Plasma- resten umgebenen Kerne der Dorsalfasern. Wie bereits Bosshardt erwähnt, sind die Ausläufer meist feingekörnt (ebenfalls Nissls Kör- perchen?); sie weisen auch mitunter eine kleine Verbreiterung auf, was mit dazu beigetragen haben mag, Perrier zu verleiten, in den Fort- sätzen Zellen anzunehmen. Als zweites, bei seinen muscles hyalins (»spindehgen Fasern« Hamanns) in Betracht kommendes Nervenelement nennt Perrier eine »lame nerveuse« und zeichnet dieselbe in seiner Fig. 122. Er läßt einen breiten sich bald verengernden Nervenstrang mit zahlreichen Ganglienzellen vom Centralstrang ausgehen. Derselbe liegt etwa in der Mittellinie der Fasermassen quer zu denselben und seine Fort- setzungen sollen seitlich ebenfalls bipolare Ganglienzellen sein. Daß diese »lame nerveuse« in der Tat mit dem Nervensystem gar nichts zu tun hat, davon habe ich mich auf einer großen Zahl von Schnitten aufs sicherste überzeugen können, nicht zum wenigsten an Regeneraten. Was Perrier als lame nerveuse ansprach, ist lediglich eine zusammen- hängende dichtere Lage von Kalkgrundsubstanz ohne Lücken. Es bezeichnet dieser Zug von Kalkgrundgewebe die jeweilige Grenze zwischen zwei Gliedern und er ist bei Syzygieen wie bei Synarthrieen vorhanden. Sein Aussehen zeigt Fig. 2, Taf. I bei einer Synarthrie. Ein vom Centralstrang abgehender Nervenzug ist niemals vorhanden, ebensowenig sonstige nervöse Elemente, wie Ganglienzellen u. dgl. Wir treffen vielmehr seitlich nur Zellüberreste bzw. plasmaarme Kerne der kalkbildenden Elemente und in dem Gewebezug selbst zahlreiche Kerne der sogenannten Fasermassen. Der Gewebezug reicht fast bis an den Centralstrang heran, bleibt aber deutlich von ihm ge- trennt und zwar meist durch eine Schicht von Wanderzellen; er geht nicht, wie Perrier darstellt, in den Centralstrang über. Zur Peripherie zu verdünnt er sich allmählich, ohne jedoch irgendwelche fadenförmige seitliche Fortsätze zu bilden. In der Färbung unterscheidet er sich eben- falls von den obengenannten nervösen Elementen, indem er, nur in verstärktem Maße, die typische Färbung des Kalkgrundgewebes an- nimmt. Innerhalb dieser Kalkgewebezüge, insbesondere der Syzygieen, Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d, Regeneration bei Crinoiden. 11 liegt die Bruchebene bei der Autotomie. Sie bilden, selbst un verkalkt, aber rechts und links von stark verkalkten Teilen eingefaßt, die schwächsten Stellen der Arme zwischen den aufeinanderliegenden. Gelenkflächen zweier Glieder. Von dem Mechanismus der Autotomie soll in einem späteren Teile gesprochen werden. Im Zusammenhang mit dem dorsalen Nervensystem haben wir hier noch eine Zellart zu erwähnen, die besonders beim Verlauf der Regeneration eine überaus wichtige Rolle spielt. Es sind dies große Wanderzellen, die von Hamann zuerst erwähnt, wenn auch nicht näher beschrieben wurden. Er hat diese Zellen richtig angesprochen, während Perrier sie, soweit ich besonders aus den Zeichnungen zu ersehen glaube, mit den Ganglienzellen verwechselt hat. Eine derartige Verwechslung ist bei einfacher Färbung sehr entschuldbar wegen der vielfach ähnlichen Gestalt beider Zellformen. Bei Antedon und Isocrimis sind diese Wanderzellen sehr viel zahlreicher wie bei Actinometra . Bei kräftigen Exemplaren von Antedon bilden sie vielfach eine vollständige Hülle, sowohl um das dorsale Nervencentrum im Kelch, wie auch um alle davon ausgehenden Nervenzüge und deren Abzweigungen. Oft sind noch die letzten feinen Nervenausstrahlungen von einzelnen solcher Zellen begleitet. Etwas weniger häufig treffen wir sie im all- gemeinen in Verbindung mit dem ventralen Nervensystem. Diese Wanderzellen kommen in jeder denkbaren Form vor; sie können fast kugelrund, länglich oval ausgezogen bis wurmförmig sein; mitunter haben sie drei bis vier Fortsätze. Ihr Inhalt ist entweder im Ruhe- zustand homogen, oder er weist in einer schwach färbbaren Plasma- Grundsubstanz Massen von feinen dunkleren und helleren unregel- mäßigen Körnchen und Stäbchen auf. Der Kern färbt sich ziemlich scharf, ist nicht sehr groß und läßt Einzelheiten, Kernkörper u. dgl. fast nie erkennen. Im Kern liegt das sicherste Unterscheidungs- merkmal von den benachbarten Ganglienzellen. Die Größe der Wander- zellen läßt sich nur annähernd wiedergeben; sie beträgt je nach der Ausdehnung in der Länge: 34x2 bis 52x1,5«. Dargestellt sind solche Wanderzellen in Fig. 1 und 2 der Taf. I und Textfig, D. 2. Dorsalfasern, Syzygialfasern, Verbindung der Girren- und Stielglieder. Während die Arm- und PinnulagKeder der Crinoiden ventral je zwei echte Muskelbündel besitzen, finden wir dorsal, seitlich und hinter dem Centralnervenstrang starke Massen eines eigenartigen Verbindungs- gewebes, über dessen Natur die Meinungen geteilt sind. Dasselbe Ge- 12 August Reichensperger, webe verbindet die Cirrenglieder und bei den gestielten Crinoiden auch die Stielglieder ; wir treffen es weiterhin ausschließlich an als Verbindung von Costale I mit II sowie von Brachiale I mit II, und in allen Syzygieen. Außerdem unterschieden Joh. Müller und W. B. Carpenter noch eine dritte Art von Verbindungsgewebe, das zwischen ventralen Muskeln und dorsalem Gewebe vor — und nach Bosshardt auch hinter — dem centralen Nervenstrang des Armes liegt. Sie bezeichneten dasselbe als Interartikularsubstanz, Bosshardt nennt es ligamentöse Faser- masse (1900, S. 100 und Taf. 7, Fig. 18.) Ob diese Masse in der Tat histologisch als ein besonderes Gewebe betrachtet werden muß, werden Avir noch näher untersuchen; zunächst wollen wir das dorsale Gewebe und seine Natur erörtern. Kein geringerer als Joh. Müller hat zuerst 1841 und 1847 die Verbindungsgewebe der Cirrenglieder als elastische Fasern angesprochen. Folgen wir ihm, so müssen wir auch alle andern in der Kapitelüberschrift genannten Elemente als elastische Fasern betrachten, da sie sämtlich in Funktion, Bau, Färbbarkeit u. a. übereinstimmen. Die beiden Carpenter und spätere Autoren bis auf Jickeli 1884 pflichteten Müller bei. Jickeli kam zuerst und zwar auf physiologischer Basis zu der Ansicht, daß die Verbindung der Cirrenglieder von Äntedon nicht rein elastischer Natur sein könne, da die Cirren in der Lage sind, selb- ständig greifende Bewegungen auszuführen, sich anzuklammern u. dgi. m^ Weiter ging in der Folge Perrier, 1886 — 1890. Er spricht die elastischen Fasermassen als reine Muskeln an und nennt sie zum Unterschied von den ventralen Muskeln »muscles hyahns«, während er letztere als »muscles refringents « bezeichnet. Da er die »muscles hyalins « für stark innerviert hält, während ihm die an die muscles »refringents « tretenden Nervenelemente meist entgingen, glaubt er sogar, diese viel eher als elastisches Ligament bezeichnen zu sollen, wie jene. Im allgemeinen schließt Hamann 1889 und 1905 sich an Perrier an, indem er der ventralen Muskulatur (muscles refringents) eine dorsale Muskulatur (muscles hyalins) gegenüberstellt. Bosshardt endlich greift wieder auf Grund histologischer und physiologischer Betrachtungen auf Müllers Auffassung zurück. Er unterscheidet echte Muskeln, welche ventral gelegen sind ; Dorsalfasern, die er als elastische Bindesubstanz auffaßt ; und endlich »ligamentöse Fasermasse «, die gleichfalls elastisches Bindegewebe sei. Trotz Bosshardts scharfsinnigen Argumenten nähert sich meine Auffassung der fraglichen Verbindungen vielmehr derjenigen von Jickeli, Hamann und Perrier. Die Gründe sind verschiedener Natur und sollen hier erörtert werden. Zu diesem Zwecke muß ich Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 13 vorgreifen und schon Regenerationsvorgänge schildern, welche auf die Neubildung der Dorsalfasern und der Muskeln sich beziehen. Im älteren Regenerat beginnt das Wachstum von Muskeln und Dorsalfasern damit, daß sich an bestimmten Stellen Mesenchymzellen differenzieren. Die Muskelzellen treten dabei etwas später auf, wie die Dorsalfaserzellen, lassen sich zu Anfang aber nur schwer von letztern unterscheiden. Die Dorsalfaserzellen sind oval, mehr oder weniger ausgezogen ; sie besitzen einen ziemlich großen Kern mit meist mehreren großen und vielen kleinen Kernkörperchen und ihr Plasma erscheint äußerst fein gepunktet, Taf. I, Fig. 5 ff. Sie sammeln sich an der Peri- pherie und dringen mit fortschreitendem Dickenwachstum des Armes gegen den Centralnervenstrang vor. In dessen unmittelbarer Nähe finden wir dann die ältesten Dorsalfaserzellen bereits weiter entwickelt, Fig. 7, Taf. I. Die Zelle hat sich lang ausgezogen und zeigt feine Fasern. Ob diese im Plasma eingeschlossen bleiben, oder ob später die Zellen den Faserbündeln aufliegen, ist bei der überaus geringen Größe des Objekts schwer zu entscheiden. Ich habe Bilder erhalten, welche sehr für ersteres sprachen, andre wieder schienen mehr auf letztere Auf- fassung hinzuweisen, besonders die älteren Stadien, Fig. 9 ders. Taf. Ist das Faserbündel fertig ausgebildet, so bieten die Bildungszellen ein durchaus anderes Bild, Fig. 10 und 11. Der Kern färbt sich mit Häma- toxylinen usw. so intensiv, daß er keine Einzelheiten mehr erkennen läßt, die Menge des Zellplasmas nimmt mehr und mehr ab, es wird homogen und ist schließlich nur mehr als dünner hellerer Rand um den Kern vorhanden. Den meisten älteren Autoren ist denn auch die Existenz von Zellplasma entgangen, noch Pereier spricht nur von Kernen, während Bosshardt um die Kerne »eine allerdings nur sehr schwach tingierte Plasmamasse << fand »deren Kontur genau festzustellen uns nicht gelungen ist«. Das Wachstum der eigentlichen Fasermasse geht nun so vor sich, daß von den Zellen mehr und mehr feine Fäserchen produziert werden, welche in der Mitte dicht zusammenliegen. Nach den Enden zu geraten sie bei zunehmender Länge beiderseits an die Kalkgrundsubstanz, welche ihrerseits in lebhaftem Skeletbau begriffen ist. Möglicherweise zerteilen seh infolgedessen die einzelnen Faserbündelchen pinselartig, die Fasern schmiegen sich in das Maschennetz der Kalkgrundsubstanz ein und kehren gegeneinander bogenförmig um. Dadurch entstehen die eigenartigen von Müller als Arkaden bezeichneten regelmäßigen Schleifen. Sie liegen meist in mehreren bis vielen Reihen übereinander und je weiter sie von der Mitte des Faserbündels entfernt sind, um so 14 August Reichensperger, vereinzelter sind die Fasern, welclie sie bilden, um so schwerer hält es sie nachzuweisen. Vielfach treten, besonders in den frühen Stadien, nur Fasern eines Bündels zu Schleifen zusammen, später werden auch die benachbarten Bündel durch Bogen miteinander verknüpft, worauf schon Müller hinweist. Nebenstehende, vereinfachte, ganz schematisierte Fig. B soll einen ungefähren Begriff des Wachstums der äußerst ver- wickelt gebauten Fasermassen geben. Hamann 1889 stellt in Fig. 7, Taf.XI isolierte Zellen aus derselben von Antedon rosaceus dar, Chadwick 1907, Taf. III, Fig. 35 solche von Antedon bifida Penn. = rosaceus Linck. Nach beiden besitzt jede einzelne Faser einen Kern und ist an den Enden pinselförmig gespalten. Ich habe mich nur davon über- zeugen können, daß zu jedem Kern bzw. jeder Zelle ein Faserbündel gehört und daß dessen einzelne Fasern an den Enden auseinander treten, wäh- rend sie in der Mitte dicht aneinan- der gedrängt liegen. Ganz anders wie oben geschildert denkt sich Bosshardt, soweit ich aus seiner Beschreibung ersehen kann, die Entstehung der dorsalen Fasern. Er schreibt wie folgt: »Fig. 20 endlich dürfte über die Herkunft der Dorsal- fasern Aufschluß zu geben geeignet sein. Sie stellt ein Stück des Grenz- bezirks zwischen der Kalkgrundsub- fp. stanz und der Fasermasse dar. Die Fasern entstehen durch Textfig. B. Schema des Bildungsganges der sog. Dorsal- fasern, w/, Dorsalnervenstrang; £p, Epithel einzelnen Vereinigung von Fibrillen, die die Bänder der Hohlräume bilden, zwischen denen sich die Intercellular- substanz ausbreitet, um dann im Bereiche der eigentlichen Fasern gänzlich zu verschwinden. Die die Fasern zusammensetzenden Fibrillen erscheinen also hier als Fortsetzungen, bzw. Differenzierungen der Grundsubstanz der Kalkkörper. Gegen die Mitte der ganzen Faser- masse hin werden die einzelnen Fasern stärker, weil die Zahl der zu ihrer Bildung zusammentretenden Fibrillen zunimmt. So ist es auch begreiflich, daß manche Autoren die Dorsalfasern mit pinselförmig ausstrahlenden Enden dargestellt haben.« Bosshardt hält demnach anscheinend die Fasermasse für ein Derivat der jederseits gelegenen Kalkgrundsubstanz, eine Auffassung, der ich nach meiner obisien Schilderung nicht beitreten kann. Daher Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 15 ist es auch kaum angängig, die Kontinuität zwischen den Dorsalfasern und dem organischen Grundgewebe im Gegensatz zu den Muskeln sehr stark zu betonen, wie das vor Bosshardt bereits von Müller, Perriee, Carpenter und Cuenot geschah. Mögen die äußersten Schleifen noch so fein sein, sie heben sich bei günstiger Färbung stets vom Kaikgrundgewebe gesondert ab, wenn sie auch kein Endplättchen bilden, wie wir das von den ventralen Muskelfasern sehen werden. Es wird sich ferner zeigen, daß die Unterschiede zwischen Dorsal- und Ventralmuskulatur in Wachstum und Entwicklung viel mehr gradueller wie prinzipieller Natur sind; mögen die endgültigen Resultate noch so verschieden sein, wir können im Anschluß an Herouard 1903 meines Erachtens mit Recht sagen: »EUes ne sont d'ailleurs qu'une differen- ciation special du tissu mesenchymateux , . . .« Was die in der Dorsal-Fasermasse gelegenen Zellen betrifft, so ist aus dem vorher erwähnten wohl ersichtlich, daß sie sich weder als nervöse Elemente ansprechen lassen, Perrier 1890, noch daß sie ohne weiteres mit den Bindesubstanzzellen der Kalkgrundsubstanz identifiziert wer- den können, Bosshardt 1900, S. 97. Sie sind eben zur Hervorbringung der Fasern spezialisiert und sie lassen sich besonders in früheren Stadien stets von allen andern Zellarten unterscheiden. Greifen wir nun auf das erste Kapitel zurück, und nehmen wir hinzu, daß die Dorsal-Fasermassen in der Tat sehr reich innerviert sind, so können wir uns wohl nicht mehr, weder histologisch noch pjiysiologisch, auf den Standpunkt stellen, sie seien einfaches Binde- gewebe mit elastischen Eigenschaften, wie Bosshardt annimmt. Er hat eben die nervöse Natur der birnförmigen Gebilde nicht erkannt und hielt Perriers Ansicht darüber nach seinen Präparaten für nicht genügend begründet. Er sagt nur: »Wir enthalten uns daher mit Cuenot jeder bestimmten Meinungsäußerung über die erwähnten Ge- bilde und begnügen uns vorläufig damit, ihre Existenz bei Antedon zu konstatieren.« Ein Bindegewebe, zu dessen Fasern Nerven führen, ist meines Wissens nicht bekannt, und eine so starke Innervierung, wie sie uns hier vorHegt, scheint mir für Bindegewebe schlechthin einfach ausgeschlossen. Ich bin geneigt, die »masses ganglionnaires « als eine Art von Centren für die Autotomie anzusprechen, welche, sei es ganz selbständig, sei es in Verbindung mit dem Dorsalnerv, auf die soge- nannten »Fasermassen« einwirken. Sehr eigentümlich und leicht irreführend ist das Verhalten der Dorsal-Fasermassen bei Färbungen, besonders bei Anwendung mehrerer Farbstoffe. Doch kann ich ihm mit Hamann 1905, S. 1465 kein so großes 16 August Reichensperger, Gewicht beilegen, wie Bosshaedt das tut. Letzterer fand, daß bei Anwendung der von GiESONschen Färbung die ventrale Muskidatur Pilainsäure annahm, während die dorsalen Fasern heller, die liga- mentösen Fasermassen dunkler violett tingiert wurden. Ich kam zu dem gleichen Ergebnis: hier wie bei allen andern Färbungen verhalten sich dorsale Fasern und ventrale Muskeln durchaus verschieden; aber es ist, worauf schon Hamann hinwies, nicht außer acht zu lassen, daß die Färbung der Dorsalfasern auch von der des echten Bindegewebes abweicht. Auf freundlichen Rat meines Kollegen W. J. Schmidt ver- suchte ich Färbungen mit Weigerts Resorcin-Fuchsin und Unnas saurem Orcein, welche bei Wirbeitieren die elastischen Fasern scharf hervortreten lassen. Beide Färbungen übten keinen besonderen Ein- fluß auf die Fasermassen aus. Bei Anwendung von Eisenhämatoxylin und Nachfärbung mit Aurantia, einem ausgesprochenen Muskelfarb- stoff, ist der Unterschied zwischen ventraler Muskulatur und Dorsal- fasern sogar kaum wahrnehmbar, wovon ich mich oft überzeugen konnte. Häufig kommen in den dorsalen Fasermassen auf Armlängsschnitten merkwürdige wellenförmige Zeichnungen zur Beobachtung — vor- nehmlich bei ganz gestreckter ventraler Muskulatur, — welche kaum anders wie als Kontraktionszustände aufgefaßt werden können. Sie ähneln entfernt den sogenannten Kontraktionsknoten in glatten Muskel- Zellen. Die Färbung der Wellenhügel weicht in auffälliger Weise von derjenigen der Wellentäler ab. Erstere nähert sich der Muskelfärbung, letztere ist die gewöhnliche Färbung der Dorsalfasern. (Anwendung von Eisenhämatoxylin mit Orange, Eosin u. a. m.) Immerhin lege ich der Färbung kein sehr großes Gewicht bei. Daß dies hier nicht mit Unrecht geschieht, scheint mir auch aus dem Vergleich zwischen eigent- lichen Dorsalfasern und sogenannter ligamentöser Fasermasse hervor- zugehen, auf deren verschiedene Färbbarkeit Bosshardt hinweist. Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß beide absolut identisch sind ; außer der wenig verschiedenen Reaktion auf vereinzelte Farbstoffe habe ich in hunderten von Schnitten nicht den allergeringsten Unterschied finden können, es sei denn eine etwas dichtere Lagerung der Faserbündel. Der ganze Aufbau der Fasern, die Zellen, die Iimervierung sind durch- aus gleich. In Schnitten, bei denen der beiderseitige Zusammenhang der Hgamentösen Fasermasse mit der Kalkgrundsubstanz gewahrt war, habe ich niemals ein Bild erhalten, wie es Bosshardt in Fig. 21 gibt. Dasselbe stimmte vielmehr stets mit dem der Dorsalfasern im gleichen Schnitt überein. Auch Chadwick weist kurz auf diese Gleichheit hin, indem er 1907, S. 13 sagt: »The fibres which form the Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 17 interarticular ligaments are not distinguishable from the extensor fibres (Dorsalfasern).« Alles was bisher in bezug auf die Dorsal-Fasermasse gesagt wurde, trifft in gleicher Weise zu für die Verbindung der einzelnen Cirrenglieder bei Antedon, Actinometra und Isocrinus, ferner für die Verbindung der Stielglieder von Isocrinus, für die Verbindung zwischen Costale I und II, und endlich für die Syzygieen, was Bosshardt mit Eecht stark betont (op. cit. S. 102). Die Syzygieen im Stiel Yon Isocrinus — es liegt je eine unter jedem Girren tragenden Glied, zeigen keine Ab- weichung von denen der Arme; nur sind ihre Fasern auf ein Minimum verkürzt. Im übrigen besitzen sie ebensogut die charakteristischen Schleifen, Zellen und Nervenelemente, wie die Dorsalfasern; nur sind dieselben schwerer festzustellen. Wenn nun Hamann 1889, S. 127 schreibt : »Ob man die Fasern in den Syzygieen, — das sind die Naht- verbindungen, welche zwei Armglieder an Stelle der Muskulatur ver- binden können — ebenfalls für muskulös erklären will oder nicht, das hängt gänzlich vom Belieben ab. Eine strenge Grenze zwischen elastischer Faser und kontraktiler Spindelzelle kann ich nicht auffinden, « so kann ich nur mit dem zweiten Satz übereinstimmen. Noch weniger kann ich Hamann beipflichten, wenn er, 1905, S. 1466, sagt: Die Faser- masse in den Syzygieen, d. h. die Fasern, welche die Nahtverbindung von je 2 Kalkstücken derartig herstellen, daß diese unbeweglich gegen- einander sind, wird jedermann der Bindesubstanz zurechnen. Ihr Bau ähnelt dem der dorsalen Muskelfasern Eine histologische Unterscheidung zwischen beiden Faserarten ist sehr schwierig, hier kann nur die Beobachtung am lebenden Tier entscheiden und diese zeigt, daß die Fasern der Girren sich kontrahieren, daß den Fasern der Syzygieen aber jedes Kontraktions vermögen abgeht.« — Meines Erachtens sind wir lediglich vor folgende zwei Möghchkeiten gestellt: Entweder wir müssen nur die ventralen Fasermassen als Muskulatur ansprechen und die übrigen Verbindungen als elastische Bindegewebsfasern; oder wir müssen allen ebengenannten Verbindungen ohne Ausnahme kon- traktile Eigenschaften zuweisen, sie etwa für eine primitive Form von Muskulatur ansehen. Für letztere Auffassung scheinen mir, abgesehen von der reichen Innervierung und sonstigen histologischen Einzelheiten noch mehr Gründe vorzuliegen. BossHARDT gibt am Schluß seiner Arbeit selbst zu, daß die Er- klärung der aktiven Cirrenbewegung unmöglich ist, wenn wir als Ver- bindung der Girrenglieder nur elastisches Bindegewebe annehmen. Bei Antedon ist es aber unbestrittene Tatsache, daß die Ranken aktiv Zeitschrift f. wlssensch. Zoologie. Ol. Bd. 2 18 August Reichensperger, bewegiicli sind. Die Bewegung erfolgt nach meinen Neapler Beob- achtungen ziemhch langsam, wenn das Tier ungestört ist. Reizt man dasselbe, so kann man auch schnellere Bewegungen sehen, die von unten nach oben erfolgen, falls das Tier auf einer Alge oder einem Stein festgeklammert saß. Dabei ist ein Mitwirken der Schwerkraft, das oft zur Erklärung herangezogen wird, ausgeschlossen. An ganz frischen Tieren habe ich in seltenen Fällen sogar eine Art langsamer Gehbewegungen mittels der Girren unter gleichzeitiger leichter Arm- bewegung beobachtet. Die Cirrenspuren waren nachher im feinen Bodensand deutlich sichtbar. Nach Alexandee Agassiz, der mehrere Isocrinus lebend einioe Stunden hielt, sind die Rankenbewegungen dieser Form sogar recht energisch: »They use the cirri more rapidly, then the arms and use them as hooks, to catch hold of neighbouring objects.« Die Girren von Isocrinus weisen aber genau die gleichen Elemente auf, wie diejenigen von Äntedon. — Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens nicht leicht zu erklären ist, wenn wir nur elastisches Bindegewebe als Gliedverbindung aimehmen, ist die Möglichkeit der Autotomie. Die Girren sind in der Lage, ohne merkbaren äußern Ein- fluß, ja ohne heftigere Bewegung ganz oder teilweise Autotomie auszuüben. Letzteres geschieht äußerst selten und habe ich nur wenige Teilregenerate von Ranken erhalten können. Ersteres kommt häufiger vor und scheint an bestimmte chemisch-physikalische Eigenschaften des Wassers geknüpft zu sein, die festzustellen nicht gelang. In Neapel hatte ich ein Zimmer bezogen, das, mit großem Aquarium versehen, in dem damals neu erbauten Teil der Stazione zoologica gelegen war. Das Aquarium, aufs beste eingerichtet, wurde von der ebenfalls neuen Leitung mit hinreichend gekühltem Wasser versehen, das sich fortwährend erneuerte. Die Lichtseite wurde abgeblendet. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln gelang es nicht, Antedon länger wie 2 — 3 Tage dort am Leben zu erhalten, obwohl Prof. Mayer und Dr. Hensen mir mit großer Sachkenntnis beistanden. Letzterer hatte sogar die Freundlichkeit eingehende Untersuchungen des Wassers auf Schadstoffe vorzunehmen, welche aber alle ohne Ergebnis blieben. Eine Änderung trat im Verlauf der fünf Monate, die ich dort weilte, nicht ein. Alle späteren Versuche endeten mit dem baldigen Absterben der Tiere, obwohl sich andre Echinodermen u. dgl. vorzüglich hielten. Ich benutzte daher auf Prof. Mayers Rat kleinere Glasgefäße, die von der alten Leitung gespeist wurden und dort hielt sich Antedon ausgezeichnet. Das Absterben in dem großen Aquarium vollzog sich nun stets unter den gleichen Erscheinungen. Die Tiere machten sich Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Ciinoiden. 11) seßhaft und hielten die Arme leicht ausgebreitet oder halb eingerollt, während Antedon, wenn er sich wohlfühlt, die Arme weiter ausstreckt. Nach etwa 24 Stunden oder später begann die Autotomie. Ohne starke Bewegungen wurden oft nach und nach die ganzen Pinnulae zuerst abgeworfen oder kleine Armstücke sanken von der Spitze beginnend zu Boden, bis die iVrme nur mehr aus Stümpfen bestanden. Häufig folgten dann die Girren, meist als Ganzes, wie schon oben gesagt. Wurden die verstümmelten Tiere dann in das andre Behältnis gebracht, so regenerierten sie prompt. — Zuweilen verlief die Autotomie mit solcher Regelmäßigkeit, daß der Kelch in der Mitte lag und die Armstücke strahlenförmig, in ähnhcher Ordnung, durch kleine Zwischenräume getrennt, um ihn her. Fast stets vollzog sich die Autotomie an einer Syzygie, so daß die Vermutung Bathers und Minckerts 1905, die Syzygieen seien prädestinierte Durchbruchsstellen, sicher zu recht be- steht. Mir scheinen diese Tatsachen, die ähnlich Perrier 1873, Mar- shall 1884 u. a. schilderten, darauf hinzuweisen, daß in den Ver- bindungen der Cirrengiieder, wie in den Syzygieen kontraktile Elemente vorhanden sind, da ich mir anders nicht erklären kann, wie ohne überaus krampfhafte und starke Bewegungen das Tier in der. Lage sein sollte, Autotomie auszuüben. Mikroskopisch läßt sich fest- stellen, daß die Syzygieen meist in der Mitte reißen ; seltener findet ein Bruch in der Schleifenregion statt. Ich denke mir den Vorgang derart, daß auf Nervenreize hin eine plötzliche Überkontraktion der Fasern stattfindet, so daß diese reißen. Auch wenn man ein stillsitzendes Tier mit der Pinzette an einem distalen Armteile fest faßt, ohne es sonst zu beunruhigen, erfolgt vielfach die Autotomie plötzlich ohne stärkere Bewegung. Sicher ist, daß die Autotomie nicht nur mechanisch erfolgt, Avie MiNCKERT anzunehmen geneigt scheint, op. cit. S. 233 ff. Ob über- haupt die untern Armpartien lediglich mechanisch infolge von Ein- rollen autotomieren können, bleibt mir zweifelhaft. — Es ist, wie schon berichtet, höchst ausnahmsweise der Fall, daß Autotomie an einer Synarthrie eintritt. In solchen Fällen reißt, soviel ich erkennen konnte, zunächst die dorsale Fasermasse, später erst folgen die ventralen Muskeln. Die abgebrochene Oberfläche bietet ein verwirrtes Bild von Fasern und die Regeneration tritt etwas weniger prompt ein, wie beim Bruch einer Syzygie. Darin liegt wohl auch die Beantwortung der Frage BossHARDTs, warum in den Gelenken zwischen Costale I und II und Brachiale I und II nur Muskeln der einen Art, d. h. Dorsalfasern zur Ausbildung gelangten. Dem Tiere wird eben durch eine solche Ein- richtung das Abwerfen der untersten Armteile bis auf den Kelch 2* 20 August Reichensperger, erleichtert ; auch hier haben wir, was schon Minckert als wahrscheinlich betrachtet, prädestinierte und präformierte, intravitale Durchbruch- stellen. Tatsächlich findet man in natura öfter Tiere, welche am Costale I oder Brachiale I Regenerate aufweisen. Von Interesse ist ein Vergleich der MiNCKERTschen Ansichten mit denen von A. H. Clark 1910. Er zeigt sowohl die wechselnde Stellung und Unsicherheit bezüglich des Wertes von Syzygieen und dorsalen Fasermassen, wie er auch anderseits den Beweis liefert, daß sich eine erneute physiologische Untersuchung am lebenden Material lohnen würde. Beide, Clark wie Minckert, halten die fraghchen Fasermassen für reines Bindegewebe mit elastischen Eigenschaften. Beide sind in- folgedessen der Ansicht, daß auf mechanischem Wege, d. h. durch plötzliche starke Armbewegungen, Autotomie erfolgt. In allen übrigen Punkten stehen sich beide diametral gegenüber. Minckert hält die Syzygie im Leben für einen locus minoris resistentiae, wie fast alle Forscher vor ihm. Sars 1868, findet in Clark einen Verteidiger, indem letzterer die Syzygieen im Leben für mindestens so stark hält, wie die muskulären Verbindungen. Minckert ist der Ansicht, daß die Auto- tomie durch ein starkes Einrollen der Arme, d. h. durch stärkste Zu- sammenziehung der ventralen Muskulatur erfolgt; Clark glaubt, daß, wenn aus einem Grunde, beispielsweise unter dem Eintritt einer Panik bei Gefangennahme, »the muscles are rendered inert« (also erschlaffen), das Dorsalligament zur äußersten Grenze sich kontrahiert und die Fasern in den Syzygieen sich ebenfalls zusammen- ziehen, und zwar »through sympathetic action«; da Clark nun glaubt, daß die Syzygialfasern normal unter einer mittleren Spannung stehen, können sie vermöge ihrer Kürze der Kontraktion der Dorsalfasern nicht in gleichem Maße folgen »but would be puUed apart, thus breaking off the arm at the syzygie«. — Während also hier der Bruch auf stärkste Streckung und Einrollung vom Kelch ab erfolgt, wird er bei Minckert durch Einrollung in Richtung auf den Kelch zu hervorgerufen. Letzterer spricht die Ansicht aus, daß während des Wachstums vieler Comatuliden zwecks Armvermehrung, die alten Arme freiwillig ab- geworfen werden; Clark nimmt einen unfreiwilligen Bruch an, indem er zwar den Dorsalfasern die Fähigkeit zuschreibt, sich vermöge ihrer »contractile power« stufenweise den Wachstumsverhältnissen an- zupassen, den Syzygialfasern dagegen diese Fähigkeit wie oben ab- spricht, S. 44. Letztere Annahme scheint mir etwas willkürlich, zumal er kurz vorher S. 43, auch von den Syzygialfasern sagt, sie seien eben- falls »kontraktile«, wenn auch in geringerem Maße wie die Dorsalfasern; Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 21 der Ausdruck »kontraktile« ist zudem irreleitend, da er eo ipso den von Clark für Bindegewebe gehaltenen Fasermassen muskulöse Eigen- schaften zuspricht. Sind solche aber vorhanden, so ist es unnötig, die Autotomie rein mechanisch zu erklären. Der Auffassung beider Autoren steht die Tatsache entgegen, daß z. B. Antedon auf Reize sowohl dadurch reagieren kann, daß sämt- liche oder einige Arme bis zum äußersten Grade eingerollt werden, als auch dadurch, daß die Arme gänzlich nach außen hin geschlagen werden, ohne daß weder hier wie dort ein Bruch erfolgt. Dieser müßte aber wohl unter den Umständen eintreten, falls die CLARKsche und Minckert- sche Anschauung zu Recht bestände. — In dem Satze: »the syzygie is in living crinoids at least as strong as the muscular articulations, as anyone may prove f or himself by breaking up crinoid arms «, stimme ich Clark gerne zu. Ebenso kann ich ihm nur beipflichten, wenn er fortfährt: »Under certain conditions, however, the syzygie becomes peculiarly weak, and often breaks of itself.« Wollen wir diese beiden Tatsachen aber vereinen, so müssen wir meines Erachtens den Syzygial- fasern muskulöse Eigenschaften zuerkennen, d. h. eine Kontraktilität, welche je nach ausgeübtem Reiz und Befinden des Tieres unabhängig von der Kontraktion der übrigen Gliedverbindungen, eintreten kann oder nicht. Die oben geschilderte Innervierung deutet an. daß dies möglich ist. Überschreitet die Kontraktion einen bestimmten Grad, der allerdings mechanisch im Bau der Syzygie begründet ist, so tritt die Autotomie ein. Von allen auf Muskeln und Fasern von mir untersuchten Teilen scheint mir der Stiel der gestielten Crinoiden am ersten ohne eine ge- wisse Kontraktilität seiner Fasern auskommen zu können, — hier treffen wir auch die birnförmigen Ganglienzellen nur in sehr beschränkter Zahl, — allerdings mit Ausnahme der auch dort vorkommenden Syzygieen. Bei Isocrinus laufen die Fasern der gewöhnlichen Glieder meist durch mehrere derselben durch und sind stärker in Kalkgewebe eingebettet. Es dürfte der Stiel daher an solchen Stellen intravital ebensowenig brechen wie postmortal. Versucht man letzteres, so erhält man stets eine unregelmäßige Fläche mit Bruchstücken der benachbarten Glieder. Glatt bricht nur die Syzygie, die sich unter jedem Girren tragenden Glied befindet. Sie ist auch hier unzweifelhaft prädestinierte Bruch- stelle, und beim Stiel der Crinoiden ist noch weniger, wie bei den Armen einzusehen, wie eine freiwillige Autotomie auf rein mechanischem Wege erfolgen sollte. Daß die Syzygie stets direkt unterhalb des Cirrengliedes liegt, hat für das Tier die Bedeutung, daß es sich mit den nach dem 22 August Reichensperger, Bruch am untersten Ende stehenden Girren gleich wieder aufrecht an- klammern kann, indem dann diese Girren die Wurzelcirren vertreten, mit denen vorher die Festheftung besorgt wurde. Auf die Absterbeerscheinungen ohne vorhergehende Autotomie, auf die besonders Lang 1894, S. 965, hinweist, und die er als rätselhaft bezeichnet, wenn man die Dorsalfasern nur als elastisch ansehe, gehe ich nicht näher ein, da ein sicherer Beweis aus ihnen weder für die eine, noch für die andre Auffassung zu entnehmen ist. Bosshardt macht darüber nähere Angaben, denen ich nicht ganz beistimmen kann. »Tritt der Tod unter normalen Bedingungen ein,« schreibt er S. 104, »so erhält sich die ventrale echte Muskulatur im Zustande der Kon- traktion« d. h. die Krone ist geschlossen, »sie erschlafft und erhält sich in diesem Zustande, sobald der Tod plötzlich und infolge einer Vergiftung herbeigeführt wird«; d. h. die Krone ist dann ausgebreitet. Unter dem hiesigen Institutsmaterial sowie in sonstigen Sammlungen konnte ich feststellen, daß letzteres durchaus nicht als Regel angesehen werden kann. Von Metacrinus, Pentacrinus, Actinometra und Antedon, habe ich fast ebensoviel Stücke gesehen, die bei Vergiftung durch Alkohol oder Formol mit geschlossener Krone abgestorben waren, wie mit offener, stark zurückgeschlagener. Eine genauere Untersuchung von physiologischer Seite würde viel- leicht die Frage nach der Natur der Dorsal- und Syzygialfasern endgültig beantworten; vorläufig muß ich mich auf den Standpunkt stellen, daß wir denselben sehr wohl primitive muskulöse Eigenschaften zuer- kennen können, und daß dadurch eine bessere Erklärungsmöglichkeit vieler Vorgänge gegeben ist, als wenn wir uns damit begnügen, sie als reines Bindegewebe zu betrachten. 3. Die ventrale Muskulatur. Bezüglich dieser hochdifferenzierten Muskeln möchte ich zu Boss- HARDTs eingehender Schilderung einige Ergänzungen liefern und zugleich, im Anschluß an das vorige Kapitel, die Neubildung der Muskeln im Regenerat besprechen. Nachdem Schwalbe 1869 bei den Muskel- fasern der Ophiuren zuerst eine sogenannte doppelte Schrägstreifung beschrieben hatte, finden wir erst bei Jickeli 1884 eine dunkle Hin- deutung auf eine Schrägstreifung der Muskelfasern von Antedon. Außer ihm hat nur Bosshardt dieselbe wiederaufgefunden und genauer er- läutert. Dessen Feststellungen bezüglich des Baues der einzelnen Faser bei Antedon kann ich mich nur anschließen. Außerdem gelang es mir aber auch, für die Ventralmuskulatur von Isoer inus und A cti- Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 23 n 0 metr a eine Doppelschrägstreifung nachzuweisen. Am leichtesten gelingt dies, wenn man mit Eisenhämatoxylin bis zu einem gewissen Grade überfärbt und dann Aurantia, Eosin oder verdünntes Säure- fuchsin anwendet. Das Sarkoplasma (»isotrope Substanz« Bosshardts) der Muskelfaser zeigt dann eine gelbe oder rötliche Färbung und wird von scharfkonturierten schwärzlichen Fäden der kontraktilen Substanz, Myofibrillen, spiralig umwunden. Der Verlauf der Spiralfäden ist nach dem Kontraktionsstadium des Muskels verschieden. Ist die Faser sehr stark zusammengezogen, so verlaufen sie quer über den Muskel fast parallel, so daß ein Bild zustande kommt, wie es ungefähr Knoll von dem Schließmuskel bei Lima darstellt, den er im kontrahierten Zustande »als etwa quergestreift bezeichnen müßte «. Ein so starker Kontraktions- zustand kommt aber bei Antedon äußerst selten zur Fixierung, und ist BossHARDT nach seiner Äußerung nicht zu Gesicht gekommen. Ich stelle in Fig. 19, Taf. I einen solchen dar, und zwar wurden zuerst bei tiefer Einstellung die untern Linien, später bei hoher Einstellung die obern eingezeichnet. Unentschieden läßt Bosshardt zwei Fragen: 1. ob die beiden dunkeln Liniensysteme einer einzigen Spirale angehören (Khode 1885, Ballowitz und Wachwitz), oder ob die anisotrope Substanz in zwei verschiedenen Spiralen angeordnet ist (Engelmann 1881 und Knoll 1892, neuerdings Marceau 1907); 2. ob und in wieweit läßt sich die doppelte Schrägstreifung auf einen Kontraktionsvorgang zurückführen. — Zugunsten derjenigen, welche in der Doppelschräg- streifung einen Kontraktionsvorgang sehen, spricht nach Bosshardt die Tatsache, daß glatte, längsgestreifte und doppelt schräggestreifte Fasern gemischt vorkommen. Was zunächst die zweite Frage betrifft, so muß ich ebenfalls die Doppelschrägstreifung für einen Kontraktionszustand der im absolut erschlafften Zustand stets längsgestreiften ventralen Muskelfasern halten. Bei genügend starker Vergrößerung und intensiver Färbung habe ich glatte Fasern niemals feststellen können. An Armstücken, die eine bestimmte Streckung hatten, zeigte sich, daß alle ventralen Muskelbündel einfach längsgestreift waren, ohne jede Schrägstreif img. Solche Armstücke entnahm ich z.B. einem Exemplar von Isocrinus, dessen Arme in geringem Maße dorsal geneigt waren; ich erhielt sie auch von Antedon, falls es gelang, die Tiere vor der Fixation in natürlicher Stellung mit Chloralhydrat zu betäuben. Anderseits zeigten alle sehr stark ven- tral eingekrümmten Armstücke fast ausschließliche starke Schrägstrei- fung ihrer Muskeln, und zwar hatten die am meisten ventral gelegenen, also die am energischsten zusammengezogenen, die engsten Spiralen. 24 August Reichensperger, Die erste Frage möchte ich in dem Sinne beantworten, daß die anisotrope Substanz sich nm' als einfaches Schraubensystem ange- ordnet zeigt. Abgesehen von ihrer viel geringeren Dicke haben die Muskelfasern von Antedon usw. große Ähnlichkeit mit den Muskel- fasern aus dem Mantel der Cephalopoden, wie sie Ballowitz darstellt. Vor allem die abgeplattete Faser aus dem Mantel von Eledone, Heiden- hain 1911, S. 606, zeigt ein Bild, wie man es häufig bei Antedon trifft. Am ersten erkennt man den Spiral verlauf bei mäßig gestreckten Fasern, wie Fig. 20, Taf , I zeigt. Man sieht dann deutlich, daß die Doppel- schrägstreifung dadurch hervorgerufen wird, daß Oberseite imd Unter- seite zugleich sichtbar sind, daß es sich in der Tat aber nur um eine einfache Streifung handelt. Je intensiver die Eisenhämatoxylinfärbung eines mögUchst dünnen Schnittes und je stärker die Vergrößerung ist, um so klarer werden die Verhältnisse, vornehmlich, wenn man in Kon- traktion fixierte und beim Schneiden zerrissene Teile antrifft. So zeigt Fig. 21, Taf. I deutlich die gleichsinnig verlaufenden Spiralgänge und ihre Lage. Wir sehen, daß sie nur in der äußersten Schicht der Fasern vorzukommen scheinen, nicht, wie bei dem Schalenmuskel der Muscheln, durch die ganze Dicke hindurch entwickelt sind. Abgesehen von den Spiralgängen erscheinen die Muskelfasern in Längsschnitten homogen, ohne Ausbildung einer Rindenschicht oder dergleichen. Nebenstehende Textfigur gibt bei gleicher Vergrößerung und Färbung Querschnitte durch Muskelfasern, und zwar bei a in Kontraktion, bei h in erschlafftem Zustand. Wir sehen in beiden Figuren eine Anzahl von sogenannten Muskelleisten, welche von mehr oder weniger keilförmiger Gestalt sind und sich kreisförmig bis elliptisch anordnen. Die Zahl der Leisten ist selten sehr hoch, sie bleibt meist unter 20 und übersteigt, soviel ich sah, niemals 25. Sie liegen von Sarcoplasma umhüllt und lassen zwischen sich einen ziemlich erheblichen Spalt. In der Mitte ist vielfach ein Kern der Faser anzutreffen. Ist der Muskel erschlafft, so ist der mittlere Raum ziemlich umfangreich; bei zunehmender Kontraktion wird die Form der einzelnen Leisten noch ausgesprochener dreieckig, keilförmig; die Leisten wachsen an Umfang und nehmen besonders nach der Mitte hin an Ausdehnung zu, so daß der dort befindliche Raum sich verkleinert und bei stärkster Zusammenziehung fast verschwindet. Sehr dünne, mit Eisenhämatoxylin stark tingierte Querschnitte durch kontrahierte Muskeln geben weitere Auskunft über die Leisten. Dieselben bestehen aus einer Kittsubstanz, in welche die Myofibrillen eingebettet liegen. Fig. 17, Taf. III zeigt einzelne Leisten aus aneinander grenzenden Muskelfasern. Die Fibrillen liegen meist in zwei, selten in drei oder Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 25 mehr Längsreihen angeordnet, im allgemeinen näher zum Rande hin, während die Mitte freibleibt. Betrachten wir nun kurz ihre Entwicklung und die Art ihrer Be- festigung an der Kalkgrundsubstanz. Im vorigen Kapitel erwähnte ich bereits, daß Muskel- und Dorsalfasern aus sehr ähnlichen Elementen ihren Ursprung nehmen. Doch tritt dann bald eine deutliche Scheidung auf, die in Fig. 12 und 13, Taf . I gegen Fig. 5 und 6 deutlich erkennbar wird. Die Urmuskelzellen sind etwas umfangreicher, ihr Plasma er- scheint mehr gestrichelt wie gepunktet. Der Kern besitzt nur ein deut- liches Kernkörperchen. Ehe eine solche Zelle sich weiter differenziert, tritt fast regelmäßig eine mitotische Teilung ein. Diese wird dadurch eingeleitet, daß der Kern zunächst ^llliMli^gi^ %if dunkler und das Kernkörperchen ^^^lii^S? ^S« ^^ unkenntlicher wird (Fig. 13, Taf. I). — ^^^J^IIkV "^'jiV^^* Bei der Regeneration der Ophiuren WmW^ {Amphiura spec?) tritt nach Davy- ^ ^ DOFF 1901 eine Teilung der Muskel- Textfig. C. Zellen erst in vorgeschritteneren Sta- Querschnitt durch Muskelfasern. Zeiss. T . .. T 1 -IT n homog. Imm. 2,00, Oc. 4. liisenhämatox.- dium em, namiich, wenn sich diesel ben Aurantia bereits stark in die Länge gestreckt haben, Taf. XVIII, Fig. 29. Bei Antedon habe ich das nicht beob- achtet. — Nach der Teilung, die regulär verläuft, verändern sich die beiden Schwesterzellen in eigentümlicher Weise. Sie liegen meist neben- einander, wie das Fig. 15 zeigt. Der Kern ist umfangreicher geworden und besitzt stets zwei Kernkörperchen. Das Zellplasma hat sich nach zwei Seiten gezogen. Kurz darauf hat sich die Zelle noch mehr gestreckt und spitz ausgezogen, der Kern ist oval geworden und an Stelle der zwei Kernkörperchen ist ein einziges getreten, das merkbar größer ist. Es hat also wohl eine Verschmelzung stattgefunden. In diesem Stadium glaube ich die Bildung der ersten Fibrillen wahrgenommen zu haben (Fig. 16). Auf der folgenden beobachteten Stufe (Fig. 17) hat die Zahl der Fibrillen sehr zugenommen und die junge Muskelfaser bildet ein in höchst selt- samer Weise gedrehtes Band, wie aus der Zeichnung ersichthch ist. Ob diese Drehung mit der späteren Schrägstreifung irgendwie in Zusammen- hang steht, oder ob sie nur mit der gegenseitigen Lage der Fasern, die bekanntlich zu Bündeln vereinigt sind, etwas zu tun hat, entzieht sich meiner Beurteilung. In letztgenannter Figur bemerken wir auch eine Anheftungsstelle des jungen Muskels. Jede einzelne Fibrille endet in einem deutlichen dunkeln Pünktchen an der Kalkgrundsubstanz und 26 August Reichensperger, zwar meist an der Grenze zwisclien dieser und den abgeschiedenen Skeletteilen, ob sie dabei mit dem Kalk selbst in Berührung tritt und an ihm haftet, erscheint mir fraglich. Bei der ausgewachsenen Faser (Fig. 18) ist eine eigenartige Körnung im Sarcoplasma sichtbar; der Kern ist langgestreckt und weist ein kleines Bläschen mit Kernkörper auf. An der Anheftungsstelle haben sich kompakte Platten entwickelt (Fig. 22, Taf. I), in denen sich die einzelnen Fibrillen nicht unter- scheiden lassen. Wir sehen, wie sich die Platten der Kontur der Maschen anpassen, in denen die Skeletteile lagen. Nach der intensiveren Färbuns der Platten und der ihnen benachbarten Faserteile scheint es fast, als ob eine besonders ausgeschiedene Substanz die Anheftung be- wirke. Hier möchte ich noch merkwürdiger Zellen gedenken, die sich regel- mäßig an den Muskelenden finden, die ich jedoch nirgends erwähnt sah. Sie liegen in der den Anheftungsplatten benachbarten Grundsubstanz und nur dort. Ihre Gestalt ist etwa halbmondförmig, der Kern färbt sich intensiv und ein wahres Gewirre von Ausläufern geht von ihnen aus, das am besten durch EisenhämatoxyHn sichtbar wird. Die Ausläufer ziehen faserig hin und her, treten an die Muskelfaserenden heran und lassen sich zwischen ihnen ein kurzes Stück verfolgen. Es ist schwer, über die Funktion dieser Zellen etwas auszusagen, um so mehr als ich ihre Entstehung nicht verfolgen konnte. Vielleicht sind es besonders differenzierte Bindegewebselemente, welche eine Verstärkung der Teile bewirken, an denen die Muskeln haften. Mit der Innervierung der Muskulatur haben sie nichts zu tun. Diese geschieht lediglich von dem obenerwähnten Nervenast aus, den Carpenter beschrieb. Derselbe teilt sich in äußerst feine Zweige, welche von der Seite in die Muskel- bündel eindringen und an die Fasern herantreten. — Minckert sagt 1905 an einer Stelle bei Besprechung der Syzygieen : »Erfahrungen der Ontogenie an Äntedon rosaceus zeigen, daß die in Entwicklung begriffenen ArmgUeder hinsichtlich ihrer Gestalt wie der Art ihrer Verbindung, noch auf vom Stiel losgelösten Stadien, keine nennenswerten Unter- schiede aufweisen, so daß offenbar aus einer annähernd gleichen, in- differenten Anlage sowohl Gelenkverbindungen, wie Syzygieen sich differenzieren.« Dies zeigen auch, wie wir sahen, die Regenerations- prozesse, bei denen anfänglich weder histologisch noch morphologisch erkannt werden kann, welcher Wert den einzelnen Glied Verbindungen zukommt und ob sie sich zu einer Syzygie oder zu einer Synarthrie ge- stalten werden. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 27 4. Das gekammerte Organ. Auf den Bau des gekammerten Organs, das nach unsrer Auffassung einen enterocölen in sich abgeschlossenen Hohlraum bildet, während es früher als Organ des Blutgefäßsystems angesehen wurde, gehe ich hier nicht näher ein und verweise nur auf die Zusammenfassung von Hamann 1905, S. 1493 ff. Ich will an dieser Stelle nur über eimge Besonderheiten berichten, welche seinen Inhalt betreffen. Soviel mir bekannt, ist Perrier der einzige, der einen solchen erwähnt, nach allen andern Autoren bildet das gekammerte Organ einen fünfkammerigen leeren Raum. Perrier 1890, S. 23, schreibt darüber: »Ces poches elles- memes contiennent d'ordinaire un grand nombre d'elements libres, tres regulierement spheriques, qui n'absorbent presque pas les matieres colorantes et tranchent nettement par lä sur tous les autres. Nous n'avons pas rencontre d'elements semblables en dehors des chambres de i'organe cloisonne. « In meiner Arbeit über Isocrinus 1905, sind die »Corps spheriques als dunkle Körner erwähnt (S. 13). Diese Elemente zeigen nach meinen Präparaten eine ganz bestimmte Neigung zu gewissen Färbungen. Vielleicht dürfte dies, in Verbindung mit ihrem gleich zu erwähnenden Vorkommen, eine Hindeutung auf ihren Zweck und zugleich auf die Natur des gekammerten Organs er- lauben. In allen Teilen des Organs, und nur in diesen, treffen wir kleine und größere kugelige Gebilde. Fig. 23, Taf. I zeigt eine Kammer mit Inhalt. Die Gebilde färben sich äußerst schwach mit Eosin, Orange, Aurantium, Säurefuchsin und verwandten Stoffen. Sie nehmen teil- weise mit Delafields und Heidenhains Hämatoxylin, sowie mit Thionin eine starke Tinktion an. Nach einer solchen läßt sich erkennen, daß die kleineren Teilchen aus feiner bröckeliuer Substanz bestehen. Von dieser werden auch die großen Kugeln überzogen, aber in verschie- dener Weise, bald durch eine dickere, bald durch eine sehr dünne Lage. Bei Anwendung der Immersion wird nämlich ersichtlich, daß die corps spheriques Hohl kugeln sind, was am deutlichsten zutage tritt, wenn sie bei dünnen Schnitten angeschnitten wurden, wie das Fig. 24 dar- stellt. Die Größe der am weitesten entwickelten beträgt 6 bis 10 /< und wir finden diese Körper bei Isocrinus, bei Antedon und bei Actinometra, woraus sich schließen läßt, daß sie eine ganz normale Bildung sind und ihnen wohl eine ganz bestimmte Aufgabe zusteht. — Woher entstehen diese Körper? Das ist mir zweifelhaft geblieben, obwohl gewisse An- deutungen vorhanden sind, daß das ziemlich hohe Epithel des ge- kammerten Organs eine Rolle dabei spielt. An ihm liegen meist kleinere 28 August Reichensperger, Bläschen und solche, welche reicher von organischer Substanz umzogen sind (Fig. 23). Ein direktes Hervorgehen aus dem Epithel, oder Ver- änderungen innerhalb seiner Zellen habe ich, zumal bei der Kleinheit der Elemente, nicht konstatieren können. Ich gebe nun die Notizen über das Vorkommen der corps spheriques in sämtlichen von mir in Serien zerlegten Kelchen (Celloidin-Paraffin-Einbettung). Es handelt sich hier nur um ausgewachsene Tiere: 5 Isocrinus decorus: Sämtliche Kammern mit zahlreichen Kügelchen versehen. 2 Actinometra robusti'pinna: Sämthche Kammern mit zahlreichen Kügelchen versehen. 1 Actinometra spec? Sämtliche Kammern mit zahlreichen Kügelchen versehen. 6 Antedon rosaceus normal: Sämtliche Kammern mit zahlreichen Kügelchen versehen. 3 Antedon rosaceus in Regeneration sämtlicher Arme begriffen. Von diesen letzten regenerierenden Exemplaren besaß eines sehr wenige Kügelchen, die beiden andern gar keine; statt dessen zeigte sich im gekammerten Organ zerstreut ein Fadenwerk von stark färbbarer Substanz, wie solche die Kügelchen umgibt. Kerne sind weder an den Kugeln noch in der bröckelig fadigen Substanz aufzufinden. Auf Grund obiger Tatsachen neige ich zu der Ansicht, daß im gekammerten Organ Reservestoffe, die vielleicht auf osmotischem Wege dorthin ge- langen, aufgespeichert werden. Nach der Färbung der umgebenden Substanz und nach dem Aussehen der Bläschen liegt es am nächsten, an einen Vorrat von Kalk in mehr oder weniger konzentrierter Lösung zu denken, der in den Bläschen abgelagert wird. Ein abschließendes Urteil habe ich mir noch nicht bilden können, zumal ich erst in Bonn auf diese Verhältnisse aufmerksam wurde, und kein lebendes Tier daraufhin untersuchte. Im folgenden Kapitel, das sich auf die Kalk- grundsubstanz bezieht, scheint mir ein weiterer Hinweis auf die Natur der Corps spheriques gegeben und zwar in bestimmten Zellen, von denen ich annehme, daß sie mit der Kalkbereitung für das Skelet in Ver- bindung stehen. Bezüglich des »drüsigen Organs« (Axialorgan) habe ich mich vergeblich bemüht, über dessen Zusammenhang mit andern Organen ins Klare zu kommen. Nur für eine enge Verbindung mit den Blut- lacunen möchte ich mich aussprechen, die auch Chadwick annimmt, wenn er sagt 1907, S. 21 : As already stated above, a part of the lacunar System is in close relation with the axial organ (Fig. 46). Im gleichen Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 29 Sinne sprach sich Ludwig schon 1877 aus. Hamann ist dagegen der Ansicht, daß die Blutgefäße nur in das Bindegewebe verlaufen, welches das drüsige Organ umgibt. Ich habe mehrmals Stellen gefunden, welche ein direktes Eintreten der Blutgefäße in das Organ selbst wahr- scheinlich machen, wie z. B, Fig. 1, Taf. II zeigt. Das dünne Epithel der Blutgefäße geht unmittelbar in das dickere des drüsigen Organs über und außerdem finden sich mitunter die Produkte der Zellen des drüsigen Organs, die zerstreut in ihm vorkommen, im Blutgefäßsystem weder. (Vgl. Fig. 2, Taf. II mit Fig. 3.) Daß es sich in den ziemlich stark färbbaren, runden Körnchen um Produkte der Zellen des Organs handelt, geht daraus hervor, daß die Zellen an solchen Stellen, wo Körnchen liegen, einen ausgesprochenen Drüsencharakter annehmen (Fig. 8, Taf. II) ; unter anderm zeigt das Zellplasma winzige Vacuolen. Wenn ich Hamanns Figur Taf. IX, 5, recht deute, hat er die Körnchen ebenfalls gesehen, aber nicht bezeichnet (in dem an der äußern Peripherie gelegenen Drüsenschlauch). Chadwick berichtet, daß sich zur Brutzeit die Zellen des Axialorgans von ihrer Basalmembran loslösen und amöboid werden; ich habe bisher keinen Beweis dafür finden können, obwohl die Hauptfortpflanzungsperiode in die Zeit meiner Anwesenheit in Neapel fiel. 5. Die Kalkgrundsubstanz. Die Struktur der Kalkgrundsubstanz und ihre Entwicklung hat bisher bei unsern Tieren eine wechselnde Auffassung gefunden, wie auch die Art der Zellelemente, die in ihr vorkommen. Im großen und ganzen bildet die Grundsubstanz auf Schnitten überall ein mehr oder weniger engmaschiges Netzwerk, in dessen Lücken das Kalkskelet lag. Zuweilen sind diese Maschen sehr gleichförmig in Gestalt und Größe, wie z. B. im Kelch von Isocrinus, oft aber liegen enge und weite, runde und elliptische Maschen dicht nebeneinander, wie in den Armen von Antedon. Das Netzwerk wird, wie Hamann 1889 am treffendsten schildert, »von Fibrillen gebildet, welche Fortsätze sternförmiger Zellen sind, die in den Knotenpunkten des Maschen werks liegen«. Hier bemerkt man sie allerdings am häufigsten, doch kommen sie vereinzelt auch an den verschiedensten andern Stellen vor. Perrier 1890 bezeichnet die Zellen als »corpuscules « ; sie seien stets mit wenigstens zwei Ausläufern versehen und etwa sternförmig. Auch Bosshardt nennt die Elemente »kugelige Körperchen«, an denen er aber weder feinere Struktiu-verhältnisse noch Ausläufer erkennen könne. Er hält sie für bloße Kerne der in der Kutis liegenden Bindegewebszellen (Fig. 23). 30 August Reichensperger, Daß es nicht nur Kerne sind, welche in der Grundsubstanz liegen, läßt sich bei Anwendung von Eisenhämatoxylin mit starker Säure- fuchsinnachfärbung, aber auch schon bei einfachem Methoden erkennen. Zwei Zellarten treten dann deutlich zutage. Zunächst kugelige oder etwas gestreckte kleine Zellen mit dunklem Kern, der von geringer Plasmamenge umgeben ist. Von diesen Zellen gehen Ausläufer in Gestalt feiner Fibrillen aus, welche sich mannigfaltig verzweigen, oft auch mit den Fibrillen benachbarter Zellen ein unreoelmäßioes Gewirr bilden und in Verbindung mit den kleinen und großen Maschen, welche von Kalk ausgefüllt waren, der gesamten Grundsubstanz ein wabiges Aussehen verleihen. Vgl. Fig. 25 und 29, Taf. I. An zweiter Stelle finden wir im Grundgewebe diejenigen Zellen, welche meiner Ansicht nach den Aufbau und die Verstärkung des Kalk- gerüsts besorgen. Im Ruhezustand sind sie in den altern Skeletteilen aller untersuchten Crinoiden von sehr charakteristischer Form. Boss- HARDT hat sie gesehen und beschrieben, ohne ihre Bedeutung zu erkennen. Auch glaubt er sie nur in der Nähe der Dorsalfasern bemerkt zu haben, während sie in der Tat allenthalben verbreitet sind, wo immer ver- kalktes Bindegewebe vorhanden ist, oder sich bildet. Es sind ovoide oder fast abgerundete Zellen mit meist elliptischem Kern, der, nach BosSHARDT, »in unmittelbarer Nähe des Zellrandes, in den meisten Fällen am spitzen Pole der Zelle liegt«. — Im Regenerat konnte ich die Veränderungen, welche diese Zellen durchmachen, verfolgen; später fand ich alle Stadien auch in den verschiedensten Teilen des normalen Tieres bisweilen häufiger, bisweilen seltener auf. Fig. 26, 27 und 28 stammt vom jungen Regenerat, Fig. 29 ist von einem älteren ; Fig. 30 — 33 sind aus Arm und Kelch des ausgebildeten Tieres. Im regenerierenden Arm treffen wir an den Stellen, wo Skeletstücke angelegt werden, kugelige Mesenchymzellen, welche sich eifrig teilen. Dieselben besitzen einen großen Kern mit deutlichem Nucleolus (Fig. 26, Taf. I). Indem diese Zellen an Größe zunehmen, wird ihr Kern etwas kleiner und färbt sich so stark, daß keine Einzelheiten an ihm sichtbar sind. Zugleich zeigen sich im Zellplasma Körnchen von der Farbe des Kerns (Fig. 27). Diese Körnchen, die ich für Chromatin halten mochte, treten zu kleinern oder größern Häufchen zusammen. Unmittelbar an ihnen entsteht zunächst ein kleines Bläschen. Dieses kann als Einziges wachsen und einen großen Teil der Zelle beanspruchen; oder, was ungleich öfter der Fall ist, es bilden sich in derselben Zelle eine große Anzahl verschieden umfangreicher, stets aber kugelrunder Bläschen. Die Zelle nimmt bei dem Vorgang an Umfang zu, wird aber an Färbung Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 31 stets blasser und die Kontur ist weniger leicht festzustellen. Der Kern ist bei altern Entwicklungsstadien nur in seltenen Fällen auffind- bar, er hat eine unbestimmte Form angenommen, kann aber durch Safraninfärbung sichtbar gemacht werden, siehe Fig. 3, Taf. III. Bei starker Eisenhämatoxylinfärbung kommt er als blaßgraue Masse zum Vorschein. Überhaupt wird das genaue Studium dieser Zellen durch ihre schwache Plasmatinktion sehr erschwert und Details ließen sich nur mit Hilfe der ZEissschen Immersion erkennen. In vielen Punkten zeigen diese Vorgänge Ähnlichkeiten mit den- jenigen, welche neuerdings Schaxel 1910 an skeletbildenden Mesenchym- zellen von Strongijlocentrotus lividus beschrieben hat. Er hat an dem größeren Objekt ungleich deutlicher die Funktion von Kern und Chromatin erkennen können, ausführlich beschrieben und abgebildet (Taf. XXIII). Die Hauptverschiedenheit von unsern Objekten beruht darin, daß bei Strongijlocentrotus, wie im allgemeinen bei der Skelet- bildung der Echinodermen, soweit mir bekannt, zunächst im Innern der Zelle ein Körperchen erscheint, das Schaxel als ein organisches Substrat bezeichnet, an das die Kalksalze gebunden werden; dieses zeigt größer geworden, im Leben die Gestalt eines Tetraeders (Fig. 79). Im lebenden Zustande habe ich bei Antedon diese Zellen allerdings nicht untersuchen können. Ein weiterer Unterschied ist der, daß bei ScH AXELS Objekt im allgenieinen jede Zelle nur einen chromatischen Herd und Kalkkörper enthielt, was bei unsern Tieren nur den Beginn der Absonderungstätigkeit bezeichnet, während im altern Stadium regelmäßio- mehrere bis viele Herde und Bläschen vorhanden sind. In wenigen Ausnahmefällen nur gelang es Schaxel, Zellen mit mehreren Chromatincentren festzustellen, op. cit. S. 577 und Textfig. 7. Diese gleichen dann aber auffallend unsern Zellen, wenn sie weiter vorge- schritten sind. — Nach allem dem glaube ich mit einiger Berechtigung diesen Zellen den Aufbau des Kalkskelets zuschreiben zu dürfen. Ihr Vorkommen und ihre Verteilung beim Kegenerat wie beim normalen Tier sprechen sehr dafür; ferner die Ähnlichkeit der intracellulären Vorgänge mit den von Schaxel geschilderten. Ich möchte annehmen, daß die Bläschen eine mehr oder weniger konzentrierte Kalklösung enthalten und daß der Kalk später extracellulär abgelagert wird. Auch bei den intracellulär abgelagerten Tetraedern erfolgt ja ein Lösungs- prozeß, welcher der extracellulären Anlagerung des Kalkskelets voran- geht. — Die oben im gekammerten Organ erwähnten Gebilde zeigen manche Ähnlichkeit mit den größern Bläschen in den Zellen. Über eine eventuelle Lösung jener und Transport an andre Stellen hege ich 32 August Reichensperger, bislang nur Vermutungen. Sprechen wir den zuletzt geschilderten Zellen nicht die Funktion des Skeletbaus zu, so bleibt kaum ein andrer Ausweg, wie sie als eine besondere Form von Wander- oder Reserve- zellen unbestimmten Zweckes zu bezeichnen und an derartigen be- weglichen Irrgästen ist sowieso in der Gewebekunde der Echinodermen kein Mangel. Als Drüsenzellen sind sie schon ihrer Lage wegen nicht zu deuten und auch die Färbung spricht hiergegen. — Bei den Holo- thurien und deren Larven bildet sich nach Woodland 1906 und 1908 bei Anlage der Kalkskeletteile zunächst ein vielkerniges Syncytium, innerhalb dessen der Anker usw. gebildet wird. Leider geben Figuren und Beschreibung keine Andeutung über die feinsten Veränderungen in Zellen und Kernen während des Abscheidungsprozesses, op. cit. Taf. 29 und 30. Auch stand mir kein genügend konserviertes Material andrer Echinodermen zur Verfügung, das mir einen Vergleich mit den obigen Zellformen gestattet hätte. Chun gab 1892 eine Schilderung der Skeletentwicklung mediterraner und canarischer Auricularien. Die Zellen, welche dort den Aufbau der Kalkkörper besorgen, zeigen fast die gleichen Erscheinungen, wie ich sie hier beschrieb. Chun sagt : »Ein vacuolenreiches Plasma zeichnet von vornherein die durchschnitt- lich 0,01 mm messenden skeletogenen Zellen aus. Sie wachsen rasch zur doppelten und dreifachen Größe heran, indem gleichzeitig die Zahl der Zellkerne zunimmt. Man trifft bei derselben Auricularie alle Zwischenformen der Zellen an, welche anfänglich noch rundliche Ge- stalt besitzen, später aber sich einseitig abplatten und napfförmige Gestalt annehmen«. — Bei den von mir aufgefundenen Zellen nimmt zwar die Zahl der Kerne nicht zu, es bilden sich aber, wie wir sehen, von dem einen Kern aus zahlreiche Chromatinherde. Vorläufig kann ich sie nur als Bindegewebszellen betrachten, welche besonders für das spätere Wachstum des Kalkskelets differenziert sind, und in einer Art Ruhezustand in ovoider Form überall im Kalkgewebe zerstreut lagern. In der Wachstumsregion älterer Skeletteile, vornehmlich in der Nähe des Dorsalnervenstranges, treten sie bei Bedarf aus ihrer Ruhe heraus; im Regenerat werden sie meist neu gebildet. 6. Die Sacculi. Wenige Organe der Crinoiden haben eine so vielseitige Auffassung erfahren, wie die Sacculi der Gattung Antedon, welche, soweit bekannt, ferner bei Promachocrinus, Eudiocrinus u. a. vorkommen, der Gattung Actinometra jedoch gänzlich fehlen. Es sind eigenartige kugelige Ge- bilde, die in ihrem Innern eine Menge von mehr oder weniger regelmäßig Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 33 gelagerten Körnchen aufweisen, die scheinbar an Fäden aufgereiht sind. Zeitweise tritt eine Ruptur der Wandung des Sacculus nach außen ein und miter normalen Verhältnissen wird stets ein Bündel zusammen- hängender Körnchen auf einmal nach außen abgestoßen. Die Ruptur und ihre spätere Heilung nimmt den Verlauf, wie ich das in einer früheren Mitteilung, 1906, bei der Ruptur der Pinnulaewandung gelegentlich Austritts der Eier von Antedon geschildert habe. Diese Sacculi W. B. Carpenters betrachtete zunächst Wyville- Thomson als kalkbereitende Drüsen; Bury hielt sie für Schleimdrüsen, Ludwig 1877, S. 51 spricht sich für die Auffassung von Perrier 1872 aus, es seien Exkretionsorgane, wofür bereits die Beobachtungen DujARDiNs und Heusingers sprechen, nach denen eine reichliche, rötliche Flüssigkeit von den Sacculi ausgeschieden werden soll, und zwar vornehmlich zur Zeit der Eireife. Er stimmt auch mit Perrier darin überein, daß er W. B. Carpenters 1876 geäußerte Meinmig, die Sacculi seien Sinnesorgane, zurückweist. Vogt und Yung 1888 betrachteten sie als Zooxanthellen, eine Vermutung, die bereits P. H. Carpenter und später Hamann 1905 als irrig nachwiesen. Hamann selbst sagt, ihm machten die Sacculi den Eindruck von Sekretionsorganen. Cuenot endlich rechnet sie unter die Reserveorgane und verficht diese Ansicht auf Grund mikroskopischer und mikrochemischer Studien, 1891, S. 419. Seeliger 1893 gibt eine genaue Übersicht der verschiedenen Meinungen; er selbst hält die Sacculi in der Larve für noch funktionslos und hält es nicht für ausgeschlossen, daß zur Zeit der Geschlechtsreife von ihnen beim Weibchen ein Sekret ausgeschieden wird, das die Eier nach ihrem Austritt an den Pinnulae festklebt. Als letzter äußerte sich Chadwick, 1907, S. 15, ohne nähere Angabe von Gründen, km-z zu unsrer Frage, er sei geneigt, die Sacculi als Exkretionsorgane aufzufassen. Wenn ich mich ebenfalls dieser Ansicht anschließe, so geschieht das weniger aus positiven, wie aus negativen Gesichtspunkten. Die Auffassungen W. B. Carpenters (Sinnesorgane), Vogts und Yungs (Zooxanthellen) und W. Thomsons (calcareous glands) halte ich für genügend widerlegt, und gehe nicht näher darauf ein. Es bleiben noch zwei Hauptrichtungen übrig : Cuenot (organes de reserve) und Duj ardin, Perrier, Ludwig, Hamann, Seeliger, Chadwick (Sekretionsorgane bzw. Exkretionsorgane). Gegen die CuenotscIic Ansicht sprechen mehrere Gründe. Zunächst würde, falls wir die Sacculi als Reserveorgane auffassen, die Ausstoßung des Sacculusinhaltes, der zu allen Zeiten — nach meinen Beobachtungen am lebenden Tier — beliebig entleert wird, eine unglaubliche Ver- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Cl. Bd. 3 34 August Reichensperger, schwendung wertvollster Stoffe bedeuten, die zuerst sorgfältig bereitet werden. Die Entleerung geschieht nämlich seitens der Sacculi, welche in der Scheibendecke und in den Armen, zwischen den Tentakeln liegen, frei ins umgebende Medium; die Sacculi, welche in der Darmwandung und vor allem am After liegen, entleeren sich meist in den Darm hinein. CuENOT konnte nur einmal beobachten, daß eine Körnchenmasse zwischen den Darmzellen lag; ich habe das ungleich häufiger wahr- genommen. Die entleerten Stoffe sind natürlich für das Tier verloren. Man trifft die Kügelchen niemals in Auflösung, was der Fall sein müßte, wenn ihre Stoffe wieder Verwendung finden sollten. Cuekot halt ferner für zu seinen Gunsten sprechend das frühzeitige Auftreten der Sacculi bei der Larve. Er geht dabei von der irrigen Ansicht aus, sie bildeten sich erst, wenn das Tier von außen Nahrung zu sich nimmt, d. h. nach Öffnung von Vestibulum und Anus; ich habe jedoch, ebenso wie Semon 1893 die Sacculi zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich weit entwickelt gefunden. Endlich habe ich die beiden von Cuenot selbst vorgeschlagenen Experimente ausgeführt: 1. Die lebenden A^itedon in filtriertes Meer- wasser übertragen, um zu sehen, ob dann der Sacculusinhalt verwandt wird. Leider gingen bei diesem Versuch, ich weiß nicht aus welchem Grunde, die Tiere nach spätestens 21/2 Tage ein; bis zu dieser Zeit waren die Sacculi unverändert gebheben. 2. Die Arme abzuschneiden, um zu konstatieren, ob die Sacculi der Glieder, welche der Amputations- stelle benachbart sind, bei der Kegeneration sich leeren, also ihre Stoffe zum Neuaufbau abgeben. Letzteres ist nun niemals der Fall; stets zeigten alle Sacculi die gewohnte Form und den gewohnten Lihalt, ohne jede Veränderung. Sehr bald traten auch im jungen Regenerat, wie schon Perrier 1879 schildert, neue Sacculi auf, ohne daß an den alten des Stumpfes eine Besonderheit oder gar Auflösung und Ent- leerung wahrgenommen werden konnte. Unter den Forschern, welche die Sacculi als Sekretionsorgane be- trachten, nehmen nun Duj ardin und Seeliger einen besondern Stand- punkt ein. Ersterer beschreibt ein rötliches Sekret, das vornehmlich zur Zeit der Eireife von den Sacculi ausgestoßen werde, und letzterer glaubt, dasselbe diene zur Festheftung der Eier, stehe also im Dienste der von Antedon rosaceus bekannten Brutpflege. Hiergegen läßt sich zunächst geltend machen, daß die Sacculi bei allen Antedon- Arten vorkommen, daß aber nur von dreien meines Wis- sens Brutpflege bekannt ist, nämlich von Antedon rosaceus, bei welchem die Eier neben ihrer Austrittsstelle an den Pinnulae festgeklebt wer- Beiträge zur Histologie u. zum Verlaut d. Regeneration bei Crinoiden. 35 den bis die freischwimmenden Wimperlarve entwickelt ist ; sodann von Hathrometra = Antedon proUxa Sladen, bei welcher Art nach den schönen Untersuchungen Mortensens 1910 die Pentacrinulae in den verschiedensten Entwicklungsstadien auf den Ranken des Mutter- tieres festsitzen; drittens endlich kommt bei Antedon hirsuta eine ähn- liche Brutpflege vor, jedoch werden die Eier bis zur Wimperlarve in einem Brutraum neben dem Ovar gehalten, ehe sie sich später auf den aufgerichteten Girren festsetzen; Andersson, 1904, Auch diese würden keiner Brutpflegedrüsen bedürfen. — Es müßten aber dem Vorkommen der Sacculi nach alle Antedon-Aiten brutpflegend sein. Ferner kommen die Sacculi stets beiden Geschlechtern, Männchen wie Weibchen zu und sie wären bei ersteren unnütz, wenn sie der Brutpflege dienten. Sodann glaube ich nach meinen Beobachtungen sicher behaupten zu dürfen, daß ein schleimiges Sekret weder in den Sacculi vorkommt oder entwickelt wird, noch auch sich aus diesen nach außen entleert. Es treten vielmehr beim lebenden Tier ausschließlich Körnchen aus und zwar in normalen Fällen stets so, wie das bereits Perrier 1872 auf Taf. II, Fig. 6 anschaulich dargestellt hat, d. h. die Körnchen zu ver- bundenen länglich traubenförmigen Haufen vereinigt. Präformierte Öffnungen habe ich ebensowenig wie Perrier finden können. Bezüg- lich des Austretens sagt letzterer mit vollem Recht: »Les masses piri- formes s'echappent en general toutes ä la fois de la capsule, qui les contient et demeurent alors suspendues exterieurement en grappes aupres d' eile, ä peu pres comme cela est indique pour les oeufs. « Nur anormalerweise werden in der Tat einzelne Körner entleert. Dieselben bleiben im Meerwasser längere Zeit unverändert. Daß kein Schleim produziert wird, erhellt auch aus den Schnittfärbungen, denn die typischen Schleimfarbmittel, Mucicarmin und Thionin versagen hier gänzlich. EndHch sei noch erwähnt, daß es mir, (Zool. Anz. 1908), ge- lungen ist, diejenigen Epitheldrüsen nachzuweisen, welche ausschließ- lich im Dienst der Brutpflege stehen, aber zu den Sacculi gar keine Be- ziehung haben. Dieselben liegen an den Austrittsstellen der Eier, sind nur beim Weibchen vorhanden und kommen nur zur Zeit der Eireife zur vollen Entwicklung. Ihren Inhalt kann man an der Peripherie des ausgetretenen Eis feststellen, sie selbst bilden nachher leere Schläuche, so daß ihre spezielle Bedeutung ohne weiteres klar ist. Bestehen bliebe nun also nur mehr die Möglichkeit, daß wir die Sacculi als Exkretionsorgane schlechthin auffassen und dafür spricht in etwa ihre Entstehungs weise und die Art der Entleerung. Auch ihr frühes Auftreten in der Larve und im Reo;enerat scheint mir mehr 36 August Reichensperger, für eine rein exkre torische Funktion zu sprechen, wenn auch mit Seeliger zugegeben werden soll, daß sich bei vielen Tierformen schon frühzeitig Reservestoffe sammeln. Das einzige, was vielleicht gegen unsre Auffassung geltend gemacht werden könnte, ist ihr bei einzelnen Arten geradezu übermäßig häufiges Auftreten. So lag mir ein, wahr- scheinlich noch unbeschriebener, Antedon (Beschreibung folgt an andrer Stelle) vor, bei dem auf Schnittserien die Sacculi bei weitem den größten Platz des Armes beanspruchten. Sie lagen, nur durch eine dünne Bindegewebsschicht getrennt, dicht aneinander und waren von bedeutender Größe, so daß alle andern Organe zurücktraten. Trotzdem können wir wohl heute noch Ludwig beipflichten, der bereits 1877, S. 51 schrieb: — nachdem er die Wichtigkeit einer Unter- suchung der Sacculi am lebenden Tiere betont hatte — »Soweit sich aber schon jetzt das Resultat derselben voraussehen läßt, wird die PERRiERsche Auffassung derselben als Exkretionsorgane sich als die richtige erweisen. « Einige Unstimmigkeiten herrschen auch noch in bezug auf die Entstehung und das Wachstum des Inhaltes der Sacculi, also eben der Körnchenansammlungen, von denen im vorigen öfter die Rede war. Auf die Entwicklung hin habe ich sie an jungen Larven und an Regeneraten untersucht, fand auch, wie ich erwartete, beide in voller Übereinstim- mung. Die Berichte von Seeliger, Perrier, Cuenot kann ich teils bestätigen, andern teils weiche ich von ihnen ab. Die ersten Sacculi treten in der Fünf zahl kurz vor dem Durchbruch des Vestibulums auf. Sie bilden sich, wie bereits Seeliger sah, dadurch, daß eine beschränkte Zahl von Mesenchymzellen zusammentritt. Meist ist ein solches Zellhäufchen kreisförmig und in demselben kommen anfangs vereinzelte Teilungen vor, während solche nach Seeliger noch viel später, nach der Einkapselung, vorkommen sollen, was ich niemals beobachtet habe. Die Form der ursprünglichen Zellen ist auf Fig. 4, Taf . III bei k dar- gestellt. Sie nehmen Farbstoffe leichter an wie ihre Umgebung und besitzen einen kugelrunden Kern mit deutlichem Kernkörperchen. — Der kleine Kreis, den sie bildeten, wird durch Wachstum der Zellen vergrößert, so daß im Innern ein Raum freibleibt. Durch das AVachs- tum ist der Sacculus der Peripherie nahe gerückt und bildet oft eine kleine Ausbuchtung, wie ich mit Seeliger konstatieren kann. Die Bildung eines besonderen Epithels habe ich auf diesem Stadium noch nicht wahrgenommen, während Seeliger ein solches aus einem peri- pheren Teil der Zellen entstehen sah. Mit der Vergrößerung des Kreises beginnen nun in den Zellen eigenartige Vorgänge sekretorischer Natur. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 37 Der Kern wird undeutlicher und ein Kernkörnchen ist nicht mehr kennthch. Zugleich treten feine Bläschen auf, welche auch Cuenot in Fig. 18, Taf. II, 1891 wiedergibt. Sodann bemerkt man in der Folge ein kleines dunkles Pünktchen, dem nach und nach mehrere folgen. Zugleich haben sich die Zellen ver- größert und etwa zungenförmig gestreckt und zwar in der Weise, daß sie mit der breiten Basis aneinanderstoßen, während die schmaleren Enden in den Kreis hineinreichen. In diesen schmäleren, sich stets verlängernden Teil werden die größeren Körnchen abgeladen und wachsen weiter. Seeliger steht dagegen auf dem Standpunkt, daß jedes Körnchen einer Zelle gleichwertig und aus einer solchen entstanden sei; er glaubt sogar, bei Sublimatfixierung und Pikro- carminfärbung in den Körnern noch Kern und Chromatin gesehen zu haben. Ich habe bei genau der gleichen Anwendung nur Bilder gesehen, wie sie auf Taf. III dargestellt sind und bin mit Bury, Perrier u. a. der Meinung, daß die Körnchen homogen und nur Produkte von Zellen sind. — Ein späteres Stadium zeigt nun, daß allenthalben an der Peri- pherie einige Zellen des Kreises und zwar vornehmlich nach der Außen- seite des Tieres gelegene, keine Körnchen produzieren, sondern schmäler und seitlich länger werden. Diese schließen sich zu einem dünnen weiten Ring um die größeren Zellen zusammen und kapseln sie dadurch in ihrer Gesamtheit ab. — Nach den meisten Beobachtern treten die Körnchen aus der Zelle heraus und ordnen sich um einen langen Aus- läufer schmalbirnförmig oder traubig an. Ich habe im Gegenteil bei Anwendung stärkster Vergrößerung und absolut unverletzter Objekte immer gefunden, daß die Körner in der Zelle bleiben. Sie lösen sich nicht, wie es nach der Fig. 17, Taf. II von Cuenot 1891 und vielen andern erscheint, von der Zelle, welche sie produziert hat, los, sondern sie bleiben im reifen Zustande in dieser und werden mit ihr ausgestoßen. Die umgebende Membran ist allerdings überaus schwer sichtbar. In den Körnchen müssen bis zu ihrer Reife komplizierte chemische Prozesse spielen. Man kann das wohl ihrer Affinität zu verschiedenen Farben entnehmen. Färbt man z. B. mit Eisenhämatoxylin-Eosin, so nimmt im fast reifen Sacculus der größte Teil der Körner intensiv Eosin auf. Einige zeigen Neigung zu Eisenhämatoxylin und werden bräunlich, andre endlich ziehen nur letzteres an und erscheinen pechschwarz; diese sind die jüngsten. Fig. 7 gibt ein Bild in den natürlichen Farben. Wir sehen hier eine Zelle, welche im Begriff ist, den Spitzenfaden zu bilden, der später die obere Wölbung des Sacculus erreicht und dort haftet. Er ist spiralig gedreht und reißt durch Aufrollen vor dem Aus- 38 August Reichensperger, tritt die Zelle von ihrer Basis los. Zur Zeit der beginnenden Fadenbildung ist der Kern ziemlich groß, aber schwach tingierbar, dagegen tritt das Kernkörperchen wieder scharf hervor und in dem Plasma der Zelle lassen sich fadenförmige Stränge unterscheiden, Fig. 7 an der Zellbasis. Ich habe die verschiedensten Mittel beim toten wie beim lebenden Tier angewandt, um die Membran deutlicher sichtbar zu machen. Am besten gelang dies auf folgende Art : Es wurde in ziemlich stark erwärmter FLEMMiNGscher oder HERRMANNscher Lösung ein Armstück fixiert, nach- dem ich mich zuvor davon überzeugt hatte, daß bei dem Tiere reife Sacculi vorhanden waren. Das in Celloidin eingebettete Stück wurde in 10 — 15 // dicke Schnitte zerlegt, welche mit Eisenhämatoxylin- Pikrinsäure- Wasserblau gefärbt wurden. Das Resultat der Behandlung ist auf Taf. III, Fig. 8 in natürlichen Farben ersichtlich. Die Körner, welche wie zusammengebacken aussehen, liegen deutlich innerhalb der Zellmembran, welche nach oben hin in einen fadenförmigen zusammengedrehten Zipfel ausläuft. Der tiefdunkel tingierte Kern, der ziemlich klein ist, liegt meist seitlich an der Basis des ganzen Kom- plexes. Tritt beim lebenden Tier eine solche Masse aus, so scheint nach meinen Beobachtungen die Membran zu reißen, der Inhalt wird frei, haftet jedoch zunächst noch zusammen. Durch diese Befunde bin ich von einer Ansicht abgekommen, die ich zuerst bezüglich der Sacculi hegte, indem ich sie für Verteidigungsorgane hielt. Dafür spricht aber weder das Erhaltenbleiben der Körner, noch auch die Wahrnehmung, daß bei stark gereizten und später fixierten Tieren die Sacculi den normalen Bau und Inhalt zeigten; sie hatten sich auf die Reizung hin nicht entleert. Beim erwachsenen normalen Antedon schrumpft in den meisten Fällen nach Entlassung des Inhaltes die noch übrige Sacculuskapsel schnell zusammen und zwar anscheinend unter dem Druck des um- gebenden Gewebes und gleichzeitiger Regeneration des zerrissenen Epithels. Der prall gefüllte Sacculus wirkt ohne Frage stark pressend auf seine Umgebung, eine Tatsache, die bereits Hamann bezüglich des in seiner Nähe verlaufenden Nervenzuges hervorhob. Was aus dem Kapselepithel wird, konnte ich nicht verfolgen. An der Stelle des verschwundenen Sacculus, oder in unmittelbarer Nähe desselben aber beginnt bald eine Ncuanlage, welche daran kenntlich ist, daß einzelne Mesenchymzellen deutlicher werden und die oben geschilderte Form zeigen. Auch ist weder hier noch beim Regenerat etwas von den häufigen Zellteilungen innerhalb der Kapsel zu bemerken, von denen Seeliger spricht (vgl. seine Fig. 201, 202, Taf. XXII, 1893). Am Beiträge zur Histologie u. zum \'erl;iuf d. Regeneration bei Crinoiden. 39 wenigsten haltbar scheint mir jedoch die Meinung, jedes Korn eines Sacciilus stelle eine degenerierte bzw. umgestaltete Zelle dar. Nach meiner Ansicht handelt es sich nur um intracelluläre Sekretion, deren Resultat die Körner sind. Nach Chadwick, der zuletzt eine Dar- stellung der Sacculi gibt, 1907, Fig. 40a und b, produzieren eine Reihe nebeneinanderliegender Mesenchymzellen einzelne Körnchen, die merkwürdigerweise zunächst sich inmitten des Sacculus und später wandständig in traubenförmigen Gebilden aneinanderlegen, während die ursprünglich produzierenden Zellen zur Kapsel werden. Dem- gegenüber kann ich nur an meiner Schilderung festhalten. Hinweisen möchte ich noch auf eines: Fast niemals haben die fertigen Körnchen eine drehrimde Gestalt, sondern sie erscheinen je nach Lage an zwei oder mehr Seiten abgeflacht und etwas kantig, während sie bei der Entstehung regulär kugelig sind. Diese Erscheinung läßt sich kaum auf etwas andres, wie auf einen mechanischen Druck zurückführen und ein solcher kann wohl eher innerhalb einer Zellmembran aus- geübt werden, als dann, wenn die Körner sich außerhalb aneinander- reihen oder gar einzeln liegen sollen. — Ob die blasigen Zellkomplexe, welche Hamann zuerst 1889, S. 129 und Taf. XII, Fig. 17 von Actino- metra beschrieb, bei dieser Ordnung die Sacculi von Antedon vertreten, darüber bin ich noch unschlüssig. Ihre entsprechende Lage in der Scheibendecke und in den Armen der von mir untersuchten Art scheinen darauf hinzudeuten. Auch hat es auf vielen Schnitten den Anschein, als öffneten sie sich ebenfalls durch Ruptur ihrer Wandung nach außen. Es bleibt abzuwarten, wie weit ihre Verbreitung bei weitern Actinometra- Arten geht und ob sich Entwicklunssstadien von ihnen finden lassen. II. Histologisches Verhalten des Regenerats. Trotz der Leichtigkeit, mit welcher Echinodermen im allgemeinen und Antedon rosaceus insbesondere zur Regeneration gebracht werden können, finden wir in der Literatur nur spärliche Angaben über die inneren Wachstumserscheinungen bei Neuanlage des Regenerats. Es mag das vor allem mit der Schwierigkeit der Schneidetechnik und mit der Kleinheit der Zellelemente zusammenhängen, welche einen Ein- blick in die Vorgänge erschweren und stellenweise unmöglich machen. Die erste ausführlichere Arbeit, welche sich mit der Regeneration bei Crinoiden (Antedon rosaceus Linck = Comatula rosacea) befaßt, ist die bereits an andrer Stelle genannte von Pereiee 1872. Da sie jedoch in der Hauptsache sich auf Lupenbeobachtungen beschränkt, soweit solche an lebendem und fixiertem aufgehelltem Material vorgenommen 40 August Reichensperger, werden können, läßt sie viele Ergänzungen zu. Meines Wissens ist dies die einzige auf unser Objekt bezügliche Arbeit geblieben, während andre Echinodermengruppen, vornehmlich die Ophiuren, besser be- kannt wurden und zwar durch Simeoth 1877 und in neuerer Zeit durch Davydoff 1901. Ersterer berichtete über die Schizogonie von Ophiactis virens und verbreitet sich dabei auch über innere Details des Regenera- tionsprozesses ; letzterer betrachtete die Regeneration von zwei Amphiura-Arten hauptsächlich auf die Histogenese und auf ihre Be- ziehungen zur Embryonalentwicklung hin. Soweit sich im folgenden Yerschiedenheiten von den in den genannten Werken beschriebenen Yorgänoen ergeben, soll auf dieselben hingewiesen werden: ebenso werden wir oft auf Seeligeks schöne Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden 1893 zurückkommen. — Leider muß ich mich vorläufig damit begnügen, die Regeneration der Arme zu besprechen, da sich das von Neapel mitgebrachte Material an regenerierten Kelchen als nicht genügend zahlreich erwies, um die Verhältnisse zu klären. 1. Schließung der Wunde und Degeneration von Zellelementen. In bezug auf den Wundverschluß läßt sich bei Antedon noch weniger ein Schema aufstellen, wie das nach Davydoff bei Amphiura der Fall ist. Unmittelbar nach der Autotomie läßt sich feststellen, daß aus dem AVassergefäß, wie aus den Öffnungen des Coeloms etwas Flüssigkeit austritt, welche, soweit das zu erkennen möglich war, sehr wenige Zellelemente enthält. Ich habe überhaupt im allgemeinen das Lumen des Wassergefäßes wie des Coeloms von Antedon als äußerst arm an freien Zellen (Lymphzellen u. dgl.) gefunden. Pekrier nimmt an, es bilde sich aus der austretenden Flüssigkeit ein Coagulum, welches als homogene Masse die Wunde überziehe; ich habe niemals ein solches finden können. Bei Amphiura bildet sich nach Davydoff über der Wundfläche eine ziemlich dicke, strukturlose Haut, unter welcher später eine Art von Regenerationshöhle liegt. Beide sind wie gesagt, bei Antedon nicht vorhanden. Dagegen degeneriert äußerst rasch das ventrale Epithel mit der darunter liegenden Cutis. Dieses legt sich über die Öffnung von Wassergefäß und Cölom an die dorsalen Arm- partien an und bildet so den Wundverschluß. Anderseits trägt zu einem solchen in vielen Fällen der mächtige dorsale Nervenstamm bei, von dem aus sich auflösende Elemente die Wunde bedecken. Alle andern Arm- teile, Kalkgewebe, Syzygial- oder Muskelpartieen, innerhalb derer die Wundfläche liegt, bleiben ganz frei. Die nun erfolgende Degeneration ist bei den einzelnen Teilen durchaus verschieden. Je nach der Größe Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 41 der Wunde ist sie häufig beim Epithel am weitgehendsten. — Hatte ich Arme schräg abgeschnitten, so trat sie am bemerkbarsten hervor (Taf. II, Fig. 12). Zuerst wurden die höchst differenzierten Zellen deformiert, wie z. B. die Epithel-Drüsenzellen; es folgten nervöse Elemente, Stützzellen und andre, bis endlich eine Decke von scheinbar lockern Bröckchen, Körnchen und Fäden gebildet war, welche jedoch in sich zusammenhielt. Der Tentakelkanal des Wassergefäßsystems degenerierte überhaupt nicht merkbar, und in äußerst beschränktem Umfange der Dorsal- und die Ventralkanäle des Cöloms mit ihrem Epithel, Als tiefgehender erwies sich oft der Zerfall des dorsalen Nervenstranges, der aber anderseits am schnellsten wieder ausheilte. Letzteres bestätigt Davydoff 1901, S. 210: »Das Wachsen des ampu- tierten Nervenstammes beginnt sofort nach erfolgter Amputation.« — Aber auch das Wassergefäß setzt unmittelbar nach der Verletzung zu neuem Wachstum an. Ich kann mich, ebenso wenig wie Davydoff, dafür aussprechen, daß, wie Simroth annahm, die austretende Lymph- masse die Teile zur Kegeneration anreize; vorzüglich bei Äntedon ist ihre Menge gar zu gering. Meiner Ansicht nach dürfte es, gemäß der prompten Wiederaufnahme des Wachstums seitens der wichtigsten Teile, der unmittelbare Wundreiz selbst sein, der zur Kegeneration antreibt. Der anfängliche Zerfall der Gewebe tritt, vorzüglich im Epithel, in den meisten Fällen ohne Dazwischenkunft von Phagocyten ein, die wir gleich näher kennen lernen werden. Davydoff läßt es unent- schieden, ob die Degeneration der Gewebe ausschließlich durch Phagocytose geschehe. Ich muß letzteres auf Gnmd meiner Präparate entschieden verneinen, obwohl ich die Tätigkeit der Freßzellen in keiner Weise unterschätze. Daß dieselben auch in ganz gesundes Gewebe eindringen, das in der Nähe der Wundstelle liegt, und dort Histolyse hervorrufen können, habe ich öfter bemerkt. • Zwei Arten von Zellen sind es nun, die bei Degeneration und Kegeneration sich besonders beteiligen: zunächst Lymphzellen oder Phagocyten, wie sie bei allen Crinoiden und, soviel ich weiß, Echino- dermen überhaupt (vgl. Cuenot, 1889), vorhanden sind. Von Isocrinus gibt Taf. V, Fig. 21a meiner Abhandlung 1905 eine solche Zelle wieder; von Antedon sehen wir Freßzellen in verschiedenen Stadien ihrer Tätig- keit auf Taf, III, Fig, 12 a—e dieser Arbeit. Das Aussehen der normalen Zelle mit ihren Fortsätzen mannigfaltiger Ai't zeigt etwa Fig. 12 e. Diese Zellen, die in nicht übergroßer Anzahl vorhanden sind, scheinen vor allem zerstörend und transponierend zu wirken. Sie konzentrieren sich an bestimmten degenerierenden Stellen oder in deren Nähe und 42 August Reichensperger, bauen ab. Mit pseudopodien-artigen Ausläufern wird das Objekt, sei es nun ein Stückclien Muskel oder Dorsalfaser, oder endlich Grund- substanz, umschlossen und allmählich ins Innere aufgenommen, um verdaut zu werden. Die Tätigkeit dieser Phagocyten wird eifrig fort- gesetzt, auch wenn die Regeneration bereits in vollem Gange ist. Die Abtragung des zerfallenden Gewebes, und der Transport des verarbeiteten zu andern Stellen geht verhältnismäßig langsam vor sich. Den Davy- DOFFschen Versuch der Carminfütterung habe ich verschiedentlich wiederholt und gelang er mir stets bei dieser Zellform, während er bei der gleich zu erwähnenden versagte. Die eben genannten Figuren zeigen die Bewältigung von Muskelstückchen durch Phagocyten; Fig. 11, Taf. III zeigt dieselben Zellen, wie sie in größerer Zahl in eine angeschnittene Dorsalfasermasse einzudringen bestrebt sind, um dieselbe aufzulösen; nach unten zu ist der Degenerationsprozeß in vollem Gange. Der Schnitt, nach welchem die Figur wiedergegeben ist, stammt aus einem Armstück 48 Stunden nach der Amputation; ähnliche Bilder kann man noch nach 10 — 14 Tagen haben, vor allem bei der Muskulatur. Die zweite in Betracht kommende Zellart ist jene, welche im ersten Teil dieser Arbeit unter dem Nervensystem genannt wurde. Es sind die Wanderzellen, welche in ungeheurer Zahl den Dor- salnerv und seine Äste begleiten. Sie treten bei jeder Verletzung unmittelbar in Aktion und ich halte sie für einen der wichtigsten Faktoren der Regeneration bei Antedon. Sobald die Auto- tomie künstlich oder normal eingetreten ist, be- ginnt eine große Wanderuno dieser Zellen zur Wunde. Sie emanzipieren sich so zu sagen von den gewohnten Wegen der Nervenbahnen und strömen meist in lang-wurmförmig gestreckter Ge- stalt auf dem kürzesten Wege an die Wundstelle. Keine Zellform ist dann so eigenartig, wie diese mit dunklen Körnchen und Stäbchen gefüllte. Der Inhalt färbt sich intensiv mit Delafields Häma- toxylin, viel weniger mit Heidenhains; sehr kräftig wirkt auch Thionin, blaßt aber, wie immer, bald ab. Obenstehende Textfig. D ist nach einem Thioninpräparat gezeichnet. Die Menge der Körnchen schwankt sehr; einzelne Zellen sind stär- ker, andre schwächer beladen. Während sich Davydoffs rundliche Körnchenzellen von Amphiura ebenfalls an Carmin heranwagten und Textfig. D. Wanderzellen. Homog. Iram. Winkel 1,8. Com- pfan.-Oc. 4. Thionin-Eo- sin. Vergr. etwa 1 100. Beiträge zur Histologie u. zum ^'erlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 43 dasselbe aufiiabiuen, vgl. seine Fig. 5, Taf. XVII, konnte ich mich niemals davon überzeugen, daß bei Antedon diese letztgenannten Wanderzellen das taten. Auch habe ich dieselben nicht beim Abbau von Gewebe beobachtet. Soweit ich bisher sagen kann, scheint eine Arbeitsteilung beider Zellarten vorzuliegen, und zwar so, daß die echten erstbeschriebenen Phagocyten hauptsächlich altes Gewebe abtragen, während die AVander- zellen aus entfernteren Teilen des Tieres die Stoffe zum Neubau heran- bringen. Auch der Hauptnerv wird ein gutes Teil seines schnellen Wachstums den ihn stetig umgebenden Nährzellen verdanken. Daß die Zellen am Dorsalstrang entlang ihre gewiesene Bahn haben und weitere Wege zurücklegen, sieht man daran, daß troß der seitlichen energischen Abwanderung vom Nerven ab, keine fühlbare Lücke im Belag desselben beim verletzten Arm auftritt. Fig. 7, Taf. II zeigt eine durch Autotomie verursachte Wunde an einer Syzygie; der Nerv ist hier verhältnismäßig tief degeneriert; das Objekt wurde 12 Stunden nach der Amputation fixiert. Wir sehen wie die Wanderzellen beiderseits vom Nerv ausschwärmen. In den Pünktchen an der Grenze des Degenerationsbezirks beginnt schon das Neu Wachstum der Nervenfasern. Etwas anormale Verhältnisse zeigt Fig. 12, Taf. II. Sie entstammt einem Tier, dessen Arm ich durch einen Schrägschnitt mitten durch ein Kalkglied etwa halbierte. Der Stumpf war 48 Stunden sich selbst überlassen, ehe er fixiert wurde. Deutlich ist zu sehen, wie das degenerierte Epithel die Wunde des Wassergefäßes und im Verein mit vereinzelter zerfallener Muskulatur auch die der Cölomkanäle geschlossen hat. An den ersten unversehrten Drüsenzellen des Epithels ist deutlich die Grenze zu erkennen, bis zu welcher die Degeneration vordrang. Wir sehen ferner die Wander- zellen in Tätigkeit, vor allem aber ist das Vordringen des Nerven ver- wunderlich. Er hat nämlich in diesem Falle, wie wir auch noch bei manchen andern Fällen sehen werden, dem Wassergefäß so zu sagen den Eang streitig gemacht und dasselbe überholt. Während dieses noch gar keine Anzeichen beginnender Eegeneration äußert, hat der Nerv einen großen Teil der Wunde überwuchert. Doch gehören der- artige Erscheinunoen mehr in die nun foloenden Abschnitte und sollen dort eingehender gewürdigt werden. 2. Wassergefäß- und Cölombildung. Es ist bereits erwähnt worden, daß normalerweise das Wassergefäß nur unbedeutend cleoeneriert. Nachdem es kürzere oder längere Zeit 44 August Reichensperger, geschlossen verharrt hat, je nach Art der Verwundimg, läßt sich die Bildung einer kleinen Kappe wahrnehmen, welche jedoch aus höchstens drei kompakten Zelllagen, oft nur aus einer besteht. Unterhalb dieser Kappe ist auf günstigen Schnitten gleich das freie Lumen bemerkbar, während Perrier annahm, daß ein solider Strang vorgetrieben werde, in dem sich erst weiter unterhalb ein Lumen differenziere (Fig. 14 und 15, PI. IV, 1872). Die Anlage des Kegenerats geschieht lediglich durch Wucherung und zwar finden zahlreiche Mitosen statt. Weder hier, noch bei einem andern wuchernden Teil habe ich amitotische Teihmg beobachten können. Auch die Mitosen sind bei der Kleinheit der Ele- mente nicht immer leicht auffindbar. Im allgemeinen hatte ich nach meinen zahlreichen Präparaten den Eindruck, daß die Teilung periodisch erfolge; sie geht nicht nur in den jüngsten Partien des Regenerats vor sich, sondern läßt sich oft auch weit unterhalb desselben, zuweilen in Form eines Gürtels beobachten. Kernteilungsfiguren im jungen Epithel des Wassergefäßes zeigt Fig. 2, Taf. IL Zugleich mit der Wucherung des Wassergefäßes beginnt das Wachstum des Ektoderms und des Mesenchyms. Beide Elemente sind in der jungen Knospe nicht zu unterscheiden und bestehen aus verschieden geformten rund- lichen bis eckigen Zellen, welche zuweilen kleine Ausläufer zeigen. Ein Querschnitt, welcher etwas unterhalb des Knospengipfels durch ein sehr junges Regenerat gelegt wird, zeigt infolgedessen ein etwas andres Bild, wie ein gleicher Schnitt bei Amphiura. Veroleichen wir meine Fig. 15, Taf. II, welche einen Querschnitt durch ein sehr junges Regene- rat von etwa 1 mm Länge darstellt, mit den Fig. 7 — 9, Taf. XVII der DAVYDOFFschen Arbeit. In letzteren sehen wir ein deutliches ein- schichtiges Epithel, welches einen Hohh-aum umfaßt, in dessen i\Iitte das Wassergefäß freigelegen vordringt. Den Hohlraum bezeichnet Davydoff als Regenerationshöhle. Etwas weiter nach unten (Fig. 8) zeigen sich vereinzelte Zellen in dem Hohlraum, welche Davydoff lediglich als Phagocyten anspricht, die das Mesenchym bilden sollen. Diese vermehren sich und füllen den Raum der Regenerationshöhle, so daß wir nunmehr ein kompaktes Ganze mit dem kleinen inneren Lumen des Wassergefäßes haben, und von außen drei Schichten sondern können: Ektoderm — Mesoderm — Wassergefäß (Fig. 9). — Ein der DAVYDOFFschen Fig. 7 entsprechender Schnitt durch unser Objekt würde uns nur einen dicken Kranz untereinander nicht unterscheid- barer Zellen ohne jedes innere Lumen zeigen (Textfig. E, 1). Die äußere Zellschicht ist, abgesehen von ihrer peripheren Lage, durch nichts als Ektoderm kenntlich. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 45 Ebenso wenig läi3t sich in den folgenden Schnitten E 2 und 3 eine Scheidung der Elemente vornehmen. In E 2 stellt das innere Lumen c die Fortsetzung des Cöloms dar, dessen Endothel ebenso stark wuchert wie die übrigen Teile, ohne daß seine Zellen spezifisch charakte- risiert wären, wie im normalen Arm. Innerhalb des Lumens bemerken wir nun bei E 3 das Wassergefäß w, das dem untern Teile des Cöloms anliegt. Seine Zellen heben sich durch regelmäßigere Form und reguläre große Kerne, welche leicht tingierbar sind, deutlich ab (vgl. Fig. 15, --C- --n. Textfig. E. 1— ;5 Querschnitte durch junges Eegenerat. TP, Wassergefäß {Tentakelkanal); c, Cölom; ce, Cölom- Epithel; e, Epithel; n und iV, Anlagen des ventralen und dorsalen Nervenstranges. Winkel, 5 a, Ok. 4, 1—4 schemat. Taf. II). In £■ 4 endlich hat sich das Cölom vom Wassergefäß getrennt und in dieser Höhe ist bereits eine stärkere Differenzierung der Zell- elemente eingetreten. Vor allem ist das Cölothel als solches kenntlich; es besteht aus einer Schicht flacher gewordener Zellen, von welcher aus die Isolierung des Wassergefäßes durch Umstülpung und halb- mondförmige Umwachsung vor sich geht. Auch die Ektodermschicht läßt sich nach und nach deuthch vom Mesoderm trennen, indem die periphere Zelllage etwa kubische Zellen besitzt, während die nach innen liegende Masse verschiedene Formen mit und ohne kurze Ausläufer zeigt, wie sie für das Mesenchym charakteristisch sind. Zwischen ihnen 46 August Reichensperger, trifft man vereinzelt deformierte Wanderzellen mit körnigem Inhalt aber keine eigentlichen Phagocyten oder Lymphzellen. — Nach meinen Befunden an Antedon besteht daher der Einwurf, den Hamann 1901, S. 880 gegen Davydoff erhebt, zu Recht. Es ist in der Tat nicht mög- lich, in der jüngsten Regenerationszone Ektoderm und Cutis zu sondern, da jegliche Grenze fehlt; infolgedessen läßt sich das Bindegewebe wohl kaum lediglich aus Phagocyten herleiten, welche die Regenerations- höhle durch Einwanderung füllen und so das Mesoderm bilden. Obwohl bei Antedon eine Regenerationshöhle nicht gebildet und dadurch vielleicht der Überblick erschwert wird, kann ich ziemlich sicher sagen, daß das Bindegewebe aus Elementen der ersten Ektoderm- Cutisanlage hervorgeht, welche durch die Wanderzellen verstärkt und im Wachstum unterstützt wird. Im Grunde genommen haben wir es bisher also nur mit einem regulären Neuwachstum aus alten Teilen zu tun. Bei der weiteren Entwicklung des Regenerats tritt allmählich eine partielle Einschnürung der bisher einheitlichen etwa halbmondförmigen Cölomhöhle auf. Dieselbe wölbt sich dorsal auf und zerfällt zunächst in zwei Abschnitte, einen breiteren ventralen und einen mehr rundlichen dorsalen. Zuerst stehen beide Teile in offener Kommunikation mit- einander, in Bälde aber treten an gegenüberliegenden Stellen des Cölom- endothels einzelne Zellen schärfer hervor. Diese bilden bindegewebige Fortsätze und trennen die Teile des Cöloms deutlicher. Etwas später tritt eine gleiche Bindegewebsbildung von dem am Wassergefäß liegen- den Teil des Cölomendothels her auf. Sie besteht zunächst ebenfalls nur aus einem fadendünnen Fortsatz einer Zelle. Durch diese letztere Trennung wird, wenn der Fortsatz den Querstrang erreicht, die ventrale Höhle in eine rechte und linke Hälfte zerlegt, wie das im normalen Arm der Fall ist. Durch Zellteilungen und durch Vordrängen weiterer Zellen auf den erstangelegten Fadensträngen wachsen diese, lassen aber durch breite Lücken stets die Verbindung zwischen nunmehr zwei ventralen und einem dorsalen Kanal offen. Textfig. E 5 gibt ein Bild der geschilderten Verhältnisse. Durch die dunkel angelegten Zellen sind die Neubildungsstätten am Cölomendothel angedeutet. Die daumenförmigen Ausstülpungen des Tentakelkanals und der Cölomhöhle, welche sich zur Anlage der Pinnulae und der Tentakel- gruppen bilden, hat Perrter 1872 bereits beschrieben und abgebildet (PI. IV), ebenso berichtet er über das erste Auftreten der Sacculi und der Tentakelpapillen. Ergänzend könnte ich höchstens hinzufügen, daß das erste Auftreten einer Tentakel- oder Pinnula- Ausbuchtung sich Beiträge zur Histolugic u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiclen. ■17 aus Zellteilungen ersehen läßt, welche sich in einem bestimmten Distrikt des Tentakelkanals häufen. 3. Das dorsale und die ventralen Nervensysteme. Es wurde oben bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, welche Wichtigkeit dem Nervensystem in der Eegeneration bei den Crinoiden zukommt. Häufig genug hat man bei Längsschnitten durch junge Regenerate den Eindruck, daß vor allem der dorsale Nervenstrang beim Wachstum eine große Rolle spielt und daß er ebenso prompt mit der Neubildung beginnt, wie der Tentakelkanal. In der Mehrzahl der Fälle ist seine Degeneration wohl dank der Wanderzellen eine überaus geringe und unmittelbar nach der Amputation beginnt das Wachstum von Nervenfasern aus dem Stumpf, ähnlich wie Davydoff von Ämphiura schildert. Aber es bleibt nicht bei einer Wucherung des alten Nerven allein, sondern es kommt auch zu einer Neuanlage im Regenerat, ähnlich wie bei Ämphiura. Vornehmlich sind es Ganglienzellen, deren Neuent- stehung sich deutlich verfolgen läßt. Auf Stadien, welche etwa Fig. D5 entsprechen, bemerkt man nämlich auf genügend dünnen Schnitten, daß auf dem Scheitelpunkt des Endothels des Dorsalkanals im Endothel Zellteilungen stattfinden, und daß Endothelzellen aus dem Verband sich lösen und zuweilen geradezu eine zweite Schicht bilden. Sie werden deutlich größer, rücken etwas vom Endothel ab und differenzieren sich allmählich zu typischen Ganglienzellen mit Ausläufern und bläschen- förmigem Kern. Nicht sicher zu erkennen war, ob auch Nervenfasern von dem Cölothel aus neu gebildet werden; ich hatte hauptsächlich den Eindruck, daß die eigentliche Fasermasse in erster Linie durch Wucherung aus dem alten Stumpf hervorgehe, daß nur geringere Partien im Anschluß an die Ganglienzellen gebildet würden. Die Differenzierung solcher Ganglienzellen möge Fig. 3 auf Taf. II veranschaulichen. Die neue Fasermasse des Dorsalnervs wächst nicht immer in gerader Richtung aus dem alten Stumpf, sondern sie folgt dem Regenerat in seinen even- tuellen Krümmungen stets so, daß die Fasermasse zunächst unmittel- bar außen am Endothel des Dorsalkanals anliegt. Erst viel später wird sie durch von den Seiten kommendes Bindegewebe und zunehmende Kalkbildungen umfaßt, vom Dorsalkanal weiter abgedrängt und in die normale Lage gebracht. — Wenn die Bildung der ersten Dorsalganglien- zellen aus dem Cölothel ihren Anfang nimmt, haben sich auch die Zell- formen im Bindegewebe des Armes weiter differenziert. Wir sehen in E 5 deutlich die Epithelzellen mit ihren Stützfortsätzen von der Cutis geschieden. Zugleich beginnt vom Wassergefäß her die allmähliche 48 August Reichensperger, Ausstülpung der Tentakel, welcher eine Ausbuchtung des Bindegewebes und Epithels an der Ventralseite parallel läuft: die erste Anlage der Tentakelfurche. In dem zunächst nur einschichtigen Epithel der primitiven Tentakelfurche geht nun ein ähnlicher Prozeß vor sich, wie der eben am Endothel des Dorsalkanals geschilderte. Es bilden sich mehrere Zellschichten, innerhalb deren eine weitgehende Differenzierung stattfindet. Zuerst werden aber auch hier von der innersten Lage aus Ganglienzellen hervorgebracht, allerdings nur in verhältnismäßig spärlicher Anzahl. Es folgen einzelne Stützzellen und, allerdings sehr' viel später, wenn die Tentakel vollständig ausgebildet sind, differenzieren sich Drüsenzellen aus dem Epithel, so daß gerade jene Elemente zuletzt regeneriert werden, welche beim Zerfall zuerst degenerierten. Auch die Bewimperung erscheint erst sehr spät. Die Entstehung der epithelialen Nervenfasermasse konnte ich selbst bei Anwendung stärkster Ver- größervmg nicht genau verfolgen; doch glaube ich, daß sie in der Haupt- sache ebenfalls auf Auswachsung des alten Nerven zurückzuführen ist; darauf deutet wenigstens die anfänglich zerstreute Lage der neuent- standenen Ganglienzellen hin, die ihrerseits in etwas an der Neuschöpf ung von Fasern beteiligt sein mögen, wie das beim Dorsalstrang ebenfalls stattfindet. Wir hätten nun noch des dritten Nervensystems Erwähnung zu tun, welches Hamann als das ventrale mesodermale bezeichnet. Seine Entstehungsweise im Eegenerat festzustellen erwies sich als äußerst schwierig, da ich selten geeignete Längsschnitte zur Ergänzung der Querschnitte fand. Soweit ich erkennen konnte, läuft die Entwicklung der beiden rechts und links vom Wassergefäßsystem liegenden Stränge, der Differenzierung der Elemente nach, derjenigen des dorsalen Nerven- systems parallel, während sie zeitlich etwas hinter letzterer zurück- bleibt, was mir auf die größere Bedeutung des dorsalen Nerven hinzu- deuten scheint. Soweit kenntlich, gestalten die Ventralkanäle neben dem Tentakelkanal Teile ihres Endothels ähnlich aus, wie wir das vom Dorsalkanal sahen; d. h. die Endothelzellen wuchern ins Bindegewebe hinein und aus der so entstandenen Verdickung werden Ganglienzellen differenziert. Wir haben demnach im etwas älteren Begenerat ein Bild, wie es im Schema nebenstehende Fig. F wiedeigibt. Durch dunkle Strichelung sind die Stellen bezeichnet, aus denen sich Nervenele- mente anlegen. Die Punktierung zeigt die spätere, endgültige Lage der Nervenstränge. Vorliegende Befunde erweisen sich aus dem Grunde von besonderer Wichtigkeit, da meines Wissens über die embrvonale Entwicklung, des Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 49 dorsalen wie des ventralen mesodermalen Nervensystems keine Be- obachtungen vorliegen. Hamann spricht das auch 1906 S. 1530 aus: »Die Entstehung des oralen in der Bindesubstanz liegenden und die des aboralen Nervensystems ist noch unbekannt.« — Übereinstimmend mit der Embryonalentwicklung verhält sich im Regenerat der epitheliale Nervenzug. Seeliger teilt mit, daß in der gestielten Larve nach Durch- bruch des Vestibulums aus dem Ektodermepithel Zellen als Ganglien- zellen zwischen die Nervenfasern treten, ein Vorgan»-, der im Regenerat sich wiederholt, wie wir sahen. In beiden Fällen liefert das Ektoderm den Baustoff. — Mit Sicherheit geht dagegen im Regenerat die Bildung des dorsalen Nervenstrangs vom Cölom-Endothel aus vor sich,' und ich glaube mit Berechtigung schließen zu dürfen, daß sie beim Auftreten in der Larve auf dem gleichen Wege erfolgt. Auch Lang 1894 nahm bereits an, das apicale, d. h. dor- sale Nervensystem der Crinoiden sei eine Bildung des Cölomenendothels und er begründet das durch die innigen Beziehungen, die noch beim erwachsenen Tiere zwischen dem Centralorgan unseres Systems im Kelch und dem gekammerten Organ, den Stiel- und Cirrenkanälen be- stehen. — Endlich kann ich nicht umhin, auf Grund meiner Präparate die Vermutung auszusprechen, daß das dritte Nervensystem gleichfalls eine Bildung des Cölomendo- thels ist; daß wenigstens im Regenerat Elemente für dasselbe vom Endo- thel gehefert werden. Lang möchte dieses System allerdings von dem ektodermalen ventralen abgeleitet wissen: »Stellen wir uns das tief- liegende orale Nervensystem eines Ophiuroiden oder Asteroiden vom oberflächlichen losgelöst und weiter in die Tiefe gerückt vor, so wäre die Übereinstimmung mit dem dritten Nervensystem der Crinoiden eine beträchtliche.« Eine Sicherheit bezügHch dieser Anschauungen kann natürlich nur die Untersuchung der späteren Larvenentwicklung von Antedon geben, die noch aussteht. Vorläufig kann ich Lang nicht bei- pflichten, wenn er die Lage des fraglichen Nervensystems als subepithe- lial bezeichnet, stimme vielmehr Hamann zu, der sie mesodermal nennt, Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 4 Textfig. F. Querschnitt. Schema durch Regenerat. 2),Dor- .salkanal; v, Ventralkanäle, vgl. Text. 50 August Reichensperger, Der gemeinsame Ursprmig des dorsalen und mesodermalen Systems dürfte auch darin eine Bestätigung finden, daß beide aufs engste durch starke Nervenzüge verknüpft sind, die bereits von früheren Forschern Hamann u. a. gefunden wurden. Ich kann diese Verbindung in Kelch mid Armen nur bestätigen. Dagegen habe ich einen Zusammenhang zwischen mesodermalem und epithelialem Nerv nirgendwo feststellen können, wenn ich auch zugeben muß, daß dieser negative Befund bei den schwierigen histologischen Verhältnissen von Antedon und Isocrinus nicht ausschlaggebend sein kann, da vereinzelte Nervenfäserchen, welche eine Verbindung herstellen könnten, mit Sicherheit selbst in einwandfreien Schnitten nicht zu verfolgen sind. Einstweilen muß ich die Verbindung zwischen mesodermalem und dorsalem Nervensystem für die engere halten. Wenn Lang nicht mit Unrecht sagt: »Man hat Mühe zu glauben, daß im Echinodermen- körper drei vollständig voneinander unabhängige Nervensysteme existieren sollen«, so halte ich es für begründeter, die beiden eben- genannten Systeme als von einander abhängig zu betrachten, das epitheliale jedoch für sich alleine bestehen zu lassen. Die Verhältnisse bei den übrigen Ordnungen der Echinodermen kann man schon aus dem Grunde nicht heranziehen, weil, soviel mir bekannt, bis heute nicht fest- steht, ob bei ihnen eine Verbindung zwischen dorsalem und tiefliegendem oralen System vorhanden ist; gefunden wurde sie bisher nicht, was Lang damals nicht für beweisend hielt. — Ganz kann ich mich des Ein- drucks nicht erwehren, daß die besonders starke Entwicklung der Nervenelemente, besonders des dorsalen Systems, in ursächlichem Zusammenhang steht mit der ausgezeichneten Eegenerationskraft der Crinoiden. Auf die Bedeutung des Centralorgans in dieser Beziehung wurde schon von Marshall 1884 u. a. hingewiesen und möchte ich nur eines ergänzend hervorheben. Wenn ich in Neapel ein Tier zur Auto- tomie brachte und dann mit einer feinen Lisektennadel den Central- strang in den distalsten Gliedern des übrig gebliebenen Stumpfes zer- störte, so trat in weitaus den meisten Fällen kurz nachher oder gleich ■weitere freiwillige Autotomie ein. Bei zwei Armen, an denen allein das Experiment gelang, verzögerte sich die Kegeneration in außergewöhn- lichem Maße, nämlich um etwa 10 Tage. Vorher fand auch kein nennens- wertes Wachstum des Tentakelkanals statt, der als winziges Stümpfchen auf einem Stadium verharrte. Es muß wohl angenommen werden, daß es für den Arm notwendig war, zunächst den zerstörten Dorsalnerv zu regenerieren, ehe ein allgemeines Wachstum Platz greifen konnte. Ich halte es daher für übertrieben, wenn Perrier das Haupt- Beiträge zur Histologie ii. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. T)! gewicht bei der Regeneration ausschließlich dem Tentakelkanal zuschreibt, • >.~ , =*- Das spätere Wachstum des Dorsalstranges im älteren Regenerat vollzieht sich normal und möchte ich nur auf die Bildung der Perrier- schen »masses ganglionnaires « hinweisen, die wir im ersten Teil in aus- gebildetem Zustand kennen lernten. Aus Längsschnitten durch ältere Reo;enerate ergibt sich nämlich am einwandfreiesten deren nervöse Natur. Einen Teil von einem solchen Längsschnitt sehen wir in Fig. 10, Taf . II, und zwar im Stadium der Entwicklung der ersten Dorsalfasern. Die dunkel gezeichneten Elemente sind deren Bildungszellen. Der bereits sehr kräftige Dorsalstrang ist von Wanderzellen eingefaßt und zeigt in seinem Verlauf einige Ganglienzelleil. An vier Stellen treten letztere aber in größe- rer Menge zusammen und bilden dadurch zwei Verdickungen des Stranges, welche zu den Enden der Dorsalfasern hinziehen. Die vier Punkte geben den Ausgang für die Nervenäste ab, welche, mit den Gan- Textfig. G. glienzellen verknüpft, die Fasermassen ^'ehört zum Text Seite 57. inner\äeren. Die Ganglienzellen sind zu Beginn länger gestreckt wie später, sie scheinen zahlreichere Ausläufer zu besitzen und der Zusammenhang dieser selbst mit den Nerven- fasern ist mancherorts deutlicher zu sehen. Textfigur H auf Seite 57 gibt ein Bild aus einem jüngeren Regenerat wieder. Ein Zweifel über die starke Innervierung der Dorsalfasermassen kann nach dem Gesagten kaum mehr bestehen. 4. Der Genitalstrang. Die stärkste Degeneration macht nach der Verwundung der Genital- strang durch. Den Verlauf derselben im Arm konnte ich nur insofern feststellen, als kurz nach der Amputation und zwar in einem Zeitraum von 4 — 12 Stunden nachher eine erhebliche Schrumpfung des Stranges der Länge und Breite nach eingetreten war. Zu späterer Zeit habe ich durch ein ganzes Glied von der Amputationsstelle abwärts seine An- wesenheit überhaupt nicht mehr konstatieren können, er war also bis zu der Stelle degeneriert, von welcher der letzte Pinnulaast abgeht. Jedoch bezieht sich das Gesagte nur auf Exemplare, welche nicht geschlechtsreif waren; bei geschlechtsreifen Tieren war die Degene- ration viel geringer. Das Neuwachstum verläuft jedoch bei beiden 4* 52 August Reichensperger, Übereinstimmend. Es vollzieht sich lediglich aus dem alten Teil heraus und verläuft anscheinend schnell, wenn es einmal eingesetzt hat. Zu- nächst bildet sich aus einer Zusammenlegung von Genitalkanal \nid Genitalschlauch eine Knospe, in welche der eigentliche Genitalstrang scheinbar hineinwuchert, indem sich aus Zellen des Genitalschlauches sehr bald Keimzellen differenzieren. Die Knospe dringt in das noch sehr lockere Bindegewebe ein, welches die Abteilungen des Cöloms im Arm scheidet. Daß ein Genitalkanal durch besondere Einfaltungen gebildet würde, habe ich niemals wahrgenommen. Aus Fig. 5, Taf . II läßt sich die Knospenbildung ersehen, die von häufigen Zellteilungen begleitet wird. Nachdem der Strang in das Regenerat eingewachsen ist, findet schon recht früh eine weitgehende Differenzierung seiner Elemente statt, indem sich bereits zahlreiche Zellen zu Keimzellen umwandeln. Ich gebe in Fig. 4 und 6 auf Taf. II diese Zellen in verschiedenen Stufen der Entwicklung wieder und zwar handelt es sich um ein weibliches Tier. Jede Zelle ist mit langen protoplasmatischen Ausläufern ver- sehen, wodurch sie sich bereits als Wanderzelle zu dokumentieren scheint. Außerdem mögen die Fortsätze zur Nahrungsaufnahme dienen. Der Kern ist groß, bläschenförmig und zeigt vielfach ein feines Chromatinnetzwerk. Ein Kernkörper ist stets vorhanden. Ich fasse diese Zellen als Oocyten in verschiedenen Bildungsphasen auf. So scheint mir in den älteren Stadien der Fig. 6 die Bildung von Dotter bzw. Dotterkernen zu erfolgen; ob wir die in Fig. 4 im Zellplasma liegenden einzelnen dunkeln Körner mehrerer Zellen ebenfalls als Dotterkern ansprechen sollen, scheint mir unsicher; es könnte sich auch um Sphärenbildung handeln, worauf einige Präparate hindeuten; leider ist das Objekt für eine sichere Entscheidung in diesem oder jenem Sinne wenic, geeignet. Zur Ergänzung möchte ich kurz noch folgende Punkte erwähnen. Die Anlage des Kalkskelets im Regenerat geschieht bereits in den frühesten Stadien und ist von Pekeier 1872 zutreffend geschildert worden. Das Wachstum der anfänglich angelegten Spangen schreitet sehr schnell fort und wir treffen in den späteren Platten häufig jene Zellen, die ich im ersten Teile als vermutliche Kalkbildner ansprach. Ihre Lage ist in Fig. 14, Taf. II durch dunkle Pünktchen bezeichnet. Bei Isocrinus ist die Verkalkung eine schnellere luid vollständigere wie bei Antedon mid bei Antedon wiederum schien mir dieselbe bei den dem Freileben entnommenen Tieren, welche junge Regenerate zeigten, stärker, wie bei den von mir künstlich gehaltenen. Beiträge zur Histolosic u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 03 Endlich wäre noch eines Armteiles zu gedenken, dessen Natui- zweifelhaft erscheint, nämlich des Schizocölraumes, der unmittelbar unter dem epithelialen Nerven, zwischen diesem und dem Wassergefäß liegt. Er besteht in der Tat nur in einer Lücke des Bindegewebes, welche sich am jungen Regenerat ziemlich früh unmittelbar am Epithel des Tentakelkanals bildet imd mit dem Wachstum des Regenerats fort- schreitet. Ludwig hat 1877 diesen Raum als Blutgefäß gedeutet, während Hamann und P. H. Carpenter ihn als einfache Bindegewebs- spalte bezeichnen. Ich selbst habe den Raum 1905 wiederum als Blut- gefäß angesprochen. Er läßt sich in gutkonservierten Schnitten trotz seines geringen Durchmessers, 0,04 — 0,09 mm, in den Pinnulae wie im Arm regelmäßig feststellen; Perrier leugnete seine Anwesenheit. Seiner Entstehung und Form nach kann ich ihn heute nicht mehr für ein ausgesprochenes Blutgefäß ansehen, da ihm ein gleichförmiges Endothel ganz abgeht. Von seiner Auskleidung mit abgeplatteten Zellen (Hamann 1889 und 1905) habe ich mich nicht überzeugen können. Dagegen läßt der Inhalt der Lücke erkennen, daß derselben unstreitig die Funktion einer Blutlacune zukommt, da kein andrer Raum des Armes, das Wassergefäß einbegriffen, so zahlreiche Lymphzellen ent- hält, die von dem typischen Blutgerinnsel umgeben sind. Ich sehe daher heute den Raum für eine schizocöle Bildung an, welche die Rolle eines Blutgefäßes übernimmt. 5. Die Girren. Die partielle wie auch die öfter vorkommende totale Regeneration der Girren verläuft in übereinstimmender Weise. Der Wundverschluß ist sehr viel schwächer wie bei den Ai-men, indem wenige Bindegewebs- elemente und Wanderzellen sich vor die Öffnung des Cirrenkanals legen. Bei partiellem Verlust wächst zuweilen die Wunde einfach zu, ohne daß ein Ersatz der fehlenden Teile erfolgt. Häufiger jedoch bildet sich im Verlauf einiger Tage zunächst eine kleine Knospe, welche anscheinend aus Ektoderm und Mesenchymelementen besteht, welche keine Unter- scheidung zulassen. Erst später erscheint ein Epithel aus etwa kubischen Zellen, Mittlerweile hat das Endothel des Cirrenkanals und die außen anliegende Nervenhülle fast ohne vorhergehende Degeneration mit der Neubildung unter lebhafter Zellteilung und Wucherung begonnen und der Kanal senkt sich einem Handschuhfinger ähnlich unter sanfter Krümmung in die Knospe ein. Sogleich findet in dieser die Anlage neuer Skeletteile statt, indem sich zmiächst ein feines Nädelchen bildet, das zu einem dünnen sich allmählich verstärkenden vielfach durch- 54 August Reichensperger, brocilenen Plättchen wird. Beim Dickenwachstum des Regenerats scheint der Hauptantrieb wiederum vom Nerv auszugehen, an dessen Peripherie starke Zellbildung erfolgt, — Eigenartig ist das Verhalten des Bindegewebsstranges, welcher den Cirrenkanal diu-chquert und in zwei Hälften teilt. Während er im alten Cirrus als mehr oder weniger solider Strang auftritt, besteht er in der Neuanlage deutlich aus zwei Bändern, welche eine Art von Kanal bilden. Ob durch diesen eine Nährflüssigkeit zugeführt wird, kann ich nicht entscheiden, halte das aber für wahrscheinlich, um so mehr als er anscheinend offen endigt. Möglicherweise vertritt er ein Blutgefäß, da er ja mit dem Bindegewebe des Axialorgans zusammenhängt, das mit Sicherheit Blutgefäße enthält. Fig. 16, Taf. n soll ein Bild der hier geschilderten Verhältnisse geben. Es zeigen also die Untersuchmigen der Arm- wie der Cirren- regeneration bei Antedon und Isocriniis, daß in ähnlicher Weise, wie Davydoff es für Amphiura geschildert hat, fast alle Teile der Regenerate sich aus den entsprechenden Stammorganen des Tieres entwickeln. Eine erhebliche Abweichung zwischen Embryonalentwicklung und Regenerationsprozeß bezüglich der Keimblattabstammung einzelner Organe dürfte nicht vorhanden sein. Ob dasselbe Prinzip auch bei der Regeneration der Scheibe vorherrscht, entzieht sich leider vor- läufig meiner Kenntnis, doch scheinen die Vorgänge dort komplizierterer Natur zu sein. Hoffentlich gelingt es auch hier mit der Zeit größere Klarheit zu erlangen. III. Äußeres Wachstum des Regenerats und Einfluß verschiedener Faktoren. Bathers großes Verdienst ist es, die Terminologie der Skeletstücke von Kelch und Arm sehr vereinfacht zu haben, und ich schließe mich im folgenden seinen Bezeichungen an. Auf die »Radialia « des Kelches folgen distal die »Primibrachialia «, welche bis zum »Primaxillare« einschließlich gehen. Die weiteren Glieder »Secundibrachialia « reichen bis zum »Secundiaxillare « einschließlich; es folgen Tertibrachialia, Qnartibrachialia usw. In den Bezeichnungen für die Verbindungen zwischen den einzelnen Gliedern folge ich hier A. H. Clark 1908 d. Derselbe unterscheidet mus - kulöse, d. h. mit Ventralmuskulatur ausgestattete Gliedverbindungen von nicht muskulösen, d. h. solchen, welche durch die sogenannten Easermassen allein bewirkt werden. Unter den Muskelverbindungeu lassen sich zwei Arten sondern: schiefe, bei denen unter dem Einfluß auftretender Pinnulae das eine der paarweise vorhandenen Muskel- Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d, Regeneration bei Crinoicien. 55 'bündel schwächer entwickelt ist wie das andre; und gerade, bei welchen die Bündel vollkommen gleich sind. — Die nicht muskulösen Verbindungen zerfallen in Synarthrieen und Syzygieen. Bei erste- ren sind die Faserbündel in zwei kompakten Massen angeordnet, welche durch einen in dorsoventraler Kichtung verlaufenden Wall geschieden werden; in letzteren ist die Gliedfläche entweder ziemlich eben oder sie wird in eine Eeihe von Feldern geteilt, indem kleine Wälle von der Achse der Gliedoberfläche aus radiär zur Peripherie verlaufen (Clark, op. cit. Fig. 1, 2, 5, 7). Ein Einwand ließe sich vielleicht gegen die CLARKsche Anwendung des Wortes »Synarthrie« erheben. Minckert 1905, der diesen Aus- druck in die Terminologie der Crinoiden zuerst einführte, definiert nämlich die »Synarthrie« als »die bewegliche, meist unter Beteiligung von Muskelgewebe vermittelte Verbindung zweier Skeletstücke ....«, während Clark ihn später nur für eine Verbindung in Anspruch nimmt, welche niemals ventrales Muskelgewebe besitzt. Hieraus entspringt jedoch anderseits der Vorteil, daß kein neuer Ausdruck geschaffen werden mußte, der die herrschende Unstimmigkeit der Autoren in bezug auf die Bezeichnungen der Gliedverbindungen noch vermehrt hätte. Ich möchte zunächst etwas näher auf das Äußere einiger Eeoenerate von Isocrinus eingehen, welche irgendwie Besonderheiten zeigten. Zu diesem Zweck wollen wir uns an erster Stelle mit der Folge der Glieder beim normalen Tier und ihrer Verbindungsweise vertraut machen, um später die Fragen beantworten zu können: 1. An welchen Stellen findet vornehmlich Autotomie statt? 2. Wird das Regenerat in normaler W^eise ergänzt, oder zeigen sich Unregelmäßigkeiten im Auf- treten von Syzygieen u. dgl. 3. Wie gestaltet sich eine Verletzung, welche innerhalb eines Gliedes stattgefunden und dieses partiell zer- stört hat ? Bei Isocrinus decorus folgen auf die gut sichtbaren Basalia die Radialia. Diese hängen mit dem ersten Primibrachiale durch gerade Muskelverbindung zusammen. Das zweite Primibrachiale ist zugleich Primaxillare und mit dem ersten durch Synarthrie verbunden. Prim- axillare und erstes Secundibrachiale verknüpfen sich durch gerade Muskelverbindvmg ; es folgt zwischen erstem und zweitem Secundi- brachiale eine Syzygie, sodann zwischen zweitem und drittem Secundi- brachiale die erste schiefe Muskel Verbindung. Weiter distal finden wir als Gliedverbindungen ausschließlich schiefe Muskelverbindungen und vereinzelte Syzygieen. 56 August Reichensperger, An dem mir vorliegenden Isocrinus-Mateiial konnten einige 30 Regenerate mit Sicherheit festgestellt werden. Zwei derselben waren Doppelregenerate d. h. ein junges Regenerat war wieder beschädigt worden und hatte seinerseits neu regeneriert. Die übrigen verteilten sich auf folgende Durchbruchsstellen: 7 Bruchflächen auf den Radialia; 10 Bruchflächen auf dem ersten Primibrachiale; 17 Bruchflächen an mehr distalen Stellen zwischen Hypozygalien und Epizygalien; 2 Bruchflächen an schiefer Muskelverbindung. Sämtliche Bruchflächen waren mit urößeren oder kleineren Regene- raten besetzt. Nach Minckert befanden sich bei dessen Comatuliden- Material 75 — 90% der Durchbruchstellen in Syzygieen. Wir bemerken, daß auch bei Isocrinus weitaus der größte Teil der Regenerate von Stellen ausgeht, welche der ventralen Muskulatur entbehren; wie wir oben sahen, ist das erste Primibrachiale mit dem zweiten durch Synarthrie verbunden, welche der Syzygie sehr nahe steht. Nächst Syzygieen und Synarthrien treffen wir merkwürdigerweise als häufige Bruchstelle die distale Fläche der Radialia. Bricht ein Arm an dieser Stelle, so wird meist ein Stück der Scheibe mitgerissen. Die Kelchdecke regeneriert dann zuerst und zwar zeigen sich auf ihr vorläufig keine Ambulacralfurchen. Diese bilden sich erst später mit zunehmendem AVachstum des Armes. Ein interessantes Exemplar von Isocrinus bringt Fig. 1, Taf. IV zur Darstellung. Wir sehen zwei Radialia, auf denen sich kleine Regenerate erheben. Das eine derselben ist durch- aus regulär und zeigt zwei Primibrachialia in Entwicklung, deren zweites ein Axillare ist; auf letzterem erheben sich bereits mehrere Secundibrachialia. Die Kelchdecke hat sich schon ergänzt. Das andere Radiale zeigt ein seltsam mißratenes Regenerat, dessen Bildung ich nicht erklären kann; auf der Bruchfläche sind mehrere unregelmäßig warzenförmige Erhebungen vorhanden, welche stark verkalkt sind. Möglicherweise sind dieselben auf eine äußere Wachstumstörung zurück- zuführen und zeitigen später eine ähnliche Bildung, wie sie an dem alten Regenerat von Kelch Fig. 3, Taf. IV sichtbar ist. Hier besteht nämhch das Primibrachiale aus drei Stücken, von denen zwei ziemlich enge verwachsen sind. Dadurch ist die Form des Primaxillare eben- falls stark beeinflußt, während die folgenden Glieder regelmäßig gebildet sind. Es hat jedoch an den linken Secundibrachialia eine Vermehrung der Syzygieen stattgefunden ; an Stelle der zweiten Syzygie, von welcher bereits wieder ein jüngeres Regenerat ausgeht, das auf dem älteren Beiträge zur Histologie n. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 57 aufsitzt, befindet sich im normalen Tier meist eine schiefe Muskel- verbindung. Auch bei dem Exemplar, das in Fig. 2, Taf. IV zur Dar- stellimg kommt, hat eine erhebliche Vermehrung der Syzygieen bei der Regeneration stattgefunden. Es sind das aber seltene Ausnahmen, im allgemeinen entwickelt sich das Regenerat dem normalen Arm entsprechend. Interessant ist eine Verschiebung, welche Textfigur G auf Seite 51 zeigt. Bei a sehen wir das reguläre Verhalten ; gm bezeichnet gerade Muskel Verbindungen, s die Synarthrie zwischen erstem Primi- brachiale und Primaxillare, sg be- deutet Syzygie und sm die erste schiefe Muskelverbindung. Neben diesem Radius befand sich der bei h gezeichnete, welcher auf dem Radiale regenerierte. Hier kommt zunächst pb I, das erste Primi- brachiale in Wegfall; auf das Ra- diale folgt unmittelbar das Pri- maxillare. Das hat zur Folge, daß die Synarthrie ganz wegfällt und die Syzygieen verlegt werden; am rechten Arm steht die Syzygie noch relativ an richtiger Stelle, am linken Arm ist sie um ein Glied distal verschoben. Sämtliche Verbindungen bis zu den beiden Syzygieen sind gerade Muskelver- bindungen. — Bei dem Kelch in Fig. 2, vielleicht auch bei dem in Fig. 3, Taf. IV haben wohl Ver- letzungen innerhalb der Kalkgheder stattgefunden und Mißwachs hervorgerufen. Der erste Radius von Kelch 2 hat das verletzte Radiale nicht ergänzt und sich etwas nach innen verschobeli, so daß es zunächst zweifelhaft ist, ob man nicht drei Primibrachialia zählen soll; in der Tat sind nur zwei vorhanden. Bei dem linken Radius desselben Kelches hat offenbar eine Verletzung des ersten Primibrachiale stattgefunden. — Nach meinen Erfahrungen bei Äntedon glaube ich jedoch annehmen zu dürfen, daß im allgemeinen alle derartige Mißbildungen sich im Verlaufe längerer Zeit ausgleichen, daß eine bleibende Anormalität nur selten erzielt wird. Ebenfalls ist eine Unregelmäßigkeit der Lage der Syzygieen im Regenerat von Antedon vielleicht noch seltener wie bei Isocriniis; Textfig. H. Entwicklung der »masses ganglionnaires« aus jungem Regenerat. Homog. Imm. 1,8, Comp.- Oc. 12. Eisenliämatoxylin-Säurefuchsin. 58 August Reichenspei'ger, ich konnte eine solche nur in wenigen Fällen feststellen. Die Ansicht MiNCKERTs, die Syzygieen seien prädestinierte intra vitale Durchbruch- stellen, teile ich auf Grund der oben aufgestellten Tabelle wie auch auf Grund der Befunde am lebenden Objekt {Äntedon rosaceus). Im Anschluß an das eben Gesagte erhebt sich wohl die Frage,, von welchen Stellen aus überhaupt eine Regeneration möglich ist. In der Hauptsache gibt uns hierüber Przibrams interessante experimentelle Arbeit 1901 Aufschluß (S. 335 und Taf. XIV), zu der ich nur einige kleine Ergänzungen aufführe. Przibram denkt sich die eigentliche Regenerationszone am Grunde der Armpaare gelegen, worauf auch meine Versuche hinzuweisen scheinen. — Er sagt unter anderm: »Schneidet man sämtliche Armpaare ab, so daß nur die Centralkapsel mit dem Ideinen Tentakelkranz übrig bleibt, so geht dieselbe zugrunde ohne zu regenerieren. « Ich habe bei fünf Exemplaren die Arme bis auf die Radialia entfernt, ohne letztere zu verletzen. Die Scheibe wurde von den Tieren selbst abgeworfen. Nach 4 Monaten hatten zwei Antedon, unter günstigsten Bedingungen gehalten, je fünf Arme von 1,1 — 1,3 cm Länge regeneriert, die andern drei waren abgestorben. — Fanden bei der Amputation Verletzungen einzelner Radialia statt, so wurde nicht regeneriert. Verletzte ich das Centralorgan des Nervensystems in arm- losen Exemplaren durch einen Stich mit einer äußerst feinen Insekten- nadel, so fand gleichfalls keine Regeneration statt. Dieselbe setzte aber trotzdem in zweien von drei Exemplaren ein, wenn außer den Radialia 4 — 5 Glieder eines Armes erhalten blieben; hier vollzog sie sich jedoch äußerst langsam. — Wurde bei Centralkapseln, deren sämtliche Arme entfernt waren, mit einer feinen Nadel der Dorsalstrang in den Radialia etwas verletzt, so trat niemals Regeneration ein; ebenso wenig, wenn außer den Radialia noch das erste Primibrachiale erhalten war. Die angeführten Versuche scheinen mir das Bestehen einer Regenerations- zone am Grunde der Arme zu bestätigen und außerdem möchte ich aus ihnen den Schluß ziehen, daß eine gewisse Menge von Substanz des dorsalen Nervensystems bzw. der begleitenden Nähr- und Wander- zellen unverletzt vorhanden sein muß, um eine Regeneration in die AVege zu leiten. Einzelne Arme habe ich ebenso wenig zur Regeneration bringen können wie Przibram, und Armpaare regenerierten ausschließlich dann, wenn sie durch ein Stückchen der Centralkapsel verbunden waren, das noch ein Bruchstück des Centralorgans enthielt. Der Versuch gelang nur mit im übrigen unverletzten Armen; er schlug mir fehl, wenn distale Glieder ebenfalls amputiert wurden. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 59 Wenn Pezibeam den »kleinen Tentakellvianz « d. h. die Cirren o;anz entfernte, so wurde derselbe (in der Zeit der übrigen Regenerationen) nicht regeneriert. — Ich habe diesen Versuch mit acht Exemplaren wiederholt; die Tiere wurden am 15. XII. operiert, am 17. I. traf ich bei einem Exemplar die ersten kaum sichtbaren Neuanlagen des äußeren Cirrenkreises. Am 20. II. zeigten drei Tiere OTößere Re- generate, während zwei weitere eben angesetzt hatten. Am 7. III. hatten vereinzelte Cirren, 5 — 7 pro Kelch, etwa ein Drittel der Normal- größe erlangt. Es folgt hieraus, daß eine Regeneration der Cirren möglich ist, aber nicht immer eintritt (die drei letzten Versuchstiere zeigten bei der Kontrolle vom 7. III. noch keine Spur eines Regenerats, waren aber im übrigen lebendfrisch). Ferner verläuft die Regeneration der Cirren im Vergleich zu derjenigen aller andern Körperteile äußerst langsam. In elf Fällen nur lag mir eine partielle Regeneration eines Cirrus vor. MiNCKERT fand eine solche einzig bei Antedon carinata Lamck. und gibt eine Abbildung davon 1905 (Taf . VII, Fig. 4). Bei der gleichen Art konstatierte P. H. Carpenter den Ersatz von Cirrenteilen 1888, S. 203. Antedon carinata ist meines Wissens bisher die einzige Species geblieben, von welcher über partielle Cirrenregeneration berichtet wird. — In zwei von den erwähnten elf Fällen bei Antedon rosaceus war das Neuwachstum in Freiheit vor sich gegangen; einmal vom dritten, einmal vom siebenten Cirrale aus. Die übrigen neun Fälle waren von mir durch Amputation hervorgerufen. Im ganzen schnitt ich etwa 170 Cirren durch, davon den größeren Teil innerhalb von Glied- verbindungen. Von den stehengebliebenen Stümpfen wurde eine Anzahl am Grunde von den Tieren autotomiert. Unter dem Rest regenerierten acht Cirrenteile von der Gliedfläche aus, wie Fig. 5, Taf. IV zeigt, nur ein einziges Regenerat wurde auf der Schnittfläche durch die Mitte eines Cirrale angelegt. Fig. 6, Taf. IV gibt ein Bild dieses Regenerats 2V2 Monate nach der Amputation. Immerhin können wir sagen, daß bei den Cirren eine partielle Regeneration sehr viel seltener und zögernder eintritt wie eine totale und ich glaube, daß Minckert mit Recht den Grund für diese Tatsache darin vermutet, daß die Cirren intravital leichter ganz wie teilweise abbrechen können oder abgeworfen werden. Schneidet man einen Arm in der Mitte eines Gliedes schief oder ganz winkelig durch, so tritt, wie wir bereits im zweiten Teil vorliegender Arbeit sahen, die Regeneration fast ebenso rasch ein, wie beim Durchbruch einer Syzygie. Jedoch kommen bei der Knospenbildung 60 August Reichensperger, zuweilen Unregelmäßigkeiten vor, welche ich auf ein besonders starkes Wuchern des schief angeschnittenen Dorsalnervs im Verein mit einem Druck, der von den Skeletresten ausgeübt wird, zurückführe. Textfig. J zeigt eine solche unregelmäßige Knospe, welche im Längsschnitt den Eindruck erweckt, daß hier zwei Centren für die Regeneration vorhanden sind, das eine, hervorgerufen dm'ch Nerven-, , Ö3CC. Textfig. J. Erklärung im Text. das andre durch Wassergefäßwachstum. Das Wassergefäß n^ dürfte zuerst, wie im allgemeinen, die Richtung nach oben genommen haben, was die oberste Ausbuchtung des Cöloms c anzudeuten scheint; in der Folge ist es wohl unter dem Druck des Nervenwachstums seitlich aus- gewichen. In derartigen Fällen findet bei Antedon eine Verlagerung in die ursprüngliche Richtung erst sehr spät statt. Aus allen meinen Versuchen, welche auf Regeneration der Arme bezug hatten, ergab sich mit Sicherheit, daß es für das Wachstum im allgemeinen gleichgültig ist, ob die Wundfläche von einer Syzygie, einer Synarthrie, von einer geraden oder schiefen Muskelverbindung oder endlich von irgend einer Stelle inmitten eines Gliedes gebildet wird. Jede Wunde des Arms hat ziendich gleiche Regenerationsqualitäten, jede Armregion ist regenerationsfähig. Daraus folgt, daß den Syzygieen und Synarthrieen, abgesehen von der geraden Bruchfläche, keine Be- sonderheiten als speciellen Regenerationsbasen zukommen, daß sie für die Neuanlage nicht etwa vorzüglich prädestiniert erscheinen, was Beiträge zur Histologie u. zum \'erl>Syzygy « in the description üf Crinoids. Zool. Anz. Bd. XIX. H. BosSHARDT. 1900. Zur Kenntnis der Verbindungsweise der Skeletstücke der Arme und Ranken von Antedon rosacea. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXIV. BuRY. 1889. The early stages in the development of Antedon rosacea. Phil. Trans. Vol. CLXXIX B. P. H. Carpenter. 1884. Report upon the Crinoidea collected dui'ing the voyage of H. M. S. Challenger during the years 1873—76. Part I. — The stalked Crinoids Chall. Rep. Zool. Vol. XI. — 1888. desselben Part II. — The Comatulae. Chall. Rep. Zool. Vol. XXVI. W. B. Carpenter. 1876. On the structure, Physiology and Development of Antedon rosaceus. Proc. Roy. Soc. London. Vol. XXIV. p. 211 — 231 and p. 451 — 455. H. C. Chadwick. 1907. L. M. B. C. Memoirs on typical british Marine Plants and Animals. XV. Antedon. C. Chun. 1892. Die Bildung der Skeletteile bei Echinodermen. Zoolog. Anz. Bd. XV. Austin H. Clark. 1908a. Infrabasals in Recent Genera of the Crinoid familj' Pentacrinitidae. Proc. Un. St. Nat. Mus. Vol. XXXIII. — 1908b. The nomenclature of the recent Crinoids. ibid. Vol. XXXIV. — 1908c. The axial Canals of recent Pentacrinitidae. ibid. Vol. XXXV. — 1908d. The Homologies of the arm-joints and arm-Divisions in the recent Crinoids etc. ibid. Vol. XXXV. — 1909. The non-muskular Articulations of Crinoids. American Naturalist. Vol. XLIII. — 1910. The origin of the Crinoidal muscular Articulations. American Journ. of Science. Vol. XXIX. L. CuENOT. 1891a. Etudes sur le sang et les glandes lynii)hatiques (Invertebres). Arch. Zool. exp. 2me serie. T. IX . — 1891b. Etudes morphologiques sur les Echinodermes. ibid. T. IX. C. Davydoff. 1901. Beiträge zur Kenntnis der Regenerationserscheinungen bei den Ophiuren. Diese Zeitschr. Bd. LXIX. Delage et Herouard. 1903. Traite de Zoologie Concrcte. III. Echinodermes. Paris. Dendy. 1886. ün the regeneration of the visceral niass in Antedon rosaceus. Stud. Biol. Lab. Owens College. Vol. I. DujARDiN. 1835. Recherches sur la Comatule de la Mediterranee. L'Institut, j(nirn. gen. d. Soc. et Trav. Sc. T. III. Paris. Beiträge zur Histologie u. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 65 Engelmann. 1881. Über den faserigen Bau der kontraktilen Substanzen mit besonderer Berücksichtigung der glatten u. doppeltschräggestreiften Muskelfasern. Pflügers Archiv. Bd. XXV. O. Hamann. 1887. Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. Diese Zeitschr. Bd. XLVI. — 1889. Anatomie und Histologie der Ophiuren und Crinoiden. Jen. Zeitschr. f. Natur. Bd. XXIII. — 1901. Bronns Klassen und Ordnungen. II. Band. III. Buch: Die Schlangen- sterne. — 1904 — 1907. Bronns Klassen. II. Band. V. Buch: Seelilien. C. F. JicKELi. 1884. Vorläufige Mitteilungen über den Bau der Echinodermen. Zoolog. Anz. Bd. M:I. H. D. King. 1898. Regeneration in Asterias vulgaris. Arch. f. Entw.-Mech. Bd. \^I. — 1900. Further studies on Regeneration in Asterias vulg. ibid. Bd. IX. Ph. Knoll. 1892. Zur Lehre von den doppelt schräggestreiften Muskelfasern. Wiener Sitzungsber. math.-naturw. Klasse. Bd. CI. E. KoRSCHELT, 1907. Regeneration und Transplantation. Jena. Fischer. KoRSCHELT und Heider. 1902. Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte der wirbellosen Tiere. Allgemeiner Teil. Jena, Fischer. A. Lang. 1894. Lehrbuch der vergleich. Anatomie. 4. Teil. Echinodermata. H. Ludwig. 1877. Beiträge zur Anatomie der Crinoideen. Diese Zeitschr. Bd. XXVIII. Fr. Marceau. 1904. Recherches exper. et theoretiques sur le mecanisme de la contraction des fibres musculaires. dites ä double striation oblique etc. Bulletin de la Soc. d'Hist. nat. du Doubs. Marshall. 1884. On the nervous System of Antedon rosaceus. Quart. Journ. ]Vncr. Science. W. MiNCKERT. 1905. Über Regeneration bei Comatuliden nebst Ausführungen über die Auffassung und Bedeutung der Syzygieen. Arch. f. Naturg. 71. Jahrg. MoRTENSEN. 1910. Report on the Echinoderms collected by the Danmark Expedition at North-East-Greenland. Bd. V. Xr. 4. J. Müller. 1843. Über den Bau des Pentacrinus caput Medusae. Abh. d. K. pr. Ak. d. Wiss. aus dem Jahre 1841. — 1854. Über den Bau der Echinodermen. K. Akad.' d. Wiss. Bd. XLV. Berlin. E. Perrier. 1872. Recherches sur l'anatomie et la regeneration des bras de la Comatula rosacea. Arch. Zool, exper. et gen. T. II. — 1886. Memoire sur 1' Organisation et le developpement de la Comatule de la Mediterranee. Nouv. Arch. Mus. d'Hist. nat. Ser. 2. T. IX. — 1890. Ibid. Suite et fin. Ser. 3. T. II. H. Przibram. 1901. Experimentelle Studien über Regeneration. Arch. f. Entw.- Mech. Bd. XI. Rbichensperger. 1905. Zm- Anatomie von Pentacrinus decorus Wy. Th, Diese Zeitschr. Bd. LXXX. — 1908. Das Vorkommen von Drüsen bei Crinoiden. Zool. Anz. Bd. XXXIII, E. Rhode, 1885. Die Muskulatur der Chaetopoden. Zool, Beiträge. Bd. I. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 5 (56 August Reichensperger, Mich. Sabs. 1868. Memoires pour servir ä la connaissance. JxTL. SCHAXEL. 1910. Das Ziisammen Wirken der Zellbestandteile bei der Eireifung, Furchung und ersten Organbildung der Echinodermen. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwickl. Bd. LXXV. G. Schwalbe. 1869. Über den feineren Bau der Muskelfasern wirbelloser Tiere. Arch. f. mikr. Anat- Bd. V. O. Seeliger. 1893. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoideen (Ante- don rosacea). Zool. Jahrb. Anat. Ontog. Bd. VI. H. SlMKOTH, 1876. Anatomie und Schizogonie der Ophiactis virens Sars. Ein Beitrag zur Kenntnis der Echinodermen. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. (Mit Nachtrag.) — 1877. 2. Teil. Schizogonie. ibid. Bd. XXVIII. Vogt und Yung. 1888. Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie. Braunschweig. J. Wackwitz. Beiträge zur Histologie der Molluskenmuskulatur, speziell der Heteropoden und Pteropoden. Zool. Beiträge. Bd. III. W. Woodland. 1906. Study IV. The scleroblastic development of the spicules in Cucumariidae. Quart. Journ. Micr. Sei. Vol. XLIX. — 19Ö8. Study VII. The scleroblastic Development of the plate-and-anchor Spicules. ibid. Bd. LI. Teil 3. C. Zeleny, 1905. Compensatory Regulation. Journ. Exper. Zool. Vol. II. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren sind mit dem ABBEschen Zeichenapparat entworfen ; der Zeichen- tisch war auf Objekttischhöhe eingestellt, wenn nicht anders bemerkt. Soweit nicht ausdrücklich gesagt, beziehen sich alle Figuren auf Antedon rosaceus. Die folgenden Bezeichnungen sind allen in Betracht kommenden Figuren gemeinsam; hier nicht aufgeführte finden sich in der Erklärung der einzelnen Figuren. Buch st abener klär ung: a, Ausläufer von Ganglienzellen; gz, Ganglienzelle; bf, Bindegewebsfasern; k, Kern; ehr, Chromatin; kgs, Kalkgrundsubstanz; df, Dorsalfasern; l, kleine und große Lücken der Kalk- dfk. Kerne der Dorsalfasern; grundsubstanz, in denen Kalk ab- dnf, Nervenfasern, welche zu den gelagert war; »masses ganglionnaires « führen; uf, Dorsal-Nervenstrang des Armes; ep, Endplatte der Muskelbündel; tvz, Wanderzellen, welche letzteren und gbg, gewöhnliche verästelte Bindege- seine Ausläufer begleiten. webszellen der Grundsubstanz; Tafel I. Fig. 1. Teil des Hauptstammes des dorsalen Axnnnerven; zeigt die An- lagerung der Wanderzellen, r, leere Wanderzelle in Ruhe. Delafields Häma- toxylin, Picrinsäure-Säurefuchsin. Zeiss, homog. Imm. 2,00. Compens.-Oc. 12. Beiträge zur Histologie n. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 67 Fig. 2. Kalkgrundsubstanz an der sogenannten Dorsalfasermasse, (Per- RiERScher Nerv). In dem dunkeln Querbalken zahlreiche plasmaarme Zellen von Dorsalfasern. Winkel, Obj. 5a, Compens.-Oc. 12. Eisenhämatoxylin-Eosin. Fig. 3. Zwei typische Ganglienzellen der Dorsalfasermasse bei Isoer inus decorus. mg, Perriers »masse ganglionnaire «, av, Verdickung des Ausläufers. Eisenhämatoxylin-Orange-G. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. Fig. 4. Einzelne Zelle wie vorher; vom Centralnervenstrang tritt der Aus- läufer n an die Ganglienzelle, Homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 18. Fig. 5 — 11. Entwicklung der Dorsalfasern im Regenerat; die einzelnen Stadien den Zahlen folgend. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. Eisen- hämatoxylin-Picrinsäure-Säurefuchsin. Fig. 12 — 18. Stadien der ventralen Muskelentwicklung beim Regenerat von Antedon. Vergrößerung und Färbung wie beim vorigen. Fig. 19 — 21. Stücke ventraler Muskelfasern, um den Verlauf der Schrägstrei- fung zu zeigen. Fig. 19 stark kontrahiert. Fig. 21 Ende eines gerissenen Stückes, in mäßiger Kontraktion fixiert. Eisenhämatoxylin-Aurantia. Zeiss, homog. Imm. 2,0 mm, Compens.-Oc. 18. Fig. 22. Kalkgrundsubstanz an der Endigung der Muskelfasern mb. hbg, typische halbmondförmige Bindegewebszelle mit auslaufenden Fasern zu den Muskeln hin. kz, Kalkzelle, ovoide Zelle Bosshards, von diesem nur an den Dorsalfasern gefunden. Eisenhämatoxylin-Säurefuchsin. Winkel, homog. Imm. 1,8 mm, Complanat.-Oc. 4. Fig. 23. Eine Kammer des gekammerten Organs mit Inhalt. Actinometra robustipinna. bll, Bläschen, welche von einer dichteren färbbaren Substanz um- hüllt sind; blll, Bläschen, welche einer solchen fast ganz entbehren. Delapields Hämatoxylin-Eosin. Winkel, Obj. 3a, Complan.-Oc. 4. Fig. 24. Einzelne Bläschen aus dem gekammerten Organ von Antedon, stärker vergrößert; darunter mehrere angeschnitten. Dieselbe Färb. Zeiss, homog. Imm. 2,00 mm, Winkel, Complan.-Oc. 4. Fig. 25. Kalkgewebe aus dem Kelch von Isocrinus decorus. Eisenhäma- toxylin-Eosin. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Oc. 4. Fig. 26 — 33. Kalkzellen kz in der Grundsubstanz in verschiedenen Stadien der Kalkbereitung {Antedon); Fig. 26 — 28 von jungem Regenerat: Homog. Imm. 2,00, Oc. 4; Fig. 29. Zellen im älteren Arm in situ bei gleicher Vergrößerung. — Fig. 30 — 33, einzelne Zellen verschiedener Stadien aus altem Arm und Kelch. Zeiss, homog. Imm. 2,00 mm, Compens.-Oc. 18. Tafel II. Fig. 1. Oberer Teil des drüsigen Organs; Zusammenhang mit Blutgefäßen bl. schl, Schlauch des drüsigen Organs. Winkel, 7a, Oc. 4. Eisenhämatoxylin-Eosin. Fig. 2. Zellteilungen im Epithel des Tentakelkanals, junges Regenerat. Homog. Imm. 1,8, Oc. 4. Fig. 3. Entstehung von Ganglienzellen des neu anzulegenden Dorsal- Nervenstranges aus dem Endothel e des Cöloms. /, Nervenfasern. Eisenhäma- toxylin-Säurefuchsin. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. Fig. 4 und 6. Zellen des Genitalstranges im jungen Regenerat in verschie- denen Stadien der Ausbildung zu Keimzellen. Antedon, weibl. Tier. Zeiss, homog . Immers. 2,00, Compens.-Oc. 12. EisenhämatoyxUn-Pikrins.-Säurefuchsin. 5* 68 August Reichensperger, Fig. 5. Knospenbildung R des Genitalschlauches im Regenerat. Gk, Genitalkanal; Gschl, Genitalschlauch. Winkel, homog. Imm. 1,8. Oc. 4. Fär- bung wie vor. Fig. 7. Degenerationsprozeß im Dorsalnerv und Wanderung von Wander- zellen zur Wunde. 15 Stunden nach Verwundung fixiert. Winkel, Obj. 3a, Oc. 4. Eisenhäm. -Eosin. Fig. 8. Schlauchende aus dem drüsigen Organ mit Inhalt. In den Zellen Vacuolenbildung. Winkel, homog. Imm. 1,8, Oc. 4. Eisenhämatoxylin-Aurantia. Fig. 9. Blutgefäß hl am drüsigen Organ mit gleichem körneligen Inhalt. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. Gleiche Färbung. Fig. 10. Anlage der »Masses ganglionnaires « und der Dorsalfasern im älteren Regenerat. Winkel, Obj. 5a, Oc. 4. Dorsal - Tangentialschnitt. Eisenhäm. - Säurefuchsin. Fig. 11. Längsschnitt durch Arm mit junger Regenerationsknospe. 96 Stun- den nacli Amputation fixiert, c, Cölom; lo, Wassergefäß; de, degeneriertes Epi- thel der Tentakelfurche. Winkel, 5a, Oc. 2. Hämatoxylin-Eosin. Fig. 12. Teil eines Längsschnittes wie eben: 48 Stunden nach Amputation. Gleiche Vergr. Das Objekt Fig. 11, ist gebrochen (in Syzygie), Fig. 12 ist ge- schnitten (durch ein Glied) in letzterer eilt der Nerv dem Wassergefäß w vor. de und c wie eben. Fig. 13. Pinnula mit reifer Keimdrüse in Regeneration. Antedon-M.SA\nGh.en. 0, Geschlechtspore. Winkel, 3a, Oc. 2. Fig. 14. Ältere, etwas unregelmäßige Regeneration (Bruch in einer Muskel- verbindung). Einfluß von Dorsalnerv und Wanderzellen. Anlagen des Kalk- skelets Ks. m, Muskel. Winke], Obj. 3a, Oc. 2. Hämatoxylin-Orange. Fig. 15. Querschnitt durch junges Regenerat an der Spitze, c, Cölom; wg, Tentakelkanal. Ektoderm und Mesenchym nicht unterscheidbar. Eisen- hämatoxylin-Pikrins.-Säuref. Winkel, 7a, Oc. 4. Fig. 16. Längsschnitt durch eine Girre mit partieller Regeneration. Ck, Cirrenkanal; B, Bindegewebsstrang in letzterem; N, Nervenhülle. Eisenhäma- toxylin-Orange. Winkel, 3a, Oc. 4. Fig. 17. Aus einem Querschnitt durch Muskelfasern, welche stark kontra- hiert sind. Vier Leisten im Sarkoplasma sf. mf, Myofibrille im Querschnitt; ksii, Kittsubstanz. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 18; Vergr. etwa 2400. Eisenhämatoxylin. Tafel III. Fig. 1. Einzelne bipolare Ganglienzellen gz mit Ausläufern, aus dem dor- salen Centralnervenstrang von Antedon. Eisenhämatoxylin-Säurefuchsin. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. Fig. 2. Zwei Ganglienzellen vom Ende der dorsalen Fasermasse bei gleicher Vergrößerung aus demselben Schnitt, dnf, der vom Dorsalstrang kommende Nervenast. Fig. 3. Kalkzelle aus dem Arm nach Färbung mit Eisenhämatoxylin- Safranin. Zeiss, Imm. 2,00, Compens.-Oc. 18. Fig- 4 — 9. Stadien der Entwicklung der Sacculi-Zclien. In Fig. 4 bei k das erste Stadium, daneben Beginn der Secretion; bei Fig. 6 Ausbildung der zungenförmigen Gestalt der Zellen; Fig. 4—6 von junger Larve {Pentacrinula) Beiträge zur Histologie ii. zum Verlauf d. Regeneration bei Crinoiden. 69 vor Durchbruch des Vestibulums, Delafields Hämatox.-Säurefuchsin. — Fig. 7 vom alten Arm; die reifen Körner nehmen Eosin an. Beginn der Fadenbildung. In der Zellbasis besondere Plasmazüge sichtbar. Zeiss, homog. Imm. 2,00, Oc. 4. Eisenhämatoxylin-Eosin. — Fig. 8 stammt aus einem mit erwärmter FLEMMma- scher Lösung behandelten Armstück. Zeigt reife Sacculus-Zelle mit Membran m und Kern. Eisenhäm.-Pikrins. Homog. Imm. 2,00, Compens.-Oc. 12. — Bei Fig. 9 Querschnitt durch Sacculus-Zelle, zeigt Abplattung der Körner. Oc. 4. Fig. 10. Querschnitt durch dorsale Fasermasse ehe die Verzweigung der Bündel beginnt. Die mit ax bezeichneten Pünktchen sind wahrscheinlich den Nervenverzweigungen angehörig. Eisenhämatoxylin-Pikrins.-Säurefuchsin. Zeiss, Homog. Imm. 2,00, Oc. 2. Fig. 11. Wanderzellen beim Emdringen in einen dorsalen Faserstrang j 48 Stunden nach der Amputation. Eisenhämatoxylin • Eosin. Winkel, Obj. 7a, Oc. 4. Fig. 12 a — e. Wanderzellen bei Aufnahme sich lösender Muskulatiir. Eisen- häm.-Aurantia. ms, Muskelstück. Zeiss, Imm. 2,00, Winkel, Oc. 4. Tafel IV. Fig. 1 — 3. Isoer inus decorus, Kelche mit Regeneraten jüngeren und älteren Datums, darunter Mißbildungen. In Fig". 1 auf der Scheibe ein Myzostoma. Fig. 1 etwa 12 X , Fig. 2 u. 3 etwa 7 x vergr. Fig. 4. Etwas unregelmäßiges junges Regenerat, das 14., das an der gleichen Stelle hervorsproßte. Antedon rosaceus. Fig. 5. Cirrus in partieller Regeneration; das Regenerat entspringt einer Gliedfläche. Fig. 6. Cirrus in partieller Regeneration; das Regenerat wird auf der Schnittfläche durch die Mitte eines Gliedes gebildet. Fig. 7. Regenerat auf geschlechtsreifem Arm. Entwicklung des Regenerats und der Geschlechtsprodukte verlief parallel. Zeiss, Lupe, etwa 10 x vergr. Neue Beiträge zur Kenntnis der Termitophilen und Myrmecophilen (No. 192). Von E. Wasmaun S. J. (Valkenbnrg). (Aus dem biologischen Institut zu Valkenburg.) Mit Tafel V— VII. Verzeichnis der Neubeschreibungen in dieser Arbeit. Coleoptera. Farn. Carabidae: Larven von Glyptus punctulattts Chaud Farn. Stapliylinidae. Subf am. Aleocliarinae : T ermitojyulex natalensis n. sp. . . Termitotecna Braunsi n. gen., n. sp Idiogaster Escherichi n. gen., n. sp Myrmedonia Reicherti n. sp. . . Dinusa Santschii n. sp Dinusa Heimi n. sp Subfam. Termitodiscinae n. subfam. Termitodiscus Braunsi n. sp. . . Subfam. Staphylininae. Paederopsis myrmecopJiila n. gen., n. sp Farn. Pselaphidae. Subfam. Clavigerinae. Clavigerodes Raffrayi n. sp Clavigerodes Escherichi n. sp Fustigerinus Kohli n. gen., n. sp Fustigerinus hirsutus n. sp Fam. Thorictidae. Thorict'us Reicherti n. sp Thorictus braminus n. sp Thorictus Heimi Wasm. subsp. Wrovghtoni n. subsp, Farn. Tenebrionidae, subf. Rhysopaussini m. Euglyptonotus Escherichi n. sp Isoptera. Fam. Metatermitidae. Mirotermes bellicosi n. sp Seite 77 »7 88 89 94 97 97 91 94 98 104 104 105 106 107 108 109 83 85 Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 71 Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Verzeichnis der physogastren termitophilen Aleocharinen (Hierzu Taf. V, Fig. 1—3) 71 2. Zur Kenntnis der Gäste von Termes bellicosus. a. Ghj'ptus und dessen Larven. (Hierzu Taf. VI, Fig. 10 — 14.) ... 75 b. Andre Gäste von T. bellicosus. (Hierzu Taf. V, Fig. 1 u. 8 und Taf. VI, Fig. 15) 82 3. Zur Kenntnis der Gäste von Termes natalensis. (Hierzu Taf. V, Fig. 1 und Taf. VI, Fig. 9) 85 4. Zwei neue physogastre Aleocharinengattungen aus Afrika. (Hierzu Taf. V, Fig. 2 u. 3). ; 87 5. Die Termitodiscinae, eine neue UnterfamiUe der Staphyliniden. (Hierzu Taf. V, Fig. 4 u. 5) 91 6. Eine neue termitophile Myrmedonia aus Südafrika. (Hierzu Taf. V, Fig. 7) 94 7. Zwei neue Dinusa. (Hierzu Taf. V, Fig. 6) 96 8. Ein neues myrmecophiles Genus der Staphylininae aus Brasilien. (Hierzu Taf. VII, Fig. 16 a~c) 98 9. Übersicht der bisher bekannten Gäste von Solenopsis geminata F. . . 100 10. Tabelle der Clavigerodes, mit Beschreibung zweier neuer Arten . . . 103 11. Ein neues Clavigerinengenus vom belgischen Congo. (Hierzu Taf. VII, Fig. 17) 104 12. Zur Kenntnis einiger südafrikanischer Thorictus- Arten 106 13. Zwei neue Thorictus aus Ostindien. (Hierzu Taf. VII, Fig. 19— 21) . 108 14. Übersicht über die Gäste der ostindischen Pheidole. (Hierzu Taf. VII, Fig. 22) 110 15. Coccinella distincta und die Selektionstheorie. (Hierzu Taf. VII, Fig. 23) 112 Erklärung der Abbildungen 114 1. Verzeichnis der physogastren termitophilen Aleocharinen.^ (Hierzu Taf. V, Fig. 1—3.) Nachdem Schiödte 1854 die ersten physogastren termitophilen Aleocharinen aus Brasilien beschrieben hatte, dauerte es 35 Jahre, bis 1889 die zweite Gattung durch Casey bekannt wurde. Vom Jahre 1891 an wuchs ihre Zahl jedoch rasch, und gegenwärtig kennen wir deren bereits 24 mit zusammen 32 Arten. Wir finden unter ihnen die sonderbarsten und mannigfaltigsten Formen, die namentlich in der Gestalt und Stellung des Hinterleibes das Außergewöhnlichste in der 1 Auch unter den zu den Tachyporini gehörigen termitophilen Triebe- pseninae gibt es einige physogastre Gattungen wie Xenistusa und Tricho' psenius; ferner zahlreiche physogastre Aleocharinengattungen unter den Myrrne- cophilen {Mimeciton, Ecitophya usw.). 72 E. Wasmann, Insekten weit leisten. Bald ist der Hinterleib in normaler, flach aus- gestreckter Stellung festgewachsen und riesig erweitert [Termitobia (Taf. V, Fig. 1) und Timeparthenus), bald in schwach aufgerichteter Stellung ( Termitotecna [Taf. V, Fig. 2]), bald in senkrechter Stellung ( Xenogaster und Idiogaster [Taf. V, Fig. 3]), bald in nach vorn über- gebogener Stellung (Corotoca), schließlich ist sogar die ehemalige Unter- seite desselben zur Oberseite geworden ( Spirachtha und Termitomimus). Der Hinterleib kann dabei die bizarrsten Formen annehmen {Termi- tomimus), ja sogar mit gegliederten Abdominalanhängen ausgestattet sein (Sfirachtha), wie wir sie sonst nur bei gewissen termitophilen Larven von Tineiden und Dipteren kennen. Vom biologischen und phylogenetischen Standpunkt aus sind die termitophilen physogastren Aleocharinen nicht minder interessant als vom vergleichend morphologischen. Sie zeigen uns die extremsten Anpassungserscheinungen an die termitophile Lebensweise als echte Gäste (Symphilen), sowohl bezüglich ihrer äußeren Exsudatorgane — als solche sind hier der riesige membranöse Hinterleib mit seinen Ex- sudatknospen {Xenogaster) oder gegliederten Anhängen {SpirachtJia) anzusehen — als auch bezüglich ihrer Exsudatgewebe, indem hier das hypodermale Blutgewebe in Verbindung mit dem tiefer liegenden Fett- gewebe riesig entwickelt ist. Diese symphilen Anpassungen haben ferner durch Convergenz zu ähnlichen Formen bei systematisch untereinander nicht näher verwandten Gattungen geführt; denn die meisten Genera der termitophilen physogastren Aleocharinen sind un- abhängig voneinander aus verschiedenen Gattungen jener Unterfamilie der Kurzflügler hervorgegangen. Ja es scheint sogar, daß von einer und derselben Gattung Myrmedonia, welche zu den ältesten bisher bekannten Aleocharinengattungen zählt und schon im unteren Oligozän des baltischen Bernsteins i vertreten ist, mehrmals zu verschie- denen Zeiten termitophile Anpassungen ausgingen, welche durch parallele Entwicklung zu verschiedenen neuen Gat- tungen führten. Dasselbe gilt auch für die noch weit zahlreicheren, von Myrmedonia ausgegangenen myrmecophilen Anpassungen, durch welche z. B. ganz verschiedene Gattungen von Ecitongästen bei Arten einer und derselben Wirtsgattung Eciton sich ausbildeten. Da in der bald erscheinenden vierten Auflage meines Buches »Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie « die Anpassungserschei- nungen der physogastren termitophilen Aleocharinen von stammes- 1 Manclie neuere Geologen stellen denselben sogar schon in das Eocän. Neue Beiträge zur Kenntnis der Termitophilen u. Mj^mecophilen (Nr. 192). 73 geschichtlicher Seite näher beleuchtet und auch eine photographische Tafel der Haupttypen derselben gegeben werden soll, beschränke ich mich hier auf eine Aufzählung der bisher bekannten Gattungen und Arten mit Angabe ihrer Wirte, soweit dieselben sicher feststehen. Am reichsten vertreten sind sie im neotropischen Gebiet, an zweiter Stelle kommt das af rikanisch-madegassische ; aus dem ostindisch-malaischen Gebiete waren sie bis 1910 überhaupt noch unbekannt, und wir kennen erst zwei Gattungen aus Java und Singaporei. I. Neotropisches Gebiet. 1) Corotoca Melaniho Schiödte, 1854. — Bei Eutermes Reinhardti Schiödte i. 1.; Minas Geraes 2 (Keinhardt!). 2) Corotoca Phylo Schiödte 1854. — Ebenda. 3) Sfirachiha Eurymedusa Schiödte 1854. — Ebenda. 4) Xenogaster inflata Wasm. 1891. — Bei Eutermes (arenarius) ful- viceps Silv.; S. Catarina (Hetschko! Schmalz!), La Sierra (Uru- guay) (SiLVESTRi!). 5) Xenogaster nigricollis Silv. 1903. — Bei Eutermes {arenarius) fluri- articulatus Silv. und froximus Silv. ; Cuyabä (Matto Grosso), Misiones (Paraguay) (Silvestri!). — Bei Eutermes (Ripperti) mojoscensis Holmgr.; Mojos (Bolivia) (N. Holmgren!). 6) Xenogaster Wasmanni Holmgr. 1911 3. — Bei Eutermes {Ripperti) mojoscensis Holmgr.; Mojos (Bolivia) (N. Holmgren!). 7) Termitophja Heyeri Wasm. 1902. — Bei Eutermes (arenarius) fulviceps Silv.; Eio Grande do Sul (Heyer!). 8) Termitophja Wasmanni Holmgr. 1911*. — Bei Eutermes minimus Holmgr. und chaquimayensis Holmgr.; Chaquimayo (Peru) (N. Holmgren!). 9) Termitophja Holmgreni Wasm. 1911^. — Bei Eutermes {Ripperti) mojoscensis Holmgr.; Mojos (Bolivia) (N. Holmgren!). 10) Termitomorpha Meinerti Wasm. 1894. — Bei Eutermes Meinerti Wasm.; Venezuela (Meinert!). 1 Eine von J. Assmuth in Voiderindien bei Eutermes 1911 entdeckte Gattung lag mir noch nicht vor. Vermutlich ist sie ebenfalls neu. 2 Von Prof. WARMiNG-Kopenhagen wurden die Arten 1—3 vor einigen Jahren ebendort wiedergefunden. Meine Exemplare, die ich durch Meinert erhielt, sind von Wabming gesammelt und von mir mit den Typen im Universitäts- museum Kopenhagen verglichen. 3 Ist im Zoolog. Anzeiger soeben beschrieben worden. XXXVIII. Nr, 18/19. Seite 429. 4 Ebenda. 0 Ebenda. 74 E. Wasmann, 11) Termitothymus fhiletaerus Silv. 1903. — Bei Eutermes (arenarius) fulviceps Silv.; Cordoba (Argentinien) (Silvestri!). 12) Termitoiceus anastrephoproctus Silv. 1903. — Bei Anoplotermes tenebrosus Hag.; Cuyabä (Matto Grosso) (Silvestri!). 13) Termitozopliüus laetus Silv, 1903. — Bei Cornüermes similis Hag.; Taciirü Pucü (Paraguay), Cuyabä (Matto Grosso) (Silvestri!). 14) Termitosius pauciseta Silv. 1903. — Bei Eutermes heteropterus Silv. ; Tacurü Pucü (Paraguay) (Silvestri!). 15) Timeparthenus regius Silv. 1903. — Bei Anoplotermes tenebrosus Hag.; Cuyabä (Matto Grosso) (Silvestri!). 16) Termitogaster insolens Gas. 1889. — Termitenart ungenannt; Pana- ma (Beaumont!). 17) Termitogaster fissipennis Cas. 1890. — Termitenart ungenannt; Panama (Beaumont!). 18) Termitogaster texana Brues 1902. — Bei Eutermes cinereus Buckl., Texas (Brues!). II. Afrikanisch-Madagassisches Gebiet. 19) Termitobia physogastra Wasm. 1891 (Taf. V, Fig. 1). — Bei Termes bellicosus Smeathm.; Voltafluß, Goldküste (Finder: »Geschäfts- geheimnis«!). — Bei Termes natalensis Havil.; Groot Fontain, Deutsch Südwest- Afrika (Prinz Georg von Bayern! 12. VIT. 19092). 20) Termitochara Kraatzi Wasm. 1893. — Bei Capritermes {»Eutermes«) capricornis Wasm. und Microcerotermes ( »Eutermes «) Sikorae Wasm. ; Madagaskar ( Sikor A ! ) . 21) Termitana Perrieri Fairm. 1899. — Termitenart ungenannt; Mada- gaskar (H. Perrier!). 22) Termitotropha O'Neili Wasm. 1899. — Bei Amitertnes (» Termes«) unidentatus Wasm.; Kapkolonie (O'Neil!). 23) Termitomimus entendveniensis Trag. 1907. — Bei Eutermes sp.; Zululand (Trägardh!). 24) Termitopaedia Kohli Wasm. 1911. — Bei Acanthotermes spiniger KoJili Wasm. — Belg. Congo (P. H. Kohl!). 25) Termitella Lujae Wasm. 1911. — Bei Eutermes Lujae Wasm.; Belg. Congo (E. Luja!). 1 Diese klassische Auskunft erhielt ich 1891 vom Naturalienhändler V. Fric in Prag, \\elcher von seinem Sammler das Material zugesandt erhalten hatte und den Namen des Entdeckers nicht nennen wollte. 2 Siehe den 3. Abschnitt dieser Arbeit S. 86. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 75 26) Termüotecna Braunsi Wasm. n. g., n. sp.i, 1911 (Taf. V, Fig. 2, 2a — c). — Bei Termes transvaalensis Sjöst. (tuhicola Wasm. i. 1.). — Oranje-Freist. (H. Brauns!). 27. Idiogaster Escherichi Wasm. n. g., n. sp.^ (1911 (Taf. V, Fig. 3, 3a). — Bei Eutermes rapulum Sjöst.; Erythraea (K. Escherich!). 28. Terniitotelus SchuUzei Wasm. 1908. — Bei Hodotermes viator Ltr.; Klein-Namaland (L. Schultze!). 29) Termüojmlex grandiconiis Fvl. 1899. — Termitenart ungenannt; Abyssinien (Raffray!). 30) Termitojmlex natalensis Wasm. n. sp. 1911 3. — Bei Termes nata- lensis Havil. — Natal (G. D. Haviland! 1898). III. Ostindisch-Malaisehes Gebiet: 31) Jacobsonella termitobia Silv. 1910. — Bei Termes gilvus Hag. (ma- laijanus Havil); Java (Edw. Jacobson!, Prof. Morin!)*. 32) Termitoptochus indicus Silv. 1910. — Bei Eutermes singaporensis Havil.; Singapore (Finder imgenannt). 2. Zur Kenntnis der Gäste von Termes bellicosus. (Hierzu Taf. V, Fig. 1 u. 8; Taf. VI, Fig. 10—15). Unsre bisherige Kenntnis der Gäste von Termes bellicosus Smeathm. ist leider noch eine sehr beschränkte. Bei gründlicher Erforschung der riesigen Hügelbauten dieser Termite wird dieselbe ohne Zweifel bedeutend erweitert werden. a. Glyptus und dessen Larven. George H. Hörn gab 1888 in den Trans. Americ. Ent. Soc. XV, p. 18 — 21, die Beschreibung der Larven von Glyptus sculptilis Brülle. Er berichtet, der bekannte Verfasser der Termitenmonographie, H. Hagen, habe ihm während eines Besuches am Museum für verglei- chende Zoologie zu Cambridge 5 im Sommer 1887 einige Larven von der Westküste Afrikas gezeigt und ihm mündhch folgendes mitgeteilt: "About 50 years ago Dr. Sa vage, in Company Avith Dr. Perkins, was engaged in missionary work in Sierra Leone. On their return 1 Siehe den 4. Abschnitt dieser Arbeit S. 88. 2 Siehe den 4. Abschnitt dieser Arbeit S. 89. 3 Siehe den 3. Abschnitt dieser Arbeit S. 87. * Die letzteren Exemplare stammen aus Buitenzorg und befinden sich in der Zool. Sammlung des bayr. Staates in München, von wo sie mir vorlagen. Herrn Cürt v. Rosen statte ich meinen Dank ab für die Mitteilung des Materials. 5 Gemeint ist Cambridge in Mass. U. S. A. 76 E. Wasmann, they brought many objects of natural history, among them some insects, whicli received attention from Dr. F, W, Harris. A specimen of Glyptus sculptilis in the lot came finally iuto the possession of Dr. Le Conte and is now in his cabinet. This insect, it is well known^, lives in the nests of the great white ant of that region, From the nest of that ant Dr. Sa vage obtained queens, some of very great size, and in the same bottles were smaller objects supposed to be small queens of the same. When the collection reached Cambridge, from Salem, Dr. Hagen at once recognized the fact that these smaller specimens were not queen ants but larvae unknown to him. When these larvae were shown to me, it was at once seen, that they were Carabid larvae. The fact that Glyptus was known to occur with these ants, was made known to Dr. Hagen, who has searched the literature with great care for any mention of the larva, but fruitlessly . . .". Nun folgt die von Abbildungen begleitete Beschreibung der Larve, deren Länge Hörn auf 32 mm angibt. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß die von ihm beschriebene Larve wirklich Glyptus sculptilis Brülle angehört. Die »große weiße Ameise«, bei welcher sie gefunden wurde, muß wohl Termes bellicosus Smeathm. gewesen sein, welcher im äqua- torialen Westafrika sehr häufig ist. T. natalensis, erst 1898 von Havi- LAND beschrieben, wurde damals allerdings noch nicht von dem mor- phologisch und biologisch sehr nahe verwandten T. bellicosus unter- schieden; da jedoch die Kopfbildung der großen Soldaten beider Arten immerhin deutlich verschieden ist, würde Hagen als vortrefflicher Termitenkenner es wohl bemerkt haben, wenn die den Glj/ptus-L3iTyen beigegebenen Termiten nicht T. bellicosus gewesen wären. 1891 sah ich bei dem Natm'alienhändler V. Fric in Prag mehrere Glyptus-havven, die zugleich mit Termitobia pJiysogastra Wasm. bei Termes bellicosus am Voltafluß (Goldküste, W.-Afr.) gefunden worden waren. Ich schrieb diese Larven ^ ebenfalls dem Glyptus sculptilis zu, da keine Imagines beilagen und die Larven gut mit der oben erwähnten Beschreibung G. Horns übereinstimmten. Eine Glyptus-liarwe, die ich gleichfalls auf sculptilis bezogt, lag 1 In Brulles Beschreibung der Art (1835) fand ich nichts über deren termitophile Lebensweise (E. W.). 2 Neue Terinitophilen (Verh. Zool. Bot. Ges. Wien 1891) S. 647. ■^ Termiten und Termitengäste vom belg. Congo (Rev. Zool. At'ric. I., 1911, fasc. 1 u. 2) S, 97. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrniecophilen (Xr. 192). 77 mir ferner vor einigen Jahren aus dem K. Reichsmiiseum zu Stockholm vor. Sie war von Y. Sjöstedt bei Tennes tumulicola Sjöst. ( = nata- lensis Havil. !) iu Liberia gefunden worden. Ob es sich hier wirklich um eine G. sculptüis-ha,ive handelt, bleibt allerdings zweifelhaft. Ein sehr interessantes Glyptus-Msitevial erhielt ich kürzlich aus Termes belUcosus-'Ba,\iteYi vom Kilimandjaro zugesandt, und zwar von zwei Seiten. Erstens aus dem Universitätsmuseum zu Breslau durch Herrn Dr. Zimmer, stammend aus der »Akademischen Studienfahrt nach Ostafrika, VII — X, 1910«, zu Moschi in einem großen Termiten- bau gesammelt. Es waren in jener Sendung fast ein Dutzend Larven vorhanden, aber keine Imagines. Beigegeben waren aus jenem T. helli- cosws-Bau eine riesige Königin von 10 cm Länge und 3 cm Breite, ferner Nymphen von Imagines, eine große Anzahl Soldaten beider Größenformen, Arbeiter und Larven (darunter auch Soldatenlarven vor der letzten Häutung, mit Gesichtsmaske); endhch eine große An- zahl Arbeiter, sehr wenige Soldaten, einige Nymphen und eine Königin von Microtermes incertus Hag. Letztere Art ist als Gasttermite von T. helUcosus bereits bekannt. Schon H. Hagen (Monogr. d. Termiten, Linn. Ent. XII., 1858, S. 231) berichtet über dieselbe: »Diese Art lebt in den großen Hügelbauten von Termes helUcosus.« Zimmer schreibt in dem Briefe vom 4. März 1911, welcher seine Sendung be- gleitete: »Die ^yinzigen Termiten, die bei den großen zu Gaste waren, hatten sich ebenfalls Pilzgärten, etwa von Walnußgröße gebaut.« Die Miniaturpilzgärten von Microtermes incertus gleichen somit jenen, welche M. glohicola Wasm. auf Ceylon in den Hügelnestern von Termes Redemanni anlegt, und welche ich 1902 (Zool. Jahrb. System. XVII, 1, S. 116 und Taf. V, Fig. 1) beschrieben und abgebildet habe. Die Glyptus-L&Tven aus dieser T. hellicosus-Kolonie stimmen genau zu der Beschreibung der G. sculptilis-Lsirven Horns, sind aber aus- gewachsen etwas kleiner, höchstens 28 — 30 mm lang und 10 — 12 mm breit. Die kleinsten, noch nicht so auffallend physogastren Larven messen etwa 20 mm Länge bei nur 5 — 6 mm Breite. Ich gebe anbei die Photographien der Ober- und Seitenansicht zweier physogastren Larven (Taf. VI, Fig. 10 u. 11) und der Oberansicht einer stenogastren Larve aus demselben Material (Fig. 12). Diese Photographien dürften eine nochmalige Beschreibung der Larven überflüssig machen. Ferner gebe ich die Photographien der Unterseite des Vorderkopfes einer Larve (Taf. VI, Fig. 13) und eines Vorder-, Mittel- und Hinterbeins derselben (Taf. VI, Fig. 14). Ich beziehe diese Larven auf Glyplus p und u latus Chaud., 78 E. Wasmann, nicht auf s culftili s Brülle, und zwar aus folgendem Grunde : In einer andern, gleichzeitig erhaltenen, kleineren Sendung von Dr. PRELL-Marburg fanden sich ebenfalls einige der nämlichen Glyptus- Larven — leider schlecht konserviert im Vergleich zu der ebenerwähnten Sendung von Zimmer — und zwar gleichfalls aus einem Bellicosus- Neste von Moschi am Kilimandjaro. Eine physogastre Larve von 27 mm Länge und 11 mm Breite und eine stenogastre von 15 mm Länge imd 3 mm Breite sind einigermaßen erhalten geblieben. In demselben Material aus demselben BelUcosus-Ba,u war auch eine völlig zerfallene, ihrer Fühler und Beine beraubte Imago von Glyptus. Es gelang mir, die Stücke derselben (Kopf, Prothorax, Flügeldecken) wiederum so zusammenzusetzen, daß ich die Art bestimmen konnte. Es war Glyptus punctulatus Chaud., nicht sculftilis Brülle i. Von besonderem Interesse erwies sich der in demselben Tubus schwimmende macerierte Darminhalt der Imago. Ich untersuchte ihn mikroskopisch und konnte ohne Schwierigkeit je ein halbes Dutzend Soldaten und Arbeiter von Microtermes incertus herausfinden; von BelUcosus-Jjarven konnte ich dagegen keine Keste entdecken. Jener Glyptus punctulatus hatte also mit den kleinen Gasttermiten seines großen Wirtes vor seinem Tode sich vollgefressen. Es dürfte wohl keinem Zw^eifel unterhegen, daß wir auf Grund dieses Fundes von Prell auch die von demselben Fundort und von derselben Wirts ter mite stammenden Glyptus-JjSiVYen, die auf den beifolgenden Photographien (Taf. VI, Fig. 10 — 14) abgebildet sind, dem Glyptus punctulatus Chaud, zuzuschreiben haben. Vergleich der Glyptus -J^a,vven mit den Orthogonius- Larven^. Die Larven beider Gattungen sehen sich äußerst ähnlich und haben im erwachsenen physogastren Zustand dieselbe flaschenförmige Gestalt, die sie einem Laien als »kleine Termitenköniginnen« vortäuscht. Wenn ich jedoch 1902 (S. 147) glaubte, die Physogastrie sei bei den Ortho- gonius-liSiVven stärker, so muß ich dies als Irrtum jetzt widerrufen. Die Glyptus-liSiiYeTi vom Kilimandjaro, die mir vorliegen, zeigen im Gegenteil bei derselben Körperlänge eine entschieden stärkere Verdickung des Hinterleibes als die indischen Orthogonius-hsiiven. 1 Vgl. auch H. Prell im Zoolog. Anz. XXXVIII. Nr.9/10, 1911,8.250-253. 2 Siehe Termiten, Termite philen und Myrmecophilen von Ceylon usw., 1902. (Zool. Jahrb. System. XVII, 1., S. 99—164 u. Taf. IV u. V) S. 142—148 und Taf. V, Fig. 2, Taf. IV, Fig. 12 a— d. Neue Beiträge zur Kenntnis der Terniilophilen u. Myrniecopliilcn (Nr. 192). 79 Die Beschreibung der Ortliogonius-lisuven, die ich 1902 (S. 142ff.) gegeben, paßt mit wenigen Modifikationen auch auf die Glyptus-liaiven. Von letzteren liegen mir allerdings keine so jungen stenogastren Stadien vor wie von ersteren, wo namentlich unter dem von P. J. Assmuth zu Khandala (Bombay-Distrikt) 1902 bei Termes obesus gesammelten reichen Material die jüngeren Stadien in überwiegender Zahl vertreten sind. Als Haupt unter schiede der Glyptus- von den Orthogonius- Larven seien hier die folgenden hervorgehoben: Der Vorderrand des Clypeus ist bei beiden fünfzähnig. Aber bei den Orthogonius-IjSirven sind die Zähne kleiner, unter sich gleich sroß, dreieckig, und die beiden seitlichsten Zähne stehen viel weiter von den drei mittleren ab als diese untereinander. Bei den Glyptus-JjSiTven dagegen sind die Zähne von ungleicher Größe, von der Mitte des Clypeusrandes nach den Seiten an Größe abnehmend; die beiden kleinen Seitenzähne sind ferner von den mittleren Zähnen nicht weiter entfernt als diese unter sich; unter den drei Mittelzähnen ist der mittelste mehr als doppelt so breit als die benachbarten, nicht dreieckig mit gerundeter Spitze wie diese, sondern breit viereckig, vorn abgestutzt. Die Oberkiefer haben bei den OrtJiogonius-'Laiyen nur einen größeren Zahn unterhalb der Mitte des Innenrandes, unter demselben nur Andeutungen von ein bis zwei kleineren Zähnen. Bei den Glyptus- Larven dagegen stehen drei ziemHch große, an der Spitze gerundete Zähne in der Basalhälfte des Innenrandes, und der oberste ist nur wenio- oTößer als die beiden unteren. Fühler und Unterkiefer (einschließlich der Kiefertaster) sind bei beiden sehr ähnlich gebildet. Bei den Gli/ftus-Lawen sind die Fühler jedoch etwas kräftiger. Die Unterlippe ist ebenfalls sehr ähnHch bei beiden, so daß dieselbe Beschreibung (1902, S. 143) auf beide paßt. Bei den Glyptus-Lsivren (Taf. VI, Fig. 13) ist sie jedoch etwas breiter und kürzer als bei den Orthogonius-'La.iyen. Die Beine der Glyptus-Laiven (Taf. VI, Fig. 14) sind sehr ähnlich jenen der Orthogonius-LaTven (1902, S. 144). Siehe die Tafelerklärung. Über die Kristalle im abdominalen Fettgewebe der Orthogonius- und Glyptus-Larven. Auf einen interessanten Punkt, der weitere Untersuchung ver- dient, sei hier noch aufmerksam gemacht. Im verdickten Hinterleib der physogastren Orthogonius-Lsivyen 80 E. Wasmann, ■" ( Schaumi und Horni) fand ich eine Unmasse von gelbbraunen, doppelt lichtbrechenden Kristallen^ und zwar bloß im Fettgewebe. Ich habe dieselben 19031 bereits erwähnt und die kristallographische Diagnose Prof. WEiNSCHENKs-München beigefügt. Dr. Philipp Baden (Luxem- burg) hatte in den Jahren 1908 — 1909 die Güte, in seinem chemisch- physiologischen Laboratorium eine Reihe von mikrochemischen Untersuchungen über diese Kristalle an den Schnittserien jener Larven anzustellen. Obwohl dieselben zu keinem sicheren Ergebnisse führten, will ich sie hier kurz mitteilen: Zuerst war seine Aufmerksamkeit auf die Cholesterinprobe gerichtet, da jene Kristalle eine große morphologische Almlichkeit mit Chole- sterinkri stallen zeigen, da sie ferner nur im Fettgewebe sich vorfinden, und da endlich Cholesterin im Fettgewebe vieler Tiere anderweitig nachi2;ewiesen ist. Die Cholesterinreaktion ergab foloendes an den Schnitten physogastrer Larven von 1903: 1) Die Orthogonius-KvistaWe sind unlöslich in Schwefelsäure; des- gleichen die Cholesterinkristalle. 2) Dagegen ergaben sich folgende Verschiedenheiten: a. Die Orthogonius-KvistaWe sind nicht löslich inXylol und Chloro- form; die Cholesterinkristalle sind dagegen in beiden löslich. b. Die Of^Äo^omMS-Kristalle sind löslich in Kalilauge; die Cho- lesterinkristalle nicht. Also können die Orthogonius-K.nstSi\\e keine Cholesterinkristalle sein. Es wurden hierauf noch folgende Reaktionen (an ungefärbten Schnitten jüngerer Larven) unter dem Deckglas angestellt: 1) Bei Zusatz von Salzsäure nach der Behandlung mit Kalilauge trat Bildung einzelner Harnsäurekristalle auf. Es handelt sich also vielleicht um Uratkristalle, die aus dem Fettgewebe sich gebildet haben. 2) Bei Behandlung der Schnitte mit konzentrierter Essigsäure, dann mit absolutem Alkohol trat eine Umbildung der ursprünglichen Kristalle ein, indem nadeiförmige oder schwach rautenförmige Kristalle, ähnlich den Uratkristallen, erschienen. 3) Bei Behandlung der frischen Schnitte mit Wasser, dann mit konzentrierter Essigsäure verschwanden die vorher sichtbaren Kristalle unter Gasbildung (kleine Luftbläschen). Nach Zusatz von Schwefelsäure traten Kristalle auf, die den typischen Calcium- sulphatkristallen sehr ähnlich waren. 1 Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhältnisses (Biol. Centralbl. Bd. XXIII, Nr. 2, 5, 6, 7, 8) S. 272—275. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 81 i) Es wurden hierauf noch vier Kontrollversuche auf Calciumsulphat und Calciumoxalat angestellt. Dabei erhob sich jedoch das Bedenken, ob die bei den letzterwähnten Versuchsserien erhal- tenen Reaktionen und Kristallbildungen wirklich im Zusammen- hange stehen mit den typischen Or^Äo^ow ws-Kri stallen, die in den Schnittserien der älteren Larven sich finden. Tatsächlich ließen sich mikroskopisch auf den Schnitten der steno- gastren Larven keine solche Kristalle nachweisen, sondern nur auf jenen der physogastren. Ein Resultat war also wenigstens erreicht, daß nämlich die massen- haft im abdominalen Fettgewebe der älteren Larven vorhandenen Kristalle bei den jüngeren Larven noch fehlen. Daß die fraglichen Kristalle schon in vivo in den physogastren OrtJiogonius-LsbVven vorhanden sind, ist auch heute noch wie 1903 (S. 274 — 275) meine Ansicht. Denn sie waren erstens so auffallend massenhaft und zwar nur im abdominalen Fettgewebe vorhanden, daß das Milcrotommesser beim Schneiden des Hinterleibes starken Widerstand fand an den noch ungefärbten (bloß in Alkohol gehär- teten) Larven. Jeder Schnitt mußte deshalb vorher mit einer Collo- diumlösung bestrichen werden, um nicht zu zerreißen. Zweitens fanden sich diese Kristalle stets nur auf den Schnitten von Orthogonius- Larven, niemals auf denjenigen andrer physogastrer, fettreicher Termitophilen oder Myrmecophilen, obwohl dieselben ebenso gehärtet und überhaupt mit denselben Reagenzien behandelt worden waren wie jene. Drittens fühlt sich der Hinterleib schon bei den frischen, noch nicht gehärteten Larven auffallend prall und fest an, was nicht auf die relativ sehr dünne Cuticula zurückgeführt werden kann. Letzteres ist auch bei den Glyptus-Laiven des ZiMMERschen Materials der Fall, von denen ich allerdings noch keine Schnittserien gemacht habe. Wahrscheinlich finden sich auch hier dieselben Kristalle im abdominalen Fettgewebe der physogastren Larven. Über die biologische Bedeutung dieser Kristalle lassen sich einstweilen nur Vermutungen äußern. Jedenfalls erhöhen sie die Resistenzfähigkeit des fetten Hinterleibes gegen äußeren Druck. Da die Orthogonius-LsiTveTi — wenigstens die reiferen Stadien — nach den Beobachtungen von Assmuth (1902) und Escherich (1910) ^als Ter- mitenräuber in kleinen selbstgegrabenen Höhlen der Wände der ' Siehe meine Besprechung von »Escheeich, Termitenleben auf Ceylon« (Biol. Centralbl. 1911) S. 403. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI.Bd. 6 82 E. Wasmann, Nestkammern des Termitenhügels leben, dürfte die Resistenzfähigkeit ihres Hinterleibes für sie von praktischem Nutzen sein. b. Andere Gäste von Termes hellicosus. An termitophilen Staphyliniden sind bisher nur sehr wenige Arten als Bellicosus-QäiStQ bekannt, obwohl deren Zahl sich in Wirk- lichkeit nicht so gering erweisen dürfte. 1891 beschrieb ich in den Verhandl. Zool. Bot. Ges. Wien (S. 647ff.) die größte der bisher bekannten termitophilen physogastren Aleocha- rinen Termitobia physogastra (siehe die Photographie der Type auf Taf V, Fig 1) als Gast von T. hellicosus vom Voltafluß (Goldküste) i. Seither ist dieses schöne Tier nicht wiedergefunden worden bis 1909, wo es durch Prinzen Georg v. Bayern bei T. natalensis in Deutsch- Süd- West- Afrika abermals angetroffen wurde ^. 1894 beschrieb ich im »Kritischen Verzeichnis der Myrmecophilen und Termitophilen« eine sehr große, rot und schwarze Myrmedonia- Verwandte als Ctenodonia inclyta. Das aus der Sammlung Neervort van de Polls vorliegende Exemplar war von Mocquerys in Sierra Leone in den Bauten von T. hellicosus gefunden worden. Daß diese Art gesetzmäßig bei jener Termite wohnt, wurde durch Prof. Magretti bestätigt, welcher mir ein Exemplar (samt den Termiten) zusandte, das er in einem Bellicosus-Ba,\i zu Sabarguma in Erythraea am 14. März 1900 gefangen hatte. SiLVESTRi bearbeitete 1905 (Redia III, fasc. 2, p. 347 — 359) einige Gäste von T. hellicosus, welche Andreini 1900 — 1903 bei Adi Ugri in Erythraea gefunden hatte : den Staphyliniden Termitodiscus hellicosi Silv. n. sp.3, den Pselaphiden Connodontus termitophilus Wasm. und eine neue Art der interessanten Dipterengattung Thaumatoxena {Th. Andreini). Die Rhysopaussini, welche von mir 1896* als eigne Familie (Rhyso- paussidae) aufgestellt, später aber als Unterfamilie der Tenebrio- nidae erkannt worden waren, gehören zu den merkwürdigsten termito- philen Coleopteren. In der Körperform sehr mannigfaltig, zeigen sie eine eigentümliche, meist tiefgrubige und hochkielige Oberflächenskulp- tur und verdickte oder verbreiterte Fühler, die an Paussiden erinnern. Sie scheinen durchweg Termitengäste zu sein, obwohl von manchen derselben die Wirte noch nicht bekaimt sind. 1 Siehe oben im 1. Teil dieser Arbeit S. 74. 2 Siebe im 3. Teil dieser Arbeit S. 86. 3 Siehe im 5. Teil dieser Arbeit S. 94. * Neue Termitophilen und Termiten aus Indien (Ann. Mus. Civico Genova XXXVII. p. 613—630 u. Taf. II). Neue Beiträge zur Kenntnis d, Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 83 Eine der hierher gehörigen Formen, Euglyptonotus Magrettii, wurde von Gestro 19001 beschrieben und 1911 ^ abgebildet. Das einzige damals bekannte Exemplar war von Magretti im März 1900 in einem BelUcosus-Ba,u zu Sabarguma (Erythraea) gefunden worden. Durch seine walzenförmige, stark gewölbte, kurze und breite Gestalt mit den kurzen, kaum verbreiterten Fühlern und kurzen Beinen, erinnert dieses Tier im Habitus fast an Apate capucina. Gestro schreibt ihm jedoch einen vorgestreckten, nicht vertikal geneigten Kopf und schmale, nierenförmige Augen zu, welche weit voneinander stehen sollen (1900, S. 744). Bei allen andern Rhysopaussini ist der Kopf gesenkt und die Augen sind gewöhnlich sehr groß, so daß sie auf der Oberseite der Stirn sich oft fast berühren. Im März 1906 fand Escherich bei Nefassit in Erythraea in einem Bell'icosus-Ba,vi einen Rhysopaussinen, der mit Gestros Beschreibung von Euglyptonotus Magrettii auffallend übereinstimmt, aber einen ver- tikal gesenkten Kopf hat. Augen zu entdecken war mir anfangs un- möglich; denn was bei schwächerer Vergrößerung die Augen zu sein schienen, erwies sich bei stärkerer Vergrößerung nur als die erhabenen, grob gekörnten Wülste des Innen- und Oberrandes der Fühlergruben, Endlich fand ich jedoch wirkliche, stark reduzierte, aber deuthch facettierte, fast linienförmig schmale Augen oberhalb jener Wülste am Hinterrande des Kopfes. Gestros Angabe wculi elongati, subreni- formes, valde inter se distantes« kann somit auch auf die vorliegende Art Anwendung finden, wenngleich bei ihr die Augen stärker rück- gebildet, fast rudimentär sind. Die Abbildung, welche Gestro 1911 von Euglyptonotus Magrettii gab, zeigt wegen des aufgebogenen Kopfes einen von dem EscHERiCHschen Tier völlig verschiedenen Habitus; hierauf ist jedoch kein weiteres Gewicht zu legen, da der Kopf auch bei Euglyptonotus Magrettii in natürlicher Stellung wahrscheinlich nicht vorgestreckt, sondern vertikal ist. Ja, ich wäre sogar geneigt gewesen, beide Arten für identisch zu halten, wenn nicht Gestro, dem ich die Photographie des EscHERiCHschen Tieres einsandte, sie für sicher ver- schieden erklärt hätte. Ich nenne daher die neue Art nach ihrem Entdecker Euglyptonotus Escherichi {Tai. V, Fig. 8, 8a). Sie unterscheidet sich von Euglyptonotus Magrettii durch das stärker gewölbte, am Vorderrand breitere Halsschild, sowie durch die Fühler- bildung. Bei beiden Arten sind zwar die Fühler rolativ kurz und seit- lich zusammengedrückt, gegen die Spitze allmählich erweitert, das 1 Un nuovo genere di Rhysopaussidae (Ann. Mus. Civico Genova. XL, p. 743—748). 2 Ibidem XLV. p. 7. 6* 84 E. Wasmann, Endglied breit abgestutzt. Aber bei E. Magrettii ist das zweite Glied relativ länger, cylindrisch; das dritte bis zehnte ist innen winklig vor- gezogen und das Endglied ist kaum größer als das vorhergehende. Bei Escherichi dagegen ist das zweite Glied viel kürzer, stark quer, doppelt so breit wie lang; die folgenden Glieder sind nach innen kaum vorgezogen, stumpf gerundet; das zehnte Glied ist dreimal breiter als lang, sehr stark quer ; das Endglied (elfte Glied) ist doppelt so laug wie das vorhergehende, quer-rechteckig, nur um die Hälfte breiter als lang. Während myrmecophile Blattodeen schon lange bekannt waren, namentlich aus der bei den Blattschneiderameisen des neotropischen Gebietes wohnenden Gattung Attaphila, kannte man lange noch keine termitophilen Arten dieser Unterordnung. Erst 1907 beschrieb RoB. Shelford in den Ergebnissen der SjösTEDTschen Kilimandjaro- Meru-Expedition (XVII, 2, S. 42 und Taf . III, Fig. 1—2) eine Sphecophila termitum^ als Gast von Termes bellicosus aus Kibonoto^. Die übrigen Arten dieser Gattung sind Raumparasiten von Sphegiden,und es ist um so merkwürdiger, daß dieselbe auch Termitophilen umschließt. In dem mir von Zimmer übersandten Material der »Akad. Studien- fahrt nach Ostafrika«, VII — X, 1910, findet sich unter den Bellicosus- Gästen von Moschi am Kilimandjaro ebenfalls eine Blattide als Imago und Larve in mehreren Exemplaren. Diese Art ist jedoch nicht eine S'phecophüa, sondern — nach Rob. Shelfords Bestimmung, dem ich sie zusandte — Ceratinoptera variahilis Shelf. Sie war bereits von Sjöstedt 1905 zu Kibonoto am Kilimandjaro in größerer Anzahl ent- deckt und dann von Shelford unter den Blattodeen der Sjöstedt- schen Expedition (S. 24) beschrieben worden. Da Sjöstedt von ihrem Vorkommen bei Termiten nichts erwähnt, dürfte es sich bei dem Zim- MERschen Funde vielleicht nur um eine zufällige Termitophilie handeln, wie auch Shelford mir schreibt. Weitere Forschungen werden dies wohl bald klar stellen. Da Shelford keine Abbildung von Ceratino- ptera variahilis gegeben hat, füge ich auf Taf. VI, Fig. 15 die Photo- graphie einer Imago aus dem ZiMMERschen Material bei. Ich gebe nun eine Übersicht der von der »Akademischen Studien- fahrt nach Ostafrika« zu Moschi (Kilimandjaro) in einem Termes bellicosus-'Bsbii gefundenen Termitophilen. 1) Microtermes incertus Hag. (Siehe oben S. 77). (Gast- bzw. Diebs- termite.) 1 Shelford schreibt »terinitium «, was nur als Druckfeliler zu betrachten ist. 2 Sjöstedt hatte die FreundUchkeit, mir die Type zur Ansicht zu senden. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 85 2) Mirotermes hellicosi Wasm. n. sp.i. (Wahrscheinlich ebenfalls Gast- oder Diebstermite.) 3) Larven von Glyptus functulatus Chaud. (Siehe oben S. 77.) 4) Imagines und Larven einer Blattide {Ceratinoptera variahüis Shelf.). (Siehe oben S. 84.) 5) Eine Gryllidenlarve (ob termitophil?). 6) Eine unbekannte Lepidopterenlarve (ob termitophil?). 7) Ein größerer, mit Porcellio und Lucasius verwandter Isopode (ob termitophil?). 8) Ein sehr kleiner, bei Microtermes incertus lebender Isopode. 9) Mehrere Gattungen und Arten von Araneina, von einer Art zahl- reiche Pulli. 10) Ein Exemplar des kleinen Carabiden Blechrus minutulus Goeze, sicher nur zufällig bei Termiten. Ein Exemplar derselben Art erhielt ich auch aus einem Bau von Termes vulgaris Havil. aus Natal (G. D. Haviland!). Blechrus minutulus Goeze und maurus Sturm kommen auch in Europa häufig vor und zwar nicht selten gelegentlich bei Ameisen. 3. Zur Kenntnis der Gäste von Termes natalensis Havil.' (Hierzu Taf. V, Fig. 1 u. Taf. VI, Fig. 9.) Ein Verzeichnis der bisher bekannten Gäste dieser in ganz Afrika weit verbreiteten Termite (Taf. VI, Fig. 9) habe ich kürzlich (Zur 1 Mirotermes hellicosi Wasm. n. sp. Soldat. Totallänge 4,5 mm, Kopf mit Mandibeln 3 mm. Mit Mirotermes { »Eutermes «) hospes Sjöst. nahe verwandt, aber mit viel dickerem, brei- terem Kopf, der nur wenig länger als breit und nicht rechteckig, sondern fast oval ist (mit gerundeten Ecken), von der Seite würfelförmig, relativ sehr hoch, nur um 1/3 länger als hoch (bei hospes ist der Kopf fast doppelt so lang wie breit, rechteckig). Der Stirnwulst über dem abschüssigen Teile der Stirn ist nur sehr niedrig, keine Nase bildend, die von einem gelben Borstenkranze umgebene Fon- tanellgrube deutlich unterhalb des Wulstes gelegen. (Dadurch bildet diese Art einen Übergang zwischen Mirotermes Wasm. u. Cuhitermes PFasm.) Die Mandibeln von Kopfeslänge, stabförmig, zweimal schwach gebogen wie bei M. hospes. Oberlippe nicht länger als breit, nicht rechteckig, sondern nach vorn hin gerundet erweitert (bei M. hospes rechteckig, länger als breit); die beiden Spitzenausläufer (Zinken der Gabel) relativ breit und kurz, spitz dreieckig. Vorder- rand des Prothorax tief ausgeschnitten. Fühler 14-gliedrig wie bei M. hospes. Arbeiter. 4 mm., sehr ähnlich jenem von M. hospes, aber mit 14 gliedri- gen Fühlern. 1 Soldat und über 1 Dzd. Arbeiter aus einem hellicosus-Ba,\x von Moschi lagen vor. 86 E. Wasmann, Kenntnis der Termiten und Termitengäste vom Belgischen Congo, Eev. Zool. Afric. I., fasc. 1 u. 2, 1911, S. 97) gegeben, mit Beschreibung einer neuen bei ihr lebenden Staphylinidengattung {Termitolinus natalensis). Als Nachtrag dazu ist Catliartus advena Waltl zu erwähnen, eine kosmopolitische Art, die durch den menschlichen Handelsverkehr weit verschleppt wurde. Ich erhielt diesen Cucujiden aus einem Hügel- neste von Termes natalensis aus Sankuru, unterer Congo (E. Luja! 1904). Als »Termitengast« ist er nicht zu betrachten, ebensowenig wie z. B. Nausihius clavicornis Kugel, als Meliponengast anzusehen ist, ob- wohl er durch H. v. Ihering in Kio Grande do Sul in Nestern von Trigona ruficrus Ltr. zahlreich gefunden wurde. Eine sehr interessante Bereicherung unsrer Kenntnis der Gäste von T. natalensis verdanken wir Sr. Kgl. Hoheit Prinzen Georg v. Bayern, welcher in Hügelbauten dieser Termite bei Groot-Foutain (D. S. W.-Afrika) am 12. Juli 1909 drei Exemplare von Termitohia fhysogastra Wasm. fand. Dieser Termitengast ist die größte physo- gastre Aleocharine, die bisher bekannt wurde. Sie ist 1891 von mir be- schrieben worden (Verh. Zool. Bot. Ges. Wien, S. 647—651 und Taf. VI, Fig. 1 — 15) aus Hügelbauten von Termes hellicosus Smeathm. vom Voltafluß (Goldküste, W,-Afr.). Termes natalensis ist sowohl morpho- logisch als auch biologisch sehr nahe verwandt mit hellicosus und bietet sogar manche Übergänge zu letzterem. Es kann daher nicht be- fremden, daß Termitohia fhysogastra auch bei T. natalensis vorkommt, obwohl die physogastren Aleocharinen sonst bezüglich ihrer Wirts- termite streng spezialisiert und monophil zu sein pflegen. Die Typen von Termitohia physogastra befinden sich im Kais. Hofmuseum in Wien und in meiner Sammlung. Ich gebe anbei (auf Taf. V, Fig. 1) eine Photographie meiner Type^. Die vom Prinzen Georg v. Bayern bei T. natalensis gefundenen Exemplare befinden sich in der zoologischen Sammlung des Staates in München. Ich konnte trotz sorgfältiger Vergleichimg mit meiner Type keine Unter- schiede bemerken. Eines der Münchener Exemplare wurde mir von Baron v. Rosen am Zoolog. Institut daselbst freundlichst überlassen, wofür ich ihm hiermit meinen Dank ausspreche. Ein neuer Termitopulex aus Natal. Die Aleocharinengattung Termitopulex wurde von Fauvel 1899 (Rev. d'Entom. p. 37) beschrieben. Sie ist durch sehr schlanke Ge- 1 Der fehlende eine Fühler, ein Oberkiefer und die unteren Mundteile sind als Kanadabalsampräparat konserviert. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 87 stalt bei verdicktem und hochgewölbtem Hinterleibe, sehr lange Fühler und borstige Behaarung ausgezeichnet. Fauvel beschrieb daselbst eine Art, T. grandicornis, aus Abyssinien, von Kaffray »in einem Termitenneste« entdeckt. In meiner Sammlung befindet sich schon seit 12 Jahren eine zweite Art, welche von Fauvel, dem ich sie zur An- sicht gesandt hatte, als zu dieser Gattung gehörig bezeichnet wurde. Ich gebe hier ihre Beschreibung: Termitopulex natalensis n. sp. Totus piceus, fuscosetosus, nitidus, vix punctatus, praeter puncta setigera, corporis anterioris setis brevioribus et erectis, setis abdominali- bus longioribus et recurvis, ano dense longeque setoso. Antennae art. 2° plus duplo breviore 1° (articuli ceteri desunt). Caput latitudine haud longius, impunctatum, fronte haud impressa sed plana. Pro- thorax capite latior, longitudine triente latior, subconvexus, lateribus rotundatis basin versus magis angustatis quam apicem versus, angulis posticis obtusis sed distinctis, marginatus, prope margrnem lateralem anguste sulcatus. Elytra thorace vix latiora, ad suturam thorace breviora, ad apicem conjunctim emarginata, subtilissime vix visibiliter punctata. Abdomen perlongum et perconvexum, conicum, margi- natum, basi elytris paulo latius, subtiliter parceque punctatum, sine punctis majoribus in margine segmentorum. — 3 mm. Unterscheidet sich von T. grandicornis Fvl. (Revue d'Entom. 1899, p. 38) durch bedeutendere Größe, dunklere, einfach pechbraune Färbung, die verschiedene Fühlerbildung (bei grandicornis ist das zweite Glied nur um ein Drittel kürzer als das erste), durch den kürzeren Kopf, die verschiedene Form des Halsschildes, namentlich durch die tiefe, schmale, seitliche Randfurche desselben, die kürzeren Flügel- decken, den fast unpunktierten Hinterleib usw. Ein Exemplar mit stark verstümmelten Fühlern lag vor aus einem Bau von Termes natalensis Havil., Natal, 4000 Fuß Meereshöhe, 3. Juni 1898, G. D. Haviland! (In meiner Sammlung). 4. Zwei neue physogastre termiiophile Aleocharinengattungen aus Afrika. (Hierzu Taf. V, Fig. 2 u. 3). Nachdem ich soeben in der Arbeit »Zur Kenntnis der Termiten und Termitengäste vom Belgischen Congo«i ^wei neue physogastre Aleo- charinengattungen (Termitopaedia und Termitella) beschrieben habe, 1 Revue Zoologique Africaine, Vol. I, fasc. 1 — 2, 1911. E. Wasmann, gebe ich hier die Beschreibung zweier andrer neuer Gattungen, deren eine aus dem ehemaligen Oranje-Freistaat, die andre aus Erythraea stammt. Die erstere befand sich schon 10 Jahre in meiner Sammlung, ohne daß ich zur Beschreibung derselben gekommen wäre. Die Zahl der bisher beschriebenen physogastren termitophilen Aleocharinen- gattungen hat hiermit 24 erreicht. Termitotecna^ n. gen. Aleocharinorum. (Taf. V, Fig. 2, 2 a— c.) Im Habitus mit Termitana Fairm. aus Madagaskar verwandt 2, aber namentlich durch die Tarsenbildung, die Fühlerbildung und die Gestalt der Flügeldecken völlio; verschieden. Fühler Flügeldecken Tarsen Termitana : schlank, den Hinterrand der Flügeldecken überragend, das erste Glied kaum verdickt. viel breiter als das Halsschild, nach hinten divergierend, an der Naht und neben dem Außenrand tief längsgefurcht, der Vorderfüße 4gliedrig, das erste Glied nicht länger als das folgende, der Mittel- u. Hinter- füße Sgliedrig, mit verlängertem ersten Glied. Termitotecna : kurz und dick, den Hinterrand der Flügeldecken nicht errei- chend, das erste Glied doppelt so dick wie die folgenden, nur so breit wie das Halsschild, parallelseitig, stark gewölbt. an allen Füßen Sgliedrig, mit ver- längertem ersten Glied. (Fig. 2c). Der Hinterleib ist bei Termitotecna fast doppelt so breit wie der Vorderkörper, fast parallelseitig, kaum aufgebogen, mit breitem, aber wenig erhabenem Seitenrande. Die Vorder- und Mittelhüften berühren sich, die hinteren sind weit voneinander getrennt. Die Tarsen tragen zwei kräftige, einfache, gebogene Klauen. Mundteile: Oberkiefer kurz und kräftig, einfach. Oberlippe seitlich gerundet, vorn in der Mitte schwach ausgerandet. Die Unter- kieferladen (Fig. 2b) sind ziemlich km'z, die innere etwas kürzer als die äußere und gegen die Spitze bedornt. Kiefertaster (Fig. 2b) kräftig, viergliedrig3, namentlich das dritte Glied stark verdickt, das vierte lang kegelförmig zugespitzt, nur halb so lang wie das dritte. Die 1 rix v Ol', Kind. 2 Mit den von Fairmaire erhaltenen Cotypen verglichen. 3 Nach der bisher (bei Erichson, Kraatz usw.) üblichen Zählung, bei welcher das kleine Basalglied mitgezählt wird. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 89 Unterlippe (Fig. 2b) besitzt seitlich gerundete, nicht beborstete Paraglossen, welche nur bis zur Basis der Zunge reichen. L i p p e n t a s t e r dreigliedrig, das erste Glied stark verdickt, kaum länger als breit, das zweite und dritte viel schmäler und kürzer, zusammen nur so lang wie das erste Glied; das zweite Glied ist fast kugelförmig, das dritte von der Länge des zweiten, aber äußerst schmal cylindrisch. Die Zunge ist schmal und kurz, tief zweilappig wie bei Myrmedonia. Termitotecna Braunsi n. sp. (Taf. V, Fig. 2, 2 a.) Brunneotestacea, nitida, setosa, capite thoraceque nigris, elytris, antennis pedibusque brunneis. Caput transversum, haud liberum, impunctatum, fronte deplanata et subtruncata. Oculi magni, promi- nentes. Antennae elytrorum apicem haud attingentes, rectae, crassae, articulis inter se approximatis, 1° subclavato, latitudine longiore, 2° tenuiore, vixoblongo, 3 — 10 quadratis, sensim crassioribus, 11° conico, tribus praecedentibus unitis vix breviore. Prothorax capite latior, longitudine fere duplo latior, lateribus rotundatis, angulis anticis sub- rectis, depressis, posticis omnino rotundatis; convexus, impunctatus, disco in basi media foveolato. Elytra thoracis latitudine et longitudine, convexa, impunctata. Abdomen inflatum, marginatum, apice tantum attenuatum, impunctatum. Pedes validi, posteriores abdomine bre- viores. Long. 3 mm, lat. abd. 1,3 mm. Zwei Exemplare lagen vor, von Dr. Hans Brauns in einem Hügel- neste von Termes transvaalensis Sjöst. {tuhicola Wasm. i. 1.) bei Botha- ville, Oranje-Freist. 1899, entdeckt. Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers. Die Photographien (Taf. V, Fig. 2 u. 2a) geben ein anschauliches Bild des Tieres und zeigen zugleich, daß die Mikro- photographie nicht bloß sogenannte Umrißbilder zu liefern imstande ist. Idiogaster^ n. g. Aleocharinorum. (Taf. V, Fig. 3, 3 a.) Mit Xenogaster Wasm. (Verh. Zool.-Bot. Ges. Wien, XLI, 1891, S. 651 und Taf. VI, Fig. 16 — 24) aus Brasilien in der Körperform und namentlich in der Fühlerbildung ähnlich. Es handelt sich jedoch um bloße Convergenz, da Xenogaster sämtlich fünfgliedrige Tarsen und e'n ganz anders gebildetes Halsschild hat. Näher ist die Verwandt- schaft mit der Gattung Termitella Wasm. vom Belgischen Congo 1 l'&tog, eigentümlich, yaarr^Q, Bauch. 90 E. Wasmann, (Revue Zool. Africaine, I., 1911, p. 170) durch die nur viergliedrigen Tarsen und durch die auffallende Erweiterung eines der letzten Dorsai- segmente des Hinterleibes. Die Unterschiede zwischen beiden Gat- tungen sind: Kopf Gekniete Fühler Halsscliild Flügeldecken Hinterleib Termitella: geneigt, fast unter das Hals- schild zurückgezogen, der Hin- terrand desselben vom c o n - 0 a V e n Vorderrand des Hals- schildes ganz umgeben. mit schwach verlängertem ersten Glied. quadratisch, die ganze Scheibe eingedrückt, mit erhöhtem Rand. nur so lang und so breit wie das Halsschild. schwach aufgerichtet u. schwach verdickt, nur um die Hälfte breiter als der Vorderkörper. Das vorletzte Dorsalsegment sehr groß, nach vorn erweitert, glän- zend. Idiogaster : frei, nur in der Mitte den c o n - V e X e n Vorderrand des Hals- schildes berührend. mit schaftförmig verlängertem ersten Glied. stark quer, nur die Mitte der Scheibe eingedrückt, ohne er- höhten Rand. breiter und viel länger als das Halsschild. stark aufgerichtet und stark ver- dickt, doppelt so breit wie der Vorderkörper. Das letzte Dor- salsegment sehr groß, nach vorn erweitert, mattglänzend. Idiogaster Escherichi n. sp. (Taf. V, Fig. 3, 3 a.) Testacea, nitida praeter caput opacum et abdomen subnitidum, abdominis apice tantum et pedibus dense setosis. Caput transversum, dense coriaceura, fronte deplanata, oculis permagnis. Antennae dimidio corpore haud breviores, valde geniculatae, art. 1° longo, scapiformi, 2° — S'^'" latitudine duplo longioribus, ceteris brevioribus, latitudine vix dimidio longioribus, 11° paulo tantum longiore 10°. Prothorax capite latior, longitudine duplo latior, politus, disco late impresso, angulis anticis rotundatis, posticis obtusis, lateribus paulo sinuatis et basin versus angustatis. Elytra thorace fere duplo latiora, polita. Abdomen valde inflatum, erectum, supra concavum, late marginatum, articulo ultimo dorsali permagno, fere disciformi. Pedes graciles, setosi, tarsorum posticorum art. 1° elongato, omnium articulo ultimo valido, unguiculis binis longis et recurvis, basi dentatis, instructo. Long. corp. 1,5 mm, lat. abdominis 1 mm. Bei Oberansicht sehen die Tarsen unter dem Mikroskop täuschend fünfgliedrig aus, indem das lange Endglied in der Mitte zwei Borsten Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitopliilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 91 trägt; bei Seitenansicht erkennt man jedoch, daß das Endglied un- geteilt ist und den Borsten keine Einschnürung entspricht. Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers, Herrn Karl Esche- rich. Er berichtet darüber Folgendes in seinen Tagebuchnotizen (Nr. 29) aus Erythraea: »Urwald Dongola, 31. /3. 06. Ameisen und Termiten in Freundschaft. Unter Stein. Ein zusammengesetztes Nest von Ameisen und Termiten {Acantholepis carbonaria Em. Var. erythraea For., von Forel bestimmt, und Eutermes rapulum Sjöst., von N. HoLMGREN bestimmt), mit physogastren Staphylinen und Pselaphiden^. Die Termiten und der physogastre Staphyline wurden von den Ameisen nicht angegriffen; bei Begegnung und Berührung mit den Fühlern nicht die geringste feindliche Keaktion.« Daß Idiogaster als Gast zu den Termiten gehörte, Clavigerodes dagegen zu den Ameisen, ist ohne weiteres selbstverständlich. Es sei hier noch aufmerksam gemacht auf die Analogie, die im Habitus zwischen der neotropischen Gattung Xenogaster und den afrikanischen Gattungen Idiogaster und Termitella besteht. Sie be- kundet sich hauptsächlich in den gelaiieten Fühlern, dem eingedrückten Halsschild und dem senkrecht aufgerichteten Hinterleib. Es handelt sich hierbei um Convergenzerscheinungen infolge ähnlicher Lebens- weise, indem alle drei Gattungen bei Eutermes-Aiten leben. 5. Die Termitodiscinae, eine neue Unterfamilie der Staphyliniden. (Hierzu Taf. V, Fig. 4 u. 5.) Die zum Trutztypus der termitophilen Staphyliniden gehörige scheibenförmige Gattung Termitodiscus, deren Kopf so vollkommen unter das Halsschild zurückgezogen ist, daß er ganz auf der Unterseite desselben, und zwar vom Vorderrande des Halsschildes entfernt, liegt, kann wegen dieser morphologischen Eigentümlichkeit nicht zur Unter- familie der Aleocharinen gestellt werden, wo ich sie 1899 unter- brachte, sondern muß eine eigne Unterfamilie der Staphyliniden bilden. Durch die Lage des Kopfes auf der Unterseite des Halsschildes nähert sie sich der Unterfamilie der Cephaloplectinae (Xenocephalinae), welche dem Trutztypus der neotropischen dorylophilen Staphyliniden angehören. Sie unterscheidet sich von letzteren folgendermaßen: I. Cephaloplectinae: Kopf nicht ganz auf die Unterseite gerückt, f'cjr Hinterrand desselben von oben noch sichtbar, die Stirn stark 1 Es handelt sich um Clavigerodes Escherichi Wasm. n. sp. siehe unten im 10. Teil dieser Arbeit S. 104. 92 E. Wasmann, gewölbt und in einem stark gekrümmten Bogen, der einem spitzen Winkel entspricht, auf die Unterseite herabgebogen, wo der schnauzenförmige Mund und die platten, kurzen Fühler liegen. Fühler elfghedrig. IL Termitodiscinae: Kopf ganz auf die Unterseite des Hals- schildes gerückt, vom Vorderrande desselben durch einen breiten Halsschildsaum getrennt, Mund nicht schnauzenförmig verlängert. Fühler zehngliedrig. Die Termitodiscinae umfassen bisher zwei Gattungen, die sich folgendermaßen unterscheiden : 1. Fühler sehr kurz und breit, abgeplattet, ganz unter dem Hals- schild verborgen: Termitodiscus Wasm. (Deutsch. Entom.-Zeit- schrift 1899, S. 147). 2. Fühler schlank, spindelförmig, unter dem Halsschilde hervor- ragend: Discoscenus Wasm. (Zool. Jahrb. Suppl. VII, 1904, S. 655). Erstere Gattung zählt bislang zwei ostindische und drei afrikanische Arten, letztere zwei ostindische Arten. Es ist jedenfalls von hohem Interesse, daß zwischen dem Trutz- typus der dorylophilen Cephaloplectinae und der termitophilen Termitodiscinae eine so auffallende Analogie besteht. Da, wie ich schon früher! gezeigt habe, sowohl in Ostindien (in der Gattung Do- ryloxenus) als auch in Afrika (in der Gattung Pygostenus) dorylophile Staphyliniden vom Trutztypus der Pygostenini von der myrmecophilen zur termitophilen Lebensweise übergegangen sind, so ist wohl auch die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß zwischen dem Trutz- typus der Cephaloplectinae und der Termitodiscinae ebenfalls mehr als bloße Convergenz bestehe. Näher auf diese Frage hier ein- zugehen, für welche ich bereits eine Heihe von Anhaltspunkten ge- sammelt habe, halte ich noch für verfrüht, zumal mir kürzlich ein von Herrn Dr. Prell (Marburg) bei einer ungenannten Termite in Buika am Panganifluß (D.-O.-Afr.) entdeckter Staphylinide des Trutztypus 1 Die phylogenetische Umbildung ostindischer Ameisengäste in Termiten- gäste (Compt. Rend. VI. Congr. Int. Zool., Bern 1904, S. 436— 448); Zur Kennt- nis der Gäste der Treiberameisen und ihrer Wirte (Zool. Jahrb. 8uppl. VII. 1904) S. 651 — 655; Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie, 3. Aufl. 1906, S. 355 — 365; Beispiele rezenter Artenbildung bei Ameisengästen und Termiteu- gästen (Festschr. f. Rosenthal, 1906 und Biol. Centralbl. XXVI, Nr. 17 u. 18), S. 52 (594); Zur Kenntnis der Termiten u. Termitengäste vom belg. Congo (Revue Zool. Afric. 1911, fasc. 1 u. 2), S. 109 u. 160—161. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitopliilcn u. Mjrrmecophilen (Nr. 192). 93 zugesandt wurde, der den Cephaloplectinae sehr nahe zu stehen scheint, leider jedoch wegen starker Beschädigung des Tieres einst- weilen nicht beschreibbar ist. Es dürfte daher hier genügen, die Auf- merksamkeit derForscher auf dieses interessante Vorkommnis zu lenken. Bisher sind folgende Termitodiscus- Alten bekannt: Ostindien: 1) T. Heimi Wasm. (Deutsch. Ent.-Zeitschr. 1899, S. 147); bei Termes obesus Ramb. und subsp. ivallonensis Wasm., Vorderindien (Taf. V, Fig. 4). 2) T. EschericJii Wasm. (Escherich, Termitenleben auf Ceylon, 1911, S. 231); bei Termes Redemanni Wasm.; Ceylon. Afrika: 3) T. splendidus Wasm. (Deutsch. Ent.-Zeitschr. 1899, S. 401); bei Termes vulgaris Havil.; Natal. (Taf. V, Fig. 5.) 4) T. hellicosi Silv. (Redia III. fasc. 2, 1905, S. 348); bei Termes hellicosus Smeathm.; Erythraea. 5) T. Braunst Wasm. n. sp. ; bei Termes transvaalensis Sjöst. {tuhi- cola Wasm. i. 1.); Bothaville, Oranje-Freist. 1906, Dr. Brauns!. Termitodiscus hellicosi Silv. ist mir leider nicht in Natura bekannt, und die Beschreibung Silvestris läßt, was die Vergleichspunkte mit den schon beschriebenen Arten anlangt, manches zu wünschen übrig. Aus der Größenangabe des Tieres, aus der Abbildung der Fühler und des ganzen Tieres, sowie aus der Angabe, daß die Flügeldeckenscheibe kahl ist, glaube ich jedoch hinreichende Anhaltspunkte zu haben, um auch diese Art in die Bestimmungstabelle einzureihen. Tabelle der Termitodiscus-Arten. a. Die ganze Oberseite dicht mit kurzen, steifen, gelben, nach rückwärts gerichteten, anliegenden Börstchen be- setzt. Körperform breiter, Hinterleib kürzer. Ostindische Arten b. a'. Wem'gstens das Halsschild kahl und poliert. Körper- form schmaler, Hinterleib schlanker. Afrikanische Arten . . . . c b. Gröj'er, 1,2 — 1,5 mm lang, 0,6 — 0,8 nmi breit. Pech- brar.i mit helleren Rändern. Fühlerkeule mehr spindel- förmig, gegen die Basis und die Spitze fast gleichmäßig verengt, wenigstens 21/21^^^ so lang wie breit, mit der größten Breite nahe der Mitte. Letztes (zehntes) Fühler- glied nach vorn einseitig schräg zugespitzt. T. Heimi Wasm. (Taf. V, Fig. 4). 94 E. Wasmann, b' Kleiner, 1 mm lang und 0,5 mm breit. Heller gefärbt, Scheibe des Halsschildes gelbbrami. Füblerkeule mehr keulenförmig, nach der Basis viel stärker verengt, nur zweimal so lang wie breit, mit der größten Breite nahe der Spitze. Letztes (zehntes) Fühlerglied oval, die Seiten nach vorn gleichmäßig gerundet . . . . T. Escherichi Wasm. c. Flügeldecken und Hinterleib mit anliegenden gelben Börstchen besetzt. Fühlerkeule sehr kurz und breit, scharf abgesetzt, gegen die Spitze stark erweitert. Letztes Fühlergiied etwas breiter als lang, fast dreieckig. Pech- braun, Hinterleib heller, Halsschild gelb gerandet. Klein- ste und schmälste Art, 1 mm lang und 0,4 mm breit. T. splendidus Wasm. (Taf. V, Fig. 5). c'. Flügeldecken kahl, nur am Rande mit Börstchen be- setzt. Hinterleib mit anliegenden gelben Börstchen. Fühlerkeule lang, nicht scharf abgesetzt, gegen die Spitze allmählich erweitert. Letztes Fühlerglied um die Hälfte länger als breit, oval. Pechbraun, Hinter- leib gelbbraun. Größte Art, 1,8 mm lang und 1 mm breit T. hellicosi Silv. c." Flügeldecken und Hinterleib ohne anliegende, kurze, gelbe Börstchen, dafür mit längeren, aufrechten, gelben Börstchen spärlich besetzt. Fühlerkeule breiter, stärker abgesetzt. Das letzte Fühlerglied so lang wie breit, zu- gespitzt. Schwarzbraun, Hinterleib nur an der Spitze heller, Halsschild schmal gelb gerandet. Mittelgroße Art, 1,5 mm lang und 0,6 mm breit T. Braunst n. sp. 6. Eine neue termitophile Myrmedonia aus Südafrika. Myrmedonia {Rhynchodonia) Reicherti Brauns i. 1. n. sp. (Hierzu Taf. V, Fig. 7.) Rufa, parallela, nitida, capite et dimidio posteriore abdominis (segm. 3 — 6) nigris, elytris apicem versus infuscatis; parce breviterque pilosa. Caput transversum, thoracis latitudine, ore producto, nitidum, subtilissime alutaceum et subtiliter punctulatum. Oculi magni, pro- minentes. Antennae graciles, compressae, elytrorum apicem fere attin- gentes, subserratae, apicem versus attenuatae; art 2° brevi, 3° elon- gato, 4° quadrato, 5 — 10 triangularibus, haud transversis, longitudine Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecopliilen (Nr. 192). 95 aeqiialibus et latitudine sensim decrescentibus, 11° elongato-conico, duobus praecedentibus unitis longitudine aequali. Thorax haud trans- versus, subquadratus, angulis auticis rotundatis, lateribus basin versus sensim angustatis, margine postico cum angulis posticis rotundato; subtiliter marginatus, subtilissime alutaceus, parce subtiliter punctatus. Elytra thorace paullo longiora et dimidio latiora, alutacea, paulo fortius punctata. Abdomen parallelum, alte marginatum. Long. 7 — 8 mm. Mas (Fig. 7): Fronte late et profunde impressa, subnitida. Ab- dominis segmento 1° et praesertim 2° dorsali sat dense et grosse punc- tatis, ceterum laeve. Abdominis segmenti 1^ dorsalis lateribus postice in spinam longissimam, deflexam, curvatam, compressam et apice rotundato-dilatatam prolongatis; segm. 5° et 6° subtiliter tuberculatis, 6' margine postico exciso. Fem.: Fronte convexa, nitidissima. Abdomen supra parce subti- lissime punctatum, segmentis ultimis laevibus. Diese schöne Axt ist durch die einzig dastehenden männlichen Sexualcharaktere ausgezeichnet. Die Seitendornen befinden sich am ersten (nicht am zweiten wie sonst) sichtbaren Dorsalsegment, sind sehr lang, breit plattgedrückt, mit etwas auswärts gebogener Basis, dann wagerecht nach hinten den Seiten des Hinterleibes entlang ver- laufend, dessen viertes Segment sie erreichen; ihre Spitze ist erweitert, gerundet und flachgedrückt, fast wie ein plattgedrückter Oberarm- knochen oder Flintenkolben. Von oben betrachtet bilden die Seiten- dornen des ersten Dorsalsegments mit dem tief ausgebuchteten Hinter- rande desselben ein sehr langgestrecktes Hufeisen. Nach der Bildung der Mundteile, von denen ich Präparate angefertigt, steht Myrmedonia Reicherti zwischen den subgenera RhyncJiodonia Wasm. und Glossa- cantha Har., an erstere durch die Form der Zungenlappen sich an- schließend, welche länger und schmäler gerundet sind als bei Glossa- cantha, während die vier stachelartigen Borsten auf jeder Spitze des Zungenlappens an letztere Untergattung erinnern. Durch den vor- gezogenen Mund und die gesägten Fühler schließt sich die neue Art ebenfalls an Rhynchodonia an. M. Reicherti wurde von Dr. Hans Beauns in größerer Zahl in den röhrenförmigen oberirdischen Bauten (»Schornsteinen«) von Termes transvaalensis Sjöst. {tubicolaW asm. i. 1.) bei Bothaville (Oranje- Freist.) 1898 und 1899 gefunden. 96 E. Wasmann, 7. Zwei neue Dinusa. (Hierzu Taf. V, Fig. 6.) Die myrmecophile Aleocharinengattung Dinusa Saulc. zählt nach Bernhauer 1 bisher neun Arten, darunter sieben aus dem Mittelmeer- gebiete, eine aus Abessinien^ und eine aus Westafrika (Goldküste). Letztere, Dinusa aethiopica (Fvl. i. 1.) Bernh. (1902, S. 101, Anm. 1) ist jedoch keine Dinusa, da die Vordertarsen nur viergliedrig sind. Sie ist, wie ein mir vorliegendes Exemplar vom Belgischen Congo zeigt, das von Fauvel selber als »Adda aethiopica Fvl« bestimmt wurde und das ich durch Bernhauers Güte mit der Type von Dinusa aethio- pica Beruh, vergleichen konnte, identisch mit Adda aethiopica Fvl (Revue d'Entomol. 1900, p. 74), deren Beschreibung ich überdies noch verglichen habe. Bernhauers Irrtum ist daraus leicht begreiflich, daß Fauvel dieselbe Art erst als »Dinusa aethiopica Fvl i. 1.« be- zeichnete;, später aber als eine verschiedene Gattung erkannte und als Adda aethiopica beschrieb. Dinusa ist nahe verwandt mit Piochardia L. v. Heyden {Oxysoma Kr.), aber besonders durch die Fühlerbildung verschieden. Mir liegen zwei neue Arten vor, eine aus Tunesien (Dinusa Santschii) und eine aus Vorderindien {D. Heimi). Letztere Art ist besonders interessant, da Dinusa bisher aus Ostindien nicht bekannt war. Bevor ich zur Beschreibung der neuen Arten übergehe, sei hier eine Übersicht über die bisher bekannten Wirtsameisen von Dinusa und Adda gegeben. D. hierosolymitana^Siuh. {davidica Saulc). — Bei Messor harbarus L., Palästina. (Nach de Saulcy, Ann. Soc.Ent. Fr. 1864, p. 435— 436.)3 D. jebusaea Saulc. — Bei Messor barbarus L. — Palästina. (Nach DE Saulcy, 1. c, S. 437.) D. Heimi Wasm. n. sp. — Bei Triglypothrix Walshi For. Wallon, Ahmednagar-Distr., Vorderindien, P. J. B. Heim, S. I! — In meiner Sammlune". 1 Siehe M. Bernhauer, Die Staphyliniden der paläarktischen Fauna. Aleocharini, II. Teil (Verh. Zool. Bot. Ges. Wien LH, 1902, Beiheft, S. lOOff). 2 D. myrmidon Fvl. (Revue d'Entom. 1899, p. 34 — 35). Diese lebt nach Raffray in den Nestern von »Termes« (Eutermesf) arhorvm Smeathm., ist also termitophil, wenn nicht etwa ein aus Ameisen {Pheidole ?) und Termiten zusammen- gesetztes Nest vorlag. 3 DE Saulcys Angaben der Ameisennamen sind zwar nicht sehr zuverlässig; da er jedoch für drei seiner Arten {hierosolymitana, davidica und jebusaea) als Wirt Aphaenogaster barbara angibt, ist dieser Wirtsname wohl richtig. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 97 D. Santschü Wasm. n. sp. (Taf. V, Fig. G). — Bei Pheidole ^palli- dula Nyl. — Tunesien, Dr. F. Santschi! 1905. — In meiner Samm- lung. Adda aethiopica Fvl {Dinusa aethiopica Beruh.) — Bei Pheidole punctulata Mayr Var. (von Emery bestimmt). — Station Rome bei Stanleyville, Belg. Congo, P. H. Kohl!, 13. Jan. 1904. — In meiner Sammlung. Ich gebe nun die Beschreibung der beiden neuen Arten. Dinusa Santschü n. sp. (Taf. V, Fig. 6.) 1,6 — 1,7 mm lang, mit D. angulicoUis Ab. die kleinste Art der Gat- tung, durch ihre sehr schlanken^ dünnen, wirteiförmig be- haarten Fühler ausgezeichnet, sowie durch den nicht punktierten, sondern namentlich in der vorderen Hälfte dicht länosgestrichel- ten Hinterleib. Nach Bernhauees Tabelle (1902, S. 101—102) mit taygetana Epph. verwandt, aber durch die noch schlankeren Fühler, deren vorletzte Glieder doppelt so lang wie breit sind, verschieden; das Endglied ist so lang wie die drei vorhergehenden Glieder zusammen, seitlich zusammengedrückt. Das Halsschild hat einen fast geraden Hinterrand, mit gerundeten, nicht vorgezogenen Hinterwinkeln, die Oberseite desselben ist bei starker Lupenvergrößerung sehr fein und dicht punktiert. Der Vorderkörper ist stark glänzend, der Hinter- leib wegen der dichten, feinen Strichelung nur matt glänzend. Die Fühler überragen den Hinterrand der Flügeldecken. Färbung glän- zend schwarz, mit dunkelrotbraunen Flügeldecken, die um die Hälfte länger als das Halsschild und fein gelblich behaart sind; Fühler und Beine sind schwarz. — Zwei Exemplare aus je einer Kolonie der Wirts- ameise lagen vor. — Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers, der um die Erforschung der Timesischen Ameisenfauna sich hervor- ragende Verdienste erworben hat und mir auch eine große Anzahl Myrmecophilen sandte, die ich später zusammen bearbeiten werde. Dinusa Heimi n. sp. 2,2 mm lang (etwas geschrumpft 2 mm), glänzend braun, auch die Fühler und Beine von derselben Färbung, nur der Kopf und ein verwaschener dreieckiger Schildchenfleck der Flügeldecken schwärzlich. Von sehr breiter, stark gewölbter und zugespitzter Gestalt, fein und ziemlich dicht und lang gelb behaart, auf dem Hinterleibe mit noch dichterer, gelber Behaarung. Die Fühler sind mittellang, die Mitte Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI- Bd. "j 98 E- Wasmann, der Flügeldecken erreichend, das Basalglied und das Endglied stärker verdickt. Das zweite Glied ist schmaler als das erste, aber bedeutend dicker als das dritte, ein wenig länger als breit; das dritte Glied ist sehr klein, nicht länger als breit, die folgenden ein wenig länger als breit und allmählich an Dicke beträchtlich zunehmend bis zum dick- sten elften Gliede, welches lang kegelförmig und so lang wie die drei vorhergehenden zusammen ist. Kopf und Halsschild sind sehr fein und weitläufig punktiert. Das stark gewölbte Halsschild ist unge- fähr dreimal so breit wie lang, gegen die Basis stark und fast gerad- linig erweitert, die Hinterwinkel gerundet, nicht vortretend, der Hinter- rand gerade. Die Flügeldecken sind gröber und dichter punktiert als das Halsschild, aber immerhin fein. Der Hinterleib ist mittel- mäßig dicht punktiert, das vorletzte Segment jedoch dicht und grob punktiert. Durch die Fühlerbildung, die dichte Punktierung des vorletzten Dorsalsegmentes und die Färbung von allen Verwandten leicht zu unterscheiden. — Nur ein Exemplar lag vor. — Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers, der sich um die Erforschung der ostindischen Myrmecophilen und Termitophilen besonders verdient gemacht hat. 8. Ein neues myrmecophiles Genus der Staphylininae aus Brasilien. (Hierzu Taf. VII, Fig. 16, a— c.) Unter zahlreichen andern Gästen der im ganzen tropischen und subtropischen Amerika häufigen »Feuerameise« Solenopsis geminata F., die von Herrn J. P. Schmalz zu Joinville im Staate Santa Catarina 1901 — 02 gesammelt wurden, befindet sich eine in Gestalt und Färbung einem Paederus täuschend ähnliche neue Gattung der Staphylininae, die ich deshalb Paederopsis nenne. Die einzige Art, P. myrrnecophila, liegt mir in sechs Exemplaren aus mehreren Kolonien jener Ameise vor (20. August Ol; 23. Aug. Ol; 5. Oktober 02, Nr. 2597). Paederopsis n. g. Staphylininarum. (Taf. VII, Fig. 16.) Corporis liabitu Paedem similis, sed antennarum iusertione libera in margine anteriore frontis ad subfamiliam Staphi/Iininarum pertinens. A genere Paederomimus Sharp longe aliena, cum quo solus color laetus congruit. Generi Haematodes Er. affinis, sed distincta antennarum forma, ooxis mediis omnino contiguis etc. Corpus cylindricum, convexum, Holotroclio subsimile. Antennae (Taf . Vn, Fig. 16a) 1 1-articulatae, rectae, filiformes, apicem versus Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophiien u. Myiniecopliilen (Nr. 192). 99 attenuatae, basi (art. 1°) inflatae. Coxae omnes contiguae, femora conipressa, tibiae spinulosae. Oris partes: Mandibulae (Taf. VII, Fig. 16a) validae, latae, falciformes, in medio minute bidentatae, dente inferiore acuto, superiore truncato. Labrum in medio bidentatum et profunde biloba tum (Taf. VII, Fig. 16a). Palpi maxillares (Taf. VII, Fig. 16b) 4-arti- culati, art. 3° valido, apicem versus sensim inflato, 4*^ perbrevi, conico. Palpi labiales (Taf. VII, Fig. 16 c) 3-articulati, art. 2° longiore et cras- siore 1°, 3° longitudine 1' sed anguste cylindrico. Maxillae (Taf. VII, Fig. 16b) breves, exterior perbrevis, late rotundata, fere disciformis, latitudine vix longior; interior dimidio longior exteriore^, longe bar- bata. Labium (Taf. VII, Fig. 16c): paraglossae angustae, prominentes, ligulae apicem paulo superantes; ligula biloba, lobis brevibus et acuminatis, inter se longe distantibus. Die Bildung sämtlicher Mundteile weicht von allen übrigen Gat- tungen der Staphylinini weit ab. Paederopsis myrmecophila n. sp. (Taf. VII, Fig. 16.) Rufotestacea, elytrorum fascia utrimque obliqua et sutura nigris, nitida, abdomine subopaco, longe nigrosetosa, punctis setigeris magnis, capite supra et infra densius flavosetoso. Caput prothoracis latitudine, transversum, trianguläre, subconvexum, margine postico recto, angulis posticis rotundatis; oculi parvi, haud prominentes, tempora pone oculos dimidio longiora oculis; puncta utrimque 5 inter oculos, biseriata (2, 3). Antennae (Taf. VII, Fig. 16a) thoracis marginem posteriorem haud attingentes, filiformes, apicem versus attenuatae; art 1° inflato, sub- clavato, ceteris valde angustis et versus antennarum apicem compressis ; 3° paulo longiore 2° vel 4°, latitudine duplo longiore, art. 4° — 10"™ sensim paulo longioribus, 4° — 5"™ latitudine dimidio, 6° — 7"™ duplo, 8° — 10"™ triplo longioribus, 11° vix longiore 10°, compresso et acumi- nato. Prothorax transverso-quadratus, convexus, longitudine triente latior, angulis anticis rectis, posticis cum margine postico rotundatis, lateribus fere parallelis; disco utrimque biseriatim punctato (also mit vier Längsreihen borstentragender Punkte), medio disco laevi. Scu- tellum magnum, apice rotundatum. Elytra thoracis latitudine sod paulo longiora, quadrata, convexa, punctis setigeris seriatim instructa. 1 Auf der Photographie (Taf. VII, Fig. 16b) ist der innere Lappen zufällig etwas zurückgebogen und seine Spitze vom äußeren bedeckt; deshalb erscheint er hier kürzer als er ist. 100 E. Wasmann, Abdomen cylindricum, vix marginatum, dense siibrugose punctatum, segmento dorsali penultimo parcius et subtilius punctato, ultimo fere giabro. Long 5,5— 6 mm. Mas : Tarsis anticis dilatatis, segm. ventiali ultimo in medio obso- lete impresso, apice subtruncato. Jede Flügeldecke des lebhaft rotgelben Tieres trägt eine breite, von der Schulter schräg zur Mitte der Flügeldeckenspitze verlaufende schwarze Querbinde. Die Naht ist schmäler schwarz. Die schwarze Nahtlinie und die beiden Schrägbinden vereinigen sich in der Mitte des Hinterrandes der Flügeldecken. In der Färbung, Skulptur und Behaarung dieses schönen Staphy- lininen zeigt sich sine zweifellose Nachahmung der Färbung, Skulptur und Behaarung seiner Wirtsameise Solenopsis geminata. Seine Größe entspricht derjenigen der größten Arbeiterinnen des Wirtes. Die aus Rot und Schwarz gemischte Färbung korrespondiert der rotbraunen Färbung des Wirtes. Die schwarzen Schrägbinden der Flügeldecken scheinen eine auf Täusch ang des Gesichtssinnes berechnete Imitation der Ameisengestalt, die ja in der Mitte eingeschnürt ist, anzudeuten. Die Augen der Wirtsameise widersprechen dieser Erklärung nicht, da sie mittelgroß und mit etwa 50 Facetten ausgestattet sind. Die glatte Skulptur und eigentümliche Behaarung von Paederopsis dürfte als Element der Mimicry hauptsächlich auf den Fühlertastsinn der Ameise wirken, die ebenfalls glänzend glatt und genau ebenso behaart ist wie dieser Gast. Bei Seitenansicht beider tritt die Ähnlichkeit ihrer Behaarung, in Dichtigkeit, Länge und Verteilung des Haarkleides besonders auffallend hervor. Namentlich gilt dies von der Behaarung des Kopfes beider, welche dichter ist als auf dem übrigen Körper, und an Dichtigkeit, Länge und Stellung der Haare bei beiden äußerst ähnlich ist. Beim Käfer wie bei der Ameise ist der Kopf oben und unten dicht und lang gelb behaart, die Haare nach vorn gerichtet, während die Behaarung des übrigen Körpers spärlicher und etwas nach hinten gerichtet ist. 9. Übersicht der bisher bekannten Gäste von Solenopsis geminata F. Da meine Sammlung ein reiches Material von Gästen dieser Ameise, hauptsächlich aus den Südstaaten Brasiliens, enthält, dürfte es zweck- mäßig sein, hier eine Übersicht derselben zu geben. Eine Reihe von Arten ist noch unbeschrieben und wird hier nur provisorisch als n. sp. erwähnt. Ich gebe die Übersicht nach den Fundgebieten. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 101 I. Südamerika. 1. Coleoptera. Stapliylinidae: Myrmecochara {Euthorax) longicornis Wasm. — Rio de Janeiro (P. Badariotti!); S. Catarina (J.P.Schmalz!). Myrmecochara Göldii Wasm. — Rio de Janeiro (A. Göldi!). Myrmedonia apicicornis Wasm. — Rio de Janeiro (BaDxYriotti!). » geminata Wasm. — Rio de Janeiro (A. Göldi!). >> alhonigra Wasm. — Rio de Janeiro (A. Göldi!). '> apicipennis Wasm. — Rio de Janeiro (A. Göldi!). > nana Wasm. — Rio de Janeiro (A. G<)Ldi!). » ScJmialzi n. sp. — S. Catarina (Schmalz!). Atlieta, sechs Arten. — S. Catarina (Schmalz!) und Rio de Janeiro (A. Göldi!). Ecilonilla {»Myrmedonia <() gemmata Wasm. — Rio Grande do Sul (P.A.Schupp!). Oxypoda Schmalzi n. sp. — S. Catarina (Schmalz!). Paederopsis myrmecophila Wasm. — S. Catarina (Schmalz!). Myrmecosaiirus myrmecophüus Holmgr. — Bolivia (N. Holmgren!). » solenopsidis Wasm. — S. Catarina (Schmalz!). Monista typica Sharp — Rio de Janeiro (A. Göldi!); S. Catarina (Schmalz!). Pselaphidae: Hamotus Emeryi Wasm. — S. Catarina (Schmalz!). Ferner noch manche andre Coleopteren als zufällige Gäste, z. B. Phelister haemorrhous Mars., Aphodien usw. 2. Diptera, Phoridae. Eine geflügelte kleine Phoridei gen?, sp.? — Rio Grande do Sul (Schupp!); S. Catarina (Schmalz!). 3. Rhynchota, Heteroptera. Neoblissus parasitaster Bergr. (Fam. Lygaeidae) in allen Ständen, besonders häufig die kleinen roten, physogastren Larven. — Rio Grande do Sul (C. Heyer! Gensterblum!). Ämnestus Dali., ähnlich pusio Stal (Fam. Cydnidae), die roten, physo- gastren Larven. — Rio de Janeiro (Badariotti!). 1 Verschieden von den unten folgenden, durch Brues und Silvbstei be- schriebenen Phoriden. 102 * E. Wasmann, Die Larven dieser beiden Heteropteren gleichen durch ihre Physo- gastrie auffallend Aphiden und werden gleich diesen von den Ameisen gepflegt. Eine Anieise hält noch in meiner Sammlung eine Neoblissus- Larve im Maul, um sie fortzutragen. Die, wie Dr. Aug. Eeichens- PEKGEE mir mitteilt, bei den Heteropterenlarven stark entwickelten Dorsaldrüsen dürften hier die Grundlage einer Trophobiose bilden. Die lebhaft rote Färbung, die bei den Larven dieser beiden myrme- cophilen Heteropteren ebenfalls auffällt, ist, wie Reichensperger mir mitteilt, bei sehr vielen, auch nicht myrmecophilen Ai'ten, namentlich bei Lygaeiden, vorhanden. Sie steht wohl ebenfalls mit den Dorsal- drüsen im Zusammenhang, die in diesem Falle der Myrmecophilie dienen. 4. Hymenoptera, Formicidae (kleine Gast- bzw. Diebsameisen). ßolenopsis Westwoodi For. var. (nach Emerys Bestimmung). — S. Cata- rina (Schmalz!). ßtrumigenys Schmalzi Eni.i. — S. Catarina (Schmalz!). [Brachymyrmex 'patagonicus Mayr. var. — S. Catarina (Schmalz!). (Nur vereinzelt.) Wasmannia auropunctata Rog. — S. Catarina (Schmalz!). (Nur vereinzelt.)] Die beiden letzteren Arten sind nur als zufällige Gäste zu betrachten. 5. Thysanura, Lepismatidae: Grassiella praestans Silv. — S. Catarina (Schmalz!). II. Mittelamerika. Coleoptera, Staphylinidae: Apocellus myrmecobius Silv. 2. — Mexiko (ex Silvestri). Diptera, Phoridae: Pulicipliora incerta Silv. — Mexiko (ex Silvestri). Acarina, Loelaptidae: Apoloelaps mexicanus Silv. — Mexiko (ex Silvestri). Diplopoda, Polydesmoidea: Myrmecodesmus formicanus Silv. — Mexiko (ex Silvestri). » modestus Silv. — Mexiko (ex Silvestri). 1 Beschrieben von Emery in Bull. 80c. Ent. Ital. XXXVII. p. 160, Anmerkg. 2 Wird in Silvestris Beschreibung nicht verglichen mit den niyrmeco- philcn Apocellus- Arten Südamerikas. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Mytmecophilen (Nr. 192). 103 III. Nordamerika. Coleoptera: Carabidae: Anillus affabilis Briies. — Texas (ex Brues). Staphylinidae: Myrmecochara fietifennis Kr. — Jowa (E. A. Schwarz! in collect. Wasmann). Scarabaeidae, Aphodiini: Eufaria castanea Serv. — Alabama (E. A. Schwarz! in collect. Was- mann). Diptera, Phoridae: Commoptera solenopsidis Brues. — Texas (ex Brues). Hymenoptera, Pezomachidae: Pezomachus texanus Cresson. — Texas (ex Brues). 10. Tabelle der Clavigerodes. mit Beschreibung zweier neuer Arten. Die unsern Claviger unter den afrikanischen Clavigerinen zunächst stehenden Gattungen Clavigerojjsis und Clavigerodes Raffr. sind bisher nur in je einer Art bekannt. Voraussichtlich wird aber die Artenzahl in diesen Gattungen eine weit größere sein und auf analoge Unterschiede sich gründen, wie sie bei den so zahlreichen Claviger an der Südgrenze des paläarktischen Gebietes sich vorfinden. Einen Beleg hierfür lieferte mir das von Escherich in Erythraea 1906 gesammelte Clavigerodes-Ma,tena.\, das von zwei verschiedenen Arten der Wirtsameisengattung Äcantholepis Mayr stammt. Ich fand hier zwei neue Arten, die sich von dem aus Abessinien stammenden, von Raffray bei einer andern Acantholefis- Art entdeckten Clavigerodes ahessinicus unterscheiden. Das ZEisssche Binocularmikroskop leistete mir für den Vergleich dieser Formen vortreffliche Dienste. Ich gebe nun die Tabelle, mit der Beschreibung der neuen Arten. a. Kopf mit zwei linearen, seichten Scheitelgrübchen. Letz- tes (fünftes) Fühlerglied doppelt so lang wie das vorletzte, gegen die Spitze kaum verdickt. Drittes und viertes Glied unter sich gleich lang, deutlich länger als breit: 1. Clavigerodes ahessinicus Raffr.i. (Rev. Mag. Zool. 1877, p. 279.) [Bei Acantholefis sim^plex For. (von Forel bestimmt), Abessinien.] 1 Nach einem von Raffray samt Ameise mir übersandten Exemplar. 104 E. Wasmann, a'. Kopf mit zwei runden, tief eingestochenen Scheitel- grübchen b. b. Letztes (fünftes) Fühlerglied um die Hälfte länger als das vorletzte, gegen die Spitze deutlich verdickt. Drit- tes Fühlergiied etwas kürzer als das vierte, kugelförmig, das vierte kaum länger als breit : 2. Clcwigerodes Raffrayi n.sp. [Bei Acantholepis capensis Mayr. Ghinda, Erythraea, Escherich! 1906 1]. b'. Letztes (fünftes) Fühlerglied nur um ein Drittel länger als das vorletzte, gegen die Spitze stärker verdickt. Drittes und viertes Fühlerglied unter sich gleichlang, deutlich länger als breit : . . 3. Clavigerodes Escherichi n. sp. [Bei Acantholepis carhonaria Em. var., erythraea For. Dongola, Erythraea, Escherich! 1906]-. 11. Ein neues Clavigerinen-Genus vom belgischen Congo. (Hierzu Tai. VII, Fig. 17.) P. Hermann Kohl, Congr. SS. C, Missionär am oberen belgischen Congo, entdeckte 1906 auf der Station St. Gabriel bei Stanley ville einige Clavigerinen als Gäste einer »kleinen, bissigen Ameisenart, welche ihre Cartonnester auf der Unterseite der Blätter verschiedener Pflanzen anbringt.« Die Ameise ist Tetramorium {»Macromischa«) aculeatum Mayr subsp. Wasmanni For. Das Nest wurde nicht mit- gesandt. Dasselbe gleicht jedoch nach obiger Angabe P. Kohls den Cartonnestern, welche Tetramorium aculeatum Mayr i. sp. am unteren Congo auf der Unterseite von Blättern anlegt, wie Herr E. Lü.ja zu Kondue (Sankuru) häufig beobachtete. Von zweien dieser von Luja eingesandten Nester, die auf der Unterseite je eines Kaffeeblattes sich befinden, ist das eine im Naturhistorischen Museum zu Luxemburg, das andre in meiner Sammlung. Eine Photographie des letzteren habe ich gegeben in der Tijdschr. v. Entomol. XL VIII., 1906, Taf. VIII, Fig. 3 . Die Clavigerinen, welche P. Kohl bei Tetramorium aculeatum Wasmanni fand, gehören der neuen Gattung Fustigerinus an. Dieselbe ist in zwei Arten vertreten, von denen die eine, Fustigerinus Kohli n. sp., in größerer Anzahl vorlag, während die andre, Fustigerinus hirsutus n. sp., nur in einem Exemplar vertreten war. 1 Vier Stück aus einer Kolonie lagen vor. - Näherer Fundbericht oben boi Idiogadcr Escherichi im 4. Toil dieser Arbeit S. 91. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 105 Fustigerinus n. g. Clavigerinorutn. (Tai. VII, Fig. 17.) Nach Kaffrays »Genera et Catalogue des Pselaphides« (Ann. Soc. Ent. France 1903) und nach dessen »Farn. Pselaphidae« in Wyts- MANs »Genera Insectorum« Fase. 64, 1908, ist die neue Gattung in die Nähe von Articeropsis Wasm. zu stellen und zwar in der Tabelle (1903, S. 570) zwischen Fustigerodes Reitt. und Articerodes Raffr. Von Articeropsis Wasm., mit welcher Fustigerinus mir am nächsten verwandt zu sein scheint, unterscheidet er sich durch den Hinterrand der Flügeldecken, der in der Mitte mit kurzen gelben Haarbüscheln versehen ist, durch die Bildung des Seitenrandes des Hinterleibes, welcher von der Basis gegen die Spitze allmählich verjüngt ist, während er bei Articeropsis eine lappenförmige Erweiterung an der Basis besitzt, ferner dm-ch die viel kürzeren und dickeren Fühler, welche bei Arti- ceropsis doppelt so lang als der Kopf sind. Von Fustigerodes Reitt. unterscheidet sich Fustigerinus durch die völlig einfachen und kahlen Ränder der Basis des Hinterleibs, welche bei Fustigerodes auf jeder Seite der Abdominalgrube einen Höcker mit gekielten Rändern besitzt, der an der Spitze gelbe Haarbüschel trägt. Von Articerodes Raffr. unterscheidet sich Fustigerinus durch den vorn nicht zugespitzten, sondern im Gegenteil verdickten Kopf, durch den geraden, in der Mitte nicht winkeligen Hinterrand der Flügeldecken und durch die einfache, nicht dreiteilige Abdominalgrube. Die Fühler sind viergliedrig, von der Länge des Kopfes, das vierte Glied lang, keulenförmig, etwas gebogen und vorn abgestutzt; das zweite und dritte Glied ist klein, knopfförmig. Der Kopf ist dop- pelt oder dreimal so lang als breit (vgl. die Speciesdiagnose), lang rechteclrig, die Stirn vorn erhöht, abgestutzt und ausgehöhlt oder ge- wölbt (vgl. die Speciesdiagnose). Der Prothorax ist kürzer als der Kopf, glockenförmig. Die Flügeldecken sind viel breiter als das Halsschild, gegen die Spitze gerundet erweitert, der Hinterrand gerade, in der Mitte mit zwei kleinen gelben Haarbüscheln und einer Fransen- reihe neben derselben (Kohli) oder ohne Haarbüschel, aber dann die ganzen Flügeldecken dicht gelb beborstet (hirsutus). Neben der vertieften Naht findet sich ein vorn abgekürzter Nahtstreifen. Der Hinterleib ist groß und sehr hoch, beim cf mit einem höheren Höcker als beim $, beim cf eiförmig nach hinten verengt, beim $ bis zur Spitze gleichbreit. An der ganzen Basis ist der Hinterleib etwas nieder- gedrückt, in der Mitte der Basis mit einer einfachen, schmalen und 106 E. Wasmann, tiefen Abdominalgrube, deren Basis jederseits durch einen Höcker begrenzt wird. Die Seitenränder des Hinterleibes sind einfach, von der Basis bis zur Spitze ganz allmählich verengt. Körper lebhaft rostrot. Die beiden Arten sind folgendermaßen zu unterscheiden: Fustigerinus Kohli n. sp. (Taf. VII, Fig. 17, 17a) stark glänzend, kahl (mit Ausnahme der Flügeldeckenspitze und der behaarten Fühler). . Kopf nur zweimal so lang wie breit, Stirn vorn abgestutzt und aus^-' gehöhlt. Prothorax mit einer Mittelfurche. Flügeldeckenspitze in' der Mitte mit zwei aneinanderstoßenden, kurzen, gelben Haarbüscheln, daneben mit einer Keihe gelber Börstchen. Abdominalgrube ein Fünftel der Hinterleibsbreite einnehmend. (Mehrere Männchen und Weibchen lagen vor.) 2,5 mm. Fustigerinus hirsutus n. sp. Oberseite dicht beborstet," nxatt, nur die Hinterleibsbasis kahl und stark glänzend, der übrige Hinterleib spärlich gelb beborstet. Kopf dreimal so lang wie breit, Stirn vorn beulenförmig gewölbt. Prothorax mit einer Basalgrube. Flügeldecken dicht gelb beborstet, ohne Haarbüschel in der Mitte des Hinterrandes. Abdominalgrube ein Drittel der Hinterleibsbreite einnehmend. (Nur ein Männchen lag vor.) 2,5 mm. 12. Zur Kenntnis einiger südafrikanischer Thorictus-Arten (IV. Stück). i Vor ungefähr 6 Jahren sandte mir Herr Dr. H^s Brauns ein reiches Material von Thorictus aus Willowmore (Ca||^lonie), das ich damals bearbeitete und zurücksandte. Die Publikal;ion schob ich in- dessen hinaus, weil ich damals die Absicht hatte, ein größeres Werk über die Myrmecophilen und Termitophilen Afrikas zu schreiben. Durch andre Arbeiten daran verhindert, will ich hiey endlich die Revision der betreffenden Thorictus geben: ,•■ 1) Thorictus capensis Per. (Second coi^trib. \to the South-x4.fr. Col. Fauna, 1886—88, p. 88). '':: Über die Originalexemplare dies^cy Art, welche ich von Raffray erhalten hatte, habe ich bereits früher in der Deutsch. Ent. Zeitschr. 1896, II. S. 242, berichtet und ihre- Unterschiede von grandicollis und andern verwandten Arten angegeben. Das jetzt von Brauns vorliegende Material umfaßt etwa 40 Stück, die bei folgenden Ameisenarten gefangen wurden: Bei Plagiolepis custodiens Sm. (bei dieser Art am zahlreichsten); » Plagiolepis Steingroeveri Em. ; '^ » Acantholepis capensis Mayr; 1 Siehe Deutsche Ent. Zeitschr. 1895, S. 41—44, 291—293; 1896, S. 242—243. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. M;>Tmecophilen (Nr. 192), 107 Bei Tetramonum quadrispinosum Em.; » Monotnorium Salomonis L. subsp. suhopacum Fr. Sm. Die Art variiert in folgenden Punkten: Größe 1,6 — 2 mm. Färbung von dunkelkastanienbraun bis rost- rot. Halsschild bald etwas breiter als die Flügeldecken (bei den größten Stücken), bald nicht breiter oder etwas schmaler (bei den kleinsten). Außerdem finde ich folgende zwei Formen vertreten: a. Halsschild stark gewölbt, die Seiten nie hell durchscheinend, stets mehr oder weniger stark nach hinten gerundet verengt, so daß die größte Breite vor der Mitte liegt. In den Hinterecken des Halsschildes kein Grübchen. Flügeldecken nur mit sehr kurzen Härchen in den ziemlich feinen Punkten. Diese Exemplare entsprechen den typischen Stücken von Th. eapensis Per. b, Halsschild flacher, seine Seiten heller durchscheinend, ent- weder fast parallelseitig oder nach vorn schwach verengt, so daß die größte Breite in oder hinter der Mitte liegt. In den Hinterecken ein flaches Grübchen. Flügeldecken mit längeren niederliegenden gelben Börstchen in den etwas gröberen Punkten. Die unter b erwähnten Exemplare hielt ich anfangs für eine von Th. eapensis verschiedene Art. Da jedoch bei mehreren der oben- erwähnten Ameisenarten beide T}iorictus-¥ oim&n zusammen vor- kommen, so kann es sich vielleicht um sexuelle Unterschiede handeln. Sollte die Form b sich als selbständige Art oder Unterart erweisen, so würde ich für sie den Namen Th. Braunsi vorschlagen. 2) Thorictus hottentottus Raffr. (Bull. Soc. Ent. Fr. 1901, Nr. 5, p. 123). Zwei Exemplare von der Umgebung von Capstadt (Raffray!) lagen vor, eines aus der Sammlung von Dr. Brauns und eines aus meiner Sammlung. Die nur 1,5 mm lange Art unterscheidet sich von den kleinsten Exemplaren des Th. eapensis durch mehr cylindrische Körperform, stärkere Rundung des Halsschildes und die äußerst feine Punktierung desselben, die bei Th. eapensis viel gröber ist. Färbung dunkelrostrot, stark glänzend, Flügeldecken unpunktiert und unbe- haart. Die von Raffray meinem Exemplare beigegebene Ameise ist Monomorium Salomonis L. subsp. subopaeum Fr. Sm. 3) Thorictus Reicherti (Brauns i. 1.) n. sp. Von dieser sehr ausgezeichneten kleinen Art lag mir ein Exemplar von Dr Brauns (Willowmore, Capkolonie) vor, bei Monomorium Salomonis L. subsp. suhopacum Fr. Sm. gefangen. 108 E. Wasmann, Größe 1,5 mm. Körpergestalt lang-keilförmig. Färbung dunkel rostrot, etwas matt fettglänzend, fein punktiert und kurz und fein behaart. Das Hauptmerkmal dieser Art besteht darin, daßdieHinter- winkel des quer rechteckigen Halsschildes höckerförmig erhöht sind und ein ebensolcher, an ersteren sich anschlie- ßender Höcker durch die Schulterfalte der Flügeldecken gebildet wird, so daß eine gemeinschaftliche, sehr tiefe und breite Längsfurche jederseits von der Basis der Flügel- decken bis zur Mitte des Halsschildes verläuft. Das Hals- schild ist fast doppelt so breit wie lang, an den Hinterecken mit je einem nach hinten gerichteten gelben Haarbüschel. Die Flügeldecken sind schlank, doppelt so lang wie breit, nach hinten ganz allmählich verengt. Die Art ist in die Nähe von dimidiatus Peyr. zu stellen nach Reitters Bestimmungstabelle der Thorictiden. Bei keiner dieser südafrikanischen TÄonc^MS-Arten konnte Brauns, ein ausgezeichneter Beobachter, jemals bemerken, daß sie gleich Tho- rictus Foreli Wasm. und andern dreieckigen Thorictus Nordafrikas auf den Fühlern ihrer Wirte lebend, wie beifolgende Photographie (Taf. VII, Fig. 18) zeigt. Brauns fand die Thorictus stets im Neste frei sich be- wegend wie dies auch bei unseren Th. orientalis, loricatus, mauritanicus und andern mehr cylindrischen Arten im Mittelmeergebiete der Fall ist. 13. Zwei neue Thorictus aus Ostindien. (Hierzu Taf. VII, Fig. 19—21.) Thorictus braminus n. sp. (Taf. VII, Fig. 19.) Mit Thorictus Heimi Wasm. (Deutsch. Ent.-Zeitschr. 1899, S. 159) verwandt, von ihm durch folgende Punkte verschieden: Körper Thorictus Heimi (Taf .VII, Fig. 20). viel kleiner und namentlich schlanker, 1,5 mm lang und 0,6 mm breit; wenig gewölbt; fast parallelseitig, die Flügel- decken erst an der Spitze ver- engt. Thorictus hraminus (Fig. 19): viel größer und breiter, 1,8 bis 2,4 mm lang und 0,9 — 1,3 mm breit; stark gewölbt; die Flügel- decken von der Basis an ziem- lich stark verengt. 1 Siehe: Thorictus Foreli als Ectoparasit der Ameisenfühler (Zool. Anz. 1898, Nr. 5G4, S. 435); Zur Lebensweise von Th. Foreli; mit einem anatom. Anhang und einer Tafel (Natur u. Offenbarung, 1898, Hft. 8, S. 46G— 478); Nochmals Th. Foreli als Ectoparasit der Ameisenfühler (Zool. Anz. 1898, Nr. 570, S. 536—546). Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitopliilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 109 Halsschild Flügeldecken Die doppelte Behaarung der Ober- seite Färbung ThoridusHeimi (Taf.VII,Fig. 20). kürzer, doppelt so breit wie lang, die »Seiten nach vorn und hinten gleichmäßig sehr schwach verengt, der Hinterrand fast ge- rade. doppelt so lang wie breit, mit Längsreihen von Punkten (die Borsten aus einem deutlichen Punkte entspringend). gelb, viel länger und dichter, besonders auf den Flügeldecken sind die abstehenden Borsten sehr lang. glänzend rotbraun. Thorvius braminus (Fig. 19). länger, nur um die Hälfte breiter als lang, nach vorn viel stärker gerundet verengt als nach hinten, der Hinterrand convex. nur um die Hälfte länger als breit, unpunktiert (die Borsten ohne deutlichen Punkt an der Basis). graubraun, viel kürzer und spär- licher, besonders auf den Flügel- decken, wo die abstehenden Borsten nur halb so lang sind als bei Heimi und viel spärlicher, glänzend schwarzbraun, selten heller (unter 50 Exemplaren nur ein , wahrscheinlich immatures, Exemplar rotbraun). Eine große Anzahl von Exemplaren lag vor aus Nestern von Pheidole WrougJitoni For. und PJi. sulcaticefs Rog. subsp. foonensis For. Wallon (Alimednagar-District, Bombay-Presidency), Ostindien. P. J. B. Heim S. J. ! — Der Käfer fand sich stets frei im Neste, niemals auf den Fühlern der Ameise. Die gelben Haarbüschel an den Hinter- ecken des Halsschildes sind ebenso klein wie bei Heimi. Thorictus Heimi, subsp. Wroughtoni n. subsp. (Taf. VII, Fig. 21.) Sehr ähnlich dem Thorictus Heimi Wasm. in sp., von derselben Größe, Gestalt, Skulptur und Färbung, jedoch stärker gewölbt, etwas kürzer, und noch viel dichter gelb behaart, die gelben Borsten, sowohl jene der Grundbehaarung als jene der längeren Be- haarung, viel dicker, auf dem Halsschilde unregelmäßig abstehend, auf den Flügeldecken regelmäßige Längsreihen bildend, die aus nach rückwärts geneigten Borsten bestehen und bei Oberansicht wie gelbe Streifen aussehen. Dieser hübsche TJwrictus wurde von meinem Kollegen P. J. B. Heim S. J. in Nestern von Pheidole Wroughtoni For. zu Wallon (Ahmed - nagar-Distrikt) in größerer Zahl entdeckt. Ich benenne sie nach ihrer Wirtsameise. Thorictus Heimi (Taf. VII, Fig. 20) dagegen lebt bei Trighjphotrix Walshi For., wo er ebenfalls zu Wallon nicht selten gefunden wurde. 110 E. Wasmann, 14. Übersicht über die Gäste der ostindischen Pheidoie-Arten, (Hierzu Taf. VII, Fig. 22.) Ähnlich wie die indische Ameisenfauna durch die große Zahl der Pkeidole-Avten ein eigentümliches Gepräge erhält, so ist dies auch bezüglich der Myrmecophilen der Fall, indem — soweit bisher be- kannt — die Pheidole-Gäste diejenigen der übrigen indischen Ameisen- arten zusammen an Zahl fast übertreffen. Da nun ein großer Teil der Pheidole- Gäste zur Coleopterenfamihe der Paussiden gehört, erhält die ostindische Myrmecophilenfauna einen entschiedenen Paussus- Char akter. Es dürfte von Interesse sein, nach dem betreffenden Kasten meiner Myrmecophilensammlung hier eine Übersicht der ostindisch-malaischen Pheidole-G äste zu gebend. Ich führe nur jene Arten auf, deren Wirte genau bekannt sind. Für sehr viele der 333 bisher beschriebenen Paussiden der Erde sind die Wirte leider überhaupt noch unbekannt^, darunter gerade für die interessantesten ostindischen Formen wie Euplatyrhopalus, Lebioderus, Merismoderus, Ceratoderus, PlatyrJwpalus irregularis (Taf. VII, Fig. 22) usw. Letzterer ist unter allen Verwandten durch seine hellgelb und schwarz gefärbten Flügeldecken bemerkenswert, deren Fleckenzeichnung einigermaßen die Umrisse eines Ameisenkörpers darstellt. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, daß diese bei Paussiden so seltene Zeichnung, die auch auf den Flügeldecken mancher PI europterus- Arten wiederkehrt, eine noch unentdeckte biologische Bedeutung besitzt. Bei Pheidole latinoda Rog. : Platyrhopalus detiticornis Donov. — Walion (Ahmednagar-Distrikt), (P. Heim!); Khandala (Bombay-Distrikt), (P. Assmuth!). Paussus suavis Wasm. — Kolaba-Distrikt (Wkougthon!). » Boysi Westw. — Chota Nagpore (Bengalen), (P. J. Cardon!). » rufitarsis Sam. — Chota Nagpore (Bengalen), (P. J. Cardon!). » Fichteli Donov. — Chota Nagpore (Bengalen), (P. J. Cardon !). » Cardoni Wasm. — Chota Nagpore (Bengalen), (P. J. Cardon!). Coluocera Beloni Wasm. — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P. J. Heim!). Stenosis Wroughtoni Wasm. — N. Guzerath (Wroughton!). 1 Das von P. J. Assmuth gesammelte Material konnte erst zum Teil hier aufgenommen werden. 2 Vgl. Ein neuer Paussus aus Ceylon, mit einer Übersicht über die Paussiden- Wirte (Tijdschr. v. Entomol. J.IV, IDU, S. li)")— 207). Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitopliilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 111 Cydotrogus Heimi n. g., n. sp. Acanthocerinorum. — Wallon (Ahmed- nagar-Distrikt), (P. Heim!). Lepisma indica Escher. — Matheran (N. Konkan), (Wroughton!). Bei Pheidole Wroughtoni For, : Paussus Wroughtoni Wasm. — Poona (Wroughton!). » soleatus Wasm. — Poona (Wroughton!). Thorictus hraminus Wasm. — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P. Heim!). > Heimi subsp. Wroughtoni Wasm. — Wallon (Ahmednagar- Distr.), (P.Heim!). Coluocera Beloni Wasm. ■ — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P. Heim!). Cossijphodinus indicus Wasm. — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P. Heim !). Stenosis Heimi n. sp. — Wallon (Ahmednagar-Distrikt), (P. Heim!). Myrmecophila acervorum var. oder n. sp.? — Wallon (Ahmednagar- Distrikt), (P. Heim!). Bei Pheidole sulcaticeps Rog. subsp. pooncnsis For.: Thorictus hraminus Wasm. — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P. Heim!). Coluocera Beloni Wasm. - — W^allon (Ahmednagar-Distr.), (P. Heim!). Cossyphodinus indicus Wasm. — Wallon (Ahmednagar-Distr.), (P.Heim !). Ceratohister cornutus n. g. n. sp. Histeridarum. — Wallon (Ahmednagar- Distrikt), (P.Heim!). Bei Pheidole ghatica For.: Paussus Assmuthi Wasm. — Khandala (Bombay-Distr.), (P. AssmuthI). Bei Pheidole javana Mayr: Paussus Jousselini Guer. var. hasalis Kr. — Birma (L. Fea!). » nauceras Bens. ■ — Biru (Bengalen), (P. Cardon!). :> seriesetosus Wasm. — Biru (Bengalen), (P. Cardon!). Bei Pheidole indica Mayr: Schizillus Rogersi Wasm. — Massorie (N. W. Ostind.), (C. G. Rogers!). Bei Pheidole indica Mayr. subsp. rotchana For. var. divinansFoT.: Paussus Escherichi Wasm. — Peradeniya (Ceylon), (K. Escherich!). Bei Pheidole spathifera For. var. Yerburyi For: Paussus Horni Wasm. und Larve. — Bandarawella (Ceylon), (W. Horn!)i. 1 Die Larve habe ich soeben in den Ann. Soc. Ent. Belg. LIV. 1910, S. 401, beschrieben. 112 E. Wasmann, Bei Pheidole plagiaria Sm. {convergens Mayr): Paussus Kannegieteri Wasm. — Java (J, Z. Kannegietee!, Hialmar Jensen I^). Paussus pandamamus Wasm. — Pandamas und Mounts Kawie auf Java (J. B. Ledru!)2. » nigrita Wasm. — Buitenzorg (Java), (J. B. Ledru!). » Ritsemae Wasm. — Toegoe (Java), (J. D. Pasteur!). » » subsp. buitenzorgensis Wasm. — Buitenzorg, (J. B. Ledru!). » Lucasseni Wasm. — Simpar Tegal (Java), (Lucassen!); Pandamas (Java), (J. B. Ledru!). 15. Coccinella distincta und die Selektionstheorie. (Hierzu Taf. VII, Fig. 23.) Coccinella distincta Falderm. {lahilis Muls.) ist eine unsrer größten und schönsten einheimischen CoccinelHdenarten (Taf. VII, Fig. 23), und von der mit ihr nahe verwandten Coccinella septempunctata L. durch konstante morphologische Merkmale verschieden, durch die breit gerundeten Vorderecken des Halsschildes, durch die gelben Epi- meren der Hinterbrust, durch den Mangel eines Längseindruckes am Seitenrand der Flügeldecken usw. Als ich 1894 das »Kritische Ver- zeichnis der myrmecophilen und termitophilen Arthropo- den« veröffentlichte, hielt ich ihr Vorkommen bei Ameisen noch für »zufällig«. Seither habe ich mich jedoch davon überzeugt, daß sie zu den gesetzmäßigen Myrmecophilen zählt. 1900 berichtete H. DoNiSTHORPE^ über ihr regelmäßiges Vorkommen bei Formica rufa zu Weybridge in England. Er stellte auch Versuche an und bemerkte, daß sie von den Ameisen indifferent geduldet wurde, während die sehr ähnliche septempu7ictata von denselben angegriffen wurde. Später fand er sie auch bei F. sanguinea. In der Umgebung von Luxemburg-Stadt traf ich Coccinella distincta während der letzten 10 Jahre nicht selten, aber stets nur in der nächsten Umgebung von Ameisennestern. Bei Formica trunci- 1 Die von letzterem entdeckten Larven des P. Kannegieteri sind von A. BöviNG 1907 in den Vidensk. Meddel. fra d. Nat. Voren (Ko])enhagen), S. 109 bis 136 u. Tcif. II, beschrieben worden als erste, sicher einem Paussus zu- gehörige Larven. 2 Ebenso wie viele andre meiner indischen Paussiden durch Herrn R. Ober- THÜR (Rennes) erhalten, dem ich hierfür meinen Dank nochmals abstatte. 3 Kntomologists Record XII, Nr. 7, S. 172 — 176. Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrniectipliilcn (Nr. 102). 113 cola war sie am häufigsten, etwas seltener bei F. 'pratensis, bei Poly- ergus rufescens mit F. rufibarhis als Sklaven, bei Myrmica laevinodis und Camponotus ligniperda. Coccinella distincta bildet ein interessantes Problem in phylogene- tischer Hinsicht wegen ihrer Anpassung an die myrmecophile Lebens- weise, durch welche sie auch zu einer morphologisch »eignen Art« sich differenzierte. Wie konnte diese Anpassung erfolgen auf Grund des ÜARWiNschen Selectionsprinzips, welches das »Überleben des Passendsten« für den Hauptfaktor der Stammesentwicklung erklärt? War hier wirklich eine Anpassungsnotwendigkeit vorhanden, um die Erhaltung der Art im Existenzkampfe zu sichern? Die Larven dieser Coccinella leben nach Analogie der übrigen Coccinellenlarven ohne Zweifel, wie auch Donisthorpe schon 1900 bemerkte, von den bei den Ameisen sich aufhaltenden Aphiden und Cocciden. Nun besitzen aber gerade jene Ameisenarten, bei denen diese Coccinella am öftesten vorkommt, nämlich Fonnica rufa, pra- tensis, truncicola, sanguinea^, rufibarhis und Camponotus ligniperda gar keine eignen Aphiden in ihren Nestern, sondern suchen nur gewisse, allenthalben häufige Blattlausarten außer- halb ihrer Nester auf, um sie zu »melken«. Cocciden hegen die ebengenannten Ameisen überhaupt nicht; solche kommen in unserer Fauna nur bei Lasius-Avten vor. Was folgt hieraus für die stammesgeschichtliche Entwicklung von Coccinella distincta und ihrem myrmecophilen Instinkte? Daß dieselbe nicht auf »Naturzüchtunt" « beruhen kann. Die Neis-uno; dieser Coccinella und ihrer Larve, gerade solche Blattläuse zur Nahrung aufzusuchen, die von Ameisen gepflegt werden, und deshalb die Nachbar- schaft von Ameisennestern zu bevorzugen, ist ein darwinistisches Paradoxon. Denn da es sich nur um solche Beutetiere handelt, die auch anderswo ebenso zahlreich, ja noch zahlreicher sind als in Ge- sellschaft von Ameisen, bedeutet jene myrmecophile Neigung eine Erschwerung des früheren Nahrungserwerbs, keine Erleichterung desselben. Unsre Coccinella septempunctata, deren Larven und Imagines die Blattläuse ohne Ameisengesellschaft verzehren, ist auch tatsäch- lich weit häufiger und gemeiner als C. distincta. Daraus, daß die Ameisen ihre Aphiden gegen die Angriffe der Blattlausfresser be- schützen, begreift sich dies leicht. Wie kam es also, daß von demselben Stamme trotzdem eine myrmecophile Art in Form der Coccinella 1 Bei sanguina geben sicli für gewöhnlich nur die Skhiven {fusca bzw. rufi- barhis) mit dem Blattlausbesuch ab. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. Gl. Bd.. g 114 E. Wasmann, distinda sich abzweigte? Jedenfalls nicht auf Grund einer durch den »Kampf ums Dasein« diktierten »Anpassungsnotwendigkeit an die myrmecophile Lebensweise«, sondern durch eine spontane Variation, welche diese neue Richtung einschlug und beibehielt, trotz der Schwie- rigkeiten, die aus derselben für den Nahrungserwerb ihrer Besitzer erwuchsen. Coccinella distinda hat tatsächlich gerade das Gegen- teil von dem versucht und erreicht, was die darwinistischen Speku- lationen ihr vorzuschreiben beliebten. Ich möchte allen extremen Verehrern der Selectionstheorie, deren es leider auch heute noch genug gibt, dieses Exempel zur Erwägung unterbreiten. Daß die Naturzüchtung zwar einen Faktor in der Stammesentwicklung der meisten Alten bildet, steht auch für mich außer Zweifel. Aber sie für den Hauptfaktor zu halten, verbietet mir in Anbetracht der Tatsachen mein zoologisches — nicht etwa mein theologisches Gewissen i. Valkenburg, im August 1911. Erklärung der Abbildungen. Die Photogramme Fig. 9, 10, 11, 12, 15 sind aufgenomuien mit Zeiss Tessar 1 : 6,3, die übrigen mit Leitz Microsummar 42 mm. Zur Aufnahme wurden nur Vogel-Obernetter-Silber-Eosin-Platten (0. Perutz, München) benutzt, und zwar ohne Gelbscheibe mit Ausnahme der Fig. 16, 22, 23, welche mit Zeiss Gelbgrün- scheibe aufgenommen wurden. Tafel V. Fig. 1. Termitohia physogastra Wasm. (Type) (8 : 1), Goldküste. (Der fehlende linke Fühler usw. sind als Kanadabalsampräparat verwandt worden.) Fig. 2. Termitotecna Braunsi Wasm. n. g., n. sp. (Type) (12:1). Oranje- Freistaat. 2a. Seitenansicht desselben Exemplars (12 : 1); 2b. Unterlippe (in der Mitte) und Unterkiefer (an beiden Seiten) (100 : 1); 2c. Hinterfuß (Zeiss AA, Oc. 2). Fig. 3. Idioyaster EschericM Wasm. n. g. n. sp. (Type) 11 : 1 [Erythraea); 3ft. Seitenansicht desselben Exemplars (11 : 1). Fig. 4. Termitodiscus Heimi Wasm. (Type) (12 : 1), Vorderindien. Fig. 5. Termitodiscus splendidus Wasm. (Type) (12 : 1), Natal. Fig. 6. Dinusa Santschii Wasm. n. sp. (Type) (12 : 1), Tunesien. Fig. 7. Myrmedonia Beicherti (Brauns i. 1.) Wasm. n. sp. Männchen, (Type) (6,5 : 1), Oranje-Freistaat. Fig. 8. Eiiglyptonotus Escherichi Wasm. n. sp. (Type) (7 : 1), {Erythraea); 8a. Seitenansicht. '^ Vgl. auch »Über Wesen imd Ursprung der SymphiUe«. (Biol. Centralbl. 1910, Nr. 3—5). Neue Beiträge zur Kenntnis d. Termitophilen u. Myrmecophilen (Nr. 192). 115 Tafel VI. Fig. 9. Termes natalensis Havil. (1 : 1), Condue, belg. Congo (E. Luja!). In der Mitte die Königin, links oben der König, darunter ein großer und ein kleiner Arbeiter; rechts oben großer Soldat, darunter kleiner Soldat und weiße Larve des großen Soldaten. Fig. 10. Physogastre Larve von Ghjptus imnctidalus Chaud. (2 : 1), Kili- uiandjaro; bei Termes bellicosus Smeathm. Fig. 11. Physogastre Larve von Gli/ptus punctulatus, Seitenansicht (anderes Exemplar als Fig. 10) (2:1). Fundort wie Fig. 10. Fig. 12. Stenogastre Larve von Ghjptus punctulatus (2:1). Fundort A\ie Fig. 10. , Fig. 13. Kopf einer physogastren Larve von Glyptus punctulatiis, von unten gesehen (9:1, Aufnahme in Alkohol in feuchter Kammer). Seitlich sieht man die Fühler, zwischen denselben die Oberkiefer, vor denselben die Unterkiefer, in der Mitte die Unterlippe mit den zweigliedrigen Lippentastern und der Zunge. Fig. 14. Vorder-, Mittel- und Hinterbein einer physogastren Larve von Glyptus punctulatus (12 : 1, Kanadabalsampräparat, bei auffallendem Lichte). An dem Mittelbein sieht man deutlich die Nähte der zwei Tarsenglieder; das Hinterbein ist durch die weit größere Coxa ausgezeichnet. Erklärung der Buch- staben des Mittelbeins: c, Coxa; tr, Trochanter und Femur; t, Tibia; ta, Tarsus. Fig. 15. Blattide {Geratino ptera variabilis Shelf.) bei Termes bellicosus, Kilimandjaro (4 : 1). Tafel VII. Fig. 16. Paederopsis myrmecophila Wasm. n. g., n. sp. (Type), (7,5 : 1), Santa Catarina; 16a. Fühler, Oberkiefer, und zwischen denselben die tief zwei- lappige und zweizähnige Oberlippe (25 : 1); 16b. Unterkiefer und Kiefertaster (50 : 1); 16c. Unterlippe mit den Lippentastern und der zweilappigen Zunge; links ist die eine Nebenzunge sichtbar, rechts die Seitenecke des Kinns (50 : 1). Fig. 17. Fustigerinus KoJiU Wasm. n. g., n. sp. Männchen (Type) (13 : 1), belg. Congo; 17a. Dasselbe Exemplar von der Seite, um den hohen Hinterleibs- höcker zu zeigen. Fig. 18. Thorictus Foreli Wasm. am Fühlerschafte einer Arbeiterin von M yrmecocystus viaticus megalocola Forst. (7 : 1), Algerien. Fig. 19. Tliorictus braminus Wasm. n. sp. (Type) (12 : 1), Vorderindien. Fig. 20. Thorictus ^eimi Wasm. (Type) (12 : 1), Vorderindien. Fig. 21. Thorictus Heimi subsp. Wroughtoni Wasm. (Type) (12 : 1), Vorder- indien. Die gelben Borstenreihen der Flügeldecken sind deutlich sichtbar (ohne Retouche). Fig. 22. Platyrhopalus irregularis Rits. (Cotj'pe) (6 : 1), Java. Auf den gelben Flügeldecken sieht man deutlich die schwarze Fleckenzeichnung und einen weißen Fleck mit schwarzem Punkt in der Mitte der Flügeldeckenscheibe. In den Fühlerfurchen sind auch die drei gelben Haarbüschel deutlich sichtbar. (Ohne irgendeine Retouche des Negativs oder der Copie!) Fig. 23. Coccinella distinctaYald. (4,5:1). England. Die schwarzen Flecke heben sich von dem rotgelben Grunde deutlich ab (ohne irgendeine Retouche). 8* über reflexarme Tiere (Tiere mit peripheren Nervennetzen). III. Die acraspeden Medusen. Von Hermann Jordan (Tübingen). (Aus der zool. Station der Niederländischen Zool. Gesellschaft, den Helder). In einer Keilie von Arbeiten i habe ich mich bemüht, die Ein- richtungen des centralen Nervensystems bei einer Gruppe von Tieren zu untersuchen, die ich unter dem Namen »reflexarme Tiere« zu- sammenfaßte (Actinien, Gastropoden, Ascidien; wahrscheinlich aber noch einige andre Formen). Alle diese Wesen besitzen einen Haut- muskelschlauch, der sein nervöses Centrum in Gestalt von diffusen Nervennetzen (Bethe) in sich birgt, und der als ein nem'omuskuläres System unterster Ordnimg angesehen werden kann, fähig einiger primi- tiver Reflexe. Als diese Reflexe sind anzusehen: Bei Reizung (etwa dm'ch Berührung) einer Hautstelle tritt Verkürzung der nächstge- legenen Muskulatur ein; 2) rhythmische Bewegungen dienen der Loco- motion (man denke an die bekannten »Wellen« in der Kriechsohle der Schnecken) ; 3) Endlich nenne ich die Fähigkeit des Muskelschlauches, eine bestimmte Verkürzung dauernd beizubehalten, hierdurch Druck und Turgor innerhalb des Tieres herzustellen, vor allem aber durch anpassende Veränderung dieses »tonischen« Verkürzungsgrades Innen- druck und Turgor zu regulieren. Dieses Vermögen nenne ich »Tonus- funktion«, eine Erscheinuno-, die ohne weiteres nicht auf den Tonus 1 Hermann Jordan, Die Physiologie der Locomotion bei Aplysia Umacina. Inaug.-Diss. philos. Fak. Bonn 1901, Zeitschr. Biol. Bd. XLI, 1901, S. 196. — Untersuchungen zur Physiologie des Nervensystems bei Pulmonaten. I. Arch. gcs. Physiol. Bd. CVI, 1905, S. 189. — II. Ibid. Bd. CX, 1905, Ö. 533. — Über reflexarme Tiere usw. I. {Cinna intestinalis). Zeitschr. allg. Physiol. Bd. VII. 1907. S. 85. II. [Actinoloba dianthus). Ibid. JW. Ylll. 1908. S. 222. über reflexarine Tiere. III. 117 der Skelettmuskeln zurückzuführen ist. Aller dieser Funktionen ist der Muskelschlauch mit seinen Nervennetzen überall in qualitativ gleicher Weise fähig. Das bezieht sich mit Sicherheit auf Elementar- reflexe und Tonusfunktion; aber auch für locomotorische Rhythmen kann wahrscheinlich gemacht werden, daß sie nur als Spezialisierung allgemeiner Eigenschaften des Muskelschlauches aufgefaßt werden müssen. Während wir gewöhnt sind, etwa bei Wirbeltieren, alle jene automatischen Bewegungserscheinungen, die nach unsrer heutigen Definition unter dem Begriff »Reflextätigkeit« zusammengefaßt werden, als eine Summe spezialisierter Einzelreflexe aufzufassen, ist bei der uns beschäftigenden Gruppe niederer Tiere von solcher Spezialisierung im allgemeinen keine Rede. Alle elementaren Bewegungserscheinuno-en, so an Fuß, Septen, oder Mauerblatt der Actinieni, am Hautmuskelschlauch von Schnecken imd Ascidien, sind nichts, als Variationen jener Allge- meinreflexe. Ortsbewegung (falls vorhanden). Ausweichen vor Hinder- nissen oder vor Feinden u. a. m., Funktionen, die das höhere Tier dm'ch spezialisierte Reflexe leistet, werden hier durch die beschriebenen allgemeinen oder diffusen Reaktionen des Hautmuskelschlauches in die Wege geleitet, oder können durch sie in die Wege geleitet werden. Gewiß sind neben den Allgemeinreflexen auch spezialisierte vorhanden, und es mögen solcher bei den in Frage stehenden Tieren noch mancherlei gefunden werden. Wie dem aber auch sei, viele spezialisierte Reflexe höherer Formen werden hier vertreten durch die angedeuteten Allge- meinleistungen und damit dürfte — nach dieser relativen Armut an spezialisierten (individuellen) Reflexen, der Name »reflexarme« solange gerechtfertigt sein, bis es gelingt der heute schon sehr wohl charakteri- sierten Gruppe einen vielleicht deutlicheren Namen zu geben 2. Bei einigen Abteilungen unsrer »Reflexarmen« gesellen sich zu dem beschriebenen niederen Nervenmuskelsystem noch centralisierte Ganglien, die, neben Leitung der spezialisierten Reflexe, die Regu- 1 Die Tentakeln wollen wir, um die Diskussion nicht zu erschweren, aus dem Spiele lassen. 2 Neuerdings greift S. Baglioni (Handbuch der vergleichenden Physiologie von A. Winterstein, Bd. IV, Hälfte 1, Jena 1910.) die von mir vorgenommene und begründete Gruppierung äußerst heftig an. Wie ich hoffe zeigen zu können, sehr mit Unrecht. Allein eine Festschrift scheint mir zu einer Diskussion dieser Art nicht der rechte Platz zu sein. Sobald ich Zeit habe, werde ich mir erlauben auf die Angriffe Baglionis gründlich einzugehen. Ich würde übrigens vielleicht statt des Namens »Reflexarme«, »Tiere mit locomotorischen Nervennetzen« vor- schlagen, wenn ich nur beweisen könnte, daß alle Formen mit solchen Netzen sich wie unsre Reflexarmen verhalten. 11(S Hei mann Jordan, lierung der angedeuteten Funktionen jenes niederen Systems über- nehmen. Und zwar geschieht diese Regulierung auf eine, für die »Re- flexarmen«, wie es scheint, wieder durchaus charakteristische Weise: Jede Antwortbewegung des Hautmuskelschlauches wird quanti- tativ durch sein Centrum (z. B. Gangl. cerebrale der Schnecken) be- herrscht. Wir haben allen Grund anzunehmen, daß ein für allemal, so die Erregbarkeit der Muskulatur, als die Strecke, um die sie sich bei bestimmtem Reize zusammenzieht, an sich, d. h, vom Ganglion abgelöst, auf einen Mittelwert eingestellt ist, zu hoch für die Norm, zu gering in besonderen Fällen gesteigerter Ansprüche. Und diesen Mittelwert vermag das Centrum nach Bedarf zu vermindern und zu steigern, derart auf die Bewegungen eine unbedingte Herrschaft aus- übend. Nach dem Gesagten muß in der Norm ein Centrum, wie das Cerebralganglion der Schnecken Erregbarkeit sowie Ausgiebigkeit der Muskelverkürzung dauernd herabsetzen. Dies erkennen wir durch gesteigerte Erregbarkeit, ununterbrochene, nicht unterbrechbare Be- wegungen (Parapodien von Aplysia) nach totaler Entfernung des Ganglions, Kreisbewegungen nach der normalen Seite hin, durch schnellere Bewegung der abnormalen, nach einseitiger Ausschaltung dieses Centrums. Die Tonusfunktion soll uns hier nicht beschäftigen. Bei Tieren aber, die ihrem ganzen Verhalten nach, nicht zu den »Reflex- armen « gehören, üben die Centren ihre Herrschaft auf die Locomotions- systeme auf Grund ganz andrer Mechanik aus^. Während nun bei den Schnecken, sowohl die eigentliche Muskelbewegung (Gangl. cerebrale), als auch die Tonusfunktion (Gangl. pedale) ihr Centrum besitzen, fand ich in Ciona intestinalis eine Form, die einen Regulator nur für die Tonusfunktion hat (das einzige Ganglion des Tieres). Endlich fehlt der Actinie jedes dem Hautmuskelschlauch übergeordnete Centrum (meine Untersuchungen beschränken sich auf Mauerblatt und Fuß). Die Anhäiifung nervöser Elemente in der Mundscheibe hat, mit denselben Methoden untersucht wie bei Schnecken und Ascidien, auf Tonusfunktion und Elementarreflex der genannten muskulären Teile keinen Einfluß. Diese Teile selbst aber verhalten sich ganz analog dem Hautmuskel- schlauch der andern »Reflexarmen«. In der Erwartung, daß alle Cölenteraten auf dieser niedrigsten Stufe der neuromuskulären Entwicklung ständen, dehnte ich meine Untersuchungen auch auf acraspede Medusen aus. Allein, es stellte sich heraus, daß das Verhalten dieser freischwimmenden Formen sehr 1 Siehe z. B H. Jokdan, Die Leistungen des Gehirnganglions bei den krebfiartigen Tieren. Arch. ges. Physiol. Bd. CXXXI. 1910. 8. 317. über roflexarme Tiere, III. 119 wesentlich von demjenigen der festsitzenden Actinien abweicht, derart, daß eine Mitteilung meiner keineswegs zahlreichen Resultate motiviert sein dürfte. Daß meine Resultate spärlich sind, bitte ich dem^Um- stande zuschreiben zu wollen, daß meinen Untersuchmigen neben Zeit- mangel eine Reihe von Schwierigkeiten hindernd in den Weg traten, die durch die Eigenart des Objektes bedingt waren. Im Laufe dieser Mitteilung werde ich auf diese Schwierigkeiten hinweisen. — Anatomische Orientierung ^ Die Medusen sind typische Vertreter der Tiergruppe, deren nervöse Elemente aus Nervennetzen bestehen (Bethe); und zwar beschränkt sich ihr Nervensystem — wie bei allen Cölenteraten — auf derartige Netze. Centralisierte Ganglien (rein anatomisch gesprochen) kommen nicht hinzu. Die Netze, Abkömmlinge des Epithels, befinden sich zwischen diesem Epithel und der gleichfalls von ihm abstammenden Muskelschicht. Das Nervennetz weist mehr oder weniger zahlreiche Ganglienzellen auf. Diese »Zellen«, sagt Bethe (Rhizostoma) »haben meist nur zwei dickere Fortsätze, welche auf weite Strecken zu ver- folgen sind . . . Gewöhnlich gehen aber von den Zellen selber noch dünnere Fortsätze ab. . . Noch häufiger zeigen die von den Zellen entspringenden dicken Fasern Seitenzweige, welche bald aus einem Bündel von vielen Fibrillen bestehen, bald nur von einer einzigen Fibrille gebildet werden. Diese Seitenzweige und Nebenfortsätze zeigen drei verschiedene Verlaufsrichtungen: 1) Sie wenden sich nach oben und verzweigen sich zwischen den oberflächlichen Epithelzellen. 2) Sie senken sich in die Tiefe, laufen eine Strecke weit oberhalb der Kerne der Muskelzellen, parallel zur Oberfläche, einen aus vielen dünnen Fasern bestehenden Plexus bildend, und treten dann zwischen die Muskel- fasern, um sich hier in die einzelnen Fibrillen aufzulösen, die sich dann noch weiter teilen, vielleicht sogar in die Muskelfasern eindringen. 3) Die Seitenäste verlaufen parallel zur Oberfläche — dies sind fast immer dickere Zweige — und verbinden sich mit Seitenfortsätzen andrer Zellen zu einem Netz . . . Wir haben also hier ein diffuses Nervennetz vor uns, das einerseits mit der äußeren Epithelschicht, also der recep- torischen Fläche, anderseits mit der Muskulatur in Verbindung steht, so daß, da das Netz sich ununterbrochen durch die ganze Subumbrella 1 Nach Richard Hesse, Über das Nervensystem und die Sinnesorgane von Rhizostoma cuvieri. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LX. 1895. S. 411 und Albrecht Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig, Georg Thieme, 1903. 120 Hermann Jordan, ausdehnt, jeder Reiz, wo er auch in diesem Gebiete angesetzt werden mag, zu allen Muskelfasern hingelangen kann«. Zu diesen peripheren Netzen gesellt sich — mit ihm leitend in Verbindung stehend — noch ein Teil des Nervensystems, den man allgemein, aus morphologischen wie physiologischen Gründen, als eine Art Centrum auffaßt. Es sind das Ansammlungen von Ganglienzellen und Nervenfasern, die sich am Medusenschirmrand, je in unmittelbarer Nähe der Randkörper oder Lithocysten haben finden lassen (Hesse). Sehen wir uns daher zunächst die Randkörper an: Sie »sitzen, acht an Zahl, subumbrellar an den Enden der acht radialen und interradialen Gefäßkanäle, ganz nahe dem Schirmrand«. Jeder Randkörper {Rhizostoma) ist ein ge- streckter hohler Körper, dessen Innenraum mit dem Radiärgefäß zusammenhängt, eine Fortsetzung desselben bildet (Hesse). Wir miter- scheiden an ihm den Stiel (Eimer) und den Endteil, den »Kristallsack«. »Dieser letztere besteht vornehmlich aus einer verdickten Entoderm- lage, überzogen von einer verhältnismäßig dünnen Ectodermlage, zwischen beiden eine unbedeutende Mesodermschicht. Das Entoderm, ursprünglich wohl aus ebenmäßigen hohen Zellen bestehend, ist um- gebildet zu einer großen Aiizahl »wabenförmiger Hüllen, welche ... je mit einem Kristall erfüllt«, mir durch wenig j^igmeutführende Zwischen- masse voneinander getrennt sind (Hesse). Das Ectoderm, welches das entodermale Kristallgewebe, sowie den ganzen Randkörperstiel um- kleidet, ist ein typisches Sinnesepithel und besteht aus Sinnes- und Stützzellen, auf dem Stiele ist es am mächtigsten entwickelt. Ein aus den leitenden Fortsätzen der Sinneszellen bestehender Nervenfilz befindet sich hier innerhalb des Epithels selbst. Diese Fasern laufen im wesentlichen dem Schirmrande zu (in »proximaler« Richtung). Je mehr sich der Strang dem Schirmrande nähert, (am Stiel des Rand- körpers), umso dicker wird seine Fasermasse, die beginnt, zahlreiche Ganglienzellen aufzuweisen (besonders an den Seiten und dem hinteren Teile der Randkörperbasis). Zu diesem einen Sinnesepithel mit ganglio- närer Faserschicht gesellen sich noch zwei andre Sinnesbezirke, die innere und die äußere Sinnesgrube. Die innere Sinnesgrube befindet sich unter dem Randkörper nach innen zu von diesem, und ist ein Teil der, eben hinter jenem Sinnes- organe gelegenen »Randkörpernische« selbst, deren obere Wand und oberer Teil der Seitenwände hier mit hohem Sinnesepithel besetzt ist, das demjenigen des Randkörpers völlig gleich ist. Beide Epithelien gehen am Vorderrand der »inneren Sinnesgrube« ineinander über. Im Nervenfilz dieses Epithels befinden sich wiederum zahlreiche über reflexarme Tiere. III. 121 Ganglienzellen. In den beiden mit Ganglienzellen versehenen Nerven- faserschichten {Randkörper, innere Sinnesgrube) ist Hesse geneigt, das eigentliclie Centralnervensystem der Meduse zu sehen (S. 430). Die äußere Sinnesgrube, die oberhalb des Randkörpers, auf dem Exumbrellarande liegt, hat zwar gleichfalls Sinnesepithel mit Nervenfilz, aber Hesse konnte in diesem keine Ganglienzellen nach- weisen, so daß dieser Bezirk eine Centrenrolle nicht spielen dürfte. Vom Nervenfilz des Randkörpers und der inneren Simiesgrubc »gehen radial verlaufende Nervenfasern hervor, welche kontinuierlich bis zum (beschriebenen) Nervennetz der Subumbrella ziehen. Es ist dies nur eine Faserstraße, wenn man will, ein Radialnerv, der zum Netz hinführt.« (Bethe, S. 88). Der Radialnerv ist gleichfalls mit Ganglienzellen versehen. Die Muskulatur: »Durch die Radialstraße«, sagt Hesse, S. 442, »und die Ringstraße ^ werden auf dem peripheren Teile der Subumbrella acht Felder abgeteilt. Sie sind auch äußerlich geschieden und mit bloßem Auge daran zu erkennen, daß auf diesen Feldern das Epithel parallel dem Schirmrande leicht gefaltet ist, während in dem Gebiete der radiären Nervenstraßen diese Falten fehlen; die Falten dienen offenbar zur Vergrößerung der mit Muskeln besetzten Oberfläche. Die Muskulatur beschränkt sich nicht völHg auf diese »Muskel- felder«; in deren periphersten Teilen gehen Muskelringe auch unter den Ringstraßen hindurch. Die Muskeln verlaufen bei den uns beschäftigenden Arten durch- aus circulär, das heißt dem Schirmrande konzentrisch. Sie verringern durch ihre Verkürzung den glockenförmigen Raum, den die Subum- brella unter sich einschließt. Da dies ruckweise geschieht, so wird das Wasser mit ziemlicher Wucht daraus vertrieben, der Rückstoß treibt daher das Tier vorwärts, die Exumbrella voran. Die Elastizität der Gallertmasse des Schirmes, im Bestreben den Schirm abzuflachen, dient der Muskulatur zum x4ntagonisten, so daß also der locomotorische Rhythmus aus abwechselnder (pulsierender) Kontraktion und Er- schlaffung der Ringmuskeln besteht. Die Mechanik dieser Bewegung wurde vielfach untersucht (vgl. z. B. Bethe a. a. 0.), sie soll uns hier aber nicht beschäftioen. 1 So nennt Hesse den Teil des peripheren Netzes, der am meisten dem Schirmrande genähert ist, woselbst jegliche Muskulatur fehlt. Diese »Ringstraße« stellt die direkteste Verbindung zwischen je zwei Randkörpercentren dar. Bethe rechnet sie offenbar ohne weiteres dem peripheren Ncrvennetz zu. X22 Hermann Jordan, Die Centrenfrage bei den acraspeden Medusen in der Literatur. Von der umfangreichen Literatur über die Bewegung der Medusen, können uns naturgemäß nur solche Arbeiten beschäftigen, die sich auf die Bedeutung der beschriebenen Randelemente und ihre mögliche Centrenfunktion beziehen. Der erste Forscher, der sich eingehend diKch Versuche mit dieser Frage beschäftigte, war EimeeI. Nach seiner Meinung soll das Central- nervensystem der acraspeden Medusen enthalten sein im Randkörper- stiel und der Stelle des Schirmrandes, an welcher die Randkörper an- sitzen, der »contractilen Zone«. Sie ist jedoch nur als der »konzen- trierteste Teil « des centralen Nervengewebes aufzufassen, da dieses »im weiteren Sinne ganz wie bei Beroe in der ganzen Körperoberfläche zu suchen ist.« Eimer entfernt nun an ganzen Medusen, oder Stücken ihres Schirmes ^, sei es alle Centren, sei es alle bis auf eine »contractile Zone «. Bleibt dem Präparate auch nur ein Randkörper, so verhält es sich im wesentlichen wie eine normale Meduse, anders, wenn ihm alle contrac- tilen Zonen exstirpiert worden waren: Dann war das Tier (oder das Stück) unmittelbar nach der Operation völlig unbeweglich, wie tot. Zerstört er nur die Randkörper, den Teil der »contractilen Zone«, der sich am Schirmrande selbst befindet, intakt lassend, {Rhizostoma- Cassiopea), so kann gelegentlich bei Schirmstücken die Bewegung kurze Zeit zum Schwinden gebracht werden, allein stets erfolgt dann baldige Erholung. Bei ganzen Medusen aber alteriert die Entfernung sämtlicher Randkörper, an ihrer Wurzel, die rhythmische Kontraktionsfähigkeit in den meisten Fällen gar nicht; wenn wir wenigstens von einer kurzen »Bestürzungsperiode« absehen. Weitere Versuche zeigen nun, daß häufig auch diejenige Lähmung keine dau- ernde ist, die durch Entfernung aller »contractilen Zonen« bedingt wird: Unter günstigen Bedingungen (z. B. in der See), aufbewahrte Stücke von Aurelia aurita, aller contractilen Zonen beraubt, können 1 Eevier, Th., Über künstliche Teilbarkeit von Aurdia aurita und Cyanea capillaia in physiologische Individuen. Sitz.-Ber. physik. med. Ges. Würzburg (13. Dez. 1873). Verhandl. N.-F. Bd. VI, 1874. — Bericht ."50. Versammlung deutscher Naturf. u. Ärzte, München 1877. — Die Medusen physiologisch und morphologisch axif ihr Nervensystem untersucht. Tübingen, Lauppsche Buch- handlung, 1878. 2 Solche Stücke mit intaktem Schirmrande piilsieren in normaler Weise. über reflexarnie Tiere. IIT. 123 wieder zu selbständiger Kontraktionstätigkeit gelangen. Ja er be- obachtete (in Neapel) Medusen, »welche durch das Ausschneiden der Eandkörper, samt größeren Stücken des Schirmraiides, welchem sie ansitzen, in so geringem Grade alteriert werden, daß sie kurze Zeit nach dieser Operation ihre rhythmische Kontraktion wieder fortsetzten « (1878, S. 42). Es handelte sich um ältere Exemplare von Rhizostoma cuvieri. Zwei der Präparate, ihrer Centren beraubt, erhielten sich in den Behältern der Station 8 Tage lang munter, wobei nicht ver- schwiegen werden darf, daß der Besitz von Randkörpern längeres Leben unter gleichen Bedingungen gewährleistet. Es gelang sogar, Aurelien zu halbieren, eine Hälfte aller contractilen Zonen zu be- rauben, die andre normal belassend: beide Hälften schlugen nicht selten in gleicher Frequenz. Ja, ganze Medusen werden zuweilen dm'ch Entfernuno" aller Randcentren nur in geringem Grade in ihrer rhythmischen Kontraktionstätigkeit gestört. Aus allen diesen Versuchen ergeben sich nach Eimer (1878, S. 128) für Acraspeden folgende Resultate: Die Beherrschung der Kontrak- tionen des Schirmes und damit die Beherrschung der Ortsveränderung und sämtlicher veaetativer Tätigkeit geht wesentlich von den Nerven- centren des Randes aus. Allein »das centrale Nervensystem der Topo- nem-en (Acraspeden) kann nicht auf die Randlappen beschränkt sein, sondern es müssen sich Nervencentren auch sonst, über den Schirm verbreitet, wenngleich in spärlicher Anzahl, finden.« Die Erholung wird der Bildung von »Ersatzkontraktionscentren « zugeschrieben. Die präformierten Centren der Subumbrella aber müssen im Verhältnis, sei es viel geringer an Zahl sein als die Randkörper, oder, falls das nicht zutrifft, geringer an Kraft. Die zwar oft vorhandenen, aber geringfügigen Lähmungserschei- nungen, die entstehen, wenn man nur die Randkörper entfernt, werden einstweilen so gedeutet, »daß den Randkörpern allerdings eine Rolle bei der Anregung der rhythmischen Kontraktionstätigkeit zugeschrie- ben werden möchte, wenngleich eine untergeordnete«. Hauptsächlich dürfte der Wegfall des Stieles an den Lähmungen, die man allenfalls beobachtet, schuld sein, denn, »in noch geringerem Grade (als Ent- fernung der ganzen Randkörper), stört das alleinige Entfernen der Otolithensäckchen «. Auf Eimers Erörterung der Frage, ob das Nerven- system des Stieles ein Teil des Centrums sei, oder ob es als Sinnesganglion, die Wirkung seiner Entfernung aber als »Shock« aufgefaßt werden müsse, wollen wir nicht eingehen. Etwas später als Eimer, aber unabhängig von ihm, publizierte 124 Hermann Jordan, KoMANES^ ganz ähnliche Erfahrungen über das Nervensystem von Medusen. Auch er fand, daß der Kand acraspeder Medusen der Hauptsitz der »Spontaneität« sei, aber keineswegs ihr ausschließlicher Sitz. Denn die Lähmung nach Abtragung ist selten von Dauer. »After a variable period occasional contractions are usually given, or in some case the contractions may be resumed with but little apparent detri- ment" (1877, S. 279). Cyanea capillata verhält sich ähnlich wie Aurelia, aber die sofortige und vollständige Lähmung des Schirmes "is not of such comparatively frequent occurrence, as it is with Aurelia aurita". Nach Abklingen des Shocks erfolgt stets wieder Bewegung. Romanes gelangt zu folgendem Schluß: "In the minority of cases one or more supernumerary locomotor centres assert their presence in some part or parts of the general contractile tissue of the gonocalyx immediately after the removal of its margin". In der Regel aber "additional centres of spontaneity become, so to speak, developed after the laps of a greater or less interval of time, so that one cannot be quite sure, even for an hour after the Operation, that the paralysis however complete up to that time, will prove itself permanent" (p. 275f.). Freilich kann die Lähmung auch dauernd sein. Wir kommen nun zur Frage, welcher Teil des Randes als Centrum anzusehen ist. Hier weicht Romanes' Meinung von derjenigen Eimers ab: Nicht die contractilen Zonen Eimers, sondern lediglich die Rand- körper sind als Centren anzusehen, nur sie regen die rhythmische Bewegung an. Eine wesentlich richtigere Einschätzung erfahren diese Resultate in der neueren amerikanischen Literatur. So kommt Yerkes^ für die Hydromeduse Gonionemus zum Schlüsse: "Spontaneity is not dependent upon the central nervous System, but upon the high degree of irritability of certain parts of the margin of the bell. The marginless bell of G. falls to show spontaneous movements, except in rare cases^, simply because it is insensitive to other than strong Stimuli." — 1 Nature. Vol. XI, 1874, ferner Romanes, George J., Preliminary Ob- servations on the Locomotor System of Mediisae, Philos. Trans^act. R. Soc. London. Vol. CLXVI, 1877, S. 269. — Further Observations on the Loconiotor System of Medusae. Philos. Transact. R. Soc. London, Vol. CLXVII. 1878, S. 659. Siehe auch Jellyfish, Starfish and Sea Urchins etc. London 1885. 2 Yerkes, Robert M., A Contribution to the Physiology of the Nervous System of the Medusa Gonionemus marbacMi. II. The Physiology of the Central Nervous System. Amer. Journ. Physiol. Vol. VII. 1902. p. 181. 3 Bei Hydromedusen ist die Bewegung in viel höherem IVFaße von dem Vorliandensein des Randes abhängig als bei Acraspeden. über retlexanne Tiere. III. 125 Für acraspede Medusen kommt Alfred G. Mayer i zu ganz ähnlichen Anschauungen. Wie es bekannt war, daß eine randlose Meduse künstliche Eeize mit rhythmischen Schlägen beantwortet, so fand Mayer, daß es genügt, ringförmige Einschnitte besonderer Art und Anordnung in die subumbrellare Muskulatur zu machen, um die randlose Cassiopea, einmal durch künstlichen Keiz angeregt, dauernd in rhythmischer Tätigkeit zu erhalten, die sich, verglichen mit der nor- malen, durch gesteigerte Schnelligkeit auszeichnet. Dabei ist an sich gerade bei Cassio'pea der Schlag in hohem Maße von der Anwesenheit des Randes abhängig. Es fehlt also mit andern Worten der »gelähmten« Cassiopea ledig- lich an Reizung, um ihre rhythmische Bewegung ausführen zu können. Für die Empfangsorgane des randlosen Schirmes ist Seewasser kein hinlänglicher Reiz. Anders Aurelia und Dactylometra, die, ihres Randes beraubt, in Seewasser schon wenige Minuten nach der Operation, sobald sie sich vom Sliock erholt haben, zu pulsieren anfangen. Für diese Arten sind die Sinnesorgane des randlosen Schirmes dem See- wasser gegenüber hinreichend reizbar, um den Rhythmus unterhalten zu können: Die Wirkungen der Randkörper und der Sinneszellen irgendeines Teiles der Subumbrella auf die Bewegung unterscheiden sich nur quantitativ voneinander. Bezüglich der Frage, ob die Sinnesorgane des Randkörpers (RoMANEs) oder der Nervenfilz im Stiel die Bewegung anregt, ver- tritt Mayer die erstgenannte Auffassung, wie sich das aus dem Vorstehenden ganz von selbst ergibt: "I find", sagt er, "that if one cuts off the tip of the last remaining sens-organ of Cassiopea, thus removing the otoliths and pigment spot, but leaving the stalk of the sense-organ intact, the disk is instantly paralyzed." Tritt bei dauernd gelähmten Cassiopeen Regeneration der Sinnesorgane ein, so nimmt die Pulsation erst mit der Ausbildung von Pigmentfleck und einiger kleiner Otolithen ihren Anfang. Schon im Jahre 1901 hatte J. v. Uexküll^ Versuche mitgeteilt, angetan Romanes' Anschauvmg gegen Eimer zu stützen, daß nämlich die Sinnesorgane der Randkörper die Bewegung ihrer Träger anregen. Er stellte sich von Rhizosto?na pulmo ein Präparat mit nur einem Randkörper her. Verhindert man diesen mit einem beliebigen Gegen- 1 Mayer, Alfred G., Rhythmical Pulsation in Scyphomedusae. Carnegie Institut, of Washington. Publ. Nr. 47. 1906. 2 V. Uexküll, J., Die Schwimmbewegung von Rhizostoma imlmo. ]Mitt, Zool. Stat. Neapel. Bd. XIV. 1901. S. 621. 126 Hermann Jordan, stand am Schwingen, so steht momentan der ganze Schirm still. Meist genügt es, den Eandkörper passiv in leichte Bewegung zu setzen, um eine Reihe von Schlägen hervorzurufen. Allein v. Uexküll nimmt, vergHchen mit allen andern Autoren, insofern eine Sonderstellung ein, als er der Lähmung nach Entfernung der Randkörper eine viel größere Bedeutung zuerkennt, als eben jene andern Autoren. Das Schlagen randkörperloser Medusen, das v. Uexküll stets nur geraumere Zeit nach der Operation hat beobachten können, faßt er weder als Erholung, noch als Zeichen der Bildung accessorischer Centren auf, sondern es be- deutet für ihn Erla-ankung, Degeneration: »An solchen alten Tieren erkennt man viele absterbende, weißlich gewordene Stellen, die einen Krankheitsherd darstellen, von dem aus sehr gut Reize ausgehen kön- nen« (S. 625). Auch Bethe (a.a.O. S. 410) neigt der Ansicht zu, daß jedwede Regeneration der Bewegung, sei es auf abnorme Reize durch abgestandenes Seewasser, sei es durch Absterbeerscheinungen bedingt werde. Diskussion und eigene Untersuchungen. Betrachtet man alle diese Resultate, so wird man unschwer sehen: Das Randnervensystem, als ein Centrum des Rhythmus, sein Vor- handensein, als conditio sine qua non der spontanen Bewegung anzu- sehen, geht nicht mehr an. Gar zu viele Forscher treten dafür ein, daß die Lähmung, falls sie überhaupt nachzuweisen ist, schon bei Verlust der Randsinnesorgane zustande kommt. Aber auch abgesehen von diesen Versuchsergebnissen, Avircl sich der Leser nicht des Eindrucks haben erwehren können, daß die rhythmusanregende Funktion des Randes nur von relativer Notwendigkeit ist; von einem Centrum der Bewegimg im üblichen Sinne des Wortes wäre nicht nur unmittel- bare, sondern auch dauernde Lähmmig, nach Exstirpation, zu erwarten. Das häufige unmittelbare Auftreten von Bewegungen, nach der Operation, schließt auch die Aimahme einer Regeneration oder Bildung eines sekundären Centrums aus. Man bedenke, daß selbst der regel- mäßige, absolute Ausfall einer Erscheinmig nach Exstirpation eines Centrums nur nüt Vorsicht benutzt werden kann, zu beweisen, daß wir es mit dem Centrum jener Bewegung zu tun hatten. Sicherlich wird man dann eine mit solch geringer Sicherheit und Dauer auftretende Lähmung als Beweis dieser Art nicht gelten lassen. Alles spricht viel eher dafür, daß nach Entfernung der Randkörper für das Zustande- kommen der Pulsation die Anregung, und zwar nur in hinreichender Menge, fehlt. Darin sind sich die verschiedenen neueren Forscher über rcflexarnie Tiej-e. III. 127 einig, wissen sie doch, daß auch bei der gelähmten Meduse durch künst- liche Reize der Rhythmus stets wieder in die Wege zu leiten ist. Strittig bleibt nur die Frage, ob es der randkörperlosen Meduse unmögHch ge- worden ist, unter allen Umständen aus eignen Mitteln die Pulsation wieder in Gang zu setzen. Es fragt sich also, hat v. Uexküll recht oder ist die Meinung der andern genannten Autoren richtig. Im Grunde läßt sich die Frage ja schon aus den vorliegenden Versuchsergebnissen dahin beantworten, daß der Rhythmus bei manchen Medusen (z. B. Aurelia awrita) so unmittelbar nach der Operation wieder einsetzen kann, daß an eine Erklärung dm'ch abnorme Reizung, verursacht durch absterbende Gewebselemente, gar nicht zu denken ist. 8 Tage lang konnten randlose Medusen schlagend am Leben erhalten werden, wie schon Eimer fand. Absterbeerscheinungen aber spielen sich — wie ich glaube behaupten zu können — bei Medusen mit viel größerer Geschwindigkeit ab. Um mir Gewißheit über diese Dinge zu ver- schaffen, habe ich meinerseits einige Versuche angestellt, denen natur- gemäß nur der Wert von Nachuntersuchungen zukommt. Zunächst muß festgestellt werden, daß die Medusen außerordent- lich zarte Tiere sind, die in den meisten Fällen operative Eingriffe schlecht genug aushalten. Die Reizbarkeit künstlichen Reizen gegen- über sinkt oft in ganz auffallender Weise unter der Hand des Experimen- tators, während sie sich bei andern, offenbar stärkeren Individuen unter gleichen, keinesfalls ungünstigen Bedingungen stundenlang kon- stant erhalten kann. Das ist eine Tatsache, die wir bei Beurteilung der mitgeteilten Resultate der verschiedenen Autoren nicht außer Acht lassen dürfen. Nicht immer dürften die Versuche Aufschluß über die Wertigkeit der verschiedenen in Betracht kommenden Sinnesorgane geben, sondern eher über die mehr oder weniger große Widerstands- fähigkeit der betreffenden Objekte. Daß die so häufig beobachteten Absterbeerscheinungen je von abnormen Reizerscheinungen begleitet gewesen wären, habe ich nie beobachtet; schon meine Erfahrungen bei andersgearteten Versuchen machen es mir wahrscheinlich, daß ein späteres Wiederauftreten der Pulsationen, entgegen v. Uexkülls Meinung, Erholung, keine Degeneration bedeutet. Zu beweisen ist das durch derartige Allgemeinerfahrungen an unseren Objekten natür- lich nicht. Ich habe aber einwandfrei zeigen können, daß gerade kräftigste, frischeste Exemplare am ehesten, trotz Beraubung ihrer Randorgane, überhaupt nicht die Fähigkeit spontaner Bewegung verloren. Die.se meine Erfahrungen beziehen sich auf Rhizostotna octopus (cuvieri) die ja keineswegs gegen den Eingriff so unempfindlich X28 Hermann Jordan, ist, wie Aurelia aurita, die mir nicht zur Verfügung stand. In der Tat habe ich in sehr vielen Fällen das Fehlen spontaner Bewegimg nach Entfernimg meist des ganzen Randes beobachtet; ich will aber hier einen Fall beschreiben, bei dem von solcher totalen Lähmung nichts wahrzunehmen war. Der Schirm einer RJiizostoma (soeben gefangen in ganz frischem Seewasser) wird durch radiäre Schnitte in vier Teile zerlegt. Einem Teile wird der Rand nebst den Randkörpern belassen (»normales« Stück); einem zweiten werden die Randkörper entfernt; endlich den beiden übrigen der ganze Rand mit scharfem Rasiermesser gründlich abgeschnitten. Alle vier Teile schlagen fast unmittelbar nach der Operation. Die Erholimg gibt sich nur durch Zunahme der Schlag- freqiienz zu erkennen. Nach 30 Minuten wird die Zahl der Pulsschläge während einer Minute festgestellt. Es ergibt sich : Innerhalb je 1 Minute führen Schläge aus: Xormales Stück Stück ohne Ran(lküi[)er Stück ohne Rand 1 Stück t)hne Rand 2 16 4 4 7 17 0 1 6 17 2 3 10 — 4 2 5 — 4 — — — 6 — — 1 !'• p. Op. 24. Andern Tages ergeben sich in gleicher Weise folgende Mittel- zahlen (19 '^' p. Op. in frischem Seewasser): Xormales Stück Stück ohne Randkörper Stück ohne Rand 1 Stück ohne Rand 2 30—32 13 6 7 Die Stücke ohne Rand zeichnen sich durch die größte Unregel- mäßigkeit ausi. Das normale Stück macht meist vier bis sieben schnelle Schläge, dann tritt Pause ein. Das Stück ohne Randkörper macht niu* zwei bis vier Schläge zwischen je zwei Pausen. Bei den randlosen Teilen erfolgt meist schon nach jedem einzelnen, höchstens zwei Schlä- gen eine deutliche Pause. Wir sehen, schon die Vierteilung übt eine Shockwirkung aus, die 1 Trotzdem ist es keineswegs statthaft, zwischen den Schlägen der Rand- losen und den Rhythmen der Normalen, oder der Randkörperlosen ])rinzipielle Unterschiede aiuielnnen zu wollen. Man knim lediglich vt)n quantitativen Unterschieden reden. über reflexarme Tiere. IIL 129 wir am normalen und randkörperlosen Stück am deutlichsten dadurch wahrnehmen können, daß in ausgesprochenem Maße Erholung eintritt. An eine Reizung der abnormalen Stücke durch Degeneration ist nicht zu denken, da sie so gut wie gar nicht gelähmt werden (wie dies ja auch bei vielen Versuchen andrer Forscher der Fall war). Das See- wasser aber war bei beiden Bestimmimgen durchaus frisch, auch war es in ausgiebigen Mengen vorhanden. Wir können also mit Bestimmt- heit sagen, weder die Randkörper, noch die übrigen Nerven- und Sinnesorgane des Randes sind zum Zustandekommen des rhythmischen Schlages lo-äftiger Medusenstücke nötig. Daß der Unterschied in der Schlagfrequenz der normalen und der abnormalen Stücke durch das Fehlen von Sinnesorganen zu er- klären ist, ist zum mindesten sehr wahrscheinlich. Diese Annahme wird noch wahrscheinlicher, wenn wir in einem späteren Abschnitte hören, daß gerade die ihres ganzen Randes beraubten Stücke künst- lichen Reizen gegenüber die niedrigste Reizschwelle zeigten. Die Spontaneität wird also um so größer sein, je mehr Empfangsorgane sich an ihrer Erzeugung beteiligen: das randkörperlose Stück schlägt nach völliger Erholung schneller, als die beiden randlosen Stücke i, denen ja mit dem breiten Randstreifen noch manche Sinneszelle des Ecto- derms entfernt wurde, auch mögen ja die Stücke, die nur der Rand- körper beraubt worden waren, ihre Sinnesgruben ganz oder teilweise noch besessen haben. Ich habe leider nicht darauf geachtet 2. Besteht Analogie zwischen dem Verhalten der Medusen und demjenigen der bis jetzt untersuchten „Reflexarmen?" Der Besitz von diffusen Nervennetzen, die »Ubiquität« reflek- torischer Reizbarkeit, endlich die »Ubiquität« der locomotorischen Rhythmen, die wir feststellten, macht es in höchstem Grade wahr- scheinlich, daß die Medusen, gleich den Actinien, sich im wesentlichen verhalten würden, wie die vor uns mit dem Namen »Reflexarme« belegten Tiere. So haben wir uns zunächst zu fragen, ob die locomo- 1 Man vergesse aber nicht, daß Eimer gelegentlich eine halbe Aurclia ohne »contractile Zonen« ebensoschnell hat schlagen sehen wie die andre normal ge- bliebene Hälfte. 2 Hesse meint (a. a. O. S. 125), solche operierte Stücke würden vielleicht durch die Wasserbewegungen, erzeugt durch die Schläge der im gleichen Becken befindlichen normalen Teile, gereizt. Demgegenüber sei bemerkt, daß die ab- normalen Stücke auch dann schlagen, wenn man sie je in besonderen Gefäßen isoliert beobachtete, ja, auf einer Glasplatte, außerhalb jeden Wassers. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 9 130 Hermann Jordan, torische Muskulatur, vergleichbar derjenigen aller »Reflexarmer« auch eine Tonusfunktion besitzt. Besitzt die Muskulatur der Medusen eine Tonusfunktion? Daß bei Saumquallen Manubrium wie Tentakeln »Tonusmusku- latur« besitzen, kann nach dem, was wir über diese Gebilde wissen, nicht bezweifelt werden. Allein wir wollten uns auf die Schirmmuskeln der Acraspeden beschränken. Muskeln mit Tonusfunktion bei Schnecken Ascidien und Actinien geben sich rein äußerlich dadurch zu er- kennen, daß man sie niemals im Zustande absoluter Erschlaffung beob- achten kann, so lange sie leben, auch wenn sie, vom Tiere isoliert, zur Be- obachtung kommen. Wenn wir einen (lebenden) Schneckenmuskel in irgendeinem beliebigen Zustande ^ mit hinreichendem Gewicht belasten, so gibt er, sich dehnend, der Last mit bestimmter Geschwindigkeit und in bestimmtem Grade nach. Mehr Gewicht bedeutet stets mehr Dehnung. Das Ende dieses Dehnungsvermögens dürfte nur nach sehr geraumer Zeit zu erreichen sein. Denn alle tonischen Reaktionen zeichnen sich durch ihre Langsamkeit aus, und unterscheiden sich schon dadurch in voll- stem Maße etwa von der Dehnung eines elastischen Bandes. Belastet man nun aber ein Stück Medusenmuskel (eventuell nach Entfernung der Gallerte) und zwar so vorsichtig, daß keine Kontraktion verursacht wird, so zieht das zwar eine geringe unmittelbar erfolgende elastische Dehnung nach sich, keineswegs aber jenen langsamen Tonusfall, jene tonische Anpassung an die Überlast. Der ruhende Medusenmuskel (gleich demjenigen von Cancer fagurus usw.) verhält sich einem Gewichte gegenüber nicht anders, als ein elastisches Band. Bringt man ihn zur Verkürzung, so wird er auch bei eintretender Erschlaffung sich stets wieder zu der gleichen Länge ausdehnen, die er vor der Verkürzung besaß (vgl. auch Bethes Kurven, deren Null- punkt fast stets der gleiche ist, a. a. 0. S. 426). Ein Zahlenbeispiel mag hier genügen, bei dem wir das Verhalten des Medusenmuskels mit demjenigen der Actinie, Actinoloha dianthus, vergleichen wollen. Die Ablesungen werden mit Hilfe eines isotonischen Hebels vorgenommen, dessen Bewegungen an einer Skala abgelesen werden. Diese ist in 13 Teile zerlegt, die ihrerseits decimal eingeteilt worden sind 2. Die Zahl 13 befindet sich oben, der Hebel erreicht sie bei entsprechender Muskelverkürzung. 1 Natürlich nicht im Zustande maximaler Cocainvergiftung ! 2 Die Technik findet man beschrieben in : Heem. Jordan, Beitrag zur physiol. Technik für »Tonusmuskeln « usw. Arch. ges. Physiol. Bd. CXXI. 1908. S. 221. über reflexarme Tiere. III. 131 Die Fußscheibenmuskulatur von Actinoloha dianthus mit 9o belastet am isotonischen Hebel. Hebelstand zu Beginn des Versuches 12: Zeit Hebelstand 3h56' 12 3^57' 9,65 4^4' 8,6 4''46' 4,0 Cyanea: Hebelstand bei Belastung mit lg 9, » » » 3,5 gl 8,5. Der Hebel stellt sich (bei Cyanea) je unmittelbar auf die angegebene Zahl ein, und, falls keine Kontraktion eintritt 2, behält er diese Lage innerhalb beliebiger Zeiträume (so lange die Muskulatur lebt) bei. Das Fehlen jeder Tonusfunktion beim Medusenmuskel zeigen auch folgende Versuche: Der zur Locomotion dienende Tonusmuskel ver- fügt, wie gesagt, über einen Apparat, der es ihm erlaubt, bestimmte Verkürzungsgrade beizubehalten oder anzunehmen, deren er zur Er- zeugung eines bestimmten Innendruckes im Tiere (normaler Turgor) bedarf. Allein dieser Apparat ist zugleich ein Hindernis für seine Beweglichkeit (man denke an die langsamen Bewegungen der Schnecken). Je geringer nun der Tonus momentan entwickelt ist, um so weniger hindert er die Beweglichkeit: Alle Mittel, die imstande sind, den Tonus herabzusetzen, steigern die Eeizbarkeit des Muskels. Z. B. der durch Belastung gedehnte Schnecken- oder Actinienmuskel ist reizbarer (niedere Eeizsch welle, ausgiebigere Kontraktion bei gleichem Reize), als der nicht gedehnte. Wie verhält sich das bei den Medusen? Cyanea. Stück vom Schirm. Die Muskulatur liegt auf der Glasplatte des a. a. 0. 1908 beschriebenen Apparates, auf zwei Staniol- streifen, die mit dem Inductor in Verbindung stehen. Reizung mit Einzelöffnungsschlägen. Die Muskelverkürzung wird auf den iso- tonischen Hebel übertragen, dessen Bewegungen an der oben be- schriebenen Skala abgelesen werden. Belastung Hebelstand vor Reizung Höchsthebelstand infolge der Reizung lg 9 11,3 9,43 11,4 9,4 11,3 1 Die Anwendung zu großer Gewichte verbietet sich durch die Zartheit der Medusengewebe. 2 Durch Entfernen des Randes kann man solche ja in der Regel vermeiden. 3 Daß hier der ursprüngliche Hebelstand nicht wieder erreicht wird, liegt an der geringen angewandten Belastung. 9* 132 Hermann Jordan, Belastung Hebelstand vor Reizung Höchsthebelstand infolge der Reizung 3,5 g 8,5 8,7 8,4 8,7 1^ 83 lÖÄ 8,8 10,45 2g 8^3 9^3 8,3 9,3 Der gleiche Versuch mit Bestimmung der Reizschwelle: Wechsel- strom, Es wird je bei verschiedener Belastung der maximale Rollen- abstand bestimmt, der noch eben Muskel Verkürzung veranlaßt: Cyanea. Belastung größt. Rollenabstand, d. noch Reizung erwirkt 6 g R.-A. = 9,3 cm 1 g R.-A. = 9,4 cm Andrer Versuch, Belastung größt. Rollenabstand, d. noch Reizung erwirkt 1 g R.-A. = 9,9 cm 7 g R.-A. = 9,7 cm 1 g R.-A. = 9,8 cm Mit andern Worten, die Belastung (und Dehnung) steigert nicht nur die Reizbarkeit nicht, sondern im Gegenteil, sie setzt die Reizbar- keit, sowie die Strecke, um die, bei gleichem Reize der Muskel sich zusammenzieht, herab. Wir haben es also bei den Medusen mit einer Tiergruppe zu tun, die zwar imzweifelhaft mit den »Reflexarmen« in vielen wesentlichsten Punkten bezüglich ihres neuromuskulären Verhaltens übereinstimmt, der aber jegliche Tonusfunktion fehlt. Und wir erkennen daraus auch, wie das Auftreten und Fehlen dieser eigentümlichen Leistung von den jeweiligen biologischen Notwendigkeiten abhängt. Keinesfalls braucht der Besitz dieser Funktion, für einen ganzen Tierkreis, charak- teristisch zu sein : Die locomotorische Muskulatur der Gastropoden be- sitzt sie, die der Cephalopoden hingegen nicht. Das gleiche Verhältnis stellen wir zwischen Actinien und Medusen hier fest, nur mit dem Unterschied, daß die Medusen, im Gegensatz zu den Cephalopoden, trotz dieses Fehlens zu den »Reflexarmen« zu zählen sind. Wo also die Gesamtmechanik des Tieres das stete Beibehalten eines regu- lierbaren Verkürzungsgrades von selten der locomotorischen Muskulatur nicht beansprucht, da wird die Tonusfunktion, als der schnellen Beweglichkeit hinderlich, beiseite gelassen, sie gelangt nicht zur Ausbildung. Bei den Medusen ist Tonusfunktion überflüssig, da die Schirmgallerte dem Tiere die nötige Festigkeit, den Muskeln das über reflexarme Tiere. III. 133 Widerlager bietet, und außerdem die Notwendigkeit zuckender Schwimmbewegungen die Tonusfunktion der Muskulatur unzweck- mäßig erscheinen läßt. Anderseits aber ergibt sich auch wieder aus dieser Überlegung die biologische Selbständigkeit der Tonusfunktion, mag ihre Erschei- nungsreihe am Muskel Zustandekommen, wie sie will, auf Grund eigner Einrichtungen dieser Organe, oder durch Steigerung gewisser Eigenschaften, die in geringerem Grade jedem Muskel zukommen, wir wissen es nicht. Aber es empfiehlt sich vorderhand, diese Er- scheinung am Tonusmuskel bei »biologischen« Untersuchungen als etwas besonderes, für sich, unabhängig von der eigentlich motorischen Leistung der Muskeln zu betrachten, wie wir ja auch bei Schnecken und Ascidien zeigen konnten, daß die Tonusfunktion durch ein be- sonderes Centrum beherrscht wird. Für die Medusen aber haben wir gelernt: nach einer tonusregu- lierenden Funktion des mutmaßlichen Centralnervensystems brauchen wir nicht zu suchen. — Es bleibt uns die Frage zu beantworten, ob das Randnervensystem der Medusen in ähnlicher Weise die Reizbar- keit (Bewegung) zu beeinflussen imstande ist, wie das Cerebralganglion der Schnecken dies zu tun verma'g. Ist das Randnervensystem der Medusen ein regulatorisches Centrum für die Bewegung der Schwimmmuskulatur? Zur Entscheidung dieser Frage, analog unsern Resultaten am Cerebralganghon der Schnecken, steht uns leider bei den Medusen nur ein Weg offen : Prüfung der Reizbarkeit mit und ohne Anwesenheit der Randcentren; und zwar aus folgenden Gründen: 1) Eine Proportio- nalität zwischen der Reizbarkeit einerseits, und anderseits der Strecke, um die sich bei gleichem Reiz der Muskel zusammenzieht, besteht bei Medusen in zuverlässigem Maße nicht. 2) Falls die Exstirpation des Medusenrandes an sich — wie Enthirnung bei Schnecken — Steigerung der Motilität bedingen würde, so macht der notwendig mit der Operation verbundene Wegfall von Sinnesorganen diese Steigerung mehr als wett, wie wir wissen: Exstirpation des Randes und Beobachtung über- lebender Medusen ergibt keine Resultate, die mit den, an enthirnten Schnecken gewonnenen, vergleichbar wären. 3) Es fehlt bei Medusen denn auch die Möglichkeit, Versuche anzustellen, vergleichbar der einseitigen Enthirnung der Schnecken; um so mehr, als durch das besondere Leitvermögen der Nervennetze der Einfluß eines einzigen Stückes des »Randcentrums« sich auf die Gesamtmuskulatur des Tieres 134: Hermann Jordan, erstreckt, während einseitige Entfernung von Ganglien sich bei Schnecken nur auf der zugehörigen Seite bemerkbar macht. Eimer z. B. zeigte, daß eine einzige »Contractile Zone« den Rhythmus einer ganzen Meduse zu beherrschen imstande sei. Da mir meine Zeit die Ausarbeitung einer neuen Methodik nicht erlaubte, so mußte ich mich auf jenen einzigen Weg beschränken, der mir, wie gesagt, bei diesen Analogieversuchen offen stand: Die Reizschwelle von Schirmrand- stücken festzustellen, sodann den Rand gründlich zu entfernen und nachzusehen, ob die Schwelle sich geändert hat. Ich erinnere daran, daß bei der Mundscheibe der Actinie kein solcher Einfluß auf die Reizbarkeit (so wenig wie auf die Tonusfunktion) sjch hat nachweisen lassen. Ich muß gestehen, auch bei den Medusen eine negative Antwort erwartet zu haben, in der Meinung, daß alle Cölenteraten zur niedrigsten Art »reflexarmer« Tiere gehören, aus- gezeichnet durch den Mangel jedes regulativen Centrums. Allein, in 18 einwandfreien Versuchen stellte ich fest, daß die Randcentren einen Einfluß der dargetanen Art auf die Reizbarkeit des neuro- muskulären Systems, des Schirmes, in der Tat recht wohl ausüben! Ich will einige Versuchsprotokolle, als Beispiel, mitteilen: Die Stücke des Schirmrandes kommen wie in den vorher beschrie- benen Versuchen, auf einer Glasplatte, auf zwei Elektroden zu liegen, derart, daß die Subumbrella direkt auf den Elektroden aufliegt. Ge- reizt wird durch Wechselströme, bestimmt wird der maximale Rollen- abstand, der noch Bewegung auslöst: Schwelle 1) Chrysaora. Normales Stück R.-A = 9 cm, Der Rand wird entfernt R.-A = 9,7 cm, 2) Chrysaora. Normales Stück R.-A = 8,8 cm, der Rand entfernt R.-A = 9,9 — 10 cm, 3) Cyanea. Normales Stück R.-A = 7,2 cm, der Rand entfernt R.-A = 8,6 cm, 4) Chrysaora. Normales Stück R.-A = 10,2 cm, der Rand entfernt R.-A = 12,2— 12,8cm Nicht immer freilich sind die festgestellten Unterschiede so groß wie in den letzten Versuchen, doch war 0,5 — 0,6 cm Unterschied in der Regel das Minimum i. 1 Nach Hesse soll auch Efmer gelegentlich höhere Reizbarkeit von Medusen ohne contractile Zonen beobachtet haben. über reflexarme Tiere. IIT. 135 Es galt nun eine ganze Reihe möglicher Fehlerquellen auszu- schließen. I. Spielen bei den dargetanen Versuchen die mit den Randcentren entfernten Randkörper eine Rolle? Schwelle 1) Cyanea. Normales Stück R.-A = 8,2 cm, Die Randkörper werden beseitigt . . . R.-A = 8,3 cm. Der ganze Rand wird entfernt .... R.-A = 8,6 cm. 2) Cyanea. Normales Stück R.-A = 7,9 cm. Die Randkörper werden entfernt . . . R.-A = 7,9 cm. Der Rand wird abgeschnitten R.-A = 8,4 cm. Es sind also wohl sicher nicht die Randkörper, deren Entfernung die Steigerung der Reizbarkeit mit sich bringt, sondern die Rand- centren. Die kleinen Steigerungen der Reizbarkeit, die der erste Ver- such nach Randkörperbeseitigung vielleicht erkennen läßt, die aber kaum jenseits der Fehlergrenze liegt, mag — wenn sie überhaupt einer Erklärung bedarf — darauf zurückzuführen sein, daß wir mit dem Randkörper einen Teil des in seinem Stiel befindlichen ganglienzellen- führenden Nervenfilzes mit zerstörten. Die Randkörperexstirpation wurde stets sehr gründlich vorgenommen. II. Da wir nur über diese eine Versuchsreihe verfügen, so ist an sich die Entscheidung schwierig, ob die Reizbarkeitssteigerung, die wir nachwiesen, wirklich der Ausdruck einer regulierenden Tätigkeit der Centren und nicht vielmehr irgendwelcher pathologischen Erschei- nung zuzuschreiben sei. Ich dachte hier im Besonderen an eine Art »paradoxer« oder »scheinbarer Erregbarkeitssteigerung« im Sinne Feöhlichs. Ich habe, um mir hierüber Sicherheit zu verschaffen, eine Reihe von Versuchen angestellt, berufen, zu zeigen, daß an und für sich schädigende Eingriffe eine Steigerung der Reizbarkeit herbei- zuführen nicht imstande sind. Es wird zunächst untersucht, ob auch beliebige andre Eingriffe gesteigerte Reizbarkeit herbeizuführen ver- mögen. a. Durch radiären Einschnitt: Schwelle Chrysaora. Normales Stück R.-A = 8,8 cm, Es wird ein radiärer Einschnitt in den Rand angebracht R.-A = 8,8 cm, TUT Kontrolle wird nun der Rand entfernt . . R.-A = 9,9 — 10 cm. 136 Hermann Jordan, b. Nach Feststellung der Schwelle des normalen Stückes wird parallel dem Kande, aber auf der entgegengesetzten Seite des Stückes ein breiter Streifen entfernt (»Innenrand«). Schwelle Rhizostoma. Normales Stück R.-A = 8,5 cm, Ein Stück »Innenrand« entfernt R.-A = 8,0cm, zur Kontrolle der Außenrand abgeschnitten . . R.-A = 9 cm. Ein Fallen der Reizbarkeit findet in längerer Zeit nicht statt. Schwelle Rhizostoma. Normales Stück R.-A = 8,4 cm, Idem ohne »Innem-and« R.-A = 8,4 cm (Bei 8,5 cm wiederholt keine Reaktion erhalten.) Idem ohne »Außenrand« R.-A = 9,2 cm. Cyanea. Normales Stück R.-A =^ 7,2 cm, Idem ohne »Innenrand« R.-A = 7,3 cm, (7,4 bestimmt nicht.) Idem ohne »Außenrand« R.-A = 8,6 cm. Auch andre Schädigungen bedingen keinerlei Steigerung der Reiz- barkeit: Bringt man Kochsalz auf den Rand, so verursacht dieses wohl Rhythmus, aber keine Steigerung der Reizbarkeit. Versuche mit Cocain ergeben gleichfalls keine Zunahme der Reizbarkeit (das Cocain wird auf den Rand aufgepinselt) eher Abnahme. Dasselbe gilt für abnorme Wärme: Eine Chrysaora, die bei 16,5 — 17,5° eine Reizschwelle von R.-A. = 8,4 cm hat, bedarf eines Stromes entsprechend R.-A. = 8,2 cm, um bei 30° C erregt zu werden. Wiederabkühlung stellt die erste Schwelle stets wieder her. Um den unmittelbaren Einfluß der Operation in andrer Weise auszuschalten, werden Stücke vom Rande einer Meduse hergestellt; einige bleiben »normal«, andre werden ihres Randes beraubt. Nach einiger Zeit wird die Reizschwelle vergleichend festgestellt. a) nach 20 Minuten: Schwelle Cyanea. Normale Stücke R.-A. = 7,8—8,2 cm Stücke ohne Rand R.-A. = 8,5 cm. Chrysaora. Normales Stück R.-A. = 7,7 cm, Stück ohne Rand R.-A. = 9,1— 9,3cmi, ^ Dieser Versuch wurde an Bord des Untersuchungsdampfers Wodan auf hoher See an einer Chrysaora ausgeführt, die mit einem Eimer unmittelbar vorher über reflexarme Tiere. III. 137 b. 20 Stunden p. Op. : Die Versuche wurden ausgeführt an den Stücken von Rhizostoma octopus, die trotz Beraubung von Eandkörpern oder Kand fast un- mittelbar nach der Operation wieder schlugen. Schwelle Normales Stück R.-.A. = 8,2 cm, Stück ohne Rand Nr. li R.-A. = 9,6 cm, » » » Nr. 2 R.-A. = 10,5 cm. Genug, nach alledem erscheint es mir ausgeschlossen, daß die ge- steigerte Reizbarkeit nach Exstirpation des Schirmrandes, als Folge eines Insultes, einer Entartung auf Grund der Verletzung aufzufassen sei: Alle möglichen Verletzungen und Schädigungen durch chemische Agentien und Wärme bedingen diese Erregbarkeitszunahme nicht, die lediglich durch Wegschneiden des ganzen Randes (nicht nur der Sinneskörper!) erzielt werden kann. Diese Steigerung der Reizbarkeit ist keine vorübergehende Erscheinung, sondern sie bleibt geraume Zeit "unverändert bestehen. Dazu kommt als weiteres Argument gegen die Interpretation der Reizbarkeitssteigerung als allgemeine Degene- rationserscheinung, daß z. B. bei Actinien die Entfernung der Mund- scheibe von keinerlei Steigerung der Erregbarkeit begleitet ist, und endlich, falls, wie leider oft genug, die Meduse unter der Hand des Experimentators abstirbt, dies sich lediglich durch Abnahme der Erregbarkeit zu erkennen gibt. Die Entfernung der Randcentren bedingt also eine Steigerung der Reizbarkeit des uns bekannten neuromuskulären Apparates der Sub- umbrella. Das heißt aber, normalerweise setzen die Randcentren die Erregbarkeit dieser Teile herab. An sich würde diese Feststellung uns zu keinerlei weittragenden Schlüssen berechtigen. Allein wir wissen, daß das Cerebralganglion der Schnecke auf das ihm unter- stellte neuromuskuläre System genau die gleiche Wirkung ausübt. Wir wissen, daß gerade durch dieses Vermögen, die Reizbarkeit quanti- tativ zu beeinflussen, jenes Ganglion, so Bewegungsgeschwindigkeit, als Bewegungsrichtung (man denke an die Kreisbewegungen nach einseitiger Enthirnung), zu beherrschen imstande ist. Wir dürfen aus dem Wasser geschöpft worden war (der Dampfer lag vor Anker). Daher wohl der große Unterschied, der wohl immer beträchtlicher bei lebensfrischen Tieren war. 1 Man vergleiche auch die Zahl der Schläge, welche die beiden Stücke in 1 Minute ausführten. 138 Hermann Jordan, Über reflexarme Tiere. III. daher wohl für unsre Annahme einige Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen: Daß nämlich die nervösen Elemente des Schirmrandes der acraspeden Medusen gegenüber der Schirmmuskulatur mit ihren Nerven- netzen, die Rolle eines regulierenden Centrums spielen, berufen, in der Norm die Reizbarkeit herabzusetzen, offenbar aber, diesen Einfluß je nach Umständen modifizierend, und so jede gerade notwendige Be- wegungsgeschwindigkeit erzielend, wie ich das für die Schnecken wirk- lich habe zeigen können. Ob auf diesem Wege, wie bei den Schnecken, auch eine Richtungsänderung herbeigeführt werden kann, das ist eine Frage, die wir heute noch nicht einmal mit einiger Wahrscheinlichkeit beantworten können. Bemerkenswert scheint mir zu sein, daß die vier von mir untersuchten »reflexarmen« Tiergruppen folgende vier Möglichkeiten verwirldichen : 1) Actinien. Mit Tonusfunktion. Weder diese noch die Re- flexerregbarkeit werden durch ein übergeordnetes Centrum reguliert. 2) Ascidien. Mit Tonusfunktion. Nur diese, nicht aber die (elementare) Reflexerregbarkeit wird durch ein übergeordnetes Cen- trum reguliert. 3) Acraspede Medusen. Locomotorische Muskulatur ohne Tonusfunktion. Regulatorisches Centrum nur für die Reflexerreg- barkeit i. 4) Die Schnecken {Aflysia, Pulmonaten) mit Tonusfunktion. Sowohl diese (Pedalganglien) als die Reflexerregbarkeit (Cerebral- gangiion) unterstehen je einem regulatorischen Centrum. Die Medusen sind somit auch die einzigen »reflexarmen« Tiere, denen im Bereich der Locomotionsmuskulatur die Tonusfunktion fehlt; alle andern Wirbellosen ohne Tonusfunktion weisen, soweit daraufhin untersucht, eine völlig andre Einrichtung ihrer neuromuskulären Apparate auf, als die »Reflexarmen«, ich meine die Cephalopoden und die Crustaceen. Tübingen, im Oktober 1911. 1 Reflexerregbarkeit dürfen wir ruhig für Reizbarkeit setzen, da wir etwa bei Anwendung taktiler Reize keine andern Resultate erhalten. Ich überzeugte mich stets davon, machte aber die Hauptversuche mit elektrischer Reizung, die viel genauer dosierbar ist. Studien am Integument der Reptilien. I. Die Haut der Geckoniden. Von Dr. W. J. Schmidt, Privatdozent in Bonn. Mit 15 Figuren im Text und Tafel VIII— XII. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung 140 Die Haut der Geckoniden: A. Historisches 142 B. Material und Methode 168 C. Integument von Phelsuma 170 1. Hautrelief 170 2. Farbenkleid 176 a. Färbung und Zeichnung 176 b. Melanophoren, Porphyrophoren, Guanophoren 177 c. Physikalisches über die Farben der Guinophoren . ... 197 d. Zustandekommen des Farbenkleides 204 3. Epidermis 207 4. Sinnesorgane 210 5. Bindegewebiger Teil der Haut 211 a. Schichten des Coriums (straffes Corium, subepidermoidale Schicht und Epidermiscutisverbindung, elastische Elemente) 212 b. Subcutis 217 c. Einlagerungen im bindegewebigen Teil der Haut (Xantho- phoren, Guanophoren, Porphyrophoren, Melanophoren, Bläschenzellen, Fettgewebe, Mastzellen) 217 d. Blutgefäße und Nerven 221 e. Anteil der Schichten am Aufbau der Hautelemente . . . 222 f. Präformierte Bruchstellen in der Haut des Schwanzes . 222 g. Cloakensäckchen (und Sperrknochen des Peniskanals) . . 224 D. Integument von Tarentola 227 1. Hautrelief 227 2. Farbenkleid 230 3. Epidermis 233 140 W. J. Schmidt, Seite 4. Sinnesorgane 234 5. Bindegewebiger Teil der Haut 238 a. Schichten des Coriums (straffes Corium, subepidermoidale Schicht, Epidermiscutisverbindung, elastische Elemente) . 238 b. Verknöcherungen 240 c. Subcutis 246 d. Einlagerungen im bindegewebigen Teil der Haut .... 247 e. Blutgefäße und Nerven 248 f. Anteil der Schichten am Aufbau der Hautelemente. . . 248 g. Cloakensäckchen (und Sperrknochen des Peniskanals) . . 250 Literaturverzeichnis 250 Erklärung der Abbildungen 252 Einleitung. Seit dem Beginn des verflossenen Jahrhunderts ist das Integu- gument der Reptilien Gegenstand mancher Schrift gewesen. Daß ich seine Untersuchung wieder aufgreife, sei durch folgendes gerechtfertigt. Zunächst sind unsre Kenntnisse von der Haut bei den ein- zelnen Gruppen der Reptilien sehr verschieden weit und tief: zahlreichen Arbeiten über das Integument der Eidechsen und Schlangen stehen vereinzelte über das der Krokodile und Schildkröten gegenüber. Es bedarf aber keines Hinweises, welche Vorteile aus einer Untersuchung entspringen, die auf viele Formen der verschie- denen Ordnungen ausgedehnt ist: die Möglichkeit, ein bei einer Form oder Gruppe entdecktes Strukturverhältnis durch alle Abteilungen hin- durch zu verfolgen, gewährt eine Kontrolle der ersten Beobachtung und bedeutet gewöhnlich ihre Vervollkommnung, wenn nicht gar Berichti- gung ; ferner erlaubt erst eine gewisse Mannigfaltigkeit des untersuchten Materials, Wesentliches von Unwesentlichem zu sondern, und schließ- lich erwachsen auf der breiteren Grundlage der Tatsachen gesichertere Schlüsse. Dann aber liegen nur wenige Arbeiten vor, die das Integument als Ganzes, als Organsystem^ behandeln, sondern fast immer haben Einzelfragen die Untersucher in Anspruch genommen. Die Form und Anordnung der Schuppen und andern Hautelemente hat die Be- achtung der Systematiker gefunden, weil sie brauchbare Unterschei- dungsmerkmale liefert. Manche gröberen Strukturverhältnisse wurden schon frühzeitig, vor dem Aufschwung der Histologie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, bei organologisch -anatomischen Studien zutage gefördert, so vor allem die grundlegende Erkenntnis, daß an Studien am Integument der Reptilien. I. 141 den äußerlich sichtbaren Erhebungen der Haut, den Schuppen, Tu- berkeln, Körnern usw. die Lederhaut sich beteiligt (Blainville, Heusinger, Rathke). Die Histologen haben vornehmlich den Bau der Epidermis zu ergründen versucht, viel weniger sich mit dem Corium beschäftigt: die Art, Zahl und Entstehung der verschiedenen Epider- misschichten und das damit verknüpfte Problem der Häutung (Car- TiER, Kerbert, Leydig, ToDARO, Maurer u. a.), die Sinnesorgane (Leydig, Cartier, Todaro, Maurer, Oppenheimer, W. J. Schmidt u. a. m.), die Schichtung der Cutis (Leydig, K. Blanchard, Maurer) und die in ihr öfter vorhandenen Verknöcherungen (Cartier, Leydig, Todaro, Otto, W. J. Schmidt u. a.) sind hauptsächlich Gegenstand ihrer Untersuchungen gewesen. Über die embryonale Entwicklung des Hautreliefs liegen nur wenige Mitteilungen vor (Kerbert, Braun, Maurer, Stehli). Eine gesonderte Bearbeitung erfuhren ferner einige Hautorgane wie die Schenkelporen, Cloakensäckchen und ähnliches (FiCALBi, Schäfer, Tölg u. a.). Schließlich gab der bei einer Keihe von Reptilien vorhandene Farbenwechsel der Haut Veranlassung zu physiologischen Beobachtungen und Versuchen, die jetzt eine reiche Literatur darstellen. Bei dieser Lage der Dinge fehlt eine allgemeine Darstellung der Haut der Reptilien als Organsystem, die heutigen Ansprüchen genügt, und man gerät in einige Verlegenheit, wenn man Abbildungen sucht, die allen am Aufbau des Integuments beteiligten Bildungen gleichmäßig Beachtung schenken : so gibt Wieders- heim (1910) in der neuesten Auflage seiner vergleichenden Anatomie einen Schnitt durch die Haut von Lacerta agilis als Originalfigur; und hier handelt es sich nicht um histologische Feinheiten, sondern nur um eine gute, übersichtliche Darstellung der morphologischen Verhältnisse. Wenn also schon die weit zerstreute, meist Einzelfragen gewidmete Literatur eine Gesamtbearbeitung des Integumentes wün- schenswert erscheinen ließ, so ist weiterhin zu bedenken, daß zwar eine genaue Kenntnis der Teile die Einsicht in das Ganze fördert, aber auch die Teile nur richtig bewertet werden können in ihrem Zusammen- halt, d. h. mit Rücksicht auf das Ganze. Außerdem hat erst in den letzten Arbeiten über unsern Gegen- stand die moderne histologische Technik eingesetzt. Das Inte- gument der Reptilien erwies sich ihr gegenüber als ein gar sprödes Objekt, das mit den älteren, gröberen Mitteln leichter zu bewältigen war und bei dem die verfeinerten Untersuchungsmethoden nicht viel versprachen. Aber bei einem reicheren Material stößt man immer auf Formen, die sich für die Beantwortung dieser oder jener Frage geeignet erweisen, 142 W. J. Schmidt, und, was bis jetzt mit einer, den besonderen Verhältnissen angepaßten Art der Untersuchung erkannt werden konnte, läßt noch manche Be- reicherung unserer Kenntnisse erwarten. Schließlich sind in den Arbeiten der letzten Jahre (Krauss, Otto, Schmidt, Stehli) alte Fragen wieder in Fluß gebracht, neue aufge- worfen worden; ihre gegenteilige Beantwortung oder prinzipielle Wichtig- keit verlangt Nachprüfung und weitere Untersuchung. Zwar darf man sich nicht der Hoffnung hingeben, auf einem im einzelnen so ab- geernteten Gebiet seien seltene oder kostbare Früchte übersehen und noch einzuheimsen; aber eine geduldige, in ihrer Art vielseitige Beob- achtung wird auch einem noch so viel untersuchten Objekt immer wieder Neues abgewinnen können. Die größere oder geringere Gunst des Materials, in seiner Natur oder seinem Erhaltungszustand begründet, hat es mit sich gebracht, daß nicht bei jeder Form alle Teile des Integuments in gleicher Aus- führlichkeit behandelt werden konnten, daß hier dieser, dort jener Punkt besser geklärt erscheint. So beschränken sich meine Unter- suchungen bei einigen Formen (z. B. Gerrhosauriden, Heloderma- tiden, nur auf die Verknöcherungen, während bei andern (z. B. Gecko - niden) eine möglichst gleiche und eingehende Behandlung aller Teile der Haut erzielt werden konnte. Dieser Nachteil wird dadurch in etwa ausgeglichen, daß die Untersuchung sich auf zahlreiche Formen erstreckt und so die Ergebnisse in ihrer Gesamtheit sich zu einem ziemlich vollständigen Bild von der Haut der Reptilien vereinen. Zunächst werde ich mich auf die Darstellung der Tatsachen beschränken und in einer Reihe von Veröffentlichungen meine Beob- achtungen mitteilen. Den Anfang machen die hier vorgelegten Unter- suchungen an Geckoniden. Ihnen werden sich in kurzer Zeit Berichte über Helodermatideni, Gerrhosauriden, Anguiden, Scinciden, Lacer- tiden, ferner über Krokodile und einige Schlangen, endlich über Schild- kröten anschließen. Nur ausnahmsweise werde ich bei der Behandlung der einzelnen Gruppen auf Fragen allgemeiner Art eingehen; das soll vielmehr nach der Sichtung der Tatsachen in einem besonderen Teil geschehen, der diese Untersuchungsreihe beschließen wird. Die Haut der Geckoniden. A. Historisches. An dieser Stelle gebe ich eine möglichst gedrängte, kritische Dar- stellung der Literatur über das Integument der Geckoniden; 1 Erscheint in Festschrift f. Spengel, II. Band, Zool. Jahrb. Suppl. 1912. Studien am Integument der Reptilien. I. 143 in bezug auf die Histologie hoffe ich Vollständigkeit erzielt zu haben; für die äui3eren, morphologischen Verhältnisse habe ich mich an einige grundlegende Werke gehalten. Literatur, die über den Rahmen dieser Gruppe hinaus, bei Gelegenheit besonderer Verhältnisse Berücksichti- gung finden mußte (z. B. Chromatophoren, Zustandekommen des Farbenkleides), ist an den betreffenden Stellen abgehandelt. Die ersten histologischen Untersuchungen an der Haut der Gecko- niden — und sie blieben für längere Zeit die grundlegenden — ver- danken wir 0. Cartier (1872a u. b); sie betreffen Phyllodactylus por- phyreus, Platydactylus verus (= Gecko verticillatus)^, Phyllodactylus { = Oedura) lesueurii, TJiecodactylus laevis (rapicaudus), Hemidactylus jrenatus, Ptyodactylus natalensis (?), Gymnodactylus marmoratus, Platy- dactylus (= Tarentola) mauritanicus und murorum (?) Cartiers Ansicht in der damals mehrfach besprochenen Frage über die Natur der äußeren Grenzschicht der Epidermis, ob hornig oder cuticular, ist, daß diese Lage aus einem Verschmelzungs- prozeß der Zellen hervorgeht, auch dann, Avenn keine Zellkontouren mehr nachzuweisen waren und eine Zerlegung dieser Schicht in zellige Ele- mente durch Reagenzien nicht gelang. In der oberen Hälfte des Rete Malpighii (bei Platyd. verus) schildert Cartier Zellen, die im Schnitt quergestreiftes Profil aufweisen, isoliert höckerig erscheinen, Beobach- tungen, die wir mit den heute wohlbekannten Zellbrücken und Plasmafasern der Epithelzellen in Verbindung bringen müssen. Weiterhin entdeckte Cartier in der Epidermis der Haftlappen der Zehen die großen borstentragenden und -bildenden Zellen, außer- dem (bei Phyll. lesueurii) zwischen den platten Zellen des Rete Mal- pighii runde, helle Elemente mit mehr oder weniger deutlichem Kern, die in ihren größeren Formen die halbe Dicke der Schleimschicht ein- nahmen ; in der Aufsicht boten sie sich als glasartig helle, runde Stellen dar, viel kleiner als die Sinnesorgane; die Bedeutung dieser, seither nicht wieder gefundenen Gebilde bleibt auch heute noch ungewiß. Als echte Cuticularbildungen betrachtet unser Forscher die an gewissen Stellen auf der freien Fläche der Haut dicht gedrängt stehen- den Schüppchen und Haare, ferner ein zierHches Leisten werk auf der Oberfläche der Schuppe (bei Ptychozoon), bei dem es sich aber trotz Cartiers Versicherung um die Grenzen (tiefergelegener?) Zellen han- 1 Dort wo die Nomenklatur bei den Autoren von derjenigen des Boulen- GEEschen Catalogue of the Lizards in the British Museum abweicht, habe ich die im Katalog benutzte Nomenklatur in Klammern zugefügt. War es nicht möghch die Art zu identifizieren, so enthält die Klammer ein Fragezeichen. 144 W. J. Schmidt, dein dürfte (s. Kerbert), die großen, bis zu fünf auf einem Deckel des Kanals der Sinnesorgane vorkommenden, an der Spitze bisweilen geteilten Borsten, und schließlich die riesigen Borsten der Haftlappen. Den letzten spricht Cartier eine Rolle bei dem Anhaften der Lappen zu, ohne sie genauer zu bestimmeni; dagegen wendet er sich energisch gegen die Anschauung, daß diese Haftlappen einen klebrigen, oder gar ätzenden Saft abscheiden sollten. In der Auffassung des Baues der Sinnesorgane, denen eine Tastfunktion zugeschrieben wird, steht unser Autor im Gegensatz zu Todaro (s. u.), wenn er glaubt, eine (von Nerven versorgte) Cutispapille ragt in einen Kanal der Epidermis hinein. Zwischen den derben Faserbündeln der Cutis sah Cartier eigentümliche große helle Zellen, »Binde gewebszellen« (unsre »Bläs- chenzellen«), deren Wesen auch heute noch nicht ganz klar ist; er vergleicht es mit dem irrig für großzelliges Bindegewebe (Grundgewebe) gehaltenen Fettgewebe zwischen Muskulatur und Wirbelsäule im Schwanz der Geckoniden und dürfte sich damit unbewußt der richtigen Auffassung nähern, daß nämlich diese Bindegewebszellen eine besondere Modifikation der Fettzellen sind. Einer der schönsten Funde Cartiers war die Entdeckung der Cutisverknöcherungen bei Platydactylus mauritanicus {— Tarentola m.), PI. murorum (?) und PI. verus{— Gecko verticillatus) (aus Bohol), rundlichen, mit Knochenzellen versehenen Scheiben in den obersten Lagen des Bindegewebes der Haut, die in kurzen, ziemlich regelmäßigen Abständen, gewöhnlich in einfacher Lage angeordnet sind. Eigentümhcher Weise waren sie bei einem großen indischen Exemplar von PI. verus und einem andern kleineren derselben Art nicht vorhanden. Bei dem kleineren Exemplar könnte es sich um ein junges Tier handeln, bei dem diese Gebilde noch nicht ent- wickelt waren, bei dem großen jedoch scheint eine Variabilität vor- zuliegen, die einen gewissen Wert für die Auffassung dieser Gebilde besitzen kann und daher eine gelegentliche Untersuchung verdient. In einer zweiten, dem Häutungsvorgang bei Eidechsen und Schlangen gewidmeten Arbeit (1874), präzisiert Cartier seine An- schauung über den Bau und die Entwicklung der äußersten Epidermis- schicht, sie soll weder bloß verhornte Zelllage noch bloß Cuticula sein, sondern eine zusammengesetzte Bildung aus beiden Materien, Zellen, deren Außenfläche eine cuticulare Umbildung erfahren hat. So ergibt sich, warum die cuticularen Strukturen dem Umriß der Zellen folgen. Die Entwicklung der Haare auf den Haftlappen der Geckonen, 1 Auf den Mechanismus des Haftens gehe ich nicht näher ein; man ver- gleiche hierüber vor allem H. R. Schmidt 1904. Studien am Integument der Reptilien. I. 145 also der mächtigsten »Cuticularbildungen «, vollzieht sich vor der Häu- tung im Rete Malpighii; hier sind sie nach oben und unten von zwei Zelllagen begrenzt, die von den gewöhnhchen Elementen der Schleim- schicht auffallend abweichen; die untere ist schon frühzeitig ausge- bildet. Ein Vergleich mit den Verhältnissen bei der Natter scheint Cartier zu zeigen, daß die innere Zelllage die Borsten nach Art einer Cuticula absondert. Die äußere Lage wird mit dem darüber gelegenen Teil der Epidermis abgeworfen. Während nun bei der Natter und andern Formen die Borstenhaare der inneren Zellschicht zu einer homogenen Membran, eben der Cuticula, verschmelzen, verbleiben sie bei den Sinnes- und Hafthaaren der Geckonen in dem ursprünglichen Zustand; in den übrigen Teilen der Oberhaut dagegen verschmelzen sie miteinander und zwar zuerst am Kopf, zuletzt am Schwänze. Auch die keulenförmigen Cuticulargebilde auf den Hautsinnesorganen bei Stenodactylus sollen in gleicher Weise zu erklären sein. Eine Reihe wichtiger, uns interessierender Angaben über Phyllo- dactylus europaeus bringt Wiedersheim (1875). Beide Geschlechter sind einem beständigen Farbenwechsel unterworfen, der sehr schnell eintreten kann und unter der Herrschaft des Nervensystems steht. — Eine Verschmelzung der Epidermiszellen auf der freien Ober- fläche tritt nicht ein. Cuticularhaare sind namentlich an der Unter- seite des Schwanzes stark vertreten, was Wiedersheim mit der Greif- funktion des Schwanzes in Zusammenhang bringt. — Beim cT findet sich jederseits von der Schwanzwurzel ein hartes schuppenartiges Ge- bilde, ein Hautknochen von der Form einer convexen Platte mit ausgezackten Rändern, die nach allen Richtungen hin durchfurcht und von Öffnungen durchbrochen ist und eine schräg zur Oberfläche stehende kammartige Leiste trägt ; der Knochen zeigt schön entwickelte Knochen- körperchen. Darüber hinweg geht die Epidermis, von tausend feinen »Chitin «härchen bedeckt, was für eine Funktion des schuppenartigen Gebildes als Haltorgan bei der Begattung spricht. — Weiterhin be- obachtete Wiedersheim beim cT auf der rechten und linken Seite der hinteren Cloakenlippe zwei nierenförmige Spalte, deren jeder in ein Säckchen hineinführt, das die Form einer Mitra besitzt und von einem feinen, weißlichen Häutchen ausgekleidet ist. Die Substanz des Säckchens soll, glashell und strukturlos, Cuticula, festgewor- denes Produkt einer unterliegenden Drüsenschicht sein und das ganze Organ in eine Reihe mit den Schenkeldrüsen der Eidechsen gehören. Diese Vorstellungen vom Bau der Säckchen waren irrig (s. Ficalbi). Entsprechend den vorderen Lippen der beschriebenen spaltförmigen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Cl. Bd. 10 146 W. J. Schmidt, Öffnungen liegt jederseits unter der Haut der Schwanzwurzel ein annähernd halbmondförmiger Knochen; ob es sich um einen Hautknochen handelt, ist fraglich. Die Fasern der oberflächlichen Muskulatur haften äußerst fest an ihm und nehmen zum Teil, nament- lich in der Kichtung nach vorn zu, ihren Ursprung davon. Sie bilden links und rechts eine nach oben und einwärts offene, knöcherne Halbrinne für den Penis; vielleicht dienen sie dazu, den Rutenkanal wie eine Falltür abzusperren und so dem ausgestülpten Organ seine Lage zu sichern. Beim ^ findet sich nichts von den beschriebenen Knochen und Säckchen. In Leydigs (1876) feinsinnigen Beobachtungen über die allge- meinen Bedeckungen der Amphibien finden sich verschiedene, das Integument der Geckoniden betreffende Angaben. Die Sinnesorgane prüfte Leydig bei Platydactylus aegyptiacus ( = Tarentola annularis), Gymnodactylus geckoides, Hemidactylus oualensis (= Gehyra oceanica), Phyllodactylus euwpaeus und Platydactylus mauritanicus {Tar. mauri- tanica). Er fand eine bis vier Borsten auf dem kreisrunden, die Öffnung des Organes verschließenden Deckelchen und schloß aus der gleichen Widerstandsfähigkeit von Borste und Deckel gegen Kalilauge, daß auch der Deckel Cuticularbildung sei, was weder für die eine noch die andre Bildung heute gerechtfertigt erscheint. Leydig gibt der An- nahme Raum, daß die manchen Geckonen zugeschriebene Phospho- reszenz an diese Organe geknüpft sein könnte, so daß sie neben ihrer Leistung als Sinnesorgan noch einen Stoff absondern möchten, der bei Nacht zu leuchten vermag. Ganz abgesehen von dem wirklichen Vorkommen des Phosphoreszierens überhaupt, spricht garnichts dafür, daß irgendwelche Zellen auf der Oberfläche des Integuments bei Reptilien eine echte secretorische Funktion ausüben können. — Bei Platydactylus maur. stellte unser Autor außer strahligen Chromato- phorenein gelbliches und ein weißliches Pigment in der Haut fest und beobachtete einen Farbenwechsel zwischen einem düstern, ziem- lich gleichmäßigen Dunkelbraun einerseits und einer helleren Haut- farbe mit weißlichen Flecken in bestimmter Verteilunganderseits. — Den von Cartier entdeckten Hautverknöcherungen, die vielleicht schon Dumeril und Bibron gesehen, wenn auch nicht erkannt haben, forscht Leydig mit der ihm eignen Gründlichkeit weiter nach. Er vermißt sie bei Gymnodactylus phyllurus (= G. platurus), G. geckoides, Phyllodacty- lus lesueurii (= Oedura L), Phyllodactylus vittatus {= Diplodactylus v.), Platydactylus theconyx (= Thecadactylus ra/picaudus) , Hemidactylus oualensis ( = Gehyra oceanica), Phyllodactylus europaeus ; findet sie dagegen wie Cartier bei Platydactylus mauritanicus ( = Tarentola m.) Studien am Integument der Reptilien. I. 147 und ferner bei Platydactylus aegyptiacus ( = Tarentola anmdaris), so daß mit Cartiers Funden Hautknochen von drei Greckonen vorliegen. In bezug auf Vorkommen, Größe, Form usw. verhalten sich die beiden von LEYDia vorgenommenen Formen gleich. Schon beim Zerschneiden der Haut ließ die Schere fühlen, daß Kalk vorhanden sein müsse und bei Zusatz von Essigsäure erfolgte lebhaftes Aufbrausen. Die 'Ver- knöcherungen finden sich in der Haut des Rückens und der Bauch- seite, am Scheitel und im Gesicht, an den GKedmaßen bis zu den Zehen- spitzen hinaus und selbst bei der »Nickhaut« an den Stellen, welche noch den Charakter schuppiger Haut besitzen. [Zweifelsohne versteht hier Leydig unter Nickhaut die ringförmig das Auge umgebende Hautfalte (s. Ficalbi).] Sie fehlen in den Querfalten an der Unterseite der Zehen, in den Schildern der Oberlippe, während in die großen Schilder der Oberlippe doch wieder einzelne Kalkschüppchen aus der Umgebung eintreten. Der Umfang der Hautknochen ist verschieden, die größten liegen am Rücken, die kleinsten dort, wo die Verknöche- rungen anfangen, sich zu verlieren. Ihre Gestalt ist rundlich bis eckig, dort, wo sie in Schräglinien ziehen, rhombisch; dabei haben sie einen etwas vorstehenden Hinterrand (die einzige Behauptung aus Leydigs trefflicher Schilderung der Ossifikationen, die irrtümlich ist!); in den Hautwarzen können sie kreisförmig um ein Mittelstück gestellt sein, wieder anderswo schließen sie ohne sonderliche Ordnung aneinander. Die Kalkschuppen besitzen in der Mitte echte Knochenkörperchen in kreisförmiger Lagerung, außerdem eine konzentrische Schichtung und radiäre Streifung, welch letzte von der Menge und Richtung der fein- sten Ausläufer der Knochenzellen herrührt. Die Rinde erscheint warzig, was Leydig an gewisse Vorkommnisse am Zahnbein höherer und niederer Wirbeltiere und an die Kalkschuppen von Coecilia erinnert; wir werden den wahren Grund dieser Erscheinung kennen lernen. Die histologische Beschreibung der Hautverknöcherungen ist für lange Zeit mustergültig geblieben, nur Todaro hat sie noch bereichert, während neuere Arbeiten (Otto) nicht darüber hinausgingen. — Die wagerechten Lagen des Bindegewebes in der Cutis, wie sie bei Eidechsen die Regel darstellen, treten bei Phyllodactyhis europaeus in den Hautwarzen zurück gegen- über einem weichen, blasigen Gewebe, großen Zellen mit runden Kernen, vom Charakter des Fettgewebes aber ohne Fettkugeln; nur hier und da ist in den weiten Zellen außer dem hellen, eiweißartigen Inhalt noch das eine oder andre Fettklümpchen sichtbar; damit sind wir um einen Schritt über Cartiers Angaben inbetreff der »Bläschen- zellen« hinausgekommen. 10* 148 W. J. Schmidt, Kurz nach Leydigs vorstehenden Untersuchungen, noch im gleichen Jahre, erschien Kerberts (1876) Arbeit über die Haut der Keptilien und andrer Wirbeltiere. Von Geckoniden beschäftigte er sich nur mit Platydactylus guttaius ( = Gecko verticillatus). Wenn er sagt, daß von eigentlichen Schuppen hier noch keine Rede sein könne, obwohl die Bedeckungen am Bauch wirklichen Schuppen sich nähern, so stützt sich dieses Urteil auf die Prüfung der Verhältnisse in toto und mit bloßem Auge. Schnitte zeigen, daß auch die Rückenhöcker der Geckonen — von den Bauchschuppen ganz zu schweigen — bilateral ausgebildet sind, eine Anschauung, die wir noch genauer begründen werden. Die Epidermis erwies sich nach der Behandlung mit Kali- lauge aus schönen polygonalen Zellen zusammengesetzt, so daß Ker- BERT den nun immer mehr vertretenen Standpunkt einnimmt, echte Cuticularbildungen fehlten den Reptilien; er betrachtet auch das zier- liche Maschenwerk, das Cartier als dritte Form der bei Geckoniden vorhandenen Cuticularbildungen bezeichnet, als hervorgebracht durch Zellen, deren Ränder stark nach oben umgekrümmt sind. Leider hat Kerbert für die äußerste Zelllage der Epidermis den unzweckmäßigen, weil nämlich vergleichend-anatomisch ungerechtfertigten (s. u. Braun, auch Maurer 1895), Namen Epitrichialschicht eingeführt. Diese Bezeichnung erscheint außerdem bei dem Autor selbst widerspruchsvoll, indem sie auf erwachsene Formen angewandt, aber in der Definition selbst als eine embryonale Schicht bezeichnet wird. In den verhornten Zellen unter der Epitrichialschicht sah unser Forscher feinere oder gröbere Körnchen, die für andre Formen schon früher beschrieben wm-den (E. Blanchard, Leydig) ; soweit sich dieser Fund heute deuten läßt, handelt es sich um Keratohyalin. Riffzellen, d.h. Inter- cellularbrücken, sah Kerbert in der Epidermis von Reptilien nicht. Die Cutis von PkUydactylus, besteht nach ihm aus derben horizontalen Lagen, der Grundmasse^ die überall senkrecht von Strängen lockeren Bindegewebes durchzogen wird, welche die Verbindung zwischen der oberen und unteren Grenzschicht darstellen. Nahe der Epidermis sah Kerbert im Bindegewebe größere und kleinere Maschen, von bläschenförmigen Gebilden gefüllt, die dann und wann einen gelben Anflug zeigten. Es handelt sich, wie man sieht, um die »Bläs- chenzellen« Cartiers und Leydigs (s. o.). Die großen, zwischen Cutis und Muskulatur gelegenen maschenartigen Räume, über deren Deutung (Lymph räume?) Kerbert sich nicht endgültig ausspricht, dürften nach meinen Erfahrungen nichts andres als subkutanes Fett sein. Braun (1877) untersuchte die Embryonalentwicklung der Studien am Integument der Reptilien. I. 149 Guticularhaare auf den Haftlappen bei Platydactylus facetanus ( = Tarentola mauritanica) und kommt zum Ergebnis, daß sie bei ihrem ersten Auftreten ebenso wie bei den späteren Häutungen im Innern der Epidermis entstehen; die Oberfläche der embryonalen Epidermis (das wäre höchstens dem Epitrichium der Säuger ver- gleichbar), besitzt demnach keine Haftborsten, sondern diese erscheinen zum ersten Male nach einer Häutung, die entweder kurz vor oder nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei sich vollzieht. Physiologisch be- trachtet Braun die Cuticularhaare als Häutungshärchen, d. h. sie sollen zur mechanischen Trennung der Schichten beitragen, wenn sie sie nicht allein veranlassen. Die Entwicklung der Haftlappen im ganzen stellt sich als eine modifizierte Schuppenentwicklung dar. Eine eingehende Darstellung des Integuments von Ascalabotes mauritanicus ( = Tarentola maur.) hat uns Todaro (1878) unter vielem andern Trefflichen in seinem ausgezeichneten Werk über den feineren Bau der Reptilienhaut geliefert. Dieser Autor unterscheidet an der Epidermis im Ruhezustand (»epoca lontana da quella della muda« oder »stato ordinario« folgende Schichten, die ich einer klareren und kürzeren Schilderung wegen in Textfig. A (in Anlehnung an Todaros Abbildung 3 von Ascalabotes) schematisiert wiedergebe: I. Stratum Malpighii: 1) innere Schicht aus einer einfachen Reihe cyhndrischer Zellen (*'), die sich mit mehr oder minder gezähnten unteren Enden dem Corium einpflanzen (eine für die Verbindung von Epidermis und Cutis wichtige Beobachtung!). 2) äußere Schicht aus mehreren Lagen abgeplatteter Zellen (a); die Zellen der inneren Schicht (wie auch diejenigen des zur Häutungszeit entwickelten Stratum lucidum) sind gezähnt (Intercellularbrücken !). IL Stratum corneum: 1) innere lockere Schicht {l), die bei Behandlung mit V2%ig6i? Chromsäure leicht in Lamellen zerfällt, in denen hier und da noch Kernreste sich vorfinden; 2) äußere kompakte Schicht (7c); 3) Oberhäutchen (»Pellicola epidermica«). Das Oberhäutchen besteht nach Todaro wiederum aus zwei einschichtigen Zell- lagen einer inneren, aus platten polygonalen Zellen, die bei Behandlung mit Schwefelsäure oder Kalilauge deutlich wird, und einer äußeren, ebenfalls aus polygonalen Zellen, die die »Skulpturen« {h) trägt. 150 W. J. Schmidt, Von späteren Forschern (Ficalbi) ist die innere Schicht des Ober- häutchens als selbständige Lage wieder eingezogen worden, da es sich um die obersten Zelllagen der Hornschicht handle, eine Anschauung, der ich nur beipflichten kann (W. J. Schmidt 1910, S. 671). Eine Anhäufung dieser Zellen längs der großen Achse einer Schuppe hebt die Skulpturenschicht in die Höhe und erzeugt die schwach ausge- prägten Kiele auf den Kopfschuppen von Ascaldbotes. Die »Skulpturen«, die Cuticularbil- dungen der früheren Autoren, be- stehen bei Ascaldbotes aus kurzen und starren Härchen (bei Hemi- dactylus triedrus aus sehr feinen, Textfig. A und B. Epidermis von Tarcntola mauritanica nacli Todaro, aber schematisiert: A im Euliezustande, Bin der Periode des Wachstums, ä. »Cuticularhaare«; o. Pelhcula epidermica; k. liompakte; l. loclcere Hornscliicht; a. äußere, i. innere Lage der MALPiGHisclien Schicht; gr. Strato granulöse; lu. Strato lucido; gl. Strato glanduläre. Die Pfeile zeigen die Stelle, an welcher die Ablösung der alten Epider- misgeneration erfolgt. langen und weichen), welche auf den Haftlappen zu großen, langen und starren Borsten werden, die in polygonalen Gruppen stehen, entsprechend den Zellen, auf denen sie sich erheben (hier bilden die Zellen durch Verschmelzung eine homogene Lage). Die Här- chen fehlen größtenteils auf der Unterseite der Bauchschuppen, da sie in einiger Entfernung vom freien Rand verschwinden. Die langen Borsten auf den Deckeln der Sinnesorgane betrachtet Todaro als die verhornten, sehr langgestreckten Sinneszellen der vorigen Epi- dermisgeneration. Nach Todaro existieren bei Reptilien keine echten Cuticularbildungen: die zellige Natur des Oberhäutchens ist (für beide Schichten) erwiesen und die Härchen entstehen durch eine Zerklüftung des Zellplasmas (»nascono dalla divisione del proto- plasma«) und sind demnach keine Cuticularbildungen. Bei der Häutung unterscheidet Todaro drei Perioden. Die erste ist die Periode des Wachstums (s. Textfig. B, in Anlehnung Studien am Integjiment der Reptilien. I. 151 an ToDAROs Abbildung 22, schematisiert): die oberflächlichen Zellen der MALPiGHischen Schicht verhornen und schließen sich der lockeren Hornschicht an. Darunter gelegene, neugebildete Zellen differenzieren sich in drei Lagen: eine obere in Form einer einfachen Keihe niedriger, aber nicht abgeplatteter Zellen »strato granuloso« (gr) mit dunkeln zerstreuten Körnchen (sie vertieft sich am freien Schuppenrand, um die Sinnesorgane zu umgeben, fehlt in der Epidermis der Haftlappen), eine mittlere wandloser Zellen mit glasartig durchsichtigem Plasma »Strato lucido« (nur auf der Oberseite der Schuppen vorhanden!) (lu) und eine untere großer rundlicher Zellen mit dünner Wand, zähem oder schleimigem Inhalt und großen blassen Granulationen wie Eiweiß- körner »Strato glanduläre (gl). Die letzten Zellen liegen in Gruppen, die Todaro »otricoli giandulari« Drüsenschläuche nennt. Keiner der späteren Untersucher hat (bei irgendeinem Reptil) eine ähnlich weit- gehende Differenzierung von Schichten gefunden und die Art, in der Todaro (S. 1106 — 1107) diese Schichten entstehen läßt, muß uns mit einigem Mißtrauen erfüllen; zum wenigsten passen seine Vorstellungen in unsre heutigen schlecht mehr hinein. Über die Entstehung der Schicht (gr) äußert Todaro nur, daß sie als erste auftrete. Die Schichten lu und gl dagegen sollen aus einer protoplasmatischen Schicht hervorgehen, die durch Verschmelzung der vom Stratum Malpighii neugebildeten Zellen zustande kommt. Zuerst sollen die »cellule glanduläre« auftreten und zwar derart, daß in der protoplasmatischen Masse hier und da durch freie Bildung ( »forma- zione libera«) kleine runde Kerne auftreten, die sich vergrößern, oval werden und einen oder zwei Nucleolen umschließen. Todaro ist nun der Meinung, daß diese Kerne selbst durch Wachstum zu den »otricoli giandulari« werden. In der übrig gebliebenen protoplasmatischen Masse sollen nun weiterhin Kerne erscheinen, in deren Umgebung das Protoplasma durchsichtiger wird und sich abgrenzt. So sollen die Zellen des »strato lucido« heranwachsen. Es ist schwer den Wahr- heitsgehalt aus dieser Beobachtung und Deutung Todaros heraus- zuschälen; sicher dürfte nur sein, daß auf einem gewissen Stadium in seinen Präparaten Zellgrenzen und Kerne in der neugebildeten Lage der MALPiGHischen Schicht nur schwer festzustellen waren; die Art der Entstehung dieser Zellen dagegen müssen wir ablehnen. Viel- leicht auch hat sich Todaro durch geringfügige Unterschiede ver- leiten lassen (s. S. 209 cellule glanduläre bei Phelsuma) mehr Schichten zu unterscheiden, als zweckmäßig war; das zeigt sich bei einem Ver- gleich der Häutungsvorgänge bei Maurer (1895) und Todaro sehr 152 W. J. Schmidt, augenscheinlich. — In der zweiten Periode der Häutung degenerieren die Zellen des »strato glanduläre« wahrscheinlich schleimig unter schwärzlicher Granulierung des Protoplasmas; dadurch hebt sich die alte Epidermis auf der Oberseite der Schuppen ab. Nun setzt die Bil- dung der neuen Epidermis ein. Die Entstehung des Oberhäutchens hat ToDAKO beim Gecko nicht weiter untersucht; was er von andern Formen darüber berichtet ist sonderbar genug (S. 1119), mag aber an dieser Stelle übergangen werden. In der dritten Periode vollzieht sich die Lösung der Epidermis auch auf der Unterseite der Schuppen und in den Bäumen zwischen den Schuppen, und zwar durch Wuche- rung und nachheriges Schrumpfen des strato lucido (beim Gecko nicht genauer beschrieben). — In der Cutis von Ascalabotes unterscheidet Todaro eine obere pigmentreiche Lage und eine untere aus Binde- gewebsbündeln. Außer den großen Chromatophoren der Cutis finden sich kleinere im Stratum Malpighii. Zwischen der faserigen und pigmentierten Lage findet unser Autor in der Cutis des Abdomens eine mittlere Lage, ein lockeres weiches Geflecht von Bindegewebe, in dessen Maschen sich große runde oder ovale Zellen, unsere »Bläschenzellen«, finden, entweder vereinzelt oder zu Gruppen von zwei bis vier vereint. Sie haben den Charakter embryonaler Zellen, keine Membran, ein homogenes Protoplasma vom Glanz mattierten Glases, gewöhnlich einen Kern, manchmal Vacuolen mit oder ohne Einschlüsse. In der faserigen Schicht der Cutis liegen die Knochenplättchen, von oben gesehen viereckig, im Profil oval. In der Cutis des Kopfes sind sie größer und liegen näher beieinander. Sie zeigen einen centralen Kern aus einer körnigen Grundsubstanz, der kleine Knochenzellen enthält. In ihm endigen Binde gewebsbüschel, die strahlig an- geordnet die Schuppentasche durchsetzen und den peripheren Teil der Knochenschuppe bilden, in der sie den SHARPEYschen Fasern im Säugerknochen analog betrachtet werden können. Das Unterhaut- bindegewebe bildet eine sehr dünne Schicht, die von Spalten, viel- leicht Lymphräumen durchsetzt ist. Außer diesen Räumen finden sich zahlreich große und kleine Bläschen, die auf den ersten Blick Fettzellen zu sein scheinen, sich aber weder mit Pikrocarmin noch m frischem Zustand mit Osmiumsäure färbten. Sie erscheinen homogen, blaß oder in einem verschossenen Weiß und sind ohne Kern; die größten enthalten drei oder vier kleinere. In den oberen Teilen der subkutanen Schicht verlaufen die großen Blutgefäße und Nerven. Die Cutis nimmt mit allen ihren Schichten an der Bildung der Schuppen teil, welche sich nach außen falten und riesige Papillen bilden, die von der Studien am Integument der Reptilien. I. 153 Epidermis bedeckt sind. — Eine eingehende Untersuchung hat Todaro schheßlich den Sinnesorganen der Haut gewidmet. Um eine Er- läuterung dieser verwickelten Verhältnisse möglich zu machen, gebe ich die Fig. 53 und 54 von Todaro kombiniert und schematisiert in Textfig. C wieder; sie stellen ein Sinnesorgan zur Zeit des Epidermis- wachstums dar. Da die erwähnten Figuren Todaros nur eine sehr dürftige Beschriftung zeigen, ist es nicht ausgeschlossen, daß ich trotz sorgfältigster Hinzuziehung des Textes in einigen ___^ Einzelheiten den Intentio- ^ nen des Autors nicht voll- kommen gerecht geworden bin; indessen dürfte die Textfig. C in den wesent- hchen Zügen Todaros An- schauung wiederspiegeln. Die becherförmigen Organe bestehen ausschließlich aus epithelialen Elementen, durchsetzen die ganze Dicke der Epidermis, be- rühren mit dem Grund die Oberfläche der Cutis und reichen mit dem andern Ende bis zur Außenseite der Haut, wo sie von einem Deckel verschlossen wer- den, der aus der sehr ver- dünnten kompakten Horn- schicht und der darüber gelegenen Pellicola epidermica besteht; (in der Zeichnung 53 von Todaro verschließen auch noch tiefere Zelllagen die Öffnung!). Die Organe der Kieferschilder erheben sich auf einer Cutispapille, die die Epidermis vor- treibt, am übrigen Körper bildet umgekehrt die Cutis eine concave Grube, die den unteren convexen Teil des Sinnesorganes aufnimmt. An dem Organ lassen sich der Körper und der von einem Deckel (D) vor- schlossene Kanal (K) unterscheiden. Die Länge des Kanals variiert, ist fern von der Häutung gering, nimmt dagegen zur Zeit des Wachs- tums der Epidermis bedeutend zu, indem die Zellen sich in die Länge strecken, wie überhaupt das ganze Organ seine volle Ausbildung nur Textfig. C. Hautsinnesoi'gan von Tarenfola maurüanica nach Todaro, schematisiert, h, Cuticularhaare; o, Pellicola epidermica; l; kompakte, /, lockere Hornschicht; gr, Strato granulöse; hl, Strato lucido ; gl, Strato glanduläre ; a, äußere, i, innere Lage der MALPiGHischen Schiclit; D, Deckel mit Borste (B) des Sinnesorganes; K, Kanal; Kw, Wandzellen des Kanals; R, Ring verhornter Zellen, der Kanal und Körper des Or- ganes trennt; Sz, birnförmige Sinneszellen, die mit ihren Fortsätzen in den Kanal hineinragen; /, indifferent geblie- bene Zellen des Körpers des Sinnesorganes. 154 ^^- J- Schmidt, in dieser Epoche erreicht. Die Wand des Kanals erhebt sich auf einem 'RmSe;p.), nahe unter dem Epithel, das sie mit ihren Ausläufern fast erreichen. Die oberen Melanophoren (M.o.) dagegen finden sich an der äußeren Grenze des straffen Coriums (K.o). Nur selten entsenden die centralen Zellen ihre Ausläufer gegen das Epithel hin, während die kleineren, eine jede Höckerschuppe einsäumenden Zellen gewöhnlich mehr an das Epithel reichen. Die unteren Melanophoren {M. u.) endlich fassen die untere Grenze des straffen Coriums ein. Hier sei nicht übergangen, daß außer den Melanophoren der Cutis auch sehr vereinzelte Chromatophoren in der EpiderAis sich vorfinden, Zellen mit kleinem Körper und wenigen, schwach ver- ästelten Ausläufern. Ihr Gehalt an Pigmentkörnchen ist gering. Bei ihrer Kleinheit und ihrem spärlichen Vorkommen sind sie für das 12* 180 W. J. Schmidt, Farbenkleid ohne Bedeutung und wir werden sie weiterhin nicht mehr erwähnen^. Melanophoren. Vom Bau der Melanophoren ist folgendes mitteilenswert. Die größeren Chromatophoren, welche die Mitte eines jeden Höckers ein- nehmen, durchlcreuzen sich mit ihren Ausläufern, ohne aber mit- einander zu verschmelzen. Diese oberen Melanophoren (Taf, IX, Fig. 18) sind parallel zur Oberfläche der Haut stark abgeplattet und entsenden die Mehrzahl ihrer Ausläufer in dieser Ebene. Die Äste gehen in mehreren dicken Büscheln vom Zellkörper ab, die sich weiter imter geringer Divergenz verschiedentlich gabeln. Das Melanophoren- pigment erscheint in dünner Lage hellbraun, in dickerer dunkelbraun bis schwarz. Die Körnchen sind von ziemlich gleicher Größe, nicht kugelrund, sondern leicht unregelmäßig geformt, was vielleicht auf Rechnuno; der Konservieruno zu setzen ist. Die Piementver teil uns; ist meist derart, daß die Ausläufer pigmenterfüllt, der Körper der Zelle pig- mentleer ist. Indessen bekommt man auch andre Zustände zu Gesicht, so daß z. B. die Mitte sehr dunkel, die Ausläufer kurz und hellbraun er- scheinen. Oft aber macht sich in der Mitte der Zelle eine mehr oder minder große centrale Auf h el hing bemerkbar, die nach Analogie andrer Fälle als Ort der Attraktionssphäre aufzufassen ist. Auf Schnitten konnte ich nichts über Sphären- und Kernverhältnisse bei diesen Melanophoren erkennen. Die unteren Melanophoren (Taf. IX, Fig. 19) haben eine viel hellere Farbe als die oberen, was mit ihrem geringeren Gehalt an Pig- mentkörnchen zusammenhängt. Wie diese sind sie parallel zur Fläche der Haut stark abgeplattet. Die Pigmentkörnchen sind auch hier nicht vollkommen rund, von nur wenig variierender Größe und nehmen fast durchweg die unregelmäßig gekrümmten Ausläufer ein, so daß im centralen Teil der Zelle eine große helle Stelle bestellt. In dieser Auflichtung hat etwas excentrisch der schwach färbbare, runde, nicht gelappte Kern seinen Platz. Von einer Sphäre war nichts zu beob- achten; höchstens kann das Vorhandensein radiärer Bahnen von Pig- mentkörnchen, die von der Mitte der Zelle zur Basis der Fortsätze ziehen, als ein Hinweis auf ihre Gegenwart betrachtet werden. Porphyr ophoren. W Weit besseren Einblick in den feineren Bau gestatten die Porphy- rophoren. Keller (1895) fand beim Chamaeleon neben den be- 1 Unler Umständen können durch die Strukturen des Oberliäutchens Farben entstehen; darüber soll in einer späteren Mitteilung berichtet werden. Studien am Integuincnt der Reptilien. I. 181 kannten braiinkörnigen Chromatophoren stellenweise noch andre von derselben Form, aber meist geringerer Gröi3e mit purpmTotem Inhalt, seine Erythrophoren. Sie kommen hier nur an den Lateralflecken in größerer Zahl vor und, wie es schien, nicht einmal bei allen Indivi- duen. Ihre Verzweigung war den Melanophoren ähnlich, deren Form an die PuRKiNJEschen Zellen des Kleinhirns erinnert. Keller be- obachtete Übergänge zwischen Melano- und Erythrophoren, Zellen, in denen außer braunen Pigmentkörnchen wenig Rot vor- handen ist, und solche, die stärker rot und mit spärlichen, braunen Körnchen bedacht sind. Das rote Pigment besteht nach diesem Autor aus Körnchen, ganz ähnlich denen der Melanophoren. Die Erythro- phoren überstehen die Behandlung mit Salzsäure (zum Lösen der Guanophoren) ebenso gut wie die Melanophoren. Ich habe schon anderswo einige Mitteilungen über die Porphyro- phoren von Phelsuma gemacht (Schmidt 1911), die ich hier an den betreffenden Stellen einschalten werde. Wie schon oben erwähnt, tritt die Farbe der Porphyrophoren an den meisten Stellen nur deutlich nach Entfernung der Guanophoren hervor; stark mit diesen untermengt, sehen sie bei durchfallendem Licht schwärzlich aus. Aber auch einfach aufgehellte Hautstücke lassen an den vereinzelten, in den Zwischenfurchen der Tuberkel zer- streuten Porphyrophoren erkennen, daß die Purpurfarbe nicht etwa einer Veränderung zuzuschreiben ist, die zum Entfernen der Guano- phoren verwandte Chemikalien hervorgerufen haben: auch hier er- scheinen sie rotblau. Daß überhaupt die Purpurfarbe die natür- liche ist, kann daraus erschlossen werden, daß sie in gleicher Weise in Formol und Alkoholmaterial erhalten ist. Ferner könnte sie, wenn Kunstprodukt, doch wohl nur aus Melanin hervorgegangen sein, dann aber wäre nicht einzusehen, warum nicht alle Melanophoren die gleiche Veränderung unter den gleichen Konservierungsbedingungen durch- gemacht hätten. Schließlich zeigen die Porphyrophoren eine solche Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedenen Reagenzien, daß nicht anzunehmen ist, die bei der Fixation verwandten Flüssigkeiten, Alkohol und Formol, könnten von nennenswertem Einfluß auf das Purpurpigment sein. Ich betrachte demnach die Purpurfarbe dieser Chromatophoren als im Leben vorhanden, was ja auch mit Voeltzkows und Kreppts Schilderung der Färbung des lebenden Tieres (rote Flecken!) in Ein- klang zu bringen ist, — Im Mittel erscheint die Farbe der Porphyro- phoren rotblau, in dünneren Schichten gesehen geht sie mehr ins Rote, in dickeren dagegen mehr ins Violette hinein, das sich an umfang- 182 W. J. Schmidt, reichen Zellen zu einem prachtvoll dunklen Violett steigert (Fig. 20, 21, 22, Taf. IX). Untersucht man die Zellen mit starken Vergrößerungen, so ergibt sich, daß die Farbe an Körnchen gebunden ist, deren Größe bedeu- tenden Schwankungen unterliegt (s. Fig. 21, Taf. IX) : vereinzelt finden sich solche, die einen Durchmesser von 2,5 f-i aufweisen, eine enorme Ausdehnung, wenn man bedenkt, daß der Durchmesser des Zellleibes (ohne Ausläufer) etwa 15 — 20 {.i beträgt. Allerdings halte ich nicht für ausgeschlossen, daß es sich um Verklumpungsgebilde kleinerer Körn- chen handelt. Für gewöhnlich sind die Körnchen viel kleiner, als diejenigen der Melanophoren, nicht genau kugelig, sondern unregel- mäßig geformt. Im Inneren der Zelle lassen die Körnchen oft eine helle Stelle frei (Fig. 21, Taf. IX), die uns später noch beschäftigen soll. Schon Keller hatte der Ansicht Kaum gegeben, das Pigment der Porphyrophoren sei dem Melanin verwandt. Eine Reihe von Lös- lichkeitsproben, die ich machte, bestätigen diese Meinung vollkommen. Sie wurden derart angestellt, daß kleine Hautstücke in die betref- fenden Reagenzien übertragen und darin gewöhnlich 12 Stunden belassen wurden. Während dieser Zeit wurden sie unter dem Mikroskop mehr- fach geprüft und nach ihrem Ablauf zu Balsampräparaten verarbeitet. Ich habe die so erhaltenen Ergebnisse in Form einer Tabelle zusammengestellt (S. 183). In dieser ist auch schon das Verhalten der später zu besprechenden Guanophoren aufgenommen. Obwohl die gute Erhaltung der Purpurfarbe in Alkoholmaterial gegen ihre Lipochromnatur sprach, habe ich doch das Pigment der Porphyi'ophoren auf seine Löslichkeit in Alkohol und zwar beim Er- wärmen in absolutem Alkohol (Nr. 7 der Tabelle), weiterhin auf sein Verhalten gegenüber Äther (Nr. 8) und Chloroform (Nr. 9) geprüft. Das Resultat war durchaus negativ; Alkohol, Äther, Chloroform ver- mögen nicht den Purpurfarbstoff aufzulösen oder auszuziehen und damit ist die Möglichkeit, es handle sich um Lipochrom, ausgeschlossen. Dagegen zeigt die Tabelle, daß die Porphyrophoren gegenüber Salzsäure (Nr. 2), Schwefelsäure (Nr. 3) und Chlor (Nr. 1) sich ebenso verhalten wie die Melanophoren: Chlor bleicht sowohl Melanophoren wie Porphyrophoren, während diese beiden Chromato- phorenarten gegen Salzsäure und Schwefelsäure eine erstaunliche Wider- standskraft besitzen (die Säuren wurden angewandt mit dem gleichen Volum dest. Wassers verdünnt). Bei Salpetersäurebehandlung da- gegen (Nr. 4) zeigen Melanophoren und Porphyrophoren etwas ver- schiedene Reaktion: innerhalb 12 Stunden blieben die Melanophoren Studien am Integunient der Reptilien. I. 183 in der Kälte in 1 Volum Salpeter- täure + 1 Volum dest. Wasser unver- ändert; die Porphyrophoren dagegen verfärbten sich zunächst in Rotgelb und wurden dann durch Ausziehen des Farbstoffes ganz unsichtbar. Beim Erwärmen dagegen verschwanden auch die Melanophoren. Die verschiedene Einwirkung der Salpetersäure auf Melanophoren und Porphyrophoren ist daher mehr graduell als wesentlich. Gegenüber Alkalien, Kalilauge (Nr. 5) und Ammoniak (Nr. 6), weisen Melanophoren und Porphyrophoren ein abweichendes Verhalten auf. Die Melanophoren bleiben in verdünnter Kalilauge und Ammoniakwasser un- verändert; die Porphyrophoren aber werden durch Kalilauge zunächst in Rot verfärbt, um dann ganz zu ver- schwinden; weniger einschneidend ist die Wirkung von Ammoniak, das nur eine Verfärbung in Orange erzielt. Während Wasserstoffsuperoxyd nach mehrtägiger Einwirkung die Melanophoren hellbräunlich bleicht, bleiben die Porphyrophoren unver- ändert. In den angeführten Reaktionen verhält sich der Purpurfarbstoff dem Melanin ähnlich und dürfte damit auch ähnlicher chemischer Natur sein. Daß der Purpurfarbstoff nichts mit den Guanophorenfarben zu tun hat, geht, abgesehen von dem in der Tabelle ersichtlichen, ganz abweichen- den chemischen Verhalten dieser Zellen auch aus ihrer morphologisch verschie- denen Natur hervor (s. u.). EinenÜbergang vonPorphyro- phoren in Melanophoren, wie -«-3 a> 03 03 CO ^ö -o -TS '^ M a. a a 'i- '2 =2 ü 03 >• a 03 a -u -e ■e »H O a a -M -M ^j •^ !^ ffi » 03 03 "7^ -ö -ö O ö _a _a r> , 1- K *fc< 'ü O) 03 03 ö > > a a a d ^ t4 &c 03 W O) a bc a c3 -u -iJ CO^. _a % J i2 K » ^ O a * "^ a 03 _a H-i bc -t^ "ä" 03 bc a .9 ,0 S a c3 %•» K TS _a 'Ö t; CS 'S ^ cS ;q "a "^ ^ bc >o O S o 02 03 0 03 s a > _a > 03 _^ "a~ 03 Sh bc a ä -Q «) a c3 !-< ^ o _a Ä TS -a CS "TS " ^2 ^ > a £ > O S TS a 'S ^ ?c ^j -i-i <ü 03 -M -ö TS -M -u _a _a -— 02 a ® m fl a 1— 1 bc ^j -bi r2 03 -4^ -«-^ (M 3 ä _a a > a 03 a a 03 HH bc 1 o a a o p a 2 o 2 03 a >- 03 o a ^ g a o a ^ a 184 W. J. Schmidt, Keller bei Chamaeleo ihn schildert (s. o.) habe ich bei Phelsuma nicht feststellen können ; ich habe in einer Zelle immer nur rote oder nur braune Pigmentkörnchen gefunden. Daß aber die Porphyrophoren den Melano- phoren gleichwertig sind, geht daraus hervor, daß bei Phelsuma laticauda die Zellen mit purpurnen Pigmentkörnchen durch solche mit hellbräun- lichen ersetzt sind; wir kommen später (s. S. 205) nochmals auf diese Tat- sache zurück. Auch sah ich bei Phelsuma madagascariense vereinzelte Zellen, die nach Größe, Verzweigungsart und Lage den Porphyro- phoren gleichwertig erschienen, aber von hellbräunlicher Farbe waren. Nachdem wir nunmehr die Porphyrophoren als Abart der Me- lanophoren sicher gestellt haben, gehen wir zur Betrachtung ihres Baues über. Der kugelige oder ellipsoidale Zellleib {P, Fig. 36, Taf. X) entsendet nur nach einer Seite, gegen das Epithel hin, Aus- läufer in beschränkter Zahl. Diese sind von ziemlich gleichbleibender Dicke und ziehen senkrecht oder zunächst seitlich ausladend, dann in die Höhe steigend gegen die Epidermis. Betrachtet man die Zellen im Flächenbild (Fig. 20, 21, Taf. IX), so erscheinen die Ausläufer im Vergleich zum Schnittbild durch die Verkürzung in der Aufsicht kleiner. Noch mehr als am Totalpräparat macht sich an Schnitten (P, Fig. 36, Taf. X und Fig. 23 u. 24, Taf. IX) die auffällig geringe Zahl der Pigmentkörnchen gegenüber den Melanophoren geltend. Wenn daher manchmal schon die Ausläufer schwer zu verfolgen sind, so zeigt der centrale Teil der Zelle oft eine solche Leere von Pigment- körnchen, daß man sich des Zusammenhanges dieses durchscheinenden Zellleibes mit den pigmentierten Fortsätzen vergewissern muß, um in diesen hellen Blasen (Fig. 23&, Taf. IX) überhaupt Porphyrophoren zu erkennen: manchmal sind nur ganz vereinzelte Pigmentkörnchen im centralen Teil der Zelle zurückgeblieben. Diese Pigmentarmut, verbunden mit der oft vorhandenen Anhäufung der Körnchen in den Ausläufern, gewährt eine Einsicht in die Struktur des centralen Teiles der Porphyrophoren, in die Kern- und Sphärenverhältnisse, die bei den Melanophoren durch das massenhafte, dunkle Pigment dem Auge des Beobachters entzogen bleiben oder nur durch Bleichen des Pigments kenntlich w^erden. Das Verhalten der Porphyrophoren von Phelsuma lineatum wird schon an dieser Stelle mit berücksichtigt. Das Cytoplasma der Porphyrophoren erscheint außerordent- lich hell, durchsichtig, ungekörnt und nimmt keine Farbstoffe an. (Taf. IX, Fig. 23 Phels. mad. ; Fig. 24, Phels. lineatum). Daraus darf man wohl den Schluß ziehen, daß es im Leben dünnflüssig und leicht beweglich ist. Der Kern liegt uewöhnlich dem Boden der Zelle an- Studien am Integunicnt der Reptilien. I. 185 genähert. Bei Phels. lineatum (Fig. 24a, b) ist er im Schnitt länglich ; der Vergleich verschiedener optischer Ebenen belehrt aber, daß er räumlich nicht etwa spindel-, sondern scheibenförmig ist. In den mehr kugeligen, stärker gewölbten Porphyrophoren von Phelsuma madagascariense (Fig. 23b) schmiegt sich der Kern der Rundung an und bietet sich auf dem Schnitt oft in Sichelform dar, was räumlich einem napfartigen Gebilde entspricht. Indessen finden sich auch Kerne, die auf der oberen, dem Epithel zugekehrten Seite nicht so stark ein- gedellt sind. Eisenhämatoxyhnfärbung bringt an den Kernen eine deutliche Membran zum Vorschein; das Kerninnere dagegen färbt sich größtenteils schwach, indem gewöhnlich nur der kleine kugelige Nu- cleolus (Fig. 23a, 246), selten (Fig. 23b) kleine Chromatinkörnchen zum Vorschein kommen. Oft sind die Kerne stark gefaltet und ge- lappt. Zustände, die im Extrem zu einer Durchschnürung des Kernes und damit zu zweikernigen Zellen führen, die ich in größerer Zahl beobachtete (Schmidt 1911). Außer dem Kern macht sich in den Porphyrophoren die »At- traktionssphäre« bemerkbar. Bekanntlich wurde sie zuerst von Solger (1889) in den Melanophoren des Hechtes als helle, centrale Stelle entdeckt; Zimmermannn (1893) untersuchte sie genauer in den Chromatophoren verschiedener Knochenfische. Bei Eidechsen ist sie nur von Keller (1895) bei Chamaeleon und Calotes, von mir (Schmidt 1911) bei Geckolepis nachgewiesen. In der Mitte des Körpers der großen Melanophoren des Chamaeleons, gegenüber der Aushöhlung des Kernes, sah Keller oft eine kleine pigmentfreie Stelle. Schnitte eines wochenlang mit Eau de Javelle vorbehandelten Hautstückes, nach Biondi-Heidenhain mit saurer Nachbehandlung (DRÜNERsche Modifikation) gefärbt, zeigten eine dunklere Stelle mit einem stärker lichtbrechenden und stärker färbbaren Korn in der Mitte. Keller läßt unentschieden, ob dieses Korn bei seiner beträcht- lichen Ausdehnung dem Centrosom entspricht. An einigen Schnitten waren radienartig verlaufende Fasern um das Korn zu beob- achten. Außerdem ließ sich bisweilen — bei unvollständiger Bleichung des schwarzen Pigmentes — eine strahlige Anordnung der Körnchen mit Convergenz auf die Mitte der Attraktionssphäre nachweisen. In den Ausläufern der Zelle fanden sich die Körnchen zu mehr oder weniger parallelen Zügen gereiht. Die Ausläufer selbst zeigen nach Keller eine feine Längsstreifung, wenn sie von Pigment entleert sind. Ich konnte die Sphäre bei GecJcolepis (Schmidt 1911) in den platten sonnen- förmigen Melanophoren der subepidermoidalen Schicht im Totalpräparat 186 W. J. Schmidt, als hellen centralen Punkt nachweisen, der oft dadurch besonders kenntlich wird, daß er von einem dichten Pigmentring umgeben ist. Außer dieser circulären Anordnung des Pigments besteht eine radiäre, indem in manchen Zellen Stränge dichter angeordneter Pigment- körnchen von der Sphäre zur Basis der Ausläufer sich verfolgen lassen: die Bahnen, auf denen das Pigment wandert. Auch an den Melano- phoren des straffen Coriums von Geckolepis waren die Sphären in ähnlicher Weise kenntlich. Am geeignetsten für die Untersuchung der »Attraktionssphäre« erwiesen sich die Porphyrophoren von Phelsuma madagascariense (Fig. 23a, b, Ta f .IX) schon deshalb, weil sie größer sind als diejenigen von PJiels. lineatum. Die »Attraktionssphäre« liegt nicht ganz in der Mitte des Zellkörpers, sondern mehr seiner oberen, dem Epithel zugekehrten Seite genähert. Sie stellt ein kugeliges oder ellipsoidales Gebilde dar, dessen Durchmesser 5 {.i erreichen kann. Die Abgrenzung dieser Kugel gegen die Umgebung ist verschieden scharf ; bald erscheint die Kugel wie von einer feinen Membran umschlossen mit ganz glatt- randigem Kontur (Fig. 23b), bald dagegen ist ihre Umrandung weniger ausgeprägt und sie hebt sich nur durch ihre Färbung von dem be- nachbarten Cytoplasma ab. Der Inhalt der Kugel erscheint voll- kommen homogen und färbt sich nur wenig mit Eisenhämatoxylin. Ver- gleichen wir diese Kugel mit dem, was sonst an cellulären Centren bekannt ist, so müssen wir ihm einen Platz in der Nähe jener großen Sphären anweisen, die an den Polen der Furchungsspindel zahlreicher Eier beschrieben sind. Die Attraktionssphäre hat unzweifelhaft den Wert eines BovERischen Centrosomas, das nach Heidenhain (1907), dessen Auffassung ich mich anschließe, als eine vom Centriol abhängige Differenzierung des Cy toplas mas, eine periplastische Zone erster Ordnung zu betrachten ist. '^ An einigen Zellen habe ich das Centriol selbst nach Eisenhämatoxylinfärbung als dunkles winziges Körnchen mitten in dem Centrosoma beobachten können. Die Sicherheit dieser Beobachtung leidet sehr darunter, daß auch Pigmentkörnchen in das Centrum einzudringen vermögen. Da nämlich die Größe von Centriolen und Pigmentkörnchen ziemlich übereinstimmt und vor allem auch die Pigmentkörnchen das Eisenhämatoxylin speichern und daher nicht in ihrer natürlichen Purpurfarbe, sondern wie das Centriol schwärzlich erscheinen, so war ich in vielen Fällen ungewiß, ob das Cen- triol oder ein Pigmentgranulum vorlag. Es bleiben aber nach Abzug dieser unsicheren Fälle noch eine Anzahl andrer, bei denen ein be- rechtigter Zweifel an der Centriolnatur des beobachteten Gebildes Studien am Integument der Reptilien. I. 187 nicht bestehen kann. Diese Zellen sind nämlich in ihrem centralen Teil so außerordentlich leer an Pigment, daß es unglaublich erscheint, daß immer zufällig ein einziges Pigmentkörnchen inmitten der Sphäre zurückbleiben sollte. Dazu kommt noch, daß ich mit größerer Sicher- heit die Centriolen bei Phels. lineatum feststellen konnte (s. u.). Außer dem Centrosom( = Attraktionssphäre) lassen sich im weiteren Umkreis des Centriols noch Andeutungen periplastischer Zonen zweiter Ordnung erkennen. So sieht man in Fig. 23a (Taf. IX) einen schmalen dunklen Gürtel das Centrosom umschließen; in Fig. 23& ist ein viel ausgedehn- terer, aber weniger stark gefärbter und nach außen undeutlicher ab- gesetzter Hof vorhanden. Von der Oberfläche des Centrosoms aus, reicht in den Zellleib, die letztgenannten Zonen durchsetzend, eine feine radiäre Protoplasmastrahlung; in die Ausläufer hinein habe ich sie nicht verfolgen können. Ich halte diese Strahlung für homolog den auch sonst in Abhängigkeit vom Centriol auftretenden radiären Differenzierungen des Cytoplasmas und sehe darin nicht ein System von Skelettstäben in der Anschauung von Franz (vgl. hierüber Schmidt 1911). Eine durch diese Strahlung bestimmte radiäre Anordnung der Pigmentkörnchen habe ich nur selten und auch dann nur wenig ausgesprochen zu Gesicht bekommen. Hingegen fand ich ver- schiedentlich eine circuläre Anhäufung der Pigmentkörnchen (Schmidt 1911, Fig. 29, Taf. IX) um das Centrosom. Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse bei Phelsuma lineatum (Fig. 24a — d, Taf. IX). Hier ist es mir nie gelungen, das Centrosom mit der Deutlichkeit zu beobachten wie im vorstehenden geschildert ist; höchstens war eine stärker färbbare, aber nach außen schlecht ab- gesetzte, dichtere centrale Cytoplasmaansammlung sichtbar (Fig. 24(Z). Dagegen trat das hier auffällig große Centriol in zahlreichen Zellen deutlich hervor. Sein bedeutender Umfang gegenüber dem von Phels. madagascariense ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß die Differen- zierung der Färbung nicht so weit getrieben war wie dort. Das Centriol liegt als ein dunkel gefärbtes Korn annähernd in der Mitte der Zelle und erscheint von einem kleinen hellen Hof (Beugungshof) umschlossen. Hier ist eine Verwechslung mit Pigmentkörnchen wohl ausgeschlossen: Das gesamte Pigment dieser Zellen ist nämlich in der Peripherie des Zellleibes angeordnet, gleichsam als wenn es nach allen Seiten vom Cen- triol abgestoßen wäre. Die Bilder, welche Fig. 24 (Taf. IX) wiedergibt, kommen nun dadurch zustande, daß die Porphyrophore seitHch ange- schnitten ist und dadurch einen Einblick in den inneren, körnchen- freien Eaum gestattet, der das Centriol umschließt. Das Lagerver- 188 W. J. Schmidt, hältnis des kleinen Körperchens ist so charakteristisch und oft wieder- kehrend, daß seine Natur als Centriol nicht zu verkennen ist. Guanophoren. Unter dem Namen Guanophoren fasse ich die verschieden be- nannten Zellarten zusammen (Leucophoren; Ochrophoren; Iri- docyten; weißes, irisierendes und nicht irisierendes Pigment, cromatofori gialloverdi) die durch den Besitz von Guaninkalk ausgezeichnet sind. Die Einführung dieser neuen Sammelbezeichnung möge sich durch folgendes rechtfertigen. Iridocyten (Pouchet) be- zeichnet nur die irisierenden Zellen ; es gibt aber Guanophoren, die nicht in Spectralfarben erscheinen, sondern (bei durchfallendem und auffallen- dem Licht) in einem schmutzigen Braun weiß ; demnach ist dieses Terminus zu eng. Das gleiche gilt für Kellers Ausdrücke Leucophoren und Ochrophoren. Sie mögen speziell für das Chamaeleon, bei dem sie ge- schaffen wurden, ausreichen ; allgemein aber trifft dies nicht zu, da außer den im durchfallenden Licht gelb erscheinenden Guanophoren ( = Ochro- phoren) andre, rote, grüne und blaue vorkommen, denen dieser Name nicht angepaßt ist. Ferner liegt in der Bildung der Termini Leuco- phoren und Ochrophoren insofern eine gewisse Inkonsequenz, als die Benennung der Leucophoren von ihrer Farbe bei auffallendem, die der Ochrophoren von ihrer Farbe bei durchfallendem Licht hergenommen ist. Zudem stehen sich Leucophoren und Ochrophoren in bezug auf ihren Inhalt chemisch nahe. Leydigs Bezeichnung eines weißen Pigments ist deshalb zu verwerfen, weil die gefärbten Massen kein eigentliches Pigment sind. Aus all diesen Gründen schien mir eine alle Varianten der in Eede stehenden Zellen umfassende Bezeichnung wünschenswert. Zur Einführung in das Studium der Guanophoren mögen einige historische Angaben dienen. Verschiedentlich hat sich Leydig mit den uns interessierenden Gebilden abgegeben; ich fol2;e hier seinen zusammenfassenden Dar- Stellungen von 1876 und 1888. Leydig unterscheidet in der Haut der Amphibien und Eeptilien ein schwarzes Pigment, als Melanophoren können wir es heute kurz charakterisieren, ein gelbhches Pigment von fettiger Natur, also einen Lipochromfarbstoff, und einen von diesen wesentlich verschiedenes weißes Pigment. Dieses letzte besteht nach unserem Autor aus Körnchen, die nicht irisieren und in Netzform ausgebreitet sind. Was seine chemische Natur betrifft, so glaubt Leydig, daß es mit einer vierten Pigmentart, dem metallisch glänzenden oder irisierenden Pigment verwandt sei. Das iri- Studien am Integument der Reptilien. I. 189 sierende Pigment erscheint (bei Larven von Bombinator) unter stärkeren VergröiBerungen als Körnchen, die mitunter kristallinische Zuschärfung zeigen. Da nun diese Körnchen bei Fischen zu irisierenden Plättchen oder Flitterchen fortgebildet erscheinen, die Barreswil als Guanin erkannte, vermutete Leydig, daß auch das weiße Pigment aus einer Ablagerung harnsaurer Verbindungen bestehe. Diese Anschauung bestätigten später Krukenbergs chemische Untersuchungen: das weiße Pigment enthält Guanin. Bei den heimischen Schlangen ist da und dort das in Rede stehende Pigment nicht eigentlich körnig, sondern nimmt sich wie eine flüssig gewesene und jetzt erstarrte Masse aus. An Larven von Bombinator überzeugte sich Leydig, daß auch jene Zellkörper, welche die harnsauren Verbindungen enthalten, die Ge- stalt verändern, indem sie von der strahligen in die runde Form übergehen können. Die metallisch glänzenden Farben sollen so zustande kommen, daß die Plättchen auf ihrer Oberfläche eine feine Riefelung erkennen lassen, wodurch bei gewissem Lichteinfall (Interferenz des Lichtes) ein Irisieren entsteht, so daß schon an einem einzelnen Plättchen oder Flitterchen die Regenbogenfarben auftreten. Am besten sind wohl die Guanophoren des Chamaeleons untersucht. Schon Milne Edwards, dem wir die ersten genaueren histologischen Mitteilungen über das Integument dieses Tieres ver- danken, hat sie gesehen und als Pigment superficiel, blanc, grisätre, jaunätre bezeichnet (zitiert nach Brücke 1852, S. [197]). Nach Brücke (1852) hat dieses Pigment seine dichtesten Massen in den oberen Teilen der Cutis. Obwohl es scheinbar frei zwischen den anderweitigen Gewebsteilen liegt, schien es doch ursprünglich in Zellen abgelagert zu werden. Das Pigment ist feinkörnig, in Kali löslich und der größten Masse nach weiß (bei auffallendem Licht), nur der obere der Epidermis zunächst liegende Teil häufig gelb, und zwar kann sich die Intensität vom blassen Gelb weiß bis zum Hochorange steigern. Pou- CHET [1875, dessen Befunde ich nach van Rynberk (1906) wiedergebe] unterscheidet bei Chamaeleo einerseits »gros grains cerulescents = iridocytes«, über deren zellige Natur er nicht sicher ist, die als gelbe, auf resorbierendem Grund blaue Körner zwischen den unmittel- bar unter der Epidermis gelegenen gelben Lipochromzellen sich vor- finden, und anderseits eine darunter gelegene opake Schicht äußerst kleine Partikelchen enthaltender Zellen, den Lichtschirm (ecran). Die Partikelchen gleichen kleinen Silberplättchen, weshalb Pouchet sie auch einen »weißen Staub« nennt. Die letzte und eingehendste Darstellung dieser Gebilde beim Chamaeleon gibt Keller (1895). Auch nach ihm 190 W. J. Schmidt, lassen sich zwei Sorten von Guanophoren unterscheiden, die äußeren gelben und die inneren weißen. Das Pigment der inneren Schicht setzt sich zusammen aus kleinen, dicht gedrängten, rundlich begrenzten, farblosen, stark lichtbrechenden Körnchen, die bei auffallendem Licht durch diffuse Reflexion einen weißen Eindruck hervor- bringen. Bei durchfallendem Licht erscheinen irgendwie dichtere Schichten opak, daher Pouchets Name »ecran« für diese Lage. Die Körn- chen sind in Säuren unter Gasbildung löslich, leisten aber auch Alkalien nicht Widerstand. Die naheliegende Vermutung, daß sie aus Gua- ninkalk bestehen möchten, gleich den irisierenden Plättchen der Fische (Kühne) bestätigte sich: die Reaktion, der Murexidprobe ähnlich, führte zu einer hochroten Farbe, die beim Eindampfen in Purpur umschlug. Dort, wo das Pigment am mächtigsten entwickelt ist, läßt sich erkennen, daß es rundlichen, mit großen Kernen ver- sehenen Zellen angehört, die in den weiten Maschen der aufsteigenden Bindegewebsfasern dicht beieinander liegen. In der Tiefe der Haut, wo sie versprengt vorkommen, müssen sie sich mit dem Raum be- gnügen, den mechanisch widerstandsfähigere Elemente ihnen über- lassen und nehmen alle mögHchen Figuren an. Keller heißt diese Zellen Leucophoren. Über der Leucophorenzone befinden sich größere rundliche Kerne, zu denen senkrecht gestellte Zellkörper ge- hören, die zu mehreren gelbe Schollen enthalten, die »Ochrop hören«. Die unteren dieser Schollen sind rundlich begrenzt, die äußersten reichen mit spitz zulaufenden Enden gegen die Epidermis-Cutisgrenze ; sie entsprechen Pouchets Iridocyten. Bei starker Vergrößerung lassen diese Schollen eine feine Granulierung erkennen; ihre Farbe ist bei auffallendem Licht blauweiß, bei durchfallendem bräunlichgelb. Der Inhalt dieser Zellen weicht noch eher der Salzsäure als derjenige der Leucophoren; ihr chemisches Verhalten ist das gleiche. Die verschmä- lerten Enden der äußeren Schollen gingen in gelbe Körnchen über; in ganz gleiche Körnchen wandeln sich die gewöhnlichen weißen der Leucophoren um, wo sie oberflächlich liegen. So gelangt denn Keller zur Ansicht, daß der schollige Inhalt der Ochrophoren in mehr als einer Hinsicht dem der Leucophoren verwandt ist. Schließlich mögen hier noch einige Angaben R. Blanchards (1880) über die Guanophoren von Lacerta ocellata Platz finden, wobei aber hervorgehoben sei, daß damit nicht alle diesbezüglichen Mitteilungen der Literatur erschöpft sind. Die »Iridocyten« sind platte, ver- ästelte Zellen, deren Kern beim Erwachsenen oft fehlt, vielleicht auch wegen seiner Kleinheit (3 — 4 //) übersehen wird. Wo er vorhanden ist, Studien am Integument der Reptilien. 1. 191 färbt er sich stark, ist rund, sehr lichtbrechend und besitzt einen kleinen Nucleolus. Am besten lassen sich die Iridocyten untersuchen an einem Hautstück, das mehrere Stunden lang mit 20% Ameisensäure behandelt wurde. Hier erscheinen sie als große, platte, verästelte Zellen, die oft genug mit ihren Ausläufern verschmelzen und von blauen, grünen, gelben usw. F litte rchen erfüllt sind. Diese Flitterchen wechseln die Farbe, je nachdem sie mehr oder weniger stark oder direkt beleuchtet sind und je nach der Höhe der angewandten Vergrößerungen. An einem mit Alkohol behandelten Präparat verlieren die Iridocyten ihre schillernden Farben und nehmen einen olivbraunen einförmigen Ton an. Die Flächenausdehnung der Zellen beträgt im Mittel 30 — 40/<. Auf einem Schnitt erscheinen die Iridocyten als rundliche Körner, die oft sehr in der Fläche der Haut verlängert sind. Sie berühren einander nicht unmittelbar, sondern man beobachtet zwischen ihren verschiedenen Lagen eine amorphe Masse. Die Dicke der Zellen ist im Durchschnitt 4^«, Ein nach Pouchet mit Alkohol behandelter, bei auffallendem Licht untersuchter Schnitt zeigt die Guanophoren in mattem Silberweiß auf schwarzem Grund. Bei gleicher Versuchsan- ordnung zeigt ein mit 20% Ameisensäure unvollständig mazerierter Rückenhöcker in Glyzerin die lebhaftesten Farben. Blanchard führt diesen Unterschied darauf zurück, daß die in Alkohol löslichen Farb- stoffe der Iridocyten im ersten Falle ausgesogen, im zweiten dagegen unverändert geblieben seien. Die Hauptmasse der Iridocyten findet sich unter dem Epithel, aujJerdem aber kommen in der Tiefe der Haut »erratische« Iridocyten vor, bisweilen in großer Menge; sie unter- scheiden sich von den oberflächlichen dadurch, daß sie mehr oder weniger zahlreiche Fortsätze entsenden, die sich nach allen Richtungen der Haut ausdehnen. [Die obere Schicht der Iridocyten entspricht wenig- stens in ihrem unteren Teil Pouchets »ecran«; Blanchard, der sich in der Namengebung Pouchet anschließen will, bezeichnet dagegen sonderbarerweise die Lage der schwarzen Chromatophoren als »ecran«]. Über die Guanophoren der Geckoniden liegen keine genaueren Mitteilungen vor; ihr Vorhandensein erwähnt Leydig (s. Literatur S. 146) bei Tarentola. — Phelsuma madagascariense erweist sich infolge der beträchtlichen Dicke der Haut und ihres Reichtums an Melano- und Porphyrophoren, schließlich auch wegen der mächtigen Entwicklung der guaninhaltigen Zellen selbst als nicht geeignet, die Guanophoren am Totalpräparat zu untersuchen; ist es doch nicht möglich, die beiden erstgenannten Farbzellen zu zerstören, ohne die Guanophoren zu vernichten. Wir 192 W. J. Schmidt, wenden uns vielmehr, um einen guten Einblick in diese Verhältnisse zu gewinnen, zu einem Hautstück der Schwanzbasis von Phelsuma lineatum, bei dem die erwähnten Übelstände fehlen. Das in Fig. 12 (Taf. VIII) wiedergegebene Hautstück reicht vom Rücken seitlich, so daß die linke Seite der Zeichnung der Dorsal- die rechte der Lateralfläche des Schwanzes angehört. In Formol konserAiäert und ohne besondere Vorbehandlung in der üblichen Weise in Balsam übergeführt, zeigt das Hautstück bei auffallendem Licht, auf schwarzem Grund unter mäßiger Vergrößerung folgende Färbung. Die Mehrzahl der Schuppen erscheint dorsal prachtvoll blaugrün (wie Fig. 11, Taf. VIII) mit dunkleren blau- roten Punkten, eine kleinere Anzahl dagegen gelblich weiß ; diese letzten sind ausgezeichnet durch den Besitz von Melanophoren. Nach den Seiten des Schwanzes zu wird die blaue Farbe matter und geht all- mählich in ein gelbliches Weiß über, gleich dem der vereinzelten dor- salen Schuppen. Bei durchfallendem Licht ändert sich das Bild wesentlich (Fig. 12, Taf. VIII) : Die blaugrüne Farbe ist verschwunden. Im dorsalen Ab- schnitt treten die zerstreuten Melanophoren als schwärzHche Pünkt- chen zutage ; sie entsprechen den » oberen Melanophoren «, die wir in der Rückenhaut von Phelsuma madagascariense kennen lernten, nehmen aber gewöhnlich nur den Rand der Schuppe ein. Die centrale Gruppe fehlt meist ; dort wo sie vorhanden ist, unterscheiden sich ihre Zellen nicht von den peripheren durch die Größe. Die geringen Räume zwischen den Schuppen und in verschieden hohem Grade die Schuppen selbst erschei- nen nun vollkommen durchsichtig. Was nicht durchsichtig ist, wird von den Guanophoren eingenommen, zwischen denen noch Porphyro- phoren zerstreut sind. Die Guanophoren bieten sich als eine körnige Masse dar, deren Farbe auf dem Rücken bräunlichgelb ist, nach der Seite des Schwanzes zu (nach rechts in der Abbildung) zunächst an Intensität abnimmt und dann in ein weißliches Grau übergeht. Sie bilden in den dorsalen Schuppen eine Ansammlung, die distal dem Umriß der Schuppe folgt, proximal den Raum der Schuppe nicht ganz ausfüllt. Mehr lateral am Schwanz ist diese Masse in einzelnen Stücken über die Schuppenfläche zerstreut unter Bevorzugung des Hinterrandes; ganz seitlich tritt sie wieder reichlicher auf, nimmt aber auch hier nur den distalen Teil der Schuppe ein. Untersuchen wir nach dieser allgemeinen Orientierung zunächst eine dorsale Schuppe bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 13, Taf. VIII). Hier lassen sich die Guanophoren als Schollen von leicht eckigem Umriß erkennen, zwischen denen bald vereinzelt, bald in kleinen Studien am Integument der Reptilien. I. 193 Anhäufungen rötliche Pünktchen durchschimmern. Diese Pünktchen sind die Ausläufer von Porphyrophoren, die nach der Zerstörung der Guanophoren durch Behandlung eines solchen Hautstückes mit Salzsäure deutlich hervortreten (Fig. 14, Taf. VIII). Über die cellu- läre Natur der Guanophoren läßt sich hier kein Urteil gewinnen, weil die Schollen so dicht an- und übereinander gelagert sind, daß es nicht möglich ist, ihr Verhältnis zu Zellen festzustellen. Das gelingt aber bei Schuppen aus der Übergangszone zwischen Rücken und Seite, in denen die Guanophoren an Masse abnehmen und im mittleren Teil der Schuppe in kleinen Gruppen oder gar vereinzelt vorkommen (Fig. 15, Taf. VIII). Hier läßt sich zeigen, daß die Guanophoren stark ver- ästelte Zellen sind (Fig. 27, Taf. IX). Die Äste übertreffen an Um- fang den centralen Teil dieser Zelle, sind von unregelmäßiger Form, ecldg konturiert, mannigfach hin- und hergewunden, ausgeschnitten und gelappt. Indem die Ausläufer der benachbarten Zellen sich in- und übereinanderschieben, entstehen solche Bilder, wie sie für schwächere Vergrößerungen oben geschildert sind (Fig. 13 u. 17, Taf. VIII). Die Ausläufer lassen zwischen sich Lücken frei, die dem Durchtritt der Aste der Porphyrophoren und des Bindegewebes dienen. Zellkerne sind am Totalpräparat nicht einmal als helle Stellen angedeutet zu erkennen. Sie kommen erst an solchen Schnittpräparaten (für Schnitte empfiehlt sich wegen der größeren Mächtigkeit der Lage mehr Phelsuma mada- gascariense) hervor, in denen der Inhalt der Guanophoren zerstört ist ( G, Fig. 36, Taf. X) ; sie sind von mäßiger Größe, kugelig oder ellipsoidal und liegen gewöhnlich in dem der Epidermis abgewandten Teil der Zellen. Auch auf dem Schnitt ist es schwer, sich der zelligen Natur der Guanophoren zu vergewissern, da nun die Masse der Ausläufer nochmals durch das Schneiden zerstückelt ist. So treten auch hier rundlich oder mehr ecldg konturierte Schollen in die Erscheinung, die nach der Entfernung des Inhaltes fast homogen sind und sich schwach gelb mit Pikrinsäure färben. In den größeren, tiefer gelegenen Schollen befinden sich die Kerne. Daher gewinnt man aus einem Vergleich der Aufsicht und des Schnittbildes die Vorstellung, daß die Guano- phoren verästelte Zellen sind, deren tiefer gelegener Teil den Kern um- schließt, während die Ausläufer nach den Seiten und nach oben hin sich aus- dehnen, mit denjenigen der benachbarten Zellen sich durchflechten und so in der Aufsicht den Anblick der dichtgedrängten Schollen hervorrufen. Wie die Porphyrophoren so liegen auch die Guanophoren vor- nehmlich in der subepidermoidalen Schicht und bilden eine gut abgegrenzte Zone, die sich vor allem an ungefärbten Schnitten bemerkbar Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 13 194 W. J. Schmidt, macht, in denen der Inhalt der Guanophoren erhalten blieb ( G, Fig. 44 u. 45, Taf. XI). Die Schicht folgt nicht unmittelbar auf die Epidermis {E), sondern ist durch einen schmalen Streifen von ihr getremit, der auch in Fig. 36, Taf. X, sichtbar ist {x) und dessen Bedeutung später erörtert werden soll (s. S. 218). Während die Guanophorenlage nach oben zu ziemlich geradlinig abschließt, ist sie nach unten vor allem durch die Anwesenheit der Bläschenzellen weniger regelmäßig begrenzt. Vereinzelt finden sich auch in den tieferen Hautschichten »erratische« Guanophoren ( G', Fig. 45, Taf. XI). Die Inhalts masse der Guanophoren ist durch den ganzen Zellraum gleichmäßig verteilt; stärkere Ansammlungen an einer Stelle und lockerere Schichtung an einer andern kamen mir nie zu Gesicht. Das scheint durchaus gegen das Vorhandensein intracellulärer Strö- mungen zu sprechen (in betreff der Amphibien aber s. Leydig S. 189), im Gegensatz zu den Porphyro- und Melanophoren. Das Aussehen des Inhalts ist etwas verschieden: entweder macht er auch bei sehr starken Vergrößerungen einen fast homogenen Eindruck und bietet sich als eine Masse dar, die man nicht besser als mit Leydigs Worten beschreiben kann, »nicht eigentlich körnig, sondern wie flüssig gewesen und jetzt wieder erstarrt« (Fig. 25, 26, Taf. IX); oder aber der Inhalt zeigt sich in verschiedenem Grade körnig, angefangen von einer feinen eben kenntlichen Granulierung bis hinab zu deutlichen Körnern von starkem Lichtbrechungsvermögen (Fig. 27, 28, Taf. IX). Die aus den Körnern zusammengesetzten Schollen zeigen bei durchfallendem Licht verschiedene Farben und zwar gelb, rot (gelbrot, orange, bordeauxrot), grün (seegrün) und selten auch blau. Diese Farben treten bei schwächeren Vergrößerungen besser hervor als bei starken; das wird durch die relativ große Dicke der Totalpräparate bedingt, die sich oft für die geringere Bildtiefe und Lichtstärke starker Objektive nicht verwenden lassen. Aber es finden sich immer einzelne Stellen, die auch der Beoba,chtung unter hohen Vergrößerungen zugänglich sind (siehe Fig. 25 — 30, Taf. IX) und das bei minderer Vergrößerung Gesehene nachzuprüfen und zu detaillieren gestatten. Apochromatobjektive erleichtern bei ihrer feineren Wieder- gabe der Farben des Objektes die Untersuchung sehr. Schließlich ist noch auffallendes Licht vom Präparat fernzuhalten; es genügt hierfür, den Objekttisch mit der Hand zu beschatten; die Schollen sind näm- lich, wie noch auseinandergesetzt werden soll, bei auffallendem Licht anders gefärbt; und daher muß, um die nachstehend geschilderten Ver- hältnisse zu erkennen, die Beleuchtuns; möalichst rein durchfallend sein. Studien am Integument der Reptilien. I. 195 Eine genauere Prüfung zeigt, daß die Farben an die Körnchen gebunden sind; dies läßt sich allerdings nur an den gröberen Körn- chen (Fig. 30, Taf. IX) einwandfrei feststellen. Aber der Verallge- meinerung, daß es sich bei den feineren Körnchen ebenso verhält, dürfte wohl nichts im Wege stehen. Eine bestimmte Farbe ist nun nicht etwa auf einzelne Guanophoren oder einzelne Schollen beschränkt, sondern in einzelnen Schollen können verschiedene Farben neben- einander vorkommen (s. Fig. 26, 29, 30). Ein einzelnes Körnchen da- gegen scheint immer nur eine Farbe zu haben. Zwischen dem Grade der Körnung und der Farbe besteht ein Zusammenhang derart, daß, je feiner dieKörnungeiner Scholleist, umso intensiver ih reFarbe ist. Mit zunehmender Grobkörnigkeit nehmen die Farben an Leucht- kraft ab und gehen durch ein gelbliches Grauweiß (Fig. 28, Taf. IX) in eine unscheinbare, mehr oder minder dunkle, bräunliche Färbung über (Fig. 15, Taf. VIII, Hinterrand der Schuppe). Ferner ist hier zu bemerken, daß ich die Farben blau und grün nur an den grobkörni- geren Guanophoren bemerkte, während an den feinkörnigen homo- genen Schollen nur orelb und rot zur Beobachtung kamen. Daß die Farben durch Alkohol irgendwie beeinflußt werden, habe ich nie feststellen können (gegen Blanchard, s. S. 191). Sehen wir zunächst von den schmutzigen, weißbräunlichen Farben ab, so steht ein reines lebhaftes Gelb an Häufigkeit Rot, Grün und Blau weit voran ; dann folgt Rot und zwar in den Tönungen nach gelb hin (gelbrot, orange; Fig. 26, Taf. IX). Seltener ist schon grün (seegrün) (Fig. 17, Taf. VIII, Fig. 29, Taf. IX) (nur auf der Bauchseite von Phels. lineatum beobachtet) und ganz vereinzelt habe ich kleine blaue Stellen in den Schollen einiger Schuppen des weißen (unterhalb des schwarzen gelegenen) Seitenstreifens am Körper gesehen (Fig. 30, Taf. IX). Bei auffallendem Licht erscheinen die Schollen bzw. die Körnchen in ganz andern Farben. Die Prüfung bei auffallendem Lieht geschah derart, daß bei durchfallendem Licht eine Stelle auf ihre Färbung hin ins Auge gefaßt und dann bei langsamer Umkehr der Beleuchtung durch Veränderung der Spiegelstellung ihr Verhalten beobachtet wurde. So gelingt es bei ausgedehnteren einheitlich ge- färbten Stellen leicht, den im folgenden beschriebenen Farbenumschlag festzustellen. Kleinere Farbflitterchen machen der Beobachtung mehr Schwierigkeiten, weil die Anwendung stärkerer Objektive ausge- schlossen ist, da das dem Präparat nahestehende Objektiv auffallendem Licht nicht genügenden Zutritt gestattet. Wie vorhin das auffallende, so ist nunmehr das durchfallende Licht nach Mödichkeit auszuschließen. 196 W. J. Schmidt, Am schönsten treten die Farben hervor, wenn das Präparat sich auf einer matten schwarzen Unterlage befindet, die jede Beleuchtung von unten her unmöglich macht. Bei der erwähnten Versuchsanordnung ergibt sich folgendes: Bei durchfallendem Licht bei auffallendem Licht gelb blau rot erscheint grün grün rot blau (gelb?) [Die Farbe der bei durchfallendem Licht blauen Schollen konnte bei ihrer geringen Ausdehnung für auffallende Beleuchtung nicht sicher erkannt werden.] Ein Blick auf diese Tabelle zeigt, daß sich die Farben derGuano- phoren bei durchfallender und auffallender Beleuchtung wie Komplementärfarben verhalten. Diejenigen Guanophoren, die bei durchfallendem Licht keine leb- haften Farben zeigen, sondern in schmutzig bräunlichem Ton er- scheinen, sind bei auffallendem Licht weißlich bis bräunlich. Die Farben bei auffallendem Licht sind sehr lebhaft, wie die Fig. 11 Taf. VIII lehrt. Man vergleiche auch die Fig. 15 und 16 Taf. VIII, welche die gleiche Schuppe bei durchfallender und auffallender Be- leuchtung zeigen; hier sieht man, wie die gelblichen Gnanophoren beim Wechsel der Beleuchtung bläulich geworden sind, die den Hinterrand der Schuppen einsäumenden Massen aus schwärzlichem Braun in ein helles Gelblichweiß und Hellbraun sich verändert haben. In ähnlicher Weise gestatten die allerdings in verschiedenen Vergrößerungen wieder- gegebenen, ungefärbten Schnitte durch Rücken- und Bauchhaut von Phelsuma madagascariensis einen Vergleich. Die bei durchfallendem Licht gelben Guanophoren (Fig. 44, Taf. XI) treten bei auffallendem als bläuliches Band auf (Fig. 9, Taf. VIII), während die bei durchfallen- dem Licht weißgrauen (Fig. 45, Taf. XI) bei auffallendem schneeweiß erscheinen (Fig. 10, Taf. VIII). Die Ursachen der je nach der Beleuchtung verschiedenen Färbung der Guanophoren sollen später (s. S. 197 u. f .) erörtert werden. Hier mögen noch einige Angaben über die chemiche Natur des Guanophoren - Inhaltes Platz finden. Wie aus der Tabelle S. 183 ersichtlich ist, löst sich der Inhalt der Guanophoren in Säuren und Alkalien. Beim Behandeln mit Salzsäure verschwindet der feinkörnige Inhalt rascher (fast augenblicklich) als der grobkörnige, von dem bei ganz Studien am Integument der Reptilien. I. 197 kurzer Säureeinwirkung zunächst unregelmäßig rundlicke Massen zu- rückbleiben. Entwicklung von Gasbläschen beim Lösen des Inhalts habe ich nicht gesehen. Das Auflösen des Inhalts in Schwefelsäure geht schlechter von statten als in Salzsäure ; nach kurzer Zeit treten hier die charakteristischen Nadeln und auch sphärokristallinischen Bildungen auf, die dem Gyps eigentümhch sind und das Vorhandensein von Cal- cium im Guanophoreninhalt dartun. Macht man mit Salzsäure oder Salpetersäure einen Auszug der Haut, engt ihn durch Erwärmen ein und dampft ihn mit rauchender Salpetersäure ab, so hinterbleibt ein gelblicher Rückstand. Dieser verfärbt sich bei Zusatz von KaHlauge rot und darauf bei vorsichtigem Erwärmen purpurn. Der Eintritt dieser Murexidprobe weist auf die Gegenwart von Guanin hin. So- mit ist auch für die Phelsuma-Aiten sichergestellt, daß in dem Material, an dem sich die eigenartigen Farbenerscheinungen abspielen, Guaninkalk ist. Da an Schnitten, aus denen der Guaninkalk durch Säure entfernt ist, trotz seiner bedeutenden Menge das Protoplasma nicht löcherig er- scheint, ist es sehr wahrscheinlich, daß außer dem Guanin noch andre, in Säure unlösliche organische Stoffe in den Körnchen enthalten sind. In polarisiertem Licht untersucht, erweisen sich die Körnchen der Guanophoren als doppelbrechend, ein Hinweis auf ihre kristal- linische Natur. c. Physikalisches über die Farben der Guanophoren. Die Guanophoren enthalten, wie wir gesehen haben, Körnchen, die bei durchfallendem Licht gelb, rot, grün und selten blau erscheinen, bei auffallendem die dazu komplementären Farben zeigen. Wie kom- men diese Farben zustande? Da unter den angeführten Farben blau bei auffallendem Licht überwiegt, so deckt sich diese Frage zum Teil mit der Entstehung des Blaus in der Haut der Eeptilien und weiterhin auch des Grüns; denn es steht heute fest, daß Grün in der Mehrzahl der Fälle durch Überlagerung von Blau mit Gelb zustande kommt. Diese Unter- suchungen sind eingehender über das Grün (und Blau) der Frösche angestellt, weshalb wir auch auf manche von diesen zurückgreif en müssen. Daß die Guanophoren einen wesenthchen Anteil an der Erzeugung der blauen Farbe nehmen, war schon Brücke (1852) klar; er stellt ihr Verhalten in eine Reihe mit dem zahlreicher undurchsichtiger, aber durchscheinender Substanzen, die in großen Massen weiß oder wenig gefärbt, in dünnen Schichten sich verschieden gefärbt erweisen, je nachdem sie durchfallend, oder bei schwarzem Grund auf- 198 W. J. Schmidt, fallend beleuchtet werden. In durchfallendem Licht erscheinen sie braun, braungelb, rotgelb, selbst rot, von oben beleuchtet dagegen in blauen Tönen. Jene Körper reflektieren vorherrschend Licht von kurzer Schwingungsdauer und lassen vorherrschend Licht von langer Schwingungsdauer durch. Diese »Farben trüber Medien« führt Brücke an andrer Stelle (s. u. bei Keller) auf Interferenzerschei- nungen zurück. So kommt nach Brücke das Grün bei Lacerta viridis dadurch zustande, daß über einer Lage von schwarzem Pigment (dem resorbierenden Grund) eine düime Lage von weißem oder gelbweißem Pigment liegt, welche die Schuppe blau erscheinen lassen würde, wenn nicht die weißgelbe Farbe der Epidermis das Blau in Grasgrün ver- wandelte. Abgesehen von dem Ursprung der gelben Farbe, der größten- teils nicht in der Epidermis, sondern in lipochromhaltigen Zellen der Cutis zu suchen ist, hat Brücke damit das Entstehen von Blau und Grün in der Reptilienhaut richtig erfaßt. (Auch für Hyla hebt Brücke hervor, daß die schöne grüne Farbe des Laubfrosches unter Beteiligung von Zellen mit feinkörnigem, kristallinischen, Interferenzen erzeugenden Inhalt zustande kommt, die über schwarzem Pigment geschichtet sind.) V. Wittich (1854) untersuchte, angeregt durch Brückes Beobach- tungen über den Farben Wechsel des Chamaeleons die Haut unsrer grünen Frösche Rana esculenta und Hyla arborea. Er betont, daß ein grünes Pigment nirgends vorhanden sei, findet die von Brücke übersehenen Zellen mit gelben Fetttröpfchen — denn als solche sind v. Wittichs gelbe Zellen wohl zu deuten (s. Leydig [1868]) — leugnet dagegen die Be- deutung der Interferenzzellen für das Zustandekommen der grünen bzw. blauen Farbe. Diese Zellen sollen nur beschränkte Verbreitung haben. Das Epithel und die darunter befindhche Lage gelber Zellen sollen als trübe Medien wirken und die noch tiefer gelegene Unterlage dunkler Pigmentzellen zunächst blau erscheinen lassen ; da aber die blauen Lichtstrahlen durch eine gelbe Schicht austreten, erscheinen sie uns grün. Leydig (1868) (s. auch unten) schließt sich v. Wittich an und erwähnt, daß der Farbstoff der gelben Zellen auf Fettpünktchen beruht, was von Hering und Hoyer (1869, zitiert nach Biedermann, 1892) bestätigt wird. Diese Forscher fanden aber, daß außer dem in Alkohol und Äther löslichen gelben Fett noch stark lichtbrechende, prismatische Körnchen in diesen Zellen enthalten sind. v. Bedriaga (1874) bringt in seiner »Entstehung der Farben bei den Eidechsen« (einer eigentümlichen Theorie, die mit einer im Laufe der Generationen erfolgten, successiven Verlagerung der Melanophoren- schicht zur Epidermis hin arbeitet) nur eine kurze Bemerkung über Studien am Integument der Reptilien. I. 199 das Zustandekornmen der Farbe blau: weil Epidermis und obere Pigmentschiclit (= Guanophorenschicht) weiß gefärbt seien, ent- stünde bei dem Aufsteigen des dunklen Pigments die Farbe blau. Auch Eimer (1874) gibt nur einen kurzen Hinweis für die Ent- stehung des prachtvollen Blau der Lacerta muralis caerulea. Es trifft insofern zu, als ein blaues Pigment abgelehnt und der Unterschied zwischen einer grünen und blauen Eidechse auf das Fehlen der auf die Epidermis folgenden Schicht von Zellen mit gelbem Pigment fettiger Natur zurückgeführt wird. Im übrigen aber wird wenig verständlich, wie der Eindruck von Blau dadurch hervorgerufen werden soll, daß eine dicke Lage schwarzer Bindegewebszellen unter einer gleichfalls dicken Schicht farbloser Epidermis gelegen sei, und das Blau »durch Schwarz und Weiß« gebildet werde. Auch bedürfte es einer Nach- prüfung, ob eine leichte blaurote Färbung des Bauches bei Zacertomitrafe alhiventris Bonaparte während des Winterschlafes cyanotischer Art ist, durch mangelhafte Oxydation des Blutes erzeugt wird, wie Eimer meint. Ferner erscheint es mir sehr zweifelhaft, ob B. Haller (1885 und 1886) mit Recht das blaue Hochzeitskleid von Rana arvalis einzig aus einer starken Retraktion der Melanophoren in tiefere Hautschichten erklärt. Gewiß treten dadurch die darüber gelegenen Guanophoren ungestört in Wirkung; aber ohne das Fehlen oder Zurücktreten der normalerweise vorhandenen Zellen mit gelbem Fett würde das von ihnen erzeugte Blau nur als Grün in die Erscheinung treten können. Das Blau selbst erklärt Haller als Farbe trüber Medien (Interferenz) : Epithel, bindegewebige Cutis und hellbraungelb pigmentierte Zellen (verschieden von Leydigs [1885, s. u.] bläulich irisierenden Zellen!) stellen das trübe Medium dar, während das von den Melanophoren ge- bildete Netzwerk die schwarze Unterlage abgibt, von der (nach irriger Vorstellung Hallers) das auffallende Licht reflektiert wird (wirkt doch der schwarze Grund absorbierend!). Der bläuliche Metallglanz der niederen Wirbeltiere rührt nach Leydig (1885), der sich nochmals zusammenfassend über diesen Gegen- stand äußerte, von Interferenz her, die an Plättchen oder Flitterchen auftritt. Sie können so stattlich sein, daß man die geriefelte Beschaffen- heit ihrer Oberfläche, sowie das Icristallinische Wesen ihrer Form deut- lich zu sehen vermag, anderseits aber auch in ihrer Größe so herab gehen, daß sie für unsre Instrumente Körnchen darstellen. Ferner wird ein Blau hervorgerufen durch Überlagerung des schwarzen Pig- ments von Seite eines trüben Mittels (s. o.). Dies gilt zum Teil vom Hochzeitskleid der Rana fusca. ;Hier ist ein weißliches, leicht 200 W. J. Schmidt, bläulich irisierendes Pigment vorhanden, das von den schwarzen Chromatophoren der Tiefe durchsponnen, den Eindruck von Blau hervorruft, wobei eine außergewöhnliche Füllung der Lymph- räume die Durchsichtigkeit der Haut erhöhen soll. Man sieht, wie bisher kaum einer der späteren Untersucher die Sachlage mehr als Brücke geklärt hat. Eine gute Darlegung der Ver- hältnisse beim Frosch verdanken wir Biedermann (1892). Bei Ryh, findet dieser Forscher unter der Epidermis rundliche oder polygonale Zellen, die längliche, eigentümlich quergestreifte Körnchen besitzen, deren optisches Verhalten auf kristallinische Natur hinweist; diese Körnchen sollen nun in derselben Zelle noch von kleinen und größeren goldgelben Tröpfchen überschichtet sein, die sich zu ballen vermögen. [FiCALBi 1896, zitiert nach von Kynberk 1906, hat gezeigt, daß es sich hier um zweierlei übereinander liegende Zellen, eine obere mit feinen Fetttröpfchen und eine untere mit irisierenden Körnchen handelt.] Jede dieser Zellen erscheint, unabhängig vom darüberliegenden gelben Pigment, bei auffallendem Licht lebhaft blau glitzernd. Nur durch Kombination mit jenem kommt es auf dem schwarzen Untergrund der Melanophoren zu der normalen, hell blattgrünen Hautfarbe des Frosches. »Wenn man die Bedingungen und die Ursachen der Grünfärbung, sowie ihrer Übergänge nach Gelb, Grau und Schwarz bei andern Amphibien und Reptihen untersucht, so läßt sich eine große Übereinstimmung mit den beim Laubfrosch zu beobachtenden Verhältnissen wenigstens in den allgemeinen Zügen nicht verkennen. In der großen Mehrzahl der Fälle scheint es sich um das Zusammenwirken von Blau und Gelb auf schwarzem Grunde zu handeln, wobei das erstere ent- weder nur als Farbe trüber Medien oder, wie bei der grünen Frosch- haut, als Interferenzfarbe erzeugt wird.« In den vorstehenden Mitteilungen haben die Untersucher die Blau- färbung teils als Farbe trüber Medien erklärt, wobei sie den Guano- phoren eine mehr oder minder wichtige Rolle zuerkennen, teils als Interferenzerscheinung aufgefaßt, die durch eben diese körnchen- führenden Zellen zustande kommt; dabei gilt bei einigen Forschern die Farbe trüber Medien als eine besondere Form von Interferenz (s. u.), während die meisten sich mit dem Wesen der Farben trüber Medien nicht eingehender befaßt haben. Tiefer in die physikalische Seite dieses Problems einzu- dringen, haben sich Brücke und Keller (1895) bemüht; ich folge der Darstellung des letzteren. Nach Keller sind trübe Medien aus zwei durchsichtigen, farblosen, optisch differierenden Substanzen zusam- Studien am Integument der Reptilien. I. 201 mengesetzt, in der Art, daß in multipeln kleinen Ramnverliältnissen Teile der einen mit solchen der andern wechseln; das Medium muß einen Teil des Lichtes hindurchlassen, den andern reflektieren. Meist kann die eine Substanz als die trübende, die andre als getrübte auf- gefaßt werden. Bei beträchtlicher Dicke einer Schicht trüber Medien oder bei Verkleinerung des Abstandes der trübenden Teilchen kommt eine Grenze, bei der kein Licht mehr durchgelassen oder alles diffus reflektiert wird. So entsteht eine weiße Farbe. Alle trüben Medien reflektieren nun mehr kurz- als langwellige Lichtstrahlen und lassen umgekehrt mehr lang- als kurzwellige durchtreten; daher erscheinen sie bei auffallendem Licht mehr oder weni- ger ausgesprochen blau, bei durchfalle.ndem gelb oder rot. Woher kommt dieses Verhalten? Brücke (Physiologie der Farben) stellt sich vor, daß an jedem trübenden Teilchen Interferenz nach Art der dünnen Schichten er- folge (Farben dünner Blättchen) durch Keflexion der Strahlen an der Vorder- und Hinterfläche des Teilchens. Denkt man sich die Teilchen, vom unendlich Kleinen, allmählich wachsend, so käme zunächst eine Dimension, bei der nur die kurzwelligen, blauen Strahlen durch Inter- ferenz verstärkt würden. Werden die Teilchen größer, so verstärkt die Interferenz nunmehr die langwelligen, hauptsächlich also die gelben und roten. Daher darf für die Erzeugung der Farbe Blau eine bestimmte Größe der Teilchen nicht überschritten werden ; diese ergibt sich gemäß Rechnung nach Keller zu weniger als 0,1215 // ; nun sind aber die trü- benden Teilchen einer ganzen Reihe von Medien (Milch u. a. Emulsio- nen) alle oder der Mehrzahl nach größer, zum Teil sogar bedeutend größer, und doch treten die Farben aufs deutlichste hervor. Ferner sind die Partikelchen nicht von parallelen oder wenigstens annähernd parallelen Flächen begrenzt, sondern eher kugelig, und damit fehlt die Bedingung für eine regelmäßige Interferenz. Aus beiden Gründen lehnt Keller die Interferenz als Erklärung für die Farben trüber Medien ab. Keller stellt sich vielmehr vor — was auch Brücke an andrer Stelle vertreten hat — , daß beim Übergang des Lichtes aus einem Medium in ein andres diejenigen Strahlen am meisten reflektiert werden, welche hierbei den größten Widerstand = größte Ablenkung erfahren, also die kurzwelligen (blauen) i. Indem nun die aus trüben Medien aus- tretenden Lichtbündel vielfache Reflexion erfahren haben, nimmt die Menge der kurzwelligen Strahlen, die Intensität des blauen Lichtes, zu, 1 Wie ich aus Biedebmann (1895, S. 220) ersehe, kann diese Annahme eingehend theoretisch begründet werden (Lord Rayleigh). 202 W. J. Schmidt, die bei einer einfachen Spiegelung nicht zu beobachten wäre. Umgekehrt werden die langwelligen, gelben und roten Strahlen weniger reflektiert und erscheinen daher im durchgehenden Licht. Daß die trüben Medien in dickeren Schichten weiß erscheinen, hat nach Keller darin seinen Grund, daß das von den tieferen Schichten reflektierte Licht die ober- flächlichen durchsetzen muß, damit sich wieder mit langwelligeren Strahlen anreichert und den Effekt des Blau zu Weiß paralysiert. Unter sonst gleichbleibenden Umständen wird die Farbe um so intensiver sein, je größer das Dispersionsvermögen der trübenden Teilchen ist, also je mehr rote und blaue Strahlen sich in ihrer Ablenkung unterscheiden. Ferner, je weniger Reflexionen nötig sind, um viel Licht zurückzu- werfen, also bei stark lichtbrechenden Teilchen in schwach lichtbrechen- dem Medium (Leucophoren) um so weniger wird Blau hervortreten. Kellers Theorie hat viel Bestechendes für sich und doch stehen ihrer ausschließlichen Anwendung wenigstens auf unsern Fall, Phelsuma, Schwierigkeiten im Wege. Wir haben berichtet, daß gewisse Guanophoren nicht nur blaue, sondern grüne und, was schwerer ins Gewicht fällt, auch rote^ also langwellige Strahlen reflektieren. Diese Farbe ist einer Er- klärung als Farbe trüber Medien nicht zugänglich; denn die Farbe trüber Medien ist stets blau, höchstens blaugrün. Damit steht auch in direktem Zusammenhang, daß die rotes Licht reflektierenden Körnchen der Guanophoren im durchfallenden Licht nicht gelblich oder rötlich erscheinen, wie es bei trüben Medien der Fall ist, sondern grün. Ferner sind die Farben bei auffallendem Licht, vor allem Grün, von einer Intensität, die der Farbe trüber Medien fremdist. Sie sindso leb- haft, daß es sich bildlich nicht wiedergeben läßt. Untersucht man eine Schuppe vom Rücken von Phelsuma lineatum bei auffallendem Licht unter schwacher Vergrößerung, so blitzen geradezu hier und da goldig- grüne Lichtfünkchen auf; man wird bei diesem Anblick lebhaft an die schillernden Flügeldecken gewisser Käfer erinnert, die diu^ch Inter- ferenz gefärbt erscheinen. Für Interferenz würde auch sprechen, daß die verschiedenen Farben Körnchen von bestimmter Dicke anzuhaften scheinen (s. S. 195). Das eigenartige komplementäre Verhalten der Farben bei durch- und auffallender Beleuchtung findet bei der Annahme trüber Medien zwar für Gelb und Blau, aber nicht für die übrigen angeführten Kombinationen Erklärung. Dieser Tatsache würde vielleicht die Deu- tung der Farben als Oberflächenfarben (s. Biedermann 1904) ge- recht werden. Es handelt sich bei den Oberflächenfarben um Stoffe, Studien am Integunient der Reptilien. I. 203 die ohne besondere Struktur der Oberfläche bei auffallendem und durch- fallendem Licht verschiedene Farben zeigen, die im allgemeinen sich wie Komplementärfärben verhalten (Heiding ERsches Gesetz), Be- kannte Beispiele hierfür sind die Farben dünner Gold-, Kupfer- und Messingblättchen, ferner stark absorbierende Farbstoffe, viele Anilin- farben (z. B. Fuchsin). Die erwähnten Stoffe zeigen ein starkes Ab- sorptionsvermögen, und zwar entspricht die reflektierte Farbe im all- gemeinen der von dem betreffenden Körper am stärksten absorbierten. Diese Körper müssen aber auch im durchfallenden Licht intensiv gefärbt sein. Falls man aber der Annahme Raum geben will, die an den Guanophoren beobachteten Erscheinungen seien auf Oberflächen- farben zurückzuführen, so muß man die im durchfallenden Licht sicht- baren Farben nicht als Struktur-, sondern als Pigmentfarben betrachten, d. h. also als Farbstoffe, die im Guaninkalk gelöst sind. [Um die Mög- lichkeit dieser Annahme zu prüfen, habe ich versucht, die Farben der Körnchen in den Guanophoren zu bleichen, ohne ihre Struktur zu verändern. Säuren und Chlor waren hierfür auszuschließen, da sie den ganzen Inhalt der Guanophoren zerstören; es blieb nur Wasserstoff- superoxyd übrig, dessen bleichende Wirkung auf der durch Sauerstoff- abspaltung bedingten Oxydation organischer Substanzen beruht. Meh- rere Tage lang blieb die Farbe unverändert, dann trat ein deutliches Abnehmen der Farbenintensität ein. Da aber eine noch weiter fort- gesetzte Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd den gesamten Inhalt der Guanophoren zerstörte, so ist wahrscheinHch, daß das allmähliche Schwinden der Farben im durchfallenden Licht auf eine beginnende Zerstörung der Guaninkörnchen zurückzuführen ist.] Sicherlich dürfte es sich in der bei auffallendem und durchfallendem Licht bräunlichen Farbe der Leucophoren um Pigmentfarben handeln. Aus dem Vorstehenden ergibt sich meines Erachtens, daß die Far- ben trüber Medien zur Erklärung der auftretenden Erscheinungen nicht hinreichen; vielmehr wirken Interferenz, vielleicht auch Oberflächen- farben mit, so daß ein verwickelteres physikalisches Problem vorliegt, dessen Analyse ich Fachleuten überlassen muß. — Aus der Literatur haben wir entnommen, daß das Grün der Repti- lien durch Überlageruno; von Blau mit Gelb zustande kommt. Sicher- lieh trifft das für viele Fälle zu. Behandelt man z. B. die Haut von Lacerta mit einem Gemisch von Alkohol und Äther, so wird ein gelber an Fett gebundener Farbstoff ausgezogen, und das Hautstück nimmt eine schöne blaue Farbe an. Daß es außer dieser Entstehung des Grüns noch eine andre 2,ibt, haben wir bei Phelsuma gesehen; hier sind die 204 W. J. Schmidt, Guanophoren für sich allein fähig, Grün zu erzeugen. Dieses gewöhnlich mit Blau gemischte und nur in kleinen Flitterchen erschei- nende Grün trat an einigen, seit langen Jahren in Alkohol bewahrten Exemplaren von Phelsuma madagascariense (Material des Sencken- BERGischen Museums) so rein hervor, daß die Tiere grasgrün erschienen. Die Untersuchung zeigte, daß hier auffällig viele, in durchfallendem Licht rot erscheinende Guanophoren vorhanden sind; allerdings fanden sich auch über den Guanophoren gelbliche Körnchen (s. S. 218). Daß sie an der intensiven Grünfärbung beteiligt sind, ist unwahrscheinlich, weil sie im auffallenden Licht bläulich-weiß erschienen. Wie die Farben der Guanophoren auch entstehen mögen, für ihr lebhaftes Hervortreten ist ein dunkler, am besten schwarzer Hinter- grund nötig; er absorbiert alle durchgehenden Lichtstrahlen und läßt so die Farben bei rein auffallender Beleuchtung erscheinen. Diesen Hintergrund liefern die Melanophoren. Die Wirkung des schwarzen Hintergrundes führt die Natur selbst an den beiden Phelsuma- Alten vor. Bei Phelsmna lineatum sind die blaugrünen Farben viel schwächer als bei Phelsuma mad. ; es fehlen in der Haut von Phelsuma lin. sowohl die oberen Melanophoren als auch die unteren und damit der schwarze Grund; das pigmentlose Bindegewebe und die unter der Haut folgende Muskulatur vermögen nicht genug das durchgegangene Licht zu ab- sorbieren, so daß die von hier reflektierten Strahlen eine rein auffal- lende Beleuchtung hindern. Bringt man dagegen in Balsam überführte Hautstücke von Phelsuma lineatum auf einen schwarzen Untergrund, so erscheinen sie mit derselben Farbenpracht wie solche von Phelsuma mad. Schiebt man unter ein solches Präparat ein Stück weißes Papier, so treten die Farben bei auffallendem Licht kaum hervor. d. Zustandekommen des Farbenkleides. Nach diesen Erörterungen erübrigt noch, das Zustandekommen des Farbenkleides von den einzelnen Stellen des Körpers zu erläutern (s. S. 176). Phelsuma madagascariense'. Der blau grüne Ton der Rücken- seite (Fig. 1, Taf. Vni) wird durch die auf dem schwarzen Hinter- grund der Melanophoren (centrale Gruppen) gelagerten Guanopho- ren (Ochrophoren) bedingt. Die Melanophoren beteiligen sich bei ihrer tiefen Lage nicht direkt an der Färbung der Haut^. Die Ballung ihres Pigments wird durch Verminderung des absorbierenden Grundes 1 Krepft (1907) berichtet von einer schwarzen Verfärbung des Weibchens von Phelsuma madagascariense vor der Eiablage; hier könnte man an eine Be- teiligung der Melanophoren denken. Studien am Integument der Reptilien. I. 205 die Intensität der Farben herabsetzen. Die blauroten Porphyro- phoren kommen selbst bei Pigmenterfüllung der Ausläufer für die Betrachtung mit bloßem Auge als gesonderte Farbe nicht zur Geltung, sondern vertiefen nur die schon vorhandene oder verändern sie ins Bläuliche; unter dem Mikroskop erscheinen sie als dunkle Pünktchen. Die hellen Flecken des Rückens (Fig. 1, Taf. VIII) verdanken ihre Entstehung grobkörnigen Guanophoren (Leucophoren) auf dem schwarzen Grund der Melanophoren. Die Melanophoren verhalten sich ebenso wie an den blauen Stellen und schimmern matt durch. Sind diese Flecken im Leben rot gefärbt, so ist das auf eine starke Expansion der Porphyrophoren zurückzuführen, die auf dem hellen Grund trotz ihres spärlicheren Vorkommens in so auffälliger Weise hervortreten. Die gelblichweiße Farbe des Bauches ist ebenfalls auf Rech- nung grobkörniger Guanophoren zu setzen; zwar fehlen überall ventral die Melanophoren, die einen schwarzen Grund bilden könnten; es tritt diffuse Reflexion des Lichtes an den stark licht- brechenden Körnchen ein. Das matte Grün der Unterseite des Schwan- zes ist auch Guanophorenfarbe. Der rötliche Anflug der Bauch- seite wird nur zum Teil durch Guanophoren hervorgerufen. Vornehmlich aber verdankt er seinen Ursprung den Porphyro- phoren, die zwar spärlicher und kleiner auf der Bauchseite sind, in der Brustgegend gar ganz zu fehlen scheinen, aber zwischen dem Weißgelb der Guanophoren viel mehr als auf dem Rücken zur Geltung kommen. Auf ihre Anwesenheit ist vor allem die blaurote Zeichnung der Kehle zurückzuführen, die bei einer Retraktion des Porphyrophorenpigmentes bis zum Verschwinden abblassen, bei zu- nehmender Pigmenterfüllung der Ausläufer dagegen immer deutlicher hervortreten wird (Fig. 7, Taf, VIII). Die eigenartige Abweichung der Färbung, die das mir vorliegende Exemplar von Phelsuma laticauda gegenüber Boulengers Beschrei- bung durch das Fehlen aller grünlichen und roten Töne aufweist (s. S. 176), klärte die Untersuchung dahin auf, daß einmal an diesem Tier die Guanophoren zerstört waren: dadurch müssen die blaugrünen Farben ausfallen. Ferner aber sind hier die Porphyrophorendurch hellbräunliche Melanophoren ersetzt; damit fehlen die roten Töne. Die Homologie dieser hellbräunlichen Melanophoren mit den Porphyrophoren (s. S. 184) läßt sich am besten an Schuppen vom Rücken der Schwanzwurzel zeigen. Solche Schuppen bieten ein ähn- hches Bild wie Fig. 6, Taf. VIII, unr daß an Stelle der Porphyrophoren 206 W. J. Sclimidt, in Form und Größe ganz ähnliche Melanophoren von hellbräunlicher Farbe liegen ^. In der Mitte des Rückens ist die Homologie schwerer durch- zuführen: die hellbräunlichen Chromatophoren sind größer und spär- licher. Dagegen überwiegen dicht gedrängte, sehr dunkle, pigment- reiche Chromatophoren, die eine Mittelstellung zwischen Porphyrophoren und oberen Melanophoren einzunehmen scheinen (P, Fig. 40, Taf. X). Auch die unteren Melanophoren sind sehr stark entwickelt (s. Fig. 40, Taf. X) ; ihre Ausläufer schimmern in den Furchen zwischen den Tuberkeln durch, indem sie die Zwischenräume annähernd senkrecht durchsetzen. Auf der Bauchseite finden sich nur spärlich die hier sehr kleinen imd hellen, den Porphyrophoren homologen Melanophoren. Da in der Mehr- zahl der Chromatophoren des mir vorliegenden Tieres periphere Vertei- lung des Pigments herrscht, so daß man wunderbar reich verästelte Zellen zu Gesicht bekommt, muß beim Fehlen der Guanophoren die Rücken- seite in braunschwarzem Ton sich darbieten, während dieanMelano- phoren arme Bauchseite nur leicht bräunlich gefärbt erscheint. Phelsuma lineotum: Die blaugrünen Farben von Phelsmna lin. sind bedeutend schwächer als bei Phelsuma mad. ; das bedingt, wie schon auseinandergesetzt, der Mangel des dunklen Hintergrundes: auf der Rückenseite fehlt die untere Melanophorenschicht ganz und auch die obereist nur in vereinzelten Schuppen enthalten (Fig. 12, Taf. VIII), nämlich den hellen Flecken auf Rücken und Schwanz, die durch grobkörnige Guanophoren hervorgerufen werden ; die schwärz- lichen Bestandteile dieser Flecken rühren von den Melanophoren her. Da blaue und grüne Melanophorenfarbe hier zurücktritt, machen sich die Porphyrophoren mehr geltend und bewirken die starke Beimengung von Rot zur blauen Farbe des Rückens. Wie bei Phelsuma mad. sind die Porphyrophoren in den weißen Flecken nur spärlich vertreten und daher heben sich diese um so deutlicher ab. Die Porphyrophoren von Phelsuma lin. sind noch weniger körnchenreich als bei Phelsuma mad., so daß ich den dunkelblauen Ton der dicht ge- schichteten Pigmentmassen nie beobachtete; die Zellen weisen viel- mehr immer einen mehr röthchen Ton auf (Fig. 22, Taf. IX). Der schwarze Seitenstreifen kommt zustande durch eine An- häufung von Melanophoren in den Räumen zwischen den Tuberkeln, die in den Endflecken ihren Höhepunkt erreicht; hier sind auch die Höcker selbst pigmentiert. 1 DaBouLENQER (s. o. iS. 176) das Vorkommen von rötlichen Flecken auf dem Rücken mancher Exemplare von Phelsuma laticavxla erwähnt, scheint der Er- satz der Porjihyrophoren durch Melanophoren individuell zu sein. Studien am Integument der Reptilien. I. 207 Der darunter gelegene, von dem vorigen durch einen schmalen Streifen normaler Haut getrennte weißeSeitenst reifen, bedingt durch sehr starke Anhäufung von Guanophoren, ist frei von Melanophoren. Auch auf der Bauchseite fehlen die Melanophoren gänzlich. Die Porphyrophoren sind hier kleiner und verleihen dem grünlich - gelblichweißen, durch Guanophoren bedingten Grund einen röt- lichen Schimmer. Auf der ventralen Seite des Schwanzes treten die Guanophoren auffällig zurück, nehmen oft nur einen schmalen Saum am Hinterrand der Schuppe ein, so daß die Schuppen bei der ebenfalls ge- ringen Entwicklung der Porphyrophoren in durchfallendem Licht ganz durchscheinend sein können. Bei auffallendem Licht ähneln diese Schuppen solchen, die grobkörnigen Guaninkalk führen, indem hier an dem Bindegewebe der Haut eine diffuse Reflexion erfolgt. 3. Bemerkungen über den feineren Bau der Epidermis. Das mir zur Verfügung stehende Material reichte nicht aus, um die Häutungsvorgänge zu untersuchen ; indessen erwies sich Phelsuma lati- cauda als ein vorzügliches Objekt zum Studium feinerer histologischer Verhältnisse. Im allgemeinen ist folgendes über die Epidermis der Phelsuma- Arten zu bemerken. Wie die andern Geckoniden trägt sie auf der freien Oberfläche haarartige Bildungen, die in der Aufsicht als Pank- tierung, im Schnitt als bürstenartiger Besatz (Fig. 32, Taf. X) erschei- nen, die Cuticularhaare der Autoren. Ich sehe in ihnen Bil- dungen, die mit der Epithelfaserung zusammenhängen, eine Ansicht, die bei Tarentola näher begründet werden soll (s. S. 233). Von der Fläche betrachtet, läßt das Oberhäutchen bei starken Vergröße- rungen stellenweise die Grenzen seiner polygonalen Zellen erkennen; an den ventralen Schwanzschuppen ist es vielfach in charakte- ristischer Weise abgeschabt, eine Erscheinung, die auch bei an- deren Formen (z. B. Tarentola, Geckolepis) vorkommt und über die in einer spätereren Mitteilung berichtet werden soll. Die Dicke der Epidermis erreicht ihren höchsten Betrag auf der Oberseite der Bauchschuppen; sie verjüngt sich bedeutend auf ihrer Unterseite, wo das Epithel gefaltet ist und allmählich in dasjenige der Oberseite der gedeckten Schuppe übergeht (Fig. 35, Taf. X). Ein ähnliches Verhalten weisen die Höcker des Rückens auf, wenn auch viel weniger ausge- sprochen (Fig. 34, Taf. X) : auch hier verdünnt sich die Oberhaut ganz bedeutend in den Furchen zwischen den Tuberkeln. An Schichten lassen sich in der Epidermis unterscheiden : eine Reihe basaler Cylinder- 208 W. J. Schmidt, Zellen, mehrere Lagen abgeplatteter Elemente, beide zusammen das Rete Malpighii darstellend, dann die Hornschicht^ die leicht in Lamellen aufblättert. Vorstehendes gilt für diejenigen Stellen, an denen die Epidermis eine gewisse Dicke besitzt; dort wo sie stark ver- dünnt ist, vereinfacht sich die Schichtung. Alle Zellen der Keimschicht sind durch Zelllücken getrennt, die von stark sich färbenden Brücken durchsetzt sind. Gelingt es, am Schnittpräparat eine der äußeren, verhornten Lamellen in Flächenansicht zu bekommen, so sind die Grenzen der polygonalen Zellen durch breite von Eisenhämatoxylin geschwärzte Linien getrennt; anscheinend handelt es sich hierbei um eine von den Zellen ausgeschiedene Intercellularsubstanz. Schon Todaro (1878) hat ihrer bei der Schicht polygonaler Zellen als einer »Discreta sostanza intercellulare « gedacht {Lacerta muralis); Stud- NicKA (1909) und nach seiner Angabe auch E-enaut haben bei den Huf anlagen von Bos ähnliches gefunden. Die Abgrenzung der Epidermis gegen das Corium erfolgt entweder geradlinig (Fig. 37, 42, Taf . X) oder aber die basalen Epithelzellen sind in Spitzen ausgezogen (Fig. 39, 43, Taf. X). Diese Verhältnisse werden bei der »Epidermis-Cutisverbindung« genauer besprochen (s. S. 215). Die Epidermis von Phelsuma laticauda — und zwar handelt es sich um die Wachstumsperiode — gewährte an dünnen Schnitten (5 n) bei Eisenhämatoxylinfärbung prächtige Bilder vom Verhalten der Epi- thelfaserung. Epithelfasern sind bei Reptilien bis jetzt nur von Krauss (1905) unter anderem auch bei Tarentola, aber nur in der basa- len Zellschicht beschrieben worden. In der gleichen Schicht konnte ich sie bei Geckolepis nachweisen (W. J. Schmidt 1911). Das Epithel auf der Oberseite der Bauchschuppen von Phelsuma laticauda (Fig. 31, Taf. IX) ist über 40 /< dick. Seine basale Zellenlage (a) besteht aus cylindrischen oder kubischen Elementen von etwas wech- selnder Größe. Nach unten gegen das Bindegewebe hin, sind die Zellen quer abgestutzt und endigen damit insgesamt gradlinig (Fig. 42, Taf. X), oder aber sie erscheinen in Spitzen ausgezogen (Fig. 43, Taf. X). Der obere Kontur der Schicht (Fig. 31, Taf. X) steigt auf und ab entsprechend der verschiedenen Höhe der Zellen. Der größte Teil der Zellen wird vom Kern eingenommen, der in seiner Form dem Zellleib sich anpaßt, deutliche Membran zeigt und in seinem Innern Nucleolus und ein feines chromatisches Kerngerüst erkennen läßt. Das Cytoplasma dieser Zel- len erscheint senkrecht zur Oberfläche der Haut gestreift durch die Anwesenheit der Epithelfasern. Diese Fasern sind leicht wellig ge- bogen und verlaufen parallel zueinander. Ihre Färbbarkeit und damit Studien am Integument der Reptilien. I. 209 anscheinend auch ihre Dicke ist im oberen Teil der Zelle, über dem Kern, stärker als im unteren. Hier wird die Deutlichkeit der einzelnen Fasern oft geringer; nur wenn die Epithelfasern dicht gedrängt in die Spitzen der Zellbasen eintreten (Fig. 43, Taf . X), nehmen sie auch hier einen dunkleren Ton an. Seitlich sind die Zellen durch breite Lücken ge- trennt, die in ziemlichen Abständen von feinen, schwer sichtbaren Brücken durchsetzt werden. Eine Fortsetzung der Zellbrücken im Cytoplasma war nicht zu beobachten. Nach oben werden die Zellen durch eine Reihe großer, scharf gefärbter Körnchen abgeschlossen, die als Mittelknötchen oder Brückenkörner zu bezeichnen sind. Ohne Mühe läßt sich feststellen, daß jede Plasmafaser mit einem solchen Brückenkorn in Verbindung tritt; dagegen läßt sich nicht der Durch- gang der Plasmafaser in die angrenzende Zelllage verfolgen. Die nun folgenden (etwa 2) Lagen (unterer Teil m h Fig. 31, Taf. IX) lassen am wenigsten von Epithelfasern erkennen. Diese Zellen sind parallel zur Oberfläche der Haut abgeplattet und besitzen auf dem Schnitt polygonalen Umriß. Ihre Kerne haben eine dieser Formänderung ent- sprechende Umwandlung ihrer Gestalt erlitten und sind chromatin- ärmer geworden. Das Cytoplasma dieser Elemente erscheint fein wabig ; eine deutliche Epithelfaserung, die in den oberen Lagen der Epidermis wieder zutage tritt, ist nicht zu erkennen. Jener Zustand findet wohl so am besten seine Erklärung, daß bei der mitotischen Vermehrung der basalen Keimzellen die Plasmafasern eingeschmolzen und in den neu- gebildeten Elementen allmählich wieder ausdifferenziert werden (s. Heidenhain 1911, S. 971). Die geschilderten Zellen sind durch ziem- lich weite Intercellularräume getrennt, in denen die scharf gefärbten Brückenkörner als Punktreihen sichtbar sind. Stellt man auf die Fläche einer Zellwand ein, so erscheinen sie als eine Ansammlung gleich- mäßig verteilter Punkte. Da die Zellbrücken hier ebenso gut vorhan- den sind wie in den höheren und tieferen Schichten der Epidermis, so gestatten sie bei der Ausdifferenzierung der Epithelfasern deren syste- matischen Anschluß an diejenigen der benachbarten Zellen. Weiter in der Höhe tritt in der Epidermis eine bedeutende Ver- größerung der Zellen ein; die Abplattung ist verschwunden, die Kerne sind wieder rund. Die Zellen dieser Zone sind vielfach zu kleineren Gruppen, gleichsam nesterweise, gegen die Umgebung abgesondert, und ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich in ihnen Todaros »otricoli glandulari« sehe (s. S. 151). Ihre Struktur ist ganz übereinstimmend mit den »genetzten Zellen«, die Heidenhain (1911) aus den mittle- ren Epidermisschichten der embryonalen Hufanlage vom Rind schildert. Zeitfächrift f wissensch. Zoologie. Gl. Bd. 14 210 W. J. Schmidt, Das Cytoplasma zeigt bei erster Betrachtung (Fig. 31, Taf. IX, h mitt- lere Lage) einen schönen netzigen oder wabigen Bau. Geht man den Wabenzügen genau nach, so ergibt sich, daß die Netzwände in der Richtung ungefähr senkrecht zur Oberfläche der Haut verstärkt erscheinen : es heben sich aus dem Waben werk faserige Differenzierungen hervor, die Epithelfasern. Der Zusammenhang der Epithelfasern mit den die Zellen einsäumenden Brückenkörnern ist oft festzustellen. Auch wenn die Brückenkörner im Flachschnitt erscheinen, kann man beobachten, wie die stärkeren Fasern des Netzwerkes in sie eintreten. Demnach besteht nicht nur eine Verbindung der Zellen in der Richtung senkrecht zur Fläche der Haut, sondern auch seitlich, die allerdings gegenüber der ersten zurücktritt. In diesen Zellen ist also die Aus- differenzierung der Epithelfasern gegenüber der vorigen Lage schon weiter fortgeschritten. Die Zellen sind im allgemeinen durch schmälere Lücken von einander getrennt als in der tieferen Lage; die Brückenkörner sind kleiner geworden und liegen näher beieinander. Wo die Zelllücken außergewöhnlich weit sind (rechts in der Figur), treten dünne, fädige Verbindungen an Stelle der Brückenkörner. Noch deutlicher werden die Epithelfasern in den oberen, wieder stärker abgeplatteten Zellen des Rete Malpighii (& oben, Fig. 31, Taf. IX). Das netzige Aussehen ist geschwunden und nur die senkrecht zur Oberfläche gerichteten Faserzüge sind übrig geblieben. In dieser Schicht sind die Lücken zwischen den Zellen noch stärker verengt; sie werden von den Brückenkörnern eingenommen, die dicht aneinander schließen. Nunmehr folgt die Hornschicht, die derart von Eisenhämatoxylin geschwärzt ist, daß keine Einzelheiten mehr zu erkennen sind. 4. Sinnesorgane. Die Hautsinnesorgane von Phelsuma finden sich zahlreich über die Fläche der Lippenschilder zerstreut, zu 3 — 6 auf dem hinteren Teil der Rückenhöcker und zu 12 und mehr am Hinterrand der Bauchschuppen. Nur von den Sinnesorganen des Phelsuma laticauda gelang es mir, brauchbare Bilder zu erhalten (Fig. 32, Taf. IX). Bei den Bauch- schuppen nehmen die Sinnesorgane die Stelle ein, an der sich das Epi- thel von der Ober- auf die Unterseite der Schuppen umschlägt. Dec Deckel (D) des Hautsinnesorgans ist durch eine tiefe Ringfurche gegen die Umgebung abgesetzt, so daß das Organ nicht frei vorsteht, sondern vertieft in den Rand eingelassen ist. Im Bereich des lamellös aufblätternden Deckels tritt eine außerordentliche Verdünnung der Hornschicht ein, zum wenigsten gegenüber derjenigen der Oberseite der Studien am Integument der Reptilien. I. 211 Schuppe. Der Besatz von Cuticularhaaren»« setzt sich auf dem Deckel — mit Unterbrechung in der Kingfurche — fort ; in seiner Mitte trägt der Deckel eine lange, geschwungene Borste (B), das »Sinneshaar« der Autoren. Immer hatten sich die oberen kompakten Hornlagen mit- samt dem Deckel abgehoben. Auf diese folgten noch einige Horn- lamellen, darauf das Bete Malpighii, das in dieser Gegend nur eine einzige Zelllage erkennen ließ. In ihr finden sich unter dem Deckel einige Zellen, die durch ihre langgestreckte Form von der Umgebung abweichen (Äz). Es dürften die Sinneszellen des Organs sein. Diese Zellen sind wie die übrigen der Epidermis durch Brückenkörner be- grenzt, unterscheiden sich aber von den andern dadurch, daß an ihrem distalen Ende stark gefärbte Körnchen liegen. Obwohl es nun nahe liegt, auch diese Körnchen als Brückenkörner zu deuten, so muß doch diese Annahme mit einigem Vorbehalt geschehen, da ich bei Tarentola ähnlich gelegene Differenzierungen sah, die sich mehr von den Brücken- körnern unterscheiden und \delleicht als Sinnesstifte aufzufassen sind. Wie man ersieht, war das Organ auf dem vorliegenden Zustand der Epidermis nur wenig entwickelt und läßt keinen Vergleich mit den Stadien zu, wie sie nach Todaro in Textfig. C, S. 153 wiedergegeben sind. Bei der Besprechung der Sinnesorgane von Tarentola (s. S. 234) kommen wir nochmals auf einige Einzelheiten zurück. 5. Bindegewebiger Teil der Haut. Einer Abgrenzung von Schichten im bindegewebigen Teil der Haut bei Keptilien stehen gewisse Schwierigkeiten entgegen, wenn sie über eine Sonderung von Cutis und subcutanem Gewebe hinausgeht. Vielfach treten in der Haut die Chromatophoren sehr deutlich in Schich- tenanordnung hervor, wie es z. B. bei Phelsuma mit den oberen und unteren Melanophoren und Porphyrophoren der Fall ist. Da diese Elemente nicht an allen Stellen der Haut entwickelt sind — fehlen doch z. B. die Melanophoren bei Phelsuma auf der Bauchseite — und da ferner ihre Ausbildung bei verschiedenen Formen nicht unbeträchtlichem Wechsel unterworfen ist, dürfen sie auf eine Berücksichtigung beim Aufstellen einer allgemeinen 'Schichtenfolge nicht rechnen. Das gleiche gilt von andern Zellformen wie Guanophoren, Fett- und Bläschenzellen. Alle diese werden wir daher nur als Einlagerungen der Haut be- trachten, die sich in ihrer Verteilung dem Verhalten der faserigen, bindegewebigen Bestandteile fügen. Aber auch eine Scheidung dieser letzten ist nicht leicht: während hier das Corium deutlich in mehrere Lagen abgesetzt ist, erscheint es dort einheitlicher; was bei 14* 212 W. J. Schmidt, jener Form als mächtige Schicht auftritt, ist bei einer andern kaum aufzufinden, Unterschiede, die nicht zuletzt mit den verschiedenen Formen der Hautelemente zusammenhängen. Dabei ist auch zu bedenken, daß eine Unterscheidung von Schichten im Corium immer etwas gezwungenes hat, da es sich um gleichartige Bildungen handelt, die genetisch ein Ganzes darstellen, dessen Differenzierung vornehm- lich nach mechanischen Bedürfnissen erfolgte. Überall wohl lassen sich im Corium die tief gelegenen, dicht ge- fügten, parallel geschichteten, derberen Fasermassen, das »straffe Corium«, von den oberflächlichen, lockeren, senkrecht aufsteigenden, zarteren Bindegewebsfasern unterscheiden, die Maurer (1895) als »subepidermoidale Schicht« bezeichnet. Das straffe Corium gibt den Hautelementen Unterlage und Grundmasse; die subepidermoidale Schicht bewerkstelligt die Verbindung von Epidermis und Cutis und gewährt vornehmlich Einlagerungen Kaum. a) Schichten des Corium. Straffes Corium. Das straffe Corium von Phelsuma läßt bei höchster Differen- zierung drei Lagen, eine obere, untere und eine von diesen einge- schlossene Zwischenlage unterscheiden {K, o, z, u, Fig. 34, 35, 38, 40, Taf. X). Die beiden ersten sind weit mächtiger als die mittlere und verhalten sich färberisch gleich, jene dagegen ist durch abweichende Färbung ausgezeichnet, kann so gering entwickelt sein, daß sie nur wie die Grenze von oberer und unterer Schicht erscheint (Fig. 35) , aber auch als gesonderte Lage deutlich hervortreten (Fig. 34). Die untere Lage des straffen Coriums {K u, Fig. 34, 35, 38, 40, Taf. X) besteht aus fest aufeinander gepreßten, sehr gleichmäßig ge- schichteten, zur Hautoberfläche parallelen Binde gewebslamellen. Jede Lamelle ist aus gleichlaufenden Fasern zusammengesetzt, die sich intensiv mit Säurefuchsin färben. Von Lamelle zu Lamelle wechselt die Verlaufsrichtung der Fasern so, daß die benachbarter Lamellen sich diagonal überschneiden. Infolgedessen werden auf Schnitten die Fasern schichten weise wechselnd quer und längs getroffen. Das tritt aber erst bei stärkeren Vergrößerungen hervor, weil auch die Querschnitte, eng aneinander stehend, als Linie erscheinen. Die untere Lage des straffen Coriums ist oft von gleichmäßiger Stärke (Fig. 34, 35, 40, Taf. X), manchmal dagegen verdickt sie sich unter jedem Hautelement (Fig. 38, Taf. X). Gegen die mittlere Lage und gegen die Subcutis ist sie gut abgesetzt und zeigt als Ganzes betrachtet oft einen welligen Verlauf. Studien am Integument der Reptilien. I. 213 Die Zwischenlage des straffen Coriums {K z, Fig. 34, 35, 38, 40, Taf . X) färbt sich im Gegensatz zu den beiden andern intensiv mit Pikrinsäure, so daß sie schon bei schwachen Vergrößerungen kennt- lich wrd. Ihre mächtigste Entwicklung erreicht sie in der Haut des Schwanzes (s. Textfig. F S. 223), wo sie den beiden andern an Umfang gleichkommt; für gewöhnlich dagegen tritt sie bedeutend hinter ihnen zurück und kann sogar gänzlich fehlen (Fig. 41, Phelsuma laticauda Bauch), so daß das straffe Corium einheitlich erscheint. Sie besteht aus sehr feinen, in der Ebene der Haut verlaufenden Fasern, die sich in der angegebenen Weise färberisch von den übrigen Bindegewebs- fasern unterscheiden. Da Spuren gelber Färbung auch zwischen den Fasern bei den andern Schichten zu beobachten sind, wäre es nicht ausgeschlossen, daß die Zwischenlage nur eine besonders starke An- häufung einer auch sonst vorhandenen, von den roten Fibrillen diffe- rierenden Intercellularsubstanz darstellt. Die Anwesenheit der Zwischenlage ermöglicht die Haut in zwei Blätter zu spalten, deren eines die untere Lage des straffen Coriums mitsamt der Subcutis, deren andres die obere Lage, subepidermoidale Schicht und Epidermis um- faßt. Welchen Vorteil man aus diesem Verhalten für die Untersuchung der Haut ziehen kann, ist an andrer Stelle erörtert (s. S. 169). Die obere Lage {K.o., Fig. 34, 35 u. 38, Taf. X) des straffen Coriums zeichnet sich durch eine lockere und unregelmäßige Schichtung aus, die damit zusammenhängt, daß ihre Fasern zum Teil in die subepider- moidale Schicht einstrahlen. Zwar ziehen auch hier im basalen Teil der in Rede stehenden Lage (Fig.. 34) die Schichten der Fläche der Haut parallel, im Schnitt abwechselnd quer und längs getroffen, aber sie lassen sich nicht mehr auf größere Strecken verfolgen. Es beginnt hier ein Durch- einanderflechten der Fasern benachbarter Lamellen, das nach oben zu immer mehr zunimmt. Diese Lage macht gewöhnlich die Hauptmasse des Hautelementes aus ; nach oben grenzt sie an die subepidermoidale Schicht. Wir haben bis jetzt nur der faserigen Bestandteile des straffen Coriums gedacht; von den Zellen lassen sich nur die Kerne nachweisen. Sie sind spärlich zwischen die Fasern eingestreut, erscheinen auf Schnitten meist als Striche, dürften aber großenteils nicht spindelförmig sein, sondern platte Scheiben darstellen, wie ein Vergleich mit Flächenbildern lehrt. Die geschilderten parallelen Lagen — und überhaupt die ganze Cutis — werden von senkrecht aufsteigenden Faserbündeln (Leydig) durchsetzt. Sie sind bei allen untersuchten Phelsuma-Aiten vorhanden, aber in sehr wechselnder Zahl, immer häufiger im Corium der Rücken- als der Bauchhaut {S, Fig. 34, 35, 38, 41, Taf. X). Am leich- 214 W. J. Schmidt, testen sind sie in der unteren Lage des straffen Coriums nachzuweisen, weil sie durch die Durchkreuzung dieser regelmäßigen Lamellen auf- fällig hervortreten; in der oberen Schicht dagegen verlieren sie sich für die Untersuchung mit schwächeren Vergrößerungen. Eine genauere Prüfung zeigt, daß sie in die subepidermoidale Schicht eintreten und sich an ihrem Aufbau wesentlich beteiligen (s. u.). Die aufsteigen- den Bündel sind entweder einzelne Fasern oder mehr oder minder umfangreiche Bündel von solchen (s. Textfig. F, S. 223). Sie verlaufen nicht gerade, sondern etwas geschlängelt. Geht man ihrem Ursprung nach, so ergibt sich, daß sie aus der Cutis selbst stammen (nicht etwa aus der Subcutis) und nichts andres darstellen als Fasern, die vereinzelt aus den wagerechten Lagen rechtwinklig abbiegen und in die Höhe steigen. Dieses Abbiegen erfolgt gewöhnlich in den untersten Lamellen des straffen Coriums (s. Fig. 34, Taf. X), seltener in höheren Lagen, alsdann vor allem dort, wo Nerven oder Gefäße eintreten. Subepidermoidale Schicht und Epidermis -Cutis Verbindung. Die Faserzüge, welche die subepidermoidale Schicht ausmachen, sind teils die Endstücke der aufsteigenden Bündel^ teils Binde- gewebsfasern, die an der oberen Grenze des straffen Coriums sich aus diesen lösen und in die Höhe steigen. Beiderlei Fasern ver- halten sich gleich: sie streben gegen die Epidermis und setzen an die collagene Grenzlamelle an, welche das Epithel vomCorium scheidet. In übersichtlicher Weise tritt das Verhalten der subepidermoidalen Schicht an den Bauchschuppen von Phelsuma madagascariense schon bei schwacher Vergrößerung hervor {Sep, Fig. 35, Taf. X). Unter der Epidermis der Schuppenoberseite breitet sich eine Lage aus, die durch Büschel von Bindegewebe charakterisiert ist, die gleich Pinseln gegen die Epidermis gerichtet sind. Diese Büschel schießen zwischen den Bläschenzellen (Bz) hervor, deren Anwesenheit die eigentümlich bogige Begrenzung der subepidermoidalen Schicht bedingt. Die großen, zwischen den Fasern übrigbleibenden gelblichen Käume sind mit Guano- phoren erfüllt. Dicht unter der Epidermis zieht ein feiner roter Streifen her, die collagene Grenzlamelle, an welche die Fasern der Pinsel ansetzen. Ganz ähnlich verhält es sich bei den Höckern des Rückens (Fig. 34, 36, Taf. X). Bei stärkeren Vergrößerungen (Fig. 36, Taf. X) treten die Be- ziehungen der subepidermoidalen Lage zum straffen Corium und zur Epidermis deutlicher hervor. Man sieht, wie Fasern aus der oberen Lage des straffen Coriums steil aufbiegen, dicht zusammengedrängt Studien am Intogunient der Reptilien. I. 215 die Lücken zwischen den Bläschenzellen durchsetzen und sich dann zu feineren aufbündeln, die leicht geschlängelt senkrecht zur Epider- mis führen und hier in die collagene Grenzlamelle (L) übergehen. Die gleichen Verhältnisse zeigt noch deutlicher Fig. 39, Taf . X, welche ein Stück der Epidermis und subepidermoidalen Schicht aus einem Rücken- höcker von Phelsuma lineatum wiedergibt. Hier tritt der Ursprung der senkrechten aufsteigenden Fibrillen aus den angrenzenden Lagen des straffen Coriums noch überzeugender zu Tage, weil das Bild durch das Fehlen der Bläschenzellen vereinfacht ist. Gleichzeitig machen sich außer den senkrecht aufsteigenden Fasern noch dünnere, zumeist wagerecht verlaufende bemerkbar, die als Gespinnst die Guanophoren (G) umhüllen. Fig. 42 stellt das Gleiche von Phelsuma laticauda dar. Bei Phelsurna madagascarietise waren diese Querverbindungen weniger ausgesprochen. Den Abschluß der subepidermoidalen Schicht gegen die Epidermis bildet die »collagene Grenzlamelle« (Krauss). Dort, wo sie kräftig entwickelt ist, erscheint sie schon bei schwachen Vergrößerungen als feine rote Linie (Fig. 35, Taf. X), wie an den Bauchschuppen von Phelsuma madagascariense; ihre Dicke beträgt hier fast 4/«. An den Rückenhöckern der gleichen Art ist sie viel feiner und ebenso verhält es sich bei den andern untersuchten Formen. Am einfachsten gestal- ten sich die Verhältnisse bei geradliniger unterer Begrenzung der basalen Epithelzellen (Fig. 37, Taf. X): die Grenzlamelle bildet eine dünne, mit Säurefuchin stark gefärbte Lage von gleichbleibender Dicke (L), die scharf von den Epithelzellen (E) abgesetzt ist, Sie zeigt eine undeutliche, ih^-er Fläche parallel gehende Streifung, ein Hinweis auf ihre Zusammensetzung aus feineren Fibrillen. An ihrer Unterseite setzen die Fasern (F) der »Pinsel« an, indem sie zu schlanken Kegeln anschwellen. In den Kegeln läßt sich eine feine Fibrillierung erkennen. Sehr wahrscheinlich finden diese Fibrillen in die Grenzlamelle umbiegend ihre Fortsetzung. Ja es wäre denkbar, daß überhaupt die Grenzlamelle aus einer Aufsplitterung der empor- strebenden Fasern an der Epidermiscutisgrenze hervorgeht. Dafür sprechen auch bei Phelsuma laticauda beobachtete Zustände (Fig. 43, Taf. X). Die basalen Epithelzellen {E) sind hier zipfelförmig ausgezogen; an jeden Zipfel einer Epithelzelle schließt sich eine kräftige Faser (F) an, die ihn umhüllt und dann allseits weiter in die Grenzlamelle über- geht. Auch hier ist die Sonderung von Epithel und Bindegewebe überall vollkommen; nirgends lassen sich direkte Fortsetzungen oder Übergänge von Epithelfasern in Bindegewebsfibrillen wahrnehmen, sondern die Färbung hört scharf an den Enden der Zipfel auf, 216 W. J. Schmidt, Elastische Elemente. Die bisher geschilderten faserigen Bildungen der Cutis waren collagener Natur; neben ihnen kommen elastische Elemente in ziemlich reicher Entwicklung vor (Fig. 46, 47, 48, Taf . XI) ; ich habe sie nur bei Phelsuma madagascariense studiert. An Schnitten, die mit Weigerts Eesorzinfuchsin behandelt sind, ist der Unterrand des straffen Coriums von einer dunklen Linie ein- gesäumt, die sich bei genauer Untersuchung als eine dünne elastische Lamelle (e. L., Fig. 46, 47, Taf. XI) ergibt. Von ihr gehen elastische Fasern (e. F.) aus, welche die ganze Dicke der Cutis durchsetzen. An der Abgangsstelle einer solchen Faser wird die elastische Lamelle in der Form eines schlanken Hohlkegeis (K) in die untere Lage des straffen Coriums eingerefft, eine Folge des Zuges, den die elastischen Fasern auf die elastische Grenzlamelle ausüben. In extremen Fällen (Fig. 47 links, Taf. XI) kommt es dadurch zu starken Einschnü- rungen an der Unterseite des straffen Coriums. Die von der Grenzlamelle ausgehenden elastischen Fasern (e. F., Fig. 46, 47, Taf. XI), als Hauptfasern seien sie bezeichnet, streben leicht geschlängelt der Epidermis zu, indem sie die coUagenen Lagen senkrecht durchkreuzen. Dabei geben sie seitlich feinere Äste ab, die den Lagen des straffen Coriums parallel verlaufen, teils als Fasern streckenweise zu verfolgen sind, teils, quer getroffen, im Schnitt als Punkte erscheinen. Hier und da läßt sich feststellen, daß die Seiten- zweige mit andern Hauptfasern verschmelzen. In der unteren Lage des straffen Coriums scheinen Seitenzweige zu fehlen; hier sind die Hauptfasern oft dünner als in der oberen Lage. Bisweilen beobachtet man (Fig. 46, Taf. XI), daß eine der Hauptfasern sich in der oberen Lage in zwei oder mehr Stücke aufbündelt, die sich später wieder vereinigen. Das zeugt von ihrer feineren fibrillären Zusammensetzung, die sich in schönster Weise in den Endbüscheln {Eb, Fig. 47) offenbart: in der Nähe der subepidermoidalen Schicht angelangt, spalten sich die Hauptfasern in eine Anzahl feinerer Fäserchen auf, die pinselartig aus- einanderstrahlen. Bei Anwendung starker Vergrößerungen (Fig. 48, Taf. XI) sieht man, daß diese feinsten Fäserchen (e. F.) den Verlauf der Endpinsel der aufsteigenden Stränge {k. F.) teilen und in der Gegend der kegelförmigen Anschwellungen endigen. Sie erreichen somit kaum die collagene Grenzlamelle (L); in dieser selbst habe ich nie elastische Fasern wahrgenommen ; damit erscheint auch ein Zusammenhang zwischen elastischen Fasern und Epithelfasern ausgeschlossen. Studien am Integumenl; der Reptilien. I. 217 Vielfach schließen sich die Hauptfasern den coUagenen Fasern der aufsteigenden Bündel an; indessen schien mir, als ob andre auch allein verliefen. Die Verteilung der elastischen Fasern ist in den dorsalen Höckern ziemlich gleichmäßig; bei den platten Schuppen der Bauchseite da- gegen häufen sie sich nach dem Schuppenrand hin. b) Subcutis. Die bei Phelsuma sehr schwach entwickelte subcutane Schicht {Sk, Fig. 35, 38, 40, Taf . X) ist stellenweise kaum nachweisbar; ge- wöhnlich erscheint sie als eine sehr dünne (höchstens 8 fi) Lage, welche den Zusammenhalt von Haut und Muskulatur bedingt ; das intermusku- läre Bindegewebe bildet ihre unmittelbare Fortsetzung, Histologisch lassen sich in ihr bei starker Vergrößerung zwei Be- standteile unterscheiden, ziemlich feine Fasern und eine Zwischen- masse, die einen körnig wabigen Eindruck macht. Über den feineren Bau der letzten konnte ich hier nicht zu einem abschließenden Urteil gelangen. Es sei erinnert, daß bei GeckoUfis (Schmidt 1911) in ähn- licher Weise zweierlei Formbestandteile beschrieben wurden, die das Aussehen gröberer und feinerer Fibrillen darboten. Auch bei Lacerta sah ich in der Subcutis zwischen gröberen Fibrillen feinere Bildungen, die in einer späteren Mitteilung genau geschildert werden sollen. Hier mag der Hinweis genügen, daß es sich in der Zwischenmasse bei Phel- suma um etwas den vorhin erwähnten Verhältnissen ähnliches zu han- deln scheint. Die Fasern sind lamellös übereinander geschichtet und lassen bei dichter Lagerung nur wenig von der Zwischenmasse erkennen ; sie färben sich mit Säurefuchsin, die Zwischenmasse dagegen mehr mit Pikrinsäure oder Eisenhämatoxylin. Zwischen den Fasern Hegen spär- lich Kerne, die im Schnitt langgestreckt, in der Aufsicht aber rundlich aussehen, demnach platte Scheiben darstellen. c) Einlagerungen im bindegewebigen Teil der Haut. Zwischen den faserigen Elementen des bindegewebigen Teiles der Haut treten als Einlagerungen Melanophoren, Porphyropho- ren, Guanophoren, Xanthophoren, Bläschen-, Fett- und Mastzellen auf, die zum Teil und stellenweise Schichten bilden. Guanophoren, Xanthophoren, Porphyrophoren,Melanophoren haben im Abschnitt über das Farbenkleid eingehende Berück- sichtigung erfahren, so daß wir sie hier mit wenigen Worten erledigen können. 218 W. J. Schmidt, Die Guano phoren nehmen den größten Teil des Raumes ein, der zwischen den aufstrebenden Fasern der subepidermoidalen Schicht frei bleibt und bilden so eine gut ausgeprägte Lage, die auf die Oberseite der Hautelemente beschränkt ist, also auf der Unterseite der platten Bauchschuppen und zumeist in den Furchen zwischen den Rücken- höckern fehlt ; sie fallen bei von GiESONscher Färbung als eine gelbliche Zone auf (Fig. 34, 35, 36, 38, 40, 41, Taf. X). Die Schicht der Guanophoren stößt bei den Rückenhöckern nicht unmittelbar an die coUagene Grenzlamelle, sondern ist von ihr durch einen mehr oder minder schmalen Raum getrennt, der, bei allen unter- suchten Arten vorhanden, am besten bei Phelsuma madagascariense beobachtet werden konnte {X, Fig. 36, Taf. X). In dieser Zone liegen in mäßigen Abständen Kerne, die meist parallel zur Fläche der Haut abgeplattet sind. Die Abgrenzung der zugehörigen Zellkörper ließ sich nicht erkennen. Die scheinbar einheitliche feinkörnige protoplasma- tische Masse färbt sich schwächer mit Pikrinsäure als die Guanophoren. In ihr beobachtet man vereinzelte Körnchen der Porphyrophoren, die sich durch diese Schicht bis zur collagenen Grenzlamelle fortsetzen; die Hauptmasse ihres Pigments reicht allerdings nur bis zur oberen Kante der Guanophorenschicht. Bei den erwähnten (s. S. 204) hell- grünen Exemplaren von Phelsuma madagascariense waren in der uns interessierenden Schicht zahlreiche gelbe Körnchen, die so locker lagen, daß sie einzeln unterschieden werden konnten. Sie übertrafen an Größe diejenigen der grobkörnigen Guanophoren, waren nur ganz schwach doppelbrechend, und zeigten bei auffallendem Licht einen matten blauen Schimmer. Sie erwiesen sich als unlöslich in Säuren. Ohne diese Einlagerungen würde ich die Zellen ohne Bedenken Kellers (1895) Xanthophoren beim Chamaeleon homolog erklären, Zellen, die auch von Biedermann (1892, s. o.) beim Frosch festgestellt, über den Guanophoren gelegen und durch den Besitz von gelben Fettröpf- chen ausgezeichnet sind. Im Dauerpräparat ist natürlich von einem derartigen Inhalt nichts nachzuweisen i. Auch die Porphyrophoren können gehäuft vorkommen, so daß man von einer Schicht derselben sprechen kann, so bei Phelsuma mada- gascariense in den Rückenhöckern (Fig. 36, Taf. X). Auf der Bauch- seite dagegen sind sie zu spärlich, als daß von einer besonderen Lage 1 Thilenius (1896) gebraucht die Bezeichnung Xanthophoren in anderm Sinne, für hellbräunliche Melano])horen (bei Uromastix); im Interesse einer ein- deutigen Terminologie würde es sich empfehlen, mit Keller unter Xanthophoren Zellen mit einem gelben, an Fett gebundenen Farbstoff zu verstehen. Studien am Integument der Reptilien. I. 219 derselben die Rede sein könnte. Immer liegt ihr Zelleib über der oberen Lage des straffen Coriums dicht unter den Guanophoren; ihre Aus- läufer durchsetzen die Guanophoren- und Xanthophorenschicht und reichen bis zur Epidermis. Nie habe ich beobachtet, daß die Körper dieser Zellen in die Guanophorenschicht eingebettet waren, wie es nach den Abbildungen von Keller (1895) beim Chamaeleon, nach den von Thilenius (1896) bei Uromastix mit den homologen Melanophoren der Fall ist, so daß letzter Autor von einem den Zelleib umhüllenden »Guaninkorb « spricht. Die Melanophoren finden sich einerseits als »obere« in der oberen Lage des straffen Coriums (centrale und periphere Melanophoren der Rückenhöcker), anderseits als »untere« auf der Unterseite der tiefen Lage, hier als sehr gut ausgeprägte, wenn auch nicht überall vorhandene Schicht. Bläschenzellen. Der Bläschenzellen von Phelsum,a habe ich schon an andrer Stelle gedacht (Schmidt 1911). Es handelt sich um die von Cartier entdeckten, von Kerbert, Leydig, Todaro, Fraisse, Schmidt (s. S. 144 u. f.) bei den verschiedensten Geckoniden beschriebenen großen Ele- mente, die auf den ersten Blick Fettzellen ähneln, sich aber vor allem durch das chemische Verhalten ihrer Einschlüsse unterscheiden. Die Form dieser Zellen ist m.ehr oder minder kugehg (Taf. X, Fig. 36 Bz, Taf. IX, Fig. 32 a u. b), ohne Zweifel resultierend aus dem Binnendruck der Zellblase und dem Verhalten der Umgebung (Fig. 36), indem die Bläschen gegenseitiger Pressung und dem Druck des umhüllen- den Bindegewebes unterliegen. Ihr Kontur schmiegt sich im Leben sicherhch dem umhüllenden Bindegewebe unmittelbar an, am konser- vierten Material aber ist die Wand durch Schrum.pf ung wellig nach innen gebogen und damit von der Umgebung abgehoben. Die Größe der Bläs- chenzellen beträgt bei Phelsuma madagascariense durchschnittlich 20«. Die Zell wand ist als eine derbe Membran entwickelt. Vom Cytoplasma lassen sich in der Regel nur geringe Reste um den Kern herum nachweisen. Im übrigen ist es außerordentlich stark vacuoli- siert. Die Vacuolen sind zum Teil vollkommen geschlossene kreisrunde Bläschen (Fig. 33 a, unten rechts, Taf. IX); zum größeren Teil aber erscheinen sie nicht ganz voneinander getrennt zu sein, sondern stehen durch Öffnungen der Scheidewände miteinander in Verbindung. Bis- weilen sind diese Lamellen durch zahlreiche kleine Durchbrüche genetzt (Taf. X, Fig. 36, oberflächliche Wand der kugeligen Vacuole in der mit 220 W. J. Schmidt, JBz bezeichneten Zelle). So stellt das Cytoplasma dieser Zellen ein System von Kammern mit vielfach durchlöcherten Wänden dar, das mit Heiden- hain (1911) als tertiäres Strangwerk zu bezeichnen wäre. Auffällig ist die starke Färbbarkeit dieser Plasmalamellen und -fäden mit Eisenhäma- toxylin, ebenso ihr eigentümlich starres Aussehen. Der gewöhnlich in der Mitte, seltener seitlich gelegene Kern erscheint gleichsam durch dieses Wabenwerk im Zellraum aufgehängt; er ist im Verhältnis zum Umfang der Zelle klein, nur 4 /t groß, rundlich, und besitzt deutlichen kugeligen Nucleolus und spärliche, kleine Chromatinbröckchen. An den für die vorliegende Untersuchung gefertigten Präparaten war von einem Inhalt der Vacuolen nichts zu sehen. Indessen muß hervorgehoben werden, daß ich an anderem Material früher einen solchen feststellte, als eine in Alkohol und Xylol unlösliche, anscheinend ziemlich kompakte Masse. Über seine Natur kann ich mich beim Mangel frischen Materials nur in Vermutungen ergehen. Das morpho- logische Verhalten dieser Zellennähert sie sicherlich den Fett - Zellen. Da der Inhalt aber nach Todaro (s. S. 152) sich nicht mit Os- miumsäure bräunt und wenigstens zeitweise eine vom Fett abweichende Löslichkeit zeigt, so können sie nicht ohne weiteres als Fettzellen be- zeichnet werden, und ich möchte vorschlagen, den indifferenten Namen Bläschenzellen bis zur Feststellung der chemischen Natur der Ein- schlüsse beizubehalten (s. auch Schmidt 1911). Die Bläschenzellen finden sich an der Grenze von subepidermoidaler Schicht und oberer Lage des straffen Coriums (Fig. 36, Taf . X), so daß man zweifelhaft sein kann, welcher von beiden Schichten sie einzu- rechnen sind; so scheint es in Fig. 34 und 35, Taf. X besser, sie der subepidermoidalen Schicht zuzuzählen, während entgegengesetzt Fig. 38, Taf. X für ihre Zugehörigkeit zur oberen Lage des straffen Coriums spricht. Dieses verschiedene Verhalten hängt mit ihrer wechselnden Menge zusammen; sind sie zahlreich vorhanden, so verdrängen sie das zwischengelegene Bindegewebe bis auf geringe Reste, vornehmlich bis auf die senkrecht aufsteigenden Fasern, und damit nimmt die be- treffende Stelle mehr das Aussehen der subepidermoidalen Schicht an. Kommen sie dagegen nur vereinzelt vor, so verändern sie die wage- rechte Schichtung der Coriumlagen so wenig, daß deren ursprünglicher Charakter erhalten bleibt. Immer aber sind sie auf die obere Lage des straffen Coriums beschränkt; die untere ist stets frei davon. Wäh- rend so ihre Grenze nach unten nicht scharf festzulegen ist, reichen sie gegen das Epithel hin nie höher als bis zur Guanophorenschicht (bzw. zu den Porphyrophoren). Gewöhnlich liegen sie in einfacher, selten Studien am Integriment der Rei)tilien. I. 221 zweifacher Lage, so vor allem in den Bauchschuppen (Fig. 35, 41 Bz, Taf . X) ; in den hochgewölbten Höckern des Rückens, in denen sie mehr gegen die Tiefe der Haut vordringen (Fig. 38, 40, Taf. X) sind sie mehr- fach übereinander geschichtet und füllen in beträchtlichem Maße den Raum des Tuberkels. Fettgewebe. Anhäufungen von Fettzellen finden sich sehr regelmäßig zwi- schen unterer Lage des straffen Coriums und der Subcutis {Fz, Fig. 35, 38, 40, 41, Taf. X); hier dienen sie als eine Art von Füllgewebe (Fig. 35, 38, Taf. X) : da die Subcutis geradlinig verläuft, während das straffe Corium unter dem Hautelement sich in die Höhe wölbt, entsteht ein von faserigem Bindegewebe freier Raum, den eben die Fettzellen ein- nehmen. Außerdem treten sie gelegentlich in der Zwischenlage des straffen Coriums auf und können deren Umfang beträchtlich vergrößern (s. Textfig. F, S. 223). Die Fettzellen haben große Ähnlichkeit mit den Bläschenzellen, unterscheiden sich abgesehen vom Inhalt (s. o.) durch die periphere Lage des Kernes. Mastzellen. Mastzellen, die ich bei andern Sauriern ( Voeltzhoivia, Geckolepis) fand, konnte ich hier nicht mit gleicher Sicherheit feststellen. Aber es scheint mir, daß für gewisse Zellen mit körnigem Inhalt in der sub- cutanen Schicht und zwischen dem Fettgewebe keine andre Deutung übrig bleibt. d) Blutgefäße und Nerven. Zwischen der subcutanen Schicht und der unteren Grenze des straff en Coriums liegt ein Geflecht von Nerven und Blutgefäßen, das man am besten zu Gesicht bekommt, wenn man die Haut in der Zwischenlage des straffen Coriums spaltet und die untere Lage mit Delafields Hämatoxylin gefärbt als Totalpräparat untersucht. Da sieht man, daß die Nerven und Blutgefäße, zunächst gemeinsam, ein Netz von wechselnder Form und Größe der Maschen bilden, das schon bei Lupenvergrößerung kenntlich wird. Von den gröberen, etwa 80 fi dicken markhaltigen Nervenfasern gehen nun noch feinere ab, welche die Maschen des ersten Netzes mit noch engerem Geflecht ausfüllen. Das Geflecht gibt unter der Mitte eines jeden Hautelementes einen Zweig in die Höhe ab, der Nerven (A^) und Blutgefäße {B) enthält 222 W. J. Schmidt, (Fig. 34, Taf . X) ; oft von Pigmentzellen begleitet, durchbricht er senk- recht die Cutis und gelangt bis an die subepidermoidale Schicht. Hier scheint eine wenig reiche Verästelung einzutreten, die sich vornehmlich nach dem distalen Schuppenrand ausbreitet (Fig. 35, Taf. X). e) Anteil der Schichten am Aufbau der Hautelemente. Abgesehen von der Subcutis können sich alle Schichten der Haut an den Erhebungen beteiligen, welche die Hautelemente darstellen, Das geschieht aber in sehr verschiedenem Maße je nach der Form der Schuppenbildungen. An den flachen Höckern des Rückens, bei denen der bilaterale Bau eben ausgeprägt ist (Fig. 34, Taf. X) füllen die subepidermoidale Schicht und ein kleiner Teil der oberen Lage des straffen Coriums den Schuppenkörper. Aber schon bis zur unteren Lage hin läßt sich ein Aufsteigen der Faserlagen nach der Mitte des Höckers wahrnehmen, während die untere Lage selbst unmerklich von der Bildung des Tuberkels in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei zunehmender Verlagerung des Erhebungs- centrums der Schuppe nach hinten (Fig. 38, Taf. X) tritt der Anteil der subepidermoidalen Schicht an der Bildung der Erhebung schon zurück gegenüber der oberen Lage des straffen Coriums, die weitaus das meiste Material für den Höcker liefert. Gleichzeitig wird auch die untere Lage des straffen Coriums unter dem Höcker in die Höhe gezogen, so daß zwischen ihr und der an der Muskulatur haften bleibenden Sub- cutis ein Raum entsteht, den Fettgewebe einnimmt. Den Übergang zwischen diesen beiden Fällen stellt ungefähr Fig. 40 dar. Ganz ähnlich verhält es sich bei den flachen Schuppen der Bauchseite (Fig. 35, Taf. X) ; auch hier können die tieferen Hautlagen zur Bildung des Schuppenkörpers herangezogen werden. Besonders eigen ist diesen flachen Schuppen aber die Ausbildung eines Stranges, der sich etwa in ihrer Mitte von der oberen Lage des straffen Coriums abzweigt und zum distalen Schuppenrand verläuft (Fig. 35, 41, Taf. X). Unter ihm tritt eine Lockerung der regelmäßig geschichteten Lagen ein. "O Ö^ f) Präformierte Bruchstellen in der Haut des Schwanzes. Daß und wie die präformierten Bruchstellen in der Haut des Schwanzes äußerlich sichtbar sind, wurde schon früher angeführt (s. S. 172). Aus Schnitten (Textf ig. F, Phelsuma mad. ; Haut von der Ventral- seite des Schwanzes) ergibt sich, daß in der Epidermis keine vor- gebildeten Rißstellen vorhanden sind. Sie wird ja auch in den l^^urhcn Studien^am Integument der Reptilien. I. 223 zwischen den Höckern, bzw. im Schuppen winkel zersprengt (* in der Abbildung), wo sie aufs äußerste verdünnt ist. Dagegen finden sich in der Cutis eigenartige Strukturen, die als Verlötungsstellen der Cutisplatten benachbarter Urseg- mente aufzufassen sind (W. J. Schmidt 1910) und den glatten Bruch ermöglichen. Vor allem in der unteren Lage des straffen Co- riums, die dem Zerreißen den größten Widerstand entgegensetzen würde, sind sie kenntlich {p. B., Textfig. F): in einer etwa 80 /t breiten, die Bindeojewebslage senkrecht durchschneidenden Zone erscheint die ^.Z.- Ä^^ftl^^^^ — U.A. Textfig. F. Phelsunia madagascariense: Schnitt durcli den Hinterrand und die Wurzel zweier Schuppen auf der Ventralseite des Scliwanzes, die eine p r ä f o r m i e r t e Bruchstelle zwischen sich ein- schließen. Ep., Epidermis; Sep., subepidermoidale Scliicht; V.L., z.L., u.L., obere, Zwischen- und untere Lage des straffen Coriums (str.K.);' S, perforierende Stränge; p.B., präformierte Bruchstelle; *, Stelle, an welclier die Epidermis zerrissen wird. Vergr. 78fach. regelmäßige Schichtung der Fasern unterbrochen. Diese Stelle ist gegen ihre Umgebung beiderseits durch eine Anhäufung von Zellkernen abgegrenzt, die eine Reihe bilden. Eine schmälere und noch besser ausgeprägte Reihe von Zellkernen zieht mitten durch sie. Auch in den darüber gelegenen Schichten der Haut läßt sich diese Kernanhäu- fung, aber nur in einer einzigen Reihe, bis zum Epithel hin verfolgen. Während die erwähnte Zone der unteren Lage des straffen Coriums bei schwachen Vergrößerungen anscheinend homogen ist, erkennt man bei starken, daß sie aus sehr feinen Bindegewebsfasern besteht. Unter- sucht man eine solche Bruchstelle der unteren Lage am Flächenpräparat, so liegt ein Bild vor, das in allen wesentlichen Zügen dem seinerzeit von mir iurVoeltzkowia gegebenen (Schmidt 1911, Taf.XXIV, Fig. 36 u. 37) entspricht, aui: das hier verwiesen sein mag. Dort stellte ich fest, 224 W. J. Schmidt, daß der Riß in der mittleren Kernreihe erfolgt, während die seitlichen zur Bildung eines festeren Saumes führen, der ein Einreißen in andrer Richtung als in der Trennungslinie vereitelt. Im übrigen wird das Zerreißen der Haut des Schwanzes auch schon dadurch erleichtert, daß die obere Lage des straffen Coriums von Schuppe zu Schuppe unterbrochen wird, indem die mächtig entwickelte Zwischen- lage sich in den freien Schuppenrand einschiebt (s. Textfig. F). Damit sind übrigens Verhältnisse gegeben, wie sie bei Geckolefis am ganzen Körper wiederkehren, und die zum Teil die lockere Befestigung der Schuppen im Integument jener Form bedingen (W. J. Schmidt 1911). g. Cloakensäckchen und Sperrknochen des Peniskanals. Bei Männchen und Weibchen der mir vorliegenden Phelsuma- Arten tinden sich hinter der Cloakenspalte zwei kleine Schlitze, deren auch BouLENGER gedacht hat; es sind Ficalbis Cloaken- säckchen (s. S. 156). An Textfig. G ist ihre Lage zur Cloakenspalte {K. und den nur beim Männchen (s. S. 174 vor- handenen Höckern H.) zu er- sehen: man sieht zwei kleine, Textfig. G. schmale Öffnungen (S.), deren Phelmma dubium (5 : Lageverhältnis von Cloakenspalt, Längsrichtung nicht der (Ä), Cloakensäckchen (S) und Höckern (H). vergr. Cloakenspalte parallel Verläuft, ungefähr 7fach. '- _ _ _ sondern die mit ihren äußeren Enden etwa nach hinten weisen; ihre Entfernung ist etwas geringer wie die Breite der Cloakenspalte. Bei Phelsmna ynadagascariense, PJi. Uneatum und Ph. diibium ist die Länge der Spalten beim Männchen größer als beim Weibchen. Sie betrug beispielsweise bei Ph. madagascariense beim Männchen 1 mm, beim Weibchen wenig mehr als 0,5 mm. Von Phelsuma laticauda stand mir nur ein einziges, männliches Exemplar zur Verfügung; die Größen- verhältnisse der Spalten in beiden Geschlechtern dürften sich aber nach den Erfahrungen bei den übrigen Species ähnlich verhalten. Außerdem erscheint die Öffnung bei den Männchen mehr spaltförmig (Textfig. H^) bei den Weibchen weiter und mehr eingesunken (Textfig. 7/2). ^Dieser Unterschied hängt damit zusammen, daß der Hinterrand der Spalte beim Männchen mehr oder minder als vorgewulstete, hocke- Studien am Integument der Reptilien. I. 225 rige Lippe auftritt (Textfig. H^), indem die Innenwand des Säckchens zutage kommt, dessen Mündung der Spalt darstellt. Umfano- und Form des Sack che ns ergibt sich aus einem Längs- schnitt (Textfig. J). Das Säckchen (Ä) ist eine Einstülpung der Haut H. Phelsuma duhium. Textfig. Hl und H^. 1. Cloakensäckflien des c^, i. des Q. V'crgr. ungefähr 20fach. zwischen zwei Schuppen, an der sich zwei Teile unterscheiden lassen, ein senkrecht zur Haut verlaufender Eingangskanal von einer Durchschnittsweite von 80 n und ein gegen diesen rechtwinklig an- o.l.ötrH. Jfm. Textfig. J. Phelsuma lineatum Q . Längsschnitt durch die Cloakengegend. K., Cloake, Km., Cloakenmuskulatur; S.,Cloakensäckchen; M., an das Cloakensäckchen ansetzende Muskulatur; Ep., Epithel; o. L., str. K., obere Lage des straffen Coriums; u.L.str.K., untere Lage desgl. Vergr. 42fach. gesetzter, nach hinten umbiegender, also mit der Haut parallel ver- laufender Abschnitt; die Länge des letzten, der im Schnitt nicht in voller Ausdehnung erhalten ist, beträgt 400 ^l bei dem abgebildeten weiblichen Exemplar von Phelsuma lineatum. Die epitheliale Auskleidung des Säckchens zeigt keine wesent- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 15 226 , W. J. Schmidt, liehe Abweiehung von dem übrigen Integument; sie ist nur viel dünner, bestellt aus einer Lage von Zellen des Stratum Malpighii, über dem stellenweise abgeplattete Kerne, überall wenige dünne Hornlamellen sichtbar sind. Die äußerste dieser Lamellen trägt » die Cuticularhärchen« , die auch sonst die freie Fläche des Integuments auszeichnen; sie ist nicht glatt, sondern in vielen kleinen Buckeln vorgewölbt. Von den übrigen Schichten der Haut beteiligt sich an der Bildung des Säckchens nur die untere Lage des straffen Coriums {u.L.str.K.), welche die epidermoidale Auskleidung als dünne Bindegewebshülle umgibt. Die obere Lage des straffen Coriums dagegen wird nicht wie jene vom Säckchen ausgebuchtet sondern durchbrochen. Beide Schich- ten sind hier durch die mächtig entwickelte Zwischenlage, die zahlreiche Fettzellen enthält, weiter voneinander abgehoben. Vom Boden des Säckchens verläuft ein Bündel dünner quergestreif- ter Muskelfasern nach hinten (M). Sollten sie hier wirklich ihre Ansatz- stelle haben, dann würde bei ihrer Kontraktion eine Vertiefung des Cloakensäckchens, bzw. ein Einziehen des ausgestülpten Organs ein- treten. Daß ein Ausstülpen bis zu gewissem Grade denkbar ist, scheinen mir die vorgewulsteten Lippen anzudeuten. Damit nähern wir uns der Fragenach der Funktion desCloaken- säckchens. Die unveränderte Beschaffenheit seiner epithelialen Auskleidung gegenüber der Epidermis der Körperoberfläche könnte zur Ansicht führen, es handle sich um eine in Reduktion begriffene Bil- dung. Indessen wäre ja nicht ausgeschlossen, daß zur Brunstzeit eine Degeneration von Epithelzellen nach Art des Vorgangs in den Schenkel- poren einträte und dabei eventuell Riechstoffe erzeugt würden, die zur Anlockung der Geschlechter führen. Eigenartig ist, daß nach Wie- DERSHEiM (s. S. 145) bei PhyUodactylus nur das Männchen Cloaken- säckchen hat. Möglicherweise ist daher die kleinere Ausbildung des Organs beim Weibchen von Phelsuma als Beginn der Rückbildung aufzufassen. Es scheint sich um eine bei den Geckoniden weiter ver- breitete Einrichtung zu handeln; auch bei dem den Geckoniden nahe- stehenden Uroflates jitnbr latus finde ich sie. Hier mögen noch einige Notizen über den zweiten von Wieders- HEiM (s. S. 145) bei PhyUodactylus entdeckten nierenförmigen Knochen, den Sperrknochen des Peniskanals will ich ihn bezeichnen, Platz finden, obwohl er kein Hautknochen ist, sondern unter der Haut liegt. Auch er scheint nicht nur bei dieser Ai't oder diesem Genus vorzu- kommen, sondern manchen Geckoniden eigen zu sein; finde ich ihn doch sowohl bei Phelsuma als auch bei Tarentola. Seine Form und Studien am Integument der Reptilien. I. 227 Lagebezeichnung zur Cloakenspalte gibt Textfig. H^ für Phelsuma madagascariense, H^ für Phelsuma diibium wieder. Daß es sich trotz der Formanpassung um eine von dem Cloakensäckchen unabhängige Bildung handelt, geht daraus hervor, daß er dem Weibchen fehlt, das aber, wie oben gesagt, ein, wenn auch kleineres Cloakensäckchen be- sitzt. Seine Funktion scheint mir Wiedersheim richtig gedeutet zu haben mit der Annahme, er presse durch Muskelwirkung bei ausgestülp- tem Penis den Kutenkanal zusammen, versperre dem Penis so den Rückweg und verleihe ihm dadurch Halt. ^1 K, Textfig. K. Sperrknoclien (0) des Penis; 1 rechter von Plflsuma madagascariense, 2. linker von Phels. dubium; Ks., gibt die Lage der Öffnung des benachbaiten Cloakensäckchens an. Vergr. 25fach. D. Das Integument von Tarentola. Entgegen der Haut von Phelsuma ist, wie aus dem Abschnitt Historisches (s. S. 142) hervorgeht, das Integument von Tarentola mauritanica schon oft untersucht worden. So kann ich mich denn in der Darstellung kürzer fassen, zumal auch manches bei Phelsuma Gesagte wiederholt werden müßte. 1. Hautrelief. Nach SoKOLOwsKY (1899) bilden unregelmäßig große Körner- papillen die Grundlage der Haut des Rückens. Auch diese Be- hauptung SoKOLOwsKYs (vgl. S. 158) zeigt, daß die Form der Hautele- mente sicher nur an Schnitten erkannt werden kann; solche ergeben aber, daß die Körner nicht radiärsymmetrische sondern bilaterale Hautelemente sind (Fig. 56, Taf. XII), Schüppchen, die cranial langsam ansteigen, distal ziemlich steil und sogar etwas überhängend abfallen. Auch Ottos (1908, Textfig. 25) Bild läßt das imzweifelhaft hervor- treten, obwohl er im Text von polygonalen Hornschildern spricht. Zwischen diesen Schüppchen machen sich nun »stark ausgeprägte, 228 W. J. Schmidt, gekielte Zapfenpapillen« bemerkbar, die »dornartig abstehen« (Sokolowsky). Unsre Textfig. L^ gibt ein solches Hautelement wieder. Es sind Gebilde mit kreisförmiger oder elliptischer Basis, welche an Durchmesser die kleineren Elemente wohl ums zehnfache übertreffen mögen. Wie jene steigen sie cranial langsam an und fallen distal, ungefähr senkrecht, ab, wie auch der Schnitt (Fig. 57, Taf. XII) beweist. Median verläuft auf ihnen ein stark ausgesprochener Kiel, der etwa im ersten Drittel beginnt und bis zum höchsten Punkt, dem Hinteirand, reicht; an seiner Bildung sind Epidermis und Cutis beteiligt. L^ \ L, C Textfig. L. Tan-nlola mauritanH-a: Große Hautelemente 1 von der Mitte, 2 von den Seiten des Rumpfes. Diese eigentümlichen Schuppengebilde sind auf dem Kopf, gleich- sam noch in Entwicklung begriffen, vorhanden. Seine Oberseite ist abgesehen von den beschilderten Lippen mit flachkuppeligen, poly- gonalen Schildern bedeckt, die an Größe den Zapfenhöckern des Rückens nahestehen und meist gleich diesen Kiele tragen. Ihr Übergang in die großen Rückenhöcker läßt sich schrittweise verfolgen. Zwischen den großen Schildern des Kopfes liegen zerstrevit kleinere, welche in den ent- sprechenden des Rückens ihre Fortsetzung finden. Nach den Seiten des Körpers zu erfahren die großen Höcker des Rückens eine weitere Komplikation ihres Baues (Textfig. L2), deren Sokolowsky mit den Worten Erwähnung tut, »daß sich die Körner- papillen, welche die Zapfenpapillen umgeben, gleichfalls in Form eines Kranzes zapfenartig erheben und um dieselben stellen, sie zwischen sich fassend«. Wie unsre Abbildung erkennen läßt, treten mehrere dicht beieinander gelegene Zapfenhöcker zur Bildung eines zusammen- gesetzten Hautelementes in nähere Beziehung miteinander. Einem mittleren »Haupthöcker« sind seitlich kleinere angegliedert, wie jene mit Kielen versehen. Um sie herum vermitteln größere, ebenfalls noch gekielte Schüppchen den Übergang zur Umgebung, vielfach wallartig Studien am Integument der Reptilien, 1. 229 gegen sie abgesetzt. So kommt ein sehr breites, zusammengesetztes Gebilde zustande. Oft kann man auf den großen Höckern von der Basis zur Spitze zusammenstrahlende Riefen beobachten. Die geschilderten großen Elemente des Rückens stehen in Längs- und Querreihen; jede Querreihe entspricht einem Segment (einer Rippe), Das tritt am schärfsten im Schwanzabschnitt hervor. Jedes Hautsegment zeigt hier dorsal kleine lanzettförmige, gekielte Schüppchen, deren Größe von vorn nach hinten zu im Segment zu- nimmt und in den großen, den Rückenhöckern entsprechenden, aber mehr dornförmigen, am Hinterrand angeordneten Elementen seinen Höhepunkt erreicht. Nach dem Schwanzende zu verschwinden die Hcicker allmählich. Abgesehen von den Unterkieferschildern trägt die Ventralseite platte, in diagonalen Reihen angeordnete Schüppchen mit gerundetem hinteren Rand, Sie sind am kleinsten in der Kehlgegend, am größten am Bauch. Hier decken sie sich etwas in cranio-caudaler Richtung, wie aus Fig. 58, Taf. XII hervorgeht; auch eine seitliche Deckung besteht in geringem Maße. Die Unterseite des Schwanzes ist mit platten, hier und da querverbreiterten Schuppen bedeckt. Die Beschuppung der Extremitäten ähnelt dorsal derjenigen des Rückens; der Unterarm der Vorderextremität trägt die großen Höcker in der einfacheren Form, wie sie in der Mitte des Rückens aus- gebildet sind. Ober- und Unterschenkel der hinteren Gliedmaße dagegen mehr die zusammengesetzten. Im übrigen sind die Extremitäten dorsal mit platten, stark gekielten Schuppen besetzt; ventral nähert sich ihr Hautrelief dem der Bauchseite, Dem regenerierten Schwanz fehlen die Querreihen der Tu- berkel und die Abgrenzung der Hautsegmente. Schenkel- oder Analporen fehlen; dagegen findet sich hinter der Cloakenspalte bei beiden Geschlechtern ein auch von Boulenger (1885) erwähntes Paar von Schlitzen, die Cloakensäckchen, die FiCALBi (s. Histor. S. 156) hier zum ersten Male genauer untersucht hat. Boulenger schließt seine Charakteristik des Genus Tarentola mit dem Satze: »I am not able to distinguish the sexes externally«. Bei dem mir vorliegenden männlichen Exemplare findet sich an der Schwanzwurzel, ventral, seitHch und etwas hinter der Cloakenspalte jederseits eine Vorwölbung, welche an die bei Phelsuma geschilderten Höcker erinnert (s. S. 174); sie ist weniger ausgeprägt wie dort, stimmt aber mit jener darin überein, daß es sich um eine Gruppe weniger kuppeli- 230 W. J. Schmidt, ger Schuppen handelt, die aus der Umgebung hervortritt. Vielleicht dürfte ein reichlicheres Material sicherstellen, daß hiermit ein Ge- schlechtsmerkmal gegeben ist. 2, Farbenkleid. BouLENGER (1885) Schildert die Färbung von Tarentola mauri- tanica folgendermaßen: oben graubraun, mehr oder weniger ausgeprägt marmoriert mit helleren und dunkleren Flecken; ein mehr oder minder deutlicher dunkler Streifen jederseits am Kopf durchs Auge. Die beiden mir vorliegenden erwachsenen Exemplare verhalten sich ziemlich abweichend: das Weibchen ist einfarbig graubräunlich auf dem Rücken, auf der Bauchseite weiß ; das Männchen erscheint viel dunkler, auf dem Rücken schwärzlich, mit hellen medianen Flecken; sein Schwanz ist abwechselnd hell und dunkel gebändert, seine Unter- seite weißlich mit bräunlich-schwarzen Tupfen. Schon Vallesnieri erwähnt 1750 (zitiert nach von Rynberk 1906), daß der Gecko einen allenfalls wenig ausgesprochenen aber deutlichen Farbenwechsel zeigt, eine Behauptung, die Leydigs (s. S. 146) und Gadows (1909) Beobachtungen bestätigen; auf ihn müssen wir den Unterschied zwischen den beiden eben beschriebenen Exemplaren zurückführen : bei dem ersten ist das Melanophorenpigment in die Tiefe der Haut zurückgezogen, bei dem zweiten dagegen war eine extreme periphere Verteilung der Melaninkörnchen in den Ausläufern vorhan- den, wie eine Prüfung dieser Verhältnisse zeigte. Bei der Untersuchung eines Totalpräparates der Rückenhaut lassen sich nach Entfernung der Guanophoren mit Säuren drei nach Lage, Form und Färbung verschiedene Arten von Melanophoren unterscheiden, der Epidermis, der Subepidermis und den tieferen Lagen des straffen Coriums und der Subcutis angehörige. Von diesen sind die epidermoidalen Melanophoren die klein- sten; sie erscheinen hellbräunlich im Totalpräparat. Aus Schnitten geht hervor, daß sie in der MALPiGHischen Schicht und zwar in der Höhe der basalen Cylinderzellen gelegen sind und ihre Ausläufer in die Zelllücken des Epithels entsenden. Der immer nur in Einzahl vorhan- dene Kern dieser Zellen ist ziemlich groß und rundlich; die Pigment- körnchen sind spärlich. Bisweilen begegnet man diesen Zellen dicht unterhalb der Epidermis, indem der Körper noch in der Cutis, die Aus- läufer schon in der Epidermis sich befinden. Sie zeigen an, wie sich in embryonaler Zeit die Einwanderung der Chromatophoren ins Epithel vollzogen haben mag. Epidermoidale Chromatophoren sind von zahl- Studien am Integument der Reptilien. I. 23 1 reichen Eidechsen bekannt (vgl. Kerbert 1876, Todaro 1878, Maurer 1895, Thilenius 1896, Krauss 1905). Bei Tarentola kommen sie nur in der Haut des Rückens vor. In der subepidermoidalen Schicht liegen große schwarze Melanophoren {M, Fig. 56, 57, Taf. XII), deren rundHcher Zellkörper (Fig. 54a, Taf, XII) nach oben hin zahlreiche verästelte Ausläufer ent- sendet, die bis zur Epidermis reichen. Diese Zellen sind stark mit dunkel- braunen Pigmentkörnchen erfüllt, die viel größer sind als in den Me- lanophoren der Epidermis. Der infolgedessen schwer nachweisbare Kern — ob mehrere vorhanden sind, konnte ich nicht feststellen — liegt in der Basis der Zelle ganz wie in den Porphyrophoren von Phel- suma, denen die hier besprochenen Elemente wohl gleich zu setzen sind. Die Melanophoren der subepidermoidalen Schicht sind zahlreich auf der Rückenseite, kommen ventral aber nur zerstreut, vornehmHch in der Kehlgegend und an den Seiten des Bauches vor. Sehr hübsche und eigenartige Bilder zeigten diese Melanophoren in der Kehlgegend bei den verschiedenen Zuständen der Pigment- verteilung (Fig. 54). Bei peripherer Anordnung des Pigmentes (c) erscheinen die Zellen als hellbräunliche, reichverästelte Gebilde (die Figur stellt nicht einmal einen extremen Fall dar!). Wird das Pigment in der Mitte zusammengeballt, so kann die Entleerung der Ausläufer unregelmäßig vor sich gehen (&), derart, daß einige nur noch ganz kurze Strecken sichtbar sind, während die andern noch viel weiter Pigment- körnchen, allerdings in geringer Zahl, enthalten. Sonderbar ist, daß die Ausläufer vielfach nicht gerundet, sondern quer abgeschnitten zu enden scheinen. Manchmal ist dort, wo pigmentreicher und pigmentarmer Teil eines Astes aneinander stoßen, eine bedeutende Verschmälerung des Querschnittes am letzten sichtbar, die auf die Verminderung des Vo- lumens durch die abgeströmten Körnchen zurückzuführen ist. Sehr instruktiv zeigen die Figuren auch, wie mit der zunehmenden Über- einanderlagerung der Pigmentkörnchen die Farbe der Zellen aus Hell- braun in Schwarz übergeht. Die dritte Art von Melanophoren Hegt unter den Verknöche- rungen im straffen Corium und auch in der Subcutis. An Quer- schnitten durch die Haut ist nicht viel an ihnen zu erkennen, da sie sehr stark abgeplattet sind. Am besten untersucht man sie an Totalpräparaten der Haut, die die Innenfläche dem Objektiv zukehren. Die Zellen besitzen nur spärliche Pigmentkörnchen und erscheinen daher hellbraun. Ihr Zellkörper ist klein, ihre Ausläufer sind im Ver- hältnis dazu groß und passen sich in ihrem Verlauf ersichtlich der 232 W. J. Schmidt, Faserrichtung des umgebenden Bindegewebes an. In manchen der Zellen ist die Sphäre als ein kleiner heller Punkt, umgeben von einer Ansammlung von Pigmentkörnchen, deutlich ei'kennbar. Die Zellen liegen stellenweise sehr dicht und scheinen mit ihren Ausläufern zu einem Netz zu verschmelzen. Tarentola gewährt infolge der außerordentlich dichten Schichtung des Guanins keinen Einblick in die Form Verhältnisse der Guanopho- phoren. Dorsal, wo sich die Guanophoren auch zwischen den Schuppen vorfinden, zeigt das Guanin bei auffallendem Licht gelblichweiße Farbe. Durchfallende Beleuchtung ist selbst an aufgehellten Haut- stücken bei der dichten Lagerung kaum zu erzielen; die Farbe wird alsdann schmutzig graubraun. Die Bauchseite erscheint durch die Guanophoren weiß mit gelblichem Schimmer, bei durchfallender Be- leuchtung schmutzig gelblich-braun. Weder auf der Eücken- noch auf der Bauchseite kamen, sei es bei durchfallendem oder auffallendem Licht, rote, gelbe, blaue usw. Farben zur Beobachtung. Vielmehr verhalten sich die Zellen wie die Leucophoren von Phelsuma und sind wie diese durch eine sehr grobe Körnung ausgezeichnet. Es ist somit nicht von der Hand zu weisen, daß das Auftreten der Spektral- farben an eine bestimmte Größe der Guaninkörnchen gebunden ist (s. Phelsuma, S. 195). An Schnitten bieten sich die Guanophoren ähnlich wie bei Phelsuma dar und hier ist im basalen Abschnitt der Zellen der Kern nachweisbar (Fig. 55, Taf . XII) ; nach dem Epithel zu entsendet der basale Zellteil verästelte Ausläufer. Bei hinreichend langer Einwirkung von Säuren wird der Guanin- kalk vollkommen gelöst und man erhält dann sehr brauchbare Prä- parate zum Studium der vorstehend erörterten Melanophoren. Bei einigen Schnittpräparaten, in denen die Verknöcherungen entkalkt waren, blieben stellenweise die Guanophorenkörnchen erhalte;i, ein Verhalten, das ich bei Phelsuma nie antraf. Das Farbenkleid des Geckos ist somit viel einfacher als das von Phelsuma; die Grundfarbe wird von den Guanophoren geliefert und erscheint je nach dem Expansionszustand der Melanophoren der sub- epidermoidalen Schicht heller oder dunkler ; indem diese an umgrenzten Stellen in Tätigkeit treten, bewirken sie die dunklen Zeichnungen auf dem helleren Grund. Die unter den Verknöcherungen gelegenen Me- lanophoren spielen wegen ihrer tiefen Stellung in der Haut keine Rolle beim Farbenwechsel. Studien am Integument tler Reptilien. I. 233 3. Epidermis. Obwohl mein Material nicht so reichhaltig ist, um die detaillierten Angaben Todaros über den Häutungsvorgang nachzuprüfen, kann ich doch einige Mitteilungen über die Epidermis im allgemeinen nicht unterdrücken, die zur Klarlegung des Baues der Sinnesorgane nötig sind. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf ein junges in Eisessigsublimat konserviertes Tierchen von etwa 5 cm Länge. Textfig. M gibt einen etwas schematisierten Schnitt durch die Epidermis (einer Bauchschuppe) wieder, die kurz vor dem Abwerfen der oberen Epidermisgeneration (o. G.) steht. Das Stratum Mal- pighii besteht aus einer einfachen, basalen Zellage(*.) mit kugeligen Kernen, in der die Abgrenzung der einzelnen Zellen nicht deutlich war, und einer äußeren Lage (a.), die ein- bis zweischichtig ist; in ihr sind die Zellen schon stark abgeplattet, wie aus den langgestreckten Kernen hervorgeht. Hier werden , „ ,^ auch die Zellgrenzen als feine, durch die Brücken- körner bedingte Punktlinien sichtbar. Alsdann folgen nach außen etwa zwei Schichten platter Zellen {"p.Z.), in denen der Verhor- nungsprozeß schon stark ein- gesetzt hat: die Zellen be- m ^c- nn ^_ _ _ Textfig. M. sitzen schembar sehr dicke gcluütt durch die kurz vor der Häutung stellende Epi- Wände die nichts andres (lermis einer jungen Tarentola mauritanica, scliematisiert, ' 1 1 /l ■ TT 4-' i., innere, a., äußere Lage des Stratum Maliiigliii; p.^T., ab- sind als der m Keratin Umge- geplattete, in Verhornung begriffene Zellen; i.H., innere wandelte periphere Teil des Häutungszeilen; a.H.,äul3ere Häutungszellen; /., lockere, r/ ^^ -I 'L 4- 17 i., feste Hornschicht; Ä'., Kutikularhaarc der jungen, A, der ZelleibeS, verhorntes EXO- ^^^^^ Epidermisgeneration. Vergr. etwa lOOOfach. plasma, um mit Studnicka zu reden. Diese Schicht hebt sich besonders an Präparaten, die mit Delafields Hämatoxylin und Orange G gefärbt wurden, durch ihren lebhaft gelbbräunlichen Ton von dem bläulichen Stratum Mal- pighii ab. Der periphere verhornte Teil ihrer Zellen zeigt eine feine Querstreifung, bei welcher der Abstand der einzelnen Streifen etwa dem der Brückenkörner in den tieferen Zellagen entspricht; sie wurde schon von früheren Autoren (z. B. Cartier, Todaro) geschildert. Diese Querstreifen färben sich stark mit Eisenhämatoxylin. Man dürfte wohl nicht fehlgehen, wenn man in ihnen die in die Hornmasse eingebetteten 234 W. J. Schmidt, Plasmafasern sieht. Das Innere der abgeplatteten Zellen ist noch mit unverändertem Protoplasma, Endoplasma erfüllt, das sich manch- mal von den Kernen durch Schrumpfung abgehoben hat, so daß diese in einer »Kernhöhle« liegen. Weiter nach außen machen sich die neu- gebildeten Borsten (h'.) bemerkbar; auch sie gehen meiner Ansicht nach aus Plasmafasern hervor, wie bei den Sinnesorganen noch ausführlicher begründet werden soll. Von welcher der beiden Lagen einschließender Zellen mit stark abgeplatteten Kernen die Cuticular- haare entstehen, kann nach den mir vorliegenden Präparaten nicht mit Sicherheit entschieden werden. Indessen dürfte nach den neueren Untersuchungen von H. R. Schmidt (s. S. 161) zu urteilen, die innere Lage der Borstenbildungszellen {i. L.) die Basis darstellen, in welche die Borsten eingepflanzt sind, während diese ihren größten Teil nach der äußeren Lage {a. L.) angehören. Das Protoplasma der äußeren Borstenzellen ist stellenweise stark vacuolisiert und enthält Körn- chen, die ich nach früheren Erfahrungen (W. J. Schmidt 1911) als Keratohyalin deuten muß. Die abzuwerfenden Lagen der alten Epidermisgeneration bestehen aus der lamellösen, lockeren Horn- schicht (/.) und der kompakten Hornschicht (k.), w^elche die Cuticular- haare trägt. Es sei hervorgehoben, daß bei den Geckoniden — wie insbesondere aus dem Verhalten der Haftborsten an den Zehen hervorgeht — die Ablösung der alten Epidermisgeneration genau genommen nicht durch ein Abheben zweier Zellschichten voneinander vor sich geht, sondern gewissermaßen auf der Spaltung einer Zellschicht beruht: der den Kern umschließende Teil der oberen Häutungszellen wird mit abgeworfen, der untere Teil der Zelle dagegen persistiert wenigstens teilweise in den neugebildeten Borsten. So glaube ich auch Todaeos Degene- ration der Zellen des »strato glanduläre« verstehen zu müssen (vgl. S. 152). 4. Sinnesorgane. Die Untersuchung der Sinnesorgane von Tarentola mauritcmica hat mich zu einem Ergebnis geführt, das in mehr als einem Punkte von Todaeos Darstellung abweicht. Ich schildere die Verhältnisse nach dem Befund an dem jungen Exemplar, dessen Epidermis kurz vor dem Abwerfen der oberen Gene- ration stand und vorstehend beschrieben wurde, und zwar schreite ich von der Tiefe der Epidermis zur Oberfläche vor, bespreche also zunächst das neue Or»an. Studien am Intcgument der Reptilien. 1. 235 Im Stratum Malpighii ( Str m, Fig. 65, Taf . XII) macht sich unter der Stelle, die auf der freien Fläche der Haut durch den borstentragen- den Deckel gekennzeichnet ist, eine Ansammlung von Kernen bemerk- bar. Die Form der Kerne ist bald rundlich, bald länglich; ihrer Lage nach sind sie der basalen Zellschicht des Stratum Malpighii einzurech- nen. Nur in einigen Fällen gelang es mir, den Umriß der zugehörigen Zelleiber festzustellen : es handelt sich um schlanke Zellen, deren distales Ende verschmälert ist und die mit diesen Enden nach einem mittleren Punkt zusammenneigen {Sz.). Diese Stelle trat verschiedenthch bei Färbung mit Delafields Hämatoxylin dunkel hervor, vielleicht weil die dicht zusammengedrängten Endstücke der in Rede stehenden Zellen besonders differenziert sind. Zweifelsohne sind diese Zellen den bei Phelsuma (Fig. 32, Taf. IX) als Sinneszellen gedeuteten gleich. Wie dort konnte ich bisweilen ihre Grenzen durch Brückenkörner ge- trennt wahrnehmen. Zwischen dem Deckel des neuen Organs {B{) und den Sinneszellen {Sz.) verbleibt ein schmaler Raum, welcher der äußeren Lage des Stra- tum Malpighii gleichwertig zu erachten ist. Auch der Deckel selbst ist wohl noch dieser Lage angehörig; denn er hebt sich durch seine hellere Färbung (Fig. 65 und 66, Taf. XII) von den darüber folgenden in Verhornung begriffenen Zellen ab. Es scheint, als ob die Schicht dieser letzten Zellen über dem Deckel fehlt. Im Schnitt bietet sich der Deckel als eine Platte von ziemlicher Dicke dar, deren Mitte als flache Kuppel vorgewölbt ist. In dem in solcher Weise abgesetzten Randteil ist jederseits der kreisförmige Querschnitt eines Kernes sichtbar. Durch höheres und tieferes Einstellen mit der Mikrometerschraube auf diese beiden Kerne ergibt sich, daß sie gegeneinander gekrümmt sind, so daß sie zusammen einen Ring bilden. Textfig. N gibt in vereinfachter Weise die Ansicht des Deckels von der Seite und von oben. Eine zen- trale Durchlochung des Deckels fehlt, und, was Todaro einen Ring von Zellen nennt, stellt meiner Ansicht nach nur einen Teil der Zellen dar, eben den abgesetzten Deckelrand. Über dem Deckel folgen nun unmittelbar die Sinnesborsten (jBi). Ein Blick auf Fig. 65 dürfte dartun, daß es die gleichen Ge- bilde sind wie die Borsten auf der übrigen, später freien Epi- dermisfläche. Hier erscheinen sie, wie früher auseinandergesetzt, der Lage der unteren Borstenbildungszellen {i. H., Textfig. M) aufge- pflanzt. Diese sehr dünne Zellschicht, die nur stellenweise deutlich in Erscheinung tritt, läßt sich in der Umgebung des Sinnesorgans nicht erkennen. Es kann das aber kein Grund sein, ihre Anwesenheit über- 236 W. J. Schmidt, haupt auszuschließen; denn oft kann man sicli überzeugen, wie eine dicke Lage von Zellen im Verhornungsprozeß zu einer strichdünnen Lamelle zusammengepreßt ist. So muß ich es denn als äußerst wahr- scheinlich bezeichnen, daß auch die inneren Häutungszellen den Deckel überziehen und hier wie sonstwo die Basis der Borsten liefern. Die Deckelborsten selbst sind noch nicht isohert, sondern bilden dicht zusammengepreßt einen Kegel, der in den oberen, durch den Besitz von Keratohyalin ausgezeichneten Häutungszellen liegt. Das Plasma dieser Zellen hat sich an den Seiten von dem Kegel durch Schrumpfung regelmäßig zurückgezogen, während es an der Spitze des Kegels haftet und bis an die darüber gelegene Schicht reicht. Dadurch ist seitlich um den Kegel herum ein freier Raum, der Kanal des Organs, ent- standen. In diesem Kanal sind immer Kerne mit geringen Mengen anhängendem Plasmas nachweisbar, nach meiner Auffassung die Kerne der oberen Häutungszellen, in denen die Bildung der den Kegel zu- sammensetzenden Borsten erfolgte. Seit- lich ist manchmal der Kanal durch schlanke lanoe Zellen eingefaßt, den ^ ,. -^ Wandzellen (Kw), die ebenfalls der Schicht Tarmioia mauritanica: Sciiema des der oberen Borstenbilduugszellen anzu- ])eckeis eines in Bildung begriffenen gehören Scheinen, im Übrigen konnte ich Sinnesorganes, a, Ansiclit von der '„ „ • t t • i j_ i Fläche; &, von der Seite. ZellgTeuzen m dieser Lage nicht erken- nen. Ich betrachte also die Borsten auf dem Deckel der Sinnesorgane als völlig ebenbürtig den übrigen »Cuticularhärchen«, als ein Produkt der äußeren Borstenbildungszellen; sie unterscheiden sich von ihnen einzig durch ihre bedeutendere Größe. Daß die Borsten keinesfalls Fortsätze der Sinneszellen sind, wie Todaro meint, geht unzweifelhaft aus Eisenhämatoxylin- präparaten hervor. Hier ist die Basis des Kegels durch eine Reihe von Brückenkörnern vom Deckel abgesetzt (Fig. 66, Taf. XII), Da nun die Brückenkörner immer die Zell grenzen markieren, können die Borsten nicht Teile der Sinneszellen sein. Gegen diese Möglichkeit spricht ja auch das Fehlen einer Durchbohrung im Deckel. Außerdem ist die Zahl der Borsten im Kegel viel zu groß, als daß je eine zu einer Sinneszelle gehören könnte. Der Kegel zeigt eine feine Längsstreif ung, die besonders bei Eisen- hämatoxylinfärbung scharf ausgeprägt ist und auf die Verklebung der Borsten zurückgeführt werden muß, wie schon vorhin erwähnt wurde. Studien am Integument der Reptilien. I. 237 Später wird dann eine Aufspaltung des Kegels in seine einzelnen Ele- mente erfolgen: die seitlichen Teile des Kegels liefern die kürzeren Borsten auf dem Deckel, die mittleren die langen Sinnesborsten. Bei der Bildung dieser großen Borsten mögen wohl mehrere einzelne mit- einander verbunden bleiben, wofür Cartiers Beobachtung einer Auf- spaltung des Borstenendes spricht (s. S. 144). Was sind nun diese Borsten, die in den Borstenbildungszellen entstehen? Es wäre sicherlich höchst sonderbar, wenn eine bestimmte Zellschicht der Epidermis, mit den übrigen gleichen Ursprungs und an- fangs auch gleicher Beschaffenheit, befähigt wäre, im Gegensatz zu allen andern diese haarförmigen Bildungen zu erzeugen. Da liegt es doch viel näher anzunehmen, daß eine auch sonst vorhandene, allen Epidermiszellen zukommende Struktur hier zu gesteigerter und spezia- lisierter Entwicklung gekommen sei. Da wir nun bei Phelsuma erkannt haben, daß in der Epidermis reich entwickelte Epithelfasern vor- liegen, die in den oberen Lagen im Verhornungsprozeß allmählich un- kenntlich werden, so scheint mir die Deutung gerechtfertigt, daß die Cuticularhaare der Autoren nichts anderes sind als die Epi- thelfasern der oberen Borstenbildungszellen. Dafür spricht vor allem ihre Beziehung zu den Brückenkörnern, die in den Kegeln der Sinnesorgane klar zutage tritt. Auch H. R. Schmidt hat ja ver- sucht, die Borsten zu Intercellularbrücken in Beziehung zu setzen. Ich schlage daher für diese haarartigen Bildungen den Namen Epithel - faserborsten bzw. -haare vor. Der Kanal des neuen Organs ist nach oben geschlossen durch den Deckel des alten (D), der sich aus einer Reihe dünner Hornlamellen zusammensetzt und seinerseits große und kleine Borsten trägt. Inbetreff des Unterschiedes zwischen Todaros Darstellung und der meinigen vergleiche man die Fig. 65, 66, Taf. XII und Textfig. C, S. 153. Todaro bemerkt ausdrücklich, die Organe seien rein epithelial. Demgegenüber darf ich nicht verschweigen, daß ich in einigen Fällen unter den Sinneszellen in der Cutis eine Anzahl von Kernen beobachtete, die zum Sinnesoroan in irgend einer Beziehuno; zu stehen scheinen. Es waren drei bis vier Kerne, die parallel zur Oberhaut abgeflacht und von schüsselartiger Form, hintereinander in eine Reihe gestellt waren in einer Art, die etwa an die Zellanordnung in den Tastflecken der Ba- trachier erinnert. Die Bedeutung dieser mehrfach festgestellten Kerne muß ich dahingestellt lassen. 238 W. J. Schmidt, 5. Bindegewebiger Teil der Haut. a. Schicliten des Coriums. Das straffe Corium zeigt nicht die weitgehende Gliederung in verschiedene Lagen, die wir bei Phelsuma kennen lernten, sondern er- scheint als eine einfache Schicht. Bei dem untersuchten, jugendlichen Exemplar ist eine scharfe Grenze zwischen subepidermoidaler Schicht und straffem Corium noch schwer zu ziehen. Es findet nämlich bei dem Fehlen der Hautknochen ein allmählicher Übergang der tieferen, dichteren Lage der Cutis in die höher gelegene lockere statt. Dabei sind auch in der Tiefe der Haut die Fasern noch sehr fein und die bekannte regel- rechte Schichtung tritt weniger deutlich hervor als beim Erwachsenen. Auch bei Tareiitola kommt die subepidermoidale Schicht derart zu- stande, daß in verschiedener Höhe horizontal ziehende Fasern nach oben, zur Epidermis hin, aufbiegen. Diese Fasern sind sehr dünn und verlaufen ziemlich wirr durcheinander. Sie setzen unter dem Epithel an eine feine Grenzlamelle an. Viel deutlicher lassen sich straffes Corium {K.) und subepi- dermoidale Schicht (Sep.) in der Haut des erwachsenen Tieres auseinander halten (Fig. 56, 67, 58, Taf. XH) : der obere Eand der Verknöcherungen (0) bildet ungefähr die Grenze zwischen den bei- den Lagen der Haut, welche durch die verschiedene Richtung des Faserverlaufs charakterisiert sind. An Präparaten, die mit Dela- FiELDs Hämatoxylin und Orange G behandelt sind, heben sich die beiden Zonen auch durch die Farbe ab, indem das straffe Corium gelblich, die subepidermoidale Schicht bläuHch erscheint (Fig. 58) ; das beruht allerdings nicht etwa auf einem verschiedenen Verhalten der Bindegewebsfasern, sondern auf den Guanophoren der subepider- moidalen Schicht, die Hämatoxylin speichern. In Textfig. 0 habe ich den Faserverlauf des straffen Coriums in seinen Beziehungen zu den Hautknochen stark schematisiert wiedergegeben. Das Bild ist eine Kombination aus einer Reihe von Einzelbeobachtungen; im Präparat treten bald diese, bald jene Faser- systeme stärker hervor; insbesondere ist die Beziehung der Fasern zu den Verlaiöcherungen, die im folgenden Abschnitt eine eingehende Darstellung erfahren soll, nur an sehr dünnen Schnitten festzustellen. Der untere, noch nicht von den Verknöcherungen eingenommene Teil des straffen Coriums (s. auch Fig. 56 — 58, Taf. XII) weist vornehm- lich einen geradlinigen, wagerechten Verlauf der Fasern auf. Hier und Studien am Integument der Reptilien. I. 239 da biegen aus den wagerechten Lagen Fasern nach oben ab, ein Ver- halten, das in den höheren Lagen immer mehr offenbar wird. Diese aufsteigenden Bündel finden sich nun überwiegend unter den Haut- knochen und treten in dieselben ein. Auch zwischen den Hautknochen erfährt die wagerechte Schichtung der Fasern eine Änderung, indem sie Bogen bilden, die nach oben offen sind und die einzelnen Hautver- knöcherungen wie Girlanden verbinden (Fig. 56, Taf. XII). Ebenfalls diese Fasern treten, und zwar senkrecht, in die Verknöcherungen ein, steigen aber innerhalb derselben in die Höhe und schließen sich damit dem Verlauf der auf der Unterseite eintretenden an. So strahlen unten und seitlich die Fasern in die Ossifikationen ein, um in ihnen einen im wesentlichen senkrechten, zur Epidermis ziehenden Weg einzuschlagen. Textfig. 0. Tarentola manriianica: Schema des Faserverlaufs im straffen Corium und in den Hautknochen. An der Oberseite der Verknöcherungen treten diese Fasern wieder aus und bilden einen Teil der subepidermoidalen Schicht. Dicht über dem Oberrand der Hautknochen ist aber gewöhnlich noch eine dünne Lage wagerechter Bindegewebsfasern wahrzunehmen (s. auch Fig. 56, Taf. XII). Wenn also auch der in den Haulknochen schon zum großen Teil senkrechte Verlauf der Fasern für die Zugehörigkeit der Ossifika- tionen zur subepidermoidalen Schicht sprechen würde, so kann anderseits diese obere horizontale Faserlage als Grenze des straffen Coriums bezeichnet werden und damit würden die Knochenbildungen diesem letzten einzurechnen sein. Zur letzten Auffassung führt auch eine unbefangene Betrachtung der Fig. 56 und 57, Taf. XII. Wenn wir also sagen, die Hautknochen liegen im oberen Teil des straffen Coriums, so ist dabei immerhin zu bedenken, daß eine scharfe Grenze zwischen den beiden Schichten nicht zu ziehen ist und daß wie der Son- derung dieser Schichten so auch der Bestimmung der Lage der Haut- verknöcherungen etwas konventionelles anhaftet. Auch beim Erwachsenen besteht die subepidermoidale Schicht {Sep., Fig. 56, 57, Taf. XII) aus sehr feinen, dichtgeschlungenen Fasern,. 240 W. J. Schmidt, die nicht nur senkrecht zur Epidermis emporsteigen, sondern auch zahlreich in der Quere verlaufen. Dadurch ist das Bild viel weniger übersichtlich als bei Phelsuma. Die Fäserchen setzen an eine dünne, collagene Grenzlamelle an, die als gerade Linie unter der Epi- dermis hinzieht, da für gewöhnlich zipfelartige Ausbuchtungen der basalen Epithelzellen nicht vorkommen. Elastische Elemente sind in der Haut des jungen Exempla- res bedeutend spärlicher als beim Erwachsenen. Vor allem treten sie im distalen Teil der Bauchschuppen auf (Fig. 53, Taf . XI) als Fasern (e. F.), die in den unteren Lagen des Coriums wagerecht verlaufen, in den oberen zur Epidermis hinzielen. Außerdem machen sich — was hier schon Erwähnung finden soll — auf der Oberseite der subcutanen Schicht {Sk, Fig. 53) elastische Fibrillen bemerkbar, die an Schnitten in der Längsrichtung des Körpers meist quergetroffen, als Punkte, erscheinen. Beim erwachsenen Tier (Fig. 49, Taf. XI) erinnert die Verteilung der elastischen Elemente lebhaft an Phelsuma. Wie dort ist auch hier an der Unterseite des straffen Coriums {K.) eine dunkle elastische Be- grenzung sichtbar (e. L.); es scheint sich aber nicht um eine elastische Lamelle zu handeln, sondern um sehr dicht nebeneinander verlaufende und so eine sehr dünne Lage bildende Fasern. Von ihr gehen nun Fibrillen aus, welche die Haut und auch die Verknöcherungen — darauf kommen wir im nächsten Abschnitt nochmals zurück — durchsetzen und bis zum Epithel reichen. Wagerechte Verbindungen der Fasern waren nicht kennthch, mögen aber vorhanden sein, da die Verhältnisse hier durch die Verknöcherungen für die Untersuchung viel ungünstiger sind. Am reichsten entwickelt sind die elastischen Fasern am distalen Schuppenrand, wo dickere pinselartig sich aufspaltende Fibril- len vorkommen (s. Fig. 49, Taf. XI). Gut mit elastischen Elementen versorgt ist auch die subcutane Schicht ( Sk, Fig. 49, Taf. XI) ; sie finden sich hier im Gegensatz zum jungen Tier in ihrer ganzen Dicke. Jene Fibrillen stehen mit den höher gelegenen, vorhin beschriebenen in Ver- bindung, indem sie zwischen den Fettzellen (Fig. 52, Taf. XI) zur eigentlichen Haut emporziehen, bald als Punkte, bald als kurze Fädchen im Schnitt erscheinend. b. Verknöcherungen. Nur in der Haut der e r w a c h s e n e n T i e r e fanden sich Hautknochen vor; in betreff ihrer Verbreitung verweise ich auf die Arbeiten von Ley- DiG und Otto (s. S. 147 u. 165). Bei dem jungen Exemplar konnte ich noch Studien am Integument der Reptilien. I. 241 nichts von ihnen entdecken. Otto (1908) stellte ihr Auftreten bei einer 7 cm langen Tarentola fest. In der Aufsicht erscheinen die Hautverknöcherunsen meist mehr oder weniger regelmäi3ig viereckig oder rhombisch (Textfig. P); bisweilen sind die Mitten der Polygonalseiten leicht eingezogen. In Seitenansicht (Fig. 56 — 58, Taf. XII), auf Schnitten, sind sie im wesent- lichen*oval; nur der Oberrand ist gewöhnlich geradlinig, geht aber mit ft A w ^'i Textfig. P. gerundeten Konturen in die Seiten der Verknöcherung über. Ab- weichende Formen kommen einmal dort vor, wo die Verknöcherungen schwinden; sie werden alsdann allmählich kleiner und rundlich (s. Otto 1908); ferner finden sich große pallisadenförmige Knochengebilde an der Übergangsstelle der kleinen Schüppchen in die großen Unter- Ideferschilder (Otto). Fast regelmäßig kann man beobachten, daß in der Mitte der Bauchschuppen und auch der großen Tuberkel des Rückens der Umfano; der Hautknochen zunimmt, ihre Form und damit ihre Anordnung unregelmäßiger wird. Der Durchmesser der Hautknochen O O O Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd, 16 242 W. J. Schmidt, beträgt im Mittel 140//. — Hin und wieder sah ich Verknöcherungen, die durch Verschmelzung aus zweien hervorgegangen waren, indem das zwischenliegende Bindegewebe mitverkalkte. Hier soll vor allem der feinere Bau der Hautknochen eine eingehende Darstellung erfahren; von früheren Untersuchern bringen nur Leydig und Todaro (s. S, 147) einige Angaben hierüber. Der Anteil der Verknöcherungen am Aufbau der Hautelemente wird in einem späteren Abschnitt (s. S. 249) gewürdigt. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf isolierte Hautkno- chen und auf Schnitte. Die Isolation der Verknöcherungen kann entweder durch Kochen von Hautstücken mit verdünnter Kalilauge und nachherigem Sedimentieren oder aber durch Glühen von Haut- stücken auf Platinblech bewirkt werden. Die mit Kalilauge vom Bindegewebe befreiten, sauber macerier- ten Hautknochen stellen ein gelblich-braunes Pulver dar. Trägt man es in dicken Kanadabalsam ein, so treten die verästelten Knochen- z eilen luftgefüllt hervor. Sie nehmen vornehmlich den mittleren Teil einer jeden Verknöcherung (s. Textfig. P, in der sie nur zum Teil sichtbar sind) in dichter unregelmäßiger Lagerung ein. Nach außen zu werden sie spärlicher und sind parallel zum Kand abgeflacht. Mit dieser Abplattung steht eine konzentrische Schichtung im Zu- sammenhang, deren einzelne Lagen durch scharfe helle Linien von- einander abgesetzt sind. Außerdem ist eine radiäre Streifung vor- handen. Gefäßdurchbohrungen fehlen den Verknöcherungen (s. S. 248). Über das Wesen der radiären Streifun« oeben durch Glühen isolierte Verknöcherungen Aufschluß. Die Verknöcherungen werden beim Glühen durch Verkohlung der organischen Substanz zunächst schwarz; in diesem Zustand sind sie zur Untersuchung untauglich. Das Erhitzen muß vielmehr fortgesetzt werden, bis aller Kohlenstoff verbrannt ist und die Hautknochen als weißer Staub zurückbleiben. Auch durch Kalilauge macerierte Hautverknöcherungen können nach- träglich noch geglüht werden und lassen alsdann die gleichen Bauver- hältnisse erkennen. Stellt man ein stärkeres Objektiv auf die Oberfläche so behan- delter und in Balsam eingeschlossener Hautknochen ein, so gewahrt man eine rundlich-polygonale Felderung (Fig. 64, Taf. XII), die auch an nicht geglühten Verknöcherungen, allerdings viel undeut- licher, wahrnehmbar ist, wenn man sich einmal ihres Vorhandenseins an den geschilderten Präparaten vergewissert hat. Es handelt sich also nicht um ein durch das Glühen hervorgebrachtes Kunstprodukt, Studien am Integument der Reptilien. I. 243 wie Sprünge u. dgl., was auch vorkommt. Senkt man nun den Tubus, so ändern sich die Verhältnisse allmähhch, indem aus den Feldchen kurze, dann längere Stäbchen werden, die nach der Mitte der Verknöche- rung zusammenlaufen, bis im optischen Schnitt des Objektes ein Bild erscheint, wie es Fig. 62, Taf. XII wiedergibt. Die Verknöcherung erscheint zum mindesten in ihren peripheren Teilen aus verkalkten Säulchen zusammengesetzt, die nichts andres sind wie in den Knochen eintretende Bindegewebsfasern; das geht aus den Schnitten (s. u.) unzweifelhaft hervor. Daß die Fasern verkalkt sind, beweist ihr Wider- stand gegen das Glühen. Sie nehmen (wenigstens im unteren Teil der Verknöcherung) einen solchen Raum in Anspruch, daß nur ein ganz feines Maschenwerk interfibrillärer Substanz übrig bleiben könnte, falls sie, nicht verkalkt, durch das Glühen zerstört würden. Die Gegenwart einer solchen zwischen den Bindegewebsfasern gelegenen, ebenfalls verkalkten Masse, der eigentlichen Knochensubstanz^ tritt auf Schnitten überzeugend zutage (s. u.), läßt sich aber auch schon bei der Einstellung auf die Oberflächenfelderung erkennen: bisweilen sind nämlich die Bindegewebsfasern (B) durch ziemlich weite Räume voneinander getrennt, in denen eine Zmschenmasse (K) sichtbar wird (Fig. 64, Taf. XII). Durch Hin- und Herschieben des Deckglases gelingt es leicht, die durch das Glühen sehr spröde gewordenen Hautknochen zu zertrüm- mern. Die Bruchstücke gestatten infolge ihrer größeren Durchsichtig- keit — durch das Glühen werden die Verknöcherungen viel undurch- scheinender — weitere Einzelheiten zu erkennen. Knochenzellen allerdings sind an geglühten Verknöcherungen nur schwer zu beobach- ten; auch die konzentrische Schichtung tritt an den ganzen Ver- knöcherungen nur schwach hervor. An den Trümmern dagegen zeigt sie sich sehr deutlich als eine Art Querstreifung der Fasern (Fig. 63, Taf. XIT), die wir wohl kaum anders als durch etappenweise nach der Peripherie fortschreitendes Wachstum der Verknöcherung erklären können; das lehren auch die Schnitte (s. u.). Außerdem weisen die Trümmer der verkalkten Fasern eine Längsstreifung auf, den Aus- druck einer feinfaserigen Zusammensetzung. Nach der Mitte zu nimmt im Hautknochen die Deutlichkeit der Fasern ab (Fig. 62, Taf. XII). Das hängt zum Teil mit der Richtungs- änderung der Fasern zusammen, die ja, von allen Seiten an der Basis und den Seiten der Verknöcherung eintretend, in ihr vornehmlich nach oben streben (s. Textfig. 0 u. Taf. XII Fig. 58). Ferner treten auch anscheinend weniger Fasern auf der Oberseite der Verknöcherung aus, 16* 244 W. J. Schmidt, als auf der Unterseite eintreten. Außerdem nimmt im oberen Teil der Verknöcherung die Knochenmasse gegenüber den Fasern an Aus- dehnung zu und damit tritt der fibrilläre Bau zurück. Diese Beobachtungen an isolierten Verknöcherungen erfahren ihre Stütze und Erweiterung an dünnen Schnitten durch entkalkte Haut- stücke. Fig. 59, Taf. XII stellt eine Verknöcherung roit ihrer unmittel- baren Umgebung bei Färbung mit Delafields Hämatoxylin und Orange G dar. Die benachbarten Bindegewebsfasern treten bündel- weise (B.) unten und seitlich ein, lassen sich aber nur eine kurze Strecke weit verfolgen. Sie behalten, obwohl verkalkt (s. o.) die Färbung bei, die ihnen auch außerhalb des Knochens eigen ist. Im Inneren erscheint der Knochen mehr homogen und ist von einem feinen blauen Netz- werk durchzogen; dieses entspricht den Verästelungen der Knochen - Zellen (Kz), die zu einem Röhrensystem miteinander verschmelzen. Es läßt sich nämlich feststellen, daß die von den Knochenzellen (Kz.) ausgehenden gröberen Knochem-öhrchen durch Gabelung in dieses Netz übertreten. Vielleicht dürfte aber auch interfibrilläre Knochensub- stanz an der Bildung des Netzes mitbeteiligt sein. Der periphere Teil des Hautknochens zeigt eine blaue Randzone, die sich an feinen Schnit- ten in eine Anzahl parallel verlaufender Linien auflöst ( S, Fig. 59, Taf. XII). Diese Linien markieren die verschiedenen ehemaligen Oberflächen des Knochens, auf denen periodenweise neue Knochensub- stanz angelagert wurde; wir können sie daher auch als Wachstums- linien oder »Kittlinien« bezeichnen. Aus einem Anschnitt eines Hautknochens (Fig. 60, Taf. XII) geht hervor, daß die blauen Massen nicht den Fibrillen (F) des Bindegewebes angehören, sondern die zwi- schen den dicken Fasern gelegene Knochensubstanz (K) darstellen. Der Abstand der einzelnen Wachstumslinien nimmt von innen nach außen hin ab, woraus man schließen muß, daß der Zuwachs all- mählich erlischt. Der Oberfläche des Knochens dicht anliegend, lassen sich manchmal kleine Kerne beobachten, die als Osteoblastenkerne zu deuten sind ; diese Zellen besorgen die Auflagerung neuer Knochen- schichten. Besser noch treten manche der beschriebenen Einzelheiten an Präparaten hervor, die mit Eisenhämatoxylin und Pikrinsäure-Säure- fuchsin gefärbt wurden (Fig. 61, Taf. XII). Hier lassen sich die eintretenden Bindegewebsfasern (B.) durch die ganze Verknöche- rung hindurch verfolgen: auf der Unterseite so dicht aneinanderge- drängt, daß von faserfreier Zwischenmasse nichts zu erblicken ist, werden sie im oberen Teil der Verknöcherung spärlicher, teilen sich in eine Studien am Integument der Reptilien. I. 245 Anzahl grober Bündel, die pinselförmig ausstrahlen und deren Fort- setzung die senkrecht aufsteigenden Fasern (Bi) der subepidermoidalen Schicht bilden. Zwischen diesen Bündeln ist reichlich eine feinkörnige Knochenmasse {K.) sichtbar. In ihr sind die Knochenzellen {Kz.) eingebettet. Der Knochen gliedert sich durch die Wachstumslinien {S.) in eine Anzahl scharf geschiedener konzentrischer Schichten. Ein färberisch abweichendes Verhalten der peripheren und centralen Kno- chenmasse ist an diesen Präparaten nicht zu beobachten. Untersucht man Schnittpräparate, die mit Weigerts Resorzin- fuchsin behandelt wurden, so sieht man, daß nicht nur die coUagenen, sondern auch die elastischen Fasern in die Hautknochen eingehen. Die das straffe Corium senkrecht durchschneidenden Fasern (e. F. Fig. 50, Taf. XI) treten ohne wesentliche Richtungsänderung in die Knochen ein und durchsetzen sie in ihrer ganzen Ausdehnung. Sie scheinen oft im Knochen eine Verdünnung zu erfahren. Auch ihr Zu- sammenhang mit den elastischen Fasern der subepidermoidalen Schicht läßt sich hier und da nachweisen (Fig. 51, Taf. XI), indem ihr Austritt auf der Oberseite der Verknöcherungen erfolgt. Bisweilen beobach- tete ich schon im Knochen Gabelungen der elastischen Fasern. Die mit den verschiedenen Methoden gewonnenen Ergebnisse gestatten vereint folgendes Bild der Hautknochen von Tarentola zu entwerfen. Die bindegewebigen Fasern des Coriums verkalken in bestimmten Bezirken. Dabei tritt zwischen den Fasern echte Knochen masse mit verästelten Knochenzellen auf. Die so ent- standene Verknöcherung wächst durch Auflagerung neuer Knochen- schichten von außen her, mit deren Bildung die Verkalkung des ein- bezogenen Bindegewebes gleichen Schritt hält. Zweierlei Bestandteile lassen sich also in den Hautknochen unter- scheiden, die verkalkten Fasern und die echte Knochenmasse. Von diesen können die Fasern insofern als primär gelten, als sie wenigstens zum Teil vor der Bildung der Verknöcherung vorhanden sind, und in einer entsprechenden Weise auch bei solchen Formen wiederkehren, die keine Ossifikationen besitzen. Der Faserverlauf im Corium von Tarentola zeigt zwar einige Eigentümlichkeiten, läßt aber unverkennbar dieselben Bauprinzipien durchblicken, die auch sonst für die Eidechsen- haut Geltung haben: gekreuzte Lagen paralleler Faserschichten, von denen vornehmlich im oberen Teil senkrecht aufsteigende Fasern ab- biegen. Dadurch, daß die Verknöcherungen auf der Grund- lage dieses vorher festgelegten »Fasergerüstes« möchte ich sagen, sich ausbilden müssen, wird ihre Anordnung in diago- 246 ^^'. J. Schmidt, nalen Reihen und weiterhin ihre rhombische Form bestimmt. Textfig. P zeigt, daß Faserverlauf und die Richtung der Knochen- plättchen übereinfallen. Da nun die Fasern mit der zunehmenden Größe der Verknöcherungen fortschreitend verkalken, wird das Wachs- tum vornehmlich in den beiden Richtungen des Faserverlaufs vor sich gehen und führt so, zumal die Verlmöcherungen durch immer dichteres Aneinanderliegen sich gegenseitig beeinflussen, zu der qua- dratischen oder rhombischen Form. Daß diese Überlegung richtig ist, zeigt auch die Tatsache, daß dort, wo der Faserverlauf unregelmäßiger wird (wie in den Bauchschuppen durch die Vorwölbung des straffen Coriums), regelmäßige Form und Anordnung der Hautknochen gestört erscheint. In Übereinstimmung mit Otto (1908) finde ich, daß auch im re- generierten Schwanz Verknöcherungen vorkommen. Auf etwaige Beziehungen der Hautknochen von Geckoniden zu denen anderer Saurierfamilien soll im allgemeinen Teil der Studien eingegangen werden. c. Subcutis. Die subcutane Schicht {Sk., Fig. 56, 57, 58, Taf . XII) ist bei Tarentola mächtiger als bei Phelsuma entwickelt und läßt daher klarer wie dort bei starken Vergrößerungen zweierlei Bestandteile erkennen: gröbere, in lockerer Schichtung gelagerte Fasern und eineZwischen- masse. Die Fasern der ersten Art stimmen in der Färbbarkeit mit denen des straffen Coriums überein, speichern also wie diese Säure- fuchsin bzw. Orange G. Die zwischen diesen Fasern gelegene Substanz färbt sich dagegen stark mit Pikrinsäure bzw. Delafields Häma- toxylin. Aus letztem Grunde hebt sich die subcutane Schicht an Prä- paraten, die mit Delafields Hämatoxylin und Orange G behandelt wurden, auffallend durch ihre blaue Färbung ab, da die an Masse hinter der Zwischensubstanz zurücktretenden Fibrillen bei schwächeren Ver- größerungen nicht zur Geltung kommen {Sk., Fig. 58, Taf. XII). Die Zwischenmasse zeigt stellenweise eine sehr feine, der Fläche der Haut parallel ziehende Schichtung, die eine Zusammensetzung aus feinfaseri- gen Elementen wahrscheinlich macht. Zwischen den Fasern finden sich in ziemlich großen Abständen voneinander scheibenförmige (im Schnitt strichförmige) Kerne. Als Ganzes betrachtet, stellt die subcutane Schicht eine Lage von ziemlich gleichbleibender Dicke dar, die, der Muskulatur oder sonstigen Unterlagen angeschmiegt, fast geradlinig verläuft. Studien am Integument der Reptilien. I. 247 d. Einlagerungen im bindegewebigen Teil der Haut. Von den Einlagerungen der Haut wurde der Melanophoren und Guanophoren schon früher gedacht (s. S. 230). Die Melano- phoren der subepidermoidalen Schicht sind so wenig zahlreich, daß sie nicht schichtenbildend auftreten; am ehesten könnte man noch von einer solchen Schicht auf der Rückenseite reden. Anders verhält es sich mit den schwarzen Pigmentzellen, die im straffen Corium unterhalb der Hautknochen und in der Subcutis liegen; sie sind auf der Rückenseite in dichter Lagerung vorhanden. Als gut ausgeprägte, dicht an das Epithel anschließende Zone erscheinen die Guanophoren. Auf der Rückenseite zieht die Schicht der Guanophoren ununterbrochen von einem Hautelement ins andre. Auf der Bauchseite dagegen beschränkt sie sich auf die Oberseite der Schuppen und hebt sich an Präparaten, die mit Delafields Häma- toxylin gefärbt wurden (Fig. 58, Taf. XII) durch einen bläulichen Ton vom Rest des Coriums ab. Die Anwesenheit von Xanthophoren oder andern Zellen mit Fettfarbstoffen muß ich beim Mangel frischen Materials dahingestellt sein lassen. Eine auf ihr Vorkommen hinweisende unmittelbar unter dem Epithel gelegene, von den Guanophoren abgesetzte Zellage, wie wir sie bei Phelsuma kennen lernten, war nicht nachweisbar. Bläschenzellen beteiligen sich am Aufbau der Haut von Taren- tola in viel geringerem Maße als an der von Phelsuma. Sie sind sowohl beim jungen Tier als beim Erwachsenen nachweisbar. Im Jugendzu- stand bieten sie sich als rundliche oder längliche Zellen mit kugeligem, großen Kern und körnigem Cytoplasma dar, das eine verhältnismäßig kleine Vacuole umschließt. Die Vacuolisation, die bei Phelsuma soweit getrieben wird, hält sich hier immer in bescheidenen Grenzen : auch bei alten Exemplaren ist meist nur eine Vacuole vorhanden, die eine scharf abgesetzte Wand zeigt. Der Vacuoleninhalt war immer gelöst. Die Bläschenzellen liegen vereinzelt in der subepidermoidalen Schicht. Reichlich ist in der Haut von Tarentola Fettgewebe vorhanden. Auf der Bauchseite wird es regelmäßig zwischen subcutaner Schicht und straffem Corium eingeschaltet {Fz., Fig. 58, Taf. XII); dorsal fehlt es unter den kleinen Schuppen, beteiligt sich aber in hervorragender Weise am Aufbau der großen Höcker, worauf wir nochmals zurück- kommen (Fig. 57, Taf. XII) (s. S. 248). Wie bei Phelsuma scheinen auch hier Mastzellen in der subcutanen Schicht und zwischen den Fettzellen vorzukommen. 248 W. J. Schmidt, e. Blutgefäße und Nerven. Infolge der Verknöcherungen hielt der Nachweis des Geflechts von Blutgefäßen und Nerven auf der Oberseite der subcutanen Schicht bei Tarentola schwerer als bei Phelsu7iia; nur auf der Bauch- seite gelang es mir, dieses Nerven- und Gefäßnetz an Totalpräparaten in einiger Ausdehnung zu verfolgen: es zeigt regelmäßige rhombische Maschen, deren Knotenpunkte immer unter die Mitte einer Schuppe zu liegen kommen. Unter jedem Hautelement geht von diesem Plexus ein Gefäße und Nerven umschließender Ast ab, der das straffe Corium oder vorher auch noch die Fettmassen durchsetzt und zwischen den Verknöcherungen hindurch in die subepidermoidale Schicht eintritt. Die Gefäße durchbohren nie die Verknöcherungen, sondern verlaufen zwischen ihnen, indem sie entsprechende Ausschnitte an ihrem Rand erzeugen. Diese lassen sich am besten an melanophorenarmen Haut- stücken, in denen die Guanophoren durch Säurewirkung zerstört sind, im Flächenbild beobachten als Flecke, die in Einzahl oder auch zu mehreren dicht beieinander gedrängt mit großer Regelmäßigkeit in der Mitte der Schuppen auftreten. f. Anteil der Schichten am Aufbau der Hautelemente. Der Anteil der Coriumschichten bei der Bildung der Hautelemente wechselt sehr nach deren Form. Bei den kleinen Schüppchen der Rückenseite macht nur die subepidermoidale Schicht die Erhebungen des Epithels mit (Fig. 56, Taf . XII) ; alle tiefer gelegenen Teile der Haut bleiben ganz unbeeinflußt von der Schuppenerhebung; das gilt ins- besondere vom straffen Corium, das fast geradlinig am oberen Rand begrenzt erscheint. Ein gegenteiliges Verhalten kennzeichnet die großen Höcker der Rückenhaut. Abgesehen von der Subcutis, die stets der Musku- latur angeheftet bleibt, steigen alle Schichten der Haut in die Höhe. Es tritt aber nicht etwa eine entsprechende Verdickung der unteren Coriumschichten ein, sondern die Haut gibt den Zusammenhang mit der Subcutis auf. Die dadurch hervorgerufene große, in der Form das Hautelement wiederholende Lücke ist von Fettgewebe ausgefüllt. Es unterscheiden sich somit die großen Höcker nicht nur diu'ch ihren großen Umfang, sondern auch durch die Art ihres Aufbaues von den kleinen. Die Hauptmasse einer solchen Schuppe wird darnach von Fettgewebe gebildet. Die Möglichkeit einer solchen Entwicklungs- richtung sehen wir ja auch in der bei kleineren Schuppen vorhandenen Studien am Integument der Reptilien. I. 249 Fettanliäufung geboten (s. Phelsuma, Fig. 38, Taf. X). Bei dem jungen Exemplar von Tarentola treten die großen Höcker noch wenig ausgesprochen hervor. Schnitte lehren, daß hier die Fettentwicklung noch in den ersten Anfängen steht; vereinzelte Fettzellen liegen zwi- schen feinfaserigem Bindegewebe, das beim Erwachsenen zu dem die Fettzellen umspinnenden Geflecht wird. Im Umkreis der großen Tuberkeln werden kleinere Schüppchen mit in die Höhe gezogen (s. Fig. 57, Taf. XII), die sich im Aufbau wie die übrigen kleinen Elemente des Rückens verhalten, indem nur die subepidermoidale Schicht das Material der Schuppenerhebung liefert. Gerade dieser Umstand läßt deutlich den Unterschied zwischen den kleinen und großen Hautele- menten hervorspringen. Daß durch diesen Bau der großen Höcker der SoKOLOWSKYschen Theorie (s. S. 158) Schwierigkeiten erwachsen, daß vor allem diese Gebilde nicht etwa eine Etappe auf der Ausbildung der Körnerpapillen zu platten Schuppen darstellen, soll hier nicht er- örtert werden. Die platten Schuppen der Bauchseite sind wie diejenigen von Phelsuma durch den Besitz eines Stranges ausgezeichnet, der vom straffen Corium abzweigt und in den freien Rand der Schuppen hinein verläuft (Fig. 58, Taf. XII). Dieser Strang fasert sich an seinem Ende auf und die so entstehenden dünnen Fibrillen setzen an die collagene Grenzlamelle an. Im übrigen beteiligen sich alle Schichten in geringem Maße an der Schuppenerhebung, was an dem sanfteren Ansteigen und steilerem Abfall der Hautknochen am meisten kenntlich wird. Damit sind wir zur Frage gelangt, in welcher Beziehung die Ver- knöcherungen zu den Hautelementen stehen. Die Antwort lautet in Übereinstimmung mit dem wesenthchen Teil von Ottos (1908) Darstellung : in gar keiner. Dies dürfte schon aus einer Betrachtung der Fig. 56 — 58, Taf, XII und der vorstehenden Schilderung zur Genüge hervorgehen. Da diese Frage aber theoretisch von Bedeutung ist, sei zum Überfluß darauf hingewiesen, daß in keinem Falle die Schuppen- oder Höckerform durch die Hautknochen hervorgerufen wird; ins- besondere entbehrt der freie Rand der Bauchschuppen Verknöche- rungen, Vielmehr sind die Hautknochen in Form und Lage, wie früher gezeigt (s, S, 245), vom Bau des straffen Coriums als solchem bestimmt, ohne Rücksicht auf seine Anteilnahme am Hautrelief, Nur insofern als dm'ch das Emporwölben des straffen Coriums eine Störung im Faser- verlauf der betreffenden Stelle entsteht, auf welche die Hautverknöche- rungen mit unregelmäßiger Form und Lagerung antworten, beein- flussen die Hautelemente die Knochenbildungen, aber nicht umgekehrt ! 250 W. J. Schmidt, Mit andern Worten, die Verknöcherungen üben keine form- bestimmende Wirkung auf die Hautelemente aus; das Haut- relief ist ontogenetisch festgelegt, ehe die Verknöcherungen auftreten und diesen bestehenden Verhältnissen passen die Verknöcherungen sich an. g. Cloakensäckchen (und Sperrknochen des Penis). Die Cloakensäckchen von Tarentola wurden von Ficalbi untersucht (s. S. 156). Sie sind beim Männchen und Weibchen vor- handen und verhalten sich in allen wesentlichen Punkten überein- stimmend mit denen von Phelsuma, weshalb ich auf die dort gegebene Schilderung (s. S. 224) verweise. Ebenso wenig wie Ficalbi vermochte ich in der epithelialen Wand des Säckchens eine bestimmte Differen- zierung der Zellen aufzufinden. — Wie bei Phelsuma finden sich auch bei der männlichen Tarentola die »Sperr knochen des Penis«, die WiEDERSHEiM (s. S. 145) bei Phyllodactylus entdeckte. Bonn, im Oktober 1911. Literaturverzeichnis. J. V. Bedkiaga, 1874. 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Bd. XLI. S. 367. Erklärung der Abbildungen, Tafel VIIL Fig. 1. Phelsuma madagascariense: Hautstück vom Rücken, blau mit dem Teil eines hellen Fleckens; Fixierung in Alkohol; in Balsam ein- geschlossen; bei auffallendem Lichte. Vergr. 25fach. Fig. 2. Phels. mad. : Das gleiche Hautstück wie in Fig. 1, aber bei durch- fallendem Licht. Vergr. 25fach. Fig. 3. Phels. mad. : Hautstück vom Rücken nach Zerstö- rung der G u a n o p h o r e n ; die P o r p h y r o p h o r e n und M e 1 a n o - phoren treten hervor; Fixierung in Formol; Einschluß in Balsam; durch- fallendes Licht; Vergr. 25fach. Bei auffallendem Licht war die Unterlage der Präparate stets matt schwarz. Studien am Integument der Reptilien. I. 253 Fig. 4. Phels. mad. : Hautstück vom Rücken nach Zerstö- rung der Guano- und Porphyrop hören; nur die Melanop hören sind sichtbar; Fixierung in Formol; Einschluß in Balsam; durchfallendes Licht. Vergr. 25fach. Fig. 5. Phels. mad. : Ungefärbtes Flächenpräparat der unteren Lage des st raffenCoriums:Melanop hören; Fixierung in Formol; Einschluß in Balsam; durchfallendes Licht. Vergr. 25f ach. Fig. 6. Phels. mad. : Höckerschuppe des Rückens mit den zentralen und randständigen Melanop hören und den Porphyro- p h o r e n ; fixiert in Formol, in Balsam eingeschlossen ; durchfallendes Licht. Vergr. 78fach. Fig. 7. Phels. mad. : Schuppe von der Bauchseite; die Porphyro- phoren erscheinen als rötliche Bestäubung auf dem gelblichen Grunde der Guano- phoren ; in Alkohol fixiert, in Balsam eingeschlossen, bei auffallendem Licht; Vergr. 30fach. Fig. 8. Phels. mad. : Die gleiche Schuppe wie in Fig. 7, bei durch- fallendem Licht. Vergr. SOfach. Fig. 9. Phels. mad. : Ungefärbter Schnitt durch eine Höcker- schuppe des Rückens, bei auffallendem Licht betrachtet; nur die blau erscheinende Guanophorenschicht sichtbar. Fixie- rung in Alkohol. Vergr. 78fach. Fig. 10. Phels. mad. : Ungefärbter Schnitt durch eine Schuppe der Bauchseite, bei auffallendem Licht betrachtet; nur die weiß erscheinenden Guanophorenschichten sind sichtbar. Fixierung in Alkohol. Vergr. 78fach. Fig. IL Phelsuma lineatum: Höckerschuppe des Rückens; in Balsam eingeschlossen, bei auffallendem Licht. Vergr. SOfach. Fig. 12. Phels. lin.: Hautstück von der Schwanzbasis (Übergang vom Rücken zur Seite); in Balsam eingeschlossen; durchfallendes Licht. Von links nach rechts Übergang der Ochrophoren in Leucophoren. Fixierung in Formol. Vergr. 25fach. Fig. 13. Phels. lin.: Schuppe von der Schwanzbasis, Mitte des Rückens, in Balsam eingeschlossen, durchfallendes Licht: Gelbliche und rötliche Guanop hören, sowie vereinzelte Porphyrop hören. Fixierung : Formol. Vergr. 117fach. Fig. 14. Phels. lin. : Ähnliche Schuppe wie in Fig. 13, aber nach Zer- störung der Guanop hören; in Balsam eingeschlossen, durchfallendes Licht. Die Porphyrophoren treten nunmehr deutlich hervor. Fixierung : Formol. Vergr. 117fach. Fig. 15. Phels. lin. : Schuppe von der Schwanzbasis seitlich, in Balsam eingeschlossen, bei durchfallendem Licht. Fixierung: Formol; Vergr. 117fach. Fig. 16. Phels. lin. : Die gleiche Schuppe wie in Fig. 15 bei auffal- lendem Licht. Vergr. 11 7f ach. Fig. 17. Phels. lin. : Schuppen von der Bauchseite, in Balsam eingeschlossen bei durchfallendem Licht. Fixierung : Formol ; grün- liche und bräunliche Guanophoren. Vergr. 117fach. 254 W. J. Schmidt, Tafel IX Fig. 18, Pliels. 7nad. : Melanophore aus der oberen Lage des straffen Coriums der Rückenhaut mit hellem Sphärenbezirk; Fixierung: Formol; Total- präparat der Haut in Balsam. Vergr. 350fach. Fig. 19. Phels. mad. : Melanophore aus der unteren Lage des straffen Coriums der Rückenhaut mit hellem Sphärenbezirk. Fixierung: Formol; Total- präparat der Haut in Balsam. Vergr. 350fach. Fig. 20. Phels. mad. : Porphyrophore aus der subepidermoidalen Schicht; Fixierung: Formol; Total präparat der Haut in Balsam. Vergr. 710fach. Fig. 21. Phels. mad. : Porphyrophore: heller Sphärenbezirk, ver- schiedene Größe der Pigmentkörnchen und stellenweise ihre Reihenanordnung kenntlich ; Fixierung : Formol ; Totalpräparat der Haut in Balsam. Vergr. löOOfach. Fig. 22. Phels. lin.: Porphyrophore; spärliche, verschieden große Pigmentkörner. Fixierung: Formol; Totalpräparat der Haut in Balsam. Vergr. 710fach. Fig. 23 a — c. Phels. mad. : Schnittbilder durch Zellleiber von P o r - p h y r o p h o r e n. K., Kern; 8., Sphäre (= Centrosom); Z., Centriol; ^4., Strah- lung (nur in a und h angedeutet sichtbar); P., Pigmentkörnchen; Fixierung: For- mol; Färbung: Eisenhämatoyxlin. Vergr. ISOOfach. Fig. 24a — d. Phels. lin. : Schnittbilder durch Zellleiber von Porphyro- phore n. K., Kern (nur in a und b sichtbar); Z., Centriol; *S'., Sphäre (= Cen- trosom; nur in d kenntlich, rot gefärbt); P., Pigmentkörnchen ; Fixierung : Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin-Säurefuchsin. Vergr. ISOOfach. Fig. 25. Phels. lin. : Flächenansicht eines Stückchens der G u a n o p h o - renschic ht aus einem Rückenhöcker; feinkörniger Guaninkalk bei durchfallendem Licht, gelb (bei auffallendem blau). Totalpräparat der Haut. Fixierung: Formol. Vergr. TlOfach. Fig. 26. Phels. lin. : Flächenansicht eines Stückcliens der G u a n o p h o - r e n s c h i c h t aus einer Rückenschuppe von der S c h w a n z b a s i s ; feinkörniger Guaninkalk ; bei durchfallendem Licht, gelb und rot (bei auffallendem blau bzw. grün). Totalpräparat der Haut; Fixierung: Formol; Vergr. 520fach. Fig. 27. Phels. lin. : Flächenansicht eines Stückchens der Guano- jj h o r e n s c h i c h t aus einer Rücken sc huppe von der Schwanz- b a s i s; ziemlich grobkörniger Guaninkalk; bei durchfallendem Licht, gelblich (bei auffallendem bläulich-weiß); Totalpräparat der Haut; Fixierung Formol; Vergr. 710fach. Fig. 28. Phels. lin. : Flächenansicht eines Stückchens der G u a n o p h o - renschicht aus einer Schuppe von der Seite der Schwanzbasis; grobkörniger Guaninkalk ; bei durchfallendem Licht, gelblich- grau (bei auffallendem gelblich-weiß). Totalpräparat der Haut; Fixierung: Formol; Vergr. 710fach. Fig. 29. Phels. lin.: Flächenansicht eines Stückchens der G u a n o p h o - renschicht aus einer Bauch sc huppe; ziemlich grobkörniger Guanin- kalk; bei durchfallendem Licht, gelb, rot, grün (bei auffallen- dem blau, grün, rot); Totalpräparat der Haut; l^'ixierung: Formol; Vergr. ö20fach. Fig. 30. Phels. lin.: Flächenansicht sines Stückchens der Guano- Studien am Integument der Reptilien. I. 255 p h o r e n s c h i c h t aus einer S c li u p p e der we i ß e n Seitenlinie; ziemlich grobkörniger Guaninkalk ; bei d u r c h f a 1 1 e n d e m L i c h t , g e 1 b - rot, grün, blau (bei auffallendem blau, grün, rot, gelb[?]); Totalpräparat der Haut ; Fixierung : Formol. Vergr. 520f ach. Fig. 31. Phels. laticaiida: Schnitt durch die Epidermis einer Bauch- schuppe, a., b a s a 1 e Z e 1 1 e n 1 a g e der MALPiGHischen S c h i c h t , 6., o b e r e Z e 11 1 a g e n der MALPiGHischen Schicht; c, H o r n s c h 1 c h t (nicht ganz erhalten) ; Zellen der basalen Lage seitlich durch breite Lücken getrennt, die von fadenförmigen Brücken durchsetzt werden ; in den Zellen der basalen Schicht parallel verlaufende E p i t h e 1 f a s e r n , die am oberen Ende der Zellen zu den kornartigen Brücken in Beziehung treten ; Z e 1 1 - 1 ü c k e n der oberen Lage der MALPiGHischen Schicht schmäler, meist von kornartiger, seltener (rechts in der Figur) von fädigen Brücken durchsetzt, die an verschiedenen Stellen im flächen haften Anschnitt erscheinen. E p i t h e 1 f a s e r n in dieser Schicht als feine, Avabig-streifige Struk- tur sichtbar. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin. Vergr. ISOOfach. Fig. 32. Phels. laticanda: Sinnesorgan am Hinterrand einer Bauch- schuppe im Längsschnitt; B, Borste; D, Deckel; Sz, Sinneszellen; Fixierung: For- mol; Färbung: Eisenhämatoxylin. Vergr. 1020fach. Fig. 33 a u. b. Phels. mad. : Schnitt durch zwei B 1 ä s c h e n z e 1 1 e n aus der subepidermoidalen Schicht einer Rückenschuppe. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin. Vergr. 1020fach. Tafel X. Fig. 34. Phels. mad. : Längsschnitt durch eine Höckerschuppe des Rückens. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, z.. Zwi- schen- u., untere Lage des straffen Coriums (K.); Sk., subkutane Schicht; S., aufsteigende Stränge; B., Blutgefäß; N., Nerv; Bz., Bläschenzelle; P., Porphyro- phore; m.o., obere, 3I.u., untere Melanophoren. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. ITOfach. Fig. 35. Phels. mad. : Längsschnitt durch eine Bauchschuppe. E., Epi- dermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, z.. Zwischen-, u., untere Lage des straffen Coriums (K.); Sk., subkutane Schicht; S., aufsteigende Stränge; Bz., Bläschenzellen; B., Blutgefäß; Fz., Fettzellen. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. ISOfach. Fig. 36. Phels. mad. : Schnitt durch die Epidermis und subepi- dermoidale Schicht einer Höcker sc huppe des Rückens. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; L., kollagene Grenzlamelle; P., Porphyrophore; G., Guanophore; X., Xanthophoren (?); Bz., Bläschenzelle; M.o., obere Melanophore. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure- Säurefuchsin. Vergr. 710fach. Fig. 37. Phels. mad. : Schnitt durch die basalen Epidermis- Zellen (jE".), die Epithelfasern zeigen, die k o 1 1 a g e n e G r e n z 1 a m e 1 1 e {L.) und die in ihr endigenden, aufsteigenden Fasern der subepi- dermoidalen Schicht {F.) von einer Bauchschuppe. Fixiervmg: For- mol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. VlOfach. (Vgl. Fig. 48, Taf. XL) Fig. 38. Phels. lin. : Längsschnitt durch eine H ö c k e r s c h u p p e des 256 W. J, Schmidt, Rückens. E., Epidermis; 8ep., subepidermoidale Schicht; o., z., «., obere, Zwischen-, untere Lage des straffen Coriums {K.). Sic, Subcutis; S., aufsteigende Stränge; P, Porphyrophore ; Bz., Bläschenzelle; Fz., Fettzelle. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 240fach. Fig. 39. Phels. lin. : Schnitt durch die Epidermis und subepi- dermoidale Schicht einer Höckerschuppe des Rückens. E., Epidermis; L., kollagene Grenzlamelle; Sep., subepidermoidale Schicht; P.. Porphyrophore; 6-'., Guanophore; K., Kern einer Bindegewebszelle; Ki, Kern einer Guanophore. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrin- säure-Säurefuchsin. Vergr. 1020fach. Fig. 40. Phels. laticauda. : Längsschnitt durch eine Höckerschuppe des Rückens. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, 2., Zwischen-, u., untere Lage des straffen Coriums {K.); Sk., subkutane Schicht; P, die Melanoi^horen, welche bei dieser Form die Porphyrophoren vertreten; 31., Melanophoren ; Bz., Bläschenzellen; Fz., Fettzellen. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin; Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 240fach. Fig. 4L Phels. laticauda. : Längsschnitt durch eine B a u c h s c h u p ji e. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; K., Corium; S., aufsteigende Stränge; Bz., Bläschenzellen; Fz., Fettzellen. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 170fach. Fig. 42. Phels. laticauda. : Schnitt durch die unteren Lagen der Malpighi- schen Schicht und den oberen Teil der s u b e p i d e r m o i d a 1 e n S ch i c h t. E., Epidermis: die basalen Zellen seitlich durch Lücken getrennt, die von fädigen Brücken durchsetzt werden; mit gut entwickelten Epithelfasern, die zu den Zell- brücken am oberen Ende dieser Zellen in Beziehung treten; die Lücken zwischen den oberen Epidermiszellen enger, die Brücken kornartig, die Epithelfasern feiner. L., geradlinige kollagene Grenzlamelle; Sep., subepidermoidale Schicht. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin u. Säurefuchsin. Vergr. löOOfach. Fig. 43. Phels. laticauda: Schnitt durch die basalenEpithelzellen und den oberen Teil der subepidermoidalen Schicht. E., Epidermis; die basalen, mit gut entwickelten Epithelfasern ausgestatteten Zellen smd an ihrer Unterseite in Zipfel ausgezogen, die den an die kollagene Grenzlamelle {L.) ansetzenden Fasern {F.) der subepidermoidalen Schicht (Sep.) entsprechen. Fixierung: Formol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Säurefuchsin. Vergr. ISOOfach. Tafel XI. Fig. 44. Phels. mad. : Schnitt durch die Haut von einer Höcker- schuppe des Rückens. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, u., untere Schicht des straffen Coriums (K.); G., Guanophoren; P., Por- phyrophoren; M.O., obere, ilf.«., untere Lage der Melanophoren; Bz., Bläschen- zellen. Fixierung : Alkohol ; ungefärbt. Vergr. 350fach. Fig. 45. Phels. mad. : Schnitt durch die Haut von einer Bauch- schuppe. E., E^iidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, it., untere Schicht des straffen Coriums k.; Sk., subkutane Schicht; G., Guanophoren; Bz., Bläschenzellen. Fixierung: Alkohol, ungefärbt. Vergr. 350f ach. Fig. 46. Phels. mad. : Schnitt durch die Haut einer Höcker sc huppe d e s R ü c k e n s. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; o., obere, Studien am Integument der Reptilien. I. 257 z., Zwischen-, u., untere Lage des straffen Coriums; e.L., elastische Lamelle; K., Einziehungskegel der elastischen Lamelle an der Ursprungsstelle einer elasti- schen Faser; e.F., aufsteigende elastische Fasern mit ihren Verzweigungen, Fixie- rung: Formol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. 520fach. Fig. 47. Phels. mad. : Schnitt durch die Haut einer Bauch schuppe. ^'.jEjiidermis; «Se/j. , subepidermoidale Schicht ; o., obere, «., untere Lage des straffen Coriums; ää;., subkutane Schicht; e.L., elastische Lamelle; iT., Einziehungskegel derselben; e.F., aufsteigende elastische Fasern; Eb., Endbüschel der elastischen Fasern, das mit seinen Verzweigungen die subepidermoidale Schicht durchsetzt. Fixierung: Formol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. ITOfach. Fig. 48. Phels. mad. : Schnitt durch die basalen Epidermis- Zellen {E.) und den oberen Teil der subepidermoidalen Schicht. L., coUagene Grenzlamelle; k., collagene Fasern; e.F., die mit diesen aufsteigenden elastischen Fasern. Fixierung: Formol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. TlOfach. (Vgl. Fig. 37, Taf. XXX.) Fig. 49. Tarentola mauritanica: Längsschnitt durch eine Bauchschüppe. E., Epidermis; K., Cutis; Sk., subkutane Schicht; 0., Verknöcherungen; Fz., Fett- zellen; e.L., elastische Lamelle; e.F., elastische Fasern. Fixierung: Alkohol; Elastmfärbung nach Weigert. Vergr. 170fach. Fig. 50. Tar. maur. : Eintreten der elastischen Fasern (e.F.) aus dem unteren Teil des straffen Coriums in eine Hautverknöcherung (0.). Fixierung: Alkohol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. 710fach. Fig. 51. Tar. maur. : Austreten der elastischen Fasern (e.F.) aus einer Hautverknöcherung 0. in die subepidermoidale Schicht. Fixie- rung: Alkohol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. 710fach. Fig. 52. Tar. maur.: elastische Fasern (e.F.) zwischen den Fettzellen (Fz.). Fixierung Alkohol; Elastinfärbung nach Weigert. Vergr. 710fach. Fig. 53. Tar. maur. : Junges Tier. Schnitt durch das Hinterende einer Bauchschuppe. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; K., Corium; Sk., Subcutis; e.F., elastische Fasern. Fixierung: Eisessig-Sublimat. Elastinfär- bung nach Weigert. Vergr. 710fach. Tafel XII. Fig. 54 a, b, c. Tar. maur. : Melanop boren des straffen Coriums aus der Kehlgegend, a, mit centraler Pigmentballung, h, vereinzelte Ausläufer mit Pigment erfüllt, c, mit peripherer Verteilung des Pigmentes. Aus einem Total- präparat der in Alkohol fixierten Haut in Balsam nach Zerstörung der C4uano- phoren und Entkalkung der Verknöcherungen. Vergr. 350fach. Fig. 55. Tar. maur. : Junges Tier. Schnitt durch den centralen Teil einer Guanophore mit Kern. Fixierung: Eisessig-Sublimat, Färbung: Thionin. Vergr. 1020fach. Fig. 56. Tar. maur. : Längsschnitt durch die Höckerschuppen des Rückens. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; K., Corium; ÄÄ;., subkutane Schicht ;ilf.,Melanophoren; O., Verknöcherung. Fixierung: Alkohol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 170f ach. Fig. 57. Tar. maiir. : Längsschnitt durch einen großen Rückentuber- kel. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; K., straffes Corium; Sk., subkutane Schicht; M., Muskulatur; O., Verknöcherungen; 31., Melanophoren. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 17 258 W. J. Schmidt, Studien am Integument der Reptilien. I. Fixierung: Alkohol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin; Vergr. 78fach. Fig. 58. Tar. maur. : Längsschnitt durch eine Bauchschuppe. E., Epidermis; Sep., subepidermoidale Schicht; K., straffes Corium; Sk., subkutane Schicht; 0., Verknöcherungen; Fz., Fettzellen. Fixierung: Alkohol; Färbung: Delafields Hämatoxylin, Orange-G. Vergr. IVOfach. Fig. 59. Tar. maur. : Schnitt durch eine Hautverknöcherung (K.). B., die in die Verknöcherung eintretenden, in ihr verkalkten Bündel des straffen Coriums; S., die Wachstumszonen der Knochensubstanz (blau); Kz., Kerne von Knochenzellen. Fixierung: Alkohol; Färbung: Delafields Hämatoxylin, Orange-G. Vergr. TlOfach. Fig. 60. Tar. maur. : seitlicher Anschnitt einer Hautverknöche- rung. F., collagene Fasern (verkalkt) im Querschnitt; K., zwischen ihnen be- findliche Knochensubstanz; Bk., Kerne von Bindegewebszellen. Fixierung: Alkohol; Färbung: Delafields Hämatoxylin, Orange G. Vergr. 71 Of ach. Fig. 61. Tar. maur.: Schnitt durch eine Hau t ve r k n ö c h e r u n g. K., Knochensubstanz; Kz., Kern einer Knochenzelle; S., Wachstumsschichtung der Knochensubstanz; J5., in die Verknöcherung eintretende, in ihr verkalkte Bündel collagener Fasern; B^, austretende Faserbündel. Fixierung: Alkohol; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 710fach. Fig. 62. Tar. maur. : Durch Kalilauge isolierte, dann geglühte Verknöche- rung im optischen Schnitt, in Balsam eingeschlossen. Vergr. 650fach. Fig. 63. Tar. maur.: Trümmer einer durch Kalilauge isolierten, dann geglühten Verknöcherung, in Balsam eingeschlossen. Vergr. 1020fach. Fig. 64. Tar. m/x ur. : Aufsicht auf eine durch Glühen isolierte, in Balsam eingeschlossene Verknöcherung, B., die verkalkten Fasern; K., die zwischen ihnen befindliche Knochenmasse. Vergr. 1020fach. Fig. 65. Tar. maur.: Junges Tier. Schnitt durch ein Sinnesorgan am Hinterrand einer Bauchschuppe. /., abzuwerfende Epidermisgeneration ; B., Borste; Z>., Deckel des Sinnesorgans; H., Haare des Oberhäutchens der Epidermisgeneration /; Bi, Dl, Hl, das entsprechende bei der neugebildeten Epidermisgeneration //; K., Hohlraum des Kanals; Kw., Wand des Kanals; Str.M., Stratum Malpighü; Sz., Sinneszellen; iV, Kerne der Deckelzellen. Fixierung: Eisessig -Sublimat; Färbung: Delafields Hämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 1020fach. Fig. 66. Tar. maur. : Junges Tier. Schnitt durch ein Sinnesorgan am Hinterrand einer Bauchschuppe. /., abzuwerfende Epidermisgeneration; B., Borste; D., Deckel des Sinnesorganes; H., Haare des Oberhäutchens der Epidermis- generation /; Bi, Dl, Hl, das entsprechende bei der neugebildeten Epidermis- generation //; K., Hohlraum des Kanals; Str.M., Stratum Malpighü; N., Kerne der Deckelzellen. Fixierung: Eisessig -Sublimat; Färbung: Eisenhämatoxylin, Pikrinsäure-Säurefuchsin. Vergr. 1020fach. Ophioperla Ludwigi, nov. gen., nov sp. Par Rene Koehler Professeur ä l'Universite de Lyon. Avec la Planche XIII. L'Expedition antarctique Fran9aise du »Pourquoi Pas?«, com- mandee par le Dr. J. Charcot, a recueilli une faune d'Echinodermes tres riche dont l'etude m'a ete confiee et qui renferme de nombreuses especes nouvelles. Parmi celles-ci, une Ophiiire doit faire le type d'un genre nouveau que j'appellerai le genre Oplnoperla, et je la decrirai sous le nom d' Ophioperla Ludwigi en la dediant ä Monsieur le Prof. H. Ludwig. Ophioperla nov. gen. Le genre Ophioperla rappelle le genre Ophioglypha, mais la face dorsale du disque est uniformement recouverte de granules fins et serres qui cachent completement les plaques sous-jacentes, y compris las boucliers radiaux, lesquels sont absolument invisibles; ces granules disparaissent sur la face ventrale dont les plaques sont tout ä fait nues, sauf vers la peripherie oü les granules sont en voie de disparition. Les plaques de la face ventrale sont petites, inegales et assez nombreuses. Les autres caracteres sont conformes a ceux du genre Ophioglypha; notamment il existe un peigne radial forme, ä la base des bras et sur la face dorsale du disque, par quelques papilles allongees, tres fortes et aplaties, qui se continuent en diminuant tres rapidement de taille le long des fentes genitales. Les piquants brachiaux, dans la seule espece connue, sont aplatis, lanceoles et au nombre de trois : leur longueur est egale ä celle de l'article. Les ecailles tentaculaires sont particu- lierement developpees sur le bord proximal des pores tentaculaires: elles sont au nombre de cinq ä six ä la base des bras et ces chiffres se maintiennent sur une bonne partie de la longueur des bras. Les fentes 17* 260 Rene Koehler, genitales sont tres developpees et elles s'etendent depuis la peripherie du disque jusqu'au milieu des boucliers buccaux. Le genre Ophioferla se rapproche des OphioglypJia par son Organi- sation generale, mais il s'en ecarte par les caracteres de la face dorsale du disque qui sont tres particuliers et rappellent plutot ce que Ton connait chez le genre Ophioderma, tandis que les ecailles tentaculaires atteignent ä la base des bras un developpement inconnu dans le genre Ophioglypha. Ophioperla Ludwig! nov. sp. Chenal de Roosen. 64° 49' 35" S; 65° 49' 18" W. Profondeur 70 metres. Trois echantillons. Anse Ouest de la baie de l'Amiraute (Shetland du Sud). 62° 12' S; 60° 55' W. Profondeur 75 metres. Deux echantillons. Le diametre du disque varie entre 15 et 19 millim. ; les bras parais- sent Courts et aucun d'eux n'est complet; dans le plus petit echantillou, chez lequel le diametre du disque est egal ä 15 millim., Tun des bras, qui est conserve sur presque toute sa longueur, n'a pas plus de 26 millim. Dans un autre echantillon, chez lequel le diametre du disque est egal a 16 millim., Fun des bras qui est presque entier atteint 30 millim. de longueur. D'une maniere generale, les echantillons ne sont pas en parfait etat de conservation. Le disque est pentagonal et tres epais; la face dorsale est plane et la face ventrale est legerement convexe; les bords sont arrondis. Les bras sont courts, epais et forts, avec la face dorsale convexe; ils mesurent 4 millim. de largeur ä leur base dans le plus grand echantillon. La face dorsale du disque est uniformement couverte de granules arrondis, tres fins et tres serres, qui cachent absolument les plaques sous-jacentes; ces granules deviennent un peu plus grossiers vers la Peripherie du disque. Les boucliers radiaux sont egalement recouverts par ces granules sous lesquels ils disparaissent ; toutefois, il reste a la Peripherie de chaque bouclier une bände tres mince qui n'est pas re- couverte par les granules. Les papilles du peigne radial s'etendent, Sans Solution de continuite, d'un cote ä l'autre ä la base de chaque bras. Les premieres papilles de chaque cote sont tres developpees et leur longueur depasse 2,5 millim. : elles sont cylindriques ou legerement aplaties avec l'extremite arrondie. A leur suite, on observe de chaque cote cinq ou six papilles analogues, encore assez allongees quoique plus courtes, et qui sont placees sur le cote dorsal du disque; mais, des qu'elles passent aux faces laterales, les papilles se raccourcissent tres Ophioperla Ludwigi nov. gen., nov. sp. 261 rapidement, et, en arrivant sur la face ventrale, elles se reduiseut, le long de la fente genitale, ä de petits granules pointus, coniques, ä peine plus hauts que larges, et qui se continuent jusqu'au bord du disque. La face ventrale du disque offre, en dehors des boucliers buccaux, des plaques arrondies plus longues que larges et legerement imbriquees; vers la peripherie du disque, ces plaques portent encore quelques granu- les identiques a ceux de la face dorsale, mais, en principe, toute cette face ventrale est nue. Les fentes genitales sont bien developpees et elles s'etendent depuis le bord du disque jusqu'au milieu des boucliers buccaux qui sont legerement echancres au niveau du fond des fentes genitales. Les boucliers buccaux sont de grosseur moyenne, plutot memo un peu petits; ils sont pentagonaux avec un angle proximal obtus limite par deux cotes droits, et un cote distal convexe se reliant par des angles arrondis aux bords lateraux qui sont plus ou moins excaves par le fond des fentes genitales. Les plaques adorales sont tres allongees, quatre fois plus longues que larges, avec les cotes paralleles; leur bord proximal est legerement ecbancre dans sa partie externe par les pores tentaculaires buccaux, et ils forment en dehors un lobe arrondi separant le bouclier buccal de la premiere plaque brachiale laterale. Les plaques orales sont un peu plus larges, mais sensiblement plus courtes que les adorales, et elles sont limitees en dehors par les gros pores tentaculaires buccaux de la deuxieme paire. Les papilles buccales sont petites, peu developpees, et elles ne s'etendent pas sur toute la longueur des bords libres des plaques orales; elles sont coniques et fines, et leur taille augmente ä mesure qu'on se rapproche de l'extremite proximale des plaques orales. La papille impaire n'est pas plus grande que les voisines. Les plaques brachiales dorsales sont de grande taille. Les pre- mieres sont tres larges, beaucoup plus larges que longues, avec un cote proximal legerement concave, plus court que le cote distal qui est large et convexe; les bords lateraux sont divergents. Ces plaques deviennent ensuite aussi longues que larges, puis, vers l'extremite des bras, elles finissent par etre un peu plus longues que larges, en memo temps que le bord distal prend une forme tres convexe. La premiere plaque brachiale ventrale est grande, elargie trans- versalement et plus large que longue: eile offre un contour hexagonal avec un bord proximal etroit et echancre en son milieu; le bord distal est plus large, droit ou tres legerement concave; les bords lateraux sont 262 Rene Koehler, formes de chaque cote par deux tres petits cotes faisant ensemble un angle obtus. Les plaques suivantes sont tres grandes, quadrangulaires, plus larges que longues avec un bord proximal assez etroit, des bords lateraux divergents et un cote distal convexe rejoignant par des parties arrondies les bords lateraux. Puis le cote proximal devient de plus en plus court, et, au delä du disque, il finit par disparaitre ; les plaques sont alors triangulaires avec un angle proximal assez pointu, un cote distal convexe et des bords lateraux legerement arrondis s'unissant au cote distal par des angies aigus. Dans la partie moyenne des bras, ce bord distal offre en son milieu un petit lobe plus ou moins marque qui disparait ensuite : les plaques prennent alors une forme demi-circu- laire. Au delä de la huitieme, elles cessent d'etre contigues. Les plaques laterales sont tres bautes; elles portent dans leur moitie superieure, chacune trois piquants assez longs, egaux, aplatis, lanceoles, et dont la longueur egale celle de l'article. Ces piquants se continuent sur toute la longueur des bras. La moitie inferieure de la plaque porte les nombreuses ecailles s'inserant sur le bord proximal de chaque pore tentaculaire. Les pores tentaculaires sont tres developpes. Ceux de la premiere paire s'ouvrent dans les fentes buccales : ils off rent, sur leur bord proxi- mal et externe, une demi-douzaine de papilles basses et egales, et, sur leur bord distal et interne, quatre ä cinq papilles plus allongees que les precedentes. Sur les pores de la deuxieme paire, les papilles proximales et externes s'allongent tandis que les papilles du bord oppose se rac- courcissent sans que le nombre des papilles se modifie. Sur les pores de la troisieme paire, les papilles proximales s'allongent encore et leur nombre peut arriver au chiffre huit sm- les plus grands exemplaires, tandis que les papilles distales ne forment plus qu'une bordure peu importante renfermant trois ou quatre papilles tres basses. La meme disposition se retrouve sur les pores de la quatrieme paire, avec reduction plus marquee des papilles distales. Enfin, sur les pores suivants, les papilles proximales seules persistent: elles restent tou- jours tres allongees et leur nombre se maintient ä six, puis ä cinq sur une bonne partie de la longueur des bras; ce n'est que vers l'ex- tremite qu'on voit le nombre de ces papilles tomber ä quatre et ä trois seulement. Chez les individus vivants, la face dorsale du disque et des bras etait rouge brique legerement orange; la face ventrale etait d'une couleur rose sur le disque et saumon sur les bras. Ophioperla Ludwigi nov. gen., nov. sp. 263 Je suis heureux de dedier cette Ophiure ä Monsieur le Prof. H. Ludwig, dont j'admire grandement les beaux travaux sur les Echino- dermes, et avec lequel je suis heureux d'avoir toujours eu les relations les plus cordiales. Lyon, Novembre 1911. Explication de la Planche Xili. Fig. 1, Ophioperla Ludwigi; face ventrale. Grossissement 4, Fig. 2. Ophioperla Lugwigi; face dorsale. Grossissement 4. über Asteronyx loveni M. Tr. Von Dr. Th. Mortensen Kopenhagen. Mit Tafel XIV— XVIII. Seit einigen Jahren war mir eine eigentümliche junge Ophiuride aus dem Skagerak bekannt, die sich nicht wohl zu irgend einer der bisher aus diesem Gebiete bekannten Ophiuriden hinführen Heß. Als ich im Frühjahr 1911 einige Echinodermen, die vom dänischen Fischerei- untersuchungsdampfer »Thor « in dänischen Gewässern erbeutet waren, zur Untersuchung bekam, fand ich darunter neben derselben jungen Ophiuride einige Exemplare, die unzweifelhaft weitere Entwicklungs- stadien dieser Jugendform repräsentierten, und die mit recht großer Wahrscheinlichkeit zu Asteronyx loveni hingeführt werden mußten. Da es schon an sich von nicht geringer Bedeutung sein würde, die Jugendstadien dieser Art kennen zu lernen — es ist ja bisher unsre Kenntnis der Jugendformen der Euryaliden sehr gering — und außerdem diese Jugendstadien ungemein interessante Verhältnisse dar- zubieten schienen, habe ich Gelegenheit gesucht, mir mehr Material zu verschaffen, um die Umbildung der Jugendform zu der erwachsenen Form genauer studieren zu können. Gleichzeitig wünschte ich der Anatomie des Asteronyx ein eingehendes Studium zu widmen, denn die Anatomie der Euryaliden ist auch bisher nur sehr dürftig bekannt geworden. Die erwünschte Gelegenheit erbot sich sehr bald. Der »Thor« sollte eben in diesem Sommer (1911) wieder Untersuchungen im Skagerak ausführen ; es wurde mir erlaubt, an dieser Untersuchungs- fahrt teilzunehmen, und ich hoffte dann reichliches Material von sowohl jungen als erwachsenen Exemplaren zu bekommen. Die Art wurde ja früher von Dr. C. G. Joh. Petersen i in großer Anzahl dort gefunden, und auch der Leiter der Untersuchungen »Thors« in den dänischen 1 Teavltnger i Skagerak og det nordlige Kattegat i 1897 og 98. IX. Be- retning fra den danske Biologiske Station. 1899. über Asteronyx loveni M. Tr. 265 Gewässern, Dr. A. C. Johansen, hatte sie früher dort in großer Menge bei seinen Untersuchungen gefunden. Meine Hoffnung wurde nur teilweise erfüllt. Jugendstadien wurden an ein paar Stationen (Stat. 15G9, 57° 48' N. Br. 7° 40' ö. L. 440 bis 460 m, 21. VI. 1911; Stat. 1571, 58° 06' N. Br. 9° ö. L. 420—660 m 22. VI. 1911) in nicht unbedeutender Zahl gefunden, und zwar be- sonders solche, die etwas älter waren als die mir früher vorliegenden und somit besonders wertvoll; dagegen wurde nur ein einziges mittel- großes Exemplar erbeutet, und von erwachsenen kein einziges. Die erwachsenen Asteronyx scheinen im Skagerak ausschließlich auf Funi- culina quadrangularis (Pall.) vorzukommen i, die hier stellenweise ganze Wälder bildet; aber nur ein einziges Exemplar von Funiculina wurde auf dieser Fahrt erbeutet. Auf KopJiobelemnon stelliferum (0. F. Müll.), die fast überall in großer Menge erbeutet wurde, fanden sich keine Ästeronyx. Da somit das nötige Material für ein eingehendes Studium der Anatomie von Aster onyx loveni nicht beschafft werden konnte (das aus früherer Zeit im Kopenhagener Museum vorhandene Material ist für eine anatomische Untersuchung nicht wohl geeignet), habe ich es vor- läufig aufgeben müssen, diesen Teil der Aufgabe aufzunehmen und mich im wesentlichen darauf beschränken, die Umbildung der Jugend- form in die erwachsene Form zu verfolgen, eine Aufgabe, die sich als unerwartet interessant erwies. Ich benutze die Gelegenheit, Herrn Dr. A. C. Johansen, dem Leiter der Untersuchungsfahrt des »Thor«, meinen herzlichen Dank, zu sagen für sein liebenswürdiges Entgegenkommen und sein Bemühen, mir zum erwünschten Material zu verhelfen. Das Studium der Jugendformen der Ophiuren hat bisher nur ge- ringe Aufmerksamkeit gefunden. Einzelne jugendhche Stadien sind zwar öfters abgebildet worden, wie von Jon. Müller, Lyman, Verrill, Grieg, aber ein eingehenderes Studium hat ihnen nur Ludwig ge- widmet. In seiner Abhandlung »Jugendformen von Ophiuren «^ macht er darauf aufmerksam, daß ein solches Studium »für ein tieferes Ein- dringen in die Morphologie der Ophiuren und die natürlichen Ver- wandschaftsbeziehungen der Gattungen und Arten sowie auch für die 1 Auf Pavonaria finmarchica (M. Sars) und Halipteris Christii (Kor. u. Dan.) wird die Aster onyx doch sicher ebenso vorkommen; diese zwei Pennatuliden sind aber viel seltener im Skagerak als Funiculina, das Vorkommen von Halipteris dort sogar nicht sicher. 2 Sitzber. Akad. d. Wiss. Berlin. XIV. 1899. S. 210—235. 266 Th. Mortensen, systematische Feststellung der Arten selbst« von Wichtigkeit sei, wie er denn auch schon auf Grund der untersuchten Jugendformen von ver- schiedenen viviparen Ophiuren mehrere wichtige Punkte hervorheben konnte, die sich als von allgemeiner Bedeutung erwiesen. Die hier dargelegten Untersuchungen haben Ludwigs Behauptimgen nur bestätigen können. Es ist mir denn eine besondere Freude, dem hochverehrten Jubilar, dem so hochverdienten Echinodermen-Forscher diese Studie über die postlarvale Entwicklung von Asteronyx loveni widmen zu können. I. Es liegen bisher nur sehr wenige Beobachtungen über jugendliche Stadien von Asteronyx in der Literatur vor, wie überhaupt über Jugend- stadien von Eu.ryaliden. Lyman gibt in seinen »Blake« Ophiuroideai pl. VIII, fig. 136 — 138 Umrißfiguren einer jungen Asteronyx loveni ohne irgendwelche genauere Angaben ; es wird kaum zu viel gesagt sein, wenn man diese Figuren als ziemlich wertlos charakterisiert. Nicht viel besser steht es mit den Figuren einer jungen Asteronyx loveni, ebenso ohne genauere Angaben, die von Verrill in seinen »Results of the Ex- plorations made by the Steamer "Albatross" off the Northern Coast of the United States in 1883 «^ pl. XX, fig. 54 a — c gegeben werden. — In seiner Bearbeitung der Ophiuriden der Norwegischen Nordmeer- Expe- dition hat Grieg ein junges Exemplar von Asteronyx loveni abgebildet (Taf . III, Fig. 22 — 23) ; hier wird doch wenigstens die genaue Größe des Exemplars angegeben (6 mm Scheiben-Diameter), und auch andre Beobachtimgen werden mitgeteilt; die Figuren sind aber wenig de- tailliert. Sämtliche besprochene Abbildungen repräsentieren zwar junge Exemplare, aber solche, die schon die Genitalspalten wohl entwickelt zeigen, und überhaupt nur in der Größe von den erwachsenen sich unterscheiden. Andre Angaben über junge Asteronyx habe ich in der Literatur nicht finden können 3. Die eigentlichen Jugendstadien sind somit bisher unbekannt. 1 Rep. on the results of dredging ... in the the Caribbean Sea (1878 — 79), and on the East Coast of the U. S. (1880) by the U. S. Coast tSurvey Steamer "Blake". XX. Report on the Ophiuroidea. Bull. Mus. Comp. Zool. X. Nr. 6. 1883. ~ Ann. Rep. Comm. Fish and Fisheries for 1883. Washington 1885. 3 Unter der Beschreibung von Asteronyx locardi (Echinodermes, Campagne du Caudan«. Ann. de 1' Universite de Lyon. XXVI. 1896. p. 88) sagt Prof. Koehler: «La disposition des piquants brachiaux de 1^4. locardi ra})pelle celle que differents auteurs, Lyman, Vereill et Grieo, ont figuree chez de tres jeunes A. loveni, dont le disque presentait quelques millimetres de diamctre seulement über Asteronyx loveni M. Tr. 267 Das jüngste vorliegende Stadium ist in Taf. XIV, Fig. 1 — 2 ab- gebildet. Es hat einen Scheibendurchmesser von fast 2 mm und eine Axmlänge von 1,5 mm (vom Mmide an gerechnet). Vier Armglieder sind angelegt; die erste Ventralplatte ist groß, die zweite nur an einem Arm deutlich. Was am meisten auf der Ventralseite auffällt, sind die zwei großen Platten, die in jedem Interbrachialraum liegen und fast bis zum Ende des zweiten Armgliedes reichen; es sind, wie die späteren Stadien zur Genüge zeigen, die Seitenmundschilder. Auf der Dorsal- seite liegt eine Rosette von großen Platten, eine centrale und fünf radial gelagerte, die die äußere Hälfte des ersten Armwirbels frei lassen. Eine nackte Haut, die den Winkel zwischen den großen radialen Platten in jedem Interbrachialraum einnimmt, reicht nur halbwegs zum Rande, d. h. der Scheibenrand wird von den großen Seitenmimdschildern weit über- ragt. Bemerkenswert ist ferner das große, fast herzförmige Endglied (Terminale). Dorsalplatten fehlen, und Armstacheln sind noch nicht angelegt. Die Wirbel, die an der Dorsalseite nackt liegen, lassen schon hier ihren doppelten Charakter nicht mehr deutlich erkennen. Auf dieses Stadium folgt ein andres (Taf. XIV, Fig. 4), das so sehr davon verschieden ist, daß man ohne Kenntnis solcher Zwischenstadien wie das in Taf. XIV, Fig. 3 dargestellte, es kaum als eine weitere Ent- wicklungsstufe derselben Art hätte erkennen können. Der wesentliche Unterschied vom ersten Stadium liegt in der auffallenden Reduktion der Seitenmundschilder und in der gänzlich verschiedenen Form des Endgliedes der Arme. Das Tier mißt in diesem Stadium auch nur etwa 2 mm im Scheibendurchmesser ; die Arme sind 6 — 7 mm lang und etwa 20 Armwirbel sind angelegt. Die großen Platten auf der Dorsalseite der Scheibe fangen an resorbiert zu werden. Die Scheibe hat sich über die Seitenmundschilder schon ziemlich weit hinausgedehnt und reicht bis zum Anfang des zweiten Armgliedes. Von diesem Stadium an ist die Umbildung nur gering. Die junge Asteronyx, die sich wesentlich nur durch ihre geringe Größe von der erwachsenen Form (Taf. XVII, Fig. 1 — 4) unterscheidet, zeigt als auf- fälligste Veränderung das Verschwinden der Scheibenrosette und den Übergang der Terminalplatte zur definitiven Form (Taf. XVI, Fig. 7). Dieser Übergang ist nun so sonderbar, daß es mir lange zweifelhaft et chez lesquels les ouvertures genitales n'existaient pas. « In den oben zitierten Abbildungen von den genannten Autoren sind die Genitalspalten deutlich an- gegeben; da, so viel ich habe finden können, keine andern Abbildungen von jungen Asteronyx von diesen oder andern Forschern gegeben sind, wird hier wohl ein Fehler von Ko|;hler vorliegen. 268 Th. Mortensen, schien, ob doch, die besprochenen Jugendstadien zu Asteronyx loveni gehören könnten; als ich aber ein Exemplar fand, in dem die vier Arme die Endglieder, wie in Taf. XIV, Fig. 4 dargestellt, hatten, der fünfte Arm aber schon das Endglied von beinahe derselben Form wie bei den erwachsenen aufwies, konnte kein Zweifel mehr bestehen, daß eine solche Umbildung wirklich stattfindet. Nachher habe ich außerdem noch andre Übergangsstadien gefunden. Nach dieser summarischen Darstellung der Jugendformen dürfte es zweckmäßig sein, die Umbildung der einzelnen Teile der jungen Tiere nach der Reihe etwas eingehender zu besprechen. Die Mundpapillen. Im jüngsten vorliegenden Stadium ist nur eine ziemlich große Papille an jeder Mundecke entwickelt, aber außer- dem sind junge Anlagen von einem Paar Papillen nahe dem Apex vor- handen, und auch eine zweite Papille kann schon angelegt sein (Taf. XV, Fig. 1). Zähne sind nicht vorhanden; jede Mundecke trägt an der Spitze überhaupt nur die eine Papille. In einem Stadium, der Taf. XIV, Fig. 3 entsprechend, sind zwei solche Papillen (Zähne) übereinander an jeder Mundecke vorhanden; es hat sich hier oralwärts für die erste eine neue Papille (Zahn) gebildet, und ebenso werden die folgenden Zähne (etwa acht in jeder vertikalen Reihe bei erwachsenen Exemplaren) sich allmählich nach innen entwickeln. Die zuerst gebildete Papille an der Ecke bleibt eine Zeit lang die äußere, wird jedoch späterhin von einem Paar neuer Papillen überdeckt. Es erklärt sich somit die auf- fallende Tatsache, daß die jüngsten Stadien eine unpaare Papille, die späteren ein Paar Papillen an der Spitze jeder Mundecke tragen (vgl. Taf. XV, Fig. 1—6, Taf. XVI, Fig. 12). Wie bei einem Vergleich der Fig. 3 und 4, Taf. XV hervorgeht, kann in der zeitlichen Ausbildung der Mundpapillen einige Variation herrschen; im älteren Stadium, Fig. 4, sind die Papillen deutlich kleiner als im jüngeren, Fig. 3. Von den Mundeckstücken ist nichts besonderes zu sagen, außer daß sie in dem jüngsten Stadium ganz dünn und flach sind, um dann allmählich dicker zu werden; nach außen werden sie etwas verbreitert und gleichzeitig tief eingesenkt, während das innere Ende buckeiförmig erhöht wird (Taf. XV, Fig. 1—6, Taf. XVI, Fig. 12). Es soll ferner noch bemerkt werden, daß die Peristomalplatten im jüngsten vorliegen- den Stadium von einem Paar ganz kleiner isolierter Platten in jedem Interradius repräsentiert sind. Auch bei den erwachsenen finde ich sie paarig, un verwachsen, gegen die Angabe Lymans (» Challenger « Ophiuroidea, S. 285), daß »the peristomial plate is large, transversa oval, and in a single piece«. über Asteronyx loveni M. Tr. 269 Von besonderem Interesse erweisen sich die Seite nm und Schil- de r. Wie schon oben hervorgehoben, sind sie im jüngsten Stadium von ganz ungewöhnUcher Größe. Sie nehmen den ganzen Interbrachial- raum ein, die eigentliche Scheibe weit überragend (Taf. XIV, Fig. 1 — 2, Taf. XV, Fig. 1). Die ersten Seitenarmplatten werden ganz, und die zweiten mehr als die Hälfte davon eingeschlossen. In diesem Stadium haben sie nun die Höhe ihrer Entwicklung erreicht. Bei dem in Taf. XIV, Fig. 3 abgebildeten Stadium fangen sie offenbar schon an resorbiert zu werden (vgl. Taf. XV, Fig. 2), und in den folgenden Stadien (Taf. XIV, Fig. 4, Taf. XV, Fig. 3 — 6) werden sie so stark an Größe reduciert, daß sie nur bis zum adoralen Ende der ersten Seitenarmplatten reichen, d. h. etwa die äußeren drei Viertel dieser Platten werden resorbiert. Gleichzeitig erweitern sie sich allmählich am adradialen Ende, bis sie sich an die erste Ventralplatte anschließen, indem gleichzeitig das erste Saugfüßchen nach innen rückt und tief imd halb verdeckt in den Mund- winkel zu liegen kommt (Taf. XV, Fig. 3—6, Taf. XVI, Fig. 12). Im folgenden behalten sie diese Form und Lage bei und nehmen allmählich wieder mit den übrigen Teilen des Skelets an Größe zu. Die Bedeutung dieser merkwürdigen Umbildung wird unten (S. 279) besprochen. Die Mundschilder, die auch bei den erwachsenen klein und unscheinbar bleiben, kommen auffallend spät zur Entwicklung; in dem Stadium, das in Taf. XIV, Fig. 4 repräsentiert ist, fehlen sie noch gänzlich. In Taf. XV, Fig. 6, d. h. in einem Exemplar von 3,5 mm Scheibendurchmesser und etwa 25 mm Armlänge, sind sie eben in Bil- dung begriffen; in diesem Exemplar war die Madreporenplatte und das Mundschild des einen anstoßenden Interradius gebildet, in den drei andern Interradien war das Mundschild eben als eine kleine Platte angelegt, und zwar im Winkel zwischen den Seitenmundschildern, also am definitiven Platz. Das Mundschild wird also bei Ästeronyx nicht an der Dorsalseite angelegt, wie es von Ludwig früher bei Amphiura squamata konstatiert wurde ^ und später auch bei Amphiura magel- lanica Ljungm., A. patagonica Ljungm, und wohl auch Ophiacantha vivipara Ljungm. gefunden wurde^. Die von Ludwig aufgestellte Kegel, daß die Mundschilder der Ophiuren ursprünglich an der Dorsalseite der Scheibe liegen, aber frühzeitig auf die Ventralseite rücken (Op. cit. S. 212), hat somit nicht allgemeine Gültigkeit. Die Seitenarmplatten (Adambulacralplatten) sind auch, wie 1 Morphologische Studien an Echinodermen. II. 2. Hft. 1882. Zur Ent- wicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. S. 106. 2 Jugendformen von Ophiuren. 270 Th. Mortensen, die Seitenmundscliilder, bedeutenden Veränderungen im Verlaufe der Entwicklung unterworfen, obwohl nicht gar so auffallenden wie jene. Im jüngsten Stadium (Taf. XIV, Fig. 1—2, Taf. XV, Fig. 1, 7) sind sie verhältnismäßig groß, in der ventralen Mittellinie vollständig zusam- menstoßend, während sie auf der Dorsalseite einen ziemlich breiten Raum in der Mitte frei lassen. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung werden sie in der ventralen Mittellinie getrennt, zum Teil wenigstens durch Resorption an dem adradialen Rande; vgl. Taf. XV, Fig. 1 — 6 und Taf. XVI, Fig. 12. Die Trennung der Platten rückt allmählich an den Armen weiter hinaus. Noch im Stadium mit den großen korb- förmigen Terminalplatten stoßen die äußeren Seitenarmplatten in der Mittellinie zusammen (vgl. Taf. XVI, Fig. 6) ; bei den erwachsenen sind sie dagegen von Anfang an getrennt (Taf. XVI, Fig. 7). Es herrscht übrigens eine nicht geringe Variation in bezug auf die Resorption am adradialen Rande der Platten. Dies geht aus einem Vergleich der Fig. 3 und 4, Taf. XV hervor. In Fig. 3 sind die ersten Seitenplatten schon deutlich getrennt, während die folgenden noch zusammenstoßen. In Fig. 4, die ein etwas älteres Stadium repräsentiert, sind die ersten Seiten- platten noch nicht getrennt, während dies bei den folgenden deutlich der Fall ist. Gleichzeitig mit dem Auseinanderrücken der Seitenplatten auf der Ventralseite werden sie auch an der Dorsalseite verschmälert und zu- letzt erscheinen sie nur als kleine Vorsprünge an den Seiten der Arm- wirbel (Taf. XV, Fig. 7 — 10). Bei den erwachsenen haben sie eine eigentümliche Gestalt, indem sie aus einer schmalen adoralen Ver- längerung und einer distalen verbreiterten Platte bestehen; letztere trägt an ihrem äußeren Rande die Stacheln (Taf. XVI, Fig. 3 — 5). Sie sind so gestellt, daß der stacheltragende Rand ziemlich stark hervor- springt (Taf. XVI, Fig. 11). Die ersten Seitenarmplatten sind im jüngsten Stadium sehr ver- schieden von den folgenden, wegen des durch die großen Seitenmund- schilder stark eingeengten Raumes. Nachdem letztere die Umbildung erfahren haben und diese Seitenplatten somit den äußeren Rand frei bekommen, nehmen sie dieselbe Gestalt an wie die folgenden (vgl. Taf. XV, Fig. 1 bis 6, Taf. XVI, Fig. 12). Die Ventralplatten. Im jüngsten Stadium (Taf. XIV, Fig. 2, Taf. XV, Fig. 1) ist nur die erste Ventralplatte ausgebildet, und zwar als eine ziemlich große, ungefähr rhombische Platte ; die zweite Ventral- platte ist an dem in Taf. XIV, Fig. 2 abgebildeten Exemplar an einem Arm vorhanden, an einem andern Arm eben angelegt (Taf. XV, über Asteronyx loveni M. Tr. 271 Fig. 1). Im folgenden Stadium (Taf. XIV, Fig. 3) sind die Ventral- platten regelmäßig entwickelt, nur auf den zwei bis drei äußersten Arm- gliedern noch nicht angelegt; ebenso in dem in Taf. XIV, Fig. 4 dar- gestellten Stadium (vgl. Taf. XVI, Fig. 6). Die Form der Platten ist ein wenig unregelmäßig (Taf. XV, Fig. 2 — 5); nur die große erste Ven- tralplatte behält ihre regelmäßige Form. Mit dem Auseinanderweichen der Seitenarmplatten in den folgen- den Stadien erfolgt nun eine auffallende Veränderung mit den Ventral- platten. Die bei der Resorption der Innenränder der Seitenplatten entstandenen Räume werden nur teilweise durch Vergrößerung der Ventralplatten ausgefüllt; es werden dagegen neue Ventralplatten außer der schon vorhandenen angelegt, so daß an jedem Armglied zwei bis drei Ventralplatten aufeinander folgen (Taf. XV, Fig. 6). Wie aus dieser Figiu' ersichtlich, werden die secundären Ventralplatten von Anfang an teilweise von den primären überdeckt. Bei den erwachsenen ist die Ventralseite der Arme in der Mittellinie von einem Pflaster solcher mehr oder weniger regelmäßiger Platten bedeckt (Taf. XVI, Fig. 12); im äußeren Teil der Arme sind sie verhältnismäßig länger und schmäler, und von ziemlich glasartiger Struktur, mit wenigen oder gar keinen Löchern (Taf. XVI, Fig. 9). Von nicht geringem Interesse ist es, daß bei der Anlage der Ventralj^latten an den äußeren Gliedern der Arme von erwachsenen Exemplaren die primären Ventralpiatten nicht länger unter- schieden werden können; sämtliche Platten werden gleichzeitig ange- legt (Taf. XVI, Fig. 8). Die Anlagen der Ventralplatten fangen hier erst auf etwa dem 20. Gliede, von der Armspitze aus gerechnet, an. Die erste Ventralplatte ändert allmählich ihre Form etwas, indem sie sich ein wenig oralwärts verlängert, wo sie dann nach innen umbiegt. Während diese Platte in den jüngeren Stadien die größte sämtlicher Ventralplatten ist, bleibt sie bei den erwachsenen hinter den folgenden Platten an Breite weit zurück (vgl. Taf. XV, Fig. 1—6, Taf. XVI, Fig. 12). Es sei noch bemerkt, daß man in den Stadien Taf. XIV, Fig. 3 — 4 unter dem proximalen Ende der ersten Ventralplatte eine kleine, vertical gestellte Platte findet (Taf. XV, Fig. 2 — 5). Sie repräsentiert un- zweifelhaft die innere, eigentlich erste Ventralplatte. In den Beschreibungen von Asteronyx, die in der Literatur vor- liegen, werden Ventralplatten meistens nicht erwähnt, was sich auch leicht erklärt; denn selbst an getrockneten Exemplaren sind diese Platten im allgemeinen nicht deutlich zu erkennen. Nur wenn die Haut durch Behandlung mit Javellewasser teilweise entfernt ist, treten 272 Th. Mortensen, sie beim nacliherigen Trocknen deutlich hervor, wie in Taf . XVI, Fig. 12 dargestellt. Lyman allein spricht von Ventralplatten bei Asteronyx (»Challenger«-Ophiuroidea, S. 285), indem er angibt, daß die Seiten- armplatten »are connected by a small shapeless under arm plate«. Daß diese Angabe wenig zutreffend ist, geht aus dem oben über die Ventralplatten mitgeteilten zur Genüge hervor. Die Dorsalplatten. In den jüngsten Stadien sind die Arme an der Dorsalseite ganz nackt, die Wirbel nur von weicher Haut bedeckt. In dem Stadium mit den korbförmigen Terminalien sind einige unregel- mäßige, dünne Kalkplatten in dieser Haut zum Vorschein gekommen (Taf. XV, Fig. 10), eine oberhalb jeder Seitenarmplatte (erst vom zweiten Gliede an sind sie regelmäßig vorhanden). Wie aus Taf. XVI, Fig. 10 (die nach einem Exemplar von 3,5 mm Scheibendurchmesser gezeichnet ist) hervorgeht, werden allmählich mehrere solche Platten gebildet; es liegen hier zwei bis drei Platten jederseits auf jedem Ghede, nämlich eine größere Platte oberhalb der Seitenarmplatte und proximal dazu, im Winkel zwischen diesen Platten, noch eine oder zwei kleinere. Später kommen noch mehrere hinzu. Allmählich erweitern sich diese Platten nach oben, wo jedoch eine schmale Mittellinie lange nackt bleibt. Zuletzt wird aber die dorsale Haut der Arme von solchen dün- nen Gitterplatten ganz bedeckt, aber nur über den Wirbeln; über den Zwischenräumen zwischen den Wirbeln bleibt die Haut auch bei den erwachsenen ohne Einlagerung solcher Platten. Die Existenz dieser Platten bei erwachsenen Tieren kann nur an der abpräparierten und aufgehellten Haut deutlich erkannt werden. Es ist einleuchtend, daß diese Platten den Dorsalplatten andrer Ophiuren nicht homolog sein können. Bisweilen bildet sich zwar eine eigene Platte in der dorsalen Mittellinie, aber ganz unregelmäßig, sel- ten auf mehreren Gliedern nacheinander; vielleicht repräsentieren diese Platten die Dorsalplatten, was mir jedoch recht unwahrscheinlich dünkt. Eher möchte ich als Dorsalplatten diejenigen Platten auf- fassen, die ich bei einem Exemplare von 3,5 mm Scheibendurchmesser zwischen den äußeren Enden der Radialschilder fand; an einem Arm dieses Exemplars befand sich auch am ersten Gliede eine solche me- diane, dorsale Platte. Es bleibt aber immerhin unsicher, ob man hierin Spuren der Dorsalplatten sehen darf. Was M. Saes (»Norges Echino- dermer« p. 7) als Dorsalplatten beschreibt, sind die Wirbel selbst, wie sie beim Trocknen durch die Haut sichtbar werden; seine Beschreibung läßt darüber keinen Zweifel übrig (vgl. Taf. XVI, Fig. 11). DieTerminalia imterliesen während den Jugendstadien so yroßen über Asteronyx loveni M. Tr. 273 Veränderungen, daß man es, wie oben (S. 267) dargestellt, von vorn- herein kaum für möglich halten würde, daß alles nur verschiedene Sta- dien einer und derselben Art sind. Im jüngsten Stadium (Taf. XIV, Fig. 1 — 2, Taf. XV, Fig. 1) ist die Terminalplatte ungefähr herzförmig, am oralen Ende etwas breiter als das letzte Armglied; distal wird sie eingeengt. Der Außenrand ist meistens in zwei bis drei kurze Dornen ausgezogen. Auf der Ventralseite hat die Platte einen medianen oralen Vorsprung, der sich zwischen die zwei äußeren Seitenplatten hinein- schiebt ohne sie jedoch zu trennen. Im folgenden Stadium (Taf, XIV, Fig. 3) sind die Terminaha viel schmäler, beinahe cylindrisch, um dann im nächsten Stadium (Taf. XIV, Fig. 4, Taf. XVI, Fig. 6) sich wieder zu erweitern, und zwar ins distale Ende, so daß sie korbförmig werden. Am Außenrande biegt sich die Haut etwas nach innen um. Die mediane orale Verlängerung auf der Ventralseite ist etwas größer, trennt das äußere Paar Seitenplatten gänzlich und reicht zum zweiten Paar hinan. Von dieser Form geht die Terminalplatte mm in die der erwachse- nen über, und zwar geht diese Umbildung recht schnell vor sich: man kann junge Exemplare finden, bei denen an einigen Armen die Terminal- platte korbförmig ist, während sie an andern Armen schon beinahe die Form der erwachsenen erreicht hat. Diese Form ist in Taf. XVI, Fig. 7 dargestellt (und zwar in derselben Vergrößerung wie die Fig. 6) ; sie ist in der Mitte etwas geschwollen, in der äußeren Partie eingeengt, mit dem Außenrande unregelmäßig gezackt; nach innen hat sie eine ziemlich lange, schmale orale Verlängerung, die die drei bis vier äußeren Paare Seitenplatten trennt. Eine entsprechende Verlängerung findet sich auch auf der dorsalen Seite, so daß die äußeren Seitenplatten sozu- sagen in einer Seitenspalte der Terminalplatte stecken. Die Stacheln. Im jüngsten vorliegenden Stadium sind Stacheln noch nicht angelegt ; im nächsten Stadium (Taf. XIV, Fig. 3) sind solche an den äußeren Ghedern zum Vorschein gekommen, und zwar vom fünften GHede an; es kommt nur noch ein Stachel an jeder Seitenplatte. Von jetzt an werden Stacheln beinahe gleichzeitig mit den Seitenplatten angelegt, und auch die inneren Glieder erhalten bald ihre Stacheln. Im Stadium mit den korbf örmigen Terminalien fehlen Stacheln nur an dem ersten Paar Seitenplatten, wo sie überhaupt nie bei dieser Art, und wohl bei sämtlichen Arten der Gattung Asteronyx, vorkommen. Der zuerst angelegte Stachel ist der untere; dann kommen andre außerhalb des ersten zum Vorschein; schon im Stadium mit den korb- förmigen Terminalien haben einige der äußeren Glieder zwei Stacheln jederseits. Die Zahl der Stacheln nimmt mit dem Alter fortwährend Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 18 274 Th. Mortensen, zu, bis acht oder neun an jeder Seitenplatte, oder noch mehr, sogar bis zwölf nach Norman i, vorhanden sind. Im Anfang sind die Stacheln einfach hakenförmig (Taf . XVI, Fig. 9, 10); allmählich kommen, an den unteren Stacheln wenigstens, mehrere Haken hinzu, indem neue sich außerhalb des erstgebildeten entwickeln. In Taf. XVI, Fig. 5 sieht man an der Spitze des zweiten unteren Stachels an jeder Seitenplatte einen solchen Haken im Begriffe sich zu bilden. Bekanntlich ist der untere Stachel jederseits beim erwachsenen Aste- ronyx loveni stark verlängert, an der Spitze an der Innenseite mit gekrümmten Haken besetzt, und von einer dicken Haut umgeben (Taf. XVI, Fig. 3, 4). Diese langen Stacheln werden von Anfang an nicht anders angelegt als die übrigen; an dem äußeren Teil der Arme mit diesem langen Stachel findet man den unteren Stachel von ganz derselben Form wie die übrigen, und alle Übergänge vom einfachen Haken bis zu dem langen hakenbesetzten Stachel findet man in der Reihe nacheinander, wenn man den Arm von der langstacheligen Partie aus nach der Spitze hin untersucht. Die ersten Andeutungen der langen Stacheln findet man bei Exem- plaren von etwa 15 — 20 mm Scheibendurchmesser. Bei einem Exemplar von 20 mm Scheibendurchmesser fand ich sie noch nicht angedeutet, wäh- rend ich sie anderseits schon an einem Exemplar von 15 mm Scheiben- durchmesser deutlich wahrnahm. Bei Exemplaren von 20 — 25 mm Durchmesser sind sie im allgemeinen deutlich, obwohl noch ziemlich klein. Sie fangen in der Regel erst ziemlich weit außerhalb der Scheibe an, im allgemeinen an dem 30. — 40. Glied, bisweilen jedoch auch weiter hinaus; so habe ich sie bei einem Exemplar (30 mm Scheibendurchmesser) erst an dem 60. Glied gefunden. Anderseits habe ich an einem Exemplar aus den Färoer von etwa 28 mm Scheibendurchmesser die langen Stacheln schon vom zehnten bis fünfzehnten Ghed an gefunden (vgl. auch das unten, S. 287, besprochene, auf Taf. XVIII abgebildete Exemplar). Höchst auffallend ist es, daß diese langen Stacheln meistens nur an einigen der Arme ausgebildet werden, während an den andern Armen die Stacheln alle kurz und hakenförmig bleiben. Meistens haben nur zwei oder drei Arme die langen Stacheln, seltener nm- einer oder vier. An allen fünf Armen habe ich sie nur ausnahmsweise gefunden, wie an dem oben erwähnten Exemplar von 28 mm Scheibendurchmesser, und ebenso an einem sehr großen Exemplar von 45 mm Durchmesser (vom etwa 20. Armgliede an) ; an letzterem waren die langen Stacheln 1 A. M. Norman, British Echinoderniata. I. Crinoidea, Ophiuroidea, Aste- roidea. Ann. Mag. Nat. Hist. S^' Ser. XV. 1865. p. 106. über Asteronyx loveni M. Tr. 275 an dem einen, kürzeren Arm nur an einer ganz kurzen Strecke vor- handen. Es ist wahrscheinlich, daß sie bei sehr großen Exemplaren regelmäßig an allen Armen vorkommen; ebenso scheint es, daß sie all- mählich weiter nach innen an den Armen zur Ausbildung kommen. Dieser Unterschied der Stacheln steht mit einem auffallenden Unterschied in der Größe der Arme in Verbindung. Die Arme mit den langen Stacheln sind fast immer bedeutend länger und kräftiger als die mit nur hakenförmigen Stacheln; z. B. finde ich bei einem Exemplar von 35 mm Scheibendurchmesser den längsten Arm (der auch noch regeneriert war) etwa 300 mm lang, den kürzesten (der unbeschädigt war) etwa 150 mm. Auch die Breite der Arme ist sehr verschieden, wie von H. Lym. Clark in »North Pacific Ophiurans in the CoUections of the U. S. National Museum« (Bull. Smiths. Inst. 75. 1911. p. 287.) bemerkt wurde. Der Unterschied in der Länge der Arme kommt schon früh zum Vorschein. So finde ich an einem Exemplar von 2,8 mm Scheibendurchmesser die Arme deutlich verschieden an Länge: der längste Arm 10 mm, der kürzeste nur 6 mm. (Das Exemplar hatte noch korbförmige Terminalia.) An einem Exemplar von 5 mm Durch- messer war der längste Arm 45 mm, der kürzeste 30 mm. Es zeigt sich auch bei solchen Exemplaren, daß die langen Arme viel stärker wachsen als die kürzeren, wie aus der Zahl der jungen Glieder an der Spitze zu ersehen ist. Es sei noch hervorgehoben, daß es nicht bestimmte Arme sind, die größer und mit langen Stacheln versehen sind. Wenn man die Arme nach der Lage zur Madreporenplatte bestimmt, findet man, daß es ganz regellos ist, welche groß und welche klein werden. Dieser Dimorphismus der Arme scheint überhaupt der Gattung Asteronyx eigentümlich zu sein. In der Beschreibung von Asteronyx dispar Ltk. und Mrtsn. ^ wird dies Verhältnis als charakteristisch für die genannte Art hervorgehoben, sowie auch für eine andre dort beschriebene Art, A. excavata. H. Lyman Clark (Op. cit.) hebt mit Kecht hervor, daß dies ebenso für A. loveni gilt und meint, »that it is probably a characteristic of sexually mature adults of any species in the genus«. Die Scheibenplatten. Wie oben hervorgehoben, ist einer der am meisten auffallenden Charaktere der Jugendformen von Asteronyx die Existenz von großen Scheibenplatten, nämlich eine centrale und fünf radiäre Platten, die eine schöne, regelmäßige Rosette bilden und 1 LüTKEN u. MoRTENSEN, The Ophiuridae. Reports on an Exploration off the West Coasts of Mexico . . . by the U. S. Fish Comm. Steamer Albatross 1891. XXV. Mem. Mus. Comp. Zool. Vol. XXHI. Nr. 2. 1899. p. 185. 18* 276 Th. Mortensen, die ganze Rückenhaut bedecken, mit Ausnahme eines kleinen Stückes im Winkel zwischen je zwei radiären Platten^ (Taf. XIV, Fig. 1). Da bekanntlich solche Platten bei den erwachsenen Tieren gänzlich fehlen, wird es von Interesse sein, deren Schicksal genauer zu verfolgen. In den ersten Stadien sind die Platten vollständig und decken gegenseitig ihre Ränder, wie aus Taf. XV, Fig. 8 imd 9 hervorgeht. Bald fangen sie aber an, von den Rändern aus resorbiert zu werden. Im Stadium mit den korbförmigen Terminahen sind die Spuren der Resorption sehr deutlich (Taf. XV, Fig. 10), und allmählich zerfallen sie dann in kleine Stück- chen (Taf. XVI, Fig. 1 — 2), so daß sie in Exemplaren von etwa 5 mm Scheibendurchmesser kaum mehr erkennbar sind. Die centrale Platte verschwindet vollständig; die Reste der radialen Platten scheinen da- gegen mit den Radialschildern in engere Verbindung zu treten. Die Radialschilder sind im jüngsten Stadium noch ganz klein, mit der proximalen Hälfte durch die primäre radiale Scheibenplatte verdeckt (Taf. XIV, Fig. 1, Taf. XV, Fig. 7). Es verlängert sich dann allmähhch die äußere, frei liegende Partie, während die von der radialen Platte bedeckte Partie sich nur wenig vergrößert (Taf. XV, Fig. 7 — 10, Taf. XVI, Fig. 1 — 2). Die Entwicklung läßt sich aus den zitierten Figu- ren leicht ersehen und braucht nicht genauer geschildert zu werden. Der eigentümliche Charakter der Radialschilder der erwachsenen Asteronyx loveni, daß sie wie in Stückchen zerfallen erscheinen (Taf. XVI, Fig. 2)2, rührt daher, daß sich dünne Platten in der Haut über den proximalen Enden der Schilder bilden und mit diesen verwachsen, so daß die Verwachsungslinien sichtbar bleiben. (Die ersten dieser verwachsenden Platten sind also höchst wahrscheinlich die Reste der radialen Scheibenplatten.) Es ist etwa wie Schuppen, die mit den Radialschildern verschmelzen. Wirklich in Stückchen zerteilt sind die Radialschilder keineswegs; sie sind im Gegenteil auf der inneren Seite verdickt, so daß sie wie Rippen die Haut stützen. 1 Ich sage absichtlich »centrale« und »radiäre« Platten statt »Centrale« und »Radialia«. Die Homologien dieser Platten, wie in diesen Namen gegeben, scheinen mir nicht definitiv bewiesen. Näher auf diese Frage kann ich jedoch bei dieser Gelegenheit nicht eingehen. 2 Lyman (» Challenger « Ophiuroidea, p. 285) sagt so: "The long narrow radial shields are broken in pieces, somewhat as in Astrophyton''\ Bell (Cata- logue of British Echinoderms. p. 136): "radial shields in the form of elongated rods, but broken into several pieces". Süssbach u. Breckner (Die Seeigel, See- sterne und Schlangensterne der Nord- und Ostsee. Wiss. Meeresunters. Abt. Kiel. N. F. Bd. XII. 1910. S. 262): »Die Radialia (— unrichtig für Radial- ßchilder — ) sind in verschiedene Stücke gegliedert.« über Asteronyx loveni M. Tr. 277 Die Genitalplatten sind in den jüngsten Stadien noch nicht an- gelegt, kommen aber noch vor dem Stadium mit den korbförmigen Terminalien zum Vorschein. In Taf . XV, Fig. 4 ist dies zwischen und unterhalb der zwei inneren Seitenplatten ersichtlich; mit dem Wachs- tum des Tieres nehmen sie allmählich an Länge zu, den Kadialschildern ganz entsprechend, indem diese Platten am Scheibenrande mit ihren äui3eren Enden zusammenstoßen. Während sie also von Anfang an nur bis zur zweiten Seitenplatte reichen, wie aus der zitierten Fig. 4, Taf. XV hervorgeht, reichen sie beim erwachsenen Tier etwa zur siebenten bis achten Seitenplatte. Die Genitalspalten erscheinen zuerst bei Exemplaren von etwa 3 mm. Die Genitalschuppe ist nicht sehr deutlich bei Asteronyx loveni (vgl. Taf. XVI, Fig. 12 gr s) ; in Taf. XV, Fig. 6 ist eine junge Platte in der Haut beim inneren Ende der Genital- platte zum Vorschein gekommen; es kann wohl kaum zweifelhaft sein, daß dies die Anlage der Genitalschuppe ist. Wie gesagt verschwindet die von Anfang so auffallende Platten- rosette des Scheibenrückens vollständig, so daß man bei einem Scheiben- durchmesser von etwa 5 mm nichts mehr davon wahrnimmt. Die Haut erscheint jetzt ganz nackt, außer den Kadialschildern, wie es auch von den meisten Verfassern angegeben wird. Dies ist doch nur scheinbar so; beim Trocknen oder Aufhellen sieht man, daß die Haut mehr oder weniger zahlreiche, unregelmäßige, zerstreute Kalkkörner oder -plättchen enthält, wie M. Sars (Op. cit. S. 6) und Grieg (Norske Nordhavs-Exped. Ophiuroidea p. 30) richtig angeben. Solche kleine Platten fangen schon ziemhch früh, vor dem Verschwinden der Ro- sette, an zu erscheinen, wie aus den Fig. 8. und 10, Taf. XV hervor- geht (nach den in Taf. XIV, Fig. 3—4 dargestellten Exemplaren ge- zeichnet). Sie erscheinen ganz unregelmäßig; nur in einem Exemplare, (ein Zwischenstadium zwischen den in Taf. XIV, Fig. 3 und 4 repräsen- tierten Stadien) habe ich im Winkel zwischen den großen radialen Platten des Scheibenrückens eine Platte gefunden, welche unzweifel- haft der ersten interradialen Platte bei andern jungen Ophiuren ent- spricht (Taf. XV, Fig. 9). Auf eine Besprechung des Mundskelets und der Armwirbel werde ich bei dieser Gelegenheit nicht eingehen. Nur sei bemerkt, daß die Axmwirbel sehr früh vollständig verwachsen, selbst der äußere Wirbel im jüngsten Stadium ist vollständig verwachsen. Daß die Wirbel doch natürlich paarig angelegt werden, kann nicht bezweifelt werden und ist auch direkt zu boebachten an den Armspitzen der erwachsenen Exemplare; zwar sind alle die hinter dem Terminale liegenden Wirbel 278 Th. Mortensen, verwachsen, aber innerhalb des Terminalstückes, zwischen der oben besprochenen dorsalen und ventralen proximalen Verlängerung des Terminale, findet man fünf bis sechs Wirbelanlagen, die noch paarig sind. Die jungen Wirbelhälften (Ambulacraha) sind sehr klein, stern- förmig, nicht verlängert, wie es sonst bei den Ophiuren allgemein der Fall ist. II. Nachdem somit die eigentümhchen Umbildungen, die Asteronyx loveni während des Wachstums durchläuft, geschildert worden, fragt sich, welche Bedeutung diesen Umbildungen beizulegen ist. In der zitierten Abhandlung »Über die Jugendformen der Ophiu- ren« hebt Ludwig hervor — und gewiß mit vollem Recht — daß das Studium der Jugendformen »für ein tieferes Eindringen in die Mor- phologie der Ophiuren und die natürlichen Verwandtschaftsbeziehimgen der Gattungen und Arten « von Wichtigkeit sein wird. — Es wird wohl kaum jemand bestreiten, daß wir auch in den so auffälligen Umbil- dungen von Asteronyx Momente von phylogenetischer Bedeutung sehen müssen. Die Verwertung dieser Momente wird aber zur Zeit kaum möglich sein. »The Classification of the Ophiuroidea as it Stands to-day is little short of absurd« sagt H. Lym. Claek in seiner neulich erschie- nenen großen Arbeit über die nordpacifischen Ophiurideni. Unter der großen Menge der bisher bekannten Arten und Gattungen von Ophimiden ist es sehr schwierig, die natürlichen Verwandtschaftsbe- ziehungen herauszufinden. Es ist kaum noch sichergestellt, welche Formen als primitiv, welche als mehr spezialisiert anzusehen sind. Daß das Studium der Jugendformen hier von größter Bedeutung sein wird, kann nicht bezweifelt werden — wie auch Clark (Op. cit. p. 3) sagt: »One of the principal reasons why the ophiurans are such a difficult group to classify is found in our ignorance of their growth changes «. Als besonders auffallende Charaktere des jungen Asteronyx müssen hervorgehoben werden: die großen Scheibenplatten, die typisch aus- gebildeten Ventralplatten, die großen Terminalia und die ungewöhn- liche Erweiterung der Seitenmundschilder. Daß die zwei erstgenannten Verhältnisse einen primitiven Charakter repräsentieren, scheint sicher, und es läßt sich wohl kaum bestreiten, daß Asteronyx von solchen For- men abstammen muß, bei denen diese Charaktere vorhanden waren — 1 North Pacific Ophiurans in the collection of the U. S. National Museum. Bull. U. S. Nat. Mus. 75. 1911. p. 2. über Asteronyx loveni M. Tr. 279 es würde wohl nicht zu viel gewagt sein, anzunehmen, daß dies für alle Euryaliden gilt. Von den Terminalien ist vorläufig nichts zu sagen. Man kennt von den Terminalien der Ophiuriden überhaupt nur sehr wenig. Die auffallenden Veränderungen, die die Terminalien von Asteronyx durch- laufen, scheinen jedoch anzudeuten, daß es sich lohnen wird, künftig diesen Teil des Ophiuridenskelets nicht zu vernachlässigen. Daß die airf fallend großen Seitenmundschilder des jungen Aster- onyx einen sehr primitiven Charakter darstellen, darf wohl kaum an- genommen werden. Die Beobachtungen an jungen Ophiuriden, die bisher vorliegen, haben dies nicht als einen allgemeinen jugendlichen Charakter der Ophiuren gezeigt. In einem Falle scheint doch etwas ähnliches vorzuliegen. In pl. XXXV, fig. 1 der »Challenger« Ophiu- riden bildet Lyman einen Teil des Mundskelets von Euryale asfera (Lmk.) ab; man sieht dort jederseits der inneren Ventralplatte eine sehr große Platte, die an die großen Seitenmundschilder des jungen Asteronyx sehr erinnert und auch als solche von Lyman bezeichnet wird (in der Tafelerklärung; im Texte findet diese interessante Figur keine genauere Besprechung) i. Wenn diese Deutung richtig ist, dürfte man wohl hierin eine Andeutmig sehen, daß Asteronyx mit der Gattung Euryale etwas nähere Beziehungen hat. Bemerkenswert ist es, daß in der Gattung Gorgonocephalus die Seitenmundschilder nicht von un- gewöhnlicher Größe sind, wie aus den von Lyman gegebenen Figuren von jungen Gorgonoc. Agassizii (Stimps.) (Chall. Ophiuriden pl. XXXVI, besonders Fig. 17) hervorgeht, woraus zu schließen sei, daß Asteronyx nicht den Gorgonocephaliden besonders nahe steht 2. Es ist doch gewiß verfrüht, aus den wenigen bisher vorliegenden Beobachtungen bestimmtere Schlüsse zu ziehen. Es sei noch bemerkt, daß unter den übrigen Ophiuren keine bekannt 1 Eine sichere Deutung aller der in dieser Figur gezeigten Skeletteile ist keineswegs leicht zu geben. Das Studium der Jugendstadien von Euryale wäre sehr erwünscht. Es wäre besonders interessant zu sehen, ob die Seitenmund- schilder sich auch hier über die ersten Seitenarmplatten hinaus verbreitern. Aus der zitierten Figur läßt sich nichts sicheres darüber schließen. ~ In seiner schönen Arbeit »Über japanische und andre Euryalae« (Beitr. z. Naturgesch. Ostasiens, herausgeg. v. Doflein. Abh. Bayi'. Akad. d. Wiss. II. Suppl.-Bd. 1911) stellt DöDEßLEiN Asteronyx (und Astrodia Verr.) in eine eigne Familie, Asteronychidae, den Familien Gorgonocepha- 1 i d a e und Trichasteridae (unter der die Gattung Euryale eine eigene Unterfamilie, Euryalinae, bildet) seitengeordnet. Die hier gegebenen Be- obachtungen scheinen, gewiß darauf zu deuten, daß diese Classification nicht die Verwandtschaftsbezienungen von Asteronyx richtig darstellt. 280 Th. Mortensen, sind, bei denen die Seitenmundschilder älinlicli ausgebildet sind. Recbt groß sind sie zwar bei der sebr interessanten Ofhiotypa simplex Koebler, die von Koehlee als »incontestablement la forme la plus simple d'Opbiure qui ait ete observee jusqu'ä maintenant« betrachtet wird! — ob mit Recht, kann vielleicht bezweifelt werden. Jedenfalls unterscheiden sich die Seitenmundschilder von Ofhiotyfa wesentlich von denen des jungen Asteronyx, indem sie, wie gewöhnhch bei den Ophiuren, nicht über die ersten Seitenarmschilder hinaus reichen. Eine ganz ähnliche Gestalt haben sie auch bei O'phiomastus tumidus Koehler, welcher auch in dem bereits zitierten Werke Koehleks (pl. I, fig. 9) abgebildet wird. Der Vergleich der zwei Figuren läßt übrigens ver- muten, daß diese beiden Formen sehr nahe verwandt sein müssen, was gewiß nicht dafür spricht, daß Ofhiotypa so sehr primitiv sei. Man könnte bei dieser Gelegenheit auch an den sonderbaren Ofhio- musium flahellum Lym. erinnern, bei dem die Interbrachialräume wie beim jungen Ästeronyx von zwei großen Platten ganz eingenommen werden. Daß dies indessen nur eine ganz zufällige Analogie ist, geht zur Genüge daraus hervor, daß diese großen Platten bei Ofliiomusium flahellum die ersten Seitenplatten sind, nicht die Seitenmundschilder. m. Wie von den meisten Verfassern, die Asteronyx loveni besprechen, bemerkt wird, findet man diese Euryalide fast immer an größeren Pennatuliden. Im Skagerak ist sie nur an Funiculina quadrangularis (Pall.) gefunden worden, nicht an dem fast überall sehr häufigen KopJio- helemnon stelliferum (0. F. Müll.). An der norwegischen Küste kommt sie auch an Halipteris Christii (Kor. u, Dan.) und Pavonaria jinmarchica (M, Sars) vor. Verrill 2 hat sie an andern schlanken Pennatulaceen gefunden {DisticJioptiliim gracile Verr., Anthoptilum grandiflorum Verr. und A. Murrayi Köll.) (H. Lym. Clark hat keine Angaben über das Vorkommen der zahlreichen von ihm untersuchten nordpacifischen Exemplare gemacht). Während somit Asteronyx fast regelmäßig an die größeren Pennatulaceen gebunden erscheint, kann sie doch auch bisweilen an Gorgoniden vorkommen, wie von Süssbach und Breckner (Op. cit. p. 262) erwähnt. 1 An account of the Deep-Sea Ophiuroidea coli, by the R. Ind. Marine Survey Ship Investigator. 1899. p. 5. pl. I. fig. 3. 2 Results of the Exploration made by the Steamer Albatross off the Nor- thern Coast of the U. States in 1883. Ann. Rep. Comm. Fish und Fisheries for 1883. Washington 1885. p. 510. über Asteronyx loveni M. Tr. 281 Es liegt nahe, zu vermuten, daß das fast constante Vorkommen von Asteronyx an größeren Pennatuliden irgendeine Bedeutung für seine Biologie haben muß; aber in welcher Beziehung? Durch direkte Beobachtung läßt es sich kaum entscheiden, da Asteronyx nur in größe- ren Tiefen lebt und kaum in geringeren Tiefen als 100 m vorkommt i. Es können jedoch einige Schlüsse gezogen werden aus den Beobach- timgen, die an den konservierten Exemplaren zu machen sind. Es kann zuerst konstatiert werden, daß der Asteronyx nicht von den Polypen der Pennatulide frißt. Die Pennatuliden, auf denen Exem- plare von Asteronyx (meistens nur ein, bisweilen jedoch zwei auf der- selben Pennatulide) vorkommen, sind unbeschädigt, und ich habe im Magen von Asteronyx keine Spuren von Pennatulidenpolypen gefunden. Als Mageninhalt von Asteronyx habe ich hauptsächlich Copepoden gefunden; einmal wurde auch ein Exemplar einer Annelide gefunden, das Herr Inspektor Levinsen freundlichst für mich untersuchte; er kam zu dem Resultat, daß es ein Cirratulus war. (Der Mageninhalt war bei allen untersuchten Exemplaren sehr gering.) Asteronyx loveni scheint somit erwachsen wesentlich von frei- lebenden, mehr oder weniger pelagischen Tieren zu leben, obwohl seine Arme gewiß nicht als Fangapparate solcher Tiere sehr geeignet er- scheinen. Es könnte demnach den Anschein haben, daß es in Verbin- dung mit dem Fange der Nahrung steht, wenn Asteronyx möglichst hoch über dem Boden seinen Platz einnimmt, an den hohen Funiculinen usw., aber nicht an den viel niedrigeren Kophohelemnon. (Daß Kofho- belemnon etwa den Asteronyx nicht tragen könne, ist nicht wahrschein- lich; es ist eben eine ziemlich robuste Pennatulide.) Vielleicht kommt die geeignete Nahrung in dieser Höhe am reichlichsten vor. Der Aste- ronyx wird sich also in dieser Höhe festsetzen, zwei bis drei Arme um die Pennatulide rollend, während die andern Arme frei umher wedeln um Beute zu fangen. Es mag bemerkt werden, daß der Asteronyx nicht etwa die stärkeren oder die schwächeren Arme speziell benutzt, um sich damit festzuhalten. Es ist offenbar ganz zufällig, welche Arme um die PennatuHde gerollt werden. Die verschiedene Entwicklung der Arme steht dann offenbar nicht in causaler Verbindung mit der Gewohnheit des Tieres, sich an die Pennatuliden zu klammern. 1 John A. Stewakt (Description of Asteronyx loveni, Müll, and Trosch, a new British Starfish. Proc. Zool. Soc. London 1861. p. 96) gibt an, ein Exemplar aus 9 Faden Tiefe in Loch Torridon bekommen zu haben. Die Art ist später nie in so geringer Tiefe gefunden, und ich möchte vermuten, daß die Angabe nicht ganz zuverlässig ist. (Als Kuriosum kann erwähnt werden, daß Stewart die Lokali- tät des Originalexemplars als »Bohuslän, near Hammerfest, Norway« anführt.) 282 Th. Mortensen, Während man nur eine unsichere Vermutung darüber haben kann, weshalb das Tier den eigentümlichen Platz auf der Funiculina auf- sucht, so ist es sicher, daß Copepoden und freilebende Würmer die Nahrung des Asteronyx ausmachen, und daß die besiedelte Penna- tulide nicht vom Asteronyx beschädigt wird. Daß anderseits auch nicht Asteronyx von den Nesselfäden der Pennatulide beschädigt wird, wird man gewiß auch annehmen dürfen. Ob ein gegenseitiges Nutz- verhältnis besteht, daß etwa der Asteronyx solche Tiere frißt, die auf der Pennatulide umherkriechen, läßt sich nicht aus den vorliegenden Beobachtungen schließen; jedenfalls würde die brennende Pennatulide nicht eben ein gastfreier Wirt scheinen für kleinere Tiere, die an ihr herumkriechen wollten. Verrill (loc. cit.) bemerkt, daß die Farbe des Asteronyx und andrer verwandter Ophiuriden {Hemieuryale [Astrodia] tenuispina Verr., Astro- chele Lymani Verr.) mit der der Pennatuliden usw., an denen sie sitzen, übereinstimmt. Er sieht darin »a protective adaptation«, und wohl mit Kecht, denn es kann wohl kaum bezweifelt werden, daß die Penna- tulide mit ihren Nesselzellen auch dem Asteronyx einen Schutz gegen Feinde leisten wird. Während die erwachsenen Asteronyx von Copepoden und andern freischwimmenden Tieren leben, konnte von vornherein angenommen werden, daß die Jugendformen, die ja noch frei am Boden kriechen, nicht imstande sein werden, sich solche Nahrung zu verschaffen. Es hat sich denn auch ergeben, daß bei den Jungen nur Bodenmaterial (Detritus) den Mageninhalt bildet. Die Änderung der Nahrung muß natürlich gleichzeitig mit dem Auf kriechen des jungen Asteronyx auf der Pennatulide eintreten. Bei welcher Größe dies geschieht, kann ich leider nicht genau angeben; wahrscheinlich erfolgt es, wenn sie eine Größe von etwa 5 mm Scheibendiameter erreicht haben. Das jüngste Exemplar, das ich an einer Funiculina gefunden, hatte eine Größe von 6,5 mm Scheibendiameter. IV. Wie in der Einleitung gesagt, war es ursprünglich mein Plan, auch die Anatomie des Asteronyx näher zu studieren. Dies wurde nun leider wegen Mangel an frischem, geeignet konserviertem Material unmöglich. Ich habe zwar einige der vorliegenden Exemplare geöffnet, ziehe es aber vor, nichts von den fragmentarischen Beobachtungen mitzu- teilen. Nur auf einen Punkt möchte ich bei dieser Gelegenheit ein- aehen. über Asteronyx loveni M. Tr. 283 Da die jüngsten beobachteten Stadien schon ziemlich weit in der Entwicklung und über die embryonale Periode hinaus gekommen sind, entsteht die Frage: wie verläuft die Embryonalentwicklung des Äster- onyxl Gibt es ein typisches Larvenstadium, oder gibt es vielleicht Brutpflege, so daß die Jungen schon Ophiurengestalt haben, wenn sie frei werden? Auf diese Fragen kann nach den anatomischen Befunden etwas geantwortet werden. Die Eier sind ziemlich groß, etwa 0,G — 0,8 mm, und ziemlich dotter reich. In den Ovarien findet man gleichzeitig nur zwei verschie- dene Größen von Eiern; während der obere, größere Teil des Ovariums von großen, reifen oder beinahe reifen Eiern erfüllt ist, liegt im imteren Ende ein Haufen ganz kleiner Eier. Die Ovarien eines Tieres zeigen alle eine entsprechende Ausbildung der Eier. Daraus geht hervor, daß die Eier nicht allmählich reif werden, sondern annähernd auf einmal, und somit ungefähr gleichzeitig ausgeleert werden müssen. (Ob die ganz jungen Eier in derselben Geschlechtsperiode oder vielleicht erst im nächsten Jahre reif werden, läßt sich natürlich nicht sagen.) Da die Zahl der Ovarien recht groß ist, werden die Eier sehr zahlreich sein müs- sen. Daraus darf man wohl schließen, daß keine Brutpflege stattfindet. Jedenfalls werden die Eier sich gewiß nicht innerhalb der Bursae ent- wickeln — dafür wäre gewiß nicht Platz genug. Anderseits deutet die Größe der Eier entschieden darauf hin, daß die Jungen nicht ein pelagi- sches Stadium diurchlaufen, also daß ein typischer Ophiopluteus bei Ästeronyx nicht vorkommt. Man wird demnach wohl annehmen müs- sen, daß die Eier am Boden liegend eine direkte Entwicklung durch- laufen. Es wäre sehr wünschenswert, direkte Beobachtungen über die ersten Entwicklungsstadien der Asteronyx sowohl wie der andern Eurya- liden anzustellen. Beim öffnen einiger Exemplare von Ästeronyx wurde eine andre interessante Beobachtung gemacht. Es zeigte sich, daß in den Ge- schlechtsorganen eine sehr eigentümliche schmarotzende Copepode lebt. Auf dem ziemlich großen, 3 mm langen Weibchen wurde das viel kleinere, nur 1,5 mm lange und viel weniger umgebildete Männchen gefunden. Die Geschlechtsorgane werden vom Schmarotzer gänzlich zerstört, aber nur diejenigen, die bewohnt sind. In einem Exemplare habe ich zwar sämtliche Geschlechtsorgane von Schmarotzern erfüllt gefunden, in einem andern Exemplar waren aber nur wenige der Ovarien von Schmarotzern bewohnt, die andern waren normal ausgebildet. Vollständige Kastration wird somit jedenfalls nicht immer vom Schma- rotzer veranlaßt. 284 Th. Mortensen, Nur ein ähnlicher Fall von Parasitismus wurde bisher unter den Ophiuren gefunden, und zwar bei der allbekannten Amphiura squamata. Zuerst von Fewkes^ beobachtet, wurde der Schmarotzer später von Hekouard^ genauer beschrieben und Philiclithys amfhiurae genannt. Der Schmarotzer von Aster onyx ist von der Philichthys amphiurae sehr verschieden und wird kaum zu derselben Gattung hingeführt werden können. Auf eine Beschreibung davon werde ich doch nicht eingehen können; sie wird gelegentlich von einem hiesigen Kollegen gegeben werden. V. Es wird von Asteronyx loveni öfters angegeben, daß ihre Verbrei- tung circumpolar ist wie von Bell, Grieg, Süssbach und Breckner. Dies ist ganz unrichtig. Um als circumpolar betrachtet zu werden, müßte die Art doch auch im nördlichen Eismeere und bei Grönland be- kannt sein. Dies ist aber keineswegs der Fall. An den europäischen Küsten ist sie von Finmarken bis Portugal bekannt, aber nicht von Spitzbergen oder vom sibirischen Eismeere und auch nicht vom atlanti- schen Nordmeere. An den amerikanischen Küsten ist sie bis zum west- indischen Meere verbreitet, geht aber nicht bis Grönland hinauf. Im Pacifischen Ozean kommt sie vom Beringsmeere bis Timor vor und geht selbst in den Indischen Ozean hinein, wenigstens bis zu den Laccadiven und vielleicht noch weiter westlich^. Dagegen ist die Art 1 J. W. Fewkes, On a new Parasite of Amphhira. Proc. Boston Soc. Nat. Hist. XXIV. 1888. p. 31. 2 E. Herouard: Sur un nouveau copepode parasite d'Amphiura squammata. (Comptes Rendus 1906.) 3 In seinem »Report on tlie Echinoderma (other than Holothurians) collected by Mr. J. Stanley Gardiner in the Western Parts of the Indian Ocean (Percy Sladen Trust Expedition. Trans. Linn. Soc. London. 2 Ser. Zoology XIII. 1909. p. 22) hat Professor F. Jefer. Bell eine neue Ai-t Asteronyx, A. cooperi aufgestellt, von der nur folgende Charaktere angezeigt werden: »In general ap- pearance very much like A. loveni, but the radial shields are entire, not broken, and, in the adult, the outer arm-spine is very much longer and is not hookshaped". — Wie oben gezeigt, sind die Radialschilder bei A. loveni gar nicht gebrochen, und daß der innere Armstachel viel länger als die andern sind, gilt auch für A. loveni, sowie den andern Asteronyx-Avten, wie schon längst bekannt. Die ange- gebenen Charaktere unterscheiden also nicht A. cooperi von A. loveni. Daß der äußere anstatt der innere Armstachel als verlängert angegeben wird, muß wohl ein Lapsus calami sein. Es erscheint somit sehr wohl möglich, daß A. cooperi nur ein Synonym von A. loveni ist, so daß die Lokalität Saya de Malha Bank für diese Art zu gelten hat. Wenn es wirklich richtig ist, daß der äußere über Asteronyx loveni M. Tr. 285 nicht im südlichen atlantischen oder im südlichen pacifischen Ozean bekannt. Wie ist nun diese auffallende Verbreitung zu erklären? Daß die Art sich als in der warmen Region kosmopolitisch verbreitet erweisen wird, ist nach den bisherigen Untersuchungen wenig wahrscheinlich. Selbst wenn man Asteronyx locardi Koehler als ein Synonym von Ä, loveni betrachtet i, wird die Verbreitung weiter südlich im Atlanti- schen Ozean nicht erheblich erweitert. — Daß die Art sich durch das Eismeer vom Atlantischen bis zum Pacifischen Ozean verbreitet hat, ist unter den jetzigen Temperaturverhältnissen undenkbar. Zwar meint Sars (Op. cit. p. 7), daß sie im arktischen Gebiete ihre eigent- liche Heimat hat ; die Art war aber damals nur von den skandinavischen Küsten bekannt, so daß es erklärlich ist, wie Sars zu dieser Auffassung gelangen konnte. Es ist seither zur Genüge klar geworden, daß die Art in der warmen Region einheimisch und ihr Vorkommen an der norwegischen Küste von der Einwirkung des Golfstromes bedingt ist. Annstachel verlängert ist, liegt die Sache natürlich anders; in dem Falle wird A. cooferi gewiß eine sehr wohl oder vielmehr ganz auffallend charakterisierte Art sein. Jedenfalls ist die Beschreibung ganz ungenügend. 1 Als einziger wesentlicher Charakter, wodurch Asteronyx locardi sich von A. loveni unterscheidet, hebt Koehler (Echinodermes du »Caudan«. p. 88) hervor, daß der untere Armstachel nicht verlängert ist. Da das Original-Stück einen Scheibendiameter von 23 mm hat, ist es ein ziemlich jugendliches Exemplar, und wie ich oben gezeigt habe, kann man Exemplare von A. loveni von ähnlicher Größe finden, bei denen die langen Stacheln noch nicht zum Vorschein gekommen sind. Auf meine Bitte hat Prof. Koehler mir das Originalexemplar freundlichst zugeschickt, so daß ich es mit meinen A. loveni habe direkt vergleichen können. Es zeigt sich nun, daß ein Arm ganz dicht an der Scheibe abgebrochen ist, ein zweiter beim 17. Gliede; der dritte ist vom zwölften Gliede an regeneriert, der vierte ist im 46. Gliede gebrochen, der fünfte ist ganz. Nur an den zwei letzten Armen könnte man somit überhaupt erwarten, die verlängerten Stacheln zu finden; da sind sie nun gewiß nicht vorhanden, aber niemand kann sagen, ob sie an den drei andern Armen vorhanden gewesen oder nicht. (Die abgebrochenen Arme scheinen etwa von derselben Größe gewesen zu sein, wie die zwei langen Arme). Da andre wesentliche Differenzen von A. loveni mcht aufzufinden sind, wird man es als höchst wahrscheinlich ansehen müssen, daß es nur A. loveni ist. In seinem Bericht über die Ophiuren von »Travailleur « und »Talisman« (VIII, 1907, p. 303) führt Koehler drei weitere Exemplare von Asteronyx locardi an, «bien conformes au type drague par le »Caudan«, ohne die Größen anzugeben. Eins dieser Exem- plare wuide mir auf meine Bitte vom Pariser Museum zugeschickt; es hatte 18 mm Scheibendurchmesser. Das Fehlen der langen Stacheln bei diesem Exemplar wird also auch nicht als sicherer Charakter behiuptet werden können; es stimmte übrigens ganz mit A. loveni. Von den zwei andern Exemplaren konnte nichts erläutert werden. 286 Th. Mortensen, Die einzige natürliche Erklärung ihrer jetzigen diskontinuier- lichen Verbreitung wird die sein, daß sie sich in einer früheren, wärmeren Periode nördlich um Amerika oder Asien vom einen zum andern Ozean verbreitete, und dann später mit der Erniedrigung der Temperatur von den nördlichen Meeren verschwand i. Dies ist unter den Echinodermen durchaus nicht ein einzig dastehender Fall. Auf dieselbe Weise muß man gewiß die jetzige diskontinuierliche Verbrei- tung von Echinarachnius parma erklären, mid dasselbe gilt höchst wahrscheinlich für Molpadia oolitica (Marenz.), wie ich in meinem »Report on the Echinoderms collected by the Danmark Expedition at North-East Greenland«^ dargestellt habe. Diese Wanderung kann natürlich in der präglacialen Zeit statt- gefunden haben; es ist aber auch wohl möglich, daß es in postglacialer Zeit geschehen ist. Ad. S. Jensen hat gezeigt 3, daß in Grönland eine postglaciale wärmere Periode existiert hat, da solche Formen wie Zir- fhaea crispata dort lebten, welche in der Jetztzeit nicht so weit nördlich vorkommen. In dieser Periode kann die Wanderung von Asteronyx loveni sowohl wie Echinarachnius parma und Molpadia oolitica statt- gefunden haben. Beweise dafür, ob es in dieser oder in einer präglacialen Periode stattfand, hegen aber bis jetzt nicht vor. Etwaige Funde von den betreffenden Arten in Ablagerungen aus der einen oder andern Zeitperiode in jenen nördlichen Gegenden, wo sie in der Jetztzeit nicht leben, würden die Frage entscheiden können. Eine andre Frage ist die, ob die Wanderung vom Pacifischen zum Atlantischen Ozean ging, oder umgekehrt. Bestimmt kann man natürhch nicht darauf antworten, aber die Wahrscheinlichkeit ist dafür, daß die Art vom Pacifischen Ozean zum Atlantischen wanderte. Dafür spricht, daß die Gattung Asteronyx im Indo-Pacifischen Ozean weit reicher vertreten ist als im Atlantischen. Nicht weniger als vier 1 Eine andre Möglichkeit würde es zwar sein, daß sie bei einer früheren offenen Verbindung zwischen dem Pacifischen und Caraibischen Meere diese Wanderung machte. Es sprechen aber so viele Umstände gegen eine solche Ver- mutung, daß sie nicht ernstlich diskutiert zu werden braucht. Daß die Art nicht in der Panamanischen Region des Pacifischen Ozean vorzukommen scheint, wird allein genügen, um die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Vermutung klarzulegen. 2 Medd. om Grönland. Bd. XLV. 1910. p. 299. 3 Ad. S. Jensen, On the Mollusca of East Greenland. I. Lamellibran- chiata. With an Introduction on Greenlands Mollusc-Fauna from the quaternary time. Medd. om Grönland. XXIX. 1905. — Ad. S. Jensen and Pofl Härder: Postglacial changes of climate in arctic regions as revealed by investigations on marine deposits. (Postglaziale Klimaveränderungen. Stockholm 1910.) über Asteronyx loveni M. Tr. 287 sichere Arten der Gattung sind aus dem Pacifischen Ozean bekannt, nämlich, außer A. loveni, A. dispar Ltk. und Mrtsn., A. excavata Ltk. und Mrtsn. und A. plana Ltk. und Mrtsn. i. Dazu kommt vielleicht als eine fünfte Art A. cooperi Bell. Vom Atlantischen Ozean ist nur eine sichere Art bekannt, nämlich A. loveni, indem A. locardi Koehler, wie oben dargestellt, wenigstens bis jetzt nicht als sichere Art anerkannt werden kann. Es wird demnach wahrscheinlich die Heimat der Gat- tung Asteronyx im Indo- Pacifischen Ozean zu suchen sein. Während, wie gesagt, Asteronyx locardi kaum als eigene Art an- gesehen werden kann, ist es doch möglich, daß noch eine andre Art außer A. loveni im Atlantischen Ozean vorkommt. Unter dem mir vorliegenden Material von Asteronyx aus Skagerak befindet sich ein großes Exemplar, das sich in verschiedener Weise vom typischen Aste- ronyx loveni unterscheidet. Es ist in Taf . XVIII abgebildet. Daß die Radialschilder stärker als gewöhnlich hervortreten, rührt gewiß nur von der Konservierung her, da, wie es scheint, das Exemplar teilweise getrocknet gewesen ist. Aber die Zahl der Armstacheln ist nur sechs, während bei den erwachsenen A. loveni acht oder neun die gewöhnliche Zahl ist. Daß die Verlängerung des inneren Stachels schon auf dem neunten bis zwölften Gliede anfängt, während sonst die langen Stacheln im allgemeinen erst vom etwa 30. — 40. Ghede an auftreten, ist auch bemerkenswert, obgleich ähnliches bei A. loveni vorkommen kann (vgl. oben S. 274). Es würde gewiß verfrüht sein, eine neue Art auf diesem ein- zigen Exemplar zu gründen. Es kann aber nicht einfach zu Aster onyx loveni hingeführt werden. Nur weiteres Material kann die Aufklärung geben, ob wir hier eine eigene Art oder nur eine Varietät von A. loveni haben, oder vielleicht nur eine Abnormität. In einem Punkte ist das Exemplar wenigstens abnorm. Wie aus den Figuren auf Taf. XVIII hervorgeht, ist der eine Arm am Grunde abgebrochen. Ein kleines Stück ist an der Haut hängen geblieben und wieder fest gewachsen, aber so, daß es sich zu einem kleinen King geschlossen hat. Aus der Bruchfläche sind nun ferner nicht weniger als sechs kleine Arme hervorgewachsen, und zwar fünf in einem Kreise an der oberen Seite, einer an der unteren Seite der Bruchfläche. — Wie das Exemplar nun auch zu betrachten ist, ob als Abnormität oder als neue Art oder Varietät, diese merkwürdige Regeneration bietet jedenfalls mehr als gewöhnliches Interesse. Kopenhagen, im Februar 1912. 1 LÜTKEN u. MoRTENSEN, »Albatross « Ophiuridae. p. 185 — 186. 288 Th. Mortensen, Erklärung der Abbildungen. Tafel XIV. Fig. 1. Jugendstadiuni von Asteronyx loveni, von 1,9 mm Scheibendurch- niesser; von der Dorsalseite. 27/1. Fig. 2. Dasselbe Exemplar von der Ventralseite. 27/1. Fig. 3. Ein etwas älteres Stadium, 2,1 mm Scheibendurchmesser ; von der Ventralseite. 17/1. Fig. 4. Weiteres Stadium, 2,1 mm Scheibendurchmesser; von der Ventral- seite. 15/1. Fig. 1 u. 2 nach einem getrockneten, Fig. 3 u. 4 nach in Kanadabalsam aufgehellten Exemplaren gezeichnet; die Saugfüßchen sind weggelassen. Tafel XV. Fig. 1 — 5. Ein Radius (Arm) und die zwei angrenzenden Interradien von einer Serie Jugendstadien von Aster onyx loveni. Fig. 1 entspricht dem Stadium Fig. 1 u. 2 auf Taf. XIV, Fig. 2 entspricht der Fig. 3 auf Taf. XIV und Fig. 5 der Fig. 4 auf Taf. XIV. Die Figuren zeigen die Umbildung und Reduktion der Seiten- mundschilder und die Vergrößerung der Scheibe; ferner die Entwicklung der Ventralplatten und beginnende Reduktion der Seitenarmplatten. Unter dem oralen Ende der inneren Ventralplatte sieht man in Fig. 2 — 5 die erste Ventral- platte, die im Mundwinkel versteckt bleibt, g, Genitalplatte. 40/1. Fig. 6. Innerer Teil eines Arms und die zwei entsprechenden Mundecken eines Exemplars von 3,5 mm Scheibendurchmesser. Auf der linken Seite ist das Mundschild gebildet, auf der rechten Seite eben angelegt. Sekundäre Ventral- platten sind angelegt, g, Genitalplatte; g.s, Genitalschuppe; m.f, Magenfalten; s.v, sekundäre Ventralplatte. 35/1. Fig. 7 — 10. Innerer Teil eines Ai-ms und angrenzende Partie der Scheibe von einer Serie Jugendstadien; Fig. 7 — 9 entsprechen den Fig. 1 — 3, Fig. 10 der Fig. 5. Die Figuren zeigen die Reduktion der Seitenarmplatten und die Ausbildung der Radialschilder; in Fig. 10 ist die Resorption der Scheibenplatten angefangen, c, centrale Scheibenplatte; d, sekundäre Platten in der Rückenhaut der Arme; i.r, interradiale Scheibenplatten; m.r, Rand des Magens; r, radiale Scheibenplatten ; r.s, Radialschild; s, Seitenarmplatten; seh, Scheibenhaut; w, Armwirbel. 40/1. Die Figuren sind nach in Kanadabalsam aufgehellten Exemplaren gezeichnet. Die Saugfüßchen sind weggelassen, um die Konturen der Seiten- und Ventral- platten klar hervortreten zu lassen. Tafel XVI. Fig. 1 u. 2. Der Scheibenrücken von zwei jungen Exemplaren von Astero- nyx loveni, von 2,8 und 4 mm Scheibendurchmesser. Die Figuren, die nach ge- trockneten Exemplaren gezeichnet sind, zeigen die fortschreitende Reduktion der Scheibenplatten und die gleichzeitige weitere Ausbildung der Radialschilder. 18/1 (Fig. 1) und 13/1 (Fig. 2). s, Seitenarmplatten. Fig. 3. Drei Seitenarmplatten vom mittleren Teil eines Armes eines er- wachsenen Exemplars; die Figur zeigt den großen, von dicker Haut umgebenen über Asteronyx loveni M. Tr. 289 inneren Armstachel, während die nach oben folgenden, kurzen, hakenförmigen Stacheln zum Teil unter der Seitenplatte versteckt liegen. Zwischen den großen Stacheln ragt das Saugfüßchen (s.f) hervor; am oberen Füßchen ist auch dessen eigentümliche, von M. Sars zuerst gesehene Scheide (seh) deutlich. 20/1. Fig. 4. Eine Seitenarmplatte, von der Innenseite und mehr von der Fläche gesehen, so daß sämtliche Stacheln zum Vorschein kommen. Der große Stachel erscheint hier am Ende ganz von Dornen besetzt in Gegensatz zu Fig. 3, dem- entsprechend, daß diese Dornen nur an der Innenseite des Stachels vorkommen. 20/1. Fig. 5. Zwei Seitenarmplatten vom mittleren Teil eines der kürzeren Arme von einem erwachsenen Exemplar, bei denen der innere Stachel nicht verlängert ist. 20/1. Fig. 6. Armspitze eines jungen Exemplars in dem in Taf. XIV, Fig. 4 dargestellten Stadium, das große, korbförmige Terminale zeigend, sf, Saug- füßchen; V, Ventralplatte. 60/1. Fig. 7. Armspitze eines erwachsenen Exemplars, die verlängerte Terminal- platte {t) zeigend. Ventralplatten kommen erst weiter unten zum Vorschein, (vgl. Fig. 8). s.f, Saugfüßchen; st.a, Stachelanlage. 60/1. Fig. 8. Stück desselben Armes wie Fig. 7, aber weiter oralwärts. Zeigt die Anlagen der jungen Ventralplatten (v), die hier nicht mehr in primäre und sekundäre sich unterscheiden lassen, s.f, Saugfüßchen. 45/1. Fig. 9. Stück desselben Armes, noch weiter oralwärts; zeigt den Charakter und die Anordnung der Ventralplatten (v); sf., Saugfüßchen. 45/1. Fig. 10. Stück eines Armes von einem jungen Exemplar, 3,5 mm im Schei- bendurchmesser; Seitenansicht. Zeigt die in der Rückenhaut des Armes liegenden sekundären Dorsalplatten (d); s, Seitenplatten; s.f, Saugfüßchen; st, Stachel; w. Arm Wirbel. 45/1. Fig. 11. Stück eines Ai'mes eines erwachsenen Exemplars, getrocknet, von der Dorsalseite gesehen. An den hervorstehenden Seitenarmplatten (s) sind die Stacheln weggelassen. Die Wirbel erscheinen durch die Haut. 45/1. Fig. 12. Innerer Teil eines Armes und die angrenzenden Mundecken eines erwachsenen, getrockneten Exemplars; die Haut, die die Ventralplatten bedeckt, zum Teil durch Eau de Javelle aiifgelöst. Zeigt die Vermehrung der Ventral- platten, g, Genitalplatte; g.o, Genitalöffnung (Bursalöffnung); g.s, Genitalschuppe, Ä;, zerstreute Kalkkörper in der Haut; m.p, Madreporenplatte. 6/1. Tafel XVII. Fig. 1 u. 2. Junge Exemplare von Asteronyx loveni, 1. von der Dorsal- seite; 2. von der Ventralseite. 1/1. Fig. 3 u. 4. Erwachsene Exemplare von Asteronyx loveni, auf Funiculina. Fig. 3 von der Ventralseite, Fig. 4 von der Dorsalseite. 1/1. Tafel XVIII. Fig. 1 u. 2. Großes Exemplar von Asteronyx loveni (? Var.); der eine Arm ist in abnormer Weise reproduziert. Fig. 1 von der Ventralseite, Fig. 2 von der Dorsalseite. 1/1. Zeitschrift f. irissensch. Zoologie. CI. Bd. 1 0 Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). Von Dr. Siegfried Becher Privatdozent u. Assistent am zoolog. Institut in Giessen. (Aus der zoolog. Station Kristineberg in Schweden und dem zoolog. Institut in Giessen.) Mit 5 Figuren im Text und Tafel XIX. Die im folgenden mitgeteilten Tatsachen sind groi3enteils mor- pliologisclier Natur, andre haben mehr physiologisches Interesse, end- lich geht auch die Systematik bei unsern Mitteilungen nicht ganz leer aus. Die Gelesfenheit zur Untersuchuno; der im Titel 2;enannten Art bot sich mir während eines kurzen Aufenthaltes in der schwedischen zoologischen Station in Kristineberg. Für Aufnahme und Gewährung von Arbeitsgelegenheit bin ich der Verwaltung der Station zu großem Dank verpflichtet. Labidoplax buskii ist hier an der Westküste Schwe- dens die häufigste Synaptide; so konnte mir frisches Material in Fülle zur Verfügung gestellt werden. Herr Dr. Östeegren, der Vorsteher der schwedischen Zoologischen Station, ist gleichzeitig derjenige Zoologe, der die genaueste, jetzt grundlegende Beschreibung von Labidoplax buskii geliefert hat (1905). Daß mir die größte Erfahrmig über nordi- sche Synaptiden durch diesen Forscher zugute kam, möchte ich auch an dieser Stelle dankbar betonen. Meine Resultate sind zum großen Teil durch Beobachtungen am lebenden Objekt gewonnen und später durch Untersuchung des konser- vierten (verschieden fixierten) Materials bestätigt worden. Einiges Neue ist bei dieser Nachprüfung hinzugekommen. Ein paar der im folgenden mitgeteilten Beobachtungen würden eine gewisse Bedeutung für das Verständnis der Holothurienorganisa- tion besitzen, wenn sie für eine größere Zahl von Formen Geltung hät- ten. Im zoologischen Institut in Gießen ist eine Arbeit in Angriff genommen, bei der neben anderem auch die Ausdehnung unsrer Er- gebnisse erstrebt werden soll. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 291 Als Grundlage bei meiner Schilderung kann Östergrens bereits erwähnte Darstellung dienen. Sie enthebt mich auch der Pflicht, die nachfolgenden Beobachtungen zu einem monographischen Gesamt- bilde zusammenzufassen. So können meine verschiedenen Mitteilungen über die einzelnen Punkte einfach nebeneinander gestellt werden. I. Über das Vorhandensein großer, verschließbarer Abdominalporen und über ihre Bedeutung für das Verständnis der Excretion und des Lebendiggebärens einiger Formen. Bekanntlich trifft man in der Leibeshöhle der Holothurien eine große Zahl von Wanderzellen an. Bei den Paractinopoden findet man oft dicke Massen von Wanderzellen in den Wimperurnen. Auch sonst — z. B. in der Körperwand (Tafelfig. 9), im Mundfeld (Tafelfig. 6) usw. — ballen sich die Wanderzellen zuweilen zu dicken Massen zusammen und können als mehr oder weniger braun gefärbte Klumpen schon dem bloßen Auge sichtbar werden. Ich habe es (1907, S. 575 — 576) wahr- scheinlich zu machen gesucht, daß es sich in diesen aus einzelnen Zellen bestehenden Massen um Ansammlungen von Excretionswanderzellen handelt, und daß die ganzen Klumpen sozusagen ein Depot von Excret- stoffen darstellen (I. c. tab. 32, fig. 9). Man muß indessen in der Deu- tung der in der Leibeshöhle liegenden Klumpen sehr vorsichtig sein; denn bei Labidoplax hi(skii habe ich mich überzeugt, daß es sich oft um Pseudonavicellencysten von Gregarinen handelt, die in dem Tier schmarotzen. Die dünne glatte Hülle dieser Cysten ist auch mit Zellen besetzt, so daß eine Verwechslung sehr leicht möglich ist. CuENOT hatte schon 1902 (S. 89) gefunden, daß in den »braunen Kör- pern des Cöloms Gregarinencysten mit eingeschlossen sein können (vgl. Ludwig 1889 — 1892, S. 428 — 429). Mögen nun auch unter diesen Klumpen, wie ich sie bei Rhabdomolgus ruber sowie bei Leftosynapta minuta (vgl. 1906, S. 507, Textfig. 2) sah, einige nichts als parasitäre Gebilde gewesen sein, so bleibt doch bestehen, daß sich in der Leibes- höhle Ansammlungen von Wanderzellen finden, die stark mit Körnern beladen und wahrscheinlich als Excretstoff träger zu deuten sind. Bei den pedaten Holothurien scheinen nach den Angaben mehrerer Autoren (Schultz 1895, S. 394—397, Herouard 1895, Barthels 1895) die Kiemenbäume oder auch die Geschlechtsorgane (vgl. Eusso 1901) eine excretorische Nebenfunktion zu besitzen, indem Exkretionswander- zellen durch diese Organe nach außen gelangen. Bei den Synaptiden sollen nach Schultz (1895, S. 391 — 394) Wanderzellen der Leibeshöhle Fremdstoffe (Tusche) aufnehmen, in die Wimperurnen gelangen und 19* 292 Siegfried Becher, durch deren Basis in die Cutis der Körperwand eintreten, um dort das Material abzulagern (vgl. die etwas abweichende Auffassung von CuENOT 1902). Bei den oben genannten Synaptiden {RhahdomoJgus ruber, Leptosynapta hergensis und Labidoplax huskii) fehlen aber die Wimperurnen (ebenso wie natürlich auch die Wasserlungen), so daß mir hier die Excretion besonders dunkel erscheinen mußte. Die Überlegung, daß jene Excretionswanderzellen irgendwo heraus müßten und daß doch gar keine Anhaltspunkte für ein aktives Durch- wandern der Haut vorlagen, veranlaßten mich, die Körperwand genau abzusuchen. Ich fand bald eine mich sehr überraschende Tatsache. Unwill- kürlich wählt man zur Untersuchung Tiere, deren Leibeshöhle viel Flüssigkeit enthält und deren Körperwand daher prall, durchsichtig und möglichst glatt ist. Unter dem Deckglas verliert sich aber dies »schöne« Aussehen der Tiere nach einiger Zeit, sie kollabieren, der Körperdurchmesser verkleinert sich, und die Haut wird dicker, rauh und undurchsichtig. Dieses Schrumpfen der noch völlig lebensfähigen Tiere fand auch dann statt, wenn Stützen unter dem Deckglas eine zu starke Steigerung des Druckes verhinderten. Trotzdem suchte ich in irgend weichen Rissen, in einem Platzen der Wand, die Ursache jener Erscheinung. Die Sache erwies sich aber anders als es das Dogma eines völligen Abschlusses der Leibeshöhle erwarten ließ. Ich sah, daß bei völlig prall gefüllten Tieren unter dem Deckglas ganz am Hinterende sich eine Öffnung auftat und Leibeshöhlenflüssig- keit samt einem Strom von Wanderzellen durchtreten ließ. Die Öffnung war kreisförmig bis oval, die Kontur derselben vollkommen glatt. Ich neigte, wie erwähnt, sehr dazu, an einen Riß zu denken ; das Aussehen der Öffnung machte aber einen ganz andern Eindruck, und so wurde ich in meiner anfänglichen Meinung unsicher. Die einmal gemachte Beobachtung bestätigte sich dann bald an allen später untersuchten Exemplaren, sofern es sich um wirklich unversehrte Tiere handelte. Nicht wenige Exemplare zerschnüren nämlich, veranlaßt durch die Störungen des Fanges oder des Lebens im Aquarium, ihren Körper, und so kann man nicht erwarten, die Löcher — wenn es sich um nor- male, topographisch fest orientierte Bildungen handelt — an einem Tier zu finden, das seinen hinteren Körperteil abgeworfen hat. Man lernt jedoch bald die unversehrten Tiere von den durchschnürten zu unterscheiden, und die nicht autotomierten ließen alle eine Öffnung am Hinterende erkennen. Bei mehreren Exemplaren sah ich zwei Öffnungen in benachbarten Interiadien, doch war es mir unmöglich Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 293 festzustellen, ob jedes Tier mehrere solcher Löcher besitzt oder ob die- selben in allen oder in bestimmten Interradien vorkommen. Ich fand die Öffnungen immer ganz am Hinterende unmittelbar neben der Stelle, wo die Hautepidermis in das Enddarmepithel übergeht (vgl.Textfig. .4 und 5). Das Aussehen der Löcher war überall dasselbe, immer dieselben glatten, runden Gewebsränder und nie der Eindruck des Risses oder sonstiger gewaltsamer Durchbrechung. Diese Beobachtungen überzeugten mich bereits davon, daß es sich in den Öffnungen um wirkliche Organe, um richtige normal vorhandene Abdominalporen handelte. Ein Riß würde Textfig. A. Hintereude einer Labidoplax buskii in der Nähe des Afters (der bei dem Präparat auf der Objekt- trägerseite des Tieres lag und datier nicht mitgezeiohnet wurde. Man sieht die Körperwand (Epider- mis und Cutis) und als innere Grenze die Ringmuskelschicht; ferner 3 Radien und am Ende eines Interradiiis einen Abdominalporus geöffnet. Xach dem lebenden Objekt mit dem Zeichenapparat gezeichnet. 86/1. sicherlich parallel den Ringmuskelfasern erfolgt und wahrscheinlich nicht in Mehrzahl und nicht immer am Hinterende aufgetreten sein. Der Charakter der beschriebenen Öffnungen als normaler Organe bestätigte sich in bündigster Weise durch ihr aktives Verhalten. Ich konnte aufs deutlichste beobachten, wie die Öffnung sich gelegentlich schloß, um nach einiger Zeit wieder aufzugehen und neue Flüssigkeit und Wanderzellen passieren zu lassen. In andern Fällen spielte der Durchmesser eines Porus mehrfach zwischen verschiedenen Öffnungen. Auch habe ich gesehen, daß ein großer Haufen Wanderzellen und eine noch größere Pseudonavicellencyste erst die Öffnung fast verstopften und nicht passieren konnten und daß ihnen dann erst durch Erweite- runo; der öffnuns freier Durchtritt ermöglicht wurde. 294 Siegfried Becher, Nach Schluß eines Porus ist der Ort desselben kaum wahrzuneh- men; nur eine kleine Körnelung, die wohl auf Ansammlung mehrerer Kerne beruht, verrät die Stelle. Doch ist es kaum möglich eine solche Stelle mit Sicherheit zu bezeichnen, wenn man nicht vorher die Öffnung an dem Ort sich hat schließen sehen. Darin liegt auch wohl der Grund, warum die beschriebenen Organe bisher nicht gefunden wurden. Bei der Fixierung schließen sich die Poren meist, und am gefärbten Präparat wagt man oft nicht eine Kernansammlung oder dergleichen auf eine geschlossene Öffnung zu beziehen. Die Abdominalregion der Synaptiden bietet mit ihren Hautrunzeln, mit den Cloakendilatatoren, dem Darm und seinen Schich- ten usw. die denkbar un- günstigsten Aussichten für klare Totalpräparate. Doch habe ich bei Vermeidung jeder Schrumpfung die Poren auch an konserviertem Ma- terial einwandfrei nach- weisen können. Es war natürlich zu ver- muten, daß ein feiner Sphinc- ter den Verschluß der Poren bewirkt, und auch die offen- bar nicht lediglich durch den Flüssigkeitsdruck bewirkte (wenn auch vielleicht aus- Textfig. B. Hinterende von Labidoplax buskii in der Xähe des Afters, dessen Ort ungefähr diircli den Buchstaben A angegeben wird. Rechts ein Abdominalporus in maximaler Öffnung. Punktiert ist ein kleinerer Umfang eingetragen, der während des Zeicimens unter anderen angenommen wurde. R bedeutet Radius. Nach dem Leben mit dem gelöste) OffuUUg Wcist auf Zeichenapparat entworfen, zeiss, Apochr. 16 mm. ^j^s Vorhandensein radiärer Komp-Ocui. 12. 208/1. Muskelfäserchen hin. Am fixierten Objekt fand ich eine Keihe feiner das Loch umgebender Fasern, in denen man wohl jenen Sphinkter erblicken darf. Auf Grund der eben mitgeteilten Tatsachen halte ich mich berechtigt eine Mitwirkung der Abdominalporen bei der Excretion als wahrscheinlich anzunehmen. Ich will hier die Frage nach der Excretion der Echinoder- men nicht aufrollen, sicher ist aber, daß Wanderzellen dabei eine große Rolle spielen. Die oben genannten Forscher ließen die Wanderzellen der Holothurien aus der Leibeshöhle austreten, durch Wasserlungen, Wimperurnen usw. Darüber, daß excretstoffbeladene Wanderzellen in der Leibeshöhle in großer Zahl anzutreffen sind, herrscht Einigkeit. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 295 So ist es klar, dai3, wo Abdominalporen vorhanden sind, auch die Excretstoffträger diesen direkten Weg nach außen benutzen werden. Daß Wanderzellen in großen Mengen bei Öffnung der Poren mit aus- strömen, habe ich wiederholt direkt gesehen. In besonders guter Übereinstimmung steht meine Auffassung mit den Befunden Cuenots (1902). Wie Clark (1899) fand Cuenot (1902, S. 86 — 91), daß injizierte Tusche in den Wimperurnen angesammelt wird. Erst dann nehmen die dort befindlichen aus Wanderzellen kon- stituierten Plasmodien die Körner auf. Die mit den Fremdkörpern beladene Plasmamasse einer Urne vereinigt sich dann mit denen andrer, wird als Klumpen frei, der sich in der Leibeshöhle mit weiteren Massen verbindet und so die großen Wanderzellenklumpen bildet, von denen oben die Rede war und die ich auch bei urnenlosen Synaptiden fand. Diese beladenen Wanderzellen wandern also nach Cuenot (1. c. S. 90 — 91) nicht durch die Basis der Wimperorgane in die Haut, wie Semon (1887, S. 420—421), Schultz (1895, S. 392—393) und Clark (1899) ange- nommen hatten, sondern fallen in vergrößerten Massen in die Leibes- höhle zurück. Ihr weiteres Schicksal, das Cuenot dunkel läßt, wird sein, daß sie durch die Abdominalporen nach außen gelangen. Injizierte gelöste Stoffe (Ammoniakkarmin) sollen von Wander- zellen (und Epithelzellen) aufgenommen und diese dann durch eine specifische Agglutinierung in den Urnen angehäuft werden. Das wei- tere Schicksal wäre das gleiche (S. 89). Zu dieser Eliminierung gelöster Stoffe möchte ich jedoch die Ver- mutung aussprechen, daß die Lösungen zum großen Teil einfach durch Öffnung der Abdominalporen entfernt werden können. Überhaupt muß ich trotz der ausgezeichneten Übereinstimmung mit der Hypo- these einer Excretion durch Wanderzellen betonen, daß bei den mit Abdominalporen versehenen Tieren wahrscheinlich ein Teil der Excret- stoffe in gelöster Form aus Geweben und Wassergefäßsystem in die Leibeshöhle gelangt und dann direkt als Flüssigkeit ausgeführt wird. Natürlich kommen auch noch andre Leistungen in Frage. Bei gesteigertem Druck (wie z. B. unter dem Deckglas) und zu großer Flüs- sigkeitsmenge in der Leibeshöhle kann durch die Poren leicht Abhilfe geschaffen werden. Bei zu geringem Flüssigkeitsgehalt kann wahr- scheinlich auch Seewasser aufgenommen werden. Doch habe ich das nicht beobachtet. Eine Wasseraufnahme würde natürlich auch den Gedanken an eine Unterstützung der Atmung auf diesem Wege nahe legen, zumal bei Tieren, denen wie Labidoplax hushii sowohl Kie- menbäume als auch Wimperurnen fehlen. 296 Siegfried Becher, Weiter mag erwälint werden, daß sicherlich die Gregarinen, die zuerst meist in der Lacune der Darmwand sitzen und dann in die Lei- beshöhle gelangen, in ihren der Ausbreitung dienenden Formen durch die Abdominalporen frei werden. Auch die parasitischen Schnecken bzw. ihre Brut, über deren Ein- und Auswanderung sich schon Baur den Kopf zerbrach (1864, 3, S. 92 — 97) könnten eventuell den Poren- weg benutzen. Endlich kann man daran denken, die Abdominalporen mit dem Geburtsakt derjenigen Holothurien in Zusammenhang zu bringen, deren Junge sich in der Leibeshöhle entwickeln {Thyone rubra Clark [vgl. Clark 1901, S. 166 — 167], PhyllopJiorus urna Grube [vgl. Lud- wig 1898, S. 95 — 96], Synaptula hydriformis [Lesueur], Leptosynapta minuta [Becher] [vgl. Becher 1906, S. 508 und Textfig. 2], Chiridota rotifera [Pourtales] [vgl. Clark 1910, S. 499—500]). Über die Art der Befreiung der Jungen aus der Leibeshöhle ist bei diesen Tieren nichts bekannt, nur bei Synaptula hydriformis haben H. L. Clarks Unter- suchungen (1895, S. 57 und 59 — 60) sichere Anhaltspunkte gegeben. Mir selbst war aus Mangel an ausreichendem Untersuchungsmaterial die Geburt der Jungen meiner Leptosynapta minuta dunkel geblieben. Nach meinen Funden an Labidoplax buskii tauchte daher sofort die Vermutung in mir auf, daß auch bei jenen lebendig gebärenden Formen Abdominalporen vorhanden sein möchten und daß deren Erweiterung — mit oder ohne Vergrößerung durch weiteres Reißen — der Befreiung der Jungen aus der Leibeshöhle dienten. Dies scheint mir gut zu stim- men zu Clarks Beobachtungen, nach denen die Brut durch einen Riß der Körperwand nahe dem After frei werden kann (vgl. Clark 1905, S. 57 und tab, 12, fig. 29). Häufiger sollen die jungen Tiere hier aller- dings durch den After geboren werden, in den sie durch Reißen des Enddarmes nahe seiner Mündung gelangen werden. Der genannte Forscher hat zudem gefunden, daß im Rectum die Furchen des inneren Epithels so tief werden können, daß sie mit Einstülpungen des Cölom- epithels an gewissen Stellen zusammentreffen und richtige Öffnungen des Cöloms in den Darm darstellen (1. c. tab. 12, fig. 30 und 31). Durch diese Öffnungen sollen die Spermatozoen anderer Individuen zur Be- fruchtung aufgenommen werden (1. c. S. 59 — 60), und obwohl diese Löcher viel zu klein sind, um der Geburt direkt zu dienen, hat Clark doch schon vermutet, daß sie die Ausoanosstellen für das Reißen der Rectumwand darstellen könnten (1. c. S. 57). Klappen oder Wimpern hat Clark an jenen rectalen Kanälen nicht beobachtet, und so vermutet er, daß die Regulierung der Passage durch Schluß oder Öffnung des Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 297 Afters mittelbar besorgt würde. Clark ist in seiner Monographie (1907) auf diese Angaben nicht wieder eingegangen und bei der Untersuchung der lebendig gebärenden Cliiridota rotifera (die sonst entsprechende Verhältnisse aufweist) »the study of preserved material has thrown no light on these points« (1910, S. 499). Trotzdem glaube ich, daß Clarks Beobachtungen an Synaptula liydriformis zu Recht bestehen, und es scheint mir auch, daß sie meinen Befunden nicht direkt widersprechen. Vielleicht sind auch Clarks rectale Öffnungen aktiv beweglich, und da sie unweit des Afters liegen, so ist der topographische Unterschied nicht ganz prinzipiell, zumal da das Rectum der Körperwand ent- wicklungsgeschichtlich und auch histologisch nahe steht. Möglicher- weise weisen die gelegentlichen Geburtsrisse in der Körperwand des Hinterendes sogar auf ganz entsprechende Abdominalporen hin, wie ich sie gefunden habe. Jedenfalls aber stimmt Clarks Beobachtung mit der meinigen darin überein, daß sie gleicherweise Öffnungen der Leibeshöhle nachweist, mögen dieselben nun in den Darm oder direkt nach außen gehen. Man kann natürlich gegen eine solche vereinheit- lichende Betrachtung einwenden, daß jene rectalen Öffnungen der Synaptula liydriformis verheilte Reste alter Risse sein oder wenigstens mit dem Lebendiggebären bzw. der Befruchtung in der Leibeshöhle zusammenhängen könnten, während bei Labidoplax busJcii solche Ver- hältnisse nicht in Betracht zu kommen scheinen. Diese Möglichkeit läßt sich vor der Hand nicht ausschließen, doch hat es, wenn die Ab- dominalporen eine weitere Verbreitung haben sollten, etwas Wahr- scheinlichkeit für sich, daß die lebendig gebärenden Formen die einmal vorhandenen Organe ausgenutzt haben. Mehr läßt sich natürlich nicht sagen, zumal nicht über die Cucumariiden mit ähnlicher Brutpflege. Ferner könnte man gegen das Zusammenbringen meiner Beobach- tungen mit denen Clarks einwenden, daß sich die letzteren besser an andre Erfahrungen über Öffnungen der Cloake in die Leibeshöhle an- schließen lassen. So findet nach Semper das Ausstoßen der Eingeweide durch Risse der dloakenwand statt und auf ganz entsprechende Weise finden die CuviERschen Organe ihren Weg (1868, S. 127—128). Freihch ist das normale Vorhandensein dieser Öffnungen niemals nachgewiesen worden. Semper vermutet aber, daß normale kleine Öffnungen ge- funden werden würden, obwohl ihm dies selbst nicht gelang (vgl. auch Ludwig 1889—92, S. 237—238, 402, 418). Wir haben mit dieser Erörterung der Beziehungen von Abdomi- nalporen und Brutpflege schon die Frage nach der Verbreitung dieser Organe angeschnitten. Hier können nur weitere Untersuchungen Auf- 298 Siegfried Becher, klärung bringen. Denn in der Literatur liegt so gut wie nicht s Bestimm- tes über äußere Öffnungen der Leibeshöhle vor. Nur Quatkefages' (1842, S. 65) »Spiracula«, die, vier bis fünf an der Zahl, interradial liegen und den durchbohrten Gliedern des Kalkringes entsprechen sollen, wären hier zu nennen. Schon Baue (1864, 1, S. 17 und 26 — 27) sah den Fehler in dieser Angabe: die Durchbohrungen des Kalkringes kommen den Radialgliedern zu; er bestreitet überhaupt die Existenz jener be- wimperten »Orificia aquifera«. Jon. Müller hatte schon früher (1850, S. 131) vergeblich versucht, Quatrefages' Beobachtungen zu bestä- tigen, denkt aber (1852, S. 46 ff.) an eine Identität mit den von ihm bei Larven beschriebenen kontraktilen Rosetten. Meine Wiederauffin- dung der Rosetten hat gezeigt, daß sie »pulsierende Peritonealsäckchen « darstellen; die kontraktilen Rosetten können also keine Orificia aqui- fera sein — vorausgesetzt, daß die von mir beschriebenen Organe wirk- lich mit JoH. Müllers Rosetten identisch sind. Vollkommene Sicher- heit darüber, welche Beobachtungen jenen alten Angaben zugrunde liegen, ist wohl nicht mehr zu erlangen. Semper (1868, S. 127) suchte gleichfalls vergebens nach den Spiracula und leugnet ihre Existenz. Auch späterhin hat kein Forscher etwas ähnliches gesehen und man konnte mit Ludwig (1889 — 92, S. 237) sagen, »dass es überhaupt bis- lang an einem sicheren Nachweise einer Verbindung der Leibeshöhle mit der Aussenwelt fehlt«. Eine Identifizierung von Quatrefages Spiracula mit den von mir beschriebenen »Abdomi- nalporen« verbietet schon die total verschiedene Lage. II. Über das Vorkommen gestielter (Tentakel-) Sinnesknospen auf der Rumpfwand und über ihre vorwiegend bilateralsymmetrische Anordnung. Seit Quatrefages' erster Beschreibung sind die knospenförmigen Sinnesorgane der Paractinopoden den Holothurienforschern wohl- bekannte Bildungen, die bei vielen Arten, immer an der Innenseite der Tentakeln, in mehr oder weniger großer Zahl gefunden wurden. Quatre- fages und die nachfolgenden Beobachter (Baur, Joh. Müller und Semper) hielten diese Organe noch für Saugnäpfe ; erst Hamanns histo- logische Untersuchung (1883, S. 319 und 1884, S. 22 ff.) ergab, daß es sich um Sinnesorgane handelt, eine Erkenntnis, die in der Folgezeit immer bestätigt wurde. Mit der Deutung dieser sehr weit verbreiteten Gebilde als Geschmacks- bzw. Geruchs-Geschmacksorgane schien es in gutem Einklang zu stehen, daß sie sich immer an der Innenseite der Fühler fanden, also an Stellen, an denen die Nahrung vorbeipassieren Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 299 muß und an Organen, deren Funktion zu einem sehr wesentlichen Teil in der Besorgung der Nahrung besteht. Die Auffassung der Sinnesknospen als ausschließlicher Fühler- organe mußte erst 1907 aufgegeben werden, als ich mitteilen konnte, daß bei Rhabdomolgus ruber ganz entsprechend gebaute — wenn auch ungestielte — Organe in der Halsregion des Rumpfes, also auf dem Körper außerhalb des Fühlerkranzes, aufsitzen (1907, S. 606 — 607, tab, 33, fig. 19, 20 und tab. 34, fig. 29) während die Fühler hier der- selben entbehren. Später (1910, S. 358 und tab, 22, fig. 13) beschrieb ich dann einen vermittelnden Befund : bei Leptosynapta minuta fanden sich gleichzeitig je eine Sinnesknospe auf den zehn Fühlern und etwa ein halbes Dutzend knospenförmiger Sinnesorgane in der Halsregion. Auch hier waren die Organe der Halszone ungestielt und wiesen insofern einen Gegensatz zu den gerade bei i. minuta schön gestielten Fühler- knospen auf. Dieser Unterschied ist zwar nicht prinzipiell, da auch die Knospen der Fühler sich in dieser Hinsicht bei nah verwandten Arten verschieden verhalten können, so sind sie z. B. bei Labidoplax digitata gestielt, bei L. thomsonii dagegen ragen sie kaum über die Oberfläche des Fühlers vor (vgl. Ludwig 1898, S. 3 und 5, Hamanns Angaben beziehen sich offenbar nicht auf L. digitata sondern auf L. thomsonii, siehe ferner meine Darstellung 1907, S. 604—606 und 1910, S. 324—325). Meine Beobachtungen an Labidoplax buskii ergänzen meine früheren Funde nun in der schönsten Weise. Ich fand am lebenden Tier, daß auch hier die Sinnesknospen nicht auf die Fühler in ihrem Vorkommen beschränkt sind, sondern auch auf dem Rumpf und zwar nicht nur in der Halsregion sondern in großer Zahl bis an das Hinter- ende des Tieres hin anzutreffen sind. Freilich ist auch hier die Halsregion noch etwas bevorzugt; denn die Organe stehen dort erheb- lich dichter, während sie nach hinten zu mehr und mehr spärhch werden. Unsre Photographien (Tafelfig. 1 und 2) geben eine Vorstellung von der Häufigkeit und der Verteilung. Ich nahm nach meinen Untersuchungen am lebenden Objekt zu- nächst an, die Organe wären gleichmäßig über den ganzen Querschnitt des Körpers verteilt. Daran ist richtig, daß zumal ganz vorn die Sinnes- knospen tatsächlich in jedem Interradius auftreten können. Ausge- breitete Hautstücke von fixiertem Material zeigten mir aber, daß weit- aus die Mehrzahl der Knospen in zwei Streifen angeordnet sind, die bei allen Tieren eine konstante Lage aufweisen. Sie laufen nämlich in der Nähe und dorsal von den beiden seitlichen ventralen Radien. Auf unsern Photographien (Tafelfig. 2 und 3) ist das klar zu erkennen. 300 Siegfried Becher, Diese Anordnung, bei der die wenigen übrigen Knospen sich wie ein- same Verirrte ausnehmen, ist nicht nur eine regelmäßige, sondern auch eine bilateralsymmetrische. Sie ist symmetrisch zu jener alten Symmetrieebene, die durch den Steinkanal bestimmt wird und deren altererbte Gestalt in mannigfaltigen Zügen selbst bei unsern Tieren hervortritt, deren Organisation die Bilaterahtät (zugunsten des radiären Baues) so sehr zu verleugnen scheint. Hier erhebt sich die Frage, ob die Verteilung von Sinnesknospen über den Körper einen alten meist verloren gegangenen Besitz oder eine neue Erwerbung der genannten drei Arten darstellt. Bei den Knospen- reihen, die das Trivium an seinen dorsalen Grenzen begleiten, denkt man unwillkürlich an eine Holothurie mit stark abgeplatteter Bauchseite, die nun gerade dort, wo die Kriechsohle aufhörte, also nahe am Boden einen Streifen mit Sinnesorganen besäße. Aber wir wissen nichts über entsprechende Sinnesorgane bei Tiefseeholothurien oder andern Formen mit stark differenzierter Rückenseite. Die Homologisierung mit Füß- chenendplatten stößt sowohl in vergleichend anatomischer wie auch histologischer Hinsicht auf die größten Schwierigkeiten, ganz abgesehen davon, daß man schon die Tastpapillen der Synaptidenhaut (die auch bei unsrer Art reichlich und gleichmäßig verteilt anzutreffen sind) als korrespondierende Bildungen der Endscheiben zu betrachten pflegt. Man darf allerdings nicht denken, daß jene Knospenanordnung phylogenetisch alt sein müßte, weil sie sich der alten Bilateralität ein- fügt. Ich habe schon früher (1907, S. 671 ff.) ausführlich auseinander- gesetzt, daß sowohl Eadiär- als auch Bilateralsymmetrie primärer als auch sekundärer Natur sein können (vgl. auch Semon 1888, S. 288). Die allgemein verbreitete Anschauung, daß die bilateral symmetrischen Züge der Echinodermen die Überbleibsel einer längst überwundenen früheren Organisation seien, darf nicht in Übertreibung dazu führen, die Bedeutung der Bilateralsymmetrie bei neueren Erwerbungen zu unterschätzen. Die Bilateralität ist noch heute ein aktiver Faktor der Entwicklung, der neuen Errungenschaften seinen Stempel auf- drückt. Sie ist von der siegreichen Radiärsymmetrie noch nicht ge- fesselt, ihr Ringen dauert fort und entbrennt bei vielen Neuerwerbungen von neuem, wobei die eine Bildung in den Kreis der radiären Symmetrie gezwungen wird, die andre in Anlehnung an die Bilateralität sich in den Organismus einfügt. Kalkring und Fühler geben uns Beispiele von neuerlichen Siegen der bilateralen Tendenzen, von sekundär bilateral symmetrischen Zügen (vgl. 1907, S. 585—587 und 641—642). So mag es auch mit dieser Sinnesknospenanordnung stehen. Dunkel bleibt dabei Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 301 freilich, wie bei verwandten Fragen, in welcher Weise durch Momente der Zweckmäßigkeit und Selektion oder auf den verborgeneren Wegen der Correlation der Sieg der bilateralen Symmetrie zugewendet wurde. Doch zurück zu den Beobachtungen. Die Sinnesknospen der Körperwand bei L. buskii sind auch dadurch von Interesse, daß sie genau so gestielt sind und auch nach der Konservierung wenigstens noch deutlich tönnchenartig vorspringen wie die gestielten Knospen der Fühler bei unsrer und vielen andern Arten. Auch auf den Photo- graphien nach konservierten Tieren (Tafelfig. 1, 3 und 4) ist das noch vollkommen deutlich zu erkennen. Dadurch wird die Übereinstimmung mit den Fühlerknospen vollends offenbar. Auf dem Boden der Grube eines knospenförmigen Sinnesorgans stehen lange Geißeln. Diese Geißeln hatte ich auf Schnitten auch an den Halsknospen bei Rhahdomolgus und Leposynafta minuta wahrge- nommen. In den Fühlerknospen kann man diese Geißeln im Leben in jener lebhaften Bewegung sehen, die mir selbst von L. minuta und von andern Objekten aus Anschauung bekannt war. Bei Labidoplax buskii habe ich nun diese ununterbrochene lebhafte Tätigkeit der Geißel- gruppe auch an den Knospen der Körperwand direkt beobachtet. Die Form der Knospen ist auf unsern Tafelfiguren (1,3 und 4) deutlich zu erkennen. Besonders bemerkt werden soll nur, daß die in die bewimperte Grube führende Öffnung nicht rund sondern oval bis spaltförmig ist^. Auch das ist an einigen Stellen von Fig. 1 zu ahnen und in Abbildung 4 für sich dargestellt. Wenn die die längliche Öffnung begrenzenden langen Lippen sich öffnen und schließen (solche Bewe- gungen habe ich auch an Tentakelknospen von L. minuta gesehen) so hat man fast den Eindruck, eine kleine Pedicellarie vor sich zu haben. In histologischer Beziehung mag bemerkt werden, daß sich das äußere Epithel auf dem Band der Knospe zu einer ovalen Einsenkung einstülpt. Die Zellen dieser Einsenkung sind größer und mit dickeren Kernen versehen als das Hautepithel. Die Einsenkung wird nun durch die größten centralen Zellen bis auf die erwähnte Grube wieder ausge- füllt. Die Kerne der centralen Zellen sind gleichfalls dicht gedrängt, sie liegen nicht mehr in einer Fläche wie die der peripheren Teile der Einsenkung, sondern in einer Gruppe zusammen unter der Grundfläche der Grube. Diese centralen Zellen sind es, die die beweglichen Geißeln tragen. Eine Reihe großer Basalkörner ist unschwer zu erkennen. Basalwärts setzen sich diese Zellen der »Knospe« im engeren Sinne in 1 Dies ist angedeutet in einer Figur von Leptosynapta acanthia bei Clark (1907, Tab. V, Fig. 22). 302 Siegfried Becher, einen Nerven fort, dessen dicke Masse direkt unterhalb der Einsenkung wie ein Ganglion aussieht. Um eine Ansammlung von Kernen handelt es sich hier aber nicht, sondern offenbar lediglich um die Fortsätze der centralen Zellen, deren Kerne eben in der Einsenkung der Knospe liegen. Von den Sinnesknospen der Fühler ist kaum etwas Besonderes zu sagen. Sie stehen auf der basalen Hälfte der oralen Tentakelseite. Meist findet sich, wie schon Östergren (1905, S. CLVI) angibt, auf den Fühlern je eine Knospe, die jedoch zuweilen einzelnen Tentakeln fehlen kann. Ich habe ein Präparat, in dem nur sechs Fühler eine Knospe be- sitzen. Auch kann ich hinzufügen, daß manchmal zwei Knospen auf einem Fühler stehen. In Bau und Aussehen entsprechen sie bis ins einzelne den Knospen der Körperwand. Auch hier ist die Öffnung länglich bis rautenförmig, und im Stiel ist die Nervenmasse zu sehen. III. Über eine bestimmte Orientierung der Kalkkörper zum Central* nervensystem und ihre Erklärung. Seit langem ist als allgemeine Eegel bekannt, daß die Anker und Ankerplatten der Synaptinen mit ihrer Hauptachse quer zur Längs- richtung des Körpers liegen. Dabei ist aber der Bogen des Ankers (und mit ihm das zugehörige freie Plattenende) bald nach der einen, bald nach der andern Seite gerichtet. Jeder Synaptidenkenner ist mit diesen Tatsachen vertraut, und so erübrigt es sich, irgendwelche Litera- tur darüber anzuführen, zumal ich noch vor kurzem diese Verhältnisse im einzelnen besprochen habe (1911). Es müssen Orientierungsmittel und Orientierungsfähigkeiten (oder Ursachen) vorhanden sein, die das spiculäbildende Plasma antreiben, den Schaft des Ankers und die Sym- metrieebene der Platte immer in die Querrichtung der Körperwand einzustellen, dagegen schien es nach dem Zeugnis der bisher bekannten Tatsachen völlig dem Zufall überlassen, ob der Bogen bzw. die Hand- habe des Ankers (und das verbundene Gelenk-Bügelende der Platte) nach rechts oder links wies. Bei allen größeren Synapten wechselt das eben ohne Vorzug von Platte zu Platte. Auch in meiner eben erwähnten Arbeit ist dieses Verhältnis, noch stillschweigend als allgemeingültig angesehen. Indessen ist bei Labidoplax busJcii auch diese Willkür beseitigt oder wenigstens stark eingeschränkt. Wir wollen bei dieser Art einmal die- jenigen Anker und Platten, die frei in den Interradien liegen, von denjeni- gen unterscheiden, die (von den Interradien her) den Radien unmittel- bar anliegen. Über den Radiärmuskeln und Nerven selbst liegen keine Anker und Platten. Auch die freien interradiären Platten sind nicht Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 303 massenhaft vorhanden, hinten sind sie ganz spärlich, nach vorn zu bilden sie oft eine einzige Reihe in der Mitte jedes Interradius. In andern Fällen liegen allerdings mehrere Platten in den oralen Teilen der Inter- radien unregelmäßig zerstreut nebeneinander. Bei diesen interradiären Platten — mögen sie nun einreihig oder zerstreut liegen — herrscht nun genau wie bei den übrigen Synapten völlige Willkür in der Lage des Bogen- und Handhabenerides vom Anker (und der associierten Plattenteile). Das gilt jedoch nicht von den die Radien flankierenden Kalk- körperreihen. Auch diese Reihen sind am oralen Ende des Körpers bedeutend dichter, und der Eindruck größerer Häufigkeit wird noch dadurch vergrößert, daß die Tiere hinter dem Kopf besonders oft Längskontraktionen aufweisen, wobei dann die Anker und Plattenpaare sozusagen Schulter an Schulter zu stehen kommen (vgl. Tafelfig. 5). Betrachtet man nun diese den fünf Centralnervenstämmen eng anliegenden Kalkkörper genauer, so ist leicht zu konstatieren, daß sowohl vorn wie hinten fast immer Bogen- bzw. freies Ende (von Anker bzw. Platte) vom Radius abgekehrt sind, wogegen Handhabe und Gelenkende sich ihm zuwenden (siehe unsre photographische Fig. 5). Es gibt gelegentlich Ausnahmen von der Re- gel, die zeigen, daß der orientierende Einfluß kein absolut zwingender ist, oder daß es eine Zone in der Nachbarschaft der Radien gibt, in der die Orientierung noch zweifelhaft bleibt. Diese gelegentlichen Aus- nahmen hindern indessen nicht, daß die beschriebene Gesetzmäßigkeit sehr auffallend ist und besonders für mich frappierend sein mußte, weil ich durch lange Beschäftigung mit der Orientierung und Beein- flussung der Anker und Platten für solche Daten eingestellt war. Wenn wir nun an die Deutung dieses merkwürdigen Fundes heran- treten, so können wir mit der Frage beginnen: handelt es sich in dieser Stellung der Anker und Platten um eine Anpassung oder ist sie die zwecklose Wirkung direkter mechanischer Verhältnisse bzw. orien- tierender Ursachen? Nun ist zunächst nicht einzusehen, welche dynamischen Umstände den Ankerbogen vom Radius abdrücken sollten. Bei gespannter Haut liegen Epidermis und Ringmuskellage in den Interradien nahe zusam- men, während unmittelbar neben dem Radiärnerv natürlich eine etwas dickere Lage der Cutis erhalten bleiben muß. Doch ist nicht zu ver- stehen, warum gerade der Ankerbogen, dessen Arme mit dem Schaft nicht in einer Ebene liegen, an die dünneren Teile der Körperwand geschoben werden sollte. Auch liegen die Anker, wie aus einigen An- 304 Siegfried Becher, lasestadien hervorgeht, offenbar von vornherein (ohne Schiebung und Einstelhmg) in der richtigen Lage. Man könnte weiter an einen mittelbaren orientierenden Einfluß der Radiärnervenstämme denken; denn gerade ihnen wenden sich die Handhaben- und Gelenkeuden zu (mehr noch als den cölomwärts vor- springenden Radiärmuskeln). Zudem hat der Gedanke eines orien- tierenden Einflusses des Nervensystems vielleicht für manchen etwas Annehmbares. Doch brauche ich nicht zu sagen, daß auch bei solcher Annahme absolut nicht klar wird, warum der Nerv gerade auf die An- näherung der Handhaben- bzw. Bügelenden hinwirkt. Solchen leeren Annahmen gegenüber hat die Deutung der Anord- nung als einer Anpassung weit bessere Grundlagen. Gewöhnt, bei den Kalkkörpern Zweckmäßigkeit selbst in den letzten Details zu finden, kam mir der Gedanke, daß Ostergrens Theorie der Ankerfunktion vielleicht den adaptativen Charakter jener Orientierung enthüllen könnte. Ostergrexs überraschende Idee, die mit einem Schlage die so lange Zeit falsch gedeutete Ankerfunktion erklärte, war bekanntlich folgende. Der Anker ist mit seinem Handhabenende beweglich mit dem Bügelende verbunden und kann sich, gegen den Bügel gelehnt, auf- und niederlegen. Die Platte ist in tieferen Lagen der Cutis festgelegt, der Ankerbogenscheitel aber unmittelbar unter der Epidermis angeheftet. Spannt sich die (dünngewordene) Körperwand, so wird der ^Vnker auf die Platte niedergedrückt, aber die Bogenarme werden damit nicht wie der Schaft parallel zur Plattenebene, sondern stemmen sich schräg nach außen, in der Enge die Epidermis mit den Spitzen etwas vortrei- bend. So entsteht das Kletten bei gespannter Haut. Läßt die Spannung nach und wird die Haut dicker, so entfernt sich die Epidermis von den tieferen Cutislagen. sie nimmt den Bogen mit, der Ankerschaft stellt sich schräg, die Bogenarme dagegen werden jetzt parallel zur Epidermis. Die Bogenspitzen hören auf, die Epidermis vorzudrücken und' das Kletten läßt nach (vgl. Textfig. D a und b, S. 319). Somit ist klar, daß die Möglichkeit starker Verdünnung der Kör- perwand Voraussetzung ist für die Wirkung des Ankerbogens und Beiner Spitzen. Nun fanden wir aber schon vorhin, daß neben dem Radiärnervenstamm die Körperwand niemals dünner werden kann als der Nerv ist ; wenn also der Ankerbogen hierhin gewendet wäre, so würde nie die Enge entstehen, durch die er gezwungen wird mit seinen schräg gestellten Spitzen die Epidermis vorzutreiben, kurz er würde kein Klet- ten hervorrufen können. Bei der wirklich vorhandenen Lage aber ragen freies Plattenende und Ankerbouen in die dünnwerdende Wand- Beobachtungen an Libidoplax baskii (M'Intosh). 305 partie hinein. Der Anker kann also kletten: Raumaasnutzung und günstige Funktionsbedingungen sind dabei zweckmäßig vereint. Gegen diese Erklärung kann man kein Argument aus dem Umstand schmieden, daß nicht bei allen Synaptinen jene Anordnung in der Xähe der Radien vorhanden ist. Fast alle S\Tiapten sind größer als L. huskii; sie haben auch eine dickere Haut. Eine dichte Bindegewebslage zieht über den Radiämerven hin, und auf dieser Lage können die Anker- platten ruhen und bei Wandspannunff auch neben dem Xerv Halt genug finden zum Anstemmen gegen die Haut. So sehen wir bei größe- ren Synapten die Anker denn auch über den Radien selbst liegen, und eine Reihenstellung und Orientierung ist damit sinnlos. Ich halte daher die oben gegebene Erklärung im wesentlichen für zutreffend, ünsre Deutung hatte die kurz geschilderte Art der Anker- funktion zur Voraussetzung. Darin, daß Östergeens auch sonst wohl fundierte Theorie sich bei ganz neuen, nicht vorhergesehenen Verhält- nissen als anwendbar und fruchtbar erweist, sehe ich eine starke Be- stätigung derselben. Mit dieser teleologischen Deutung ist natürUch nicht auch jede causale Erklärung überflüssig. Vielmehr muß weitergefragt werden: wenn die Anker und Platten zweckmäßigerweise so hegen müssen und durch erbhche Anlagen getrieben werden sich so zu legen, wie brinj^en es dann die kalkbildenden Zellen oder besser das Ankerplattensyncy- tium fertig, die Spicula richtig anzulegen? Zunächst müssen da irgendwelche dirigierenden Moment« d. h. Orientierungsmittel gesucht werden. Geht vom Nervensystem ein Einfluß aas, der das Plasma des Syncytiums polarisiert? Wirkt die.ser Einfluß durch Epidermisnerven im Epithel und weiter im eng damit verbundenen Syncytium? Oder drückt einfach der Xerveastamm auf das zugewendete Ende des S}Ticytiums und wird durch diesen Reiz eine Polarisierung bewerkstelligt bzw. eine mehr gedächtnismäßige Weckung einer Richtungsverschiedenheit veranlaßt? Dies alles wissen wir nicht, und es soll auch an dieser Stelle nicht näher diskutiert werden. Eine orientierende Wirkung des Xerven- stammes ist ja sehr wahrscheinlich das ]ilittel der merkwürdigen onto- genetischen Correlation, die der Anordnung zugrunde Hegt. Xur sei noch einmal betont, daß dieser Einfluß durchaas nicht unbedingt mit der nervösen Funktion des Radiärstammes und seiner Derivate zu- sammenzuhängen braucht. Zeitschrift f. wisserißch. Zoologie. CI. Bd. 20 306 Siegfried Becher, IV. Fühlerstellung und Fühlerströmung. Es ist bekannt, daß Labidoplax huskii die merkwürdige Zahl von elf Fühlern aufweist (siehe Tafelfig. 6). Östergren gibt an, daß selten zehn Fühler vorhanden sein können, was nicht so sehr verwunderlich ist, wenn man bedenkt, daß in der Jugend der Tiere eine Fühlervermeh- rung stattfinden muß. Persönlicher Mitteilung des genannten Zoologen verdanke ich die Angabe, daß einmal ein Tier mit zwölf Fühlern an- getroffen wurde. Da die zahlreichen Arten mit zwölf Fühlern eine ganz bestimmte Anordnung der Fühler aufweisen, so interessierte es mich, die Stellung des elften Fühlers der L. huskii festzustellen. Ich fand, daß er immer im mittleren dorsalen Interradius steht. Bei den Synaptiden mit zwölf Fühlern stehen bekanntlich in den beiden seitlichen dorsalen Interradien je drei, im übrigen immer zwei Tentakel zw^ischen zwei Radien. Dar- aus folgt, daß der elfte Fühler der Labidoplax huskii nicht einer von den beiden überzähligen des Typus von zwölf Ten- takeln ist. Zu der Verwandtschaft von L. huskii gehört nun zunächst L. media sowie weiterhin L. digitata, ihomsonii und dubia. Diese ver- wandten Arten haben alle zwölf Fühler, die, wie wenigstens für digitata und thomsonii feststeht, die typische Anordnung aufweisen. Auf der andern Seite schließt sich Leftosynapta minuta an L. huskii an, und diese Art besitzt zehn Fühler. Als Specialfall des allgemeinen Problems, ob die geringeren Fühlerzahlen (zehn) durch Reduktion zustande gekommen sind, erhebt sich daher hier die Frage: ist die Elfzahl der Fühler bei huskii durch Reduktion von zwölf oder durch Hinzubildung eines neuen zu zehn Fühlern erreicht worden? Nun sehen wir aber, daß der elfte Fühler von huskii seiner Stellung nach gar nicht einem der beiden überzähhgen Fühler des Zwölfertypus ent- spricht, so daß es als sehr wahrscheinlich gelten kann, daß huskii niemals typisch zwölffühlerig war. Allerdings könnte man der Reduktionstheorie eine etwas andre Wendung geben und sagen: huskii und die andern Formen haben sich schon getrennt, als ihre gemeinsamen Vorfahren noch mindestens 13 Fühler hatten. Von diesen gingen bei huskii die überzähligen im linken und rechten dorsalen Interradius, bei den andern der überzählige des mittleren dorsalen Interradius verloren. Aber danach hätte L. media in ihrem Fühlerschicksal länger mit digitata, thomsonii usw. Schritt ge- halten als mit der ihr offenbar näher stehenden huskii. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosb). 307 Das wäre möglich; doch bilden höher differenzierte und speziali- sierte Tiere offenbar seltener den Ausgangspunkt neuer Gruppen als einfache. L. minuta ist eine solche einfache Art, die zudem in andrer Beziehung gut geeignet ist zu der Labidoplax-Giuip-pe hinüber zu führen. Diese Art hat zehn unverzweigte Fühler. Eine abgespaltene Form wird größer und dementsprechend wird die Fühlerzahl auf elf erhöht, die Fühlerform durch zwei Seitenästchen kompHziert: wir kommen zu L. buskii. Eine nah verwandte Form neigt zu stärkerem Wachstum, sie erhält also gleich zwei neue Fühler, und die Tentakel bekommen vier Enden. Wie dem nun auch sein mag, sicher ist, daß die Elf- und die Zwölf- zahl von der einen oder andern Seite her selbständig erreicht wurden : die zwölf Fühler sind hier nicht die elf plus ein neuer, und die elf nicht die zwölf minus einem. Um so auffallender ist, daß in beiden Fällen die Anordnung sich der Bilateralsymmetrie einfügt. Wir dürfen hier an das bei den Sinnesknospen über secundäre Bilateralsymmetrie Gesagte erinnern. Denn auch w^enn eine Reduktion der Zahl stattgefun- den hätte, würde die bilaterale Gruppierung sekundär sein; wir wissen nämlich, daß bei 15 Tentakeln wieder eine radiäre Anordnung bei Synaptiden vorliegt (5 x 3). Die bilaterale Symmetrie, die selbst im Kranz der zehn Fühler von Rhabdomolgus in versteckter Weise hervortrat, scheint hier in der Anordnung der Fühler zu walten. An die Zahl der Fühler ist die sym- metrische Tendenz dabei nicht gebunden: selbst bei 13 Fühlern scheint sie sich durchzusetzen i. Es wäre in dieser Hinsicht interessant, das ö^sfe-Individuum mit anormaler Zwölfzahl zu untersuchen. Wenn auch diese zwölf Fühler die typische Zwölferanordnung zeigten, so fiele damit ein bedeutendes Licht auf das Wesen der Bilateralsymmetrie. Es würde klar werden, daß dieselbe auch im Individuum nicht an ihr normales concretes Ob- jekt gebunden ist, sondern sich dem anormalen mitteilen und — bei einmal eingeleiteter anormaler Bildung — das Normale sogar hemmen kann. Denn wenn eine überzähliger Fühler in einem seitlichen dorsalen Interradius aufgetreten wäre, so würde sie den dazu unsymmetrischen normalen elften Tentakel hemmen und einen weiteren zwölften Fühler in den opponierten dorsalen Interradius zwingen. Noch an eins ist zu erinnern. Wir fanden bei Rhabdomolgus in ^ Bei 13 Fühlern scheinen zwei überzählige im linken und rechten dorsalen Interradius und der dritte im mittleren d. J. oder in einem ventralen Radius zu stehen. 20* 308 Siegfried Becher, der Länge der Fühler eine leichte Bevorzugung der dorsalen Seite des Tieres. In der bekannten Zwölffühleranordnung tritt dieselbe Bevor- zugung eklatant zutage. Es ist bemerkenswert, daß die Stellung des elften Fühlers im mittleren dorsalen Interradius dieselbe Dominanz der Dorsalseite dartut. Ob die Reduktion der beiden ventralen Fühler bei Dendrochiroten unter demselben Gesichtspunkt betrachtet werden darf, mag dahingestellt bleiben. Strömung der Wassergefäßflüssigkeit in den Fühlern. Es ist bekannt, daß die Flüssigkeit und mit ihr die Inhaltszellen des Wassergefäßsystems in lebhafter Bewegung zu sein pflegen. Neben den starken Bewegungen und mechanischen Funktionen der Tentakel werden Wimpern des Innenepithels für diese Bewegung verantwortlich gemacht. Bei L. huskii fand ich am lebenden Tier, daß die so in den Fühlern erzeugte Bewegung einer einfachen Regel folgt: an den oralen Seiten des Tentakelhohlraums strömt die Flüssigkeit immer basalwärts, während sie an der Außenfläche zur Spitze des Fühlers hin getrieben wird. Man kann die Richtvmg des Wasser- stromes an den mitgeführten Wanderzellen leicht erkennen. Ich habe an zahlreichen intra vitam untersuchten Tentakelkrönen keine Aus- nahme von dieser Regel gefunden und danach oft bestimmt, ob ich von innen oder außen auf einen Tentakel blickte; im ersteren Fall ist bei hoher Einstellung des Mikroskops allgemeine basalwärts gerichtete Zellenströmung zu sehen, bei tiefer Einstellung die umgekehrte usw. Solche Bestimmungen ließen sich dann leicht verifizieren. V. Über das Vorkommen pulsierender Peritonealsäckchen (kontraktile Rosetten). Neues vom Mesenterium. Bemerkungen über andere Organe. Schon in meiner ersten Mitteilung (1906, S. 508 — 509), in der ich über die Entdeckung eigenartiger Organe berichtete, die sich wahr- scheinlich mit den Bildungen identifizieren lassen, die Jon. Müller an tonnenf örmigen Larven fand und als »kontraktile Rosetten « bezeich- nete, habe ich die Vermutung ausgesprochen, daß diese Organe eine weite Verbreitung haben müßten. Damals hatte ich diese Gebilde bereits bei drei ziemlich weit entfernt stehenden Synaptiden angetroffen, später (1910, S. 328 — 330) habe ich die weitere Verbreitung an neuen Arten bestätigt. Jetzt kann ich über das Vorkommen derselben bei Lahi doplax hushii, Labidoplax thomsonii und Leptosynapta girardii Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 309 berichten. Im ganzen sind daher jetzt diese Organe nachgewiesen an folgenden Arten: Rhabdomolgus ruber, Leptosyna'pta minuta, » inhaerens, » girardü^, Leptosynapta hergensis, Labidoplax digitata, » thomsonii, » buskii. Diese Liste beweist wohl schon zur Genüge, daß es sich in den in Rede stehenden Organen um beachtenswerte, weil weit verbreitete Or- aane handelt. Trotzdem hat seit meiner Publikation vom Jahre 1906 kein Holothurienforscher über hierher gehörige Funde berichtet, nur Clark (1907, S. 48 und 61) hat eine Beziehung zu den larvalen Ernäh- rungsorganen der Synaptula hydriformis vermutet. Von einer Ver- wandtschaft dieser ektodermalen Organe mit den Peritonealsäckchen kann aber keine Rede sein (vgl. Becher 1910, S. 329). Da die kontrak- tilen Rosetten vor meinen Beschreibungen fast 50 Jahre vergeblich gesucht (und von Baur 1864, 2, S. 46 — 47) in Übereinstimmung mit JoH. Müllers erster Ansicht für unvollständige Kalkrädchen erklärt) wurden, so könnte es den Anschein erwecken, als ob die Bildungen schwer festzustellen seien. Es bedarf jedoch nicht einmal feiner histologischer Methoden, um die Organe nachzuweisen; denn sie lassen sich an lebenden, nicht zu großen Tieren unter demKompressorium beobachten und ziemlich leicht finden, wenn man sie einmal gesehen hat. Auch bei Labidoplax buskii 1 Ungleich Clakk (1907, S. 88 — 89) halte ich L. girardii für eine von L. inhaerens verschiedene Art. Östergren (1905, S. CLIII — CLIV) hat sich gleich- falls für ihre Selbständigkeit ausgesprochen. Bei meinen grimr^^ü'-Exeroplaren, die ich Herrn Geheimrat Ludwig verdanke (der sie von Clark selbst erhielt), finden sich neben den zahlreichen kleinen einige Riesen -Wimperurnen. Clark gibt (1907, S. 57) an, daß diese Verschiedenheit bei L. inhaerens aufträte. Bei der europäischen L. inhaerens ist das jedoch nie gesehen worden. Es scheint mir ein anatomisches Unterscheidungsmerkmal zu sein. — Ferner besitzt L. girardii dickere, über die Haut als starke Knoten vorragende Tastpapillen und endlich zeigt mir eine Querschnittserie, daß der Geschlechtskanal nicht nahe der Spitze des rechten dorsalen Fühlers, sondern auf einer basalen von jenem Fühler links abgehenden Papille nach außen mündet. Das alles müßte an zahlreicheren Exemplaren geprüft werden; doch macht es mir auch so schon die Selbständig- keit von L. girardii sehr wahrscheinlich. 310 Siegfried Becher, habe ich die Säckchen auf diesem Wege entdeckt und ihre Kontraktio- nen beobachtet. In meiner Rhabdomolgus- Arbeit habe ich diese Organe histologisch untersucht und gefunden, daß sie Bildungen des Cölomepithels sind und Muskelfasern enthalten. Jon. Müller und Thompson (1862) irrten, wenn sie die Rosetten mit Quatrefages' Spiracula zusammenbrachten. Wenigstens haben die von mir beschriebenen Organe nichts mit Poren durch die Körperwand zu tun. Baur hat diese Gebilde meiner Meinung nach sicher nicht gesehen. Auch an Schnitten habe ich bei L. huskii die Rosetten leicht fin- den können (vgl. Tafelfig. 8). Sie sind genau so gebaut wie bei Rhabdo- molgus und bei den andern darauf untersuchten Arten (vgl. 1910, S. 328 ff.), d. h. sie bestehen aus einer Vorwölbung des Cölomepithels in die Leibeshöhle. Diese Wölbung wird von Muskelfasern in radiärer Richtung durchsetzt, die sich in der Mitte des Säckchens kreuzen und so das Centrum der »Rosette« bilden. Hier kann eine genaue Beschrei- bung unterlassen werden; denn sie würde sich vollständig mit meiner früheren Schilderung decken (1907, S. 633—638 und tab. 33, Fig. 15— 18; tab. 34, Fig. 25, tab. 35, Fig. 34 und Textfig. 7) Auch die Stellung der pulsierenden Peritonealsäckchen ist bei L. huskii, bei L. ifiomsonii und Leptosynapta girardii genau so wie bei den früher beschriebenen Arten. Sie sitzen in der vordersten Region der Leibeshöhle, dort, wo sich dieselbe zwischen Kalkring bzw. Fühler- ampullenanlagen und der Körperwand etwas weiter nach vorn zieht. Dort befinden sich die Säckchen sowohl an der Körper- wie auch beson- ders zahlreich an der Kalkringseite. Die Zahl der Rosetten ist beträcht- lich, wenn auch bei L. huskii etwas geringer als bei größeren Arten. Im folgenden sollen in möglichster Kürze und ohne Diskussion der Literatur noch einige Beobachtungen über verschiedene Organe mitgeteilt werden, die das Gesamtbild von L. huskii vervollständigen mögen. Die Körperwand trägt außer den besprochenen Sinnesknospen auch noch zahlreiche drüsenführende Tastpapillen, die in großer Zahl gleichmäßig über den Körper verteilt sind und auch auf den Tentakeln vorkommen (gewöhn- lich stehen einige auf der Außenseite). Die Körperwand besteht aus den typischen Schichten. Auf das äußere mit Cuticula versehene Epithel folgt das Bindegewebe, das bei dieser Art ziemlich deutlich in eine äußere dünne und eine innere dich- Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 311 tere Schicht zerfällt, die sich auch über die Radiärnerven wegzieht. Ganz außen liegt ein schöner Nervenplexus, der aus Nervenzellen und langen, sie verbindenden Fasern besteht. Die mehr nach innen ge- legenen stärksten Fasern des Coriums laufen schräg und zwar in zwei Hauptrichtungen mit gleicher aber entgegengesetzter Neigung zur Längs- achse. Muskelfarbstoffe wie Pikrinsäure gehen in die dichtere Binde- gewebslage stärker als in die dünnere Schicht, in der die Anker und Platten gebildet werden. Das kalkbildende Plasma (in Tafelfig. 3 zu sehen) der Anker- Plattencjmcytien färbt sich besonders intensiv in Bindegewebsfarbstoffen, z. B. Hämalaun; das gilt vor allem von den Plasmasträngen, die von den Spitzen der Anker zur Handhabe ziehen. In der Nähe der zwei Spitzen färben sich diese Stränge ganz dunkel. Die radiären Nervenstämme bestehen deutlich aus den zwei »Bändern«, von denen das »äußere Band« seine Kerne in zwei seit- lichen »Zellsäulen« (Tafelfig. 3) angehäuft zeigt. Unter dem Nerven geht die Ringmuskularis mit ihren Fasern durch, die einzeln (von schmalen Zwischenräumen getrennt) in ein- schichtiger Lage unter dem flachen aber deutlichen Cölomepithel laufen (Tafelfig. 3 und 9). Die Radiärmuskeln sind ungeteilt, sie weisen den normalen Bau auf (Tafelfig. 3 und 9). Zwischen Ringmuskularis und äußerem Epithel liegen zahlreiche, große bräunHche Massen; sie scheinen aus Wanderzellen verschmolzene und mit Excretionsprodukten beladene Syncytien darzustellen. In jedem dieser runden Körper liegen zahlreiche Kerne (siehe Tafelfig. 9). Am Cölomepithel fehlen, wie Östergren mit Recht betont (1905, S. CLVII), die Wimperurnen, wenigstens habe ich diese Organe auf Total- und Schnittpräparaten hier ebenso wenig gesehen wie bei Rhabdomolgus ruber. Vom Cölomepithel der Leibeshöhle gehen die Cloakendilatatoren und die Mesenterien aus. Die Mesenterien sind in der Nähe der Körper- wand und des Darmes häufig unterbrochen und sitzen hier oft nur mit einer Reihe von dünnen Strängen an. Histologisch bestehen die Mesenterien aus einer Bindegewebslage, die auf beiden Seiten von Cölomepithel besetzt ist. Dem Cölomepithel liegen von innen Muskelfasern an. Sie sind in der Nähe des Darmes etwas reichlicher als sonst. Alle Muskelfasern verlaufen längs, doch etwas schräg und zwar in zwei Richtungen, so daß sich die Fasern unter spitzem Winkel kreuzen. Merkwürdigerweise fand ich auch hier wie bei inhaerens (1910, S. 347) im I. und III. Mesenterium die meisten 312 Siegfried Becher, und dicksten Muskelfasern an der rechten Seite i, beim II, d. h. auf- steigenden Mesenterium dagegen an der linken Seite. Das Verhalten des II. Mesenteriums erklärt sich durch seine Lage und die ursprüng- liche Einheitlichkeit des ganzen Mesenteriums. Die Mesenterien tragen den Darm und bestimmen so durch ihre Anordnung seine Stellung und Windung. Wir haben ein dorsales Mesenterium, das vom Geschlechtsschlauch und Steinkanal ausgeht, in der Mitte des mittleren dorsalen Interradius ansitzt, und den I. absteigenden Darmschenkel trägt. Das zweite große Mesenterium liegt im linken dorsalen Interradius und trägt den zweiten (auf- steigenden) Darmschenkel, der dritte (II. absteigende) Darmteil wird endlich von einem Mesenterium des rechten ventralen Interradius ge- tragen. Die Anordnung der Mesenterien ist also die für die Holothurien normale. Das II. bzw. III. Mesenterium liegen dem linken dorsalen bzw. dem mittleren ventralen Radius etwas näher. Bei andern Formen kann diese Verringerung der Darmdrehung bekanntlich noch weiter gehen. Die Ansatzlinie des I. Mesenteriums ist gleichfalls etwas in demselben Sinne verschoben, also dem rechten dorsalen Radius zu gerückt (Tafelfig. 2 u. 3), sodaß man hier eine Gesetzmäßigkeit von weiterer morphologischer Bedeutung vermuten darf. Die Mesenterien können sich über die Stelle, an der der Darm den betreffenden Inter- radius verläßt, in ihrem alten Lauf fortsetzen; I. und II. Mesenterium gehen wie die entsprechenden Darmschenkel in einander über, ihre gemeinsame Wandansatzlinie liegt aber ziemlich weit hinter der Darm- schlinge. Das II. und III. Mesenterium setzen sich nach vorn zu fort, wobei sie freilich bald zu ganz niedrigen Fältchen werden (Tafel- fig. 3). Noch weiter nach vorn erhöhen sich dieselben aber wieder schnell, rücken aufeinander zu und vereinigen sich zu einem die Leibeshöhle (vom 1. d. J. zum r. v. J.) durchspannenden (dünnen und regelmäßig durchlochten) Septum, das erst zwischen Kalkring und Körperwand dem Cölomepithel ansitzt (Tafelfig. 7 u. 8). (Vgl. über Mesenterium die Zusammenstellung von Ludwig 1889 — 92, S. 162 bis 164 und 155—160.) In der Histologie des Darmrohres zeigt L. huskii große Überein- stimmung mit Rhabdomolgus ruber. Auf die Schilderung der betreffen- den Verhältnisse bei dieser Art (Becher 1907, S. 607 ff.) sei daher ver- wiesen. Insbesondere mag erwähnt werden, daß der Darm zwar keinen ^ Gilt auch für L. girardii und L. miniita, wahrscheinHch auch für Poly- cheira rufescens, von der Ludwig (1889 — 92, S. 163) wenigstens einseitige Mesent.- Muskulatur -angibt. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 313 Muskelmagen (vgl. Östergren 1905, S. CLVII) besitzt, wohl aber jene Erweiterung mit dünner Wand, die ich bei Rhahdomolgus als Magen bezeichnet habe (1907, S. 608). Außen haben wir am Darm Cölom- epithel, dann folgt eine einreihige Lage von Längs- und dann eine dünne Ringmuskularis. Eine äußere Bindegewebslage ist nicht oder jedenfalls nur äußerst schwach ausgebildet. In der größeren mittleren Darmpartie wird auch die Muskulatur äußerst dünn. Inneres Binde- gewebe ist überall vorhanden, wenn auch im I. Darmschenkel hinter dem Magen sehr spärlich. Das innere Epithel hat erst im Schlund ectodermalen Charakter, dann treten wie bei Rhahdomolgus (1. c. S. 614) Drüsen hinzu. Der Magen ist durch sein sehr niedriges eigenartiges Epithel scharf abgesetzt. Hinten geht dasselbe jedoch allmählich in das hohe drüsige Mitteldarmepithel (Tafelfig. 3) über, um dann in dem aufsteigenden Darmast niedriger und längsfaltiger zu werden und im Enddarm schließlich wieder ectodermalen, Epidermis-artigen Charakter anzunehmen. Auch die Muskulatur wird nach hinten zu wieder deut- licher. Das Bindegewebe des Darmes ist etwas lacunär, es kommuniziert mit der mesenterialen und antimesenteriaien Blutlacnne. Erstere, die in typischer Weise links vom Mesenterium (also an der muskelärmeren Seite!) liegt, hat dünne, letztere sehr kräftige Längsmuskelfasern. Die Muskelfasern des dorsalen Gefäßes entsprechen der Mesenteriummusku- latur, diejenigen der ventralen Lacune bilden die Fortsetzung der (äußeren) Längsmuskulatur des Darmes, die dem Cölomepithel direkt anliegt. Die ventrale Lacune ist ja nichts andres als eine Aussackung dieses Epithels. Diese Lacune zeigt auch am Mitteldarm ihre Musku- latur (wenn auch schwächer) ziemlich deutlich (vgl. Becher 1907, S. 613). Östergren (1905, S. CLVII) hat eine Querlacune angegeben, die den ersten und zweiten Darmschenkel verbindet. Sie ist in der Tat vorhanden und geht vom oberen Teil des zweiten Schenkels in auf- steigendem Verlauf zum I. Darmschenkel. Dieses Quergefäß verbin- det die antimesenterialen Lakunen der genannten Darmteile; es weist eine spärliche Längsmuskulatur auf. Vom Vorderende mögen auch noch einige Bemerkungen Platz finden. Die Fühler, deren Zahl, Anordnung, Sinnesorgane und Wasserströmung bereits besprochen wurden, sind histologisch typisch gebaut. Außen finden wir ein Epidermisepithel, das an den drei Spitzen hoch und drüsenreich ist (Tafelfig. 6). Darunter folgt eine Bindegewebsschicht, dann ein 314 Siegfried Becher, cylinderförmiger Nervenplexus, der in der Innenseite zu einem dickeren Band, dem »Fühlernerv« anschwillt (Tafelfig. 10). Die Kerne hegen an der einen, nämlich der dem Tentakelgefäß abgekehrten Seite des Nerven. Das Fühlergefäß zeigt sehr starke Muskulatur, besonders an der Außenseite des Fühlers (Tafelfig. 7, 8 und 10). Die Fasern liegen in mehreren Lagen, die größeren mehr central; alle haben ungefähr die Form eines Bandes, dessen schmale Seite dem Centrum des Hohlraums zuweist (Tafelfig. 10). Innen folgt endlich das innere Epithel. Der Hohlraum der seitlichen Finger mündet nicht mit ganzer Breite in den Fühler, wird vielmehr durch eine muskulöse Doppelepithelfalte ein- geengt (Tafelfig. 10). Diese Falte bildet eine Art Ventil, das dem Finger- chen relative Selbständigkeit der Bewegungen ermöglicht. — Hinter dem Fühlerkranz findet man um den Körper oft einen aus Schlamm und Sandkörnchen zusammenoeklebten lockeren Steinrins;. Die Munddecke enthält den Ringnerven, der nichts Bemerkenswertes zeigt, und aus ihm hervortretend jene zusammenhängende basale Nervenlage, die ich früher mehrfach (1907, S. 588 und 1910, S. 335) geschildert und abgebildet (1910, tab. 22, Fig. 16) habe. Diese, wie avich hier nochmals betont werden soll, einheitliche Nervenmasse entspringt an der Basalseite des Nervenringes, sie tritt am Mund in die Darmwand ein und versorgt dessen Nervensystem, das der Muskulatur im Ösophagus deutlich innen anhegt, nach hinten zu aber dünn und unsichtbar wird, so daß wir es oben lücht erwähnt haben. Der Kalkring besteht, wie bekannt, aus fünf durchbohrten Radial- und sechs nicht durchlochten Interradialghedern, sie wechseln mit den Fühlern ab (Tafelfig. 6) ; das überzählige Interradialglied liegt im mittleren dorsalen Interradius. Schräg von innen gesehen nehmen sich die Kalkring- gheder ungefähr so aus wie bei Leptosynapta hergensis (vgl. Becher 1910, tab. 22, Fig. 6). Alle Glieder besitzen stumpfe Spitzen in der Mitte des Vorderrandes, hinten entsprechende Buchten. Genau von oben sieht man, daß die Glieder an ein Kreuz erinnern, das auf einer Grundplatte liegt: i^*^ . Durch Nebeneinanderliegen dieser Formen entstehen die typischen Sättel, auf denen die Fühler reiten (Tafelfig. 7). Sie werden dadurch bekanntlich in das Rudiment der Fühlerampulle (außen) und einen Vorhof zu den Fühlorventilen (innen) gespalten. Die auf dem Kalkring aufsitzende Fläche entbehrt der Muskulatur, Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 315 die damit in einen äußeren und zwei innere Stränge zerlegt wird. Die Trennung der vorderen Stränge hängt mit dem Auftreten der Fühler- klappe in der Mitte zusammen. Diese Klappe hat den typischen Bau (vgl. Tafelfig. 7 mit meiner schematischen Figur in 1907, S. 645 Text- fig. 11). Von den Klappen und Fühlerkanälen gehen 22 Bänder zu dem Ösophagus (Tafelfig. 7). Die Grundsubstanz des Kalkringgewebes scheint mir ein großes Syncytium darzustellen, das von dem Kalkgerüst durchsetzt wird. Innerhalb der Plasmastränge des Syncytiums laufen Fasern, die an der Grenze der einzelnen Kalkringglieder in den Vorder- grund treten und die gelenkige Verbindung der Stücke gewährleisten (Tafelfig. 7 und 8). Dicht hinter dem Austritt der Radiärnerven aus den Kalkring- ghedern liegen die Statocysten (Tafelfig. 7). Sie weisen den typischen Aufbau aus einem einschichtigen kubischen Epithel auf. Im Innern flottieren mehrere ungefähr gleich große » Inhaltszellen «, d. h. (von einem kugeligen Einschluß) stark aufgetriebene freie Zellen mit plattem Kern. Der Wassergefäßring zeigt seine drei Schichten und nur eine sehr spärliche, innere (d. h. mit dem Hydrocölepithel zusammenhän- gende) Ringmuskulatur. Die etwa im linken ventralen Radius an- sitzende (vgl. dazu Becher 1908, S. 13, Fig. 2) PoLische Blase zeigt dagegen eine sehr kräftige innere Ringmuscularis. Der Steinkanal mündet von unten-innen in den Wassergefäß- ring und zeigt die bekannte verschiedene Höhe an seinen Zellen. Sie ist an der dem Mesenterium zugekehrten konkaven Seite seines Bogens bedeutend geringer. Die Zellen tragen auf deutlichen Basalkörnern lange Wimpern. Daß die längsten Wimpern und Zellen am Konvex- rand stehen, ergibt eine weit längere, wirksamere Wimperfläche als bei umgekehrter Anordnung. Daher vielleicht diese Differenzierung. Das innere Epithel ist von Kalkgewebe umgeben, und zwar innen in dickerer Schicht als außen. Die einfache Öffnung des Steinkanals liegt unmittelbar unter dem Kalkring am inneren freien (d. h. nicht bis zum Darm gehenden) Ende des Mesenteriumursprungs. In seinem ganzen mittleren Teil liegt der Steinkanal mit seiner Krümmung deut- lich nach links vom (etwas rechts laufenden!) Mesenterium (während die Mündung fast etwas nach rechts zu weisen scheint). Geschlechtsorgane. Im Anfangsteil des Mesenteriums läuft ferner der Ausführungs- gang der Geschlechtsprodukte. Die inneren Zellen desselben tragen 316 Siegfried Becher, auf Basalkörnern Wimpern, die weit kürzer sind als die des Stein- kanals. Der Geni talgang mündet dorsal in Höhe des Nervenringes zwischen den Tentakeln nach außen. Es ist von Interesse^ daß die Geschlechtsöffnung und der Ausführungsgang etwas nach rechts verschoben sind; von den drei Tentakeln des mittleren dorsalen Interradius liegen näm- lich zwei links und nur einer rechts vom Geschlechtskanal (siehe Tafel- fig. 7). Hier muß daran erinnert werden, daß ich auch bei Lefto- synapta bergensis und inhaerens den Geschlechtskanal nach rechts verschoben^ fand, er bohrt sich dort nämlich in den rechten dorsalen Fühler und mündet nahe dessen Spitze (vgl. 1910, S. 325 ff.). Die Ver- schiebung nach rechts kann also nicht in dem Vorhandensein des elften Fühlers im mittleren dorsalen Interradius bei Labidoplax buskü ihren eigentlichen Grund haben — obwohl die Sache dadurch natürlich so eklatant wird. Nun ist das dorsale Mesenterium vorne etwas nach rechts verschoben; vielleicht ist diese Verschiebung das Primäre, das dann die Kanalverschiebung nach sich zog. Wie bereits Östergren angegeben hat (1905, S. GL VII), besitzt L. buskü nur zwei Geschlechtsschläuche, je einen auf jeder Seite des Mesenteriums — also genau so wie L. minuta. Ihre Verzweigungsstelle, die » Genitalbasis «, liegt unmittelbar hinter dem Kalkring. Die Schläuche bestehen aus Cölomepithel, aus nebeneinanderliegenden Längsmuskel- fasern an dessen Innenfläche, ferner aus lacunärem Bindegewebe und aus dem inneren Epithel. Letzteres springt nach innen in Falten vor, es produziert Samen und Eier. Letztere sind ziemlich groß, haben in dem Epithel selbst keinen Platz und drängen sich so in die Lacune. Das Innenepithel wird dadurch vorgeschoben und umgibt die dem Lu- men zugekehrte Seite der Eizellen mit einem Follikel, dessen Zellen sich abplatten, flache Kerne bekommen usw. (vgl. Tafelfig. 3). VI. Zum Verständnis der Kalkkörperform. Bemerkungen zur Systematik. Der Umriß der Ankerplatten der Synaptiden ist meist ungefähr eiförmig: das breitere »freie Ende« der Platte geht allmählich in das spitzere »Bügelende« über. Von dieser Regel weichen jedoch eine Reihe von Formen auffallend ab, indem sich das spitze Ende ganz plötzlich von dem freien Ende absetzt, so daß die ganze Platte nach Ludwigs treffendem Vergleich das Aussehen eines Handspiegels bekommt (vgl. Textfig. C a und b). Östergren hat diese Eigentümhchkeit systema- Dies scheint (weniger deutlich) auch von Leptosynapta girardii zu gelten. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 317 tisch verwertet und die Arten mit solchen Handspiegelplatten in der Gattung Ldbidoflax zusammengefaßt. Nun findet man, wie auch Öster- GREN (1898, S. 115) nicht entgangen ist, bei den Ankerplatten dieser Gruppe, daß »der Plattengriff schwach nach aussen gebogen« ist. Dies gilt nicht nur für Labidoplax digitata und ihre Verwandten {incerta, thomsonii), sondern auch für Labidoplax buskii und wahrscheinlich auch für tnedia, obwohl in Östergrens Beschreibung dieser Art darauf nicht hingewiesen wird. Man könnte diesen kleinen Zug auch als sehr nebensächlich ansehen. In Wahrheit wirft er aber ein interessantes Licht auf den Bau der Labidoplax-Vlsitten, und so soll er uns noch etwas beschäftigen. Zuvor muß indessen daran erinnert werden, daß s b Textfig. C. Zeigt zwei verschiedene Platteutypen : a gewöhnliche, h Handspiegelform ohne Bügel = Labidoplax Typus (thomsonii). Eingezeichnete Primärkreuze geben die Lage des Ausgangsbalkens an, die bei den abgebildeten Figuren verschieden ist. (Nach Bechek 1911, Fig. D). 180/1. die Ankerplatten von Labidoplax- Aiten auch eines richtigen Bügels entbehren. Nun wissen wir seit Östergrens mehrfach zitierter Abhandlung über die Funktion der ankerförmigen Kalkkörper (1897), daß der Bügel eine nicht unwesentliche Bedeutung bei dem eigenartigen, oben kurz geschilderten Spiel des Ankers auf der Platte besitzt. Der Wulst der Ankerhandhabe ist gegen diesen Bügel angelehnt und bewegt sich so — mit seinem Ende auf der Plattenspitze ruhend — an dem Bügel- ende wie in einem Gelenk. Der von Ludwig (1889 — 1892, S. 37) und ÖSTERGREN (1897, S. 150) Vorgeschlagene Name »Gelenkende« (statt Bügelende) ist also sehr treffend und wegen des nicht seltenen Fehlens des Bügels sogar in mancher Hinsicht vorzuziehen. Machen wir uns nun zuerst klar, daß die Handspiegelform der Labidoplax -VI Sitte mit dem Fehlen des Bügels zusammen- hängt. Betrachten wir eine möglichst regelmäßige Synaptidenplatte 318 Siegfried Becher, (Textfig. C), so finden wir, daß von den sieben Hauptlöchern des freien Endes eins dem Gelenkende am meisten genähert ist. Wir wollen es mit ÖSTERGEEN (1897, S. 150) als das »Grenzloch« bezeichnen. Von den dieses Grenzloch nach dem spitzen Plattenende abgrenzenden Kalkbalken geht nach beiden Seiten die Entwicklung des Bügels aus. Im fertigen Zustande endigt der Bügel außen auf jenen Balken, die den allmählichen Übergang vom freien Ende zum Bügelende herstellten. Diese Balken haben offenbar die Aufgabe, der peripheren Bügelstütze als Fundament zu dienen. Wird der Bügel rudimentär, so fallen zu allererst jene Fundamentbalken weg. Bei L. minuta habe ich diesen Rückbildungsprozeß sozusagen in statu nascendi beobachtet (1906, S. 506; 1910, S. 354 und tab. 21, Fig. 10—12). Zuerst kommen die der Plattenspitze nächsten Teile in Wegfall. Sogar bei Leftosynafta bergensis, bei der der Bügel der Platte sehr flach aufhegt und sich m'cht hoch erhebt, kann die Verbindung an dieser Stelle recht dünn sein oder gar fehlen (vgl. z. B. 1911, S. 30, Textfig. i^ &). Mit dem Fortfallen des Fundamentbalkens nimmt aber die Platte die Handspiegelform an. Nun entsteht die Frage: wie kann der Bügel bei den Labidoplax- Arten ohne Schädigung der Ankerfunktion entbehrt werden? Darauf ist zu antworten: durch die oben schon erwähnte Krüm- mung des »Handgriffs«. Der Anker besitzt in seinem Wulst eine Art Gelenkkopf. Die Krümmung des Handgriffes ist sozusagen die Pfanne für diesen Gelenkkopf, und so wird die Gleiteinrichtung mit dem Bügel überflüssig. Unsre Mikrophotographie einer etwas schrägliegenden Platte erläutert das (Tafelfig. 11). Man erkennt deutlich die Auf- biegung des Handgriffes. Der Anker erhebt sich schräg gegen die Platte; wenn er sich bei Spannung der Haut senkt, so gleitet die Handhabe noch mehr nach dem Ende des Handgriffes hin. Vielleicht stemmt sich bei manchen Formen das Ende der Handhabe auch etwas gegen das aufgekrümmte Griffende an (Textfig. D, b). Aus alledem geht hervor, daß Handspiegelform, Mangel des Bügels und Aufkrümmung des Handgriffs die verschiedenen Seiten eines Funktionswechsels darstellen und eine einheit- liche Erklärung finden. Es bestehen zwei (physiologische) Platten- typen (Textfig. D), derjenige mit Bügelgelenk und der mit Handgriff- krümmungsgelenk. Sozusagen als Probe auf diese Deutung habe ich die Platten von L. minuta nachuntersucht und gefunden, daß hier, wo die Handspiegel- form in Bildung begriffen scheint, in der Tat auch schon eine unver- kennbare Krümmung des Gelenkendes der Platte wahrzunehmen ist. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 319 Wir kommen damit hier auf den Gedanken zurück, daß auch die Platten von Labidoplax buskii und media nach Ai't des für minuta einiger- maßen zu verfolgenden Prozesses entstanden sein müßten. Und ich glaube wirklich, daß es sich so verhält. Man kann das noch durch eine weitere Kleinigkeit wahrscheinlich machen. Das Grenzloch von L. buskii ist geteilt und sein größerer Teil von der Gelenkseite her stark eingeengt, so daß es halb- bis sichelmondförmig wird. Der Balken, der diese Ein- engung bewirkt, kann nicht lediglich der einfache Lochrand sein, sein vorspringender Lauf, seine Dicke und der Vergleich mit typischeren Platten sprechen vielmehr, wie Ösergren selbst angegeben hat (1898, S. 116), dafür, daß hier ein Rudiment des Bügels erhalten blieb, das als Verstärkung der Platte persistieren konnte, während die dista- len Teile des Bügelapparates in Wegfall kamen. Textfig. D. Schema der zwei Typen von Anker-Ankerplattengelenken : a gewöhnlicher Typus mit Bügelgelenk; b Labidoplax-Ty\)ns mit geki-ümnitem Plattenhandgriff. In a ist der Anker aufgericlitet gezeichnet, in b niedergedrückt, also in der Stellung, in der er das Kletten bewirkt. Damit wäre die Zurückführung der buskii-'Pla.ite auf eine Platte vom minuta- und Leptosynapta-Typus bis ins einzelne durchgeführt. Die von mir schon 1906 (S. 506 — 507) betonten engen Beziehungen der genannten Arten gestalten sich noch inniger. Bei den übrigen Labidoplax- Alten ist die Entstehungsgeschichte nicht so klar ; der ganz andre Plattentypus weist am ehesten zu einigen Formen von Protankyra hinüber. Jedenfalls muß man sagen, daß trotz der einheitlichen Deutung der Handspiegelform, die wir zu geben ver- suchten, eine einheitliche Herkunft jener Platten doch sehr fraglich bleibt. Wenn man die Verschiedenheit des Plattentypus bedenkt, so muß man, glaube ich, in den Handgriff bildungen Endstufen (zweier?) konvergenter Bildungsrichtungen sehen. Es war wahrscheinlich kein gemeinsam ererbter alter morphologischer Charakter, sondern ein durch gleiche Funktion aufgeprägter Zug der Plattengestalt, den der erfolg- 320 Siegfried Becher, reiche Deuter dunkler physiologisch-biologischer Verhältnisse seiner Gattung Lahidoflax zugrunde legte. Auf der andern Seite muß ich gestehen, daß das von mir 1910 be- sonders betonte Argument für eine Trennung der hushii-media von der digitata-duhia-thomsonn- Artengvn])pe eine Abschwächung erfahren hat. Bei der ersteren Gruppe wird die Platte durch ein senkrecht zum Anker liegendes Stäbchen, bei der zweiten durch einen dem Schaft parallelen Primärbalken angelegt. Ich habe selbst (1911, S. 42 ff., Textfig. K, S. 51 ff. und Textfig. M) ausführlich dar- getan, daß von jener für den Platten- typus wirklich grundlegenden regel- mäßigen Verschiedenheit bei beiden Plattentypen Ausnahmen vorkommen. Das gilt nicht nur für L. thomsonn (vgl. 1. c), sondern z. B. auch für L. buskii. Textfig. E stellt z. B. eine solche Platte mit um 90° gedrehtem Ausgangsstäbchen dar. Doch sind solche Anomalitäten bei L. buskii doch recht selten. Für eine nähere Verwandtschaft der buskii- media -GvupTpe mit den andern Arten spricht die Fühlerform von media, bei der sich zwei seitliche Fingerchen an jedem Fühler finden, während ein terminaler Finger fehlt oder (selten) rudimentär ist. Das erinnert an L. digitata (vgl. Östergren 1905, S. CLIX). Ferner teilte mir Herr Dr. Östergren mit, daß sich, wie Herr Prof. Theel und er selbst fanden, und wie auch mir gezeigt wurde, manchmal Auriculariarädchen am Hinterende von (ausge- wachsenen) Exemplaren erhalten, was gleichfalls an L. digitata erinnert (vgl. Baur 1864, 2, S. 46). Doch beweist dieser letztere Fund natür- lich nichts Bestimmtes, da wir nicht wissen, wie weit Auriculariarädchen bei Larven verbreitet sind. Auf der andern Seite spricht das Vorkommen der Sinnesknospen auf der Körperwand wieder für eine nähere Verwandtschaft mit L. mi- nuta und gegen eine Beziehung zur digitatü-(jfV\v^\)a ; denn sowohl bei digitata als auch bei thomsonii suchte ich auf dem Körper vergeblich nach jenen Organen. Auch der Mangel eines Muskelmagens bei buskii Textfig. E. Anormale Ankerplatte von Labidoplax buskii, die von einem dftm Aniier parallelen Primärstäbchen ihren Ausgang genommen hat. Mit dem Zeichenapparat entworfen. Zeiss, Apochr.4mm. Komp.-Ocul.6. 540/1. Beobachtungen an Labidoplax buskii (M'Intosh). 321 und media (vgl. Östekgken 1905, S. CLVII und CLVIII) gegenüber ihrem Vorhandensein bei digitata und thomsonü (siehe z. B, Hamann 1884, S. 46) muß genannt werden. Eine Vereinigung der digüata-Ginpjie mit Protanhyra ist trotz der Beziehungen in der Primärkreuzlage der Platte und anderem (große Lochzahl usw.) auch nicht sehr ratsam; denn die Unterschiede im Besitz oder Fehlen eines Bügels, die geographische Verbreitung (die Protan- kyra-Äiten sind fast ganz tropisch und viele, wenn auch nicht alle, leben in der Tiefsee) würden damit nicht zu ihrem Recht kommen. Anderseits werden auch bei Zusammenstellung der huskii- mit der digitata-G^TU^^Q auffallende Unterschiede unterdrückt, trotz der auch hier vorhandenen Beziehungen. So scheint mir auch jetzt noch die Trennung der leicht zu unterscheidenden Arten -Gruppen in zwei Gattungen das beste. Da ich jedoch noch mehr Material zu sammeln gedenke, so mag mit der Durchführung solcher systematischer Neuerungen einstweilen noch gewartet werden. Leptosynapta minuta würde ich ohne Bedenken zu Labidoplax führen, wenn nicht das Vorhandensein von Wimperurnen diese Form etwas abgrenzte. Auch diese Art mag daher einstweilen in ihrer vorläufigen Stellung bleiben. Gießen, im Dezember 1911. Verzeichnis der erwähnten Schriften, 1905. Ph. Barthels, Notiz über die Excretion der Holothurien. In: Zool. Anz. 18. Jahrg. S. 493—494. 1864. A. Baub, Beiträge zur Naturgeschichte der Synapta digitata. 1. Abb.: Zur Anatomie der Synapta digitata. S. 1 — 51. — 2. Abb.: Metamorphose und Entwickelung der Synapta digitata, S. 1 — 60. — 3. Die Eingeweide- schnecke (Helicosyrinx parasita) in der Leibeshöhle der Synapta digi- tata, S. 1 — 119.zusammen mit 8Tab. : In: Verhandl. Kais. Leop. Carol. deutsch. Akad. Naturf. Vol. XXXI. 1864. 1906. S. Becher, Über Synapta minuta n. sp. eine brutpflegende Synaptide der Nordsee und über die contractilen Rosetten der Holothurien. In: Zool. Anz. Bd. XXX. S. 505—509 und 3 Textfiguren. 1907. — Rhabdomolgus ruber Keferstein und die Stammform der Holothurien. In:Zeitschr. f. wiss. Zool. Vol. LXXXVIII. S. 545— 689. Ta f. XXXII bis XXXVI und 12 Textfiguren. 1908. — Die Stammesgeschichte der Seewalzen. In: Fortschr. Ergebn. Zoolog. Bd. I. 1909. S. 403—490 und 12 Textfiguren. Auch Habilitat. -Schrift, Gießen 1908. S. 1—88. 1910. — Beiträge zur Morphologie und Systematik der Paractinopoden. In: Zool. Jahrb. Abt. Anat. u. Ontog. Bd. XXIX. S. 315—366. Taf. XX bis XXIV und 2 Textfiguren. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 21 322 . Siegfried Becher, 1911. S. Becher, Untersuchungen über nichtfunktionelle Correlation in der Bildung selbständiger Skeletelemente und das Problem der Gestalt- bildung in einheitlichen Protoplasmamassen. In: Zool. Jahrb., Abt. Allgem. Zool. usw. Bd. XXXI. S. 1—188 und 64 Textfiguren. 1898. H. L. Clark, Syiiapta vivipara: a contribution to the morphology of echino- derms. In: Mem. Boston Soc. nat. bist. Vol. V. p. 53—88. tab. XI— XV. 1899. — The Synaptas of the New England Coast. In: Bull. U. S. Fish Comm. Vol. XIX. p. 21—31 und tab. X u. XI. 1901. — The Holothurians of the Pacific Coast of North America. In: Zool. Anz. Bd. XXIV. S. 162—171 und 14 Textfiguren. 1907. — The apodous Holothurians, a monograph of the Synaptidae and Molpa- diidae, including a report on the representatives of these families in the coUections of the United States National Museum. In: Smithsonian Contrib. to knowl. Vol. XXXV. p. 1—231 und tab. I— XIII. Washington. 1910. — The development of an apodous Holothurian (Chiridota rotifera). In: Journ. exper. Zool. Vol. IX (W. K. Brooks memorial volume). p. 497—516 und 2 tab. 1902. L. CuENOT, Organes agglutinants et organes cilio-phagocjrtaires. In: Arch. zool. exper. (3), Vol. X. p. LXXIX— XCVIl und 5 Textfiguren. 1883. O. Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. II. Mittheil. 1. Das Nervensystem der pedaten Holothurien (Fortsetzung); 2. Die CuviEBschen Organe; 3. Nervensystem und Sinnesorgane der Apedaten. In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXIX. S. 309—333. Taf. XX— XXII. 1884. — Beiträge zur Histologie der Echinodermen. Hft. 1. Die Holothurien. IV u. 100 S., 6 Tafeln und 3 Textfiguren. Jena. 1895. E. Herouard. De l'excretion chez les Holothuries. In: Bull. soc. zool. France. Tom. XX. p. 161—165 und 2 Textfiguren. 1889 — 92. H. Ludwig, Die Seewalzen. In: Bronns Klass. u. Ordn. d. Tier- reichs. Bd. II. Abt. 3. 1. Buch. VI u. 460 S., 17 Tafeln, 25 Figuren u. 12 Karten im Text. Leipzig. 1898a. — Einige Bemerkungen über die mittelmeerischen Synapta-Arten. In: Zool. Anz. Bd. XXI. S. 1—9. 1898b. — Brutpflege und Entwicklung von Phyllophorus urna Grube. (Vor- läufige Mittheilung.) Ibid. S. 95—99. 1850. J. Müller, Anatomische Studien über die Echinodermen. In: Müllers Ai-chiv 1850. S. 117—155 (S. 129—149 über Holothurien). Berichti- gung u. Nachtrag dazu. Ibid. S. 225 — 233. 1852. — Über die Larven und die Metamorphose der Echinodermen. 4. Ab- handlung. In: Abhandl. Berl. Akad. Wiss. aus den Jahren 1850 u. 1851. 1897. Hj. Östergren, Über die Function der ankerförmigen Kalkkörper der Seewalzen. In: Zool. Anz. Bd. XX. S. 148—159 und 7 Textfiguren. 1898. — Das System der Synaptiden (Vorläufige Mitteilung). In : Öf versigt Kongl. Vet.-Akad. Förhandl. Jahrg. (für 1898) 1899. S. 111—120 und 9 Textfig. 1905. — Zur Kenntnis der skandinavischen und arktischen Synaptiden. In: Ai-ch. Zool. exper. (4) Vol. III. p. CXXXIII— CLXIV u. 2 Textfiguren. 1842. A. DE Quatrepages, Memoire sur la Synapte de Duvernoy (Synapta Duvernaea A. de Q.), In: Ann. scienc. nat. 2, Ser. Zool. Vol. XVII. p. 19—93 und tab. II— V. Beobachtungen an Labic^oplax buskii (M'Intosh). 323 1901. A. Rüsso, Sulla funzione renale dell' organo genitale delle Olothurie. In: Ricerche Lab. Anat. Rom. Vol. VIII. p. 83— 91 und tab. VI. 1895. E. Schultz, Ueber den Prozess der Exkretion bei den Holothurien. In: Biol. Centralbl. Bd. XV. S. 390—398 und 2 Textfiguren. 1887. R. Semon, Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden des Mittelmeeres. 2. Mittheilung. Anatomisches (Fortsetzung). In: Mitth. Zool. Stat. Neapel. Bd. VII (1886—1887). S. 400—422 und Taf. XV. 1888. — Die Entwickelung der Synapta digitata und ihre Bedeutung für die PhylogeniederEchinodermen. In: Jen. Zeitschr.Naturw. Bd.XXII. (N.F. Bd. XV). S. 175— 309. Taf. VI— XII. Auch selbständig erschienen. Jena. 1868. C. Semper, Reisen im Archipel der Philippinen. II. Theil. Wissenschaftliche Resultate. I.Band. Holothurien. Wiesbaden. IV u. 288 S. und 40 Tafeln. 1862. W. Thompson, On the development of Synapta inhaerens. In: Quart. Journ. Microsc. sc. (N. S.) Vol. II. p. 131—146. tab. V u. VI. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Alle Figuren sind mikrophotographische Aufnahmen. Fig. 1. Reihe von gestielten Sinnesknospen aiif der Körper wand; man sieht die Spaltform der Öffnung der Knospen. Zwischen den Knospen einige die Haut in Taschen vordrückende Anker. Osmiumsäure. Winkel, Obj. 2. Ocul.3. 54/1. Fig. 2. Ausgebreiteter Teil der Körperwand mit zerstreuten Tastpapillen. In der Mitte, ein wenig nach rechts, das mittlere dorsale Mesenterium. Seitlich davon zwei Paar Radien. Nach innen, d. h. dorsalwärts von den äußeren (seit- lichen-ventralen) Radien je eine Reihe von Sinnesknospen (ganz dunkele Flecke). In den Radien sieht man breit den Längsmuskel und schmaler den Radiärnerv mit seinen zwei Zellsäulen. Sublimat -Eisessig. Eisenhämatoxylin n. Hansen. Winkel, Obj. 2, Ocul. 1. 35/1. Fig. 3. Querschnitt durch den vorderen Teil des Körpers. Darm (mit Ventralgefäß) dicht hinter dem Magen; das dorsale, etwas rechts liegende, Mesen- terium des Darmes läßt erkennen, daß die zwei Sinnesknospen der Körperwand dorsal neben den seitlichen ventralen Radien liegen. Im 1. d. J. kurzer Fortsatz des II. Mesenteriums. Man sieht Längsmuskeln und Längsnerven sowie deren zwei Zellsäulen im äußeren Band. In der Körperwand ist die dichtere Bindegewebs- schicht, sowie neben einem ventralen Radius die plasmatisch- bindegewebige Hülle eines Ankers mit Ankerplatte zu erkennen. Im Cölom die Querschnitte der zwei Geschlechtsschläuche mit Keimepithel, großen Eiern und deren Follikeln. Formol- Alkohol. Hämalaun-Eosin. Winkel, Fluoritsyst. 15 mm, Comp.-Ocul. 3. 72/1. Fig. 4. Sinnesknospe mit ausgestreckten Lippen neben einem Radius auf der Körperwand. Im Inneren des Sinnesorganes die dunklere Einstülpung der Epidermis. Formol-Alkohol. Alauncarmin. Totalpräparat. Winkel, Obj. 4. Ocul. 3. 120/1. Fig. 5. Ausgebreitetes Hautstück: zwei Interadien von einem etwas kontrahierten Vorderende. In den Interradien liegen die Kalkkörper nur quer, an den Radien kehren sie außerdem die Handhaben-Gelenkseite immer dem Radius zu. Osmiumpräparat. Dunkelfeldbeleuchtung. 21* 324 Siegfried Becher, Beobaclitungen an Labidoplax buskü (M'Intosh). Fig. 6. Vorderende mit Fühlerkranz, zeigt die elf Fühler mit je zwei Neben- ästchen, das höhere Epithel auf den Spitzen, ferner einige Sinnesknospen; weiter Kalkring, Steinkanal sowie die Radien. Innerhalb vom Kalkring ist der Nerven- ring ganz schwach angedeutet. Central liegt die Mundöffnung. Formol - Alkohol, Lichtgrün. Winkel, Fluoritsyst. 30 mm. Comp.-Ocul. 2. 22/1. Fig. 7. Querschnitt (etwas schräg) durch das vordere Körperende in Höhe des Kalkringes. Man sieht drei Radiärnerven bei ihrem Durchtritt durch den Kalkring oder dem Übergang in die Körperwand. Zwischen den drei Radien sieht man einmal zwei, in dem andern Interradius drei Fühler. Deren Hohlraum ist durch das Reiten auf dem Kalkring in das äußere »Rudiment der Fühleram- pulle « und den Vorhof zum Fühlerventil geteilt. An dem mittleren Tentakel der drei Fühler gruppe sieht man das Fühlerventil, rechts an der Außenfläche desselben Fühlers den Genitalgang. Es ist also der mittlere dorsale Interradius, in dem die drei Fühler liegen. Am linken dorsalen Radius eine Statocyste. In der Mitte der Oesophagus und 2 Aufhängestränge. An der einen Seite das Septum aus dem II. u. III. Mesenterium. — Sublimat-Eisessig. Eisenhämatoxylin n. Hansen. Wasserblau. Winkel, Fluoritsyst. 15 mm. Comp.-Ocul. 3. 73/1. Fig. 8. Fünf » contractile Rosetten « am Cölomepithel hinter zwei Fühler- ampullen (-Rudimenten), deren Muskulatur stark auffällt. Dazwischen ein vor- springendes Ende vom Kalkring (-Grundgewebe). Gegenüber den »Rosetten« das Mesenterialseptum. Bei der ziemlich schlechten Erhaltung sieht man die Muskelfaserkreuzung in den Peritonealsäckchen kaum. Sublimat-Eisessig. Eisen- hämatoxylin n. Hansen. Wasserblau. Winkel, Fluorit - Ölimmers. 1,8 mm. Comp.-Ocul. 3. 610/1. Fig. 9. Querschnitt durch die Körperwand mit einem Radius. Man sieht die Epidermis, das Bindegewebe mit seiner dickeren inneren Lage, die Ring- muscularis und das Cölomepithel. Im Radius kommen der Radiärnerv und der ungeteilte Radiärmuskel hinzu, der in die Leibeshöhle vorspringt. Neben dem Radiärnerv in der äußeren Cutislage ein mit Granulationen gefülltes vielkerniges Wanderzellensyncji^ium. An dem anderen Ende weniger deutlich ein zweites. Formol-Alkohol. Hämalaun-Eosin. Winkel, Fluoritsyst. 3,2 mm, Comp.- Ocul. 2. 272/1. Fig. 10. Querschnitt eines Fühlers an der Ansatzstelle der zwei Seitenäste. Man sieht die klappenartigen muskulösen Falten des inneren Epithels, die die Kommunikation der Wassergefäßhohlräume einengt. An der schmaleren Innen- seite des Fühlers : dünnes Außenepithel, Nervenschicht und muskulöse Innenlage, alle durch ganz dünne Bindegewebshäutchen getrennt. Aai. der Außenseite ist die Nervenschicht nicht zu sehen; Muskulatur und äußeres Epithel sind hier dicker. Letzteres auf den Nebenästchen besonders hoch. Die einzelnen Muskelfasern haben stricliförmigen Querschnitt. Sublimat-Eisessig. Eisenhämatoxylin n. Hansen, Eosin-Wasserblau-Pikrinsäure. Winkel, Fluoritsyst. 4,5 mm. Comp.- Ocul. 2. 183/1. Fig. 11. Anker und Ankerplatte in der Haut von Labidoplax buskii. Die Platte zeigt die Aufbiegung des »Handgriffes«. Darüber die Handhabe des Ankers. Anker und Platte liegen quer, wie die durchscheinenden Ringmuskel- fasern zeigen. Der dunkle Strich am Ende des Bildes rülu-t von einer Querfalte her. Osmiumsäure. Winkel, Fluoritsyst. 4,5. Comp.-Ocul. 2. 183/1. über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. Von Hjalmar Östergren. » Was für Gründe mögen gewaltet haben, um in den süd- poiaren Meeren die Brutpflege in so reicher Fülle zur Aus- bildung zu bringen, wie wir sie im Kreise der Echinodermen nirgendwo anders auf der Erde wiederfinden? Einstweilen weiß ich auf diese Frage keine Antwort. « Hubert Ludwig. Schon beim ersten Durchgehen der interessanten Übersicht über die Brutpflege bei Echinodermen (1904), wo Ludwig (S. 685) die oben an- geführten Worte ausspricht, kam mir der Gedanke, daß die Erklärung des rätselhaften Gegensatzes zwischen den beiden Eismeeren betreffs der Häufigkeit der Brutpflege vielleicht in der verschiedenen Ausdeh- nung von Flachseegebieten in ihnen zu finden wäre. Ein solcher Ge- danke liegt ja in der Tat sehr nahe; ich habe nachher beim Lesen von Pfeffers Übersicht (1890) über die niedere Tierwelt des antarkti- schen Ufergebietes gefunden, daß er einen ähnlichen Gedankengang vorlegt, wenn es gilt zu erklären, daß die Circumpolarität der antark- tischen Litoraltiere nur schwach ausgeprägt ist. Soweit ich feststellen konnte, ist indessen noch kein Versuch ge- macht worden, die Frage der Brutpflege der antarktischen Tiere aus diesem Gesichtspunkt zu erhellen. Überhaupt hat man sich bisher kaum darum gekümmert, eine Erklärung für die Häufigkeit der Brut- pflege zu suchen. Und doch muß diese als einer der bemerkenswertesten Züge für die antarktische Küstenfauna angesehen werden. Vielleicht könnte es richtiger erscheinen, vor Beginn der Erörte- rung dieser Frage die Bearbeitung der zoologischen Sammlungen abzuwarten, die eine Reihe von Expeditionen in den letzten Jahren vom südhchen Eismeer heimgebracht haben. Doch scheint es mir von Wichtigkeit zu sein, daß eben bei der Bearbeitung dieser Sammlungen 326 Hjalmar Östergren, die Frage über die Brutpflege sorgfältig beachtet wird. Und schon jetzt liegt ein so großes Material von Beobachtungen vor, daß es uns zu theoretischen Erwägungen berechtigen dürfte. Wyville Thomson, der zuerst (1876) die Aufmerksamkeit auf die Häufigkeit der Brutpflege bei den antarktischen Echinodermen lenkte, sagt (S. 56), daß diese bei diesen Tieren die Regel zu sein scheine, die Bildung frei umhertreibender Larven dagegen die Ausnahme (»in these high southern latitudes the formation of such a locomotive zooid is apparently the exception«). Vielleicht könnte man meinen, daß hierin eine große Übertreibung liege, und zur Unterstützung dieser Auffassung Ludwigs Übersicht der brutpflegenden Echinodermen an- führen. Dieser zählt 29 antarktische Arten mit Brutpflege auf, aber Pfeffer gibt schon 1890 ungefähr 150 Arten von Echinodermen aus dem antarktischen Ufergebiet an, und seitdem sind viele neue aus diesen Gegenden beschrieben worden. Indessen läßt sich anderseits die Anzahl durch die strenge Be- grenzung bedeutend herabmindern, die ich hier vornehmen zu sollen glaube. Wenn es gilt, die Eigentümlichkeiten der Tierwelt eines ge- wissen Gebietes zu beleuchten, soll man sich, wie mir scheint, ausschließ- lich an die Arten halten, die für dies Gebiet charakteristisch sind. Bei Behandlung der antarktischen und subantarktischen Küstenfauna sehe ich deshalb nicht nur von den Tiefseearten ab, die ausschließlich der abyssalen Zone angehören, sondern auch von solchen — sie sind im übrigen nicht zahlreich — , die in andern Meeren eine weitgestreckte Verbreitung in der abyssalen Zone haben, aber im Eismeer bis zur littoralen Zone aufsteigen. Weiter lasse ich die litoralen Arten aus dem Spiele, die ihre Hauptverbreitung in wärmeren Meeren haben, aber mit ihren äußersten Vorposten die Grenze der subantarktischen Region ein wenig überschreiten. Betreffs der Begrenzung des antarktisch- subantarktischen Gebietes folge ich Mortensen (1910, S. 92 — 93), der hierin im übrigen nur wenig von z. B. Pfeffer (1890) abweicht. Hinsichtlich der bathymetrischen Verhältnisse des Südlichen Eismeeres (siehe unten!) rechne ich zum Küstengebiet nicht nur die litorale Zone (bis zu 200 oder vielleicht besser 300 m), sondern auch die archibenthale (bis zu 1000 m, vgl. Mortensen 1910, S. 93). Auch nach einer solchen Begrenzung wird zwar die Anzahl der nunmehr bekannten Arten aus dem Küstengebiete des Südlichen Eis- meeres größer als in Pfeffers Übersicht (1890); die Vermehrung ist jedoch nicht besonders groß. Andrerseits haben wir nach Ludwigs Übersicht über die Brutpflege der Echinodermen (1904) eben aus dem über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 327 fraglichen Gebiete eine Reihe neuer Fälle einer solchen kennen gelernt. Die Anzahl brutpflegender Arten erweist sich also im Verhältnis zu der ganzen Anzahl der Echinodermenarten nunmehr als höher, was dara\if hindeutet, daß ein eingehenderes Studium der Fauna des Südlichen Eismeeres Wyville Thomsons oben angeführte Äußerung immer mehr bekräftigen wird. Wie schon bemerkt wurde, liegt noch keine vollständige Bearbei- tung der Echinodermenausbeute der letzten Jahre aus den antarkti- schen Meeren vor. Aber um die Verhältnisse etwas mehr aufzuhellen, genügt es, eine einzige Klasse zu betrachten. Hierzu wähle ich die Seeigel, über die wir jetzt dank der mustergiltigen Arbeit Mortensens (1910) einen so vollständigen Überbhck besitzen, wie ihn das bisher vorliegende Material gestattet. Mortensen hat auch der Brutpflege der Seeigel große Aufmerksamkeit gewidmet, von der er eine Reihe neuer Fälle nachgewiesen hat. MoRTENSEN zählt (S. 105 — 106) 45 Arten antarktischer und sub- antarktischer Seeigel auf. Unter diesen ist jedoch Arbacia alternans »vielleicht keine selbständige Art«. Von den übrigen 44 Arten sind 14 bisher nur aus Tiefen von mehr als 1000 m bekannt, woneben noch eine, Urechinus naresianus, als zu einer abyssalen Gattung gehörig und in Tiefen von 790 — 3230 m lebend als von entschieden abyssalem Gepräge anzusehen sein dürfte. Vielleicht sind Notocidaris Mortenseni (100 — 2650 m) und Brisaster Moseleyi (75 — 2590 m) als Tiefseeformen zu betrachten, die im Eismeer in die Litoralzone aufsteigen^, Tetra/pygus niger, EcMnus sp. und Encope marginata haben in gemäßigteren Meeren ihre eigentliche Heimat, obwohl ihre Verbreitung sich bis zur Südspitze Amerikas erstreckt 2. Es bleiben also 26 Arten übrig — wenn auch Notocidaris Mor- tenseni und Brisaster Moseleyi abgerechnet werden, nur 24 — . Diese gehören den litoralen und archibenthalen Zonen an, die ich aus weiter unten angegebenen Gründen hier unter dem Namen Küstengebiet zusammenfassen will (auch Mortensen hebt S. 93 die nahen Beziehun- gen dieser Zonen zueinander hervor). Unter diesen 26 Arten gibt es nach Mortensen (S. 104) neun, ^ Dies kann natürlich sehr wohl auch mit Arten (z. B. Brisaster antarcticus) der Fall sein, die von einzelnen Fundorten in der litoralen oder archihenthflen Zone her bekannt sind, deren Ausbreitung aber im übrigen unbekannt ist. Bis auf weiteres müssen jedoch solche Arten zur Küstenfauna in dem von mir hier angewandten Sinne gerechnet werden. 2 Vielleicht könnte dasselbe noch von irgendeiner Ait gelten {Loxechinus hullatust). 328 Hjalmar Östergren, wo Brutpflege schon nachgewiesen ist {Austrocidaris canaliculatay Eurocidaris nutrix, Notocidaris gaussensis, Rhynchocidaris triplofora, Abatus cavernosus, A. cordatus, A. Philippü, A. Agassizii und AmpJd- pneustes Koehleri). Außerdem hat man Grund zu vermuten, daß diese noch bei fünf andern Formen aus dem fraglichen Küstengebiet vor- kommt {Notocidaris Mortenseni, Aporocidaris incerta, Abatus elongatus, Tripylus excavatus, Amphipneustes Lorioli). Was die abyssalen Arten des Südlichen Eismeeres anbetrifft, so kennt man Brutpflege nur bei einer Art {Aporocidaris antarctica), woneben sie bei noch einer Art {Notocidaris hastata) zu vermuten ist. Nun ist es natürlich möglich, daß Mortensens Vermutungen über Brutpflege in einigen Fällen als unrichtig befunden werden kön- nen (mit Bezug auf ein paar Arten setzt er selbst ein Fragezeichen), aber anderseits ist es wahrscheinlich, daß eine solche auch bei einzelnen Arten vorkommt, wo man zurzeit noch keinen Grund hat, dies zu ver- muten — manche Arten kennen wir ja erst ganz unbedeutend. Folgen wir vorläufig Mortensen, so sehen wir, daß von den 26 Arten der Küsten- fauna nicht weniger als 14 (oder wenn man so will von 24 Arten 13) als Brutpflege ausübend angesehen werden können. Von diesen 14 Arten sind, nach dem was wir bis jetzt wissen, acht nur litoral, drei nur archibenthal, drei den litoralen und archibenthalen Zonen gemeinsam — eine von ihnen gehört außerdem auch der abyssalen Zone an. Alles m allem kennt man also aus der Litoralzone des Südlichen Eismeeres elf Arten brutpflegender Seeigel, aus seiner Archibenthalzone sechs und aus seiner Abyssalzone drei, wovon zwei ausschließlich dieser angehören (vgl. oben). Aber als Ludwig nur 6 Jahre früher seine Übersicht über die Brutpflege gab, waren aus dem Südlichen Eismeer nur drei Fälle bekannt. Gleichzeitig nennt Ludwig aus den antarktischen vmd subant- arktischen Gewässern Fälle von Brutpflege bei andern Echinodermen in folgender Anzahl: neun Ophiuren, elf Seesterne und sechs Holothu- rien. Auch für diese Klassen sind seitdem neue Fälle hinzugekommen und noch mehr sind zu erwarten — mir vorliegende noch unbeschriebene Sammlungen bieten Beispiele dafür dar — . Und für die Crinoideen lernten wir gleich nach Ludwigs Arbeit durch K. A. Andersson (1905) den ersten Fall einer ausgeprägten Brutpflege kennen und zwar bei der subantarktischen Antedon hirsufu'^. 1 LtTDWiG bezeichnet (1904, S. 699) auch die europäische Antedon rosacea als brutpflegend, aber dort beschränkt sich die Sache wie bekannt darauf, daß die Jungen ihre früheste Entwicklung in den an den Pinnulae hängenden Eiern über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 329 Ob die Brutpflege in der Antarktis sich bei den übrigen Echino- dermen schheßhch als ebenso allgemein erweisen wird wie bei den See- igeln, mag bis auf weiteres dahingestellt bleiben. Daß zahlreiche neue Fälle zu erwarten sind, dürfte man schon daraus schHeßen können, daß Echinodermenlarven in dem antarktischen Plankton fast ganz fehlen. Dies gibt schon W. Thomson (1876, S. 79) an, und neuere Unter- suchungen haben seine Beobachtungen nur bestätigt. Zwar sind wir noch nicht berechtigt, Thomsons Meinung, daß ein freies Larvensta- dium bei den Echinodermen des Südlichen Eismeeres eine Ausnahme bilde, als bewiesen anzusehen, aber jedenfalls sind, nachdem sich Lud- wig zu dieser Frage geäußert hat, so viele neue Fälle von Brutpflege bekannt geworden, daß ihre Häufigkeit im Südhchen Eismeer jetzt noch weit auffälhger ist. Ganz besonders eigentümlich ist, wie auch MoRTENSEN (1910, S. 104 — 105) bemerkt, daß sie bei den Seeigeln so gewöhnlich ist, denn aus ihrer Klasse kennt man sonst nur zwei Fälle, eine Tiefseeform aus dem nördhchen Atlantischen Ozean mid eine nach der Weise ihres Vorkommens nicht näher bekannte Art aus dem Chine- sischen Meer. Aus dem antarktisch-subantarktischen Gebiete kennt man acht Cidariden; von diesen haben fünf (wovon eine abyssal) sicher und die drei übrigen (wovon auch eine abyssal) wahrscheinlich Brut- pflege, während man sonst keinen einzigen Fall innerhalb dieser großen Familie kennt! Aus den wärmeren Meeresgebieten nennt Ludwig (S. 684) nur zehn Fälle von Brutpflege. Seitdem sind einige wenige neue bekannt ge- worden, aber die Anzahl ist noch immer verschwindend klein im Ver- hältnis zu der Anzahl Arten, die in diesen Meeren leben. Für die Er- klärung der Häufigkeit der Brutpflege im Südlichen Eismeere ist jedoch offenbar die Vergleichung mit den Verhältnissen im arktisch-subark- tischen Gebiet von größerer Wichtigkeit. Hierbei ist Ludwig nichts nachzutragen, der (S. 684) acht Arten aus den fraglichen Gegenden nennt : Ophiacantha anomala, Pteraster militaris, Pt. {Hexaster) ohscurus, Cribrella sanguinolenta, Asterias Mülleri, A. sp. Stuxb., A. sp. Ludw. und Cucumaria glacialis. Die beiden »Asterias sp.« sollten jedoch nach Ludwig (S. 698) mit A. Mülleri identisch sein können. Daß dies mit Stuxbergs Exemplar der Fall ist, betrachte ich nach Untersuchung desselben als höchst wahrscheinlich, und da dies aus der Gegend des Behringsmeeres stammt, dürfte Ludwigs Verdacht, daß es sich mit seiner aus derselben Gegend stammenden Asterias sp. ebenso verhalte, durchmachen, aber später sprengen sie die Eierschale und schwärmen als freie Larven aus. 330 Hjalmar Östergren, hierdurch eine weitere Stütze gewinnen. Bis auf weiteres dürfen wir also nur mit sechs Arten rechnen. Von diesen sind Cucumaria glacia- lis, Pteraster militaris und Pt. ohscurus ausgeprägt arktisch; Asterias Mülleri und besonders Cribrella sanguinoletita haben auch in gemäßig- ten Meeren eine große Verbreitung (die letztgenannte bis zu den Azoren) ; Ophiacantha anomala ist überhaupt nicht aus dem arktischen Gebiet bekannt, aber diese an den Küsten Norwegens lebende subarktische Art darf nicht ausgelassen werden, da man mit Bezug auf die südlichen Formen auch die subantarktischen mitrechnet i. Während die bekannte Anzahl der brutpflegenden Echinodermen in den Gegenden um den Südpol herum stark vermehrt worden ist, muß ich also betreffs der nördlichen Meere sogar die Ziffer Ludwigs als etwas zu hoch bezeichnen. Der Gegensatz ist tatsächlich weit schär- fer, als Ludwig vor 8 Jahren Grund hatte anzunehmen. Da überdies die arktische und subarktische Tierwelt unvergleichlich besser be- kannt ist als die antarktisch-subantarktische, so ist zu vermuten, daß in der letzteren verhältnismäßig mehr neue Fälle der Entdeckung noch harren als in der ersteren. Ein Versuch, die Häufigkeit der Brutpflege in der Antarktis zu erklären, erscheint deshalb darauf angewiesen zu sein, die Unterschiede zwischen den beiden Eismeeren zu betrachten. Im Verhältnis zur ganzen Zahl der Arten ist die Brutpflege auch im asktisch-subarktischen Gebiet wahrscheinlich allgemeiner als in den wärmeren Meeren. Man kann daher die Vermutung aussprechen, daß die klimatischen Verhältnisse der Polarm^eere das Aufkommen der Brutpflege begünstigen. Da kann man leicht weiter schließen wollen, daß ihre größere Häufigkeit im Südlichen Polarmeer darauf beruhen könne, daß das südliche Polargebiet noch kälter ist als das nördliche. Eine nähere Untersuchung der Verhältnisse liefert jedoch keine Stütze für eine solche Annahme. Die brutpflegenden Echinodermen des Süd- polarmeeres leben in der Tat meist nicht in dem rein antarktischen, sondern in dem subantarktischen Gebiete, An der Südspitze Amerikas, bei den Falklands-, Südgeorgien- und Kerguelen-Inseln usw. beträgt die Wassertemperatur auch während der kältesten Monate etwa +5° C., also ungefähr ebensoviel wie bei den Färöern oder an der Westküste Norwegens. Jedenfalls ist die Wassertemperatur höher als z. B. bei Island, Neufundland oder Süd^rönland — gar nicht zu reden von Nord- 1 Dagegen rechne ich eine kürzlich beschriebene vivipare Synaptide von Helgoland nicht mit. Wird das Gebiet soweit nach Süden ausgedehnt, so vermehrt sich im übrigen die Anzahl der nicht brutpflegenden Arten so stark, daß der Pro- zentsatz der brutpflegenden sich vermindert. über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 331 grönland, Spitzbergen oder dem Karischen Meer. Auch das Treibeis spielt in diesen subantarktischen Gegenden eine weit geringere Rolle als in den rein arktischen, obgleich doch eine gröi3ere als in den sub- arktischen. Um den Südpol herum ist die Kälte strenger als unter den entsprechenden Breitengraden um den Nordpol herum, aber die antarktische Meeresfauna befindet sich dem Äquator um 10 — 20 Brei- tengrade näher als die arktische. Auch die kältesten Gegenden, aus denen wir antarktische Echinodermen kennen, haben keine niedrigere Wassertemperatur als die hocharktischen Gebiete. Das Südliche Eis- meer bietet ebenso wie das Nördliche ein auffallend reiches Plankton- leben dar, das man wohl für besonders geeignet halten könnte, Schwärme von Echinodermenlarven zu ernähren. ^^t. Im großen Ganzen kann ich bezüglich der Lebensbedingungen der Meeresfauna keine andern grundsätzHchen Unterschiede zwischen den beiden Eismeeren entdecken als einen einzigen, und der betrifft die bathymetrischen Verhältnisse. Aber hier ist dafür der Gegensatz größer als zwischen irgendwelchen andern Weltmeeren der Erde. Die Mitte des Nördlichen Eismeeres wird von einem Tiefseebecken eingenom- men, aber rings um dieses breiten sich gewaltige Gebiete mit seichtem Wasser aus, die sich von den Küsten aus weit hinaus erstrecken. Und dieses Meer wird fast ganz von Küsten begrenzt; nur zwischen Nord- europa und Grönland ist die Verbindung mit dem übrigen Weltmeer weit offen, aber hier verläuft von Schottland über Island nach Grön- land ein unterseeischer Bergrücken, der jetzt höchstens ungefähr 600 m unter der Meeresoberfläche liegt, und sich in einer — geologisch betrachtet — späten Zeit unzweifelhaft dieser weit näher befunden oder vielleicht sogar eine Landverbindung zwischen Europa und Grön- land gebildet hat. Das große zusammenhängende Flachseegebiet macht einen weit größeren Teil des ganzen aus als in irgendeinem andern Weltmeer. Das Nördliche Eismeer ist das flachste Meer der Erde. Das Südliche Eismeer bildet hierin einen vollständigen Gegensatz zu ihm. Es bietet zwar nicht die größten Meerestiefen dar, aber es ist fast in seiner Gesamtheit eine Tiefsee und es ermangelt größerer Flachseegebiete, wo eine Küstenfauna eine zusammenhängende Ver- breitung finden könnte. Seine Mitte wird zwar von einem Festland ein- genommen, aber einem Festland, dessen Umkreis zum großen Teil eine Eisbarre ausmacht, die, nach ihrer Höhe über dem Meeresspiegel zu urteilen, manchmal bis zu einer Tiefe von 500 — 1000 m hinunter- reichen und das Litoralgebiet vollständig bedecken dürfte. An Stelle einer zusammenhängenden Litoralzone bietet die Küste des autark- 332 Hjalmar Östergren, tischen Festlandes eine Anzahl vereinzelter Litoralpartien, die durch gewaltige Eismauern getrennt sind. Insoweit wir diese nicht nur bio- logisch, sondern auch geographisch wenig bekannten Gegenden beur- teilen können, dürfte daher der Umkreis des antarktischen Festlandes einer Küstenfauna ungefähr dieselben Lebensbedingungen darbieten wie eine Reihe vereinzelter Inseln. Wenden wir uns dann der nördlichen Grenze des Südlichen Eis- meeres zu, so wird das Fehlen zusammenhängender Küstengebiete noch auffälliger. Südamerika reicht zwar mit seiner Spitze in das sub- antarktische Gebiet hinein, aber wenn es sich um die Fauna des Polar- meeres handelt, spielt diese Festlandsspitze keine andre Rolle als die einer abgesonderten Insel — bald genug begegnet einem im Norden eine ganz andre Meeresfauna. Im übrigen gibt es in der antarktisch- subantarktischen Region kein andres Land als eine Anzahl voneinander getrennter Inseln und kleiner Gruppen von solchen. Und diese steigen ebenso wie die Südspitze Amerikas steil aus der Tiefsee empor. Die Litoralzone ist ganz schmal und die Linie, die die 1000 m-Tiefe be- zeichnet, verläuft auch ihrerseits auf der Karte so nahe dem Lande, daß ich mich für berechtigt halte, auch die archibenthale Zone zum Küstengebiete zu rechnen. Beeinflußt überhaupt die Zurückführung der Flachsee auf eine Anzahl scharf voneinander gesonderter kleiner Partien irgendwie die Küstenfauna, so muß diese Beeinflussung sich — wenn schon schwächer — in der archibenthalen Zone auch geltend machen. Welchen Zusammenhang kann nun die Verteilung der Flach- und Tief seegebiete mit der Brutpflege der Meerestiere haben? Das Vorkommen frei umhertreibender Larven gewährt den Tieren des Meeresbodens die Möglichkeit, sich nach abgelegenen Plätzen zu verbreiten. Eine Art oder eine in einer oder der andern Hinsicht kräf- tigere Form einer Art kann auf diese Weise ihr Verbreitungsgebiet er- weitern. Vielleicht können jedoch die planktonischen Stadien manchmal eine größere Bedeutung dafür besitzen, schon gewonnenes Gelände zu behaupten als neue Stellungen zu erobern. Jeder, der eine Reihe von Jahren lang die Meerestierwelt einer gewissen Gegend studiert hat, ist ohne Zweifel von dem starken Wechsel aufs höchste befremdet worden, den die Bodenfauna von Jahr zu Jahr aufweist. Am größten ist dieser zwar bei den zahlreichen Arten, die im Verlaufe eines Jahres ihren gan- zen Lebenslauf durchmachen, geboren werden, sich fortpflanzen und sterben — hier genügt es, daß die Fortpflanzung einmal aus klimati- schen oder andern Gründen fehlschlägt, um die Art für die nächste Zeit über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 333 aus der Gegend verschwinden zu lassen — ; aber wie Theel bemerkt, der (1907, S. 43 — 45) diese Frage berührt, kann unzweifelhaft eine Reihe von ungünstigen Jahren auch eine viel] ährige Art von einer Stelle vertreiben. Theel spricht zunächst von einem Forttreiben der Larven durch ungünstige Strömungen, aber zweifelsohne ist zuweilen mit noch andern Faktoren zu rechnen. Auch die ausgewachsenen Indi^ädvlen können durch ungünstige klimatische Verhältnisse oder durch Feinde vertilgt werden, vielleicht besonders durch Feinde, die epidemische Krankheiten verursachen. Daß solche auch unter Meeres- tieren Verheerungen anrichten können, wissen wir — ich könnte gerade von den Echinodermen her Beispiele anführen. Daß in Süßwasser Tierarten durch Seuchen in großen zusammenhängenden Wassersyste- men gänzlich ausgerottet werden können, ist wohlbekannt — ich brauche nur daran zu erinnern, daß es dem gewöhnlichen Flußkrebs an mehreren Stellen so ergangen ist. Was das Meer anbetrifft, so sind diese Verhält- nisse wenig bekannt. Hier hat man zwar den eßbaren Fischen be- trächtliche Aufmerksamkeit gewidmet und betreffs dieser nachgewiesen, daß verschiedene Jahrgänge derselben Art in außerordentlich verschie- dener Anzahl vorhanden sind — bisweilen scheint die Fortpflanzung über große Gebiete hin für ein Jahr fast ganz fehlschlagen zu können. Aber die Ursachen hierfür sind kaum bekannt. Jedenfalls kann es als unzweifelhaft angesehen werden, daß auch im Meere eine Tierart inner- halb eines gewissen Gebietes aus einem oder dem andern Grunde — klimatischen Verhältnissen, Seuchen oder andern Umständen — aus- gerottet oder auf eine so geringe Anzahl von Individuen eingeschränkt werden kann, daß ihre Fortpflanzung nicht länger gewährleistet ist. Aber wenn die ungünstigen Verhältnisse einmal aufhören, kann sie bald genug dank der Zufuhr von Larven aus andern Gegenden ihre Stellung zurückgewinnen. Ohne die Möglichkeit einer solchen Ver- breitung würde eine Axt offenbar größere Gefahr laufen, allmählich an einem Platz nach dem andern vertilgt zu werden und schließlich ganz auszusterben. Die außerordentliche Wichtigkeit dieser Verbreitungsmöglichkeit geht zur Genüge daraus hervor, daß das Vorkommen von planktonischen Eiern oder Larven bei den Meerestieren die Kegel ist, besonders bei denen, die in ausgewachsenem Zustande eines bedeutenderen Orts- wechsels ermangeln. Und doch bringt dieses planktonische Stadium eine unerhörte Verschwendung mit sich, da doch wohl in der Kegel nur einzelne Larven von tausenden geeignete Vorbedingungen für ihre volle Entwicklung finden können. Eine Grenze muß es geben, über 334 Hjalmar Östergren, die hinaus diese Verschwendung für die Axt nicht mehr günstig ist. Ich bin zu der Annahme geneigt, daß das Südliche Eismeer Beispiele hierfür darbietet. Wo die für eine Art geeigneten Stellen ein zusammenhängendes Gebiet bilden oder wenigstens einander so nahe liegen, daß die Über- führung von Larven von dem einen zum andern ziemlich leicht vor sich gehen kann, ist ein solches planktonisches Stadium vorteilhaft ■ — in diesem Falle bietet wohl die eigentliche Tiefsee das beste, aber auch das Flachseegebiet des Nördlichen Eismeeres ein vortreffliches Beispiel. Anders gestaltet sich die Sachlage für eine Art, die auf einem kleinen Gebiet lebt, das noch dazu von andern für das Gedeihen der Art geeig- neten Stellen so weit entfernt ist, daß eine Überführung von Larven ausgeschlossen oder allzu unsicher ist. Dies scheint mir bei den kleinen Strecken der Fall zu sein, die die marine Küstenfauna des südlichen Polargebietes beherrscht. Diese kleinen Strecken erheben sich, wie wir gesehen haben, wie abgesonderte Inseln aus der zusammenhängenden Tiefsee und sind meist sehr weit voneinander entfernt. Ihre geringe Ausdehnung und der große Abstand von andern gleichartigen Gebieten trifft am allermeisten für die eigentliche Litoralzone zu, aber doch auch für die archibenthale. Offenbar haben Bodentiere, die in einem solchen Küstengebiet leben, nur äußerst geringe Aussicht, ihre Jungen nach einem andern Gebiet mit gleichartigen Lebensbedingungen überführt zu bekommen. Und ist das planktonische Leben der Jungen langwierig, so ist es ander- seits sehr wahrscheinlich, daß sie sämtlich von dem fortgetrieben werden können, wo sie geboren sind. Besonders an Stellen, wo eine bestimmte Strömungsrichtung vorherrscht, ist die Gefahr groß, daß die plank- tonischen Larven von Jahr zu Jahr auf diese Weise verloren gehen, ohne daß andre zur selben Art gehörige von andern Gegenden her hinzuQeführt werden. Nun will ich natürlich keineswegs leugnen, daß es Arten oder ganze Tiergruppen gibt, bei denen die Anzahl der Larven so groß und das Larvenstadium so langwierig ist, daß sich trotz alledem am Ende des planktonischen Lebens eine hinreichende Anzahl in der Hegel an für ihr Gedeihen geeigneten Stellen befindet. Daß eine Reproduktionsfähig- keit, die unter den in andern Küstengebieten herrschenden Verhältnissen völlig ausreichend wäre, hier leicht zu kurz kommt, ist jedoch offenbar. Arten, bei denen das planktonische Larvenstadium so langwierig ist, daß die Jungen regelmäßig von ihrer Heimat fortgeführt werden, müssen über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 335 es schwer finden, sich im Kampfe mit Arten zu behaupten, die eine abgekürzte Entwicklung der Jungen haben. Auch in andern Meeren gibt es viele Arten mit abgekürzter Ent- wicklung. Solche Formen haben es leichter, sich an einer gewissen Stelle zu halten, und sollten deshalb schon von vornlierein gut für die Küstenzone des antarktisch-subantarktischen Gebietes passen. Verschiedene Individuen derselben Art weichen zweifelsohne auch be- treffs der Dauer des Larvenstadiums voneinander ab. Die Larven, die sich schneller entwickeln, haben größere Aussicht innerhalb des Küstengebietes zurückzubleiben, die, die eine längere planktonische Periode durchzumachen haben, laufen größere Gefahr, weggetrieben zu werden, um in der Tiefsee umzukommen. Daher sollte die natürliche Zuchtwahl hier zu einer immer kürzeren Entv/icklung führen. In Gegenden, wo das Küstengebiet groß und zusammenhängend ist oder aus zahlreichen einander naheliegenden kleineren Teilen besteht, können auch bei der abgekürzten Entwicklung die planktonischen Larven noch immer die Verbreitung der Art besorgen. Im Küstengebiet des Südlichen Eismeeres gibt es diese Aufgabe kaum mehr für Larven mit abgekürzter Entwicklung. Deshalb kann die Abkürzung des Lar- venstadiums bis zu seinem vollständigen Wegfallen fortschreiten. Hier- mit fällt auch die Gefahr der Fortführung der Jungen in die großen Tiefen oänzlich weg. Nach diesen Ausführungen würde also eine Abkürzung des Larven- stadiums bis zu seinem vollständigen Fortfall ein Vorteil sein. Aber damit sind die Tiere auch auf gutem Wege zu einer Brutpflege, Die abgekürzte Entwicklung ist damit verknüpft, daß die Eier groß und nahrungsreich werden, und muß es sein, Ihre Anzahl muß daher ver- hältnismäßig klein bleiben. Wenn schließlich die planktonische Stufe gänzlich wegfällt, müssen die Eier genügende Nahrung für die Ent- wicklung der Jungen enthalten, bis diese dieselbe Lebensweise anneh- men können wie die Mutter, oder die Mutter muß den Jungen Nahrung zuführen. Auch im ersteren Falle ist eine Brutpflege von größtem Werte, da die geringe Anzahl der Eier das Bedürfnis nach Schutz ver- größert, während ihr Nahrungsreichtum sie zugleich für Feinde be- gehrenswert machen. Also würde das Verschwinden des planktonischen Larvenstadiums darauf beruhen, daß dies Stadium hier nicht länger den Dienst leisten kann, der seine Aufgabe war, sondern eher dazu übergegangen ist, eine Gefahr für den Bestand der Art zu werden. Ist diese Annahme richtig, so sollte man unter den nicht brutpflegenden Arten solche erwarten 336 Hjalmar Östergren, können, die verschiedene Grade der Abkürzung der Entwicklung auf- weisen. Hierüber wissen wir nur wenig, aber schon die Seltenheit der Echinodermenlarven deutet darauf hin, und weiter darf ich hier wohl auf die Übersicht hinweisen, die Mortensen (1910, S. 96) über die Eiergröße verschiedener Sterechinus- Alten gibt, welch letztere nach seiner Meinung eine mehr oder minder abgekürzte Entwicklung wahr- scheinlich macht. Weiter sollten wir ähnliche Erscheinungen bei andern Bodentieren als Echinodermen finden, wobei jedoch zu bemerken ist, daß man sich nur an die Gruppen halten darf, wo normalerweise eine freie Larven- periode vorkommt, gewisse Arten aber doch gezeigt haben, daß die Voraussetzungen für das Aufkommen einer Brutpflege vorhanden sind. Eine solche Gruppe sind die Actinarien, über deren Brutpflege Carlgeen (1901) eine Übersicht gibt. Nach dieser scheint die Brutpflege bei den Actinien in den nördlichen Polargegenden gewöhnlicher zu sein als in den südlichen, aber Dr. Carlgren hat mir kürzlich gütigst mit- geteilt, daß seitdem mehrere neue Fälle aus dem letzteren Gebiet be- kannt geworden sind, die es wahrscheinlich machen, daß auch bei den Actinien die Brutpflege dort verhältnismäßig häufiger ist als in andern Meeren. Ein starker Gegensatz wie bei den Echinodermen scheint jedoch kaum zwischen den beiden Eismeeren zu bestehen, wenn wir nach dem urteilen dürfen, was wir bis jetzt wissen — \äelleicht wird uns die Zukunft einen solchen kennen lehren. Bis auf weiteres können die Beobachtungen über die Actinien kaum für oder gegen meine Hypo- these in die Wagschale gelegt werden. Da auch eine Vergleichung mit andern Gruppen uns kaum irgend- welche Anhaltspunkte von Bedeutung gibt, soll statt dessen lieber etwas näher betrachtet werden, wie die Echinodermen sich in andern Meeren verhalten als im Südlichen Eismeer, und wie sie sich in diesem Meere in andern Gebieten verhalten als in der Nähe der Küsten. Was nun zunächst die letztere Frage angeht, so fällt es auf, daß die Brut- pflege in der Litoralzone am häufigsten ist, weniger häufig in der Archibenthalzone und ziemlich selten in der abyssalen, der eigentlichen Tiefsee. Dies gilt schon von den Seeigeln, scheint jedoch noch mehr von andern Echinodermen zu gelten, vor allem von den Holothurien, bei denen Brutpflege nur bei den litoralen Arten vorzukommen scheint. Dies stimmt vortrefflich zu meiner Hypothese; doch könnte man mei- nen, daß die Brutpflege bei den abyssalen Tieren, die ja ein zusammen- hängendes Verbreitungsgebiet haben, gänzlich fehlen sollte. Hierzu ist zu bemerken, daß auch aus andern Meeren vereinzelte Fälle von über die Brutpflege der Echinodormeu in den südpolaren Küstengebieten. 337 Brutpflege bei abyssalen Arten bekannt sind. Eine solche scheint jedoch in den Tiefen des Südlichen Eismeeres gewöhnlicher zu sein als in andern Tief seegebieten. Dies kann jedoch schwerlich dazu an- geführt werden, um die Notwendigkeit einer andern Erklärung zu be- gründen als der meinigen; denn in einem Meere, bei dessen Küsten- tieren die Brutpflege gemein ist und es auf Grund der geographischen Verhältnisse zweifelsohne während langer geologischer Perioden gewesen ist, ist ganz einfach zu erwarten, daß sie auch in der Tiefsee eine gewisse Verbreitung gewonnen habe, deren Tierwelt sich sicher noch immer mit neuen Arten aus den geringeren Tiefen rekrutiert. Haben diese schon die Brutpflege angenommen, so ist es nicht wahrscheinlich, daß sie in der Tiefsee zu einer Entwicklung mit freien Larven zurückkehren werden. Zur Erläuterung der Verhältnisse erinnere ich an die drei Seeigelarten, die in der abyssalen Zone des Südlichen Eismeeres Bei- spiele der Brutpflege darbieten. Eine von ihnen gehört auch dem Küstengebiete bis zu einer Tiefe von nur 100 m hinauf an, und auch die beiden übrigen gehören zu Gattungen, die durch andre Arten in der Küstenfauna vertreten sind. Gehen wir nun zu andern Küstengebieten über, so wäre in erster Linie an den Stillen Ozean zu denken. Hier findet man ja auch von großen Tiefen umgebene vereinzelte Inseln und Inselgruppen. Der Unterschied gegenüber dem Südlichen Eismeer ist jedoch wesentlich. Die Inselgruppen sind weit größer mid die Fiachseegebiete um sie herum weit ausgedehnter. Und wie groß der Ozean auch ist, so wird er doch zum größten Teil von Küstenstrecken begrenzt, die der Meeres- fauna dieselben klimatischen Bedingungen darbieten wie diese Insel- gruppen. Es fällt auch auf, daß besonders die wärmeren Teile des Stillen Ozeans, ja das ganze Indo- Pazifikgebiet eine sehr gleichmäßige Küstenfauna darbietet. Eine Menge Arten haben sich über diese ganze gewaltige Fläche verbreitet. Dies steht im scharfen Gegensatz zu den abgeschlossenen Lokalfaunen des Südlichen Eismeeres. Bei einem Vergleich mit den warmen Meeren darf man auch nicht ganz von einem Verhältnis absehen, das ich im Vorhergehenden nur andeutungsweise berührt habe, daß nämlich verschiedene Tiergruppen in verschiedenem Maße die Fälligkeit besitzen, die große Anzahl Junge mit einem langen planktonischen Leben hervorzubringen, die für die Verbreitung der Ait über große Weiten hin erforderlich ist. Dies und zweifelsohne auch andre Verhältnisse bewirken, daß die Brutpflege nur bei gewissen Gruppen entsteht. Und Verschiedenheiten können hierin auch bei ein und derselben Tierklasse vorkommen. Ich will als Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 22 338 Hjalmar östergren, Beispiel die Seewalzen oder Holothurien anführen. Hier kommt Brut- pflege nur bei Dendrochiroten und Apoden (Synaptiden) vor, dagegen, soweit wir wissen, niemals bei Aspidochiroten, Elasipoden oder Mol- padiiden. Die Aspidochiroten haben zahlreiche kleine Eier und machen, soweit uns bekannt ist, eine langwierige Metamorphose durch i. Sie gehören den warmen und gemäßigten Meeren an, doch überschreiten vereinzelte Stichopus- Äxten ein wenig die Grenzen der subarktischen und subantarktischen Regionen. Die einzelnen Arten haben in der Regel eine weite Verbreitung. Die Elasipoden, die ebenso entschieden der Tiefsee angehören, wie die echten Aspidochiroten (Stichopidae und Holothuriidae) den Küstengebieten der wärmeren Meere, haben oft verhältnismäßig große und nahrungsreiche Eier — vielleicht eine Anpassung an die Planktonarmut der Tiefe — aber doch keine Brut- pflege. Ihre Jungen laufen, mag die Larvenperiode kurz oder lang sein, geringe Gefahr, nach ungünstigen Gegenden fortgetrieben zu wer- den. Die Mehrzahl der Arten lebt in der Tiefe der wärmeren Meere, einige jedoch in den eigentlichen Polartiefen, wo die Temperatur 0° C. nicht übersteigt. Von den Molpadiiden leben einige im Küstengebiet der wärmeren Meere wie die Aspidochiroten, aber die Mehrzahl in der Tiefsee wie die Elasipoden. Die Eiergröße ist, wo bekannt, ziemlich gering. Die Entwicklung ist ebenso wie bei den Elasipoden unbe- kannt, die Verbreitung der in der Tiefsee lebenden Arten ebenso wie bei diesen oft sehr ausgedehnt. Ganz anders verhalten sich die Dendrochiroten. Die Eiergröße ist im allgemeinen verhältnismäßig bedeutend, die Entwicklung, soweit bekannt, stets abgekürzt. Sie gehören fast ausschließlich den Küsten- gebieten an, kommen aber innerhalb dieser in allen Meeren vor. Ich habe an andrer Stelle (1907) nachzuweisen gesucht, daß die Art und Weise des Vorkommens der Dendrochiroten wie alle wichtigsten Merk- male ihrer Organisation nahe damit zusammenhängen, daß sie sich durch Planktonfang ernähren. Vielleicht läßt sich auch die abgekürzte Entwicklung aus demselben Gesichtspunkt erklären. Sie gedeihen, wie ich dort auseinandergesetzt habe, wesentlich mu* an Stellen mit starker Strömung in der Nähe der Küsten, und die einzelnen Arten haben sich noch dazu streng an eine gewisse Bodenart angepaßt. Eine ^ Die alte Angabe, daß Sticlwpus (Holothuria) trermila große Eier und abgekürzte Entwicklung habe, beruht awi einer Verwechslung — die im Meere umhertreibenden Eier, von denen man annahm, daß sie dieser Art angehören, rühren von einer Dendrochirote und zwar von Cticumaria frondosa her. über die Brutpflege der Echinodenueu in den südpolaren Küstengebieten. 339 lange Larvenperiode, insbesondere in Gegenden mit starker Strömung, würde leicht dazu führen, daß sämtliche Jungen nach für ihre Ent- wicklung ungeeigneten Gegenden fortgeführt würden. "Wie es auch roit dieser Vermutung bestellt sein mag, so steht doch fest, daß die ab- gekürzte Entwicklung die Regel zu sein scheint, und daß die geogra- phische Verbreitung der einzelnen Arten im allgemeinen gering ist — in letzterer Beziehung liegen Ausnahmen wesentHch nur aus dem ark- tisch-subarktischen Gebiet und aus der gewaltigen Inselwelt zwischen Asien und Australien vor, also aus Gegenden, wo große zusammenhän- gende Flachseegebiete mit gleichartigem Klima auch Äxten mit kurzer Larvenperiode eine leichte Verbreitung ermöglichen. Daß bei den Dendrochiroten eine Brutpflege verhältnismäßig leicht zustande kommt, ist nicht zu verwundern. Was die S3niaptiden anbetrifft, so herrscht die größte Abwechslung. Sie kommen sowohl in den warmen wie in den kalten Meeren vor, so- wohl an den Küsten wie in der Tiefsee. Einige Arten haben kleine Eier, andre große, einige eine wohl ausgebildete Larvenperiode, andre eine abgekürzte, andre wieder Brutpflege. Einige haben eine aus- gedehnte Verbreitung, andre eine sehr beschränkte. Bei der Anstellung- eines Vergleichs zwischen den warmen und kalten Meeren hinsichtlich der Brutpflege muß man offenbar darauf Rücksicht nehmen, daß die Holothurienfauna der ersteren zum aller- größten Teil aus Arten zusammengesetzt ist, die Gruppen angehören, bei denen überhaupt kein Fall von Brutpflege bekannt ist, während die Küstenfauna der Polarmeere, was die Holothurien betrifft, fast ausschließlich aus Familien besteht, die auch in den warmen Meeren Beispiele von Brutpflege darbieten. AVenn man sich bei Vergleichung der Holothurienfauna des Nördlichen Eismeeres und der wärmeren Meere nur an die Familien hält, die Beispiele von Brutpflege aufweisen, so wird man finden, daß diese in dem erstgenannten Meere durchaus nicht häufiger ist als in den letzteren — eher umgekehrt. Aus den wärmeren Meeren führt Ludwig vier Fälle von Brutpflege bei Dendro- chiroten an, aber aus dem Nördlichen Eismeer nur einen. Was die Synaptiden anbetrifft, führt Ludwig zwei Arten aus Westindien an wozu nunmehr noch Synapta vivipara Becher aus Helgoland kommt. Aus dem arktisch-subarktischen Gebiet kennen wir noch immer keinen Fall, und doch lebt hier eine nicht geringe Anzahl von Arten. ; Ich habe mich hier nur an die Holothurien gehalten, aber vielleicht könnten ähnliche Verhältnisse in gewisser Erstreckung auch bei andern Echinodermenklassen herrschen. Auch wenn dies nicht der Fall sein 22* 340 Hjalniar Ostergren, sollte, machen doch die Holothurien einen so großen Teil der Echino- dermen aus, daß dieser Gesichtspunkt beachtet werden muß. Weiter ist es nicht unwahrscheinlich, daß die in den kalten Meeren herrschenden Verhältnisse — die Kälte oder das Schmelzwasser der Eisberge — für die pelagischen Larven ungünstig sein können. Carl- GREN hat brieflich diese Vermutung betreffs der Actinien aufgeworfen, bei denen die Brutpflege auch in den kälteren Meeren der nördlichen Halbkugel verhältnismäßig häufig ist. Wie wir oben festgestellt haben, kann es bezüglich der Echinodermen, wenn man sich nur an die Grup- pen hält, bei denen Brutpflege überhaupt bekannt ist, noch zweifelhaft sein, ob eine solche im Nördlichen Eismeer verhältnismäßig allgemeiner ist als in den wärmeren Meeren. Aber vielleicht ist an Stelle dessen eine abgekürzte Entwicklung ohne Brutpflege in dem ersteren Meere verhältnismäßig häufig. Die Annahme, daß die Beschaffenheit des Wassers der Polarmeere eine Abkürzung der Entwicklung bewirken könnte, ist zwar kaum notwendig, um zu erklären, daß die Brutpflege im Südlichen Eismeer so bedeutend allgemeiner ist als in den wärmeren Meeren, sie würde aber diese Erscheinung offenbar leichter verständlich machen. Wollen wir das Vorstehende zusammenfassen, so sollte eine Brut- pflege bei den Echinodermen schon aus dem Grunde in den kalten Mee- ren verhältnismäßig häufiger sein als in den warmen, weil die Fauna sich, wenigstens was die Holothurien anbetrifft, in den ersteren mehr als in den letzteren aus Gruppen zusammensetzt, innerhalb derer Brutpflege leicht zustande zu kommen scheint. Weiter kann vielleicht auch die niedrige Temperatur des Wassers und der an der Oberfläche des Eises wegen oft niedrige Salzgehalt eine Abkürzung der Entwick- lung veranlassen, die ihrerseits zur Brutpflege führen kann. Im Nörd- lichen Eismeer wirken jedoch dem Aufkommen der Brutpflege die geo- graphischen Verhältnisse entgegen, die mit sich bringen, daß gerade hier ein wenn auch kurzes Stadium des freien Umhertreibens der Larven große Vorteile für den Fortbestand und die Verbreitimg einer Art dar- bietet. Infolge dieser einander aufhebenden Umstände ist, was die Echinodermen anbetrifft, die I^rutpflege selten, vielleicht nur wenig häufiger als in den warmen Meeren. Im Südlichen Eismeer wirkt da- gegen die Verteilung von Land und Wasser, von Flachsee und Tiefsee auch im Sinne des Aufkommens einer Brutpflege, und wirkt dabei wahrscheinlich kräftiger als die übrigen Faktoren. Infolgedessen ist hier in schroffem Gegensatz zu allen übrigen Meeren der Erde die Brut- pflege sehr allgemein, vielleicht sogar die Regel. über die Brutpflege der Echinodermen in den südpolaren Küstengebieten. 3 H Die obige Darstellung ist nicht auf eigene Naturstudien gegründet, und ich erwarte selbst, daß manches sich wesentlich anders ausnehmen wird, wenn wir erst einmal die Biologie der antarktischen Meere einiger- maßen kennen gelernt haben. Indessen liegt gerade in dieser Brut- pflege der Echinodermen ein so auffälliger Zug, daß ein Erklärungs- versuch schon jetzt nicht unangebracht sein dürfte. Und dabei erschien es mir besonders verlockend, diesen Versuch Herrn Geheimrat Hubeet Ludwig widmen zu dürfen, dessen Arbeit mich zuerst dazu veran- laßte über diese interessante Frage nachzudenken. Zoologische Station Kristineberg bei Fiskebäckskil (Schwe- den), Dezember 1911. Literaturverzeichnis. K. A. Andersson, Brutpflege bei Antedon hirsuta Carpenter. Wissenschaftl. Ergebn. der schwedischen Südpolar-Expedition 1901 — 1903. Bd. V, Lief. 1. Stockholm 1905. 0. Carlgren, Die Brutpflege der Actiniarien. Biolog. Centralblatt. Bd. XXI, Nr. 15. Leipzig 1901. H. Ludwig, Brutpflege bei Echinodermen. Zoolog. Jahrbücher, Suppl. VII (Festschrift für A. Weismann). Jena 1904. Th. Mortensbn, Die Echinoiden der deutschen Südpolarexpedition 1901 — 1903. Deutsche Südpolarexpedition 1901—1903. Bd. XL Hft. 1. Berlin. 1910. Hj. Östergren, Zur Phylogenie und Systematik der Seewalzen. Zoologiska Studier tillägnade T. Tullberg. Upsala 1907. G. Pfeffer, Die niedere Tierwelt des antarktischen Ufergebietes. Die inter- nationale Polarforschung 1882 — 1883; die deutschen Expeditionen und ihre Ergebnisse. Bd. IL Hamburg 1890. Hj. Tff&EL, Om utvecklingen af Sveriges zoologiska hafsstation Kristineberg och om djurlifvet i angränsande haf och fjordar. Arkiv för Zoologi, Bd. IV. Nr. 5. Stockholm 1907. C. Wyville Thomson, Notice of some Peculiarities in the Mode of Propa- gation af certain Echinoderms of the Southern Sea. Journ. Linnean Sog. Zoology. Vol. XIII. London 1876 (1878). Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. I. Zum Bau des Kopflappens der armaten Gephyreen. Von J. W. Spengel, Gießen. Mit 3 Figuren im Text und Tafel XX— XXIII. Vor etwa 30 Jahren habe ich begonnen, Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen zu veröffentlichen, die als der Anfang einer über die ge- samte Gruppe ausgedehnten Reihe kleiner Monographien geplant waren, doch mit der zweiten Nummer schon bald ein Ende erreicht haben, da mich andre Untersuchungen ablenkten. Erst jetzt bin ich dazu ge- kommen, die Beschäftigung mit diesen Tieren, die ich auch inzwischen nicht aus dem Auge verloren hatte, wieder aufzunehmen. Ich habe zunächst eine systematische Revision der Gefhyrea armata in Angriff genommen und mich bemüht, die Beschreibungen der Arten auf eine sichrere Basis zu stellen, als sie bis jetzt vorhanden war. Es ist begreiflich, daß ich dabei mit manchen Einzelheiten bekannt geworden bin, die dem eigentlichen Zweck dieser Studien ferner liegen und deren Schil- derung daher die Revision sehr belasten würde. Anderseits sind sie für diese nicht wertlos, und es erscheint mir daher wünschenswert, sie vorher zu veröffentlichen. So nehme ich denn jetzt die einst abge- brochene Reihe der Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen wieder auf. Doch wird wenigstens dieser dritte Beitrag einen von dem der beiden Vorgänger ziemlich verschiedenen Charakter tragen, indem er nicht der Schilderung einer einzelnen Form gewidmet ist, sondern die Anatomie eines Körperabschnittes bei verschiedenen Arten zum Gegenstande haben soll, nämlich des »Rüssels« oder Kopflappens. Ich habe über dessen Bau in meinem zweiten Beitrage Angaben in bezug auf Echiurus echiurus (Fall.) {E. pallasii Guer.) gemacht, die sich nicht nur von denen Greeffs in wesentlichen Punkten unterscheiden, was ich schon in dem Nachtrage zu meinem Aufsatz ausgeführt habe, sondern denen auch der seither verstorbene Verfasser der sehr sorgfältigen «Etudes sur les Gephyriens Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 343 armes ou Echiuriens», Maximilien Rietsch, 1886, geglaubt hat wider- sprechen zu müssen. Derselbe meinte, er sei zu seinem abweichenden Urteil über gewisse Punkte dadurch gekommen, daß ihm zum Vergleich seine Untersuchungen des Rüssels von Bonellia und Thalassema zur Verfügung gestanden hätten, und er hoffe, auch ich werde mich seiner Ansicht anschließen, wenn ich diese Vergleichung vorzunehmen in die Lage käme. Ich bin jetzt in der Tat imstande, das, was ich damals nur für Echiurus ausgeführt habe, jetzt auf einer erheblich breiteren Basis für die Gephyrea armata zu prüfen, ohne dabei jedoch zu einem Ergebnis gelangt zu sein, das mich der Darstellung, die Rietsch ge- geben hat, nähert. Vielmehr habe ich mich davon überzeugt, daß ich die von mir für Echiurus gegebene Schilderung so gut wie in allen Punkten aufrecht erhalten darf, zugleich aber, daß in diesem ein Glied einer Kette von Veränderungen zu erblicken ist, die noch erheblich weiter gehen, als man bisher angenommen hatte. I. Cölom und Blutgefäße. Die Frage, um die sich die Meinungsverschiedenheiten von Rietsch imd mir drehen, betrifft zunächst die Erstreckung der Cölom höhle in den Kopflappen. Greeff hatte, wie auch ich, für Echiurus nahe den beiden Kopf lappenrändern je, ein Längsgefäß und zwischen ihnen eine an der Ventralwand des Kopf lappens als ein sinuöser Raum aus- gebildete Fortsetzung der Leibeshöhle beschrieben, welch letztere er aber im Gegensatz zu meinen Befunden als ein an der Rüsselbasis mit den Seitengefäßen in Verbindung stehendes »weites und reiches sinuöses Gefäßnetz« ansieht. Rietsch dagegen hat zwar auch bei allen von ihm untersuchten Formen [Bonellia minor, Thalassema neptuni und Echiurus) meist einen Hohlraum um die Seitengefäße gefunden, glaubte aber darin nicht Teile des Cöloms erblicken zu sollen, sondern nur durch die Konservierung entstandene Zerreißungen, indem die Gefäß- wandung sich von dem sie ursprünglich allseitig umschließenden Binde- gewebe abgehoben habe. Er nennt daher die Hohlräume immer La- cunen und zwar «lacunes accidentelles ». Rietsch hatte sich, wie er es selbst ausspricht, in seinem Urteil über das bei Echiurus Gefundene wesentlich dadurch beeinflussen lassen, daß er seinen Untersuchungen in erster Linie Bonellia und Thalassema (neptuni) zugrunde gelegt hatte. Mir scheint, daß von diesen wenigstens Bonellia sicher keinen besonders günstigen Ausgangspunkt darstellen kann, und zwar deshalb, weil unter den armaten Gephyreen doch wohl die Echiuriden die primitivsten sind, sicher aber Bonellia eine abge- 344 J. W. Spengel, leitete, einseitig differenzierte Gruppe vertritt. Während für erstere die in der Ontogenie nachgewiesene Segmentierung des Kumpfes und in der Anatomie die Existenz nicht nur des Bauchborstenpaares, sondern auch zweier Hinge von Analborsten recht deutlich in dieser Kichtung spricht — von der immerhin unsicheren Deutung der als ein »Disse- piment« in Anspruch genommenen Querscheidewand im Vorderteil des Rumpfes abgesehen — , kennzeichnet der Mangel von Analborsten und vor allem die Reduktion der Nephridien auf das der einen Körper- seite bei gleichzeitiger Sonderung desselben in mehr als sonst angetroffene Abschnitte, ferner die besondere Ausbildung des Kopflappens die Gattung Bonellia unzweideutig als sekundär, womit auch der eigenartige sexuelle Dimorphismus in Einklang steht i. Solange die Berechtigung dieser Auffassung nicht erschüttert ist, wird für die Beurteilung der Organisationsverhältnisse in der ganzen »Klasse« — wie ich mit Gkob- BEN diese Gruppe zunächst einmal nennen will — Echiurus die beste Grundlage abgeben. Wenn wir also von hier ausgehen, so wird sich ergeben, daß unter den zahlreichen Arten der Gattung Thalassema einerseits solche vorhanden sind, die sich in vielen Punkten, so auch in den zunächst ins Auge zu fassenden, der Gattung Echiurus sehr nahe anschließen und selbst da, wo sie spezielle Verhältnisse aufweisen, ohne große Schwierigkeit daraus abgeleitet werden können, anderseits solche, deren Bau Vereinfachungen und Rückbildungen aufweist, die zu weit- gehender Übereinstimmung mit Bonellia führen, und zu letzteren gehört eben auch die einzige von Rietsch untersuchte Art, Thalassema neptuni, die ich inzwischen selbst untersucht habe. Mir scheint, es kann nicht zweifelhaft sein, daß diese zwar, als die älteste bekannte Art der Gattung Thalassema, deren systematischen »Typus« darstellt, aber doch nicht darum in bezug auf die Organisation als ein Typus der Gattung, geschweige denn der Klasse, gelten kann. Vielmehr dürfte die genaue Kenntnis des Baues in den verschiedenen Arten, was mit einiger Sicherheit schon jetzt vorauszusehen ist und deshalb bereits angedeutet sei, zu einer Auflösung der bisherigen Gattung Thalassema in eine Anzahl von Gattungen führen, von denen einige dem Echiurus recht nahe stehen, während die Th. neptuni umfassende Gattung sich vielleicht von allen mit am weitesten davon entfernt. Was aber die oben erwähnte Übereinstimmung anbetrifft, die in gewissen Punkten mit Bonellia besteht, so bitte ich das nicht etwa so zu verstehen, als 1 Die Ersetzung des Namens E eh i u r o i d e a durch Bonellioidea, wie sie neuerdings Bledowsky (1910) vorgeschlagen hat, entbehrt so durchaus jeder Begründung, daß ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Beiträge zur Kenntnis der Geph^Teen. III. 345 wollte ich daraufhin letztere Gattung phylogenetisch von Th. neptuni ableiten. Ob das richtig sein würde, wird vielleicht einmal später erörtert werden können; jetzt ist es noch nicht an der Zeit dazu. Die im folgenden zu erörternden Beobachtungen sind durchweg an Schnittserien angestellt worden, und um diese verstehen zu können, ist es nötig etwas näher auf einen Teil des Kopflappens einzugehen, dessen ich früher nur mit den Worten gedacht habe: »Vorn breitet sich die ventrale Fläche des Kopflappens fast eben aus, nach hinten aber rollen sich seine Seitenränder mehr und mehr ventral- und median- wärts ein und vereinigen sich endlich zur Bildung eines kurzen Trichters, in dessen Grunde die Mundöffnung liegt« (S. 519). Eine solche trichter- förmige Schließung der Kopflappenränder wird in der Literatur für verschiedene Echiurideen erwähnt, ist indessen niemals näher unter- sucht worden, obwohl sie das, wie sich zeigen wird, verdient. Es be- deutet zunächst nur eine Beschreibung der erwähnten Tatsachen in andern Worten, wenn ich sage, in den Fällen, wo eine solche Schließung eintritt, weise der Mund eine Unterlippe auf, die ihm fehlt, wo die Ränder des Kopflappens bis an die Mundöffnung getrennt bleiben. Den Hinterrand der Mundöffnung eine Unterlippe zu nennen, wie es z. B, RiETSCH tut, kann natürlich nicht als falsch bezeichnet werden, aber eine körperlich darstellbare Unterlippe ist eben dann nicht vor- handen i. Von den durch Rietsch untersuchten und auch den folgenden Darlegungen vorzugsweise zugrunde gelegten Echiurideenformen be- sitzt nur Echiurus echiurus eine Unterlippe, während sie Bonellia und Thalassema neptuni — ebenso dem gelegentlich herangezogenen Th. mellita Conn — abgeht. Was uns bei Betrachtung von außen bei Echiurus als dessen Unterlippe erscheint, ist nach seinem Bau etwas erheblich andres, als man hätte erwarten sollen. Obgleich sich, wie erwähnt, bisher niemand mit der Untersuchung der UnterHppe ab- gegeben hat, tritt uns doch überall die Auffassung entgegen, daß sie 1 Auch Delage u. Herouaed reden im Bande Vermidiens, S. 27, von einer Unterlippe bei Echiurus, indem sie auseinandersetzen, man «pourrait con- cevoir la trompe comme formee par deux levres buccales, une ventrale courte et une dorsale ixks, grande». Dieser Vergleich kann natürlich im günstigsten Falle nur eine didaktische Bedeutung im zoologischen Elementarunterricht be- anspruchen; in einer »concreten« Zoologie scheint mir die Auffassung des Kopf- lappens als einer dorsalen Lippe kaum am Platze zu sein. Als eine Lippe stellt sich nur die ventrale dar, und für diese eine Bezeichnung einzuführen ist eben deshalb von Wert, weil diese Unterlippe bei verschiedenen armaten Gephyreen erhebliche Verschiedenheiten in ihrer Ausbildung aufweist. 346 J. W. Spengel, sclileclitliin als ein Teil des Kopf lappens anzusehen sei, der, aucli meiner eignen oben zitierten Schilderung entsprechend, durch Vereinigung der Seitenränder dieses Körperanhanges zustande gekommen sei. Diese Auffassung mußte um so berechtigter erscheinen, als Echiurus echiurus bei der Autotomie des Kopflappens diesen bis an eine durch eine deut- liche Ringfurche bezeichnete Stelle abwirft, die auch an dem unver- sehrten Tiere recht gut zu sehen ist, etwa 3 mm hinter dem Unterlippen- rande. Die Untersuchung aber lehrt, daß die in diesem Sinne aufgefaßte Unterlippe keineswegs nur ein Teil des Kopflappens ist, sondern in ihrer hinteren Hälfte noch unveränderte Organe des Rumpfes enthält und daher soweit sicher diesem zuzuzählen ist, nämlich das etwa 1 1/2 mm lange Vorderstück des Bauchmarks und das diesem angelagerte gleich- lange Vorderstück des Bauchgefäßes, und zwar in noch völlig unge- teiltem Zustande (Fig. 1). Die Aufteilung beider in die den Kopf läppen durchziehenden Nerven- und Gefäßschenkel erfolgt erst in der vorderen Hälfte der »Unterlippe«. Ihr Verhalten bis dorthin ist auf dem ab- gebildeten medianen Sagittalschnitt durch das Übergangsgebiet von Rumpf und Kopflappen so klar zu erkennen, daß es weiterer Beschrei- bung nicht bedarf. Zur Ergänzung sei nur noch ein Stück eines medianen Sagittalschnittes von einem abgeworfenen Kopflappen abgebildet (Fig. 2), aus dem in der deutHchsten Weise hervorgeht, daß bei der Autotomie auch die erwähnten Teile von Rumpforganen mit abge- stoßen werden. Wenn man aber, was kaum zu vermeiden sein dürfte, dieses Ergebnis in die Worte kleiden will, daß hiernach die Autotomie bei Echiurus echiurus sich nicht auf die Abwerfung des Kopflappens beschränkt, sondern auch ein Stück des Rumpfes umfaßt, so ergibt sich die weitere Frage, ob zur Unterlippe auch dieses Rumpfstück mitgerechnet werden darf oder nur die vor dem Bauchmark gelegenen Teile. Ich bin zurzeit nicht in der Lage, zu ihrer Beantwortung andre Echiurideen heranziehen zu können, bei denen eine Unterlippe vor- handen ist, ferner solche, bei denen ebenfalls Autotomie stattfindet, denn nach allem, was bisher bekannt ist, kommt diese Erscheinung weder bei Bonellia noch bei Th. neptuni oder Th. ynellita vor, die alle, wie erwähnt, einer Unterlippe entbehren. Die Entscheidung kann unter solchen Umständen nur nach andern Gesichtspunkten erfolgen, und zwar unter genauerer Berücksichtigung des Mundes. l Wenn ich in dieser Beziehung wieder an ein Zitat aus meiner früheren Beschreibung von Echiurus anknüpfe, so geschieht es, weil Beiträge zur Kenntnis der Gephjreen. TII. 347 ich durch die neueren Befunde genötigt bin, eine Veränderung der dort angewandten Bezeichnungen vorzunehmen. Ich schrieb 1880, S. 491 : »Die Mundöffnung befindet sich an der Wurzel des Kopflappens, dessen Eänder sich ventral von ihr vereinigen und so einen kurzen Trichter, die Mundhöhle, bilden. An den durch einen Sphinkter ver- schließbaren Mund reiht sich ein ziemHch weiter Kanal, den wir wol am besten als Pharynx bezeichnen. « In dem ersten dieser Sätze habe ich also die von der Unterlippe begrenzte Öffnung als Mund bezeichnet. Dagegen umschließt der in dem zweiten erwähnte Sphincter nicht diese, sondern einen andern, weiter nach hinten gelegenen Abschnitt des Darmes. Da nun eine Unterlippe, wie wir gesehen haben, nicht allen Echiurideen zukommt, wohl aber allen eine Höhle, in die der Mund hineinführt und die von einem Sphincter umschlossen ist, so scheint es mir zweckmäßiger, diese letztere als Mundhöhle zu bezeichnen, die durch die Ausbildung der Unterlippe entstandene jedoch als eine vor dem eigentlichen Munde gelegene trichterförmige Vorhöhle oder kurz als Mundtrichter. Nun ist dieser zwar ebenfalls von einer ringförmig geschlossenen Muskelschicht umgeben, die aber nicht der Wand des darin enthaltenen von Epithel ausgekleideten Hohlraumes angehört, sondern der Außenwand des den letzteren umschließenden Cöloms, auf die ich später näher zu sprechen kommen werde. Nicht diese Muskulatur war mit dem 1880 erwähnten Sphincter gemeint, sondern die des sich hinter der eigentlichen Mundöffnung anschließenden Darmabschnittes, den ich eben jetzt die Mundhöhle nennen werde. Diese ist nur von geringer Länge und auf den Präparaten, hauptsächlich infolge der starken Kontraktion des Sphincters, sehr eng, auf Querschnitten mit sternförmigem Lumen, indem das Epithel in Gestalt hoher Falten in dasselbe vorspringt. Gegen den nun folgenden Pharynx, der seinen Namen behält, ist sie fast ebenso scharf abgesetzt wie nach vorn gegen den Mundtrichter, die beide, namentlich in querer Kichtung, bedeutend weiter als jene sind. Auch ihre Epithelien sind verschieden, worauf ich nicht näher eingehen will. Eine solche Mundhöhle findet sich, wie gesagt, bei sämtlichen Echiurideen. Um mich auf die hier vorzugs- weise zur Besprechung kommenden Formen zu beschränken, will ich nur erwähnen, daß sie bei Thalassema neptuni ähnlich wie bei EcMurus stark kontrahiert und mit sternförmigem Lumen erscheint, wohin- gegen ich sie bei Bonellia viridis weit oder wenigstens hoch und mit glatten Wandungen finde, ebenfalls von einem Sphincter umschlossen. Die Übereinstimmung geht so weit, daß man an der Homologie dieses vordersten Darmabschnittes bei den genannten Formen nicht zweifeln 348 J. W. Spengel, kann, bei denen allen also der Mund in eine kurze, mit einem Spkincter ausgestattete Mundhöhle hineinführt. Diese geht bei Echiurus bei der Autotomie mit ab, jedenfalls ein weiterer sicherer Beweis dafür, daß letztere sich auf einen Teil des Rumpfes mit erstreckt. Endlich aber geht daraus hervor, daß nur der Teil als Unterlippe bezeichnet werden kann, der vor dem Bauchmark gelegen ist, und daß mit dieser Einschränkung deren ursprüngliche Definition als ein Erzeugnis der Vereinigung der Kopflappenränder tatsächlich zu Recht besteht. Nachdem wir auf diese Weise für Echiurus die Grenze von Kopf- lappen und Rumpf festgelegt haben, wenden wir uns der Frage nach den Beziehungen zwischen ihren Cölomräumen zu. Daß der an der ventralen Seite des Kopflappens zwischen den beiden seitlichen Blutgefäßen ausgebreitete flache Hohlraum wirklich vorhanden und ein Teil des Cöloms ist, hat, wie erwähnt, unbeschadet der hier nicht näher zu erörternden vermeintlichen Beziehungen zum Blutgefäßsystem, auch Greeff erkannt. Er schreibt darüber: »Die andere Gefässbahn [die er auch das sinuöse Gefäßnetz der Innenfläche des Rüssels nennt] gehört indessen zur Leibeshöhle und steht an der Rüsselbasis in offener Communication mit der weiten Leibeshöhle des Körpers. « Sieht man von der der Deutung als Gefäße entsprechenden Blaufärbung auf seinen Abbildungen ab, so liefern seine Figg. 31 — 35, Taf . XIX, die Querschnitte durch den Vorderkörper und durch den Kopflappen darstellen, ausreichende Beweise für seine Behauptung. Ich habe damals keine Veranlassung gehabt, diesen Sachverhalt auch meinerseits durch Abbildung zahlreicher Quer- schnitte zu belegen. Es wäre nun wohl zu erwarten gewesen, daß noch überzeugender als durch solche Querschnitte durch Längsschnitte vom Übergangs- gebiet des Rumpfes und Kopflappens der Zusammenhang der frag- lichen Räume untereinander sich müßte darlegen lassen. Ich habe es mir deshalb neuerdings angelegen sein lassen, mir einige Serien solcher Schnitte zu verschaffen, und zwar sowohl in sagittaler als auch in horizontaler Richtung. Die Untersuchung dieser Präparate hat mir zunächst eine Enttäuschung bereitet, indem die Verfolgung der Cölom- räume des Rumpfes nur bis in die Gegend der Mimdhöhle gelingen wollte, dort aber durch dessen sphincterartige Muskulatur verhindert wurde. Es stellte sich also heraus, daß die Sache nicht so einfach war, wie ich erwartet hatte. Von der Muskulatur wird weiter unten näher die Rede sein. Das Cölom ist im vorderen Teil des Rumpfes durch die zahlreichen und Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. IIT. 349 dichtstelieiideii Freniila, die vom Darm zur Haut ziehen und jenes diirclisetzen, stark eingeengt. Auf Sagittalschnitten wird es auf der dorsalen Seite durch das Rückengefäß ganz ausgefüllt. Dicht hinter dem Vorderende des Pharynx, also noch im Bereiche des Rumpfes, ver- läßt dieses das Cölom und tritt in die Längsmusloilatm* ein, womit es seine Cölomumhüllung verliert. Aus diesen Gründen wird uns demnach ein medianer Sagittalschnitt über das Verhalten des Cöloms des Rumpfes zum Kopf läppen auf der dorsalen Seite keine Auf klärung bringen können. Untersuchen wir Horizontalschnitte, die etwa durch die Längsachse der Mundhöhle geführt sind, so bringen uns auch diese nicht viel weiter: gegen das Hinterende der Mundhöhle werden seine Hohlräume immer kleiner und verschwinden bald in der Menge der quer durchschiiittenen Muskelfasern, die von beiden Seiten die Mundhöhle zwischen sich fassen. Nur auf der Ventralseite der Sagittalschnitte (Fig. 1 u. 2) gelingt es, den Cölomraum ohne Unterbrechung — selbst Frenula durch- setzen ihn hier nicht — bis an das Vorderende des Rumpfes zu verfolgen, also so weit wie das Bauchmark und das Bauchgefäß, das eben in dieser Höhle verläuft, reichen, und wir sehen nun, wie dieser Teil des Cöloms die erwähnten Muskelquerschnitte in eine ventral davon bleibende, dem Bauchmark dicht anliegende Masse und in die des eigentlichen die Mundhöhle umfassenden Sphincters zerlegt, und ferner, wie es sich nach vorn zu merklich ausweitet. Für diesen Abschnitt läßt sich nun leicht, indem man ihn in den sich anschließenden mehr seitlich ge- führten Sagittalschnitten verfolgt, der Nachweis führen, daß er ohne Unterbrechung übergeht in die seitlichen Cölomräume des Kopflappens, was vollkommen gesichert wird dm'ch die Beziehung zu den seitlichen Kopflappengefäßen, in die sich das Bauchgefäß im Innern der be- schriebenen Cölomerweiterung aufzuteilen beginnt. Ziehen wir endlich auch Querschnitte heran, also diejenigen, die durch das Vorderende der Mundhöhle geführt sind und dem Geschilderten entsprechend an der beginnenden Verbreiterung des Bauchmarks und des Bauchgefäßes erkennen lassen, daß sich diese zur Teilung anschicken, so sehen wir in diesen die Mundhöhle zu beiden Seiten von einem stattlichen Cölom- raum eingefaßt (Fig. 8). Daß dorsal noch beträchtliche Muskelfaser- massen die Mitte einnehmen, ist in der Hauptsache eine Folge der zufälligen Richtung der Schnittführung. Auch dorsal von der Mund- höhle zeigt uns wieder der mediane Sagittalschnitt (Fig. 1) auf der Höhe ihres Vorderendes mit aller Deutlichkeit Cölom, und zugleich sehen wir an ihm, wie sich dieses in das ventrale Cölom des Kopf- lappens fortsetzt. 350 J- W. Spengel, Soweit die bisher besprochenen Beobachtungen reichen, besteht mithin tatsächlich eine offene Verbindung zwischen dem Cölom des Kumpfes und des Kopflappens; aber sie ist im vordersten Teile des Kumpfes nur eine beschränkte. In diesem, und zwar etwa so weit, wie er an der Autotomie beteiligt ist, haben wir bis jetzt das Cölom nur auf der ventralen Seite, oberhalb des Bauchmarks, gefunden, und erst auf der Höhe des Mundes umfaßt es wieder ringiörmig, wie im Kumpfe, den Darmkanal, um von hier aus nahe der ventralen Fläche des Kopf- lappens nach vorn zu ziehen. Aber mit Hilfe der Querschnittserien kann das Verhalten im Be- reiche der Mundhöhle noch etwas genauer festgestellt werden. Schon auf solchen Schnitten, die noch den Pharynx getroffen haben (Fig. 3), be- merktman, daß unter den Frenula, die vom Darmkanal zur Haut ziehen, die das Bauchmark und das über ihm gelegene Bauchgefäß zwischen sich fassenden mit besonderer Regelmäßigkeit auftreten und etwa auf der Grenze von Pharynx und Mundhöhle zu geschlossenen Scheide- wänden werden, die den das Bauchgefäß bergenden Raum von den übrigen Cölomteilen vollständig abtrennen. Dadurch, daß bald zwischen jenem und dem Bauchmark Muskelfasern sich einschieben (Fig. 5) — von denen weiter unten die Rede sein wird — , wird dessen Unabhängig- keit noch größer, und zugleich beginnen die seitlichen Cölomteile sich mehr und mehr zu reduzieren, so daß sie etwa in der Mitte der Mund- höhle so gut wie ganz verschwunden sind (Fig. G u. 7). In dem nach außen von dem Mundhöhlensphincter gelegenen Faserfilz sieht man hier und da noch Reste, von denen manche kein deutliches Lumen mehr umschließen. Ob sie alle undurchgängig geworden sind, kann ich um so Aveniger mit Sicherheit entscheiden, als sie bei verschiedenen Individuen ungleich ausgebildet sind und es den Eindruck macht, als ob ihre Sichtbarkeit in hohem Grade von der jeweiligen Kontraction der Muskelfasern abhinge, in die sie eingebettet sind. Immerhin ist es möglich, daß enge Cölombahnen sich durch den ganzen Muskelfilz bis an dessen Vorderende auf der Höhe des Mundes hindurchziehen und in das hier wieder in erheblicher Ausdehnung auftretende Cölom führen (Fig. 8). Wie dem nun aber auch sein möge, so ist es doch auf alle Fälle sicher, daß die Verbindung zwischen dem Rumpf- und dem Kopflappen- cölom nicht weit offen ist, sondern sich nur durch äußerst enge Bahnen vollzieht, von denen die weiteste der das Bauchgefäß einschließende Kanal ist, den ich ausnahmslos ganz frei finde. Das muß natürlich für die Beurteilung ihrer Aufgaben sehr wichtig sein. Rietsch hat ge- Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 351 glaubt (S. 126), in der Tatsache, daß man nie «dans ces lacunes [näm- lich in den Cölomräumen des Kopflappens] les elements figures charac- teristiques du liquide peri visceral » fände, müsse man ein Argument gegen die Erstreckung des Eumpfcöloms in den Kopflappen hinein er- blicken. Die angezogene Beobachtung ist unzweifelhaft richtig. Eizellen oder Sperma und die charakteristischen, im Rumpfcölom massenhaft vorhandenen kugeligen Cölomcyten findet man immer ausschließlich in diesem und hier bis an den Mundhöhlensphincter heran (vgl. Fig. 3 und 4, wo noch zahlreiche Eizellen in den Cölomhöhlen Hegen); weiter nach vorn fehlen sie wie im ganzen Kopflappen völlig. Aber damit ist natürlich keineswegs gesagt, daß dessen Cölomräume ein Vacuum seien: sie enthalten Flüssigkeit und nicht allein solche, sondern auch zellige Bestandteile. Diese sind zum Teil, wie sich leicht nachweisen läßt, Durchschnitte der schon früher von mir beschriebenen in großer Menge das Cölom dm-chsetzenden Trabekel, in denen gewöhnlich eine oder mehrere Muskelfasern gelegen sind. Zu einem andern Teil aber sind es unzweifelhaft auch verästelte Zellen, die entweder frei in der Höhle liegen oder sich ihrer Wand anlagern, wobei sie oft Ketten oder Netze bilden. An dem mir jetzt ausschheßlich vorliegenden konser- vierten Material habe ich natürlich nicht feststellen können, ob es sich um fixe oder amöboide Zellen handelt. Ich kann nur sagen, daß ich sie nicht zu unterscheiden vermag von Zellen, die sich in nicht geringer Menge im Innern der Blutgefäße und namentlich im Kumpfcölom finden und von denen wenigstens manche sich am lebenden Objekt als amöboid erwiesen haben. Über deren Herkunft ist nichts bekannt. Um so weniger läßt sich darüber auch nur eine Vermutung aussprechen, ob sie aus dem Kumpfcölom in den Kopflappen hineingekommen sein oder in loco sich von der Cölomwand des letzteren abgelöst haben mögen. Außerdem trifft man im Kopflappencölom hin und wieder größere Klumpen, kompakte Ballen von bräunlichen Zellen, von denen sich nur die Kerne in Hämatoxylin färben, äußerlich begrenzt durch flache Zellen oder vielmehr Kerne, die solche andeuten dürften. Kurz und gut, sie gleichen völlig den »braunen Körpern« von unbekannter Funk- tion, die man so weit verbreitet in fast allen Organen dieser Art findet, auch frei in ihrem Kumpfcölom. Aber offenbar brauchen auch sie nicht aus diesem in das Kopflappencölom hineingelangt zu sein; denn sie finden sich auch in nächster Nähe dieses letzteren, z. B. in dem Bindegewebe, das ventral davon gelegen ist. Weder über ihre Fimktion noch über ihre Entstehung und Schicksale wissen wir sicheres. Viel- leicht gehen sie im Cölom einer allmählichen Auflösung entgegen. 352 J. W. Spengel, Jedenfalls mui3 es bei der ansehnlichen Größe, die manche von ihnen aufweisen, als ausgeschlossen gelten, daß sie in unversehrtem Zustande durch die engen Kommunikationen, die zwischen Kumpf- und Kopf- lappencölom bestehen, sollten aus und einpassieren können. Mit Sicherheit steht jedoch dieser Weg der Flüssigkeit offen. Daran zu zweifeln, scheint mir nicht der geringste Grund vorzuliegen, um so weniger als Geeeff die Füllung der Cölomräume des Kopflappens vom Rumpf cölom aus durch Injektion gelungen ist. Nachdem wir die Frage nach den Cölomzusammenhängen auch für die übrigen For- O CO men erledigt haben, werden wir auf die Bedeutung dieses Flüssigkeits- austausches näher einzugehen Gelegenheit haben. Zunächst soll der Vollständigkeit halber für Echiurus gegen die Einwände, die Rietsch erhoben hatte, nochmals die Cölomnatur des » sehr niedrigen Hohlraumes von gleicher Länge und Breite Avie die ventrale Fläche des Kopflappens, der von zahlreichen dorsoventralen Balken durchsetzt ist« (Spengel, 1880, S. 512) einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden, also jenes Raumes, den Rietsch für ein Produkt von Zerreißungen infolge der Konservierung erklärt hat. Meine neuen Präparate lassen darüber ebenso wenig Zweifel wie die früheren. Sie bestätigen, was ich 1880 darüber geschrieben habe: »Diese [die dorsoventralen Balken] sind gebildet von dem homogenen Grundgewebe, durchzogen von dorsoventralen Muskelfäden und gegen die Leibeshöhle scharf begrenzt von Zellen, von denen man allein die Kerne erkennt, wahrscheinlich Peritonealzellen «. Ich kami nur hinzu- fügen, daß sie durchaus den Frenula entsprechen, die im Rumpfe die Darmwand an die Haut heften. Wäre im vorderen Teile des Kopf- lappens, wo die Cölomräume eng sind, noch ein Zweifel möglich, so müßte er völlig verstummen angesichts des für Echiurus echiurus eigentümlichen Wulstes, der sich hier in dem basalen Abschnitt des Rüssels befindet und, wie ich früher gezeigt habe, zu einem großen Teile dm'ch eine Erweiterung des Cöloms hervorgerufen wird. Was ich damals durch meine Fig. 45, Taf. XXVI, erhärtet habe, entspricht vollkommen dem, was auch meine neuen Quer- mid Längsschnitte zeigen. Selbst RieTvSch hat sich dem nicht entziehen können und zugestehen müssen, «qu'ici, dans le bourrelet ventral surtout, les indices de dechirure sont moins evidents». Wie er trotz des Anblicks der Präparate dieses Teiles sich der richtigen Erkenntnis hat verschließen können, bleibt schwer verständlich. Und wie steht es endlich mit den seitlichen Teilen des Kopflappen- cöloms, in denen die beiden lateralen Gefäße verlaufen? Nach Greeff Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 353 sollen sie nicht darin, sondern daneben gelegen sein. Rietsch scheint sich gerade durch ihr Verhalten besonders in seiner Auffassung, es lägen in den angeblichen Cölomräumen nur akzidentelle Lacunen vor, bestärkt gefühlt zu haben: «les indices de dechirure me paraissent manifestes, et dans les points oü, sur les coupes transversales, les parois vasculaires restent entieres et adherentes aux fibres musculaires qui iimitent le canal, ces parois offrent tout a fait l'aspect d'un endothelium. Les lacunes irregulieres et variables que Ton trouve autour de ce vaisseau sont donc attribuables, ä mon avis, ä l'action des reactifs, et ne doivent pas exister a l'etat vivant, ce ne sont pas des prolongements de la cavite generale.» Da meine neuen Präparate über diese Gefäße weiter keine Auskunft geben, so will ich mich für Echiurus zunächst nur auf meine frühere Darstellung berufen, die ich auch nach meinen neuen Unter- suchungen durchaus aufrecht erhalte. Doch veranlaßt mich die von Rietsch gegebene Darstellung dazu, auf die Frage nach dem Bau der Gefäßwandung im Bereiche des Kopflappens überhaupt einzugehen. Dieser schreibt den sämtlichen Gefäßen, also sowohl dem medianen als den beiden lateralen, nur eine endotheliale Wand zu. Von dem medianen bildet er bei 400facher Vergrößerung in Fig. 124, Taf. XXII, einen Querschnitt ab und schreibt dazu: «Les cellules, munies de prolongements peripheriques [die nach seiner ausdrücklichen Erklärung auf S. 132 keine Muskelfasern sein sollen], sont allongees surtout aux angles de la fente. Les fibres muscu- laires ne penetrent pas dans une zone de substance conjonctive amorphe entourant le vaisseau; cette zone, large aux extremites de la fente, est beaucoup etroite sur les deux flaues du vaisseau oü les fibres dorso- ventrales sont plus serrees, plus rapprochees que dans le reste de la trompe et oü elles se recourbent plus ou moins pour contourner le vaisseau. Une membrane interne est encore formee par l'ensembie des plateaux cellulaires« (S. 125 — 126). Auf S. 132 fügt er noch hinzu: «quant aux fibres annulaires de Spengel, ce ne peuvent etre que les fibres dorsoventrales les plus rapprochees de la trompe, lesquelles contournent lateralement le vaisseau median». Sehen wir zunächst, ob Rietsch die Existenz von Ringmuskel- fasern in der Wand des Mediangefäßes mit Recht geleugnet hat, was insofern von vornherein nicht viel für sich zu haben scheint, als nach der Vorstellung, die wir vom Blutkreislauf der Echiurideen haben, doch aller Wahrscheinlichkeit nach das dorsale Gefäß contractu sein und die Bewegung der Blutflüssigkeit besorgen dürfte und für derartige contrac- tile Längsgefäße die Existenz von Ringmuskelfasern die Regel bildet. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 23 354 J. W. Spengel, Ich muß bekennen, daß mir die Beantwortung auch bei Anwen- dung unsrer heutigen Schneidetechnik gewisse Schwierigkeiten bereitet hat und daß ich eine Zeitlang geglaubt habe, Rietsch in diesem Punkte Recht geben zu müssen. Für den sichersten Weg, um zu einer Ent- scheidung zu gelangen, hielt ich auch in diesem Falle die Untersuchung von Längsschnitten durch den Kopflappen. Da es mir zu den Zwecken, für die sie in erster Lmie hergestellt worden waren, auf die Wahrung der Zusammenhänge angekommen war, so waren sie meist nicht sehr dünn gehalten (15 — 20 ^i dick), und es wollte mir in keinem Falle ge- lingen, an solchen die Querschnitte von Ringmuskelfasern in der Gefäß- wand zu erkennen. Andrerseits konnte ich mich auch jetzt sowohl an Querschnitten, die Teile dieser auf schrägen Anschnitten zeigten, als auch an Sagittalschnitten, die die Gefäßwand tangierten, von der Existenz solcher Fasern immer wieder überzeugen. Erst als ich für den besonderen Zweck der Untersuchung der Gefäßwand feine Horizontalschnitte von höchstens 10 ^i Dicke erhalten hatte, die in ÜEiDENHAiNschem Hämatoxylin gefärbt waren, habe ich an diesem die bis dahin vermißten Querschnitte der Ringmuskelfasern gefunden, zugleich aber auch eine Aufklärung darüber erlangt, warum ich sie bis dahin vergebens gesucht hatte. Ich war, zum Teil verleitet durch die Beschreibung, die Rietsch gegeben hatte, der Ansicht gewesen, das Gefäß müsse von einem Epithel ausgekleidet sein und die gesuchten Faserquerschnitte müßten nach außen von dieser in der Dicke der Gefäßwand liegen. Statt dessen fand ich sie dem Lumen unmittelbar anliegend. Ob sie von diesem überhaupt durch eine Zellenlage — mag man sie nun Epi- oder Endothel nennen — getrennt ist, kann ich nicht entscheiden, da mir zurzeit nur konserviertes Material zur Verfügung steht. Von den hier und da der Wandung anliegenden Kernen vermag ich nicht zu sagen, ob sie zu einem solchen oder zu Blutzellen gehören. Jedenfalls hat ja die Existenz endothelloser Gefäße heutigen Tages nichts ungewöhnliches mehr. Danach darf ich also behaupten, daß Rietsch sich in seiner An- nahme, ich hätte wahrscheinlich seitlich dem Mediangefäß sich an- legende Dorsoventralfasern für Ringfasern gehalten, geirrt hat. Dagegen muß ich meine Behauptung (S. 510), es seien Muskelfasern vorhanden, »die von der Wand dieses Gefäßes radiär ausstrahlen und das Lumen desselben erweitern müssen«, für tatsächlich nicht zutreffend erklären. Die radiär angeordneten Zellen mit « prolongements peripheriques» dürften in der Tat keine Muskelzellen sein, sondern dem die Kopf- lappenmuskulatur bergenden Bindegewebe angehören, dessen nähere Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 355 Besprechung hier ausscheidet. Für die Erweiterung des Gefäßes nach voraufgegangener Kontraktion durch die Ringmuskelfasern wird wohl die Elastizität des Bindegewebes in Anspruch zu nehmen sein. Wesentlich ebenso gebaut sind die Seitengefäße des Kopflappens. Da die Wand aber nicht von Bindegewebe umschlossen ist, sondern das Gefäß im Cölom suspendiert ist, so ist jene sehr dünn und die ihr zukommende Ringmuskulatur sehr viel leichter zu beobachten. Ein Endothel sehe ich auch in ihnen nicht, dagegen ist die Wand äußerlich, gegen das Cölom, von deutlichen Zellen bekleidet, die zum Teil sogar recht hoch sind und an manchen Stellen fast den Charakter eines Cylinderepithels tragen. Durch Frenula ist es mit der Cölomwand ver- bunden, und zwar durch sehr kurze und meist feine mit der Dorsal- wand, während spärlichere längere es ventral befestigen. Aus vorstehendem geht hervor, daß ich meine frühere Darstellung" für Echiurus echiurus in dieser Hinsicht nur zu bestätigen und in ge- ringfügigen Einzelheiten zu ergänzen habe. In letzterem Sinne sei nur noch erwähnt, daß das Cölom sich nicht nur bis an die Seiten- gefäße erstreckt, sondern darüber hinaus ventralwärts bis nahe an die Epidermis des Seitenrandes des Kopflappens reicht. In denjenigen Teilen des Kopflappens, wo die Seitenränder sich einander zur Bildung der Unterlippe nähern und medianwärts umschlagen, sind diese Teile des Cöloms entsprechend nach innen und oben gerichtet, und das Gleiche beobachtet man auch in der ganzen Ausdehnung der Unterlippe selbst, die daher auf dem medianen Sagittalschnitt (Fig. 1) vollkommen massiv erscheint, in ihren seitlichen Partien aber Fortsetzungen des Cöloms enthält, die ihr eine gewisse Schwellbarkeit verleihen dürften (Fig. 11 u. 12). In diesem Zusammenhang will ich einiger Formen gedenken, die in diesem Aufsatz sonst nicht berücksichtigt werden, in erster Linie der beiden Arten, die bis vor kurzem ebenfalls zur Gattung Echiurus gerechnet wurden, aber nach den Untersuchungen von Alice L. Em- BLETON und von Philipp Seitz durch letzteren zu einer besonderen Gattung ürechis erhoben worden sind, des U. unicinctus (v. Dräsche) und U. cliilensis (Max Müller). Der Bau des Kopflappens ist nach den übereinstimmenden Ergebnissen der beiden Autoren, die ich auch durch eigne Untersuchungen zu bestätigen vermag, in sehr wichtigen Punkten abweichend von der des Echiurus echiurus. Dafür kommt nicht nur in Betracht, daß er außerordentlich kurz ist, sondern vor allem, daß Urechis völlig ein Blutgefäßsystem fehlt. Dagegen erstreckt sich auch das Cölom in den Kopflappen hinein, und zwar ist ein spaltförmig 23* 356 J. W. Spengel, enges, durch zahlreiche Frenula zerlegtes, ventral von der Quermusku- latur des Kopflappens vorhanden, das wesentlich dem von Echiurus entspricht, außerdem aber noch ein System weiter dorsal zwischen den Längsmuskelfasern gelegener Cölomräume, die erheblich weniger weit in den Kopf läppen eindringen (Textfig. A). In diesem sind beide Systeme ganz voneinander getrennt. Beide kommunizieren mit dem Rumpfcölom in so ausgedehnter Weise, daß sie von hier aus nicht nur Textfig. A. Querschnitt des Kopflappeiis von Urec/iis unicinctus. dessen flüssigen Inhalt aufnehmen, sondern sich auch mit Cölomocyten und Geschlechtszellen ganz anfüllen (Textfig. B). Echiurus und TJrechis würden in Hinsicht auf Cölom und Blut- gefäßsystem des Kopflappens nach den bisherigen Untersuchungen die unter den armaten Gephyreen vorkommenden Extreme vertreten, und soweit meine Beobachtungen bis jetzt reichen, ist TJrechis tatsächlich in dem Mangel eines Blutgefäßsystems und in der Existenz dorsaler Cölom- räume des Kopflappens eine in der ganzen Klasse einzig dastehende Form, die schon allein deswegen nicht nur von Echiurus abgetrennt werden muß, sondern trotz des Besitzes circumanaler Borsten nicht einmal in dessen nächste Nähe wird gestellt werden können. Was aber das Blutgefäßsystem des Kopflappens anbetrifft, so Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 357 werden wir sehen, daß Echiurus keineswegs die höchst entwickelte Stufe unter den armaten Gephyreen einnimmt, sondern daß er durch gewisse Thalassema-Aiten darin bedeutend übertroffen wird. Bei einer erheblichen Anzahl von diesen, die ich jedoch gegen- wärtig nicht aufzählen kann, weil ich mit der begonnenen Revision noch bei weitem nicht fertig bin, unter denen ich nur als ein Beispiel das echte Thalassema erythrogrammon (Leuck. et Rüpp.) = Th. caudex Textfig. B. Medianer Sagittalschnitt des Vorderkörpers von Urechis unicinctus. Lampert anführen will, ist ein ebenso wie bei Echiurus die ganze Breite der Ventralseite des Kopflappens einnehmendes, ventral von der Quer- muskulatur desselben gelegenes Cölom vorhanden, über dessen Natur ebensowenig wie bei Echiurus irgendein Zweifel bestehen kann. Wie dort ist es von Frenula durchsetzt, die bei einigen Arten eine er- hebliche Dicke erreichen und die einzelnen Höhlen ziemlich weit von- einander entfernen, bei andern schmäler sind und die Kontinuität des Cöloms besser hervortreten lassen. Aber allen in Rede stehenden Arten ist es gemeinsam, daß dieses Kopflappencölom in querer Rich- tung von Blutgefäßen durchzogen wird, welche das rechte und das linke Seitengefäß untereinander verbinden. Sie sind überall bedeutend 358 J- W. Spengel, enger als diese, aber gerade so wie diese der dorsalen Cölomwand stärker genähert als der ventralen. Da mir keine injizierten Präparate vor- liegen, obendrein alle Kopflappen sehr stark kontrahiert sind, so ist es natürlich recht schwierig, den Verlauf eines einzelnen Gefäßes von einem bis zum andern Seitengefäß zu verfolgen; da sie in jedoch voller DeutHchkeit auf allen Querschnitten des Kopflappens in der Mehrzahl der Hohlräume vorhanden sind, ferner dort, wo Frenula nur ange- schnitten sind, vielfach in voller Deutlichkeit von einem Hohlraum in den benachbarten hineinreichen, so bleibt kein Zweifel, daß es sich um ein Netz von Verbindungsgefäßen handelt, dessen Züge vorzugs- weise eine quere Kichtung einlialten. Bei der starken Krümmung der ventralen Seite des Kopflappens erschien es so gut wie aussichtslos, sich auf Frontalschnitten einen erheblichen Teil des Netzes vor Augen zu führen; ich habe es deshallj unterlassen, solche Schnitte anzufertigen, doch dürfte sich gewiß dieses Verfahren dann empfehlen, wenn ein Forscher in die Lage kommen sollte, Material ad hoc zu konservie- ren, zumal falls die Herstellung gelungener Injektionspräparate auf Schwierigkeiten stoßen sollte, was nicht unwahrscheinlich ist. Nach obigem hätte für die durch Th. enjthrogrammon vertretenen Thalassema-Aiten das Schema, das ich auf S. 509 meines Echiurus- Aufsatzes in der Textfig. 2 von dem Gefäßsystem eines Echiurideen- kopflappens gegeben habe und das mehrfach reproduziert worden ist, insofern eine Ergänzung zu erfahren, als die Seitengefäße durch ein dichtes Netzwerk enger Gefäße zu verbinden sind. Nun aBer gibt es wieder andre Thalassema-ATten, auf deren Auf- zählung ich aus den oben angedeuteten Gründen ebenfalls verzichten muß, bei denen die mit dem soeben geschilderten Zustand erreichte Komplikation noch weiter übertroffen wird. Als Beispiel für diese Gruppe will ich die xlrt anführen, die Sluiter irrtümlich für Th. ery- throgrammon gehalten hat, die sich aber, wie ich später in meiner Ee- vision zeigen werde, in weitgehender Weise davon unterscheidet und die ich vorläufig i Th. biUitonensis nennen will. Hier besteht in bezug auf das ventrale Kopflappencölom samt dem darin enthaltenen Gefäß- netz der gleiche Zustand wie bei Th. erythrogrammon. Außerdem aber tritt bei dieser Form das mediane Dorsalgefäß des Kopflappens durch zahlreiche dorso ventral verlaufende enge Gefäße mit jenem Gefäßnetz in Zusammenhang. Die Verfolgung dieser Anastomosen ist erheblich leichter als die der Gefäße des ventralen Netzes, obwohl auch 1 »vorläufig « bezieht sich nicht auf den Ai-t-, sondern nur auf den Gattungs- namen.. Beiträge zur Kenntnis der Gepbyrcen. III. 359 sie begreiflicherweise nur zum kleinen Teil in ihrer ganzen Länge in je einen Schnitt fallen, da nicht alle genau senkrecht verlaufen und auch die Orientierung des Kopflappens beim Schneiden dem Zufall unterworfen ist. Es war mit Sicherheit festzustellen, daß diese Anasto- mosen kein Netzwerk bilden, sondern in geringen Abständen annähernd einander parallel aus dem Dorsalgefäß zum Gefäßnetz herabziehen, wobei es gelegentlich vorkommt, daß sich eines in zwei Aste teilt. Ich habe das obendrein an Sagittalschnitten be- stätigen können. Sollte es gehngen, Rüssel dieser Tiere in sehr langge- strecktem Zustande zu konservieren, so würden solche natürlich noch viel deut- lichere Bilder gewähren als die vor- liegenden, die stark verkürzt waren. In der Textfig. C habe ich ein schematisches Bild davon zu geben versucht. Damit ist also das Blutgefäßsystem des Kopflappens ungemein kompliziert geworden, und es scheint mir nicht ganz leicht, sich von dem Laufe des Blutes darin eine klare Vorstellung zu bilden und über die funktionelle Bedeutung dieser Anordnung etwas befriedigendes auszusagen. Das ventrale Netz mag Textfig C immerhin im Dienste der Atmung eine Schema der Kopfiappengefäße von Th. Rolle spielen, indem das durch die tief M«ito««nse. vom Rücken gesehen. Seiten- gefäße quer schraffiert, Mertiargefäß rnmenförmig zusammengebogene Ven- hell. Letzteres in den vorderen 2/3 nach trale Seite des Kopflappens passierende, '^chts versciioben gedacht. Die zahi der , . , ,. -_ 1 • 1 ri- 1 Dorsovcntral- Anastomosen viel geringer zugleich die JNahrung herbeischaiiende als in der Natur. Wasser Sauerstoff an das recht dicht unter jener gelegene Gefäßnetz abgibt. Wenn es richtig ist, daß durch das Dorsalgefäß das Blut in den Kopflappen hineingeführt wird, so dürften die Anastomosen kaum zu etwas anderm dienen können, als schon auf dem Wege zum Vorderende dem Gefäßnetz, das sich durch die Seitengefäße entleert, Blut zuzuführen. Klappen, deren Anordnung auf die Richtung der Circulation einen sicheren Schluß erlauben würden, sind am Ursprung aller dieser feinen Gefäße nicht vorhanden, wie sie überhaupt nirgends im Gefäßsystem der armaten Gephyreen gefunden worden sind. 360 J. W. Spengel, Während wir nun bei gewissen Thalassemen eine extreme Aus- bildung des Gefäßsystems des Kopf lappens angetroffen haben, bewahrt dieses bei andern, für die als Beispiele Th. yieptuni und Th. nielUta Conn angeführt werden mögen, den gleichen einfachen Bau wie bei Echiurus. Dagegen sind die genannten beiden Arten wieder verschieden in der Ausbildung des Kopflappencöloms. Th. mellita schließt sich in dieser Beziehung ganz an Echiurus an, indem es ein die ganze Breite der Bauchseite des Kopflappens einnehmendes, niedriges Cölom besitzt. Bei Th. neptuni hingegen ist das Cölom auf die nächste Umgebung der Seitengefäße beschränkt, während es dazwischen vollständig fehlt. Ganz ebenso verhält sich in dieser Hinsicht Bonellia. Das entspricht den Befunden von Rietsch, abgesehen davon, daß die von diesem richtig auf Taf. XVIII, Fig. 37 und 40, sowie Taf. XXII, Fig. 112, ab- gebildeten Hohlräume um das Seitengefäß nicht, wie Rietsch annahm, durch Zerreißung entstandene Lücken sind, sondern ohne jeden Zweifel Cölomräume, an deren Wandung das Gefäß durch Frenula angeheftet ist und zwar wie bei allen andern Echiurideen der dorsalen bzw. lateralen mehr genähert als der gegenübergelegenen. Wenn das Bild, das Kietsch in seiner Fig. 115 bei 400facher Vergrößerung wiedergegeben hat, in bezug auf die Frenula einigermaßen dem Präparat entsprochen hat, so muß die histologische Erhaltung sehr viel zu wünschen übrig- gelassen haben. Wo diese gut ist, erkennt man an dem Ursprung der allerdings bei [der Kleinheit des Objekts nur recht feinen Fäden deut- lich den Anteil des Bindegewebes an ihrem Aufbau und nicht minder klar die scharfe Begrenzung der zwischen ihnen gelegenen Hohlräume. Gänzlich verkannt hatte bei Bonellia Greeff die Sache, indem er auf seiner Taf. XXII, Fig. 83, die Querschnitte des Seitengefäßes nebst dem des seitlichen Nervenstranges von einer gemeinsamen Höhle umschlossen zeichnet, während in Wirklichkeit wie immer der letztere gänzlich außerhalb des Cöloms bleibt. Als einzigen Inhalt der Cölom- höhlen finde ich außer zusammenhängenden oder durch den Schnitt losgelösten Vorsprüngen seiner Wandung wie bei Echiurus amöboide Zellen, während auch hier die kugelförmigen Cölomocyten, die das Rumpfcölom in Massen erfüllen, vollständig fehlen. Weiter als bei Thalassema und Bonellia geht, soweit meine Kennt- nisse reichen, die Reduktion des Kopflappencöloms im Vergleich mit dem des Echiurus bei den armaten Gephyreen nirgends, und ich möchte glauben, daß wir damit überhaupt die mögliche Grenze für die Be- schränkung seiner Ausbildung vor uns haben. Soviel ich einzusehen ver- mag, dürfte kein andres Mittel in Frage kommen, wodurch die Streckung Beiträge zur Kenntnis der Gephyrecn. III. 3G1 des Kopflappens, dieses für das Leben der meisten Echiurideen, beson- ders für ihren Nahrungserwerb, daneben wohl für die Atmung und hin und wieder vielleicht auch für die Ortsbewegung so überaus wichtigen Körperteiles, bewirkt werden könnte als die Füllung der Cölomräume des Kopflappens mit Flüssigkeit, die ihrerseits nur aus dem Rumpf- cöloni stammen und auch bei Kontraktion des Kopflappens nur dort- hin zurückgestaut werden kann. Wenn man an einer lebendenEchiuri- dee beobachtet, wie ungemeiner Verlängerung der Kopflappen fähig ist, die das Mehrfache der Länge erreichen kann, die das Organ dann zeigt, wenn das Tier nach einer Störung offenbar zur Ruhe gekommen ist, wie derselbe danach sich langsam immer mehr und mehr streckt, so wird man es für ausgeschlossen halten müssen, daß hierfür allein die Elastizität der Kopflappengewebe, namentlich des Bindegewebes, die Quelle sein könnte. Die Cölomräume des Kopflappens selber sind nicht derartig von Muskulatur umhüllt, daß durch diese die etwa in jenen allein enthaltene Flüssigkeit sollte vorwärts gepreßt werden kön- nen. Wäre das der Fall, so würden wir in der Wand der Cölomräume Ringmuskulatur zu erwarten haben, die aber sicher auch da fehlt, wo sie nach der Gestaltung jener Vorhandensein könnte, selbstverständlich dort, wo die letztere hierfür ganz ungeeignet ist. Gegen die iinnahme, die wir soeben gemacht haben und die auch wohl als die herrschende gelten kann, spricht nun nichts andres als die Beobachtung, daß die Flüs- sigkeit, die wir in den Cölomräumen des Kopflappens antreffen, insofern nicht identisch mit der das Rumpfcölom erfüllenden ist, als wir darin immer und ausnahmslos gerade die für das letztere so charakteristischen zelligen Elemente, runde Cölomocyten und Geschlechtsprodukte, selbst die doch so kleinen Spermien, vermissen. Bestände eine offene Ver- bindung zwischen Kopflappen- und Rumpfcölom, dann müßte sie sich, hat man sich augenscheinlich gesagt, vor allem in der Gleichheit des Inhalts beider dokumentieren. Indem man nun aus der in Wirklich- keit sich darbietenden Ungleichheit die Folgerung gezogen hat, die Verbindung existiere nicht, ist man voreilig gewesen. Die anatomische Untersuchung lehrt mit voller Sicherheit, daß im Kopf läppen Hohl- räume vorhanden sind, die nach ihren Beziehungen zu den sie umge- benden Geweben, ihrer Durchsetzung mit charakteristischen Frenula, nach ihrem Inhalt, der, soweit überhaupt Blutgefäße bei der unter- suchten Art existieren, aus solchen, ferner aus amöboiden Zellen besteht, sich klar als Cölomräume kennzeichnen. Daß darüber noch ernstlich ein Streit möglich sein sollte, halte ich für ausgeschlossen. Selbstverständlich wäre es trotz des Nachweises ihrer Cölomnatur 362 J. W. Spengel, nicht absolut notwendig, daß diese Hohlräume des Kopflappens mit dem Cölom des Rumpfes in offener Verbindung stehen. Aber zweierlei Beobachtungstatsachen schließen jeden Zweifel an dem Bestehen einer solchen aus, die allerdings beide nur für Echiurus beigebracht sind, nämlich einerseits der Nachweis des Zusammenhanges auf Sagittal- schnitten und Querschnittserien, anderseits das Gelingen der Injektion der Cölomräume des Kopflappens vom Rumpfcölom aus. Dazu kommt als bedeutungsvolle Stütze hinzu die Überlegung, daß für die extreme Streckung des Kopflappens die Annahme einer Kommunikation nicht zu entbehren ist, noch weniger aber für die Rückstauung. Derartige Erwägungen aber führen uns, wie mir scheint, wenn wir ihnen noch etwas weiter nachgehen, zu dem Schluß, daß für ein sicheres und tadelloses Funktionieren des Füllungs- und Entleerungsmechanis- mus die Ausschließung der gröberen Bestandteile des Cölominhaltes des Rumpfes aus den Kopflappenhöhlen eine Notwendigkeit ist. Diese sind ausnahmslos sehr eng, in schärfstem Gegensatz zu dem ungeheuer weiten Rumpfcölom. Es dürfte kaum denkbar sein, daß eine mit den Zellen des letzteren angefüllte Flüssigkeit, selbst wenn die Verbindungs- öffnung für den Durchtritt weit genug wäre, ungehindert durch die engen Räume hin und zurückbewegt werden könnte. Bei der Existenz der immer in großer Zahl die Hohlräume durchsetzenden Frenula wären Verstopfungen ganz unausbleiblich, und diese müßten den Mechanismus außer Funktion setzen. Und nun sind tatsächlich die Verbindungen zwischen Kopflappen- und Rumpfcölom durch besonders dicht stehende und kräftige, an Muskelfasern besonders reiche Frenula so eingeengt, daß sie einen Filterapparat darstellen, der sicher die runden Cölomocyten fernhalten wird, vollends die noch weit größeren Eizellen. Allerdings bleibt es dabei unaufgeklärt, was auch die so kleinen Spermien am Durchtritt verhindert. Es genügt natürlich nicht darauf hinzuweisen, daß solche immer nur eine Zeitlang im Cölom vorhanden sein werden; die Ballen der Sperma togonien und Spermatocyten, die man stets findet, sind groß genug, um auch durch das Filter zurückgehalten zu werden. Aber es ist ja bekannt, daß sie auch andre Öffnungen nicht passieren, für die sie gewiß nicht zu groß sein würden, wie die Trichter der Anal- schläuche, ferner daß sie lange im Cölom vorhanden sein können, ohne durch den Trichter der Nephridien in diese hiiieinzugelangen, was sie doch später immer sämtlich tun, so daß man zu gewissen Zeiten auch nicht mehr ein einziges im Cölom antrifft. Es muß also noch etwas andres vorhanden sein, was sie am Durchtritt durch Öffnungen ver- Beiträge zur Kenntnis der Gepliyreen. III. 363 hindert, als deren Weite. Mehr darüber zu sagen, scheint mir einst- weilen kaum möglich. In bezug auf die amöboiden Zellen, die sich in den Cölomräumen des Kopflappens finden, habe ich schon oben (S. 351) ausgesprochen, daß es nicht zu entscheiden ist, ob diese, so zu sagen, ihre Heimat sind oder ob sie mit der Flüssigkeit oder etwa durch ihre aktiven Bewegungen aus dem Kumpf in den Kopflappen hinein- gelangt sind. Jedenfalls ist ihre Menge nie so groß, daß sie für die Hin- und Herbewegung der Flüssigkeit ein Hindernis dürften dar- stellen können, zumal da sie ja die Fähigkeit haben, sich durch ihre Pseudopodien an den Wänden festzuhalten und jene an sich vorbei- streichen zu lassen. II. Die Muskulatur. Weitere Meinungsverschiedenheiten bestehen zwischen Rietsch und mir in bezug auf die Muskulatur des Kopflappens. Er schreibt S. 131: «La musculature a ete decrite en detail (p. 469): je dirai seule- ment que Spengel a oublie les fibres transversales qui accompagnent les minces fibres longitudinales sous-epidermiques {f't", fig. 123), et qu'il considere ces dernieres comme provenant de l'assise musculaire longitvidinale du tronc, ce qui ne me parait pas probable. Quant aux fibres horizontales, la bände dorsale (ß) est regardee comme la con- tinuation de l'assise musculaire externe annulaire des teguments, la bände ventrale (ff) comme la continuation de l'assise interne oblique. J'ai dejä dit qu'ä mon avis cette derniere ne penetre pas du tout dans la trompe. Je serais plus dispose ä admettre que ces bandes provien- nent toutes deux de l'assise annulaire externe des teguments, quoique celle-ci paraisse, chez la Bonellie et le Thalasseme, s'arreter net a la base de la trompe. Les fibres longitudinales se ramifient frequemment et echangent leurs fibrilles; a l'extremite anterieure elles sont entre- lacees avec les autres couches musculaires dans le voisinage de l'arc nerveux transversal. Les muscles dorsoventraux paraissent correspondre a des fibrilles isolees; chaque contient un noyau allonge dans un amas protoplasmatique. « Nicht besonderen Wert hatte ich, als ich dies las, anfangs auf das angebliche Übersehen feiner Quermuskeln gelegt, welche die subepi- dermalen Fasern begleiten sollten. Allerdings war es mir niemals klar, woran Rietsch die Existenz dieser Fasern auf der dorsalen Seite, wo sie nach seiner Beschreibung (S. 124) «tres rares» sein sollten, über- haupt wollte erkannt haben, da ja unmittelbar darunter die auch von mir beschriebene dorsale Quermuskulatm' liegt, von der sich andre ihr 364 J- W. Spengel, nicht angehörige schwerlich dürften sondern lassen, es müßte denn sein, daß die in Rede stehenden Fasern außerhalb der Längsfasern sich fänden, wofür die Worte «sur tonte la peripherie, dans le voisinage de l'epithelium» in der Tat sprechen könnten. Aber Kietsch hat zum Glück von den Fasern der ventralen Seite in der zitierten Figur eine ganz deutliche Abbildung gegeben, und diese läßt keinen Zweifel darüber, daß sie nicht zwischen Epidermis und Längsfaserschicht zu suchen sind, sondern nach innen von der letzteren. Die Fig. 123 ist eine Abbildung des lateralen Teiles eines Querschnittes durch den Kopflappen von Echiurus. Hier sieht man nun deutliche Muskelfasern in der bezeichneten Lage, namentlich reichlich unterhalb der seitlichen Cölomerweiterung, während die Buchstaben t" l" auf eine einzelne Faser hinweisen, die sich von dort noch bis an den linken Rand der Figur er- streckt. Es ist nun leicht sich davon zu überzeugen, daß die zahl- reichen Fasern tatsächlich vorhanden sind. Ebenso sicher existieren solche Fasern an einer andern Stelle der Bauchseite des Kopflappens, nämlich in dem für Echiurus echiurus charakteristischen verdickten Längswulst. An andern Stellen aber fehlen sie ganz gewiß, nicht nur auf der ganzen dorsalen Seite, sondern auch am Seitenrande, und auf der ventralen Seite sind sie ausschließlich an den bezeichneten Orten vorhanden, also seitlich, unterhalb der die Seitengefäße enthaltenden erweiterten Cölomabschnitte und in der Mitte, hier jedoch nur im Bereiche des Längswulstes, also wo ebenfalls das Cölom erweitert ist, während sie überall sonst fehlen. Sie haben danach unzweifelhaft eine besondere Aufgabe zu erfüllen, wodurch es weiter von vornherein wahrscheinlich gemacht wird, daß sie nicht eine eigne Muskelschicht darstellen, sondern besonders ausgebildete Teile andrer. Das wird nun auch durch eine genauere Untersuchung ihres Verlaufes auf ge- eigneten Schnitten bestätigt, nämlich auf feinen Querschnitten, die mit Eisenhämatoxylin kräftig gefärbt sind, so daß die Fasern gut hervortreten. An solchen sieht man mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit, daß alle Fasern durch die das Cölom durchsetzenden Trabekel hindurch auf dessen ventrale Seite gelangen und sich erst hier mehr oder weniger dem Epithel parallel legen, so daß sie den Eindruck von Horizontal- oder Querfasern machen. Und ihre weitere Verfolgung oberhalb der Trabekel lehrt, daß es sich um Fasern ver- schiedener Herkunft handelt, nämlich teils um dorso ventrale, teils um Fasern der oberhalb des Cöloms liegenden Querfaserschicht, In den Längswulst hinein treten sie von rechts und von links und ziehen, einander in gewisser Weise etwas unregelmäßig durchflechtend, bis Beiträge zur Kenntnis der Gei)hyreen. III. 365 gegen die höchste Kante desselben. Auf meinen früheren Abbildungen von Querschnitten dieser Teile (Taf. XXVI, Fig. 45 u. 48) habe ich eine Anzahl dieser Fasern in ihrer Verlaufsrichtuni»- richtit» dargestellt, ohne aber auf ihre Herkunft einzugehen, die ich auch heute nicht durch Abbildungen belegen will. Was mich veranlaßt hat, auf diesen geringfügigen Punkt, in dem RiETSCH eine Berichtigung meiner Schilderung glaubt anbringen zu sollen, mit einer ihm kaum zukommenden Ausführlichkeit einzugehen, war keineswegs der Ehrgeiz, auch nicht den leisesten Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vollständigkeit meiner früheren Angaben auf- kommen zu lassen, sondern der Umstand, daß, wie ich bereits an- gedeutet habe, diese Muskelfasern augenscheinlich eine Aufgabe zu erfüllen haben. Die des Wulstes müssen in ihrer Weise dazu beitragen, dessen Gestalt zu verändern. Näher sind wir ja über dessen Funktionen bis jetzt nicht aufgeklärt. Vielleicht hat das hohe Epithel, daß die abschüssigen Seitenwände desselben bekleidet, eine besondere Auf- gabe. Die Erweiterung des Cöloms, der der Wulst zum großen Teile seine Entstehung verdankt, läßt ihn erheblich schwellbar erscheinen, und dem werden die Schrägmuskelfasern entgegenarbeiten, während anderseits durch den starken Längsfaserkiel eine Verkürzung des ganzen Apparats wird herbeigeführt werden müssen. Die Fasern aber, die in den Seitenteilen des Kopflappens auf die ventrale Seite des Cöloms treten und sich hier am Rande anheften, müssen eine Be- wegung dieses letzteren bewirken, zusammen mit den ausstrahlenden Fasern der dorsalen und ventralen Quermuskelschicht, deren Verlauf in der Seitengegend Rietsch durchaus zutreffend beschrieben hat. Diese Bewegungen der Seitenränder des Kopflappens sind im Leben bei Echiurus außerordentlich lebhaft und treten sicher bei den meisten armaten Gephyreen ebenso auf. Sie dürften bei der Aufnahme der Nah- rung durch den Kopflappen von Bedeutung sein und bei den Formen, denen dieser auch bei der Fortbewegung dient, dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Aber ich vermute, daß dies allein das Verhalten der Muskulatur nicht vollständig erklärt und die Aufgabe der Bewegung ist, sondern daß ein wichtiger Zusammenhang besteht mit der Existenz zahlreicher Nervenendapparate am Seitenrande des Kopflappens. Näher auf diese einzugehen, liegt außerhalb des Zieles des gegenwärtigen Auf- satzes. Ich will nur erwähnen, daß auch bei andern Würmern, z. B. Anneliden, solche Organe mit kräftigen Muskelapparaten versehen sind, durch die sie von der Oberfläche zurückgezogen werden können (s. be- sonders Eisig's Untersuchungen an Capitelliden). In entsprechendem 366 J- W. Spengel, Zustande werden auch bei Echiurus häufig die Sinnesorgane des Kopf- lappenrandes angetroffen und zwar so tief, daß dieser starke Längs- falten aufweist, an deren Grunde man die Organe sieht. Die übrigen Einwände von Rietsch beziehen sich auf die Herleitung der Muskelschichten des Kopflappens von denen des Rumpfes, über die ich kurze Angaben gemacht habe, meistens ohne sie näher zu be- gründen, wozu damals eine besondere Veranlassung nicht vorlag. Jetzt nötigen mich die von Eietsch geäußerten Zweifel dazu. Dieser geht auch in bezug auf die Kopflappenmuskulatur wieder von Bonellia und Thalassema neptuni aus und hat offenbar das Bestreben, die Ver- hältnisse bei Echiurus auf der für jene gewonnenen Grundlage zu be- urteilen, während nach meinen obigen Erörterungen (S. 343 — 344) der umgekehrte Wee; der richtigere s;ewesen sein würde. So kommt es denn, daß wir nur über einen Punkt einig sind, nämlich darüber, daß sich die Längsmuskelschicht des Rumpfes in den Kopflappen fortsetzt, wohingegen Rietsch für Bonellia und Th. neptuni versichert, die äußere Ring- und die innere Schrägfaserschicht des Rumpfes dringe nicht in den Kopflappen ein. Trotzdem hält er es für möglich, daß die beiden Quermuskellagen des Kopflappens von Echiurus «provien- nent toutes les deux de l'assise externe des teguments, quoique celle- ci paraisse, chez la Bonellie et le Thalasseme, s'arreter net ä la base de la trompe». Was nun zunächst die dorsale Querfaserlage anbetrifft, so kann ich nach meiner neuerlichen Untersuchung von Sagittalschnitten sowohl für Echiurus als auch für Thalassema neptuni und Th. mellita mit voller Sicherheit behaupten, daß sie ohne Unterbrechung an der Basis des Kopflappens in die äußere Ringmuskelschicht des Kopflappens übergeht und daher ohne jeden Zweifel nichts als dessen Fortsetzung ist (für Echiurus s. Fig. 1). Sehr viel schwieriger ist es zu entscheiden, ob die ventrale Quer- muskellage, wie ich angegeben habe, eine Fortsetzung der inneren Muskelschicht des Rumpfes ist. Nur so viel ist mit voller Gewißheit ohne Mühe festzustellen, daß von einer Zugehörigkeit zur äußeren Mus- kelschicht unter keinen Umständen die Rede sein kann. Warum Rietsch geneigt gewesen ist, diese für wahrscheinlicher zu halten, kann ich nicht verstehen. Zwischen den beiden Quermuskellagen liegt auch an der Basis immer die Längsmuskulatur in ihrer ganzen Dicke. Dagegen könnte eine andre Herleitung der ventralen Lage in Frage kommen, an die Rietsch gar nicht gedacht zu haben scheint, obwohl sie, wie wir sehen werden, für Thalassema neptuni den Tatsachen entspricht. Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen, III. 367 Aber anders liegen die Dinge bei Echiurus. Hier fehlt im vor- dersten Teil des Pharynx Ringmuskulatur fast ganz. Dagegen ist die Mundhöhle mit einem starken Sphincter ausgestattet. Und an diesen legt sich auf Sagittalschnitten die ventrale Quermuskellage des Kopflappens so eng an, daß man in dieser eine Fortsetzung jenes erblicken kann. Aber bei keinem der beiden Objekte führt die Untersuchung von Sagittalschnitten, so klare Bilder sie in mancher Hinsicht auch geben, für sich allein zu einer befriedigenden Auf- klärung, sondern ist eine sorgfältige Vergieichung von Schnittserien in transversaler, sagittaler und horizontaler Richtung unerläßlich. Wir werden mit einer eingehenden Betrachtung der Querschnitte von Echiurus beginnen. Die in Fig. 3 wiedergegebene Photographie eines in geringer Ent- fernung vor den Bauchborsten gelegten Querschnittes durch den Rumpf zeigt den Pharynx, der durch zahlreiche kurze Frenula an der Cölom- wand befestigt ist, etwa in der Gestalt eines quergestellten Rechtecks. Seine ungemein dünne Ringmuskulatur ist nicht zu erkennen. Außen darauf befindet sich eine dünne Lage von Längsmuskelfasern, von der durch die Frenula Bündel gegen die Peripherie abgehen. Das enge Cölom ist umgeben von der dicken Rumpfmuskulatur, die aus einer sehr mächtigen Längsf aserlage, einer etwa ein Drittel so starken äußeren Ringfaserlage und einer inneren Lage besteht, deren Fasern in sehr verschiedenen Richtungen verlaufen: dies sind die hier in etwas un- regelmäßiger Weise verfilzten inneren Schrägmuskeln. Die nächste Fig. 4, ein etwa durch die Grenze von Rumpf und Kopflappen geführter Schnitt, hat uns an den Übergang des Pharynx in die Mundhöhle geführt. Auf der ventralen Seite des noch sehr breiten Darmes entspringen bereits die für die letztere charakteristischen Epithelfalten; auch sind schon Fasern des Sphincters getroffen, wenn auch noch spärliche. Das Cölom ist nur auf der ventralen Seite von reichlicheren Frenula durchsetzt. In ihm liegen, wie erwähnt sei, ebenso wie im vorigen Schnitte, Anschnitte zahlreicher stark geschrumpf- ter Eizellen, die also bis hierhin noch ins Cölom hineinreichen, aber nicht wesentlich darüber hinaus nach vorn. Bedeutend schwächer geworden ist die Rumpf muskulatur : nur auf der ventralen Seite sieht man die innere Schrägmuskulatur noch deutlich, ununterbrochen unter dem Bauchmark hindurchziehend; seitlich aber und dorsal ist sie nur durch einen ganz dünnen Saum vertreten. Nun folgen vier Querschnitte (Fig. 5 — 8), die sämtlich die Mund- höhle getroffen haben, einen kleinen, nahezu kreisrunden Kanal, dessen 368 J. W. Spengel, sternförmiges Lumen durch die vorspringenden Epithelfalten bedingt ist. Die Wand ist von einem starken Sphincter umschlossen, dessen Fasern unregelmäi3ig durcheinander gewirrt sind. In den beiden vordersten Schnitten, Fig. 5 und 6, beginnt er auf der ventralen Seite bereits zu schwinden. Sehr wichtige Veränderungen aber sind in bezug auf das Cölom und die dasselbe umschließende Muskulatur ein- getreten. Nach ihrem Aussehen auf dem hintersten der Schnitte, Fig. 5, möchte man sie noch ohne weiteres für Rumpf muskulatur erklären: wir sehen sehr deutlich drei Schichten, äußere Ring- und Längsmuskulatur wieder fast ebenso stark wie auf dem Schnitt durch den Pharynx, und nach innen von dieser eine Lage von Fasern, die, etwas einander durchflechtend, ganz den Eindruck machen, als müßten sie die innere Schrägmuskulatur sein. Aber einerseits hat diese Schicht auf Schnitten zwischen den in Fig. 4 und 5 abgebildeten sicher ganz gefehlt; anderseits ziehen die Muskeln auf der ventralen Seite nicht wie die Schrägmuskulatur des Rumpfes unter dem Bauchmark hindurch, sondern gehen dorsal davon darüber hinweg. Das wird noch viel deutlicher auf den weiter vorn geführten Schnitten, die uns außerdem diese Fasern zu einem mächtigen Filz entwickelt zeigen, in dem die meisten einen annähernd ringförmigen Verlauf nehmen, so daß man ihnen wohl eine sphincterartige Wirkung wird zuschreiben müssen, die vielleicht die des Mundhöhlensphincters unterstützt. Aber beide sind durch eine deutliche Lage von Bindegewebe voneinander getrennt, und ob ihre Fasern wirklich einmal ineinander übergehen, ist kaum zu entscheiden. Der besondere Verlauf der Fasern des beschrie- benen Filzes hängt von den hier vorhandenen Resten des Cöloms ab. In Fig. 6 ist dieses noch ganz leicht erkennbar: gegenüber dem vorauf- gegangenen Schnitt durch den Übergang von Pharynx und Mund- höhle, Fig. 4, konstatieren wir hier, daß wieder zahlreiche, zum Teil sehr dicke, meist aber auch nicht so regelmäßig radiär wie im Rumpfe angeordnete Frenula aufgetreten sind, durch die das Cölom auf enge und unregelmäßig gestaltete Lücken reduziert ist, zwischen denen die Muskelfasern der Frenula hindurchziehen. Je weiter wir in den Schnitten nach vorn gehen, um so mehr verbreitern sich und ver- schmelzen diese Frenula, bis eben der Muskelfilz ihre Stelle einnimmt. Die Cölomreste und im besonderen der über dem Bauchmark gelegenen sind schon oben (S. 349) eingehend besprochen worden. Weitere Veränderungen konstatieren wir in dem vordersten der vier die Mundhöhle treffenden Schnitte (Fig. 8), der bereits, auf der linken Seite unterhalb der Mundhöhle, den Mundtrichter angeschnitten Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 369 zeigt. Hier ist der Muskelfilz bis auf Reste, die nur auf der dorsalen Seite erheblich sind und jeden Zweifel über die Deutung ausschließen, reduziert. Diese umgeben als ein vollständig geschlossener Ring, der auf seiner Unterseite dorsal vom Bauchmarke hinzieht, das Cölom, das jetzt wieder in erheblicher Weise sichtbar geworden ist, besonders zu beiden Seiten der Mundhöhle. Das Bauchmark und das Bauch- gefäß nebst der es beherbergenden Cölomlücke sind bedeutend breiter geworden: wir befinden uns dicht hinter der Stelle, wo die Gabelung beider erfolgt. Die Längsmuskulatur hat sehr an Mächtigkeit zu- genommen, und zugleich hat sie begonnen sich in Bündel zu scheiden, zwischen denen Bindegewebe auftritt. Es fängt hier der typische Zustand der Längsmuskulatur des Kopflappens an. In dem nächstfolgenden Schnitt (Fig. 9) ist die Gabelung von Bauchmark und Bauchgefäß zustande gekommen. Gleichzeitig voll- zieht sich der Übergang der Mundhöhle in den sehr viel breiteren Mundtrichter, in den zunächst noch die Epithelfalten der ersteren hineinragen. Das Cölom erstreckt sich deutlich um den ganzen Mund- trichter herum, auf der dorsalen und ventralen Seite eng, auf der letzteren die beiden Gefäßschenkel einschließend, während es zu den Seiten noch recht weit ist, von verschiedenen Gewebsbalken überall durchsetzt. Mit dem Schnitt Fig. 10 sind wir schon in der offenen Höhle des Mundtrichters angelangt. Sonst sind große Veränderungen nicht ein- getreten. Es sei nur erwähnt, daß die die Gefäßschenkel einschließen- den Cölomlücken hier wie an vielen anderen Stellen seitlich durch Scheidewände von kurzer Ausdehnung von den benachbarten abge- grenzt sind. Ferner bemerken wir eine starke Erhebung der ventralen Teile der Mundtrichterwand und eine ähnliche Verdickung auf der dorsalen Seite. Letztere ist der Anfang des Längswulstes, der bis mehr oder weniger weit über die UnterHppe an der ventralen Seite des Kopflappens hinaufzieht. Hier ist er noch deutlich aus zwei seit- lichen Hälften gebildet, und auch das Cölom ist in der Medianlinie unterbrochen. Später erfolgt eine Auflösung der trennenden Scheide- wand, und der Wulst wird zu einem etwas zugeschärften Kiel, wie ich ihn früher beschrieben hatte. Den ventralen Wulst aber habe ich früher nicht erwähnt. In ihn hinein erstrecken sich, wie der nächste abgebildete Schnitt, Fig. 11, zeigt, ebenfalls Fortsetzungen des Cöloms, die bis in die Nähe seines Epithels vordringen. In der Mitte sind sie durch eine mächtige Scheidewand voneinander getrennt, die von dem die Hauptmasse des Wulstes darstellenden Bindegewebe gebildet wird. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CI. Bd. 24 370 J. W. Spengel, Die beiden Cölome der rechten und linken Seite sind also hier ganz voneinander getrennt. Dahingegen zieht die nach außen von ihnen gelegene Muskelschicht noch vollkommen ringförmig um den Mund- trichter herum. Auf der ventralen Seite verflechten ihre Fasern sich, indem die von beiden Seiten her kommenden sich ungefähr in der Medianlinie überschneiden. Das sowie das Auseinanderrücken der Nerven- und Gefäßschenkel zeigt sich in gesteigertem Maße noch in dem letzten der abgebildeten Schnitte (Fig. 12), der dicht hinter dem Rande der Unterlippe durch den Kopflappen geführt ist. Der ventrale Lippenwulst ist breiter und be- deutend flacher geworden. Was diesen Schnitt von einem durch die vorderen Teile des Kopflappens noch unterscheidet, ist wesentlich nur das Vorhandensein der Unterlippe, die den Trichter eben ventral ganz abschließt. Diese wird dadurch unterbrochen, daß die schon auf mehreren der voraufgegangenen Schnitte (von Fig. 9 an) sichtbare ventrale Furche der Haut immer tiefer wird und schließlich den Lippen- wulst in zwei Teile zerschneidet. Damit ist der im Bereiche der Unter- lippe ringförmig geschlossene Kopflappen zu einem sichelförmigen, ventral geöffneten geworden. Die Verhältnisse des Cöloms sind in den letzten besprochenen Schnitten schon durchaus die bekannten des übrigen Kopflappens. Was uns interessiert, ist, daß in dem geschlos- senen Teile auch die Muskelschichten des Kopflappens ringförmig sind, indem äußere Ring-, Längs- und innere Muskelschicht auf der ven- tralen Seite ohne Unterbrechung ineinander übergehen, ferner, daß wir wie im Rumpfe drei aufeinanderfolgende Muskelschichten finden. Nachdem mit voller Evidenz hat gezeigt werden können, daß die beiden äußeren dieser Schichten die ununterbrochene Fortsetzung der beiden äußeren Muskelschichten des Rumpfes sind, gewinnt natürlich meine ursprüngliche Annahme an Wahrscheinlichkeit, daß auch die nach innen davon sich anschließende Schicht der inneren Schrägfaserschicht entsprechen werde, zumal da sie wie diese auch im Kopflappen un- mittelbar außerhalb des Cöloms gelegen ist, das seinerseits wiederum einwandsfrei als eine Fortsetzung des Rumpfcöloms erkannt worden ist. Dennoch muß zugegeben werden, daß gewisse Unterschiede vor- handen sind. Wenig Wert würde ich in diesem Zusammenhange auf den Faserverlauf legen. Es ist zwar nicht nachgewiesen, daß die Fasern der inneren Muskellage des Kopflappens den eigentümlichen Schrägverlauf zeigen, wie er für die der inneren Muskelschicht des Rumpfes charakteristisch ist. Ich vermag das meinerseits nicht zu konstatieren, obwohl die Untersuchung auf Schnitten, auf die ich Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 371 mich beschränkt habe, vielleicht nicht ausreichend ist, um diese Frage sicher zu entscheiden. Anderseits will ich mich nicht darauf berufen, daß in der Literatur verschiedene Angaben vorliegen, es gäbe Echiurideen, bei denen die Fasern der inneren Muskellage des Rumpfes nicht schräge, sondern ringförmig seien. Ich habe eine ganze Reihe von Fällen nach- untersucht und die Angabe nie bestätigen können. Soweit ich bis jetzt weiß, ist nur bei JJrechis wirklich eine innere Ringmuskulatur vorhanden. Weicht nun auch diese Gattung in den bereits oben (S. 356) erörterten Punkten recht erheblich von allen andern bis jetzt bekannten Echiurideen ab, so zeigt sie doch in sehr vielen andern eine sehr weit- gehende Übereinstimmung entweder mit den übrigen Echiurideen überhaupt oder im besondern mit gewissen Formen, so mit Echiurus in der Existenz von Analborsten, die am Hinterende des Rumpfes in einer bogenförmigen, an der Ventralseite offenen Reihe angeordnet sind, mit zahlreichen Thalassenm- Arten in dem Besitz von i.wei bis drei Paaren von Nephridien, die mit gleichen »Spiraltuben« versehen sind, mit der Gesamtheit der Echiurideen in den Hauptzügen der Gliederung des Darmkanales, dessen einer Abschnitt mit einem Neben- darm ausgestattet ist, im Bau der Aiialschläuche und ihrer Trichter, der Ventralborsten und ihres Muskelapparates usf. Unter diesen Umständen kann ich nicht so weit gehen, aus den vorhandenen Ab- weichungen den Schluß zu ziehen, daß JJrechis überhaupt nicht zu den Echiurideen gehöre, sehe mich vielmehr zu der Annahme berechtigt, daß in jenen besondere Modifikationen der typischen Echiurideen- organisation zu erblicken sind. Das muß auch von der inneren Muskel- schicht gelten. Darin werde ich noch weiter bestärkt durch deren Ver- halten an gewissen Körperstellen. Durch Ph. Seitz (1907, S. 328, Taf. XXIX, XXX, Fig. 12, 19, 22), wissen wir, daß im Vorderkörper die Fasern beider Ringmuskellagen auf der ventralen Seite in Verbin- dung treten und sich kreuzen, d. h. sich ebenso verhalten wie bei andern Echiurideen, deren innere Muskelschicht aus Schrägfasern besteht. Das scheint mir ein deutlicher Hinweis auf eine bei Urechis eingetretene Umbildung des typischen Verhaltens zu sein. Wenn aber angenommen werden darf, daß bei einer einzelnen Gattung eine solche im Rumpfe möglich war, so ist nicht einzusehen, warum sie nicht allgemein sollte im Kopflappen eingetreten sein können, wo ja infolge der Gestalt dieses Körperteiles die mechanischen Verhältnisse ganz andre sind als im Rumpfe. Der in dieser Hinsicht bestehende Unterschied würde demnach nicht imstande sein, mich zu einem Zweifel an der Richtigkeit meiner früher vertretenen Ansicht zu nötigen. Allerdings kommt noch 2i* 372 J. W. Spengel, hinzu das abweichende Lagerungsverhältnis gegenüber dem Bauch- mark. Da aber im Kopflappen dieses bzw. seine Schenkel in das Bindegewebe und die Längsmuskulatur verlagert erscheinen, während das Bauchmark im Rumpfe innerhalb des Cöloms gelegen ist, so wird ja damit notwendig auch eine Durchbrechung der inneren Muskelschicht die Folge gewesen sein, die nach dieser an die dorsale Seite des Bauch- marks zu liegen kommen mußte. Endlich darf nicht zu großes Gewicht darauf gelegt werden, daß ich in meiner obigen Darstellung des Muskel- filzes, der sich nach vorn hin in die innere Ring- und schließlich Quer- muskulatur des Kopflappens fortsetzt, diesen habe durch ein Zu- sammenfließen der zahlreicher gewordenen und unregelmäßig sich an- ordnenden Frenula sich bilden lassen. Das geschah zunäscht im Interesse der Beschreibung der in der Schnittserie sich zeigenden Ver- änderungen und besonders der Cölomreste, aber daß an der Bildung des Muskelfilzes mehr oder weniger zahlreiche von Haus aus ring- förmig verlaufende Fasern beteiligt sein können, kann schwerlich als unwahrscheinlich bezeichnet werden. Überdies sind die Frenula nicht Bildungen mit einer eignen Muskulatur, sondern ihre Fasern sind immer aus benachbarten Muskelschichten abgezweigt und eigent- lich diesen zuzurechnen. Und damit würde auch der letzte Grund wegfallen, soweit die Ergebnisse der Untersuchung von Querschnitt- serien darüber einen Aufschluß geben können, in der ventralen Quermuskelschicht des Kopflappens nicht eine Fortsetzung der inneren Schrägmuskulatur des Rumpfes zu erblicken, wenn nicht die vorhin erwähnte kurze Strecke existierte, wo zwischen jenen beiden Muskel- schichten eine tatsächliche Unterbrechung sich findet. Wir wollen uns deshalb nunmehr, um genauer festzustellen, wie es sich mit dieser verhält, zur Betrachtung von Längsschnitten wenden. Besser als Sagittalschnitte, von denen die allein brauchbare Durch- schnitte der Muskelschichten bietenden annähernd medianen auch die diesen nahe liegenden Längsschnitte des Bauchmarkes sowie des ven- tralen und dorsalen Gefäßstammes enthalten, eignen sich Horizontal- schnitte. Zunächst betrachte man, um sich zu orientieren, erst noch einmal den in Fig. 1 abgebildeten medianen Sagittalschnitt, von dem schon oben (S. 346) die Rede war. Der Bauch ist nach rechts, der Rücken nach links gewandt. Geeignete Horizontalschnitte müssen annähernd in der Richtung Mundtrichter, Mundhöhle und Pharynx geführt werden, und davon sind wieder nur diejenigen, die durch diese Teile des Verdauungsrohres gegangen sind, für unsre Zwecke brauchbar, weil sie allein von den Ringmuskellagen reine Querschnitte Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 373 zeigen. Bei etwas stärkerer Vergrößerung sind in Fig. 13 die rechte und linke Hälfte eines solchen Horizontalschnittes photographiert. Sie geben nur das Übergangsgebiet von Rumpf und Kopflappen wieder, unten den Vorderteil des Pharynx, der hier voll Nahrung ist, darüber die leere Mundhöhle und über dieser den Anfang des Mundtrichters. Verfolgen wir nun die Muskelschichten des Rumpfes von unten nach oben gegen den Kopflappen, so sehen wir zunächst ganz deutlich, daß die äußere Ringmuskelschicht etwa in der halben Länge des Bildes sich bis auf wenige Fasern verdünnt. Das ist der Fall an der Stelle, wo auf dem eben besprochenen Sagittalschnitt die Grenzfurche gelegen war, die an diesem Objekte nicht sehr ausgebildet ist. Auf der gleichen Höhe erscheint auch die Längsmuskulatur zwar nicht so stark ver- dünnt wie die Ringmuskelschicht, aber doch deutlich verschmächtigt, ehe sie im Kopflappen beginnt sich fächerförnüg auszubreiten. Endlich sehen wir im Rumpfe die Querschnitte einer etwas weniger regelmäßigen und stellenweise in Bündel gesonderten Muskellage, an das Cölom angrenzend und von ihr ausgehend eine Anzahl von Frenula, die sich an den Pharynx begeben. Dies ist die innere Schrägmuskulatur. Diese Schicht kann man im Gegensatz zu den beiden andern nicht ohne Unterbrechung in den Kopflappen hinein verfolgen, sondern nur bis an einen Punkt etwa auf der Höhe der Autotomiestelle. Auf der linken' Hälfte des Präparats ist dicht darüber eine beträchtliche Er- weiterung des Cöloms sichtbar, während dieses auf der rechten von geringerer Ausdehnung, aber doch sehr deutlich ist. Etwa so weit, wie diese Cölomstrecken reichen, fehlt die Muskelschicht gänzlich. Eine kurze Strecke weiter nach oben aber, auf der linken Seite noch im Bereiche der Cölomerweiterung, treten abermals Muskelquerschnitte auf. Erst sind es wenige. Hier ziehen von ihnen einige muskulöse Frenula zum Darm, etwa auf der Grenze von Pharynx und Mundhöhle. Darauf zeigt sich eine starke Vermehrung der Faserquerschnitte, deren Masse an ihrer dicksten Stelle ganz nahe an den Sphincter der Mundhöhle herantritt. Alles ist wesentlich ebenso auf der rechten Seite, nur daß sich hier ein weiter Cölomfortsatz zwischen die in Rede stehende Fasermasse und den Sphincter hinaufschiebt. Diese Fasermassen sind der von den Querschnitten her bekannte Muskelfilz, was weiter da- durch bestätigt wird, daß er sich nach oben in die innere Ringfaser- schicht des hinteren Teiles des Kopflappens fortsetzt. Wir haben demnach konstatiert, daß im Einklang mit den Befunden an d er Quer- schnittserie die inneren Schrägfasern am Vorderende des Rumpfes Halt machen, aber nur auf einer ganz kurzen Strecke unterbrochen 374 J- W. Spengel, sind, um gleich vor dieser wieder aufzutreten, sich zum Muskelfilz auszubreiten und schließlich in die Ringfaserschicht des Kopflappens überzugehen. Aber wir sind doch um einen kleinen, indessen wichtigen Schritt weiter gekommen, indem es uns gelungen ist, den Punkt der Unter- brechung sicher zu lokalisieren. Dieser befindet sich dort, wo der Kopflappen autotomisch abgeworfen werden kann. Über den Mechanismus, der dies ermöglicht, wußte man bis jetzt nichts. Ich selber hatte früher (1880, S. 520) an die längst bekannte Tatsache erinnert und im Anschluß daran erwähnt, daß Echiurus die Fähigkeit besitze, den verloren gegangenen Kopflappen zu regenerieren. Nach meinen oben mitgeteilten Befunden ist die Abwerfungsstelle eine ring- förmige Zone, in der eine weitgehende Verdünnung der Muskelschichten besteht. Daran nehmen alle drei Schichten des Hautmuskelschlauches teil. Was die äußere Ringfaserschicht anbetrifft, so sei erwähnt, daß mir eine Sagittalschnittserie vorliegt, wo diese in der Abwerfungszone so dünn ist, daß es starker Vergrößerungen bedarf, um sich zu über- zeugen, daß nicht eine Unterbrechung, sondern nur eine Reduktion auf eine Lage von wenigen Fasern eingetreten ist. Ebenso ist auf diesen Präparaten die Verschmächtigung der Längsmuskelschicht noch viel erheblicher als auf den abgebildeten. Die innere Muskel- schicht endlich ist unterbrochen, wobei es natürlich ganz gleichgültig ist, ob der Muskelfilz als eine Fortsetzung derselben Schicht oder als eine dem Kopflappen eigne Muskulatur beurteilt wird. Und hier ist ferner, worauf ich bei Beschreibung der Fig. 4, eines Querschnittes, der fast in ganzer Ausdehnung durch die Autotomiezone geführt worden ist, schon hingewiesen habe, das System der Frenula stark reduziert, daher ein verhältnismäßig freier Cölomraum vorhanden, der eine kräftige Kontraktion der benachbarten Ringmuskulatur zu voller Wirkung kommen lassen wird, die vermutlich noch unterstützt wird durch den Zug der Fasern des Muskelfilzes. Die Folge davon ist eine Zerreißung der Längsmuskelfasern, der dann die Trennung der Bündel der geschwächten Ringfaserschicht folgen wird. Die weitere Zer- reißung des Darmes wird um so leichter eintreten müssen, als diese im Bereiche des Pharynx erfolgt, und zwar ganz dicht hinter der Mund- höhle, wo die Längsmuskelschicht ungemein schwach ist. Auffallend ist natürlich dabei, daß selbst das doch relativ dicke und feste Bauch- mark der Durchtrennung anscheinend kein erhebliches Hindernis ent- gegensetzt. Jedenfalls ist es, wie bereits erwähnt, Tatsache, daß bei der Autotomie ein über 1 mm langer Teil desselben regelmäßig mit Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. 111. 375 der Unterlippe abgeworfen wird. Daß das wichtigste Moment in dieser Autotomie die Zerreißung der Längsmuskulatur ist, die allein geeignet sein könnte, einen festen Zusammenhang von Rumpf und Kopflappen darzustellen, liegt auf der Hand. In dieser Beziehung ist das in Sa- gittalschnitte zerlegte Objekt besonders lehrreich, insofern diese zeigen, daß, obwohl der Zusammenhang des Kopflappens mit dem Rumpfe noch nicht gestört ist, doch auf vielen der Schnitte an der Autotomie- stelle bereits eine Zerreißung von Längsmuskelfasern stattgefunden hat. Die Epidermis und die Ringmuskulatur gehen noch ganz un- unterbrochen über diese Stelle hinweg. Der Nachweis aber, daß die Unterbrechung der inneren Muskel- schicht in die Autotomiezone fällt, ist wieder für unsre Frage, ob diese als ein Argument gegen die angenommene Einheitlichkeit der Schicht verwendet werden darf, von Bedeutung. Nach dem Dargelegten werden wir die Unterbrechung als eine Anpassung an die Autotomie beurteilen dürfen, womit sie einen sehr verminderten Wert in morphologischer Hinsicht erhält. Daß gerade die Schrägmuskelschicht im Interesse der Autotomie eine Unterbrechung erleiden mußte, während in der äußeren Ringmuskulatur eine erhebliche Verdünnung dem Zwecke genügen konnte, scheint mir einleuchtend zu sein. Zwar wissen wir über die Bedeutung, die dem schrägen Verlauf der Muskelfasern in der inneren Schicht des Rumpfes zukommt, bis jetzt kaum irgend etwas. Aber das dürfte klar sein, daß durch ihren Verlauf schräg über die Längs- und Ringfasern hinweg dem Hautmuskelschlauch eine größere Zugfestigkeit verliehen werden muß. In der Autotomiezone aber mußte eben diese vermieden werden. Mir scheint, daß das kaum anders als durch eine Unterbrechung der inneren Muskelschicht hätte erreicht werden können. Am Ende dieser Betrachtungen angelangt, werde ich mithin meine früher ausgesprochene Ansicht auch auf Grund der eingehenden neuen Untersuchungen aufrecht halten dürfen, daß die drei Hauptmuskel- lagen des Kopflappens sämtlich eine Fortsetzung der drei Muskel- schichten des Rumpfes sind. Man wird ferner sagen dürfen, daß Echi- urus, der ja auch in nicht wenigen andern Merkmalen, so vor allem in der Existenz zweier Reihen von Analborsten, vielleicht auch in dem Besitz eines Dissepiments, das in der Pharynxgegend sein Cölom durch- setzt, eine der primitivsten armaten Gephyreen ist, die man bis jetzt kennt, in bezug auf seine Kopflappenmuskulatur ursprüngliche Ver- hältnisse aufweist. Zum Schluß sei nur der Vollständigkeit der Beweisführung wegen 376 J. W. Spengel, in Kürze noch auf einen Zweifel eingegangen, den Rietsch in bezug auf die Abzweigung der dicht unter dem Epithel der Rückenfläche des Kopflappens sich befindenden dünnen Lage von Längsmuskelfasern aus der Längsmuskulatur des Rumpfes geäußert hat. Ich habe mich schon 1880 nicht damit begnügt, die Tatsache hinzustellen, sondern geschrieben (S. 469) : »Während dort [im Rumpf] die Ringfasern die äusserste Schicht bilden, spalten sich an der Basis des Kopflappens einige Fasern von der Längsfaserschicht ab und treten zwischen Haut und Ringmuskulatur, dort eine ganz dünne Lage bildend (Fig. 43 Im'). « Das ist auf Längsschnitten ohne jede Schwierigkeit zu bestätigen. Die Fasern biegen etwa auf der Höhe der Autotomiezone peripheriewärts ab, durchsetzen die Ringmuskulatur und gelangen auf diese Weise an ihren Platz, um sich in einer dünnen Schicht bis in die Nähe des Vorderendes des Kopflappens zu erstrecken. Treten wir nun im Lichte dieser Ergebnisse, die wir bei Echiurus erhalten haben, an die Untersuchung der Muskulatur des Kopflappens von Thalassema neptuni und BonelUa viridis heran, so finden wir, daß diese vielfach recht abweichende Verhältnisse darbieten. Am meisten Übereinstimmung mit Echiurus weist Th. neptuni auf, dessen Be- schreibung deshalb vorangestellt werden soll. Um zunächst Rietsch zu Worte kommen zu lassen, zitiere ich seine Angaben wörtlich unter Fortlassung der für unsre besondere Frage, die eben der Zusammenhang der Muskulatur des Kopflappens mit der des Rumpfes ist, unwesent- lichen. «Les fibres musculaires longitudinales . . . sont plus serres vers Taxe de la trompe. Les fibres transversales horizontales . . . sont tout a fait localisees dans deux bandes peripheriques, dorsale et ventrale, separant la zone mediane des fibres longitudinales de l'assise epithelio-ganglionnaire externe. Les fibres dorso- ventrales sont fort minces . . .; en haut et en bas elles traversent les bandes des fibres transversales.» Es geht daraus hervor, daß in allen Hauptpunkten Übereinstimmung in der Anordnung mit Echiurus besteht. Als einen Unterschied möchte ich nur hervorheben, daß die Längsmuskulatur keine Sonderung in Bündel aufweist, sondern eine sehr dichte Masse bildet (Fig. 19), wodurch eine auffallende Verschiedenheit der Quer- schnittsbilder beider Kopflappen zustande kommt, die weiter dadurch erhöht wird, daß, wie oben (S. 360) gezeigt, bei Th. neptuni das Cölom im Kopflappen nur gegen die Seitenränder vorhanden ist, dazwischen aber fehlt. Über den Zusammenhang der Schichten der Kopflappen- muskulatur mit denen des Rumpfes hat Rietsch für diese Form keine näheren Angaben gemacht. Nach seinen oben zitierten Bemerkungen Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 377 ist anzunehmen, daß er einen solchen auch hier nur für die Längs- muskulatur anerkannt hat. Indessen schließt jeder beliebige Längsschnitt durch die noch in ihrem natürlichen Zusammenhang stehenden Körperteile jeden Zweifel aus, daß nicht nur diese, sondern sicher auch die äußere Ringmusku- latur ohne Unterbrechung in den Kopflappen übergeht und dessen dorsale Quermuskulatur darstellt, also genau wie bei Echiurus. Und soweit Sagittalschnitte lehren, besteht auch in bezug auf die ven- trale Quermuskulatur wenigstens sehr große Ähnlichkeit mit Echiurus, insofern sie zeigen, daß dieselbe sich ohne Unterbrechung fortsetzt in eine starke Muskulatur, die die Mundhöhle umgibt. Jedoch scheint darin ein Unterschied zu bestehen, daß jene Muskeln in den Sphincter übergehen und nicht in die auch hier vorhandene Muskel- masse, die nach außen davon gelegen ist. Wir müssen deshalb die Sache auf einer Serie von Querschnitten verfolgen. Ein solcher, der durch den Rumpf in nur geringer Entfernung vor den Bauchborsten geführt ist (Fig. 14) und die erst kurz vorher getrennten Nervenschenkel sowie den quer-rechteckigen Pharynx er- kennen läßt, zeigt schon eine eigenartige Modifikation der inneren Schrägmuskulatur. Daß sie in den vorderen Teilen des Rumpfes eine recht deutliche Sonderung in Bündel aufweist, ist eine weit verbreitete Erscheinung, die mehrfach erwähnt ist, u. a. von Rietsch für Bonellia minor (S. 36). Dagegen möchte ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß auf der ventralen Seite in dem abgebildeten Schnitte zahlreiche der Fasern dieser Bündel in die Längsmuskulatur hinein auszustrahlen begonnen haben. Der nächste abgebildete Schnitt (Fig. 15) führt uns fast an das Vorderende des Rumpf cöloms, das nur noch von sehr be- schränkter Ausdehnung ist: ventral von der jetzt schon getroffenen Mundhöhle mit ihrem durch das stark gefaltete Epithel fast ganz ver- drängten Lumen ist es durch viele Frenula durchsetzt und seitlich sogar durch ein dichtes Fasernetz ausgefüllt, nur dorsal noch weiter und enthält hier spärliche Gewebsfetzen, zu denen sich der der Wand an- liegende Querschnitt des Rückengefäßes gesellt. Hier verlaufen die in Rede stehenden Muskelfasern fast sämtlich annähernd dorso ventral, über dem Cölom teilweise konvergierend und einander von beiden Seiten überkreuzend. In Fig. 16 ziehen sie bereits ventral vom Rückengefäß hinweg, so daß dieses der Längsmuskulatur unmittelbar angelagert ist. Auf dem nächsten abgebildeten Schnitte (Fig. 17), wo das Lumen der Mundhöhle weiter, die beiden Schlundringschenkel bedeutend mächtiger sind, ist das Cölom verschwunden bis auf zwei kleine Räume, 378 J. W. Spengel, die sich oberhalb der letzteren finden und die Querschnitte der Blut- gefäßschenkel enthalten. Zwischen dem Querschnitt des Rücken- gefäßes und der Mundhöhle ist die uns beschäftigende Muskulatur sehr stark ausgebildet. Viele von ihren Fasern ziehen etwas quer, was in noch stärkerem Maße auf dem letzten abgebildeten Querschnitt, der die Mundhöhle getroffen hat (Fig. 18), der Fall ist, wo die übrigen, andre Richtungen einschlagenden Fasern verschwunden sind. Etwa zehn Schnitte von 10// Dicke weiter bricht die Mundöffnung durch, und abermals zehn Schnitte weiter hören auch die geschilderten Muskel- fasern auf, nachdem sie sich nur insofern allmählich verändert haben, als ihre überwiegend quere Richtung einer unregelmäßigeren Durch- filzung Platz macht. Daß diese Fasern sich in den Kopflappen weiter fortsetzten, ist ganz ausgeschlossen. Keiner der weiter vorn ent- nommenen Querschnitte zeigt auch nur die geringste Spur mehr davon, wohl aber eine schon typische ventrale Quermuskulatur (Fig. 19). Diese aber sehen wir bereits in unverkennbarer Deutlichkeit und durchaus unabhängig von den besprochenen Muskeln auf Fig. 18, und zwar als den Sphincter der Mundhöhle, so bestätigend, was uns die Sagittalschnitte gelehrt hatten, daß bei Thalassema neptuni die ventrale Kopflappenmuskulatur eine Fortsetzung des letzteren ist. Diese ist also hier nicht wie bei EcJiiurus eine Fortsetzung des Muskel- filzes. Auf den Querschnitten ließ sich bei der geringen Vergrößerung der photographischen Reproduktion der Zusammenhang mit dem ver- hältnismäßig schwachen Sphincter nicht so gut nachweisen, wie es an den Präparaten selbst möglich war. Weiter aber entsteht jetzt die Frage, ob die Muskelfasern, deren Anordnung ich oben ausführlich beschrieben habe und deren Hervorgehen aus der inneren Schräg- muskulatur des Rumpfes sicher hatte nachgewiesen werden können, dem für Echiurus beschriebenen Muskelfilz entsprechen. Da die Lage- beziehungen zum Mundhöhlensphincter in beiden Fällen ganz die gleichen sind, auch nach der Anordnung der Fasern bei Th. neptuni dem Apparat wohl in gewisser Weise eine sphincterartige Wirkung zugeschrieben werden dürfte, da ich ferner für Echiurus das Hervor- gehen des Muskelfilzes aus der inneren Schrägmuskulatur des Rumpfes wenigstens sehr wahrscheinlich habe machen können, so kann ich die Gleichsetzung beider Muskelfilze nur für unzweifelhaft berechtigt halten. Auf alle Fälle aber bleibt der große Unterschied zwischen Th. neptuni und Echiurus bestehen, daß bei letzterem die ventrale Quermuskulatur des Kopflappens eine Fortsetzung des Muskelfilzes, also der Schräg- muskulatur des Rumpfes darstellt, bei Th. neptuni dagegen eine solche Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 379 des Mundhöhlensphincters. Ob dieser Unterschied damit in Zusammenhang steht, daß bei Th. neptuni der Kopf läppen nicht die Fähigkeit der Autotomie besitzt, kann ich um so weniger sagen, als dieser Mangel nicht einmal als ganz feststehend angesehen werden kann. In dieser Beziehung kann ich nur darauf hinweisen, daß, soviel ich weiß, nie in der Literatur die Angabe gemacht ist, dieses Tier habe die Fähigkeit seinen Kopf läppen abzuwerfen, ferner darauf, daß alle die zahlreichen Exemplare desselben, die mir vorgelegen haben, ihren Kopflappen besaßen, ferner darauf, daß ich auch in dem Ver- halten der Muskelschichten an der Grenze von Kopflappen und Rumpf nie ein Anzeichen getroffen habe, das auf die Abwerfbarkeit hinwiese. Weit mehr Wahrscheinlichkeit hat es, daß ein Zusammenhang mit dem verschiedenen Verhalten des Cöloms besteht, das bei Th. neftuni auf die Seitenränder des Kopflappens beschränkt ist, bei Echiurus dagegen die ganze Breite der Bauchseite desselben einnimmt. Infolgedessen liegt bei letzterem die Quermuskulatur dorsal vom Cölom, durch dieses von der Haut getrennt, bei ersterem aber unmittel- bar an dieser. Damit mag es weiter in Beziehung stehen, daß die dünne Längsmuskelschicht, die wir bei Echiurus zwischen Haut und Cölom finden und die ich auch jetzt wieder mit Sicherheit als eine Abzweigung der Längsmuskuiatur des Rumpfes habe feststellen können, bei Th. neptuni vollständig fehlt. Aber sehr auffallend bleibt natürlich die anatomische Übereinstimmung der beiden Quermuskelschichten, die so verschiedener Herkunft sind, immerhin. Sehen wir nun, wie diese Dinge bei Bonellia stehen. Ich habe mich, wie schon gesagt, darauf beschränken müssen, B. viridis zu untersuchen, da mir von B. minor zurzeit kein Material vorliegt. In den Hauptsachen stimmen aber meine Beobachtungen so sehr mit denen von Rietsch an der kleineren Ai't überein, daß ich eine erheb- liche Verschiedenheit beider in dieser Hinsicht wohl als ausgeschlossen ansehen darf. Die Anordnung der Muskulatur des Kopflappens ist bei Bonellia sehr verschieden von Echiurus und Th. neptuni. Sie ist eingehend von Rietsch beschrieben, dem ich in gekürzter Form folgende Angaben darüber entnehme. «Les fibres musculaires longitudinales, qui sont la continuation de l'assise musculaire mediane des teguments . . . sont ici ecartees entre elles ... On remarque en outre d'autres fibres musculaires beaucoup plus minces. Les unes ont une direction dorso- ventrale . . . ; les autres, perpendiculaires aux premieres seraient 380 J. W. Spengel, horizontales, si la trompe n'etait repliee en gouttiere ... En s'entre- croissant ces fibres delimitent de petit champs tres inegaux et de forme irreguliere, occupes chacun par im nombre variable de fibres longi- tudinales. D'autres elements fibreux se rencontrent plus exterieure- ment encore vers la base de l'epitlieliiim ; elles sont paralleles a la sm'face externe et tres notablement plus minces que les fibres longi- tudinales; ces fibres sont, les unes transversales, les autres longitudina- les . . .; d'apres nouvel examen leur nature musculaire ne me semble pas faire doute (p. 107 — 108). « Ich möchte die Hauptpunkte mit andern Worten zusammenfassen: Die Längsmuskelfasern sind zu Bündeln von wechselnder Dicke zu- sammengetreten; durch deren Zwischenräume hindurch verlaufen zahlreiche etwas feinere Dorsoventral- und Querfasern, Welche eben- falls longitudinal und quer verlaufenden noch feineren Fasern Rietsch gemeint hat, kann ich nicht sagen; ich sehe außer den erwähnten nichts. Das bemerkenswerteste an diesem Befunde ist, daß die Querfasern keine geschlossenen Schichten bilden, weder eine dorsale noch eine ventrale. Rietsch hebt das an andern Stellen seiner Arbeit auch gebührend hervor, aber als eine Eigentümlichkeit, die Thalassema neftuni und Echiurus gegenüber Bonellia auszeichne, während richtiger Bonellia als die abweichende Form zu bezeichnen wäre; denn bis jetzt kenne ich nicht eine einzige Echiurideenform, deren Kopflappen in bezug auf die Anordnung ihrer Quermuskulatur mit Bonellia und nicht vielmehr in dieser Hinsicht mit Echiurus und Th. neftuni über- einstimmte. Wie es unter solchen Umständen wohl zu erwarten war, erwies es sich als durchaus nicht leicht, die Beziehungen dieser Muskelschichten des Kopflappens zu denen der Rumpfwand festzustellen. RiETSCHs Angaben darüber lauten folgendermaßen (S, 56) : «Les fibres annulaires des teguments sont disposees dans la region anterieure du Corps en faisceaux distincts; quelques fibres longitudinales se replient en dehors et viennent penetrer dans cette couche qui s'arrete brusquement ä la base de la trompe dorsalement, et qid dans la levre inferieure ne montre pas de limite de Separation nette avec les fibres annulaires de l'intestin. La musculature longitudinale de la peau se continue directement dans la trompe ä la face dorsale; sur les cotes et ventralement un certain nombre de ses fibres se terniinent brusque- ment en s'etalant, tandis que d'autres contournent plus ou moins la bouche pour penetrer egalement dans la trompe. Les fibres obliques internes se continuent jusqu'a la bouche et ne montrent pas non plus de Beiträge zur Kenntnis der Gephjjrreen, III. 381 Separation nette d'avec la couche de muscles annulaires de Tintestin. » In diesen Worten ist also ganz klar ausgesprochen, daß Rietsch zu der Überzeugung gekommen ist, von den drei Muskelschichten des Hautmuskelschlauches des Eumpfes setze sich nur die aus Längs- fasern gebildete mittlere in den Kopflappen fort, während die äußere und die innere die Grenzen des Rumpfes nicht überschreite. Mit verhältnismäßig leichter Mühe konnte auch ich nur die Zu- gehörigkeit der Längsmuskelbündel zur Längsmuskelschicht konsta- tieren. Und doch geht der Übergang nicht so einfach vor sich, daß es nicht wünschenswert wäre, etwas näher darauf einzugehen. Auf Sagittalschnitten sieht es zunächst so aus, als höre sowohl die äußere Ring- als die innere Schrägmuskelschicht an der vorderen Grenze des Rumpfes auf. Richtig ist das aber nur für die letztere, die, soviel ich habe erkennen können, an der Zusammensetzung der Kopflappen- muskulatur tatsächlich keinen Anteil nimmt. Das scheinbare Ver- schwinden der äußeren Ringmuskulatur erfolgt in folgender Weise. Ihr geht zunächst eine gewisse Veränderimg voraus, die schon Rietsch erwähnt hat, ohne aber die Bedeutung dieser Erscheinung erkannt zu haben. Er schreibt S. 35 von dieser Schicht: «Les fibres annulaires semblent disposees en faisceaux distincts ä, leur sommet, mais con- fondus ä leur base, c'est ä dire interieurement; cette fusion est moindre ä l'extremite posterieure du corps, mais surtout ä l'extremite anterieure oü les faisceaux arrivent ä s'isoler completement» (tab. XVII, fig. 15). Auf Sagittalschnitten kann man nun leicht feststellen — wovon auch Andeutungen auf der Figur von Rietsch zu erkennen sind — , daß durch die Lücken zwischen den erwähnten Bündeln sich im vorderen Teile des Rumpfes hier und da einige Fasern von der Längsmuskel- schicht nach außen in das Bindegewebe des Coriums abzweigen und in diesem gegen den Kopflappen und in diesen hinein weiterlaufen. Dieser Vorgang setzt sich nun bis an die Basis des Kopflappens fort und tritt hier plötzlich in gesteigertem Maße auf, nämlich so, daß sämtliche vorhandenen Längsfasern durch die Lücken der Ringmusku- latur hindurchtreten, wobei diese selbst nicht wie bisher nach vorn weiterzieht, sondern sich nach innen gegen die Mundhöhle zu wendet, so daß sie auf den ersten Blick gar nicht mehr als die Fortsetzung der Ringfaserschicht zu erkennen ist. Daß sie das aber tatsächlich ist, lehren Querschnittserien in unwiderleglicher Weise. Faßt man auf diesen die noch als Bestandteile der Ringmuskelschicht erkennbaren Bündel ins Auge (Fig. 2G, 27), so sieht man, daß sie sich aufteilen und in feinere Bündel zerfallen, die teils zwischen den querdurchschnittenen Längs- 382 J. W. Spengel, faserbündeln hindurchziehen, teils sich weiter gegen die Oberfläche wenden. So lösen sich die Ringfaserbündel allmählich in die zahl- reichen Quermuskelfasern auf, die bei BonelUa die Längsfasermasse durchsetzen. Hat man das aber erst einmal an Querschnittserien erkannt, so gelingt es auch an gut konservierten Sagittalschnitten außer der beschriebenen Abschwenkung eines großen Teiles der Ringmusku- latur gegen die Mundhöhle hin ihre Fortsetzung nach vorn in den Kopflappen zu beobachten in Gestalt zunächst noch einiger dickerer Bündelquerschnitte und ferner all der ganz isolierten Faserquerschnitte, die man in den Zwischenräumen der Längsfaserzüge antrifft. Und nachdem man den Zusammenhang einmal durchschaut hat, vermag man endlich auch den auf den ersten Blick geradezu verwirrend er- scheinenden Zustand der Muskulatur auf den durch die vorderen Teile der Mundhöhle geführten Querschnitten (Fig. 26, 27) zu deuten. Man glaubt hier zunächst einen ungeordneten Muskelfaserfilz vor sich zu haben, kann aber bei näherer Betrachtung in diesem zweierlei Fasern erkennen, quergeschnittene Längsfaserbündel und zwischen diesen sich mehr oder weniger hindurchwindend Faserbündel, die alle in der Hauptsache einen ringförmigen Verlauf nehmen, wenn auch manche abgebrochen zu enden scheinen, weil sie nach oben oder unten aus der Ebene des Schnittes heraustreten. Wir haben hier Querschnitte durch den gegen die Mundhöhle abgebogenen Teil der Ringfaserschicht vor uns, durchsetzt von den Bündeln der Längsfaserschicht. So erstreckt sich also auch bei BonelUa nicht nur die letztere, sondern wie bei Echi- urus und Th. neptuni auch die Ringmuskelschicht des Rumpfes in den Kopflappen hinein und durch seine ganze Länge hindurch, nur nicht in Gestalt einer auf die dorsale Seite beschränkten Quermuskellage, sondern als zahlreiche isolierte Querfasern, die zwischen den Längs- muskelbündeln von einer Seite zur andern ziehen. Weiter aber ist noch die Frage zu beantworten, ob sich nicht wie bei Th. neptuni eine Fortsetzung des Mundhöhlensphincters an der Bildung der Kopflappenmuskulatur beteiligt. Rietsch (S. 56 ff.) unterscheidet keinen besonderen Abschnitt seines «intestin buccal» als Mundhöhle, sondern faßt unter diesem Namen letztere und den Pharynx zusammen, die sich bei BonelUa auch nicht scharf voneinander absetzen, indem die Mundhöhle, wie schon erwähnt, ziemlich weit und stets einigermaßen glattwandig ist. An das sie auskleidende cylindrische Wiraperepithel schließt sich zunächst eine Bindegewebsschicht von einiger Stärke an, und dann folgt Muskulatur, deren Fasern die Mund- höhle schleifenartig umfassen. Das alles ist von Rietsch ganz richtig Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. III. 383 beschrieben worden (S. 56 — 57). Wenn er nnn aber nach außen von der Ringmuskulatur noch Längsmuskulatur beschreibt, so hat er dabei übersehen, daß eine solche nicht in der ganzen Ausdehnung des «intestin buccal» vorhanden ist, sondern nur in dessen hinterem Teil, nämlich im Pharynx, wohingegen sie in der Wandung der Mundhöhle, wie auch bei den andern besprochenen Formen, fehlt. Untersucht man nun die erwähnten, die Mundhöhle umfassenden Muskelschleifen genauer auf Querschnitten, so sieht man, daß diese Fasern nicht ringförmig jene umziehen, sondern zwar ventral wärts in geschlossenem Bogen von einer Seite zur andern verlaufen, dann rechts und links von der Mundhöhle weiter dorsalwärts emporsteigen, über deren Decke angelangt jedoch nicht wieder auf die entgegengesetzte Seite weiterlaufen, sondern sich hier schneiden, indem die linken nach rechts, die rechten nach links ziehen, teils steiler, teils flacher, wobei über der von ihnen gebildeten Schicht in dem Schnittwinkel das Rücken- gefäß zu liegen kommt (Fig. 23 — 25). Und wenn man sie nun noch weiter zu verfolgen sucht, so sieht man, daß viele von ihnen — für alle läßt sich das begreiflicherweise nicht feststellen — sich in die Längs muskeif asern der dorsalen Seite fortsetzen (Fig. 23, 24). Auch glaube ich sicher gesehen zu haben, daß diese nicht sämtlich auf die ent- gegengesetzte Seite der Mundhöhle übertreten, sondern daß manche von ihnen auf der gleichen bleiben und sich den gekreuzten anschließen. Der Mundhöhlensphincter von Bonellia hat demnach die Eigentüm- lichkeit, daß er, soweit bisher beschrieben, nicht ein von Haus aus dem Darmkanal zugehöriger Muskelapparat ist, sondern wirkliche Muskelschleifen der dorsalen Längs muskulatur des Rumpfes darstellt, die die Mundhöhle zwischen sich fassen. Erst weiter nach hinten gegen den Pharynx hin (Fig. 22) schließen sich die Fasern auch auf der dorsalen Seite zu wahren Ringen zusammen, wie es im Pharynx selber der Fall ist, in dem zu ihnen noch ganz oberflächHch in dem Bindegewebe verlaufende Bündel von Längsfasern hinzutreten. Aber auch weiter nach vorn, wo der Mund sich öffnet, also am An- fang der Kopflappenrinne, ändert sich in der gleichen Weise das Ver- halten der Fasern über der Munddecke; auch hier gehen sie nunmehr bogenförmig von der einen Seite auf die andre (Fig. 27). Und diese Schicht von Quermuskelfasern ist durch einen gewissen Teil der Basis des Kopflappens zu verfolgen (Fig. 28) ; wie weit, kann ich nicht ge- nauer angeben. Jedenfalls sind in den weiter vorn gelegenen Teilen des Kopflappens auch an der ventralen Seite desselben keine Quer- fasern mehr zu erkennen, die sich von den beschriebenen isoHerten 384 J. W. Spengel, dadurch imterscliieden, daß sie sich als eine besondere ventrale Quer- faserschicht darstellten, wie wir sie von Echiurus und Thalassema ne'ptuni kennen. Eine solche ist bei Bonellia nur am Grunde des Kopf- lappens vorhanden, und nach dem oben mitgeteilten müssen wir wohl annehmen, daß sie dem Mundhöhlensphincter entstammt, also wie die, die sich bei Th. neptuni durch die ganze Länge des Kopflappens erstreckt. Bonellia kann also insofern an Thalassema neptuni in bezug auf ihre Kopflappenmuskulatur angeschlossen werden, als auch bei ihr nur die Längs- und die äußere Ringmuskulatur des Rumpfes und außer- dem der Mundhöhlensphincter sich in den Kopf lappen hinein erstrecken, weicht aber darin von dieser Form ab, daß 1) die Fortsetzung der äußeren Ringmuskulatur im Kopflappen nicht eine Schicht von Quer- muskelfasern bildet, sondern sich dort in zahllose die ganze Längs- muskelmasse durchziehende isolierte Querfasern auflöst, und 2) daß die Fortsetzung des Mundhöhlensphincters sich nicht als eine Querfaser- schicht über die ganze ventrale Seite des Kopf lappens ausdehnt, sondern nur eine kurze Strecke weit in denselben hineinreicht. Damit bestätigt sich, daß Bonellia hinsichtlich ihrer Kopflappenmuskulatur, wie auch in andern Punkten ihrer Organisation, nicht eine primitive Form ist, sondern eine sehr einseitig entwickelte. In Zusammenhang- damit verdient es erwogen zu werden, daß bei ihr nicht die Fähigkeit aus- gebildet ist, den Kopflappen zu autotomieren. Wenn dem Tiere, was offenbar häufig vorkommt, Teile davon durch Beschädigungen oder Angriffe verloren gehen, so reißt der Kopf läppen an irgendeiner Stelle durch, nicht aber an seiner Basis, und wird vom Stumpfe aus wieder regeneriert. Gießen, im Dezember 1911. Literaturverzeichnis. Ryszard Bledowski, Beiträge zur Kenntnis der Bonellia viridis (Rol.) und der Phylogenie einiger Coelhelminten. Phil. Inaug.-Diss. Bern. Wloclawek. 1910. 69 S. 3 Taf. Yves Belage et Edgard Hekouard, Traite de Zoologie concrSte. Vol. V. Les Vermidiens. Paris 1897. Ai.TCE L. Embleton, On tlie strueture and affinities of Echiurus unicinctus. In: Trans. Linn. Soc. London, (2). Vol. VIII. 1900. p. 77—97. tab. 7—10. Richard Greeff, Die Echiuren (Gejjhyrea armata). In: Nova Acta Leop.- Carol. Akad. Naturf. Bd. XLI. 1879. 172 S. 9 Taf. Beiträge zur Kenntnis der Geph3T:een. III. 385 äIaximilien Rietsch, Etudes sur les GeplijTiens armes ou Echiuriens. Tlieses Fac. Sc. Paris. In: Rec. zool. Suisse. Vol. VIII. 1886. 203 S., tab. 17 a 22. (Zitiert nach der selbständig paginierten Dissertation.) Philipp Seitz, Der Bau von Echiurus chilensis (Urechis n. g. chilensis). In : Zool. Jahrb. Bd. XXIV. Anat. 1907. S. 323—356. Taf. XXIX— XXXI. J. W. Spengel, Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. II. Die Organisation des Echiurus Pallasii. In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXIV. 1880. S. 460—538. Taf. XXIII— XXVI. Erklärung der Abbildungen. Sämtliche Figuren sind Reproduktionen von mikrophotographischen Auf- nahmen mit dem Apparat von R. Winkel, Göttingen. Tafel XX. Echiurus echiurus. Fig. 1. Ein etwa medianer Sagittalschnitt durch das Übergangsgebiet von Rumpf und Kopflappen. Fig. 2. Der ventrale Teil eines andern Sagittalschnittes von einem durch Autotomie abgeworfenen Vorderkörpers, bis an die Mundöffnung reichend. Etwas stärker vergrößert. Fig. 3 — 7. Fünf Schnitte aus einer Querschnittserie, von hinten nach vorn fortschreitend; Fig. 3 durch den vorderen Teil des Pharjoix, Fig. 4 durch den Übergang des Pharynx in die Mundhöhle, Fig. 5 — 7 durch die Mundhöhle. Tafel XXI. Echiurus echiurus. Fig. 8 — 12. Fortsetzung derselben Serie. Fig. 8 durch den vordersten Teil der Mundhöhle, Fig. 9 durch den Übergang der Mundhöhle in den Mundtrichter, Fig. 10 — 12 durch den Mundtrichter bis kurz vor dem Vorderende der Unterlippe. Fig. 13. Horizontalschnitt durch das Übergangsgebiet von Rumpf und Kopflappen. Tafel XXII. Fig. 14 — 19. Thalassema neptuni. Fig. 14 — 18 Schnitte aus einer Quer- schnittserie des Übergangsgebietes von Rumpf und Kopflappen, von hinten nach vorn fortschreitend. Fig. 14 durch den vordersten Teil des Pharynx. Fig. 15 bis 18 durch die Mundhöhle. Fig. 19. Querschnitt durch den Kopf läppen. Fig. 20 — 21. Bonellia viridis. Zwei Schnitte aus einer von hinten nach vorn fortschreitenden Querschnittserie. Fig. 20 durch den vordersten Teil des Pharynx. Fig. 21 durch den hintersten Teil der Mundhöhle. Tafel XXIIT. Bonellia viridis. Fortsetzung derselben Querschnittserie dui-ch das Über- gangsgebiet von Rumpf und Kopflappen. In den ziemlich nahe aufeinander- folgenden Schnitten sieht man die Mundhöhle in Fig. 27 und 28 sich ventral öffnen. Der letzte Schnitt zeigt schon fast ganz die Verhältnisse des Kopflappens. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 25 Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. Von Gerhard Dober aus Biichholz i. Sa. (Aus dem Zoologischen Institut zu Leipzig.) Mit 45 Figuren im Text und Tafel XXIV. Inhalt. Seite Einleitung 388 I. Allgemeiner Teil 389 Material und Methode 389 Geschichtliches 391 Nervencentrum 392 Periphere Nerven 395 II. Spezieller Teil 401 Salpa pinnata sol. und greg 401 Salpa affinis sol 408 Salpa virgula sol 409 Salpa floridana greg 409 Salpa cylindrica sol. und greg 411 Salpa maxima greg 414 Salpa fusiformis sol. und greg 416 Salpa fusiformis, forma echinata, greg 417 Salpa amboinensis sol 418 Salpa hexagona sol 419 Salpa asymmetrica greg 419 Salpa mucronata sol. und greg 420 SaljM flagellifera sol 422 Salpa confoederata sol. und greg 423 Salpa zonaria sol. und greg 426 Salpa Tilesii greg 428 Salpa magalhanica sol 430 Salpa Henseni sol. und greg 430 III. Vergleichender Teil 432 a. Vergleich des Nervensystems der Salpen untereinander . . . 432 b. Vergleich des Nervensystems der Salpen mit dem der andern Tunicaten 438 Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CI. Bd. 26 388 Gerhard Dober, Seite Schluß: Zusammenfassung 441 Literaturverzeichnis 443 Erklärung der Abbildungen 444 Einleitung. Was wir gegenwärtig über das Nervensystem der Salpen wissen, erweckt den Eindruck, als ob ein gewisser Abschluß erzielt sei. Wer indessen tiefer einzudringen versucht, wird bald zu der Überzeugung kommen, daß die seit der Entdeckung des Nervensystems durch Meyen (1832) veröffentlichten Beobachtungen zahlreiche Lücken aufweisen, welche nur durch eine auf möglichst breiter Basis angelegte Unter- suchung ausgefüllt werden können. Das mit einer gewissen Vorliebe betriebene Studium der Sinnes- organe der Salpen hat zur Folge gehabt, daß man dem morphologischen Bau des centralen und peripheren Nervensystems nur insoweit Auf- merksamkeit zuwendete, als es für die Systematik von Bedeutung erschien. Nur eine Arbeit, nämlich die russisch geschriebene Unter- suchung von Ussow, bedeutet einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den älteren Beobachtungen von Cuvier, Eschscholtz, Meyen, Mül- ler. Diese hervorragende Arbeit, deren Text ich mir nur soweit habe übersetzen lassen, als er zum Verständnis der Abbildungen nötig war, und die uns in einem kurz gefaßten Auszug in deutscher Sprache vorliegt (Archiv für Naturgesch. Bd. XXXI. 1. 1875), wird später durch die Untersuchungen von Lahille, Brooks und Metcalf ergänzt. Die genannten Forscher behandeln indessen mehr die morphologischen Fragen und die Sinnesorgane, als daß sie sich eingehender auf den Ver- lauf der peripheren Nerven einließen. In bezug auf die Topographie der peripheren Nerven kommen nur die Arbeiten von Leuckart und Apstein in Betracht, die sich aber auch nicht so speziell damit befaßten, daß mit ihren Untersuchungen ein Abschluß erreicht wäre. Auf Anregung von Herrn Professor Chun habe ich mich der Unter- suchung des Nervensystems unter besonderer Berücksichtigung der Topographie der peripheren Nerven der Salpen gewidmet. Für die liebenswürdige Überlassung des reichlichen gut erhaltenen, auf der deutschen Tiefsee-Expedition gesammelten Materials danke ich ihm aufrichtig. Ich glaube nun, die Disposition am besten so zu treffen, daß ich in einem ersten Teil einen allgemeinen Überblick gebe, dem sich ein Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 389 zweiter spezieller Teil anschließen soll. Endlich folgt in einem dritten Teil ein Versuch, die Salpen miteinander und mit den übrigen Tunikaten in bezug auf das Nervensystem zu vergleichen. Was die Benennung der Salpen betrifft, so habe ich mich ganz nach der von Apstein in der Südpolarexpedition 1906 (S. 179, Bestim- mungstabelle der Salpenarten) angewendeten Nomenklatur gerichtet. Für die Kettenform setze ich der Einfachheit wegen die Abkürzung greg = forma gregata, und für die Einzelform, die Amme, sol = forma solitaria. Es kommen dabei die im Laufe der Zeit entstandenen um- ständlichen Doppelnamen in Wegfall. I. Allgemeiner Teil. Material und Methode. Das zur Untersuchung verwendete Material gehört zum weitaus größten Teil dem reichen Fang der deutschen Tiefsee- Espedition 1898 — 1899 an. Einige Exemplare stammen aus dem Zoologischen Museum unsres Institutes und drei Salpenspecies hat mir Herr Professor Woltereck aus seiner Sammlung freundlichst überlassen, durch dessen Vermittlung ich auch zugleich etliche Tuben Salfa mucronata sol. und greg. aus Ville-Franche erhalten habe. Eine so stattliche Menge Salpa mucronata leistete mir teils zu Vorversuchen, teils zur Ergänzung der Untersuchungen treffliche Dienste. Von den vorhandenen 17 Arten habe ich lediglich die Arten, die häufig vertreten waren, sechs an Zahl (S. pinnata sol. und greg., S. cylindrica sol. und greg., S. jusiformis sol. und greg., S. mucronata sol. und greg., S. jlagellifera sol. und S. confoederata sol. und greg.) zur ge- nauen Untersuchung verwendet, während ich mich bei den nur einmal oder selten vorkommenden Exemplaren mit der Untersuchung des Nervencentrums und der Nerven, soweit sie sich ohne Schaden des Tieres verfolgen ließen, begnügte. Der vorzügliche Erhaltungszustand und ganz besonders die Konservierung in Chromosmiumessigsäure trugen wesentlich zur Erleichtervmg der Arbeit bei. Deutlich waren die Nerven bei diesen Präparaten zu erkennen, so daß es einer beson- deren Färbung, die ich einige Male nur vergebens versuchte, nicht erst bedurfte. Bei der Herstellung von Flachpräparaten wurden die Tiere meist unter der binoculären Lupe in der Richtung von der Ingestionsöffnung nach der Egestionsöffnung hin auf der Ventralseite längs des Endostyls aufgeschnitten, und so gut es ging, mit möglichster Vermeidung stören- 26* 390 Gerhard Dober, der Falten flach auf den Objektträger unter das Deckglas gebracht. Die Objekte wurden dabei von 80%igem Alkohol allmählich in Glyzerin übergeführt, das beträchtlich mehr aufhellte, als das dunklere Nelkenöl, das ich anfangs verwendete. Am schwierigsten waren die Präparationen, wenn es eben gegen Falten zu kämpfen galt. Ganz besonders nun da- durch, daß ich zuweilen den Magen, der oft infolge seines zu großen Umfanges unangenehme Falten verursachte, vorsichtig entfernte, habe ich es erreicht, bequemer arbeiten zu können. Zwar wurde auf diese Weise der Verlauf der Nerven nach dem Eingeweide hin unterbrochen. Doch ist dies, glaube ich, nicht von so großem Nachteil, da die Unter- suchung in den Fällen, wo der Zusammenhang gewahrt blieb, auch nur ergab, daß die Nerven ihrer Feinheit wegen kaum weiter als bis in die Nähe des Magens zu erkennen waren. Dafür ist es mir aber auf Kosten dieser fraglichen Eingeweidenerven gelungen, den Verlauf andrer Ner- ven mit Sicherheit feststellen zu können. Ferner habe ich zur Vermeidung der Falten noch eine andre Methode bei ziemlich gleich weit entwickelten Individuen von Salpa mucronata greg. mit Erfolg versucht. Ein Exemplar habe ich unmittelbar vor dem Nervencentrum quer durchschnitten, so daß sich die Nerven nach der Egestionsöffnung hin ununterbrochen verfolgen ließen. Ein andres Exemplar, möglichst von derselben Kette, wurde unmittelbar hinter dem Nervencentrum quer durchschnitten. Der Zusammenhang der Nerven blieb hier mit der Ingestionsöffnung bestehen. Wiederholt man diese Untersuchung mehrfach und findet immer wieder die gleichen Ergebnisse, dann kann man es wohl getrost wagen, eine Zusammen- setzung des vorderen und hinteren Körperteiles von zwei Tieren vorzu- nehmen, geradezu als habe man ein Individuum untersucht. Jedenfalls war mir dies ein Beweis, daß es Mittel und Wege gibt, die Falten mög- lichst zu entfernen, und ich kann aus diesem Grunde nicht recht ein- sehen, wenn Apstein hoffnungslos schreibt: »Den Versuch, die Salpen auf einer Seite aufzuschneiden und ausgebreitet zu untersuchen, mußte ich aufgeben, da sich dabei im Mantel große Falten bildeten, die die Verfolgung der Nerven verhinderten« (Südpolarexpedition, S. 182). Dies dürfte vielleicht Salpenarten, die mir nicht zur Verfügung standen, betreffen. Die Größe der Tiere durfte allerdings die Größe eines Objektträgers nicht überschreiten. Dies war kein Nachteil, zumal sich überhaupt kleinere Individuen, von höchstens 3 — 4 cm Größe, stets besser unter- suchen ließen, als größere. Große Exemplare sind schon des zu dicken Mantels wegen zu derartigen Beobachtungen nicht gut geeignet. Beiträge zur Kenntnis des Nerveneystems der Salpen. 391 Schnitte vom Nervencentrum und von den Nerven wurden her- gestellt und mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain gefärbt. Während nun die Schnitte von den Nervencentren gute Bilder lieferten, waren dagegen die Nerven selbst weder auf dicken und erst recht nicht auf dünnen Schnitten so gut zu verfolgen, als auf Flachpräparaten, deren oft mühsame Herstellung doch die Schwierigkeit der Untersuchung ganz bedeutend überwinden halfen. Die nervöse Natur feiner Fäden wurde nicht nur aus der histolo- gischen Struktur, sondern vor allem auch aus dem Zusammenhang mit dem Nervencentrum erwiesen. Geachichtliches. Wie schon in der Einleitung erwähnt, beschäftigten sich die früheren Forscher vorwiegend mit der Untersuchung der Sinnesorgane der Salpen. Vom Nervensystem findet man meist nur kurze Angaben über Lage und Gestalt des Nervenknotens, vor allem in den systema- tischen Arbeiten von Teaustedt, Apstein, Ihle u. a. Im übrigen kann man aber fast bei allen Forschern, die in erster Linie den Verlauf der peripheren Nerven feststellen wollten, Klagen über die Schwierigkeit der Untersuchung lesen. Was z. B. Vogt und Yung 1894 für Sal^a mucronata (S. 272) schreiben, daß »alle diese Nerven außerordentlich fein und zart« sind, so daß sie nicht weit verfolgt werden konnten, be- stätigt Apstein in der Südpolar-Expedition 1906 (S. 182). Auch er habe die »Schwierigkeit der Untersuchung« kennen gelernt. Er nennt seine Ergebnisse über das Nervensystem der Salpen, da ihm »sowohl die Zeit, als geeignet konserviertes Material « fehlte, nur ein Bruchstück. Wenn nun die neueren Autoren derartige Klagen über die Untersuchun- gen erheben, dann darf es nicht Wunder nehmen, wenn Vogt 1854 sich aus den Schwierigkeiten am besten damit heraushilft, es einfach für unnütze Mühe zu halten, sich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben (S. 25 »C'est se donner une peine inutile, en effet, que de s'occuper de pareilles minuties sans importance«). Er begnügt sich schon mit der Annahme, daß eben alle Organe mit Nerven versorgt werden (S. 25. ». . . . il suffit d'enoncer que tous les organes sont amplement pourvus de nerfs provenant du ganglion central«). Meines Erachtens halte ich es nun auch mit Vogt für unnötig, den Verlauf eines jeden Nerven bis ins einzelne zu beschreiben (S. 25. ». . . . mais il me semble tout aussi inutile de decrire au long le trajet de chaque nerf«). Für unsre allgemeine Darstellung dürfte es genügen, wenn die Grundzüge im Ver- lauf der stärkeren Nervenstämme dargelegt werden. Wenn es sich da- 392 Gerhard Dober, gegen darum handelt, im speziellen Teile das Charakteristischste der einzelneu Salpenarten hervorzuheben, ist es nicht zu umgehen, daß wir dem Verlaufe der einzelnen Fasern bis zu ihren Endverzweigungen folgen. In dieser Hinsicht kann Leuckart 1854 als Vorbild dienen, der — ohne über die Mühe der Untersuchung zu klagen — den Verlauf der Nerven von zwei Salpenspecies ziemlich gründlich verfolgt hat. Zwar habe auch ich versucht, alle Nerven bis zu ihren feinen Endver- zweigungen zu verfolgen, doch würde ich es für verfehlt halten, sie weit- schweifig in allen jenen Fällen zu schildern, wo sie keine bemerkens- werte Abweichung darbieten. Der erste, der das Nervensystem der Salpen einer eingehenden Beschreibung unterzog, und der den Punkt, von dem strahlenförmige Fäden nach allen Seiten hin verliefen, richtig als Nervencentrum er- kannte, war Meyen (1832). Vor ihm findet man Abbildungen von Pegea octofera ( = Salpa confoederata) und Jasis cylindrica ( = Salpa mucronatal) bei Savigny (1816), in denen der Nervenknoten mit Ji (»tubercle anterieur ou voisin du ganglion«) angegeben, aber als solcher noch nicht betrachtet worden ist. 1825 glaubte Eschscholtz zwei Ner- venknoten aufgefunden zu haben, die er auch in Text und Zeichnung wiedergab. Das war das einzige Mal, daß zwei Nervencentren vermutet wurden, im Gegensatz zu allen sonstigen Beobachtern, die stets nur ein Nervencentrum beschrieben. Nervencentrum. Das Nervencentrum liegt bei den Sal^^en, wie bekanntlich bei allen Tunika ten, dorsal. Dies ist eins der charakteristischen Merkmale, die diese ganze Tierklasse in nähere Beziehung zu den Wirbeltieren bringt. Auf der Mittellinie des Tieres, mehr oder weniger der Ingestions- öffnung genähert, liegt das Nervencentrum entweder vor {Salpa mucro- nata) oder hinter {Salpa pinnata) oder unmittelbar über {Salpa Hen- seni) der Öffnung des Kiemensacks. Ähnlich gibt auch Ussow (1875, S. 3) die Lage des Nervenknotens an, wenn er schreibt: »Er liegt stets an der Mittellinie an der Rückenfläche der Manteltiere, unweit oder dicht am Einaanoe in die Atemhöhle.« Da^euen beschränkt sich die Lagebestimmung des Nervenknotens bei Leuckart nur auf die vier Salpenarten: S. pinnata, S. africana-maxima, S. runcinata-fusiformis und *S'. democratica-mucronata, deren Ganglienknoten »in der Mittel- linie der Rückenfläche liegt und der Atemöffnung ( = Ingestionsöffnung) bis etwa auf ein Drittel der Körperlänge angenähert ist« (S. 19). Doch hat auch er schon Abweichungen von dieser Reuel beobachtet; denn er Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 393 fährt fort : ». . . doch finden sich auch schon bei den Salpen einige Ver- schiedenheiten in der Entfernung von der Atemhöhle«. Was die von mir untersuchten Salpen betrifft, so habe ich das Maximum der Ent- fernung des Knotens von der Ingestionsöffnung bei Salfa hexagona sol. gefmiden, wo er ziemlich in der Mitte des Tieres liegt. In Zahlen aus- gedrückt, liegt er etwa 2/5 cler Körperlänge von der Ingestionsöffnung entfernt. Das Minimum der Entfernung wurde bei Salpa amhoinensis sol. beobachtet. Hier betrug der Abstand von der Ingestionsöffnung etwa 1/7 der Körperlänge. Die Lage des Nervenknotens bei den übrigen Salpen wird durch die Zahlen zwischen diesen beiden Werten, Vs und 1/7, ausgedrückt. Was nun die Lage des Nervencentrums zum Mantel anbelangt, so hat schon Huxley 1851 angenommen, daß sie zwischen dem inneren und dem äußeren Mantel des Salpenkörpers zu finden sei (S. 571 ». . . ganglion situated in the space between the inner and outer tunics«). Bald aber entdeckten die ihm folgenden Forscher, daß das »Stroma des Nervenknotens der sogenannte innere Mantel« (Leuckart, S. 19) bildet. Auch ich kann hier nur bestätigen, was z. B. Vogt (S. 23 »en- chasse dans l'epaisseur du manteau interne«), Ussow und Vogt und YuNG hierüber gesagt haben, daß nämlich der Nervenknoten »in der Dicke des inneren Mantels« (Vogt und Yung, S. 263) eingebettet ist. Die Gestalt des Nervenknotens wird fast durchweg in der Literatur einfach als eine kugelige angegeben. »The Nerve-Ganglion or brain pres- ents a nearly spherical mass . . . « (Dolley 1887, S. 306). Ebenso bezeich- nen ihn auch Leuckart (S. 19), Herdmann 1888 (S. 56), Apstein u. a. Aus meinen Beobachtungen möchte ich schließen, wie am deutlichsten aus den Abbildungen (Fig. 25 und 26) des Nervencentrums von Salpa mucronata sol. und greg. ersichtlich ist, daß man eine kugelige Gestalt des Nervencentrums ganz besonders bei der solitären Form findet. Dagegen weisen die Kettensalpen eine mehr oder weniger ovale Form auf. Nach meinem Dafürhalten dürfte dieser charakteristische Unter- schied in der Gestalt der Nervencentren bei den Einzel- und Ketten- salpen sicher mit der Gestalt des Sehorgans in Zusammenhang ge- bracht werden. Das »hufeisenförmige« Auge der solitären Individuen, »dessen Hörner einander genähert sind , so daß das ganze Sehorgan fast einen Ring darstellt« (Redikorzew, S. 209), deutet auf einen kugeligen Nervenknoten hin. Dagegen sind »die Sehorgane der Kettenformen in morphologischer Hinsicht viel mannigfaltiger und komplizierter ge- staltet als diejenigen der solitären Formen«, (Redikorzew, S. 210). Das Nervencentrum muß hier nicht unbedingt kugelig gestaltet sein, 394 Gerhard Dober, wie z. B. bei Salpa mucronata greg. (Fig. 26), wo drei Augeuflecke auf einem mehr oval gestalteten Nervenknoten liegen. Aber auch diese Regel findet ihre Ausnahme. So kommt es vor, daß oft die Kettenform (bei Salpa pinnata greg., Salpa confoederata greg.) ein durchaus kugelig gestaltetes Hirn aufweist. Dagegen besitzen Salpa zonaria sol., Salpa hexagona sol. ein mehr ovales Hirn. Es seien mir noch einige Bemerkungen über die Größe des Nerven- knotens gestattet. Eine direkte Messung habe ich da nur bei den beiden Arten Salpa pinnata und Salpa mucronata vorgenommen. Bei Salpa pinnata sol. und greg. fand ich den größeren Durchmesser des Nerven- knotens quer zur Längsachse des Körpers, den kleineren in der Längs- achse selbst gelegen. So zeigte die solitäre Form von 26 mm Länge einen großen Durchmesser von 0,42 mm und einen kleinen von 0,33 mm Länge. Die Kettenform von 25 mm Länge hatte dagegen einen Nerven- knoten mit dem großen Durchmesser 0,27 mm und mit dem kleinen Durchmesser 0,24 mm. Der Durchmesser des Nervenknotens der be- deutend kleineren Salpe, Salpa mucronata sol., beträgt bei 8 mm langem Exemplare nur 0,16 mm. Hier ist der Knoten kugelig gestaltet, dem Augenring angepaßt. Die gregate Form, 7 mm lang, dagegen weist ein ovales Nervencentrum auf, dessen großer Durchmesser 0,16 mm, und dessen kleiner Durchmesser 0,11 mm mißt, und zwar liegt der große Durchmesser in der Längsachse des Tieres. Ussow (1875, S. 3) gibt als minimale und maximale Größe des Knotens bei allen von ihm unter- suchten Manteltieren die Maße 0,1 — 1,5 mm an. Eine recht unbe- stimmte Vorstellung von der Größe erhält man nach der Beschreibung Vogts: Der Nervenknoten habe die Größe eines kleinen Stecknadel- kopfes (S. 16. »Le ganglion nerveux[(?], de la grosseur d'une petite tete d'epingle . . .«). Um nun einerseits solcher Ungenauigkeit aus dem Wege zu gehen, anderseits aber auch nicht erst viel Messungen vor- nehmen zu müssen, habe ich von vorn herein sämtliche von mir ab- gebildete Nervencentren bei gleicher Vergrößerung (Zeiss, Comp. Ocular 2 und Objektiv C) dargestellt. Dies ermöglicht eine verglei- chende Betrachtung der Hirngröße zur Körpergröße, die an andrer Stelle behandelt werden soll. Auf eine Untersuchung der Hülle des Nervenknotens habe ich mich nicht speziell eingelassen. Li der Literatur wird sie für Salpa runcinata (= Salpa jusijormis sol.) bald als eine »ziemlich dicke Mem- bran mit kleinen und hellen Zellen« (Leuckart, S. 20), bald als eine dünne Membran (». . . covered with a delicate membrane . . .« Dolley, S. 306) bezeichnet. Metcalf berichtet über die Hülle des Nerven- Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 395 knotens ( »periganglionic membrane «) bei Embryonen von Salfa, fin- nata, dai3 sie aus einer Lage von Bindegewebszellen bestehen soll, deren Kerne bei den älteren Individuen verschwinden (1900, S. 589). Meine Beobachtungen lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß in manchen Fällen die Hülle ziemlich dicht dem Nervenknoten anlieot, so daß sie leicht übersehen werden kann, z. B. bei Sal'pa cylindrica sol., Salfa mucronata sol. In andern Fällen aber steht sie weit vom Gangiienknoten ab, z. B. bei Salpa pinnata, Sal'pa confoederata greg. Sehr oft ist sie leicht zerstörbar, wie auch Metcalf 1900 (S. 589) zugibt, daß er sie meist zerrissen vorgefunden habe. Ebenso habe ich die Histologie des Nervenknotens fast unberück- sichtigt gelassen. Die Schnitte, die ich vom Nervencentrum bei Salpa mucronata hergestellt habe, zeigten mir dieselben Bilder, die die Salpen- forscher bei verschiedenen Species bereits gefunden haben. Meines Erachtens zeigt das histologische Verhalten des Nervenknotens der verschiedenen Species keine wesentlichen Unterschiede. So haben DoLLEY (1887) von Salpa fusijormis-runcinata und Lahille (1890) von Salpa confoederata die Nervencentren histologisch untersucht und haben auch, wie Vogt und Yung bei Salpa mucronata konstatiert, daß man im Innern des Knotens eine »feine Punktsubstanz « beobachten kann, in der etwas »hellere runde Räume mit verwischten Konturen sich zeigen. . . . Auf mehr oberflächlichen Schnitten sieht man eine von kleinen Zellen mit verhältnismäßig großen Kernen gebildete Einden- schicht, die bis in die Nervenwurzel selbst sich erstreckt« (Vogt und Yung, S. 272). Was die Entwicklungsgeschichte des Nervensystems betrifft, ver- weise ich besonders auf Lahille (1890) und auf Korschelt und Heider (1893), welche die bisherigen Ergebnisse dahin zusammenfassen, daß sie das Nervensystem aus einer soliden Zellwucherung des Ectoderms ableiten. Da ich mich auf embryologische Untersuchungen nicht ein- gelassen habe, vermag ich hierüber nichts zu bemerken. Periphere Nerven. Von dem eben behandelten Centralnervenknoten verlaufen strahlen- förmig nach allen Seiten des Körpers hin die Nervenstränge. Meist erscheinen sie, durch das Mikroskop betrachtet, stark lichtbrechend, wie feine, helle Linien von je zwei dunklen Linien begrenzt. Meyen (1832, S. 394) bedient sich des passenden Vergleichs, daß sie wie »hohle Kanäle« aussehen. Bei besonders starken Nerven läßt sich freilich dieses Bild nicht anwenden, da man sie deutlich als Faserstränge erkennt. 396 Gerhard Dober, Als Stroma der peripheren Nerven dient auch hier, wie dem Nerven- knoten, die Schicht des inneren Mantels. Daß das ganze Nervensystem überhaupt in bezug auf seine Lage sich auf den inneren Mantel be- schränkt, hat schon Ussow richtig bemerkt (1875, S. 3) : »Sowohl der Nervenknoten, als auch die peripherischen Nerven befinden sich in der durchsichtigen Schicht des inneren Mantels.« Was die histologische Beschaffenheit der Nerven betrifft, so sieht man bei den stärkeren Nerven, daß sie von feinsten Fasern in der Längs- richtung durchzogen sind. Zuweilen läßt sich auch eine granulierte Struktur erkennen, wie sie Dolley (1887, S. 306) beschrieben hat, nämlich Nerven »with a dark granulär axis «. Diese Granulation dürfte aber nach meinen Wahrnehmungen auf eine Folge der Konservierung zurückzuführen sein. Eine solche Struktur weisen ausschließlich große Individuen auf, nicht aber die kleineren, jüngeren Tiere. Kerne in den Nervensträngen vermochte ich nur bei zwei Exempla- ren nachzuweisen. Bei Salpa asymmetrica, von der mir nur die gregate Form zur Verfügung stand, liegen Kerne in den Nervensträngen, und zwar finden sie sich gleich nach dem Austritt der Nerven aus dem Nervencentrum. Im weiteren Verlauf fehlen sie. Unsicher liegt der Fall bei der Kettenform von Salpa cyUndrica. Hier finden sich im Verlauf der Nerven kernähnliche Gebilde, die mir indessen den Ein- druck machten, als ob es sich um parasitische Protozoen handle. Es wäre merkwürdig genug, wenn nur bei dieser Species Kerne vorhanden wären, die bei sämtlichen andern Salpen nie zu beobachten sind. Nur bei Salpa mucronata greg. scheint es sich tatsächlich um Gang- lienzellen zu handeln, die in den Verlauf der Nerven eingebettet sind. Dies beweist aber durchaus nicht, daß solche allgemein in den Verlauf der Nerven eingestreut sind, da ich keine ähnlichen Gebilde an andern Stellen derselben Art angetroffen habe. Mit Leuckart möchte ich über- einstimmend sagen: »Ganglien im Verlauf der Nerven fehlen« (S. 23). Leuckart fährt nun fort, »höchstens zwischen den Eingeweiden« wären Ganglien vorhanden. Alle meine Bemühungen, sie dort aufzu- finden, waren indessen vergebens. Von einer speziellen histologischen Behandlung des Nervensystems habe ich abgesehen, da ja meine Hauptaufgabe darin bestand, die Nerven in ihrem Verlaufe zu verfolgen und die Innervierung der Or- gane zu bestimmen. Bei einem Versuche, eine Einteilung der Nerven nach der Richtung, in der sie verlaufen, vorzunehmen, dürfte es sich empfehlen, Nerven Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 397 ZU unterscheiden, die ventral, dorsal und horizontal vom Centralgang- lion ausgehen. Ventral verlaufen die Nerven, die, wie Leuckakt meint, auf die Kieme übergehen, und die vielleicht das Sehorgan innervieren. Die Innervation des Gehörorgans bezweifle ich nicht, obwohl ich mich vergeblich bemühte, sie scharf nachzuweisen. Daß der Kiemendarm mit Nerven versorgt wird, habe ich ebensowenig trotz wiederholter Nachprüfung erweisen können. Dennoch möchte ich dem Glauben schenken, was Leuckaet bei der Untersuchung über den Verlauf der Nerven von Salpa fusiformis darüber schreibt: (S. 21) »Was endlich den elften, letzten Nerven betrifft, so verläßt dieser den inneren Mantel des Körpers, um auf die Kieme überzugehen«. Obwohl auch hier die Möglichkeit einer Täuschung nicht ausgeschlossen ist, so spricht doch die Tatsache dafür, daß manche Nerven sich nur in der Richtung nach der Kieme eine kurze Strecke verfolgen lassen und sich dann einer weiteren Beobachtung entziehen. Dorsal erstreckt sich nur ein kurzes Nervenpaar, nämlich der Nervus opticus, dessen kurze, starke Stränge bei der gregaten Form, da bei dieser die Augenflecke nach vorne liegen, besonders gut zu sehen ist. Redikorzew (S. 210) schreibt hierüber folgendes: »Da das Seh- organ sehr eng und unmittelbar mit dem Hirn verbunden ist, so ist es klar, daß die Innervierung eine direkte ist und durch sehr kurze Nerven- fasern vermittelt wird. Sämtliche Nervenfasern gehen von der centralen nicht cellulären Hirnmasse aus und sind dorsalwärts gerichtet; sie treten in der Retinaschicht von deren ventralen Seite, zum Teil auch von der Außenseite ein«. Diese Worte veranschaulichen zur Genüge die Bilder, die man bei Schnitten durch Auge und Hirn erhält. Alle übrigen Nerven nehmen weder eine dorsale noch ventrale Richtung ein. Sie sind radiär um das Nervencentrum angeordnet, entspringen zwar auf der ventralen Seite des Hirns, verlaufen indessen anfangs horizontal, um erst später den tönnchenförmigen Körper zu umgreifen. Da der Verlauf dieser Nerven uns spezieller interessiert, will ich versuchen, einen allgemeinen Überblick über sie zu geben. Die Körperteile und Organe, die bei der Innervierung in Betracht kommen, sind folgende: Muskulatur, Endostyl, Tast- und Haftorgane, Leuchtorgane. Am vorderen Körperabschnitt handelt es sich um Ingestionsöffnung, Riechorgan, Flimmerband, am hinteren um Ege- stionsöffnung, Eingeweide und andre Organe (Herz). Eine unzweifelhafte Innervierung der Muskulatur zu finden, ist mir trotz aller Bemühungen nicht oelungen. Nur in einem Falle, bei 398 Gerhard Dober, Salpa fhgeJh'fera sol. (Fig. 29) schien es, als ob ein sehr feiner Nerv in einer Zelle, die sicli flach an den Muskel anlegte, endigte. Diese einzige Beobachtung kann indessen keine allgemeine Geltung beanspruchen, da ich die Nerven, und auch die feinsten Nerven, stets über die Mnskel- bänder habe hinweg verfolgen können, wie es die Abbildung Fig. 3 a von einem Teile des Segelmuskels A^ und seiner Innervierung bei Salpa finnata sol. veranschaulichen mag. Apsteix (Südpolar-Expe- dition, 1906, S. 186) schreibt über die Innervierung der Muskulatur: »An die Muskeln treten sie (die Nerven) vermittelst sehr feiner Fasern heran, die sich vermutlich zahlreicher finden als es mir gelang, sie nach- zuweisen. « Damit wird aber ebensowenig die Innervation der Muskeln bewiesen, als wenn Leuckaht (S. 23) »das terminale Verhalten der Muskelnerven an dem Musculus levator der Oberlippe (bei Salpa mucro- nata) schön und bestimmt beobachtet« hat. Der betreffende Nerv soll »ohne weiteres mit der Substanz des Muskels verschmelzen «. Ich habe zwar auch einen Nerven beobachtet, der an den Aufhebemuskel heran- tritt, vermag aber über die Innervierung keinen Aufschluß zu geben. Die Vermutung dürfte nahe liegen, daß bei den Salpen ähnliche Ver- hältnisse wiederkehren, wie bei den Mollusken. Borx (S. 11:6) nämlich berichtet in seiner Ai'beit über die feinere Anatomie der Phyllirlioe hucephala: »Die Teiläste der Hauptnervenstämme der PhijUirhoe bilden zahlreiche Anastomosen untereinander, und es kommt so ein aus unregel- mäßigen Maschen bestehendes Nervennetz zustande, welches sich über den ganzen Körper ausdehnt, besonders aber in den hinteren Regionen wohl ausgebildet ist.« Diese Tatsache erinnert lebhaft an das Auf- treten von Nervennetzen, die im speziellen Teil besonders noch dar- gelegt werden sollen, bei unsern Salpen (Salpa pinnata und Salpa con- joederata). Kernhaltige Ganglienzellen, die Born beschrieben und z. B. auf Taf. VII, Fig. 1 und 5 abgebildet hat, habe ich allerdings nicht entdecken können. Indessen möchte ich doch nicht bezweifeln, daß ebenso bei den Salpen wie nach Borxs Annahme bei PJujUirhoe (S. 149) die »Muskel- und Nervensubstanz direkt aneinander gelagert« ist. Diese Vermutung aber bedarf noch des scharfen Nachweises. Was die Inner\äerung des Endost vis betrifft, so ist sie bereits Mül- ler (1852) bekannt gewesen. Er schreibt (S. 59) : »In das vordere, dickere Ende des Organs (Längsrinne) sieht man auch Nerven treten.« Diese Angabe ließ sich auch leicht bei der Untersuchung von Salpa pinnata sol. und greg., S. confoederata greg., S. cijlindrica greg., *S. mu- cronata sol. und greg. und S. flagellifera sol. mit Sicherheit bestätigen. Nach meinen Beobachtungen treten aber nicht nur an das vordere Beiträge zur Kenntnis des Xer\ensy6tems der Salpen. 399 Ende des Endostyls Nerven heran, sondern auch an andre Stellen, z. B. bei Sal'pa jnnnata sol. zwischen dem ersten und zweiten Körper- muskel. Verfolgt man indessen die Nerven genauer, so ergibt es sich, daß sie den Endostyl kreuzen, ohne in ihn einzudringen und in seinen Zellen zu enden. Daß die Nerven an die Haftorgane, die z. B. die gregate Form von Sal'pa confoederata trägt, herantreten, ist der Beobachtung unschwer zugängig. Auch in diesem Falle vermochte ich keine Nervenendigungen nachzuweisen. Dies betrifft ebenso die Tastorgane wie andre Körper- fortsätze der Salpen, deren Inner\äerung man nur vermuten kann. Allerdings ist es Ussow (1876) geglückt, einen Nerven bis zu Beginn eines Körperfortsatzes von Salpa mucronata greg. zu verfolgen, wie es die Fig. 49 auf Taf. VII zeigt. Wie aber die Innervierung vor sich geht, ist auch hier nicht scharf dargelegt worden. Daß eine Iniier\äeruiig der Tastorgane stattfinden muß, läßt sich aus der gToßen Zahl von Nerven erschließen, welche bei Salpa Henseni sol. gegen die zahlreichen Tastorgane ausstrahlen. Wenden wir uns jetzt zu den Leuchtorganen (Seitenorgane), die von Meyex (1832) für Ovarien, von Müxlee (1852, S. 61) für Harn- organe gehalten wurden. Vogt (1854) brachte sie anfangs in Zusam- menhang mit der Fortpflanzung (S. 22 »j'avoue que je cherchais d'abord dans cet organe des relations avec les fonctions de reproduction«). Später aber betrachtete er sie als eine pigmentäre Anhäufung (S. 23 »Je considere donc cet organe uniquement comme un depot pigmen- taire . . . «). Solche Organe besitzen nur einige Cyklosalpen. Hier hatte ich das Glück, eine Inner^derung nachweisen zu können. Eine genauere Beschreibung wird bei Salpa pinnata sol. im speziellen Teil gegeben werden. Ohne Zweifel erfährt die reichste Innervation die Ingestions- und die Egestionsöffnung. Der dorsale, wie der ventrale Teil der Öffnungen werden durch sich fein verzweigende Ästchen stark iniier\'iert. Abbil- dungen (Fig. 3 a, 27 und 39), die im zweiten Teil eingehender erläutert werden sollen, zeigen die bis zur Ingestionsöffnung ausstrahlenden Nerven. Von Sinneszellen, ähnlich denen, wie sie Lahille (S. 22, Fig. 10 »la face externe des cellules sensitives est hemispherique et Supporte un eil rigide, dresse, deux fois plus long qu'elles«) beschreibt, habe ich nichts sehen können. Ebeaso sind mir auch die Tastkörperchen Ussows (1876, Taf. VII, Fig. 45) für Salpa pinnata verborgen geblieben. Es mag sein, daß man an ganz frischem Material derartige Beobachtun- gen leichter anstellen kann. 400 Gerhard Dober, Vor dem Nervenknoten, ihm bald mehr oder minder genähert, liegt das Kiechorgan. Dies Organ erregte immer ganz besonders die Aufmerksamkeit der Salpenforscher. Cuvier (1804) beschrieb es als »einen kleinen unregelmäßigen Ring von gefäßartiger oder nervöser Beschaffenheit«, während Chamisso (1819) es als einen Nervenapparat ansah. Als Respirationsorgan wurde es von Meyen (1832, S. 382 »Wir wollen diese geschlängelte Figur den Respirationsring nennen«) erklärt. HuxLEY (1851) aber war der erste, der in diesem Organ ein Geschmacks- organ ( »ciliated fossa «) vor sich zu haben glaubte. Wie Huxley (S. 571 »two delicate branches forward to the languet«) sah auch Müller (1852, S. 58) nach dem »fraglichen Organ« Fäden vom Nervencentrum aus verlaufen. Auch Leuckart (S. 27 und 28) entgingen diese Fäden nicht. Doch beobachtete er, daß sie sich über das von ihm als Flimmer- grube bezeichnete Organ hinaus verfolgen ließen. Dennoch zweifelte er nicht an einer Innervierung durch vielleicht ganz feine Nerven. Er glaubte diese Flimmergrube als Geruchsorgan deuten zu dürfen. Seitdem wird sie fast von allen Forschern für ein solches gehalten, mit Ausnahme jener (Vogt, S. 29 u. a.), die sich einer Deutung enthalten. Ich nenne dies Organ auf Grund der neueren Untersuchungen von Brooks (1893), Metcalf (1900, »Ciliated Funnel«) auch Geruchsorgan. Eine Innervierung, die Ussow (1875, S. 7), der geradezu von einem »Nervus Olfactorius« spricht, Brooks und Metcalf (1900, S. 552) gesehen haben, habe ich nicht konstatieren können. Zwar hatte es oft den Anschein, als ob ganz feine Nervenästchen vom Hauptstamme nach dem Organ hin verliefen. Die Art und Weise der Innervierung aber war nicht zu ergründen. Dies eine nur habe ich mit Gewißheit immer sehen können, daß die Nerven vom Nervencentrum sich meistens durch das Organ nach der Ingestionsöffnung gut erkennen lassen. Zuweilen findet man, daß vom Nervencentrum im eigentümlich ge- schlängelten Verlauf ganz feine Nerven ausgehen, deren Ende man auf der Ventralseite des Flimmerbandes vermuten möchte. Ebenso wenig wie hier vermochte ich bei der Untersuchung der übrigen Organe der Salpen scharf eine Innervierung zu erweisen. Leuk- KART (S. 21) hat auf eine Innervierung des Eingeweides hingewiesen. Eine Innervierung durch starke Nerven findet meines Erachtens nicht statt. Daß die Organe aber mit Nerven versorgt werden, läßt sich immer nur aus dem Grunde annehmen, weil die Nerven sich bis in ihre Nähe verfolgen lassen, dann aber meist im Gewirr von Fasern an diesen undurchsichtigen Stellen sich dem Auge entziehen. Die Betrachtun«; über den Verlauf der Nerven und über die Inner- Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 401 vierung der Organe dürfte damit erledigt sein. Ein exakter Beweis für eine Innervierung konnte leider nur in ganz vereinzelten Fällen geliefert werden. Das Kapitel über Nervenendigungen ist eben nicht allein bei den Aszidienforsebungen (Loklebekg, S. 241), es ist auch bei den Salpenforschungen das »Schmerzenskind« von jeher gewesen. Solange es an geeigneten Untersuchungsmethoden fehlt, die endlich einmal alles klar zutage fördern, muß man sich immer noch mit Ver- mutungen begnügen, daß die Organe mit Nerven versorgt werden. II. Spezieller Teil. Sal-pa pinnata sol. (Taf. XXIV u. Textfig. 1 — 7). An der Westküste Afrikas während der Fahrt von der Kongo- mündung nach der großen Fischbai bei Station 74 im Südäquato- rialstrom ist auf der deutschen Tiefsee-Expedition am 8. Oktober 1898 die zur folgenden Untersuchung verwendete Salpa pinnata sol. mit dem Vertikalnetz gefangen worden. Der Erhaltungszustand dieses Exemplares war ausgezeichnet, so daß die Nerven, die außerdem infolge der Konservierung mit Chromosmiumessigsäure sehr deutlich zu er- kennen waren, recht gut verfolgt werden konnten. Auch die Größe des Tieres, 26 mm, ließ es als Flachpräparat zur mikroskopischen Untersuchung vorzüglich erscheinen. Das Nervencentrum Z bildet imgefähr den Mittelpunkt in dem Viereck, das aus den dorsalen Enden der beiden Bogenmuskeln C (Be- zeichnung von Streiff, S. 12) und des ersten Körpermuskelpaares (1) entsteht. Bereits 1804 hat Cuvier (S. 371) bei der Untersuchung von Salpa cristata, die nach Traustedt (S. 389) mit Salpa pinnata identisch ist, ein Nervensystem vermutet. Eschscholtz (1825) war es endlich ge- lungen, diese Vermutung zu bestätigen. Er hat, wie schon erwähnt, bei Salpa caudata (nach Traustedt gleich Salpa pinnata) sogar zwei Nervenknoten gefunden, die deutlich mit ausstrahlenden Nerven ge- zeichnet und im Texte folgendermaßen beschrieben worden sind (S. 739) : » Über der Speiseröhre vor dem vorderen Kiemenende sieht man einen Nervenknoten, der viele feine Fäden abgibt, die man aber nicht ver- folgen kann. Ein zweiter Nervenknoten t^ liegt unter dem Grunde des Magens.« Nie hat man aber diesen zweiten Nervenknoten ^^ »unter dem Grunde des Magens« wieder entdeckt. Das Nervencentrum unsrer Art ist kugelig (Fig. 1). Wenn Vogt es unregelmäßig abgerundet nennt (1854, S. 16 »une forme irregulierement arrondie«), so dürfte wohl die Konservierung solche Unregelmäßigkeiten 402 Gerhard Dober, keiten verursacht haben. Es ist in eine Hülle H (Fig. 1), die sich beim Präparieren leicht zerstören läßt, eingeschlossen. Dicht liegt das huf- eisenförmige Auge Au der dorsalen Seite des Hirns auf, so daß man von einer Innervierung des Sehapparates ohne weiteres nichts bemer- ken kann. Das Gehörorgan G liegt mit seiner Basis ventral dem Gehirne unmittelbar an, »während die spiralförmig gewundenen, von ihrer Spitze ausmündenden Kanäle mit breiter Öffnung in den Kiemencylin- Textfig. 1. Salpa pinnata soL, Nervencentrum. der münden« (Ussow, 1875, S. 8). Ussow hat sogar »sowohl in den Gehörbläschen selbst als auch in deren Kanälen eingeschlossene (bei Salpen) kalkige, glänzende Otolithen von sehr verschiedener Zahl« (S. 8) gefunden. Obwohl er schreibt, »daß bei den Salpen die Zahl recht bedeutend« ist, habe ich keine Spur von Otolithen entdecken können, die offenbar durch die Konservierung des Materials aufgelöst wurden. Otolithen werden in den Arbeiten von Bkooks (1893, S. 346, »d = lateral duct of the subneural gland«) und von Metcalf (1900, pl. 38, fig. 58, »neural gland«) nicht erwähnt, obwohl sie das Organ Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 403 einer mikroskopischen Untersuchung auf Schnitten unterzogen haben. Sollte es sich nun wirklich hier um ein Gehörorgan handeln (Metcalf 1900 nämlich betrachtet dies Organ als ein Lymphgefäß [»lymph gland«, S. 553], da er Blutkörperchen, allerdings nur einmal darin be- obachtet hat), so möchte ich kaum daran zweifeln, daß dies Organ durch kurze Nervenfasern innerviert wird. Textfig. 2. Salpa pinnata sol. n, Xervenstrang; ä«, Kiemennerv (?). (Oc. 3, Ob.-C). Wie schon im allgemeinen Teil erwähnt, habe ich eine Kiemen- innervierung nicht feststellen können. Immerhin sei hervorgehoben, daß ein feiner Nerv Kn zu den Kiemen zieht (Fig. 2). Was die Zahl der anfangs horizontal vom Centrum aus verlaufen- den Nerven betrifft, so sind es, die feinsten Nerven eingeschlossen, 36 Nerven, die sowohl von der rechten, wie von der linken Seite des Hirns ausgehen. In der Hauptsache sind sie symmetrisch angeordnet. Eine Asymmetrie wird freilich durch die Verschiedenheit in der Stärke der Nerven und durch den Umstand, daß sie bald getrennt, bald aus Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 27 404 Gerhard Dober, Q^A-^^c:?— . ^k^MtiB^-Aif^Mm^j^r Ymfim^)^ f>,ff'iVi^':.v r'tp%^'im,»:mMf-A^mti; r jf «» »j- Ä'jR>/„; — I -Z Textfig. 20. Salpa amboinensis sol. von oben. 1 : 5. Textfig. 21. Salpa amboinensis sol. Nervencentrum. ich entsprechende drei Nerven nicht beobachtet. — Die Muskulatur ist trotz der geringen Nervenzahl sehr stark ausgebildet (Fig. 22). Sal'pa asymmetrica greg. (Textfig. 24). Station 49, Guineastrom. — Größe : 5 mm. FowLER (pl. L, figs. 5 — 8), der diese Art zuerst beschrieb, behan- delte diese Species nur morphologisch. Das Nervensystem hat er un- berücksichtigt gelassen. Wegen zu starker Schrumpfung ließen sich die Tiere nicht zu Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 419 Flachpräparaten verwenden. Doch habe ich das Centralganglion unter- suchen können und fand dabei als einzig dastehenden Fall, daß die Nerven als feine Fäden von zipfelförmigen Anhängen am Hirn, in denen Kerne deutlich sichtbar waren, ausgingen (Fig. 24). Salpa mucronata sol. (Textfig. 25), Station 100, im Agulhasstrom. — Größe : 8 mm. Diese Salpenspecies ist am häufigsten vertreten und daher auch in der Literatur am meisten behandelt worden. Bereits Savigny (1816, Taf. XXV) hat den Nervenknoten, aber ohne Nervenfäden bei Jasis cylindrica, die mit unsrer Art identisch sein soll, gezeichnet. -z /Ru Textfig. 22. Salpa hexagonasol., von oben. 1 : 4. Textfig. 23. Salpa Jiexagüiia sol., Nervencentrum. Das Nervencentrum (Fig. 25) mit dem hufeisenförmigen Auge liegt fast an der Grenze des vorderen Körper vierteis. Es entsendet im ganzen 24 Nerven. Leuckart (S. 22) gibt an, daß er nur acht Nervenpaare gesehen habe. Zwölf Nervenpaare dagegen zählen Vogt und Yung (S. 272). Jedenfalls steht fest, daß die Anzahl variiert. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 28 420 Gerliard Dober, Schnitte durch das Nervencentrum findet man bei Brooks, der auch die Innervierung des Riechorgans abgebildet hat. Ich selbst habe gerade bei dieser Form ebenfalls gesehen, daß ein äußerst feiner Nerv Textfig. 24. Salpa asijmmetrica greg., Xerveiicentrum. 10 T, Textfig. 25. Salpa mucronnta sol., Nervencentrum. nach dem Riechorgan vom ersten Hauptnerven sich abzweigte. Vogt und YuNG (S. 272) haben nach ihren Angaben keine Abzweigung konstatieren können. Die Nerven erstrecken sich, ohne sich wesentlich zu teilen, nacli den Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 421 Organen und der Muskulatur hin. Letztere ist von Streiff (S, 38) ausführlich untersucht worden. Salfa mucronata greg. (Textfig. 26 und 27). Ville-Franche, 30. April 1910. — Größe: 7 mm. Von dem Nervencentrum (Fig. 26) mit seinen drei Augenflecken, in der Mitte zwischen Körpermuskulatur und Ingestionsöffnung gelegen, strahlen ungefähr 20 Nerven aus. Man sieht es umschlossen von einer Hülle H. Bei dieser Art habe ich mehrere Exemplare, möglichst von einer Kette, zunächst längs des Endostyls und dann direkt vor, bzw. hin- j ter dem Nervencentrum quer durchschnitten. Auf diese Weise ffelans es — ~^- z Textfig. 26. Salpa mucronata greg., Xervencentruni. Textfig. 27. Salpa mucronata greg.. Inner- Vierung der Ingestionsöffnung (V. 250). mir, wie schon im ersten Teil erwähnt, Flachpräparate, fast frei von Falten, herzustellen, an denen sich die Nerven vom Hirn aus über den Körper hin recht gut verfolgen ließen. Der Verlauf der Nerven gleicht dem der solitären Form. Im wesentlichen stimmt er mit der Beschreibung von Leuckart (S. 22) überein, nur daß die Innervierung bestimmter Muskeln — ich konnte z. B. bestätigen, daß an den Musculus levator (Leuckart, S. 23) ein Nerv herantritt — sich nicht ermitteln ließ. Was speziell die Muskulatur der Ingestionsöffnung anbelangt (Fig. 27), so teilt sich der zu ihr verstreichende Nerv, zieht über den Muskel hinweg und strahlt anscheinend in eine tripolare, kernhaltige Ganglienzelle aus, ähnhch der, die Ussow 1876 (Taf. VII, Fig. 48) als » quadripolare Nervenzelle « bei Salpa maxima sol. beobachtet hat. Diese 422 Gerhard Dober, Beobachtung ist indessen nur einmal gemacht worden. — Die Nerven nach dem äußeren Rande der Ingestionsöffnung werden so dünn, daß man die Art und Weise der Innervation nicht erlcennen kann. Salfa jJagellifera sol. (Textfig. 28 und 29). Station QQ, Westrand des Benguelastroms. — Größe : 27 mm. Bei dieser sehr seltenen Form, die aber auf der deutschen Tiefsee- — /iu Textfig. 29. Salpa flagellifera sol., lunervieniiig eines Muskels (V. 2250). Textfig. 28. Sal2}a flar/ellifcra sol., Xerveiifentrura. expedition in großen Mengen gefangen wurde, liegt das Nervencentrum mit dem dreiteiligen Auge (abweichend von der Hufeisenform der solitären Salpe) ungefähr im vordersten Sechstel des Körpers. Von ihm strahlen 25 Nerven aus (Textfig. 28), die sich, nahezu ungeteilt, über den ganzen Körper hin ausbreiten. Vermutlich werden die beiden Körper- fortsätze nach dem Endabschnitte zu inner- viert. — Anastomosen waren nicht zu finden. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 423 Fig. 29 zeigt einen an den Muskel herantretenden Nerv, der an einer kernhaltigen Zelle endet, die sich flach an den Muskel anlegt. Vielleicht handelt es sich um eine Muskelinnervierung. Salpa confoederata sol. (Textfig. 30). Station 261, auf der Grenze zwischen kaltem Küstenwasser und Monsunstrom. — Größe : 55 mm. Das Nervencentrum, an der Grenze des vorderen Körperviertels gelegen, entsendet 71 Nerven (Fig. 30). Es ist auffällig, daß diese Form, der die größte Zahl von Nerven zukommen, eine nur schwach entwickelte Textfig. 30. Salpa confoederata so!., Xervencentrum. Muskulatur aufweist. Wegen der Größe des Tieres und wegen der Dicke des Mantels ließ sich eine spezielle Untersuchung schwerlich vorneh- men. Dennoch habe ich konstatieren können, daß Anastomosen durch- aus nicht so reichlich auftreten, wie bei Salpa pinnata sol. Die Gehör- organe setzen sich in kurzen Schläuchen dem Hirn an. Salpa confoederata greg. (Textfig. 31 — 34). Station 263, auf der Grenze zwischen kaltem Küstenwasser und Monsunstrom. — Größe 23 mm. 424 Gerhard Dober, Das Nervencentrum liegt an der Grenze des vorderen Körperdrittels. Es ist von einer Hülle umgeben und sendet 43 Nerven aus (Fig. 31). Salpa confocderafa (jreg., (23 mm), Nervencentniii). ^7 ^^7^^<^ Textfig. :32. Salpa confocderata yrcg., (6 mm), Xerveiiceiitnim. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salijcn. 425 Der Verlauf der Nerven, der auch von Apstein (deutsche Südpolar- Expedition, S. 184) untersucht worden ist, zeigt ganz besonders am Endabschnitt des Körpers Kreuzungen und Anastomosen (Fig. 34). Textfig. 33. Salpa confoederata soL, (jrey., (60 mm), Xervenceiitnim, Textfig. 34a u. b. Salpa confoederata greg., a, Nervenkieuzuiig; b, Anastomose. (Comp.-Oc. 13, Ob. C). 426 Gerhard Dober, Insbesondere kann man deutlich erkennen, daß die nach hinten verstreichenden Fasern über den quer verlaufenden liegen: ein Verhalten, das bei allen andern von mir unter- suchten Arten selten oder gar nicht zu bemerken ist. Das jüngere, 6 mm große Tier, zeigt gleichfalls — wenn auch nicht so häufig wie bei dem älteren — - Anastomosen und Kreuzungen der Nerven. Schon 1815 wurde durch Savigny diese Art untersucht. In seiner Zeich- nung (Taf. XXIV), in der das Tier als Flachpräparat dargestellt wurde, ist der Nervenknoten für Pegea octo- jera { = Salpa confoederata) , aber wieder ohne Nerven, angegeben. Salpa zonaria, sol. (Textfig. 35 und 36). Station 214, im Monsunstrom. — Größe : 35 mm. Das Nervencentrum liegt nahezu an der Grenze des vorderen Körper- viertels. Das Auge auf dem Hirn kann, wenn man bei dem Bilde bleiben will, mit einem auseinander gebogenen Hufeisen verglichen wer- den. Der rechten, wie der linken Seite des Hirns setzt sich ein Organ an, vielleicht dasselbe Gebilde, das Meto ALP (1895) bei der gregaten Form »the lateral outgrowth« (S. 334) nennt. 48 Nerven gehen vom Centrum (Textfig. 36), das geradezu in einer Kapsel eingeschlossen liegt, aus. So weit, als es mir möglich war, habe ich sie an dem nur in einem Exemplar vorhandenen, prächtig erhaltenen Objekte verfolgt, wobei es Textfig. 35. Salpa zonaria sol.. von oben. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 427 mir gelungen ist, nach der Egestionsöffnung zu Nervenkreuzungen und Anastomosen festzustellen (Textfig. 35). Salpa zonaria greg. (Textfig. 37 und 38). Station 223, westliche Grenze zwischen Gegenstrom und Süd- äquatorialstrom. — Größe : 20 mm, mit Anhang 25 mm. Auch hier liegt das Nervencentrum an der Grenze des vorderen Körper vierteis. Das einzige Exemplar ist ebenso ausgezeichnet, wie z - Textfig. 36. Salpa zonaria soL. Xervenceutrum. die solitäre Form erhalten. Deutlich setzt sich das kugelförmige Auge Au vom Hirn ab. Zu beiden Seiten des Hirns liegen annähernd dreieckige, kernhaltige Gebilde, von denen je ein Nerv abgeht. Heedmann 1888 (S. 72) hat dies Organ, das man bei den andern Salpen niemals findet, bei Salpa nitida ( = Salpa zonaria, nach Ihle) gesehen und beschreibt es folgender- maßen: »On one of the smaller nerves springing from one side of the ganglion a small rounded mass is placed«. Metcalf (1895) teilt sogar mit, daß Nerven nach diesem Organe hin verlaufen (S. 334, »nerves connecting the lateral outgrowth with the ganglion«). Wohin die vom Organ ausgehenden Nerven verlaufen, habe ich nicht feststellen können. 428 Gerhard Dober, Das »eigenartige Organ« an den beiden Körperenden, auf das Ap- STEiN (Südpolar-Expedition, S. 183) aufmerksam macht, habe ich nicht entdecken können. Dies dürfte sich vielleicht aus dem Größen-, bzw. Altersunterschied der Objekte erklä- ren. Apstein diente ein junges, 9 mm großes Individuum zur Unter- suchung, während mein Exemplar die Größe von 20 mm hatte. Anastomosen und Nervenkreu- zungen wurden, im Gegensatz zur solitären Form, nicht gefunden. Recht auffällig ist im Gegen- satz zu sonstigen Salpen die strenge Symmetrie, welche bei der Anord- nung der 32 Nerven nach Zahl und Stärke sich geltend macht. Nach der Ingestionsöffnung zu verlaufen zwei Paar besonders starke Nerven, von deren erstem Paare je ein feiner Nerv sich abzweigt. Dann folgen drei Paar Nerven, die seitlich ver- laufen, und schließlich drei Paar Nerven, die sich nach der Egestions- öffnung zu erstrecken. Unter diesen letzteren zeichnet sich das mittlere Paar durch besondere Stärke aus (Textfig. 38). Salpa Tüesii greg. (Textfig. 39). Station 173, zwischen Trift der Westwinde und Südäquatorialstrom. — Größe: 7,5mm, junge Kette. Vom Nervencentrum , an der Grenze des vorderen Körperdrittels gelegen, gehen gegen 31 Nerven aus. Die Zahl ist jedoch nicht sicher, da das Präparat die Nerven nicht gut erkennen ließ. Am besten habe ich die gegen die Ingestionsöffnung ausstrahlenden Textfig 37. Salpa zonaria (/reg., von oben. 1 : (>. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 429 /iu- z- Textfig. 38. Siilpa zonaria greg., Nervencentnim. xr r^^ VZ.'":-'^- -vi-.. w:. Textfig. 39. Salpa Tilesii greg., Innervierung der lugestionsöffnung. (Comp.-Oc. 2, Ob. C. Textfig. 40. Salpa magalhanica soL, von oben. 1 : 6. 430 Gerhard Dober, Nerven verfolgen können. Eine Innervierung des Kandes der Ingestions- öffnimg stellt Fig. 39 dar. Die Nerven verlaufen über die stark pig- mentierte Tunika und treten, ohne feiner und dünner zu werden, an den äußeren Rand heran. Salpa magalhayiica sol. (Textfig. 40 und 41). Station 118, auf der Grenze zwischen Agulhasstrom und Benguela- strom. — Größe: 15 mm. Das Nervencentrum (Textfig. 41), in einer Hülle eingeschlossen, Textfig. 41. Salpa magalhanica sol., Xervenrentruni. liegt an der Grenze des vorderen Körperviertels. Sein hufeisenförmiges Auge Äu ist deutlich zu erkennen. Von den 32 Nerven sind die nach der Egestionsöffnung zu gerich- teten am stärksten ausgebildet. Eng legt sich bei dem einzigen, wohl erhaltenen Exemplare der äußere Mantel an (Fig. 40). Salpa Henseni sol. (Textfig. 42 und 43). Station 235, Südäquatorialstrom. — Größe: 15 mm. Diese Art ist die einzige Salpe, die eine kugelige Körperform (Fig. 42) Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 431 aufweist. Das Nervencentrum mit seinem hufeisenförmigen Auge lieo't in der Nähe der Ingestionsöffnung und sendet etwa 55 Nerven nach allen Seiten hin aus (Fig. 43). Textfig. 42. Salpa Henseni sol., von oben. 1 : 5. Die Muskulatur ist so schwach ausgebildet, daß die Nerven nicht aliein zu ihrer Innervierung dienen können. Wenn sie trotzdem in rei- cher Zahl vertreten sind, so dürfte dies durch die auffällig langen und 432 Gerhard Dober, zahlreiclien Tentakeln bedingt sein, welche offenbar — ich habe dies freilich nicht direkt verfolgen können — ■ von Nerven versorgt werden. Salpa Henscni greg. (Textfig. 44 und 45). Station 239, Südäquatorialstrom. — Größe: 13mm, Das Nervencentrum (Textfig. 45) mit seinen zwei Augenflecken, in Textfig. 43. Salpa Henscni soL, Xerveiicentniiii. einer Hülle eingeschlossen, liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem ersten Körpermuskel und der Ingestionsöffnung. Zu beiden Seiten des Hirns machen sich zwei bläschen- förmige Gebilde bemerkbar, die vielleicht als Gehörorgane (G) zu deuten sind. Die Nerven, 25 an Zahl, versorgen vermutlich außer den Muskeln auch die beiden Körperfortsätze. Meist sehr dünn und zart verlaufen sie, nahezu ungeteilt, über den Körper nach den verschiedenen Or- ganen (Textfig. 44). IM. Vergleichender Teil. a. Vergleich der Nervensystems der Salpen untereinander. Weniger Wichtiges, aber doch immerhin Interessantes bietet die Betrachtung, wie sich die Größe des Gehirnes zur Größe des Tieres Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 433 Text f ig. 44. Salpa Benseni gre(j., von oben. 1 : 7. 434 Gerhard Dober, verhält. Für die natürliche Größe des Hirns habe ich allerdings nur das Verhältnis, in dem die Nervencentren zueinander stehen, in Zahlen angegeben. Wenn Quoy und Gaimakd schreiben, so haben sie gewiß recht, daß das Nervencentrum größerer Salpen verhältnismäßig nicht viel größer wird, als es bei jungen Salpen bereits ist (S. 566). Im großen und ganzen handelt es sich um geringe Größenunterschiede, die immer- hin auf meinen bei gleicher Vergrößerung (Zeiss, Comp. Ocular 2 und Objektiv C) mit dem Zeichenapparat entworfenen Figuren deutlich hervortreten. Textfig. 45. Salpa Hcnseni grey., Xervencentruni. Was ich in Hinsicht airf Hirn- und Indi\'iduengTÖße habe kon- statieren können, ist folgendes : Mit der Größe des Individuums nimmt auch die Größe des Nervencentrums zu, wie es z. B. bei Salfa pitmata sol. und Salpa confoederata greg. klar ersichtlich ist. Der Längsdurch- messer des Hirns der Salpa pinnata sol. von 60 mm Größe verhält sich zum Längsdurchmesser des Hirns derselben nur 26 mm großen Art etwa wie drei zu zwei. Ahnliches zeigt sich bei Salpa confoederata greg., deren Längsdurchmesser des Gehirns bei einem 60 mm langen Tiere sich zu dem eines 23 mm langen Tieres wie zwei zu eins verhält (Fig. 31 und 33). — Es ist ja schließlich selbstverständlich, daß mit der Größe des Tieres auch die Hirngröße zunimmt. Im jugendlichen Zustande scheint dies indessen nicht so merklich der Fall zu sein. Ein 6 mm langes Individuum von Salpa confoederata greg. hat ziemlich die gleiche Hirngröße wie ein 23 mm lanaes. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 435 Bedeutungsvoller scheinen nun die Unterschiede in der Größe des Nervencentrums bei der solitären und gregaten Form zu sein. Im all- gemeinen ergibt es sich, daß die solitäre Form ein wohl entwickelteres, größeres Hirnganglion aufweist, als die gregate. Bei einer 25 mm großen Salpa pinnata sol. verhält sich der Längsdurchmesser des Hirns zu dem der Kettenform von gleicher Größe etwa wie 34 zu 27. Ähn- liche Verhältnisse ließen sich bei fast sämtlichen Salpen nachweisen, deren beide Generationen mir zur Verfügung standen. Diese charakteristischen Unterschiede zwischen solitärer und gre- gater Form treten nicht nur in bezug auf Hirngröße hervor, sondern noch sinnfälliger bei Betrachtung der Nervenanzahl. Eine Salpa pin- nata greg. von 45 mm Größe zeigt 49 Nerven, während vom Nerven- centrum einer nur 26 mm großen Salpa pinnata sol. nicht weniger als 72 Nerven ausgehen. Die nachfolgende Tabelle mag dies Verhalten bei verschiedenen Arten demonstrieren: Salpa : Größe in mm Nervenanzahl fusijormis sol. 8 31 » greg. 30 24 rmccronata S3l 8 24 » greg. 7 20 confoederata sol. 55 71 » greg. 60 51 zonaria sol. 35 48 » greg. 25 16 Henseni sol. 15 55 » greg. 13 25 Die größere Anzahl von Nerven bei der Ammenform dürfte gewiß durch die stärkere Entwicklung der Muskulatur bedingt sein. Damit aber ist nicht etwa gesagt, daß die stark muskulösen Salpen stets einen gut ausgebildeten Nervenapparat besitzen. Nicht weniger als 71 Ner- ven strahlen vom Hirn einer Salpa confoederata sol. mit schwach ent- wickelter Muskulatur aus. Eine auffallend stark entwickelte Musku- latur weist Salpa hexagona sol. auf, und doch zählt man hier nur 26 Nerven. Ferner unterscheidet sich die Muskulatur der solitären Salpa Henseni von der der gregaten Form derselben Art nur wenig in ihrer Entwicklung. Dennoch finden sich bei der Ammenform 55 Nerven, dagegen bei der Kettenform 25 Nerven. Die solitäre Form, die Trägerin der Kette, ist eben gegen äußere Reize und feindliche Angriffe auf sich allein angewiesen. Schon aus diesem Grunde dürfte ihr ein wohl aus- Zeitschrlft f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 29 436 Gerhard Dober, gebildeteres Nervensystem als der gregaten Form, bei der sich ein Reiz auf eine Gesamtheit von Individuen erstreckt, zukommen. Wenn bei den einzelnen Autoren eine verschiedene Zahl von Ner- ven angegeben ist, so mag der Grund darin liegen, daß in der Tat die Nervenzahl ebenso bei gleich entwickelten solitären Salpen, wie auch bei Individuen einer und derselben Kette Schwankungen unterliegt. Dies geht aus folgender Tabelle hervor: Salpa: Größe in mm Nervenanzahl pinnata sol. 26 72 » » 25 75 [ pinnata greg. 25 52 1 » » 25 54 [ asymmetrica gieg. 5 21 1 » » 5 20 ( mucronata greg. 7 20 \ » » 7 21 ( confoederctta gieg. 23 41 [ » » 23 43 [ » » 6 38 1 » » 6 43 Die Klammer bedeutet, daß die Individuen einer Kette angehören. In der Hauptsache aber wird durch so geringe Abweichungen die für die einzelnen Species charakteristische Nervenzahl nicht geändert. Z. B. weist die geringste Nervenzahl, nämlich 20 — 22, Salpa mucronata bei einer durchschnittlichen Größe von 7 mm auf. Die weitaus größeren Salpen, z. B. Salpa pinnata, S. affinis, S. confoederata zählen in der solitären Form etwa 70, in der gregaten Form gegen 50 Nerven. Die Bemerkung Leuckarts (S. 20), daß »im allgemeinen die Zahl dieser Nervenpaare mit der Größe der Tiere sehr beträchtlich zuzunehmen scheine«, bestätigt sich hiermit. Aber innerhalb derselben Art bleibt mit zunehmender Größe des Tieres die Anzahl der Nerven immerhin ziemlich konstant, wie aus folgendem ersichtlich ist: S. pinnata sol, (60 mm) mit 65 Nerven » » (26 mm) » 72 » S. confoederata greg. (60 mm) mit 51 Nerven » » (23 mm) » 41 » » » ( 6 mm) » 43 » Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen, 437 Die Nerven in einzelnen Gruppen zusammenzufassen, hält meines Erachtens ziemlich schwer. Im allgemeinen zerfallen die Nerven, wie auch Apstein (Südpolar-Expedition, S. 184) betonte, in zwei Gruppen- paare. Dies trifft besonders für Salpa pinnata sol. und greg., S. cylin- drica sol., S. mucronata sol. und S. confoederata sol. und greg. zu. Die Medianebene scheidet die Nerven in eine linke und rechte Hälfte, deren jede wiederum in eine vordere und hintere Gruppe zerfällt. Die Grenze zwischen der vorderen, nach der Ingestionsöffnung verstreichenden, und der hinteren, gegen die Egestionsöffnung gerichteten Gruppe wird durch das Gehörorgan markiert. Verfolgt man nun den äußersten seitHch verlaufenden Nerven (n) der nach der Ingestionsöffnung zu gerichteten Gruppe bei Salpa pin- nata sol. (Taf. XXIV, Fig. 2), so führt er bis etwa zum vierten (vielleicht auch fünften) Körpermuskel. Der entsprechende Nerv n läßt sich bei der gregaten Form derselben Art bis in die Nähe des vereinigten Bogen- muskel und Lippenmuskel ventralwärts verfolgen. Der entsprechende Nerv n tritt bei Salpa cylindrica sol. (Fig. 12) bis an den letzten, achten Körpermuskel heran, während er bei Salpa mucronata sol. (Fig. 25) und Salpa confoederata greg. das Vorderende des Endostyls innerviert. Charakteristische Nervengruppen, die nach bestimmten Organen hin- führen, dürften sich demnach schwerlich aufstellen lassen. Mit Rücksicht auf die Innervierung der einzelnen Organsysteme lassen sich dennoch folgende Gruppen bilden: 1. Dorsale Gruppe zur Ingestionsöffnung und zum Riechorgan. 2. Dorsale Gruppe zur Egestionsöffnung. 3. Ventrale Gruppe zur Ingestionsöffnung. 4. Ventrale Gruppe zur Egestionsöffnung und zu den Körper- muskeln. 5. Meist durch besondere Stärke ausgezeichnete Nerven zu dem Flimmerbogen, den Leuchtorganen, dem Bogenmuskel und dem Endostyl. 6. Laterale Nerven zu den Körpermuskeln, Leuchtorganen und dem Endostyl. Eine deutliche Gruppenbildung der Nerven vom Centrum aus ist allerdings nicht zu sehen. Ferner sind nur die wichtigsten und stärksten Nerven berücksichtigt worden. Folgende Tabelle gibt die den einzelnen Gruppen zugehörigen Ner- ven nach Anzahl und Reihenfolge an. Die Nerven wurden in der Reihe vom ersten dorsalen Ingestions- bis zum letzten dorsalen Egestions- nerven numeriert. 29* 438 Gerhard Dober, Salpa : 1. Gruppe 2. Gruppe 3. Gruppe 4. Gruppe 5. Gruppe 6. Gruppe Fig. 1. » 13. .) 17. 23.-27. 6.-7. |18.— 23. 20.— 23. 4.-6. 19.— 20. 19_21. 6.-7. |l5.— 18. 3_ 4. 21.— 23.1 6.-7. |l9.— 20. l'_5. 18.— 21.1 5.-7. 14.— 17 l._3. 15.— 18.| 4.-5. jl4.— 15. 7.— 14. pinnata sol. » greg- cylindrica sol. » greg jusiformis sol. » greg. » 19. mucronata sol. » 25. » greg. » 26. flagellifera sol. » 28. confoederata sol. » 30. „ greg. » 32. (6 mm) ), greg. » 31 (23 mm) Was die Anastomosen betrifft, so weisen sie die fast alle von mir „ntersuchten Salpen auf. Viel Anastomosen zeigen: Salpa jnnnaM^U S~*:<.a g'eg. und S. .o».„« sol., dagegen -igen -mger Sal^ pinnl greg., S. cylindrica sol. und gxeg., S. t^^^l^^^^^l^tl^^, S. iK^dliiera sol. und S. m^. sol. und greg. »^ f » '^'f »^^^ ten ^ten verlaufen die Nerven meist m gerader Richtung, naäezu uTgeXnaoh den Organen hin. - Nervenkreuzungen kon^e ich nur bei Saln confoederata greg. und S. zormr^ sol. konstatieren. b. Vergleich des Nervensystems der Salpen mit dem der anderen Tunikaten. In diesem Abschnitt seien einige Bemerkungen über den Vergleich des Nervensystems mit dem der übrigen Tunikaten nach fremden und Pifrenen Beobachtungen gegeben. ' marakterisLhL Merkmale, die alle Tunikaten mitemander «emein am haben, findet man bei Ussow, der bis jetzt die eingehendste E Xr eine vergleichende Darstellung des Nervensystems der men gab, bereits zusammengestellt. Was die Lage des Nerven- LTrums b triift, so schreibt Ussow (1875, S. 3): »Alle von mir unter suchten Manteltiere (die Appendikularienart ausgenommen haben len einzigen unpaaren Nervenknoten. ... Er liegt ^^^ts an der M.tte^- linie an der Eückenfläche der Manteltiere, unweit oder dicht am Hin aTge In die Atemhöhle. Sowohl der Nervenknoten als -h alle per - ;heischen Nerven befinden sich in der d^f^htigen Sch.M ^es Leren Mantels . . .« Hiermit stimmen in bezug auf die Aszidien Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 439 LoRLEBERGs Arbeit (1907, S. 217, »Das Hirngangiion liegt, wie bei allen Aszidien, innerhalb der primären Leibeshöhle in der Interoscular- zone, d. h. zwischen den beiden Körperöffnungen, und zwar in der Medianebene auf der Dorsalseite des Tieres«), und die Angaben Neu- manns (1906, Taf. XXIV) über Doliolum überein. Bei den Pyrosomen habe ich mich selbst von der Übereinstimmung mit den Salpen nicht nur in Hinsicht auf die Lage des Nervenknotens, auch hinsichtlich seiner histologischen Beschaffenheit überzeugen können. Die feinere Struktur des Gehirns mag überhaupt bei sämtlichen Tunikaten kaum wesentlich voneinander verschieden sein. Dafür sprechen außer den Mitteilungen Ussows (1875, S. 3, »die meistenteils multipolaren Nervenzellen liegen gewöhnlich schichtenweise im peri- pherischen Teile des Ganglion, während das Centrum desselben von ihren Fortsätzen, welche in der Richtung der Längenachse des Knotens verlaufen, ausgefüllt wird«) die Untersuchungen Lorlebergs über Aszidien (S. 218): »Es lassen sich zwei Schichten im Ganglion unter- scheiden: eine centrale und eine periphere. Die centrale besteht aus Nervenfasern, die periphere aus Ganglienzellen. « Für Appendikularien und Dolioliden dürfte, wie ja Ussow angibt, dasselbe gelten. Der Bau der Nervenstränge dürfte gleichfalls bei allen Tunikaten Übereinstimmung aufweisen. So habe ich beiPyrosomen und Salpen ähnliche Verhältnisse gefunden, wie sie Lorleberg für die Histologie bei Aszidiennerven schildert (S. 240) : »In histologischer Beziehung zeichnen sich die peripheren Nerven bei Styelopsis durch äußerst wirren Faserverlauf aus.« Allerdings ist nach meinen Beobachtungen diese faserige Struktur bei dünnen Nerven, die man meist nur als stark licht- brechende Linien sieht, nicht immer so gut zu erkennen, als bei starken Nerven. Dies dürften die Merkmale gewesen sein, die die Tunikaten in bezug aufs Nervensystem gemeinsam haben. Nun seien ebenso die Haupt- unterschiede des Nervensystems der Salpen von den übrigen Tunikaten hervorgehoben. Morphologisch unterscheidet sich das Hirn der Appendikularien von dem der Salpen durch seine spindelförmige Gestalt. Ein Strang gangliöser Knötchen, der bei den Appendikularien sich in den Ruder- schwanz hinein erstreckt, ist bei den Salpen, denen keine frei schwim- mende Larven zukommen, nicht ausgebildet. Das Aszidienhirn unterscheidet sich von dem der Salpen in seiner Gestalt dadurch, daß es einen »cylindrischen, in der Mitte spindelför- migen verdickten Strang« (Lorleberg, S. 217) darstellt. Sehr wahr- 440 Gerhard Dober, scheinlich dürfte es sein, daß die in Lorlebergs Arbeit erwähnten »Buccal- und Kloakalnerven « (S. 239) jenen Nervenbündeln der Salpen homolog sind, welche nach der Ingestions- und Egestionsöffnung zu verlaufen. Was ferner die Anzahl der Nerven betrifft, so zeichnen sich die Aszidien durch eine weit geringere Zahl aus. Während vom Salpen- hirn etwa 30 Paar Nerven im Maximum und acht Paar im Minimum ausgehen, so findet man bei den Aszidien zwei, höchstens drei Paar Nervenstämme. Lorleberg gibt z. B. für Styelofsis grossularia »je ein Paar vordere und hintere Dorsalnerven« und ein Paar »ventraler Nerven« (S. 239) an. Dabei fehlt jedoch den meisten Aszidien das ven- trale Nervenpaar (S. 222). Diese Angaben beziehen sich auf Monaszidien. Die Gestalt des Nervenknotens der Synaszidien wird allgemein als elliptisch oder ei- förmig bezeichnet (z. B. Herdmann, 1886 S. 20, »The nerve ganglion is usually elliptical in form. « — Maurice, S. 184, ». . . sa forme est celle d'un ovoide«). Dürfte hierin das Salpen- und Synaszidienhirn eine Ähnlichkeit miteinander aufweisen, so macht sich indessen der Unter- schied des Nervensystems in der geringen Nervenzahl bei den Synaszi- dien bemerkbar. Wie bei den Monaszidien innerviert ein vorderes Nervenpaar die Ingestionsöffnung. Ferner wurden zwei oder drei Paar Seitennerven und ein medianer, hinterer Nerv, der nach der Egestions- öffnung zu verläuft, beobachtet (Maurice, S. 234). Die Pyrosomen, die als gute Vorbereitung zur Untersuchung des Nervensystems der Salpen mich ziemlich lange Zeit in Anspruch ge- nommen hatten, unterscheiden sich in bezug auf die Gestalt des Gehirns von den Salpen dadurch, daß das Pyrosomenhirn nach vorn stumpf, nach hinten, nach der Egestionsöffnung zu, spitz zugeht. Im ganzen zählt man höchstens acht Paar Nerven, im Gegensatz zu den Salpen sehr wenig, indessen entsprechend zu der geringen Größe des Pyrosomenkörpers. Von diesen Nerven erstrecken sich vier Paar, die oft an der Basis verschmolzen sind, nach der Ingestionsöffnung, nach den Leuchtorganen und dem Endostyl und nach dem Flimmerband. Zwei Paar Nerven verlaufen über den Kiemensack, und die letzten zwei Paar, von denen ein Paar das Nervencentrum mit ziemlich kräftigen Wurzeln verläßt, ziehen sich dorsal über den Körper nach der Egestions- öffnung hin. Den genaueren Verlauf der Nerven findet man bei Neu- mann (Bronns Kl. u. Ord. des Tierreichs, S. 47) dargelegt, dem es ge- glückt ist, Muskelinnervierungen zu entdecken. Er schreibt (S. 55) : »Nach meinen Beobachtungen treten die betreffenden Nerven in den meisten Fällen ohne besondere Endapparate an die Muskelfasern heran, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 441 um mit ihnen zu verschmelzen. « Dann fährt er fort : »Die Nervenfasern treten senkrecht zur Längsrichtung des Muskel- und Mantelgefäßes an die Muskelfibrillen mit dreieckig-plattenförmigen Verbreiterungen, und zwar so, daß je eine Nervenfaser sich mit einer Muskelfaser ver- bindet (Taf. IV, Fig. 11). « Eine derartige Nervenplatte an den Muskeln ist mir bei den Salpen nachzuweisen nicht möglich gewesen. Die Leuchtorgane der Pyrosomen stellen, ebenso wie bei Salpa pinnata, eine Anhäufung von Zellen dar, die anscheinend auch ähnliche Beschaffenheit aufweisen mögen. Panceri (S. 32) charakterisiert diese Zellen als »kugelige Zellen ohne Kern, aber eiweißhaltig und in Äther löslich«, während Seeliger (S. 40) in den sphärischen Zellen einen »leicht nachweisbaren Kern« entdeckt hat, den ich bei Salpen nur in jenen Zellen, die mit einem Nerven in Zusammenhang standen, gefun- den habe. Eine Innervierung der Leuchtzellen bei Pyrosomen (P. giganteum) zu finden, ist mir nicht gelungen. DoHolum dürfte, was die Gestalt des Nervenknotens betrifft, den Salpen am nächsten stehen. Die Anzahl der Nervenfäden dagegen ist ebenso gering, wie bei den Pyrosomen. Ganz besonders auffallend aber ist die Symmetrie der vom Hirn ausstrahlenden Nerven (Neumann, 1906 Taf. XXIV), die ich bei den Salpen nur für Salfa zonaria greg. feststellen konnte. Die Lage des Nervenknotens scheint bei Doliolum keinem solchen Wechsel unterworfen zu sein, wie bei den Salpen (Leuckart, S. 19, »bei Doliolum rückt dieser Nervenknoten fast bis in die Mitte des Körpers«). Sinneszellen, wie sie im Mantel bei Doliolum vorkommen, wurden bei den Salpen nicht gefunden. Zusammenfassung : 1. Die Gestalt des Nervenknotens wechselt bei Salpen zwischen ovaler und kugeliger Form. 2. Die Lage des Nervenknotens bei Salpen wechselt; die Extreme finden sich bei Salfa amboinensis sol. mit ihrem dicht an der Ingestions- öffnung liegenden Nervenknoten und bei Salpa hexagona sol., wo er in die Mitte des Körpers rückt. 3. Die Größe des Hirns wächst mit der Größe des Tieres; kleinere Nervenknoten zeigt die gregate, größere die solitäre Form. 4. Die Salpen besitzen faserig aufgebaute, kernlose Nerven. Bei Salpa assymmetrica greg. sind an der Basis der Nerven Kerne vorhanden. 442 Gerhard Dober, 5. a) Die Anzahl der Nerven ist bei kleinen Individuen (z. B. Sal'pa mucronata mit etwa 20 Nerven) klein, bei großen (z. B. Salfa finnata sol. mit etwa 70 Nerven) groß. b) Die Anzahl der Nerven ist bei der solitären Form, als der Träge- rin der Kette, größer als bei der gregaten. c) Die Anzahl der Nerven variiert innerhalb derselben Species soli- tärer oder gregater Form, d) Die Anzahl der Nerven ist bei Salpen bei weitem größer als bei den andern Tunikaten. 6. Rechte und linke Seite des Hirns ist in bezug auf die Nervenzahl (mit Ausnahme von Sal'pa zonaria greg.) nicht symmetrisch, im Gegen- satz zu Doliolum. 7. Die Nervenzahl ist nicht direkt abhängig von der Muskulatur (z. B. Salfa hexagona sol., stark muskulös, mit 26 Nerven, und Salpa Henseni sol., schwach muskulös, mit 55 Nerven). 8. a) Mit Bestimmtheit ist die Innervierung der Leuchtorgane nachgewiesen. b) Nerven treten heran an die Ingestions-, Egestions- und Körper- muskulatur (Kontaktinnervierung?), an den Endostyl und das Riech- organ. 9. Anastomosen sind charakteristisch für Sal'pa pmnata, Nerven- kreuzungen für Salpa confoederata greg. und S. zonaria sol. Sonst findet sich bei den Salpen einfacher Verlauf der Nerven mit wenig Ver- zweigungen. 10. Mit Rücksicht auf die Inner\ierung der einzelnen Organ- systeme lassen sich die Nerven in folgende sechs Gruppen scheiden: 1. Dorsale Gruppe zur Ingestionsöffnung und zum Riechorgan. 2. Dorsale Gruppe zur Egestionsöffnung. 3. Ventrale Gruppe zur Ingestionsöffnung. 4. Ventrale ^Gruppe zur Egestionsöffnung und zu den Körper- muskeln. 5. Meist durch besondere Stärke ausgezeichnete Nerven zu dem Flimmerband, den Leuchtorganen, dem Bogenmuskel und Endostyl. 6. Laterale Nerven zu den Körpermuskeln, Leuchtorganen und dem Endostyl. Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen. 443 Literaturverzeichnis. 1906. Apstein, Die Salpen der deutschen Südpolarexpedition. In: Deutsche Südpolarexped. 1901—03. IX. Bd. Zoologie. Bd. I. 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K, Kieme; C, Bogenmuskel | (nach L, Leuchtorgane; c, kleiner dorsaler Längs- [ Streeff); M, Magen; muskel j n, Nervenfaden; E, Egestionsöf f nung ; R, Riechorgan; En, Endostyl; Z, Nervencentrum (Centralganglion); Fl, Flimmerbogen; Die Körpermuskeln sind mit Zahlen G, Gehörorgan; (1, 2, usw.) benannt. Sämtliche Nervencentren sind vergrößert mit Kompensations-Ocular 2 und Objektiv C. ZEiss-Mikroskop 19942. Tafel XXIV. Fig. 1. Salpa pinnaia sol., von oben. 1 : 1.']. Fig. 2. Salpa pinnata sol., Flachpräparat. 1 : 13, über den Thorax von Gryllus domesticus. (Ein Beitrag zur Vergleiohung der Anatomie und des Mechanismus des Insektenleibes, insbesondere des Flügels.) Fünfter Teil. Die nachembryonale Metamorphose im ersten Stadium. (Eine Untersuchung über die Morphologie und Kinematik der Insekten- organisation in ihrem biologischen Zusammenhange.) (Erste Fortsetzung.) Von Dr. Friedrich Voss (Göttingen). Mit 16 Figuren im Text. Inhaltsverzeichnis . Seite D, DerMesothorax. a. Einzelbeschreibung der Muskeln. DieLängsmuskulatur 447 Die ventrale Längsmuskulatur 447 Die dorsale Längsmuskulatur 448 DieDorsoventralmuskulatur 450 (Mittlere mediale innere echte Dorsoventralmuskeln) Intersegmentaler Muskel. Segmentale Muskeln. Die Seiten muskulatur, Pleuralmuskulatur . . . 452 Dorsoventrale Seitenmuskeln 452 Unterbrochene sternalpleurale und tergalpleurale Seiten- muskeln 454 DieStigmen muskulatur 456 Diester naleMuskulatur 456 b. Topographisch-quantitative statistische Übersicht 460 c. Morphologische Betrachtung des Mesothorax . . . 462 1. Vergleichung des 1. Stadiums auch mit der Imago hinsichtlich Ske- let und Muskulatur im einzelnen: Die ventrale Längsmuskulatur 463 Die dorsale Längsmuskulatur 464 Die mediale Dorsoventralmuskulatur 466 Die Pleuralmuskulatur 468 4:46 Friedrich Voss, Seite Dorsoventrale Seitenmuskeln 468 Unterbrochene Seitenmuskeln 470 Die Stigmenmuskulatur 471 Die sternale Muskulatur 471 2, Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung des Meso- thorax und Metathorax im ersten Stadium gewonnenen Er- gebnisse mit den imaginalen Zuständen hinsichtlich Skelet und Muskulatur 472 E, Der Prothorax. a. Einzelbeschreibung der Muskeln. Die Längsmuskulatur 476 Die ventrale Längsmuskulatur 476 Die dorsale Längsmuskulatur 480 Die Dorsoventralmuskulatur 487 (Mittlere mediale innere echte Dorsoventralmuskeln) Intersegmentaler Dorsoventralmuskel . Segmentale Muskeln. Die Seitenmuskulatur, Pleuralmuskulatur 490 Dorsoventrale Seitenmuskeln 490 Unterbrochene sternalpleurale und tergalpleurale Seiten- muskeln 491 Die Stigmenmuskulatur . 496 Die sternale Muskulatur 498 Andre Muskeln 501 b. Topographisch -quantitative statistische Über- sieh timProthorax 501 0. Morphologische Betrachtung des Prothorax. 1. Allgemeine Vorbemerkungen über die hinsichtlich der Imago eingetre- tenen Veränderungen 503 2. Vergleichung des ersten Stadiums auch mit der Imago hinsichtlich Ske- let und Muskulatur im einzelnen 508 a. Allgemeine Übersicht über die Imago und das Stadium 1 . . . 508 b. Die einzelnen Muskelkategorien 510 Die ventrale Längsmuskulatur 510 Die dorsale Längsmuskulatur 510 Die mediale Dorsoventralmuskulatur 513 Die Pleuralmuskulatur. Dorsoventrale Seitenmuskeln 514 Unterbrochene Seitenmuskeln 516 Die Stigmenmuskulatur 518 Die sternale Muskulatur 518 3. Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung des Prothorax im ersten Stadium gewonnenen Ergebnisse mit den imaginalen Zustän- den hinsichtlich Skelet und Muskulatur 520 F. Die Halshaut, das zweite Maxillensegment. (Der »Mikrothorax«.) a. Einzelbeschreibung der Muskeln. Die Längsmuskulatur 528 über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 447 Seite Die ventrale Längsmuskulatur 528 Die dorsale Längsmuskulatur 529 Die Dorsoventralmuskulatur 548 (Mittlere mediale innere echte Dorsoventralmuskeln.) Intersegmentaler Muskel . . 548 Segmentale Muskeln 552 Die Sternale Muskulatur 554 Transversalmuskeln 555 b. Topographisch -quantitative statistische Über- sichtderHalshaut 559 c. Morphologische Betrachtung der Halshaut 561 1. Allgemeine Vorbemerkungen über die hinsichtlich der Imago eingetre- tenen Veränderungen 561 2. Vergleichung des ersten Stadiums hinsichtlich des Skelettes und der Muskulatur im Einzelnen 562 a. Allgemeine Übersicht über die Imago und das Stadium 1 . . . 562 b. Die einzelnen Muskelkategorien 562 Die ventrale Längsmuskulatur 562 Die dorsale Längsmuskulatur 564 Die mediale Dorsoventralmuskulatur 569 Über Pleuralmuskulatur 574 Die Sternale Muskulatur 574 Die Transversilmuskulatur 575 3. Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung der Halshaut im ersten Stadium gewonnenen Ergebnisse mit den imaginalen Zustän- den hinsichtlich Skelet und Muskulatur 575 (Die Fortsetzung dei Inhaltsverzeichnisses vgl. auf S. 579.) / D. Der Mesothorax, II i. a. Einzelbeschreibung der Muskeln. Die Längsmuskulatur. (Vgl. 1905, S. 398.) Die ventrale Längsmnsknlatnr. Ein Musculus mesosterni primus, Ilvlml, fehlt auch hier. 79) (1905:66) Musculus mesosterni secundus, IIvlm2a + b, intersegmentaler, medianpaariger ventraler Längsmuskel (Textfig. 29—31 u. Taf. XXII f, Fig. 18—20, Bd. C). Nachtrag zur Imago: An seinem hinteren Ende zerfällt er in zwei deutlich gesonderte Teilbündel, deren eines, das schwächere, IIvlm2b an den Trochantin cp, deren andres, das stärkere, IIvlm2a in der 1905, Nr. 66 beschriebenen Weise dicht neben dem Illldvmi ansetzt. Stadium 1: Der kräftige Muskel entspricht den in der Imago 1 Vgl. Textfig. 34—36, 37 u. Tafelfig. 2—21, 23, 33, 38, Bd. C; Tafelfig. 41, 42, 47, 48, Bd. CI. 448 Friedrich Voss, gemachten Beobachtungen; er ist aber kräftiger als in der Irnago und gleicht hinsichtlich seiner Stärke dem folgenden IlvlmS. 80) (1905:67) Musculus mesosterni tertius, //-y^m-?, i nter- segmentaler medianpaariger ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 30, 31, Tafel XXII, Fig. 14—176). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel. Einzelheiten seien für das erste Stadium noch dahin ergänzt, daß der am hinteren Ende stark abgeplattete Muskel dicht oberhalb des Teilbündels Ilvlmd ansetzt, noch nicht distal von diesem, also noch nicht so sehr gekreuzt zu diesem, wie es in der Imago der Fall ist. *i^ 81) (1905:68) Musculus mesosterni quartus et quintus, IIvlm4+ 5, intersegmentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 30—33, Taf. XXII, Fig. 15—19). Der sehr kräftige Muskel entspricht den bei der Imago gemachten Beobachtungen, jedoch ist seine Teilung in zwei Teilmuskeln mehr ausgeprägt als dort. Das mediane, quer-runde schwächere Teilbündel IIvlm5 ent- springt an der Metapophyse proximal dicht neben dem um das Doppelte stärkeren, etwa quer-ovalen lateralen Teilbündel Ilvlmd. Die Muskeln verlaufen wie in der Imago unterhalb der Ilifm (117) nach hinten. In der hinteren Hälfte verlaufen sie getrennt, so daß Ilvlmö, um etwa seinen eignen Durchmesser von IIvlm4 entfernt, gegenüber dem IIIbm2 (74) ansetzt. Er ist nächst den Ivlm4+ 5 (122, 123) der kräftigste ventrale Längsmuskel. Die dorsale Läugsmusknlatar. Die vorderen Ursprungs Verhältnisse weichen infolge der verein- fachten Skelet Verhältnisse ab. 82) (1905:69) Musculus mesonoti primus, Ildlml, inter- segmentaler medianpaariger dorsaler Längsmuskei (vgl. Bd. C, Textfig. 34ff, Taf. XIX, Fig. 3—5). Der allgemeine Befund entspricht den in der Imago gefundenen Tatsachen. Im Einzelnen liegen Abweichungen vor nach Maßgabe der vereinfachten Bedingungen im Skelet: Dementsprechend beginnt er als schwächster der dorsalen Längsmuskeln im vorderen Drittel des Mesonotum, ebensoweit entfernt vom Vorderrand wie der IIdvm2 (91). 83) (1905:70) Musculus mesonoti secundus, IIdlm2, inter- segmentaler medianpaariger dorsaler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 34 ff, Taf. XIX, Fig. 4—7). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 449 Er entspricht dem Befunde in der Imago. Jedoch entspringt der sehr kräftige Muskel zum Teil am äußersten Vorderrande des Tergits auf gleicher Querschnittslage — also ebenso weit vorn — wie der Ildvml (87), dicht neben ihm, zum Teil aber gegenüber dem Idlmla (127) auf der Intersegmentalfalte, welche in die bereits vorhandene Präsegmentallamelle tv einbezogen ist. Die Bil- dung einer Präsegmentallamelle ist an dieser Stelle im wesentlichen bereits eingeleitet, nur noch nicht so scharf durchgeführt wie in der Imago, sodaß die völlige Klarstellung dieser Dinge an Schnittbildern sehr erschwert wird. Am Hinterende setzt er in der einfachen Inter- segmentaihaut gegenüber IIIdlm2 an. Er verläuft ein wenig schräg auswärts nach hinten, entfernt vom Tergit, dabei tiefer im Innern des Thorax medialwärts unter dem vorigen Ildlml und dem folgenden IldlmS. 84) (1905:71) Musculus mesonoti tertius, IldlmS, inter- segmentaler lateraler dorsaler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 34ff, Taf. XlXf, Fig. 4—8). Der allgemeine Befund dieses kräftigen Muskels entspricht den in der Imago vorliegenden Tatsachen, jedoch sind einzelne Ab- weichungen vorhanden. Es sind zwei völlig gesondert verlaufende Teilbündel vorhanden: Für IldlmSb, die breite Hauptmasse des Muskels^ treffen die 1905, S. 399, gemachten Angaben zu. Dieser Teilmuskel entspringt in ziemlich langer Ansatzlinie mit Beginn der hinteren Hälfte der gleich- förmig ausgebildeten tergalen Platte dicht hinter dem IIdvm2 (91), etwas medialseitig, aber nirgends auf gleicher Querlinienlage mit ihm. Er verläuft gleichfalls schräg auswärts nach hinten. Das zweite schwache und platte Teilbündel IldlmSa ver- mittelt zwischen dem Ildlml (82) und der Hauptmasse des Muskels derart, daß es nicht ganz ebensoweit vorn wie letztere — aber medial entfernt von ihr — dicht neben Ildlml entspringt. Es verläuft also zwischen dem Tergit und dem IIdlm2 (83), diesem dicht angelagert, sehr schräg lateral wärts nach hinten. Die kurze Ursprungsstelle ist in der Richtung von vorn nach hinten verlängert. 85) (1905:72) Musculus mesonoti quartus, Ildlmd, inter- segmentaler lateraler dorsaler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 35 f, Taf. XIX, Fig. 6—9). Dieser ziemlich kräftige Muskel entspricht völlig dem Befunde in der Imago, abgesehen davon, daß er an der gleichförmig platten tergalen Fläche — und zwar dicht hinter IlpmO (103) entspringt. 450 Friedrich Voss, wobei er fast ebensoweit nach vorn reicht wie IldlmS. Er setzt lateral vom vorigen IldlmS an. Die DorsoYentralmnsknlatnr. (Mittlere, mediale, innere, echte Dorsoventralmuskeln, vgl. 1905, S. 400.) 86) (1905:73) Musculus dorsoventralis intersegmentalis mesothoracis, Ilism, intersegmentaler Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33 ff, Taf. XX, Fig. 10—14; Fig. 23). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel, ist aber in der Imago schwächer ausgebildet als im Stadium 1. Er tritt ziemlich ebenso kräftig auf wie der prothoracale und metathoracale ism im ersten Stadium. Die Ursprungsstellen aller folgenden Muskeln sind gegenüber dem Befunde an der Imago nach Maßgabe der Ausbildung des Tergits als gleichförmige Chitinplatte verändert. Gruppe des vorderen Dorsoventralmuskels. 87) (1905:74) Musculus dorsoventralis primus mesotho- racis, Ildvml, segmentaler vorderer Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 37, Taf. XlXff, Fig. 6—176). Er entspricht dem für den imaginalen Muskel beschriebenen Verhalten, ist jedoch bedeutend schwächer entwickelt als dort, indem er in der oberen Strecke den IIdvm6 (89) nur um etwas mehr als das Doppelte übertrifft (vgl. auch Nr. 96). 88) (1905:76) Musculus dorsoventralis quintus mesotho- racis, IIdvm5a + b, segmentaler vorderer Dorsoventralmus- kel (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff, Taf. XlXff, Fig. 5—21, 23). Der allgemeine Befund entspricht den im Imaginalstadium be- obachteten Tatsachen. Der Muskel zerfällt jedoch in zwei entfernt voneinander entsprin- gende und sich lange gesondert haltende Teilmuskeln: Der kräftige quer -rundliche laterale Teilmuskel Ildvmöa ist in der tergalen Strecke so stark oder etwas stärker als der Ildvml und zeigt an seiner Ursprungsstelle die Neigung, selbst wieder in drei Teilfasern zu zer- fallen; der mediale quer-runde Teilmuskel Ildvmöh ist um seinen eignen Durchmesser von dem lateralen 5a entfernt und ist fast um die Hälfte kleiner als IIdvm5a, steht also auch dem Ildvml an Größe nach (vgl. auch Nr. 96). Beide Teilmuskeln zusammen genommen stehen in der tergalen Strecke an Stärke hinter dem IIdvm2 — 4 (91 — 93) und dem Illdvmi (97) über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 451 zurück. Sie entspringen schräg nebeneinander derart, daß der mediale Teilmuskel hinter und neben dem Ildvml sich befindet. Im Imaginalstadium erfahren die Muskeln eine verhältnismäßig geringe Zunahme an Stärke. 89) (1905:77) Musculus dorsoventralis sextus mesotho- racis, Ildvmß, segmentaler vorderer Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 37, Taf. XlXff., Fig. 6— 17&). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel und ent- springt als vorderster Dorsoventralmuskel dicht am tergalen Vorder- rande, dicht vor dem vorigen Ildvmöb, diesem sehr wenig näher als dem Ildvml. 90) (1905:78) Musculus dorsoventralis septimus meso- thoracis, IIdvm7, segmentaler vorderer Dorsoventralmuskel. Er ist nicht vorhanden. Gruppe des hinteren Dorsoventralmuskels. Der folgende Muskel zerfällt in drei deutlich gesonderte Teile, die sich wie die zwei bis vier Dorsoventralmuskeln im Metathorax ver- halten; sie werden daher getrennt aufgeführt. 91) (1905:75) Musculus dorsoventralis secundus meso- thoracis, IIdvm2, segmentaler hinterer Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 32ff., Taf. XlXff., Fig. 5—18, 23). Dieser laterale Teilmuskel der hinteren Dorsoventralmuskelgruppe entspricht dem 1905 beschriebenen Teilbündel. Er entspringt dicht vor dem dritten Längsmuskel dlmSß in der vorderen Hafte des gleichförmig platten Tergits als hinterster aller Dorsoventralmuskeln. Indem er sich stark verschmälert setzt er spitz am Hinterwinkel der Hüfte in einer Chitinsehne an. In der tergalen Endstrecke verglichen ist er etwa so groß wie das laterale Teilbündel Ildvmöa (88) und etwas größer als Ildvml (87). Eine relative Größen- zunahme in der Imago findet nicht statt. Wie in der Imago ist er kräftiger ausgebildet als der metathoracale IIIdvm2 (56). Obwohl er in der unteren Strecke mit dem Folgenden zu einheitlicher Masse zusammentritt, hält er sich, wenn auch nicht so sehr wie der meta- thoracale, durchaus gesondert. 92) (1905:75) Musculus dorsoventralis tertius mesotho- Ta,ci&, IldvmS, segmentaler Dorsoventralmuskel (vgl.Taf.XIXf., Bd. C, Fig. 5—18). Er entspricht dem für die Imago beschriebenen allgemeinen Ver- halten. Ais Teilmuskel der hinteren Gruppe entspringt er mit ovalem Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 30 452 Friedrich Voss, Querschnitte medial, etwas entfernt vor dem vorigen; etwa in der Mitte seines Verlaufs vereinigt er sich früher oder später mit ihm und dem folgenden. Er ist etwa so kräftig wie der Teilmuskel Ildvmöb (88) und etwas schwächer als Ildvml (87). 93) (1905:75) Musculus dorsoventralis quartus meso- thoracis, Ildvmi, segmentaler hinterer Dorsoventralmus- kel (vgl. Bd. C, Tai XlXf, Fig. 5— 18). Dieser wenig kräftige, quer-runde, dem Ildvmö (89) an Stärke gleichende Muskel entspringt etwas entfernt gesondert — manchmal entfernter als sein eigner Durchmesser beträgt — vom vorigen, medial vor ihm und entfernt hinter dem Ildvml (87); er vereinigt sich in der unteren Strecke seines Verlaufs völlig mit dem vorigen. Die beiden letzteren Muskeln IldvmS und Ildvmi gehören enger zusammen und treten als auf den Flügel bezügliche Teilmuskeln dem Beinmuskel IldvmB an die Seite. Sie gleichen durchaus der ver- einigten Muskelmasse des metathoracalen IlldvmS + 4 (57, 58) und erfahren auch dementsprechend in der Imago eine Verstärkung der Fasermasse. Während sie in der Imago massig entwickelt sind, halten sich im Stadium 1 die einzelnen Muskeln lange völlig gesondert. Die Seitenmuskulatur, Pleuralmuskulatur. (Vgl. 1905, S. 402 ff.) Alle diese Muskeln beginnen tergal mehr oder weniger hoch unter- halb der Falte des undifferenzierten thoracalen Seitenbezirks. DorsoTentrale Seitenmuskel n. Gruppe des vorderen lateralen Dorsoventralmuskels. 94) (1905:79) Musculus dorsoventralis lateralis primus mesothoracis, Illdvml, segmentaler episternaler dorsoven- traler Seitenmuskel = Ilpml, segmentaler episternaler »sternal- pleuraler« Seitenmuskel in der Imago (1905) (vgl. Bd. C, Textfig. 37, Taf. XX ff., Fig. 8— 176). 95) (1905:80) Musculus dorsoventralis lateralis primus a mesothoracis, Illdvmla, segmentaler episternaler dorso- ventraler Seitenmuskel = II'pm2, segmentaler episternaler »ster- nalpleuraler « Seitenmuskel in der Imago (vgl. Fig. bei Nr. 94). Beide Muskeln entsprechen im allgemeinen dem Befunde in der Imago, aber sie sind bei rundlichem oberen Querschnitt völlig ein- heitlich; im ventralen Ansatzgebiet treten sie allerdings als zwei schmale Lagen von Fibrillenbündeln auf. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 453 Sie sind etwa so kräftig, wie der Ildvmß (89) und demnach (vgl. 1905, Textfig. 13, S. 466 — Ilpml, 2 — mit Textfig. 11, S. 464 — IIdvm6 +7 — ) in der Imago viel kräftiger ausgebildet als im ersten Stadium; sie übertreffen z. B, in der Imago den IlldvmS an Stärke, während sie ihm im Stadium 1 erheblich nachstehen. 96) (1905:81) Musculus dorsoventralis lateralis tertius mesothoracis, IlldvmS, segmentaler episternaler dorsoven- traler Seitenmuskel = IlpmS, segmentaler episternaler »sternal- pleuraler« Seitenmuskel in der Imago (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff. ; Fig. 7—21, 23). Er entspricht den bei der Imago gemachten Beobachtungen. Der dem Illdvmd (97) sehr nahe stehende Muskel entspringt dicht unterhalb der tergalen Seitenfalte auf gleicher Höhe mit dem vorigen (95), dicht über und vor dem Illdmni, zum Teil anscheinend an der Pleuralleiste. Er steht im Stadium 1 dem Illdvmd oder dem IIdvm5a + h an Stärke nach; er kommt den Ildvml und 6 zusammengenommen etwa gleich, während er in der Imago (vgl. 1905, Textfig. 11 — 13, S. 464, 466) diesen erheblich nachsteht; in beiden Stadien aber ist er ungefähr so kräftig wie der IIdvm2 (83). Es ist somit in der Imago keine Größen- zunahme bemerkbar, gegenüber dem dvm5, der ein wenig — und gegen- über dem dvml, der sehr erheblich zunimmt (vgl. auch 95). 97) (1905:82) Musculus dorsoventralis lateralis quartus mesothoracis, Illdvmia+h, segmentaler episternaler vorderer dorso ventraler Seitenmuskel == Ilpmi, segmentaler episternaler «sternalpleuraler« Seitenmuskel in der Imago (vgl. Bd. C, Fig. 9 — 16). Er entspricht völlig den für den imaginalen Seitenmuskel dar- gestellten Tatsachen und gleicht durchaus dem metathoracalen ldvm4 (62, vgl. dort). Demnach nimmt der sehr kräftige Muskel in seinem Ursprungsgebiet die ganze Breite des Episternum ein und zerfällt dabei im Unterschied von der Imago in zwei Teilmassen, deren hintere kräf- tigere Idvmih hoch unterhalb des vorigen Muskels IdvmS beginnt, deren vordere platte Idvmda tiefer und dicht lateral neben Idvml + la ent- springt und sich später in der unteren Strecke mit der hinteren Teil- masse vereinigt. 98) (1905:91) Musculus dorsoventralis lateralis quartus- decimus mesothoracis, IIldvmM, segmentaler episternaler dorsoventraler Seitenmuskel = IIpml4, segmentaler episternaler »sternalpleuraler« Seitenmuskel in der Imago. Der Muskel fehlt. 30* 454 Friedrich Voss, Der hintere laterale Dorsoventralmuskel. 99) (1905:84) Musculus dorsoventralis lateralis secun- dus mesothoracis, IIldvm2, segmentaler epimeraler hinterer dorsoventraler Seitenmuskel = Ilpmß, segmentaler epimeraler »sternalpleuraler« Seitenmuskel in der Imago (Bd. C, Textfig. 32 ff.; Tafelfig. 10—176, 23). In seinem Verhalten entspriclit er durchaus dem imaginalen Muskel, ist aber schwächer als in der Imago. Nächst Ildvmö im Stadium 1 der schwächste aller mesothoracalen Dorsoventralmuskeln kommt er dem Illdvml + la (94, 95) und dem IIdvm2 (91) an Stärke etwa gleich; er ist weniger kräftig als Ildvml (87) und llism (86). In der Imago hingegen übertrifft er den dvm2 und den IdvmS, da beide sich nicht merklich vergrößern, kommt aber dem Idvml + la, der sich gleichfalls als Flügelmuskel vergrößert, etwa gleich. Er ist auch im Stadium 1 schwächer ausgebildet als der metathoracale IIlldvm2 (63). Unterbrochene, sternalpleurale und tergalplenrale Seitenmuskeln. Sternalpleuraler Muskel. 100) (1905:83) Musculus lateralis quintus mesothoracis, Ilpmöa — e, segmentaler episternaler sternalpleuraler Seiten- muskel (vgl. Taf. XXIf., Fig. 13—176). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel mit seinen Teilmuskeln. Jedoch ist die Trennung des Teilmuskels 5b und c, ganz entsprechend der des Idvml + la, nicht durchgeführt. Hinsichtlich seiner tiefer gelegenen Ursprungsstelle am Episternum ist sein Gegen- satz zum Illdvmäa (97) noch mehr augenfällig als zwischen den be- treffenden Muskeln im Metathorax (S. 727). Tergalplenrale Muskeln. 101) (1905:85) Musculus lateralis septimus mesothora- cis, IIpm7, segmentaler epimeraler echter tergalpleu- raler Seitenmuskel; in der Imago 1905 als »intrapleural« be- zeichnet. Der Muskel fehlt im Stadium 1 vollständig. 102) Musculus lateralis octavus mesothoracis, //^m<9a + aj, segmentaler episternaler echter tergalpleuraler Seiten- muskel (vgl. Bd. C, Textfig. 37, Taf. XlXf., Fig. 6—9). Er wurde für die Imago nicht beschrieben. Dieser sehr schwache Muskel zerfällt in zwei Teile, die sich un- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 455 gleich verhalten: der vordere Teilmuskel IlpmSa entspricht völlig dem metathoracalen III pm8 (66), gleich dem er aus zwei, tergal besonders deutlich nachweisbaren Fibrillenbündeln besteht ; jedoch ent- springt er am Vorderrande des Episternum auf der Ursprungshöhe des Idvmia (97). Er verläuft sodann an die Mitte der Präsegmentallamelle, wo er distal entfernt von IlpmlO (104), nahe bei IdlmS (128, 129) ansetzt. Der hintere, etwa ebenso kräftige Teilmuskel IlpmSx ver- mittelt gleichsam zwischen dem vorderen lIpmSa und dem zehnten Seitenmuskel IlpmlO (104). Er entspringt weiter tergalwärts und hinter dem vorderen Teilmuskel am episternalen Vorderrande und setzt dicht medial vom pmlO an der Basis der Präsegmentallamelle an. Er ist im Metathorax trotz wiederholter Untersuchungen nicht nach- weisbar gewesen. 103) (1905:86) Musculus lateralis nonus mesothoracis, IlpmO, segmentaler »epimeraler« (1905: »tergalpleuraler«) intra- tergaler Seitenmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XlXf., Fig. 7—10). Der Muskel entspricht völlig dem imaginalen und gleicht dem im Metathorax für das Stadium 1 beschriebenen, vgl. Nr. 67. Er gleicht in der Querschnittsstärke dem IIdvm2 (91), neben dem er lateral ziemlich entfernt und ein wenig mehr nach hinten mit ovalem Ansatzgebiet dicht vor Beginn des Ildlmi (85) ansetzt. Auch ist er erheblich stärker als Ildvmß (89). 104) (1905:87) Musculus lateralis decimus mesothoracis, IlpmlO, segmentaler episternaler (1905: »tergalpleuraler«) intra- tergaler Seitenmuskel (vgl. Bd.C, Textfig. 37, Taf.XIX,Fig.6u.7). Der Muskel gleicht dem in der Imago beschriebenen, ist jedoch stärker ausgebildet als dort. Er gleicht dem im Metathorax für das Stadium 1 beschriebenen, dessen Beschreibung für ihn gilt; er scheint jedoch etwas schwächer zu sein. Er setzt etwas entfernt vor und ein wenig medialwärts vom Ildvmß (89) an. 105) (1905:88) Musculus lateralis undecimus mesothora- cis, Ilpmll, segmentaler epimeral-episternaler (1905: »tergal- pleuraler«) intratergaler Seitenmuskel (Fig. vgl. bei den vorigen). Der Muskel entspricht dem imaginalen und gleicht dem im Meta- thorax (69) beschriebenen. Seine untere Ursprungsstelle liegt hier gleichfalls am oberen Ende der Pleuralleiste, aber hinter ihr, epimeral, so daß demgegenüber in der Imago gleichfalls, wie im Metathorax, Verschiebungen eintreten. Die Fasern entspringen auf der unteren Seite der FlügeldupHkatur, 456 Friedrich Voss, lateral neben deren Umbiegungsstelle in die thoracale Seitenwand. (vgl. Fig. 37). Der Muskel sichert also die Stetigkeit der Flügelfalte, indem er deren obere und untere Lamelle basal gegeneinander ver- festigt. Tergal setzt er gerade vor Ildvmöa (88), aber entfernt vor ihm an (vgl. ferner Nr. 69, Bd. C, S. 730). Im Stadium 1 ist er kräftiger ausgebildet als in der Imago. 106, 107) (1905: 89, 90) Musculus lateralis duodecimus me- sothoracis, IIpml2, und M. lateralis tertius-decimus meso- thoracis, IlpmlS, segmentale epimerale (1905: » tergalpleurale «) intratergale Seitenmuskeln sind zu einheitlicher Masse vereinigt (vgl. Bd. C, Taf XX, Fig. 8). In ihrem Verhalten entspricht diese Muskelmasse den in der Imago unterschiedenen Muskeln; sie gleicht der metathoracalen im Stadium 1, vgl. Nr. 70. Tergal setzt der Muskel lateral dicht neben der vorderen Hälfte der IIpinQ (103) an und reicht ein wenig weiter nach vorn als dieser. Stigmeumnskulatnr. 108) (1905:92) Musculus lateralis stigmaticus mesotho- racis, IIstmla + Ib, segmentaler intrapleuraler Seitenmuskel, doppelter Stigmenmuskel (vgl. Bd. C, Textf . 32, Taf . XXII, Fig. 15). Die schwachen Muskeln entsprechen den für die imaginalen gemachten Angaben. Sie entspringen wie angegeben: der vordere lange, sehr zarte Teilmuskel la besteht aus einem Fibrillenbündel, der hintere kurze und ziemlich dicke Teilmuskel Ib aus zwei Fasern. Nachtrag zu der Imago: in den Textf. 2 und 3, 1905, S. 403 und 405, muß der vordere Teihnuskel speziell mit la bezeichnet werden, während im Schema II zu S. 456 die Stellungen der längeren Faser la und der kürzeren Faser 16 vertauscht werden müssen. Die steruale Mnskulatur (vgl. 1905, S. 409). 109) (1905:93) Musculus sternalis pedalis primus meso- thoracis, Ilbml, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 34ff., Taf.XXIIf., Fig. 18— 21). Der sehr kräftige Muskel gleicht dem in der Imago beschriebenen Komplex, jedoch sind die Ursprungsstellen der beiderseitigen Anteile nicht so sehr genähert wie in der Imago ; sie sind demnach etwas kürzer. 110) (1905:94) Musculus sternalis pedalis secundus meso- thoracis, IIbm2, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff., Taf. XXIf., Fig. 14—176, 23). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 457 Er ist nicht vorhanden, wenigstens ist er als selbständiger Muskel im ersten Stadium nicht ausgebildet und wahrscheinhch in dem fünften Beinmuskel Ilbmö (113) als Teilfaser enthalten (siehe dort). 111) (1905:95) Musculus sternalis pedalis tertius meso- thoracis, lIhmS, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33, 34, Taf. XXII, Fig. 15—21). Der Muskel gleicht dem in der Imago beschriebenen. 112) (1905:96) Musculus sternalis pedalis quartus meso- thoracis, lihmi, segmentaler sternaler Beinmuskel, Tro- chantermuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff., Taf. XXIIf., Fig. 15—21). Er gleicht dem imaginalen Muskel. Er ist etwa so kräftig wie der vorige, eher etwas schwächer und nimmt also in der Imago an Stärke zu. 113) (1905:97) Musculus sternalis pedalis quintus meso- thoracis, Ilbmö, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff., Taf. XXlIf., Fig. 14—176, 23). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel. Er ist neben dem folgenden lihmß der schwächste der mesothora- calen Beinmuskeln im Stadium 1. Die sehr eingehende Untersuchung zur Nachforschung des Ver- bleibes des IIbm2 zeigte, daß der Muskel ein nicht gesondertes hinteres Teilbündel enthält, dessen schräg gerichtete Fasern mehr proximal der Basis der Gabelapophyse entspringen ; diese Merkmale ent- sprechen dem imaginalen Ilhn'Z. Es ist daher wahrscheinlich, daß der zweite Beinmuskel hm2 (110) erst nachembryonal aus dem Ilbmö zur Sonderung gelangt. Auch in der Imago sind diese beiden Muskeln durch ihre Stellung nahe verwandt. Die demnach nachembryonal auftretende Zweiteilung beruht auf der mit dem Prinzip der gekreuzten Teilkräfte verbundenen kinematischen Bedeutung des Muskels.. 114) (1905:98) Musculus sternalis pedalis sextus meso- thoracis, Ilbmß, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 33ff., Taf. XXIIf., Fig. 15—21, 23). Der Muskel gleicht dem imaginalen und ist wie dort gleichfalls schwächer als der IlbmS (111). Als gesonderter Muskel verläuft er mit konvergierenden Fasern gemeinschaftlich mit dem gleich breit bleibenden IlbmS medial von ihm an den inneren Hüftrand. 115) (1905:99) Musculus sternalis pedalis septimus meso- thoracis, IIbm7, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 32ff., Taf.XXIIff., Fig. 17—20, 23). Der Muskel entspricht den für den imaginalen Muskel bekannten Tatsachen. 458 Friedrich Voss, Er ist in der Imago aber erheblich schwächer entwickelt als im Stadium 1, wo er — mit Andeutung einer gewissen Zweiteiligkeit — den IIvlm4+5 z. B. beträchtlich an Stärke übertrifft und hierin höch- stens von dem Komplex des Ivlm4+5 (122, 123) und dem IvlmS (126) iibertroffen wird. Es kann vorläufig nicht entschieden werden, ob diese kräftige Ausbildung nur für den Übergangszustand des ersten Stadiums charak- teristisch ist, d, h. ob sie das Schlüpfen des Embryo aus dem Ei unter- stützt, oder ob sie allen weiteren nachembryonalen Larvenstadien zu- kommt und dadurch ihre besondere Mitwirkung bei den Häutungs- vorgängen anzeigt, vgl. S. 641 ff. 116) (1905:100) Musculus sternalis furcae lateralis me- sothoracis, Ilzm, segmentaler Sternalmuskel, Gabelseiten- muskel. Er gleicht dem imaginalen Muskel. 116a) Musculus sternalis mesosterni octavus, IlsrmS, segmentaler Sternalmuskel, von zweifelhafter Funktion (vgl. Bd. C, Taf. XXII f., Fig. 19—21). Dieser sehr dünne Strang von muskelartigem Ansehen entspringt am Hinterrande des Sternits in dessen lateralem Seitenteile und in weitem Abstände von der Medianlinie, etwa in der Mitte zwischen dem sternalen Seitenrande und der Ursprungsstelle des bml (109). Er ver- läuft der seitlichen Unterfläche des Mesothoracalganglions entlang im Bogen nach vorn, indem er, zunächst in gleicher Richtung wie Ilbml und dicht unterhalb desselben, dicht über der sternalen Innenfläche lateralwärts nach vorn zieht und etwa im mittleren sternalen Seiten- teile, neben der Mitte des Seitenrandes des Ganglion Ilggl, in einer kleinen, gut begrenzten Gruppe von Zellen endet, welche ohne Zweifel ein kleines Ganglion vorstellen. Das Ganglion liegt ziemlich weit vorn, vor der Ansatzstelle des bml am Hüftrande. Hier trifft der beschrie- bene Hauptstrang mit drei weiteren schwachen Strängen von histo- logisch ähnlichem Verhalten zusammen, deren kräftigster als die Fort- setzung des Hauptstranges erscheint. Der eine derselben ist sehr dünn und kommt lateralwärts von hinten nach kurzem Verlauf von der hinteren Hälfte des äußeren sternalen Seitenrandes, von einer Stelle, welcher das Hüftglied dicht anliegt. Es ist dies die gleiche Stelle, welche im Metasternum der IllsrmS (78a, S. 736) eng berührt. Der zweite entspricht als Fortsetzung des Hauptastes der für den Metathorax beschriebenen vorderen Strecke und endet wie diese am über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 459 sternalen Vorrande. Er begleitet unterwärts den schrägen vorderen Seitenteil des großen Bauchganglion, demselben dicht angelagert; er verläuft dabei stark medianwärts gerichtet nach vorn und biegt schließ- lich — immerhin noch entfernt von der Medianlinie — in winklig stumpfem Bogen geradeaus nach vorn ab. Der gesamte Hauptstrang ist sehr dünn und besteht aus wenigen Fibrillen; die sehr lang gestreckten Kerne liegen in Gruppen dicht beieinander und sind in größeren Abständen verteilt, als im meta- thoracalen srmS. Der dritte, sehr dünne und schwache Strang entspringt aus dem kleinen Ganglion lateral neben der Fortsetzung des Hauptstranges. Nach etwas geschwungenem zweibogigem Verlauf in der Richtung gerade nach vorn endet er in dem dem lateralen sternalen Vorderrande angeschlossenen Coxosternum, liest, in dessen Vorderrande an einer Stelle, welcher das prothoracale Hüftglied lex anliegt. Hier verläuft der Strang dicht unterhalb der distalen Strecke des ventralen Längsmuskels IvlmS (126). Eine große Trachee begleitet die proximal-basale Strecke des Hauptstranges oberwärts, und eine wenig engere Trachee die vordere Strecke desselben, in einem ihr völlig analogen Verlauf unterwärts. Über die Deutung dieses gleichfalls mit Vorbehalt als Muskel aufgeführten, anscheinend chordotonalen Organes vgl. bei dem pro- thoracalen IsrmS (156, Bd. CI, S. 498). 117) (1905:101) Musculus sternalis adductor lateralis mesothoracis, Ilifm, segmentaler Sternalmuskel , Intersegmental- faltenmuskel, nicht Gabelseitenmuskel, wie 1905, S. 411, infolge eines Versehens angegeben ist (vgl. Bd. CTextfig. 31 f., Taf.XXIf., Fig.l4— 37). Er gleicht dem imaginalen Muskel; er ist etwa so kräftig wie der IlIvlm4-\- 5 {il), schwächer z, B. als der IIvlm2a + b (19) oder der IlvlmS (80). 118) Musculus tergo-intestinalis mesothoracis, lltim, mesothoracaler Befestigungsmuskel des Darmes (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 6). Der Muskel wurde in der Imago nicht beschrieben. Dieser sehr schwache — wie der »lim« (157) anscheinend aus einem Fibrillenbündel bestehende — Muskel entspringt vor dem Ansatz des IlpmS (102) zwischen diesem und dem lism im distalen Teile der präsegmentalen Lamelle. In der im Präparat vorliegenden Darm- lage, die anscheinend einer Ruhelage des — also durch den »im « nicht nach vorn gezogenen — Darmes entspricht, verläuft er ein wenig schräg 460 Friedrich Voss, nach hinten steil auf den Vorderdarm (Oesophagus) zu und setzt, indem er durch den aufgelagerten Fettkörper hindurch tritt, an dessen dorsal-seitlicher Wand an. Seine Bedeutung ist augenscheinlich eine doppelte: Einmal hält er den Darm in seiner Lage; dabei läßt sich vermuten, daß er durch sein Vorhandensein an sich schon bei dem mit so energischen und durchgreifenden Bewegungserscheinungen verbundenen Häutungsvor- gang — der ja auch den Vorderdarm selbst betrifft — zur Sicherung der gefährdeten Darmlage beiträgt. Sodann kann er je nach der Darmlage bei seiner Kontraktion in zweifachem Sinne wirksam gedacht werden : Einmal, indem er den nach hinten getretenen Vorderdarm, dem »m« gleichsinnig, nach vorn zieht; sodann kann er indirekt als Antagonist des prothoracalen längslaufen- den lim (157) aufgefaßt werden. Denn in dem Falle, in welchem der vordere Magendarm (Chylusmagen, Mitteldarm) aus irgendeinem Grunde, z. B. bei der Häutung nach vorn gezogen und der Endpunkt der ge- dehnten Muskeln »Iltim« nach vorn verlagert ist, vermag er von einem gewissen Momente an in einem zu »im« entgegengesetzten Sinne als Eückziehmuskel zu funktionieren. Jedenfalls stehen beide Muskeln nicht in unmittelbarer Beziehung. Es wäre zwar auch denkbp-r, daß dieser antagonistische Mechanis- mus bei den regelmäßigen Vorgängen der Nahrungsaufnahme wirksam wird, doch scheint die Annahme wahrscheinlicher, daß ihm nur bei den mit großen Dehnungsvorgängen verbundenen Häutungen eine Rolle zufalle. b. Topographisch-quantitative statistische Übersicht über die im Meso- thorax für das erste Stadium beschriebenen Abweichungen gegenüber der Imago. (Vgl. 1905, S. 412, Abs. 3 und Metathorax S. 737.) Der Mesothorax enthält demnach im ersten Stadium 35 regelmäßig auftretende, gesonderte, zum Teil doppel- und mehr- wertige Muskeln gegenüber 36 Muskeln, welche 1905 in der Imago beobachtet wurden, und 41, welche jetzt gezählt werden müssen, das sind 6 weniger als in der Imago. Der Unterschied beruht auf folgendem: 1) Sechs Muskeln, welche in der Imago vorhanden sind, fehlen oder treten von ihrem Stamm-Muskel nicht getrennt auf: Es fehlen: dvm7 (90), Idvmli (98), fm7 (101), hm2 (110). Es treten vereinigt auf: Idvmla mit Idvml (94, 95) und pmlS mit pml2 (106, 107). r über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 461 2) Dafür kommen im ersten Stadium hinzu die fünf folgenden Muskeln: Die in der Imago mit ihrem Stammmuskel ver- einigten, hier getrennt auftretenden dvmS (92) und dvm4 (93); ferner die neu aufgefundenen, wohl auch für die Imago in Anspruch zu neh- menden -pmS {102), srm8 {116a,) und ^m (118). i- ~ Daß die Unterscheidung selbständig geführter Teilmuskeln in gewissem Sinne willkürlich ist, sei zur Beurteilung der Zahlenunter- schiede hier nochmals betont (vgl. S. 619) ; so z. B. könnte der in der Imago einheitlich geführte Muskel dvm2 jetzt ebensogut doppelt, als dvm2 und dvm3+4, geführt werden, ebenso der einheitUch geführte pm 8a + x usw. Die Gesamtübersicht zeigt die folgenden Muskeln im Meso- thorax des ersten Stadiums : 3 ventrale Längsmuskeln, 4 dorsale Längs- muskeln, 1 intersegmentaler Dorsoventralmuskel, 6 mediale Dorso- ventralmuskeln (gegenüber 5 in der Imago), 4 laterale Dorsoventral- muskeln (gegenüber 6 in der Imago), 1 sternalpleuraler Muskel, 1 echter tergalpleuraler Muskel (gegenüber 1 in der Imago), 4 intratergale Muskeln (gegenüber 5 in der Imago), 1 Stigmendoppelmuskel, 8 sternale Muskeln (gegenüber 9 in der Imago), 1 zweifelhafter sternaler Muskel {srmS, 116a), 1 Befestigungsmuskel des Darmes. a. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Auftretens und der Ausbildung der Muskeln im Stadium 1 gegenüber dem jetzt sicher- gestellten Befunde in der Imago sind folgende: Ein allgemein primitives Verhalten zeigen im ersten Stadium die dorso ventralen Längsmuskeln dlml—4 (82 — 85), der ventrale Längs- muskel vlm3 (80) mit geringerer Kreuzung zu den übrigen, die dorso- ventralen Seitenmuskeln ldvm4a + h (97). Hinsichtlich der Bildung von Teilfasern bestehen folgende Unterschiede: Im Stadium 1 stärker geteilt bzw. getrennt sind folgende in der Imago mehr einheitliche Muskeln: Die ventralen und dorsalen Längsmuskeln: vlm4+5 (81), dlmSa + h (84), die dorso ventralen dvm5a + b (88), die lateralen Dorsoventralmuskeln ldvm4a + h (97) dvm2, dvmS, dvm4 (91 — 93). In der Imago mehr getrennt, im ersten Stadium mehr einheitlich sind: Die Seitenmuskeln Idvmla und Idvml (94, 95), pmSh und pmöc (100) und — vielleicht — die sternalen Beinmuskeln bm5 und bm2 (113). Geringe Lageverschiebungen treten in der Imago auf gegen- über dem Stadium 1 bei folgenden Muskeln : Innerhalb der dorsalen und ventralen Längsmuskulatur bei den dlml — 4 (82 — 85) und vlm3 und 4+5 (80, 81), in der dorso ventralen Muskulatur bei den dvmö 462 Friedrich Voss, und dvm6 (88, 89), in der Seitenmuskulatur bei den IdvmS (vielleicht), pmll (105), bei dem Beinmuskel bml (109). In den Stärkeverhältnissen ließen sich folgende Unterschiede feststellen: Kräftiger im Stadium 1 gegenüber der Imago sind ausgebildet: der Längsmuskel vlm2a-\-h (79), der intersegmentale Dorso- ventralmuskel ism (86), die Seitenmuskeln fmlO (104), fmll (105), der Beinmuskel hm7 (115), Im Stadium 1 hingegen sind schwächer als im Imaginalstadium : Der dorsale Längsmuskel dlml (82), die medialen Dorsoventralmuskeln dvml (87), dvm5a + b (88), dvm3+4 (92, 93), die dorsoventralen Seitenmuskeln Idvml + la (94, 95), ldvm2 (99), die Beinmuskeln bm4 (112) und hm5 (113). Muskeln, welche im ersten Stadium selbständig auftreten, in der Imago aber fehlen, sind, vorbehaltlich einer Nachunter- suchung des srm8 (116a), nicht vorhanden. Als in der Imago vorhandene Muskeln fehlen im ersten Stadium gänzlich: Der Dorsoventralmuskel dvm7 (90), die Seiten- muskeln IdvmM (98) und pm7 (101) und der Beinmuskel bm2 (152). b. Hinsichtlich der 1905 gegebenen Darstellung des Imaginalstadiums sind infolge der Nachuntersuchung folgende Veränderungen eingetreten: Für den ventralen Längsmuskel vlm2a + b (79) wurde ein neuer Teilmuskel gefunden. Umdeutungen erfuhren folgende, 1905 als sternalpleurale Seiten- muskeln pm beschriebene, jetzt als laterale Dorsoventralmuskeln zu führende Seitenmuskeln Idvm (94 — 99): pml in Idvml, fm2 in Idvmla, fmS in IdvmS, pm4 in Idvmd, pm6 in ldvm2. Einfache Umbenennungen bzw. Zusätze erhielten (vgl. S. 640 und Metathorax S. 738) die sternalen Muskeln bm, die zm (116) und ifm (117) eingeschlossen, durch das Beiwort »sternalis«. Eine schärfere Fassung endlich erhielten — wie im Meta- thorax — der ism (86) als »dorsoventralis« und die tergalpleuralen Seitenmuskeln als »echte tergalpleurale « und als »intratergale« (vgl. Bd. C, S. 610ff. und 739). c. Morphologische Betrachtung des Mesothorax auf Grund der Muskulatur des 1. Stadiums im Vergleich mit der Imago, ferner mit dem Abdomen und mit dem Metathorax im 1. Stadium. (Vgl. 1905, S. 412, Abschn. b.) Der Mesothorax ist im Imaginalstadium bis in die Einzelheiten der Muskelverteilung und der Skeletverhältnisse hinein ein Abbild des Metathorax; die Abweichungen sind nur graduell und beruhen über den Thorax von Gryllus domesticus. V. .463 auf der dem imaginalen Mesothorax eignen, die Anzeichen von Rück- bildung tragenden Entwicklungsrichtung. Ähnliches trifft zu für das erste Stadium: Es ist theoretisch zu erwarten, daß einerseits infolge der noch nicht so fortgeschrittenen Entwicklung eine Annäherung an die mit dem Metathorax gemeinsame primäre Grundlage erfolgt, da ja auch im Metathorax primäre Entwicklungszustände vorgefunden wurden. Es kann erwartet werden, daß anderseits trotzdem vielleicht ein gewisser Vorsprung in der Differenzierung der Muskulatur dem Mesothorax eigen ist gegenüber dem Metathorax, da ja der imaginale Zustand als ein bereits wieder rückgebildeter charakterisiert ist, — daß ferner Anzeichen der dem Mesothorax eignen speziellen Entwick- lungsrichtung bereits im Stadium 1 auftreten. Inwiefern dieses zu- trifft soll folgende Zusammenstellung zeigen. In Anbetracht der prinzipiellen Gleichheit der Muskelverteilung und Skeletverhältnisse im ersten Stadium ergeben sich aus dem Be- funde im Mesothorax die gleichen morphologischen Schlußfolgerungen wie im Metathorax; man erhält also nicht nur eine Kontrolle, sondern auch zudem noch gerade durch einige in geringem Maße abweichende Verhältnisse eine neue Bestätigung für dieselben. Es brauchen daher die im Metathorax gegebenen Ausführungen nicht noch einmal im Einzelnen wiederholt zu werden, zumal dort die im Mesothorax vor- liegenden Verhältnisse stellenweise bereits verwertet wurden. Mit dem Hinweis auf jene Darlegungen seien daher nunmehr die auch für den Mesothorax geltenden Ergebnisse zusammengefaßt und die Ab- weichungen betont. 1. Vergleichung des 1. Stadiums auch mit der Imago hinsichtlich Skelet und Muskulatur im einzelneu. Die yentrale Längsmnskulatar. In der medialen Gruppe wurde ein in der Imago wie im Sta- dium 1 vorhandener neuer, auf den Trochantin cp bezüglicher Teil- muskel des vlm2 gefunden. Dieser Teilmuskel bestätigt die Richtigkeit des für die Muskelverteilung gefundenen Prinzips der gleichwertigen Verteilung von Muskeln verschiedener Kategorien (vgl. S. 770), gemäß dessen er schon 1905 hätte erwartet werden müsen. Man findet also nunmehr innerhalb der im lateralen Hüftbezirk an der Beinbewegung beteiligten Kategorien der lateralen ^d^vm-Dorsoventralmuskeln, der sternalpleuralen pm5- Seitenmuskeln und der medialen! vlm2-'Lä,ng&- muskeln je einen Anteil an dem Hüftrand und an dem Trochantin (Präcoxalplatte), während ein Trochanteranteil entsprechend der 464 Friedrich Voss, Nebenbedeutung der ventralen Längsmuskeln {vlm2) und des sternal- pleuralen Seitenmuskels {pm5) an der Beinbewegung ersichtlich nicht erwartet zu werden braucht (vgl. 1905, S. 472 ff, Abschn. b u. c). Im Einklang mit den für den Metathorax angestellten Erwägungen (S. 739) ist die Stellung der Muskeln folgende: Während der meta- thoracale IIIvlm2 + 3 als ein aus kinematischen Gründen zweiteiliger Teilmuskel und selbständiger Ast des Illvlml (45) an das zweite Ab- dominalsternit {fst) aufgefaßt werden konnte, mit gleichzeitig einfach und doppelt intersegmentaler Bedeutung, so ist der mesothoracale IIvlm2 (79) und IlvhnS (80) ein aus morphologischen Gründen zwei- teiliger »Teilmuskel« eines fehlenden Ilvlml. Die kräftigere Aus- bildung des IIvlm2 im Stadium 1 spricht für die Begründung seiner Teilfunktion als Häutungsmuskel. In der lateralen Gruppe zeigt der den abdominalen IIa, Illa vlm 2 und 3 entsprechende Ilvlm 4+5 eine stärkere Trennung der beiden Teilbündel, jedoch einen zum IIvlm3 weniger gekreuzten Verlauf; dies entspricht der Anschauung, daß die im Übergangszustande des Stadium 1 erhöhten intersegmentalen Bewegungsvorgänge während der nachembryonalen Metamorphose zurücktreten gegenüber der in der Imago durch gekreuzte Muskeln erhöhten intersegmentalen Festigkeit. Die dorsale Längsmusknlatur. Die Betrachtung dieser Muskulatur nach den in der Imago vor- liegenden Tatsachen hatte 1905 zu der Erkenntnis geführt, daß die dorsale Längsmuskulatur, soweit sie nicht der Bewegung der Flügel dient, für die intersegmentale Verbindung in Anspruch genommen wird, daß ferner dieser intersegmentalen' Verbindung speziell gesonderte Skeletteile, die Präsegmentallamellen tv entsprechen, welche vor den Seitenteilen des Tergits liegen und als an diesen Stellen kräftig chitini- sierte Teile der Intersegmentalfalte aufzufassen sind; sie machen den dahinter gelegenen, dem Ansatz der Flügel dienenden Seitenbezirk des Tergits unabhängig von den mit intersegmentalen Idnematischen Vor- gängen verbundenen Störungen. Während im Metathorax ein dorsaler Längsmuskel dl'm2 (1905: dlml) als typischer, wenn auch rudimentärer (vgl. S. 741 und 1905, S. 393) Flügelmuskel auftrat, dient der ihm homo- loge mesothoracale IIdlm2 ausschließlich der intersegmentalen Ver- bindung. Letztere gestaltet sich also derart, daß der mediale Komplex der dorsalen Längsmuskeln von der Präsegmentallamellenbasis oder vom Tergit des Segmentes zum festen Tergit oder zur Basis der Prä- segmentallamelle des folgenden Segmentes verläuft, während der laterale über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 465 Komplex dlm 3+4 vom festen Tergit des vorhergehenden zum distalen Teil der Präsegmentallamelle des folgenden Segmentes verläuft (vgl. 1905, S. 413, 414). Ein Vergleich des Imaginalbefvindes mit den im ersten Stadium vorliegenden Verhältnissen zeigt nun, daß hinsichtlich der intersegmentalen Verbindung und Ausbildung von Präsegmental- lamellen grundsätzlich eine völlige Übereinstimmung beider Stadien herrscht — abgesehen von einer anscheinend noch nicht ganz streng durchgeführten Abgliederung der mesothoracalen Präsegmentallamelle tv (vgl. hierzu Nr. 83) — eine Übereinstimmung, welche als charakteristi- sche Eigenschaft der flügeltragenden Segmente gut übereinstimmt mit der schon im ersten Stadium soweit gediehenen Anlage des Flügels. Es hegt also in der Bezugnahme der thoracalen dorsalen Längsmusku- latur auf genannte skeletale Bildungen trotz ihrer den abdominalen noch so ähnlichen Lagebeziehungen keineswegs jener primäre Zustand vor, welcher den flügellosen Abdominalsegmenten eigen ist; diese Tat- sache wird später, S. 473, 625 f., weiter verwertet werden müssen. Allgemeine Verschiedenheiten im Stadium 1 gegenüber der Imago beziehen sich auf die im ersten Stadium gegebenen primären Zustände der Lagebeziehungen der im übrigen typisch auftretenden vier Längsmuskeln, die denen im Metanotum und in den abdominalen Tergiten gleichen. Es sind demnach in der Imago geringe Lagever- schiebungen eingetreten. Im übrigen gilt für diese Muskeln gleiches wie im Metathorax: Die morphologisch laterale Gruppe dlmö fehlt auch hier, und innerhalb der morphologisch medialen Gruppe unterscheidet man einen seitlich-dorsalen von einem medianpaarigen Komplex. Spezielle Abweichungen gegenüber der Imago treten auf im seitlich -dorsalen Komplex durch die Zweiteiligkeit des IldlmS, welche für die Beurteilung des prothoracalen IdlmS (128, 129) wichtig wird. Im medianpaarigen Komplex herrscht hinsichthch der einem primären Befunde schon nicht mehr entsprechenden Tiefenlage (gegen das Körperinnere) des IIdhn2 (83) bereits Übereinstimmung mit dem Imaginalbefund, aber ein Unterschied vom Metathorax. Der 11 dlm 1 {82) ist in der Imago kräftiger entwickelt, sodaß für ihn vielleicht eine geringe Funktion als Flügelmuskel nicht ganz ausgeschlossen erscheint (vgl. 1905, III. Teil, der Flügelmechanik 6. Stufe, S. 663 f. u. S. 677 f.). Infolge der übereinstimmenden Verteilung der meso- und meta- thoracalen dlm-Mmke\n ist die 1905, S. 413, aufgestellte Homologie nicht mehr zulässig: Der metathoracale IIIdlm2 (1905, Illdlml) ent- 466 Friedrich Voss, spricht nicht mehr den beiden mesothoracalen medianpaarigen Längsmuskeln, sondern ist nur einem derselben, dem IldlmB homolog. Daraus folgert aber die merkwürdige Tatsache, daß der dem meta- thoracalen Flügelmuskel homologe mesothoracale dlm2 als ausschließlicher Intersegmentalmuskel eine ganz andre Funktion besitzt. Durch diese Homologie aber findet nunmehr auch der metathoracale 1 1 Idlml {I90b: dlmla) einenhomologen Ildlml im Mesothorax. Die mediale Dorsoyentralmuskulatar. Hinsichtlich des Auftretens dieser Muskelkategorie in zwei primären, den etZvm-Dorsoventralmuskeln im Abdomen entsprechenden Gruppen, hinsichtlich der Unterscheidung der einzelnen Muskeln als primäre, durch Trochanterbewegung oder den Besitz einer Chitinsehne charak- terisierte Stammuskeln gegenüber den sekundären, sei auf die im Metathorax gegebene Übersicht verwiesen (vgl. S. 743 f. u. S. 744), da für die homologen Muskeln im Mesothorax gleiches gilt. Im Vergleich dieser Muskulatur des ersten Stadiums mit der imaginalen fällt es auch hier auf, daß mit Ausnahme des dvm7 (90) sämtliche Muskeln im Stadium 1 bereits differenziert auftreten^ — zum Teil in noch höherem Grade, als es in dem wieder rückgebildeten imaginalen Mesothorax der Fall ist — und zwar bereits in den für die Flügelmuskulatur der Imago charakteristischen, dieser bereits sehr angenäherten Lagebeziehungen; es fehlt im Stadium 1 hauptsächlich nur noch die Zerlegung des tergalen Skelettes und die Massenzunahme der Flügelmuskeln. Ebenso wie im Metathorax ent- steht auch hier die Frage, ob in der im Stadium 1 vorliegenden Muskel- verteilung das Endergebnis allein der Beinmechanik oder ob in der- selben auch der morphologische Ausdruck der auf die Bildung des Flügels bezüglichen Entwicklungsvorgänge zum Ausdruck kommt. Man kommt dabei zu dem gleichen, durch den Ildvmo (88) und II dvm3+ 4 (92, 93) noch bekräftigten Ergebnis, daß auch hier gerade die typi- schen Lagebeziehungen der tergalen Ursprungsstellen als ein Hin- weis auf die Anlage des Flügels zu gelten haben (vgl. im Metathorax Bd. C, S. 751 u. 800). Im einzelnen sind folgende Unterschiede hervorzuheben: Die kräftigere Ausbildung des intersegmentalen Rotator ism (86) deutet auf erhöhte Anforderungen der intersegmentalen Bewegungs- vorgänge. Die bedeutende Massenzunahme der Ildvml (87) und IldvmS + 4 (92, 93), die geringere des Ildvmo (88) verrät die Bedeutung dieser über den Thorax von Grjllus domesticus. V. 467 Muskeln als Flügelmuskeln, während die relative Konstanz der vorderen und hinteren Stamm-Muskeln dvmö {89) und dvm2 (91) auf deren gleichmäßige Funktion in allen Stadien als ausschließliche Beinmuskeln hinweist; diese letzteren Muskeln konnten daher als Vergleichsmaß zur Abschätzung der Größenzunahme andrer Muskeln dienen. Besonderes Interesse bietet der Zerfall der dvm5 (88) und dvm2 — 4 (91 — 93) in Teilmuskeln, welche in der Imago fehlen: Die auffallende Zweiteilung des dvmöa + h (88) — im Unterschied zum metathoracalen im Stadium 1 — kann als ein primärer Zustand gedeutet werden, in welchem dieser Muskel — den analogen Vorgang der Trennung eines dvml (87) aus dem dv7n6 (89) wiederholend — in einen Flügelanteil 5a und in einen Beinanteil 5h zerfiel. Diese Zweiteiligkeit würde sich im Mesothorax infolge der geringen Bedeutung des Segments für die Flugmechanik noch erhalten haben, während im Metathorax bereits zeitig die Massenentwicklung des Muskels eingeleitet wird ; zudem weist der dem dvmß besonders benachbarte Teilmuskel 5h auf die Herlei- tung von jenen hin. Die im Vergleich zu der metathoracalen noch schärfer ausgeprägte Dreiteiligkeit der hinteren Dorsoventralmuskelgruppe IIdvm2 — 4 (91 bis 93) kann in der gleichen Weise wie bei dem dvm5 begründet werden. Gerade das zunächst getrennte Auftreten dieser Muskeln im ersten Stadium, ihre Vereinheitlichung dann aber in dem bei wenig speziali- sierter Flügelmechanik (vgl. III. Teil, S. 672, 678—630)) rückgebildeten imaginalen Mesothorax weisen darauf hin. daß das larval-dreiteilige Auftreten dieser Muskulatur in den für die Flügelmechanik typischen Lagebeziehungen auch für den Metathorax als Hinweis auf den Flügel in morphologischem Sinne gelten darf. Die Vereinheit- lichung ist lediglich durch Massenzunahme bei dem Mangel lokalisierter Teilmechanik zu erklären. Eine exakte Lösung der Frage, ob die Zerlegung der IIdvm5 und IIdvm2 — 4, ebenso wie das Auftreten der vollständigen Differenzierung sämtlicher lateraler und medialer Dorsoventralmuskeln allein kinematisch aus den Anforderungen der Beinmechanik heraus verständlich sind, oder ob hierin außerdem noch ein morphologischer Ausdruck für die Flügelentwicklung liegt, wird nicht möglich sein; ich möchte mich jedoch auf Grund der angestellten Erwägungen für letzteres entscheiden. Schließlich zeigt das allerdings sehr auffällige Fehlen eines dvm7 (90), daß auf den Flügel gerichtete progressive Entwicklungsvorgänge auch in quali- tativer Hinsicht im Mesothorax postembryonal auftreten, trotz der sonst schon überall fertig durchgeführten Muskelverteilung. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. 'CI. Bd. 31 468 Friedrich Voss, In welcher Weise der dvm7 auftritt, kann nur durch die Unter- suchung späterer Stadien entschieden werden, vgl, auch den ldvml4 S. 469. Die Pleuralmuskulatur (vgl. 1905, S. 416). In der Auffassung über die morphologische Stellung einiger dieser Seitenmuskeln sind gegenüber der 1905 gegebenen Darstellung die gleichen großen Änderungen eingetreten, welche auch im Metathorax durchgeführt werden mußten. Die Begründung für die nachstehend befolgte Auffassung, Einteilung und Bezeichnung der Muskeln ist bei Besprechung des Metathorax gegeben; es sei daher auf dieselbe ver- wiesen, da auch im ersten Stadium fast sämtliche metathoracalen Muskeln im Mesothorax homolog vertreten sind (vgl. S. 752 ff.). So wird auch der Befund der mesothoracalen Seitenmuskeln in gleicher Weise für die bereits angedeuteten morphologischen und kinematischen Gesichtspunkte geltend gemacht. Die hauptsächliche Veränderung beruht auch hier darauf, daß eine Reihe als sternalpleural geführter Muskeln als dorsoventrale Seitenmuskeln Idwn oder als intratergale Muskeln {fm) aus jener Kategorie ausscheiden. Im Vergleich des Stadium 1 mit der Imago zeigt es sich auch hier, daß fast sämtliche imaginalen Muskeln differenziert vor- liegen, daß die Muskeln nicht nur in dem völlig gleichen sternalen End- bezirk unverändert angetroffen werden, sondern daß auch tergal die Muskeln in den typisch imaginalen Lagebeziehungen bereits ausge- bildet sind und daß Verschiedenheiten nur vorliegen hinsichtlich der — nach Maßgabe der noch undifferenzierten tergalen und pleuralen Skeletteile — vereinfachten Ansatzverhältnisse, hinsichtlich der Größen- unterschiede und hinsichtlich der Entwicklung von Teilmuskeln. Auch werden bei wenigen Muskeln geringe Verschiebungen vorgefunden. DorsoTentrale Seitenmnskelu. Änderungen in der Darstellung von 1905 treten nur hin- sichtlich der morphologischen Auffassung und der Bezeichnung der hier in Betracht kommenden Muskeln ein (vgl. die Übersicht in Ab- schnitt b S. 460). Es wird eine reich differenzierte vordere Gruppe dorso ventraler Seitenmuskeln unterschieden von einer hinteren Gruppe, welche durch einen einzigen Muskel vertreten ist. In der vorderen Gruppe sind als zwei primäre Beinmuskeln aufzufassen: Der vielleicht an der Flügelbewegung beteiligte Tro- chantermuskel IdvmS (96, /jm^) und der Hüftmuskel ldvm4 (97, fm4) über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 469 mit seiner Chitinsehne. Die übrigen sekundären Muskeln beziehen sich auf die Teilmechanismen im sternalen Bereich: Idvml (94, pml) als Trochantinmuskel, Idvmld (90, pml4) am Coxosternum, Idvvnla (95, 29m2) als Flügelmuskel. In der hinteren Gruppe ist der ldvm2 (99, pm6) gleichzeitig ein Bein- und Flügelmuskel. Im Vergleich des Stadium 1 mit der Imago ist zu betonen, daß die abweichend im Stadium 1 nur als Beinmuskeln funktionierenden Muskeln sämtHch mehr oder weniger dicht unterhalb der als tergale Seitenfalte auftretenden Flügelanlage an der gleichförmigen, festen Chitinplatte der thoracalen Seitenwand entspringen. Abweichungen im einzelnen sind folgende: Als Flügelmuskel er- fahren die beiden Idvmla und ldvm2 in der Imago eine erhebliche Größenzunahme. Dabei ist auch im Stadium 1 der mesothoracale ldvm2 schwächer als der metathoracale. Der Trochantermuskel IdvmS nimmt an Größe anscheinend nicht zu: Er gewinnt also im imaginalen Mesothorax nur ganz nebenbei eine Beteiligung an der Flügelmechanik oder überhaupt nicht — im Unterschied vom metathoracalen IllldvmS (61). Der Hüftmuskel Idvmd ist also der kräftigste Muskel im Stadium 1. Die Zerlegung des lateralen Dorsoventralmuskels Idvml + la (94, 95) ist auch sternal (vgl. den pm5b, c [100]) nicht durchgeführt. Den Mangel auch dieser sternalen Differenzierung darf man vielleicht auf eine noch nicht vöUige Durchführung der auf den Flügel gerichteten Entwicklungsvorgänge betrachten, ebenso sehr die Tatsache, daß sehr eigentümlicherweise der Idvm 14 {98) — vgl. den dvmT, S. 468 — völlig fehlt. Das Auftreten dieses bei Insekten sonst allgemein verbreiteten Flügelmuskels ist demnach bei der Hausgrille noch nicht typisch ge- nug, um sein embryonales Auftreten zu bedingen. Die besondere Nähe des IlldvmS (96) bei dem Teilmuskel Idvmdb (97) weist auf die genetisch enge Zusammengehörigkeit der beiden Muskeln hin. In dieser Hinsicht ist das getrennte Auftreten eines Teilmuskels Idvvnda innerhalb der Hüftmuskulatur (97) als primärer Befund wie im Meta- thorax (vgl. Bd. C, S. 787) von besonderem Werte: Denn man kann ihn als Begleitmuskel der sekundär differenzierten Idvml und la auffassen, so daß zwei Teilgruppen innerhalb der vorderen Gruppe : Idvm 4b und IdvmS als hinterer Komplex, Idvm 4a, Idvml + la (und Idvm 14 in der Imago) als vorderer Komplex unterschieden werden dürfen. EndHch bekräftigt der im Vergleich zum Metathorax größere Abstand des Idvm 4 (97) vom pmö (100) (vgl. S. 454, Bd. C, S. 778) die Unterscheidung; der beiden Muskeln als Angehörige verschiedener Kategorien. 31* 470 Friedrich Voss, Unterbrochene Seitenmuskelii und intratergale Muskeln. Als einziger sternalpleuraler Seitenmuskel tritt der pmö (100) wie in der Imago auf, jedoch ist eine Sonderung der Teilbündel 5b und 5c, ganz entsprechend dem Idvml und la, noch nicht vor- handen. Innerhalb der Gruppe der topographisch tergalpleuralen Muskulatur ist gleichfalls (vgl. Bd. C, S. 809) der Unterschied zwischen echten tergalpleuralen Seitenmuskeln und intratergalen Muskeln versucht worden. Infolge der Auffassung der unterhalb der Flügelfalte befindlichen Skeletbezirke zum Teil noch als morphologisch tergale An- teile kann der echte tergalpleurale pm? (101) nicht mehr als intra- pleural bezeichnet werden (vgl. 1905, Nr. 85, S. 406). Er fehlt im Stadium 1 höchst auffallenderweise gänzlich: Wenn ihm auch in der Imago keine erhebliche Bedeutung zukam, so hätte doch angenommen werden können, daß er gerade infolge seiner imaginalen Rückbildung larval frühzeitig angelegt wird, zumal außer dem Idvmld alle übrigen Muskeln bereits ausgebildet sind. Auf welche Weise er nachembryonal etwa entsteht, bleibt zunächst zweifelhaft; vgl. den Idvmld, S. 469 und dvm7, S. 468. Ein dem metathoracalen homologer und ihm gleichgebildeter echter tergalpleuraler Seitenmuskel wurde ferner in dem pm8a (102) aufgefunden, der sich aber speziell durch seine Teilfaser pmSx von jenem unterscheidet. Diese Teilfaser widerspricht vielleicht der Aus- legung des pmS als ein dem abdominalen ij)m5 (vgl. Bd. C, S. 807) etwa homologer Muskel; denn er weist — vielleicht als Stammuskel des finSa — auf die Herleitung des pinSa vom Mesonotum her hin. Doch gehe ich hier auf spekulative Erörterungen nicht weiter ein. Bei dem Vergleich des ersten Stadiums mit der Imago ist — abgesehen von dem bereits erwähnten Fehlen des pm7 — wiederum (vgl. Bd. C, S. 805 f.) zu betonen, daß von den typisch verteilten übrigen, den intratergalen Muskeln pm9 (103), pmlO (104), pmll (105) rela- tiv stärker ausgebildet sind als in der Imago, nicht merklich dagegen der pml2+13 (106, 107), dessen im Unterschied von der Imago ein- heithche Masse jedoch an beiden Enden breiter ansetzt. Dadurch wird die Lagebeziehung der beiden Lamellen der Flügelduplikatur an ihrer Basis innerhalb einer großen Strecke und durch erhebliche Muskel- kräfte gesichert; diese Verfestigung hat augenscheinhch den Zweck, sowohl beim Übergang des Embryonalzustandes in den Normalzustand die Normallage des betreffenden Teile herbeizuführen, als auch den über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 471 Gefahren, welchen diese Lagebeziehung bei späteren Häutungen aus- gesetzt ist, entgegen zu wirken. Der Umstand schließhch, daß der in der Imago episternal ge- lagerte Muskel fmll im Stadium 1 als epimeral bezeichnet werden mußte, deutet jene Allgemein Verschiebung der Gesamtfläche des Meso- notum gegenüber der thoracalen Seitenwand an, auf welche später zurückzukommen sein wird (vgl. S. 627). Der Stlgmeninuskel kehrt in der von der Imago bekannten Ausbildung wieder. Für seine morphologische Auffassung erhält man einen neuen Gesichtspunkt durch den Vergleich mit den abdominalen Stigmenmuskeln. Von den dort angetroffenen beiden Muskeln, dem echten Stigmenmuskel stim (16, 32, 43) und den lateralen Stigmenmuskeln entspricht er gemäß einer allgemeinen Homologie den letzteren, — welchem dieser beiden im einzelnen, kann nicht näher bezeichnet werden. Jedenfalls sind sie durch ihre außerhalb des Peritrema befindliche Ursprungsstelle als echte sternalpleurale Seitenmuskeln charakterisiert. Da ein stim im Mesothorax fehlt, wird die Funktion der thoracalen (vgl. Prothorax S. 518) Stigmen in andrer Weise vollzogen als im Abdomen, was auch in der verschiedenen Ausgestaltung des Peritrema zum Ausdruck kommt. Die steruale Muskulatur. Von den mit ganz besonderen, speziellen Funktionen betrauten Muskeln kehren der Intersegmentalfaltenmuskel ifm (117), der Gabel- seitenmuskel zm (116) in gleicher Ausbildung wieder. Im weiteren Vergleich der Verhältnisse im Stadium 1 mit der Imago lassen sich folgende Abweichungen feststellen: Hinsicht- lich der Stärkeverhältnisse ist eine Massenzunahme des Trochanter- muskels hm4 (112) und des Hüftmuskels hni5 (113) in der Imago fest- zustellen. Auch mag der hml durch Faserverlängerung eine geringe Erhöhung seiner Wirkung erfahren, da er im ersten Stadium noch nicht so weit median wärts reicht. Während der dritte Beinmuskel hm3 (111) und der sechste hm6 (114) relativ gleich kräftig bleiben, ist der Muskel des hinteren Außenrandes der Hüfte hm7 (115) im Stadium 1 ganz besonders kräftig entwickelt. In der Imago ist letzterer rückgebildet; er wird dort vertreten durch den sich nachembryonal kräftig ent- wickelnden hm5 und den im Stadium 1 fehlenden &m2 (110, 113). Es ist wahrscheinlich, daß letzterer Muskel als Teilmuskel des hm 5 erst allmählich auftritt. 472 Friedi'ich Voss, Es ist demnach für die sternale Beinmuskulatur im Mesothorax nicht nur eine allgemeine Verstärkung der Muskelfasern durch Gebrauch derselben während des nachembryonalen Lebens, sondern auch ein Vikariieren einzelner Beinmuskeln am äußeren Hüftrand festgestellt. Es wird sich schwer ermitteln lassen, welche Bedeutung im speziellen diesen wechselnden Stärkeverhältnissen zukommt. Der hml tritt ja, morphologisch betrachtet, als Muskel der unpaaren Apo- physe speziell neben die Muskeln hm 5 und hm2 der Gabelapophyse, indem er aus diesem ganzen Komplex heraus — nach dem Prinzip der gleichwertigen Beteiligung der Muskelkategorien an den in ihrem Bereich liegenden Teilmechanismen (vgl. Bd. C, S. 770) — als Mitgänger der im Mesothorax begonnenen und im Prothorax zu Ende durchgeführten Ausgestaltung des epimeralen Sternits (Sternellum) — dem Abschnitt der unpaaren Apophyse mit ausschließlich intersegmentaler Bedeutung (vgl. 1905, S. 439) — auftritt. Es ist höchst wahrscheinlich, daß er als ein zum Teil intersegmental wirksamer Muskel zunächst für die Häu- tungen besondere Bedeutung besitzt, dann aber durch die infolge ihrer Stellung kinematisch wirksameren, ausschließlichen Beinmuskeln teil- weise ersetzt wird. Vielleicht auch steht er in Idnematischer Wechsel- wirkung mit dem imaginal gleichfalls rückgebildeten Ivlm2a + b (120). Neu aufgefunden wurde ein zarter Muskel, welcher von der Prä- segmentallamelle an den Darm geht; über seine mehr funktionelle Bedeutung vergleiche S. 459, Iltim (118). 2. Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung des Mesothorax und des Metathorax im ersten Stadium gewonnenen Ergebnisse mit den imaginalen Zuständen hinsichtlieh Skelet und Muskulatur. Bei der grundsätzlichen Gleichheit in der Ausgestaltung der beiden flügeltragenden Thoracalsegmente lassen sich die aus der Untersuchung des ersten Stadiums gewonnenen Ergebnisse für beide Segmente ge- meinschaftlich zusammenfassen. Beide Segmente befinden sich im Stadium 1 bereits in einem weit vorgeschrittenen Entwicklungszustand, welcher im sternalen Bezirk hinsichtlich des Skelettes dem imaginalen gleicht, hinsichtlich der Muskulatur der Ausgestaltung der Imago mit wenigen aber bemerkens- werten Ausnahmen annähernd gleichkommt. Tergal bestehen hin- gegen infolge der bereits angelegten, aber noch nicht ausgewachsenen Flügel Abweichungen. Diese Abweichungen betreffen aber hauptsächlich nur die äußere Ausgestaltung, d. h. die noch fehlende Ausbildung über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 473 des imaginalen tergalen Skelettes zu Flügelgelenkteilen und Bezirken, während hinsichtlich der inneren Ausgestaltung die Verteilung der Muskeln in einer der Imago völlig entsprechenden typischen Weise durch- geführt ist. Der hier im Bereich der Flügelanlage bestehende Unter- schied ist hinsichtlich der Muskulatur also hauptsächlich ein quantitativer, ein gradueller, d. h. die Muskeln erfahren im wesent- lichen nur noch eine Größenzunahme. Aber auch in der Ausgestaltung des tergalen Skelettes ist bereits in dem Auftreten der Präsegmentallamelle und der Pleural- 1 eiste mit ihrem noch einfach gestalteten tergalen Ende samt allen typischen Muskeln ein weit vorgeschrittener Zustand erkennbar, welcher speziell mit dem Auftreten der Flügel verknüpft und für diese charakteristisch ist (vgl. Bd. C, S. 626, 751). Anzeichen einer dem Mesothorax und Metathorax ge- meinsamen primitiven Grundlage, auf welcher die imaginal etwas verschiedenen Segmente im Stadium 1 einander näher kommen, sind neben der gleichen Ausgestaltung des Skelettes im tergalen Bezirk und in der thoracalen Seiten wand jedoch noch vorhanden: Hierhin sind zu rechnen die der Anordnung und Form abdominaler Längs- muskeln gleichende Ausbildung der dorsalen Längsmuskulatur, die noch nicht zu Ende geführte, noch mit geringen nachembryonalen Ver- schiebungen verbundene Verteilung der medialen und lateralen Dorso- ventralmuskeln, welche durch diese primäre Verteilung und durch das Auftreten bestimmter Teilmuskeln von den innerhalb dieser Kate- gorien vorliegenden genetischen Zusammenhängen Kunde und für die morphologische Auffassung der Muskeln Anhaltspunkte geben. Hierher ist auch die Erscheinmig zu rechnen, daß die der intersegmentalen Verbindung dienenden dorsalen und ventralen Längsmuskeln zueinander und auch in ihren Teilfasern jenen gekreuzten Faserverlauf noch nicht in dem Maße durchgeführt zeigen, welches für die Imago so charak- teristisch ist. Es treten geringe Verschiebungen der Muskeln zu- einander überall auf, so daß hierin eine weitere Ausgestaltung durch kinematische Vorgänge, durch Gebrauch veranschaulicht wird. Die Betrachtung der Größenunterschiede der Muskeln sowie das Fehlen einzelner Muskeln gibt Aufschluß über die Verschiedenheiten beider Stadien in kinematischer Hinsicht. Besonders interessieren hier dreierlei Arten von Beziehungen, welche 1) hinsicht- lich des Schlüpfens des Embryo aus dem Ei und der Häutungsvor- gänge, 2) hinsichtlich der Beinmechanik und 3) hinsichtlich der Flügel- anJage bestehen. 474 Friedrich Voss, 1 ) Eine Keihe von Muskeln, welche im Stadium 1 besonders kräftig ausgebildet sind, in der Imago aber schwächer oder rückgebildet werden, weisen dadurch auf ihre Bedeutung für die intersegmentalen und sonstigen Bewegungsvorgänge bei Häutungen hin^ welche besonders bei dem Schlüpfen des Embryo aus dem Ei, bei der ersten Embryonalhäutung und zur Herstellung der Normallage des Tieres z. T. sehr erhebliche Leistungen beanspruchen. Diesen mechanischen Vorgängen dienen die dorsalen Längsmuskeln, von den ventralen Längsmuskeln ganz besonders der vlm2a + b (79), der intersegmentale Rotator ism (52, 86), von den Beinmuskeln besonders der mesothora- cale bm7 (115), ferner sämtliche tergalpleuralen Muskeln in verschie- dener Weise. Die als intratergal zusammengefaßten tergalpleuralen pmO — 12 zeichnen sich dabei durch ihre gegenüber der Imago be- trächtlich relativ kräftigere Ausbildung aus und durch ihre beson- deren, auf die Sicherung der Flügelanlage hinzielenden Aufgaben. Trotzdem sie in der Imaoo als direkte Flügelmuskeln oder Hilfsmuskeln bei der Flügelbewegung tätig werden, werden sie nachembryonal an Masse rückgebildet. Ihre Rolle im Stadium 1 — und vielleicht auch in den späteren Stadien zur Ausgestaltung der Flügelgelenkteile — ist daher eine beträchtliche und wird von den mechanischen Aufgaben bei der Flügelbewegung nicht übertroffen. Daß innerhalb der dorsalen und ventralen Längsmuskulatur durch Anbahnung des gekreuzten Faserverlaufs die Erhöhuno; der intersegmentalen Festigkeit nach- O O o embryonal angestrebt wird, deutet demgegenüber auf die Besonder- heit der intersegmentalen Beziehungen vor und noch innerhalb des Stadium 1 hin. 2) Die in der Beinmuskulatur zwischen der Imago und dem Stadium 1 bestehenden Unterschiede sind gleichfalls relativ beträcht- lich genug, um zu zeigen, daß die Ausgestaltung der Beinmuskulatur mit dem Stadium 1 noch nicht beendet ist, sondern daß die Vorgänge der nachembryonalen Beinmechanik noch weiterhin allmählich aus- gestaltend wirksam sind. So erfährt auch die Beinmuskulatur durch Gebrauch eine nachembryonale Vervollständigung, Verstärkung und eine Präzisierung ihrer Fasermassen, Vorgänge, die im Mesothorax besonders auffällig sind und S. 472 besprochen wurden (vgl. S. 618). 3) Die hinsichtlich der Flügelmuskulatur bestehenden Unter- schiede zwischen der Imago und dem Stadium 1 interessieren nach zweierlei Richtungen: Einmal verraten sich die Flügelmuskeln der beiden dorsoventralen Kategorien dvm und Idvm als solche durch ihre geringe Massenentwicklung im Stadium 1, sodann geben sie Anhalts- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 475 punkte für die Aiiffassimg der Art der Flügelentwicklung und zur Beurteilung des im Stadium 1 bestehenden Grades derselben. Hinsichtlich der Art der Flügelentwicklung war zwar einer- seits der Schluß erlaubt, daß die den imaginalen ähnlichen typischen Lagebeziehungen dieser Flügel- und Beinmuskulatur im tergalen Bezirk nicht allein auf Rechnung der Beinmechanik zu setzen seien, sondern daß darin auch ein morphologischer Ausdruck der Flügelentwicklung gesehen werden dürfe. Anderseits schien es jedoch nicht gänzlich aus- geschlossen zu sein, daß' die Teilungsvorgänge innerhalb der dorso- ventralen Muskulatur in ihren Anfängen durch die mechanischen Anforderungen einer verschieden gerichteten Zugwirkung innerhalb eines Muskels bei der Beinbewegung eingeleitet sein könnten, so daß in den Beziehungen der Beinmechanik zur tergalen Fläche ein sekun- därer Anknüpfungspunkt für die Flügelmechanik gegeben erscheint. Die Beurteilung dieser Beziehungen wird bei der Betrachtung des Prothorax besonders schwierig sein; jedenfalls aber zeigten die in der dorso ventralen Muskulatur des Mesothorax gegenüber dem Meta- thorax vorliegenden Abweichungen ganz besonders, daß die tergalen Lagebeziehungen der Muskeln zum Teil durch die Entwicklung der Flügel begründet werden dürfen. Hinsichtlich des Grades der Flügelentwicklung ergibt sich daraus die Anschauung, daß die Entwicklung auch der Flügelmusku- latur im ersten Stadium im wesentlichen bereits zu Ende durchgeführt ist, daß die weitere Ausgestaltung dieser Muskulatur also eine graduelle, quantitative ist. Dies gilt im besonderen für den Metathorax. Im Mesothorax liegen jedoch abweichende Dinge vor, welche die Flügel- entwicklung auch in qvialitativer Hinsicht noch nicht beendet erschei- nen lassen: Daß diese Tatsache als ein allgemeiner Grundsatz ver- wertet werden darf, scheint in Anbetracht der Rückbildung des Meso- thorax hinsichtlich der Flügelmechanik unzulässig; ihre Bedeutung wird wesentlich eingeschränkt dadurch, daß auch im sternalen Bezirk analoge Unvollkommenheiten und Wandlungen hinsichtlich der Bein- mechanik vorliegen. Folgende besondere Abweichungen des ersten Stadiums vom Imaginalstadium im Mesothorax — im Unterschied auch vom Metathorax im Stadium 1 — zeigen hinsichtlich der Flügel eine Divergenz beider Segmente in dem soeben dargelegten Sinne schon im Stadium 1 an: Das o;eteilte Auftreten der Dorso ventralmuskeln Ildvmö (88) und IIdvm,2—4 (91—93), die Einheitlichkeit des IlfmVZ und 13 (106, 107), das Fehlen des tergalpleuralen IIpm7, das Fehlen der dorsoventralen IldvmY (90) und IIldvmM (98). Das Fehlen letzt- 476 Friedrich Voss, genannter Muskeln ist derart auffällig, daß der Nachweis, es möchten diese Abweichungen individueller Natur sein oder nicht, noch erbracht werden muß. Andre Besonderheiten des Mesothorax gegenüber dem Metathorax beruhen noch in folgenden Unterschieden: In dem Mangel einer ster- nalen Differenzierung des lateralen Dorsoventralmuskels Idvml + la (94, 95) zugleich des sternalpleuralen IIpm5b + c (100), die nicht mehr primäre Tiefenlage des IIdlm2 (83). Typische Besonderheiten des imaginalen Mesothorax dem Meta- thorax gegenüber treten also schon im ersten Stadium hervor; sie zeigen einen gewissen Vorsprung in der Entwicklung des Mesothorax einerseits, anderseits aber tritt die primäre Grundlage stellenweise aus dem Grunde hervor, daß die sekundären Rückbildungserscheinungen bei der geringen Bedeutung der Flügelmechanik im Mesothorax sich nicht so frühzeitig geltend machen. Die Zweiteiligkeit des dorsalen Längsmuskels IldlmSa + b (84) im Stadium 1 ist ein Zeichen der verwandtschaftlichen Stellung des Mesothorax zum Prothorax, welche in der Imago nicht mehr zum Ausdruck kommt, E. Der Prothorax Ii. a. Einzelbeschreibung der Muskeln. Die Längsmuskulatur (vgl. 1905, S. 418). Die veutrale Läng-sniuskulatur. 119) (1905: 102) Musculus prosterni primus, Ivhnl, inter- segmentaler medianer paariger ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI f., Fig. 14—17, 23). Der Muskel entspricht im allgemeinen dem Befunde in der Imago, jedoch tritt er hier im Stadium 1 als zweiteiliger Muskel auf, dessen beide Komponenten paarig symmetrisch verlaufen. Dadurch ist der Muskel als echter Doppelmuskel erwiesen, dessen paarige Anlage postembryonal in der Imago völlig vereinheitlicht wird. Die beiden anfangs seitlich platten, dann aber quer-rundlichen Bündel entspringen nahe beieinander, aber völlig getrennt an der unpaaren Proapophyse, treten nach hinten auseinander und setzen entfernt voneinander an der breiten unpaaren Mesapophyse an. Der mittel-kräftige, dem IlvlmS (80) fast gleichkommende Muskel — d. h. 1 Vgl. T3xtfiguren 37—48; Bd. C, Taf. XIX ff., Fig. 1—21, 24, 25, 38; Bd. CI, T f. XXVI, Fig 41, 42, 49, 50. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 477 je seine Symmetriehälfte — ist im ganzen anscheinend kräftiger als in der Imago entwickelt. 120) (1905:103) Musculus prosterni secundus, Ivlm2a + b, intersegmentaler medianpaariger ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXIf., Fig. 14—17). Er entspricht dem Befunde in der Imago und gleicht durch- aus dem mesothoracalen IIvlm2a + b (79), dem er jedoch an Stärke nachsteht. Wie dieser ist er sowohl im Stadium 1 als auch in der Imago in seiner Ansatzstrecke zweiteilig, indem der eine Teilmuskel 2b am Tro- chantin cp mit dem IIldvml + la {94l,9d) zusammentrifft, während der Hauptmuskel 2a am Hüftrande ansetzt. Er erscheint in beiden Stadien von relativ gleicher Stärke, im ersten Stadium stärker als Ivlml (109) und der folgende IvhnS. 121) (1905:104) Musculus prosterni tertius^ IvlmS, inter- segmentaler medianpaariger ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXIf., Fig. 14—17). Er gleicht dem in der Imago beschriebenen Muskel, ist aber im ersten Stadium etwas schwächer als der vorige. Er setzt medial dicht neben dem vlmS an, den er, abweichend von der Imago (vgl. 1905, Nr. 106) hier nicht kreuzt; während sein Ver- halten zum Ivlmi (1905, Nr. 105) das gleiche ist. Seine relative Stärke ist so ziemlich in beiden Stadien gleich. 122) (1905:105) Musculus prosterni quartus a + &, /-y^m 4« + &, intersegmentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 12—16). Der Muskel entspricht im allgemeinen den im Imaginal- stadium gefundenen Tatsachen. Wie in der Imago entspringt er vom lateralseitig etwas oberhalb des folgenden Ivlmö und setzt unterhalb desselben etwas medialseitig an, als lateraler der beiden Muskeln. Im einzelnen weicht er ab durch seine Zerlegung in zwei Teilmuskeln (vgl. zuerst die Beschreibung des folgenden Nr. 123). Der äußere, anfangs im Querschnitt etwas größere Teii- muskel 4a entspringt lateral dicht neben Ivlmöb als äußerster Teil- muskel, vereinigt sich sodann medialseitig mit dem inneren Teilmuskel anscheinend unter Faseraustausch, zumal er in der hinteren Strecke im Querschnitt kleiner erscheint. Er setzt medial und unterhalb neben dem inneren Teilmuskel an. Der innere, anfangs sehr schwache Teilmuskel 4b ent- 478 Friedrich Voss, springt vorn medial vom vorigen Teilmuskel, unterhalb des folgen- den Ivlm 5 b-Teilmuskeh, zwischen diesem und dem Hauptmuskel 5 a, mit dessen lateralem Ende er, stellenweise untrennbar, eine gemein- schaftliche Masse darstellt. Anfangs vom lateralen Teil des Ivlm4 durch den Ivhnöa getrennt, tritt er alsbald mit ihm zusammen und er- scheint — nach mutmaßlichem Faseraustausch — im hinteren Quer- schnitt stärker als dieser. 123) (1905: 106) Musculus prosterni quintusa + 6, 7v?m5a + &, intersegmentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl, Bd. C, Taf, XXI, Fig. 12—16). Auch dieser Muskel entspricht im allgemeinen dem imagi- nalen Befunde. Er weicht ab durch seine Zerlegung in zwei Teilbündel, ein oberes ob und ein unteres 5a, ferner durch seinen hinteren Ansatz lateral, nicht medial oberhalb des IvhnS (121). Es stimmt in beiden Fällen über- ein, daß das — allerdings größere — ventrale Teilbündel sich vorn mit beiden Teilen von Ivhnd (122) vereinigt. Beide Teilbündel ver- laufen völlig getrennt voneinander, zumal vorn, wo noch der innere Teilmuskel des vorigen Ivhnd hinzutritt. Der untere, sehr kräftige Teilmuskel 5a beginnt vorn mit lang- gestreckter, distal stark verschmälerter Ansatzlinie. Er trennt mit dieser verschmälerten Partie die beiden Teilmuskeln des vorigen Ivlm4 und verbindet sich besonders eng — unter Faseraustausch ? — mit dem inneren. Im weiteren Verlaufe nach hinten wird er alsbald eine kom- pakte, quer-ovale, hinten mehr oder minder zweiteilige Masse. Der obere, mindestens um drei Viertel schwächere Teilmuskel Ivlm,5b entspringt lateral vom unteren und verläuft allmählich schräg nach hinten etwas an die mediale Seite des vorigen — wobei er sich von allen Muskeln getrennt hält. Die Ivhnd- und /v?w?-5-Längsmuskulatur. Diese in der einzelnen Ausgestaltung etwas veränderlichen Ver- hältnisse w^urden als Gegenstück der tergalen Längsmuskeldifferenzie- rung im Prothorax und in der Halshaut ausführlich dargestellt. Die beiden, in ihren Teilfasern durcheinander geflochtenen Muskeln zusam- mengenommen sind die kräftigsten ventralen Längsmuskeln überhaupt, und werden darin nur noch von der eben genannten dorsalen Längs- muskulatur übertroffen. Sie erscheinen im Stadium 1 also auch stärker ausgebildet als in der Imago. 124) (190.5: 107) Musculus prosterni sextus, Ivlmß, inter- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 479 segmentaler lateraler ventraler Längs muskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI f., Fig. 13— 16, 23). Der kräftige, quer-ovale Muskel gleicht dem in der Imago beschrie- benen. Infolge der Zweiteilung des Ivlmö entspringt er zwar (vgl. 1905) über dem Ivlmöa, aber medial entfernt neben Ivlm5b. Er ist etwa äo kräftig wie der IvlmS (121), wenig stärker als Ivlml (119). Er steht an Stärke dem Ivlm2a + b (120) etwas nach. In der Imago ist er ziemlich relativ gleich kräftig. 125) (1905: 108) Musculus prosterni septimus, Ivlm7, seg- mentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf . XXI, Fig. 13). Odimi ^Ä"^/'^"-^ fidvm U$ I pmS i ßmlO 'pmf/ J vlm8 Textfig. 37. Hinterer Bezirk des Prothorax mit tergalem Interseg mentalbezirk zum Mesothorax im späten Übergangszu stände des Stadium 1. (50. Sclinitt kombiniert mit dem 49. der Serie Nr. 7, vgl. die ErLäuterungen Bd. C auf S. 606 ff. u. 611.) Die Figur entspricht mit der folgenden 38 durchaus einer Kombination der Textfig. 34 — 36 für den tergalen Intersegmentalbezirk zwischen Mesothorax und Metathorax und knüpft vergleichs- weise dort an. Besonders fällt hier die Größe der mesotergalen Flügelduplikatur jl auf. Der Ur- sprung des vergänglichen ventralen Längsmuskels der Embryonalkinematik IvlmS (126) vgl. Bd. C, Tafel XXII f., Fig. 15 — 20, reicht bis an die Basis der Gabelapophyse. Die dorsalen Längsmuskeln des Prothorax enden in einem höheren, intersegmentalen Niveau als die Dorsoventralmuskeln an der tiefer gelegenen mesotergalen Platte. Über die ventralen Längsmuskeln IvlmSa + b (123), vgl. S. 464. Das Verhalten des dorsalen Längsmuskels Idlmla (127) im Vergleich mit der Imago kann durch einen Vergleich mit der Textfig. 4a, 1905, S. 421, beurteilt werden. Er gleicht dem imaginalen Muskel. Etwa ebenso kräftig wie der vorige Ivlm 6, entspringt er medial dicht neben ihm. In der Imago ist er anscheinend ein wenig kräftiger ausgebildet. 126) Musculus prosterni octavus embryonalis, IvlmS, segmentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 37, Taf. XXII, Fig. 15—20). Der Muskel ist in der Imago nicht vorhanden. 480 Friedrich Voss, Der dicke, kompakte Muskel entspringt breit an der Wurzel und an der Unterfläche der unpaaren Proapopliyse ua, ferner an dem daran anschließenden Hinterrande der epimeralen Sternalplatte des Pro- sternum »est« (des Sternellum, 1904, S. 297, Textfig. 4, S. 295). Er reicht dabei bis nahe an die Wurzel der Gabelproapophyse pa. Er ver- läuft parallelfaserig lateral nach hinten, wo er in der ganzen vorderen Fläche des mesosternalen Coxosternum (vgl. 1905, Fig. 3, S. 405) unterhalb der sternalpleuralen Muskeln Ilpmöd + e (100) ansetzt. Er ist einer der kräftigsten Längsmuskeln überhaupt, übertrifft an Stärke die Längsmuskeln IlvlmS (80), die IIvlm2a + b (79,120), steht aber dem Muskelkomplex Ivlmd und Ivlm5 (122, 123) zusammen- genommen nach. Als Einzelmuskel jedoch dürfte er von allen ven- tralen Längsmuskeln und sternalen Muskeln neben Ibm7 (154) der kräftigste sein. Über seine funktionelle Bedeutung vgl. S. 643. Es bleibt die Frage offen, ob er schon innerhalb des ersten Sta- diums zu gründe geht, oder ob er einer allmählichen nachembryonalen Rückbildung anheim fällt; ersteres ist das wahrscheinliche. Die dorsale Läugsmnskulatur. 127) (1905:109) Musculus pronoti primus a, (nicht »seg- mentalis«), Idlmla, intersegmentaler medianpaariger dor- saler Längs muskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 2—5). Der Muskel weicht im einzelnen vom imaginalen erheblich ab durch seine äußerst kräftige Ausbildung und massige Entwicklung: Während er in der Imago von allen dorsalen Längsmuskeln wohl am geringsten entwickelt ist, übertrifft er im Stadium 1 neben den Längsmuskeln Odlmla (163) und IIdlm2 (83) und Odlmö (166) sämt- liche dorsalen und ventralen Längsmuskeln an Mächtigkeit. Er erweist sich hier als der typische intersegmentale Längsmuskel, indem er beiderseits unmittelbar gegenüber den entsprechenden Muskeln des Mesothorax und der Halshaut am Mesonotum, bzw. an der vorderen Intersegmentalfalte ansetzt. Im einzelnen verhält sich der Muskel folgendermaßen : Im Übergangszustand des Stadium 1 entspringt er vorn an den nach hinten gerichteten Zipfehi der zwischen Pronotum und der Nackenregion tief einwärts gefalteten Intersegmentalhaut — in seiner Lage zwischen dem IdlmS einerseits und den vorn medial, d. h. unter ihm verlaufenden doppelt intersegmentalen dlml und 2 (163, 164) anderseits. Er verläuft als mächtige, etwas zweiteilige, nur wenig geringer als OdlmJa (162) entwickelte Muskelmasse nach hinten. über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 481 Sein unregelmäßig elliptisches Querschnittbild zeigt die medianseitig- dorsale — stellenweise als gesonderten Teilmuskel schräg gegen die übrige Masse abgesetzte — Hälfte dicker entwickelt, als die lateral- ventrale, mehr breite und plattere Partie, trotzdem an letztere medial- seitig der obere Teilmuskel des Odhn2 (164) — den Muskel zu einem regelmäßig quer-elliptischen ergänzend — herantritt, um sich hinten mit der medial-dorsalen Hälfte zu vereinigen. Er setzt an der zum Meso- notum führenden Intersegmentalfalte dicht vor dem Mesonotum, seitlich der hier ncch nicht soweit wie in der Imago entwickelten Prä- segmentallamelle an — gemeinsam mit den Längsmuskeln Odlm2 (164) und dem am meisten medianwärts reichenden IdlmSa (128). Es geschieht in der Art, daß in der gemeinsamen Ansatzmasse die Einzel- anteile der Muskeln gut unterscheidbar sind. Zwischen den beider- seitigen Ansatzstellen des linken und rechten Muskels bleibt ein Median- bezirk des dorsalen Raumes — von der Breite etwa des Idlmla — muskelfrei. Die Textfig. 37 — 40 sollen seinen Verlauf im Vergleiche mit dem imaginalen Muskel (1905, Textfig. 4, S. 421) veranschaulichen. Eine Rückbildung der Fasermasse ist im untersuchten Übergangsstadium noch nicht sicher erkennbar (vgl. auch Nr. 128). Sie wird deutlicher im Normalzustand des Stadium 1: Es ist eine Abnahme der Massenentwicklung in dem breiten und platten, hinten im ganzen schwächeren Muskel eingetreten. Zugleich beginnen Kerne und Plasma der zahlreichen Muskelfasern zu degenerieren; ihr Querschnitt wird kleiner, sie schrumpfen. Die Fasern trennen sich voneinander, der ehemals kompakte Muskel wird locker und zerfällt. Dadurch tritt der Muskel histologisch in scharfen Gegensatz zu den drei sehr mächtig entwickelten Fasern des IdlmSa (128), auch zum Odlm2, wenn auch, besonders vorn weniger deutlich. Die Dissociation der Muskelfasern führt bis zu der schon 1905, vgl. Textfig. 4, S. 421, angedeuteten Zer- teilung des Muskels. Die Funktion des Muskels ist im Übergangszustande des Stadium 1 augenscheinlich eine sehr bedeutende; denn sie bezieht sich im Antagonismus zum Odlmla (162) auf eine energische, konzentrierte Wirkung der dorsalen, intersegmentalen Kräfte, welche bei dem Schlüpfen des Embryo aus dem Ei und besonders bei der schwierigen ersten Häutung, der Embryonalhäutung, in Betracht kommen. Zu- dem erhält in diesem Übergangszustande der Halshautbezirk seine Normallage auch zum Prothorax. Nach der endgültigen Ausgestaltung und Erhärtung der fortab relativ starren, bei weiteren Häutungen 482 Friedrich Voss, in ihren Lagebeziehungen weniger gefährdeten Chitinbezirke tritt die Notwendigkeit eines möglichst freien Spieh-amnes zwischen den rota- torisch zueinander bewegten Bezirken, der Halshaut bzw. dem Pro- thorax hervor ; dem würde die kurze intersegmentale Längsmuskulatur hinderlich sein. So geht der durch die bereits vorhandene, freien Spiel- raum gewährende lang-intersegmentale und doppelt-intersegmentale Muskulatur Oidlml und 2 (163, 164) besser vertretene IdJmla zurück. Er beschränkt sich durch Funktionswechsel als schwacher Muskel auf die Regulierung des Bestandes der Intersegmentalfalte, da er im Ver- gleich mit andern (z. B. mit dem Odlmla) hierzu gerade am geeig- netsten ist. 128) (1905:110) Musculus pronoti tertius, pars a, Teil- muskel IdlmSa, intersegmentaler lateraler dorsaler Längs- muskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 1—6, Fig. 24). Der allgemeine Befund entspricht dem imaginalen. Im einzelnen ergeben sich Abweichungen nach Lage, Gestalt und Größe. Im Übergangszustand des Stadium 1. Der in der Imago stärker entwickelte Muskel entspringt — als im Querschnitt der Ursprungsstelle unregelmäßig in der Richtung von vorn nach hinten etwas verlängerte elliptische Fasermasse — über dem Idlmla (127), entfernt vom Vorderrande des Pronotum in dessen vorderer Hälfte, etwa im Bereich des zweiten Fünftels, derart, daß im Querschnitte durch das Tier noch die weit nach hinten reichende vordere Intersegmentalfalte getroffen ist. Er reicht dabei kaum nennenswert weiter nach vorn, als der lateral gelegene folgende IdlmSb (vgl. S. 552). Die Ursprungsstelle liegt beträchtlich entfernt von der Medianlinie, der Ansatzstelle des gegenüberliegenden symmetri- schen Muskels, bei weitem nicht so sehr genähert wie in der Imago, so daß ein breiter Medianstreifen muskelfrei bleibt (vgl. Fig. 1). Er verläuft sodann seitlich nach hinten, wobei er immer platter wird, tritt als dünne, breite Muskellage an die Außenseite des vorigen Idlmla dicht heran, um mit ihm gemeinsam in der Intersegmental- haut anzusetzen. Die Fasern verlaufen innerhalb des Muskels derart, daß der Muskel vorn — medial, d. h. oben am dicksten ist, Vergleichung und Deutung. Der Muskel ist in der Imago erheblich kräftiger. Im Gegensatz zu der Imago entspringt er im Stadium 1 nicht so platt, weiter ent- fernt vom Vorderrande und von der Medianlinie, entfernt auch vom folgenden IdlmSb. Er verläuft in ähnlicher Weise, setzt aber in der über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 483 Imago entfernt von Idlmla und den übrigen dorsalen Längsmuskeln gemeinsam mit dem IdlmSh an, mit konzentrierteren Fasern, d. h. nicht so platt wie im Stadium 1. Seine vordere Ansatzf lache rückt also nachembryonal allmählich, unter Abplattung des vorderen Teiles und unter Verstärkung des Muskels, nach vorn und median wärts, so- daß der folgende Muskel lateral neben ihn bzw. hinter ihn zu liegen kommt. Der Vergleich mit dem mesothoracalen IldlmS (84) im Sta- dium 1 zeigt folgendes: Während der imaginale, prothoracale IdlmSa dem mesothoracalen nach Form und Lage unähnlich ist, gleicht er // ^c//m/ IdImSb' Textfig. 38. Hinterer G r e n z b e z i r k des P r o t h o r a x im späten Ü b e r g a n g s z u - Stande des Stadium 1. (46. Sclmitt der Serie Nr. 7, vgl. Erläuterungen Bd. C auf S. 606 ff . u. 611.) Der intersegmentale Dorsoventralmuskel lism des Prothorax bezeichnet die vordere Grenze des mesothoracalen Raumes. Dieintersegmentalfalte iafa ist beiderseits durch die dorsale Längsmus- kulatur in Zipfeln nach vorn vorgezogen. Zur Beurteilung des verschiedenen Verhaltens des hier mächtig entwickelten dorsalen Längsmuskels Idlmla (127) der Embryonalkinematik gegenüber der Imago, vgl. 1905, Textfig. 4ö u. c, S. 421. hierin ganz außerordentlich dem Teilmuskel I IdlmSa (84) im Stadium L (Vgl. Bd. C, Textfig. 34—36, S. 721 mit 37 ff. ; Taf . XIX, Fig. 1 u. 2 mit 5.) Er unterscheidet sich dadurch von ihm, daß er am Pronotum weniger platt, viel weiter vorn, medial von der Dorsoventralmuskulatur und etwas mehr der Medianlinie genähert entspringt, während sich seine, hintere Ansatzstelle in beiden Fällen zwischen den beiderseits benach- barten II, IdlmSh bzw. //, Odlm2\\. 1 — die des prothoracalen aber entfernter vom dlmSh — befindet. Auch ist er im Prothorax kräftiger als im Mesothorax. Er zeigt also im larvalen Pronotum des ersten Stadiums ein primäres, vom imaginalen abweichendes, da- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 32 484: Friedrich Voss, gegen dem larvalen mesothoracalen IldlmSa sehr ange- nähertes Verhalten. Normalzustand des Stadium 1. Schon im weiteren Verlaufe des ersten Stadiums treten Verände- rungen ein, wie an einem älteren Zustande dieses Stadiums festgestellt werden konnte. Der Muskel nimmt an Masse zu. Bedeutend stärker als im Übergangszustande, ist er jetzt schon halb so kräftig wie die vereinigten Idlmla und Odlm2, von denen der Idlmla an Masse aller- dings schon abgenommen hat. Dabei erscheint er ganz hinten zwei- teilig, wobei der verlagerte laterale Teil in engere Nachbarschaft zu dem folgenden IdlmSh tritt. Die Entfernung der vorderen Ansatz- stellen ist etwa die gleiche wie im Übergangszustande. Ein andres, etwas jüngeres Stadium (Nr. 3, Bd. C, S. 609) zeigt die Vorgänge in bereits weiter vorgeschrittenem Zustande ; die beiderseitigen Ursprungs- stellen des IdlmSa stoßen in der Medianlinie, in welcher nach innen ein geringer leistenartiger Vorsprung sich erhebt, beinahe zusammen. Er setzt hinten an wie in der Imago, gemeinschaftlich mit IdlmSb, ent- fernt von Idlmla. Die Massenzunahme geschieht nicht durch Faser- vermehrung, sondern durch Massenzunahme der einzelnen Fasern, Es sind (links 3) wenige Fibrillenbündel, welche im Normalzustand einen bereits (gegenüber dem Übergangszustand) kräftigen Muskel darstellen. 129) (1905:111) Musculus pronoti tertius, pars b, Teil- muskel IdlmSb, intersegmentaler lateraler dorsaler Längs- muskel (vgl. Bd.C, Taf. XIX, Fig. 1—7, Fig. 24). Der Muskel entspricht im allgemeinen den für den imagi- nalen beschriebenen Tatsachen. Im Übergangszustande des ersten Stadiums stimmt er mit ihm in Form, Zweiteiligkeit und Stärke überein, weicht jedoch in den Lageverhältnissen etwas ab. Als charakteristischer dritter dorsaler Längsmuskel entspringt er weiter vorn als der vorige, medial neben der Dorso Ventralmuskelgruppe. Er zerfällt in zwei Teilbündel: Das vordere Teilbündel IdlmSb' beginnt im seitlichen Pronotum seitlich über dem Idlmla, weit vorn zwischen den intersegmentalen Oism und Oism2 (169, 170), etwas hinter ersterem, und entfernt neben letzteren, medial neben der Pleurallamelle, lateral vom vorigen Muskel IdlmSa, nur sehr wenig hinter einer Linie, welche die Vorderenden der beiden IdlmSa verbindet. Er entspringt mit einer, in der Richtung von vorn nach hinten sehr verlängerten schmalen Ansatzfläche (außer- halb der mit dem Ansatz der Pleurallamelle Ip zusammenhängenden über den Thorax von Grjilus domesticus. V. 485 Hypodermis verdickung). Bedeutend stärker als der vorige, verläuft er schräg nach hinten und unten als platter, dicker Muskel an die Intersegmentalfalte zum Mesonotum, wo er mit dem folgenden Teil- bündel an dem der Präsegmentallamelle tv entsprechenden stark chi- tinisierten Zipfel gegenüber dem lism (130) ansetzt, ein wenig entfernt neben dem vorigen Muskel IdhnSa. jdlm3b' dvmS dvw8 Textfig. 39. Mittlerer Bezirk des Prothorax im späten Übergangszustande des Stadium 1. (37. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erläuterungen Bd. C, S. 606ff. u. 611.) Die mittlere Lage des Schnittes wird durch den tergalen Ansatz der Pleurallamelle Ip bezeichnet; um diese drängt sich in einer der Image ähnlichen Weise (vgl. 1905, Textfig. 6, S. 427) die dorso- ventrale Muskulatur. An der Gabelapophyse findet die ventrale Längsmuskulatur der Halshaut Ansatz. Über das Verhalten des dorsalen Längsmuskels Idlmla {\2T) vgl. bei der Imago 1905 die Textfig. id auf S. 421. Die morphologische Bedeutung des Hals.schildseitenlappens hs kann auf dieser Figur nach dem Ursprung dorsoventraler Muskulatur beurteilt werden. Indem an der ter- galen Platte'des Prothorax mediale und laterale Dorsoventralmuskulatur gemischt — nicht getrennt, etwa durch eine der Flügelduplikatur entsprechende Falte — entspringen, vereinigt der tergale Prothorax eutergalen und pleurotergalen Bezirk der tergalen Region ; zudem reicht der seitlich stark verlängerte tergale Seitenrand hs noch tief hinab, indem er die Beinwurzel überdeckt. Dieser Unterschied gegenüber den flügeltrageuden Segmenten tritt bei einem Vergleich mit den Text- fig. 31 — 33 hervor, vgl. im übrigen die Erläuterungen zur Textfig. 30 (Bd. C, S. 715). Ein Ver- gleich mit den Verhältnissen der Abdominalsegmente (vgl. besonders Bd. 0, S. 667 die Textfig. 12) zeigt in beiden Fällen ähnliches: das tiefe Hinabreichen eines dem eutergalen Bezirke kontinuierlich angeschlossenen pleurotergalen Bezirkes plt, dessen Seitenwand im Abdomen aber nicht wie im Prothorax als Duplikatur auftritt, sondern ohne Faltenbildung allmählich in die Flankenhaut übergeht. Der im Abdomen die beiden dorsoventralen Muskelkategorien scheidende dlm5 fehlt im Prothorax. Vgl. hierzu besonders Tafelfig. 49 mit 46 u. 51, Taf. XXIX und die Verhältnisse in der Halshaut bei Textfig. 43. Das hintere, — dem IdlmSa ähnliche und etwa gleich kräftige — Teilbündel IdlmSb" entspringt weit hinten im Pronotum, nur wenig entfernt und medial hinter dem vorigen Teilbündel, lateral hinter dem vorigen Muskel IdlmSa, unmittelbar über dem Idlmla (127). Es be- ginnt mit unregelmäßig elliptischem Querschnitt derart, daß die Ansatz- 32* 486 Friedrich Voss, fläche — weit hinter der Pleurallamelle — etwa auf der gleichen Linie endet, welche die Hinterenden der Äste ß des Odlml (164) verbindet. In seinem weiteren Verlaufe tritt es — dem IdlmSa zeitweise dicht angelagert — sehr bald in enge Verbindung mit dem vorderen Teil- bündel IdlmSb. Beide setzen gemeinschaftlich in langer Ansatzstrecke an der Intersegmentalfalte, an dem der Präsegmentallamelle ent- sprechenden chitinös verstärkten Bezirke an. Vergleichung und Deutung. Verglichen mit dem relativ etwa gleich kräftigen imaginalen Muskel entspringt er im ersten Stadium, in welchem seine Zweiteiligkeit viel deutlicher hervortritt, lateral entfernt vom IdlmSa und viel weiter vorn als in der Imago (vgl. Fig. 1905, S. 424 und S. 461 mit Taf . XIX, Fig. 1 und Fig. 38, Bd. C). Der in der« Imago so sehr betonte, zu dem vorigen IdlmSa gekreuzte Verlauf dieses Muskels ist hier noch nicht so sehr ausgeprägt. Im Vergleiche mit dem kürzeren, aber ziemlich gleich kräftigen mesothoracalen IldlmSh entspringt er im Stadium 1 gleichwie der I IdlmSa viel weiter vorn. Gerade die Vergleichsmöglichkeit mit dem mesothoracalen, im ersten Stadium bereits zweiteiligen // dlm Sa + h charakterisiert die beiden prothoracalen Muskeln zur Genüge, auch abgesehen von ihrer Stellung medial hinter und neben der mittleren Dorso Ventralmuskulatur. Ein dlm 4 fehlt demnach im Prothorax, bzw. ist er infolge der mäch- tigen Entwicklung der epimeralen Dorsoventralmuskulatur in Fort- fall gekommen. Normalzustand des Stadium 1 (Nr. 3, Bd. C, S. 609). Es sind Veränderungen eingetreten hinsichtlich seines tergalen Ursprungs: Der Muskel entspringt viel näher der Medianlinie als im Übergangszustand (die Entfernung der vordersten Fasern des Muskel- paares beträgt zwölf Teilstriche des Messoculars, gegenüber 32 im Übergangszustand des Stadium 1 und acht Teilstrichen des Muskel- paares IdlmSa). Die Ansatzstelle ist hinter dem nach vorn verschobenen Oism (169) vorbei lateral hinter den IdlmSa (128) gerückt. Dadurch sind die Lagebeziehungen der Muskeln den imaginalen bereits ange- nähert. Das hinsichtlich des IdlmSa zum Vergleich herangezogene wenig jüngere Stadium (Nr. 5) zeigt diese Vorgänge gleichfalls vor- geschritten: Der Muskel beginnt hier mit beiderseitig noch mehr ge- näherten Ursprungsstellen ziemlich platt, platter als IdlmSa, getrennt über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 487 aber — ein wenig lateral — dicht hinter dem letzteren (vgl. ferner bei dlmSa). Die DorsoYentralinuskulatur. (Mittlere mediale innere echte Dorsoventralmuskeln, vgl. 1905, S. 423). Intersegmentalmuskel. 130) (1905:112) Musculus dorsoventralis intersegmenta- lis prothoracis, lism, intersegmentaler Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Textfig. 38, Taf. XlXf., Fig. 7—11). Der kräftige Muskel gleicht dem imaginalen; er ist im ersten Stadium anscheinend relativ etwas kräftiger entwickelt und über- trifft hierin auch den mesothoracalen, vgl. Nr. 86, um ein geringes. Er setzt von allen Muskeln am meisten distal in der Intersegmental- falte bzw. in deren Präsegmentallamelle an. Segmentale Muskeln. (Vgl. hierzu die Bemerkungen auf S. 718, Bd. C.) Die folgenden medialen Dorsoventralmuskeln sind zugleich mit den lateralen Dorsoventralmuskeln tergal im Vergleich zu den meso- und metathoracalen im Stadium 1 kräftiger entwickelt, während dies in der Imago infolge der massigen Entwicklung der Flügelmuskeln nicht mehr hervortritt. In ihrem Größen Verhältnis und in ihrer An- ordnung zueinander gleichen sie völlig dem imaginalen Verhalten. Insgesamt sind sie entfernter von der Medianlinie angeordnet, als es in der Imago der Fall ist (vgl. S. 486 unten und 1905, S. 434 ff.). Geringe Abweichungen zeigen sich im einzelnen wie folgt: 1.' Gruppe des vorderen Dorsoventralmuskels. 131) (1905: 113) Musculus dorsoventralis sextus protho- racis, Idvm6 {Idvml), segmentaler vorderer Dorsoventral- muskel (vgl. Bd. C, Taf. XlXff., Fig. 1—13, 24). Er entspricht im allgemeinen dem imaginalen Befunde. Die beiden Teilmuskeln entspringen jedoch entfernt voneinander. Der kräftige, quer-elliptische laterale Teilmuskel ist selbst wieder zwei- teilig; er enthält die lange Chitinsehne. Der mediale Teilmuskel ist tergal dem Idvm3+ 4 (134, 1905: dvm2) so eng benachbart, daß er mit ihm fast einheitlich erscheint. Vergleichung und Deutung: Der Muskel mußte umbenannt werden, da er infolge des charakteristischen Besitzes der langen Chitin- sehne dem dvmß (54, 89) im Meso- und Metathorax homolog ist. 488 Friedrich Voss, ( Obwohl dieser als primärer Stamm-Muskel charakterisierte Muskel (vgl. Bd. C, S. 743 ff.) eigentlich die Ziffer 1 tragen sollte (entsprechend dem dvm2), wurde zumal in Rücksicht auf die Ausführungen 1905 im III. Teil »die Mechanik« doch von dieser Änderung abgesehen. Daß der mediale Teilmuskel dem // und Illdvml (48, 82) entspricht, ist wahrscheinlich (vgl. auch später S. 524). 132) (1905:115) Musculus dorsoventralis quintus protho- racis, Idvm5, vorderer segmentaler Dorsoventralmuskel des Trochanter (vgl. Bd. C, Taf.XIXff., Fig. 3— 16). Er gleicht dem imaginalen Muskel. 2. Gruppe des hinteren Dorsoventralmuskels. In der Deutung dieser Muskulatur ist auf Grund erneuter Unter- suchungen auch in der Imago und infolge der nach Kenntnis des ersten Stadiums bestimmter zu begründenden Erwägungen eine Änderung eingetreten dahin gehend, daß der Idvm7 (1905: 116) nicht als ein neuer Muskel geführt werden kann, d. h. daß der als dvm7 gedeutete Muskel dem dvm2 des Meso- und Metathorax entspricht, und daß der als Idvm2 + 3+4 (1905:114) gedeutete Muskel nunmehr nur noch dem dvm3+4 im Meso- und Metathorax entspricht. Die 1905 ge- gebene irrtümliche Deutung stützte sich auf die Tatsache der mehr lateralseitig verschobenen Anheftung des Idvm2 {190b : I dvm 7) am Hüftrande, so daß der dem meso- und metathoracalen hinteren Innen- rande der Hüfte entsprechende Raum muskelfrei schien. Maßgebend aber für die Charakterisierung eines dvm2 ist stets die lange Chitin- sehne, die der 1905 als dvm7 beschriebene, jetzt aber als dvm2 er- kannte Muskel besitzt, während der unter Nr. 114 (1905) beschriebene Muskel dvm2, jetzt dvm3+4 keine eigne Chitinsehne enthält; die bei allein makroskopischer Untersuchung der eng benachbarten Muskeln mögliche Verwechslung läßt sich bei mikroskopischer Nachkontrolle leicht als Irrtum erweisen. Demnach muß es heißen: Idvm2 statt dvm7, IdvmS + d statt dvm2, und in den 1905 gegebenen Abbildungen S. 424, 427, Schemall zu S. 456, S. 461—465: dvm2 + 3+4. Die 1905 gegebene irrtümliche Deutung hatte damals keine weiteren Folgerungen nach sich gezogen. Dagegen kann der mit Sicherheit gedeutete Muskel nunmehr zu weiteren Schlüssen benutzt werden. 133) (1905:116) Musculus dorsoventralis secundus pro- thoracis coxae, Idvm2, segmentaler hinterer Dorsoventral- muskel = M. dorsoventralis septimus proth. Idvm7 in der Imago (vgl. Bd. C, Taf. XlXff., Fig. 1—13). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 489 Der wie in der Imago sternal spitz ansetzende Muskel entspricht dem imaginalen Befunde, er ist jedoch in der längeren tergalen Strecke scharf zweiteilig entwickelt. Entfernt vom Idvm3+4 (134: 1905 dvm2) entspringen die beiden Teilbündel dicht aneinander gelagert derart, daß das mehr als die Hälfte kleinere Teilbündel medial hinter dem vorderen — lateral ver- dickten — Bündel entspringt. 134) (1905:114) Musculus dorsoventralis tertius et quar- tus prothoracis, //mJ Textfig. 41. Vorderste Grenze des Prothorax und intersegmentaler Bezirk zur Halshaut im späten Übergangszustande des Stadium 1. (25. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. Bd. C, S. 606 ff u. 611.) Der Schnitt zeigt den Übergang zur Halshaut, zum Segment der zweiten Maxille. Ventral trifft der coxosternale Vorderrand des Prosternum est (vgl. u. a. auch 190-1, Textfig. 2, S. 291 und Textfig. 4, S. 295) mit der hinteren Kehlplatte a, d. i. dem seitlich-sternalen Bezirk des Segments der zweiten Maxille, der Kehlhaut Ost, zusammen, während dorsal das weit nach vorn übergreifende Pronotum It, das weichhäutige Tergit des zweiten Maxillensegmentes, die Nackenhaut Ot überdeckt. Der vergängliche Odlmla (162) der Embryonalkinematik (orange) tritt beiderseits auf. Unterbrochene Seitenmnskeln. Sternalpleuraler Seitenmuskel. 140) (1905: 120) Musculus lateralis quintus prothoracis, Ifm5, segmentaler episternaler vorderer sternalpleuraler Seitenmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XX f., Fig. 10—12). Er entspricht dem imaginalen Befunde, ist aber erheblich schwä- cher und anscheinend ein wenig kürzer entwickelt als dort. 492 Friedrich Voss, Tergalpleurale Seitenmuskeln. 141) (1905: 123) Musculus lateralis nonus prothoracis, IpmQ, segmentaler epimeraler intratergaler (1905 »tergalpleu- raler«) Seitenmuskel. Dieser Muskel kann durch die Sclinittmethode nicht bestimmt nachgewiesen werden, da infolge der an die Pleurallamelle eng ange- drängten Lage der Dorsoventralmuskeln und dem wechselnden Ver- halten der Muskelfasern innerhalb dieser Muskeln die Selbständigkeit etwa hierher gehöriger Fasern nicht hervortritt. Er bleibt daher für das erste Stadium fraglich. 142) (1905: 124) Musculus lateralis undecimus prothora- cis, Ipmll, segmentaler intratergaler (1905 »tergalpleuraler«) Seitenmuskel, episternal und epimeral (vgl. Textfig. 40, S. 489). Er gleicht dem imaginalen Muskel in der Form einer Zwischen- masse zwischen dem oberen Ende der Pleurallamelle und dem Tergit. 143) (1905:125) Musculus lateralis, duodecimus protho- racis, Ipml2, segmentaler epimeraler intratergaler (1905 » tergalpleuraler «) Seitenmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 4 — 6). Er gleicht dem imaginalen Muskel. 144) Musculus lateralis quintus-decimus prothoracis, Ifmlö, segmentaler episternaler tergalpleuraler Seitenmus- kel, Befestigungsmuskel für die Basis der Pleurallamelle (vgl. Bd. C, Taf. XX, Fig. 8—10). Der Muskel entspricht dem imaginalen Befunde; er ist aber viel kräftiger entwickelt. Im Übergangszustande des Stadium 1 stellt er eine wenig kompakte, aber große Masse zerstreut und zum Teil einzeln verlaufender Fasern dar. Er entspringt an der gewölbten, stark gerundeten Außen- seite des unteren Endes der Pleurallamelle in der Höhe etwa des Be- ginnes des IfmS (140) und des Ansatzes des Odlmöb (167) an der Pleural- lamelle. Von hier aus verlaufen die Fasern auseinander strahlend nach vorn, lateral und nach hinten derart, daß man zwei Hauptgruppen unterscheiden kann : Eine vordere neben dem hinteren Ende des OdlmSb (167) etwas parallelfaserige Gruppe setzt nach kurzem Verlauf an der stark chitinisierten Lamelle des vorn (vgl. Fig. 9) eingebogenen Prono- tum an (1904, S. 293 und Textfig. 4 bei 4 unter der mit 7 bezeichneten Stelle). Eine hintere Gruppe tritt auseinander an den seitlich tief herabreichenden Seitenlappen des Halsschildes. Der Muskel verläuft über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 493 dicht unterhalb, d. h. vor dem an der Pleurallamelle außenseitig sich vorbei drängenden Ildvm2a (139, 1905 pm6a). Nachtrag zu derlmago: Der Muskel ist hier äußerst schwach entwickelt, sodaß er bei makroskopischer Präparation nicht sichtbar ist. Die mikrospische Untersuchung zeigt nur wenige als Muskel- fasern kaum charakterisierbare feine Stränge, welche von wenigen Stellen des Kahmens bei 4 (1905) an die Pleurallamelle hinziehen. Dabei ist die Hypodermis eigentümlich umgewandelt in einer Weise, welche ihrem Verhalten bei dem Ansätze normaler Muskeln ähnlich ist. Indem nämlich die Basalmembran gegen das Körperinnere zu mehr oder minder spitz vorspringt und indem die sehr verlängerten fadenförmigen Hypodermiszellen — unter Verdickung der Hypodermis — dementsprechend mehr oder weniger stark gegen diese Vorwölbung oder diesen Zipfel der Hypodermis konvergierend zusammentreten, setzen sie sich unter stellen weiser Auslöschung der Basalmembran in jene feinen muskulösen Stränge fort. Besonders innig ist die Verfestigung der Pleurallamelle noch durch die Keste der vorderen Gruppe. Die Muskelfasergruppe kann in sofern als tergalpleurale gelten, als sie die anscheinend pleurale (vgl. den Ursprung des 'pm5) Region mit dem Tergit verbindet. Denn die dem lateralen Blatt der Pleural- lamelle entsprechende Chitinhaut stellt einen unterhalb des tergalen Seitenrandes gelegenen — morphologisch epimeralen, d. h. hinter der Pleurallamelle befindlichen, aber nach vorn vorgetretenen — Bezirk der thoracalen Seitenwand vor, dessen Lage durch das Vortreten einer Duplikatur nach vorn gegeben ist. 145) Musculus lateralis sextus-decimus prothoracis, Iltml6, segmentaler epimeraler Seitenmuskel, Lateralmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXf., Fig. 11—13). " Der Muskel entspricht dem Befunde in der Imago, ist aber im ersten Stadium relativ kräftiger entwickelt. Dieser äußerst feine, dünne, aus mehreren feinen Fibrillen be- stehende, vielkernige Muskel entspringt tief — unterhalb der Höhe des Stigma — in der vor der Region des imaginalen Stigmendeckels std (vgl. 1904, Fig. 4, S. 295) gelegenen Intersegmentalfalte, welche zwischen dem Bezirk der epimeralen Sternalplatte est und der ge- ring entwickelten, feinhäutigen epimeralen Region nach innen tief einspringt. Er verläuft schräg nach vorn tergalwärts, dicht hinter dem hinteren Dorsoventralmuskel Idvm2. 3, 4 (133, 134), und setzt an am oberen Ende der feinhäutigen epimeralen Seiten wand dort, wo dieselbe in die feinhäutige untere Lamelle der Duplikatur des Hals- 494 Friedrich Voss, schildseitenlappens umbiegt, und zwar etwa in der Hälfte der zwischen der Intersegmentalfalte und dem lateralen Dorsoventralmuskel Ildm2 (138) befindlichen Strecke. Der Muskel ist der schwächste im Prothorax überhaupt, da er den beiden folgenden noch nachsteht. Nachtrag zu der Imago: Der Muskel ist derart rückgebildet, daß er bei makroskopischer Untersuchung nicht darstellbar ist und auf Serienschnitten erst bei Anwendung starker Vergrößerungen (etwa 400) verfolgt werden kann. Er ist ein sehr dünner, fein fibrillärer Strang, von einem einem Muskel sehr unähnlichenAussehen ; seine Kontrak- tilität kann vielleicht in Zweifel gezogen werden. Über seine Funktion läßt sich nichts Sicheres angeben. Vielleicht ist er ein Hilfsmuskel bei der Atmung. Die Tatsache jedoch, daß er sich in der Imago gegen- über dem Stadium 1 sehr rudimentär verhält, weist auf seine im larvalen Stadium vielleicht beim Schlüpfen des Tieres aus dem Ei und für die endgültige Formgebung des jungen Stadiums besondere und vorwiegende Bedeutung hin; diese Dinge lassen sich endgültig viel- leicht erst nach Kenntnis des Embryonalstadiums und der späteren Stadien entscheiden . 146) Musculus lateralis septimus-decimus prothoracis, IpmlT, segmentaler episternaler tergalpleuraler Seitenmus- kel (vgl. Bd. C, Taf. XlXf, Fig. 3—8). Der Muskel entspricht dem imaginalen Befunde, ist aber im Sta- dium 1 viel kräftiger entwickelt. Im Übergangszustande des Stadium 1: Er entspringt als dünner, strangförmiger Muskel dicht an der Vorderkante der Pleural- lamelle am Tergit, verläuft, indem er die vordere Kante in geringer Entfernung vor ihr begleitet, nach unten und setzt am medialen Rande der einspringenden Vorderrandslamelle des Halsschildes (vgl. 1904, S. 293 und Fig. 4, Nr. 4) dort an, wo sie in die weiche Halshaut um- biegt. Die Ansatzstelle befindet sich an dieser Lamelle innerhalb des prothoracalen Innenraumes gegenüber dem Ansätze des lateralen Teil- bündels Odlmöa (166) in der Ansatzhöhe des Ipml5 (144) derart, daß er zwischen diesen Muskeln und dem medialen, an die Pleurallamelle ansetzenden Teile a des dorsalen Längsmuskels Odlmöa + h (166) tritt. Er übertrifft den Darmmuskel lim (157) ein wenig an Stärke. Die tergale Ursprungsstelle ist insofern nicht ganz sicher bestimmbar, als die Frage, ob er an der tergalen Fläche selbst oder an der unteren Fläche des etwas umgebogenen und verbreiterten oberen über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 495 Endes der Pleurallamelle ansetzt, auf Schnitten sich nicht leicht ent- scheiden läßt, besonders nicht auf Frontalschnitten, auf denen allein der quer getroffene Muskel mit Sicherheit zu verfolgen ist. Da er in seiner tergalen Endstrecke an eine nachweisbar der Pleurallamelle anorehörigen Stelle der Hypodermis dicht heran tritt und sich anschei- nend hier schon verbindet, ist es annehmbar, daß er vom oberen Ende der Pleurallamelle ausgeht und nicht vom eigentlichen Tergit selbst. Immerhin möge er seiner allgemeinen Lage nach und bei der Unsicher- heit der Bestimmung des tergalen Ansatzes, ferner in Anbetracht von Verschiebungsmöglichkeiten (vgl. z. B. die Fasern des Dorsoventral- muskels Ildvmd usw.) als tergalpleuraler Muskel geführt werden, zu- mal das obere Ende der Pleuralleiste als morphologisch tergal gelten muß (vgl. die intratergalen pmO — 7J-Muskeln im Meso- und Metathorax Bd. C, S. 806ff.). Ein Vergleich mit dem // und IllpmS (102, 66) dürfte in morphologischer Hinsicht noch am ehesten gerechtfertigt sein ; doch ist hierauf kein ernstlicher Wert zu legen. Über sein auffallendes, in den verschiedenen Strecken ungleiches Verhalten hier nur einige Andeutungen: Er besteht aus vielen, sehr feinen Fibrillen mit kleinen, stellenw^eise sehr reichlichen Kernen, die an seinem basalen Ende zum Teil größer sein können, als in der übrigen Strecke. Nachtrag zu der Imago: Der Muskel erscheint in der Imago als ein so äußerst feiner Strang, daß er selbst bei mikroskopischer Untersuchung nicht auffällt. Er zeigt dabei ein sehr verändertes, sehr eigentümliches, einen Muskel sehr unähnliches Verhalten. Über die Funktion des Muskels läßt sich wenig Sicheres sagen. A^ielleicht ist er ein Antagonist zum lateralen Teil des dorsalen Längsmuskels Odlm5a + h (166), der in der Imago ja fehlt; er mag, wenn der Embryo aus dem Ei schlüpft, eine besondere Bedeutung haben, da zu dieser Zeit die Chitinteile des jungen Tieres noch nicht erhärtet sind, und da die Intersegmentalfalte, bevor sie ihre endgültige Form und Lage bekommt, durch die Vorgänge der intersegmentalen Bewegungs- erscheinungen, zumal bei der etwa gleichzeitigen ersten Häutung ge- wissermaßen gefährdet ist. Jedenfalls vermag er den an das obere Ende der Pleurallamelle angeschlossenen Teil des Tergits dem sternalen Bezirk medianwärts zu nähern. Unter der Vermutung, daß seine sternale Endstelle, welche durch die Basalmuskulatur Ifmlö (144) besonders gesichert erscheint, das punctum fixum bildet, ist es annehmbar, daß er speziell bei der erwähnten Konzentration des Tergits medianwärts im Übergangszustande des Stadium 1 beteiligt ist. Wir kommen auf 496 Friedrich Voss, diese Frage, die sich vielleicht durch den Befund an einem noch im Ei befindlichen älteren Embryo klären läßt, in größerem Zusammenhange zurück (vgl. S. 645ff.). Die Stigmenmusknlatar. 147) (1905:126) Musculus lateralis stigmaticus protho- racis, html, segmentaler epimeraler Seitenmuskel als Stig- men muskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 12 u. 13). Der Muskel entspricht dem Befunde in der Imago. Die dort gegebene Beschreibung sei für das Stadium 1 und damit auch für die Imago noch ergänzt: Der Muskel tritt nicht unmittelbar zum Stigma in Beziehung, sondern er verläuft unterhalb der zum Stigma gehenden Tracheen und setzt vorn und unten an der zum epimeralen Bezirk überführenden weichen Falte an, gegenüber und etwas unterhalb des unteren Ursprungs des Lateralmuskels Ilt?nl6 (145). Dadurch,* daß er den Grund der Falte, in welcher das Stigma sich befindet, und dadurch mittelbar die Tracheen zusammenschnürt, ist er ein Stigmenschließer. Er unter- scheidet sich demnach von dem abdominalen stim (16, 32, 43) und entspricht dem mesothoracalen Ilstmla (108), der aber — eine un- wesentliche Verschiedenheit — in andrer Richtung, d. h. von unten hinten nach oben vorn verschoben, verläuft. 148) Musculus lateralis stigmaticus prothoracis, Istm'Z^ segmentaler epimeraler Seitenmuskel als Stigmenmuskel (vgl. Taf. XXI, Fig. 12 u. 13, Bd. C). Der Muskel gleicht dem imaginalen Befunde. Er entspringt innerhalb der regional der epimeralen Sternalplatte (1904, S. 297) angehörigen Duplikatur vor der dem imaginalen Stigmen- deckel entsprechenden Stelle. Er beginnt in der vorderen Wand dieser Falte unweit der zur weichen epimeralen Haut überführenden und einspringenden Intersegmentalfalte, lateral oberhalb des unteren An- satzes des Istml und des IUml6 (145). Er verläuft als an sich schwacher, aber relativ kräftiger, kurzer Muskel nach unten an die vordere Platte des Peritrema, an welchem er ansetzt. Seiner Funktion nach ist er daher ein Stigmenöffner und, indem er den vorderen Teil des Peritrema nach vorn zieht, ein Antagonist des vorigen. Vergleichung und Deutung: Infolge seines Ursprungs in der thoracalen Seitenwand entspricht er nicht dem abdominalen stim (16, 32, 43), auch kann er nicht vöUig mit dem mesothoracalen Ilstmlb über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 497 (108) homologisiert werden, obwohl er ihm nach Form, Größe und Funktion gleicht ; denn er beginnt unten vor, nicht hinter dem Stigma und entspringt nicht gemeinsam mit dem hinteren, d. h. oberen Ende des vorigen html, sondern nahe dessen unterem, vorderem Ende. Nachtrag zu der Imago: Der Muskel wurde infolge seiner Kleinheit bei der makroskopischen Untersuchung und infolge seiner Nachbarschaft von dem vorigen html übersehen. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß er am Peritrema an einem kurzen Chitinvor- sprunge — einer Art Chitinsehne — ansetzt. Andre tergal pleurale Muskelfasern als 149) Musculus lateralis pronoti intralobalis »Muskel- fasern des basalen Halsschildseitenlappens« bsmlS (vgl. Bd.C, Taf. XXVIII, Schema II u. Bd. CI, Taf.XXVIf, Schema IVu. VI). Diese Muskelfasern ziehen von der oberen Lamelle der Dupli- katur des Halsschildseitenlappens zur gegenüberliegenden unteren Lamelle und zwar dorthin, wo dieselbe in die weiche Pleuralhaut umbiegt. Diese kurzen Muskelfasern verbinden und befestigen dem- nach die beiden Lamellen des Halsschildseitenlappens miteinander an der Basis desselben. Sie treten zerstreut in der ganzen Längenausdeh- nung des Halsschildseitenlappens auf und lassen sich vorn prinzipiell nicht unterscheiden von den unter Ipml5 (144) beschriebenen Fasern, deren Verhalten sie gleichen. Sie treten auf Schnitten besonders deutlich in der Imago hervor, sind aber ziemlich sicher auch im ersten Stadium vorhanden, wo eine muskelähnlich gefärbte Zwischenmasse zwischen den beiden Lamellen auftritt. Der Vergleich dieses Befundes mit jenem innerhalb der intratergalen Seitenduplikatur des Meso- und Metathorax ist von besonderem Interesse: In letzteren beiden Seg- menten sind nämlich die beiden Lamellen der Flügelduplikatur durch bestimmt umgrenzt auftretende Muskeln miteinander verbunden, außer- dem aber auch durch die feste Chitinisierung der in ihren Lage- beziehungen zu einander stabilen tergalen und pleuralen Bezirke ge- sichert. Die Gefahr der Störung solcher Lagebeziehungen bzw. der Falte durch die nachembryonalen Häutungen ist also relativ gering. Die Stabilität jedoch des weichen Faltenüberganges an der unteren weichen Lamelle des Halsschildseitenlappens in die weiche thoracale Seitenhaut scheint nicht ohne weiteres gegeben. Sie bedarf, zur Ver- meidung der Gefahr, bei den Häutungen in Unordnung zu geraten, einer besonders reichlichen, wenn auch nicht besonders kräftigen Ver- festigung, welche durch das diffuse Auftreten dieser Muskeln gewähr- 498 Friedrich Voss, leistet scheint. Es kann in dieser gleichmäßigen Muskelversorgung eine Vorstufe für Verhältnisse erblickt werden, die, in besonderer Ausgestal- tung kinematisch verstärkt und morphologisch bestimmt angeordnet, im Meso- und Metathorax wiederkehren in der Anheftungsart der Pleurallamelle am Tergit bzw. im Ursprungsbereich der Flügeldupli- katur, ferner ein Hinweis auf die Möglichkeit des spontanen Auftretens von Muskulatur überhaupt je nach Bedarf, Die sternale Muskulatur (vgl. 1905, S. 429). 150) (1905: 127) Musculus sternalis pedalis primus pro- thoracis, Ihml, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXIf, Fig. 14—16 u. Fig 24). Der Muskel entspricht dem imaginalen Befunde. Er entspringt jedoch unterhalb der ventralen Längsmuskulatur Ivlm median wärts verschoben, gegenüber nur einem Teil des IvlmS (123). 151) (1905: 128) Musculus sternalis pedalis secundus pro- thoracis, Ihm2, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 12, 13; Fig. 24). Er gleicht dem imaginalen Muskel. 152) (1905:129) Musculus sternalis pedalis tertius pro- thoracis, IhmS, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 12—14). Der gleichfalls schwache, quer-ovale, im Ansatz platte Muskel entspricht im übrigen dem imaginalen Befunde. 153) (1905: 130) Musculus sternalis pedalis trochanteris quartus prothoracis,/6m4, segmentaler sternaler Beinmuskel des Trochanter (vgl. Bd. C, Taf. XXf, Fig. 10—16; Fig. 24). Er gleicht dem imaginalen Muskel. 154) (1905:131) Musculus sternalis pedalis septimus pro- thoracis, Ihm7, segmentaler sternaler Beinmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 14). Der dem IhmS (152) an Stärke etwa gleichkommende Muskel gleicht dem imaginalen. 155) (1905:132) Musculus sternalis furcae lateralis pro- thoracis, Izm, segmentaler Sternalmuskel, Gabelseitenmus- kel (vgl. Taf. XX, Fig. 9, Bd. C). Der Muskel gleicht dem imaginalen Befunde. 156) Musculus sternalis prosterni octavus, IsrmS, seg- mentaler Sternalmuskel von zweifelhafter Funktion (Fig. 14, 15)i. 1 Die Beschreibung dieses prothoracalen Muskels wurde zuerst verfaßt, über den Thorax von Gryllus domesticus, V. 499 Mit dem gleichen Vorbehalt wie im Metastermim III srm8 (78a) und im Mesosternum II srm8 (116a), sei an dieser Stelle ein muskelähnlicher, aus sehr wenigen (3 — 5) Fibrillen bestehender Strang genannt, welcher zugleich mit dem Beinmuskel Ibml (150) an der Proapophysenbasis entspringt. Er verläuft medial und tiefer von Ibml beiderseits des prothoracalen Ganglion im seitlichen Teil des Prosternum zu einem kleinen Zellhaufen, welcher vorn etwas unterhalb des Ganglion zwischen diesem und der Hypodermis liegt und sich durch eine Anhäufung großer, den Kernen der Ganglienmasse sehr ähnlicher Kerne auszeichnet. Bis zu dieser Stelle ist der Strang durch Bau und durch seine charak- teristische Färbung mit ziemlicher Sicherheit als ein Muskel anzusehen mit typischen, sehr lang gestreckten Kernen in den einzelnen Fibrillen. Er scheint nach Durchtritt durch den Zellhaufen hier zu enden, d. h. es gehen von letzterem aus mehrere — anscheinend ebenso viele — Muskeif ibrillen ziemlich senkrecht abwärts direkt an das Sternit, dessen Hypodermiszellen ja dem ganzen Gebilde nahe anlagern. Ob aber weitere Fasern, welche von dem Zellhaufen nach vorn abgehen, Muskel- fibrillen sind, muß vorläufig für alle drei Thoracalsegmente unent- schieden bleiben. Solche Fasern verlaufen vom Vorderrande des Zellhaufens nach zweierlei horizontalen Richtungen: Die eine Faser besteht anscheinend aus drei Fibrillen und verläuft etwas lateral ge- richtet nach vorn, um am stark chitinisierten seitlichen Vorderrande des Prosternum anzusetzen. Die andre, bogig und noch weniger straff verlaufende Faser besteht aus vier Fibrillen, deren gestreckte Kerne in gleichen Abständen, also je vier zusammen, liegen. Diese Faser verläuft medianwärts dicht vor dem Ganglion her; sodann biegt sie in kurzem Bogen entfernt von der Medianlinie nach vorn, um dort am Vorderrande des Prosternum, dort wo dasselbe in die Kehlhaut übergeht, anzusetzen, der Medianlinie mehr genähert als der Ansatz- stelle der vorgenannten Faser. Ob innerhalb des Zellhaufens eine Kontinuität der Fibrillen besteht, konnte nicht einwandfrei festgestellt werden; es ist aber sehr wahrscheinlich. Der Strang wird von einer ansehnHchen Trachee begleitet. Bei einem Vergleich der Befunde in den drei Thoracalsegmenten ergibt sich folgendes Gemeinsame für die drei beschriebenen Stränge: Die basale, mit dem hml am sternalen Hinterrande entspringende Strecke endet in einem kleinen, seitlich vom großen Ganglion gelegenen bevor ich die Stränge im Meso- und Metathorax gefunden hatte und beschrieb. Das Wesentliche dieser Beschreibung, auf welche sich die beiden andern, S. 736 und 458, beziehen, gilt daher für alle drei Segmente. Zeitschr.ft f. wissens:h. Zoologie. CI. Bd. 33 500 Friedrich Voss, Nebenganglion; die Strecke ist von nniskelartigem Ansehen. Der metathoracale srmS bietet das einfachste Verhalten, indem er als ein- facher Strang verläuft und das kleine Ganglion im Seitenteile des großen enthalten zu sein scheint. Eine laterale Verbindung dieser hinteren Strecke mit dem mittleren seitlichen Sternit durch einen sehr kurzen Strang besteht in allen drei Fällen. Eine Verbindung der kleinen freiliegenden Ganglien mit dem Hauptganglion scheint zu bestehen. Nur im Mesothorax und im Prothorax verläuft ein zweiter Strang als ein lateraler Nebenstrang nach vorn an das im Metathorax ^ehlende Coxosternum und deutet hier das Walten der Regel von der »äquivalen- ten Beteiligung« — vgl. Bd. C, S. 770 — an. Von den basalen Strecken abgesehen ist der muskulöse Charakter der Stränge noch zweifelhaft. Übereinstimmend bei allen dreien trifft man Tracheenstämme, welche die Hauptstränge begleiten. Die Endbezirke der Haupt- und Neben- stränge liegen an exponierten Stellen des sternalen Randes, dort wo die benachbarten Sternite aneinander grenzen oder dort, wo die Hüft- glieder dicht anliegen. Über die Funktion oder Bedeutung dieses merkwürdigen Gebildes lassen sich vorläufig nur Vermutungen aussprechen. Der Muskel müßte Gegenstand einer besonderen Untersuchung sein. Es wäre möglich, daß auch hier ein bereits in Rückbildung begriffener Häu- tungsmuskel : — d. h. speziell für das Schlüpfen eines Tieres aus dem Ei, die erste Larvenhäutung und die erste Formgebung des Tieres — vorliegt; oder es ist der ganze Komplex, falls die genannten Kerne wirklich Ganglienzellkerne sind, hier — ganz allgemein bezeichnet — ein besonderes Organ des Muskelsinnes, für welches die Frage, ob es dauernd oder nur zeitweise besteht, gleichfalls offen bleibt. In letzterer Beziehung läßt sich die Vorstellimg, es möchten diese Gebilde als chordotonale Organe aufzufassen sein, mit allen den beschrie- benen Merkmalen wohl in Einklang bringen; ähnliche Stränge chs finden sich noch an anderen Stellen im Thorax; sie sind nicht besonders beschrieben, aber Bd. C in den Textfig. 26, S. 683, 29, S. 713, 33 ff, S. 719 ff, Tafel XXVIII, Fig. 38, schematisch angedeutet. Den be- schriebenen Strangsystemen äußerst ähnliche Gebilde hat Geaber 1882 beschrieben und abgebildet. Dementsprechend würden der beschriebene muskulöse Stammteil der Stränge dem »Ligament« und die distalen Zweig- bzw. Nebenstränge den Schenkeln des chordotonalen Organes entsprechen. Besonders sei auf die von Graber für das Abdominalsegment von Chironomus, Taf. XXXI, Fig. 8 und für die rechte Hälfte des vor- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 501 letzten Abdominalsegmentes von Dytiscus, Taf. XXXI, Fig. 11 dar- gestellten Verhältnisse aufmerksam gemacht. Ich möchte in diesem Zusammenhange auf die Arbeiten Grabers 1882 und Rädls 1905 wenigstens hingewiesen haben i. Die endgültige Feststellung bedarf erneuter histologischer Unter- suchungen an dieser und an andern Stellen, welche sich auf das spätere Embryonalstadium, ferner auf andre Stadien und auf die Imago zu erstrecken haben. Andre Muskulatur. 157) (1905: 133) Musculus protractor intestinalis, Hm. muskulöses Aufhängeband des Darmes, Darmmuskel (Fig. 1 — 12). Er gleicht dem imaginalen Muskel und entspringt in der Mitte zwischen dem lateralen Dorsoventralmuskel IldvmBa (139, 'pm6a) und dem intersegmentalen Oism (169). b. Topographisch-quantitative statistische Übersicht über die im Pro- thorax für das 1. Stadium beschriebenen Abweichungen gegenüber der Imago. (Vgl. 1905, S. 431, letzter Absatz.) Der Prothorax enthält demnach im ersten Stadium 39 regel- mäßig auftretende, gesonderte, zum Teil doppel- und mehrwertige Mus- keln gegenüber 38 in der Imago beobachteten. Das erste Stadium besitzt also einen Muskel mehr. Durch die mikroskopische Nachunter- suchung sind sechs Muskeln für die Imago neu festgestellt, so daß sich die 1905 gefundene Zahl von 32 imaginalen Muskeln auf 38 erhöht, (wenn man die damals dort provisorisch als prothoracale gerechneten Muskeln der Halshaut nicht mehr rechnet). Der Unterschied zwischen beiden Stadien beruht also nur darauf, daß der ventrale Längsmuskel IvlmS (126) im ersten Stadium vor- handen ist, in der Imago aber völlig fehlt. (Vgl. ferner die Übersicht im Mesothorax, S. 460.) Die Gesamt über sieht zeigt die folgenden prothoracalen Muskeln im ersten Stadium: 8 ventrale Längsmuskeln (gegenüber 7 in der Imago), 3 dorsale Längsmuskeln, 1 intersegmentaler Dorsoventral- muskel, 5 mediale Dorsoventralmuskeln, 4 laterale Dorsoventralmuskeln, 1 sternalpleuraler Muskel, 3 intratergale (1905: tergalpleurale) Muskeln, 1 Vgl. V. Graber, Die chordotonalen Sinnesorgane und das Gehör der Insekten I, II. Archiv f. mikrcskop. Anatomie. Bd. XX, XXI. 1882 und Em. Radl, Über das Gehör der Insekten. Biologisches Centralblatt. Bd. XXV. 1905. 33* 502 Friedrich Voss, 4 andre tergalpleurale Muskeln, 2 Stigmenmuskeln, 6 sternale Muskeln, 1 sternaler zweifelhafter Muskel (snnS), 1 Befestigungsmuskel des Darmes. a. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Auftretens und der Ausbildung der Muskeln im Stadium 1 gegenüber dem jetzt sicher gestellten Befunde in der Imago sind folgende: Ein allgemein primitives bzw. primäres Verhalten zeigen im ersten Stadium: Die ventralen Längsmuskeln Ivlml (119), Ivlmä und IvlmS, die dorsalen Längsmuskeln Idlnila (127), IdhnSa und 3b (128, 129). Hinsichtlich der Bildung von Teilfasern bestehen fol- gende Unterschiede: Im Stadium 1 stärker geteilt bzw. getrennt sind folgende in der Imago mehr einheitliche Muskeln: Die ventralen und dorsalen Längsmuskeln vlml (119), vhn4a + b (122), vlm5a + b (123), dlmSb (129), die medialen Dorsoventralmuskeln dvml und 6 (131) und dvm2 (133, 1905: dvm7). In der Imago getrennte Muskeln, welche im Stadium 1 einheit- lich auftreten, sind nicht vorhanden. Lage Verschiebungen treten in der Imago auf gegenüber dem ersten Stadium bei folgenden Muskeln: Innerhalb der ventralen und dorsalen Längsmuskulatur bei dem vlmS (121), bei den dlmSa (128) und dlm3b{V29), innerhalb der dorso ventralen Muskeln bei dendvm6+ 1 (131), ldvm2 (138, 1905: ]m6), ldvm2a (139, 1905: pn6a). Hinsichtlich der Stärke Verhältnisse ließen sich folgende Unter- schiede feststellen: Kräftiger im ersten Stadium gegenüber der Imago sind folgende Muskeln ausgebildet: Die ventralen Längsmuskeln vlml (119), vlm4a + b (122) und vlm5a + b (123), der dorsale Längsmuskel dlmla (127), der intersegmentale isrn (130), folgende Seitenmuskeln: irmlo (144), ltml6 (145), ^mi7 (146). Hingegen sind im Stadium 1 schwächer ausgebildet, in der Imago aber kräftiger die folgenden: Der ventrale Längsmuskel vlv%7 (125), der dorsale Längsmuskel dImSa (128), der Dorsoventralmuskel dvm3+4 (134). Ein im ersten Stadium völlig neu auftretender Muskel, welcher in der Imago gänzlich fehlt, ist der ventrale Längs- muskel vlm8 (126); der srmS (156) bedarf der Nachuntersuchung. Muskeln, welche in der Imago vorhanden sind, aber im Stadium 1 fehlen, wurden nicht angetroffen. b. Hinsichtlich der 1905 gegebenen Darstellung des Imaginalstadiums infolge der mikroskopischen Nachuntersuchung über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 503 eingetretene Ergänzungen und Veränderungen betreffen folgende Muskeln: Neu aufgefunden wurden: ein Teilmuskel des vlm2a + b (120), ferner sechs neue Muskeln, darunter vier Seitenrauskeln, die pmlö (144), Uml6{Ub), pml7 {U6), hsml8 (Ud), ein Stigmenmuskel stm2 (148), ein sternaler Muskel srm8 (156). Umdeutungen traten ein für folgende 1905 als sternalpleurale Seitenmuskeln pm beschriebene, jetzt als Angehörige einer neuen Kategorie erkannten und als laterale Dorsoventralmuskeln Idvm zu bezeichnenden Seitenmuskeln (136 — 139): Es heißen pm4a jetzt: Idvmo, pm4 jetzt: Idv77i4,pm6 jetzt: Idvm2,pm6a jetzt: ldvm2a. Dabei erfuhr der erstere dieser Muskeln pm4a noch eine spezielle Umdeutung ; desgleichen die dorso ventralen Muskeln dvm7 in dvm2 (133) und dvm2 in dvm3+4 (134); vgl. auch die intratergalen Muskeln. Einfache Umbenenn ungen bzw. Zusätze erhielten: Der Stig- menmuskel stm (1905) jetzt als stml; die sternalen Muskeln erhielten das Beiwort »sternalis«. Eine schärfere Fassung endhch erhielten der ism (130) als medialer »dorso ventralis « und ein Teil der tergalpleuralen Seiten- muskeln als » intratergale «, als Angehörige einer neuen Kategorie. c. Morphologische Betrachtung des Prothorax auf Grund der Muskulatur des 1. Stadiums im Vergleich mit der Image, ferner mit dem Abdomen, dem Meta- und Mesothorax im 1. Stadium. (Vgl. 1905, S. 432.) 1. Allgemeine Vorbemerkungen über die hinsichtlich der Imago eingetretenen Veränderungen. Bei der Betrachtung der in der Imago herrschenden Verhältnisse lagen 1905 der morphologischen Auffassung der prothoracalen Muskeln die in den imaginalen abdominalen, den metathoracalen und meso- thoracalen Segmenten gefundenen Dinge mit den aus ihnen abgeleiteten Schlüssen zugrunde. Da sich diese Grundlage durch die an der Unter- suchung des ersten Stadiums gewonnenen Ergebnisse, sowie durch die mikroskopische Nachuntersuchung der Imago verändert hat, so seien nunmehr zunächst die neuen Anschauungen im Anschluß an die 1905 gegebenen Darstellungen als Ergänzung der letzteren für die Imago erörtert, ohne auf den Vergleich des 1. Stadiums mit der Imago zu- nächst einzugehen. Auch jetzt dienen diesen Erörterungen die für das Abdomen und die flüseltrao;enden Seomente erhaltenen und bereits dargestellten Erg-ebnisse als Unterlage. 504 Friedlich Voss, Die damals entwickelte Anschauung von der morphologischen Stellung der Muskeln hatte hauptsächlich zu zwei, allerdings hypo- thetisch gelassenen Folgerungen geführt, welche nach Kenntnis des ersten Stadiums nicht mehr haltbar sind: Einmal hinsichtlich der dorsalen Längsmuskulatur, sodann hinsichtlich der Dorso- ventralmuskeln bzw. der »sternalpleuralen« Seitenmuskulatur, 1) Hinsichtlich der dorsalen Längs muskulatur wurde eine Verlagerung der vorderen Ursprungsstellen prothoracaler Längsmuskeln dlml und dlm2 an das Hinterhaupt angenommen. Es wurde diese Annahme durch folgendes zu begründen versucht: a. Ein typischer, vom tergalen Vorderrande des Pronotum aus nach hinten verlaufender, einfach intersegmentaler — dem Ildhnl (82) und IIdlm2 (83) entsprechender — dorsaler Längsmuskel fehlt (1905, S. 433 letzter bzw. vorletzter Absatz). b. Ferner wurde ganz allgemein die Möglichkeit einer Verlagerung von Muskeln im Bezirke angenommen, mit denen sie morphologisch nichts unmittelbar zu tun haben (S. 453 unterer Absatz und S. 454). Ein weiterer Grund schließlich war c. die im Embryo anscheinend bemerkbare, besondere Nähe des Vorderrandes des Pronotum am Hinterhauptsring, wobei die 1905 in der Textfig. 8, S. 455, mit R bezeichnete Region als ein in die nach- embryonale Kopfkapsel aufgehendes Segment aufgefaßt wurde (vgl. 1905, S. 455 unterer Absatz). d. Für diese Verlagerung schien insbesondere die mediale Ver- schiebung der tergalen Ansatzstellen der intersegmentalen Dorso- ventralmuskeln Oism (169) und Oism2 (170) zu sprechen (1905, S. 454, Abs. 2). Diese Anschauungen haben sich sehr geändert: Um an den letzteren Punkt (d) zunächst anzuknüpfen, so läßt sich allerdings im Pronotum eine sogar nachembryonale KonzeD tration des unpaaren skutalen Mittelbezirkes medianwärts feststellen, welche durch das Überwiegen der protergalen Seitenbezirke infolge ihrer bedeutenden Beanspruchung durch dorsoventrale Beinmuskulatur zustande kommt. Diese für die Auffassuns; interseo;mentaler BewegunQ-serscheinunoen allerdings wichtige Tatsache besteht jedoch zunächst ganz für sich und darf nicht zu weit gehenden Schlüssen hinsichtlich einer Verlagerung der dorsalen Längsmuskeln an Bezirke verwertet werden, die ihnen in morphologischem Sinne fremd sind. Ferner (c) trifft die Deutung der mit R bezeichneten Region als einheitliche Kopfregion nicht zu; sie ist die in der Embryonallage über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 505 infolge des stark abwärts gebogenen und an die Ventralseite angedrückten Kopfes stark gedehnte, in der Imago aber so schmale Nackenhaiit, so daß sich der Vorderrand des Halsschildes — eben getrennt durch diese Nackenhaut • — sehr entfernt vom Hinterhaupte befindet, und eine Verla oerung prothoracaler dorsaler Längsmuskeln danach völlig ausgeschlossen erscheint. Die Deutung dieser Nackenregion als Nacken- haut ist zwar in dem der Fig. 8, S. 455, 1905, beigegebenen Text aus- gesprochen; sie wurde aber nicht geltend gemacht (1905, S. 455, letzter Absatz) unter dem Zwange, für die sich in ihren hinteren Ansatzstellen so typisch verhaltenden Längsmuskeln Odlml und Odlm2 bei dem Fehlen einfach intersegmentaler , typischer, prothoracaler dorsaler Längsmuskeln mit Vorbehalt eine, wenn auch hypothetische Deutung zu suchen. Diese Schwierigkeit liegt nicht mehr vor; denn einerseits ist das Auftreten doppelt intersegmentaler Längsmuskeln, sogenannter »Brük- kenmuskeln« in kinematisch stark und \ielseitig, d.h. locker beweg- lichen Bezirken als Begleiter der einfach intersegmentalen Längs- muskeln nichts Ungewöhnliches, wie die metathoracalen Längsmuskeln Illvlml (45), die abdominalen IIa und Illa vlm2 (2, 18) und IIa vlmS (19) zeigen. Ferner (2) kann der prothoracale dorsale Längsmuskel Idlmla als undifferenziert gebliebener, dem mesothoracalen Ildlml und 2 (82, 83) durchaus homologer Längsmuskel aufgefaßt werden, der eben infolge genannten Idnematischen Prinzips — in seinem lang- bzw. doppeltinter- segmentalen Begleitmuskel Odlm 1 u. 2 besser vertreten — rückgebildet bleibt. Wie dies die Befunde am Stadium 1, welche den 1905 (S. 455, Zeile 11 von unten) verlangten entwicklungsgeschichtlichen Beweis er- bringen, besonders veranschaulichen, sei später (S. 510, 522, 600) dar- gestellt. ^\ndlml + 2 des Prothorax fehlt also nicht, sondern bleibt in Gestalt des Idlmla undifferenziert; die typische Bezugnahme auf die hintere Ansatzstelle wiederholt am Mesonotum sein Begleitmuskel, der doppelt intersegmen- tale dorsale Längsmuskel der Nackenregion 0 dlm2 (164). Ganz unhaltbar wird aber (c) die 1905 gegebene hypothetische Anschauung durch das embryonale Auftreten eines einfach intersegmen- talen allerdings vergänglichen Nackenmuskels 0 dlmla (162). Auf die (b) Zulässigkeit der Annahme von Muskelverlagerungen kommen wir sogleich zurück (S. 506 ff.). 2) Die zweite 1905 vertretene Annahme bezieht sich auf die Deu- tung; der im Prothorax dorsoventral verlaufenden langen Seitenmuskeln 506 Friedrich Voss, des Ildvmd (137, 1905: jmd) und desIIdvmS (136, 1905: jymda) als episternale sternalpleiirale Beinmuskeln, speziell unter diesen des IldvmS {jf>in4a) als eine Neubildung; ferner auf die Deutung des IIdvm2 (138, 1905: pmö) und des Ildvm2a (139, 1905: pm6a) gleichfalls als ein sternalpleuraler, aber epimeraler Beinmuskel — mit dem für den Pro- thorax sich gleichwie bei den episternalen Idvtni {pn4) und IdvmS (pmda) aus ihrem topographisch dorsoventralen Verhalten ergebenden Zwang, eine sekundäre Verlagerung dieser langen Seitenmuskeln an das Pronotum anzunehmen, und zwar mit Übersetzung über die Falte des tergalen Seitenrandes des Halsschildseitenlappens hinweg (vgl. 1905, S. 435, 467 ff., 469 vorletzter Abs., ferner S. 470 u. 490). Diese Verlagerung schien für die beiden episternalen Muskeln, den Idvmd (pmä) und den IdvmS {pm4a) durch Hinaufrücken an der Pleura 1- lamelle, welche zugleich die episternale Seitenwand darstellt, immerhin noch möglich (1905, S. 437, 470 f., 490). Für den epimeralen Seiten- muskel Idvm2 und 2a {pn6 u. 6a) schien die Annahme einer Ver- lagerung zu sehr gezwungen; sie wurde daher aufgegeben zugunsten der Ansicht, daß die im Thorax als Flügel- bzw. Beinmuskeln funk- tionierenden epimeralen dorsoventralen. Seitenmuskeln ldvm2 und 2a gleichwie die im Prothorax fehlenden episternalen Flügelmuskeln Idvml + la (pml + 2) und IdvmS {pm3) echte Dorsoventralmuskeln seien, die sich aber im Prothorax im Unterschied von jenen geschwundenen episternalen Flügelmuskeln bei der Wichtigkeit des epimeralen Bezirks für die Beinmechanik (vgl. 1905, S. 436, 473) als Beinmuskeln erhalten haben. Aus der für den Prothorax wahrscheinlich gemachten dorso- ventralen Natur der epimeralen langen Flügelmuskeln wurde also auch auf den dorsoventralen Charakter der langen epimeralen Flügelseiten- muskeln im Meta- und Mesothorax rückgeschlossen und die tergale Natur des Flügels auch im epimeralen Bezirk begründet (vgl. 1905, S. 490, Abs. 2). So blieben die beiden episternalen langen Beinmuskeln Idvmd und 3 {pm4 und 4a) im Prothorax als tergal verlagerte »sternalpleurale« Beinmuskeln charakterisiert (1905, vgl. S. 435, 469f., 490). Die Charak- terisierung als sternalpleurale aber beruhte auf der bereits bei Be- sprechung des Metathorax (S. 757, Bd. C) erwähnten Grundlage, die nach Untersuchung des ersten Stadiums nicht mehr besteht. Kurz wiederholt war dieser 1905 geltende Grundgedanke folgender: Für die episternalen langen, seitlichen Flügelmuskeln II, Illldvml, la und 3 {II, Illpml, 2, 3; 59, 94; 60, 95; 61, 96) wurde nämhch der dorsoventrale Charakter aus ihren direkten Beziehungen und aus über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 507 ihrer symmetrischen Lage zu den Dorsoventralmuskeln gefolgert, für die epimcralen langen seitlichen Idvm2 (63, 99, pmö) aber auf Grund der für den Prothorax angestellten Erwägungen, wie soeben gesagt wurde; das bedeutet also: Die Herleitung des Idvml {pml) aus dvmß', das Auftreten des Idvmla {'pm2) als ein dem dvml analoger Muskel, und die Herleitung des ldvm2 {pm6) aus dvm2. Für den in der »pleu- ralen« thoracalen Seitenwand tiefer ansetzenden langen episternalen Beinmuskel Idvmi (62, 97, fm4) konnte der Nachweis seines dorso- ventralen Charakters nicht erbracht werden. Da nun im Prothorax die auf den Flügel bezüglichen episternalen langen Seitenmuskeln Idvml und la fehlen, der dorsoventrale Charakter der Trochanter- seitenmuskels IdvmS (pmS) aber gleichfalls nur auf seiner Herleitung aus der Dorsoventralmuskulatur — dem dvm5 — als Flügelmuskel beruhte, so mußte sein Fehlen im flügellosen Prothorax gefolgert werden. Die weitere Folgerung war die, den prothoracalen episternalen Trochantermuskel Ifmia als eine episternale Neubildung aus dem sternalpleuralen Beinmuskel ldvm4 {pm4) zu. betrachten, gleichwie im epimeralen Bezirk ganz analog ein neugebildeter langer Trochanter- muskel ldvm2a (139, pn6a) aus dem ldvm2 (138, fmß) entstanden war. Es bestand also in der thoracalen Seitenwand ein Gegensatz zwischen den langen seitlichen Flügelmuskeln Idvfnl, la, 3 (pml — 3) ldvm2 und Idvm2a {fm und pm6a) als direkten Abkömmlingen der Dorsoventralmuskulatur einerseits und den ausschließlich als Bein- muskeln funktionierenden langen Seitenmuskeln Idvmi {pmd) und Ifmia (jetzt IldvmS) anderseits; der sternalpleurale Charakter der letzteren entsprach dem topographischen Befunde, zumal die ununter- brochene Strecke der thoracalen Seitenwand (also ohne die Flügel- gelenkteile) damals noch als ein im morphologischen Sinne rein pleuraler Bezirk galt. Die Verlängerung dieser beiden Muskeln als sternalpleurale wurde durch die erhebliche Beanspruchung als Bein- muskeln physiologisch erklärt, eine Verlängerung, die stufenweise vom Metathorax bis zum Prothorax zuzunehmen schien und schließHch im episternalen Bezirk des Prothorax die anscheinende tergale Ver- lagerung dieser langen Beinmuskeln zur Folge hatte. Diese Anschauungen sind nun nicht mehr haltbar; nachdem sich durch die Untersuchung des ersten Stadiums herausgestellt hat, daß eine Kategorie dorsoventraler Seitenmuskeln von vornherein besteht, die sowohl im epimeralen als auch im episternalen Bezirk auftritt und daß sie einer gleichen Kategorie dorsoventraler Seiten- muskeln homolog ist, welche im Abdomen im Gegensatz 508 Friedrich Voss, zur inneren medialen Dorsoventralmuskulatur edvyn auf- tritt; daß ferner sämtliche genannten langen Seitenmus- keln^ seien es Bein- oder Flügelmuskeln dieser Kategorie der lateralen Dorsoventralmuskeln angehören. Es ist also nicht mehr nötig, das Auftreten der langen seitlichen Dorso- ventralmuskeln durch die Flügel zu begründen; sie sind von vorn- herein da. Diese Zusammenfassung möge zunächst genügen, um nachfolgende, auf die genannten Kategorien bezüglichen Zusammenstellungen mit ihren Änderungen zu begründen und ein nochmaliges vergleichendes Eingehen auf die Einzelheiten der neuen Anschauungen unnötig zu machen. Es sei daher auf die im Metathorax gegebene Beweisführung (Bd. C, S. 761 ff.) als eine Voraussetzung für den Prothorax ver- wiesen. Ein weiteres Moment kommt aber noch hinzu,- um eine Verlage- rung prothoracaler dorsaler Längsmuskeln an das Hinterhaupt, sowie ein eine Verlagerung pleuraler Muskeln — also der seitlichen langen Bein- muskeln IdvmS und 4 (136, 137, fmia u. 4) und ldvm2 und 2a (138, 139, 'pm6 u. 6a) an das Tergit unwahrscheinlich zu machen: Die Er- kenntnis nämlich, daß Verlagerungen nicht in dem Maße möglich sind, wie man dies 1905 anscheinend annehmen durfte. Ein Übersetzen von Muskeln in andre Skeletbezirke, denen sie ursprüng- lich fremd sind^ ist nicht annehmbar. Auch wurde die Mög- lichkeit einer Verlängerung von Muskelfasern gemäß erhöhter phy- siologischer Beanspruchung überschätzt; sie findet nur in geringem Maße statt und kann insbesondere nicht für die Deutung des ldvm4 (62, 97, 137, pm4, vgl. 1905, S. 520, Anm. 19) in Betracht kommen. 2. Vergleichung des Stadium 1 mit der Imago hinsichtlich Skelet und Muskulatur im einzelnen, a. Allgemeine Übersieht über die Imago vmd das Stadium 1. Wenn auch die in der Ausbildung des Skelettes im ersten Stadium vorliegenden Verhältnisse mit den imaginalen grundsätzlich überein- stimmen, so herrscht doch, wie die Betrachtung der Muskulatur zeigt, bei dem Schlüpfen des Embryo aus dem Ei noch keine völlige Über- einstimmung: Die allerdings geringen Unterschiede beruhen haupt- sächlich auf dem relativ größeren Abstände der oberen Ansatzstellen der Pleurallamelle, was auch in der Anordnung der Muskulatur zum Ausdruck kommt. Dadurch ist die mediane Region des Tergits viel breiter als in der Imaifo: Es besteht noch nicht die Konzentration über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 509 der Muskulatur medianwärts, welche die Imago charakterisiert. Diese Breite, welche mit dem Bestände der mächtig entwickelten dorsalen Längsmuskeln höchst wahrscheinlich in Beziehung steht, wird noch innerhalb des ersten Stadiums eingeschränkt, wie aus dem Verhalten der dorsalen Längsmuskulatur zu ersehen ist. Indem die Ursprungs- stellen der dorsalen Längsmuskeln im Verlauf der nachembryonalen Entwicklung medianwärts rücken, folgen ihnen die Ursprungsstellen der dorso ventralen Muskulatur nach. Dieser Vorgang ist rein kine- matisch verständlich aus den nachembryonal geänderten, intersegmen- talen Bewegungserscheinungen (vgl. S. 522 ff.). In diesen Verhältnissen ist aber auch in geringem Grade für das erste Stadium gegenüber der Imago ein primärer Zustand zu erkennen; er kommt in Unterschieden zum Ausdruck, welche zwischen den gegenseitigen Lagebeziehungen der dorsalen Längsmuskeln einerseits und der Dorsoventralmuskeln anderseits in den beiden Stadien bestehen. Während sich die gegenseitigen Lagebeziehungen der Muskulatur auch innerhalb der dorsalen Längsmuskulatur schon im Verlaufe des ersten Stadiums ändern, gleichen die Lagebeziehungen der Muskeln innerhalb der medialen und lateralen Dorsoventralkategorie einander völlig; ebenso bestehen hinsichtlich der Größenverhältnisse innerhalb der Dorsoventralmuskeln keine nennenswerten Verschiedenheiten beider Stadien. Fast völlige Übereinstimmung herrscht zwischen beiden Stadien überhaupt nur hinsichtlich des Auftretens der dorsoventralen Muskulatur. Abgesehen von der medialen Konzentration in der Imago zeigen sich Unterschiede darin, daß Mus- keln, wie z. B. die dorsoventralen Muskeln und die ventralen Längs- muskeln stärker zerteilt auftreten; ferner in Größenverschiedenheiten bei allen intersegmentalen Kategorien, den ism, vlm und (^Zm-Muskeln, welche mit den Unterschieden in den intersegmentalen Bewegungs- erscheinungen beider Stadien verknüpft sind. Während die relativen Stärkeverhältnisse der dorsoventralen Mus- keln in der Imago und im Stadium 1 annähernd gleich sind, fällt bei Betrachtung des ersten Stadiums die bedeutend massigere Entwicklung dieser Muskeln im Prothorax gegenüber den flügeltragenden Seg- menten auf, ein Unterschied, der auf der geringen Entwicklung der genannten Muskeln, besonders der Flügelmuskeln, im Meso- und Meta- thorax beruht. Man kann dies leicht bei einem Vergleich von Frontal- schnitten beider Stadien erkennen (vgl. 1905, Fig. 10 u. 11 auf S. 462 ff mit Bd. C, Taf. XIX f., Fig. 5 u. 8). " Wir betrachten nunmehr die Einzelheiten: 510 Friedrich Voss, b. Die einzelnen Muskelkategorien. Die ventrale Läugsmaskalatur (vgl. 1905, S. 432). Eine Ergänzung hinsichtlich der Imago ist durch die Feststellung des auf den Trochantin cp bezüglichen Teilmuskels / vhn2b (120) ein- getreten, die auch für das erste Stadium zutrifft (vgl. Mesothorax S. 463). Ein primitiveres Verhalten gegenüber der Imago zeigt der kräftiger ausgebildete / vlml durch seine der paarig symmetrischen Anlage ent- sprechende Zweiteiligkeit. Ein völlig neuer, außerordentlich kräftig entwickelter Muskel I vlm8 (126) gehört zu jenen eigentümHchen Muskeln, welche nach- embryonal völlig schwinden. Durch diesen Zuwachs wird die 1905, S. 432, betonte intersegmentale Bedeutung der sternalen Eegion, des Abschnittes der unpaaren Apophyse, sternellum, ganz besonders hervor- gehoben, und die ventrale Längsmuskulatur im Prothorax erscheint dadurch gegenüber allen andern Segmenten ganz besonders entwickelt. Dem entspricht gleichfalls die besonders reiche Zerteilung des Ivlm4 (122) und Ivlmö (123) in zahlreiche Teilmuskeln, sowie die bedeutendere Stärke dieses Muskelkomplexes. Diese Erscheinungen deuten alle auf die mit bedeutenden Kraft- wirkungen verbundenen besonderen Bewegungserscheinungen im Sta- dium 1 hin und stehen zudem in Beziehung zu der gleichfalls mächtiger entwickelten dorsalen Längsmuskulatur als deren Synergisten bzw. Antagonisten. Mit dem Auftreten des IvlmS mag es zusammenhängen, daß der / vlm2a + & im Stadium 1 im Unterschied von dem mesothora- calen nicht kräftiger entwickelt ist. Die im Stadium 1 demnach viel bedeutendere Ausbildung der ventralen Längsmuskulatur hängt augenscheinhch mit den Vorgängen des Auskriechens aus dem Ei und mit der Embryonalhäutung zu- sammen, nach deren Beendigung die intersegmentalen Bewegungs- erscheinungen nachlassen. Es tritt dafür nachembryonal eine gewisse Befestigung und Stetigkeit der immerhin noch genügend beweglichen Sternalgebilde durch Zunahme des gekreuzten Verlaufes der Muskel- fasern — IvlmS (121) zu I vlm5 (123) — ein, während der Ausfall des I vlm8 etwas ersetzt wird durch die Massenzunahme des I vlm7 (125). Die dorsale Läiigsmuskulatur. Über die gegenüber der 1905 gegebenen Darstellung hier in Be- tracht kommenden Änderungen ist in dem einleitenden Abschnitte dieses Kapitels auf S. 504 das Nötige gesagt. Gegenüber den 1905, über den Thorax von Gryllus donicsticus. V. 511 S. 433, gemachten Angaben sind keine Abweichungen eingetreten; jedoch ist hervorzuheben, daß gerade die Auffassung der dorsalen Längsmuskulatur im Prothorax der im Mesothorax des ersten Sta- diums vorliegenden Verhältnisse zur Begründung bedarf und daß anderseits auch in dem primär vierteiligen Auftreten der abdominalen dorsalen Längsmuskulatur des ersten Stadiums allerdings eine Ver- gleichsbasis besteht. Der im Unterschiede von der Imago so mächtig entwickelte median- paarige dorsale Längsmuskel / dlmla (127) entspricht durchaus dem dhnl und 2 der flügeltragenden Segmente zusammengenommen und deutet auf die primäre Grundlage der Muskelverteilung hin. Er bleibt undifferenziert infolge des Auftretens doppelt-intersegmentaler, die typische Differenzierungsweise am hinteren Ansatzbezirk befolgender, dorsaler Längsmuskeln (163, 164 des Segmentes der 2. Maxille). Er deutet durch seine mächtige Entwicklung auf die bedeutenden inter- segmentalen Bewegungserscheinungen beim Schlüpfen des Embryo aus dem Ei und bei der Embryonalhäutung hin (vgl. die Beschreibung auf S. 639 ff.). Er wird demnach in der Imago schon innerhalb des ersten Stadiums rückgebildet und auf die geringe Funktion als Muskel der Intersegmentalfalte beschränkt. Nach seiner Rückbildung wird durch die Lockerung des intersegmentalen Spielraumes besonders vorn eine vielseitige Beweglichkeit des über die Nackenhaut und den Meso- thorax tretenden Pronotum ermöglicht. Innerhalb der lateralen dorsalen Längsmuskeln treten Größen- unterschiede und beträchtliche Lage Verschiebungen auf ; zugleich geben sie auch Anlaß zu morphologischen Betrachtungen nach zweierlei Kichtungen : Die im Überoangszustande des ersten Stadiums von der Median- linie weit entfernten Muskeln rücken bereits im ersten Stadium — unter Veränderung auch ihrer gegenseitigen Lagebeziehungen — median- wärts zusammen; man kann darin einmal eine räumliche Beziehung zur Rückbildung des dorsalen Längsmuskels I dlmla (127) erblicken, und den (S. 504, vgl. auch S. 514 u. 1905, S. 433) besprochenen Ausdruck einer medianen Konzentration des unpaaren scutalen Mittelfeldes im morphologischen Sinne. Sodann aber liegt in eben dieser Verlagerung, ferner in der vielleicht den rückgebildeten I dlmla etwas ersetzenden Stärkezunahme des I dlmSa, sowie in der beschriebenen Zunahme des gekreuzten Faserverlaufs innerhalb dieser lateralen Längsmuskeln ein Hinweis auf die in der Imago festere Verbindung mit dem Mesonotum zugunsten der ungehemmten freien Beweglichkeit des Pronotum gegen 512 Friedrich Voss, die Halshaut. Denn es ist augenscheinlich, daß der intersegmentale Spielraum freier ist, wenn in einem beschränkten medianen Bezirk die Verbindung der Segmente nach beiden Seiten hin von einer einzigen Stelle ausgeht, als wenn von beiderseits voneinander weit entfernten Ursprungsstellen aus jeder Seitenteil des Pronotum für sich eine be- sondere Verbindung zum Mesonotum erhält. Es ist zu beachten, daß infolge der Lage des Pronotum über dem Mesonotum die Fasern der besprochenen seitlichen Längsmuskeln dabei steil abwärts, d. h. ein- wärts verlaufen, vgl. Textfig. 38 f., S. 483. Die Festlegung des Prothorax gegen die benachbarten Segmentteile erfolgt also hinten, besonders aber sternal, was im Kehlbezirk der Halshaut, als dem Angelpunkt aller dieser Bewegungserscheinungen zum Ausdruck kommt. Eine zweite Betrachtung in morphologischer Richtung knüpft ergänzend an die 1905 (S. 433, vorletzter Absatz) offengelassene Frage nach der morphologischen Stellung des zweiteiligen, seitlich dorsalen Längsmuskels I dlmSa und 3h (128, 129) an, indem sie die dort befolgte Anschauung begründet: Die Zweiteiligkeit des mesothoracalen Ildlm 3a + b (84) im Stadium 1 bietet dazu die MögKchkeit, indem die beiden prothoracalen Muskeln diesem mesothoracalen Doppelmuskel homolog sind. Ein vierter, dem Ildlmi (85) homologer, seitlich dorsaler Längs- muskel fehlt hier; denn ein solcher vierter Längsmuskel tritt in allen andern thoracalen und abdominalen Segmenten an der lateralen Seite der inneren dorsoventralen Muslailatur auf, während der pro- thoracale dlm3a und & ganz entsprechend dem dlm3 auch der abdomi- nalen Segmente an der medialen Seite der inneren Dorsoventral- muskulatur entspringt. Ferner fällt es auf, daß trotz der räum- lichen Vorherrschaft der tergalen Seitenteile im Pronotum ein dem abdominalen entsprechender (3, 36) dorsaler Längsmuskel des lateralen Seitenbezirks dlmß fehlt, dessen Fehlen im Meso- und Metathorax mit der Inanspruchnahme dieser Seitenteile durch die Flügelanlage begründet wurde. Nun zeigt es sich aber, daß im Pronotum die Seiten- teile, wenn auch in andrer Weise als in den flügeltragenden Segmenten, durch die reichliche Zerlegung der dorsoventralen, besonders der seit- lich dorsoventralen /(?vm-Muskulatur, durch deren Beziehung zur Bein- mechanik in noch gesteigerter Weise in Anspruch genommen sind; eine Tatsache, die durch die besprochene Einschränkung des tergalen Mittel- feldes infolge medianer Konzentration und Überwiegens dieser Seiten- teile eben zugunsten dieser dorsoventralen Muskulatur besonders be- kräftigt und veranschaulicht wird. Dadurch wird nicht nur das Fehlen des dlm5, sondern auch der Fortfall des durch die Entwicklunü; des über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 513 lateralen Dorsoveiitralmuskels Idvm'Z (138) verdrängten dhni durch- aus begreiflich. Dieser in morphologischer Hinsicht vorliegende Aus- fall des dlmi wird durch die Zweiteilung des dlmS kinematisch ersetzt. Dieses Ergebnis ist zugleich eine Bestätigung des oft befolgten Gedankens, daß die morphologisch-kinematische Beurteilung eines Segments der Begründung durch das hinter ihm liegende bedarf. Die Betrachtung der dorsalen Längsmuskulatur im ersten Stadium hat also besondere Bedeutung für die Erkenntnis der primären Grund- lage des Segments sowie der intersegmentalen Kinematik im Prothorax. Die mediale Dorsoventralmuskulalur. Über die hinsichthch der Darstellung der Imago S. 434, 1905, ein- getretene Veränderung in der Auffassung der Gruppe des hinteren Dorsoventralmuskels vergleiche man die Vorbemerkungen zu der Einzelbeschreibung auf S. 487. Im übrigen ändern sich die 1905 vertretenen Anschauungen nur noch hinsichtlich des Verhältnisses des medialen Dorsoventralmuskels dvmo (132) zum lateralen Dorsoventralmuskel IdvmS (pmS), indem letzterer, also der episternale lateral-dorsoventrale Trochantermuskel, nicht mehr aus der dorsoventralen Kategorie hergeleitet zu werden braucht; das heißt also: Im prothoracalen dvmö ist keinpmS potenziell enthalten, umso weniger, als dei Ipm 4a nach der neuen Anschauung ein pmS = IdvmS ist (vgl. weiteres bei den Erörterungen über die laterale Dorsoventralmuskulatur im Prothorax, S. 514, im Meso- und Meta- , thorax, S. 468 bzw. S. 753). In der episternalen Region des Pro- thorax fehlt also ein besonderer dorso ventraler Flügel- muskel. In der epimeralen Region trifft man den vom Meso- und Meta- thorax her bekannten, mit einer Chitinsehne versehenen hinteren Dorsoventralmuskel, den Stammuskel dvm2 und seinen einheitlichen Teilmuskel dvm3+4 am inneren hinteren Hüftrand an; die morpho- logische Grundlage ist also in allen drei Thoracalsegmenten gleich. Völlig neu ist also gegenüber dem Meso- und Metathorax im Pro- thorax nur der epimerale dorsoventrale Trochantermuskel dvmS (135), dem ein analoger Entwicklungsvorgang innerhalb der epimeralen late- ralen Dorsoventralmuskulatur des hinteren Seitenmuskels ldvm2a (139, pnißa) entspricht. Im Vergleiche der Imago mit dem ersten Stadium ergeben sich in der Dorsoventralmuskulatur nur geringe Unterschiede (vgl. bereits S. 487), da die kinematischen Bedingungen — ebenso sehr in 514 Friedlich Voss, den Folgeerscheinungen der Muskulatur auf das Skelet wie in dieser selbst — im Stadium 1 und in der Imago identisch, sind, abgesehen von den intersegmentalen Bewegungserscheinungen. Der im Stadium 1 kräftiger entwickelte intersegmentale Dorsoventralmuskel / ism deutet gemeinsam mit den Längsmuskeln auf verstärkte intersegmentale Be- wegungserscheinungen im Stadium 1. Von den tergalen Konzentrations- erscheinungen auf die Medianlinie hin im Prothorax ist S. 511 u. 523 die Rede. Die im Stadium 1 auffallende Dreiteiligkeit des vorderen Dorso Ventralmuskels I dvmß (131) und die Zweiteiligkeit des hinteren Dorsoventralmuskels / dvm2 (133, dvm7) sind als Ausdruck von kine- matischen Vorgängen aufzufassen, die mit der Beinbewegung ver- knüpft sind. Der hintere Dorsoventralmuskel Idvm3+4 (134) ist relativ schwächer als in der Imago und weist dadurch auf eine nach- embryonale Verstärkung der Beinmuskulatur durch Gebrauch hin. Dem mag auch ganz allgemein die dem Übergangszustande des ersten Sta- diums gegenüber der Imago eigne Zerteilung der dorsoventralen Musku- latur — auch der lateralen — entsprechen, welche durch eine allgemeine Massenzunahme imaginal verwischt wird und daher dort nicht mehr so stark hervortritt. Inwiefern diese Zerteilung in morphologischem Sinne hinsichtlich der Beziehung auf Vorgänge der Flügelentwicklung im Prothorax und auf die verwandtschaftliche Stellung desselben zu den flügeltragenden Segmenten verwertet werden kann, darüber später (S. 523 ff. und S. 610, vgl. auch S. 476 u. Bd. C, S. 748 ff). Die Pleuralmuskulatur. Dorsoveutrale Seiteuiuuskela. Über die hinsichtlich der Bezeichnungsweise eingetretenen Ver- änderungen vergleiche man die statistische Übersicht unter Abschnitt b S. 501. Im übrigen gelten die bei der dorsoventralen Seitenmuskulatur des Metathorax gegebenen Ausführungen (S. 753, Bd. C) als Voraus- setzung, sowie die in diesem Kapitel für den Prothorax unter 1 (S. 503) einleitend gegebene allgemeine Übersicht über die veränderten Anschauungen. Die Kategorie dieser Muskeln tritt in allen Segmenten entsprechend der medialen Dorsoventralmuskulatur in einer vorderen episternalen und in einer hinteren epimeralen Gruppe auf. Während die episternale Gruppe in den flügeltragenden Segmenten infolge der Teilmechanismen des Flügels dadurch reichlich differenziert ist, daß sich die Beinmechanik von der Flügelmechanik mit je eignen Muskeln unabhängig macht, bleibt die Muskulatur im epimeralen Bezirk einfach und ist durch den über den Thorax von Grj'llus domesticus. V. 515 gleichzeitig als Bein- und Flügelmuskel funktionierenden ldvm2 (138, 2)m6) vertreten. Anders ist es im Prothorax: Infolge der räumlichen Beschränkung des schmalen epist er nalen Bezirks aiif die Pleurallamelle und infolge des Fortfalls der Flügelmechanik fehlen die auf diese Beziehungen ge- gründeten, sogenannten sekundären Dorsoventralmuskeln Iclvml als Trochantinmuskeln im vorderen Episternalbezirk und Idvmla als spe- zieller Flügelmuskel und Abkömmling des vorigen {ptnl u. 2). Es bleiben also nur die beiden primären Beinmuskeln der episternalen Region ldvm4 als Hüftmuskel (137, pm4) und IdvmS als Trochanter- muskel (136, pm4a) in ihrer typisch dorso ventralen Lagerung erhalten. Sie sind dem meso- und metathoracalen homolog. Die nebensächliche Bedeutung des letzteren Muskels, des Trochantermuskels IdvmS in den flügeltragenden Segmenten für die Flügelbewegung wurde gerade durch den Vergleich des Imaginalbefundes mit dem Stadium 1 erkannt und betont (vgl. Bd. C, S. 797). Hier im Prothorax behält er seine dem Idvmä (pmä) tergal eng benachbarte, aber infolge der Beinkinematik mit ihren verschieden gerichteten Zug Wirkungen gesonderte Lage bei, während er sich in den flügeltragenden Segmenten nachembryonal von ihm etwas mehr entfernt. Er entspricht um so mehr dem meso- und metathoracalen episternalen Trochantermuskel, als eine Verstär- kung der episternalen Beinmechanik im Prothorax nicht vorliegt, im Gegenteil dieselbe eingeschränkt ist. Seine Neubildung wäre daher auch dann nicht nötig, falls er etwa, als Abkömmling des dvmö aufgefaßt (vgl. die Auffassung von 1905), fehlen würde. Dem- entsprechend ist also die 1905, S. 435, letzter Absatz, gegebene Dar- stellung zu ändern. Im epimeralen Bezirk hingegen ist der im Meso- und Meta- thorax einheitliche seitliche Dorsoventralmuskel vielteilig geworden, auf Grund der im epimeralen Prothorax verstärkten Beinmechanik. Die Vermehrung dieser Muskulatur um einen epimeralen Trochanter- muskel ldvm2a {pm6a) entspricht der gleichartigen Vermehrung der epimeralen echten Dorsoventralmuskulatur um einen Trochanteranteil dvmS (135). Der verstärkten epimeralen Beinmechanik entspricht die wiederholte Zerlegung auch innerhalb dieser Muskeln. Im übrigen sei auf die 1905, S. 435 — 437, gegebene Darstellung verwiesen, da die dort gemachten Angaben über die Verteilung der Trochantermuskulatur sowie die Anschauung von der Verdrängung des tergalen Bezirks durch die tergalen Seitenteile nach wie vor be- stehen — mit der Voraussetzung, daß die dorsoventrale Natur der ZeitBchrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 34 516 Friedrich Voss, langen Seitenmuskeln jetzt eben von vornherein annehmbar ist. Ver- änderte Anschauungen betreffen die Deutuns; des langen Trochanter- seitenmuskels IdvmS {pm3) und die Unannehmbarkeit einer Verlagerung der dorso ventralen ldv'm2 und 2a {pmö u. 6a). Unter denselben ver- änderten Gesichtspunkten gelten die Ausführungen 1905, S. 469 — 471 (vgl. auch Bd. C, S. 771 f., unten u. 797). Unterbrochene Seitenmuskeln und intratergale Muskeln. Hinsichtlich der 1905 für die Imago gegebenen Darstellung sind Zusätze erforderlich geworden: Es wurde nämlich eine Reihe neuer Muskeln aufgefunden, welche sämtlich im ersten Stadium funktions- kräftig ausgebildet sind, in der Imago aber sehr erhebliche Rück- bildungserscheinungen von ganz verschiedener Art zeigen. Es sind dies: Ein Befestigungsmuskel für die Basis der Pleurallamelle IpmlS (144), ein Lateralmuskel in der epimeralen Region I Um 16 (145) mit nicht näher zu bezeichnender, spezieller Funktion, ein sehr langer und dünner Seitenmuskel / pml7 (146) mit gleichfalls nicht völlig klar erkennbarer, spezieller Funktion, ferner eine Gruppe von Muskelfasern am Grunde der beiderseitigen Lamellen des Halsschildseitenlappens / bsml8 (149). Im Vergleich des ersten Stadiums mit der Imago weist die Rückbildung dieser Muskeln während der nachembryonalen Meta- morphose ohne Zweifel auf ihre besondere Bedeutung für jene kine- matischen Vorgänge im Übergangszustande des ersten Stadiums hin, welche ganz allgemein zusammengefaßt werden können als Vorgänge der Sprengung der Eischale und der ersten Häutung, der Embryonalhäu- tung: Erst nach Ablage der Embryonalhaut ist das Tier aus seiner Embryonallage befreit und zur Herstellung der Normallage mit den typischen Lagebeziehungen der Segmentteile und Extremitäten zu- einander fähig. Diese Vorgänge sind mit tiefgreifenden Formverände- rungen verbunden, denen neben der großen Zahl nachweisbar be- teiligter Muskeln — z. B. der dorsalen Längsmuskeln 0 dlni mid eines Teiles der / dbn — gewiß auch diese Seitenmuskeln dienen. Ganz leicht verständlich in dieser Hinsicht ist die bereits erwähnte kinematische Bedeutung des Basalmuskels der Pleurallamelle I pmlö (144), der Basalmuskeln der Halsschildduphkatur / bsnilS (149), verständlich auch in diesem Zusammenhange die Bedeutung des Lateralmuskels lltml6 (145). Auf die mutmaßliche Deutung des merkwürdigen Be- gleitmuskels der Pleurallamelle Ipml7 (146) als ein Muskel, welcher mit den Vorgängen der medianen Konzentration des durch die Ver- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 517 größerung der Seitenteile verdrängten medialen Tergits verbunden ist, sei hier besonders verwiesen. Sie alle dienen somit der Herstel- lung und Sicherung der Lagebeziehungen von Teilen zu- einander^ deren Beziehungen bis zum Normalzustand des ersten Stadiums großen Veränderungen unterliegen. Ihr Fortbestand jedoch auch noch in der Imago im Unterschied von so vielen Muskeln, welche nach dem Übergangszustand des ersten Stadiums völHg verschwinden, läßt darauf schließen, daß ihnen auch noch in der Imago eine Be- deutung zukommt, welche vielleicht auf Teilmechanismen der Stabili- sierung und einer innerlich elastischen Verbindung von Bezirken be- ruht, die im übrigen äußerlich zueinander unbeweglich sind. Es treten also in der Ausbildung der unterbrochenen Seitenmusku- latur in biologisch-kinematischer Hinsicht bemerkenswerte Verschieden- heiten der beiden Stadien zutage. Die übrige sternalpleurale und tergalpleurale Muskulatur kehrt in der von der Imago bekannten Weise wieder; es sei daher auf die Darstellung 1905, S. 437, auch in ihrer Geltung für das erste Stadium, verwiesen. In Anknüpfung aber an den für die flügeltragenden Seg- mente durchgeführten Unterschied zwischen echten tergalpleuralen, den tergalpleuralen Muskeln im Abdomen vergleichbaren und soge- nannten intratergalen Muskeln von topographisch tergalpleuralem Verhalten (vgl.Metathorax,S.806ff.) sei hervorgehoben, daß echte tergal- pleurale Muskeln, deren Stellung dem in den übrigen Segmenten an- getroffenen morphologischen Verhalten entspricht, im Prothorax nicht vorzukommen scheinen. Das Fortbestehen der intratergalen Mus- keln, 'pmO — 13, fällt zusammen wie im Meso- und Metathorax mit dem Fehlen eines dorsalen Längsmuskels dlm 5 im pleurotergalen Seiten- teil des Tergits; das Fehlen der echten tergalpleuralen Muskeln trifft zusammen mit der im Prothorax ganz besonderen Rückbildung der Pleurenregion und der thoracalen Seitenwand. Wenn für den 1 pml7 (146) und den Lateralmuskel Iltmlß (145) etwa noch von einem all- gemeinen Vergleich mit der echten tergalpleuralen Muskelkategorie die Rede sein könnte, so fällt die Möghchkeit des Vergleichs im ein- zelnen mit den Muskeln dieser Kategorie im Abdomen und in den flügeltragenden Segmenten gänzlich hinweg. Diese Muskeln, ganz be- sonders aber I pml5 (144) und I bsml 8 (149), zeigen an, daß je nach kinematischen Anforderungen Muskeln, bzw. muskulöse Ele- mente spontan als Neubildungen auftreten, welche sich keiner Kategorie fügen; durch diese Tatsache wird das Bedürfnis eingeschränkt, das in der allgemeinen Verteilung der Muskeln er-^ 34* 518 Friedrich Voss, kannte morphologische Grundprinzip überall und um jeden Preis durch- führen zu müssen. Die Stigmenmuskulatnr (vgl 1905, S. 437). Durch Auffindung eines neuen Stigmenmuskels / s^m2 (148) im Stadium 1 und in der Imago erhöht sich die Zahl der Stigmenmuskeln auf zwei getrennt verlaufende Muskeln, die sich in beiden Stadien gleichen. Der Mechanismus des Stigmenverschlusses weicht durch diese neue Einrichtung von den im Abdomen und im Mesothorax angetroffenen Mechanismen ab; beide Muskeln können ihrer morpho- logischen Stellung nach als den sternalpleuralen ähnliche Muskeln, speziell mit den mesothoracalen, aber nur ganz im allgemeinen mit den abdominalen stm verglichen werden, vgl. S. 471. Die steruale Muskulatur (vgl. 1905, S. 438). Die Zahl der sternalen Muskeln ist vermehrt durch einen neu auf- gefundenen Muskel / srm8 (156), dessen eigentümliches Verhalten hin- sichtlich seines Verlaufs und seiner Bedeutung noch der Aufklärung bedarf (vgl. S. 500). Im übrigen sei auf die für die Imago festgestellten Tatsachen ver- wiesen, da die im Stadium 1 angetroffenen Verhältnisse denen der Imago ganz auffallend gleichen. Diese Tatsache kann benutzt werden als Hinweis darauf, daß im Prothorax augenscheinlich die Trennung der auf den intersegmentalen Mechanismus bezogenen Muskelelemente soweit vorgeschritten ist, daß keine Wechselwirkung mehr zwischen diesem intersegmentalen Mechanismus und der Beinbewegung besteht, im Gegensatz besonders zum Mesothorax, wo ein Vicariieren einzelner Muskeln festgestellt werden konnte. Diese Unabhängigkeit der sternalen Beinmechanik fällt zusammen mit der fast ausschließlichen Bedeutung des segmentalen Prothorax selbst für die Beinmechanik und der damit eriolgten sehr starken Beteiligung dorsoventraler Muskeln an der Bein- bewegung, denen gegenüber im Prothorax die sternalen Muskeln nur als Hilfsmuskeln in Betracht kommen. Man darf es auf Grund dieser Tatsachen wohl aussprechen, daß in den flügeltragenden Segmenten nicht allein in dem reichlichen Auftreten sternaler Beinmuskeln an sich, sondern auch in der weiteren nachembryonalen Ausgestaltung dieser Beinmuskulatur nach Zahl und nach Kraftwirkung die Tendenz ausgedrückt ist, den Flügelmechanismus, d.h. die dorsoventralen Flügel- muskeln von den Aufgaben der Beinbewegung zu befreien. So tritt in dieser Idnematischen Hinsicht eine Divergenz beider Segmentarten auf in folgender Weise: In den flügeltragenden Segmenten be- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 519 ginnt im Stadium 1 die Beinmechanik mit einer vielleicht annähernd gleichwertigen Beteiligung dorsoventraler und sternaler Beinmuskeln, da zunächst keine Flügelbewegung vor- liegt. Nachembryonal emanzipiert sich die dorsoventrale Flügelmuskulatur von der Beinbewegung, während im glei- chen Maße die sternale Muskulatur an Bedeutung gewinnt. In der thoracalen Seitenwand trifft das nur in der episternalen Region durchgeführte Auftreten von Muskeln, welche von der Flügelbewegung gänzlich befreit sind und dieselbe auch ihrerseits nicht störend beein- flussen, nämlich das Auftreten der dorso ventralen Seitenmuskeln Idvmd (pmd), zusammen sowohl mit der Rückbildung der ventralen Längs- muskeln des Hüftrandes vlm2a + b, als auch mit dem Mangel sternaler 6m-Beinmuskeln am episternalen Hüftrande. Im Prothorax hin- gegen gewinnt bei dem Mangel der Flügelmechanik die dorsoventrale Muskulatur nach Zahl, nach Auftreten von Teilkräften und nach Massenentwicklung eine derartig vor- herrschende Bedeutung, daß die tergalen Seitenteile sich mächtig entfalten und daß die sternale Beinmuskulatur — in ihren morphologischen Grundzügen zwar vertreten — nicht zu weitgehender Differenzierung und Massenzunahme gelangt. Während letztere in den flüoeltragenden Segmenten zur wesent- liehen Beinmuskulatur wird, ist sie hier im Prothorax eine Hilfs- muskulatur für die mit bedeutend erhöhten Anforderungen an die Dorsoventralmuskulatur verbundene Beinmechanik, welche innerhalb der Ordnung der Gradflügler bekanntlich weiterführt zur Ausbildung von Grabbeinen bei der Maulwurfsgrille (vgl. 1904, S. 297 u. Bd. C, S. 597). Hiermit stimmt es überein, daß nachembryonal Änderungen — auch der ventrale Längsmuskel Ovhn2a + b (158) ist sehr schwach ausgebildet — nicht mehr eintreten, da Beziehungen der Beinmuskeln zum inter- segmentalen und zum Flügelmechanismus fehlen, von dem sternalen Beinmuskel / bml abgesehen, dessen Fasern sich verlängern. Die Unabhängigkeit schließlich der segmental beschränkten Me- chanismen im Prothoras, eben der Beinbewegung, von den interseg- mentalen Mechanismen ist bereits 1905, S. 432, unter b und S. 439, Absatz 3, betont worden : Sie tritt also nicht nur in der Ausgestaltung eines besonderen episternal-sternalen Bezirks, des Sternellum hervor, sondern auch bei dem Vergleich der Imago mit dem Stadium 1 in der Gleichheit der sternalen Beinmuskulatur. Andre Erklärungsgründe scheinen nicht möglich zu sein zur Deutung der Tatsache, daß gerade in dem durch hohe Anforderungen an die Beinmechanik charakteri- 520 Friedrich Voss, sierten Prothorax die sternalen Beinmuskeln durcli ihre schwache Entwicklung so sehr auffallen. Die Wechselwirkung aller dieser Verhältnisse ist eine so vielseitige, daß der Hinweis allein auf diese Gedankengänge an dieser Stelle genü- gen muß. 3. Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung des Pro- thorax im 1. Stadium gewonnenen Ergebnisse mit den imaginalen Zuständen hinsichtlich Skelet und Muskulatur. Um ein abschließendes Urteil für den Prothorax zu erhalten, ver- einigen wir nunmehr die aus der Betrachtung der einzelnen Muskel- kategorien gewonnenen Ergebnisse nach jenen allgemeinen Ge- sichtspunkten^ welche bereits bei der Betrachtung jener Kategorien vielfach wiederkehrten. Dies betrifft hauptsächlich dreierlei Fragen: 1) Die Frage, ob und in welcher Weise begründet im ersten Stadium ein primärer Befund zum Ausdruck kommt. 2) Die Frage nach den kinematischen Vorgängen, in deren Zusammenhang der Prothorax seine charakteristische Ausgestaltung gegenüber den flügeltragenden Segmenten erhalten hat, und welche Wandlungen hierin im Verlaufe der nachembryonalen Entwicklung eintreten. 3) Die Frage nach dem Verhältnis der Beinmechanik zur Flügel mechanik, soweit sie in den Lagebeziehungen der tergalen Ursprungsstellen und in der Zerlegung selbst der dorsoventral ver- laufenden Muskeln zum Ausdruck kommt. Es ist dies die Frage, ob in dem Auftreten und in der Anordnung der dorsoven- tralen Muskeln im Prothorax und auch im Meso- und Metathorax des Stadium 1 ein Hinweis auf Anfänge der Fl ügelent Wicklung liegt; sie erhält gerade durch die Verhältnisse im Prothorax eine gewisse Klärung. Diese Gesichtspunkte sind zum Teil schon ausführlich erörtert worden; sie werden daher nunmehr nur noch zusammengestellt mit dem Hinweis auf jene Erörterungen (vgl. im Metathorax, Bd. C, S. 746f, bes. S. 748 ff, ferner S. 776, 784ff imd später S. 632f). 1) Darauf, daß im Übergangszustande des ersten Stadiums die Verteilung der Muskeln der allen Segmenten gemeinsamen primären Grundlage näher kommt als in der Imago, weist die An- ordnung der seitlich-dorsalen Längsmuskeln Idlmoa und Idlmoh (128, 129) sowie das typische Auftreten eines medianen, einfach intersegmen- talen Längsmuskels / dlmla (127). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 521 Der der Imago in der dorsalen und ventralen Längsmuskulatur typische gekreuzte Verlauf der Muskeln und Muskelfasern kommt erst nachembryonal zur Durchführung. Insbesondere entspricht dem primären Auftreten der dorsalen Längsmuskeln die noch breite Ausbildung der tergalen Mittelregion im ersten Stadium, während nachembryonal durch die Verlagerung der intersegmentalen Dorsoventralmuskeln der Halshautregion, besonders aber durch die Verlagerung der seitlich-dorsalen Längsmuskeln median- wärts eine Konzentration und Verkleinerung des tergalen Mittelfeldes zugunsten der lateralen Seitenteile herbeigeführt wird. Kinematisch begründet sind diese Vorgänge durch das Nachlassen gewisser inter- segmentaler Bewegungserscheinungen im Übergangszustande des Sta- dium 1 und durch die dorsoventrale Beinmechanik, vgl. S. 511, 523. 2) Hinsichtlich der kinematischen Wechselbeziehungen innerhalb des Prothorax ist zwischen den räumlichen Gegensätzen und den zeitlichen Gegensätzen dieser Erscheinungen zu unterscheiden. Bei der räumlichen Betrachtung tritt ein Gegensatz a. der Beinmechanik zur intersegmentalen Mechanik gemäß der Längsrichtung des Tieres, b. der dorsalen intersegmentalen Bewegungserscheinungen im Unterschied von den ventralen hervor. Wir betrachten diese Ver- hältnisse gemäß den Befunden an der Imago. ad a. Die intersegmentalen Bewegungserscheinungen treten ven- tral durch Ausbildung eines gesonderten, für sich beweghchen epime- ralen Sternits, sternellum, hervor und spiegeln sich in der besonders reichlichen Differenzierung der ventralen Längsmuskulatur, besonders auch der von der unpaaren Apophyse ausgehenden. Von ihnen un- abhängig vollziehen sich die segmentalen Bewegungserscheinungen der Beinbewegung, die — im Unterschiede von den flügeltragenden Segmenten — hauptsächhch an dorsoventrale, weniger an sternale Muskeln anknüpft. Die besonders mächtige Entwicklung der hinteren, der epimeralen Dorsoventralmuskeln ldvm2 und 2a, ferner die Ausbildung je eines Trochantermuskels aus der Kategorie der medialen dvm und lateralen M-ym-Dorsoventralmuskulatur stehen in auffallen- dem Gegensatze zur Rückbildung der schmalen episternalen Region. Diese Muskelentwicklung steht im Zusammenhang mit der mehr nach hinten gerichteten Bewegung der Beine und — als ihrer Folge- erscheinung — mit der mächtigen Entwicklung der Seitenteile des Hals- schildes und der medianwärtigen Einengung des medianen Tergalbezirks. Es läßt sich erwarten, daß diese Vorgänge bei der Maulwurfsgrille im höchsten Maße gesteigert auftreten. 522 Friedrich Voss, Tergal ist die Sonderung der intersegmentalen Kräfte von den segmentalen durch die Verlagerung der seitlichen dorsalen Längs- muskeln in medialer Richtung erfolgt. ad b. Die intersegmentalen Beziehungen des Prothorax sind tergal und sternal ganz verschieden geartet. Im sternalen Bezirk zeigt die Gliederung des Skelettes und der Muskulatur zwar eine ge- wisse Beweglichkeit; aber dessen ungeachtet doch wieder eine Stetig- keit imd Festigkeit, die durch die Zahl und den gekreuzten Verlauf der kräftigen ventralen Längsmuskeln gewährleistet wird. Tergal hingegen ist die intersegmentale Beweglichkeit in der Form einer sehr weitgehenden Lockerung und allseitig freien Beweglichkeit besonders gegen die Nackenhaut hin ausgestaltet. Das sind Zustände, die in der Rückbildung des medianen dorsalen Längsmuskels Idlmla (127), in der zunehmenden Bedeutung der Rotatoren Oism (169, 170) und in dem eigentümhchen Verhalten der weit nach hinten über- greifenden dorsalen Längsmuskeln der Halshaut, also in der Aus- bildung langsegmentaler Odlml (163) und doppelt intersegmentaler 0 idlm2 (164) Muskeln zum Ausdruck kommen. Es ist hiermit ein Prinzip verwertet, welches überall dort zutage tritt, wo in inter- segmentalen Bezirken ausgiebige oder vielseitige Bewegungserschei- nungen auftreten. Beispiele dafür waren bereits die metathoracale ventrale Längsmuskulatur Illivlml (45), der abdominale Längsmuskel Ilivlm 3 (19). Beispiele für diese kinematische Beziehung bieten ferner in reichem Maße andre Insektengruppen, z. B. die Ephemeriden (vgl. Dürren, 1907), die Myriapoden und andre, zumal in homonom segmentierten Körperstrecken (S. 505, 509, 532, 571; Bd. C, S. 703, 739). Bei einer zeitlichen Betrachtung dieser Beziehungen kommt man auf die Unterschiede zwischen dem Übergangszustande des ersten Stadiums und der Imago zu sprechen. Den Vorgängen des Schlüpfens aus dem Ei und der Ablage der ersten Embryonalhaut, ferner den Vorgängen, welche die Herstellung der Normallage der Teile herbeiführen, dienen besondere Muskeln, welche danach teils zugrunde gehen, teils in rückgebildeten Zustande oder auch unter Funktionswechsel — Idlmla (127) — erhalten bleiben. Die bei der Befreiung aus der Embryonallage in Betracht kommenden intersegmentalen Bewegungserscheinungen bestehen in dem abwech- selnden fernrohrartigen Zusammenziehen und Auseinandertreten der Segmente in der Richtung der Längsachse des Tieres und in Biegungen ; sie erfordern bedeutende, innerhalb kurzer Strecken wirksame, präzise Muskelkräfte. Dem entsprechen besonders kräftige, später in ver- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 523 schiedenem Grade rückgebildete, einfach intersegmentale dorsale und ventrale Längsmuskeln. Zur Herbeiführung der Normallage der Teile, d. h. des Normal- zustandes des Tieres dienen im Übergangszustande des Stadium 1 außerdem noch in verschiedener Weise jene bereits besprochenen unterbrochenen Seitenmuskeln, Anderer Art sind die nachcmbryonalen intersegmen- talen Bewegungserscheinungen im Normalzustande, die nach dem Übergangszustande des Stadium 1 auftreten. Die Normal- lage ist dann durch die Ausgestaltung der festen Chitinteile gesichert. Die in der Längsrichtung des Tieres erfolgenden intersegmentalen Bewegungserscheinungen treten zurück gegenüber den Beweoungen des Beugens und Streckens und den Drehbewegungen, besonders im Be- reich der Halshaut. Dem entsprechen die Rückbildungserscheinungen in der dorsalen und ventralen Längsmuskulatur, die Verstärkung der typisch-intersegmentalen wm-Dorsoventralmuskeln und der gekreuzte Verlauf der dorsalen und ventralen Längsmuskeln, ferner die besondere Anordnung der lateralen dorsalen Längsmuskeln in der Medianlinie, worin die Konzentration der Tergalbezirke medianwärts kinematisch zum Ausdruck kommt (S. 511, 521, auch S. 566, 573). 3) Hinsichtlich der zwischen Flügel- und Beinmechanik bestehenden Beziehungen interessiert die Frage, ob das fast voll- zählige Auftreten der typischen Dorsoventralmuskeln, sowie ihre typischen Lagebeziehungen in dem tergalen Ursprungsbezirke mehr im kinema- tischen Sinne ein Ausdruck von Folgeerscheinungen der Beinmechanik seien, oder ob diese Dinge im morphologischen Sinne als ein Hinweis auf die Flügelanlage aufgefaßt werden dürfen, in doppelter Beziehung: a) Einmal, wie die Lagebeziehungen der lateralen und medialen Dorsoventralmuskeln in den flügeltragenden Segmenten des ersten Stadiums aufzufassen sind; denn aus der Beantwortung dieser Frage ergeben sich Anhaltspunkte für die Natur und für das zeitliche Auftreten der Flügelanlage auch in phylogenetischem Sinne. Diese Frage ist bereits ohne eingehendere Berücksichtigung des Prothorax bei Betrachtung der flügeltragenden Segmente besprochen und zu einem gewissen Abschluß gebracht (vgl. Bd. C, S. 746 und 751). b) Sodann ergibt sich aus der Beantwortung dieser Frage für den Prothorax die Möglichkeit der Entscheidung, ob dort auf die Anlage von Flügeln gerichtete Entwicklungsvorgänge zum Ver- schein kommen, und in welchem Grade dies geschieht. Besonders aber läßt sich ein in dieser Hinsicht am Prothorax gewonnenes Er- 524 Friedrich Voss, gebnis zur Unterstützung der Anschauungen über die Verhältnisse in den flügeltragenden Segmenten indirekt verwerten (S. 514). Zunächst sei die letztere Frage besprochen. Schon in den flügeltragenden Segmenten wurden Muskeln ge- funden, welche bei gemeinsamen Ansatzstellen in gleichen, mit gleichen Aufgaben verbundenen Endbezirken dennoch eine Trennung in den Ursprungsstellen der Teilbündel bzw. der Teilmuskeln zeigten, ohne daß in diesem Ursprungsbezirke mit besonderen Aufgaben für einen dieser Teilmuskeln verbundene Teilmechanismen auftraten. Solche Muskeln sind z. B. die seitlichen langen Hüftmuskeln //, Illldvmi (62, 99) und einige sternale Beinmuskeln bm. Etwas anders geartet, aber ähnlich verwertbar ist die Zerlegung der ventralen Längsmuskeln in gekreuzte Teilbündel. Die tergale Trennung der übrigen meso- und metathoracalen Muskeln aber konnte bereits auf die Anfänge der Flügelent Wicklung bezogen werden. Im Prothorax fällt der Gesichtspunkt der Flügelmechanik für die tergale Sonderung der dorsoventralen Muskeln hinweg, und es liegt daher nahe, die Zerlegung der meisten Muskeln auf die Anforderungen der Beinmechanik ausschließlich zurückzuführen. Ganz allgemein wichtig hierfür wird die Feststellung, daß gegenüber den flügeltragen- den Segmenten im Pronotum zumal, auch im Stadium 1, die Zerlegung der Muskeln in Teilmuskeln in gesteigertem Maße auftritt, daß also im Prothorax das Auftreten von Teilmuskeln ein ganz all- gemeiner Charakter der dorsoventralen Beinmuskulatur als solcher ist, auch ohne daß eine kinematische Bezugnahme auf Flügel vorhegt. Diese Voraussetzung darf also zunächst für alle drei Thoracalsegmente gelten, wie ja auch im ersten Stadium der Mangel der Flügelmechanik die drei Segmente gleichartig charakterisiert. Im Prothorax tritt die Bildung von Teilmuskeln zu- nächst in einer den flügeltragenden Segmenten ähnlichen Weise auf, und es darf wohl angenommen werden, daß der mediale Teilmuskel z. B. des vorderen Dorsoventralmuskels / dvm6 dem Flügel- muskel dvml, der hintere dorso ventrale Teilmuskel / dvmS + 4, dem dvm3+4 der flügeltragenden Segmente entspricht (S. 488; Bd.C,S.784ff.). Darüber hinaus aber treten Teilungen ein, u. a. z. B. des hinteren Dorsoventralmuskels Idvm2 selbst, eines in den flügeltragenden Seg- menten einheitlichen Muskels. Mehr beweiskräftig noch als der Teil- muskel des vorderen Dorsoventralmuskels Idvm6+1 (131) scheint in dieser Hinsicht das gesonderte Auftreten eines medialseitlichen hinteren Dorsoventralmuskels Idvm3+4 zu sein, da er charakteristi- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 525 scher gesondert auftritt als jener: Wäre die Existenz eines dvm3+4 allein auf die mit Flügelbildung verknüpfte morphologische Grund- lage gegründet, so müßte er im Prothorax mit dem dvm2 einheitlich auftreten. Das Auftreten aller typischen Dorsoventralmuskeln in den drei Thorakalsegmenten scheint also durch die Beziehungen zur Bein- mechanik genügend erklärt. Anderseits sind die Lagebeziehungen der tergalen Ur- sprungsstellen der prothoracalen Muskeln und Teilmuskeln andere als in den flügeltragenden Segmenten. Die in den letzteren schon im Stadium 1 so typischen Lagebeziehungen, welche den imaginalen gleichen und auf die Anforderungen der erst später auf- tretenden Flügelmechanik so charakteristisch hinweisen, fehlen im Prothorax. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Verschiedenheit allein mit verschieden gerichteten Zugwirkungen innerhalb der Beinmuskeln in den drei Segmenten erklärt werden darf; denn die Lagebeziehungen sind im Meta- und Mesothorax trotz der verschiedenen Beinmechanik mindestens sehr ähnlich. Der Nachweis dieser Annahme wird nicht möglich sein; aber man darf wohl trotzdem auch nach Vergleich mit dem Prothorax die charakteristische Anordnung der tergalen Ursprungs- stellen in den flügeltragenden Segmenten mit der Anlage von Flügeln in Verbindung bringen (vgl. S. 751, Bd. C). Daß anderseits die Teilungs- erscheinungen innerhalb der prothoracalen Muskulatur einen Hinweis auf die Flügel enthalten könnten, wird noch unwahrscheinlicher an- gesichts der Tatsache, daß die in den flügeltragenden Segmenten für den Flügel typischen lateralen Dorsoventralmuskeln Idvml und la in der episternalen Kegion völlig fehlen, und nur noch die beiden primären Stamm-Muskeln vorhanden sind, von denen dem Trochantermuskel schon im Meso- und Metathorax eine nur nebensächliche sekundäre Bedeutung für den Flügel zukam. Es ist demnach kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß in der tergalen Muskelverteilung des Prothorax ein Hinweis auf die Anlage von Flügeln enthalten sei; die Differenzierung und Anordnung der prothoracalen dorso- ventralen Muskeln folgt eignen, mit der Beinmechanik verbundenen Gesetzmäßigkeiten. Anderseits darf die typi- sche Anordnung und — gleichfalls im Unterschiede vom Prothorax — die so gut umgrenzte charakteristische Form der dorsoventralen Muskeln im Meso- und Metathorax schon im Stadium 1 als ein Hinweis auf die Anlage von Flügeln aufgefaßt werden. Wenn auch hiermit die wesentlichen Merk- 526 Friedrich Voss, male und Vorbedingungen der Flügelmechanik des fertigen Insektes schon ausgestaltet sind, so ist hiermit dieser Entwicklungsprozeß noch nicht abgeschlossen: Es wurde bereits bemerkt (Bd. C, S, 751, 783), daß dieser Entwicklungsprozeß in der nachembryonalen Entwicklung noch weiter geht, sowohl in der Ausgestaltung der Muskulatur selbst (S. 626; Bd. C, S. 745, 798, 810), als auch hinsichtlich der Beziehungen zu den andern Muskelkategorien (S. 474 f., 519. 662). Anderseits kommt im Prothorax jene Vorstufe der Verteilung dorsoventralverlaufender Beinmuskeln zum Ausdruck, an welche bei einer phylogenetischen Betrachtungsweise die Anknüpfung der Flug- bewegung gedacht werden kann. Es ist jene Vorstufe, welche auch in den flügeltragenden Segmenten des ersten Stadiums — wenn man ein- mal absieht von den für die Flüo;elbeweoimc'' charakteristischen Lage- beziehungen der tergalen Ursprungsstellen der Muskeln — verwirklicht sein würde. In welcher Weise sich diese Lagebeziehungen und die Form der Muskeln in den flügeltragenden Segmenten darstellen würden, falls in ihnen kein Hinweis auf die Bildung der Flügel enthalten wäre, läßt sich zunächst nicht angeben, auch nicht durch einen Vergleich mit dem Prothorax ermitteln. Denn der Prothorax ist in dieser Beziehung hinsichtlich des Tergits einseitig abgeändert, und in spezieller Richtung weiter gebildet unter dem Gesichtspunkte erhöhter Beinmechanik, welche durch die besondere Beteiligung der dorsoventralen Seiten- muskeln zur Vorherrschaft der tergalen Seitenregion führt. Den besten Aufschluß hierüber wird vielleicht noch eine ver- gleichende Untersuchung geben, welche sich einerseits auf ein primär flügelloses Insekt und anderseits auf zwei Typen von epimorphen Insekten erstreckt, von denen eines noch rückgebildete Flügel besitzt, das andre aber sekundär völlig flügellos ist. Diese Angaben mögen zur Beantwortung der Frage nach dem Grade der Flügelentwicklung, der in den flügeltragenden Seg- menten im Stadium 1 schon erreicht ist, hinsichtlich der dorsoventralen Muskulatur zunächst genügen. Zugleich ist aber auch damit eine Beantwortung der Frage nach der Art der Flügelentwicklung — auch im phylogenetischen Sinne eingeleitet. Zeigt doch die Schwierigkeit und Komplikation, ja die Bedingtheit aller unsrer Überlegungen den innigen, kaum getrennt zu betrachtenden Zusammenhang zwischen Beinmechanik und Flügel- anlage. Eine primäre Zerteilung dorso ventraler Muskeln, welche der in allen drei Thoracalsegmenten beobachteten Differenzierung grund- sätzHch ähnlich ist und welcher nur die in den flügeltragenden Sog- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 527 menten beobachtete charakteristische Lagebeziehung fehlt, muß als Vorstufe und Ausgangspunkt der Flügelmechanik gedacht werden. Der Flügel knüpft also sekundär an die gegebene, aus den Beziehungen zur Beinmechanik ausreichend ver- ständliche Muskeldifferenzierung an, und er erscheint als eine Folgeerscheinung derselben im tergalen Bezirk. Ob die genannte einseitige Entwicklungsrichtung im Prothorax anknüpft an Organisationsgrundlagen, welche aus der Beziehung zu der primären, aber wieder rückgebildeten Flügelanlage oder aus der Tendenz einer Flügelentwicklung zu verstehen sind, ob diese Grund- lage daher etwa im Prothorax des Stadium 1 — unter der Annahme, daß in der Imago die Eückbildung schon weiter fortgeschritten ist — noch deutlicher erkennbar ist, als vielleicht in der Imago : das ist wieder eine neue Frage, welche mit der bereits wiederholt von einigen Autoren spekulativ gestellten Frage nach der Existenz eines prothoracalen Flügels zusammenfällt. Daß die Verteilung der dorso ventralen Mus- kein der morphologische Aufdruck einer gewissen Richtung der Flügel- entwicklung sei, mußte verneint werden. Wir gehen an dieser Stelle auf die ganz allgemeine Fragestellung, die in der üblichen Form als eine für die heute lebenden Insekten übertriebene morphologische Spekulation bezeichnet werden muß, nicht näher ein, um zunächst (vgl. später S. 632) die speziellen Erörterungen über den Prothorax vorläufig abzuschließen, ungeachtet dessen, daß die angestellten Be- trachtungen noch erweiterungsfähig wären. Exakt zu lösen ist die schwierige Frage der Beziehungen zwischen der Bein- und Flügelkinematik wohl überhaupt nicht; sie würde sehr umfangreiche und höchst umständliche Untersuchungen über Einzel- heiten der Form und der histologischen Beschaffenheit der Muskeln, ferner Messungen an denselben erfordern, Untersuchungen, die in keinem Verhältnis zu den auch dann immer noch bedingten Ergebnissen stehen. Abschließend kann gesagt werden: Der Prothorax ist im Ver- gleich mit den flügeltragenden Segmenten ein Spiegelbild spezieller kinematischer Beziehungen und erläutert da- durch nicht nur die Auffassung der andern Segmente, sondern das Wesen morphologischer Gestaltung bei In- sekten überhaupt. Man könnte z. B. auch die Verteilung der prothoracalen, dorso- ventral verlaufenden Muskeln von vornherein als den Ausdruck rein morphologischer Beziehungen ansehen und daraus eine gleichfalls be- dingte Betrachtung in diesem Sinne anknüpfen, die sich aber alsbald 528 Friedrich Voss, in Widersprüche in kinematischer Hinsicht verwickeln würde. Ich möchte es ablehnen, eine solche Betrachtung anzustellen ; denn sie stützt sich von vornherein auf unbewiesene Voraussetzungen, und widerspricht einer Überzeugung, welche nach langjährigen, ins einzelne gehenden Untersuchungen unter dem Eindruck der Erkenntnis einer fast aus- schließlich nach kinematischen Gesichtspunkten erfolgten Gliederung der als Hautmuskelschlauch bezeichneten Organisationseinheit des Insektenkörpers steht. F. Die Halshaut, das zweite Maxillensegnient O^ (Der » Microthorax «. ) a. Einzelbeschreibung der Muskeln. Die Längsmuskulatur. Die Tentrale Län^smasknlatar (vgl. 1905, S. 439). 158) (1905:134) Musculus ventralis secundus cephalo- sternij (»microsterni«), Ovlm2a + b, intersegmentaler median- paariger ventraler Längsmuskel (vgl. Textfig. 39ff; Bd. C, Taf. XXf, Fig. 9—13, 24). Der Muskel gleicht dem imaginalen; er ist bei gleicher, gekreuzter Lage gleichfalls sehr schwach ausgebildet und besteht aus wenigen Fibrillen. Bei Anwendung starker Vergrößerungen (über 1000) konnte an dem Verlauf einiger Fibrillen die bekannte Gabelung des Muskels an den Trochantin (Nr. 79, 120) und an den Hüftrand festgestellt werden. Seine bereits in der Ima^o festoestellte schwache Ausbilduno; im Unter- schied von den bedeutend kräftigeren vlm2 im Meso- und Metathorax ist also schon primär vorhanden; die Rückbildung ist also nicht erst imaginal eingetreten, und die Charakterisierung des Muskels als primär (vgl. 1905, S. 413) ist daher mit Vorbehalt anzuführen. 159) (1905: 135) Musculus ventralis tertius cephalosterni (»microsterni«), OvlmS, intersegmentaler^ medianpaariger ventraler Längsmuskel (vgl.Textf.39ff ;Bd.C,Taf.XXIf,Fig.l3,24). Der schwache Muskel entspricht dem imaginalen Befunde. Sein Größenunterschied von 0 vhn5 (161) ist beträchtlich. Er besteht aus zwei bis vier Primitivbündeln und geht hinten völlig in der Masse des 0 vlm5 auf. 1 Vgl. Textfig. 37—52; Bd. C, Taf. XlXff, Fig. 2—15. 17a, 24, 25, 38; Bd. CI. Taf. XXVI ff, Fig. 41, 42, 49—52. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 529 160) (1905 : 136) Musculus ventralis quartus cephalosterni (»microsterni«) 0 vlm4, intersegmentaler lateraler ventraler Läugsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XXI, Fig. 12—13; Fig. 24—25). Der nur in der vorderen Ursprungsstrecke platte, im Querschnitt ovale Muskel entspricht dem imaginalen Befunde. Er ist im Querschnitt nur wenig schwächer entwickelt als der prothoracale / vlmd (122). Auch wurde in einem besonderen Falle eine scharfe Zweiteiligkeit des Muskels beobachtet, aber nur in der einen Symmetriehälfte des Tieres. Er verläuft dicht über dem großen Ganglion des zweiten Maxillensegmentes, dem Unterschlundganglion und ■mit dem folgenden seitHch dicht neben dem Prothoracalganglion. 161) (1905: 137) Musculus ventralis quintus cephalo- sterni (»microsterni«) Ovlmö, intersegmentaler lateraler ventraler Längsmuskel (vgl. Fig. wie bei 160). Er entspricht dem imaginalen Befunde. Auch kreuzt er den vorigen in der 1905 angegebenen Weise. Er erscheint hinten etwas zweiteilig von etwa herzförmigem Querschnitte. Der Muskel ist gleich kräftig entwickelt, wie der vorige Ovlm4 (160); auch bei ihm wurde bei dem gleichen Tiere auf der gegenüberliegenden Symmetriehälfte eine Neigung zur Zweiteiligkeit in der hinteren Strecke beobachtet. Der gesamte Komplex der beiden lateralen Längsnmskeln ist, im Querschnitt betrachtet, weniger kräftig als der prothoracale; er übertrifft ihn aber bedeutend an Länge. Die dorsale Läugsumskalatnr (vgl. Textfig. 37— 49). Die dorsale Längsmuskulatur bietet einige der interessantesten Er- scheinungen, die bei der Untersuchung des ersten Stadiums hervor- traten. Es schien nicht zulässig, die im einzelnen vorliegenden Ver- hältnisse mit einer allgemeinen Charakterisierung abzutun, da gerade die Kenntnis der Einzelheiten für einige Fragen allgemeiner Natur ins Gewicht fällt, z. B. für den Vorgang des Schlüpfens aus dem Ei und für das Abstreifen des Embryonalhäutchens, für die Frage nach den Beziehungen zwischen morphologischer und kinematischer Begründung hinsichthch des Auftretens von Muskulatur und Skeletteilen, für die morphologische Deutung der Halshautregion, für die Kinematik des Prothorax, für die Art der Rückbildung von Muskeln usw. Ihr wurde daher eine besonders sorgfältige Untersuchung gewidmet. 162) Musculus dorsalis primus a cephalonoti (»micro- noti«) embryonalis, 0 dlmla, einfach intersegmentaler me- dianpaariger dorsaler Längsmuskel (Bd. C, Tafelfig. 2 — 6, 25). 530 Friedrich Voss, Er ist in der Imago nicht vorhanden. Er entspricht durchaus dem prothoracalen, bis zum Imaginal- stadium rudimentär gewordenen Idlmla. Im Übergangszustand des 1. Stadiums. Der Muskel entspringt am Oberrande des Hinterhauptsringes medianseitig über dem Dorsoventralmuskel Odvm2b (172) und Odvm2c (173) oberhalb des Nackensporns (vgl. Textfig. 47 — 49), mit einem Teile der Fasern an diesem selbst. Er verläuft medial-seitlich der dorsoventralen Muskeln dicht unter der Nackenhaut als sehr kräftig entwickelter Muskel zugleich mit den beiden folgenden Längsmuskeln Odlml (163) und Oidlm2 (164) nach hinten und setzt in der zum Pronotum führenden Intersegmentalfalte gegenüber dem Idlmla (127) an. Er bildet — als breiter, ziemlich platter Muskel mit beiderseits nach innen umgebogenen, medianwärts übergreifenden Rändern — mit diesen Muskeln eine ziemlich einheitliche Masse von breit ellip- tischem Querschnitte, welche neben den Längsmuskeln Odlm5a + h (166) der kräftigste thoracale Längsmuskel überhaupt ist. Eine mediane Lichtung trennt den Muskel als den dorsalen, bedeutend kräftigeren Teil der Gesamtmasse von den ventral darunter gelegenen 0 dlml und 2. Die einzelnen Muskelanteile halten sich im allgemeinen ge- sondert (vgl. Textfig. 40 — 48), abgesehen von der vorderen Strecke, wo die Anteile nicht mehr bestimmt zu begrenzen sind. Über seine Be- ziehung zur Gruppe der dorsalen Hilfsmuskeln (165) vgl. dort S. 541. Der Muskel zeigt die Neigung zum Zerfall in Teilmuskeln: Ein medialer dorsaler Teilmuskel bildet den oberhalb des Nackensporns zu oberst ansetzenden Teil des Muskels. Eine laterale^ vom längslaufenden Tracheenstamm dicht be- gleitete Partie entspringt völlig gemeinsam mit dem ventralen Teil- muskel des 0 idlm2 (164), hält sich sonst aber ziemlich gesondert. Ein medial-mittlerer Teilmuskel zerfällt alsbald wieder in Teilbündel. Er nimmt nach vorn, wo er mit dem 0 dlml und dem dorsalen Teile des 0 idlm2 vereinigt ist, an Masse zu und bildet den dicken medialen Teil des ganzen Komplexes der dorsalen Längsmuskeln. Er entspringt mit dem lateralen Teilmuskel am Nackensporn. Im Normalzustande des ersten Stadiums ist der einst so mächtige Muskel spurlos verschwunden (vgl. den Zu- stand Nr. 3, Bd. C, S.609), und der 0 dlml und der 0 idlm2 (164, 165) verlaufen allein und völli" frei unter der Nackenhaut. In einem alten über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 531 Zustande des Stadium 1 tritt zwar der Längsmuskel 0 dlml an der hinteren Intersegmentalfalte der Nackenhaut mit deren Hypodermis in enge Beziehung; es kann daher vielleicht angenommen werden, daß einige Eestfasern des Muskels noch in dem Odlml enthalten sind. Später aber ist auch dies nicht mehr zu beobachten, wie z. B. ein sogar jüngeres Stadium 1 (vgl. Nr. 5, Bd. C, S. 609) zeigt. Der Muskel ist also untergegangen und zwar sehr schnell, im Unterschiede zu anderen der schwindenden Muskeln, von welchen (z.B. von Nr. 165, 0 dlmO, S. 538) Reste noch spurenweise vorhanden sind. Zwischenstufen des /dvm 2 a Od/m Sa fsj' Ost / a^-^OdvmZb fest OidvmZ Textfig. 42. Hinterer Halshautbezirk im späten Übergangszustande des Sta- dium 1. (21. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erläuterungen auf S. 606 ff u. 611.) Das Auf- treten des zum größten Teile h vergängliclien seitlichen dorsalen Längsmuskels OdlmSa + h (166) kennzeichnet die gesamte dorsoventrale Muskulatur der Halshaut dvm, isni, idvm als Angehörige der medialen dorsoventralen Kategorie (gelb) — vgl. die edvm im Abdomen — , welche in sehr zahlreiche Muskeln zerlegt ist, vgl. S. 5G9ff. Die Nackenplatte c, vgl. 1904, Textfig. 7, S. 443. Rückbildungs Vorganges konnten nicht beobachtet werden, so daß Anhaltspunkte für die Art der Rückbildung fehlen. Im Bereich des ehemaligen Muskels wurden jedoch vor der hinteren Intersegmental- falte Riesenzellen in der Hypodermis beobachtet. Die Funktion des Muskels. Das primäre Vorkommen dieses Muskels ist in der gleichen Weise zu begründen, wie das Vorkommen des ihm homologen prothoracalen Idlmla (127). Einmal ist er, wie alle einfach intersegmental absetzen- den Muskeln, gemäß der für jedes Segment gleichartigen, gegebenen morphologischen Grundlage vorhanden, welche entsprechend den in den jeweiligen Bezirken zur Geltung kommenden kinematischen Be- ziehungen verwertet wird, d. h. demgemäß also im topographischen Befunde erhalten bleibt oder nicht. Eine kinematische Bedeutung Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 35 532 Friedrich Voss, aber kommt dem Muskel augenscileinlich ausschließlich im Übergangs- zustande des ersten Stadiums zu; sie ist der zweite Grund dafür, daß er wenigstens noch in diesem Stadium vorkommt. Diese kinematische Bedeutung ist eine doppelte: Einm.al erleichtert der Muskel als Häu- tungsmuskel die Ablage der ersten Larvenhaut, d. i. der Embiyonai- hülle, einen Vorgang, der auf dem abwechselnden Zusammenschieben und Auseinandertreten der benachbarten Segmente beruht und welcher auf den Bewegungsmechanismus einfach segmentaler, in nicht zu großen Abständen absetzender Längsmuskulatur am besten gegründet scheint. Denn es wird gerade durch solche Muskulatur der freie Spielraum der Segmente gegeneinander eingeschränkt. Der Bestand jeder einzelnen Intersegmentalfalte erscheint durch diese Einschränkung, d. h. durch den antagonistischen Ansatz und die Funktion einfach intersegmen- taler Längsmuskeln mehr gesichert, als zwischen weitläufig und locker, mittels doppelt-intersegmentaler Längsmuskeln verbundenen Segmenten. Die Ablage der alten Haut wird dadurch erleichtert, daß jede kompli- zierte Region über ihre eigne, bestimmt gerichtete und bestimmt wirk- same Teilmuskelkraft verfügt. Li dieser Hinsicht sieht man die einfach intersegmentale Musku- latur bei der ersten Häutung zunächst in allen Segmenten gleich- mäßig wirksam auftreten. Nachembryonal ist sie aber nur dort erhalten, wo keine anders gearteten, speziellen kinematischen Anforde- rungen in den nachembryonalen, larvalen Zuständen modifizierend ein- greifen. Eine solche Änderung tritt aber nach dem Schlüp- fen des Embryo aus dem Ei und der Embryonalhaut (erste Häutung) im Bezirk der Nackenhaut und im dorsalen Pro- thorax ein: Es ist die Erhöhung des freien intersegmen- talen Spielraumes zwischen Kopf und Mesothorax^ die Notwendigkeit einer Lockerung der dorsalen Intersegmen- talbezirke bei der Nackenbeuge. Man kann es bei lebenden Tieren beobachten, daß diese einen sehr freien Spielraum erfordert, eine ausgiebige Dehnbarkeit, ein Ausgleichen der Litersegmentalfalte, für welche die einfach intersegmentale Längsmuskulatur ein unüber- windliches Hindernis bedeuten würde. Es fällt demnach dieser Längs- muskel 0 dlml fort, und der prothoracale / dlmla, für welchen die gleiche Begründung gilt, wird im nachembryonalen Larvenleben rudimentär ebenso wie der Ast a des 0 dlml (163). Die zweite sehr bedeutsame kinematische Beziehung, welche den Bestand des Muskels im Übergangszustande des Stadium 1 allein erforderlich macht, beruht auf einem mit den Transversalmuskeln über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 533 Cm (177) und Tm (178), ferner mit den Längsmuskeln Odlm5a + b (166) gemeinschaftlichen Antagonismus zu der abdominalen me- dialenDorsoventralmuskulatur 66?vm (5, 22; 6, 23; 37, 38), welcher bei der Sprengung der Eischale zunächst in Tätigkeit gesetzt wird. Dieser Antagonismus wirkt nämlich der Kontraktion dieser Muskulatur insofern entgegen, als er den durch diese Muskeln nach vorn vorge- Ildvm 2a Od Im 5a 0dvm2b Zc 0di^m2b Textfig. 43. Hinterer Halshautbezirk im späten Übergangs zustande des Sta- dium 1. (19. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erläuterungen auf S. 606 ff u. 611.) Tergal tritt im hinteren Nackenraum (vgl. S. 540) die vergängliclie hintere Spezialmuskulatur OdlmOx (165) der Nackenblase auf. Die morphologische Bedeutung der Halshaut läßt sich nach dem Auftreten des lateralen dorsalen Längsmuskels OdlmSa + b und durch einen Vergleicli dieser und der folgenden Pig. 41 mit den Abdominalsegmenten (vgl. Textfig. 12, Bd. C, S. 687) beurteilen. Indem die gesamte Dorsoventrahnuskulatur der Halshaut der medialen Dorsoventralmuskulatur edvm im Abdomen homolog ist, bezeichnet der Verlauf des OdlmSa + 6 den pleurotergalen Teil plt des Tergits. Dieser in beiden Fällen tief hinabreichende Teil — im Abdominaltergit mit dem eutergalen Bezirk zu einer einheitlichen tergalen Chitin platte vereinigt — , tritt hier in der Nackenhaut des zweiten Maxillensegmentes, den funktionellen Aufgaben ent- sprechend, mit dem eutergalen Bezirk als einheitlicli weich häutige tergale Region, als Nackenhaut auf. Seitliche Muskulatur fehlt vollkommen, sodaß unter Fortfall der pleuralen Region das Tergit der Halshaut unmittelbar an das Sternit stößt; vgl. hierzu das morphologi.sche Schema 51 (52), Tafel XXIX. — Im Vergleich mit dem Prothorax (vgl. die Erläuterungen zur Textfig. 39, S. 485) tritt für beide Segmente das tiefe Hinabreichen des pleurotergalen Bezirkes zur Anschauung mit dem Unterschiede, daß im Prothorax der dlm5, entsprechend der starken Entwicklung der lateralen Dorsoventralmuskulatur Idvm, fehlt (vgl. S. 512). Über den Vergleich dieser Verhältnisse mit denen der flügeltragenden Segmente siehe ferner bei den Textfig. 30 u. 31—33, Bd. C, S. 715—719. preßten Körpersäften den Weg seitlich versperrt. Er verhütet dadurch, daß durch den gewaltigen Druck die Lagebeziehungen der Chitinteile in der vorderen Region gestört, oder daß die Teile auseinander ge- trieben werden. Zugleich wird dadurch den Körpersäften der Weg dorsalwärts gegen die Nackenhaut zur Ausstülpung der Nackenblase gewiesen. Schließlich vermag der Muskel seine Endbezirke einander zu nähern, wodurch die dem Normalzustände eigne Nackenfaltung 35* 534 Friedrich Voss, eingeleitet zu werden vermag. Die einzelnen Vorgänge innerhalb dieses Mechanismus sollen indessen später im Zusammenhange be- trachtet werden (vgl. S. 639 ff.). 163) (1905:139) Musculus dorsalis primus cephalonoti (nicht mehr: pronoti) (»micronoti«), partim embryonalis^ 0 dlmla^ (j, y, einfach lang-intersegmentaler medianpaariger dorsaler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. Iff; Fig. 24,25). Er entspricht im allgemeinen den bei der Imago beschrie- benen Tatsachen. Auch ist er hier relativ ziemlich gleich kräftig; er besitzt jedoch einen neuen, dritten Teilmuskel Odlmla. Demnach gibt er hinten drei Aste ab, von denen der vordere, eben dieser neue Ast Odlmla^ inner- halb des ersten Stadiums zugrunde geht, während die beiden hinteren den imaginalen gleichen. Es läßt sich also sagen: Der am Hinter- haupt am Nackensporn entspringende Muskel verläuft mit den übrigen dorsalen Längsmuskeln zunächst gemeinsam nach hinten, wobei er sich aber im Prothorax gesondert hält. Er gibt einen ersten Ast Odlmla an den Vorderrand des Pronotum, einen zweiten hinteren Ast Odlmlß^ an dessen hintere Hälfte ab und endet selbst als 0 dlmly hinter diesem. Der dem imaginalen 0 dlml entsprechende Anteil des Muskels verläuft — vorn zunächst gemeinsam mit 0 dlmla und einem Teil des 0 idlm2, aber alsbald für sich unterscheidbar — als ventral-mediale Partie des gesamten Komplexes der dorsalen Längsmuskulatur nach hinten und wird erst hinter dem hinteren Ende des 0 dlmla völlig frei. Er ver- läuft alsdann dicht lateral -dorsal über dem Darme, ventral -median vom prothoracalen I dlmla (127) gesondert nach hinten, schließhch tritt er medial von ihm tergalwärts vorbei. Dabei trennen sich beide Teilbündel ß u. /, die eine lange Strecke bereits innerlich voneinander gesondert verliefen, völlig voneinander. Dabei kommt der laterale Odlmljj allmählich dorsal zu liegen. Auch wurde eine asymmetrische Dreiteiligkeit auf der einen Symmetriehälfte des Tieres beobachtet. Sie setzen der Medianlinie nicht so genähert an, wie im Normalzu- stand des Stadium 1 und in der Imago. Der vordere Teilmuskel Odlmla sondert sich medianseitig erst bei Eintritt des Hauptmuskels in den Prothorax aus dessen beiden Anteilen Odlmlß und Odlmly; er tritt sofort hinter der zum Pronotum führenden Intersegmentalfalte — zwischen deren beiden, dem paarigen prothoracalen Längsmuskel I dlmla Ansatz bietenden, nach hinten ge- richtete Zipfeln hindurch — steil nach hinten und oben an den ent- fernt über ihm befindlichen tergalen Vorderrand (vgl. Textfig. 40), dicht über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 535 medial am / dlmla vorbei. Seine Ansatzstelle befindet sich nicht weit hinter dem Vorderrande des Halsschildes, medial dicht neben dem hinteren Ansatzbezirke des / dlmSa, der Anhef tungsstelle seines Gegen- übers sehr genähert. Er ist normal mittelkräftig und etwa ebenso stark, wie die beiden Teile des Hauptmuskels zusammengenommen, Normalzustand des Stadium 1. Von den bei dem Übergange in den Normalzustand eintretenden Ver- änderungen dieses Muskels interessieren die des ersten Astes 0 dlmla. In einem sehr alten Normalzustande (vgl. Nr. 3, Bd. C, S. 609) ist dieser vorderste Teilmuskel besonders an seiner Ansatzstelle erheblich dünner O/cfvm 1 0dvm2bl \0dvm2a Odvm2c ffism Textfig. 44. Hinterer Hals hautbezirk im späten Übergangszu stände des Sta- dium 1. (18. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. Erläuterungen auf S. 606ff u. 611.) Hierzu die Erläuterungen zur vorigen Textfig. 43 u. 36, Bd. C, S. 725. Sternales Auftreten der Unterlippe, d. i. der Extremität der zweiten Maxille 1)1x2, in welcher die paarigen Gänge der Speicheldrüsen sp(ir mittels einer gemeinsamen Strecke einmünden; vgl. Bd. C, Tafel XXIV, Fig. 25. geworden. Der Hauptmuskel verläuft sodann — mit wenigen Fi- brillenbündeln von mittlerer Querschnittsgröße — nach hinten. Die starke Rückbildung des Muskels in den beiden Symmetriehälften ist ungleich (vgl. auch 0 dlmla). In dem weniger alten Normalzustand Nr. 5 des Stadium 1 (vgl. S. 609) ist der Ast 0 dlmla gänzlich rückgebildet; Andeutungen der ehemaligen Ve.rbindung mit dem Tergit sind in der dorsalen unregelmäßigen Begrenzung des 0 dlml an der betreffenden Stelle erkennbar. Ferner bemerkt man innerhalb des 0 dlml eine ge- wisse Dreiteiligkeit auf der einen, eine Zweiteiligkeit auf der andern Seite des Tieres. Auch sieht man den Muskel, obwohl er vom Tergit entfernt verläuft und von ihm durch dazwischen liegende Fettkörper- massen getrennt ist, an der Stelle seiner ehemaligen Verbindung sich 536 Friedrich Voss, dem Tergit auffallend nähern; zu dieser Stelle, in welcher die Hypo- dermis noch Reste von Muskelfibrillen zeigt, streben die Fasern der oberen dritten Teilfasergruppe auf. Hierdurch wird der Eindruck her- vorgerufen, als sei der rückgebildete Muskel hier am Tergit abgerissen. Beiderseits lagern an diesen Stellen viele große Kerne und Reste von Zellmaterial, welche einer besonderen histologischen Untersuchung noch bedürfen. Die Funktion des Muskels. Während der Odlml mit dem Oidlm2 in allen Stadien eine aus- giebige und vielseitige — z. B. rotatorische mit den 0 ism und 0 ism2 (169, 170) — intersegmentale Bewegung des tergal sehr lose und frei beweglichen Prothorax zuläßt, scheint dieser Muskel durch Ausbildung des Astes 0 dlmla im ersten Stadium speziell den Anforderungen an die Kinematik des Embryonalstadiums Rechnung zu tragen. In der Embryonallage ist nämlich die Nackenhaut bei langgestreckter, d. h. ausgeglichener Intersegmentalfalte gedehnt und liegt im Niveau der Fortsetzung des Pronotum nach vorn, vgl. Tafel XXVIII und 1905, Textfig. 8, S. 455, im fertigen nachembryonalen Zustande des ersten Stadiums hingegen tritt dasPronotum bei tief eingefalteter Intersegmen- talhaut über die Nackenhaut hoch und weit vor, vgl. Textfig. 40 — 48. Der Muskel verliert durch diese tergale Verkürzung seine in der Embryonallage normale Spannung und wird funktionslos. Mag er auch noch bei dem Schlüpfen des Embryo aus dem Ei und bei der ersten Häutung, der Embryonalhäutung wirksam sein: Im Normal- zustande würde er als funktionsfähiger Muskel infolge seines vorn ge- lagerten Ansatzes den Bestand der Intersegmentalfalte gefährden, infolgedessen also mit der Funktion des prothoracalen Längsnmskel / dlmla in Kollision geraten. Ferner würde er den intersegmentalen, besonders den rotatorisch - intersegmentalen Spielraum, beschränken. Er fällt also aus dem gleichen Grunde fort, aus welchem man die dorsalen Längsmuskeln 0 dlmla (162) und I dlmla (127) als Muskeln der nicht gelockerten, bestimmt gerichteten und kräftigen, wenn auch weniger ausgiebigen intersegmentalen Bewegungen zugrunde gehen bzw. rückgebildet sieht. 164) (1905: 140) Musculus dorsalis secundus cephalonoti (nicht mehr: pronoti) (»micronoti«), 0 idlm2, doppelt inter- segmentaler medianpaariger dorsaler Längsmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX f, Fig. 4 u. 5, 24 u. 25). Er gleicht dem imaginalen Muskel, entspringt wie dort als ein über den Tliorax von Gryllns domesticus. V. 537 typischer Doppelmuskel und ist auch ziemlich relativ ebenso kräftig wie dort. Folgende Einzelheiten sind in Beziehung auf den Übergangszustand des ersten Stadiums zu ergänzen: Innerhalb der Gesamtmasse des 0 dlmla-Komiplexes, wie auch in seiner Stellung zum prothoracalen Idlmla (127) bilden beide Teilmuskeln den lateral-ventralen Teil. Erst bei Beginn der hinteren Ansatzstelle des 0 dlmla wird der Doppel- muskel als solcher gänzlich frei. Zwar verläuft der ventrale Teil- muskel vom Ursprung an völlig gesondert und ohne Beziehung zu der gemeinsamen Masse des Hauptmuskels — 0 dlmla — wie es auch in der Imago der Fall ist. OdvmZb OdvmZcT'Z a Oism Textfig. 45. Hinterer bis mittlerer Bezirk der Hals haut im späten Übergangs- zustande des Stadium 1. (17. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erklärung auf S. 606ff u. 611.) Vgl. Merzu die Erläuterungen zur Textfig. 43. Im sternalen Bereich tritt das Unter- schlundganglion auf. In der Nackenhaut tritt die vordere Nackenfurche Fal auf, welche nach hinten den vorderen Nackenraum gegen den liinteren begrenzt; an dieser Grenze findet die vordere OdlmOy und hintere OdlmOx, vergängliche Spezialmuskulatur der Nackenblase Ansatz. Dieselbe liegt hier infolge der Kontraktion der Halshaut in einem nach hinten stark übergefalteten Zustande über dem Dach des hinteren Nackenraunies unter dem Halsschilde geborgen und kommuniziert nach vorn mit dem Innenraum der Halshaut, vgl. bis Textfig. 48. Eechts findet in der zum Pro- thorax führenden Intersegmentalfalte der OdlmHb Ansatz. Das dorsale Teilbündel jedoch — welches im Unterschied von der Imago keine Verbindung mit dem prothoracalen Längsmuskel Idlmla (127) eingeht — ist mit der Masse des 0 dlmla (162) und des Odlml vorn völlig einheithch derart verbunden, daß es erst im hinteren Teil der Nackenhaut frei wird und zwar speziell- mit dem Odlml aus dem medial- ventralen Teile der Masse. Im hinteren Ansatzgebiete vereinigt sich wieder der dorsale Teilmuskel mit dem prothoracalen / dlmla, entfernt vom ventral-medialen Teilmuskel. 538 Friedrich Voss, In älteren Zuständen des ersten Stadiums sind bemerkenswerte Änderungen nicht eingetreten. 165) Gruppe der musculi segmentales dorsales cepha- lonoti embryonales, 0 dlmOx +y, segmentale mediane und laterale dorsale Längsmuskeln, Nackenmuskeln, dorsale Hilfsmuskeln (vgl. Bd. C, Taf. XlXf, Fig. 2 u. 3; Fig. 24 u. 25). 1) Vordere Gruppe 0 dlmOy, Gruppe des vorderen Nackenrau- mes vR. 2) Hintere Gruppe OdlmOx, Gruppe des hinteren Nackenraumes hR. Sie ist in der Imago nicht vorhanden. Unter dieser Bezeichnung sei eine Anzahl kleiner, aber kräf- tiger Muskeln von dem typischen Bau, welcher leistungsfähigen Muskeln zukommt, als Gruppe zusammengefaßt, welche sich in der dorsalen Nackenregion im engsten Anschluß an die faltenreiche Nacken- haut im Übergangszustande des ersten Stadiums vorfindet. Die Mus- keln lassen sich nach zweierlei Gesichtspunkten gruppenweise zu- sammenfassen und einmal als Gruppe der vorderen Nackenmuskeln von einer hinteren, sodann aber innerhalb jeder Gruppe als laterale und mediale Nackenmuskeln unterscheiden. Die Verteilung dieser zahlreichen Muskeln scheint bei erstmaligem Durchmustern der Schnittserien eine regellose zu sein. Jedoch lassen sie sich bei näherem Verfolg im einzelnen nicht nur nach oben genannten Gesichtspunkten ordnen, sondern sie scheinen noch dabei eine gewisse Gesetzmäßigkeit der Verteilung inne zu halten ; obwohl schließlich in den feinsten Einzelheiten keine vollkommene Übereinstimmung in beiden Körperhälften mehr besteht. Die sehr eingehende Untersuchung geschah an der Querschnittserie eines Tieres in dem unter Nr. 7, Bd. C, S. 611 beschriebenen Zustand, mit bereits gefalteter Nackenhaut, in welcher die stark kontrahierten Muskeln als dicke, zum Teil zwischen die Falten gequetschte Masse bereits anfingen zu degenerieren. Das daraus entnommene Schema der Verteilung sei in folgendem mit- geteilt. In Embryonallage befindliche Tiere, welche diese Muskeln in gedehntem Zustande bei präzisem Verhalten in der gespannten Nackenhaut zeigen, dürften zur Veranschaulichunu dieser Verhältnisse geeigneter gewesen sein. Die Muskeln bedürfen daher einer Nach- untersuchung, und die nachfolgende Beschreibung kennzeichnet den Ansatz der Muskeln nur im allgemeinen. Das folgende Schema bezieht sich nur auf ein einzelnes Individuum. Es ist möglich, daß die Ver- teilung dieser zeitlich beschränkten Hilfsmuskeln, wie sie schon über den Thorax von Grvllus domesticus. V. 539 einmal einen veränderlichen Charakter besitzt, auch individuell ab- weicht. Die Nackenhaut des Tieres im Übergangszustande des ersten Sta- diums zeigt von außen eine besonders tiefe, tergal vollkommene vordere, und eine flache, median-dorsal nicht — oder noch nicht (vgl. die Funk- tion des 0 dlmla\) — völlig durchgeführte hintere Querfurche. In welcher Beziehung diese Falten zu etwa vorhandenen Nackenplatten stehen, und ob darin das bei der Imago 1904, S. 290ff., Textfig. 2, beschriebene Verhalten zum Ausdruck kommt, konnte noch nicht näher festoestellt werden. Letzteres ist wahrscheinlich; aber es sind in der Imago Kon- traktionsvorgänge derart erfolgt, daß die vordere Furche nicht mehr besteht. Der hintere Nackenraum wird gegen den Prothorax durch Odim Oism Odi/mib Textfig. 46. Mittlerer Bezirk der Hals haut im späten Übergangszustande des Stadium 1. (16. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erläuterungen auf S. 606 ff u. 611.) Hierzu die Erklärung der vorigen Textfigur. Die Figur zeigt die Massenentwicklung der vergänglichen dorsalen Längsmuskulatur (orange) OdlmOx u. Oy, Odlmla u. OdlmSb. eine dritte, tief eingeschnittene Nackenfalte abgegrenzt derart, daß diese Falte sich in einer gewissen Entfernung vor dem Pronotum be- findet; es ist dies die Intersegmentalfalte (vgl. S. 553). Die vordere, tiefe Furche (vgl. Textfig. 45 — 48, Fal, Bd. C, Tafelfig. 2—6, Schema II, Taf . XXVIII und IV, Taf . XXVI dieses Bandes) trennt einen vorderen Bezirk, den vorderen Nackenraum vR. von einem hinteren Bezirk, dem hinteren Nackenraum hR. 1. Gruppe der vorderen Nackenmuskeln OdlmOij. Sie entspringen am Hinterhauptsrande und enden — über den hinteren Fasermassen der occipitalen Transversalmuskeln Cm (177) 540 Friedrich Voss, verlaufend — in der der hinteren Nackenregion dorsal nach hinten übergelegten Falte des vorderen Nackenraumes. Sie setzen teils in deren oberer, teils in deren unterer Lamelle nach längerem oder kürze- rem Verlaufe später oder früher an. a. Im Medianbezirk dieser Gruppe OdlmOy', y" lassen sich folgende Fasern gesondert verfolgen: Eine mediane unpaare y' und eine seitliche, paarig symmetrische y" , welche sich sämtlich mit dem Charakter der Unbeständigkeit hinten wieder verzweigen. Beide ent- springen gemeinsam am Hinterhaupte in der Medianlinie und sind, neben den Odlin0x2 im hinteren Nackenraum, die kräftigsten Muskeln der gesamten Gruppe. b. Im lateralen Bezirke entspringen vorn die Fasern Odlmyl, y2, yS gleichfalls gemeinsam an einer begrenzten Stelle des seitlichen Hinterhauptsringes, medial neben dem unteren Teil des Cm (177), medial dicht neben dem Odlmla (162), unterhalb eines Teiles desselben in der Gegend des Nackenspornes, und zerstreuen sich von da aus nach verschiedenen Richtungen. Man unterscheidet in jeder Körperhälfte einen kräftigeren Muskel yl mit medial gerichtetem Verlaufe, einen seitlich lateral davon gelegenen y2 und einen medialen, zweiteiligen und sehr medial gerichtet verlaufenden, mit den Fasern der Muskeln des medianen Bezirks zusammentreffenden Muskel y3. Die beiden letzteren sind recht schwach und zeigen ein veränderliches, nicht ganz symmetrisches Verhalten. Der laterale dieser Muskeln y2 setzt wie einige Fasern des y" an der Basis der Falte dort an, wo dieselbe wieder caudalwärts, d. h. nach hinten — in den hinteren Nackenraum über- leitend — umbiegt. (In die Schemata II und IV wm*de der Ursprung der Muskeln Schema tisch an den Nackensporn eingezeichnet.) c. Ganz vorne im medianen Teil des vorderen Nackenraumes sieht man ferner zwischen den Ansatzstellen der obersten Faser des Odlmla (162) feine Fibrillenbündel verlaufen, welche die rechte und linke Hinterhauptsregion ganz oben verbinden (vgl. 177). 2. Gruppe der hinteren Nackenmuskeln 0 dlmOx. Die Muskeln entspringen im vorderen Grenzbezirk des hinteren Nackenraumes, ganz am Grunde der nach innen einspringenden Falte der vorderen Querfurche Fal — gegenüber der vorgenannten Muskel- gruppe OdlmOy und gewissermaßen antagonistisch zu ihr. Sie enden hinten an der einspringenden Falte der hinteren platten Querfurche Fa2 im hinteren Nackenraume. Die Sonderung dieser Gruppe in einen medianen und einen lateralen Bezirk ist etwas willkürlich. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 541 a. Im medianen Bezirk: Ein unpaarer medianer Muskel 0 dl?m 0x3 entspringt hinten mit der Masse des linksseitigen — (im Bilde, Textfig. 43 — 48 rechts) — Odlm0x2 vereinigt und setzt, von allen diesen Muskeln am weitesten nach vorn reichend, ganz vorn median in der Falte an (er ist im Schema II u. IV nicht verzeichnet). Ein paarig symmetrischer Muskel 0 dhn0x2 endet ferner vorn medial vor dem folgenden xl, dem gegenüber er auch etwas kräftiger erscheint. Er kommt lateral von hinten von seiner Ursprungsstelle dicht über dem OdlmOxl dort, wo derselbe einen Zweig Ox an den Darm abgibt. Die Muskeln setzen vorn gegenüber den Ansatzstellen, speziell der medianen Teilgruppe des vorderen Nackenraumes OdlmOij an. Od Im 0^1 OdImOy' Oy" Textfig. 47. Mittlerer bis vorderer Bezirlc der Hals haut im späten Übergangs- zustande des Stadium 1. (15. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erklärung auf S. 606 ff u. 611.) Vgl. die Erläuterung zur Textfig. 45. Vorderes Ende des Pronotum. Links tritt tergal am Ursprung der Odtoia-Muskulatur der Nackensporn auf (vgl. 1904, Textfig. 1, S. 289.) b. Im lateralen Bezirke: Die Ansatz Verhältnisse des einzigen Muskels 0 dlmOxl sind im vorliegenden kontrahierten Zustande schwer festzustellen: Er entspringt aus der dorsalen Masse des Odlmla (162) dort, wo dieselbe der hinteren Nackenfurche Fa2 dicht anliegt, und verbindet den Muskel schräg quer mit dieser Falte. Er verläuft so- dann weiter nach vorn, sendet einen dorsalen Teil der Fasermasse — sie ist rechtsseitig (im Bilde links) schon unterbrochen infolge Konser- vierung oder Degeneration — dem Darm entgegen, welcher demselben in einer zipfelförmigen Ausbuchtung entgegenzukommen scheint. Er 542 Friedrich Voss, setzt vorn am lateralen Teil der Nackenfurclie an Fal, etwa gegen- über den seitlichen Fasern der lateralen Teilgruppe des vorderen Nackenraumes yl und y2. Man sieht also, daß die hinteren Nackenmuskeln Ox von einer lateral gelegenen Falte im hinteren Nackenraume an die Grenzfalte zum vorderen Nackenraume nach vorn ausstrahlen und dort mit den in ähnlicher Weise von vorn nach hinten auseinander tretenden Muskeln der vorderen Gruppe Oy zusammentreffen. Beziehungen des Darmes zu dieser Muskulatur. Die Verbindung des Vorderdarmes mit dem dorsalen Längsmuskel 0 dlmOxl im hinteren Nackenraume wurde bereits erwähnt. Es scheint nicht unmöglich zu sein, daß außerdem noch weitere Verbindungen der dorsalen Darm wand mit der Falte der Nackenhaut bestehen; doch konnte hierüber — d. h. über eine direkte Beziehung des Darmes zum Odlmla und Odlm — 0x2 nichts sicher gestellt werden. Der Normalzustand des ersten Stadiums. Die Muskulatur ist nicht mehr vorhanden (vgl. den Zustand Nr. 5, Bd. C, S. 609). Stellenweise scheint sich in den Nackenfalten der Hypo- dermis eine homogene Kestmasse der Muskeln erhalten zu haben. Auf- fallender und bedeutsam als wahrscheinliche Reste der zugrunde gegange- nen Muskulatur sind krümelig aussehende, insgesamt im Querschnitt gerundete Anhäufungen von Zellmaterial mit Kernen von degeneriertem Aussehen. Dieses Zellmaterial ist einer fettkörperartigen Grundmasse eingelagert. Diese »krümeligen Restbestände« sind in regelmäßiger, dem Verlaufe der ehemaligen Muskeln entsprechender Weise verteilt; man findet eine dorsal-medianpaarige Anhäufung und eine lateral- paarige Restmasse in etwa gleichen Abständen voneinander und vom Nackensporn. Dies gilt insbesondere für den bereits sehr alten Normal- zustand Nr. 3, S. 609. In einem jüngeren Normalzustande Nr. 5, treten die Restbestände nur in paariger Anordnung auf, und zwar ist auf der rechten Seite die »krümelige Degeneration« noch nicht soweit vorgeschritten, so daß außer den beschriebenen Massen noch eine plas- matische, homogen gefärbte Substanz erhalten blieb. Diese Rest- massen sind unregelmäßig und ungleich groß; links sind sie z. B. dem Darm unmittelbar angelagert. Diese unregelmäßigen Anhäufungen lassen sich beiderseits nach vorn verfolgen, wo sie dicht an die dorsale Hypodermis herantreten; vgl. auch Bd. C, S. 696. Als Reste der Längsmuskeln 0 dlniy im vorderen Nackenraume und der Transversalmuskeln Cm sind ferner feine deaenerierte Fasern über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 543 und plasmatische Reste aufzufassen; sie befinden sich in Zuständen, welche sich als Fortführung des bei dem Transversalmuskel Cw (177) beschriebenen Auflösungsprozesses deuten lassen; sie sind im apicalen vorderen Nackenraume zu finden. Die Deutung dieser Massen als Reste der ehemaligen Muskulatur liegt sehr nahe; zumal sie sich zudem vom benachbarten typischen Fettkörper gut unterscheiden und andre Dinge wohl nicht in Frage kommen können, vgl. auch Bd. C, S. 610 u. 649. ocr Od Im OyS n 0/ Odvm ZcT'2 Textfig. 48. Vorderer Bezirk der Halshaut im späten Übergangszustande des Stadium 1. (13. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erklärung auf S. 606 ff u. 611.) Übergang der Halshaut in das Hinterhaupt. Links ist der Hinterrand des Hinterhauptes ocr mit dem Nacken- sporn sp getroffen, letzterer zugleich auch rechts unter dem vordersten Rande des Halsschildes. Der vordere Teil des Naclcenraumes, die Nackenblase mit der vorderen Speziahnuskulatur OdlmOy, zwischen welcher sich Fasern der Transversalmuskulatur des Hinterhauptes Cm (punktiert) ein- schieben. Ventral erscheint das Vorderende der liinteren Kehlplatte a. Eine ausreichende Deutung dieser Umwandlungen erfordert eine erneute und besondere Untersuchung. Andeutungen im Rahmen unsrer Untersuchung genügen Zunächst mögen die gegebenen Die Funktion dieser gesamten segmentalen Nackenmuskulatur ist wahrscheinlich von der übrigen vergänglichen Nackenmuskulatur zunächst insofern unabhängig, als sie sich allein auf die innerhalb der Nackenfaltung eintretenden Spezialerscheinungen bezieht. Es ist augenscheinlich. 544 Friedrich Voss, daß diese Muskeln imstande sind, der Nackenfaltung die ihr im Normal- zustande und in späteren Stadien charakteristische Ausgestaltung zu geben. Nach Erledigung dieser Aufgabe gehen sie zugrunde: Wenn im Moment der Sprengung der Eischale die mediane Nackenregion blasig aufgetrieben ist, müssen sich diese Muskeln in einem stark gedehnten Zustande befinden; sie mögen hierbei zugleich einer übermäßigen An- spannung der Nackenhaut, nachdem die Eischale geplatzt ist, ent- gegenwirken. Als Antagonisten jedoch der abdominalen Dorsoventral- muskeln edvm (vgl. Tab. S. 690, Bd. C) wirken sie mit andern Muskeln gemeinsam dem Drucke der nach vorn gepreßten Flüssigkeit der Leibes- höhle entgegen. Durch abwechselndes Verstärken und Nachlassen dieses Druckes mit gleichzeitiger abwechselnder Dehnung bzw. Zusammen- ziehung der Muskeln wird die Nackenblase abwechselnd aus- bzw. ein- gestülpt: Ein Mechanismus, der noch bei der Ablage des Embryonal- häutchens in voller Tätigkeit ist und von Vosseler in dieser Tätigkeit beobachtet wurde (vgl. Vosseler 1905: Die Wanderheuschrecken in Usambara). Nach Befreiung des Tieres aus der Eischale und nach Vollendung der Embryonalhäutung geht die Nackenblase zurück; die Muskeln ziehen sich zusammen und scheinen nach der allgemeinen Annäherung der dorsalen Bezirke durch die großen Längsmuskeln Odlmla und 5h imstande, die typische Nackenfaltung in geordneter Weise herbeizu- führen. 166) (1905:138) Musculus dorsalis lateralis quintus a + h cephalonoti, partim embryonalis (»micronoti«)^ 0 dlm5a + h, ein- fach intersegmentaler lateraler pleurotergaler dorsaler Längsmuskel, Längsmuskel des tergalen Seitenbezirkes = M. » microsterni « quintus a, Ovlmöa, intersegmentaler lateraler ventraler Längsmuskel, partim in der Imago 1905 (vgl. Bd. C, Taf. XIX f, Fig. 6—10, 24). Er entspricht nur im allgemeinen den für den imaginalen Muskel geltenden Tatsachen. Er ist aus zwei Teilmuskeln zusammengesetzt, einem sehr kräftigen lateralen 0 dlmöb und einem etwa mittelkräftigen, ganz erheblich schwä- cheren medialen 0 dlmöa ; nur der letztere entspricht dem in der Imago vorhandenen Muskel und ist auch ziemlich relativ gleich kräftig wäe dieser. Der mächtig entwickelte laterale Teilmuskel 0 dlmöb fehlt in der Imago; er zeigt mit dem Teilmuskel 5a hierdurch völlig Analoges zu dem vergänglichen Odlmla (162) in dessen Verhalten zu den bleiben- den Odlml und Odlm2 (164, 165). Auch ist die quer-elliptische Form über den Thorax von Gryllus domesticus. V 545 des Muskels im ganzen genommen der des medial-dorsalen Längs- muskels sehr ähnlich. a. Der mediale Teilmuskel Odlmöa mit gestreckt elliptischem Querschnitte gleicht dem imaginalen in allen genannten Beziehungen. Er ist schwächer als z. B. der Ovlm4 (161) oder der Ovlmö (162) und besteht aus etwa zehn Fibrillenbündeln. Od/m Oy Textfig. 49. Vorderster Bezirk der Halshaut mit Teilen des Hinterhauptes im späten tlbergangszustande des Stadium 1. (10. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. Erklärung auf S. 606 ff u. 011.) Im Hinterhaupt (vgl. 1904 Textfig. 1, S. 289), sind die Teile des Hinterhauptsringes ocr durch die Transversalmuskulatur des Hinterhauptes Cm mit den gegen- überliegenden Teilen des vorderen Nackenraumes symmetrisch verbunden, wälurend am Nacken- sporn sp beiderseits die mediale, seitlich am Hinterhauptsring die laterale dorsale Längsmuskulatur entspringt, vgl. hierzu Schema II, Bd. C, Taf. XXVIII. Die einst mächtige Transversalmuskulatur Cm ist im Begriffe, auf gleiche Weise zu degenerieren, wie die abdominale mediale Dorsoventral- muskulatur edvm vgl. auf den Textfig. 22 u. 26, Bd. C, S. 677 u. 683. Die schlaffen und z. T. leeren Sarcolemmaschläuche sind von einer Masse erfüllt, welche die Struktur der Muskelsubstanz meist nicht mehr zeigt. Die vordere Kehlplatte i bietet dem kräftigen vordersten Dorsoventral- muskel Odvm2d Ansatz. Ventral tritt die Extremität des ersten Maxillensegmentes auf. Tm2d aus den vorhergehenden Schnitten ergänzt, vgl. bei Textfig. 50. b. Der laterale Teilmuskel 0 dImSb entspringt vorn am seitlichen Hinterhauptsring zugleich mit dem vorigen, reicht aber weiter hinauf und greift mit breit ansetzender Fasermasse noch auf die dem Hinterhaupt angeschlossene seitliche Halshaut über. Immerhin bleibt die tergale Grenze der Ansatzfläche noch sehr entfernt von dem tergalen Ende des dorso ventralen Odvni2c. 546 Friedrich Voss, Er verläuft im Seitenraume der hier wulstartig nach außen vortretenden Halshaut. Er zerfällt selbst wieder in zwei ziemlich gleich große Teilfasergruppen. Seine Lagebeziehungen zum medialen Teilmuskel sind dabei folgende: Mit der ventralen Teilfasermasse des lateralen Teilmuskels Odlmöb vorn vereinigt tritt der Odlmöa alsbald medial aus der Masse hervor und verläuft — zunächst ventral-medial, dann aber höher steigend imd einer medialen Furche der medialen Teilfasermasse eingelagert — nach hinten. Indem der seitliche Teil- muskel 0 dlmöb weiter hinten seitlich platt wird, greift er dorsal wie ventral um den Odlmöa herum, so daß derselbe ihm medial in der Mitte eingesenkt verläuft. Er setzt an als dicker, platter Muskel in einer in tergal- ventraler Richtung sehr verlängerten Ansatzfläche an der am Vorderrande des Halsschildes rechtwinklig nach innen einspringenden, lo-äftigen Lamelle (vgl. 1904, S, 293, Textfig. 4) und in der benachbarten, seitlichen Hals- haut dort, wo diese Lamelle durch den Seitenmuskel Ipml5 (144) mit der Pleurallamelle Ip verbunden wird; er reicht hier tergalwärts ziem- lich hoch hinauf. An Stärke steht er dem gesamten Komplexe der dorsalen Längs- muskeln Odlmla, 7 und 2 (162 — 164) mindestens nicht nach und über- trifft den kleinen medialen Teilmuskel 5« nach dem Querschnitte beur- teilt schätzungsweise zehn- bis zwölfmal. Anzeichen deuten darauf hin, daß auch dieser dorsale Längsmuskel — ähnlich wie es bei dem media- len Längsmuskel Odlmla (162) durch den OdlmOxl (165) der Fall ist — mit den Falten der Nackenhaut durch Muskelfasern verbunden ist. Es läßt sich stellenweise ein Absetzen geringer Faserpartien an die dem Muskel dicht angelagerte Nackenhaut wahrnehmen. Da sich aber diese Anzeichen nur auf der Querschnittserie unter schwierigen Deutungs- verhältnissen zeigen, nicht aber auf der Frontalschnittserie — wo allerdings die Halshaut gestreckt ist — so muß diese Vermutung vor- läufig durchaus unentschieden bleiben. Im Normalzustande des Stadiums 1 ist am Ende desselben (vgl. den Zustand Nr. 3, Bd. C, S. 609) eine Rückbildung des Muskels eingetreten. Folgende Maße gelten für den Übergangszustand Nr. 7 und für ein im Normalzustande befindliches erstes Stadium Nr. 3, wobei in letzterem sich die Muskeln in den beiden Körperhälften durch ungleiche (links gedehnt) Kontraktion unter- scheiden. über den Thorax von Gryilus domesticus. V. 547 links; rechts: Übergangszustand 31 Xlö Normalzustand 1.SX6 12X7 47 X 8 (bzw. 18; Die Muskeln sind am größten und kleinsten Durchmesser des Querschnittbildes gemessen. Die Funktion des Muskels ist entsprechend der Zweiteilung eine doppelte. Der Teilmuskel Odlmöa ist ein den normalen Lebensvorrichtungen in den larvalen und im mxJ mx2 Textfig. 50. Das Hinterhaupt im späten Übergangszu stände des Stadium 1. (6. Schnitt der Serie Nr. 7, vgl. die Erläuterungen auf S. 606 ff u. 611.) Rechts sind noch vorderste Teile der Halshaut mit der vorderen Kehlplatte i zu sehen. Der Schnitt kann mit der Textfig. 1, S. 289, in der Darstellung der Imago 1904, verglichen werden. Der Schnitt liegt dicht vor der Innen- fläche der flachen hinteren Kopf wand mit dem das Hinterhauptsloch I umsäumenden Occipi talring; das etwas weiter nach vorn liegende Tentorium ist noch nicht getroffen, jedoch die Transversal- muskulatur des Tentorium Tmls u. 2s von links und Tmld von rechts her. In den beiden weiter nach hinten liegenden Schnitten verläuft der Tm2i>I über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 549 (87) oder des medialen Teilmuskels des Dorsoventralmuskels Ildvmß, (88), also die eines normal mittelkräftigen thoracalen Dorsoventral- muskels. Er ist im ersten Stadium scliwäclier als der folgende und als der Dorsoventralmuskel Odvm'Zd (174), übertrifft aber die typisch intersegmentalen Dorsoventralmuskeln, den Oism (169) oder den Oism2 Textfig. 51. Das Hinterhaupt im späten Übergangszustand des Stadium 1. (4. Schnitt der Serie Jfr. 7, vgl. die Erläuterungen auf S. 606f£ u. 611.) Die rechts, d. h. in der linken Hälfte des Hinterhauptes verlaufenden Transversalmuskeln des Tentorium TmldillS) usw. (Der Tm2d befindet sich auf den nicht dargestellten 7. und 8. Schnitten.) Der Schnitt zeigt mit dem folgenden die bilaterale Symmetrie dieser Muskeln, die ja in der Frontalschnittserie Nr. 9, vgl. Taf. XIX, Fig. 5 — 11, Bd. C, gestört ist. Dorsal vom Darm treten »drüsige Elemente« auf, welche auch in den Frontalschnitten vorkommen. Ferner die Extremität der zweiten Maxille. Vgl. auch die Bezeichnungen in der folgenden Figur. (170) beträchtlich, während er in der Imago hinter den allerdings selbst relativ kräftiger ausgebildeten intersegmentalen 0 ism und 0 ism2 ganz erheblich zurücksteht (vgl. 1905 den Frontalschnitt Fig. 11 [Korrek- tur vgl. Anm. 5 am Schluß], S. 464 mit Bd. C, Tafelfig. 9). 168) (1905: 142) Musculus dorsoventralis intersegmenta- lis cephalonoti inversus, rotator capitis externus secundus, Oidvm2, vom Nackenbezirk sternalwärts intersegmentaler Dorso- ventralmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XlXf, Fig. 3—11; Fig. 25). 36* 550 Friedrich Voss, Nur im allgemeinen entspricht er den imaginalen Verhältnissen. Er weicht ab nach Maßgabe der im Nackenbezirke vorliegenden Ände- rungen und hinsichtlich der Größenverhältnisse. Dementsprechend entspringt er dicht neben dem vorigen und medial unterhalb von ihm an der basalen Pleurallamelle wie in der Imago. Auch hier hält er sich in seinem Verlaufe medial vom vorigen stets völlig getrennt, entfernt sich allmählich medial-dorsal immer mehr von ihm und setzt lateral dicht gedrängt am dorsalen Längsmuskel Odlmla (162) vorbei- tretend in der tiefen vorderen Querfurche der Nackenhaut an, der Medianlinie viel mehr genähert als der intersegmentale Oidvml (167) und der segmentale Dorsoventralmuskel Odvm2b und 2c (172, 173). Diese seine x\nsatzstelle ist nach dem Schwinden des vorderen Nackenraumes mitsamt seiner Muskulatur bei der Imago in dem Chitin- rahmen des Hinterhauptsringes enthalten. Hier im Übergangszu- stande des ersten Stadiums hingegen ist ihr horizontaler Abstand vom Hinterhauptsringe — z. B. vom- tergalen Ansatz der Dorso- ventralmuskeln Odvm2b und c an diesen — vielleicht sogar noch größer als vom oberen Ende des intersegmentalen Dorsoventralmuskels Oidvml. Der Muskel nimmt topographisch Bezug auf die Gruppe des dorsalen Längsmuskels OdlmOy (165). Dieser in einem noch jungen Übergangszustande des ersten Stadiums sehr auffällige Unterschied von der Imago (vgl. Nr. 9, Bd. C, S. 613) wird in einem späteren Zustande bereits verwischt (vgl. Nr. 7, S. 611, Bd. C), indem hier infolge der Einengung des vorderen Nacken- raumes durch Kontraktion die Ansatzstelle des Muskels samt der Falte dem Hinterhauptsringe näher gerückt ist. Die Vollendung des endgültigen Zustandes selbst konnte an den untersuchten Stadien allerdings nicht festgestellt werden. Dieser kräftige Muskel ist nächst dem Dorsoventralmuskel Odvm2d (174) der im Querschnitt kräftigste dorso ventrale Muskel der Hals- region; er ist aber viel länger als jener. Er übertrifft den vorigen inter- segmentalen Muskel Oidvml an Stärke. Auch steht er in der Imago hinter den intersegmentalen Dorso ventralmuskeln Oism und Oism2 sehr erheblich zurück, wenn auch nicht so sehr wie der vorige. Da beide Rotatoren Oidvml und Oidvm2 im ersten Stadium so mächtig entwickelt sind, bis zu der Imago jedoch stark rückgebildet werden, so ist es wahrscheinlich, daß ihnen in Wechsel- wirkung mit den andern Muskeln der Halsregion, sofern diese im Sta- dium 1 besonders mächtig entwickelt sind, eine für die Vorgänge des über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 551 Schlüpfens aus dem Ei und für die endgültige Formgebung des Tieres bedeutsame Rolle zufällt. Diese Zusammenhänge müssen später noch für sich betrachtet werden. Im Normalzustande des'ersten Stadiums y : sind beide Muskeln bereits erheblich schwächer ausgebildet, so daß auch diese Rückbildung bereits innerhalb des ersten Stadiums voll- Textfig. 52. Das Hinterhaupt mit dem Tentorium im Normalzustand desSta- di u m 1. (0. d. Ii. der dem ersten vorliergehende Schnitt der Serie Nr. o, vgl. die Erläuterungen zu S. 606 ff u. 609.) Der Hinterhauptsring ist beiderseits symmetrisch getroffen und zeigt die von dessen kräftig chitinisiertem Rahmen entspringenden Nackensporne (12) und die beiderseitige Wurzel des Tentoriuraquerbalkens Ttrü), oberhalb dessen der Darm durch das obere Hinterhaupts- loch IL tritt; im unteren Hinterhauptslocli II L geschieht der Durchtritt des Bauchmarks. Man vergleiche lüerzu die Imago 1904, Textfig. 1, S. 289 mit folgenden Bezeichnungen: 1, 2, 3, drei- gliedriger Taster der zweiten Maxille mx2; 8, Tasterträger; 0, äußere Lade; 10, innere Lade. zogen wird. In ihrer Funktion werden sie ersetzt durch die beiden folgenden Muskeln, die beiden typisch intersegmentalen Dorsoventralmuskeln Oisni und Oism2, welche im Stadium 1 noch relativ schwächer ausgebildet sind als in 552 Friedrich Voss, der Imago, wo sie infolge ihrer wachsenden Beanspruchung an Masse zugenommen haben. Sie treten streckenweise sehr eng aneinander, und der Oism ist wie in der Imago schwächer als der Oism2. 169) (1905: 143) Musculus dorsoventralis intersegmen- talis cephalosterni (»microthoracis«), Oism, vom Kehlbezirk tergal- wärts gerichteter, d.h. typisch intersegmentaler Dorsoventral- muskel (vgl. Bd. C, Taf. XIX f, Fig. 1—12; Fig. 25). Er gleicht dem imaginalen Muskel, abgesehen von seinem von der Medianlinie noch entfernten Ansatz im Pronotum. Während die Entfernung der beiderseitigen Ansatzstellen im Übergangszustande noch beträchtlich ist (am Tier Nr. 7 25 Teilstriche des Meßoculars), ist sie bereits im Normalzustande Nr. 3 dieses Sta- diums geringer geworden (nur noch 20 Teilstriche an dem größeren, d. h. bereits gewachsenen Tiere). Zugleich scheint der Muskel etwas gegen den Vorderrand des Pronotum vorgerückt zu sein (vgl. ferner S. 482 u. 523, Abs. 3). 170) (1905: 144) Musculus dorsoventralis intersegmen- talis cephalosterni secundus (»microthoracis«), Oism2, vom Kehlbezirk tergalwärts gerichteter, d. h. typisch intersegmentaler Dorsoventralmuskel (vgl. Bd. C, Taf. XlXf, Fig. 1—11; Fig. 25). Er gleicht dem imaginalen Muskel. Segmentale Dorsoventralmuskeln. Infolge der schärferen Fassung der vier folgenden segmentalen echten Dorsoventralmuskeln mußte die Bezeichnungsweise geändert werden. Aus praktischen Gründen wurde die alte Zählung beibehalten mit dem Zusatz collaris als einer Spezialbezeichnung gegenüber der allgemeinen Bezeichnung dorsoventralis secundus a — d, mit welcher die morphologische Stellung dieser Muskeln im Vergleich mit den Dorsoventralmuskeln der Thoracalsegmente ausgedrückt ist, und wo- bei die Buchstabenreihe a — d der 1905 gewählten provisorischen grie- chischen Bezeichnungsweise parallel geht. 171) (1905:145) Musculus dorsoventralis secundus al + 2, collaris primus (»microthoracis«), Odvm2al und a2, segmen- taler Dorsoventralmuskel = Odvma in der Imago 1905 (vgl. Bd. C, Taf. XIX f, Fig. 5—9; Fig. 25). Der Muskel entspricht den für die Imago beschriebenen Tat- sachen. Er ist relativ etwas schwächer als der imaginale Muskel, gleicht ihm aber in seinem Verlaufe nach hinten und oben in den Bereich der hinteren Nackenhaut, was zur Charakterisierung des hinteren über den Thorax von Giylliis doinesticus. V. 553 Nacken bezirkes des Stadium 1 als eines dem gesamten imaginalen Nackenraum gleichwertigen Bezirkes beiträgt. Beide Teilmuskeln setzen jedoch entfernt hinter dem weit höher tergalwärts reichenden Intersegmentalmuskel Oidvml (167) an; ein Unterschied von der Image, welcher auf die mit der Rückbildung dieses Muskels eintretenden Ver- schiebungen desselben zurückzuführen ist; vielleicht sind aber die kräftiger werdenden Odvma selbst dabei beteiligt. Die ziemlich schwachen Muskeln entspringen an einer tief eingezogenen Stelle der Kehlhaut, in welcher sich die vordere Kehlplatte i und das Vorder- ende der hinteren Kehlplatte a befinden, vor dem ventralen Längs- muskel Ovlm2 (158). Der vordere -Teilmuskel Odvm2al setzt seitlich dorsal an der Hinterwand des hinteren Nackenraumes an. Der hintere, wenig schwächere Teilmuskel Odvm2a2 setzt tiefer in der zwischen dem hinteren Nackenraum und der vor dem Prothorax gelegenen schmalen Faltenraume befindlichen Falte Fa2 an. Diese Falte, welche tergal- wärts erst zwischen den symmetrischen Ansatzstellen dieses hinteren Teilmuskels Odvm2a2 auftritt (vgl. S. 539 u. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 1-5), ist die eigentliche Intersegmentalfalte, an deren Doppelwand jeder- seits die dorsalen Längsmuskeln Odlmla (162) bzw. Idlmla (127) ent- springen, vgl. Fig. 3. 172) (1905 : 146) Musculus d o r s o v e n t r a 1 i s s e c u n d u s b, coUaris secundus (»microthoracis«) = Odvm2b, segmentaler Dorsoventralmuskel = 0 dvm^i in der Imago 1905 (vgl. Bd. C, Taf. XIX ff, Fig. 2—13; Fig. 25). Der Muskel entspricht dem imaginalen Befunde. Er entspringt wie in der Imago breit, verläuft vor dem typisch intersegmentalen Dorsoventralmuskel 0 ism kreuzend mit konvergie- renden Fasern nach oben. Er befindet sich auch medianseitig vom folgenden Dorsoventralmuskel Odvni2c und dem intersegmentalen Dorsoventralmuskel 0 idvm2 (168), vor dessen oberer Ansatzstelle er schräg vorübertritt. Er setzt lateral benachbart, aber gesondert vom Oidvm2, am Hinterhaupt an, zugleich mit dem folgenden Odvm2c, medial und höher über diesem. Diese Angaben treffen für den Normalzustand des ersten Stadiums und für die Imago zu. Im Ubergangszustande liegt die tergale Ansatzstelle des Oidvni2 (168) in der bereits beschriebenen Weise an der vorderen Nackenfurche, infolge dessen befindet sich dieselbe sehr entfernt hinter dem tergalen Ende des Odvm2b und 2c. Während der imaginale Muskel, vgl. 1905, Textfig. 10—12, S. 462 554 Friedrich Voss, bis 465, den intersegmentalen Oidvm2 an Stärke ganz erheblich über- trifft, kommt er diesem im Übergangszustande des ersten Stadiums nicht einmal ganz gleich; er ist jedoch wiederum kräftiger als der 0*sm2 (170). Ein relativer Größenunterschied gegenüber der Imago läßt sich nicht genau feststellen; wahrscheinlich erfolgt eine nach- embryonale Zunahme des Muskels an Stärke. In der Imago zerfällt der Muskel in zwei Teilmuskeln, die aber in engem Faseraustausche stehen. 173) (1905: 147) Musculus dorsoventralis secundus cl + 2, collaris tertius ( » microthoracis «) , Odvm2cl + 2, segmentaler Dorso ventral muskel = Odvmy in der Imago 1905 (vgl. Bd. C, Taf. XIX ff, Fig. 3—13; Fig. 25). Er entspricht im allgemeinen dem imaginalen Befunde, weicht jedoch als Doppelmuskel von diesem erhebhch ab. Er. ist etwa ebenso kräftig wie der vorige, mit dem er nach medial- seitigem Vorüberkreuzen tergal eng zusammentrifft. Der laterale Teilmuskel 1 entspringt als hintere Partie des Muskels etwas medial und setzt lateral am Hinterhaupte etwas tiefer an als der mediale Teil muskel 2, welcher steiler nach oben an- steigt. Letzterer verläuft demnach zu dem lateralen Teilmuskel ge- kreuzt. Ob ein geringer Faseraustausch zwischen beiden gleich kräf- tigen Teilmuskeln stattfindet, konnte nicht sicher festgestellt werden. In der Imago ist er bedeutend kräftiger und einheitlicher entwickelt. 174) (1905:148) Musculus dorsoventralis secundus d, col- laris quartus (»microthoracis«), 0 dv7n2d, segmentaler Dorso - Ventralmuskel = Odvmö in der Imago 1905 (vgl. Textfig. 49 u. 50, S. 545 f; Bd. C, Taf. XIX f, Fig. 6—8 links). Er gleicht völUg dem imaginalen Muskel auch in der relativen Mächtigkeit der Fasermasse. Er ist im ersten Stadium dem Querschnitt nach der kräftigste aller dorsoventralen Muskeln. Eine i , . Seiten muskulatur ist nicht vorhanden. Die sternale Mnskulatnr. 175) (1905: 149) Musculus sternalis (pedalis) quartus a maxillaris, Ohmia, segmentaler sternaler Extremitäten- muskel (vgl. Textfig. 49—52, Bd. C, Taf. XX f, Fig. 11—13). Der Muskel gleicht dem imaginalen. Als ein Komplex sehr wenig zahlreicher Fasern kreuzt er hinter dem folgenden nach aus- wärts. Seine distale Ansatzstelle wurde nicht näher untersucht. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 555 176) (1905: 150) Musculus sternalis (pedalis) quartus b + c maxiilaris, Obm4b + c, segmentaler sternaler Extremitäten- muskel (vgl. Textfig. 49 ff., Bd. C, Taf. XX f., Fig. 11—15.). Er gleicht dem imaginalen Muskel. Transversalmuskeln. Neben dem auch hier einzureihenden Längsmuskel Ovlm2 {16S) werden im Übergangszustande des Stadium 1 noch folgende gefunden: 177) Musculus cephalonoti transversiis occipitals eim- bryonalis, 0 Cm, segmentaler paariger Transversalmuskel des Hinterhauptsringes, occipitaler Transversalmuskel (vgl. Text- fig. 48—51 u. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 2—5). Er ist in der Imago nicht vorhanden. Diese Muskelgruppe ist aus einer großen Masse kräftiger Muskel- fasern zusammengesetzt, welche dicht aneinander gelagert den hinteren Raum des oberen Hinterhaupts über dem Vorderdarm vollständig ausfüllen. Der Muskel verläuft als Quer- oder Transversalmuskel von der einen Symmetriehälfte des Tieres in die andre, in der Ebene des Querschnittes durch das Tier in horizontal-paralleler, innerhalb der horizontalen Ebene aber in gekreuzter Anordnung. Die zahlreichen Faserbündel entspringen vorn im oberen Teile des Hinterhauptes in der Umgebung des oberen Nackenspornes an dessen Basis und weiter oberhalb, aber doch entfernt von der Medianlinie, an der stark chitini- sierten, verdickten Fläche des Hinterhauptes und am Rahmen des Hinterhauptloches, vor und bis hoch über der Ursprungsstelle des Längsmuskels Odlmla (162); vgl. 1904, S. 298. Die Muskeln ver- laufen sodann, indem sie auseinandertreten, seitlich nach hinten in den vorderen Nackenraum, treten dabei unterhalb der segmentalen dor- salen Längsmuskeln 0 dhn Oy über die Medianlinie hinaus in die gegen- über liegende Symmetriehälfte, wo sie an der einspringenden Falte der vorderen Nackenquerfurche Fal in beiderseits langer Ansatzlinie sich anheften. Es bleibt dabei ein schmaler Raum in der Medianlinie frei, während sich die Ansatzstellen der Muskeln lateral bis über den Ursprung des gegenseitigen, symmetrischen Muskels hinaus erstrecken. Während in ganz frühen Zuständen des Übergangszustandes (vgl. Bd. C, S. 611 ff., Nr. 8 u. 9) diese Muskeln in äußerst kräftiger, dem dorsalen Längs- muskel 0 dlm la fast gleichkommender Ausbildung mit sehr deutlicher Querstreifung auftreten, zeigen spätere, jedoch gleichfalls noch sehr junge, nicht erhärtete Zustände bereits Degenerationserscheinungen des Muskels. 556 Friedrich Voss, Die Degeneration des Muskels im Normalzustande des ersten Stadiums. Die nur noch an ihren Ursprungsstellen als dicke, zum Teil noch quergestreifte Massen auftretenden Muskeln verschmälern sich nach hinten derart, daß unter Verkleinerung der Lichtung des gleichsam zusammengefallenen Sarcolemmaschlauches die Muskelsubstanz sich aus diesem zurückgezogen hat oder ausgetreten ist (Nr. 7, Bd. C, S. 611). Die scharf konturierten Sarcolemmaschläuche mit an diesen Stellen kleineren, gestreckten Kernen sind im übrigen stellenweise leer (vgl. Textfig. 49). In welcher Form die Degeneration des Muskels beginnt — etwa in der Art einer Verflüssigung und Resorption der Muskelsubstanz innerhalb des Sarcolemmaschlauches und infolge Durchtrittes der verflüssigten Substanz durch letzteren in die Leibeshöhle — läßt sich vorläufig nicht entscheiden. Phagocytäre Vorgänge scheinen jedenfalls nicht daran beteiligt zu sein. In älteren Zuständen und im Normalzustande des ersten Stadiums ist der Muskel nicht mehr vorhanden. Die Tatsache, daß er bereits in einem Stadium fehlt (vgl. Nr. 3, Bd. C. S. 609), in welchem der folgende zwar rückgebildet, aber doch noch vorhanden ist, zeigt neben der Schnelligkeit seines Schwindens auch eine im Vergleich mit dem fol- genden Transversalmuskel anders geartete, dem iluflösungsvorgange der abdominalen Dorsoventralmuskeln edvm (5, 6; 22, 23; 37, 38; vgl. auch Bd. C, S. 649) und der dorsalen Längsmuskulatur OdlmO (vgl. 165, S. 538) verwandte Art der Rückbildung. Die Funktion dieses Muskels gleicht der des folgenden. Sie ist wie diejenige der dorsalen Längs- muskeln Odlmla (162) und Odhnöb (166) allein mit den im Übergangs- zustande des ersten Stadiums herrschenden, speziellen kinematischen Vorgängen verknüpft, indem der Muskel sich an dem Mechanismus der Sprengung der Eischale und an der Embryonalhäutung beteiligt (vgl. bei den genannten Muskeln). Hierbei nähert er als Transversalmuskel im vorderen Nackenraum speziell die erste vordere Nackenfalte Fal den oberen Seitenteilen des Hinterhaupts, dem Bezirke am Nackensporn und oberhalb desselben. Indem er zunächst einmal als Antagonist der abdominalen Dorsoventralmuskeln auftritt, verhütet er, daß durch den Druck der nach vorn gepreßten Körpersäfte und durch die ge- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 557 waltigen Lageverschiebungen bei den Körperbewegungen während der Häutung die Lagebeziehungen der in der Hinterhauptsregion befind- lichen Chitinteile gestört und die Körperteile auseinander getrieben werden. Vielleicht auch versperrt er durch seine Kontraktion zugleich jenen Körpersäften wenigstens zeitweise den Zutritt zur Kopf höhle und weist ihnen den Weg dorsal wärts an. Späterhin mag er durch seine Kontraktion zudem behilflich sein, den vorderen Nackenraum einzuschränken, zu verkürzen und das Aufgehen der vorderen Nacken- falte in den Hinterhauptsring herbeizuführen; während er sodann zugleich den mit der Vergrößerung des Kopfes allmählich vordringenden Säften den Weg in die Kopfhöhle frei gibt. 178) Musculus cephalosterni transversus Tentorii em- bryonalis, 0 Tml + 2 segmentaler paariger Transversalmus- kel des Tentorium (vgl. Textfig. 49—51 und Bd. C, Tal XlXf, Fig. 7—10). Er ist in der Imago nicht vorhanden. Der Muskel verläuft als paariger Transversalmuskel hinter und etwas über dem Ten- torium dicht unterhalb des ösophagealen Darmes, zwischen diesem und der Ganglienmasse im zweiten Maxillensegment, dem Unterschlund- ganglion, von der einen Körperhälfte in die andre, wobei die beider- seitigen Muskeln gekreuzt übereinander liegen. Er entspringt mit breiter Ansatzfläche zwischen Nackensporn und Kehlsporn, jedoch entfernt von ersterem dicht neben und hinter dem seitlichen Ende des Tentorium in der stark chitinisierten Seiten wand, welche sich an die Tentoriumbasis nach hinten anschließt. Diese Stelle befindet sich unmittelbar vor dem Ursprünge des lateralen Längsmuskels 0 dlm 5 (166), vor und oberhalb entfernt vom Maxillenmuskel 0 hm4b + c (176). Er verläuft schräg nach unten vor dem Dorsoventralmuskel Odvm2d (174) vor und unterhalb der vorderen Kehlplatte i, oberhalb der ventralen Längsmuskeln Ovlm4 + 5 (160, 161), unterhalb der vom Thorax her in den Kopf eintretenden Tracheenlängsstämme an die unterhalb der Ursprungsstelle des gegenüber liegenden symme- trischen Muskels befindliche seitliche Haut des vorderen Kehl- raumes, wo er sowohl als Tml vor als auch mit einem besonderen Teilbündel Tm2 unmittelbar an der vorderen Kehlplatte i ansetzt, dicht über dem 0 hm 4b + c. Die beiden Fasern kreuzen also vor einander her. In der Erklärung der Textfiguren sind die beiden von rechts kommenden Muskeln mit d, die von links kommenden mit s bezeichnet. 558 Friedrich Voss, In älteren Zuständen des ersten Stadiums wird er allmählich rückgebildet. In einem dieser Zustände (vgl. Nr. 3, S.609, Bd. C), bemerkt man, daß der Muskel zwar erhalten, aber bereits sehr schwach und dünn geworden ist. Die Art seiner Rückbildung scheint von der des vorbeschriebenen Trans versalmuskels 0 Cm (177) abzuweichen und nicht als Degeneration bezeichnet werden zu können; denn die Fasern bleiben zunächst typisch mit großen Kernen. An seiner hinteren Seite bemerkt man feine Parallelstrukturen mit länglichen Kernen. Nähere Untersuchungen hierüber konnten vorerst nicht angestellt werden. In einem noch fortgeschritteneren Zustande, einem Normalzustande des ersten Stadiums (vgl. Nr. 5, S. 609, Bd. C) ist der Muskel nicht mehr vorhanden. Diese Muskulatur ist besonders kräftig entwickelt, übertrifft darin wohl sämtliche thoracalen Muskeln überhaupt und kommt der Gesamt- masse der median-dorsalen Längsmuskulatur 0 dlm la, 1, 2 etwa gleich ; die Muskeln sind typisch und deutlich quer gestreift. Ihre Funktion beruht zunächst in der Annäherung der beiderseitigen ventralen Flächen des Hinterhauptes, deren Lagebeziehungen zueinander durch diesen Muskel stetig erhalten werden bzw. wieder hergestellt werden können, falls andre Kräfte dieselben zu stören trachten. Eine ähnliche Funk- tion kommt ja nach Erhärtung des Tieres dem hinteren Querbalken des festen Tentorium zu. Zugleich wird auch die Lagebeziehung der vorderen Kehlplatte i zum Hinterhaupte geregelt bzw. geschützt. In dieser auf den Übergangszustand des ersten Stadiums beschränkten Funktion teilt sich der Muskel mit dem vorigen und wirkt auch zu- sammen mit den dorsalen Längsmuskeln Odlmla (162) und 0 dlm 5h (166). Wir hatten diese Muskeln sämtlich als Antagonisten der abdomi- nalen dorso ventralen Muskulatur edvm kennen gelernt ; denn sie wirkten dem durch letztere auf die Körpersäfte nach vorn ausgeübten Drucke entgegen, trugen dadurch zur Sicherung der augenscheinlich gefähr- deten Lagebeziehungen innerhalb der Kopf- und Halshautregion während der Vorgänge des Schlüpfens aus dem Ei und der Embryonal- hülle bei und beteiligten sich an der endgültigen Formgebung des Tieres. Dabei wird wahrscheinlich durch die Kontraktion der Tm den vordringenden Körpersäften in ähnlicher Weise wie durch die occipitalen Transversalmuskeln 0 Cm der Weg zur Kopfhöhle teilweise über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 559 versperrt, später aber wieder frei gegeben. Es sei hier zunächst auf die in Betracht kommenden, bereits besprochenen Muskeln 162 (S. 529), 166 (S. 544), 177 (S. 555) verwiesen. Der mutmaßliche Mechanismus des Zusammenwirkens aller dieser Muskeln soll später im Zusammen- hange erörtert werden (vgl. S. 639 ff). b. Topographisch quantitative statistische Übersicht über die in der Region der Halshaut, im Segment der 2. Maxille, für das 1. Stadium beschriebenen Abweichungen gegenüber der Imago. (Vgl. 1905, S. 446, letzter Absatz.) Die Region der Halshaut, das zweite Maxillensegment, enthält demnach im ersten Stadium 21 regelmäßig auftretende, gesonderte, zum Teil doppelte und mehrteilige bzw. mehrwertige Muskeln gegen- über 17 in der Imago beobachteten. Das erste Stadium besitzt also mindestens vier Muskeln mehr. Diese Zahl würde sich noch sehr er- heblich erhöhen, wenn nicht einzelne der vergänglichen Muskeln — trotz ihres getrennten Auftretens — mit andern zu einer Gruppe zu- sammengefaßt worden wären. Für die Imago wurde kein neuer Muskel festgestellt, so daß die neuen Muskeln sämtlich dem ersten Stadium eigentümlich sind. Die Gesamtübersicht zeigt folgende Muskeln des zweiten Maxillensegmentes im ersten Stadium: vier ventrale Längsmuskeln (gegenüber vier in der Imago 1905), fünf dorsale Längsmuskeln (gegen- über 4 [1905: 5] in der Imago); zwei vom Prosternum nach vorn, d. h. umgekehrt intersegmentale Dorsoventralmuskeln ; zwei typisch inter- segmentale Dorsoventralmuskeln; vier segmentale mediale Dorsoven- tralmuskeln; zwei Extremitätenmuskeln; zwei Trans versalmuskeln. a. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Auftretens und der Ausbildung der Muskeln im ersten Stadium gegenüber der Imago sind folgende: Hinsichtlich eines primären Verhaltens nach Form und innerem Bau bestehen im ersten Stadium für die einzelnen Muskeln gegenüber der Imago keine Unterschiede. Hinsichtlich der Bildung von Teilfasern bestehen folgende LTnterschiede : In der Imago einheitliche Muskeln treten im ersten Stadium geteilt auf: Die ventralen Muskeln vlm4 (160) und vlm5 (161); der mediale Dorsoventralmuskel dvm2cl + 2 (173, 1905: dvmy). Im Stadium 1 einheitlich, in der Imago aber geteilt tritt der mediale Dorsoventralmuskel dvm2b (172, 1905: dvniij) auf. Lageverschiebungen erleiden folgende Muskeln: Die inter- segmentalen Dorsoventralmuskeln idvml (167) und idvm2 (168), ism 560 Friedrich Voss, (169), der segmentale mediale Dorsoventralmuskel dvm2al + 2 (171, 1905: dvmci). In den Stärkeverhältnissen bestehen folgende Unterschiede beider Stadien: Kräftiger im Stadium 1 gegenüber der Imago sind die beiden vom Prosternum nach vorne intersegmentalen idvml (167) und idvm2 (168) [vergleiche ferner bei dem dlm5a + b (166)]. Dagegen treten in der Imago kräftiger auf folgende, im ersten Stadium schwache Muskeln: Die beiden typisch intersegmentalen Dorsoventralmuskeln ism (169) und ism2 (170); die segmentalen me- dialen Dorsoventralmuskeln dvni2al + 2 (171, 190b dvma), dvm2cl + 2 [113: 190b dv7ny), vielleicht auch dvm 2b {172, 1905: dvm,i). Im Stadium 1 völlig neu auftretende Muskeln, welche für dieses Stadium typisch sind und und welche in der Imago gänzlich fehlen, sind folgende dorsalen Längsmuskeln: dhnla (162), dlml Ast a (163), dlmOx + y (165), dlmSb (166) und die Transversalmuskeln des Hinterhauptes Cm (177), des Tentorium Tm (178). Muskeln, welche in der Imago vorhanden sind, aber im Stadium 1 noch fehlen, sind nicht vorhanden. b. Hinsichtlich der 1905 gegebenen Darstellung des Imaginalstadiums infolge der mikroskopischen Nachuntersuchung ein- getretene Ergänzungen und Veränderungen betreffen folgende Mus- keln: Völlig neue Muskeln wurden nicht festgestellt, hingegen ein neuer Teilmuskel des ventralen Längsmuskels Ovlm2a + b (120). Eine Umdeutung betraf den 1905 als ventralen Längsmuskel geführten, jetzt als dorsalen Längsmuskel nachgewiesenen dlmSa (166, 1905: OvlmSa). Umbenennungen traten infolge der strengeren Durchführung der morphologischen Begriffe, bzw. infolge Erledigung der 1905 hypo- thetisch gelassenen Anschauungen zahlreich ein. Es heißt jetzt: Musculus ventralis cephalosterni statt M. microsterni, Musculus dorsalis cephalonoti statt M. micronoti, Miisculus dorsoventralis interseg- mentalis cephalonoti inversus bzw. cephalosterni neben M. rotator capitis externus bzw. internus. Umbezeichnungen betrafen folgende segmentalen Dorsoventral- muskeln: dvma jetzt: dvm2al + 2 (171), dvmj jetzt : dvm2b (172), dvmy jetzt: dvm2cl + 2 (173), dvmd jetzt: dvm2d (174). Eine schärfere Fassung endlich trat ein für die segmentalen Dorsoventralmuskeln dvm2a bis d gemäß der soeben angeführten Umbezeichnungen als Musculi dorsoventrales 2 collares primus (a) — über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 561 quartus (d) als Dorsoventralmuskeln der hinteren epimeralen Gruppe; für die typisch intersegmentalen Dorsoventrahnuskehi : Muse, dorso- ventrahs intersegmentalis cephalosterni statt M. intersegmentaUs ; außerdem für die oben genannten, vom Prosternum ausgehenden inter- segmentalen Dorsoventralmuskeln. c. Morphologische Betrachtung der Haishaut auf Grund der Muskulatur des 1. Stadiums im Vergleich mit der Image, ferner mit dem Abdomen und dem Thorax im Stadium 1. (Vgl. 1905, S. 447.) 1. Allgemeine Vorbemerkungen über die hinsichtlich der Image eingetretenen Veränderungen. Während neue Muskeln der Imago durch die Nachuntersuchung, abgesehen von einem Teilmuskel des ventralen Längsmuskels 0 vlm 2a + b (158) nicht gefvmden sind, ergaben sich um so erheblichere Abweichun- gen dadurch, daß eine Keihe neuer Muskeln, die im Normalzustande des ersten Stadiums zugrunde gehen, von entscheidender Bedeutung für die Auffassung der Muskeln und für allgemein morphologische Fragen geworden sind. Diese Dinge sind zum Teil bereits bei der Behandlung des Prothorax berührt und kommen hier bei den ein- zelnen Kategorien noch einmal zur Besprechung und zum Abschluß. Die wesentlichste Änderung gegenüber der 1905 auf Grund des Be- fundes an der Imago entwickelten hypothetischen Auffassung (vgl. S. 454, Abs. 1 — 3) beruht darauf, daß Anteile des Pronotum nicht im Hinterhauptsring vorhanden sind^ daß also von einer Ver- lagerung der vorderen Ursprungsstelle dorsaler Längsmuskeln 0 dlm 1 und 2 (16.3, 164) und der intersegmentalen Dorsoventralmuskeln Oidvm 1 + 2 (167, 168) nicht die Rede sein kann, und daß dadurch die topo- graphisch segmentalen Muskeln Odvm2a — d (1905: Odvma—ö) nicht nur topographisch, sondern auch im morphologischen Sinne als seg- mentale Dorsoventralmuskeln — nicht als hypothetisch intersegmen- tale — zu gelten haben. Eine weitere Änderung ist hinsichtlich der Frage nach der Grenze zwischen sternaler und tergaler Region eingetreten, welche die Um- deutung des ventralen Längsmuskels 0 vlm 5a in einen lateralen dor- salen Längsmuskel 0 dlm 5a zur Folge hatte. Im übrigen werden die 1905 (vgl. S. 447 ff.) gegebenen Ausführungen vorausgesetzt, deren Fragestellungen, abgesehen von genannten Änderungen auch jetzt noch zu gleicher Beantwortung führen. 562 Friedrich Voss, 2. Vergleichung des 1. Stadiums hinsichtlich des Skelettes und der Muskulatur im einzelnen. a. Allgemeine Übersicht über die Imago und das 1. Stadium. Die Abweichungen des ersten Stadiums von dem Befunde in der Imago sind zwar keine prinzipiellen; jedoch ist das Auftreten des neuen und ganz besonderen Mechanismus der Nackenblase im Über- gangszustande des ersten Stadiums mit tiefgreifenden Unterschieden auch in morphologischer Hinsicht zwischen beiden Stadien verbunden, welche die in den Thoracalsegmenten gefundenen Ungleichheiten beider Stadien weit übertreffen und hinsichtlich ihrer Bedeutung nur mit den im Abdomen eintretenden Veränderungen verglichen werden können. Diese Unterschiede, welche auf einem Wechsel der tergalen intersegmentalen Bewegungserscheinungen beruhen, treten schon inner- halb des ersten Stadiums auf. Man trifft hier Vorgänge, die zu er- heblichen Rückbildungserscheinungen im tergalen Bezirke führen, sodaß die primäre morphologische Grundlage in der Imago nicht mehr zum Ausdruck kommt. Im einzelnen zeigen sich die Unter- schiede darin, daß die in der Imago schmale, bzw. kurze Nacken- haut im ersten Stadium stark entwickelt ist und eine beträchtliche räumliche Entfernung des Hinterhauptsringes vom Vorderrande des Pro no tum bedingt. Gleichzeitig ist die einfach intersegmentale dorsale Längsmuskulatur, auf deren Funktion der Mechanismus der Nacken- blase zum Teil gegründet ist, mächtig und reichlich entwickelt. Sie geht in der Imago fast völlig zugrunde, während bei einigen inter- segmentalen Dorsoventralmuskeln, welche mit diesem Mechanismus im Zusammenhange stehen, eine erhebliche Rückbildung eintritt. Die Nackenfaltung zeigt dabei einen erheblichen Unterschied von der imaginalen insofern, als die vordere Nackenfalte Fal in der Imago nicht vorhanden ist, und der vor ihr gelegene vordere Nackenraum völlig ver- schwindet, bzw. in den Hinterhauptsring aufgeht. Mit den Verände- rungen der Nackenfaltung hängen einige Lageverschiebungen zusammen. Die segmentale Dorsoventralmuskulatur, die ventralen und die lang- und doppelt-intersegmentalen dorsalen Längsmuskeln gleichen dagegen — von geringen Größenunterschieden abgesehen — den imaginalen. b. Die einzelnen Muskelkategorien. Die ventrale Längsmnsknlatur. Von den in der statistischen Übersicht genannten, für die Imago eingetretenen Änderungen sei hier zunächst noch einmal hervorgehoben, über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 563 daß der Ovhn2 (158) übereinstimmend mit dem Pro- und Mesothorax in beiden Stadien eine Teilfaser an den Trochantin enthält. Für die Auffassung seines über die Medianlinie gekreuzten Verlaufes (einer Erscheinung, welche auch bei andern Insekten beobachtet wird, z. B. bei Myrmica rubra (vgl. Janet 1898, Mem. de la societe zool. de France, S. 446, M. 40, PI. VI und Textfig. 15 C, S. 422 u. a.) bietet der Ver- gleich mit den gleichfalls gekreuzten Transversalmuskeln des Hinter- hauptsringes Cm (177) und des Tentorium Tm (178) Interesse. Gleich diesen kann er von einem den abdominalen rm (4, 21) ähnlichen Ver- halten abgeleitet werden, ohne daß es weiterer morphologischer Speku- lationen bedarf. Er bietet durch seinen gekreuzten Verlauf entsprechend der rotatorisch bewegten Körperregion ein vorwiegend kinematisches, weniger ein morphologisches Interesse, und die 1905, S. 448 ange- stellte, spekulative Betrachtung entsprang der Überschätzung sowohl des morphologischen Prinzips als auch der Annahme von Verlagerungs- möglichkeiten. Der Muskel ist schon im ersten Stadium schwach ausgebildet und zeigt somit keine ontogenetischen Rückbildungs- erscheinungen. Die von der Imago bekannten übrigen ventralen Längsmuskeln zeigen in beiden Stadien keine wesentlichen Verschiedenheiten, abge- sehen von dem deutlichen Zerfall der seitlichen Längsmuskeln 0 vlm 4 und 0 in Teilfasern. Von der dem vorderen Ansätze des OvlmS ange- schlossenen Chitinplatte e konnte im ersten Stadium noch nichts be- merkt werden. Die Ausbildung der ventralen Längsmuskulatur gleicht also der in der Imago auch hinsichtlich der relativen Stärke Verhältnisse. Es ist darin der Ausdruck gleicher kinematischer Bedingungen in beiden Stadien unverkennbar: Der eigentlich ventrale Bezirk, die Kehlhaut, besitzt mit seinen Platten eine gewisse Stabilität als Widerlager, d. h. als Angel- und als Drehpunkt für die Kopfbewegungen, für einen in beiden Stadien gleichen Mechanismus. Da unmittelbar über diesem Sternalbezirke die Nackenhaut bei Häutungen platzt, so geht die Herauslösung des Tieres aus der alten Haut an dieser Stelle verhältnis- mäßig leicht von statten ohne jene gewaltsamen Verkürzungen und Drehungen, wie in den übrigen Segmenten. Der Mechanismus der Nackenhaut hingegen bezieht sich auf ganz spezielle, in beiden Stadien recht verschiedene Aufgaben. Daher knüpft ein Unterschied beider Stadien, bzw. eine bedeu- tende Entwicklung intersegmentaler Bewegungserscheinungen im Über- gangszustande des ersten Stadiums viel mehr an die dorsale Längs- muskulatur an, zu welcher nunmehr auch der 1905 irrtümlich als late- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 37 564 Friedrich Voss, raler ventraler Längsmuskel aufgefaßte. 0(^Zmoa (166) zu rechnen ist. Durch die Auffassung dieses letzteren Muskels als einen dorsalen Längsmuskel sind gewisse Schwierigkeiten, welche 1905 bei der Be- trachtung der Imago S. 449, Abs. 3 hinsichtlich der Deutung des Muskels als ventralen Längsmuskel auftraten, beseitigt. Die bei dieser Auffassung aufgetretenen Bedenken sind folgende: a. Der von den übrigen ventralen Längsmuskeln durch eine andre Muskelkategorie {0 ism, 0 dvm) getrennte Verlauf des Muskels in b. einem über der Kehlplatte befindlichen Bezirke; wobei seine sternale oder tergale Natur damals nicht näher untersucht wurde, unter der Voraussetzung, daß er der topographischen Lage ent- sprechend ein ventraler Muskel sei. c. Das Fehlen jeglicher Vergleichsmöglichkeit mit ventraler Längs- muskulatur sogar in den extremitätenlosen abdominalen Segmenten. Ein lateral von der medialen Dorso Ventralmuskulatur auftretender ventraler Längsmuskel, der etwa dem lateralen Längsmuskel der tergalen Seitenregion dlm5 symmetrisch sein würde, kommt nämlich überhaupt nicht vor (S. 594f . ; Bd. C, S. 740), da eine laterale Entwicklung der sternalen Seitenteile nach Art der tergalen nicht vorliegt. Alle be- kannten ventralen Längsmuskeln sind durch ihre Lage medial von der medialen Dorsoventralmuskulatur, zu welcher auch der interseg- mentale Dorso ventralmuskel is7n gehört (vgl. seine charakteristische Beziehung im ersten Abdominalsegment, Bd. C, S. 692 f., 743), gekenn- zeichnet. Die Stellung des Muskels aber als dorsaler Längsmuskel verliert ihren auffälligen Charakter (vgl. 1905, S. 451, Abs. 3 u. S. 449, Abs. 3), im Vergleich tergal bzw. sternal mit den intersegmentalen Dorso Ventralmuskeln ism, die ja primär zwischen medialer und lateraler dorsaler Längsmuskulatur bzw. (vgl. im Metathorax) im lateralen Sternit, am Ende der Gabelapophyse entspringen. Der exakte Nach- weis der dorsalen Natur des Muskels wm-de erst durch das Auftreten seines Begleitmuskels b im Stadium 1 möglich. Die dorsale Längsoiuskulatnr. Die von der Imago bekannten medialen dorsalen Längsmuskeln Odlml und 2 (163, 164) sind nicht mehr als nach vorn verlagerte pro- thoracale dorsale Längsmuskeln anzusehen (vgl. 1905, S. 454 u. 739, Qb), sondern sie sind echte dorsale Längsmuskeln der Halshaut, des zweiten Maxillensegmentes. Während in der Imago nur diese doppelt inter- segmentalen Muskeln als sogenannte Brückenmuskeln und der laterale Odlmöa (166) vorkommen, bietet das erste Stadium infolge des Auf- über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 565 tretens zahlreicher, zum Teil äußerst kräftiger Längsmuskeln, welche innerhalb dieses Stadiums völlig zugrunde gehen, eine sehr auffällige Erscheinung, die in morphologischer Hinsicht eine Klärung in der Beurteilung der Muskelverteilung herbeiführt und in kinematischer Hinsicht noch besonders interessiert durch ihre Beziehung zu dem selbständigen Mechanismus der Nackenblase im Übergangszustande des ersten Stadiums. Die neuen Muskeln zeichnen sich neben ihrer Massenentwicklunff zum Teil durch die wechselnde Verbindung der Teilmuskeln unter Faseraustausch aus. Zunächst wird die Zahl dorsaler Längsmuskeln gegenüber der 1905 in der Imago festgestellten für beide Stadien ver- mehrt durch die Umdeutung des als ventraler Längsmuskel aufge- faßten Ovlm5a, jetzt Odlmöa (166). Dieser Muskel ist ein bleibender Teilmuskel des nur noch im Übergangszustande des ersten Stadiums in großer Massenentwicklung auftretenden, lateral gelegenen, so schnell vergänglichen Hauptmuskels 0 dlmSb (166), welcher durch seine Ansatz- verhältnisse die Natur eines dorsalen Längsmuskels verrät. Wir knüpfen an die bei Besprechung der ventralen Längsmuskeln soeben vorgetragenen Bedenken an: Als unmittelbare, mehr oder minder zwingende Beweisgründe können folgende Tatsachen und Überlegungen betrachtet werden: a. Der zwischen dem lateralen oberen Rande der hinteren Kehl- platte a und dem dorsalen Längsmuskel Odlmla (162) befindliche enge Seitenraum der Halshaut, in welchem der Muskel verläuft, gestattet es an sich nicht, zu entscheiden, ob er der dorsalen d. i. der weichfaltigen tergalen oder der ventralen Region angehört. b. Die Stellung des Muskels lateral-seitlich von den tergalen Ursprungsstellen der dorsoventralen Muskulatur trifft gleichfalls zu für den sternalwärts tief hinabreichenden dorsalen Längsmuskel dlm 5 (3, 36) im tergalen Seitenbezirke der abdominalen Segmente. Dieser Muskel fehlt bekannthch in den Thoracalsegmenten, wo die Seiten- bezirke durch die Flügel mit ihrer Mechanik bzw. im Prothorax durch die mächtige Entfaltung der lateralen • Dorsoventralmuskeln Idvm im Zusammenhange mit der Beinmechanik in Anspruch genommen sind. Die Annahme eines lateralen dorsalen Längsmuskels in der Nacken- region stimmt also mit den abdominalen Lagebeziehungen und kine- matischen Vorbedingungen überein. c. Die abdominalen »pleuralen« Seitenbezirke treten in der Form einer weichen, mit einer reichlich entwickelten, der Atmung dienenden dorsoventralen und unterbrochenen Seitenmuskulatur auf, welche 37* 566 Friedlich Voss, zwischen zwei scharf begrenzten Chitinplatten, dem Tergit und dem Sternit hegt. Wir übergehen die speziellen, mit der Flügelmechanik zusammenhängenden Verhältnisse im Meta- und Mesothorax. Im Pro- thorax aber trifft mit dem tief seitlich herabsteigenden, die Bein- wurzeln fast erreichenden Halsschildseitenlappen die Rückbildung der unterbrochenen Seitenmuskulatur zusammen, während die dorso- ventralen Muskeln lateral von der medialen dorsalen Längsmuskulatur als Beinmuskeln besonders entwickelt wurden: Zugleich erfolgt vorn die Reduktion des episternalen Bezirks (S. 515), hinten die regionale Entwicklung des epimeralen Sternellum mit dem S. 521 ff. erwähnten, intersegmentalen Antagonismus zur dorsalen Region. Beziehungen zur Flügelanlage sind im Prothorax nicht einwandfrei erkennbar. Diese Gesichtspunkte gelten in weit höherem Maße für das Seg- ment der 2. Maxille, in welchem der episternale Bezirk in die hintere Kopf kapsei aufgegangen ist; im epimeralen Bezirke, in der Halshaut aber ist die dem prothoracalen Sternellum entsprechende Kehlhaut — d. i. das Sternellum des zweiten Maxillensegmentes — mächtig ent- faltet, und zwar speziell infolge der rotatorisch -intersegmentalen Mechanik und in seinem, vom Prothorax her bekannten (S. 523) An- tagonismus zur dorsalen Längsmuskulatur. Für diesen Antagonismus war insbesondere die Existenz des dem 0 dlm la homologen und sich in jeder Beziehung diesem gleichartig verhaltenden, prothoracalen dorsalen Längsmuskels Idlmla (127) charakteristisch. Außerdem aber ist in der Halshaut neben der unterbrochenen auch die dorso ventrale Seitenmuskulatur bei dem Mangel der Bein- und Atem- bewegung, und infolgedessen bei dem Mangel einer scharf begrenz- ten, als Chitinplatte auftretenden tergalen Region restlos ver- schwunden. In allem dem liegt in einem Bezirke mit einer derartig hoch entwickelten, intersegmentalen Kinematik, wie gerade in der Nackenregion mit der Vielseitigkeit die^^er Beziehungen im Unterschied zur Kehlhaut, eine mindestens ebenso günstige Vorbedingung wie im Abdomen für das Auftreten einer vollständigen dorsalen Längs- muskulatur Odlml — 5, die ja als die typische Organisationsgrundlage für jedes Segment charakteristisch ist. Wenn man dieser Lberlegung nachgeht, so findet man d. daß für die Nackenhaut der Bestand einer stark entwickelten tergalen Seitenregion, auch abgesehen von dem kinematischen Gesichtspunkte der intersegmentalen Bewegungsmechanik, aus einem topographischen Grunde ohne weiteres vorausgesetzt werden kann, nämlich: Infolge der Zwischenstellung dieses Segmentes über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 567 zwischen dem Protliorax mit seiner mächtigen, seitlichen Ent- faltung der tergalen Seitenregion einerseits, der Kopfkapsel ander- seits. Der Hauptanteil der letzteren hat als tergale Region zu gelten, die unter einer dem Pronotum analogen kinematischen Begründung im höchsten Maße zu gesteigerter Entfaltung kam. Denn der Ge- sichtspunkt für die Beurteilung der Kopfkapsel liegt in dem- Vorgange der Segmentkomplexbildung, welche den Fortfall aller intersegmen- talen Muskeln zur Folge hat, und in welcher die Mechanik der Extre- mitäten an die Dorso Ventralmuskulatur anknüpft. Diese wiederum hat die starke Wölbung der tergalen Kopf kapsei zur Folge (vgl. 1905, S. 506) unter Ausfall aller andern Mechanismen. In eine derartig auf- gefaßte Kopfkapsel ist also die rückgebildete episternale Region des zweiten Maxillensegmentes aufgegangen. Es ist also eine Verbindung der beiderseitigen lateral-tergalen Seitenbezirke des Prothorax einer- seits, mit dem Hinterhaupte anderseits durch lateral-tergale Längs- muskulatur zu erwarten, vgl. Taf. XXIX, Fig. 49 mit 52 über 51. e. Wenn man unter dieser Voraussetzung die Ansatzstelle des dorsalen Längsmuskels 0 dlm 5h untersucht, so findet man, daß er hinten in der vor dem lateralen Pronotum befindlichen Inter- seg mentalhaut ansetzt, in ähnlicher Weise wie der dorsale Längs- muskel Odlmla im medialen Bezirke. Dabei verhält sich die ventral tiefe Lage der hinteren Ansatzstelle zu dem sternal-pleuralen Bein- muskel Opm5 (140) und auch mittelbar zum Ihm 4 (153) ganz analog wie vorn zum Maxillenmuskel Ohm 4 (175, 176), so daß auch in dieser Hinsicht der Auffassung seiner vorderen Ursprungsstelle als eine tergale nichts im Wege steht. Schließlich ist vorn der Abstand vom dorsalen Längsmuskel ein sehr geringer. f. Einen letzten Hinweis auf den Charakter des Muskels als dor- saler Längsmuskel erhält man schließlich durch eine Mißbildungs- erscheinung der seitlichen Halshaut, welche im Falle Nr. 9, Bd. C, S. 611 beobachtet wurde, und welche auch S. 574 erwähnt ist. Diese zum Nachweis der dorsalen Natur des Längsmuskels ange- stellten Betrachtungen sollen in ihrer Ausführlichkeit zugleich das Wesen kinematischer Gestaltung erläutern. Diese Gestaltung führt auf der den Segmenten zukommenden, allgemein typischen Grundlage zu den betrachteten extremen Formerscheinungen, mit welchen in der Kopfregion die unsrer Untersuchung zugrunde liegende Segment- reihe endet, vgl. die Erläuterungen zu Bd. C, Tafelfig. 2 — 10. 568 Friedrich Voss, Die Ansatzstelle des Teilmuskels Odlmöa an der Pleuralleiste bleibt dabei immerhin merkwürdig. Alle übrigen dorsalen Längsmuskeln des Nackensegmentes sind nur im Übergangszustande des ersten Stadiums vorhanden. Es sind außer dem lateralen 0 dlm 5b die medialen dorsalen Längsmuskeln OdlmO und Odlmla. In morphologischer Hinsicht bieten sie dadurch Interesse, daß sie das zweite Maxillensegment mit seiner im Übergangs- zustande räumhch so sehr entwickelten tergalen Eegion in typi- schen Organisationsverhältnissen vervollständigen und da- durch einen primären Zustand erkennen lassen. Neben der lateralen Längsmuskulatur dlm5 tritt in der Gestalt des 0 dlm la (162) nun in typischer Weise eine einheitliche mediale Muskelmasse auf, welche potenziell den mesothoracalen und metathoracalen dorsalen Längsmuskeln//, III dlm 1 und 2 (48, 82; 49, 83) entspricht und dem prothoracalen Idlmla (127) völlig gleicht. Ob und in welcher Weise eine der seitlich dorsalen Längsmuskulatur des medianen Bezirks ///, II, Idlm3+4 (50, 51; 84, 85; 128, 129) entsprechende Muskulatur aus- gebildet ist, ist eine theoretische Frage. Wir übergehen sie mit dem Hinweise, daß spezielle Homologien ausgeschlossen sind, daß aber die kurzen dorsalen Längsmuskeln OdlmO (165) als Muskeln des vor- deren und des hinteren Nackenraumes in zwei mittlere und zwei paarige, seitliche Gruppen zerfallen in hinter einander geordneter Stellung und mit antagonistischer Bedeutung für den speziellen Mechanismus der Nackenblase; es sei auf die Spezialdarstellung dieser Muskeln verwiesen. Hinsichtlich des Zusammenwirkens des letzteren speziellen Teil- mechanismus mit dem Gesamt mechanismus der Nacken- blase während der allgemeinen Vorgänge bei dem Schlüpfen des jungen Tieres aus dem Ei und bei der Embryonalhäutung sollen die in der Einzelbeschreibung angegebenen Anschauungen später zu einem Gesamtbilde vereinigt werden. Jedenfalls verliert dieser ganze Spezial- mechanismus der Nackenblase im Normalzustande des Stadium 1 seine Bedeutung, und die Muskeln gehen sehr schnell zugrunde. Dadurch wird also gemäß der Vorherrschaft kinematischer Prin- zipien eine morphologische Grundlage in der Halshaut- region ebenso gründlich zerstört wie durch den Untergang der medialen Dorsoventralmuskulatur edvm im Abdomen; eine für die Erkenntnis der Morphologie des gesamten Thorax uner- über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 569 läßliche Grundlage, die also nur durch die Kenntnis des Übergangs- zustandes des ersten Stadiums vermittelt werden kann. In morphologisch-kinematischer Hinsicht bedeutungsvoll ist aber die Tatsache, daß der vordere Nackenraum, dem die vordere Gruppe y der dorsalen Längsmuskulatur OdlmO angehört, mit dieser rückgebildet wird; vgl. hierzu die Transversalmuskeln. Das nach dem Untergange des Mechanismus der Nacken- blase nachembryonal zur Vorherrschaft gelangende und durch die bereits embryonale Anlage der dorsalen Längs- muskeln OtZ^mi und 2 und Odlmöa vorbereitete, intersegmen- tal-kinematische Prinzip bedeutet die Lockerung der ter- galen Intersegmentalhaut zum Zwecke sehr ausgiebiger, auf die Drehbewegungen besonders des Kopfes bezüglicher, rotatorischer Bewegungsfreiheit, ein Prinzip, dem die in breiter Masse entwickelte, einfach- und kurz-intersegmen- tale dorsale Längsmuskulatur hinderlich ist, und dem sie völlig zum Opfer fällt. Die mediale DorsoTentralmuskulatur (vgl. 1905, S. 450—455). 1) Nachtrag zu der 1905 gegebenen Darstellung, gemäß der aus dem Stadium 1 gewonnenen Ergebnisse und neuen Anschauungen. Wie man auch die Stellung des Längsmuskels der seitlichen Hals- region auffassen mag — die gesamte Dorsoventralmuskulatur bleibt hinsichtlich ihrer Stellung auf jeden Fall als eine mediale innere echte Dorsoventralmuskulatur charakterisiert, für deren Zerlegung aus der theoretisch vorauszusetzenden, einheitlichen Masse die Erfordernisse der rotatorisch-intersegmentalen Bewegung zwischen Prothorax und Kopf zunächst maßgebend gewesen sind (vgl. 1905, S. 453). Da nun durch die im Übergangszustande des ersten Stadiums aufgefundenen Verhältnisse die Organisationsgrundlage des zweiten Maxillensegmentes vervollständigt ist, und weil durch die neuen dorsalen Längsmuskeln die für die Imago erhaltenen Anschauungen sich geändert haben, so sei zunächst eine den neuen Anschauungen entsprechende Gesamt- übersicht dieser Muskeln gegeben mit Begründung der Abweichungen gegenüber der Darstellung von 1905. Es entstehen nämlich aus dieser ganzen Betrachtung zwei Fragen. Es muß versucht werden, a. zwischen intersegmentalen Dorsoventralmuskeln und segmentalen — den abdominalen edvm entsprechenden — Dorso- ventralmuskeln zu unterscheiden, und es wird gefragt, 570 Friedrich Voss, b. ob diese Muskeln alle aus der hinteren Gruppe der Dorso- ventralmuskulatur stammen; oder ob die Zweiteilung, die in dem getrennten Auftreten von zwei Kelilplatten a und i mit den Dorsoven- tralmuskeln dvm2a {dvma) und der Kehlplatte i mit dem Dorsoventral- muskel dv'm2d {dvmö) besteht, auf die den Segmenten zugrunde liegende primäre Zweiteilung der medialen Dorsoventralmuskulatur zurück- zuführen ist. ad b. Diese letztere Frage erscheint zwar bei dem Hinweise auf das erste Abdominalsegment müssig, da man dort mit dem Anschlüsse des Segmentes an den Metathorax eine Rückbildung der episternalen Seitenmuskulatur eintreten sieht, unter gleichzeitiger Vereinheitlichung der beiden, — des vorderen und hinteren edvm — Dorsoventralmuskeln (vgl. Bd. C, S. 677 f.). Gleiches könnte bei gleichem Vorgange auch hier angenommen werden. Es ist jedoch zutreffender, die gesamte Dorso- ventralmuskulatur des zweiten Maxillensegmentes als eine allein der hinteren Gruppe der Dorsoventralmuskulatur homologe Muskulatur aufzufassen ; da die im Kehlbezirke vorliegende Region ganz ausschließ- lich als die epimerale Region des zweiten Maxillensegmentes auf- gefaßt werden muß, und da allein schon mit dem Ursprung des Maxillenmuskels hm4 und der ventralen Längsmuskeln am Tentorium die Grenze zwischen epimeralem und episternalem Bezirke bestimmt ist, so daß der Rahmen der hinteren Kopfkapsel, das Hinterhaupt, den gesamten episternalen Teil des zweiten Maxillensegmentes potenziell enthält und der Pleuralleiste mit dem Apodem und der paarigen Apophyse in den Thorakalsegmenten entspricht. Ferner zeigen die vielseitigen Beziehungen der Muskeln unter- einander an, daß sie einem einheitlichen Komplexe entstammen. ad a. Bei einem Versuche, die dorso ventralen Muskeln gruppen- weise zu unterscheiden und die Gesetzmäßigkeiten ihrer Verteilung zu übersehen, ist zunächst noch einmal hervorzuheben, daß Anteile des Prothorax im Hinterhauptsringe nicht vorhanden sind (vgl. das Ergebnis für die dorsalen Längsmuskeln, S. 504, 564), daß also eine Verlagerung »prothoracaler Dorsoventralmuskeln« an das Hinterhaupt nicht mehr angenommen werden kann, wie dies 1905, S. 454, unter Abs. 3 für die vom Prosternum nach vorn gerichteten intersegmentalen Dorsoventralmuskeln Oidvnil+2 (167, 168) hypothetisch geschah. Für diese Muskeln ist daher auf eine spekulative morphologische Begründung zu verzichten. Sie sind Neubildungen, über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 571 welche in Bezirken mit ausgiebigen und vielseitigen, mit großer Kraft- entfaltung verbundenen, auch rotatorischen, intersegmentalen Bewe- gungserscheinungen auftreten und abgesehen von Locusta (vgl. Luks, 1883, Fig. Irce) auch bei andern Insekten, so z. B. Ephemeriden im Ab- domen (vgl. DüRKEN 1907, die Figuren auf Taf. XXV und XXVI, idvm) aufgefmiden worden sind. Die Beobachtung der Lebensweise der Grillen gibt Aufschluß über die Kraftentfaltung bei Kopfbewegungen, denen die intersegmentale Kraftentfaltung im Abdomen der Ephe- meridenlarven bei den Schwimmbeweo;uno;en kinematisch analog ist (vgl. auch die doppelt intersegmentalen dorsalen Längsmuskeln, S. 522 u. a.). Weiteres über die Auffassung und die Idnematische Bedeutung, dieser Muskeln lehrt ihr Verhalten im ersten Stadium. Der typisch intersegmentale Dorsoventralmuskel der Thoracalsegmente tritt als Oism (169) und Oism2 (170) zweiteilig auf, infolge des hier zur Trennung führenden Prinzips des gekreuzten Faserverlaufs, welches bei gleichzeitiger Kontraktion der Muskeln eine Stetigkeit der verbundenen Segmentteile verbürgt (vgl. 1905, S. 501). Alle übrigen topographisch segmentalen Dorsoventralmuskeln Odvm2a — d (171 — 174) sind nun auch als echte segmentale dorsoventrale Muskeln aufzufassen — also nicht als echte intersegmentale Muskeln und ohne eine spezielle Herleitung aus der typisch-intersegmentalen ism und idvm-Mwsknlsitni , wie sie 1905, S. 454, Abs. 2, geschah. In ihrer Zerlegung tritt eine gewisse Gesetzmäßigkeit der Beziehung zu den intersegmentalen Muskeln hervor, indem der 0 dvm2h als Begleit- muskel des Oism, der Odvm2c als Begleitmuskel des Oism 2 auftritt. Der Odvm2a und 2d bewahren also den Charakter der segmentalen Stammuskulatur am reinsten, und ihre Zweiteilung geht zusammen mit dem Auftreten von zwei Skeletplatten, der vorderen und hinteren Kehlplatte. Die Beziehungen des Odvm2al + 2 zu den beiden inter- segmentalen 0*(^vm- Muskeln im Stadium 1 bieten dabei besondres Interesse, indem nur diese vier Muskeln in der weichen Nackenhaut ansetzen. Indem letztere, im Stadium 1 auftretenden Beziehungen bereits an dieser Stelle verwertet werden, gelangt man zu folgender Übersicht sämtlicher, dorso ventraler Muskeln (vgl. hierzu 1905, Anm. 7 auf S. 517): 572 Friedrich Voss, Schema für die Symmetrie der kinematischen Beziehungen der dorsoventralen Halshautmiiskulatur im Stadium 1. occiput Isackenfalte vordere hintere Tentorium 1 0 fehlt fehlt 1 Vordere Kehlplatte i J 2d{^o) vgl. 2a 1 fehlt J Hintere Kehlplatte « vorn : 2 c {=y) 2 a 1 0 ism 2 » » » hinten: 2b (= ß) 2a 2 U ism I est, Coxosternum des Pro- 0 idvm 2 0 idvm 2 0 idvm 1 1 2}m 17 thorax (Imago) (Stadium 1) Die rotatorisch-intersegmentale Bedeutung der Halshautregion hat demnach zu einer reichlichen Zerleo;ung sowohl intersegmentaler als auch segmentaler Dorsoventralmuskeln geführt. 2) Vergleich der Imago mit dem ersten Stadium. Die Unterschiede zwischen beiden Stadien beziehen sich auf Lage- verschiebungen und Größen Verschiedenheiten. Die neuen, vom Prosternum nach vorn gehenden, um- gekehrt intersegmentalen Dorsoventralmuskeln idvml + 2 (167, 168) sind im ersten Stadium bedeutend kräftiger entwickelt als in der Imago und stehen durch ihre Größenabnahme im Gegensatze zu sämtlichen übrigen dorsoventralen Muskeln der Halsregion, welche an Größe relativ gleich bleiben oder zunehmen und dadurch den Aus- fall an intersegmentaler Kraftwirkung ersetzen, welcher durch den Eückgang der intersegmentalen Dorsoventralmuskeln idvml + 2 ein- getreten ist. Dies ist wiederum ein Beispiel des Vicariierens von Muskeln innerhalb der nachembryonalen Metamorphose. Dadurch tritt eine besondere Bedeutung dieser intersegmentalen Dorsoventralmuskeln für den Übergangszustand des ersten Stadiums hervor, wohl im Zu- sammenhange mit dem Mechanismus der Nackenblase, der Embryonal- häutung und der endgültigen Formgebung des Normalzustandes. Dabei vermögen sie augenscheinhch mit den übrigen, an diesem Mechanis- men beteiligten vergänglichen Muskeln, den dorsalen Längsmuskeln speziell zusammenzuwirken. In welcher Weise dies geschieht, kann jedoch nur mit bedingter Sicherheit aus den Ansatz Verhältnissen ge- schlossen werden : Die tergalen Ansatzstellen der Muskeln im lateralen Bereiche der Nackenhaut scheinen geeignet zu sein, unter Sicherung der Beständigkeit der vorderen Nackenfalte durch den vorderen Inter- segmentalmuskel 0 idvm 2 (168) und unter Regulierung der seitlichen über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 573 Nackenblase durcli den Oidvml (167) das Auftreten der Nackenblase auf einen ganz bestimmten medialen Raum der Nackenhaut zu kon- zentrieren, wobei wahrscbeinlich auch ein Antagonismus zu den abdo- minalen Dorsoventralmuskeln in ähnlichem Sinne zur Geltung gelangt, wie bei den dorsalen Längsmuskeln. Sodann kann für die beiden Mus- keln eine besondere Bedeutung für; den Vorgang der ersten Häutung in der Hinsicht wahrscheinlich gemacht werden, daß sie eine den typisch intersegmentalen ^sm-Dorsöventralmuskeln ähnliche Funktion erfüllen, während es die Bestimmung der letzteren ist, erst im Normalzustande die rotatorischen" Bewegungserscheinungen einzu- leiten. Dadurch, daß im Normalzustande des Stadium 1 der vordere Nackenraum rückgebildet wird, und daß infolgedessen die vordere Nackenfalte in den Hinterhauptsring aufgeht,, setzt der vordere Inter- segmentalmuskel Oidvm2 in der Imago nicht mehr in der weichen Nackenfalte, sondern sekundär am festen Hinterhauptsringe an, ein Ansatzverhalten, welches den echten Dorsoventralmuskeln Odvm2b, 2c und 2d (172 — 174) schon im ersten Stadium zukommt. Die typischen intersegmentalen Dorsoventralmuskeln Oism und Oism2 (169, 170) machen die bereits seit der Betrachtung der prothoracalen dorsalen Längsmuskeln bekannten (S. 511, 523), tergalen Verschiebungen medianwärts mit. Sie werden ebenso wie die segmentalen Dorsoventralmuskeln kräftiger, etwa in dem Maße, als die vorgenannten Intersegmentalmuskeln idvm an Stärke abnehmen. Die segmentalen Dorsoventralmuskeln Odvm2a — d zeigen nur geringe Abweichungen von der Imago, indem für alle eine mehr oder minder deutliche Zunahme der relativen Stärke- verhältnisse beobachtet wurde, wodurch sie die Rückbildung der idvm ausgleichen helfen. Der erste dieser Muskeln 0 dvm 2al + 2 zeichnet sich im ersten Stadium durch seine weit nach hinten gerückte tergale Ansatzstelle aus. Ohne auf die unsichere spezielle Deutung seiner Funktion ein- zugehen — er nimmt in einer dem 0 idvm 2 ähnlichen Stellung Bezug auf die hintere Seitenwand des hinteren Nackenraumes — sei nur noch darauf verwiesen, daß diese und die beiden intersegmentalen Dorso- ventralmuskeln idvml + 2 im Stadium 1 die einzigen Dorsoventral- muskeln sind, welche in der weichen Nackenhaut ansetzen und bei gekreuztem Verlaufe wahrscheinlich in kinematischer Wechselbeziehung stehen. Daß sich diese Verhältnisse nachembryonal ändern, zeigt die 574 Friedi-ich Voss, Verlagerung des hinteien Odvm2a2 nach vorn an, dessen tergale Ansatz- stelle der des idvml in der Imago benachbart ist. Das Auftreten des zweiten Muskels Odvm2c in zwei getrennten Teilmuskeln kann nicht speziell gedeutet werden, hat aber Interesse dadurch, daß umgekehrt der im Stadium 1 einheitliche Odvm2b in der Imago eine Anlage zur Zweiteiligkeit zeigt. Beobachtungen innerhalb der Dorsoventralmuskulatur der Hals- haut, z. B. im Übergangszustand Nr. 7 bei den Muskeln Oidvm2 (168) und Odvm 2b (112), ferner auch bei den Muskeln Odvm2h (172) und Odvm2c (173) im Zusammenhang mit dem pathologischen Falle, welcher im Übergangszustande Nr. 9 in der rechtsseitigen Halshaut vorhegt (vgl. Bd. C, Taf. XIX, Fig. 5 — 11), zeigen einen Faserübertritt zwischen den genannten eng verwandten Muskeln. Diese Fälle legen die Vermutung nahe, daß es bei der Differenzie- rung dieser Muskeln aus einer gemeinsamen Masse noch nicht zur völligen Sonderung gekommen sei, welche sich erst im Laufe des späteren Lebens infolge der bestimmt gerichteten Funktionsansprüche immer schärfer vollzieht. Die Pleuralmuskulatur fehlt in der Halshaut vollständig, da sie weder durch die dorso ventralen Seitenmuskeln noch durch unterbrochene Seitenmuskeln vertreten ist. Denn der dorsale Längsmuskel des tergalen Seitenbezirks Odlmöa + b (1G6) nimmt, als am meisten lateral gelegener Muskel, den ganzen Seitenraum der Halshaut ein. Das Auftreten der seitlichen Dorso- ventralmuskeln sah man ja auch primär entweder an die seitliche Beinbewegung geknüpft — Beteiligung am lateralen Hüftrande — oder an den topographisch scharf ausgeprägten Gegensatz zwischen Tergit und Sternit, welcher im Abdomen bei weicher Flankenhaut mit der respiratorischen Funktion verbunden ist. Beides fehlt in der Hals- haut, zumal hier die tergale Region keine nennenswerte, bzw. einheit- liche chitinöse Verstärkung zeigt. Eine Rückbildung der pleuralen Region war ja auch bereits im Prothorax eingeleitet. Die steruale Muskulatur (vgl. 1905, S. 450) endlich zeigt in der Ausbildung der Muskeln der zweiten Maxille keine Unterschiede beider Stadien. Es sei ein gegenüber den Thoracalseg- menten bestehender Unterschied der zweiten Maxille für beide Stadien betont, der darin liegt, daß eine dorsoventrale Muskulatur sich an der Bewegung der Extremität nicht beteiligt. über den Tliorax von Grj^llus domesticus. V. 575 Die Transversnlmuskulatur tritt als eine ausschließlich dem Übergangszustande des ersten Stadiums angehörige Muskulatur in großer Massenentwicklung am Tentorium, Tm (178) und am Hinterhaupte, Cvn (177) auf. Sie verläuft diagonal von der einen Körperhälfte in die andre. Für ihre Auffassung muß auf einen ganz allgemeinen Vergleich mit den abdominalen rm (4, 21) hingewiesen werden. Die Muskeln gehen schon innerhalb des Stadium 1 völlig zugrunde. Mit dem Hin- weise auf die hinsichtlich ihrer Funktion im einzelnen bereits gegebene Darstellung; sei hier auf ihre Bedeutung für den Mechanismus der Nackenblase und für die Herstellung der Normallage der Teile des Tieres verwiesen. 3. Zusammenfassende Vergleichung der aus der Betrachtung der Halshaut im 1. Stadium gewonnenen Ergebnisse mit den imaginalen Zuständen hinsichtlich Skelet und Muskulatur. Für die Auffassung der Halshautregion haben sich demnach die bereits 1905 S. 453, unten und S. 454 befolgten Grundsätze auch gegenüber dem Befunde am Stadium 1 im wesentlichen bewährt. Die hauptsächlichsten Gesichtspunkte zur Beurteilung dieses sechsten Kopfsegmentes, des Segmentes der zweiten Maxille, beruhen auf fol- genden Zusammenhängen: 1. In der Ausgestaltung einer intersegmentalen ster- nalen Region zu vorherrschender Entfaltung und Bedeutung, d. i, der epimeral-sternalen Region, die dem prothoracalen Bereiche der unpaaren Apophyse, dem Sternellum durchaus gleichwertig ist. Die Kehlhaut der Halsregion ist demnach das Sternellum des zweiten Maxillensegmentes, unter besonderer Differenzierung der rotatorischen Muskulatur mit ihren Folgeerscheinungen hinsichtlich der Ausgestal- tung des Integuments: besonders hinsichtlich der Ausbildung von Skeletteilen nach Idnematischen Grundsätzen. 2) In dem bereits im Prothorax angebahnten Rück gange des episternalen Bezirks, welcher mit der Vorherrschaft der epimeralen Region zusammen geht und im Segment der zweiten Maxille noch weiter- geführt ist. Dabei führt die Hinzuziehung dieses bereits rückgebil- deten episternalen Bezirkes mit ihrer Extremität in den Segmentkom- plex der Kopfkapsel — unter dem Idnematischen Gesichtspunkte der Vereinigung der Mundteile zu einem räumlich konzentrierten Zu- sammenwirken — dazu, daß dieser episternale Bezirk in den Rahmen 576 Friedrich Voss, des Hinterhaupts eingeht. Spuren dieses Vorganges kann man im Stadium 1 noch erkennen in der selbständigen, aber schnell zugrunde gehenden dorsalen Längsmuskulatur OdlmOy (165) des vorderen Nackenraumes, in dessen Einbeziehung in den Eahmen des Hinter- hauptsringes, ferner in der damit zugleich erfolgten nachträglichen Ver- lagerung des intersegmentalen Dorsoventralmuskels Oidvm2 (128). Im Einklänge damit erscheint die segmentale Dorsoventralmuskulatur, welche hier der hinteren Gruppe der Dorsoventralmuskeln der Hinter- leibs- und Brustsegmente entspricht, selbständig neben der interseg- mentalen (vgl. Anm. 6). 3. In der reichlichen und mächtigen Entwicklung der inter- segmentalen Muskulatur, der gegenüber die segmentale bei dem Mangel der Bein-, Flügel- und Atemmechanismen zurücktritt. Denn selbst die Extremität ist durch Anschluß an die Kopfkapsel samt ihrer nur schwachen Muskulatur stark rückgebildet. Es bestätigt sich ganz besonders durch die Befunde am ersten Stadium, daß dement- sprechend die in Betracht kommenden Muskeln, wie es erwartet werden muß, entwickelt sind: a. Die ventralen Längsmuskeln in einer den imaginalen und denen der Thoracalsegmente gleichenden typischen Ausbildung; denn für diese Muskulatur ergeben sich wie beschrieben gegenüber der Imago die geringsten kinematischen Unterschiede. b. Die dorsalen Längsmuskeln, welche im Stadium 1 gegenüber der Imago in außerordentlich reicher Entfaltung auftreten, während sie in der Imago zum größten Teile zugrunde gegangen sind. c. Gemäß der rotatorisch intersegmentalen Mechanik die beson- dere Entfaltung der rotatorisch intersegmentalen Muskulatur, d. h. eine Zerlegung der intersegmentalen und segmentalen Dorsoventral- muskeln mit entsprechenden Skeletteilen, eine Zerlegung, welche die typischen intersegmentalen dorsoventralen ism, die umgekehrt inter- segmentalen idvm und die segmentaien Odvm2b und c betrifft. Hinsichtlich der intersegmentalen Beziehungen ergibt sich dabei ein Unterschied der beiden Stadien: Im Übergangszustande des ersten Stadiums tritt die rotatorische Funktion zurück, was sich in der geringen Entwicklung der intersegmentalen Oism und der segmentalen Odvm2a — c Dorso- ventralmuskeln zeigt, während die idvm in spezieller Beziehung zur Nackenblase mächtig entfaltet sind, zumal sie nicht ausschließlich rota- torisch wirken. Dafür sind im Übergangszustande des ersten Stadiums gegenüber der Imago drei besondere Mechanismen vorherrschend: über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 577 a. Der spezielle Mechanismus der Nackenblase, an wel- chem sich Muskeln mit mittelbarer und unmittelbarer Bedeutung be- teiligen. Für diesen Mechanismus kommen in der Halshaut sämtHche dorsalen Längsmuskeln (162, 165, 166: dlm5b), die Transversalmuskeln Cm, Tm, sowie die intersegmentalen Dorsoventralmuskeln Oidvml + 2 (167, 168) im allgemeinen, ferner die Spezialmuskeln der Nackenblase, die segmentalen dorsalen Längsmuskeln 0 dlm 0 {I6b) im besonderen in Betracht. Ihr auf diesen Mechanismus gerichtetes Zusammenwirken mit den thoracalen und abdominalen Muskeln wird im Zusammenhange an andrer Stelle dargestellt werden (vgl. S. 639ff). b. Der bei der ersten Häutung, der Embryonalhäutung tätige, hier mit ganz besonderen Kraftleistungen der typische und einfach- bzw. kurz-intersegmentalen Längsmuskeln verbundene Häu- tungsmechanismus, dem die vergänghchen dorsalen Längsmuskeln Odlmla (162) und 0 dlm 5h ganz besonders zu Hilfe kommen. c. Der danach auf die Herstellung des Normalzustandes des Stadium 1 gerichtete Mechanismus, welcher die Zusammenziehung und Verkürzung der Nackenhaut, die Einbeziehung der vorderen Nackenfalte in den Hinterhauptsring und den Untergang des vorderen Nackenraumes mit Verlagerung des vorderen intersegmentalen Dorso- ventralmuskels Oidvni2 (168) zur Folge hat, und für welchen neben den unter b genannten dorsalen Längsmuskeln besonders die mediale Gruppe der dorsalen Längsmuskeln OdlmOy (165) und die Transversal- muskeln der Cm-Gruppe (177) des Hinterhaupts, auch wohl die des Tentorium Tm (178) in Betracht kommen. Im Normalzustande des ersten Stadiums und fortab in der nachembryonalen Metamorphose fallen soeben genannte Mechanis- men fort bzw. sie treten zurück. Ganz in Wegfall kommt der Mechanismus der Nackenblase mit seinen Muskeln. Die Erhöhung und Lockerung des dorsal-intersegmen- talen Spielraumes hat gleichfalls den Fortfall der hinderlichen, einfach intersegmentalen dorsalen Längsmuskeln zur Folge, so daß die lang- und doppelt-intersegmentale Längsmuskulatur Odlml und 2 zur Vorherrschaft gelangt; gleichwie mit dem späteren Vorherrschen des rotatorischen Mechanismus die bereits vorhandenen typisch intersegmentalen Dorsoventralmuskeln kräftiger werden. Die pri' läre Organisationsgrundlage des Segmentes der zweiten Maxlle kommt durch die räumliche Entwicklung der Nacken- region im Übergangszustande des ersten Stadiums zum Ausdruck, zu- 578 Friedrich Voss, Über den Thorax von Gryllus domesticus. V. gleich mit dem typischen Auftreten der danach schnell zugrunde gehen- den primären Muskulatur. Dies zeigt, daß das Tergit primär in nor- maler Weise angelegt wird und alle Anteile enthält, welche — abgesehen von der Spezialmuskulatur der Nackenblase OdlmO (165) — einem typischen Segmente mit undifferenzierter echter Dorsoventralmusku- latur dvm zukommen; ein Zustand, den die abdominalen Segmente aufweisen. Dem entspricht neben dem embryonalen Auftreten des medianpaarigen Odlmla (162) besonders das typische Auftreten eines dorsalen Längsmuskels der tergalen Seitenregion Odlmöh (166). Durch den Wegfall der Muskeln und durch die nachembryonale Verkürzung des tergalen Raumes trägt die imaginale Halsregion den Charakter eines erheblich rückgebildeten Zustandes. Auch auf Grund der neuen Befunde im ersten Stadium erleiden die bei Besprechung der Imago 1905, S. 452 und 492, Abschnitt g gemachten Ausführungen keine Einschränkung. Der sogenannte »Microthorax« ist der epimeral-sternale Abschnitt eines vollwertigen Segmentes; er ist das Sternellum des Kopf- segmentes der zweiten Maxille. Göttingen, im Dezember 1911. über den Thorax von Gryllus domesticus. (Ein Beitrag zur Vergleichung der Anatomie und des Mechanismus des Insektenleibes, insbesondere des Flügels.) Fünfter Teil. Die nachembryonale Metamorphose im ersten Stadium. (Eine Untersuchimg über die Morphologie und Kinematik der Insekten- organisation in ihrem biologischen Zusammenhange.) (Zweite Fortsetzung. Schluß) i. Von Dr. Friedrich Voss (Göttingen). Mit Tafel XXV— XXIX. Inhaltsverzeichnis. Seite IV. Zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse über das Skelet und die Muskulatur 580 (Eine kinematisch-morphogeneische Betrachtung.) Tabellarische Zusammenstellung der einzelnen Muskeln nach den einzelnen Kategorien 580 . Zusammenfassende Übersicht über das Skelet und die Muskulatur nach den einzelnen Muskelkategorien 591 a. Die intersegmentale Längsmuskulatur. 1) Allgemeines 592 2) Die ventrale Längsmuskulatur 594 3) Die dorsale Längsmuskulatur 597 b. Die Dorsoventralmuskulatur 600 (Mittlere mediale innere echte Dorsoventralmuskulatur.) 1) Die intersegmentale Dorsoventralmuskulatur 601 2) Die segmentale Dorsoventralmuskulatur 602 c. Die Seitenmuskulatur, Pleuralmuskulatur 603 1) Dorsoventrale Seitenmuskulatur 606 2) Unterbrochene Seitenmuskeln. «. Allgemeines 610 ß. Sternalpleurale Seitenmuskeln 612 1 Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. C u. CI. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. . 38 580 Friedrich Voss, Seite y. Tergalpleiirale Seitenmuskeln 612 d'. Andre unterbrochene Seitenmuskeln 613 d. Intratergale Muskeln 613 e. Die Stigmenmuskulatur 610 f. Die sternale Muskulatur 617 g. Die Transversalmuskulatur 618 h. Andre Muskeln 618 3. Zusammenfassende Übersicht über das Skelet und die Muskulatur im Thorax und Abdomen nach den einzelnen Segmenten. I. Das Abdomen 619 II. Die Thoracalsegmente 621 a. Der Metathorax und der Mesothorax, die beiden flügeltragenden Segmente. 1) Allgemeine Übersicht 622 2) Die Morphologie des Flügels 623 3) Bemerkungen über die systematische Auffassung der Klasse der Pterygota 628 4) Die morphologische Auffassung der thoracalen Seiten wand. , . . 629 b. Der Prothorax 632 Die Morphologie des Halsschildseitenlappens und der sogenannte »Pro- thoracalflügel «. III. Das Segment der zweiten Maxille, die Halshaut 634 Anhang : V. Der Flügel und die Tracheenkieme 635 (Ein morphologischer Vergleich.) VI. Die Metamorphose von ör^/ZZwsc^omes^i CMS. . . . 639 Die Vorgänge bei dem Schlüpfen aus dem Ei und bei der Embryo- nalhäutung. VII. Schlußbemerkungen nebst einem Hinweis auf chordotonale Organe 650 VIII. Zusammenstellung einiger Ergebnisse 653 IV. Zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse über das Skelet und über die Muskulatur des Thorax und des vorderen Abdomen im Vergleiche der Image mit dem 1. Stadium. (Eine kinematisch-morphogenetische Betrachtung.) 1. Tabellarische Zusammenstellung der einzelnen Muskeln nach den einzelnen Kategorien. Hierzu die Tabellen I, Bd. C, S. 690, und II, S. 582—584 in Ver- bindung mit der schematischen Darstellung des Muskelverlaufes Schema I— VI, Taf. XXV— XXVII u. Bd. C, Taf. XXVII f. Die nachfolgende Übersicht entspricht der Einzelbeschreibuug ; sie bezweckt in Verbindung mit den genannten schematischen Darstellungen und Tabellen eine kurzgefaßte Erläuterung zu letzteren zu geben, über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 581 sowie eine Gesamtübersicht über die verschiedenartige Muskelverteilung in den einzelnen Segmenten und nach den einzelnen Kategorien. Dies soll nur in gekürzter Form geschehen: die eigentliche Aufgabe einer solchen Zusammenstellung wäre die, innerhalb der einzelnen Kategorien das Schicksal des einzelnen Muskels in allen Segmenten zu verfolgen und diesen selbst unter seiner vollständigen Bezeichnung und mit Angabe seines Verhaltens anzuführen: ^ 60(1905:49) ,. , ^ ,. , ,. . wie z. B. _„ ,,^^_. oAx Musculus dorsoventralis lateralis pri- 95(1905:80) ^ mus a, Idvmla, segmentaler episternaler dorsoventraler Seitenmuskel: Auf die Flügelbewegung bezogener Teilmuskel des Trochantin- Anteiles Idvnil in der vorderen, durch den primären ldvm4 repräsentierten, episternalen Gruppe der dorso ventralen Seitenniusku- latur; sekundär und nur in den flügeltragenden Segmenten vorhanden, nachembryonal besonders im Metathorax an Stärke und Selbständig- keit der Differenzierung zunehmend. Allgemeine Funktion: Flügel- senker, Spezialf unktion : (Extensor) expansor alae. Eine derartige Zusammenstellung, welche in knapper Fassung der Eigenschaft und dem spezifischen Verhalten eines jeden Muskels ge- recht wird, würde u. a. besonders auf die strenge Durchführung einer prägnanten Doppelbezeichnung des Muskels in topographischem und funktionellem Sinne zu achten haben i. Ich beschränke mich in der nachfolgenden Übersicht auf eine nur allgemeine Charakterisierung der Kategorien und verweise auf die in den Tabellen befindliche laufende Nummer des Muskels und auf den beschreibenden Teil. Es sind in den untersuchten Segmenten einschließlich vom vierten Hinterleibssegmente bis zum Segment der zweiten Maxille, der Hals- haut 198 Muskeln in jeder Symmetriehälfte des Körpers beobachtet worden, das sind insgesamt 396 Muskeln der larvalen und imaginalen Stadien; dazu kommt die Muskulatur des Rückengefäßes. Die Muskeln verteilen sich über die Segmente folgendermaßen: In den vier vorderen Abdominalsegmenten: Im vierten Abdominalsegment im ersten Stadium:16 (bzw. 17, vgl. den stm); in der Imago: 13 (bzw. 14); demnach fallen der nach- embryonalen Rückbildung drei Muskeln anheim. Im dritten Abdominalsegment im ersten Stadium: 17 (bzw. 1 Leider hat Bauer in seiner Darstellung der Muskulatur von Dytiscus, Zeitschr. f. wiss. ZooL, Bd. XCV, sich auf die funktionelle Bezeichnungsweise beschränkt. 38* 582 Friedricli Voss, Ö o > 'S ^" •■ .- r tß o o 85 "^ 'S '^ M ^ "w -f^ ^S g ^ '^ -" g C Ä i^ J ^ :S bc CO _^ ^ "" ^ 2 ö S I 3° ^ p, ^ ~i <ü <5 g g ^-^^ "• ce ^ * '^3 >-| c fc! "^ ■S ^ -^ " G -^ 'S . 'S fcc a n3 bü C c (1) a ■2 J -*-' r— ^ a ^ 2 "P rt P fi g" ^ s a o ^ © a -TS CS ^ S3 g . .2 ^ % ^2 ^ '^ .£ ^ ^ > Pm M 05 '-^ 'T3 '^ "H ^ «^ -^ S « bß '7^ n-l '^ .•4^ _« a -^ O T^ )^ -^ rn ö ,ce O ^ O .^ I ^ O ü _; - ^ S '^ bC ° a ^ pH S _ <» 'S ö ^ ^ a -^ bc 5 s bC CO 4) O 5 -« ^ a k ö i-rj O (1, O a g - -5 a 4i o = 3 a N .2 SP -°" a -„ .2 W T3 PQ - ^ m 05 S bc ;ä -^ »^d -r « Ö^ + 8 8 +^ ■ß '5 -^ ^ '»l « S o3 e S Ml . 's 'S Nil 'S J 'S 1 1 1 Jo OO OO © + © 0 13 ^ , ^ . cg ^CMo ^ ^ C0 05 o^ 00 lOiO COOß CO l-S g^ OO Tin 1—1 1— tH, "" J'^ ""^ f^ -a "© "^ ••5i 4- + + Aä e OO e-^ Ö e e QO CO CO o >s C\i Ci^ S S S ^ ^ ^ g s s s ^ ^ CO""* S OO OO JJ ^ ■^ "? ~ 1 1^ Td-rL '^ t 1 1 o 1^ ^^•^H ►^ K^^ C5"Oi^ (N CO ^ioco (M (M (M »-I CM (M CM CV] ~|C\J + ^ s s Co ^ o g 1 1 1 1 ^^ 1 1 1 s 1 1 o 1 1 1 1 tila 1 1 1 1^ 1-^ ' S K^,^ i^ CMCÖ" ►^ 1^ <5.ao. C30 V— t ^ 10 I>C» CO 90 CO — - ^"^ ' — • — ■ 03 CO + CO "* o s s s s 1?* c^ ^ 1 1 1 1 -S ?^ ■^ '^ 1 rt •§ 's "a 1 1 1 1 ■tt^ '^ '^ 1 © lr~i fc^ S Si*^ ►-x N s t-H ""N H S ►>, H i-H --1 •»(►-( K^ K^ i> 00 Ci 0 rH ■^ ■5^^ 10 0 — ■ — ■ ^ ^ T~H CM 1 'O Ca -^ 1»H ^^ c -*^ ^ g 'O to Ö 's e 1 1 1 1 ^ . c 1^ •^ ►5 ►^ ^- cö~ ^ in CO, öo CO. CO, CO . i siiras gniiq; u[a:>[si lusSnii'' [ a [tM^ng A ' 911! s.ioa. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 583 ^2-^3, CVl J\) + + dvm 1 dvm 2 sm sm 2 1 1 1 1 s S S s 1 1 i 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 '^ 'fSt "^ '«SA =i,S> g S ' ' 1 l 1 1 1 1 1 1 1 1 oooo l>00 Ä'o O «D CO C~ tH 1—1 i-H tH 1> [>. o i>. '»s .T" ^ -^ 4- ^ _j_V "ö -^f^ ^«"ö ^ lO Oq CO +00 <^'^'*^'^ «rvi co'<^i Co "^ Co ism 1 i, 1-2 1 1^^^ Idvm (pm Idvm (pm Ipm Idvm (pm Idvm (pm 10 ^~H •-i ^ ' 1^ »^ '>-< ^ ^ CD >^ ^ • C ' ' '-H^ , , ^ , . , , — , — ^ ^ - — 'j^t^ , ^ ^ ^ , ^ , — ^ o T-H (M CO '^ lO «o c- S 00 Ci 0 [>00 CO cc CO CO CO CO eo CO ^ CO CO •gi ■^ -^ ti Tl ti 'Ti ~' 1— l-^_ tH T-H ti "^ >_ ^_- ^_- .-^ :i+ + ■. • . -0 + ö ~a 0 "^ «i '-( --^.S O] co^ CV]^ »o »0 >0 "O lO S g S S S s^ a, ?!, Ö, S4, K^ T-^ K-H K^ K«| CS 1 ll 1 dvm dvm dvm. fehlt s g s dvm (pm Idvm (pm 'dvm fehlt 1^1 ^-t fc^ •'S >--i •>«< i2 ;2!2 5 Co t3 " , ^ , ^ , , , ^ , ^-^ ^ ^ 0 «D t>- C5 GOO •H oicn ■^ lO CO l> CO 05 0 ^ <» 00 00 00 05 05^ 55-^ C^ C^ G^ C^ 0^ <^ I-H 0 T-H, »O + »-^ CO "O ^ ^^ Ö "O ü CO s s s 1 11 -^ («ö 1^ llgl Uli III ( III c lg' 'Sä' K^ »^ l«^ K»; ^ ShEhS, 1 1 1 1 1 K^ >-5 k-^ »^ C3 ►»( '"^ l-"! (M CO-rKlO eo~ i>^(» c:! fq !q s; 1^ , , Ä '5,in.io, O Ä^ . ^ , ^ ^ ^ CT5 O I-H <>] iO_ O CO, «o. 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Insgesamt treten in den genannten Segmenten demnach im ersten Stadium 62 (bzw. 63) und in der Imago 51 (bzw. 52) Muskeln auf. Es fallen elf Muskeln der nachembryonalen Rückbildung anheim: indem acht Muskeln edvm gänzlich verschwinden und drei Muskeln dlmö nach dem Fortfall der letzteren zu der Masse dlml — 5 vereinigt werden. Im ersten Stadium sind 13 Muskeln kräftiger und 10 Muskeln schwächer ausgebildet als in der Imago. Über die Änderungen in den Stärkeverhältnissen im einzelnen vgl. Bd. C, S. 691. Im Metathorax: Im ersten Stadium 34 und in der Imago 35 Muskeln. Es tritt durch Teilfaserbildung pml 2a' (71) eine nachembryonale Zunahme um einen Muskel ein, eine nachembryonale Rückbildung findet nicht statt. Im ersten Stadium sind fünf Muskeln kräftiger, elf Muskeln schwä- cher als in der Imago. Im Mesothorax: Im ersten Stadium: 35 und in der Imago 39 Muskeln. Eine schein- bare nachembryonale Abnahme der Muskelzahl tritt ein durch die imaginale Vereinigung der beiden dvmS + 4 mit dem dvm2 ; eine Zu- nahme um sechs Muskeln tritt durch neues Auftreten von Muskeln bzw. infolge Teilfaserbildung ein. Im ersten Stadium sind fünf Muskeln als kräftiger und zehn Muskeln als schwächer nachgewiesen gegen- über der Imago. Im Prothorax: Im ersten Stadium 39 Muskeln; (ferner können hier noch drei dorsale Längsmuskeln genannt werden, welche jedoch bei der Hals- haut aufgeführt werden müssen). In der Imago: 38 Muskeln. Es tritt eine nachembryonale Zahlenabnahme um einen Muskel vlm8 ein und keine Zunahme der Muskelzahl. Im ersten Stadium sind acht Muskeln stärker und drei Muskeln schwächer entwickelt als in der Imago. 586 Friedrich Voss, In der Halshaut, im Segment der zweiten Maxilie. Im ersten Stadium 21 Muskeln, gegenüber 17 in der Imago. Es erfolgt eine nachembryonale Abnahme der Zahl um vier Muskeln Tm, Cm, dlmO und 1, eine zahlenmäßige Zunahme der Muskulatur erfolgt nicht. Außer den genannten Muskeln gehen noch zwei gesondert auf- tretende Teilmuskeln zugrunde, dlmöh und dlmla. Im Stadium 1 sind zwei Muskeln kräftiger, vier oder fünf Muskeln hingegen schwächer entwickelt als in der Imago. Übersichtstabelle über die Zahlenverhältnisse in der Muskelverteilung nach Segmenten und Stadien. Stadium 1 Nachembryonale Imago Zunahme + Abnahme Die 4 vorderen Abdominal- segmente IVa — Ia Metathorax, III Ilesothorax, II Prothorax, I Salshaut, 0 (2. Maxillen- segment) Gesamtzahl 62 34 35 39 21 51 35 39 38 17 + 1 + 6 — 11 — 2 — 1 191 180 ^ 7 ! — 18 + 191 1 180 198 1 198 Für die Gesamtorganisation der Grille kommen also in jeder Symmetriehälfte des Körpers in den untersuchten Segmenten 198 Mus- keln in Betracht, von denen 191 dem Stadium 1, hingegen 180 der Imago eigentümlich sind; dabei entspricht der Zunahme um sieben Muskeln eine Abnahme um 18 Muskeln. Daß die Zählung der Muskeln in gewissem Sinne eine willkürliche bleiben muß, wurde bereits auf S. 619, Bd. C (vgl. S. 559) betont; so könnte die Zahl der zugrunde gehenden Muskeln leicht erhöht werden. Die Ziffer 198 stimmt, mit der Ziffer 178 der laufenden Nummer im beschrei- benden Teil nicht überein ; der Unterschied beruht auf der nicht besonderen Zählung des vierten Abdominalsegments, wodurch sich die Zahl auf 194 erhöht, und auf der nachträglichen Einfügung, sowie auf der Doppelwertigkeit einzelner Muskeln. Mit Ausschluß des vierten Abdominalsegmentes werden also 182 Muskeln jeder- seits gezählt, nicht 178 wie im Vortrag Basel, zit. S. 597, Bd. C, angegeben. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 587 Übersicht nach den Muskelkategorien. Die ventrale Längsmaskalatnr. Musculi ventrales im Abdomen, M. ventrales cephalosterni in der Halshaut, M. metasterni usw. im Thorax. Im Abdomen typisch erhalten. Nur im Prothorax in reichster und zwar vollständiger Differenzierung. Medianpaarige Untergruppe oder medianseitiger Komplex. Einheitlich vlml im Abdomen; mehrfach differenziert vlml — 3 und vlm8 im Thorax und in der Halshaut. Im Metathorax mit mehrfach intersegmentalem Anteil ivlml. Im Prothorax mit dem vergänglichen coxosternalen Anteil vlm8. Im Thorax mit dem Hüft- und Trochantin- Anteil vlm2a + b. Lateralpaarige Untergruppe oder lateralseitiger Komplex: vlm2 + 5 im Abdomen, vhn4 + 5 im Thorax und in der Halshaut. Im Abdomen mit doppelt intersegmentalem Anteil ivlmS. Im Prothorax mit Spezialanteilen vlmß u. 7. Die dorsale Liingsmuskulatar. Musculi dorsales im Abdomen, M. dorsales cephalonoti in der Halshaut, pronoti usw. Typisch nur im Abdomen und zwar im Übergangszustande des Stadium 1 erhalten. a) Mediale Gruppe dlml — 4\ Medianpaarige Untergruppe oder medianseitiger Komplex, dlml — 2. In den flügeltragenden Segmenten — dlml im Metathorax — den indirekt wirkenden Flügelsenker entwickelnd. In der Halshaut und im Prothorax in reichlicher Spezialdifferen- zierung von zum größten Teile vergänglichem Charakter. Lateralpaarige, seitlich-dorsale Untergruppe oder lateralseitiger Komplex, dlmS — 4. Im Thorax als Anteile der Präsegmentallamelle : dlmS, nach vorn zu immer mehr differenziert, dhn4 nach vorn zu immer mehr rück- gebildet. In der Halshaut beide nicht vorhanden. b) Laterale Gruppe dlm5. Musculus dorsalis lateralis, dorsaler Längsmuskel des pleuro-tergalen Seitenbezirks der tergalen Region. Im Abdomen einheitlich. 588 Friedrich Voss, Im Thorax nicht vorhanden. In der Halshaut zweiteilig und zum Teil vergänglich. Die Dorsoveutralmnskulatnr. Mittlere, mediale, medianseitige, innere, echte Dorsoventralmuskeln; Musculi dorsoventrales. a) Intersegmentale Gruppe. Musculi dorsoventrales intersegmentales ism, idvm. Im Abdomen nicht vorhanden. Im Thorax einheitlich. In der Halshaut zahlreich differenziert. b) Gruppe des vorderen medialen Dorsoventralmuskels, dvml, edvml. Im Abdomen einheitlich und vergänglich. Im Thorax reichlich entwickelt: Trochanteranteil dvmo, primärer Beinmuskel, zugleich Flügel- heber. Hüftanteile: dvmö, primärer Stamm-Muskel als Beinmuskel, mit nicht ausgeschlossener Nebenfunktion als Flügelheber. dvml, wohl als sekundärer Beinmuskel. (NB. Hierüber kann noch nichts Endgültiges gesagt werden. Vgh S. 744, 798, 802, Bd. C u. 1905, S. 394. 461, 472 ff.) Coxosternaler Anteil, dvm7, nur imaginal im Mesothorax und sekundär. NB. Bei den Insekten mit indirekter Flugmechanik der haupt- sächliche, mächtig entwickelte Flügelheber. In der Halshaut fehlt die vordere Gruppe. c) Gruppe des hinteren medialen Dorsoventralmuskels dvni2, edvm2. Im Abdomen einheitlich und vergänglich. Im Thorax reichhch entwickelt: Trochanteranteil dvmS, primär und nur im Prothorax ent- wickelt. Hüftanteile: dvm2, primärer Hüftmuskel, dvmS + 4 sekundäre Teilmuskeln des Hüftanteiles als Flügelheber. In der Halshaut in Analogie zur intersegmentalen Gruppe nach über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 589 der Regel der äquivalenten Beteiligung (vgl. S. 657 u. Bd. C, S. 770) in reichlicher sekundärer Spezialdifferenzierung auftretend. Die Seitenmuskulatur. DorsoTentrale lange Seitenmaskelu, seitliche, laterale, lateralseitige, äußere Dorsoventralmuskeln, Musculi dorsoventrales laterales, Idvm ; intersegmentale Anteile kommen nicht vor. In der Halshaut nicht vorhanden. a) Gruppe des vorderen^ episternalen dorsoventralen Seitenmuskels (lateralen Dorsoventralmuskels) Idvmd. Im Abdomen einheitlich, fehlt im ersten Abdominalsegment. Im Thorax reichlich entwickelt: Trochanteranteil IdvmS, primärer Beinmuskel, zugleich als Hilfsmuskel, Fiügelsenker, bei der Flügelbewegung, Hüftanteil: Idvmd, primärer Stamm-Muskel als Beinmuskel. Trochantinanteile: Idvml als sekundärer Beinmuskel; Idvmla, Teilmuskel des Trochantinanteiles als sekundärer Flügelsenker. Coxosternaler Anteil: Idvmld, sekundärer Flügelmuskel, nur imaginal und im Mesothorax. b) Gruppe des hinteren, epimeralen, dorsoventralen Seiten- muskels (seitlichen Dorsoventralmuskels) ldvm2, primär. Im Abdomen einheitlich. In den flügeltragenden Thoracalsegmenten einheitlich als Hüft- muskel und zugleich als Flügelsenker. Nur im Prothorax mit dem primären Trochanteranteil ldvm2a. Unterbrochene sternalplenrale und tergalpleurale Seitenmnskeln. Kurze Flankenmuskeln, Musculi laterales, pm. In der Hals- haut nicht vorhanden. Sternalpleuraler Muskel nur vorn, d. h. episternal entwickelt, im Abdomen pml und 2 und im Thorax pm5; in beiden Segmentkomplexen je in spezifischer Diffe- renzierung. Im Prothorax einheitlich, im Mesothorax besonders reich- lich differenziert: pm5a primärer Hüftanteil, pm5b u. c sekundäre Trochantin- anteile; pm5d u. e sekundäre coxosternale Anteile. Sternalplenrale Stigmenmuskulatur, Musculi laterales stig- matici usw. stm, pstm im Abdomen und im Thorax mit verschiedenem, aber analogem Verhalten. 590 Friedrich Voss, Tergalpleurale Muskulatur, nur im hinteren, epimeralen Seitenbezirk entwickelt, im Abdomen und Thorax in fast homologer Anlage auftretend. Segmentaler Anteil: im Abdomen firii bzw. im Thorax 'pm7 von primärem Charakter, fehlt im ersten Abdominalsegment und im Prothorax, Intersegmentaler Anteil i'pmß von primärem und abdominalem Charakter, im Thorax nur metathoracal beobachtet. Intratergale Mnsknlatar. Musculi laterales intratergales fm9 — 13, im pleurotergalen Seiten- bezirk der tergalen Region ; nur im Thorax vorhanden. In den flügel- tragenden Segmenten vollständig und gleichartig entwickelt, im Pro- thorax teilweise rückgebildet. Spezialmuskulatur von tergalpleuralem Verhalten ist im Prothorax entwickelt 'p^n (bzw. Um, hsm) 15 — 18, in den flügeltragenden Segmenten vmS. Echter Stig-menmuskel. Musculus lateralis peritrematis, stim, einheitlich und nur im Ab- domen entwickelt. Die sternale Masknlatar. Musculi Sternales, Sternalmuskeln, im Abdomen Bd. C, S. 693 f. als ventrales transversi, Quermuskeln, rm, einheitlich; im Thorax in der Quere vmd mehrfach der Länge nach zerlegt und meist als pedales, bm, Beinmuskeln oder mit Spezialfunktionen betraut srm, zm^, ifm auftretend. Vordere Gruppe des hml im Thorax. Hüftanteile: äußerer hml primär, innerer hm3 sekundär. Trochanteranteil: hm4 primär, in der Halshaut als einziger Anteil reichlich differenziert. Chordotonaler Anteil^: srm8. Hintere Gruppe des hm2 im Thorax, in der Halshaut nicht entwickelt. Hüftanteile: äußere hm2 primär und hm5 sekundär, innerer hm6 sekundär. Anteil der unpaaren Apophyse hm7 sekundär. — » 1 Über den sternalpleuralen Charakter des zm vgl. Anmerkung 7. S. 677. 2 Vgl. hierzu Bd. C, S. 498 ff. über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 591 Die Transversalmnskulatur nur in der Halshaut entwickelt und vergänglich. Eine in vorstehendem Sinne durchgeführte, die Individualität des Teilmuskels innerhalb einer Kategorie und deren Gruppen berück- sichtigende tabellarische Vergleichung kann innerhalb einer bestimmten Tierart unschwer durchgeführt werden und als Endergebnis einer morphobiologischen Auswertung anatomischer Befunde gedacht wer- den. Erst dadurch ist man imstande, in die feineren Wechselbezie- hungen morphologischer und kinematischer Bedingungen einzudringen. Ein Endziel besteht darin, diese Übersicht nicht nur innerhalb einer Ordnung anzustellen, sondern über sämtliche Insektenordnungen aus- zudehnen: Bei dem Versuche, der Existenz eines einzigen Teil- muskels in allen Entwicklungsstadien in allen Segmenten^ bei Vertretern aller Ordnungen nachzugehen, wird man unter Berücksichtigung allgemeiner und biologischer Gesichtspunkte über die Beziehungen des Auftretens, des Zugrundegehens, der Zerlegung, der Zunahme oder Abnahme in den Stärkeverhältnissen, der Ver- lagerung, der funktionellen Aufgaben, über die morphologische und historische Bewertung eines Muskels Aufschluß erhalten. Man wird, wenn man auf solche Weise von primären Organisationstypen ausgeht und die Umwandlungen schrittweise verfolgt, zum Verständnis der Organisation auch jener einseitig und hochspezialisierten holometa- bolen Typen gelangen, welche am jenseitigen entfernten Ende einer langen Entwicklungsreihe stehen, und bei denen als caenogenetisch bezeichnete Vorgänge vieles in der Organisation verwischt und un- verständhch gemacht haben (vgl. Bd. C, S. 594, 597 ff., 755 f.). 2. Zusammenfassende Übersicht über das Skelet und die Muskulatur nach den einzelnen Muskelkategorien. (Vgl. 1905, S. 458, Abschn. G a.) Die Zusammenfassung der bisher je für ein einzelnes Segment im Zusammenhange betrachteten Muskelverteilung nach allgemeinen Ge- sichtspunkten hat es zunächst mit einem Versuche der einheitlichen Auffassung je einer Kategorie und der Deutung ihrer Einzeldifferen- zierung zu tun (vgl. die einleitenden Bemerkungen vor den Einzel- beschreibungen S. 636 ff., Bd. C, die Zusammenfassung der Kategorien nach den einzelnen Segmenten (S. 702, 739, 472, 520, 575), ferner die 1905 bei der Darstellung der Imago gegebenen Betrachtungen. Bei dem Vergleiche mit letzterer wird sich aus den Änderungen 592 Friedrich Voss, zeigen, in wie hohem Maße das Studium der larvalen Muskelverteilung im ersten Stadium zur klaren Auffassung von der morphologisch- kinematischen Ausbildung der Muskulatur beigetragen hat, von Ver- hältnissen, die sich ohne die notwendige Voraussetzung gerade des Übergangszustandes des ersten Stadiums, also ohne die Grundlage embryonaler Charaktere, garnicht klären lassen, da letztere aus kine- matischen Gründen nachembryonal verschwinden. Die nachfolgende Zusammenstellung wird es daher in viel höherem Maße mit sicher gestellten, noch weniger spekulativen und hypothetischen Ergebnissen zu tun haben, als sie es auf Grund der Befunde allein an der Imago für einen Teil der Fragen imstande war. Als wesentlich veränderte Tatsachen in morphologischer Rich- tung treten hierbei auf : die Auffassung von der speziellen Ausgestaltung der dorsalen Längsmuskulatur, die Ansichten über die Kategorien der Seitenmuskulatur, ferner die Beziehungen der letzteren, insbesondere der lateralen Dorsoventralmuskeln zur medialen Dorso Ventralmuskulatur. a) Die intersegmentale Längsmuskulatur. (Vgl. 1905, S. 458.) 1. Allgemeines. Wir knüpfen an die aus dem imaginalen Befunde heraus entwickelte Übersicht an. Rückgang und Erhöhung der intersegmentalen Mechanismen. Der Vergleich der Imago mit dem ersten Stadium hat in der Tat gezeigt, daß die intersegmentalen Mechanismen im ersten Stadium gegenüber der Imago vorherrschen, daß also im fertig ausgebildeten, geflügelten Zustande eine Konzentration der Segmente unter dem Einflüsse der Flügelmechanik erfolgt. Dies zeigt sich ganz allgemein darin, 1) daß einige intersegmentale Längsmuskeln beider Kategorien schwinden oder an Stärke abnehmen, 2) daß eine Zunahme des gekreuzten Verlaufs der Fasern eintritt, also eine geringe Lage Verschiebung innerhalb der Teilmuskeln und Teilbündel während der nachembryonalen Metamorphose. Es wurde bei verschiedenen Gelegenheiten betont, daß der gekreuzte Faserver- lauf ungeachtet dessen, daß er eine gewisse Bewegungsmöglichkeit zuläßt, den freien intersegmentalen Spielraum beschränkt und die Stetigkeit der gegenseitigen Lagebeziehungen zwischen den Segmenten erhöht (S. 464, 486, 510f., 563; vgl. 1905, S. 501; Anm. 19, S. 520). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 593 So trifft man demnach einerseits in den Thoracalsegmenten vom Mesothorax bis zum ersten Abdominalsegment auf eine nachembryo- nale Erhöhung der intersegmentalen Festigkeit, die als ein Vorläufer der Bildung von Segmentkomplexen [vgl, hierzu die Muskelverbindung zwischen Gabelapophyse und Apodem durch den Gabelseitenmuskel zm (78, 116, 155)] aufgefaßt werden kann. Anderseits zeigt es sich, daß in den Bezirken mit erhöhter inter- segmentaler BewegHchkeit, wie sie die Halshaut und das vordere Abdomen in der Übergangszone zwischen dem ersten und zweiten Abdominalsegment sind, diese Erhöhung und Lockerung der interseg- mentalen Kinematik noch nachembryonal zu weiterer und endgültiger Ausgestaltung kommen. Das sind Vorgänge, die man mit dem Unter- gange dorsaler Längsmuskeln im zweiten Maxillensegment und im Pronotum beginnen, bzw. im letzteren zudem an Lageverschiebungen der seitlich dorsalen Längsmuskeln anknüpfen sieht. Als charakteristische Merkmale dieser erhöhten intersegmentalen Kinematik darf man nennen: Mediane Konzentration von Längsmus- keln, wenigstens an einem ihrer Endbezirke (vgl. die Längsmuskeln Odlml + 2, 163, 164 und Idlm3a + 3h, 128, 129), das Zusammenrücken also der bilateralen Anteile unter Rückgang der beiderseitigen lateralen Verbindung der Segmente, welche eine solche Beweglichkeit stören würde ; die Längenzunahme einfach intersegmentaler Längsmuskeln [vgl. z. B. Odlml, dessen kurzer Teilmuskel, der Ast Odlmla (163) zugrunde geht] und das Auftreten doppelt intersegmentaler Längsmuskeln, so- genannter Brückenmuskeln im Nackenraume und im ventralen Ab- domen; schließlich das Fehlen des gekreuzten Faser Verlaufs. Daß die intersegmentale Kinematik durch das Eingreifen rota- torischer Teilmechanismen in Anknüpfung an Transversalmuskeln, wie den ventralen Längsmuskel Ovlm2a + b (158) und an die Dorsoventral- muskulatur, ferner durch Spezialfunktionen wie den Mechanismus der Nackenblase in gewissen Richtungen vermehrt, bzw. ausgestaltet wer- den kann, zeigt die Betrachtung der einzelnen Kategorien. Der Über- gangszustand des ersten Stadiums zeigt also die besprochenen Gegen- sätze der intersegmentalen Beziehungen in den beiden divergenten Körperregionen noch nicht so scharf durchgeführt, wie in der Imago unter der besonderen Form, daß die kinematische Ausgestaltung — wie sie erst nachembryonal zur völligen Herrschaft gelangt — die mor- phologische Grundlage noch nicht so sehr umgestaltet hat, als dies in späteren Zuständen und Stadien der Fall ist. 594 Friedrich Voss, Häutungen, Sehen wir aber einmal von dem Ausgangspunkte unsrer Betrachtung, der intersegmentalen Konzentration, bzw. Lockerung ab, so wirkt ein weiterer Unterschied in den intersegmentalen Beziehungen der Segmente auf die Muskulatur umgestaltend zurück. Es ist der verschiedene Grad der intersegmentalen Kraftwirkung, welcher bei der Embryonalhäutung einerseits, den nachembryonalen Häutungen anderseits beansprucht wird. Die Embryonalhäutung, in welcher das Tier unter Überwindung der einer Häutung nicht günstigen Gliederstellungen der Embryonal- lage ohne äußere Hilfsmittel allein auf die Wirkungen der interseg- mentalen Kräfte angewiesen ist, — es sei denn, daß die Eischale, inner- halb welcher das Embryonalhäutchen in der Eegel verbleibt, diese Haut zurücldiält — geht unter viel größerer Kraftentfaltung vor sich, als die späteren nachembryonalen Häutungen. Es ist dies ein Unter- schied, mit welchem die Abnahme der Stärkeverhältnisse innerhalb der intersegmentalen Muskulatur — auch der dorsoventralen — in den nachembryonalen Stadien gegenüber dem Übergangszustande des ersten Stadiums zusammenhängt. Ein weiterer Gesichtspunkt von großer Bedeutung hinsichtlich des Verhaltens der intersegmentalen Muskeln knüpft sich an die Natur der Beziehungen zwischen der segmentalen und der intersegmentalen Mechanik. In dieser Hinsicht bietet der Tergalbezirk mit der segmen- talen Flügelkinematik und die sternale Eegion mit der segmentalen Beinmechanik Analoges, was im einzelnen später ausgeführt wird. Nach diesen Voraussetzungen treten wir an die Betrachtung der beiden Kategorien heran. 2. Die ventrale Längsmnskiilatnr. (Vgl. 1905, S. 458, ahc.) Sie tritt innerhalb der medialen Dorsoventralmuskulatur auf und verläuft im Thorax oberhalb der sternalen Muskeln hm, im Abdomen unterhalb der Quermuskulatur rm. Eine ventrale Längsmusku- latur eines lateralen Seitenbezirkes wie im Tergit gibt es also nicht, da die Sternalplatten unter geringer Entfaltung der Seiten- teile keine bedeutende Breite besitzen, S. 564, u. Bd. C, S. 740. Es läßt sich aber ein weiterer Grund von morphologischer Be- deutung dafür anführen, weshalb ein Längsmuskel des ventralen Seiten- bezirks fehlt. Dieser Grund ist das Ergebnis der Betrachtung, welche an die tergalen Bezirke und an die ausschließliche Innenstellung der medialen Dorsoventralmuskulatur hinsichtlich der Bein- über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. 595 und Flügelbewegung anknüpft (S. 601). Es ist nämlich offenbar, daß der im Tergit des zweiten Maxillensegmentes und in den Abdominalseg- menten vorhandene laterale dorsale Längsmuskel 5 in den Thoracal- segmenten infolge der tief greifenden Bedeutung fehlt, welche die Beinkinematik durch die Beanspruchung der tergalen Seitenteile für diese Segmente gewonnen hat. Insbesondere zeigen die flügeltragenden Segmente, daß der Raum des lateralen Tergits durch die Flügelanlage beansprucht ist; ein Gesichtspunkt, der auch bei der verwandtschaft- lichen Stellung des Prothorax zu den flügeltragenden Segmenten für den Prothorax gleichfalls nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Die laterale dorsale Längsmuskulatur fehlt also nur in diesen drei Seg- menten, für welche das Moment der Flügelentwicklung eine — phylo- genetisch gesprochen — durchaus sekundäre Bedeutung gegenüber dem des Beinbesitzes hat. Es ist also annehmbar, daß die mit der Entwicklung der Beine verlmüpften morphogene tischen Vorgänge von einer weit tiefer greifenden Bedeutung für die Umgestal- tung der sternalen Seitenteile sind als diejenigen der Flügel im tergalen Bezirke. Es ist demnach eine ventrale Längsmuskulatur des sternalen Seitenbezirkes um so weniger zu erwarten, um so mehr die Beine im phylogenetischen Sinne als ältere Bildungen angesehen werden müssen, und um so allgemeiner verbreitet man diese Organe am Körper der gegliederten Tiere, insbesondere der Gliederfüßler findet. Es ist hierfür von grundlegender Bedeutung, daß der Besitz von Abdominal- beinen für alle Insekten als 'ein primärer Charakter angenommen werden muß, da sich deren Anlage in irgendeiner Stufe der Entwicklung bei Insekten zeigt. Mit andern Worten : Die Ausgestaltung der Beine bean- sprucht in ähnlicher Weise sternal die sternalen Seitenteile — mit etwa vorhandener Muskulatur — wie es in den flügeltragenden Segmenten tergal unmittelbar durch die Flügel, wie es im Pronotum mittelbar durch diese, ferner unmittelbar durch die besondere Beinkinematik außerdem geschieht. Sie hat den Untergang des sternalen Seitenbezirks derart zur Folge, daß er auch bei sekundärer Rückbildung der Beine nicht wieder zur Entfaltung gelangt, vgl. S. 607 u. Bd. C, S. 774. In der Art ihres Auftretens nehmen daher die Beine in einer den Flügeln und der lateralen dorsalen Längsmuskulatur dlmo analogen Weise eine Zwischenstellung zwischen der medialen und lateralen Dorsoventralmuskulatur ein. Mit dem Fortfall der Beine in den Abdominalsegmenten ist eine Annäherung der beiden Kategorien dorsoventraler Muskeln gegeben mit dem Cha- rakter einer sekundären Erscheinung, da eine trennende, ventrale Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Cl. Bd. ,39 596 Friedrich Voss, Längsmuskulatur des sternalen Seitenbezirkes nicht (mehr?) vor- handen ist. Daß zudem in der tergalen Region die laterale dorsale Längsmuskulatur dlm5 außerhalb der Thoracalsegmente bestehen bleibt, entspricht der Unmöglichkeit, für die Abdominalsegmente und das zweite Maxillensegment Entwicklungsvorgänge anzunehmen, welche irgendwie auf die Anlage von Flügeln gerichtet sind; denn eine Um- gestaltung dieser Seitenteile ist auch phylogenetisch undenkbar. Die ventrale Längsmuskulatur zerfällt in eine mediane und laterale Gruppe, deren Zerlegung je in einzelne Muskeln in der Richtung von hinten nach vorn zunimmt und demnach im Prothorax am weitesten vorgeschritten ist, auch in der Kehlhautregion trotz der Rückbildungser- scheinungen in den nur wenigen gegenüber dem Prothorax noch erhalten gebliebenen Muskeln eine Steigerung erfährt. In der Halshaut ent- spricht die geringe Zahl der Muskeln der morphologischen Rückbildung dieses Bezirkes, die erhöhte Zerlegung der lateralen Muskeln aber den kinematischen Grundsätzen. Beide Gruppen folgen in den Thoracalsegmenten den als Apophysen bekannten Erhebungen des sternalen Skelets, wie 1905 bereits näher ausgeführt ist. Die mediane Gruppe bildet im Prosternum und im Metasternum je einen vlml (45, 119) aus, die beide im ersten Stadium — ersterer durch seine Zweiteiligkeit, letzterer durch sein allgemein primitives Verhalten — einen primären Zustand vorführen. Für den zweiten ventralen Längsmuskel vlm2 der Thoracalsegmente wurde die Beteiligung am Hüftrande und am Trochantin für beide Stadien festgestellt. Während die mediane Gruppe im Abdomen durch einen einzigen paarigen Muskel vertreten ist, vlml (1, 17, 33), tritt in den Thoracal- segmenten nach Maßgabe der hinteren Ansatzstellen eine stärkere Zerlegung ein, vlml — 3, welche im Mesothorax und besonders im Pro- thorax an die Beziehungen der unpaaren Apophyse zu benachbarten Skeletbezirken anknüpft. Im Prothorax findet man neben dem typischen vlml — 3 (119 — 121) in dieser Hinsicht noch die besonderen Teilmuskeln / vlm6 — 8 (124 bis 126), von denen der vlm8 schon im ersten Stadium zugrunde geht, da er der speziellen Embryonalkinematik angehört. Im Abdomen wird die erhöhte intersegmentale Kinematik durch das mehrfach intersegmentale Verhalten des metathoracalen /// vlml mit seinen Ästen veranschaulicht. Im Gegensatze zu den Thoracal- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 597 Segmenten geht in den Abdominalsegmenten mit der Erhöhung der intersegmentalen Kinematik jedoch keineswegs die Sonderung be- sonderer intersegmentaler Bezirke zusammen. Das ganze Segment hat dort in der Richtung der Längsachse eine ausschließlich inter- segmentale Mechanik, während sich letztere in den Thoracalsegmenten mit der segmentalen Kinematik der Beinmechanik in das Segment zu teilen hat, was zu dem bekannten Gebilde der unpaaren Apophyse und dem Auftreten eines Sternellum führt. Die laterale Gruppe ist im Abdomen durch den einheitlichen vlm2 (2, 18, 34) vertreten, welcher jedoch im zweiten Abdominalsegment den erhöhten inter- segmentalen Anforderungen durch einen doppelt intersegmentalen Muskel gerecht wird. Ihm entspricht im Thorax der vierte und fünfte Längsmuskel vlm4 + o, welcher in der Richtung nach vorn in den einzelnen Segmenten eine gesteigerte Zerlegung zeigt. Beide Gruppen zeigen im Imaginalstadium gegenüber der Ausbildung im Stadium 1 Unterschiede: Während die Muskeln im Abdomen im Übergangszustande des ersten Stadiums schwächer ausgebildet sind und dadurch in vikariierender Wechselbeziehung zur dorsoventralen Muskulatur, auch der seitlichen, zu stehen scheinen, sind im Thorax die Muskeln beider Gruppen im Stadium 1 teils kräftiger entwickelt — vlm2a + b — , teils stärker in Teilfasern zerlegt — vlm4 + 5 — . Ausnah- men machen einige kinematisch weniger bedeutende Muskeln der un- paaren Apophyse. Lageverschiebungen treten innerhalb der Muskeln nach Maßgabe der eingangs erwähnten Grundsätze auf. In der Zunahme besonders der abdominalen Muskeln ist also eine Faservermehrung durch nachembryonale Beanspruchung unver- kennbar, während die übrigen Unterschiede auf den Wechsel der Kraftwirkungen und Beziehungen bei den Häutungen zurückgeführt werden müssen. Auch lassen sich Beziehungen zur Beinmechanik wahr- scheinlich machen, anscheinend auch in dem Verhalten des vlm2a + h. 3. Die dorsale Längsinnsknlatar. Die durch die Untersuchung an der Imago gewonnenen Anschau- ungen sind durch die Befunde am ersten Stadium erheblich erweitert worden. Die dort bereits für den Thorax durchgeführte Unterscheidung 39* 598 Friedrich Voss, einer medialen, d. h. medianpaarigen Muskulatur von einer lateralen dorsalen Längsmuskulatur trifft auch im ersten Stadium zu und kann hier sogar auf die abdominale Längsmuskulatur übertragen werden. Diese Unterscheidung entspricht aber nicht der für das Abdomen 1905 bereits festgestellten und durch das Dazwischentreten eines intersegmentalen Dorsoventralmuskels /// ism (52) gekenn- zeichneten Unterscheidung einer lateralen Längsmuskulatur von einer medialen im ersten Abdominalsegment der Imago, worüber 1905 auch nichts Näheres ausgesagt werden konnte. In dem imaginalen lateralen dorsalen Längsmuskel dlniS {dlm2, 1905) des ersten Abdominalsegmentes aber liegt — abgesehen von dem Odlmöa (166) der Halshaut, dessen Deutung 1905 bei dem Mangel jeder Vergieichsgrundlage nicht möglich war — der einzige Hinweis auf die Grundlage jener bedeutsamen Muskel- verteilung, welche erst im Stadium 1 klar zutage tritt, d.h. die dor- sale Längsmuskulatur zerfällt prinzipiell in eine mediale Obergruppe diml — 4 und in eine laterale dlmo, letztere die Obergruppe des pleurotergalen Seitenbezirks der tergalen Region. Erstere, die mediale Gruppe, befindet sich medialsei tig, einwärts von der medialen Dorsoventralmuskulatur und innerhalb des Peri- cardialseptum, vgl. die Textfig. 27 u. 35, Bd. C, und die Angaben von Heymons (zit. Bd. C, S. 600) 1895, S. 68 und auf dessen Taf. XI, Fig. 88. Diese spezielle Lagebeziehung habe ich nicht im einzelnen verfolgt, doch ist es mit Sicherheit annehmbar, daß auch die lateral- paarige Untergruppe (innerhalb der medialen Obergruppe) dlmS + 4 in den Bereich des Pericardialraumes fällt. Die laterale Gruppe dlm5 liegt lateralseitig der medialen Dorsoventralmuskulatur edvm und dv7n, zwischen dieser und den dorsoventralen Seitenmuskeln Idvm und außerhalb des Pericardialseptum. In dieser typischen Anordnung tritt sie im Übergangszustande des ersten Stadiums in den betreffen- den Segmenten auf und zwar in einer ziemlich gleichartigen, durch den Charakter einer primären Entwicklungsstufe ausgezeichneten Ausbildung an den gleichartig als einfache Platten ausgebildeten ter- galen Skeletteilen. Die Gleichartigkeit zeigt sich darin, daß in den Abdominalsegmenten die Fünfteiligkeit der dorsalen Mus- kulatur deutlich zutage tritt, solange die mediale Dorsoventralmus- kulatur der Abdominalsegmente noch nicht zugrunde gegangen ist; ferner in den, den abdominalen so ähnlichen Lagebeziehungen der einzelnen Muskeln zueinander in den Thoracalsegmenten, in welchen diese einen primären Charakter tragen; schließlich in dem Auftreten über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 599 der beiden Hauptgruppen im Segment der zweiten Maxille: Alles Ver- hältnisse, die sich meist bereits im Normalzustande des ersten Stadiums geändert haben. Anderseits bestehen schon im Übergangszustande des ersten Stadiums in den Thoracalsegmenten Anzeichen der eigenartigen Ent- wicklung, welche die Muskulatur in der Imago genommen hat. Diese Anzeichen beruhen a. auf zwei kinematischen Grundlagen, welche im morpho- logischen Sinne tiefgreifend umgestaltend gewirkt haben: Auf der Beinmechanik mit ihrer dorso ventralen Seitenmuskulatur und auf der Flügelmechanik, welche gleichfalls — abgesehen von der me- dialen Dorsoventralmuskulatur — die seitlichen Dorsoventralmuskeln in besonderer Weise beansprucht. Es fehlt daher auch schon im Über- gangszustande des ersten Stadiums in allen drei Thoracalsegmenten die laterale dorsale Längsmuskulatur dlm5, da der von ihr eingenommene Bezirk in diesen später flügeltragenden Segmenten speziell durch die Flügelanlage in Anspruch genommen ist. In allen drei Thoracalsegmenten aber kann die Beinmechanik, wie sie einmal in hervorragender Weise an die beiden Kategorien der Dorso- ventralmuskulatur anknüpft, gleichfalls und allein schon als eine Vor- bedingung für den Fortfall der lateralen dorsalen Längsmuskeln dlmS gedacht werden, da die dorsoventrale Seitenmuskulatur der Beine die Seitenteile der tergalen Rückenplatte kinematisch beansprucht; dies wird bei der Betrachtung der thoracalen Seitenwand weiter ausgeführt werden. Daß die Beinmechanik allein schon ausreichen kann, den Fortfall der lateralen dorsalen Längsmuskeln zu begründen, zeigt in ganz besonderem Maße das Prouotum, wo die besondere Beanspruchung durch die Beinkinematik und die damit verbundene Zerlegung der medialen, besonders aber der lateralen Dorsoventralmuskulatur in zahlreiche und kräftige Teilmuskeln zu einer besonderen Entwicklung und räumhchen Ausdehnung des tergalen Seitenbezirks geführt hat mit Unterdrückung der lateralen Längsmuskulatur und auch eines Teiles — dlmi — der seitlich dorsalen Untergruppe (vgl. S. 596 oben). Die Kinematik der Nackenblase und des Vorganges der Embryo- nalhäutung aber geben in der Halsregion Gelegenheit zur Verwertung der morphologischen Grundlage in Form der typischen intersegmentalen Vertreter des medialen und des lateralen Bezirks. Diese Muskeln gehen danach zwar zugrunde, sie bleiben aber auch in den nachembryonalen Stadien durch Begleitmuskeln vertreten, welche bereits embryonal angelegt wurden und durch ihre Längenentwicklung als lang oder 600 Friedrich Voss, doppelt intersegmentale Längsmuskeln den erst nach dem Übergangs- zustande des ersten Stadiums durchgeführten, speziellen intersegmen- talen Anforderungen gerecht werden. Diese Anzeichen beruhen ferner b. auf der eigenartigen Entwicklung, welche das Pronotum und die Nackenregion unter den Anforderungen der erhöhten intersegmentalen Bewegungsfreiheit nehmen, auf Vorgängen, die bereits im ersten Stadium zu den Verschiebungen der seitlich- dorsalen Untergruppe dlmS gegen die Medianlinie hin, und zu dem Ausfalle dieser durch die laterale Längsmuskulatur dlm5 ersetzten Untergruppe in der Nackenregion geführt haben. Daß diese Ausge- staltungen aber erst in der nachembryonalen Metamorphose vollendet werden, verleiht dem primären Befunde im ersten Stadium ein beson- deres Interesse, zumal auch noch durch den Umstand, daß die Zwei- teilung des seitlich-dorsalen Längsmuskels dlmS (128, 129) im Pronotum durch den homologen Muskel des Mesothorax (84) im Stadium 1 wenig- stens noch zu morphologischem Ausdrucke gelangt (S. 512 u. Anm. 8). In allen den besprochenen Ausgestaltungen und Vorgängen er- kennt man, wie im Thorax die morphologische Grundlage in ihren bereits gegebenen Einzelheiten weiter ausgestaltet wird, indem die Teilmecha- nismen, welche an die gegebenen Bedingungen anknüpfen, dieselben verwerten oder deren Rückbildung zur Folge haben, progressive Rück- bildungserscheinungen, von denen schon 1905, S. 489, die Rede war. Sie bedeuten: Trennung der gegebenen Einheiten, deren Weiterent- wicklung oder deren Rückbildung. Anders ist es im Abdomen, wo nach dem Fortfall der me- dialen Dorsoventralmuskulatur unter der Vorherrschaft sehr einfacher intersegmentaler Beziehungen die gesamte dorsale Längsmuskulatur zu einem gleichförmigen tergalen Muskelbelage vereinheitlicht wird, der die Spuren der morphologischen Grundlage nicht mehr erkennen läßt, abgesehen vom ersten Abdominalsegment, wo sich ein inter- segmentaler Dorsoventralmuskel in typischer Zwischenstellung zwischen der medialen und lateralen Längsmuskulatur erhalten hat, deren Ver- einigung verhindernd. In diesem Vorgange kann eine regressive Rück- bildungserscheinung gesehen werden. Sie bedeutet hier Konzentration der gegebenen Einheiten und der Differenzierungen. b) Die mediale Dorsoventralmuskulatur. (Mittlere innere echte Dorsoventralmuskeln, vgl. 1905, S. 4G0.) Die Stellung der medialen Dorsoventralmuskulatur ist durch ihre Beziehung zur Längsmuskulatur charakterisiert, indem sie als eine über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 601 innere Muskulatur entfernt von der pleuralen Region den Körper durchquert. Sie nimmt tergal den seitlichen Teil des median-dorsalen Bezirkes ein und überläßt den tergalen Seitenteil der lateralen dor- salen Längsmuskulatur und den dorso ventralen Seitenmuskeln. Ven- tral, wo sternale Seitenteile nicht zu besonderer Ausbildung gelangen, trifft sie sich mit der seitlichen Dorsoventralmuskulatur (vgl. S. 595). Tergal aber ist sie durch die laterale dorsale Längsmuskulatur dlm5 oder deren Eaum einnehmende Bildungen (Flügel) von der dorso- ventralen Seitenmuskulatur getrennt. Es entspricht der morpho- logischen Stellung dieser Muskeln im Innenraume des Körpers, daß sie sich tergal an der Bewegung der im lateralen Tergalbezirke ent- wickelten Flügel derart beteiligen, daß sie sich ausschließlich an deren medialer Seite, in deren tergalem Gelenkbezirke beteiligen; ebenso wie sie stenial ausschließlich am Innenrande der Hüfte verteilt sind, wobei sie in beiden Fällen den Außenbezirk der Extremität der Pleural- muskulatur überlassen. Von dieser Grundlage sei zunächst die 1. intersegiuentale DorsoYentralmuskulatur betrachtet, welche allein für die Thoracalsegmente charakteristisch ist und der hinteren Gruppe der medialen Dorso ventralmuskeln zugerechnet werden muß. Sie bewahrt tergal und sternal die der Dorsoventralmus- kulatur eigne Außenstellung zur ventralen, bzw. die Zwischenstellung innerhalb der dorsalen Längsmuskulatur, erleidet aber in den vorderen Thoracalsegmenten, besonders im Prothorax eine medianwärtige Ver- schiebung längs der Gabelapophyse. In ihrer Bedeutung als rotatorische Muskulatur wird sie in der Halshaut besonders vorherrschend, zumal sie dort in zwei prinzipiell verschiedenen Anteilen — außer der typischen ism in einer umgekehrt intersegmentalen tt^wii- Muskulatur — vertreten ist, mit denen aber, wie der Übergangszustand des ersten Stadiums zeigt, noch andre, besondere Funktionen verbunden sind. Eine gewisse Rückbildung des Rotators ism in den zwei flügel- tragenden Thoracalsegmenten während der nachembryonalen Meta- morphose läßt auf das Nachlassen der intersegmentalen Beweglichkeit zwischen denselben schließen; wie anderseits die Verstärkung dieser Muskeln im zweiten Maxillensegment auf die nachembryonale Er- höhung der rotatorisch-intersegmentalen Mechanik hinweist. Im Abdomen fehlt der Muskel bei dem Mangel jeglicher rotatori- scher Aufgaben innerhalb des abdominalen Segmentkomplexes, indem 602 Friedrich Voss, die Abdominalsegmente als Ganzes dem Thorax rotatorisch ange- schlossen sind. 2. Die segmentale Dorsoventralmnsknlatar. zerfällt in eine vordere und in eine hintere Gruppe, deren Zerlegung im einzelnen bei der 1905 gegebenen Darstellung der Imago bereits betrachtet worden ist. Diese Zweiteilung ist allen Segmenten eigentümlich und tritt noch im Übergangszustande des ersten Stadiums in den Abdominalseg- menten in jener typischen Weise auf. Diese Muskulatur ist in den Ab- dominalsegmenten zu jener Zeit in besonderer Massenentwicklung ohne spezielle Differenzierungen entwickelt und erfüllt dort im Zusammen- hange mit den Vorgängen des Schlüpfens aus dem Ei und der Embryo- nalhäutung ihre ursprüngliche Aufgabe, das Volumen des Hinterleibes durch Zusammenschnüren der Segmente zu verringern. Man erkennt darin die primäre, typische Funktion als Compressores (constrictores) ab- dominis, die im Übergangszustande des ersten Stadiums in bedeutender Entfaltung sich geltend macht; eine Funktion, die auch den thoracalen Dorsoventralmuskeln ungeachtet ihrer Nebenaufgaben in erster Linie zukommt. Nach Erledigung ihrer Aufgabe geht diese Muskulatur der Abdominalsegmente schon innerhalb des ersten Stadiums völlig zugrunde, ohne daß sie im einzelnen zerlegt worden wäre. Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß auch bei den übrigen Insekten diese Muskulatur nach Erfüllung ihrer Aufgaben im Übergangs- zustande des ersten Stadiums nachembryonal zugrunde geht, da z. B. die im Hinterleibe der Ephemeriden auftretende Dorsoventralmuskula- tur anscheinend der Kategorie dorsoventraler Seitenmuskeln angehört. In den Thoracalsegmenten tritt eine Zerlegung im einzelnen ein, welche an spezielle Mechanismen verschiedener Art anknüpft. Als erste Sonderung in dieser Hinsicht ist der intersegmentale Dorsoven- tralmuskel, ein Eotator, zu erblicken. Sodann ist die Bewegung der Beine für die Zerlegung der Muskeln bestimmend gewesen, als deren Ergebnis man das im ersten Stadium bereits getrennte Auftreten fast sämtlicher Dorsoventralmuskeln auch in den flügeltragenden Segmenten ansehen kann. Im Prothorax ist die Zerlegung besonders weit gegangen und hat zur Ausbildung eines Trochantermuskels der hinteren Gruppe ge- führt. Im Segment der zweiten Maxille knüpft die Zerlegung der hinteren über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 603 Gruppe in besonderer Weise an die rotatorischen Aufgaben dieser Region an. Schließlich knüpft in den flügeltragenden Segmenten die Flügel- bewegung an die bereits vorhandene dorsoventrale Beinmuskulatur an und führt zu der weiteren Ausgestaltung bereits vorhandener und neuer Muskeln zu Flugmuskeln. Diese allgemeinen Betrachtungen beziehen sich auf beide Gruppen der Muskeln. Bei dem Vergleiche der hinteren Gruppe mit der vorderen fällt jedoch das ungleiche Verhalten beider auf. Wäh- rend im Abdomen die vordere Gruppe der hinteren an Größe nach- steht, während die Ausbildung beider Gruppen in den flügeltragenden Segmenten hinsichtlich der Bein- und Flügelbewegung gleichartig und gleichwertig erscheint, tritt im Prothorax zwar noch keine Rück- bildung der vorderen Gruppe an sich auf (abgesehen von den fehlenden Flügelmuskeln), wohl aber ein Vorherrschen der hinteren Gruppe. Dieser Unterschied ist im Segmente der zweiten Maxille bei dem An- schlüsse der zweiten Maxille an die Kopfkapsel bis zum Fortfalle des vorderen Thoracalbezirks samt seiner Muskulatur weiter geführt, so daß die vordere Dorsoventralmuskulatur dort nicht mehr vor- handen ist, vgl. 1905, Anm. 13, S. 519. Die Unterschiede aber, welche bei einem Vergleiche des Über- gangszustandes des ersten Stadiums mit der Imago von Bedeutung scheinen, sind keine prinzipiellen, sondern nur noch gra- duelle. Sie treten durch eine Massenzunahme der Flügelmuskeln in der Imago hervor, während sich einzelne Muskeln durch ihre relative Größenübereinstimmung als ausschließliche Beinmuskeln verraten. Ebenso nehmen die Muskeln der Halshaut an Masse zu. Geringe Lageverschiebungen treten im nachembryonalen Larven- leben auf, welche — mit der Entfernung von der primären Grundlage verbunden — die typische imaginale Lagebeziehung der Musku- latur endgültig ausgestalten. Aber auch in dieser Hinsicht ist die prinzipielle Grundlage imaginaler Lagebeziehungen schon im ersten Sta- dium dadurch gegeben, daß die typischen, den imaginalen fast gleichen Lagebeziehungen der Dorsoventralmuskulatur den Vorgang der Flügel- entwicklung verraten; ein Nachweis, der den Grad größter Wahrschein- lichkeit besitzt. c) Die Seitenmuskulatur, Pleuralmuskulatur. Die Anschauungen über die Seitenmuskulatur, die Pleuralmusku- latur im Thorax oder die Flankenmuskulatur im Abdomen, haben auf 604 Friedrich Voss, Grund der Befunde am Übergangszustande des ersten Stadiums eine bedeutende Umänderung gegenüber derjenigen Darstellung erfahren, welche sich auf die zur Beurteilung dieser Verhältnisse nicht aus- reichende imaginale Muskelverteilung stützte, während zur Erkenntnis der tatsächlichen Grundlage die im ersten Stadium gefundenen Muskeln unentbehrlich waren. Es ist an andrer Stelle eingehend nachgewiesen (Bd. C, S. 755 ff. bei der Besprechung des Metathorax), daß die lateralen Dorsoventralmuskeln im Abdomen, welche in der Imago dort die einzigen vorhandenen Dorsoventralmuskeln sind, nicht als echte Dorso- ventralmuskeln aufgefaßt werden und nicht mit den thoracalen Dorso- ventralmuskeln homologisiert werden dürfen, wie dies bisher immer geschehen ist. Es ist vielmehr eine speziellere Homologie innerhalb dorsoventraler Muskeln durchführbar geworden; denn die echte mediale Dorsoventralmuskulatur des Abdomen geht im ersten Stadium völlig zugrunde, während die seitliche Dorsoventral- muskulatur ungeachtet der Eückbildung mehrerer Muskeln typisch erhalten bleibt. Damit ergab sich eine Vergleichsbasis für den Thorax und die Möglichkeit, dort die Kategorie der dorsoventralen Seiten- muskeln oder Pleuralmuskeln (einer lateralen Dorsoventralmuskulatur) von vornherein als morphologische Grundlage vorauszusetzen und ihr Verhalten im einzelnen zu prüfen. Für die Kategorie der seitlichen Dorsoventralmuskeln kamen jene langen Seitenmuskeln in Frage, welche teils als ausschließlich sternal- pleurale, infolge mechanischer Beanspruchung verlängerte Beinmuskeln Idvmi {pm4) geführt wurden, von welchen teils nachgewiesen wurde, daß sie als echte, mit dem Entstehen der Flügel lateral verschobene Dorsoventralmuskeln und zwar als direkte Abkömmlinge der medialen Dorsoventralmuskulatur aufzufassen seien. Dieser Nachweis für die episternalen langen Flügelmuskeln Idvml, la und IdvynS (1905: 'pml, 2 und 3) gelang, mußte aber für den epimeralen langen Flügelmuskel ldvm2 (pmö), wenn er auch wahrscheinlich war, doch hypothetisch bleiben. Der derart nachgewiesene, dorsoventrale Charakter aller dieser Muskeln ist nunmehr durch das erste Stadium bestätigt worden, wenn auch auf einer andern Grundlage, für welche eben die Muskelverteilung im Abdomen des Übergangszustandes des ersten Stadiums die un- entbehrhchen Tatsachen liefert, vgl. Bd. C, S. 755 ff. Die Kategoriengruppe der Pleural muskulatur enthält also jetzt noch teils jene langen dorsoventralen Seitenmuskeln, welche bei der Darstellung der Imago teils als sternalpleu- rale verlängerte Beinmuskeln, teils als lateral verlagerte über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 605 echte Dorsoventralmuskeln aufgefaßt wurden. Sie ent- hält sie als die neue Kategorie der dorsoventralen Seiten- muskeln oder der seitlichen Dorsoventralmuskeln, um welche die Kategorie der unterbrochenen — sternalpleuralen und tergal- pleuralen — Seitenmuskeln vermehrt wird, welch letztere Muskeln auf Grund der imaginalen Zustände 1905 als pleurale Muskulatur allein zur Darstellung kamen. Die Punkte 2 und 3 meines Aufsatzes 1906 (citiert auf S. 623) sind dem- entsprechend abzuändern. In ebenso entsprechender Weise ist die 1905 auf S. 470 gegebene ^ Zusammen- fassung abzuändern: Es ist von einer sekundären pleuralen Verschiebung dorso- ventraler Muskulatur keine Rede mehr, da eine seitliche Dorsoventralmuskulatur auch im Prothorax primär besteht. Diese neue Kategorie der dorsoventralen Seitenmuskeln entspricht jenen Muskeln, welche von Breed und Am ans unter Vermeidung der funktionellen Bezeichnungsweise eine ähnliche Bezeichnung im topo- graphischen Sinne bekommen haben, wie sie in vorliegender Dar- stellung befolgt ist; sie wurden als die » La teral-dorso ventral «-Gruppe Breeds, als die Gruppe Muscles latero-dorsaux Amans' benannt. Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß diese topographische Bezeichnungs- art sich auf keine morphologische Grundlage stützen konnte, da der morphologische Charakter der Muskeln noch nicht im Zusammenhange untersucht und begründet worden ist. Daher ist es auch gekommen, daß an die Lösung einer Reihe von Fragen, die für die allgemeine Auffassung der Insektenorganisation wichtig sind, wie z. B. die Flügel und Tracheenkiemen usw., nicht herangetreten werden konnte. Es ist aber noch eine dritte Kategorie von Muskeln hin- zugekommen, welche sich topographisch nach Art tergalpleuraler Muskeln verhalten und 1905 bei der Darstellung der Imago auch als solche geführt wurden. Die ventralen Ansatzstellen dieser Muskeln jedoch befinden sich in einem hochgelegenen Bezirke der thoracalen Seiten wand, welcher bisher als »pleural« aufgefaßt wurde, nun aber als tergaler Seitenbezirk gelten muß. Dadurch unterscheiden sich die genannten topographisch-tergalpleuralen Seitenmus- keln als intratergale von den in morphologischem Sinne echten tergalpleuralen Muskeln, deren ventrale ürsprungsstellen sich tief in der thoracalen Seitenwand befinden und zwar in einem Bezirke, welcher etwa der Mitte der abdominalen Flankenhaut ent- spricht. Der Nachweis für diese Anschauung ist bei der Betrachtung 1 und im Zoologischen Centralblatt 1906, Bd. XIII, S. 721, referiert. 606 Friedrich Voss, der metathoracalen Muskulatur, S. 806 ff., geführt worden. Zu der Kategorie der unterbrochenen Seitenmuskeln, der sternalpleuralen und der tergalpleuralen, kommen also noch zwei weitere Kategorien hinzu, die langen dorsoventralen Seitenmuskeln und die zur Seitenmuskulatur nicht mehr zu rechnenden intratergalen »tergalpleuralen« Seiten- muskeln, an deren Betrachtung wir nun herantreten. 1. Die dorsoTentralen Seitenmnskeln. Die Muskeln der Kategorie der seitlichen Dorsoventralmuskeln setzen am seitlichen Eande der tergalen bzw. sternalen Kegion an und bezeichnen deren laterale Grenze gegen die pleurale Region, die Seiten- oder Flankenregion, über welche sie also als eine lange Muskulatur von dorso ventralem Verhalten hinwegsetzen. In den Abdominalsegmenten ist sie am Rande der tergalen bzw. sternalen Platten angeheftet; sie reguhert dort die Entfernung der- selben in einer der medialen Dorsoventralmuskulatur edvm, welche ge- schwunden ist, analogen Hilfsfunktion als compressores (constrictores), mit der speziellen Bedeutung für die weiche, der Atmung dienende Flankenhaut, ohne deshalb als spezielle Atemmuskulatur gelten zu können. Im Thorax gibt sie in gewissem Sinne ihr topographisch rand- ständiges Verhalten auf und verteilt sich in zahlreichen Teilmuskeln auf die Fläche des lateralen Seitenbezirkes, wie dies besonders das Pronotum zeigt. Im Thorax fällt zudem der kinematische Gegensatz zwischen weichhäutiger, beweglicher Flankenregion einerseits, dorsalen und ventralen Skeletgebilden anderseits fort. Die im Abdomen weich- häutige pleurale Region wird im Thorax zur kräftig chitinisierten, einheitlichen Platte der thoracalen Seitenwand im Zusammenhange damit, daß diejenigen der dorsoventralen Seitenmuskeln, welche an der Beinbewegung ausschließlich beteiligt sind, im punctum fixum eine feste Stütze durch den Anschluß des Hüftgelenks erfordern. Eine solche Stütze ist geschaffen durch die einheitliche Chitinplatte der thoracalen Seitenwand, welche gegen die Hüftgelenkpfanne mit einem Vorsprunge. dem Hüftgelenkkopf endet, und welche an die Stelle der weichen Flankenhaut tritt. So werden tergale und pleurale Bezirke zu einer skelettalen Einheit verbunden, welche im Thorax wohl überhaupt nicht unterbrochen werden würde, wenn nicht tergal die Mechanik der Flügel im imaginalen Stadium dies erforderlich machte. Eine solche Vereinheitlichung der tergalen und pleuralen Region ist im ersten Stadium bei der vorherrschenden Beiukinematik noch durch- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 607 aus verwirklicht, und sie ist bei andern Insektenordnungen in sehr zahlreichen Beispielen vorhanden. Ist durch diese Lagebeziehungen der morphologische Charakter der dorsoventralen Seitenmuskulatur im allgemeinen bereits festgelegt, so kommt noch folgendes im speziellen hinzu: Tergal bestehen ein beträchtlicher Gegensatz und eine räumliche Abtrennung von der medialen Dorso Ventralmuskulatur durch die Zwi- schenstellung der lateralen dorsalen Längsmuskulatur dlm5, die Längs- muskulatur des tergalen Seitenbezirks, zwischen beiden Kategorien der Dorsoventralmuskeln, oder, wenn diese, wie es in den flügeltragenden Segmenten der Fall ist, fehlt, durch die Zwischenstellung der Flügel in der Imago, der Flügelanlage im ersten Stadium. Nur im Pronotum wird dieser Gegensatz unkenntlich, indem dort mit dem Ausbleiben der lateralen dorsalen Längsmuskulatur dlm5 und der Flügelanlage die dorsoventralen Seitenmuskeln auf den tergalen Seitenbezirk medialwärts übergreifen. Inder sternalenRegion, woeine ventrale Längsmuskulatur des sternalen Seitenbezirks fehlt, und wo der sternale Seitenbezirk analog den Flügeln der tergalen Eegion in die Anlage der Beine aufgegangen ist, ist im Abdomen eine Annäherung der beiden Muskelkategorien der seitlichen und medialen Dorsoventralmuskeln eingetreten. Denn man kann im Abdomen die Eückkehr zu primären Zuständen, welche etwa gemäß einer theoretischen Voraussetzung in der prinzipiellen Annahme einer ventralen Längsmuskulatur auch des sternalen Seiten- bezirkes gesehen werden könnte, nicht erwarten. Auch im Abdomen sind die Beine ein phylogenetisch alter Erwerb^ welcher nach seiner völligen Rückbildung die Wiederkehr primi- tiver Zustände in den tiefgreifend umgestalteten Bezirken nicht zuläßt. Diese Beziehung kann auch kinematisch aufgefaßt werden; sie wurde bereits (S. 595 u. Bd. C, S. 774) eingehend erörtert. Schließlich entspricht es der Gegenüberstellung der dorsoventralen Seitenmuskeln gegenüber der medialen Dorsoventralmuskulatur, daß man erstere ausschließlich im lateralen Seitenbezirke am lateralen Seitenrande, am Außenrande der Beine und Flügel, unter Ausbildung besonderer Skeletteile — Trochantin, Pleuralgelenkplatten der Flügel- gelenkteile — ihren kinematischen Aufgaben obliegen sieht, wie dies die mediale Dorsoventralmuskulatur am Innenrande der Beine und Flügel — Tergalgelenkplatten — besorgt. Beide Kategorien halten sich dabei völlig getrennt; ein Über- greifen der einen in das Gebiet der andern findet nicht statt. Durch 608 Friedrich Voss. die Behauptung ihrer ausschließlichen Stellung am Vorder- bzw. Hinter- winkel der Hüfte gegenüber der dorsoventralen Seitenmuskulatur wird die mediale Dorso Ventralmuskulatur jedoch als Hauptmuskulatur der Beine gekennzeichnet, neben welcher die lange Seitenmuskulatur jedoch gleichfalls von wesentlicher Bedeutung erscheint. ^ Die Analogien und Gesetzmäßigkeiten im Auftreten von Teil- muskeln beider Kategorien sind bereits besprochen (vgl. S. 802). Die dorsoventralen Seitenmuskeln treten im thoracalen Seitenbezirke ganz nach Art der medialen Dorso ventralmuskeln in zwei Gruppen auf: in einer vorderen episternalen, welche dem Episternum der thoracalen Seitenwand angelagert ist, und in einer hinteren epimeralen Gruppe, welche dem epimeralen Bezirke der thoracalen Seitenregion, dem Epimeron angehört, und welche an deren Spezialmechanismen teil- nehmen. Die Sonderung dieser episternalen und epimeralen Bezirke auch in bezug auf die Unterscheidung der Flügelgelenkteile und der Flügel- fläche, auch in kinematischer Hinsicht, wurde 1905 bei Besprechung der Flügelmechanik zusammengefaßt. Beide Gruppen sind gleichzeitig mit der Bewegung der Beine und Flügel betraut. Innerhalb der beiden Gruppen tritt eine spezielle Sonderung in verschiedenem Grade ein. In der episternalen Gruppe der dorsoventralen Seitenmuskeln tritt eine reichliche Zerlegung in Teilmuskeln auf, welche in den flügel- tragenden Segmenten am meisten gesteigert ist, und welche mit der besonderen Bedeutung des Costalgelenkes (vgl. 1905, S. 646 ff.) für die Flügelmechanik verbunden ist. Im Prothorax ist die Bildung von Teilmuskeln zwar eingeschränkt; sie besteht jedoch noch in solcher Weise, daß sie als die Grundform der Muskelzerlegung — ausschließlich durch die Beinmechanik begründet — gelten kann und auch den flügel- tragenden Segmenten zugrunde gelegt werden darf. In allen drei Thoracalsegmenten tritt also die primäre Grundlage der Muskelver- teilung mit der Beinmechanik in einer gleichen Weise auf. Während aber in den flügeltragenden Segmenten diese Spezialisierung in der Ausbildung besonderer und besonders kräftiger Flügelmuskeln weiter- schreitet, tritt im Prothorax bei dem Mangel der Flügelbewegung diese Spezialisierung zurück, und sie wird zudem noch eingeschränkt durch die gegenüber dem epimeralen Bezirke geringere Bedeutung des episternalen Bezirks für die Beinbewegung. Der Prothorax trägt also Anzeichen von Rückbildung in zweierlei Richtung gegenüber den flügeltragenden Segmenten. über den lliorax von Gryllus domesticus. V. 609 Im Abdomen tritt die vordere Seiten muskulatur — abge- sehen von einem Teilbündel der Intersegmentalfalte — einheitlich auf; sie ist aber im ersten Abdominalsegment nicht vorhanden, worin der spätere, auch äußere Anschluß des Metathorax an das erste Abdominal- segment bereits vorgebildet erscheint (vgl. hierzu Bd. C, S. 698, 701). Im Meta- und Mesothorax reich zerlegt, ist sie im Prothorax bei der rückgängigen Bedeutung des episternalen Bezirks vermindert und fehlt gänzlich im zweiten Maxillensegment, wo der episternale Bezirk in den Segmentkomplex der Kopfkapsel aufgegangen ist. Die hintere epimerale Gruppe tritt, mit Ausnahme im Pro- thorax, einheitlich auf mit der gleichzeitigen Bedeutung des Muskels als Bein- und Flügelmuskel. Der Mangel der Zerlegung trifft zusammen mit der geringen Komplikation der Flügelmechanik unter Beteiligung eines tergalpleuralen Muskels, welcher im Episternum fehlt, und mit dem Mangel eines Zwischenskeletstückes am lateralen Hinterrande der Hüfte. Nur im Prothorax tritt ein Trochantermuskel hinzu, wobei eine weitere Zerlegung der beiden Muskeln in Teilmuskeln eintritt; alles Anzeichen der besonderen Bedeutung einer nach hinten gerichteten Beinmechanik im epimeralen Bezirke. Im ersten Stadium sind die Muskeln im wesentlichen schon in gleicher AVeise vorhanden wie in der Imago. Abweichungen zeigen bei einem Vergleiche beider Stadien die Abdominalsegmente dadurch, daß die langen Seitenmuskeln beider Gruppen an Stärke abnehmen. Diese Beziehung mag den besonderen mechanischen Anforderungen im Übergangszustande des ersten Sta- diums entsprechen, indem diese Muskeln einmal den medialen Dorso- ventralmuskeln edvm bei dem Schlüpfen des Tieres aus dem Ei und bei der Embryonalhäutung zu Hilfe kommen, ferner indem sie sich an den nachembryonalen Häutungen beteiligen, wonach sie im Übergangszustande der Imago abermals rückgebildet wer- den. Von den vorderen Seitenmuskeln bleibt der Muskel im zweiten Abdominalsegment am stärksten erhalten im Zusammenhange mit der Mechanik der Parasternalplatte. Im Thorax treten in den flügeltragenden Segmenten gleichfalls Lageverschiebungen ein in Verbindung mit der Größenzunahme der Flügelmuskeln, während diese im Prothorax im wesentlichen unvei?- ändert bleiben. Ein charakteristischer Unterschied des ersten Stadiums von der Imago besteht in der Kontinuität der tergalen und pleuralen Re- gion; diese Kontinuität wird erst nachembryonal infolge des Auf- 610 Friedrich Voss, tretens von Flügelgelenkteilen tergal unterbrochen. Es ist von be- sonderer Bedeutung, daß die Lagebeziehungen der langen Seitenmuskeln beider Stadien wesentlich gleich sind. Die Muskeln sind im ersten Stadium in gleicher Weise unterhalb einer seitlichen ter- galen Falte — morphologisch im Bereiche des tergalen Sei- tenbezirks — angeheftet, wie sie im Imaginalstadium sich unterhalb der Flügelansatzstelle' in Verbindung mit »pleu- ral« gelegenen Skeletteilen der thoracalen Seitenwand vor- finden, welche sich nun ohne weiteres als Teilstücke des tergalen Integumentes erweisen. Dadurch ist die tergale Seiten- falte als die Flügelanlage genügend gekennzeichnet. Wir kommen hierauf zurück (S. 623; vgl. Bd. C, S. 7921). Gerade die Art der Lagebeziehung aber im Vergleiche mit der unterbrochenen Seitenmuskulatur und der medialen Dorsoventral- muskulatur von analoger Bedeutung zeigt, daß die Flügelanlage im ersten Stadium bereits auf einer sehr hohen Entwicklungsstufe steht, eingehende Erwägungen hierüber auf S. 474 ff. u. Bd. C, S. 751. 2. Unterbrochene Seitenmnskeln. a) Allgemeines. Definition: Als unterbrochene Seitenmuskeln sind solche Mus- keln zu bezeichnen, welche als tergalpleurale oder als sternalpleurale Flanken muskeln von der äußersten Grenze der tergalen bzw. der ster- nalen Region entspringen und in ventralwärts bzw. tergalwärts ge- richtetem Verlaufe sich in einem medianen Bezirk der pleuralen Region in verschiedenartiger Weise begegnen. Im Abdomen entspringen sie daher an den Seitenkanten des Tergits bzw. des Sternits und enden in der weichen Flankenhaut. Im Thorax setzen sie an bewegten Teilen der tergalen bzw. der sternalen Regionen an und entspringen in einem mittleren Bezirk der fest chitinisierten pleuralen Region, d. h. im basalen Teile der thoracalen Seitenwand, deren apikaler Teil pleuro- tergaler Natur ist. Diese Muskulatur besitzt mit den dorsoventralen Seitenmuskeln gemeinsame Ansatzstellen im Seitenteile der sternalen, bzw. der tergalen Skeletstücke, im Abdomen speziell an deren Seitenrande, und sie be- zeichnet gleichfalls die Grenze der sternalen, bzw. der tergalen Region gegen die pleurale. Als unterbrochene Seitenmuskulatur, deren Mus- keln in der mittleren Flankenhaut in verschiedener Höhe ansetzen, befinden sie sich lateral neben der langen dorsoventralen Seitenmusku- latur. In der abdominalen Flankenhaut treten diese Muskeln in sehr über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 611 charakteristischer Lage und Form auf und zeigen eine typische Ver- teilung, welche den Thoracalsegmenten zugrunde gelegt werden darf. In diesen letzteren jedoch sind Abweichungen von der morpho- logischen Grundlage dadurch gegeben, daß durch die Anheftung der Beine und Flügel die Muskeln zu speziellen Funktionen herangezogen werden, die in der sternalpleuralen Gruppe zu weiteren, gegenüber den abdominalen Befunden gesteigerten Zerlegungen führen. Das typische Verhalten in den Ansatzstellen der Muskeln wird besonders dadurch gestört, daß die im Abdomen innerhalb der weichen Flanken- haut befindlichen Ansatzstellen sich im Thorax an einer festen Chitin- platte, der thoracalen Seitenwand, befinden, indem die Muskeln im Thorax dort ihr punctum fixum haben, wo in der abdominalen Flanken- haut das punctum mobile liegt. Über die Bedeutung dieser Verschieden- heiten ist bei Betrachtung der Seitenmuskeln die Kede gewesen. Im Metathorax lassen sich noch am ehesten verwandtschaftliche Züge mit den Abdominalsegmenten in dieser Hinsicht nachweisen, da dort der Übergang der festen thoracalen Seitenwand in die abdominale Flankenhaut erfolgt. Das Gesamtergebnis dieser Betrachtungen läßt sich zur folgenden, allgemeinen Anschauung vereinigen, welche sich gerade auf die Ver- teilung der unterbrochenen Seitenmuskulatur auf die morphologische Grundlage der abdominalen Muskelverteilung stützt. Dadurch, daß mit dem Auftreten der Beinmechanik, welche an die Muskulatur des episternalen Bezirks, also an die vorderen Muskelgruppen in den Seg- menten (vgl. die Trochanterbeteiligung des IdvmS und die Sehne des Idvmä) anknüpft, eine Kontinuität der tergalpleuralen Eegionen in der Form widerstandsfähiger Skeletbezirke erforderlich wird, kommt es zur Ausgestaltung einer einheitlichen Skeletplatte der thoracalen Seitenwand, zunächst mehr vorn in der vorderen episternalen Flanken- region. Dieser Vorgang ist verbunden mit der Ausgestaltung der pleuralen Leiste und erscheint zunächst als Fortsetzung der Chitin- verstärkung des Hüftgelenkkopfes tergalwärts. Dadurch ist eine Sonderung eines vorderen, zunächst hauptsächlich mit der Beinmecha- nik verknüpften Bezirkes von einem hinteren Bezirke gegeben, in welchem sich das Stigma behauptet. Das Stigma ist also zwar durch die Ausbildung der festen thoracalen Seiten wand nach hinten gedrängt, aber auch infolge Fortfalles der hinteren sternalpleuralen Flanken- muskeln scheinbar nach hinten gelagert; es behauptet also eine Lage, welche gemäß der Rückbildung des epimeralen Bezirks zustande kommt, welche anderseits aber noch die typischen Beziehungen zeigt. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. Gl. Bd. 40 612 Friedrich Voss, Die Muskulatur fehlt völlig im Segmente der zweiten Maxille. Wir betrachten nunmehr die Gruppen im einzelnen: ß) Sternalpleurale Seitenmuskeln. Definition: Sternalpleurale unterbrochene Seitenmuskeln sind solche Muskeln, welche von dem äußersten Grenzbezirke der sternalen Region in der Richtung tergalwärts verlaufen und in einem mittleren Bezirke der pleuralen Region ansetzen. Sie setzen daher im Thorax an der Außenkante der Hüfte und den seitlichen sternalen Teilbezirken Trochantin und Coxosternum an. Diese Muskulatur tritt in drei Gruppen auf, einer vorderen, einer mittleren und einer hinteren, welche in den Abdominalsegmenten sich typisch verhalten. Während nun im Thorax die vordere Muskulatur als episternale Gruppe an die Beinbewegung anknüpft und in den flügeltragenden Segmenten in eine weitgehende, im Prothorax wieder rückgebildete Zerlegung eintritt, fällt die hintere Gruppe im epimeralen Bezirke völlig fort. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die mittlere Gruppe im Thorax in der Stigmenmuskulatur wiederkehrt. Diese Unter- schiede der einzelnen Segmente werden durch den Fortfall des pm3 im ersten Abdominalsegmente vorbereitet und vermittelt, indem diese Vorgänge an die kinematisch dem Beine analoge Parasternalplatte anknüpfen, welche zur Lageveränderung der sternalpleuralen Musku- latur des ersten und zweiten Abdominalsegmentes geführt hat. /) Tergalpleurale Seitenmuskeln. Definition: Tergalpleurale unterbrochene Seitenmuskeln sind solche Muskeln, welche von dem äußersten Grenzbezirke der tergalen Region in der Richtung ventralwärts ausgehen und im mittleren Be- zirk der pleuralen Region ansetzen. Im Unterschiede von den intra- tergalen Muskeln des Thorax setzen sie daher nur einseitig am Flügel- gelenk und zwar unterhalb desselben an, ohne über die Duplikatur hinwegzusetzen. Diese Muskulatur, welche auch im Abdomen nur in zwei Vertretern auftritt, fehlt dem vorderen Segmentbezirke gänzlich. Die Überein- stimmung ihres Auftretens im Metathorax und im Abdomen bekräftigte die Berechtigung, die abdominale Muskulatur als morphologische Grund- lage für die thoracale Muskelverteilung zu verwerten. Mit dem Fehlen einer vorderen tergalpleuralen Muskulatur stimmt es überein, daß die topographisch scheinbar tergalpleuralen Muskeln nunmehr als intra- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 613 tergal aufgefaßt werden müssen und daß für den fmS keine sichere Deutung möglich ist. Während aber der intersegmentale Anteil im Mesothorax schon fehlt, kehrt ein dem abdominalen "pmi mindestens analoger ^m7 im Thorax als kräftiger Flügelmuskel wieder. Bei einem Vergleiche des ersten Stadiums mit der Image kommt man auch hier auf die gleichen Verhältnisse zu sprechen, welche sich bei der Betrachtung der langen Seitenmuskeln hinsichtlich der Flügelanlage und der Flügelgelenkbildung ergaben, nämlich auf die typische Stellung des Muskels unterhalb der beiden letzten Bildungen und auf die Bedeutung der Lagebeziehungen für die Frage nach dem zeitlichen Auftreten des Flügels. Auch mit diesem Muskel ist in der Form eines Flügelgelenkstückes eine nachembryonale Unterbrechung der Kontinuität in der thoracalen Seitenwand innerhalb des pleuro- tergalen Seitenbezirkes verknüpft. Das Fehlen dieser Muskulatur jedoch im Mesothorax des ersten Stadiums gab einen Hinweis darauf, daß im ersten Stadium die Flügel- entwicklung noch nicht bis zur Ausbildung sämtlicher Flügelmuskeln gediehen ist. Der tergalpleurale Flügelmuskel wird nachembryonal kräftiger, wie es bei den Flügelmuskeln der dorso ventralen Kategorien der Fall ist. ö) Andre unterbrochene Seitenmuskeln, welche nach ihrem ganzen Verhalten der tergalpleuralen Kategorie unterstellt werden können, treten besonders im Prothorax auf. Sie nehmen auf die dortigen speziellen Lagebeziehungen Bezug, welche sich mit der großen seitlichen Entfaltung der Halsschildseitenregion einstellen. Dadurch, daß sie im ersten Stadium in zum Teil erheblich kräftigerer Ausbildung als in der Imago auftreten, verraten sie ihre kinematische Beziehung zum Häutungsmechanismus, speziell auch bei der Embryonalhäutung und Herstellung der Normallage des Tieres. d) Intratergale Muskeln. von topographisch tergalpleuralem Verhalten. Definition: Intratergale Muskeln sind solche Muskeln, welche von topographisch anscheinend dem tergalpleuralen ähnlichen Ver- halten im pleurotergalen Seitenbezirk der tergalen Region verlaufen. Sie nehmen im Thorax einen Raum ein, welcher im Abdomen, wo sie fehlen, durch den im Thorax fehlenden lateralen dorsalen Längsmuskel des pleurotergalen Seitenbezirkes dlmö charakterisiert ist. Im Unter- 40* 614 Friedrich Voss, schiede von den tergalpleuralen Muskeln setzen sie über die Flügel- duplikatur hinweg und greifen an beiden Seiten des Flügelgelenkes in bewegten und unbewegten Teilstrecken an. Zu dieser neuen Kategorie müssen nunmehr einige Muskeln ver- einigt werden, welche auf Grund des Befundes an der Imago zu den tergalpleuralen Muskeln gerechnet wurden. Sie können nicht mehr mit den tergalpleuralen Muskeln zusammen aufgeführt werden und sind von nun ab stets besonders zu behandeln; im beschreibenden Teile wurden sie, um den Anschluß an die Darstellung von 1905 zu ermöglichen, an gleicher Stelle unter der gleichen Bezeichnung 2^w* aufgeführt; es empfiehlt sich jedoch in späteren Arbeiten, ohne die Ziffer zu ändern, die Bezeichnung tpn anzuwenden, so daß z. B. fmO = tpm9 lauten würde. Der Nachweis für diese neue Auffassung, welche mir sichergestellt erscheint, ist bei der Besprechung der metathoracalen Muskulatur versucht worden. Es seien nunmehr die Anhaltspunkte für diese Auffassung zusammengestellt; sie sind a) negativer und b) positiver Natur. a. Die Muskeln können schon deshalb nicht als echte tergal- pleurale Seitenmuskeln aufgefaßt werden, weil ihre ventralen ür- sprungsstellen ander thoracalen Seitenwand ventralwärts zum Teil nicht über die oberen Ansatzstellen der langen dorsoventralen Seiten- muskeln hinabreichen, oder, wenn sie dies, wie z. B. der fmQ, dennoch tun, immer noch in einem Bezirke entspringen, der als tergal auf- gefaßt werden darf. Zudem tritt ein Teil von ihnen im episternalen Bezirke auf, in welchem in den Abdominalsegmehten, der bewährten Ver- gleichsgrundlage für die Thoracalsegmente, keine echte tergalpleurale Muskulatur vorkommt. Die intratergalen Muskeln des epimeralen Bezirks aber treten durch ihr Gesamt verhalten in auffälligen Gegen- satz zur epimeralen echten tergalpleuralen Muskulatur im Thorax, deren Ursprungsstellen tief in die thoracale Seiten wand hinabreichen. Denn während die echten tergalpleuralen Muskeln tergal unterhalb der Flügelanlage bzw. an den Pleuralgelenkteilen des fertigen Flügels ansetzen, verlaufen die intratergalen Muskeln über den Grund der Flügelfalte hinweg, indem sie larval die Basis der oberen und unteren Lamelle der Anlagenfalte des Flügels miteinander befestigen, imaginal von festen Stützpunkten der thoracalen Seitenwand aus im Tergal- gelenkbezirke des Flügels endigen. Außerdem fehlt für diese Muskeln eine spezielle Vergleichsgrundlage über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 615 mit den abdominalen hinteren tergalpleuralen Muskeln, eine Grund- lage, die doch sonst sich auch hinsichtlich der sternalpleuralen Musku- latur durchführen ließ. b. Mit der Unterscheidung des Verlaufs der intratergaleu Muskeln gegenüber den echten tergalpleuralen Muskeln ist aber schon ein Hin- weis in positiver Richtung gegeben. Die Muskeln treten in- mitten eines Bezirkes auf, in welchem die Flügelanlage sich befindet, nämlich innerhalb des tergalen Seitenbezirks an einer Stelle, in welcher eine laterale dorsale Längsmuskulatur dlm5 zu er- warten gewesen wäre, dieselbe ist aber nicht mehr zur Ausbildung gelangt. Solange der unterhalb des Flügels befindliche Teil der thora- calen Seitenwand als pleurale Region aufgefaßt wurde, durften die Muskeln als tergalpleurale gelten. Das ist aber infolge der neuen Auf- fassung der oberen thoracalen Seitenwand als einer morphologisch tergalen Region nicht mehr zutreffend und darf höchstens nur noch in topographischem Sinne gelten. Man hat es also mit einer neuen Kategorie zu tun, welche sich im Abdomen nicht vorfindet, welche aber nach Rückbildung des ter- galen Seitenbezirks samt seiner cZZmJ-Muskulatur und bei dessen Auf- gehen in andere morphologische Gestaltungen im Zusammenhange mit dem Pleuralgelenkkopf und der Umbiegungsstelle der Flügelanlage in die thoracale Seitenwand auftritt. Ob diese Muskeln als Abkömmlinge der dorsalen Längsmuskulatur des tergalen Seitenbezirks aufzufassen sind, ist wiederum eine theoretische Frage, deren Erörterung wir nicht nachgehen. Im Prothorax, wo sich am oberen Ende der Pleuralleiste kine- matische Beziehungen zum Tergit einstellen, kehrt die Muskulatur in vereinfachter Form wieder. Von allen Befunden am ersten Stadium war einer der überraschend- sten wohl der, daß neben der dorso ventralen selbst diese intrater- gale Muskulatur wider Erwarten im ersten Stadium nicht nur vollzählig in charakteristischen Formen und Lage- beziehungen, sondern sogar in erheblich kräftigerer Aus- bildung auftritt, obwohl das Tergit eine einheitliche, undifferen- zierte Skeletplatte ist, und obwohl alle Teilmechanismen der Flügel- mechanik fehlen, durch welche das Auftreten der einzelnen Muskeln allein begründet werden muß. Hieraus war einerseits zu entnehmen, daß diese Muskeln ein Anzeichen dafür sind, in wie hohem Grade die Entwicklung der Flügel hinsichtlich ihrer inneren Organisation bereits nach dem Schlüpfen des Tieres aus dem Ei fortgeschritten ist, anderseits 616 Friedrich Voss, daß sie eine besondere Funktion zu erfüllen haben. In letzterer Hin- sicht interessiert ein Vergleich mit dem allerdings durchaus nicht homologen Seitenlappen des Halsschildes, dessen beide Lamellen durch eine ziemlich gleichmäßig angeordnete Keihe von zerstreuten Muskel- fasern in dessen ganzer Länge miteinander befestigt sind. Eine ähnliche Stellung nehmen hier im ersten Stadium die intratergalen Muskeln ein mit dem Unterschiede, daß sie in einer bestimmten, dem fertigen Flügel typischen, nicht gleichmäßigen Anordnung imd in bedeutend kräftigerer Ausbildung am Grunde einer viel größeren Duplikatur, als es der Halsschildseitenlappen auch schon im ersten Stadium ist, vor- handen sind. In beiden Fällen besteht die Funktion dieser Muskeln darin, die Stabilität der tergalen Seitenduplikatur der Flügelanlage bzw. der tergal-pleuralen Falte des Halsschildseitenlappens besonders bei der Herstellung der Normallage der Teile des Tieres nach dem Vorgange der Embryonalhäutung wie bei dieser selbst, ferner bei den nachfolgenden Häutungen zu sichern. In den flügeltragenden Seg- menten erhalten sie erst imaginal durch Funktionswechsel ihre eigent- lichen Aufgaben zugewiesen, zwecks deren Erfüllung sie so frühzeitig und in so charakteristischer V^eise ausgebildet wurden. e) Die Stigmenmuskulatur. Am Mechanismus des Stigmas sind zwei morphologisch ungleich- wertige Arten von Muskeln beteiligt, welche im Abdomen am Stigma gleichzeitig auftreten. Es sind die sternalpleuralen Stigmenseiten- muskeln, die bereits bei der Übersicht über die sternalpleuralen Mus- keln erwähnt worden sind, ferner die echten Stigmenmuskeln von intra- tergalem Verhalten. Von diesen Muskeln kehren im Thorax nur solche wieder, welche sich auf die Kategorie der sternalpleuralen Seiten- muskeln zurückführen lassen. Echte Stigmenmuskeln fehlen im Thorax, wodurch der Unter- schied zwischen thoracalen und abdominalen Stigmen, welcher auch in der Ausgestaltung des Peritrema charakteristisch auftritt, besonders bekräftigt ist. In kinematischer Hinsicht interessiert besonders die Tatsache, daß ein als Stigmenöffner wirksamer Seitenmuskel, wie er in den Abdominalsegmenten auftritt, im Thorax nicht vorkommt. Es läßt sich hierdurch die Gegenüberstellung der abdominalen Stigmen als Einlaßöffnungen für die durch Vermittlung der Flankenmuskulatur, auch des sternalpleuralen Stigmenöffners, eingeatmete Luft gegenüber den Thoracalstigmen als Auslaßöffnungen, welche im allgemeinen offen stehen und nur in besonderen Fällen geschlossen werden, welche aber über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 617 des rhythmisch antagonistischen Bewegungsspieles entbehren, sehr gut veranschauKchen. f) Die sternale Muskulatur. (Vgl. 1905, S. 471.) Indem hinsichtlich der Auffassung dieser Muskeln auf die in der Imago gegebene Übersicht verwiesen sei, mögen nunmehr die neuen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung am ersten Stadium in Ver- gleich gezogen werden. Einzelheiten hierüber finden sich in den zu- sammenfassenden Abschnitten der einzelnen Segmente. Im entwicklungsgeschichtlichen Sinne können die abdominalen Quermuskeln rm (Bd. C, S. 693 f.) mit den sternalen Muskeln zu einer gleichen Muskelart gerechnet werden, indem letztere lediglich in der Medianlinie unterbrochen und ontogenetisch sekundär ansetzen (vgl. Heymons 1895, S. 69, Abs. 5—9). Als besonders auffällige Erscheinung zeigt sich bei einem Vergleiche beider Stadien die Tatsache, daß die sternale Beinmuskulatur der flügeltragenden Segmente im ersten Stadium der Zahl und Stärke nach geringer entwickelt ist als in der Imago. Wenn man daran anknüpfend einmal überlegt, daß im ersten Stadium die übrige Beinmuskulatur noch nicht durch die Flügel mechanik in Anspruch genommen ist; wenn man anderseits auf die auffällige geringe Beteiligung der sternalen Muskulatur an der Beinbewegung im Prothorax zurückkommt, so entsteht die Anschauung, daß in dem Falle einer ausschließlich vorherrschenden Beinmechanik die Be- teiligung der sternalen Beinmuskulatur an letzterer zurücktritt, gegen- über der Bedeutung langer, d. h. dorsoventraler Muskeln für dieselbe. Denn es zeigt der Prothorax, daß bei dem Mangel der Flügelmechanik die Verstärkung der Beinmechanik an die dorsoventral verlaufenden Muskeln anknüpft. Es zeigen die flügeltragenden Segmente im ersten Stadium, daß eine vorwiegende Beteiligung dorsoventraler Muskeln, deren Zertei- lung durch die Beinmechanik allein schon ausreichend erklärt werden konnte, an der Beinbewegung der primäre Zustand ist. So erscheint die sternale Muskulatur als Hilfsmuskulatur zunächst von sekundärer Bedeutung für die Beinbewegung. So erscheinen die sternalen Mus- keln im Prothorax gering entwickelt aus der Beziehung heraus, daß die von der Flügelmechanik freien lateralen und medialen Dorso- ventralmuskeln ganz in ihrer primären Aufgabe aufgehen zuungunsten der Beteiligung einer sternalen Muskulatur. So zeigen die flügeltra- genden Segmente im ersten Stadium, daß in den von der Flügelmechanik 618 ■ Friedrich Voss, noch befreiten Bezirken die dorsoventralen Muskeln ihre primäre Be- deutung für die Beinmechanik unter dem Zurücktreten der sternalen Muskulatur beanspruchen; sie zeigen aber auch, daß die sternale Mus- kulatur in der Mehrzahl der Teile bereits vorhanden ist und mit der Bestimmung, die dorsoventralen Muskeln zu vertreten, nachembryonal noch weiter ausgestaltet wird. Sie entlastet also die dorsoven- tralen Muskeln, besonders die medialen, von der Bein- kinematik: sie übernimmt nachembryonal eine Teilkraft dieses Mechanismus und nimmt dementsprechend nach Zahl und an Kraftwirkung zu (S. 472, 474, 519, 526; Bd. C, S. 726 f., 802 f.). Daß einige Beinmuskeln eine spezielle Rolle im Übergangszustande des ersten Stadiums besitzen und entsprechend stärker ausgebildet sind, tut der genannten Beziehung keinen Abbruch. Ein in dieser Hinsicht auffälliger Muskel wurde im Prothorax des Übergangszustandes des Stadium 1 gefunden; seine Natur konnte nicht aufgeklärt werden. g) Die Transversalmuskulatur. Als Vertreter dieser erst auf Grund der Befunde am ersten Stadium neu aufgestellten Kategorie treten im Kopfsegmente der zweiten Maxille zwei kräftige Muskeln auf, Cm (177) und Tm (178), welche sich in ihrem transversalen Verlaufe aus der einen Körperhälfte in die andre ähnlich verhalten wie der abdominale ventrale Quermuskel oder Trans- versalmuskel rm und der ventrale Längsmuskel der prothoracalen Hüfte im Sternellum der zweiten Maxille Ovhn2 (158). Man kann ersteren, rm, zu dieser Kategorie rechnen und demnach eine allge- meine Unterscheidung der Transversalmuskeln in dorsale und ventrale vornehmen (vgl. Bd. C, S. 694). Diese Kategorie ist demnach bei Insekten in zwar charakteristi- scher Weise, aber in geringer Verbreitung ausgebildet. Tritt doch zudem die Transversalmuskulatur des zweiten Maxillensegmentes Cm und Tm als Übergangsmuskulatur allein im Übergangszustande des ersten Stadiums auf, um nach Fortfall der Embryonalkinematik voll- ständig zu verschwinden. h) Andere Muskeln. Unter diesem Sammelbegriffe werden einige Muskeln aufgeführt, welche sich keiner Kategorie streng einfügen lassen, welche spontan auftreten und daher ein vorwiegend kinematisches Interesse bieten. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 619 Hierher sind zwei Darmmuskeln zu rechnen, welche im Prothorax und im Mesothorax berücksichtigt wurden. Unterschiede der beiden Stadien habe ich hinsichtlich dieser Muskeln nicht feststellen können. 3. Zusammenfassende Übersicht über das Skelet und die Musku- latur im Thorax und im Abdomen nach den einzelnen Segmenten. (Vgl. 1905, Abschn. G f, Ö. 592.) Eine Übersicht über die Unterschiede zwischen den einzelnen Segmenten ist bereits bei der Darstellung der Imago gegeben worden, welche durch die bei der Betrachtung der einzelnen Segmente gegebene Übersicht hinsichtlich neuer Anschauungen über die Imago und auf Grund der Befunde am ersten Stadium ergänzt wird. I. Das Abdomen. Für die Beurteilung der Abdominalsegmente sind hauptsächlich zwei kinematische Gesichtspunkte maßgebend: Die intersegmentale Verbindung der Abdominalsegmente untereinander und das Prinzip der Atmung, die respiratorische Kinematik. Die intersegmentale Verbindung der einzelnen Abdominalseg- mente untereinander ist mit Verschiebungsmöglichkeiten in der Rich- tung der Längsachse des Tieres verknüpft, wodurch — in andrer Weise als durch die Dehnung der Flankenhaut — nämlich durch Ausgleichen der Intersegmentalfalte das Volumen des Abdomen vergrößert wird. Dieser intersegmentalen Verbindung dienen hauptsächlich die Längs- muskeln, während im übrigen keine intersegmentale Muskulatur aus- gebildet ist, da die Bewegungsfähigkeit innerhalb der Abdominal- segmente selbst, was freien, auch rotatorischen Spielraum anbe- langt, eine überaus geringe ist oder überhaupt nicht gegeben ist. Die segmentale mediale Dorsoventralmuskulatur, welche in Verbindung mit der im ersten Stadium bedeutend stärkeren dorsoventralen Seiten- muskulatur der Embryonalkinematik dient, geht zugleich mit der Rückbildung der langen Seitenmuskeln im ersten Stadium schnell zugrunde. Sie schafft dadurch Raum für die Ausbreitung der dorsalen Längsmuskulatur, die mit Ausnahme des ersten Abdominalsegmentes, wo der intersegmentale Dorsoventralmuskel des Metathorax Illism zwischen die laterale und mediale Gruppe tritt, ihre ursprünghche, morphologisch-primäre Fünfteiligkeit verliert und einem einheitlich kräftigen tergalen Längsmuskelbelag Platz macht. Die unter sich also unter beschränkten intersegmentalen Bewegungsverhältnissen 620 Friedrich Voss, verbundenen Abdominalsegmente treten jedoch als eine kinematische Einheit dem Thorax gegenüber in einer solchen Weise, daß die Hinter- leibsbasis gegen den Thorax unter der Ausbildung ausgiebiger und rotatorischer Bewegungserscheinungen mehr beweglich wird. In Bezie- hung auf diese Erfordernisse sind folgende Bildungen zu verstehen: Das Auftreten eines intersegmentalen Rotators; das Auftreten doppelt- und mehrfach-intersegmentaler ventraler Längsmuskeln ; die x'Vusbildung einer, pleurale und sternale Anteile umfassenden Parasternalplatte als seitliches Zentrum einer nach allen Seiten ge- richteten Bewegungsfreiheit. Diese Erhöhung der intersegmentalen Kinematik hat sich aber mit der metathoracalen Flügelbewegung abzufinden, welche die Ein- beziehung des ersten Abdominaltergits erst nachembryonal erstrebt. Indem das im ersten Stadium noch freie erste Abdominaltergit sich nachembryonal mit dem Metanotum enger und in spezieller Weise verbindet (vgl. 1904, S. 308, 1905, S. 394, Abs. 3 u. S. 512), wird die rotatorische Funktion des intersegmentalen Dorsoventralmuskels Illism eingeschränkt. Dadurch, daß nunmehr die Beweglichkeit der abdo- minalen Basis ausschließlich zwischen das erste und zweite Abdominal- segment verlegt wird, erhält sich der vordere dorsoventrale Seiten- muskel des zweiten Abdominalsegmentes 7/ al(^vm7, indem er eine dem Illism ähnliche rotatorische Funktion vorwiegend übernimmt. Die Intersegmentalhaut zwischen dem ersten und zweiten Abdominal- tergit wird lockerer und erhält ein besonderes, schmales Skeletgebilde als eine tergale Zwischenspange ; die abdominalen Längsmuskeln werden straffer und zum Teil etwas kräftiger; die primären Züge, welche das erste Abdominalsegment noch im ersten Stadium hinsichtlich des intersegmentalen tergalpleuralen ipm5 zeigte, werden unkenntlich. Das segmentale Prinzip der Atmung hingegen hat die Ausbildung der sternalen und tergalen Region in der speziellen Form gut begrenzter, einheitlicher Skeletplatten zur Folge, deren Lagebeziehungen durch die langen Seitenmuskeln gehalten werden ; während die unterbrochenen Seitenmuskeln die speziellen Bewegungserscheinungen in der Flanken- haut als Atemmuskeln hauptsächlich vollziehen und nachembryonal durch Gebrauch verstärkt werden. Die also auf Grund kinematischer Prinzipien so scharfe Durchführung des Gegensatzes zwischen sternaler und tergaler Fläche gibt allen Muskeln Raum zur typischen Ausbildung, welche als Grundschema für die Verhältnisse im Thorax, nicht zum wenigsten auch für die Beurteilung der thoracalen Seitenwand gemäß über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 621 dem Verhalten der dorsoventralen langen und der unterbrochenen Seitenmuskeln, angenommen werden darf und welche den Begriff der pleuralen Region in reinster und charakteristischster Ausbildung vorführt. II. Die Thoracalsegmente. Die Morphologie dieser Segmente beruht vöUig auf der in den abdominalen Segmenten für alle Kategorien am reinsten und einfach- sten, bei dem Mangel topographisch gesonderter Teilmechanismen gleichmäßig durchgeführten Grundlage, welche für alle Segmente als typisch angenommen werden darf. Insbesondere knüpft die Be- urteilung thoracaler Verhältnisse an die Sonderung eines vorderen Segmentbezirkes von einem hinteren an. Dieser Gegensatz, welcher in Verbindung mit einem Unterschiede der kine- matischen Aufgaben in den flügeltragenden Segmenten weiter ausge- staltet wird, kommt in den Begriffen eines episternalen und epimeralen Bezirkes zum Ausdrucke; in der Richtung des Vorderendes des Tieres wird er immer mehr gesteigert derart, daß der vordere, episternale Bezirk an Bedeutung immer mehr verliert und schließlich im zweiten Maxillensegmente gänzlich fehlt. Die beiden kinematischen Grundlagen für diese Gestaltungs- verhältnisse müssen wiederum als eine seg mentale und als eine intersegmentale unterschieden werden. Dieser Unterschied führt sternal zur Ausgestaltung einer besonderen epimeral-sternalen Region, welche an die Ausbildung einer unpaaren Apophyse anknüpft, gegen- über der im Segment hauptsächlich nach vorn gelegten Beinkinematik, welche primär an die Muskulatur des episternalen Bezirks gebunden ist. Tergal führt dieser Unterschied zu einer Trennung der inter- segmentalen Kinematik von der segmentalen der Flügelbewegung, zur Abghederung von Präsegmentallamellen im vorderen Tergalbezirke und zur Beanspruchung des hinteren tergalen Abschnittes durch die seitlich dorsalen Längsmuskeln. Diese Verhältnisse sind im Pro- thorax, wo die Flügelkinematik fehlt, nicht ausgebildet; vielmehr sieht man dort die seitlich dorsale Längsmuskulatur weit nach vorn über- greifen unter dem Vorherrschen einer Kinematik sehr freier inter- segmentaler Beweglichkeit, eines Prinzips, auf Grund dessen im zweiten Maxillensegmente in der dorsalen Längsmuskulatur zwar zunächst noch im Übergangszustande des ersten Stadiums die Anlage der primären Grundlage besteht, während sie nachembryonal zum Teil zugrunde geht. Dieses Princip zeigt sich aber auch darin, daß bei 622 Friedrich Voss, dem Mangel der respiratoriscilen Mechanik der Gegensatz zwisclien festem Tergit und Sternit als einheitliche Platten fortfällt. So zeigt sich die tergale Halshaut in einer einem primären Verhalten ähnlichen weichhäutigen Beschaffenheit, während die sternale Region des zweiten Maxillensegmentes eine Spezialisierung im Anschlüsse an die rotatori- sche Kinematik durch Ausbildung der Kehlhautplatten des epimeralen Sternits vorführt. a) Der Metathorax und der Mesothorax, die beiden flügeltragenden Segmente. 1. Allgemeine Übersicht. Diese beiden, neben dem Besitz der Beine auch noch durch den Besitz der Flügel, also durch einen zweifachen segmentalen, speziellen Mechanismus ausgezeichneten Segmente zeigen eine Einschränkung der intersegmentalen Beweglichkeit zuungunsten der Ausgestaltung der intersegmentalen ventralen Längsmuskulatur und der mit ihr zu- sammenhängenden Skeletgebilde. Es zeigt dies die Anbahnung eines Prinzips, welches bei höheren Insekten mit hervorragender Flugfähig- keit zur Ausgestaltung der sogenannten »Flügelbrust«, einer Vereini- gung der Segmente vom Prothorax bis zum zweiten Abdominalsegment führt, welches aber hier nicht einmal zur Aufhebung der Selbständigkeit der einzelnen Segmente geführt hat und deren morphologische Grund- lage noch in typischer Weise hervortreten läßt. Hinsichtlich der Einzel- heiten sei auf die betreffenden Abschnitte der segmentweisen Zusammen- fassung und der Betrachtung der Muskelkategorien verwiesen. Eine besondere Bedeutung besitzt für die Gestaltungsverhältnisse der flügeltragenden Segmente die segmentale Kinematik. Die Unter- scheidung einer episternalen und epimeralen Region, welche primär an die vordere und hintere Teilmechanik der Beinbewegung anknüpfen, kommt in der Zweiteilung der Flügel auch im kinematischen Sinne zum Ausdruck. Bei der Betrachtung der Seitenmuskulatur wurde gezeigt, wie es bereits im Zusammenhange mit der Beinmechanik zur Ausgestaltung einer festen thoracalen Seitenwand gekommen ist, welche durch die Einbeziehung der tergalen Ursprungsstellen der langen Seitenmuskeln als Beinmuskeln zur Einbeziehung auch tergaler Anteile in die thoracale Seitenwand geführt hat. Diese Ausgestaltung einer ununterbrochenen thoracalen Seiten- platte ist im ersten Stadium durch die Kontinuität tergaler und pleuraler Skeletbezirke in typischer Weise verwirklicht; sie erfährt jedoch nach- über den Thorax von Grj'Uus domesticus. V. 623 embryonal durch die Ausbildung »pleuraler«, besser pleurotergaler, d. h. pleural unter dem Ansatz der Flügel gelegener, und tergaler Flügelgelenkteile eine Unterbrechung. Die Unterbrechung der Skeletplatte findet also in einem Bezirke statt, welcher sich primär zwischen den Ansatzstellen der seitlichen und medialen Dorsoventralmuskulatur befindet; sie bedeutet eine intratergale Flügelgelenkzone. Somit führt uns diese Betrachtung auf die Frage nach der 2. morphologischen Deutung der Flügel, welche bereits auf Grund der Befunde an der Imago^ zu einem ge- wissen Abschlüsse gebracht werden konnte, nun aber als endgültig gelöst betrachtet werden kann (S. 525ff.; Bd. C, S. 748 ff., 757, 789, 795). Der Nachweis, daß die Flügel tergale Bildungen seien, hatte sich im Anschlüsse an die in der Imago gefundene Muskelverteilung auf die Erkenntnis gegründet, daß die seitlichen langen Flügelmuskeln nicht als pleurale (sternalpleurale) Muskeln, sondern als Abkömmlinge der medialen Dorsoventralmuskeln zu gelten haben und mit dem Auf- treten der Flügel innerhalb der tergalen Ursprungsstellen der Dorso- ventralmuskulatur seitwärts verlagert seien, da sie ja unterhalb der Flügel Wurzel ihren Ansatz hatten. Der Nachweis der dorsoventralen Natur konnte für die episternalen seitlichen Flügelmuskeln {Idvml, la u. 3 = pml — 3) in gewisser Weise zwar als gelungen betrachtet werden; für den epimeralen seitlichen Flügelmuskel {ldvm2 = fm6) aber blieb er in Ermangelung direkter Beziehungen hypothetisch, wenn auch höchst wahrscheinHch. Da aber nunmehr eine Kategorie dorso ventraler Seitenmuskeln mit einem von der medialen Dorsoventralmuskulatur charakteristisch getrennten Ansatz- verhalten von vornherein existiert (Bd. C, S. 754), ist es weder not- wendig, die dorsoventrale Natur der seithchen, langen Flügelmuskeln durch Ableitung aus der Kategorie der medialen Dorsoventralmuskeln zu begründen, noch eine Verlagerung derselben anzunehmen; vielmehr gehören auch noch solche Muskeln zur Kategorie der dorsoventralen Seitenmuskeln, welche unterhalb des Flügelgelenkbezirkes an der festen thoracalen Seitenwand als Beinmuskeln entspringen. Es ist also nicht nötig, den dorsoventralen Charakter der langen seithchen Flügelmuskeln 1 Vgl. ferner meinen Aufsatz »Über den Stand der Frage nach der Mor- phologie des Insektenflügels « in : Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Natur- forscher und Ärzte, 78. Versammlung, Stuttgart, 1906, 2. Teil. S. 296. 624 Friedrich Voss, aus den Beziehungen der Flügelanlage erst herzuleiten, sondern um- gekehrt: Auch ohne daß ein Flügel vorausgesetzt werden muß, steht der dorsoventrale Charakter der seitlichen, langen Flügelmuskeln durch Anwendung der Vergleichs- grundlage fest, welche nur im ersten Stadium durch das Auftreten der embryonalen medialen Dorsoventralmusku- latur der Abdominalsegmente erkannt werden konnte. Der Flügel befindet sich demnach in einem tergalen Bezirke, welcher sich zwischen den Ursprungsstellen der dorso ventralen Seiten- muskeln und der medialen Dorsoventralmuskulatur befindet, in dem tergalen Seitenbezirke, welcher im Abdomen durch die laterale dorsale Längsmuskulatur eingenommen wird. Dadurch, daß im ersten Stadium bereits fast sämtliche Flügel- muskeln in typischer Ausbildung und Lagebeziehung auftreten, ist die Flügelanlage schon im ersten Stadium bis auf eine sehr hohe Stufe entwickelt, und es zeigt sich, daß die tergale Seitenduplikatur zwischen den genannten Muskelkategorien in einem gleichen Bezirke und mit den späteren, den Flügeln typischen Lagebeziehungen zu diesen Muskeln sich befindet. Nur auf Grund der Muskulatur ist daher der exakte Nachweis möglich, daß diese tergale Seitenfalte nicht eine tergal- pleurale Grenze, sondern daß sie als Flügelanlage eine intratergale Falte in jenem tergalen Seitenbezirke ist, in welchem sich in den Ab- dominalsegmenten die laterale dorsale Längsmuskulatur dlmö vor- findet; vgl. hierzu den Verlauf der Linie LI in den Schemata I — VI, Taf. XXVI f. u. Bd. C, Taf. XXVIIL Es genügt allein schon der Hinweis auf diese Zwischenstellung der tergalen Falte im ersten Stadium, um den Flügel als eine tergale Faltenbildung innerhalb der seitlichen und medialen Dorso- ventralmuskulatur nachzuweisen, und zu erkennen, daß diese Falte die gleiche Stellung einnimmt, wie im Imaginalstadium der Flügel. Die seitliche Grenze der tergalen Region gegen die pleurale Region L2, vgl. die Schemata II, IV, VI, Bd. C, Taf. XXVIII usw. u. Fig. 43, liegt viel weiter seitlich. Die pleurale Region beginnt erst lateral von dem Ansätze der seitlichen, langen Beinmuskeln und ist also entfernt von der Flügelanlage in der thoracalen Seitenwand zu suchen. Im Anschlüsse an die im ersten Stadium vorgefundenen Verhält- nisse seien nun die Anhaltspunkte zusammengestellt, welche die tergale Natur der seitHchen Faltenbildung im ersten Stadium der flügeltragen- den Segmente und ihre Auffassung als echte Flügelanlagen beweisen. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 625 Eein äußerlich betrachtet tritt die Falte im hochgelegenen Bezirke der Tergalplatte auf. Diese Stelle befindet sich etwa auf gleicher Höhe, in welcher in den Hinterleibssegmenten die tergalen Seitenteile auftreten. Die Stellung der seitlichen und medialen Dorsoventral- muskulatur kennzeichnet diesen Bezirk näher als den lateralen Teil der Tergalplatte, in welcher die Flügelfalte als intratergale Falte ent- standen ist. Die charakteristischen Lagebeziehungen der einzelnen Flügelmuskeln aller Kategorien, selbst der intratergalen Seiten- muskeln, entsprechen durchaus der Anordnung der Muskeln in ihrem Verhalten zum fertigen Flügel mit seinen Gelenkteilen; sie charakteri- sieren dadurch die Flügelanlage im ersten Stadium noch ganz im be- sonderen (Bd. C, S. 751). Der von der Flügelanlage eingenommene intratergale Seiten- bezirk der Tergalplatte entspricht dem Räume der in den Thoracal- segmenten nicht mehr auftretenden lateralen dorsalen Längs - muskulatur dlmö, was noch mehr beweist, daß der Bezirk derselben in einer andern Weise verwertet wurde, bzw. in eine andre Bildung übergegangen ist. Ein Teil der bisher für tergalpleurale Muskeln gehaltenen unter- brochenen Seitenmuskeln von topographisch tergalpleuralem Verhalten unterscheidet sich als intratergale Muskulatur sehr deutlich von den typisch tergalpleuralen Muskeln, deren Auftreten im episternalen Bezirke zudem garnicht erwartet werden darf. Dadurch, daß diese intratergalen Muskeln in den drei Thoracalsegmenten als Neubildun- gen auftreten und als solche den Raum des lateralen dorsalen Längs- muskels der Abdominalsegmente einnehmen; dadurch, daß sie im Unterschiede von den echten tergalpleuralen Muskeln — welche mit ihrem tergalen Ende den Beginn der tergalen Region anzeigen — erst weiter oberhalb im tergalen Bezirke entspringen und die Duplikatur der Flügelanlage und des Flügels an der Basis über- setzen: gerade dadurch zeigt sich eine spezielle Ausgestaltung der Muskulatur des lateralen Seitenbezirks im Zusammenhange mit der Flügelanlage, durch welche allein ihr Auftreten verständhch ist. Das Auftreten der Präsegmentallamellen schon im ersten Stadium, welche nur im Zusammenhange mit der Entwicklung von Flügeln verstanden werden können, und die typische Stellung der- selben deuten auf die vorgeschrittene Stufe hin, in welcher die Flügel- anlage sich befindet. Sie sind in Verbindung mit der typischen, auch 626 Friedrich Voss, der intersegmentalen, dorsalen Längsmuskulatur und der intersegmen- talen Dorsoventralmuskulatur den tergalen Seitenteilen vorgelagert, innerhalb welcher sich die Flügelanlage ebenso wie (imaginal) der Flügel befinden (vgl. S. 473). Die Ausgestaltung des oberen Endes der Pleuralleiste ist zwar noch nicht in der imaginalen Weise vollendet; allein ihr Vor- handensein in Verbindung mit der intratergalen Muskulatur ist schon ein deutlicher Hinweis auf die Flügelanlage. Ganz besonders betont wird schließlich die intratergale Stellung des Flügels noch dadurch, daß nicht nur die Pleuralgelenkteile des Flügels im Zusammenhange mit den dorsoventralen Seitenmuskeln als morphologisch tergale Gelenkteile erscheinen, als welche sie bereits 1905, S. 467 und 477, aufgefaßt werden mußten, sondern daß sie selbst, also das ganze Flügelgelenk, intratergal sind dadurch, daß Anteile der tergalen Region seitlich tief in die thoracale Seitenwand hinabreichen. Hierauf kommen wir sogleich zurück. Der Flügel ist demnach keine tergale seitliche Fort- satzbildung, sondern eine intratergale Faltenbildung, das Flügelgelenk ist ein Intratergalgelenk. Der Flügel tritt durch seine charakteristische Lage in bestimmten Gegen- satz zu allen andern tergalen Fortsätzen oder Faltenbil- dungen (vgl. Dürren 1907, S. 538). Denn es ist durchaus nicht gleichgültig, in welchen speziellen Lagebeziehmigen zu den medialen Dorsoventralmuskeln und den dorsoventralen Seitenmuskeln solche Faltenbildungen entstehen. Ist also die Anlage des Flügels als intratergale Duplikatur hin- sichtlich der inneren Ausgestaltung bereits im ersten Stadium auf eine sehr hohe Stufe gebracht, so ist die endgültige Vollendung des Flügels mit folgenden Veränderungen verknüpft (S. 526; Bd. C, S. 634, 793, 810): Vergrößerung der Flügelfalte durch Auswachsen der Dupli- katur. Geringe Muskelverschiebungen im Bezirke der Tergalplatte in der thoracalen Seitenwand. Größenzunahme der dorsoventralen Flügel muskeln und des echten tergalpleuralen Seitenmuskels, hingegen Größenabnahme der intratergalen Flügelmuskeln. Unterbrechung der Chitinbezirke, besonders der einheit- lichen Tergalplatte durch die Ausbildung intratergaler Flügelgelenk- teile, eines Litratergalgelenks, als Folgeerscheinung der bereits im über den Thorax vun Gryllus domesticus. V. 627 ersten Stadium in typischen Lagebeziehungen angeordneten Flügel- muskeln, ferner die Ausgestaltung des Pleuralgelenkkopfes. Verstärkung der sternalen Beinmuskulatur nach Zahl und Massenentwicklung mit der Beziehung, die Dorsoventralmusku- latur von den Aufgaben der Beinkinematik zu entlasten; was auch in der Verschiebung des epimeralen langen Seitenmuskels /// ldvm2 in der sternalen Region ausgedrückt ist, da er sich nachembryonal den Aufgaben der Beinbewegung entzieht. Gesamtverschiebung des Tergits nach vorn (vgl. die Lage- beziehungen des intratergalen Muskels pmll), wodurch die Lagebezie- hung zur thoracalen Seiten wand geändert wird; sie ist ein Erfordernis der endgültigen Ausgestaltung der Flügelmechanik; vgl. S. 471. Aus der Beantwortung der eingehend erörterten Frage aber nach dem Verhältnis der Beinmechanik zur Flügelmechanik ergab sich die Anschauung, daß zwar einerseits die charakteristischen Lagebeziehungen der einzelnen dorsoventral verlaufenden Muskeln beider Kategorien zueinander schon im ersten Stadium ein Anzeichen für die Anlage der Flügel sind, daß anderseits aber das Vorhandensein der einzelnen Muskeln an sich in diesem Stadium allein durch die Bein- mechanik begründet werden muß (Bd. C, S. 751, 798, 800, 805). Die Flügelanlage knüpft also primär an Differenzierun- gen der Dorsoventralmuskeln an, welche bereits als Folge- erscheinungen der Beinmechanik ausgestaltet und bereits vorhanden sind. Der Flügel kann also als eine Folge der Bein- mechanik in den thoracalen Segmenten aufgefaßt werden, indem be- reits auf Grund der letzteren gegebene Elemente in einer dem Flügel eignen Weise weiter ausgestaltet werden; wobei der Flügel anderseits zugleich aber auch noch besondere Muskelelemente des pleurotergalen Seitenbezirkes ausschließlich in Anspruch nimmt; dieser Zustand ist im ersten Stadium bereits vollendet. Li phylogenetischem Sinne kann also der Flügel als eine tergale Faltenbildung und unmittelbare Folgeerscheinung der Beinmechanik entstanden gedacht werden. Das im wesentlichen fast vollendete Auftreten des Flügels im Stadium 1 zeigt ferner, daß die eigentliche Entwicklung des Flügels bei Epimorphen und Hemimetabolen nicht nach- embryonal erfolgt, sondern daß sie bereits in frühe Embryonalzu- stände zurückreicht. Sie verhält sich also darin der Flügelanlage der holometabolen Insekten gleich, bei welchen die Flügelanlage ebenfalls bereits in frühesten Larvenstadien, und zwar als Imaginalscheibe vor- /eitschrift f. wissensch. Zoologie. Gl. Bd. 41 628 Friedrich Voss, gefunden wird. Im Unterschiede zu letzterer ist sie nicht eingestülpt, sondern sie ragt seitlich hervor. Sie tritt also im nachembryonalen Leben als eine besondere, spezielle Anpassung an das Larvenleben mit seiner frei beweglichen Lebensweise und seinen zahlreichen Häutungen auf, als eine Art äußerer Hemmungszustand, in welchem die fortgeschrittene innere Organisation des Flügels nicht gleichen Schritt hält mit der rückständigen Ausbildung der Skeletbezirke. Der Flügel befindet sich gewissermaßen in einem »latenten Zu- stande«, welcher während der Mehrzahl der Stadien erhalten bleibt, bis er schließlich — ohne daß innerlich eine fortschreitende Differen- zierung stattzufinden braucht — in einigen wenigen letzten Stadien schnell auch zu äußerlicher Entfaltung kommt (vgl. 1911, Vortrag Basel, S. 288f., 472 f. u. Bd. C, S. 783). ' Das Tier schlüpft also hinsichtlich eines für die pterygoten Insekten allgemein typischen Charakters als hochentwickelter, innerlich an- nähernd fertiger, wenn auch gehemmter Zustand aus dem Ei. In- folgedessen tritt der Flügel als ein sehr primäres Organisationsmerkmal zu allen jenen Besonderheiten spezieller Organisationsverhältnisse innerhalb der Klasse der Pterygota in Gegensatz, welche wie z. B. die Gonapophysen als sekundäre Neuerwerbungen erst nachembryonal von Grund aus entstehen und die einzelnen Insekten Ordnungen in verschiedenartiger Weise charakterisieren. Diese Tatsachen können mit der Auffassung des stammesgeschicht- lich sehr alten Erwerbes der Flügel in völlige Übereinstimmung ge- bracht werden, 3. Bemerkungen über die systematische Auffassung der Klasse der Pterygota (vgl. Bd. C, S. 810). Wenn demnach die Orthoptera als Vertreter der epimorphen Insekten den Flügel nicht erst nachembryonal entwickeln, sondern bereits mit dem Abschluß der Embryonalperiode aus dem Ei mitbringen, so ist auch diese Tatsache ein weiterer Beweisgrund für das moderne System der tracheaten Arthropoden, welches auch auf Grund anderer Merkmale die Apterygota von den Pterygota als zwei verschiedene Unterklassen trennt (vgl. R. Heymons 1909^, S. 152 über Epimorpha und die Einteilung in Klaus -Grobbens Lehrbuch der Zoologie, 1910, 8. Auflage). Denn die Befunde erhöhen unter Ausschluß der Aptery- gota die Einheitlichkeit in der Charakterisierung der Pterygota. Dies 1 Die verschiedenen Formen der Insektenmetamorphose in : » Ergebnisse und Fortschritte der Zoologie«. Bd. I. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 629 konnte niclit in dem Maße der Fall sein, solange man annehmen mußte, daß der Flügel bei den Insecta epimorpha erst nachembryonal »ent- stehe «, in Analogie zu den Gonapophysen als eine Neuerwerbung. Diese Verallgemeinerung kann mit Sicherheit erst dann als erwiesen gelten, wenn der an Gryllus domesticus für die Orthoptera genuina mit Recht verallgemeinerte Befund auch durch besonderen Nachweis auf die übrigen Epimorphen, insbesondere die Rhynchota, und auf die Hemi- metabola übertragen werden darf. 4. Die morphologische Auffassung der thoracalen Seitenwand. Die Auffassung der thoracalen Seitenwand hat durch die allgemeinen Zusammenhänge, mit welchen vorliegende Untersuchungsn verbunden sind, eine Richtigstellung erfahren, zumal eine eigentliche, exakte Untersuchung bisher darüber wohl noch nicht angestellt worden war. Die thoracale Seitenwand wurde als Skeletplatte des seitlichen Körpers, als »pleurale« Skeletplatte mit dem typischen Zerfalle in zwei Teilplatten, das Episternum und das Epimeron als pleuralen Skelet- stücken, aufgefaßt, ja sogar (Verhoeff) als Differenzierung der ster- nalen Region gedeutet. Dieser Auffassung lag die Anschauung zugrunde, daß in morpho- logischem Sinne einheitliche Regionen auch als einheitliche Skelet- stücke erscheinen müßten, und daß solchen Skeletteilen gerade als Ausdruck morphologischer Regionen eine hohe morphologische Be- deutung zukomme. Es hat sich aber an vielen Beispielen bereits gezeigt, daß die Chitinisierung sich nicht darum kümmert, ob sie morphologische Regionen vereint oder trennt, daß also einheitliche Chitinteile keineswegs eine einheitliche Re- gion oder Teile derselben vorstellen, sondern daß die Chi- tinisierung als Ausdruck kinematischer, durch die Musku- latur vermittelter Beziehungen als Folgeerscheinungen der letzteren höchst wandelbar ist, daß sie ohne jenen Charakter der Beständigkeit auftritt, welcher morphologisch bedeutsamen Bil- dungen im allgemeinen zukommt (Bd. C, S. 771, 777 f., 791 ff.). So ist es auch im Bereiche der thoracalen Seitenwand, in welcher man Anteile verschiedener Regionen vereinigt sieht. Daß trotzdem anderseits die als Episternum und Epimeron bekannten Teilbezirke unter gleichen kinematischen Bedingungen bei Insekten konstant auf- treten, widerspricht dem nicht, da selbst bei dem Ausfalle gewisser 41* 630 Friedrich Voss, Mechanismen, falls nicht neue an ihre Stelle treten, die typischen Chitinteile sich erhalten können; was sekundär flügellose Insekten wohl zeigen dürften. Wenn daher zum ersten Male jetzt eine exakte Auf- fassung der thoracalen Seitenwand versucht werden soll, so knüpfen wir an die schon 1905 aufgestellten, morphologisch begründeten Kate- gorien der Seitenmuskulatur an, welche durch die Befunde am ersten Stadium eine berichtigende Vervollständigung erhalten haben. Die Erkenntnis von der Verteilung abdominaler und thoracaler Seiten- muskeln ist die unentbehrliche Vorbedingung für diesen Versuch gewesen. Es ist bereits bei der Übersicht S. 611 über die Seitenmuskulatur an einem Vergleiche der abdominalen Flankenhaut mit der thoracalen Seitenwand gezeigt worden, daß die pleurale Region im Abdomen als weiche, faltige Haut auftritt, innerhalb welcher die einander zuge- kehrten Enden der unterbrochenen Seitenmuskeln ihr punctum mobile haben, während anderseits im Thorax das Umgekehrte der Fall ist: Die einander zugekehrten Ursprungsstellen der Muskeln liegen in der starren Seitenwand, die Bewegungsstellen im sternalen bzw. tergalen Bezirke. Während nun im Imaginalstadium der tergalpleurale Muskel und die langen, dorso ventralen Seitenmuskeln an Flügelgelenkteilen ansetzen, der lange, seitliche Hüftmuskel Idvmi jedoch noch weiter unterhalb des intratergalen Gelenkbezirkes an der festen thoracalen Seitenwand entspringt, ist im ersten Stadium die Kontinuität der thoracalen Seitenwand überhaupt nicht unterbrochen, indem selbst ebengenante Seitenmuskeln des Flügels auch tergal in der einheitlichen Platte der sogenannten Pleura im Episternum und im Epimeron enden. Die gesamte dorsoventrale Seitenmuskulatur verhält sich also im ersten Stadium genau so, wie der lange episternale Hüftmuskel in der Imago, und es besteht also zwischen beiden Stadien kein grundsätzlicher Unterschied. Demnach ist die Beinkinematik die Veranlassung zur Vereinheitlichung der an die tergalpleuralen und dorsoventralen Seiten- muskeln angeschlossenen tergalen Bezirke mit der starren pleuralen Seitenwand, und die Unterbrechung dieser Kontinuität durch das Intratergalgelenk des Flügels erfolgt tergalwärts entfernt vom ter- galen Seitenrande, innerhalb des tergalen Seitenbezirks — des pleuro- tergalen Bezirks im Anschlüsse an die intratergale Muskulatur oder durch diese. Daraus ergibt sich, daß nicht nur die Pleuralgelenke des Flügels sondern auch beträchtliche Anteile des oberen Endes der »Pleura« morphologisch der tergalen Region angehören, daß also die Begriffe »Pleura, Episternum und Epiiueron« nur noch als rein \^ UCl ^.lüll topographisch-deskriptive Bezeichnungen gelten können und nicht mehr in morphologischem Sinne für die entspre- chenden Bezirke geführt werden dürfen. »Die Pleura« ist eben kein Vertreter der pleuralen Region, sondern vereint in sich tergale und pleurale Anteile, deren Grenze auch im Thorax tief in der Seitenwand etwa auf der Höhe des Seitenrandes der Abdominaltergite liegt, während im Pronotum und Cephalonotum die Seitenteile des Tergits noch weiter herabgezogen sind. Mit dieser Begrenzung stimmt alsdann die Lagebeziehung der thoracalen Stigmen auffallend über- ein. Den Verlauf der tergalen-pleuralen Grenze veranschaulichen die Schemata I — VI und Fig. 43 mit der Linie L2. Diese Grenze ist nur im Abdomen durch den Seitenrand der Tergalplatten t und im Pro- thorax durch die Duplikatur des tergalen Seitenrandes Jis topographisch ausgeprägt, indem sie weichhäutige Strecken gegen starke Platten begrenzt; sie verläuft im Abdomen und in der Halshaut unterhalb des lateralen dorsalen Längsmuskels dlm5, in den flügeltragenden Seg- menten unterhalb des Ursprunges der Idvm; sie verläuft in der Hals- haut innerhalb weichhäutiger Bezirke, in den flügeltragenden Seg- menten innerhalb der chitinisierten Platte der thoracalen Seitenwand. Ich möchte die Bezeichnung Pleura trotzdem als topographische Be- zeichnung nicht aufgeben, ihr aber die neue Bezeichnung »thoracale Seiten wand« an die Seite stellen. Die thoracale Seiten wand enthält nunmehr im oberen Teile einen Teilbezirk des tergalen Seitenbezirks, den ich ■ — die Pleuralgelenkplatten des Flügels mit eingeschlossen — als »pleurotergal« gegenüber stellen möchte dem nur wenig größeren unteren Teile, dem »eupleuralen« Bezirke. Dem- gegenüber kann die gesamte, oberhalb des Flügels be- findliche, tergale Teilregion als »eutergal« bezeichnet werden, als welche sie neben dem Ansatzgebiete der medialen Dorsoventral- muskulatur, dem Verlaufsgebiete der dorsalen Längsmuskeln des me- dialen Bezirks dhnl — 4, dem medialen Tergit, auch noch einen medialen Teil des dem lateralen dorsalen Längsmuskel angehörigen lateralen tergalen Seitenteiles umfaßt (vgl. bes. Taf. XXIX). Dafür, daß etwa auch sternale Anteile in der thoracalen Seiten- wand enthalten sind, sind Anhaltspunkte nicht vorhanden. Es sei in diesem Zusammenhange nicht weiter ausgeführt, wie mit dem Fortfall der respiratorischen Funktion in der Flankenhaut des Abdomen auch bei andern Insektengruppen eine einheitliche Chitinverstärkung seitlicher Bezirke eintreten kann^, welche pleurale 1 Anmerkung 9. 632 Friedrich Voss, Seitenteile mit der sternalen und tergalen Fläctie vereinigt, wie z. B. bei larvalen Odonaten (Darmatmung) und Ephemeriden (Atmung durch Tracheenkiemen), so daß eine Bestimmung der pleuralen Region nach äußeren Merkmalen mit Schwierigkeiten verbunden oder nicht mög- lich ist und nur durch die Ansatzverhältnisse von Muskeln, besonders durch die langen, dorso ventralen Seitenmuskeln beurteilt werden kann. Über die Lage der Stigmen ist bereits an andrer Stelle das Nötige gesagt worden, vgl. Bd, C, S. 788. b) Der Prothorax. (Morphologie des Halsschildseitenlappens und des sogenannten Pro- thoracalf lügeis.) Über dieses Segment ist bereits an andrer Stelle Zusammenfassendes gesagt worden, S. 520 ff. Es interessiert in diesem Zusammenhange der Hinweis, daß Spuren intratergaler Muskulatur in typischer Stellung auftreten, indem sie unter sehr vereinfachten kinematischen Bedingungen den Pleural- gelenkkopf mit dem Tergit verbinden, in einem Bezirke, welcher dem Räume des fehlenden Flügels und der fehlenden lateralen dorsalen Längsmuskulatur dlmö entspricht. Als die Grundlage der Ausgestaltung des Prothorax erkennt man die in den flügeltragenden Segmenten herrschenden Verhältnisse, denen gegenüber der Prothorax als ein in einseitiger Richtung rückgebildetes, von der typischen morphologischen Grundlage durch vielfältige spezielle Muskelzerteilung, aber auch durch mannigfaltige Rückbildungen ent- ferntes Segment erscheint. Von besonderem Interesse sind einige neue Muskeln, welche der sternalpleuralen Kategorie angehören können, und als Muskeln der Embryonalkinematik und der späteren Häutungskinematik aufgefaßt werden müssen. Die Weiterbildung der in den flügeltragenden Segmenten vor- liegenden Bedingungen geht in der Richtung einer Trennung der sternalen intersegmentalen Kinematik von der im epi- sternalen Bezirke rückgebildeten segmentalen Kinematik, der Mechanik der Vorderbeine, vor sich. Die besonders starke Ent- wicklung der dorsoventralen Seitenmuskeln und die Bedeutung des epimeralen Bezirks für die hintere Beinbewegung infolge Verstärkung der Trochantermuskulatur im hinteren Bezirke des Segments durch einen neuen Seitenmuskel führen zu der starken Beanspruchung der Über den ihorax von uryllus domesticus. V. DOO tergalen Seitenteile, dem Gebiete des theoretischen dorsalen Längs- muskels dlmS, so daß die thoracale Seitenwand nicht mehr unmittelbar an der Beinmechanik beteiligt ist, da die dorsoventralen Seitenmuskeln hoch im Tergit hinaufrücken, aber noch ihre Seitenstellung zur Pleural- leiste bewahren. Mittelbar aber ist die thoracale Seitenwand an der Beinkinematik insofern beteiligt, als sich die Pleuralleiste in starker Verlängerung ihres oberen Endes als Stütze der Beinmuskulatur hergibt. Ob man diese Pleuralleiste als einen Ausdruck der verwandtschaft- lichen Stellung des Prothorax zu den Flügelsegmenten und als die eigenartige Ausgestaltung einer infolgedessen gemeinsamen Organi- sationsgrundlage ansehen will, oder ob man — phylogenetisch ge- sprochen — ihr Auftreten als einen Hinweis auf einen Prothoracal- flügel ansehen will, bleibe dahingestellt. Ich möchte auch jetzt diese Frage völlig nur in der 1905, S. 489 f. gegebenen Weise beantworten. Die dort gegebene Ausführung ändert sich nur in dem Punkte, daß der erst versuchte Nachweis des dorso- ventralen Charakters des epimeralen langen Seitenmuskels ldvm2 (pmß) und ldvm2a {fmßa) nicht mehr nötig ist, da die Muskeln ohne weiteres als dorso ventrale Muskeln gelten. Infolgedessen läßt sich auch die Frage nach der Homologie des Halsschildseitenlappens in gleicher Weise beantworten; denn da die dorsoventralen Seitenmuskeln von vornherein gegeben sind, ist der Halsschildseitenlappen als ein einfacher Seitenfortsatz der tergalen Platte anzusehen, dessen Verlängerung abwärts über die Beinwurzel, etwa zum Schutze derselben, in dem vordersten der Thoracalsegmente sehr geeignet erscheint. Die nur kurze Duplikatur des Halsschildseitenlappens kann ohne Zwang als Übergang der stark chitinisierten Tergalplatte in die weiche Pleural- haut gelten. Die basalen Muskelfibrillen der Duplikatur können mit den intratergalen Muskeln nicht homologisiert werden. Eine Homologie des Halsschildseitenlappens mit dem Flügel ist (also auf der gleichen Grundlage, welche 1905, S. 489 ff. galt), gänzlich ausgeschlossen. Der Flügel als intratergale Falte ist vom seitlich entfernten tergalen Seitenrande durch die da- zwischen gestellte dorsoventrale und tergalpleurale Seiten- muskulatur {Idvm und fm) scharf geschieden, indem er sich innerhalb der beiden dorsoventralen Muskelkategorien be- findet; der Halsschildseitenlappen hingegen liegt als ter- gale Randverlängerung auch außerhalb der dorsoventralen Seitenmuskulatur. 634 Friedrich Voss, III. Das Segment der zweiten Maxille, die Halshaut. Die Begründung der Auffassung dieses Segments ist S. 575 ge- geben und damit der 1905, S. 456 und 457 verlangte, entwicklungs- geschichtliche Beweis erbracht. Die Auffassung dieses Segmentes ist nur verständlich unter dem Gesichtspunkte der intersegmentalen, besonders der rotatorisch inter- segmentalen Kinematik, aus welcher die Entwicklung der epimeral- sternalen Region als einer rotatorisch -intersegmentalen hervorgeht und die Bedeutung einer gut und typisch entwickelten Nackenregion. So tritt in mächtiger Entfaltung eine wenn auch vereinfachte, aber doch vollständige, dorsale Längsmuskulatur im ersten Stadium auf — mit dem lateralen dorsalen Längsmuskel dhn5h des tergalen Seiten- bezirks, der in den Thoracalsegmenten fehlt. Ganz besondere Be- deutung bekommt dieser Bezirk im ersten Stadium durch die Ent- faltung des Mechanismus der Nackenblase. Nach dem Fortfalle der Embryonalkinematik geht auch die Hauptmasse der dorsalen Längs- muskeln zugrunde; die laterale aber ebenso wie die mediale Gruppe bleiben je in schon embryonal differenzierten, eigenartigen, lang- inter- segmentalen, bzw. doppelt-intersegmentalen Anteilen erhalten ; dadurch kommt der ganze Bezirk auf Grund der Bedürfnisse nach freiem und lockerem intersegmentalem Spielräume einem Gestaltungsergebnis nahe, welches wir bei den ventralen Längsmuskeln in den Abdominalseg- menten bereits vorgefunden hatten. Die Entwicklung der Chitinplatten in der Kehlhaut ^ läßt sich nur aus der Zerlegung der rotatorischen Muskulatur verstehen; die Platten sind Neubildungen im Anschluß an eine gut ausgeprägte Gruppen- bildung innerhalb der Muskulatur, welche durch die Beteiligung selbst segmentaler Dorsoventralmuskeln an der rotatorischen Funktion be- sonderes Interesse bekommt. Der ganze Apparat ist als Widerlager für die Drehbewegungen des Kopfes verständlich. Die segmentale Kinematik aber ist völlig zurückgetreten und blieb, nach dem Untergange des episternalen Bezirks und nach An- schluß des segmentalen Anteiles des Segmentes an das Hinterhaupt, hinsichtlich der Muskulatur im Muskel der zweiten Maxille erhalten. Daß mit dem Auftreten der Embryonalkinematik eine Verschieden- heit der Nackenregion im ersten Stadium von der in der Image vorhanden ist, die aber innerhalb des ersten Stadiums schon rück- gebildet wird, ist erwähnt worden. Unter diesen Zusammenhängen ist es verständlich, daß 1 Anmerkung 10. über den Tliorax von Gryllus dornest icus. V. 635 eine Seitenmuskulatur im zweiten Maxillensegment völlig fehlt, und daß sich dieses Segment in dieser Hinsicht von der allen Segmenten typischen Organisationsgrundlage weit entfernt. Anhang. V. Der Flügel und die Tracheenkieme. (Ein morphologischer Vergleich.) Diese Frage beabsichtige ich in größerem Zusammenhange bei einem Vergleich der von Dürken 1907 erhaltenen Ergebnisse über die Anatomie des Skelettes und der Muskulatur bei Ephemeriden zu be- handeln. Eine exakte Vero;leichso;rundla2;e ist durch Dürkens ein- gehende Darstellung nunmehr geschaffen; aber sie reicht zur völligen Lösung der Frage, welche die Berücksichtigung embryonaler Zustände erfordert, nicht aus, wie wir sehen werden. Nach den Folgerungen Dürkens (1907, S. 535) muß die Ent- stehung der Tracheenkieme als Ausstülpung im Bereiche der ab- dominalen Dorsoventralmuskulatur gedacht werden, welche zu einer Spaltung dieser Dorsoventralmuskulatur führt ; aus dem dorso ventralen Charakter der Kiemenmuskeln folgt die tergale Natur der Tracheen- kiemen (1907, S. 534). Durch diese Ableitung ist zunächst einmal die tergale Natur der Tracheenkieme sichergestellt. Auf Einwände theo- retischer Natur, wie z. B. den Versuch, die Muskulatur der Tracheen- kiemen zum Teil als sternalpleurale Muskeln aufzufassen, gehe ich an dieser Stelle nicht ein, da ich sie selbst nicht für stichhaltig halte. Für den exakten Vergleich des Flügels mit der Tracheenkieme entsteht aber eine neue Schwierigkeit. Auf Grund der Befunde an der Imago war nämlich 1905 der Nachweis der dorso ventralen Natur der unterhalb des Flügelgelenkes an den Pleuralgelenkplatten ansetzenden seitlichen langen Flüselmuskeln dadurch erbracht worden, daß auf Grund der verwandtschafthchen Stellung der beiden Segment- arten im Thorax und Abdomen und auf Grund direkter Beziehungen diese seitlichen Dorsoventralmuskeln als Abkömmlinge der medialen Dorsoventralmuskidatur gedacht wurden, deren Abtrennung von der medialen Hauptmasse und deren laterale Verschiebung unter dem Einflüsse der sich entmckelnden Flügelanlage geschieht, eine »Ver- lagerung dorsoventraler Muskeln zu scheinbar pleuralem Verhalten (1905, S. 470)« in ähnlicher Weise, wie sie auch Dürren für die seit- lichen Muskeln der Tracheenkieme annimmt. Diese benannte abdominale Dorsoventralmuskulatur hat Dürken 636 Friedrich Voss, ohne weiteres mit der gesamten thoracalen Dorsoventralmuskulatur homologisiert, in derselben Weise, wie ich die abdominalen Dorso- ventralmuskeln in der Imago von Gryllus domesticus anstandslos mit der thoracalen homologisiert hatte. Die Homologie hat sich für Gryllus, wie gezeigt wurde, nicht bestätigt, indem in allen Segmenten zwei verschiedene Kategorien von Dorsoventralmuskeln unterschieden werden müssen, welche primär getrennt auftreten und tergal durch die laterale dorsale Längsmuskulatur gesondert sind. Im Thorax bleiben beide Kategorien, die dorsoventralen Seitenmuskeln und die medialen Dorsoventralmuskeln, erhalten, wobei letztere am Innenrande der Flügel und Beine, erstere (Idvm) am Außenbezirke der Flügel und Beine ansetzen. Im Abdomen aber geht die mediale Dorsoventralmuskulatur restlos zugrunde; denn sie ist eben eine Muskulatur der Embiyonalkinematik, tätig bei dem Schlüpfen des Tieres aus dem Ei und bei der Embryonalhäutung, also bei Vorgängen, mit denen das nachembryonale Leben wohl aller hemimetabolen und epimorphen Insekten beginnt, bei Vorgängen, welche schon vielfach nachgewiesen wurden. Von einer derartigen Unterscheidung dorso- ventraler Muskeln ist bei Dürren nicht die Rede; konnte sie doch auch nur durch Vergleich eines Embryonalzustandes mit einem älteren ersten Larvenstadium oder mit einem Imaginalstadium offenbar werden, wie dies jetzt an Gryllus geschehen ist. Es ist aber bei einem Vergleiche des Flügels mit der Tracheenkieme ganz uner- läßlich, die Natur der Kiemenmuskeln genau festzustellen. Da beide Kategorien, die seitlichen und medialen Dorsoventral- muskeln, im Thorax der Ephemeriden gut ausgebildet sind, können sie auch im Abdomen dieser Tiere als primär vorausgesetzt werden. Bei den allgemein gleichen Voraussetzungen, die man für die Organisations- grundlage und für die embryonalen Entwicklungsvorgänge, auch wohl für die nachembryonale Kinematik in einem Übergangszustande des ersten Stadiums für alle nicht-holometabolen Insekten annehmen darf, bei der großen Übereinstimmung, welche die Muskulatur im Thorax der Ephemeriden mit der von Gryllus trotz der Abweichungen im einzelnen zeigt, möchte ich ohne weiteres voraussetzen, daß auch im Abdomen der Ephemeriden die Muskulatur der Embryonalldnematik zwar an- gelegt wurde, aber danach verschwunden ist. Ich neige daher zu der Annahme, daß die von Dürren beschriebenen abdominalen Dorso- ventralmuskeln dvml — 3 und die Kiemenmuskeln h^il — 3 der gleichen Kategorie der dorsoventralen Seitenmuskeln — Idvm bei Gryllus — angehören, die im Abdomen der Grille sich gleichfalls allein noch nach- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 637 embryonal erhalten hat. Es widerspricht dem nicht, daß in Anbetracht der bedeutenden intersegmentalen Bewegungsvorgänge im Abdomen der Ephemeriden ein »umgekehrt intersegmentaler ÜQrsoventral- muskel« idvm in dieser seitlichen Kategorie entstanden ist, welcher bei der Grille im Abdomen nirgends vorkommt, höchstens im vorderen dorsoventralen Seitenmuskel des zweiten Abdominalsegmentes IIa Idvml ein kinematisches Analogen findet. Die Gründe, diese Muskulatur — DüRKENs Dorso Ventralmuskeln dvm — für dorso ventrale Seitenmuskeln — Idvm bei der Grille — zu halten, sind, zusammengestellt, die folgenden : Die Annahme einer gleichartigen morphologischen Grund- lage in der Muskulatur bei Hemimetabolen und Epimorphen, Die Annahme des gleichenKückbildungsvorganges der media- len Dorsoventralmuskulatur edvm, wie er bei der Grille beschrieben ist. Die laterale Stellung der Dorso ventralmuskeln und der Kiemen- muskeln bei Ephemeriden und infolgedessen (vgl. Dürken 1907, S. 477, Fig. 17) die Unzulässigkeit der Vorstellung, daß die abdominalen Dorsoventralmuskeln dvm der Ephemeriden, als mediale echte dvm einerseits, den Kiemenmuskeln km, als dorsoventralen Seiten- muskeln Idvm anderseits, gegenüber zu stellen seien, zumal Dürken die Vorstellung erhalten hat, daß sie nicht etwa sekundär ge- nähert seien, sondern sekundär getrennt werden. Die Vorstellung an sich, daß in den Tracheenkiemen in gleicher Weise wie im Thorax an den Flügeln eine mediale bzw. eine laterale Dorsoventralmuskulatur im tergalen Bezirke zur Bewegung dieser Organe sich treffen, hat nichts Unwahrscheinliches an sich, zumal im Abdomen sich bei dem Mangel der Beine beide Kategorien dort sternal genähert haben könnten, wie es im Abdomen der Grille ja der Fall ist. Indessen würde man bei dieser Annahme, die allerdings durch die dorsale Anheftung der Tracheenldemen sehr gestützt wird, den Fortfall lateraler dorsaler Längsmuskeln bei Ephemeriden im Abdomen an- nehmen müssen {dlm5 bei Gryllus). Dieser Fortfall der lateralen dorsalen Längsmuskulatur jedoch ist unwahrscheinlich, einmal durch die bedeutende intersegmentale Kine- matik in den Abdominalsegmenten der Ephemeriden, ferner aus dem Grunde, daß in einem vom dorsalen Längsmuskel dlm5 frei gewordenen, durch die Flügelanlage, bzw. die Tracheenkieme eingenommenen ter- galen Seitenbezirke, in letzterem Falle auch eine dem Flügel homologe, intratergale Muskulatur auftreten müßte oder könnte; denn es wären ja in diesem Falle Tracheenkieme und Flügel homologe Gebilde. Für diese Homologie bietet aber schon wieder die ganz andre Art 538 Friedrich Voss, der Anheftung der Tracheenkiemeii nahe der hinteren Intersegmental- haut Schwierigkeiten. Ich möchte also einen Ausfall der lateralen dorsalen Längsmuskulatur im Abdomen der Ephemeriden nicht an- nehmen, sondern glauben, daß ein Teil der reichlichen lateralen Längs- muskeln im Abdomen der Ephemeriden einer lateralen dlm5-'Lä,ng&- muskulatur — homolog dem dlm5 der Grille — gleichzusetzen ist. Nach der von Dürken gegebenen Darstellung (vgl. S. 477, Fig. 17) ist es nicht unannehmbar, daß der dlmS Dürkens dem dlm5 bei Gryllus homolog ist (vgl. Anm. 11, S. 678). Die Tracheenkiemen sind alsdann also auf Faltenbildungen inner- halb der dorso ventralen Seitenmuskulatur zurückzuführen, d. h. sie befinden sich innerhalb, zum Teil aber noch lateral-seitlich der lateralen Dorsoventralmuskeln und gehören so dem äußeren Bezirke des tergalen Seitenfortsatzes lateralseitig der dorso ventralen Seitenmuskeln, dem pleurotergalen Seitenteile an, während der Flügel dem inneren, intra- tergalen Bezirke des lateral-tergalen Seitenteiles angehört, an der Grenze jener Bezirke, die als pleurotergal und eutergal bezeichnet worden sind (vgl. S. 631). Flügel und Tracheenkiemen wären demnach nicht homo- loge^ sondern sehr gut unterschiedene Bildungen. Zur endgültigen Bestätigung dieser Auffassung ist allerdings der Nachweis erforderlich, daß eine mediale Dorsoventralmuskulatur im Abdomen der Ephemeriden (vgl. Gryllus edvm) embryonal angelegt wurde und tatsächlich existiert hat. Daß sie bei Ephemeriden ima- ginal nicht mehr besteht, kann außer den für Gryllus geltend gemachten Gründen (Fortfall der Embryonalkinematik und Reife der Keim- drüsen usw.) noch durch einen weiteren Grund gedeutet werden, näm- lich durch die Notwendigkeit der besonderen Entfaltung dorsaler Längsmuskeln für die intersegmentalen Bewegungserscheinungen, welche die ganze Innenfläche des Tergits beanspruchen. Zum endgültigen Nachweise der Natur der abdominalen Dorso- ventralmuskeln bei Ephemeriden dürfte auch die Lagebeziehung zu den großen Tracheenstämmen zu berücksichtigen sein (vgl. Anm. 12). Daß eine unterbrochene Seitenmuskulatur im Abdomen der Ephe- meriden nicht vorkommt, dürfte mit der Ausbildung larval-starrer Seitenteile (vgl. Dürren, Textfig. 5) zusammenhängen, wenngleich dann auch anderseits ein Fortfall der dorsoventralen Seitenmuskulatur wahrscheinlich gemacht werden könnte, und alsdann die Muskulatur der Tracheenkiemen der medialen Dorso ventralkategorie angehören müßte; anderseits wiederum könnten die äußeren Kiemenmuskeln hn über den Tliorax von Gryllus domesticus. V, 639 als unterbrochene, sternalpleurale Seitenmuskeln aufgefaßt werden. Diesen Dingen gehe ich aber jetzt nicht nach, da eine Grundlage fehlt. VI. Die Metamorphose von Gryllus domesticus. Die Vorgänge bei dem Schlüpfen aus dem Ei und bei der Embryonalhäutungi. (Vgl. Fig. 43 u. a. Taf. XXVIII; ferner die dort in der Erläuterung bezeichneten Abbildungen bei Heymons und Vosselee, (vgl. S. 671). Die Untersuchungen hierüber sind noch nicht abgeschlossen, da zur völligen Klarstellung der Embryonalkinematik eine eingehendere Untersuchung am Embryonalstadium und neue Beobachtungen am lebenden Objekte nötig sind. Ich beschränke mich daher auf eine Zusammenfassung der einzelnen Teilmechanismen, wie sie aus den allerdings sehr eingehenden Untersuchungen am Übergangszustande des ersten Stadiums hervorgehen. Den Vorgang des Schlüpfens aus dem Ei und die Embryonalhäu- tung hat VossELER (1905 S. 302 — 311) von der Wanderheuschrecke be- schrieben. Es sei auf diese Darstellung der äußeren biologischen Vor- gänge verwiesen, da man annehmen darf, daß sie sich bei beiden Tieren im wesentlichen in gleicher Weise vollziehen, und da meine bisherigen Beobachtungen über diesen Vorgang keinen Anlaß zu Bedenken in dieser Richtung geben; jedoch besteht ein Unterschied schon insofern, als die Embryonalhaut, wie gesagt (vgl. Bd. C, S. 622 ff.) bei der Grille meist im Ei zurückbleibt und dementsprechend die beiden Phasen des Überganges zum Normalzustande äußerlich kaum zu trennen sind. Es sei nunmehr speziell jene anatomische Grundlage im Zusammen- hange dargestellt, auf welcher sich die genannten Vorgänge abspielen, indem an die bereits gegebene Einzeldarstellung bei den einzelnen Muskeln angeknüpft wird. Die Vorgänge, welche mit dem Schlüpfen des fertig entwickelten Embryo aus dem Ei beginnen, können in einzelne Teil Vorgänge unterschieden werden. Wir unterscheiden: a. Die Embryonallage des Embryo im Ei, welche der Embryo in dem Augenblicke aufgibt, in welchem er sich zur Sprengung der Eischale anschickt. b. Der Embryo tritt alsdann in das nachembryonale Larven - leben ein, allerdings noch nicht als fertiges Tier, sondern in einem Zustande, welchen ich als den Übergangszustand des ersten 1 Hierzu vergleiche man die kurze Übersicht in meinem Vortrag, Basel 1911, S. 290 ff. 640 Friedrich Voss, Stadiums bezeichne. Genau 2;enommen fängt das erste Stadium erst nach Ablage der Embryonalhaut an. Der Übergangszustand umfaßt also nach dem Schlüpfen aus dem Ei sowohl den- jenigen Endabschnitt der Embryonallage, in welchem die aktive Tätigkeit des Tieres zu seiner Befreiung aus der Embryonalhaut beginnt, als auch den Anfang des freien ersten Stadiums, jenen Zeitabschnitt, in welchem das junge Tier noch nicht erhärtet und ausgefärbt ist. Wie weit hier- mit innerlich die Rückbildung der Muskulatur zusammenfällt, bleibt unberücksichtigt, da die Schnelligkeit der Rückbildung individuellen Schwankungen unterliegt (vgl. Bd. C, S. 627). 1 Die kinematischen Vorgänge nun, welche mit der Sprengung der Eischale beginnen und in den genannten Übergangszustand fallen, sind es, die uns im Anschlüsse an die anatomischen Befunde interessieren. Sie sind bereits einleitend auf S. 622 ff, erwähnt worden. Die Gesamtheit der in Betracht zu ziehenden Vorgänge kann als die embryonale Kinematik des Schlüpfens aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut bezeichnet werden, Sie ist als ein besonders intensiver Spezialfall der intersegmentalen Häutungskinematik anzusehen, wobei sie sich von der letzteren nicht nur durch die besonders gewaltigen Kraftäußerungen, sondern auch speziell durch die Inanspruchnahme segmentaler dorsoventraler Muskulatur neben der intersegmentalen Häutungsmuskulatur unter- scheidet. Es soll nunmehr versucht werden, die bei den einzelnen Teilmecha- nismen etwa beteiligten Muskeln zusammenzustellen. Hierfür kommen alle diejenigen Muskeln in Betracht, welche sich durch nachembryonale Größenabnahme verraten, falls für sie im übrigen keine speziellen Be- ziehungen andrer Art verantwortlich gemacht werden können, und solche Muskeln, welche schon innerhalb des ersten Stadiums nach Erledigung ihrer Aufgabe zugrundegehen und sich dadurch speziell als Übergangsmuskulatur, als Muskeln der embryonalen Kinematik ver- raten. Ob noch andre Muskeln, deren Funktion hauptsächhch für den Normalzustand selbst bestimmt ist, sich an der Embryonalkinematik beteiUgen, entzieht sich der Beobachtung. Doch kann man z. B. ver- muten, daß sich noch zahlreiche Muskeln beteiligen, welche zwar nicht schwächer werden, aber durch ihre frühzeitige kräftige Ausbildung und durch ihre Stellung die Annahme einer Beteiligung am Embryonal- mechanismus und an den späteren Häutungen nahelegen. über den Thorax von üryllus domesticus. V. 641 Die genannten Arten von Muskeln sind die wesentlichen Grund- elemente, welche den embryonalen Mechanismus zum Schlüpfen aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut zusammensetzen. Entsprechend der Unterscheidung nun von Muskeln einerseits, welche nach der Erledigung ihrer Aufgabe fortfallen, von solchen anderseits, welche nach der Befreiung des Tieres aus der Eischale und aus dem Embryonalhäutchen schwächer werden oder welche — ohne daß man eine andre Funktion für sie namhaft machen könnte — bemerkenswert kräftig sind und späterhin nicht schwächer werden, kann man zwei Teilmechanismen unterscheiden: a. den Befreiungsmechanismus und b. den Sicherungsmechanismus. Eine strenge Unterscheidung der genannten beiden Muskelgruppen auch hinsichtlich einer je ausschließlichen Beteiligung an beiden Teil- mechanismen ist indessen nicht durchführbar, da einige Muskeln beider Gruppen für beide Vorgänge zugleich in Betracht gezogen werden müssen. a. Der Befreiungsmechanismus. Er besteht aus zwei Vorgängen 1) aus der Sprengung und Er- weiterung der Eischale sowie der Befreiung aus derselben, ferner 2) aus der Befreiung aus der Embryonalhaut, d.i. aus der ersten Larvenhaut. 1) Der erste Vorgang besteht in der Sprengung der Eischale. Dieselbe wird mit Hülfe spezieller Embryonalorgane vollzogen, als welche nicht allein die stark entwickelte Nackenhaut {Ot = R, Fig. 43, Taf. XXVIII) imd der von den Autoren vielgenannte Eizahn bzw. die Stirnsäge (vgl. Anm. 13) als Teile des Embryonalhäutchens , sondern zudem dieses selbst mit seiner zähen, von den späteren cuticularen Bildungen abweichenden Beschaffenheit zu gelten haben ; ferner kommen hierbei folgende Muskeln in Betracht (vgl. Anm. 17, S. 680): Muskeln, welche im ersten Stadium zugrunde gehen: Die abdominalen medialen Dorsoventralmuskeln edvm (5, 6 usw.). Muskeln, welche in der Imago schwächer ausgebildet sind, als im ersten Stadium: Die abdominalen dorsoventralen Seitenmuskeln Idvm (7, 24 usw.). Ob die thoracalen Dorsoventralmuskeln mitwirken, bleibt fraglich. 542 Friedrich Voss, Die Antagonisten derselben. Muskeln, welche im ersten Stadium zugrunde gehen: Die Transversalmuskeln Cm (177) und Tm (178) des Hinterhauptes und des Tentorium in der Halsregion. Der mediale dorsale Längsmuskel 0 dlmla (162) und der laterale dorsale Längsmuskel 0 dlmöh (166) der Nackenregion. Der mediale ventrale Längsmuskel / vlm8 (126) des Prothorax. Muskeln, welche in der Imago schwächer sind: Der prothoracale mediale dorsale Längsmuskel 7 dlmla (127) viel- leicht; er ist aber mehr für den folgenden Teilmechanismus in Betracht zu ziehen. — Der mesothorakale //&m7 (115). Die umgekehrt iutersegmentalen Dorsoventralmuskeln der Hals- haut Oidvml + 2 (167, 168). Spezialmuskeln der Nackenblase: Die segmentalen dorsalen Längsmuskeln OdlmOx + y (165). Ob die lang- und doppelt-intersegmentalen dorsalen Längsmuskeln Odlml + 2 (163, 164) mitwirken, scheint mir unwahrscheinlich. Der Vorgang wird dadurch eingeleitet, daß die Flüssigkeit der Leibeshöhle durch einen von der abdominalen medialen Dorsoventral- muskulatur edvm, wahrscheinlich mit Unterstützung durch die seit- lichen Mvm- Dorsoventralmuskeln ausgeübten gewaltigen Druck nach vorn getrieben wird, v/odurch die Schwellung des Vorderendes und die Dehnung der Nackenhaut R (Ot) eintritt und das Vortreten der Nacken- blase veranlaßt wird. Als Antagonisten dieser abdominalen Muskeln dürften im Segmente der zweiten Maxille die soeben genannten Mus- keln in Betracht kommen, welche durch abwechselndes Nachlassen und Zusammenziehen die Eischale schließlich nachgiebig machen. Die Rolle der seitlichen Muskeln und des ventralen Längsmuskels darf dabei gewiß dahin ausgelegt werden, daß sie die Flüssigkeit an bestimmte Stellen zu leiten imstande sind; denn es ist nicht unwahr- scheinlich, daß durch die Kontraktion der Transversalmuskeln der Zugang zur Kopfhöhle versperrt zu werden vermag. Vosseler (S. 307 unten) glaubt, daß dem »Amnion« allein die Aufgabe zuerteilt sei, die vorzeitige Vergrößerung des Kopfes zu verhüten. Ferner mögen die kräftige intersegmentale Dorsoventralmuskulatur idvml + 2 und die breite Lage der seitlich gestellten lateralen dorsalen Längsmuskeln geeignet sein, die Seitenteile der Halshaut dem Druck der Flüssigkeit zu entziehen, welche nunmehr in tergaler Richtung wirksam wird und die Nackenblase in Tätigkeit setzt. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 643 Ganz besondere Beachtung verdient hierbei der kräftige pro- thoracale ventrale Längsmuskel IvhnS. Wenn nämlich unter den star- ken abdominalen Pressungen die Blutflüssigkeit den Kopf, dessen Innenraum ihr vermutlich durch die Kontraktion der Transversal- muskulatur versperrt ist, gegen das Vorderende der Eischale andrückt, so vermag dieser Muskel, indem er das Vorderende des Tieres im Anta- gonismus mit der medialen dorsalen Längsmuskulatur energisch herab- beugt, die auf- und abwärts geführte Bewegung der Stirnsäge, des Eizahnes hervorzurufen, deren Reibung gegen die innere Eischale den ersten Biß in derselben hervorruft; vgl. hierbei auch IIbm7 (115). Bei energischer Kontraktion der Antagonisten wird die Blut- flüssigkeit wieder nach hinten gepreßt, während die Spezialmuskeln der Nackenblase, welche sich bei ausgestülpter Nackenblase in stark gedehntem Zustande befinden müssen, durch ihre Kontraktion die Nackenblase zurücktreten lassen. Der Mechanismus beruht demnach nicht auf einer einseitigen Druckwirkung der abdominalen Dorsoventralmuskulatur, sondern auf einer antagonistischen Wechselwirkung zwischen dieser einer- seits und einer im vorderen Thorax und im Segment der zweiten Maxille gelegenen besonderen Muskulatur anderseits. Nachdem unter wiederholter Wechselwirkung der antagonistischen Kräfte der Embryo auf diese Weise aus der Eischale befreit ist, tritt 2) der Vorgang der Embryonalhäutung, d. i. der Befreiung aus der ersten Larvenhaut ein. Der Embryo ist innerhalb der Eischale von einer zarten aber widerstandsfähigen Cuticula, der Embryonal- haut, dem Amnion, umschlossen. Als eine echte Larvenhaut mit der biologischen Bedeutung eines Schutzorgans wiederholt sie die Form und die Lagebeziehungen der Teile zueinander, welche den Embryo in seiner typischen Embryonallage auszeichnen, und welche 1905, S. 455, Fig. 8, für die Grille dargestellt ist. Der Unterschied gegenüber der Normallage ist bereits auf S. 623, Bd. C erwähnt worden. Indem die Embryonalhaut in engem Anschlüsse an das junge Tier alle Körperfor- men genau wiederholt, hält sie den Embryo während der gewaltsamen Vorgänge bei der Befreiung aus der Eischale in seiner Embryonallage fest. Die nächste Tätigkeit besteht nunmehr darin, dieses Häutchen zu sprengen und abzustreifen. Dieser Vorgang ist in kinematischem Sinne von dem vorigen kaum streng getrennt zu halten, da hierfür ähnliche Pressungen auf die Blutflüssigkeit nach vorn in Frage kommen wie dort. Auch liegt, wie erwähnt, zeitlich kein großer Zwischen- raum zwischen beiden Vorgängen, da die Embryonalhaut in der Regel Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 42 644 Friedrich Voss, in der Eischale zurückbleibt, während bei der Wanderheuschrecke diese Vorgänge prinzipiell getrennt bleiben auf Grund jener Beziehung, daß das Embryonalhäutchen zunächst noch geschlossen bleibt und daß ihm noch eine weitere, besondere Rolle als Schutzhülle zufällt, wenn das Tier sich durch die Erde hindurcharbeitet (Vosseler 1905, S. 304:f.): Gerade bei diesem Tiere dürften der Mechanismus der Nackenblase und die gesamte Embryonalkinematik eine viel größere Bedeutung besitzen, als bei der Grille, und es dürfte die hierfür in Betracht kommende Muskulatur daher mindestens gleichfalls ebenso kräftig entwickelt sein (vgl. Anm. 14, S. 679). Für diesen Vorgang der Ablage der Embryonalhaut kommt viel- leicht weniger die abdominale Dorsoventralmuskulatur (vgl. auch Vosseler, S. 307 unten und S. 308) als die intersegmentale Muskulatur in Betracht; denn die Ablage der alten Cuticula erfordert neben jenen nach vorn gerichteten Pressungen der Blutflüssigkeit ein abwechselndes Ausdehnen und Zusammenschieben der Segmente gegeneinander in der Richtung der Längsachse des Tieres, und dieser Mechanismus scheint ganz besonders an die kräftige einfach-intersegmentale Mus- kulatur geknüpft. Daß im Speziellen auch der Mechanismus der Nacken- blase hierbei in Tätigkeit tritt, vielleicht unabhängig von der Dorso- ventralmuskulatur, geht aus den Angaben Vosselers hervor, welcher von besonderen peristaltischen Bewegungen des Kopfes berichtet. Daß diese Vorgänge gleichfalls mit außerordentlichen Muskelkräften verbunden sind, kann ich durch eigne Beobachtungen bestätigen. Sie sind von Vosseler eingehend geschildert. Gerade für diesen Befreiungsakt ist noch die Beteiligung rotatori- scher Muskulatur besonders zu betonen. Es kommen demnach für ihn außer den unter a genannten Muskeln^ von denen die Be- deutung der medialen Dorsoventralmuskeln edvm vielleicht schon etwas zurücktritt und von denen sämtliche dorsale Längsmuskeln, zumal auch der prothoracale Idlmla (127) ganz besonders in Anspruch genommen werden dürften, außerdem noch folgende Muskeln in Betracht : Muskeln, welche im ersten Stadium zugrunde gehen: Der Ast a des lang-intersegmentalen dorsalen Längsmuskels der Nacken- region 0 dlml (163). Muskeln, welche nachembryonal schwächer werden: Die intersegmentalen Dorsoventralmuskeln /, //, /// ism (52, 86, 130). Die ventralen Längsmuskeln im Prothorax und im Mesothorax: /, IIvlm2a + b der Hüfte (120, 79); /, Ilvhnd + 5 (81, 122, 123). über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 645 FernerMuskeln, welche ohne Spezialbeziehung zu diesen Vorgängen zweifellos mitbeteiligt sind, wie die dorsalen Längsmuskeln, besonders auch im Abdomen. Alle die an beiden Teilphasen des Befreiungsmechanismus be- teiligten Muskeln also vollziehen unter sehr gewaltsamen Bewegungs- erscheinungen die Sprengung der Eischale und die erste Häutung; sie befreien den Embryo aus der Embryonallage. Die meisten derselben übertreffen an Mächtigkeit der Masse und Kraftwirkung alle Muskeln, welche im nachembryonalen Leben des Tieres zur Funktion gelangen, selbst die Flugmuskulatur, und gerade die mächtigsten Muskeln wiederum dieses antagonistischen Systems gehen in den ersten Tagen des nachembryonalen Lebens mehr oder minder schnell und vollständig zugrunde. b. Der Sicherungsmechanismus. 3) Die Herstellung des Normalzustandes, d. h. der Nor- mallage der Teile. Das Tier ist nunmehr von der hindernden Embryonalhaut befreit und ist imstande, den Körperregionen und den Extremitäten diejenige Stellung zu verleihen, welche das Tier zur normalen Lebenstätigkeit befähigt. Dieser Mechanismus ist gleichfalls nicht scharf gesondert zu halten von den beiden vorigen; denn er beansprucht gleichfalls eine Anzahl vergänglicher und bleibender Muskeln, welche dort tätig waren. Er knüpft aber auch außerdem an eine Reihe von Muskeln an, welche nachembryonal schwächer oder gänzlich rudimentär werden oder solcher, welche auffallend kräftig entwickelt sind ohne später schwächer zu werden oder endlich solcher, deren Stellung keine andre Deutung zuläßt — alles Muskeln, welche anscheinend die Aufgabe haben, die für den Normalzustand charakteristischen Lagebeziehungen herzu- stellen, sofern solche in der Embryonallage noch nicht vorhanden waren. Diese Muskeln sind ferner imstande, bei den gewaltsamen Vorgängen, welche mit der Sprengung der Eischale, besonders aber mit der ersten Häutung verknüpft sind und welche die Lage der Teile in kompliziert gestalteten Bezirken zu stören trachten, durch ihre Kontraktion zu schützen, — alles Aufgaben, welche einem Teile der Muskeln auch noch bei den späteren Häutungen zufallen mögen. Der Mechanismus ist daher ein Gestaltungs- und Sicherungsmechanismus. Es kommen außer den genannten Muskeln — unter ihnen 42* 646 Friedrich Voss, besonders wieder die segmentalen dorsalen Längsmuskeln der Nacken- region OdlmOx, y — noch folgende in Betracht : Es sind sämtlich Muskeln, welche in der Imago noch erhalten geblieben sind, zum Teil allerdings in einem äußerst rückgebildeten Zustande: Die intratergalen Muskeln in den flügeltragenden Seg- menten // und IIIpm9—pnl3 (67—71, 103—107). Diese im Über- gangszustande zum Teil besonders kräftigen Muskeln nähern nach- embryonal die basalen Teile der Flügelduplikatur einander und sichern den Bestand der Falte während des Häutungs Vorganges. Die eigentümlichen Spezialmuskeln im Prothorax: Der unterbrochene Seitenmuskel Ipml-5 (144) im episternalen Bezirke, welcher die basale Pleurallamelle an den Vorderrand des Pronotum, des Halsschildseiteiilappens, heranzieht. Der epimerale unterbrochene Seitenmuskel Iltml6 (145), welcher vielleicht einer allzustarken Spannung der prothoracalen Seiten- wand entgegen wirkt. Der lange »tergalpleurale « I^mn (146), welcher das obere Ende der Pleurallamelle, bzw. das Tergit mit dem seitlich tief sternalwärts hinabreichenden und eingebogenen Vorderrande des Pronotum ver- bindet. Die Muskelfasern des basalen Halsschildseitenlappens IhsmlS (149), welche in einer den intratergalen Flügelmuskeln analogen Weise die Herstellung und Sicherung der Duplikatur des Halsschildseiten- lappens vollziehen. Schließlich kommen noch folgende Muskeln hinzu, aus deren Stellung oder aus deren frühzeitiger kräftiger Ausbildung eine Beteiligung am Sicherungsmechanismus höchst wahrscheinlich ist; zugleich aber würden diese zum Teil nicht schwächer werdenden Mus- keln auch bei späteren Häutungen wirksam sein (vgl. Bd. C, S. 806). Es sind folgende: Die episternalen tergalpleuralen Seitenmuskeln III pm8 (66) und IIpm8a + x (102) der flügeltragenden Segmente in der Intersegmental- falte. Die bereits vorher mitgenannten intratergalen Muskeln pm 12, 13 (70,71; 106,107) in den flügeltragenden Segmenten, welche nicht schwächer werden und deren kräftige Ausbildung in Ermangelung andrer Aufgaben sonst nicht verständlich ist. Die metathoracalen dorsalen Längsmuskeln Illdhnl, 3 und 4 (48, 50, 51) und der Darmmuskel Iltim (118). Über den rnesothorakalen II hm? (115) vgl. S. 457 f. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 647 Der eigenartige Sternalmuskel /, //, IllsrmS (IIa,, 115a, 156), dessen Bedeutung noch nicht genügend geklärt werden konnte, sei wenigstens in diesem Zusammenhange erwähnt. Alle diese Muskeln treten im gleichsinnigen oder antagonistischen Zusammenwirken untereinander und mit andern Muskeln auf, dessen Einzelheiten sich schwer verfolgen und noch schwerer in Kürze schil- dern lassen, im letzteren Falle immerhin hypothetisch bleiben müssten. Zudem ist man bei Beurteilung dieser Verhältnisse fast gänzlich auf Kombinationen angewiesen. Jedenfalls geht aber aus dieser Übersicht hervor, daß ganz besonders die vorderen Regionen des Tieres derartigen Umwandlungen ausgesetzt und mit Sicherungen versehen sind; ein Vergleich der Embryonallage mit dem Normalzustande be- stätigt dies. Die Verkleinerung des Abdomen und die Pressung der Körpersäfte in den Kopf hinein^ der sich infolgedessen ganz unverhältnismäßig vergrößert, während er in der Embryonallage relativ klein war, bedeutet wahrscheinlich die letzte Funktion der abdominalen medialen Dorsoventralmuskeln, welche danach sehr schnell zugrunde gehen. Jedenfalls verschwinden sie von allen Muskeln der Embryonal- kinematik zu allererst. Der Verkürzung der Nackenhaut und der Herstellung der typi- schen Faltung derselben dienen wahrscheinlich die Transversalmuskeln des Kopfes, die Antagonisten der Dorsoventralmuskeln, in einer letzt- maligen Funktion ferner die längslaufenden Nackenmuskeln OdlmO, be- sonders deren vordere Gruppe y. Von den Transversalmuskeln wurde angenommen, daß sie zeitweise den Körpersäften den Eintritt in den Kopf verwehren könnten. Jedenfalls sichern sie zudem die Lage- beziehung der seitlichen Hinterhauptsteile zueinander, und es ist möglich, daß sie bei geringerem Kontraktionszustande hierbei der Blutflüssigkeit den Weg in den Kopf freigeben. Besonders die Trans- versalmuskeln des Tentorium gehen verhältnismäßig spät zugrunde, und es ist wahrscheinlich, daß sie noch lange im Sinne einer Sicherung der Lagebeziehungen zwischen den beiderseitigen Teilen der Halshaut und des Hinterhaupts wirksam sind, so lange, bis die Chitinteile hart geworden sind. Die kinematischen Beziehungen sind derartig vielseitig, daß sich eine große Anzahl von Möglichkeiten ergibt, denen wir hier nicht nach- gehen können. Die Verkürzung des Nackenraumes, die Herstellung von dessen normaler Faltung, das Schwinden des vorderen Nackenraumes sind 648 Friedrich Voss, mit den Kontraktionswirkungen der dorsalen Längsmuskeln innig ver- knüpft. Sie haben zur Folge, daß der Kopf in seine normale, unter das Halsschild zurückgezogene Lage eintritt. Schnittbilder durch einen Übergangszustand mit bereits fast hergestellter Normallage (vgl. Nr. 7, Bd. C, S. 611) zeigen alle Muskeln der Nackenhaut in starkem Kontraktionszustande. Die zahlreichen Spezialmuskeln des Prothorax lassen vermuten, daß dessen Gestaltungsverhältnisse in der Embryonallage noch weit verschieden von denen des Normalzustandes sind; Unterschiede, die gewiß mit der herabgebeugten und gegen das Prosternum angedrückten Lage des Kopfes in Verbindung zu bringen sind. Über die kinematischen Aufgaben der intratergalen Muskulatur innerhalb der Flügelanlage in der S. 474, 646 angedeuteten Kichtung kann erst die Untersuchung des Embryo Endgültiges lehren. Schließlich ist das Tier erhärtet und befindet sich in den end- gültigen, fortab weniger tiefgreifenden Umänderungen und Störungen ausgesetzten Lagebeziehungen des Normalzustandes, und die Über- gangsmuskulatur gelangt zur Rückbildung, oder sie geht zugrunde. Wie sich die kinematischen Bedingungen bei den späteren, nach- embryonalen Häutungen verhalten, kann erst nach Untersuchung der nachembryonalen Stadien abschließend beurteilt werden. Daß sie verschieden sind, habe ich gemäß der zurzeit bereits möglichen Er- kenntnis an verschiedenen Stellen erwähnt. Ohne auf Einzelheiten hierüber an dieser Stelle einzugehen, sei nur ganz allgemein die Ab- schwächung der intersegmentalen Bewegungserscheinungen bei den nachembryonalen Häutungsvorgängen betont, gegen- über der besonders schwierigen und mit tiefgreifenden Um- gestaltungen verbundenen Embryonalhäutungi. Die besondere Betrachtung der darauf folgenden physiologischen Massenumlagerung in ihrem physiologischen Verhalten ist nicht Gegen- stand dieser Untersuchung, vgl. S. 615 f., Bd. C. Mit dieser ganz allgemeinen Übersicht sei die Betrachtung der Embryonalkinematik abgeschlossen. Die Einzelheiten der Teilmecha- nismen in ihrer Aufeinanderfolge werden sich schwer ergründen lassen ; sie bedürften besonderer Untersuchungsmethoden und Voraussetzungen. Vorliegende Angaben bedeuten ein Nebenergebnis der vergleichend anatomischen Untersuchung, aus welcher sich gleichwohl ein im wesent- lichen wohl richtiges Bild dieser Vorgänge konnte entwickeln lassen. Von allgemeinem Interesse ist das Ergebnis dieser letzteren Be- 1 Man beachte hierzu die braunen Linien auf Tafel XXVI. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 649 trachtung, daß zur Herstellung der normalen Lagebeziehungen spezielle Muskeln notwendig sind. Die Normallage wird also zum großen Teile auf grob-mechanischem Wege durch einzelne, ganz bestimmt gerichtete Muskelkräfte hergestellt. Sie ist nicht aus- schließlich die Folgeerscheinung von etwa präexistenten Spannungs- verhältnissen in den neuen Chitinteilen unter der alten Haut, in welchen die endgültigen Formen potentiell enthalten sind, so daß sie nach dem Abstreifen der alten Haut von selbst — infolge der Elastizität der Teile selbst — in die Normallage eintreten würden. Damit ist nicht gesagt, daß dieses, den Chitinteilen selbst etwa innewohnende, in ent- wicklungsmechanischem Sinne formgestaltende Prinzip, über welches übrigens wenig bekannt ist, ausgeschaltet werde. Aber es ist von Interesse, daß hierbei immerhin eine Reihe von formgestaltenden Vorgängen beteiligt ist. welche durch die willkürliche Muskulatur eingeleitet werden und, wenn auch vielleicht nicht durch einen besonderen Willensakt des Tieres, so doch auf Grund gesetzmäßig auftretender physiologischer Zustände im Übergangs- zustande des ersten Stadiums in Erscheinung treten. Die seitliche Ansicht eines Embryo innerhalb der Eischale auf Taf . XXVIII, Fig. 43, veranschaulicht die besprochenen Vorgänge und läßt die Wirkungsart des Befreiungs- und Sicherungsmechanismus er- kennen; vgl. die Figurenerklärungen S. 670 f. und zu Fig. 17, Bd. C. Ob bei diesen Vorgängen der Embryonalkinematik des Schlüpfens aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut in der von Kunkel 1890 (zitiert Bd. C, S. 622) vermuteten Weise eine vom Darm aufgenommene Luftmenge mitwirkt, indem sie den Innenraum des Körpers erweitert, möchte ich bezweifeln. Denn einmal scheint mir der beschriebene Embryonalmechanismus für die genannten Vorgänge auszureichen, anderseits ist von einer besonderen Erweiterung des noch Dotterreste enthaltenden (Bd. C, Taf. XXV, Fig. 26, 28, 29) Darmes im Übergangs- zustande nichts zu sehen (Textfig. 1, 4, 6, 11, S. 645 ff.). Es ist auch nicht unmittelbar einzusehen, in welcher Weise der von der Eischale und dem Embryonalhäutchen eingeschlossene Embryo die Luft ohne weiteres aufzunehmen vermöchte. Im Gegenteil: Erst nach der Befreiung aus den Embryonalhüllen und im Normalzustande (vgl. Textfig. 7, S. 657) nimmt der Darm und durch ihn veranlaßt auch der gesamte Körperumfang besonders im Abdomen in dem durch den Vergleich der genannten Figuren erkennbaren beträchtlichen Maße zu. Daß dieser Vorgang — also die Herstellung des Normal- zustandes nach erfolgter Befreiung aus den beiden Embryonal- 650 Friedrich Voss, hüllen — durch die Aufnahme von Luft eingeleitet werde, ist allerdings sehr wahrscheinlich, ebenso auch, daß erst dann das Tier zur Nahrungs- aufnahme befähigt sein mag (vgl. die Inhaltsmassen des Darmes in Bd. C, Taf. XXV f., Fig. 27, 30, 31). Es muß nach diesen Erwägungen gerade der Unterschied be- tont werden, welcher zwischen der Embryonalhäutung einerseits und den späteren nachembryonalen Häutungen anderseits besteht: Jene vollzieht sich ausschließlich durch Muskelkontraktion und durch den Blutdruck, die letzteren werden durch die Möglichkeit der Luftauf- nahme mittels Tracheen und Darm in solch erheblichem Maße unter- stützt, daß es vielleicht gerade aus dieser Beziehung heraus zu ver- stehen ist, weshalb die Kraftwirkungen seitens der Muskulatur bei den späteren Häutungen bei weitem nicht den Grad erreichen, den sie im Embryonalmechanismus besitzen, indem die zugrunde gegangene Muskulatur durch ein andres, den Innenraum des Körpers nicht so sehr belastendes, im Volumen veränderungsfähiges »Drucksystem « eben das Darm- und das Tracheensystem, ersetzt zu werden vermag. Über die morphologisch-biologische Auffassung der Metamorphose vergleiche man auf Bd. C, S. 810 unter »Weitere Folgen«. VII. Schlußbemerkungen. Hiermit möchte ich das Thema vorläufig abschließen, obgleich die völlige Verwertung des beschriebenen Stoffes noch nicht beendet ist: Denn bei dem großen Umfange der vorliegenden Untersuchung und den vielfachen Berührungspunkten mit allgemeinen Fragen der Insektenmorphologie und -biologie müßten manche Gesichtspunkte, deren Grundlagen uns in vorliegender Untersuchung vielfach begegnet sind, im Zusammenhange für sich behandelt und weiter ausgeführt wer- den. Sie sind an den betr. Stellen genannt worden (Bd. C, S. 596 u. a.). Ganz besonders möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal auf die bei den Beschreibungen einzelner Muskeln (vgl. Nr. 78a, 116a, 156) begegneten und auch in den Abbildungen (Textfig. 26, 29, 33 ff. Bd. C und Taf. XXII, Fig. 16 ff.) angedeuteten Organe vermutlich chordotonaler Natur aufmerksam machen. Die Erweiterungen unsrer Untersuchung würden in dreierlei Richtung liegen: 1) Es müssen die Ergebnisse zu Folgerungen allgemeiner Natur verwendet und unter deren Berücksichtigung zu einem Vergleiche mit Vertretern der übrigen Insektenordnungen benutzt werden. Denn es dürfte gerade der Vergleich eines ersten Entwicklungsstadiums über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 651 mit der Imago eine Grundlage geboten haben, welche ein tieferes Ein- dringen in die speziellen Organisationsverhältnisse des Bewegungs- apparates ermöglicht und durch eine solche Übertragung ein Verständ- nis für den in verschiedener Richtung oft einseitig und unter bedeuten- den Vereinfachungen weiter entwickelten Körperbau der verschiedenen Insekten und für dessen Verrichtungen auf kinematischer Grundlage im speziellen anbahnt. In dieser Hinsicht dürfte jeder Vergleich irgendeines Vertreters aus andern Insektenordnungen lohnend sein. Es genügt dabei nicht, allein eine Beschreibung irgendeines Organ- systems gegeben zu haben; sondern erst durch die Vergleichung zweier verschiedener Formen oder Zustände können jene Grundsätze, welche für die Gestaltungsverhältnisse einer Organisationseinheit im einzelnen in Frage kommen, ab- geleitet werden, ausreichender, als dies bei einem Vergleiche der einzelnen Segmente eines einzelnen Tieres geschehen könnte. Nur auf solche Weise dürften einseitige morphologische Schluß- folgerungen vermieden werden, welche ohne die Berücksichtigung kinematisch-biologischer Verhältnisse, dafür aber mit einem gewissen Aufwände von phylogenetischer Spekulation und unbewiesenen Vermutungen, besonders auch hinsichtlich der Skeletverhältnisse die Organisation in morphologischem Sinne zu klären suchen. Solche Versuche sind, von Gegenbaurs Tracheenkiementheorie für die Flügel angefangen, bis in die neueste Zeit in verschiedenen Richtungen herr- schend gewesen und führten zu Anschauungen, unter deren Zwange ich bei der Bearbeitung der Anatomie der Imago Folgerungen nicht glaubte ziehen zu dürfen, die jetzt ohne weiteres zu Voraussetzungen geworden sind. Ich habe mich an verschiedenen Stellen darüber aus- gesprochen, möchte aber auch hier noch einmal besonders hervorheben, daß für die Begründung der Anschauungen über Organisationsverhält- nisse im einzelnen die Argumente phylogenetischer Spekulation niemals beweiskräftig sein können. Es ist methodisch unrichtig, Beweisgründe einem Zusammenhange zu entlehnen, dessen Einzelheiten selbst noch strittig sind, und welcher selbst das Ziel immer erneuter Beweis- führungen sein muß. So dürfen unsre Ergebnisse zwar in phylogene- tischen Schlußfolgerungen enden, da der wahrscheinliche Bestand der historischen Zusammenhänge aus den Organisationsverhältnissen der lebenden Organismen doch erst erschlossen werden soll, nicht aber be- ginnen sie mit solchen. Auch aus einer derartigen Überlegung heraus glaube ich, gestützt auf die gewonnenen neuen Ergebnisse, gegenüber den zurückgewiesenen Anschauungen Stellung nehmen zu sollen. g52 Friedrich Voss, 2) Ferner liegt die bereits angedeutete Notwendigkeit vor, in dreierlei Kichtung die gewonnenen Anschauungen zu bestätigen bzw. zu erweitern durch Untersuchungen an Tieren, welche wie die Maul- wurfsgrille ein besonderes kinematisches Interesse bieten, und an solchen, welche, wie z. B. primär flügellose Insekten, im Besitze so- genannter archaistischer Merkmale sind und welche die Grundzüge der Organisation in noch ungestörter Durchführung erwarten lassen. Schliei3- lich ist es notwendig, hinsichtlich der zwischen Beinmechanik und Flügelbewegung bestehenden kinematischen Wechselbeziehungen einen an der Grille allein zum Teil nur unvollkommen durchführbaren und gleichfalls teilweise noch nicht genügend gesicherten Teil der Ergeb- nisse durch Untersuchungen an Insekten zu ergänzen, welche sich durch einen verschiedenen Grad der Flügelentwicklung und Flügel- kinematik unterscheiden. 3) Von geringerer Bedeutung erscheint der wünschenswerte Ab- schluß und die Vervollständigung der vorliegenden Untersuchung durch die eingehende Berücksichtigung des Embryonalzustandes selbst und der übrigen nachembryonalen Entwicklungsstadien. Ein be- sonderer Vorzug gerade dieses ersten Stadiums aber mit seinen eigen- artigen Organisationszuständen liegt darin, daß es w^esentliche und ausreichende Aufschlüsse schon in beiderlei Vergleich srichtung er- geben hat. Vorerst muß es mir genügen, eine ausreichende Vergleichsgrundlage für die Organisationseinheit des Skelettes und der Muskulatur der Insekten an einem anscheinend sehr geeigneten Vertreter primitiver Organisationszustände geschaffen zu haben, auf welcher weitere Ar- beiten in dieser Richtung aufbauen können. In dieser Hinsicht dürften die Entwicklungszustände im Übergangszustande des ersten Stadiums zwar für den Vergleich mit der Imago schon von Interesse gewesen sein; sie dürften aber für die Morphologie der Insekten überhaupt noch außerdem einen ganz besonderen Vergleichswert besitzen. Der Zweck der Untersuchung war es, den Gang der Metamorphose in den ein- zelnen Stadien zu verfolgen, um einige spezielle, allgemein gültige, morphologische Fragen zu klären. Der Erfolg des Vergleichs schon eines einzigen derselben, des ersten Stadiums, mit der Imago liegt — abgesehen von der Behandlung, bzw. der Erledigung eines Teiles der genannten morphologischen Fragen — in einer ganz andern Richtung: In dem durch die Vergleichung aufgetretenen Gesichts- punkte der kinematischen Behandlung des ganzen Zu- sammenhanges. Besonders in diesem Sinne alaube ich dem Wunsche über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 653 Gkabers, welcher über die Vernachlässigung gerade der »Glanzpartie des ganzen Kerf Organismus « klagt (1877 »Die Insekten«, Bd. I, S, 97) entsprochen und die beiden Stadien nach Möglichkeit erschöpfend be- handelt oder die Notwendigkeit neuer Untersuchungen kinematischer und histologischer Natur nahegelegt zu haben; ich glaube jenen spekula- tiven Untersuchungen mit Nachdruck entgegenzutreten, welche aus einseitigen topographischen Befunden morphologische Schlüsse ziehen oder ohne ein genügendes Eindringen in den anatomisch-physiologischen Zusammenhang von biozentrischen Erwägungen aus sogar zu weit- gehenden phylogenetischen Folgerungen gelangen. VIII. Zusammenstellung einiger Ergebnisse. Allgemeines. 1) Die nachembryonale Metamorphose der Hausgrille ist im ersten Stadium mit tiefgreifenden Umgestaltungen hinsichtlich der Muskulatur verbunden, welche die Erkenntnis von der morpholo- gischen Grundlage in der Muskelverteilung in den nachembryonalen Stadien sehr beeinträchtigen, und welche nur aus kinematischen Be- ziehungen zu verstehen sind; vgl. S. 639 ff. u. Bd. C, S. 694, 810. 2) Die im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose hin- sichtlich des Chitinskelettes eintretenden Umgestaltungen beziehen sich einerseits auf die Ausgestaltung der Nackenhaut nach dem Fortfall des Mechanismus der Nackenblase schon innerhalb des ersten Stadiums, anderseits nur auf jene Bezirke, in welchen der Imago typische Organe noch nicht zur Ausgestaltung gelangt sind; d. h. in letztem Falle beziehen sie sich ausschließlich auf die Ausgestaltung der tergalen Region, der Tergalplatten und des Flügels mit seinen Gelenkteilen; ferner der Phragmen und der Einbeziehung des ersten Abdominalsegmentes in den Thorax. Das innere Skelet im Stadium 1 gleicht dem imaginalen in allen wesentlichen Zügen, vgl. Bd. C, S. 630 ff. 3) Die hinsichtlich der Muskulatur im Verlauf der nachembryonalen Entwicklung eintretenden Veränderungen vollziehen sich hauptsächlich innerhalb des ersten Stadiums und geben zur Unterscheidung eines Übergangszustandes von einem Normalzustande des ersten Stadiums Anlaß, vgl. Bd. C, S. 624 und Anm. 14. Eine ebensolche Unterscheidung trifft auch für die Imago zu. 4) Die Muskulatur im Übergangszustande des ersten Stadiums ist vollständiger, zahlreicher und zum Teil kräftiger ausgebildet als die Muskulatur in den nachembryonalen Stadien und 654 Friedrich Voss, in der Imago; da besonders im Abdomen und in der Halshaut eine große Zahl von Muskeln schon innerhalb des ersten Stadiums zugrunde geht; vgl. S. 562 ff., 568; Bd. C, S. 623, 637, 694. 5) Eine ausreichende Beurteilung morphologischer Ver- hältnisse und kinematischer Bedingungen läßt sich nur durch die Befunde an der Muskulatur in embryonalen oder in sehr jungen Zuständen des ersten Stadiums vermitteln; vgl. S. 592; Bd. C, S. 595. 6) Als Muskeln der Embryonalkinematik sind alle die- jenigen Muskeln zu bezeichnen, welche schon innerhalb des Stadium 1 an Stärke erheblich abnehmen oder völlig zugrunde gehen; vgl. S. 641 und Schema III, IV, Taf. XXV f., XXVIII. 7) Der Normalzustand des ersten Stadiums ist hinsichtlich der Muskulatur mehr als im äußeren Skelet im wesentlichen ein Ab- bild des fertigen Tieres, der Übergangszustand des ersten Stadiums hingegen gibt allein hinsichtlich der Muskulatur jene Voll- ständigkeit der morphologischen Grundlage, welche als Ausgangs- punkt für die Beurteilung aller Insekten gilt. 8) Im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose tritt — von der Embryonalkinematik des Übergangszustandes abgesehen — eine relative Massenzunahme oder eine Kückbildung von Mus- keln ein, während eine Anzahl Muskeln relativ gleich kräftig bleibt. 9) Schwächer werden im Verlaufe der nachembryonalen Meta- morphose hauptsächlich ein Teil der intersegmentalen und einige intra- tergale Muskeln, ferner die abdominalen dorso ventralen Seitenmuskeln ; Vgl. Schema III, IV, Taf. XXV f; S. 585 f. 10) Kräftiger werden hauptsächlich solche Muskeln, welche in der Imago als Flügelmuskeln tätig sind — abgesehen von den intra- tergalen Muskeln — ; außerdem mehrere sternale Muskeln und einige intersegmentale Dorso ventralmuskeln der Halshaut; vgl. Schema III, IV, Taf. XXVf;S. 585f. 11) Fast sämtliche Muskeln der Imago, die wesentlichen Flügelmuskeln einbegriffen, sind bereits im ersten Stadium aus- gebildet; es fehlen sehr wenige Flügelmuskeln, deren Bedeutung für die Flügelmechanik und für die Auffassung des Sachverhaltes gering ist; ferner wenige sternale Muskeln; vgl. S. 474 und Bd. C, S. 638, 811. 12) In der Bildung von Teilmuskeln ist im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose bei der dorsalen und ventralen Längs- muskulatur ein Rückgang zu verzeichnen, eine geringe Zunahme hin- gegen innerhalb der dorsoventralen Flügelmuskeln und in der sternalen Muskulatur; vgl. S. 460, 586, 592 f., 617 f., 626; Bd. C, S. 811. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 655 13) Im Verlaufe der nachembryonalen Entwicklung treten viel- fach geringe Lageverschiebungen auf, welche mit der endgültigen Anordnung der Flügelmuskeln und mit den Verhältnissen der interseg- mentalen Verbindung zusammenhängen. 14) Die Annahme von beträchtlichen Lageverschiebungen der Muskelansatzstellen, d. h. einer Wanderung solcher Ansatz- stellen am Skelet entlang, trifft nicht in dem 1905 für wahrscheinlich gehaltenen Maße zu. Insbesondere ein Übersetzen von Muskeln über Faltenbezirke hinweg (1905, S. 454, 490) oder eine Verlagerung von Muskeln am Hüftrand ist aus allgemeinen Voraussetzungen heraus nicht annehmbar. Dagegen zeigt es sich, daß Muskeln leicht gänzlich verschwinden, wenn funktionelle Aufgaben fortfallen, anderseits auch nach Bedarf auftreten können, vgl. die Muskeln, welche keiner be- stimmten Kategorie angehören; S. 771, 784. So ist ein unregelmäßiges Auftreten von Muskeln beobachtet worden, welche in der Regel fehlen, welche aber durch ihren »histo- rischen« Charakter von großem morphologischen Werte sind; vgl. Illipmö (72). Ferner treten Muskeln unter gewissen pathologischen Bedingungen auf, vgl. Bd, C, S. 614, 733. Hierzu S. 505 ff., 508, 511, 563, 570, 593, 605, 623 und Bd. C, S. 705, 761, 771, 776, 784 und den Vortrag Basel 1911, S. 293. 15) Es sind keine Fälle beobachtet worden, in denen funktions- lose Muskeln als »rudimentäre Organe« erhalten bleiben (vgl. Vor- trag Basel, S. 294). Vgl. aber ltml6, S. 493. 16) Die wichtigste Grundlage für die Beurteilung morphokinema- tischer Verhältnisse, speziell auch für die Auffassung der Gestaltungen im Chitinskelet in morphologischem Sinne ist die Unterscheidung und die begriffliche Feststellung der Muskelkategorien, vgl. Bd. C, S. 602 ff., 638 ff. und Vortrag Basel 1911, S. 285. 17) Der begrifflichen Unterscheidung von Kategorien, Gruppen usw. entspricht nach Maßgabe gleichwertiger morphologischer Gesichtspunkte und Abschätzung im Skelet die Durchführung der Begriffe Region, Bezirk usw. (vgl. Bd. C, S. 604). 18) Im Übergangszustande des ersten Stadiums geht eine Reihe für die morphologische Erkenntnis wichtiger Muskeln zu- grunde. Die Anschauungen über die Organisation des Bewegungs- apparates der Insekten haben sich infolgedessen wesentlich geändert. Die wesentlichen Unterschiede gegenüber der Imago beruhen hinsichtlich der Muskulatur in dem Untergange der gesamten Kategorie der medialen Dorsoventralmuskulatur und in der Verein- 656 Friedrich Voss, heitlichung der dorsalen Längsmuskulatur im Abdomen, in dem Fort- falle dorsaler Längsmuskeln des zweiten Maxillensegmentes u. a. 19) Die Homologien im Skelet und in der Muskulatur lassen sich auf Grund der Befunde am ersten Stadium in allen thora- calen und abdominalen Segmenten viel spezieller durchführen, als es auf Grund der imaginalen Befunde statthaft schien. 20) Die allen Segmenten hinsichtlich der Muskulatur gemein- sam zukommende Grundlage der Organisation ist im ersten Stadium in der Muskulatur des Abdomen am vollständigsten und reinsten erhalten. Es lassen sich daher die Grundzüge abdominaler Muskelverteilung sogar im speziellen auf den Thorax und durch dessen Vermittlung zum Teil noch auf das Segment der zweiten Maxille über- tragen. 21) Die Durchführung spezieller Entwicklungszustände bzw. divergenter Gestaltungseinzelheiten in den Segmenten nimmt in der Kichtung von hinten nach vorn zu; S. 439, 492; 1905: S. 476, 513, S. 519, Anm. 13. Hierin ist eine Regel von der allmählichen Differenzierungs- abstufung in den Organisationsverhältnissen benachbarter Segmente zu erkennen; sie besagt: die Differenzierungshöhe schreitet nach vorn allmählich zu, so daß man bei der Beurteilung eines Seg- mentes der Kenntnis des nach hinten zu folgenden bedarf; das dritte Abdominalsegment gilt hierbei als Ausgangspunkt, während sich das zweite Maxillensegment von jener unter 20) genannten Grundlage am weitesten entfernt. Dies bestätigen besonders die Befunde am ersten Stadium, vgl. hierzu S. 476, 513, 633; Bd. C, S. 631, 701, 734 und Vortrag Basel 1911, S. 286 d. 22) Gegenüber der an der Imago erhaltenen Anschauung sind auf Grund der Befunde am ersten Stadium hinsichtlich der Einteilung der Muskeln in Kategorien und Gruppen neue und sehr wesentliche Unterscheidungen in morphologischem Sinne eingetreten. Es muß die Kategorie der medialen Dorsoventralmuskulatur von der der dorso ventralen Seitenmuskulatur, es müssen die Kategorien: echte tergalpleurale Seitenmuskeln von intratergalen, nur in topographischem Sinne tergalpleuralen Muskeln unterschieden werden, Bd. C, S. 806. Von besonderer Bedeutung wird auch noch die Unterscheidung einer dorsalen Längsmuskulatur des tergalen Seitenbezirks von einer vierteiligen medialen Gruppe; S. 564, 624; Bd. C, S. 644, 693, 741 ff. 23) Sämtliche Muskelkategorien sind primär in allen Segmenten vertreten^ und sie sind bei einem Vergleiche der Sag- über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 657 mente untereinander je im speziellen vergleichbar. Ungleichheiten jedoch zeigen sich in der sternalen Muskulatur des Thorax und des Abdomen. In den Thoracalsegmenten ist die Muskeleinteilung um die Kategorie der intratergalen Muskeln vermehrt, während im Seg- mente der zweiten Maxille jegliche Seitenmuskulatur fehlt. 24) Die Zerlegungsart innerhalb der einzelnen Muskelkategorien in bezug auf bestimmte Skeletbezirke geschieht in solcher Weise, daß einander benachbarte Kategorien, sofern sie sich an der Bewegung gleicher Skeletbezirke überhaupt beteiligen können, an den einzelnen Teilstücken dieser Bezirke in analoger Weise differenziert auftreten. Hierin ist eine Regel von der gleichwertigen (äquivalenten) Be- teiligung verschiedener Muskelkategorien in gleichen Be- wegungsbezirken bei gleichartigen Bewegungsvorgängen zu erkennen, S. 463, 472, 500, 589; Bd. C, S. 770; aber 773 unten. 25) Die Homologien in den Segmenten lassen sich nur nach dem Verhalten der Muskulatur beurteilen (1905, S. 739, Nr. 13). 26) Die im Chitins kelet vorliegenden Gestaltungsverhältnisse besitzen an sich nicht den geringsten Wert für morphologische Fragen. Das Verhalten des Skelettes ist eine unmittelbare oder mittelbare Folgeerscheinung der Muskulatur und allgemeiner, durch letztere vermittelter Beziehungen kinematischer Natur. Die Be- ziehungen sind in jedem Einzelfalle zu prüfen. Auch dort, wo sich Homologien in der Muskulatur im einzelnen durchführen lassen, kann die Ausgestaltung im Chitinskelet noch sehr verschieden sein. Dies zeigt der Vergleich der Imago mit dem ersten Entwicklungsstadium, zwischen Stadien, in welchen trotz gleicher Muskelverteilung die Aus- gestaltung des Chitinskelettes in den flügeltragenden Segmenten infolge der verschiedenartigen kinematischen Bedingungen je eigene Wege be- folgt; vgl. u. a. Bd. C, S. 636, 771, 777, 782, 792. Morphologisch-Spezielles. 27) Die im tergalen Seitenteile der flügeltragenden Segmente be- findliche Faltenduplikatur ist entgegen den bisherigen Anschauungen keine Grenzfalte zwischen der tergalen und pleuralen Region; sie ist die echte Flügelanlage; vgl. S 624; Bd. C, S. 633, 795. 28) Die Anlagen der einander morphologisch gleichwertigen Flügel sind gleichfalls einander völlig gleichwertig (S. 610). 29) Die Flügel sind keine »Fortsetzungen der tergalen Seiten- teile« oder, d.h. vom Tergit beweglich abgesetzte Seitenplatten an 658 Friedrich Voss, der Übergangsstelle zwischen tergaler und pleuraler Region. In ihrer Lage zwischen zwei verschiedenen Kategorien dorsoventraler Musku- latur bestätigen sie sich als ausschließlich tergale Faltenbil- dungen. Das Flügelgelenk ist ein Intratergalgelenk, Die Frage darf auf Grund der Untersuchung am ersten Stadium als endgültig gelöst betrachtet werden;, vgl. S. 615 u. 623 ff. 30) Der Flügel befindet sich bereits im ersten Stadium hinsicht- lich der kinematischen Vorbedingungen auf einer hohen Entwick- lungsstufe. Diese zeigt sich sowohl in den Gestaltungsverhältnissen des Skelettes, als auch hinsichtlich der Muskulatur durch das Auf- treten aller wesentlichen und fast sämtlicher Muskeln, sogar in ihren für den fertigen Flügel typischen Lagebeziehungen. Die Entwicklung des Flügels kommt bereits durch die Entwicklung im Ei zu einem prinzipiellen Abschlüsse, und von einer nachembryonalen »Entstehung« des Flügels kann im alt-hergebrachten Sinne keine Rede sein. Die nachembryonale Metamorphose muß auch hinsichtlich der Flügel ledig- lich als eine quantitative bezeichnet werden; vgl. S. 475, 526, 627 f.; Bd. C, S. 751, 783, 798. 31) Die hochentwickelte Flügelanlage im Stadium 1 muß als eine mit den biologischen Eigentümlichkeiten des Larvenlebens der Hemi- metabola und Epimorpha in passender Beziehung stehende, besondere Form der Entwicklung aufgefaßt werden und zwar als eine mit den Imaginalscheiben der Holometabolen in gewisser Weise vergleichbare Art von Hemmungszustand, welcher in den letzten Larvenstadien nur noch hauptsächlich zur äußeren Entfaltung zu kommen braucht. In diesem Sinne trägt das erste Stadium der Grille als eine Hem- mungsbildung Spuren sekundärer cänogenetischer Veränderungen, in- dem aus den Beziehungen besonderer Anpassung die äußere Entwick- lung gegenüber der inneren als rückständig, d. h. gehemmt erscheint (vgl. hierzu die Bedeutung der Differenzierung der thoracalen Flügel- muskeln im Stadium 1, Bd. C, S, 751). 32) In der frühzeitigen Anlage des Flügels schon während der Embryonalentwicklung kommt bei den pterygoten Insekten das hohe phylogenetische Alter des Flügels zum Ausdruck. 33) Die Beurteilung vom Wesen der Metamorphose bei den In- sekten erhält durch die Feststellung einer hochdifferenzierten Flügel- anlage im ersten Stadium, sowie durch den Untergang beträcht- licher und morphologisch wichtiger Muskelgruppen, welche an der Embryonalkinematik beteiligt sind, eine begriffliche Erweiterung; vol. S. 810. über den Thorax von Gryllus dornest icus. V. 659 In systematischer Hinsicht erhält mit der Feststellung einer schon im Ei hochdifferenzierten Flügelanlage bei epimorphen Pterygoten die Charakterisierung der Klasse der Insecta pterygota durch ein neues einheitliches Merkmal eine schärfere Fassung gegenüber den stets flügellosen Apterygogenea (Insecta apterygota), vgl. S. 627, 628. 34) Die Flügelmechanik knüpft im tergalen Bezirke an die Ur- sprungsstellen zahlreicher dorsoventraler Muskeln an, deren Zerlegung als eine Folgeerscheinung der Beinmechanik aufgefaßt werden muß; S. 475, 520, 527, 627; Bd. C, S. 746, 751, 789 unten, 797 f. 35) Sämtliche Flügel muskeln (mit wenigen sehr unwesent- lichen Ausnahmen) sind bereits im ersten Stadium ausgebildet und verändern sich nur noch hinsichtlich der Größe und geringer Lage- verschiebungen; S. 626 f; Bd. C, S. 783, 806. Entweder sind sie im ersten Stadium kräftiger ausgebildet und an den Vorgängen der Embryonalkinematik beteihgt, oder sie sind im ersten Stadium schwächer und als wirksame Beinmuskeln oder als Längsmuskeln dorsal-intersegmentaler Verbindung tätig. 36) Sämtliche dorsoventralen Flügelmuskeln sind im ersten Stadium zugleich Beinmuskeln; vgl. Bd. C, S. 792, 796. 37) Von der Beinbewegung völlig befreite dorsoventrale Flügelmuskeln, welche für die Imago beschrieben wurden, und welche in den übrigen Insektenordnungen zahlreich vertreten sind, treten im Mesothorax der Imago auf, wo sie ein rudimentäres Verhalten zeigen; S. 475; vgl. aber IIIldvm2, S. 726. 38) Muskeln von atypischem Verhalten wurden im ersten Stadium der Grille als einem Vertreter der Orthoptera genuina nicht angetroffen. Die Muskeln sind sämtlich funktionsfähig, im Unterschiede von andern Ordnungen hemimetaboler Insekten, z. B. der Ephemeriden, wo die Flügelmuskeln während des Larvenlebens in histologisch atypischem Verhalten anscheinend untätig verharren; vgl. Bd. C, S. 745. 39) Die Frage nach der speziellen Homologie der Flügel und Tracheenkiemen, welche beide als tergale Faltenbildungen charakterisiert sind, bleibt unentschieden; sie erfordert eine Nach- untersuchung an Ephemeridenembryonen, deren Ziel die Feststellung der Natur der abdominalen Dorsoventralmuskeln ist. Vorerst erscheint eine Homologie der beiden Gebilde unwahrscheinlich; vgl. S. 635 f. 40) Halsschildseitenlappen und Flügel sind morphologisch ganz verschiedene Bildungen. Ersterer ist eine pleuraltergale Fortsatz- bildung, letzterer eine intratergale Faltenbildung; vgl. S. 527, 633. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 43 660 Friedrich Voss, 41) Die als »Pleura« bezeichnete, aus dem Episternum und dem Epimeron zusammengesetzte, starre thoracale Seitenwand ent- spricht nicht ganz einer einheitlichen pleuralen Region. Sie enthält im oberen pleurotergalen Teile Anteile der tergalen Region und ist nur im unteren eupleuralen Teile der völlig pleuralen abdominalen Flanken- haut homolog. Eine wie im Abdomen kenntliche Grenze zwischen tergaler und pleuraler Region ist im Thorax nicht vorhanden; vgl. S. 629. 42) Die topographisch einheitlich auftretenden tergalen Platten der beiden flügeltragenden Segmente einerseits, der Abdominalsegmente und des Prothorax anderseits entsprechen einander nicht völlig; erstere bestehen nur aus einem — dem eutergalen — Teilbezirke der tergalen Region, letztere repräsentieren die vollständige — eutergale und pleuro- tergale — tergale Region; vgl. S. 630 f. 43) Das Stigma kommt infolge der Rückbildung des segmentalen epimeralen Bezirks nach hinten zu liegen; es gehört dem Segmente an, hinter welchem es liegt; vgl. S. 611 f; Bd. C, S. 788. 44) Die Region derHalshaut^ der sogenannte » Micro thorax«, bestätigt sich als das Kopfsegment der zweiten Maxille, trotz- dem die Vollständigkeit des »Muskelsegments« (Verhoeff, Börner) durch die Befunde am ersten Stadium erhöht worden ist. Der epi- sternale Bezirk des Segmentes ist in den Segmentkomplex der Kopf- kapsel aufgegangen, während der hintere epimerale Bezirk der inter- segmentalen Verbindung dient; vgl. S. 575 f. und Anm. 15, S. 680. 45) Die Beine und Flügel zeigen in ihren Stellungen in den sternalen, bzw. tergalen Seitenteilen durchaus Analoges. Beide be- anspruchen den Raum zwischen den beiden Kategorien der Dorso- ventralmuskeln. Während aber die dorsale Längsmuskulatur des tergalen Seitenbezirks nur in den Thoracalsegmenten fehlt, bleibt sternal eine ihr analoge laterale Längsmuskulatur völlig aus; dieser letztere Umstand scheint durch das primäre Auftreten von Abdominalbeinen entwick- lungsgeschichtlich bedingt; vgl. S. 595, 607; Bd. C, S. 740, 774. 46) Die Paraste mal platte in der abdominalen Flankenregion enthält pleurale Anteile; in ihrer Stellung und Muskelversorgung bietet sie auffällige Analogien zu den Beinen; Bd. C, S. 702, 777. Kinematisches. 47) Für die Auffassung von der kinematischen Natur der Gliederung des Chitinskelettes ist die vorliegende Untersuchung ein einziger Beweis i. 1 Vgl. hierzu außer meiner Arbeit in Zeitschr. t. wiss. Zcol. Bd. LXXVIII, über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 661 48) Durch den Vergleich der wechselnden Stärken und des An- satzverhaltens der Muskeln in beiden Stadien ist ein Einblick in die kinematischen Bedingungen möglich; Bd. C, S. 598. 49) Es muß zwischen segmentaler und intersegmentaler Kinematik unterschieden werden. Die segmentale Kinematik herrscht in den nachembryonalen Stadien vor, die intersegmentale besonders im Übergangszustande des ersten Stadiums. 50) Die intersegmentale Kinematik ist mit einer bedeuten- den Entwicklung der intersegmentalen Muskulatur nach Zahl- und Stärke Verhältnissen im ersten Stadium verbunden. Sie wird unter- schieden u. a. in eine Embryonalkinematik und in die Kinematik bei den Häutungsvorgängen der nachembryonalen Metamorphose. Erstere stellt ganz besondere Ansprüche an die Zahl und Massenent- wicklung abdominaler dorsoventraler und intersegmentaler Muskeln. Letztere ist der Embryonalkinematik gegenüber durch Fortfall und durch eine allgemeine Abschwächung in den Stärkeverhältnissen solcher Muskeln, durch Erhöhung der Stetigkeit der intersegmentalen Bezie- hungen infolge Zunahme des gekreuzten Faserverlaufs innerhalb der Längsmuskulatur und durch entsprechende Lageverschiebungen ge- kennzeichnet; vgl. S. 522, 532, 577; 640; S. 592 f. 51) Die »Embryonalkinematik des Schlüpfens aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut« enthält einen Befreiungs- und einen Sicherungsmechanismus. 52) Mit dem Mechanismus der Nackenblase, der bedeu- tendsten Erscheinung in der Embryonalkinematik, tritt im Übergangs- zustande des ersten Stadiums eine eigne Muskulatur auf, welche danach völlig zugrunde geht. Es wurde ein Einblick in den Mechanismus der Nackenblase möglich, d. h. in den Befreiungs mechanismus, welcher hauptsächhch auf dem Antagonismus der dorsalen Längsmuskulatur im zweiten Maxillensegment mit der medialen Dorsoventralmuskulatur im Abdomen beruht; vgl. S. 639 und Vortrag Basel 1911, S. 290 a. 53) Die nachembryonale Erhöhung der segmentalen Kine- matik bezieht sich auf die Bewegung der Beine und der Flügel. Sie äußert sich durch Lageverschiebungen und durch die Zunahme der Stärkeverhältnisse, weniger der Zahlen innerhalb der Flügelmuskulatur und in der sternalen Beinmuskulatur. 1904/05 und der Arbeit B. Dürken's (Ephemeriden) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd.LXXXVII, 1907, dessen Aufsatz ün Zoolog. Anzeiger Bd. XXXIV, 1909, in welchem in zutreffender Stellungnahme gegen Börner u. a. diese Auffassung dargelegt ist. 43* 662 Friedrich Voss, 54) Es wurde eine Anzahl von Muskeln gefunden, deren augeA- scheinliclie Bestimmung es ist, als Muskeln des Sicherungsmeclia- nismus während der kinematischen Vorgänge im Übergangszustande des ersten Stadiums bestimmte Teile in Lage und Form zu bringen und zu erhalten, d. h. eine Normallage der Teile, den Normalzustand des Tieres herzustellen und zu sichern; es sind Muskeln, welche vom ersten Stadium ab schwächer werden; vgl. S. 645 und Vortrag Basel, S. 292 b. 55) In stark und vielseitig bewegten Bezirken^ wie in der Nackenhaut und im vorderen Abdomen, tritt die einfach-intersegmen- tale Muskulatur gegenüber einer lang- und doppelt-intersegmentalen Muskulatur (Brückenmuskeln) zurück. Diesem Prinzip fallen infolge zunehmender Ausgiebigkeit — nicht aber Intensität — der inter- segmentalen Kinematik noch innerhalb des ersten Stadiums einige dorsale Längsmuskeln der Halshaut und im Prothorax zum Opfer; S. 511, 569; S. 505, 522, 532, 564, 571, 593; Bd. C, S. 739 f. 56) Dadurch, daß im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose eine Verstärkung der sternalen Beinmuskulatur und eine sternale Ver- schiebung des epimeralen langen Seitenmuskels eintritt, werden die dorso ventralen Flügelmuskeln von der Beinbewegung entlastet. Hier- durch wird die Unabhängigkeit der Flügelmechanik nach- embryonal gesteigert; vgl. S. 618 und 1905, S. 687. 57) Die tergale Unabhängigkeit der Flügelmechanik von der intersegmentalen Muskulatur wird in den flügeltragenden Segmenten durch die Ausbildung von Präsegmentallamellen gewähr- leistet, deren Ausbildung bereits im ersten Stadium, wenn auch noch nicht beendet, so doch schon weit gediehen ist; 1905, S. 413 f. 58) In den Thoracalsegmenten ist gegenüber den Abdominal- segmenten die segmentale Kinematik besonders betont. Die segmentale Kinematik der Flügel- und Beinmechanik, welche primär an die Muskeln des episternalen Bezirks anknüpft, bedingt die Aus- gestaltung der Pleuralleiste und die Sonderung des episternalen Be- zirks vom epimeralen innerhalb der thoracalen Seitenwand. Infolge der Ausgestaltung vorwiegend des episternalen Bezirks durch die segmentale Kinematik tritt die Bedeutung des epimeralen Bezirks für diese zurück. Dagegen knüpfen an letzteren in der Sternalregion vorwiegend die intersegmentalen Bewegungsvorgänge an. Das Vorwiegen des einen oder andern kinematischen Prinzips bedingt in den einzelnen Thoracalsegmenten und in der Halshaut topographisch über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 663 die Entfaltung der betreffenden Bezirke (u. a. S. 521, 575; 1905, S. 439 und im Vortrag Basel 1911, S. 285 b und S. 287 e.) Die intersegmentalen Erscheinungen machen sich gemäß der Auf- einanderfolgt, der Segmente in der Richtung nach vorn in erhöhter Form geltend. Daher kommt es im Prothorax zu selbständioerer Ausgestaltung des Bereichs der unpaaren Apophyse in Gestalt des Sternellum, welches in rotatorisch gesteigerter Form im Kehlhaut- plattenbezirke des zweiten Maxillensegmentes wiederkehrt (vgl. An- merkung 16, S. 680). Erklärung der Abbildungen. Verzeichnis der allgemein gültigen Abkürzungen und Bezeichnungen (vgl. auch 1905). Chitin skelet und andre Organ Systeme außer der Muskulatur. al, vordere Tergalgelenkplatte j a2, mittlere Tergalgelenkplatte \ im Meso- und Metathorax; a3, hintere Tergalgelenkplatte ) a, bedeutet am Coxalrand den Vorderwinkel; a, im Segment der zweiten Maxille, in der Halshaut, die hintere Kehlhautplatte ; o, in der Verbindung mit römischen Ziffern als la, IIa, Illa usw. bedeutet erstes, zweites, drittes usw. Abdominalsegment; a, im Abdomen die Intersegmentalfalte zwischen erstem Abdominalsegment und Metathorax; ah, Analgelenkkopf; aj), Apodem; h, bi, Mittelgelenkstück des Flügels; h, eine Falte im vorderen Abdomen; b bedeutet am Coxalrand den Hinterwinkel; bo, Borste; C, Kopf; c, am Coxalrand = äußerer Seitenwinkel und Hüftgelenk, Coxalgelenk; c, am Unterende der Pleuralleiste Ip = Hüftgelenkkopf; c, in der Halshaut = Nackenhau tplättchen ; c, im Abdomen Seitenfalte im zweiten Abdominalsegment; Ci u. Co, Analwurzelplatten des Flügelgelenkes; Cbr, gl, Cerebralganglion, Gehirn; ch, Chitinplättchen in der Seitenfurche des Abdomens {= mp 1905); chl, Chitinsehnenplättchen an der Präsegmentallamelle; chs, chordotonaler Strang; ck, am unteren Ende der Pleurallamelle =^ Hüftgelenkkopf ( = c) ; Com, Commissur; 664 Friedrich Voss, cp, Trochantin, Präcoxalplatte; est, Coxosternum ; , ex, Coxa, Hüfte mit a, b, c, d; cxr, Coxalrand, Hüftrand; D, Darm; d, am Coxalrand der Innenwinkel; d, in der Halshaut eine Nackenhautplatte; dk. Kern einer Dotterzelle; dor, Dotterreste; doz, Dotterzellen, Vitellophagen ; dr, Drüsen und deren Gänge; dtl, der abgeflachte Teil des tergalen paarigen Seitenfeldes; ed, Entodorsum, endotergale Leiste; ep, Episternalgelenkplatte; est, Sternellum, epimerales Sternit; Oest, Cephalosternellum ; lest, Prosternellum ; usw in / und II mit na; Fa, im Kopfe Facettenaugen; fa, Falte; fl, Flügel oder die Duplikatur der Flügelanlage ; fla, Flügelanlage; fk, die verschiedenartigen Gebilde des Fettkörpers; fkz, große Fettkörperzellen; frH, freier Hinterrand der Tergite; früh, freier Hinterrand des Halsschildes; ggl, Ganglion; hs, Duplikatur des Halsschildseitenlappens ; hy, hyp, Hj^podermis; t, in der Halshaut die vordere Kehlhautplatte; isfa, Intersegmentalf alte ; Km, Kaumagen; krm, krümelige Elemente; Li, eine gedachte Linie von morphologischer Bedeutung, welche in der tergalen Region den eutergalen Bezirk vom pleurotergalen plt trennt und die Ansatzstelle des Flügels kennzeichnet; L2, eine gedachte Linie von morphologischer Bedeutung, welche die Grenze der tergalen Region gegen die pleurale angibt; Ip, Pleurallamelle und Pleuralleiste; Is, seitliche Längsfurche in der abdominalen Flankenhaut; mp (1904), = Chi ms. Sehne des Mandibularmuskels, des Kaumuskels; mxl, Segment bzw. Extremität der ersten Maxille; nix2, Segment bzw. Extremität der zweiten Maxille, auch 2Mx; N, n, Elemente des Nervensystems; ocr, Occipitalring, Hinterhauptsring; Oen, Oenocyten; pl u. p2, vordere und hintere Epimeralgelenkplatten ; pa, paarige Apophyse, Gabelapophyse; ph, Phragma; phl, ph2, ph3, Proterophragma, Deutophragma, Tritophragma ; über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 665 pk, Pleuralgelenkkopf der Pleuralleiste; fli, Episternum; pl2, Epimeron; pl, Pleuralplatte im Abdomen und in allen Segmenten überhaupt = pleurale Region, im Thorax auch = thoracale Seitenwand ohne morphologische Beziehung ; plf, Pleuralf urche r plh (auch ph), Flankenhaut; plt, pleurotergaler Bezirk der tergalen Region; pst, Parasternum, Parasternalplatte im Abdomen; R,vR,hR, vorderer bzw. hinterer Nackenraum; sb, Analraife des XI. Abdominalsegmentes; Cercus, Schwanz »börste«; sp, intersegmentale Chitinspange zwischen erstem und zweitem Abdominalsegment ; spdr, Speicheldrüsen und deren Gänge; sr, Reservoir der Speicheldrüsen; st, Sternit, Bauchplatte; Ost, Cephalosternum = Kehlhaut, Ist, Prosternum, II st und Illst, Meso- und Metasternum; std, Stigmendeckel; sti, Stigma; t, Tergit, Rückenplatte; auch als tergale Region, speziell als eutergaler Bezirk derselben; Ot, Cephalonotum =^ Nackenhaut; It, Pronotum; Ilt und II It, Meso- und Metanotum; auch speziell als unpaares tergales Mittelfeld; ti, paariges tergales Seitenfeld, insbesondere der gewölbte Teil desselben, vgl. dti ; t + ti, Scutum; ^2, Präscutum; ta, Tergalfortsatz der Analgelenkplatte d2, mit Sporn s im Metathorax; th, Tergalhebel im Flügelgelenk; tp, Postscutum; tr, Tracheen; tro, Trochanter, Schenkelring; Ttr, Tentorium; tv, Präsegmentallamelle; ua, unpaare Apophyse, im epimeralen Sternit, Sternellum; US, Unterschlundganglion ; vd, vas dorsale, Rückengefäß; O, Segment der zweiten Maxille = der Hinterhauptsbezirk mit Tentorium und die Halshaut; /, Prothorax; //, Mesothorax; ///, Metathorax; la, IIa, Illa, IV a usw. bezeichnen die Hinterleibssegmente: Erstes Hinter- leibssegment usw. Muskulatur: hm, sternale Beinmuskulatur; bsmlS, ein unterbrochener Seitenmuskel; Cm, Transversalmuskeln des Hinterhauptes; 666 Friedrich Voss, Cpm, m. ca/pitis, Kopfmuskeln; cxm, Hüftmuskeln; dm, eigne, nicht thoracale Specialmuskeln des Darmes; dlm, idlm, dorsale Längsmuskeln; dvm, mediale Dorsoventralmuskeln ; edvm, mediale Dorsoventralmuskeln {dv7n) im Abdomen, als Muskeln der Em- bry onalkinem atik ; idlm u. ivlm, doppelt und mehrfach intersegmentale dorsale bzw. ventrale Längsmuskeln ; idvm u. ism, intersegmentale mediale Dorsoventralmuskeln, erstere in der Rich- tung tergal-vorn nach ventral - hinten, letztere in der Richtung sternal- vorn nach tergal - hinten ; ipm, intersegmentale Flankenmuskeln im Abdomen; im., thoracaler Muskel zum Darm; Idvm, laterale, seitliche Dorsoventralmuskeln = dorsoventrale oder lange Seiten- oder Flankenmuskeln; Uml6, ein unterbrochener Seitenmuskel; mm, unbestimmte Muskelmassen; pm, Pleuralmuskeln : unterbrochene tergalpleurale und sternalpleurale Seiten- oder Flankenmuskeln im Thorax und Abdomen, ferner intratergale Mus- keln im Thorax; rm, Transversalmuskeln, Quermuskeln im Abdomen; srm8, ein sternaler Muskel; stim, kurzer spezieller Stigmenmuskel; stm, langer sternalpleuraler Flankenmuskel des Stigma; tim, mesothoracaler Befestigungsmuskel des Darmes; Tm, Transversalmuskulatur des Tentorium; Ttrm, Kopfmuskulatur des Tentorium; vdm, Rückengefäßmuskel ; vlm, ivlm, ventrale Längsmuskeln; Zm, Apophysenmuskel (Zwischenmuskel zwischen Apodem ap und Apophyse pa). Tafel XXV— XXVII. Die allgemeinen Vorbemerkungen zu den Schemata I — VI sind in Bd. C von S. 830 ab einzusehen. Fig. 39. Schema III. Die kinematischen Vorgänge in- nerhalb der Muskulatur der Abdominalsegmente wäh- rend der nach embryonalen Metamorphose. (Schematische Darstellung der linken Körperhälfte im Übergangszustande des Stadium 1 in der Ansicht von innen.) Das Schema kennzeichnet — wenn man die beiden schematischen Dar- stellungen von den morphologischen Verhältnissen des Übergangszustandes des Stadium 1, Schema I, mit der Imago, Schema V vergleicht — die Veränderungen in den Stärkeverhältnissen der Muskeln zwischen dem Embryonalstadium einer- seits, der Imago anderseits. Die Einzelheiten der Darstellung hinsichtlich Skelet und Muskulatur und hinsichtlich der Bezeichnungsart sind die gleichen wie im Schema I. über den Thorax von Gryllus doniesticus. V. 667 Die Farbenunterschiede beziehen sich nur auf die Stärkeverhältnisse der Muskeln und lassen jede morphologische Beziehung unberücksichtigt. Von den Farben bezeichnen orange : Muskeln, welche im ersten Stadium zugrunde gehen, d. i. die mediale Dorsoventralmuskulatur edvm; braun : Muskeln, welche während der nachembryonalen Metamorphose an Stärke abnehmen, d. i. ein Teil der langen dorsoventralen Seitenmuskeln Idvm und der kurzen unterbrochenen Seitenmuskeln pm, pstmß, stm; blau: Muskeln, welche während der nachembryonalen Metamorphose an Stärke zunehmen, d. i. ein Teil der kurzen unterbrochenen Flankenmuskeln pm und der ventralen Längsmuskeln vbn; rot: alle übrigen Muskeln, welche — gleichviel welcher Kategorie sie an- gehören mögen — 'während der nachembryonalen Metamorphose eine relativ gleiche Stärke besitzen oder bei welchen die relativen Größenunterschiede so gering sind, daß sie sich nach der befolgten Methode nicht nachweisen ließen (vgl. Bd. C, S. 620). Das Schema veranschaulicht im wesentlichen , daß die gesamte mediale Dorsoventralmuskulatur des Abdomen, welche im Antagonismus mit der Musku- latur der Halshaut den Embryo aus der Eischale und aus der ersten Larvenhaut befreit, als Muskulatur der Embryonalkinematik völlig zu gründe geht, indem von dieser Kategorie im Abdomen nur der metathoracale intersegmentale Dorso- ventralmuskel Illism besteht; Bd. C, S. 693, 744. Desgleichen nimmt auch die laterale Dorsoventralmuskulatur Idvm beträchtlich, in geringerem Grade auch ein Teil der unterbrochenen Flankenmuskulatur an Stärke ab ; Bd. C, S. 704. Gegen- über dem Nachlassen der auf die Embryonalkinematik bezüglichen segmentalen Bewegungserscheinungen im Abdomen wird ein andrer Teil der unterbrochenen Flankenmuskulatur durch die Atmungserscheinungen in Anspruch genommen und zum Teil beträchtlich verstärkt; die hierauf bezüglichen blauen Linien der pm-Muskulatur veranschaulichen die Zunahme der segmentalen Kinematik der Respiration (vgl. S. 619 f.). Die intersegmentalen Beziehungen der Abdominalsegmente [dlm u. vlm, rot) bleiben sich im wesentlichen in beiden Stadien gleich ; immerhin deuten die blauen Linien der vlml und ipmS eine gewisse Verstärkung derselben an. Fig. 40. Schema V. Die morphologischen Verhältnisse innerhalb der Muskulatur der vorderen Abdominal- segmente in der Imago. (Schematische Darstellung der linken Körperhälfte in der Ansicht von innen.) Das Schema ist ein Ersatz des 1905 gegebenen Schema I zu S. 375, gemäß der neuen Befunde. Entsprechend S. 635 ff. würden auch in den Darstellungen DüRKENs für Ephemeriden auf den Taf. XXIV und XXVI der Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LXXXVII, die dorsoventral verlaufenden Muskeln im Abdomen als laterale Idvm Dorsoventralmuskeln zu bezeichnen sein. Das vorliegende Schema für die Imago kann nunmehr mit dem für das erste Stadium gegebenen Schema I un- mittelbar verglichen werden, wobei der Fortfall der medialen Dorsoventralmusku- latur und die Veränderungen im tergalen Abdomen auffallen. Hierzu gehören die Abbildungen 35 und 36 auf Taf. XXVI f., Bd. C. Hinsichtlich der Farben und der Bezeichnungsart gelten die für das Schema I gemachten Angaben. 668 Friedrich Voss, Fig. 41. Schema TV. Die kinematischen Vorgänge in- nerhalb der Muskulatur der Thoracalsegmente und im Segment der zweiten Maxille. der Halshaut während der nachembryonalen Metamorphose. (Schematische Darstellung der linken Körperhälfte im Übergangszustande des Stadiums 1 in der Ansicht von innen.) Das Schema kennzeichnet wie Schema III bei einem Vergleich der Sche- mata II und VI untereinander die Veränderungen in den Stärkeverhältnissen der Muskeln zwischen dem Embrj'onalstadium einerseits und der Imago anderseits. Die Einzelheiten der Darstellung hinsichtlich Skelet und Muskulatur sowie die Bezeichnimgsart sind die gleichen wie im Schema II für das Stadium 1. Hin- sichtlich der Farbenanwendung gilt gleiches wie im vorigen Schema III für das Stadium 1. Von den Farben bezeichnen: orange : Muskeln, welche im ersten Stadium zugrunde gehen, d. i. die mediale Dorsoventralmuskulatur edvm des Abdomen, die meisten dorsalen Längs- muskeln der Xackenregion Odbn. ein ventraler Längsmuskel IvbnS im Prothorax, die Transversalmuskulatur des Hinterhauptes Cm und Tm, sämthch als Muskeln der Embryonalkinematik (vgl. S. 639). braun : Muskeln, welche während der nachembrj-onalen Metamorphose an Stärke a b n e h m e n , d. i. ein Teil der dorsalen und ventralen Längsmusku- latur dhn bzw. ihn, intersegmentale Dorsoventralmuskeln i.sm, idvm, ein Teil der imterbrochenen Seitenmuskeln bzw. der intratergalen Muskeln pm. Um, der Beinmuskeln lIhmT; blau: Muskeln, welche während der nachembrj-onalen Metamorphose an Stärke zunehmen, d. i. ein Teil der unterbrochenen Seitenmuskeln pm, der seithchen Idvm und inneren dvm, ism Dorsoventralmuskulatur nebst dorsalen Längsmuskeln dhn (vgl. hierzu die at\-pischen Dorsoventralmuskeln der Epheme- ridenlarven bei Dükke>- 1907, Taf. XXV, Fig. 1 u. 2, in Zeitschr. f. ^viss. Zool., Bd. LXXX'MI), femer ein Teil der stemalen Beinmuskeln hm; rot: AUe übrigen Muskeln wie im vorigen Schema III. Innerhalb der dorsoventral verlaufenden Muskulatur der medialen dvm und der lateralen Idvm tritt der Gegensatz zwischen den unver- ändeilichen Beinmuskeln (rote Linien), welche als Stamm-Muskulatiir von pri- märer Bedeutung erscheint (vgl. S. 000) einerseits und der als Flügelmuskulatur an Stärke zunehmenden Xebenmuskidatur der Beine, d. h. Beinmuskeln von sekundärer Bedeutung (blaue Linien), anderseits deutUch hervor (vgl. hierzu u. a. Bd. C, S. 767 und u. a. S. 662. Xr. 56 und die dort citierten Stellen). Die vergängUche Muskulatur (orange) veranschaulicht — unter Hinzu- ziehung des vorigen Schema III, femer der Fig. 43 nebst der dort genannten Frontalschnitte — den Antagonismus innerhalb der kinematischen Vorgänge zwischen der vorderen Thoracalregion einerseits und dem Abdomen anderseits, d. i. den Befreiungsmechanismus der Embr^-onalkinematik mit den für diesen speziell charakteristischen Muskeln, welche bei den Vorgängen des Schlüpfens aus dem Ei imd aus der ersten Larvenhaut vorwiegend tätig sind. Die Gesamtheit der braunen Linien bezeichnet allgemein jene Bezirke, in welchen die Bewegungserscheinimgen während der nachembryonalen Metamor- phose schwächer werden. Diese Abschwächung ist charakteristisch für die inter- segmentalen Beziehungen zwischen den Segmenten im Thorax und für die seg- über den Thorax von Grvllus doniesticus. V. 669 mentale Kinematik im Abdomen. Hiermit läßt sich der allgemeine Rückgang der Beweglichkeit — auch der rotatorischen — zwischen den beiden flügeltragenden Segmenten während des Larvenlebens, (vgl. S. 622), ferner auch die dorsale Ein- beziehung des ersten Abdominalsegmentes zum Metathorax (8. 620) erläutern. Durch eine Stärkezunahme der Muskulatur endlich werden hauptsächlich betroffen: Die segmentale Kinematik des Thorax, d. h. die Flügelbewegung und die von ihr sich unabhängig machende, sich für sich selbst innerhalb der sternalen Muskulatur verstärkende Beinbewegung (Nr. 56, S. 662). Die intersegmentale rotatorische Kinematik der Halshaut, in welcher nach vollzogener Be- freiung des Tieres aus den Embryonalhüllen die mit der dorsalen Längsmuskulatur und mit der Transversalmuskulatur verknüpften nicht-rotatorischen intersegmentalen Bewegungsvorgänge durch Fortfall der Embryonalkinematik bedeutend eingeschränkt werden (vgl. S. 575 ff.); die Stärkezunahme erstreckt sich dabei auf die beiden Antagonisten eines Muskelpaares in kinematischem Sinne in gleicher Weise z. B. auf Odvm2a i + ::^ u n d Oism usw. Fig. 42. Schema VI. Die morphologischen Verhält- nisse innerhalb der Muskulatur der Thoracalsegmente und im Segment der zweiten Maxille, der Hals haut in der I m a g o. (Schematische Darstellung der linken Körperhälfte in der Ansicht von innen.) Das Schema ist ein Ersatz des 1905 gegebenen Schema II zu Seite 456 gemäß der neuen Befunde. Die Verschiebung der Skeletstücke zueinander ist (gegenüber 1905) besonders im pleurotergalen Bezirk plt etwas geändert. Es lehnt sich den natürlichen Verhältnissen mehr an als das 1905 gegebene ; vgl. hierzu 1905, Taf. XV, Fig. 2 und überhaupt die Abbildungen der Taf. XV und XVI. Man vergleiche auch hierzu die Muskulatur der Ephemeriden, Dürren 1907, Taf. XXV, in welcher die innere, mediale Dorsoventralmuskulatur den neuen Anschauungen gemäß nunmehr durch die gelbe Farbe zu kennzeichnen wäre. Das vorliegende Schema für die Imago kann mit dem für das erste Stadium gegebenen Schema II unmittelbar verglichen werden. Hinsichtlich der Farben- töne und der Bezeichnungsart gelten die für die Schemata I und II gemachten Angaben; auch gelten in gleicher Weise die dortigen Erläuterungen in morpho- logischer Hinsicht. Folgendes mag besonders betont sein : Mit der Zerlegung des tergalen Bezirkes im imaginalen Skelet sind Verschiebungen in den tergalen An- satzstellen der Muskulatur eingetreten. Die Zerlegung der Skelettes ist in dem oberen pleurotergalen Bezirk fit im Bereich der Flügelduplikatur fl aufgetreten; von den entstandenen Flügelgelenkstücken, abgesehen von cl u. 2 in //, sind nur solche dargestellt, welche nicht als Duplikaturen auftreten, d. i. die Tergalgelenk- platten und die Pleuralgelenkplatten ; der Beginn der Duplikatur einschließlich des nicht dargestellten Mittelgelenkstückes hl (vgl. 1904, S. 314 u. a.) ist durch den Verlauf der Linie LI innerhalb des Gelenkbereiches gekennzeichnet. Man erkennt in Übereinstimmung mit dem Schema II die im tergalen Bezirk hoch gelegene Anheftung des Flügels (vgl. den Thorax u. das Abdomen) und die Verteilung der medialen inneren Dorsoventralmuskulatur dvm medial oberhalb an der Innenseite, — der lateralen, äußeren Dorsoventralmuskulatur Idvm lateral unterhalb an der Außenseite der Flügelbasis. — Die mediale Dorsoventral- muskulatur (gelb), welche im Abdomen fehlt, ist besonders auffallend in der Hals- 670 Friedrich Voss, haut hochdifferenziert, während die laterale Dorsoventralmuskulatur mit der unterbrochenen Seitenmuskulatur in der Halshaut fehlt. Im Thorax sind alle genannten Kategorien vorhanden und vielfach differenziert. Die unterbrochenen Flankenmuskeln und die intratergalen Muskeln (beide carminrot) sind im tergalen Bezirk gemäß ihres Ansatzverhaltens zu unterscheiden : die tergalpleurale Musku- latur pm kommt aus der pleuralen Region und endet tergal unterhalb der Fliigel- duplikatur, die intratergale — völlig innerhalb des pleurotergalen Bezirks zwischen den Linien LI und L2 gelegen — setzt über die Flügelduplikatur hinweg. Tafel XXVIII. Fig. 43. Der E m b r 3' o von Grylliis domesticus, unmittelbar vor Be- endigung der Embryonalperiode, noch innerhalb der Eischale Ei und zum Schlüpfen bereit. Seitliche Totalansicht, die Muskeln durchscheinend gedacht. S c h e m a t i s c h e Darstellung — im Anschluß an die Natur- aufnahme 1905, Textfig. 8, S. 455 — zurKenntnis des »embryonalen Mechanismus zum Schlüpfen aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut«. In den Embryo sind alle für die Embryonal- kinematik, den Befreiungsmechanismus und den Sicherungsmechanismus (S. 639), nachweisbar in Betracht kommenden Muskeln eingetragen ; und zwar in den Far- ben der morphologischen Darstellung (vgl. Schema I u. II, Taf. XXVII f.) mit Ausnahme der vergänglichen Embryonalmuskulatur (orange, vgl. Schema III u. IV, Taf. XXV f.), welche im Übergangszustande des Stadium 1 völlig zugrunde geht. Die meisten der dargestellten Muskeln sind bei Außenansicht eines Embryo auch bei durchfallendem Licht natürlich nicht zu sehen. Vergrößerung vgl. S. 676. Es sind alle jene Muskeln eingetragen, welche in den kinematischen schema- tischen Darstellungen III und IV, Taf. XXV f., durch orange und braune Fär- bung gekennzeichnet sind, mit Ausnahme der abdominalen » braunen « Muskeln, welche der Übersichtlichkeit halber in der Darstellung fortgelassen wurden. Außerdem einige (»rote«) Muskeln, welche zwar nicht schwächer werden, deren Beteiligung am Embryonalmechanismus jedoch aus ihrer vorzeitig kräftigen Ausbildung hervorgeht, z.B. // und III pml2 (70, 71; 106). Hinsichtlich der Darstellung des Skelettes ist fol- gendes zu bemerken : Die einzelnen Segmente sind als solche zu unterscheiden, die 1904 mit R bezeichnete Region ist als gedehnte Nackenhaut das Tergit des zweiten Maxillensegmentes ; die zugehörigen Extremitäten der Thoracalsegmente EI, EH, Ein sind ventral in starken Umrissen angedeutet; ebenso die Seitenränder der thoracalen Tergite, d. h. die Flügelduplikaturen im Mesothorax und Metathorax. Eine geknotene Linie v. Gr. bedeutet die ventrale Grenze des Tieres, die Bauch- linie, den Verlauf der sternalen Platten. Man sieht dieselbe nach vorn zu auf- steigen und am Hinterhaupt enden ; nach dem Verlauf dieser Linie ist der durch die Kompression des Abdomen hervorgerufene Blutstrom in seinem Verlauf nach vorn und oben zu beurteilen. Zwischen den tergalen t und sternalen st Seitenrändern im Abdomen befindet sich die stigmentragende Flankenhaut plh mit der unterhalb der Stigmen andeutungsweise eingetragenen Flankenfurche Is. Die Strichlinie L2 im seitlichen Thorax bezeichnet den übrigen Darstellungen entsprechend die Grenze zwischen tergaler und pleuraler Region, welche im Abdomen mit dem Seitenrand des Tergit zusammenfällt, in den flügeltragenden Segmenten weit unterhalb der Flügelduplikatur, im Prothorax an der Basis der über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 671 Duplikatur des Halsschildseitenlappens, in der Halsliaut als Grenze zwischen tergaler und sternaler Region verläuft. Die sternalen Apophysen sind im Thorax meist nur angedeutet, die Pleurallamellen Ip eingezeichnet. Der punktierte Streifen ocr am Hinterhaupte bedeutet den Hinterhauptsring; das von ihm ausgehende quere Tentorium Tr ist durch eine doppelt schraffierte ovale Fläche angedeutet. Hinsichtlich der Muskulatur ist folgendes zu beachten (vgl. auch bereits vorher) : Die Anordnung dorsoventraler, pleuraler und längslaufender Muskeln entspricht den genannten schematischen Darstellungen; dieselben geben, wie das vorliegende Schema, die Muskulatur der linken Symmetriehälfte wieder. Die Muskulatur des hinteren Abdomen entspricht der Abbildung 17a der Frontal- schnittserie Nr. 9, Ed. C, S. 613undTaf. XXII, welche die Massenentwicklung dieser Muskulatur und die segmentalen Oenocytenhaufen zeigt. Das achte Abdominal- segment enthält in tj^Discher Ausgestaltung das letzte, bereits etwas schwächere Muskelpaar, vgl. im übrigen die Erläuterung zur Fig. 17a. Die Lage des IXa dvm ist nur angedeutet. Die antagonistische vergängliche (orange) Muskulatur der vorderen KörpeiTcgionen kommt auf vorliegendem Schema nicht recht zur Geltung : der in vorliegendem Schema perspektivisch verkürzte prothoracale ventrale Längs- muskel / vlmS (126) wird durch den genannten Frontalschnitt 17a ergänzt, dessen ungefähre Lage im Schema durch die mit 17a bezeichneten Pfeile angedeutet ist. Die dorsale Längsmuskulatur kann durch Hinzunahme der Frontalschnitte 3 — 5 (Taf. XIX) und durch die Frontalschnitte Fig. 7 — 9 für Odlmöh (166) veranschau- licht werden, deren Richtung im vorderen Körperteil der mit 7 — 9 bezeichnete Pfeil bezeichnet. Die mächtig entwickelte Transversalmuskulatur des Hinter- hauptes Cm und des Tentorium Tm ist in vorliegendem Schema nur im optischen Querschnitte an dem punktierten Streifen, welcher den Hinterhauptsring ocr darstellt, eingetragen. Die Veranschaulichung auch dieser Muskulatur wird durch ergänzende Hinzunahme der Frontalschnittserie Fig. 2 — 4 — diese stellt zugleich die Spezialmuskulatur der Nackenblase Odlm Ox und Oy (165) dar — für die Cm- Gruppe, der Fig. 10 für die Tm-Gruppe (diese ist in der vorliegenden Serie 9 durch Verletzung und unvollständige Regeneration nur einseitig und unvollständig ent- wickelt, S. 614, Bd. C), ganz besonders aber durch die Hinzunahme der Quer- schnittserie ermöglicht. Von letzterer kommen besonders die Textfiguren 49 u. 50 S. 545 f.), deren Schnittlage durch den mit 50 bezeichneten Pfeil gekennzeichnet ist, in Frage. Auch zur Veranschaulichung der übrigen Muskeln des Embryonalmechanis- mus vergleiche man die Querschnittserie, besonders die Textfig. 41 — 47 (S. 491 ff.) und 37 — 40 (S. 479) für die dorsalen Längsmuskeln, und Textfig. 11 u. 12 (B;i. C, S. 665 f.) für die Dorsoventralmuskeln des Abdomen. Über den gesamten Muskel- apparat des Befreiungs- und Sicherungsmechanismus vgl. S. 639 If . Mit Hilfe des ersteren werden unter Hervorstülpung der Nackenblase in der mit O (= Ä) ^ be- zeichneten Nackenregion [vgl. hierzu Heymons 1895: Embryonalentw. d. Orth. u. Dermapt. Jena, Taf. VI, Fig. 44 u. 45 und 1896: Entwicklung u. Körperbau d. Odonaten u. Ephemeriden, Abh. der Kgl. Akad. d. Wiss. Berlin, Taf. I, Fig. 3, geschlüpfter Embryo von Epitheca und Vosseler 1905, 1. c, Bd. C, S. 622, Taf. XII, Fig. 6—8; 1908, S. 166, Textfig. B.] die beiden Embryonalhüllen der Eischale Ei und der ersten Larvenhaut, der feinen Chitinhaut des Übergangs- zustandes Üst des Stadium 1, gesprengt und die Cuticula des Normalzustandes des Stadium 1: Stl wird unter Zuhilfenahme der Muskulatur des Sicherungs- mechanismus frei; vgl. Anm. 13. 672 Friedrich Voss. Tafel XXIX. Fig. 44-52. Darstellung der morphologischen Auffassung vom Skelet und von der Muskulatur im Übergangszustande des Stadium 1 im Vergleich mit der Imago. Verallgemeinerte schematische Darstellung an Querschnitten der Segmente vom vorderen Abdomen bis zur Halshaut, dem Segment der zweiten Maxille. Sämtlich in der Sicht vom caudalen Ende her gedacht. Allgemeine Vorbemerkungen: Zu allen Figuren vergleiche man besonders die schematischen Darstellungen Schema I — VI. Die Figuren fassen die Darstellungen für die in den Querschnitt- serien dargestellten Befunde schematisch zusammen, im einzelnen vgl. die Text- fig. 1—52 und die Fig. 22—25 Bd. C, Taf. XXIV. In den schwarz gezeichneten Umrissen des Skelettes kennzeichnet die braune Farbe in morphologischem Sinne die pleurale, d. h. die eu-pleu- rale Region. Die festen Skeletteile sind durch stärkere Linien hervorgehoben; die dünnen Linien bedeuten Aveichhäutige Bezirke. Punktiert und als Strichlinien, auch in einfachen nicht ausgefüllten Kon- touren sind alle jene Skeletteile gezeichnet, welche sich nicht in der gedachten Schnittebene des betreffenden Querschnittes befinden. In der Muskulatur sind die Farbenunterschiede die gleichen, welche in der Darstellung allgemein durchgeführt wurden. Gelb: Alle medialen Dorsoventralmuskeln dvm. Orange: Alle Muskeln, welche als Muskeln der Embryonalkinematik nur dem Übergangszustand des ersten Stadiums eigentümlich sind, danach aber zugrunde gehen. Car minrot : Die unterbrochenen Seitenmuskeln pm und die intra- tergalen Muskeln ^nn. Hellrot sind alle übrigen Muskeln : die im Querschnitt getroffenen dorsa- len dlm- und ventralen vZm-Längsmuskeln, die dorsoventralen Seitenmuskeln Idmn, die nicht vergänglichen Transversalmuskeln rm. Die Muskeln sind entweder als einfache Linien oder mit doppelten Kon- touren dargestellt, in letzterem Falle irgendwie — dm-ch gleichmäßigen Farbton, Längsstreif ung oder quere Striche — ausgefüllt; oder sie sind im farbig aus- gefüllten Querschnitt getroffen. Ist der Umriß eines Muskels nicht ausgefüllt, so bedeutet das: der ehemals vorhandene Muskel ist zugrunde gegangen. Ist der nicht ausgefüllte Umriß eines Muskels als Strichlinie dargestellt, so bedeutet dies die theoretische Voraus- setzung des Muskels an betreffender Stelle. Für die Bezeichnungsart vergleiche die allgemeinen Angaben auf S. 663 ff. Fig. 44. Querschnitt durch ein Abdominalsegment vom Typus des dritten und vierten im Übergangszu- standedesStadiuml. Links : Querschnitthälfte des vorderen Segmentbezirkes. Rechts : Querschnitthälfte des hinteren Segmentbezirkes. Die im Abdomen typisch entN\ickelte Flankenhaut pl{plh) trägt oberhalb der über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 673 Seitenfurche Is das Stigma sti, welches in beiden Hälften eingezeichnet wurde. Man beachte die langen und kurzen unterbrochenen Seitenmuskeln (vgl. Fig. 35, Taf. XXVIII, Bd. C), den durch cZ/to-5 charakterisierten pleurotergalen Teil mit der Andeutung der Flügelansatzstelle in den Thoracalsegmenten. Der stm cha- rakterisiert — vom Stigma abgesehen — zugleich j)m2 und pstmG. Die Lage der Keimdrüsen g ist angedeutet. Vgl. Textfig. 1—9, Bd. C, S. 645 ff. und Taf. XXIV f., Fig. 22 usw. Fig. 45. Querschnitt durch ein A b d o m i n a I s e g m e n t vom Typus des dritten und vierten in der Imago bzw. im Normalzustande des Stadium 1. Beiderseits gleich: hinterer Segmentbezirk. Erläuterungen wie in Fig. 44. Die mediale Dorsoventralmuskulatur ist zugrunde gegangen, die dorsale Längs- muskulatur ist vereinheitlicht, die Keimdrüsen g sind in der Imago mächtig entwickelt; vgl. Bd. C. Textfig. 2—8, S. 647 ff. und Taf. XXV, Fig. 27. Fig. 46. Querschnitt durch das erste Abdominalseg- ment im Übergangszustande des Stadium 1. Links: Querschnitthälfte des hinteren Segmentbezirkes: In der Interseg- mentalfalte zum zweiten Abdominalsegment, dessen Sternit bereits dargestellt ist, wird die Parasternalplatte pst in ihrer ganzen Breite getroffen. Rechts: Querschnitthälfte des vorderen Segmentbezirkes: Die Parasternal- platte pst wird nur noch vorn gestreift. Die Flankenhaut ist weniger vorgewölbt und zeigt darin die Abhängigkeit ihrer Lage von der thoracalen Seitenwand. Die links sichtbaren dlm Su. 4 sind hier noch nicht getroffen. Der intersegmentale /// ism gehört zur Kategorie der medialen Dorsoventralmuskeln . Vgl. hierzu Bd. C die Textfig. 20—28, S. 675ff. und Fig. 30, 35, 36, Taf. XXVI f. Fig. 47. Querschnitt im vorderen, im episternalen Bezirk des Mesothorax und Metathorax. (Kombination der beiden flügeltragenden Segmente.) Links: Querschnitthälfte vom Übergangszustande des Stadium 1. Rechts: Querschnitthälfte von der Imago. Vgl. hierzu die Reihe der Textfig. 28—36, Bd. C, S. 711 ff. Besonderheiten des Mesothorax sind das Coxosternum est und die Muskeln desselben (nur rechts eingezeichnet!). Die Flügelanlage fla und der Flügel fl be- finden sich an gleicher Stelle zwischen der tergalen Anheftung medialer Dorso- ventralmuskeln dvm (gelb) einerseits, dorso ventraler Seitenmuskeln Idvm ander- seits; und zwar im pleurotergalen Bezirk plt, welcher durch das Fehlen eines dlmö, dafür durch die besondere intratergale Muskulatur pm9, 11, 12 usw. morphologisch gekennzeichnet ist. Auch das Verhalten der unterbrochenen Seitenmuskeln pm5 und 'pm7 (in der folgenden Figur) gibt Aufschluß über die Auffassung der thora- calen Seitenwand p^i(p/i) als eine Vereinigung von eupleuraler Region mit pleuro- tergalem Bezirk (Teilregion) plt. Für die Ausdehnung des pleurotergalen Bezirks ist der Ansatz des Idvmi maßgebend. Vgl. hierzu in jeder Hinsicht die Fig. 44 und 45; femer Bd. C, Fig. 23, Taf. XXIV. Der Muskel Idvmla (rot) vertritt zugleich Idvml. Das Älittelgelenkstück bl des Flügels ist in die folgende Figur eingetragen. Fig. 48. Querschnitt im hinteren, im epimeralen Be- zirk des Mesothorax und Metathorax. (Kombination der beiden flügeltragenden Segmente.) 674 Friedrich Voss, Links: Querschnittliälfte vom Übergangszustande des Stadium 1. Rechts: Querschnitthälfte von der Imago. Besonderheiten des Mesothorax sind: die unpaare Apophyse ua, das Stigma, der Muskel fmT (65 u. 101) im Übergangszustande. Die von hinten gesehene Pleuralleiste Ip liegt nicht mehr in der gedachten Schnittebene, sondern perspektivisch vorn, ebenso die Gabelapophyse fa. Der Muskel dvm'i (gelb) vertritt zugleich den dvm3 u. 4. Es gelten hier die Erläuterungen zur vorigen Figur 47. In beiden beachte man das Verhalten der intratergalen fm und der Flankenmuskulatur Idvm und pm zur Flügelanlage und zu den Gelenkteilen: zu den Tergalgelenkplatten al, a2, a3, zu den Pleuralgelenkplatten pl, p2, und ep; zu beiden vgl. 1904, Taf. XV u. XVI und die Serie der Textfig. 1—11, 1905, S. 653—659; ferner zum Mittelgelenkstück bl vgl. ebendort 1904 und 1905, besonders Textfig. 8, S. 657. Fig. 49. Querschnitt im vorderen, im episternalen Bezirk des Prothorax. Links: im Übergangszustande des Stadium 1. Rechts: in der Imago (bzw. Normalzustand des Stadium 1). Vgl. die Textfig. 37—41, S. 479 f. und Bd. C, Taf. XXIV, Fig. 24. Pronotum mit tief hinabreichendem Halsschildseitenlappen hs, dem Seiten- teil des pleurotergalen Bezirkes plt, in welchem ein dlm5 fehlt. Die Stelle des hypothetischen Prothoracalflügels ist durch fl angedeutet (vgl. S. 659, Nr. 40). Am Vorderrande des Pronotum ist die Lage der eingebogenen Vorderrandslamelle »4« — vgl. 1904, S. 294 und 295, Abb. 3 und 4 — mit deren Innenrand ItR ge- kennzeichnet. Die Gabelaj)ophyse pa lehnt sich an die Pleurallamelle Ip an, mit ihr verbunden durch den äußerst kurzen Zm (155). Fig. 50. Querschnitt im hinteren, im epimeralen Be- zirk des Prothorax. Links: im Übergangszustande des Stadium 1. Rechts: in der Imago (bzw. im Normalzustand des Stadium 1). Vgl. die Textfig. 37—41, S. 479 f. und Bd. C, Tai. XXIV, Fig. 24. Perspektivische Ansicht der nach vorn gelegenen inneren Skeletteile (punk- tiert) von hinten. Hierfür gilt die Erläuterung zur vorigen Fig. 49. In beiden Figuren beachte man bei einem Vergleich mit den flügeltragenden Segmenten (Fig. 47, 48) und den Hinterleibsringen (Fig. 44, 45) das Verhalten der pleuralen Region mit dem Stigma (vgl. .S. 660, Nr. 43). Fig. 51. Querschnitt im hinteren Bezirk der Hals- haut, dem Segment der zweiten M a x i 1 1 e. Links: im Übergangszustande des Stadium 1. Rechts: im Normalzustande des Stadium 1 und in der Imago. Der Querschnitt liegt auf der Höhe der hinteren Kehlhautplatte a; vgl. die Textfig. 42—48, S. 531 ff.; Bd. C, Taf. XXIV, Fig. 25 und S. 828. Der Vorderrand des Pronotum »4«, vgl. Fig. 49, an dessen Innenrand I t,R die Halshaut hinten ansetzt, ist angedeutet, ebenso der seitliche und ventrale Umriß des Prothorax. Im Kehlbezirk liegt das Unterschlundganglion U.S { = Oggl) Der Odvm2a — c vertritt drei Muskeln. Man beachte die vergängliche dorsale Längsmuskulatur. Lange Idvni und unterbrochene pm Seitenmuskulatur fehlt völlig; dementsprechend ist die pleurale (eupleurale) Region aufs äußerste rück- über den Thorax von Grj-llus domesticus. V. 675 gebildet, iind mit lü in ihrer hypothetisch zulässigen Erstreckung dargestellt. Hingegen entspricht der pleurotergale Bezirk 'plt mit dem dlmß durchaus dem Be- funde im Abdominalsegment (vgl. Fig. 44, 45); mit dem Unterschiede, daß in der Halshaut die im Abdominaltergit einheitlich kräftig chitinisierte tergale Region weichhäutig ist. (vgl. die Schemata I — VI). Ebenso ist im Prothorax die ganze tergale Region eine einheitlich feste Platte usw. Vgl. hierzu die Fig. 49—50. Oest bedeutet den dem Prosternellum lest homologen sternalen Teilbezirk des Cephalosternellum. Fig. 52. Querschnitt im vorderen Bezirk der Hals- haut, dem Segment der zweiten Maxille. Links: im Übergangszustand des Stadium 1. Rechts: im Normalzustande des Stadium 1, bzw. in der Image. Der Querschnitt liegt auf der Höhe der vorderen Kehlplatte i; vgl. die Text- fig. 49— 52, S. 545 ff. Das Hinterhaupt ocr, an welchem die Halshaut entspringt, ist als episternaler Teil des zweiten Maxillensegmentes Ot u. Opl, mit dem Tentorium T perspek- tivisch von hinten gesehen; vgl. 1904, S. 289, Textfig. 1. Ot, Cephalonotum — Tergit des zweiten Maxillensegments = Nackenhaut. Ost, Cephalosternum — Sternit des zweiten Maxillensegments = Kehlhaut. Am Tentorium entspringt die ventrale Längsmuskulatur vlm. Man beachte die vergänglichen Teile der dorsalen Längsmuskulatur dlm. Im übrigen gut die Erklärung zu voriger Fig. 51; vgl. hierzu den Schnitt Textfig. 39 in der ent- sprechenden Querlage durch den Prothorax, vgl. die Erläuterungen auf S. 485 und S. 533. Anmerkungen. 1) Anmerkung zu Bd. C, S. 589. Über den Thorax von Grijllus domesticus mit besonderer Berück- sichtigung des Flügels und dessen Bewegung. (Ein Beitrag zur Ver- gleichung der Anatomie und des Mechanismus des Insektenleibes, insbesondere des Flügels.) I. Teil: Das Skelet, 1904. IL Teil: Die Muskulatur, 1905. III. Teil: Die Mechanik, 1905. IV. Teil: Vergleich der Orthopteren, besonders des Gryllus domesticus, mit den übrigen höheren Insektenordnungen, 1905. 2) Anmerkung zu Bd. C, S. 599. Zusammenstellung der in vorliegendem Zusammenhang ge- nannten Autoren. A. Bauek, 1910: Bd. CL S. 581. B. Dübken, 1907: Bd. C, S. 594; Bd. CL S. 661, 667, 668. 1909: Bd. C, S. 603; Bd. CI, S. 661. C. Gegenbauk, 1898: Bd. CI, S. 676, Anm. 3. A. Gerstäckeb, 1866: Bd. C, S. 812. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 44 676 Friedrich Voss V. Graber, 1877: Bd. CI, S. 653. 1882: Bd. CI, S. 501. R. Hbymons, 1895: Bd. C, S. 600, 671. 1896: Bd. CI, S. 671. 1897: Bd. CI, S. 679, Anm. 13. 1899: Bd. CI, S. 679, Anm. 13. 1906: Bd. CI, S. 679, Anm. 13. 1909: Bd. CI, S. 628. Ch. Janet, 1898: Bd. CI, 8.563. 1907: Bd. C, S. 696, 829 zu Fig. 31. Klaus-Grobben, 1910: Bd. CI, S. 628. H. J. Kolbe, 1893: Bd. CI, S. 677, Anm. 6. O. Krancher, 1881: Bd. C, S. 661. J. KüNKEL d'Herculais, 1890: Bd. C, 8. 622. Em. Radl, 1905: Bd. CI, 8. 501. Fr. Voss, 1904/05: Bd. CI, 8. 675, Anm. 1. Referat 1906 v. Adelung: Bd. CI, 8.605. 1906: Bd. CI, 8. 623. 1911: Bd. C, 8.597. 1912 vgl. Bd. C, 8. 788. Referat der Arbeit von E. Zander 1910 im zool. Centralblatt 1912, Nr. 1058, 8. 850. J. VossELER, 1905 u. 1908: Bd. C, 8.622; Bd. CI, 8.671. Wefelscheid, 1912: Bd. CI, 8.678, Anm. 9. E. Zander, 1910: Bd. C, 8. 788. 3) Anmerkung zu Bd. C, 8. 602. Die Muskelkategorie besteht demnach ganz im 8inne Gegenbaurs (Ver- gleichende Anatomie der Wirbeltiere, Bd. 1, 1898 Leipzig, 8. 23 unter I) aus der begrifflich faßbaren Einheit einer Vielheit von Einzelorganen, d. h. in unserm Falle von einzelnen Muskelgruppen oder deren Teilen. Dieselben können bei den verschiedenen Insektenorganisationen im einzelnen sehr verschieden differenziert sein, während die Kategorie für letztere gleichartig und der Anlage nach typisch ist. Nach Maßgabe des Begriffes Kategorie herrscht demnach eine allgemeine Homologie für sämtliche sj^ecifische Einzeldifferenzierungen (bzw. ungeachtet derselben). Die Bewertung der letzteren geschieht durch den Vergleich unter Aufstellung spezieller Homologien. 4) Anmerkung zu Bd. C, 8. 607. Die Vergrößerungen für die 8chnitte der Frontalserie Bd. C. Taf. XIX — XXIII, sind bereits auf 8. 819 und 825 angegeben. Die Vergrößerung der Fig. 35, Taf. XXVII, Bd. C, beträgt etwa 21. Die Vergrößerung der Querschnitte auf den Taf. XXIV — XXVI, Bd. C, kann durch den Vergleich mit den entsprechenden Textfiguren beurteilt werden. Die Vergrößerung der gegenüber den Originalen um etwa zwei Drittel ver- kleinerten Querschnittsbilder in den Textfiguren Bd. C und Bd. CI ist eine 136— 138fac]ie (Textfig. 51 etwa 136fach, Textfig. 1 etwa 138fach). In der Fig. 43, Taf. XXVIII, Bd. CI, beträgt die Vergrößerung etwa 51, entsprechend dem Höchstmaß von 3,3 mm, welches der Embryo nach meinen Beobachtungen erreichen kann. über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 677 Im Text bezieht sich die einfache Bezeichnung »Fig. « auf die Tafelfiguren, ^\ährend die Textfiguren als solche bezeichnet sind. 5) Anmerkung zu Bd. CI, >S. 549. In dem 1905 auf S. 464, Textfig. 11, wiedergegebenen Frontalschnitt der Iinago ist infolge falschen Übertragens der richtigen Originalskizze ein Versehen untergelaufen: der mit Oidvm2 in der Region der Halshaut bezeichnete Muskel- querschnitt liegt in Wirklichkeit medial vom dorsalen Längsmuskel Ovlm5a (welcher jetzt als Odlmba — vgl. Bd. CI, S. 544 — bezeichnet werden muß), dicht neben diesem und lateral dicht neben Oidvml. Alsdann ergibt sich auch die Überein- stimmung dieser Figur mit dem Text 1905 und den gegenwärtigen Frontalschnitt- bildern vom Stadium 1. Vgl. Bd. C. Taf. XX, Fig. 9 und die Erklärung auf S. 821. 6) Anmerkung zu Bd. CI, S. 575f, unter 2. Eine gute Anschauung von dem im Hinterhauptsring der Kopfkapsel ent- haltenen episternalen Anteil des Segmentes der zweiten Maxille in seinem Zu- sammenhange mit der zugehörigen Extremität, eben der Unterlippe, gibt die von KoLBE (1893, Einführung in die Kenntnis der Insekten. Fig. 61, S. 133 unter Sg5, K4, usw.) gegebene Darstellung der Seitenansicht vom Kopfe der Locusta viridissima L. Der epimerale Bezirk des zweiten Maxillensegmentes, die Halshaut, ist von KoLBE nicht dargestellt. Man vergleiche diese Abbildung mit der von mir 1904, Textfig. 4, S. 295, gegebenen Innenansicht vom Prothorax, um die dortige Reduktion des epister- nalen Bezirks (vgl. Bd. CI, S. 521) festzustellen und um — im Vergleich mit dem noch mehr reduzierten im Segmente der zweiten Maxille — das Prinzip der funktionellen Steigerung durch progressive Rückbildung des episternalen Bezirkes zu erkennen (vgl. Bd. CI, S. 656, Nr. 21, S. 660, Nr. 44). 7) Anmerkung zu Bd. CI, S. 590. Der Gabel-Seitenmuskel Zm wurde unter der ste malen Muskulatur geführt. Von den sternalen Beinmuskeln bm unterscheidet ihn jedoch sein Verlauf oberhalb der ventralen Längsmuskulatur, in welchem er den abdominalen Trans- versalmuskeln rm gleicht, und sein Ansatz (nicht etwa am äußeren Hüftrand — vgl. einige fcm — , sondern) noch jenseits, d. h. lateral vom Ursprung der Hüfte, in der thoracalen Seitenwand — mit einem dem Intersegmentalfaltenmuskel Ilifm (117) ähnlichen, analogen Verhalten. Hierdurch zeigt er ein in toi^ographischem Sinne sternalpleurales Verhalten. Als sternalpleuraler Muskel in morphologischem Sinne kann er u. a. schon deshalb nicht angesprochen werden, da er an der GabelaiJophyse, d. h. an einem Gebilde des medialen Sternits, also nicht sternal-randständig, entspringt. Er nimmt also in gewissem Sinne eine Mittelstellung zwischen sternalpleu- raler und sternaler Muskulatur ein, als ein Beispiel für Muskeln, welche sich keiner der genannten Kategorien fügen (vgl. Bd. CI, S. 619). 8) Anmerkung zu Bd. CI, S. 600, unter b. Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob die Odlm Ox (wohl weniger Oy) trotz ihrer medianen Lage oder etwa gerade wegen ihrer im Prothorax durch die medianwärtige Verschiebung der Idlm3a + b vorbereiteten medianen Verlagerung mit letzteren Muskeln im weiteren Sinne homologisiert werden dürfen (vgl. die 44* 678 Friedrich Voss, Situsbilder in Textfig. 39, S. 485 und 43, S. 533). Ich lasse diese Frage in An- betracht des vielfach erwähnten spontanen Auftretens von Muskeln , welche sich keiner Kategorie fügen (fS. 619 u. a.), unberücksichtigt. 9) Anmerkung zu Bd. CI, S. 632 (vgl. auch Bd. CI, S. 629; Bd. C, S. 791 ff.). Wefelscheid (1912, Zoolog. Jahrbücher, Abt. für Systematik, Bd. XXXII, S. 410) stellt fest, daß die ijleuralen Platten des Abdomen (Parasternite Hey- MONs') von Plea aus tergalen und sternalen Anteilen zusammengesetzt sind. Wenn er jedoch mit dem Worte »Pleura« eine neutrale Bezeichnung anwenden will, so ist dem zu entgegnen, daß diese Bezeichnung sich auf die pleurale Region in ihrer Eigenschaft als ein morphologisch einheitlicher Begriff bezieht; sie ist daher auch in topographischem Sinne nicht anwendbar, zumal auch Wefelscheid an- gibt, daß die Pleuren nicht selbständig innerhalb der Pleuralhäute entstanden sind. Derartige Beispiele ließen sich vermehren; so auch z. B. R. Heymons, 1899 (zitiert S. 679, Anm. 13), Nova acta, S. 370, Abs. 4. 10) Anmerkung zu Bd. CI, S. 634. Um einer Verwechslung mit der Kehlplatte, dem Submentum (Gula) — vgl. Textfig. 1, 1904, S. 289 — vorzubeugen, bezeichne ich sämtliche Chitin- platten der Halshaut als Halshautplatten und unterscheide bei denselben die Platten der Kehlhaut als Kehlhautplatten von solchen der Nackenhaut, den Nackenhautplatten. Diese Bezeichnungen hatte ich in der Bearbeitung 1904/05 noch nicht angewandt und ich habe sie auch erst bei der Korrektur der zweiten Fortsetzung vorliegender Arbeit durchgeführt. 11) Anmerkung zu Bd. CI, S. 638. Demgegenüber läßt sich allerdings wieder einwenden, daß der pleuro-tergale Seitenbezirk im imaginalen Abdomen der Ephemerella (Textfig. 17, S. 477) frei von Längsmuskeln ist. Der dvmS setzt tergal und sternal nicht randständig an, wie man es von einem seitlichen Dorsoventralmuskel Idvm verlangen müßte. Inwiefern dieser Mangel an Randständigkeit sich durch die besonderen Verhält- nisse bei Ephemeriden deuten läßt — Verbreiterung der Tergite und Sternite lateralwärts — bedarf eben der Untersuchung; vgl. hierzu Di'RKENS Textfig. 17, 18 mit Bd. C, Fig. 22, Taf. XXIV bei Gryllus. Die den Idvm bestimmter vergleich- baren km zeigen in den Abbildungen Dürkens S. 477 ein ventral randstäncüges Verhalten. Die Frage ist ersichtlich zu kompliziert, um ohne eine neue Unter- suchung, u. a. über den Embryonalmechanismus der Ephemeriden, entschieden werden zu können. 12) Anmerkung zu Bd. CI, S. 638 unten. Hiernach scheint sich allerdings ein gleiches Verhalten der edimi bei Qryllus und der dvmZ bei Ephemerella herauszustellen, indem der Längstracheenstamm in beiden Fällen dicht medial neben dem Dorsoventralmuskel verläuft; vgl. Bd. C, Taf. XXIII, Fig. 21 mit Di^rken 1907, S. 477, Textfig. 17. 13) Anmerkung zu Bd. CI, S. 641 (vgl. auch Bd. C, S. 622ff.; Bd. CI, S. 671). Angaben und Abbildungen über den »Eisprenger« (Ha(;en, Heymons), den Eizalni l)zw. die Stirnsäge finden sich u.a. bei folgenden Autoren: über den Thorax von Gryllus domesticus. V. 679 Der Eizahn von Lepisma, im Übergangszustande derselben vom 1. — 7. Tage; R. Heymons, 1897, »Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma saccharina« in Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXII, Taf. XXX, Fig. 14. Die Stirnsäge von Myrmecopliana; J. Vosseler, 1908 (zitiert Bd. C, S. 622). Der Eizahn von Forficula; R. Heymons, 1895 (zitiert Bd. C, S. 600; Bd. CI, S. 671). Die Stirnsäge von Epitheca; R. Heymons, 1896 (zitiert S. 671). Der Eizahn von Pijrrhocoris; R. Heymons, 1899, »Beiträge zur Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Rhynchoten«, Nova acta naturae curio- sorum, Halle, Bd. LXXIV, S. 400, Abs. 4. Ebendort ist S. 393 unten ein »eigentümlicher Chitinapimrat « vom Kopfe der Cimex dissimilis Fab. erwähnt. Einen T-förmigen Eisprenger von Palomena dissimilis in der Hinterhauptsregion des Embryo beschreibt R. Heymons 1906: »Über einen Apparat zum Öffnen der Eischale bei Pentatomiden «, Bd. II der Zeitschr. f. wiss. Insektenbiologie. Ich beabsichtige nicht, an dieser Stelle eine vollständige Übersicht über diesen Gegenstand zu geben. Weitere Angaben auch allgemeiner Natur finden sich in der soeben genannten Arbeit von Heymons 1906, aiich über die einschlägige Literatur. Im zusammenfassenden Teil Bd. CI, S. 641, habe ich (im Gegensatz zu der Beschreibung für Grylhis, Bd. C, S. 622 ff.) auch den Eisprenger aufgeführt, indem ich dort die Befunde an der Grille mit den von andern Beobachtern be- schriebenen Vorgängen in allgemeinen Zusammenhang brachte. Es sei indes nochmals ausdrücklich liervorgehoben, daß ich einen Eisprenger von irgend- welcher Form bei der Hausgrille nicht beobachtet habe. Die Eischale läßt sich bei der Präparation leicht zerreißen. Allerdings bemerkt man bei der Seiten- ansicht eines noch innerhalb der Eischale befindlichen Embryo bei durchfallendem Licht am Vorderende des Tieres an einer in der Übergangszone von der Stirn zum Scheitel befindlichen Stelle eine im Profil ventralwärts deutlich etwas ab- gesetzte dunkle Kontur, welche dorsal in der Scheitelregion zu verstreichen scheint; dieselbe erweckt zunächst den Anschein einer leistenartigen Chitinverdickung und täuscht die genannten Befunde von Heymons, 1896 an Epitheca und VossE- LER, 1908 an Myrmecopliana vor. Indessen stellt es sich bei der Präparation leicht heraus, daß diese dunkle Kontur nur optisch besteht: Infolge einer relativ tiefen medianen Längsfui-che (vgl. die Dorsalansicht des Embryos) treten am Kopfgipfel zwei Vorwölbungen auf, welche dorsal und ventral verstreichend den erwähnten Anschein erwecken. Es bleibt zu untersuchen, ob diese Gebilde bei der Sprengung der Eischale eine besondere Aufgabe erfüllen. 14) Anmerkung zu Bd. CI, S. 644 (vgl. auch Bd. C, S. 622ff., bes. S. 628f; Bd. CI, S. 653). Auch über diesen Gegenstand beabsichtige ich hier keine eingehenden Er- wägungen anzustellen. Heymons, 1906 (in der soeben genannten Arbeit), beobachtet, daß das Embryonalhäutchen bei der Pentatomide Palomena dissimilis im Ei zurückbleibt. Sehr bemerkenswert scheint mir demgegenüber das lange Verharren der Lepisma saccharina im Übergangszustande des Stadium 1, worüber R. Hey- 680 Friedrich Voss, MONS 1897 in der in voriger Anmerkung zitierten Abliandlung Angaben macht (S. 597 ff). Bei Lepisma erfolgt die erste Häutung, ch h. die Ablage des Embryonal- häutchens mitsamt dem Eizahn erst am 7. Tage. Das junge Tier verharrt also in einem überaus verlängerten »nachembryonalen Übergangszustande zum »Sta- dium 1 <', welcher in ähnlicher Weise wie bei Gryllus u. a. durch den Dotterinhalt des Mitteldarmes und durch das Unterbleiben der Nahrungsaufnahme charak- terisiert ist. Es ist demnach auf S. 628, Bd. C, unter 1, hinter Schtstccerca hinzuzufügen: »bei Lepisma sich sogar auf 7 Tage erstrecken . . . «. Bei der Grille bleibt das Embryonalhäutchen in der Regel in solcher Weise in der Eischale zurück, daß seine hintere Hälfte in dem vorderen dorsalen Spalt der Eischale eingeklemmt ist, während die vordere Hälfte hervorragt. 15) Anmerkung zu Bd. CT, 8.660 (vgl. auch 1904, S. 280ff.; 1905, S. 512). Mit dieser Feststellung erfährt also die Gesamtzahl des primären Segment- bestandes bei den Insekten keine Zunahme. Es sind demnach primär 21 Seg- mente vorhanden: sechs Kopfsegmente, drei Thoracalsegmente. zwölf Abdominal- segmente. Nachdem ich 1905 vorsichtshalber die 12-Zahl der Hinterleibssegmente hypothetisch gelassen, scheint sie mir jetzt durch die Untersuchungen Hey- MONs' bei den verschiedenen Insektenordnungen einwandfrei begründet und sichergestellt. 16) Anmerkinig zu Bd. CT. S. 663. Mit den vorstehenden Seitenverweisen ist kein erschöpfendes Sachregister beabsichtigt. Es soll lediglich auf einzelne Hauptstellen für den betreffenden Gegenstand hingewiesen werden, um eine leichte Einarbeitung in den Stoff zu ermöglichen. Neben dem Inhaltsverzeichnis können auch die Figurenerklärungen als Ausgangsstellen für die Einarbeitung benutzt werden, vgl. auch Bd. C, S. 597, Anmerkung. 17) Anmerkung zu Bd. CI, S. 641 u. a. (vgl. auch Bd. C. S. 646 ff.; Bd. CI, S. 602). Die mediale Dorsoventralmuskulatur des Abdomen ist an einem älteren Embryo, welchen man frisch aus der Eischale präpariert hat, auch schon an einem noch innerhalb der Eischale befindlichen Embryo, besonders bei der Dorsalansicht sehr gut zu sehen. Die Muskelmassen zeigen sich im optischen Querschnitt als sehr große, un- regelmäßig kreisförmig begrenzte helle Flächen ; sie nehmen beiderseits des Darmes, welcher infolge seines Dotterinhaltes lichtbrechend erscheint, die Hauptmasse der abdominalen Seitenteile ein. Innerhalb der Flächen scheidet eine feine dunkle Querlinie den vorderen Dorsoventralmuskel edvml vom hinteren edvm2. Die Ansicht entspricht dem in Fig. 17o, Taf. XXII, Bd. C, dargestellten Verhalten; doch sind in diesem aus der Eischale geschlüpften Übergangszustande die Muskeln weiter voneinander getrennt. über den Thorax von Gryllus doniesticus. V. 681 Druckfehler und Bericlitigungen zum Teil I — IV, 1904 — 05 und zum Teil V, 1912. Zum I. Teil 1904. S. 289, Zeile 7 von unten lies: durch den äußerst kräftigen Querbalken. S. 289, Zeile 2 von unten lies: dem Ansatz nur eines in den Thorax reichen- den Muskels {Ovlm4 [136]) dient. S. 297, Zeile 7 von unten lies: die unpaare Apophyse garnicht. S. 298, Zeile 20 von unten: trapezförmige statt trapezförmig. S. 301, Zeile 17 von oben, ein Bindestrich: — notum Amans'. S. 313, Zeile 7 von oben lies: gegen den Thorax hin im Durchmesser ab- nimmt. S. 324, Zeile 3 von oben: a2 statt d2. S. 335, Zeile 3 von oben hinter »Steg« ein Komma. S. 343, vorletzte Zeile des Abschnittes »Vergleichung « lies: — in letzterem Sinne nicht unwahrscheinlich. Tafs XV, Fig. 3: die VIII. Ader ist etwas zu dick. — d fällt fort. Taf. XVI: In den Fig. 18« — c einerseits und den Fig. 10a — d anderseits sind die mit h bezeichneten Stellen einander nicht homolog. Zum IL Teil 1905. S. 403: In der Textfig. 2 ist der Sporn der Pleuralleiste Ip, das Apodem, perspek- tivisch vor dem Muskel pw6 (jetzt = ldvm2) verlaufend gezeichnet. Er muß jedoch hinter demselben verschwinden, da der Muskel vor ihm verläuft. S. 412, Zeile 9 von oben: 4 dorsale Längsmuskeln statt dorsoventrale. S. 420, Zeile 7 von oben lies: dorsale Partie statt ventrale. S. 450, Zeile 4 von unten lies: bietet die nach hinten intersegmentale Mus- kulatur. S. 462, Zeile 8 von unten fallen die beiden Kommata fort. S. 464, Die Berichtigung der Textfig. 11 vgl. vorher Anmerkung 5. S. 465 oben Zeile 1 und folgende lies: in der letzteren, d. h. in der epimeralen, durch sternale Muskulatur ersetzten, kann besonders pmö {ldvm2) . . . als . . . Beinmuskel für die Beinbewegung mechanisch zu- rücktreten. S. 466, Korrektur der Textfig. 13, S. 466, 1905, Bd. 78: In diesem der ventralen Region sehr angenäherten Frontalschnitte der Imago ist das erste Abdominalsegment nicht mehr getroffen. Der gesamte Muskelkomplex des ersten Abdomialsegmentes liegt bereits höher, ebenso auch die seitlich hoch hinaufreichende Parasternalplatte ; vgl. hierzu auch Bd. C, Taf. XXVII, Fig. 35 mit den Textfig. 19, 23, S. 673 ff. und Taf. XXIII, Fig. 20. Letzterer Schnitt für das StacUum 1 entspricht fast völlig dem gegenwärtigen der Textfig. 13 für die Imago. Der in letzterer also als erstes Abdominalsegment bezeichnete Bezirk la gehört dementsprechend dem zweiten Abdominalsegmente an. Es ergeben sich also folgende Änderungen und Nachträge: IIa statt la. — II la statt IIa. — pmß jetzt: ldvni2. — IIa sima + ß, pstmö + pm3 statt vlm4 + 5; nur das in den Metathorax /// einragende Stück gehört zu Illvhni + 5, indem es an der Knickstelle endet. 682 Friedrich Voss, Über den Tliorax von Gryllus domesticus. V. Im Segmentbereich IIa (statt /a): folgt medial von der Einstülpung der Querschnitt des IIa ldvm2, lateral der Querschnitt des IIa pmi. Dahinter im Segmentbereich Illa (statt IIa) der kleine Querschnitt des Ilaipmö, der große des Illaldvml. Hinter der bei sti mündenden Trachee nacheinander: IIIaldvm2, Illapmd, IllaipmS, IValdvml. S. 467, Zeile 1 oben lies: was die episternale Muskulatur, abgesehen von obigen Ausnahmen den pml — 3 — [jetzt Idvml, la, 3] — nicht tut. S. 520, Anmerkung 19 zu Zeile 4: Hinweis auf S. 468. Zum III. und IV. Teil 1905. S. 683, Zeile 6 von oben: dorsales statt dorsaler. S. 739, unter 6 b). Dieses Ergebnis bestätigt sich also nach den neuen Unter- suchungen nicht. Vgl. Bd. CI, S. 503ff.. S. 564ff, 569ff. Zum V. Teil 1912. Bd. C, S. 775: In der Überschrift unter 2 heißt es ldvm2 {ptu6), nicht Idvm. Göttingen, im Januar 1912. Untersuchungen über den Bau und die Lebensweise der Lymexyloniden, speziell des Hylecoetus dermestoides L. Von Friedrich Germer aus Leipzig. (Aus dem Zoologischen Institut zu Leipzig.) Mit 31 Figuren im Text und Tafel XXX u. XXXI. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung 684 Material und Technik 684 I. Hylecoetus dermestoides 687 Die Antennen 687 Die Maxillarpalpen 689 Biologie der Imago 6ü6 Experimentelle Biologie der Imago 698 Bau und Leben der Larve 701 Forstschädlichkeit 707 Ernährung der Larve 709 II. Verwandte Arten 714 A. Europäer 714 1. Hylecoetus jlabellicornis 714 2. Lymexylon navale 716 B. Exoten 719 1. Hylecoetus cylindricus 719 2. Hylecoetus javanicus 720 3. Melittomma insulare 721 4. Melittomma brasiliense 722 5. Melittomma africanum 723 6. Atractocerus hrevicornis 723 7. Atractocerus flavicollis 724 8. Atractocerus brasiliensis 726 9. Atractocerus africanus 726 Hauptergebnisse 731 Literatur 732 Erklärung der Abbildungen 735 684 Friedrich Germer, Auf der am 9. Mai 1909 von Herrn Dr. Otto Steche veranstalteten Exkursion nach dem Kammerforst in Sachsen-Altenburg wurden in einem großen Eichenstumpf zahlreiche Vertreter der Lymexyloniden- gattung Hylecoetus dennestoides L. angetroffen. Zufällig nahm ich mir einige Exemplare lebend mit und zeigte sie am nächsten Tage im Zoolo- gischen Institut Herrn Professor zur Strassen. Auf dessen Anregung stellte mir Herr Geheimer Rat Professor Dr. Carl Chun die Aufgabe, die erwähnten Käfer einer genaueren Untersuchung, vor allem auch in biologischer Hinsicht, zu unterziehen. Es sei mir gleich an dieser Stelle gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Chun, für die mannigfache Anregung und Unterstützung, die er mir bei meiner Arbeit zuteil werden ließ, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. In gleicher Weise bin ich Herrn Professor zur Strassen und vor allem Herrn Privatdozenten Dr. med. et phil. 0. Steche zu großem Danke verpflichtet. Schließlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß ich durch die Herren Professoren Neger- Tharandt und MiEHE-Leipzig, in freundlichster Weise in bota- nischen Fragen beraten worden bin. Material und Technik. Meine ersten Untersuchungen stellte ich an dem im Kammerforst gefundenen Material an. Im Frühjahr 1910 wollte ich Kontroll versuche vornehmen, konnte aber an der betreffenden Stelle im Kammerforst und auch in der näheren Umgebung Leipzigs keine Käfer antreffen. Endlich fand ich bei einem Aufenthalt auf der Oberförsterei Hafer- feld bei Gernrode im Harz mehrere Hylecoetus dermestoides und hatte auch Gelegenheit, die Larven und ihre Lebensweise genauer zu studie- ren. Ich habe es vor allem der Liebenswürdigkeit des Herrn Forst- meisters ScHOLTZ zu danken, daß ich zu den dortigen Waldungen un- gehindert Zutritt erhielt. Da es sich bei meiner Arbeit in histologischer Beziehung in der Hauptsache um die Untersuchung der Mundgliedmaßen handelte, konservierte ich die eingefangenen Käfer in der Weise, daß ich sie in die Konservierungsflüssigkeit warf und ihnen, sobald sie betäubt waren, das Abdomen abschnitt. Zuweilen trennte ich auch nur den Kopf vom übrigen Körper ab. Ich benutzte zur Konservierung verschiedene Flüssigkeiten, so auf Exkursionen bisweilen reinen 80%igen Alkohol oder ein Gemisch von Formol-Alkohol-Essigsäure. Bei der Fixierung im Laboratorium verwandte ich auch öfter eine Mischuiiij; von Sublimat- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 685 Alkohol-Eisessig, die am besten auf 70° C. erwärmt, benutzt wurde. In dieser Flüssigkeit wurden die Objekte 8 — 12 Stunden belassen, um nachher mit Jodalkohol behandelt zu werden. Die besten Kesultate beim Konservieren erhielt ich jedoch stets durch Formol- Alkohol-Eisessig. Dieses Gemisch setzte sich folgender- maßen zusammen: 15 Teile 96%igen Alkohol, 30 Teile destilliertes Wasser, 6 Teile konzentriertes (40%iges) Formol und 7 Teile Eisessig. Meistens genügen schon zwei bis drei Teile Eisessig. Ich habe aber stets gefunden, daß eine größere Menge Eisessig die Kerne und Nerven- fibrillen deutlicher hervortreten läßt. Auch hier wurde die Wirkung der Mischung erhöht, wenn ich sie erwärmt anwandte, ja es empfahl sich sogar, die Flüssigkeit mit den Objekten in einer verschlossenen Glasdose auf den Thermostaten zu stellen. Die Objekte ließ ich je nach der Größe 6 — 12 Stunden in dem Gemisch. Wollte ich nur Fühler oder Maxillarpalpen konservieren, so betäubte ich das Tier ein wenig mit Chloroform und präparierte dann unter der binoculären Lupe die Mundwerkzeuge ab. Auf diese ließ ich dann Formol- Alkohol-Eisessig nur 4 Stunden einwirken. Die konser- vierten Objekte bewahrte ich in 70%igem Alkohol auf, den ich in den ersten Tagen ein paarmal wechselte. Wollte ich die Mundwerkzeuge mikroskopisch auf ihren inneren Bau hin untersuchen, so mußte ich sie, da das Chitin dem Mikrotommesser sehr großen Widerstand ent- gegensetzte, mit Seifenspiritus behandeln. Diese Aufweichungsmethode mittelst Seifenspiritus wurde zuerst von Bedau (3) angewandt. Er hat darüber im 3. Heft des XCVII. Bandes der Z. f. wiss. Zool. S. 418, 419 berichtet. Ich kann mich daher hier darauf beschränken, auf diese Arbeit hinzuweisen. Wenn ich merkbare Resultate erhalten wollte, mußte ich die Mundwerkzeuge bis zu 96, ja bis zu 120 Stunden im Seifenspiritus las- sen. In keinem Falle hatte ich eine Schädigung des Gewebes zu kon- statieren. Die Objekte wurden dann, ebenfalls nach Bedau (3) mit Cedernholzöl behandelt und in 60grädigem Paraffin eingebettet. Das Schneiden mit dem Mikrotom machte aber öfters Schwierig- keiten, so daß ich Mastixkollodium auf den Block auftragen mußte, um ein Ausspringen des Chitins zu verhüten. Bessere Resultate erhielt ich aber, wenn ich meine Objekte in das härtere Kollodiumparaffin einbettete, vor allem auch deshalb, weil ich sie sehr leicht im Kollodium orientieren konnte. Im 48- und 58grä- digen Paraffin wurden die im Kollodiumnelkenöl enthaltenen Objekte längere Zeit, bis zu 18 Stunden, belassen, während sie im öOgrädigen 686 Friedrich Germer, nur 2 — 4 Stunden verblieben. Wenn ich nun auch fast niemals »Bän- der« beim Schneiden erhielt, so sprang doch bei Anwendung der Nelkenöl- Kollodium- Paraffin-Einbettung das Chitin fast niemals aus. Zuweilen mußte ich auch mit stark verdünntem Mastixkollodium nachhelfen. Die Schnitte wurden meist in einer Dicke von 3 — 5 ii angefertigt. Einige Male gelang es mir, die Schnittdicke auf 2 u, einmal sogar auf 1 /< herab- zusetzen. Da mir in der ersten Zeit des öfteren, besonders nach An- wendung von Mastixkollodium, einzelne Kollodiumparaffinschnitte vom Objektträger fortschwammen, überzog ich die Glastafeln mit den Schnitten mit einer Lösung von Photoxylin. Am besten bewährte sich hierbei eine verdünnte Lösung. Ich mischte 50 ccm absoluten Alkohol mit der gleichen Menge reinen Äthers und gab dann ungefähr einen Teelöffel Photoxylin hinzu. Meiner Erfahrung nach empfiehlt es sich, bei stark chitinigen Objekten stets die Tafeln mit Photoxylin zu behandeln. Allerdings braucht man dann zum Überführen und Färben etwas längere Zeit als gewöhnhch. Zur Färbung der Schnittpräparate verwandte ich bei Übersichts- bildern Hämalaun mit gutem Erfolg, zuweilen wurde mit Eosin nach- gefärbt. Für die Nervenfärbung dagegen war die Eisenhämatoxylin- färbung nach Heidenhain am vorteilhaftesten. Besonders schöne Bilder erhielt ich, wenn ich nach dem Färben und Differenzieren mit Beize die Präparate noch längere Zeit unter fließendem Wasser wäs- serte. Die Nervenfibrillen traten in großer Deutlichkeit vor das Auge, selbst wenn das übrige Gewebe durch das Differenzieren wieder völlig entfärbt war. Die getrockneten Käfer mußte ich zur Untersuchung der Mund- werkzeuge und zur Feststellung des Geschlechtes mit Kalilauge auf- weichen. Es empfiehlt sich, eine mittelstarke Lösung von Kalium- hydroxyd einwirken zu lassen und zwar am besten bei einer Temperatur von 60 — 70° C. Brachte ich die trockenen Insekten etwa in eine kon- zentrierte kochende Kalilaugenlösung, so wurden sie oft einfach aus- einandergetrieben und waren dann natürlich nicht mehr zur Unter- suchung zu gebrauchen. Ebenso mußte ich bei der Überführung der Objekte aus der Kalilauge ins Wasser sehr vorsichtig zu Werke gehen. Ein schnelles Überführen hatte jedesmal ein starkes Schrumpfen zur Folge. Ich ging daher folgendermaßen vor. Waren die Objekte ge- nügend aufgeweicht und die Gewebe im Innern entfernt, so fügte ich zu der heißen Kalilauge allmählich heißes AVasser hinzu, bis eine starke Verdünnung eingetreten war. Nun erst ließ ich die Flüssigkeit erkalten. Langsam wurden die Objekte dann in reines Wasser gebracht und Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 687 entweder in Glyzerin eingeschlossen oder die Alkoholreihe vorsichtig emporgeführt, um in Canadabalsam eingebettet zu werden. Ich be- vorzugte meist die letztere Methode, da die Objekte durch das Benzol aufgehellt und so zum Zeichnen geeigneter wurden und im übrigen auch eine ungleich größere Haltbarkeit besai3en. I. Hylecoetus dermestoides L. Die Imago des Hylecoetus dermestoides besitzt einen langgestreck- ten, walzenförmigen Körper, der ungefähr fünf- bis sechsmal so lang als breit ist. Der Körper ist über und über mit sehr feinen Härchen bedeckt, die am Kopf und Thorax größer sind als am Abdomen. Der große rundliche Kopf wird etwas gesenkt getragen. Die Augen sind klein und von runder Gestalt. Die Flügeldecken sind lang, fast gleich- breit und hinten etwas abgerundet. Sie bedecken die häutigen Flügel und das Abdomen nicht völlig. Die Käfer sind recht verschieden ge- färbt, so daß man mehrere Unterarten unterschieden hat. Während das Weibchen fast stets bis auf die schwarzen Augen einfarbig ocker- gelb oder rötlichgelb ist, variiert das Männchen in der Farbe der Flügel- decken. Kopf und Thorax sind meist schwarz gefärbt. Die Flügel- decken sind nun entweder auch schwarz — dann handelt es sich um H. morio — oder bräunlichgelb mit schwarzen Spitzen — H. marci — . Exemplare mit schwarzem Kopf und Thorax, aber völlig gelben Flügel- decken, die Fabricius als Lymexylon prohoscideum bezeichnet, habe ich nie gesehen, obwohl ich mehrere Hundert Hylecoetus gesammelt habe. Zwischen den Varietäten morio und marci finden sich zuweilen Übergänge, indem die schwarzen Exemplare oft an der Schulterpartie seltener auch in der hinteren Hälfte der Flügeldecken gelblich sind. Ferner variieren diese Formen auch in der Größe. H. morio differiert von 5 — 13 mm, marci von 10—14 mm, das Weibchen von 9 — 19 mm. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Männchen und Weibchen geben aber die Maxillarpalpen ab. Ich will daher im folgen- den die Mundgiiedmaßen einer genaueren morphologischen und histo- logischen Beschreibung unterziehen. Die Antennen des Hylecoetus dermestoides. Die Antenne ist im männlichen und weiblichen Geschlecht gleich ausgebildet (Textfig. 1). Sie ist von fadenförmiger Gestalt, auf einer Seite stark gesägt, baut sich aus elf Gliedern auf und hat eine durch- schnittliche Länge von 2 mm. Am Kopfe inseriert der Fühler so, daß die gesägte Seite nach unten getragen würd. Die einzelnen Glieder Friedrich Germer, variieren sehr in der Größe; gewöhnlich ist das dritte und elfte am längsten. Der Querschnitt der Glieder ist rundlich bis oval. Während die ersten beiden Glieder allseitig eine sehr große Anzahl starrer Borsten tragen, die wohl als Schutzorgane zu deuten sind, sind die übrigen Glieder fast nur auf der ungesagten Seite, die im Leben nach oben ge- tragen wird, mit derartigen Borsten besetzt (Taf. XXX, Fig. 1 seh). Verstreut finden sie sich natürlich auch sonst auf den einzelnen GHedern. Auch hier würde ihnen besonders eine Schutzfunktion zuzusprechen, sein, da sie die gleich zu erwähnenden schwächeren Haare vor der Berührung mit fremden Gegenständen bewahren. Außer diesen starken Borsten trägt vor allem die distale Seite eines jeden Gliedes kleine kegelähnliche blasse Haare (Taf. XXX, Fig, 1 sk). Je mehr man sich der Spitze des Fühlers nähert, um so zahlreicher werden diese blassen Kegel. Unter ihnen stehen dann noch größere haarartige Borsten (Taf. XXX, Fig. 1 sh). Im Gegensatz zu den blassen Kegeln ist das Chitin der größeren Haare und Borsten gelb bis braun. Diese verschiedenen Formen der Haare zeigen bei fast jeder Färbung an ihrer Basis einen dunklen Ring (Taf. XXX, Fig. 1 r) ; an dieser Stelle ist offenbar das Chi- tin weicher, nimmt also den Farbstoff leichter ^Tl Tisf ^tku'^vT.)'^ auf und stellt somit eine Art falsches Gelenk vor, mit Hilfe dessen sich das Haar bewegen kann. Ebenso ist das Chitin immer an der Stelle, wo ein Glied dem anderen aufsitzt, weicher und dadurch biegsamer (Taf. XXX, Fig. 1 eil). Die in dem Fühler vorhandenen Muskeln bewegen ihn in jeder Richtung In die Antenne treten neben einem großen Tracheenstamm (Taf. XXX, Fig. 1 tr) starke Nerven ein. Den Hauptstamm (Taf. XXX, Fig. 1 n) sieht man von der Basis bis zur Spitze der Antenne durch alle Glieder deutlich hindurchgehen. In jedem einzelnen Glied gibt er nach allen Seiten verschieden starke Äste ab, die sich auffasern und an die Ganglienzellen herantreten. Von dem Kern der nicht immer deutlich umgrenzten Ganglienzelle sieht man distal die Neurofibrille bis in die Spitze der Sinneshaare gehen. Außer den großen starren Textfig. 1. Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexj^loniden, usw. 689 Schutzborsten werden alle Sinneshaare und Kegel innerviert. Die Neurofibrille tritt durch den Porenkanal, dem das Sinnesorgan aufsitzt, ein und verläuft in spiraligen Windungen bis zur Spitze (Taf. XXX, Fig. 1 nf). Ich werde später noch näher auf den Verlauf der Nervenfasern eingehen. Die Maxillarpalpen. Die Maxillarpalpen des Hylecoetus zeigen im männlichen und weiblichen Geschlecht einen durchaus verschiedenen Aufbau. Während das Weibchen einen einfach gebauten Kiefertaster besitzt, ist er beim Männchen höchst kompliziert. Ich will zuerst eine Beschreibung des weiblichen Tasters geben (Textfig. 2). Dieser setzt sich aus vier Gliedern zusammen, von denen das letzte am größten ist. Die durchschnittliche Länge beträgt 0,75 mm. Die ersten drei Glieder sind mit großen Borsten dicht besetzt. Dagegen trägt das vierte Glied am distalen Ende wieder eine große Menge kleiner blasser Kegel, die von Nerven versorgt werden (Text- fig. 2 sTc). In schroffem Gegensatz zum weiblichen Taster steht der männliche. Die erste ausführliche Beschreibung von ihm findet sich meines Wissens in der »vollständigen Naturgeschichte der schädlichen Forstinsekten« von Textfig 2 Beckstein- ScHARFENBURG (2). Man liest dort S. 224 rühier von uyie^ unter Lymexylon proboscideum das Folgende : '^^^^^^ ^^™- f^ »Die zwei Freßspitzen sind schwarz, mit einer federbuschartigen und also recht sonderbar gestalteten, großen, an der Wurzel durchblätterten und an der Spitze gekräuselten Kolbe oder Ansatz versehen. Dieser Federbusch, womit das äußerste Glied der Freßspitze gezieret ist, ähnelt dem Federbusch der Federbuschpolypen. Er gibt dem Kopf das Ansehen, als wenn er einen starken Schnurrbart hätte. « Die Autoren scheinen sich aber noch nicht recht klar über das Tier zu sein, denn sie führen in Parenthese an : »Dies Insekt, an dem Linne Ähnlichkeit fand mit dem Carabus buprestoides, soll nach Professor Hellwig und einer Rezension in der allgemeinen Literaturzeitung das Männchen von dem oben beschriebenen Cantharis (Lymexylon) dermestoides sein. « Ratzeburg (52) beschreibt in seinen »Forstinsekten« I, S. 36 die Maxillarpalpen folgendermaßen : 690 Friedlich Germer, »Taster viergliedrig, beim Weibchen das letzte Glied abgestutzt, beim Männchen außerordentlich groß und vorragend: das letzte Glied außerordentlich groß, doppelt gekämmt, mit einem abgesonderten, lang vorragenden Kammzahne.« Sturm (65) gibt in seiner »Fauna Deutschlands« neben einer kur- zen Beschreibung auch ein paar Abbildungen, die aber den Tatsachen nicht entsprechen. So bietet die Figur von der männlichen Palpe ein absolut falsches Bild. Nach Sturm ist der Kinnladentaster dreigliedrig; das erste und zweite Glied kurz und kleiner als das dritte linsenförmige, welches innen noch mit einem einfachen, blättchenförmigen Anhängsel, außen aber mit einem Bü- schel quastenartig zusam- menhängender, schmaler, länglicher Blättchen be- setzt ist. In seiner Total- zeichnung vom Kopfe läßt er die Maxillarpalpen so getragen werden, daß die Öffnungen des dritten linsenförmigen Gliedes ein- ander zugekehrt sind. Westwood (69) er- wähnt als Charakteristi- kum der Lymexyloniden die Maxillarpalpen der Männchen, die mit sehr bemerkenswerten Anhän- gen ausgestattet seien. Die funktionelle Bedeu- tung derselben kenne man noch nicht. Die PFEiLsche (45) Ar- beit : » Bemerkungen über die Gattung Hylecoetus « enthält nur das, daß sich Männchen und Weibchen durch die abweichende Form der Kiefer- taster voneinander unterscheiden, die bei dem Männchen derart ge- staltet sind, daß an das zweite Glied ein aus 20 Gabeln zusammen- gesetzter quastenförmiger Büschel angefügt ist. Die beigegebene Zeichnuns; ist ziemlich ungenau. Textfig. 3. Taster von Hylecoetus denn. 5- HT. (-/3-) Untersuchungen üb. den Bau u. d, Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 691 Strohmeyer (64) endlich erwähnt in seiner Arbeit von den Maxillar- palpen nichts. Ich möchte nunmehr selbst zu der Beschreibung des männlichen Kiefertasters übergehen. Die Maxillarpalpe des männlichen Käfers besteht ebenfalls aus vier Gliedern (Textfig. 3, Tafel XXXI, Fig. 6 a, 66). Die ersten drei haben eine mehr oder weniger schüsseiförmige Gestalt, besonders das zweite und dritte. Das dritte Glied inseriert direkt in der Höhlung des zweiten. Das vierte Glied ist von kolbenförmiger Gestalt und entspringt an einem aus- gußartigen Vorsprung auf der Innen- seite des dritten (Textfig. 4). Alle vier Glieder sind reich beborstet. Das zweite Glied trägt einen merk- würdigen Ansatz. Dieser besteht aus zwei Stämmen, die in einem Winkel von ungefähr 110° gegen ein- ander geneigt sind. Sie verschmel- zen beide an ihrer Basis zu einem kurzen Hauptstamm, der dem zwei- ten Palpenglied aufsitzt. An den beiden Stämmen sitzen nun wieder im ganzen 20 Paare von Seitenästen, die biserial angeordnet sind. Diese tragen ihrerseits sehr zahlreiche Sinneshaare, die alle nach der Innen- seite der Palpe gerichtet sind. Auf der Außenseite der Seitenäste stehen ^""^^ und viertes Glied des d Tasters von Hylecoetus derni. von vorn. IV. 2. 152. (Vs-) Schutzborsten. Das erste und zweite GHed der Maxillarpalpe tragen mehrere sehr große, starre Borsten, ebenso das dritte. Das vierte, kolbenförmige Glied ist mit einer Menge kleiner Haare und Borsten besetzt. In die Maxillarpalpe tritt wieder ein starker Nerv ein, der auch durch den oberen Teil des dritten Gliedes in das vierte hinein verläuft. Im zweiten Glied macht er einen Knick und geht ungefähr im rechten Winkel in den baumförmigen Ansatz hinein. Der Hauptstamm des Nerven läuft in dem Hauptstamm des Ansatzes entlang und gibt in alle Seitenäste Abzweigungen ab. Wenn man einen Längsschnitt durch einen solchen Seitenast anfertigt, erhält man ungefähr das Bild, das in der etwas schematisierten Fig. 2 auf Taf . XXX wiedergegeben ist. In der Mitte verläuft der Nerv (n), der nach den Sinneshaaren (sh) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 45 Textfig. 4. 692 Friedrich Germer, Äste abgibt. Man sieht meistens sehr deutlich den Kern {gk) der Gang- lienzelle, die oft verschwommen ist. Von dem Kern der Ganglienzelle sieht man wieder deutlich die Neurofibrille {nf) in das Sinneshaar ein- treten und in spiraligen Windungen bis zur Spitze verlaufen. Ein ähn- liches Bild erhält man auf einem Querschnitt durch einen Seitenast der Palpe (Taf. XXX, Fig. 3). Vergrößert man ein Sinneshaar der Palpe etwa 1200fach, so bekommt man ein Bild, das in Textfig. 5 wieder- seseben ist. Das Haar zeigt auf seiner Innenfläche eine Unzahl gruben- artiger Eindrücke, die nicht ganz bis zur Außenwand reichen. Offenbar wird dadurch die Geruchsperzeption bedeutend erleichtert. Besonderes Interesse verdient noch das dritte stark schiisselförmige Glied der Maxillarpalpe, Zunächst ist das Chitin der Innenwand der Schüssel weicher als das der Außenwand, was man durch den ungleichen Erfolg beim Färben erkennen kann. Wenn man einen Querschnitt durch die Schüssel herstellt, herstellt, erhält man das Bild, das in Fig. 4 auf Taf. XXX wieder- gegeben ist. Der Schnitt in dieser Figur hat die Läugsschnitt durch ein '- "- _ _ '^ _ _ Sinneshaar vom männlichen Schüsscl etwas Seitlich getroffen, SO daß hier die Taster des Hyiecoetus derm. g^hüssel weniücr stark gewölbt erscheint als in V. Vi2 Ol-Immers. (2/3.) i " Wirklichkeit. Man sieht, wie von der Außenwand zur Innenwand große, quergestreifte Muskelbündel verlaufen, die an das Chitin strahlenartig angreifen. Sie dienen augenscheinlich dazu, die Wölbung der Schüssel zu vergrößern oder zu verkleinern. In den Mus- keln sieht man lange Kerne. Um die Muskeln herum liegt eine deut- liche Scheide mit zahlreichen Kernen. Ferner finden sich in der Schüs- sel mehrfach Tracheenverzweigungen, die die Muskeln umspinnen. Die Wandung der Schüssel zeigt eine polyedrische Felderung (Textfig. 6). Welchen Zweck die Schüssel eigentlich hat, ist mir nicht recht klar geworden. Bei solchen Tieren, die eben frisch geschlüpft sind, oder bei Puppen, die noch in einer häutigen Hülle stecken, sieht man, wie der Ansatz des zweiten Gliedes gewissermaßen in die Schüssel ein- geschlagen wird und also geschützt werden könnte. Ich habe aber bei ausgewachsenen Käfern nie beobachten können, ob hier die Funk- tion der Schüssel die gleiche ist. Die ganze Palpe ist am Kopf des Insektes so inseriert, daß sie ge- wissermaßen vor dem Tier hergetragen wird. Dabei ist der größere Stamm nach unten gerichtet, das schüsseiförmige dritte und kolben- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 693 artige vierte Glied nach oben. Beim Laufen und Fliegen werden die Aste des Ansatzes gespreizt getragen, so daß die Luft hindurchstreichen kann. Nach der hier gegebenen Darstellung handelt es sich offenbar um ein hochentwickeltes Sinnesorgan der männlichen Tiere. An der Hand der histologischen Befunde läßt sich nur schwer eine Deutung des Organs geben. Die Literatur über diesen Gegenstand ist sehr um- fangreich. Ich möchte mit ein paar Worten auf die hierher gehörenden Arbei- ten eingehen. Seit alten Zeiten haben sich die Forscher mit der Frage nach dem Vorhandensein von Sinnesorganen auf den Antennen imd Maxillarpalpen im speziellen, wie auf den Mundwerkzeugen im allgemeinen beschäftigt. Konnte man doch bei vielen Insekten ohne weiteres beobachten, daß sie ihre Fühler und Taster bewegten und offenbar irgendwelche Eindrücke wahr- nahmen, durch die sie wieder zu den ver- schiedensten Reaktionen veranlaßt wurden. Man war sich lange nicht darüber klar, welches Organ man dort suchen sollte. So Textfig. 6. kam es, daß fast jeder Forscher seine eigene struktur des cMtins am dritten . Palpenglied von Hylecoetus derni. Ansicht von der J^unktion der Antennen ^. iv. e. 152. (*/5.) und Palpen hatte. Diese Vermutungen und Spekulationen bekamen erst einen realen Hintergrund, als man das Experiment zu Hilfe nahm. Daß die Anordnung der Versuche, ins- besondere die der Lebensbedingungen, unter denen die betreffenden Objekte die Experimente über sich ergehen lassen mußten, nicht gerade immer den natürlichen Verhältnissen entsprach, und daß daher die Versuche zu keinem positiven Resultate führten, mag nicht un- erwähnt bleiben. Über die große Zahl der Arbeiten, die über dieses Thema bis zum Jahre 1880 erschienen sind, hat Kraepelin (27) eine ganz vorzügliche kritische Studie veröffentlicht, in der er unsere Kenntnis über die Ge- ruchsorgane der Gliedertiere bis zu diesem Jahre zusammenstellt. Er zeigt uns, daß die älteren Autoren mit fast naiven Analogieschlüssen auf den Gedanken kamen, »daß ein paariges Organ zu beiden Seiten des Kopfes, wie es die Fühler darstellen, notwendigerweise ein Gehör- organ oder eine völlig paarig gewordene Nase sein müsse.« Andre Autoren, wie z. B. Joseph, verlegten den Sitz des Geruchsorganes an 45* 694 Friedrich Germer, die Eingänge der Tracheen, die Stigmata. Danach müßte Nefa das Geruchsorgan am After haben. Die Sinnes Werkzeuge treten in ver- schiedenen Formen auf. Keaepelin unterscheidet mit Hausee fol- gende Formen: 1. Blasse, zapfenförmige Chitinhaare auf der Oberfläche der Füh- ler, die an der Spitze wahrscheinlich durchbohrt sind. 2. In grubenartigen Vertiefungen der Fühler stehende Nerven- stäbchen (ohne Chitinumhüllung), welche direkt mit einer darunter befindlichen Ganglienzelle in Verbindung stehen. Diese Gruben sind entweder einfache, d. h. mit nur einem Riechstäbchen ausgestattete, oder zusammengesetzte. Diese Gruben sind teils offen, teils geschlossen mit einer dünnen Membran überspannt, unter deren Wölbung das Riech- stäbchen endigt. 3. Kurze, dicke, nur wenig in die Oberfläche des Fühlers einge- senkte und über dieselbe sich erhebende, an der Spitze durchbohrte Chitinkegel, in deren Basis von innen her ein sehr eigentümlicher, mit zierlichen Stäbchenkränzchen versehener und einer Riesenganglienzelle aufsitzender Nervenstift frei hineinragt, jederseits von einer »Geißel- zelle« flankiert. 4. Rundliche oder spaltenförmige, von einer durchlöcherten Chitin- membran überdeckte Gruben mit ganz ähnlichen Nervenstiften, wie die unter 3. erwähnten, aber an Stelle der Geißelzellen mit einer »mem- branbildenden«, sich vorn verbreiternden Zelle. Keaepelin kann die von Hauser beobachteten Organe nicht in allen Fällen • bestätigen, besonders nicht in histologischer Hinsicht. Er glaubt, daß Hausees Präparate oft geschrumpft gewesen sind. Keaepelin führt die große »im Obigen sldzzierte Mannigfaltigkeit der Fühlergebilde auf einen einzigen, allen gemeinsamen Grundtypus, auf ein mehr oder minder entwickeltes, frei oder vertieft stehendes Haargebilde zurück, welches vermittelst eines weiten Porenkanals mit einer vielkernigen Ganolienzelle in Verbinduns; steht. Letztere sendet nur einen verhältnismäßig zarten Nervenfaden (Achsenstrang) durch den Porenkanal in das Haar, derselbe wird aber von Epithel- zellen umschlossen, welche den Porenkanal auskleiden«. Wie nun eigentlich mit den verschiedenen Modifikationen des Sinneshaares ein Geruch perzipiert wird, darüber sind die Forscher durchaus nicht einer Meinung. So sagt Keaepelin S. 26 seiner Studie : »Zur Perzeption von Geruchseindrücken gehört zunächst und vor allem ein Nervenendapparat von der Beschaffenheit, daß die zu riechende Substanz direkt mit demselben in Berührung kommt. Es kann sich Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lyiuexyloniden, usw. 695 daher nur um Gebilde aus nervöser Substanz handeln, welche entweder von einem Chitinrohr umschlossen sind und nur an der durchbohrten Spitze desselben mit der Umgebung in Verbindung stehen oder aber als freie Fäserchen zutage treten. Für Lufttiere ist als weitere Vorbe- dingung zum Riechen eine oberflächliche Lage des perzipierenden Apparates, bzw. wo diese Bedingung nicht erfüllt wird, eine Vorrich- tung erforderlich, welche in genügender Weise für Bewegung der Luft sorgt und so das Hinzutreten eines sich geltend machenden Riech- stoffes zum Nerven garantiert.« In ähnlicher Weise, wie Kraepelin über die vor 1880 erschienenen Arbeiten berichtet, referiert Röhler (56) über die bis 1905 veröffent- lichten Untersuchungen. Besonders hervorheben möchte ich nur die Arbeiten von vom Rath (50, 51), der seine Objekte mit der Methylen- blau- und Chromsilbermethode behandelte. In einzelnen Fällen, so besonders bei Ästacus fluviatilis und Niphargus puteanus, bietet er geradezu glänzende Bilder von den in die Sinneshaare eintretenden Nervensträngen. Zuweilen kann er die schwarz imprägnierte Fibrille bis in die Spitze der Haare verfolgen. Während nun Retzius (Biolog. Untersuchungen, Neue Folge I, Stockholm 1890; IV, 1892) bei Anwendung der Methylenblaufärbung fand, daß sich z. B. in der Haut von Palaemon kurz nach der Häutung die Nervenfasern in geradezu staunenswerter Menge verzweigten, konstatierte vom Rath gerade das Gegenteil. Ferner beobachtete Retzius, daß die Nerven sich nach den zahlreichen Randborsten hinzogen. »Dort blieben sie aber nicht an der Basis der Borsten, sondern drangen in die Anhänge hinein und durchzogen unter reichlicher Verzweigung die weiche Substanz derselben bis an das Ende dieser Substanz.« In dieser Weise sei jeder Anhang von feinen Nervenf äserchen durchsponnen. Vom Rath hat mit der Methylenblaufärbung und der Chromsilber- methode übereinstimmende Resultate erhalten und zwar bei Krustern, Insekten und Myriapoden. Er formuliert das Ergebnis seiner Unter- suchungen wie folgt: »Jede Sinneszelle schickt einen kürzeren distalen Fortsatz in das Sinneshaar und einen längeren proximalen Fortsatz nach dem Central- organ, welch letzterer aber keineswegs mit einer Ganglienzelle des Centralorsans in direkter Verbindung tritt, er läuft vielmehr frei aus mit Bildung einer meist feinen End Verzweigung. In den Verlauf jeder Faser ist daher immer nur eine Zelle (Sinneszelle) eingeschaltet, und nicht, wie bisher angenommen wurde, eine centrale GangHenzelle und eine periphere Sinneszelle.« 696 Friedrich Germer, EöHLEE beschäftigt sich nach seinem Literaturreferat im speziellen Teile seiner Arbeit mit den Sinnesorganen von Tryxalis nasuta L, und Musca vomitoria. Seine Resultate interessieren uns aber hier weniger, so daß ich mich mit der Erwähnung der Arbeit begnügen kann. Von den mannigfachen bekannten Formen der Sinnesorgane finden wir bei Hylecoetus nur die kegel- und haarförmigen ausgebildet. Es be- steht also zwischen den beiden Geschlechtern, soviel sich aus den Prä- paraten entnehmen läßt, bezüglich der einzelnen Sinnesorgane nur ein quantitativer Unterschied. Nach aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um ein chemisches Sinnesorgan, das zur Aufnahme von mit der Luft herbeigeführten Riechstoffen bestimmt ist. Mit dem Geruchsorgan der Wirbeltiere kann es natürlich nicht ohne weiteres verglichen werden; Die Biologie der Imago. Hylecoetus dermestoides hat schon des öfteren das Interesse der Biologen, insbesondere das der Forstleute erregt. Die einzelnen For- scher sind aber zu recht verschiedenen Ergebnissen gelangt. Ich möchte daher in kurzen Zügen die betreffenden Arbeiten charakterisieren. Nach Ratzebueg (52), »Forstinsekten« I, S. 37, ist die Flugzeit im Frühling gleich nach dem Ausschlagen der Buchen. Zu dieser Zeit fand Ratzeburg sie in verschiedenen Jahren um das Buchenlaub schwärmend und sich begattend. »Herr Warnkönig sah sie auch an Fichten sowie an geschlagenem Bauholze fliegen« und vermutet, daß sie auch aus ganz frischen Tannenstöcken schlüpfen. Westwood (69) erwähnt in seiner »introduction to the modern Classification of insects« unter der Familie der Lymexyloniden , die er als »serricorn« bezeichnet, auch die Gattung Hylecoetus, die lange Zeit als eine »britische Species« gegolten hätte. Die biologischen Momente, die er von der Imago anführt, sind ziemlich spärlich. Ein Gewährs- mann von Westwood, M. T. Desvignes, sah sie rund um alte Birken fliegen, auf die sie sich niederließen und auf deren Rinde sie dann schnell auf- und abliefen. Sturm (65) erwähnt in seiner Fauna Deutschlands von der Bio- logie der Imago nichts. Pfeil (45) bringt auch nichts sonderlich Neues an biologischen Momenten. Die entwickelten Käfer fliegen Mitte bis Ende Mai und be- gatten sich außerhalb der bewohnten Stubben. Die Weibchen legen die Eier entweder in die Spalten der Rinde noch ziemlich frischer Stubben Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 697 oder in die schon vorhandenen älteren Bohrlöcher von Hylecoetus und vielleicht auch in die Bohrlöcher mehrerer Bostrichus- Arten. Alle die erwähnten Angaben, die in vielen wesentlichen Punkten auseinandergehen, veranlassten mich, die Biologie dieses interessanten Käfers genau nachzuprüfen, um eventuell noch mehr aufzuklären. Ich gebe daher im folgenden das Resultat meiner Beobachtungen wieder, die ich während der letzten drei Jahre anstellte. Wie ich schon am Anfang meiner Arbeit erwähnte, fand ich Hyle- coetus dermestoides in größerer Menge in einem alten Eichenstumpf im Altenburger Kammerforst. Der Stumpf stand in einem Graben von ungefähr 1 ^ /4 m Tiefe und war in Höhe des Grabenrandes abgeschlagen Die eine Seite des Stammes nach der Grabenmitte zu war über und über mit Bohrlöchern bedeckt. Wie ich von dem entomologischen Verein »Fauna« in Leipzig erfuhr, war dies das erstemal, daß Hyle- coetus dermestoides in der weiteren Umgebung Leipzigs in größerer Menge angetroffen wurde. Die Imagines lagen zwischen Kernholz und Rinde mit dem Kopf der Öffnung zu. Man konnte die Käfer leicht herausnehmen. Manche zogen sich allerdings auch beim Abiösen der Rinde in das Innere des Ganges zurück. Im nächsten Jahre waren die Käfer in diesem Stumpfe nicht mehr anzutreffen. Offenbar hatten die wenigen zurückgebliebenen Exem- plare infolge der Entfernung der Rinde den Winter nicht überdauern können. Außerdem fand ich, daß in der Zwischenzeit Ameisen den Stumpf zu ihrem Wohnsitze erkoren hatten, und ich habe später stets beobachtet, daß i\.meisen und Hylecoetus nebeneinander nicht vor- kommen. Ich fand dann im Sommer 1910 im Harz den Käfer wieder und zwar ebenfalls in größerer Zahl. Obwohl ich nun hier mit dem Ablösen der Rinde sehr vorsichtig zu Werke ging und bei weitem nicht alle Käfer herausnahm, fand ich doch im nächsten Frühjahr auf dem ganzen Buchenschlag nur zwei Imagines und mehrere ausgewachsene Larven. In einiger Entfernung hiervon lag ein zweiter Buchenschlag, der sich wieder infiziert zeigte. Hier hatte ich Gelegenheit, meine Be- obachtungen zu wiederholen. Sobald der Käfer sich also aus der Puppenhülle befreit hat, liegt er je nach der Wetterlage noch einige Tage im Gange entweder nahe bei der Öffnung oder weiter nach dem Innern zu. Bei schönem, war- mem Wetter kriecht er hervor und fliegt sofort davon. Man trifft beide Geschlechter fliegend an, die Männchen jedoch häufiger als die Weibchen, die meist auf Stämmen und Stümpfen in der Nähe herumlaufen. Die Männchen fliegen in schräg aufgerichteter (598 Friedrich Germer, Stellung mit emporgehobenem Kopf und weit auseinandergespreizten Maxillarpalpen umher. Die Palpen wirken offenbar wie eine Reuse, durch die die Luft hindurchstreicht. Wenn man die Männchen auf Stämmen umherlaufend antrifft, so sieht man ganz deutlich, wie sich die Palpen ausbreiten, ständig in zitternder Bewegung sind und richtig vor dem Kopf hergetragen werden. Man kann leicht auf die Vermu- tung kommen, daß die Männchen die Weibchen suchen. Wenn die beiden Geschlechter einander getroffen haben, versucht das Männchen den Rücken des Weibchens zu besteigen und gibt sich große Mühe, seinen Penis in die Vagina des Weibchens einzuführen. Das Weibchen krümmt hierbei seine weit vorgestreckte Legescheide nach oben. Allzu schnell gelingt ihnen aber die Copulation nicht, im Gegenteil, beide Tiere strengen sich oft sehr lange vergeblich an. Sehr oft verliert das Männchen den Halt auf dem Rücken des Weibchens und fällt herunter, oft läuft auch das Weibchen kurzerhand davon und legt seine Eier ab, ohne daß sie befruchtet sind. Als besonders wichtig möchte ich noch erwähnen, daß ich niemals eine Nahrungsaufnahme beobachten konnte. Im Darm fand ich nie etwas anderes, als eine klare, durchsichtige Flüssigkeit, die auch unter dem Mikroskop keine weitere Differenzierung erkennen ließ. Die durchschnittliche Lebensdauer der Imago schwankt zwischen 2—4 Tagen nach dem Verlassen des Fraßganges. Dabei sind die Männchen im allgemeinen kurzlebiger als die Weibchen, die ja nach der Copula noch das Geschäft der Eiablage zu erledigen haben. Experimentelle Biologie der Imago. Da die männlichen und weiblichen Käfer hinsichtlich ihrer Palpen- ausbildung in morphologischer wie histologischer Beziehung so große Unterschiede aufweisen, war es für mich naheliegend, die Funktion der Maxillartaster durch das Experiment festzustellen. Wie schon erwähnt wurde, sieht man die männlichen Käfer be- sonders lebhaft umherlaufen. Dabei werden die Maxillarpalpen vor dem Kopfe hergetragen; sie sind in ständiger vibrierender Bewegung. Ich brachte eine gleiche Anzahl Männchen und Weibchen, von beiden zwei oder drei Exemplare, in einen größeren mit Gaze bespannten Kasten von ungefähr i [^ qm Bodenfläche und ^/ ^ m Höhe. Die Tiere befanden sich dabei in vollem Tageslicht, so daß ich sie ungestört be- obachten konnte. Waren die Tiere völlig intakt, so benahmen sie sich genau so lebhaft wie in der freien Natur. Den Männchen gelang es früher oder später, sich auf dem Rücken der Weibchen festzuhalten Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 699 und zu copulieren. Die Zeitdauer der Copulation betrug zuweilen 10 — 15 Minuten. Darauf liefen die Weibchen emsig umher, um einen geeigneten Platz zur Eiablage aufzufinden. Hatte ich vorher mehrere Rindenstücke in den Beobachtungskasten hineingelegt, so wurden diese bei der Eiablage bevorzugt. Brachte ich normale Tiere in einen verdunkelten Raum, so saßen sie bald vollkommen ruhig da, um ihr emsiges Umherlaufen wieder aufzunehmen, sobald sie das Tageslicht von neuem traf. Ich schnitt nun einigen Männchen die Fühler ab, natürlich unter möglichster Vorsicht. Hatten sich die Tiere von dem etwas rohen Ein- griff erholt, was bei den einzelnen Exemplaren verschieden lange — zwischen 1/2 und 1 Stunde — dauerte, so nahmen sie ihr Umherlaufen wieder auf, allerdings nicht mit der alten Lebhaftigkeit und Ausdauer. In mehreren Fällen gelang es mir auch hier, eine Copulation zu be- obachten. Schnitt ich dagegen den Männchen statt der Antennen die Maxillar- palpen ab, so konnte ich nie beobachten, daß sie lebhaft umherliefen oder gar copulierten. Im Gegenteil! In der Mehrzahl der Fälle wirkte der operative Eingriff so rasch, daß die Tiere nach wenigen Minuten auf dem Rücken lagen und starben. Dabei war es gleichgültig, ob die Fühler intakt waren oder nicht. Schon Hauser (1880) gibt in seiner Arbeit an (S. 4 ff.), daß die Exstirpation der Antennen von verschiedenen Insekten in verschiedener Weise ertragen wird. Manche können nach der Operation noch monate- lang leben, andere gehen nach wenigen Tagen zugrunde. Um daher keine falschen Resultate zu erhalten, muß man die operierten Tiere mehrere Tage ruhen lassen. So konnte Hauser von 20 operierten Pyrrhocoris afterus 15 Tiere über 4 Wochen lang völlig munter erhalten. Da bei unserem Hylecoetus die Lebensaufgabe der Imago nur in der Copulation besteht, so ist dementsprechend die Lebensdauer selbst sehr kurz, sie beträgt meist nur wenige Tage. Es war also von vorn- herein zu erwarten, daß die Tiere sich von einem operativen Eingriff nicht so leicht erholen würden. Ich versuchte es daher, die Fühler bzw. die Kiefertaster mit heißem Paraffin zu bestreichen. Ich konnte dann konstatieren, daß die mit Paraffin überzogenen Organe ausgeschaltet wurden. Da ich nun aber in keinem Falle das Paraffin wieder ablösen konnte, ohne die betreffen- den Mundgliedmaßen erheblich zu verletzen, so vermochte ich nicht festzustellen, ob nach Entfernung des Paraffins die Organe ihre Funk- tion wieder aufnahmen. 700 Friedrich Germer, Ich versuchte es auf ähnliche Weise noch mit Emaillelack, den ich mit Terpentin wieder ablöste. Aber auch in diesem Falle erhielt ich keine genaue Reaktion. Schließlich probierte ich es mit einer konzentrierten Lösung von Mastix in 96%igem Alkohol. Bestrich ich mit Hilfe eines feinen Pinsels die Maxillarpalpen mit dieser Lösung, so verdunstete der Alkohol rasch, und die Palpen wurden mit. einer feinen Mastixschicht über- zogen. Außerdem klebten die einzelnen Blättchen der Palpe meist aneinander. Brachte ich die so vorbehandelten Männchen mit nor- malen Weibchen zusammen, so konnte ich keine Copulation beobach- ten, selbst wenn die Männchen in der Überzahl vorhanden waren, mithin der Fall des Begegnens beider Geschlechter leichter eintreten konnte. Die Männchen saßen vielmehr meistens ruhig da. Ich versuchte nun bei solchen Männchen nach Verlauf einiger Zeit zuweilen mehrerer Stunden, die Mastixschicht wieder abzulösen, und zwar dadurch, daß ich die Palpen mehrere Male mit reinem 96%igen Alkohol bestrich. Es gelang mir auch meistens, die Mastixschicht abzulösen. Die Tiere saßen dann einige Zeit ruhig da, wurden allmählich lebhafter und liefen schließlich mit gespreizten Palpen umher. In mehreren Fällen konnte ich auch bei derartig behandelten Tieren eine Copulation beobachten. Die Maxillarpalpen hatten also offenbar ihre Funktion wieder übernommen. Ich bestrich nun auch die Antennen und ließ die Palpen frei. Hier trat eine ganz schwache Reaktion ein, indem die Tiere sich etwas weniger lebhaft gebärdeten als sonst. Bestrich ich sowohl Palpen als auch Antennen, so versagten die Tiere vollkommen. Schließlich brachte ich noch in den Beobachtungskasten mehrere Gläschen mit einer Zuckerlösung oder Syrup. Oder ich bestrich das Holz mit diesen Lösungen oder hing damit getränkte Fließpapier- streifen auf. In keinem Falle konnte ich eine Reaktion beobachten. Die Tiere liefen über die Lösungen hinweg, ohne sich darum zu küm- mern. Nie fand eine freiwillige Nahrungsaufnahme statt. Wenn ich die Mundgliedmaßen mit einem Tropfen Syrup bestrich, wurde der Tropfen zwar allmählich aufgenommen, aber die Tiere gingen dann sehr bald ein und der Darm zeigte sich sonderbar aufgetrieben. Aus meinen biologischen Experimenten, die ich im Verlaufe dreier Jahre anstellte, geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, daß die Maxillar- palpen für die männlichen Käfer von größter Wichtigkeit sind. Wie z. B. bei einzelnen Schmetterlingen die männlichen Tiere Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 701 durch den Besitz großer, gekämmter oder büschelförmiger Fühler ausgezeichnet sind, so sind die Männchen des Hylecoetus dermestoides mit den seltsam modifizierten Kiefertastern ausgestattet worden. Diese stellen also einen sekundären Geschlechtscharakter dar. Sie besitzen für das Geschlechtsleben der Tiere auch eine außerordentliche Wich- tigkeit. Um es noch einmal kurz zu wiederholen: schaltet man die Kiefertaster aus, so sind — man kann es wohl mit größter Bestimmtheit erklären — die Tiere nicht in der Lage, die Weibchen aufzusuchen und die Copula auszuführen. Die Antennen treten bei den männlichen Tieren weit an Bedeutung zurück. Die Weibchen mit ihren einfachen Antennen und Palpen sind keineswegs so empfindlich wie die Männ- chen. Da die Imagines scheinbar keine andre Aufgabe haben, als für die Fortpflanzung zu sorgen und überhaupt keine Nahrung aufnehmen, so kommt eine anderweitige Verwendung der Sinnesorgane gar nicht in Frage. Bau und Leben der Larve. Wenn die männlichen und weiblichen Käfer die Copula vollzogen haben, so läuft das Weibchen geschäftig umher und tastet mit seiner Legescheide die Rinde ab. Hierbei sind die beiden Cerci, die am Ende der Legeröhre inseriert sind, in ständiger Bewegung und leisten mit ihren Borsten dem Weibchen beim Untersuchen des Bodens oder der Rinde sicher gute Dienste. Die Eier werden entweder einzeln oder in kleineren und größeren Haufen abgelegt. Bei der Eiablage werden berindete Stellen bevorzugt, da sie den Eiern Schutz bieten. Nie habe ich gefunden, daß Eier in alte Fraßgänge abgelegt wurden. Unbefruch- tete Eier entwickelten sich niemals, sondern trockneten sehr bald ein. Als höchste Zahl von abgelegten Eiern eines Weibchens an einer Stelle wurden 126 Stück gezählt. Das Ei von Hylecoetus dermestoides hat eine längliche walzenför- mige Gestalt und ist von weißgelber Farbe. Die durchschnittliche Länge der Eier beträgt 1,5 mm, die Breite 0,31 mm. Die abgelegten Eier haften meistens infolge eines sie überziehenden klebrigen Sekretes zu mehreren aneinander. Sie entwickeln sich im Verlaufe von 10 bis 14 Tagen. Schon nach dem 2. — 3. Tage kann man an den Eiern sogar makroskopisch die Anlage der Segmente sehen, nach dem 5. — 7. Tage sieht man bereits die starken, dunkelchitinigen Mandibeln und auf jeder Kopfseite fünf schwarze Ocellen durchscheinen. In dieser Zeit sehen die Eier auffallend größer aus als in den ersten Tagen. Man kann dann eine Länge bis zu 1,5 mm beobachten. Bei oberflächlichem 702 Friedrich Germer, Betrachten dieser Eier übersieht man, wie weit die Entwicklung schon fortgeschritten ist. Es mögen sich hieraus die Maßangaben erklären, die von den meinigen verschieden sind. In Fig. 8 auf Taf. XXXI kann man an mehreren der Eier deutlich den weißen Streifen auf dem Kücken erkennen, welcher der Anlage des Embryo entspricht. Die Auf- nahme wurde direkt nach der Natur bei ungefähr zehnfacher Ver- größerung vorgenommen. Im Zimmer schlüpfen die jungen Larven bereits nach 8 — 10 Tagen aus; im Freien dauert es zuweilen bis zu 14 Tagen. Die junge Larve (Taf. XXX, Fig. 5) setzt sich aus zwölf Segmenten zusammen. Der Kopf ist auffallend klein und stark chitinig. Vor allem fallen die großen Mandibeln auf. Die Maxille der Larve hat eine scheibenförmige Gestalt und trägt an ihrer Außenseite eine dreigliedrige Palpe. Die einzelnen Glieder nehmen nach der Spitze zu an Größe ab. Ver- einzelt stehen auf den Gliedern größere Borsten, und nur das dritte Glied trägt an der Spitze ein ganzes Feld feiner blasser Sinneskegel (Textfig. 7). Das erste Thorakalsegment ist kapuzen- förmig aufgetrieben, so daß der Kopf durch die stark ausgebildete Muskulatur förmlich in dasselbe zurückgezogen werden kann. Die drei Beinpaare sind wenig beborstet und unter den ersten drei Thorakalsegmenten inseriert. Das erste dieser Segmente ist auf dem oberen Rande mit starken Chitin- höckern und Zähnchen besetzt, genau wie auch die übrigen Segmente auf der dorsalen Seite schwächere Chitin- zähne und Borsten aufweisen. Das letzte Segment ist scheibenförmig abgestutzt und am Rande von einer Chitinmauer umgeben, die Ähn- lichkeit mit den Zinnen eines Turmes hat. Ferner sind auf der Scheibe ungefähr in der Mitte jederseits ein großer, starker Dorn und nach dem unteren Rande zu zwei weitere kleine Chitinhöcker, von denen zwei lange Borsten ausgehen, angebracht. Im übrigen trägt die Abdominalscheibe, wie ich sie nennen möchte, noch mehrere der- Textfig. 7. Maxille mit Taster der Larve von Hyle coetus denn. III. 2. 152. (2/3.) Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 703 artige lange Borsten, und ihr Chitin zeigt sich von vielen runden Poren durchsetzt. Dasselbe Segment zeigt auf der Bauchseite zwei Buckel, die ebenfalls Chitinzähnchen tragen. Zwischen ihnen liegt die Afteröffnung. Die Biologie der Larve hat natürlich schon lange das Interesse von Forstleuten und Entomologen erregt. Trotzdem sind die positiven Resultate sehr spärlich. Meist ergehen sich die betreffenden Autoren in Vermutungen. Ratzeburg (52) fand die Larven in faulendem und lebendem Holz. Als höchst auffallend bezeichnet er es, daß er schon in zwei Fällen die Larven in den Gängen von Bostrichus domesticus angetroffen habe, und so kommt er auf die Vermutung, die Larven des Hylecoe- tus benutzten diese Gänge bei ihrem Fräße und erweiterten sie nur, so wie sie wachsen und nicht mehr Platz darin finden. Sie gehen diesen Gängen überall nach, selbst bis in die Rinde hinein, so daß man leicht verführt werden kann, sie für die Larve des Bostrichus zu halten, da man sie immer mit dem Käfer von derselben Form zusammenfindet. Westwood (69) beschreibt mit ein paar Worten die Gestalt der Larve, bringt aber an biologischen Punkten nichts. Sturm (65) gibt in seiner »Fauna Deutschlands« ein paar Abbil- dungen und führt an, daß die Larve im Holze lebt, besonders in modern- den Tannen- und Eichenstöcken. Pfeils (45) Beobachtungen gehen dahin, daß die Larven kreuz und quer durch den Stamm ihre Gänge bohren. Diese haben ungefähr einen Durchmesser von 1/2 — 1^/4 Linie und eine Länge von 2 — 3 Zoll. Die Larven zerbohren das Holz mit den starken iind festen Mandibeln, die dem entwickelten Käfer völlig fehlen (!). Die lange hornige Spitze am letzten Körpersegment der Larve scheint nur die Bestimmung eines Nachschiebers zu haben. Die Entwicklung soll ein Jahr um- fassen. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte bringen über die Biologie von Hylecoetus dermestoides nichts Neues. Im Jahre 1878 findet sich in den »Annales de la societe entomo- logiques de France« S. 127 ein Referat über eine Arbeit von Mathieu (48), der annimmt, Hylecoetus dermestoides sei ein Feind der Borken- käfer und nähre sich von ihnen. Er führt auch Beweise für die angeb- liche Richtigkeit seiner Angaben an, deren Kritik sich aber hier er- übrigt. Auch die in den folgenden Jahren erschienenen Arbeiten weisen keine Fortschritte bezüglich der biologischen Kenntnisse auf. 704 Friedrich Germer, Erst im Jahre 1907 erscheint eine ausführlichere Arbeit von Ober- förster Strohmeyer (64) über die Lebensweise und SchädHchkeit von Hylecoetus dermestoides. Strohmeyer führt seine biologischen Be- obachtungen an, indem er das Leben der Larve im Holze und vor allem das Zustandekommen der Fraßfigur schildert. Er illustriert seine An- gaben durch einige Photographien, von denen ich besonders die einer Fraßfigur erwähnen möchte, da in der früheren Literatur darüber nichts zu finden ist. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Resultate der einzelnen Forscher sich in manchen Punkten sehr widersprechen. Ich stellte mir daher die Aufgabe, durch möglichst genaue Beobachtungen die Biologie der Larve nochmals eingehend zu untersuchen. Ich konnte schon bei dem bloßen Anblick eines Stumpfes mit Sicherheit sagen, ob in ihm Hylecoetus vorhanden war oder nicht. In den Fällen nämlich, wo ich Tiere antraf, waren die Hinde und die Wur- zeln, sowie der Boden am Fuße des Stumpfes mit feinem Bohrmehl mehr oder weniger dicht bestreut. Oft war es so reichlich vorhanden, daß man hätte glauben können, es rühre noch vom Sägen her, dazu war es aber viel zu fein und weiß. Das alte Sägemehl war meist durch den Regen und das lange Liegen zusammengebacken und von schmutzig gelbbrauner Farbe. Die Vermutung, daß man einen befallenen Stumpf vor sich habe, wurde auch bald bestätigt. Bei genauerem Hinsehen fand man in der Rinde sehr oft große Fluglöcher, oder man sah beim Ablösen der Rinde die Bohrlöcher im Kernholz. Aber auch ohne die Rinde abzulösen, konnte man sich von der Gegenwart des Käfers über- zeugen. Beobachtete man nämlich längere Zeit die Rinde aus nächster Nähe, so sah man von Zeit zu Zeit aus einem kleinen Loch die Schwanz- gabel der Larve hervorkommen, wie sie das Bohrmehl herausschaffte. Entblößte man den Stumpf von seiner Rinde, so fand man in großen Mengen die Bohrlöcher der Larven nebeneinander. Ich fand die Larven fast in allen Laubhölzern, am häufigsten aber in Buchen, Eichen und Birken; bisweilen habe ich sie auch in Fichten* angetroffen. Die junge Larve läuft geschäftig auf der Rinde umher und sucht nach einer geeigneten Stelle, wo sie sich einfressen kann. Sie ist ja auch nicht sogleich darauf angewiesen, sich selbst Nahrung zu schaffen, da der Darm völlig mit Dottermaterial angefüllt ist. Selbst nach 2 — 3 Tagen findet man den Darm noch voll von Dotterschollen. Die Larve frißt sich also dann in die Rinde ein, bis sie auf das Holz stößt. Fig. 7 auf Taf. XXXI gibt ein Bild von einem Stück Buchen- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 705 rinde wieder, auf dem mau deutlich eine Menge großer Bohrlöcher erkennt. Die Larve bohrt nun entweder in derselben Richtung weiter, wie bisher, oder sie frißt den Stamm auf der Fläche an, so daß man beim Ablösen der Rinde in den seitlich geöffneten Gang hineinsieht. Ich habe diese Fälle aber bei weitem seltener «efunden. Der Fraßoano- hat in den ersten Tagen und Wochen natürlich der Größe der Larve entsprechend nur ein sehr geringes Lumen. Mit ihrem fortschreitenden Wachstum aber erweitert die Larve auch ihren Gang. Bei der Bewe- gung im Gang benutzt die Larve das kapuzenförmig aufgetriebene erste Segment. Strohmeyer (64) beschreibt das Kriechen folgender- maßen : »Durch Vorstrecken des Kopfes verdünnt die Larve die Kapuze des ersten Segmentes und streckt, gestützt auf das Hinterende, den Körper stark vor, alsdann verdickt sie durch Einziehen des Kopfes wieder die Kapuze, gewinnt hierdurch vorn Halt und zieht nun das gestreckte Hinterende des Körpers nach. Die stark gehöckerten Seiten- teile der Kapuze spielen beim Anpressen an die Gangwandungen eine Hauptrolle. « Dies gilt in gleicher Weise für die Chitinhöcker und Zapfen des Afters. Nach StroHMEYER sollen »die schwachen Beinpaare beim Kriechen schreitende Bewegungen machen, die indessen nicht allzu viel Bedeutung für die Fortbewegung haben.« Daß sie aber doch wirklich wesentlich sind, kann man daraus erkennen, daß, wenn man eine Larve aus dem Gang herausgezogen hat, sie sehr schnell wieder in denselben hineinkriecht, sobald sie mit den Beinen Halt bekommen hat. Hierbei kann sie sich noch nicht mit den Afterhöckern feststem- men, und ein bloßes Anpressen der Kapuze an die Gangwandung würde wohl nicht allzu viel nützen. Leider war es mir nie möglich, eine Larve in einem halbgeöffneten Gang zu beobachten, wie Strohmeyer es beschreibt. Die Larve nagt mit ihren starken Mandibeln an dem Holze und schafft das Bohrmehl mit Hilfe der drei Beinpaare unter sich weg nach hinten. Hat sie eine größere Menge hinter sich gebracht, so schiebt sie es mittelst der Abdominalscheibe aus dem Gang hinaus. Diese Abdominalscheibe erleidet nun bei dem Wachstum der Larve eine große Veränderung, indem sich die untere Hälfte der Scheibe mehr und mehr nach unten auszieht, und so eine ovale und schließlich länghche Form annimmt. Dabei bleibt sie fast gleichbreit, nur daß sich am unteren Ende zwei starke Chitinhaken anlegen (Textfig. 8). Auf diese Weise erhält man am Ende eine sehr lang ausgezogene doppel- 706 Friedrich Germer, zinkige Gabel, die an ihren Rändern mit zahlreichen Borsten und Zähnen besetzt ist (Textfig. 9). Wieviel Häutungen die Larve durchmacht, habe ich nicht feststellen können, sie müssen jedoch, nach dem Wachs- tum der Abdominalscheibe zu schließen, in der ersten Zeit sehr rasch auf- einander folgen. Man kann dies bei solchen , i Tieren, die kurz vor der Häutung stehen, , / sehr schön beobachten. Man sieht nämlich / innerhalb der ovalen Abdominalscheibe und '.• ' j ebenso in der entstehenden Schwanzgabel die neue liegen (Tai XXXI, Fig. 9). Da- bei befinden sich die Spitzen der neuen Gabel kurz vor denen der alten und zwar fast noch parallel nebeneinander. Erst wenn die alte Haut wie ein Handschuh abgestreift ist, klaffen die Spitzen der neuen aus- r^ r einander. Man kann die verschiedenen ^,, ä Stadien auf den beigegebenen Bildern sehr (^\ ^ schön verfolgen. Die Schwanzgabel läuft bei der älteren Larve von vorn nach hinten Textfig. 8. n • 1 r,- T - • H TT ^ , ^ -r , , etwas konisch zu. Sie dient m der Haupt- Scnwanzgabel der Larve kurz nach ^ den ersten Häutungen. IV. 2. 152. sache zum Hinausschaffcn dcs Bohrmehles. ' ''^'' Die Larve macht hierbei mehrere schiebende Textfig. 9. Endstadium der Schwanzgabel der Larve. I. 1. 152. (2,3.) Bewegungen von vorn nach hinten, damit das gesamte Bohrmehl heraus- kommt. Zuweilen kommen dabei auch die letzten drei bis vier Seg- mente mit zum Vorschein. Berührt man die Larve bei dieser Arbeit, so fährt sie äußerst schnell wieder in ihren Gang zurück und kommt dann sobald nicht wieder an das Tageslicht. Hat man aber eine Larve etwa mit einer Pinzette gefaßt und versucht sie herauszuziehen, so Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 707 muß man schon ziemlich Gewalt anwenden, denn sie setzt einen großen Widerstand entgegen. Oft ist dieser so stark, daß man das Tier eher zer- reißt, als daß man es herausbekommt. Offenbar stemmen sich die Larven mit ihrer Kopfkapuze gegen die Gangwandungen fest an und erschweren so ihren Feinden das Herausziehen. Von Spechten scheinen diese Larven als besondere Leckerbissen geschätzt zu werden, denn ich fand des öfteren die Vögel bei der Arbeit an den Stümpfen, wenn ich auf den Buchenschlag trat. Man sah auch überall die Schlagmarken der Spechte an der Rinde. Die Entwicklung der Larve dauert etwas länger als ein Jahr. Im Winter unterbricht die Larve ihre Arbeit und nimmt sie erst mit dem Eintritt der wärmeren Jahreszeit wieder auf. Ehe sich die Larve verpuppt, was meist im Laufe des April geschieht, vergrößert sie an einer Stelle in der Nähe der Gangöffnung das Lumen bis zu dem Maße, daß sie sich herumdrehen kann. Darauf erweitert sie den im vorderen Teil konischen Gang gleichmäßig bis zum Ausgang, und begibt sich dann in die Puppenwiege zurück, um sich zu verpuppen. Die Puppenruhe dauert 7 — 8 Tage. Die Forstschädlichkeit. Ein wichtiges Kapitel aus der Biologie der Hylecoetus dermestoides- Larve bildet die Erörterung der Frage : Ist die Larve forstwirtschaftlich und also in gewissem Sinne volkswirtschaftlich schädlich? Zur Beantwortung dieser Frage ist es vor allen Dingen nötig, daß man feststellt, wo die Larve eigentlich lebt und in welchem Maße sie die betreffenden Bäume befällt. Nach Sturm (65) lebt sie besonders in modernden Tannen- und Eichenstöcken. Eatzeburg (52) dagegen behauptet, die Larve bewohne sowohl altes faulendes als auch ganz frisches Holz. Pfeil (45) teilt mit, daß frische Bäume nie befallen würden. Die von Hylecoetus befallenen Stämme und Stubben waren mindestens 1 Jahr vor dem Erscheinen des Käfers gefällt. Strohmeyee, (64) endlich bestätigt Ratzeburgs Befund. Während der 3 Jahre, die ich mich nunmehr mit Hylecoetus der- mestoides beschäftigte, habe ich sowohl in Leipzigs näherer und weiterer Umgebung als auch speziell im Harz nur Stümpfe befallen gefunden, nie aber die zugehörigen geschlagenen Stämme oder gar frisches Holz. Der Käfer ist nicht sonderlich wählerisch. Er legt seine Eier an Buchen, Eichen, Birken und zuweilen auch an Tannen ab. Gerade im Harz Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. 46 708 Friedrich Germer, konnte ich in dieser Beziehung eingehendere Studien machen. Ich fand dort im Haferfelder Revier einen Buchenschlag, in dem alle Jahr- gänge vertreten waren. In den älteren Stümpfen fanden sich zwar Bohrlöcher die auf den Hylecoetus zurückzuführen waren, aber keine Insekten. Meist waren diese Stämme dem Verfall ziemlich nahe. In den frisch gefällten und einjährigen Stümpfen fanden sich keine Hyle- coetus. Dagegen zeigten sich die zweijährigen Stümpfe reichlich infi- ziert. Während die jüngeren Stämme noch viel Zellsaft besaßen und Adventivsprosse aufwiesen, war dies bei den zweijährigen Stümpfen nicht mehr der Fall. Sie waren durch das Grundwasser meistens etwas feucht, im übrigen aber noch vollkommen fest, so daß ich oft sehr große Mühe hatte, die Gänge mit dem Beil oder Meißel nach dem Innern zu in dem harten Holz zu verfolgen. Ich habe meinen Befund durch den hiesigen entomologischen Ver- ein »Fauna «, dem eine ganze Anzahl sehr fachkundiger Herren angehö- ren, bestätigt erhalten. Ebenso versicherte mir Herr Forstmeister ScHOLTZ auf dem Haferfelde bei Gernrode, der seit 25 Jahren seine Reviere im Harz verwaltet, daß er selbst den Käfer zwar stets in den Stümpfen, nie aber im frischen Holze angetroffen habe. Auch sei ihm auf Versammlungen von Forstleuten, von denen ein derartiges Auf- treten in frischem Holze sofort vermerkt worden wäre, nie etwas bekannt geworden. Ebensowenig hätten die hierfür in Betracht kommenden Holzhändler über Holz, das durch Hylecoetus angegriffen worden wäre, geklagt. Ich habe mich persönlich bei dem großen Dampfsägewerk von August Brehme in Halberstadt, das aus allen Gegenden des Harzes sein Holz bezieht, erkundigt und zur Antwort bekommen, daß der Käfer bis jetzt in seinen Holzlagern noch nie beobachtet worden sei. Während also Pfeil in seiner 1859 erschienenen Arbeit hervorhebt, daß frische feäume nie befallen werden, steht der Befund Strohmeyers hierzu in schroffem Gegensatz. Strohmeyer meint, daß die Beschä- digungen von Hylecoetus an Stammhölzern bisher in Deutschland nicht als solche erkannt wurden, habe seinen Grund darin, daß die junge Larve an der dicken Borke nicht bemerkbare feine Gänge arbeite, und daß daher die hierbei zunächst entstehenden Bohrmehlhaufen so gering seien, daß sie oft mit der Lupe gesucht werden müßten. Erst, wenn die Larve größer geworden sei, erregten die größeren Bohrmehlhaufen die Aufmerksamkeit des Beschauers. In den meisten Fällen seien aber dann die Stammhölzer, besonders die Buchen, schon aus dem Walde abgefahren, und so dem Auge des Forstmannes entrückt. Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 709 Nach Strohmeyer war die Larve im Jahre 1907 auf Sägewerken in Reichshofen und Barr in einem Grade zu beobachten, daß die Be- sitzer die Revierverwalter darauf aufmerksam machten und die Be- stimmung der Art des Urhebers veranlaßten. Strohmeyer selbst wurden Buchenstämme und Stammteile vor- gezeigt, die durch den Fraß sowohl zu Brettware als auch zu Schwellen und Holzschuhen unbrauchbar geworden waren. Auch an Teilen von Eichenstämmen, die ihm 1906 und 1907 aus verschiedenen Oberförste- reien Lothringens und des Unterelsasses zur Untersuchung übermittelt wurden, fand er Hylecoetus-Gänge auf. Während also Strohmeyer die Schädlichkeit dieses »so sehr polyphagen Schädlings « hervorhebt und sogar Mittel zu seiner Vertil- gung vorschlägt, habe ich nie eine derartige Schädlichkeit beobachten können. Im Gegenteil! Man kommt zu der Ansicht, daß die Larven dem Forstmanne eher in die Hände arbeiten, da sie die Verwitterung und Zerstörung der alten Buchenstümpfe nur beschleunigen helfen. Zum mindesten ist es doch höchst sonderbar, daß ich in Buchenschlägen, in denen fast alle Jahrgänge vertreten waren, ausgerechnet nur an zwei- jährigen Stümpfen das Auftreten des Hylecoetus konstatieren konnte. Vereinzelt fand ich auch noch Buchenstämme, die vor einem bzw. zwei Jahren geschlagen und noch nicht abgefahren waren, ohne indes irgend- welche Beschädigung an ihnen durch Hylecoetus zu finden. Herr Pro- fessor F. W. NEGER-Tharandt, der über Hylecoetus von botanischen Gesichtspimkten aus gearbeitet hat, teilte mir mit, daß er wiederholt beobachtet habe, daß in Stöcken von Bäumen, die im Winter gefällt worden waren, der Hylecoetus im darauffolgenden Sommer auftrat. Dieses Vorkommen von Hylecoetus wird sich wahrscheinlich nur auf ganz junge Larvenstadien beziehen. Denn da die Entwicklung zur Imago etwas länger als 1 Jahr dauert, so trifft man die Imago eben auch erst in zweijährigen Stümpfen an. Da an der Richtigkeit der Beobachtungen Strohmeyers ja keines- falls zu zweifeln ist, so geht daraus offenbar hervor, daß der Käfer in seinen verschiedenen Verbreitungsgebieten etwas wechselnde Lebens- gewohnheiten zeigt. Die Ernährung der Larve. Dieser überaus wichtige Punkt aus dem Leben der Larve bedurfte entschieden einer eingehenden Untersuchung. Denn die Notizen, die wir in der Literatur darüber finden, beruhen fast ausschließlich auf Vermutungen. So hat Mathieu (48) die Larven des Hylecoetus 46* 710 Friedrich Germer, mit den Larven anderer Borkenkäfer in einem Stamme gemeinsam gefunden. Er hält sich daher zu dem Schlüsse berechtigt, daß unsre Larve sich von diesen fremden Larven, d. h. also von animalischer Kost, nähre. Ein Beweis dafür sei, daß man stets die Larve des Hyle- coetus mit andern Larven zusammen antreffe. Mathieus Annahme ist bereits von Strohmeyer als 'irrig zurückgewiesen worden. Ich kann seinen Befund nur bestätigen. Strohmeyer selbst gibt an, daß von den Larven als Nahrung flüssige oder breiige Substanz aufgenommen werde, man finde ihre weißlichen breiigen Exkremente in den Gängen. Im Jahre 1908 erschien von NEGER-Tharandt eine Arbeit: »Über Ambrosiakäfer«. Hier berichtet Neger, daß er in den Gängen des Hylecoetus einen Pilzüberzug fand, der aus sehr großen, kugelförmigen, einzeln den Mycelfäden aufsitzenden Zellen bestand. Diese Kugeln seien spärlich verteilt und mit bloßem Auge nicht sichtbar. Sie fanden sich in der ganzen Ganglänge. Der Pilz zeichne sich durch große Wachs- tumsgeschwindigkeit aus und sei stets ein und derselbe. Diesen Pilz- überzug bezeichnet Neger als »Ambrosia«. 1909 erschien eine weitere Arbeit von Neger: »Ambrosiapilze«, in der er sich ausführlicher mit diesen in den Fraßgängen verschiedener Käfer vorkommenden Pilzen befaßt. Die Ambrosiapilze sollen in ihren Verbreitungseinrichtungen streng an die zugehörigen Holzbohrer angepaßt sein. Neger sagt wörtlich: »Nicht nur die Auswahl des geeigneten Substrates und die Vorbereitung desselben für die Pilzzucht durch Luftzufuhr, sondern auch die erste Anlage des Pilzgartens ist das Werk des Mutter käfers. Wenn auch die näheren Umstände dieses Vorganges noch nicht aufgeklärt sind, so muß doch als durchaus unwahrscheinlich von der Hand ge- wiesen werden, daß die Infektion des Mutterganges und der Larven- wiegen mit Keimen des Ambrosiapilzes dem Zufall überlassen werde.« Neger stützt seine Annahme auch durch mehrere Befunde, z. B. dadurch, daß sich die den Ambrosiarasen bildenden Mycelfäden stets nur in unnüttelbarer Umgebung der Fraßgänge finden. Schon in einer Entfernung von wenigen Millimetern sei das Holz mycelfrei. Daher hält Neger nur die Ansicht für haltbar, daß der Mutterkäfer die Keime des Pilzes in seinem Körper mitbringt und an geeigneter Stelle aussät. Außer den kugeligen Zellen, die einzeln den Mycelfäden aufsitzen, werden noch Chlamydosporen gebildet, indem die Sporen direkt aus den Hyphenzellen durch deren Abrundung, Membran verdickung und Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 711 schließliche Loslösung entstehen (Textfig. 10). Diese Zeichnung wurde nach einem Präparat angefertigt, das mir Herr Professor Neger in dankenswerter Weise überließ. Den Ambrosiapilz des Hylecoetus dermestoides im speziellen hat Neger mit äußerster Reselmäßigkeit in allen befallenen Hölzern ge- funden. Seine Sporen bedecken die Wände der Fraßgänge. Die Rein- kultur ist Neger sehr leicht gelungen, wenn er mycelhaltige Holz- stückchen aus der Umgebung eines Fraßganges auf geeignete Substrate übertrug. Schheßlich stellt Neger in dem Ambrosiapilz des Hylecoetus eine neue Endomycesart fest, die er »Endomyces Hylecoeti Neger« benennt. Von diesem Pilz soll sich also nach Negers Annahme die Larve nähren. Ob bereits Stroh- meyer daran gedacht hat, wenn er sagt: »Als Nahrung wird nur flüssige oder breiige Substanz auf- genommen«, ist meiner Ansicht nach mehr als zweifelhaft. Dagegen behauptet Neger direkt : »Die Larve weidet die Ambrosia an den Wänden ihrer Lauf röhren ab«. Allerdings hat Neger meines Wissens den Darminhalt der Larve nicht untersucht. Ich habe nun im Verlaufe meiner Arbeit versucht, an Längs- und Querschnitten durch den Darmtractus die Frage nach der Art der Ernährung etwas zu klären. Es fand sich im Darm eine homogene, nicht näher definierbare Masse, die zuweilen sehr fein granuliert war. An ungefärbten Schnitten konnte man überhaupt nichts sehen und die Anwendung Myceifaden mit Sporen irgendeines Farbstoffes machte das Bild auch nicht ^on Endomyces Hyiecoeti '^ au3 einem Fraßgang. viel klarer. Ich war also gezwungen, den Darm v. 6. i52. (Va-) in toto zu untersuchen. Da ich nun anfangs leider nur konserviertes Material zur Verfügung hatte, gelang mir das Heraus- präparieren des äußerst zarten Darmes nicht immer. Ich konnte mir auch hier nicht über den Darminhalt klar werden. Schließlich versuchte ich es im Mai 1911 mit lebendem Material. Ich zog die Larven aus ihren Gängen heraus und konservierte sie sofort, damit sich der Darminhalt nicht wieder verändern konnte. Nach ungefähr 2 — 3 Stunden öffnete ich dann die Larven und nahm so ziemHch leicht den Darm heraus. Ich habe ungefähr 30 Exemplare auf diese Weise behandelt. Alsdann zer- zupfte ich den Darm auf dem Objektträger in einem Tropfen Glyzerin Textfig. 10. 712 Friedrich Germer, und konnte nun den Inhalt mikroskopisch untersuchen. In einem einzigen Falle habe ich den Vorderdarm mit kugeligen Sporen angefüllt gefunden, die unzweifelhaft dem Endomyces Hylecoeti angehören. In den andern Fällen habe ich meist nur eine offenbar schon durch die Darmenzyme veränderte Nahrung vorgefunden. Es ist auch mög- lich, daß die Larven außer den Sporen noch Mycelstückchen fressen, die man dann im Darm nur schwer als solche wird erkennen können. Daß ich nur in einem Falle bei 30 Tieren die Sporen antraf, mag auch darauf zurückzuführen sein, daß die Larven seltener fressen. In diesem einen Falle aber war der Darm prall mit den Sporen angefüllt. Ich habe ein Paar der Sporen aus dem Darminhalt abgebildet (Textfig. 11) zum Vergleich mit den Chlamydosporen, die ich von Herrn Professor Neger geschickt be- kam (Textfig. 10). Man sieht auf beiden Abbildungen die starken Membranen und den fein granulierten Inhalt der Sporen. / Bei den Sporen, die aus dem Darm V , .^ stammen, ist der Inhalt offenbar etwas \\ verquollen. h In keinem einzigen Falle habe ich im ^-._, '^^.ä::^-^ Larvendarm Holz gefunden. Ich habe Textfig. 11. zur Kontrolle den Darminhalt mehrerer Chlamydosporen von Endomyces Hyle- Borken- Uud Holzkäfer untcrSUCht Und coeti aus dem Darm der Larve von t , t -ni i i tt i -i. •• qj. Hyiecoetus denn. V. 6. 152. (V3.) ^o^^ ^^^^ Elemente dcs Holzcs mit größter Deuthchkeit nachgewiesen. Niemals habe ich ähnliche Gebilde im Darm unsrer Larven finden können. Ein weiterer Beweis, daß die Larve sich nicht von dem Holze nährt, das sie zerschrotet, ist der, daß das ausgeworfene Bohrmehl völlig trocken und locker ist. Selbst wenn es sich nur um wenig verdaute Exkremente handelte, müßten diese mindestens zusammengeballt sein. Die Frage nach der Ernährung der Larve scheint mir nunmehr geklärt zu sein. Eines ist nur noch unklar: Wie kommt der Pilz mit solcher Kegelmäßigkeit in die Fraßgänge des Hyiecoetus"^. Wie schon erwähnt, ist Neger der Ansicht, daß »nicht nur die Auswahl des geeigneten Substrates und die Vorbereitung desselben für die Pilzzucht durch Luftzufuhr, sondern auch die erste Anlage des Pilzgartens das Werk des Mutterkäfers ist«. »Die von dem Käfer angelegten Pilzgärten sind zunächst Rein- kulturen, indem nur frisches, unzersetztes Holz als Substrat verwendet Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 713 wird. Die Entfernung des Bohrmehls aus den Fraßgängen hat den Zweck, die für das Wachstum der aeroben Ambrosiapilze nötigen Lebensbedingungen (Sauerstoffgehalt, herabgesetzter Wassergehalt des Substrats) zu schaffen. Der Sinn dieser Symbiose zwischen Larve und Pilz ist, den Larven, welche frisches Holz bewohnen, statt der nährstoffarmen Holzzellen eine kräftige Nahrung zu bieten. Den Larven des Holzborkenkäfers wächst die Ambrosia gewissermaßen in den Mund, ohne daß sie den Ort verändern.« Wie sich Neger nun die Übertragung des Pilzes durch das Mutter- tier vorstellt, darüber läßt er uns im unklaren. Neger hat ja, wie schon erwähnt, auch bei andern Borkenkäfern ganz charakteristische Pilzrasen gefunden. So hat er in einem Stammstück Kolonien von Xyloterus dispar und daneben — aber räumlich scharf getrennt — solche von X. Saxeseni gefunden. Die Ambrosia hatte für jede von beiden Arten die charakteristische Form. Neger meint nun, daß dies kaum verständlich wäre, wenn die Einwanderung des Ambrosiapilzes dem Zufall überlassen wäre. Diese Angaben Negers legen natürlich den Gedanken sehr nahe, daß der Mutterkäfer den Pilz direkt an die Entwicklungsstelle der Larve überträgt. Die Beobachtung der lebenden Tiere gibt aber meines Erachtens keine Anhaltspunkte für diese Vermutung. Für das Mutter- tier liegen die Aussichten für die Übertragung des Pilzes sehr viel un- günstiger, als z. B. bei den pilzzüchtenden Ameisen, bei denen das Muttertier ja selbst die Gründung der Kolonien und die Aufzucht der jungen Larven übernimmt. Auch bei den pilzzüchtenden Bostrychiden wären die Aussichten günstiger, da hier die Käfer eine ungleich größere Lebensdauer besitzen als die Imagines des Hylecoetus. Die Eier des Hylecoetus werden verstreut oberflächlich auf die Rinde abgelegt, nur selten in alte Bohrgänge, wenn man die Beobach- tungen älterer Autoren heranzieht. Die Larven nehmen nach ihrem Ausschlüpfen, das erst nach 10 — 14 Tagen erfolgt, nicht in unmittel- barer Nähe der Ablagestelle Substanzen auf, sondern laufen oft weit umher, ehe sie sich einbohren. Das Muttertier erscheint demnach für die Übertragung ganz ausgeschlossen, und wenn man nicht annehmen will, daß der Pilz im Ei übertragen wird, was doch äußerst unwahr- scheinlich ist, so kann auch die Larve keine Rolle bei der Übertragung spielen. Dagegen ist es möglich, daß der Käfer zur Eiablage bzw. die Larve zum Einbohren durch die Anwesenheit des Pilzmycels bestimmt würde. 714 Friedrich Germer, Es sind also auch meine Untersuchungen nicht geeignet, ein defini- tives Urteil der biologisch so interessanten Frage zu geben. In einzelnen Fraßgängen des Hylecoetus, die unbewohnt waren, fand ich kompakte weiße Mycelpfropfen von mehreren Centimetern Länge. Ob diese demselben Endomyces angehörten, welcher der Larve zur Nahrung dient, habe ich nicht entscheiden können. Herr Professor Neger konnte mir darüber auch nichts genaueres sagen. II. Verwandte Arten. A. Europäer. Die auffallende Umbildung der Palpen, welche unter den Käfern einzig den Lymexyloniden in dieser Weise zukommt, veranlaßte mich, auch die übrigen Formen dieser Familie in den Bereich meiner Unter- suchung zu ziehen, um über die Verbreitung, und, wenn möglich, die Entstehung dieser Bildung Aufschluß zu erhalten. In Europa kommt außer Hylecoetus dermestoides nur noch Hylecoetus jldbellicornis und Lymexylon navale in Betracht. 1. Hylecoetus flahellicornis Schneider. Über diesen nächsten Verwandten des Hylecoetus dermestoides ist meines Wissens zuerst von Assessor Pfeil (45) genauer berichtet wor- den. In der Umgebung von Königsberg i. Preußen hat Pfeil fast in jedem Stamme Hunderte von Bohrlöchern und in fast jedem einen Käfer gefunden. Die species morio soll viel seltener sein als die beiden andern; man könne auf 80 dermestoides und flahellicornis erst einen morio rechnen. Unter dermestoides versteht Pfeil offenbar nur die gelbbraune Form des Weibchens, während er die Männchen als morio bezeichnet. Pfeil hat mehrere Hundert Hylecoetus untersucht und hat ge- funden, daß sämtliche dermestoides — Weibchen, und flahellicornis — Männchen sind. Alle flahellicornis waren dem Hylecoetus in der Bil- dung des Penis durchaus gleich, während sämtliche dermestoides eine abweichende Bildung der Geschlechtsteile zeigten, die sich schon äußer- lich in der vorgestreckten Legeröhre mit zwei Scheidetastern doku- mentierte. Pfeil hat endlich in dem Stamme, dem er die dermestoides und flahellicornis entnahm, auch 13 Larven gefunden, die untereinander völUg gleich waren. Er glaubt daher, daß beide Species eine gemein- same Larve haben. Pfeil stellt nun foluende Frauen auf: Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 715 »Wäre es nicht auffallend, daß, wenn flahellicornis und dermestoides verschiedene Species sind, sie stets zusammen vorkommen? Wäre es nicht ebenso seltsam, daß von ihnen im Laufe vieler Jahre stets nur das Männchen gefunden worden ist?« und »Hiernach ließe sich vielleicht nicht ohne einige Berechtigung die Annahme hinstellen, daß Hylecoetus flahelli- cornis nichts andres als eine dritte Form des Männchens von dermes- toides ist, welche die seltenen Formen des Männchens — morio und prohoscideus ■er- gänzt? Pfeil hat ferner zwischen den Weibchen beider Arten keinen Unterschied konstatie- ren können. Diebeiden Käfer sollen nun 1860 bei Königsberg sehr häufig vorgekommen sein. Ich habe versucht, lebendes Material aus jener Gegend zu er- halten, bekam aber von den dortigen Entomo- logen zur Antwort, daß der Käfer seit vielen Jahren nicht mehr ge- funden worden sei. Von einigen Museen erhielt ich trockenes Material. An diesem konnte ich einigermaßen die äußere Körperform studieren. Ich habe gefunden, daß die beiden Arten sich nur durch die Mund- werkzeuge unterscheiden. Und zwar hat dermestoides normale faden- förmige Fühler und modificierte Kiefertaster, flahellicornis dagegen modificierte Fühler und einfache Palpen. Die Antenne des Hylecoetus flahellicornis besteht aus elf Gliedern (Textfig. 12). Die ersteren beiden Textfig. 12. 5 Fühler von Hylecoetus flabellicornis. III. 2. 152. (2/3) 716 Friedrich Germer, Textfig. 13. Glieder sind einfach gestaltet und von ungefähr rundlichem Querschnitt. Dagegen sind die Glieder drei bis zehn je mit einem doppelten blatt- artigen Ansatz ausgestattet. Dieser Ansatz besteht aus zwei lanzett- ähnlich gestalteten Blättern, die an der Basis jedes Gliedes entspringen. Die Projektion eines dieser Glieder würde schematisiert der nebenstehenden Textfig. 13 gleichen. Die beiden Seitenteile sind in einem spitzen Winkel einander zugeneigt. Man bezeichnet die Antenne vielleicht am besten als doppelt gekämmt. Das elfte Glied endlich ist ebenfalls blattförmig, aber nicht gegabelt. Die Oberfläche des Chitins der einzelnen Blättchen ist eigentümlich gewellt oder gekräuselt. Außen auf den Stamm- stücken der einzelnen Glieder finden sich wenig Borsten oder Haare. Da mir nur trockenes Material zur Verfügung stand, das ich zur Unter- suchung mit Kalilauge behandeln und auf- weichen mußte, kann ich natürlich über eine Innervierung der Antenne nichts sagen. Jeden- falls läßt die Oberflächenvergrößerung derselben eine entsprechende Funktion vermuten, wie bei der Maxillarpalpe des Hylecoetus dermestoides. Die Maxillarpalpe des flabellicornis be- steht aus vier Gliedern (Textfig. 14). Das erste ist das kleinste, dann folgt das be- deutend längere zweite und das rundliche dritte. Dieses zeigt nun eine Längseinschnürung, so daß man einen schwach biskuitförmigen Querschnitt erhält. Diesem dritten Gliede sitzt das gegabelte vierte auf. Eigentlich muß man annehmen, daß der Kiefertaster fünfgliedrig ist, denn die beiden Stücke des vierten Gliedes sind fast bis auf den Grund getrennt und sitzen je einem Teil des einge- schnürten dritten Gliedes auf. Die Beborstung ist ziemlich reichlich. Über die Innervierung kann ich natürlich auch hier nichts angeben. Textfig. 14. (5 Taster von Hylecoetus fldbelli cornis. I. 4. 152. (2/3.) 2. Lymexylon navale Fabr. Die erste Beschreibung dieses Käfers, welcher der ganzen Gruppe den Namen gegeben hat, finden wir in Linnes »Reise durch West- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 717 gothland im Jahre 1746 «. Linke besuchte auf seiner Eeise am 12. Juli 1746 die Schiffsbauerei der Admiralität am Meerbusen in Gothenburg, wo eine große Menge Eichenholz zum Schiffsbau aufgestapelt lag. Linne erzählt nun auf sehr ergötzliche Weise, wie es ihm von jemandem als ein Geheimnis berichtet wurde, daß das Schiffsholz von Würmern sehr zerfressen wäre, die dadurch einen großen Schaden angerichtet hätten. Linne wurde nun neugierig, was das wohl für ein Wurm sein könnte, und er bat einen Schiffsbaumeister »nur an einem einzigen Stamme Versuche zur Erforschung der Geschichte und Eigenschaften der Würmer anstellen zu können«. Der Schiffsbaumeister schlug ihm dieses Ansinnen aber rundweg ab, selbst das »Promotorial « Linnes machte keinen Eindruck. Schließlich wurde es ihm aber doch noch durch Vermittlung einiger Herren der Admiralität ermöglicht, das Tier zu studieren. Er beschreibt in seinem Reisewerke die Larve, Puppe und Imago des Käfers und gibt auch einige höchst primitive Abbil- dungen. Hauptsächlich kommen die Tiere in Eichen vor, das Weib- chen legt seine Eier an Eichenstämme, »welche der Schöpfer dieser Familie zur Speise verordnet hat«. Die Larve soll sich von dem zerfressenen Holze nähren. Da sie sehr häufig vorkommt, »macht sie jährlich für viele 1000 Taler Schaden«. Linne ist der Ansicht, daß die Stämme bereits im Walde befallen worden seien. Die infizierten Stämme seien zu Schiffsbauzwecken völlig unbrauchbar. Man müsse sie mit warmem Teer vorsichtig be- streichen, damit der Teer in die Wurmlöcher ziehe und sie ver- stopfe. Ratzeburg (52) führt in seinen Forstinsekten I, S. 38 an, daß der Käfer sowohl in alten, längst geschlagenen, als auch in stehenden leben- den Eichen anzutreffen sei. Die Stellen, welche angegangen würden, müßten entblößt sein, da der schwache Käfer durch die Rinde nicht hindurch könne. Das Weibchen lege seine Eier in Ritzen und Spalten oder auch in Gänge andrer Käfer, z. B. des Bostrichus monographus. Die Flugzeit falle in den Juni, am liebsten flögen die Käfer in der größten Hitze. Dabei seien die Tiere äußerst beweglich und unruhig. Sie säßen stets am Stamme und nie am Laube. Sturm bringt neben einer bunten Abbildung von der Imago auch mehrere Detailzeichnungen von Mundgliedmaßen, die aber teilweise nicht der Natur entsprechen. Westwood (69) bringt in seiner »Introduction« S. 269 einige Ab- bildungen, die einen ungefähren Begriff geben können. In England sei der Käfer sehr selten. 718 Friedrich Germer, Außerdem finden sich noch in mehreren Werken kleinere Notizen über die Käfer. Ich habe des öfteren versucht, lebendes oder konserviertes Ly- mex^Zow-Material zu erhalten. Das ist mir aber nie gelungen. Ein mir bekannter Entomologe, Herr Robert Stich, Leipzig, hat in seiner langen Sammlertätigkeit ein einziges Exemplar in der Harth bei Leipzig gefangen. Ich muß mich daher leider damit begnügen, auf Linnes Reisewerk zu verweisen, obwohl die Biologie dieses Käfers sicher ebenso Textfig. 15. (5 Taster von Lymexylon navale. interessant ist, als die des Hylecoetus, und die bisherigen Mitteilungen zahlreiche Widersprüche aufweisen. Die Antenne von Lymexylon navale ist im männlichen und weib- lichen Geschlecht ungefähr gleich. Sie besteht aus elf Gliedern und hat fadenförmige Gestalt. Die Glieder in der Mitte sind etwas verdickt im Gegensatz zu denen an der Basis und der Spitze der Antenne. Die Beborstung zeigt nichts Außergewöhnliches. Der weibliche Maxillartaster besteht aus vier Gliedern, von denen das letzte am größten und an der Spitze etwas abgestutzt ist. Nach Sturm (65) ist der männliche Kiefertaster viergliedrig : das erste und zweite Glied klein, das dritte groß und sehr erweitert, schalen- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 719 förmig, das letzte Glied in ästige Blättchen quastenförmig geteilt. In der betreffenden Fig. Q auf Taf. 234 zeichnet Sturm die Palpe derart, daß aus dem dritten Glied das büschelförmige Anhängsel direkt heraus- kommt. Wie ich schon eingangs erwähnte, ist diese Darstellung absolut falsch. Ich will nunmehr selbst eine Beschreibung geben. Der männ- liche Kiefertaster (Textfig. 15) besteht aus vier Gliedern, von denen das erste klein und ungefähr vierecldg ist. Das zweite Glied (Sturms vermeintliches drittes) ist sechs- bis siebenmal länger als das erste. Es vergrößert sich nach der distalen Seite ungefähr trichterartig. Das dritte Glied sitzt an dieser Stelle des größten Durchmessers an und ist kleiner, ungefähr walzenförmig. Es erscheint ganz wenig in das zweite Glied ein- gesenkt, weil sein Durchmesser kleiner ist als der des zwei- ten. Dieses dritte Glied trägt seitlich einen kleinen kolben- förmigen Zapfen, das vierte Glied. Endlich sitzt an der dis- talen Seite des dritten ein gro- ßer, baumförmig verzweigter Ansatz an. Sieht man, wie es in der Fig. 15 angedeutet ist, den ausgebreiteten Ansatz von vorn an, so hat man ungefähr den Anblick eines Wapitigeweihes. Die einzelnen Äste sind mit zahlreichen Sinneshaaren besetzt, ebenso das vierte Glied, das Sturm bei seiner Beschreibung völlig übersehen hat. Die ersten drei Glieder tragen große, starre Borsten, denen man eine Schutzfunktion zuzusprechen hat. Die Oberflächenvergrößerung ist bei dieser Palpe, ähnlich wie bei der des Hylecoetus dermestoides , sehr weit gegangen. Daß man hier ebenfalls ein sehr ner venreiches Organ vor sich hat, möchte ich, trotz- dem ich nur trockenes Material untersuchen konnte, getrost behaupten. Zum besseren Verständnis gebe ich noch die nebenstehende Text- fig. 16 bei, auf der man von der Seite gesehen, deutlich die Reihenfolge der einzelnen Glieder erkennt. Textfig. 16. B. Exoten. 1. Hylecoetus cylindricus Dejean. Über dies Art ist mir in der Literatur nur das eine bekannt ge- worden, daß sie in der Größe sehr variiert und bei Nacht in die Häuser 720 Friedrich Germer, kommt, da sie vom Licht angezogen wird (Perty, Delect. Animal. Articiü, Bras. pref. p. 8 ff.). Ich erhielt durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Sigmund Schenkling, Berlin, ein männliches aus Cajenne stammendes Exemplar dieses Käfers aus dem städtischen Museum in Genua. Die Maxillarpalpe dieses Tieres ist normal viergliedrig, während der Fühler aus zehn Gliedern aufbaut (Textf ig. 17). Auf das erste große sich Glied folgt das um die Hälfte kleinere zweite. Die Glieder drei bis sieben nehmen an Größe konstant ab. Das siebente ist doppelt so \J Textfig. 17. (5Fühleivon Hylecoetus cylin- dricus. III. 2. 152. (Vo.) Textfig. 18. Q Füliler von Hylecoetus ja- vanicus III. 2. 152. {1/2-) Textfig. 19. Q Fühler von Melittomma insulare. I. 2. 152. (Va-) breit als lang. Das achte bis zehnte dagegen ist außerordentlich ver- größert. Diese drei Glieder sind länger als die andern sieben zusammen. Der Querschnitt sämtlicher Glieder ist oval bis flach elliptisch. Die Beborstung ist auf den letzten drei Gliedern ziemlich reichlich. An den Seiten sämtlicher Glieder finden sich wieder große Schutzborsten. 2. Hylecoetus javanicus Chevrolat. Das einzige Exemplar dieser Art erhielt ich aus dem Museum Paris. Es war ein weiblicher Käfer, der aus Tandjong Morawa, Serdang (N.O. -Sumatra) stammte. Die Maxillarpalpe ist normal vier- Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 721 gliedrig. Die Fühler (Textfig. 18) besteht aus elf Gliedern, von denen das dritte bis zehnte Glied in ihrem Aussehen an die konsolförmigen Fruchtkörper des Feuerschwammes (Polyporus fomentarius) erinnern. Das elfte Glied ist länglich zugespitzt. Die Beborstung ist wieder ziemlich stark, vor allem auf der Innenseite der Antenne. Melittomma. Die ausländische Gattung Melittomma ist unserem Hylecoetus sehr ähnlich. Sie unterscheidet sich von ihm nur durch die großen Augen, die auf der Stirn zusammenstoßen, und durch den länglichen Thorax. Die Augen erinnern, wie ja auch der Name sagt, an die einer Biene. Ich erhielt von dieser Gattung drei Arten, deren Fühler und Palpen ich hier kurz beschreiben will. v" - 3. Melittomma insulare Fairm. Die männliche und weibliche Antenne (Text- fig. 19) gleichen einander völlig. Sie sind elf glied- rig. Die ersten drei Glie- der sind walzenförmig, während die übrigen, bis auf das elfte, wieder kon- solartig eingekerbt sind. Das letzte Glied ist lanzett- lich. An der Außenseite der einzelnen Glieder, so- wie besonders auf den drei ersten Gliedern stehen große Borsten, reiche kleine Borsten und Haare. Während sich die weibliche Maxillarpalpe aus vier einfachen, cylindrischen GHedern aufbaut, ist die mäimliche wieder stark modi- fiziert (Textfig. 20). Sie besteht aus drei GHedern. Das erste ist läng- lich, umgekehrt kegelförmig, von rundlichem Querschnitt, das zweite schüsseiförmig und das dritte kolbenförmig, wie bei Hylecoetus das Textfig. 20. (5 Taster von Melittomma insulare. IV. 152. (2/3.) Im übrigen sehen wir zahl- 722 Friedricli Germer, vierte. Es inseriert in der Höhlung des zweiten. An dem zweiten Gliede sitzt ein merkwürdiger, baumförmig verästelter Ansatz, den man aber eventuell auch als viertes Glied deuten kann. Er besteht aus fünf größe- ren doppelten Hauptästen, die zwei oder drei kleinere Nebenastpaare tragen. Dieser Ansatz ist über und über mit feinen Borsten und Haaren versehen. Die übrigen Glieder zeigen größere Schutz- und Sinnesborsten. 4. Melittomma brasiliense. Von dieser brasilianischen Gattung erhielt ich leider nur weibliche Exemplare. Der weibliche Fühler (Textfig. 21) besteht aus elf Gliedern, von denen die ersten beiden walzenförmig gestaltet sind. Das zweite Glied ist kleiner als das erste. Das dritte bis zehnte Glied zeigt sich wieder gespalten, ähnlich wie beim Hylecoetus jla- -^^ belUcornis, nur in weit schwä- Textfig. 21. ! Fühler von Melit- tomma brasiliense. III. 2.152. (V2-) Textfig. 22. Q Taster von Melit- tomma brasiliense. III. 2. 152. (1/2.) Textfig. 23. (5 Taster von Melittomma africanum. III. 2. 152 (Vs-) cherem Maße. Das elfte Glied weist ebenfalls noch einen schwachen gabelförmigen Ansatz auf. Die Beborstung ist ziemlich stark. Größere Borsten sitzen an der Außenseite der Glieder. Die weibhche Maxillarpalpe (Textfig. 22) setzt sich aus vier Glie- dern zusammen. Diese haben alle rundlichen Querschnitt. Das erste Glied ist klein, das zweite fünf- bis sechsmal größer, das dritte ist etwas Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 723 kleiner als das zweite und das vierte wie das dritte. Das letzte Glied ist an der Spitze flach abgeplattet. Dort finden wir eine große Anzahl kleiner blasser Kegel. Die übrigen Glieder tragen am distalen Ende große, starre Borsten und auf dem übrigen Teil kleinere Sinneshaare. 5. Melittomma africanum. Von dieser Form erhielt ich nur ein männliches Exemplar. Es hat normale elfgiiedrige Antennen, die etwas gesägt sind. Die viergiiedrige Palpe (Textfig. 23) ist modifiziert. Auf das erste kleine folgt das zweite und dritte Glied. Beide sind schüsseiförmig. Das dritte inseriert am oberen Rande der konkaven Seite des zweiten Gliedes. Ebenso entspringt in der Höhlung des dritten Gliedes das kolben- förmige vierte Glied und ein Ansatz, der aus einem Hauptstamm und mehreren Seitenzweigen besteht. Diese tragen ihrerseits wieder kleinere Sprosse. Der Ansatz ist außerordentlich reich beborstet, sodaß man aus Analogie zu den bisher besprochenen Palpen auf einen sehr nerven - reichen Apparat schließen kann. Auch die übrigen vier Glieder tragen zahlreiche Borsten und Haare. Atractocerus. Diese ausländische Gattung ist bemerkenswert durch die sehr ge- ringe Größe der Flügeldecken, welche die Flügel fast völlig frei lassen. Die Augen stehen zu beiden Seiten des rundlichen Kopfes und stoßen auf der Stirn fast zusammen. Man kennt heute nach Bouegeois (4, 5, 6) ungefähr 15 Arten, die sporadisch über den Erdball verbreitet sind. Durch das Entgegenkommen der Herren Schenk- LiNG, Berlin; Dr. H. Schouteden, Musee du Congo Beige ; A. Severin , Musee royal d'histoire naturelle de Belgique, Brüssel, wurde es mir ermöglicht, einige Arten dieser interessanten Gattung auf ihre Mundwerkzeuse hin zu untersuchen. kslili/i 6. Atractocerus brevicornis. Von dieser Art erhielt ich mehrere weibliche Exemplare. Die weibHche Antenne (Textfig. 24) be- steht aus elf Gliedern. Auf das erste walzenförmige folgt das zweite kleinere rundliche. Das dritte Glied ist wieder größer und hat die Gestalt einer Kessel- pauke. Die nächsten sieben Glieder sind cylindrisch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CI. Bd. Textfig. 24. (5 Fiililer von Atracto- cerus brevicornis. I. 2. 151. (1/2.) 47 724 Friedrich Germer, geformt. Das elfte Glied endlich ist lanzettlich. Zwischen den einzelnen Gliedern ist immer eine Einschnürung vorhanden. Die ersten beiden Glieder tragen zahlreiche starre Borsten, während man auf den übrigen sehr viele kleine Borsten und Haare konstatiert. Die weibliche Maxillarpalpe (Text- fig. 25) besteht aus vier GHedern. Das erste GUed ist rundlich und größer als das zweite. Das dritte ist direkt schüsseiförmig. Am drit- ten sitzt wieder ein kolbenförmiges 1 Textfig. 25. Q Taster von Atractocerns brevicomis. IV. 2. 252. (Vs.) Textfig. 26. Q Fühler von Atractocerns flavicollis. TU. 2. 152. (1/2-) viertes Glied und ein Ansatz. Dieser besteht aus einem Hauptstamm, der ungefähr sieben Paar Zweige trägt. Vereinzelt stehen auch noch kleine Sprosse am Hauptstamm. Die Palpe ist wieder ziemlich stark beborstet. 7. Atractocerus flavicollis Gorham. Ich erhielt von diesem Käfer ein weibliches Exemplar. Der elf- gliedrige Fühler (Textfig. 26) ist fadenförmig. Die einzelnen Glieder Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 725 sind fast cylindrisch oder walzen- förmig, bis auf das letzte lanzett- liche Glied. Die Beborstung ist normal. Die Maxillarpalpe (Textfig. 27) setzt sich aus drei Gliedern zu- sammen. Das erste Glied ist relativ groß, von rundlichem Querschnitt und ungefähr viereckiger Gestalt. Das zweite Glied stellt eine ziem- lich flache Schüssel dar, die man in Fig. 27 von der Seite sieht, deren Öffnung man also nicht wahrnehmen kann. Am oberen Kande inseriert ;^«V,: Textfig. 28. Q Taster von Atradocerus brasüiensis. III. Textfig. 27. Q Taster von Atradocerus flavicollis. III. 2. 152. ein großer Ansatz, an dessen Basis das dritte kolben- förmige Glied entspringt. An diesem Kolben ist der Stiel dünner als die stark anschwellende Spitze. Der Ansatz setzt sich aus einer Hauptachse mit sieben Paaren von Nebenästen, die wieder je sechs bis acht kleine Zweigpaare tragen, zusammen. Die Beborstung der ersten beiden Glieder besteht aus großen, starren Borsten. Das dritte Glied trägt große Borsten und kleinere Haare. Der An- satz zeigt wieder eine Un- menge kleiner Sinneshaare. 47* 152. (2/3.) 726 Friedrich Germer, 8. Atractocerus hrasiliensis. Die Antenne des weiblichen Käfers — auch hier konnte ich nur weibHche Tiere erhalten — gleicht in der Form der des Atractocerus brevicornis genau. Im allgemeinen ist sie hier etwas größer. Der Kiefertaster (Textfig. 28) ist wieder modifiziert. Er baut sich aus vier Gliedern auf. Auf das erste und etwas kleinere zweite Glied von rundlichem Querschnitt folgt das dritte große. Dieses ist schüsseiförmig. Am oberen Ende sitzt wieder das kolbenförmige vierte Glied an, das in seinem proximalen Teile noch kleine Nebenäste trägt. An derselben Stelle, wo das vierte Glied inseriert, entspringt auch wieder ein großer Ansatz. Dieser besteht aus einem Hauptstamme, der ungefähr sieben Paare Nebenäste mit kleineren Seitenzweigen trägt. Während die ersten beiden Glieder so gut wie frei von einer Beborstung sind, trägt das dritte Glied auf dem der Öffnung der Schüssel abgekehrten Rande mehrere große Borsten, die in der Figur gekräuselt erscheinen. Auch das vierte Glied trägt im distalen Teile zahlreiche starke Borsten. Auf dem Ansätze aber und dem proximalen Teile des Kolbens finden wir eine sehr große Anzahl kleiner Kegel. Ich habe einen dieser blassen Kegel in der nebenstehenden Textfig. 29 bei 1200facher Ver- größerung wiedergegeben. Man erkennt deutlich den Porenkanal, durch den, wie man aus Analogie annehmen darf, ein Nerv eintritt. Vereinzelt stehen am Hauptstamm des Ansatzes kleine Haare. Textfig. 29. Oc. V, i/i2, Öl-Immers. 152. 9. Atractocerus africanus. Über diese Art berichtet J. Bourgeois in den Annales de la societe entomologique de Belgique, Band 53. Darnach findet man vielmehr Weibchen ais Männchen; ich selbst habe das Material mehrerer Museen durchgearbeitet und habe unter etwa 100 Weibchen nur vier Männchen gefunden. Die letzteren sind von viel kleinerem Körperbau; sie sind ungefähr 10 mm lang, während nach Bourgeois kein Weibchen unter 17 mm maß. Die größten waren bis zu 40 mm lang. Die Antennen dieser Art sind elfgliedrig und gleichen völlig denen des Atractocerus brevicornis. Die Kiefertaster sind bei beiden Geschlech- tern modifiziert. Die männliche Palpe (Textfig. 30) ist viergliedrig. Das erste Glied ist länglich, von rundem Querschnitt, das zweite klein, Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymeyxloniden, usw. 727 das dritte sehr groß, schüsseiförmig, mit seitlicher großer Öffnung. Daran inseriert das vierte kolbenförmige Glied, das wie bei Atractocerus hrasiliensis noch kleine Nebenäste trägt. An derselben Stelle, wo das vierte Glied am dritten inseriert, entspringt auch der baumförmige An- satz, ja man könnte das kolben- förmige Glied auch als untersten Zweig des Ansatzes betrachten. Der Hauptstamm des Ansatzes trägt zehn bis elf Seitenzweig- paare, die ihrerseits mit kleinen Sprossen, acht bis zehn Paaren, besetzt sind. Die Beborstung oder besser Behaarung ist sehr stark. Das kolbenartiae Glied Textfig. 30. (3 Taster von Atractocerus africanus. (V3-) III. 152. Textfig. 31. Q Taster von Atractocerus africanus. 152. (2/3.) III. 2. trägt am distalen Ende kleine, blasse Kegel. Der Ansatz erinnert an einen Zweig von Mimosa pudica mit seinen Fiederblättchen. Der weibliche Taster (Textfig. 31) ist ähnlich gebaut, im ganzen aber kleiner. Er besteht auch aus vier Gliedern. Die ersten drei glei- chen denen des männlichen Tasters. Das vierte Glied ist auch kolben- förmig, mit wenigen Nebenästen. Der Ansatz ist sehr dem Ansätze 728 Friedrich Germer, des weiblichen Tasters von Atractocerus brevicornis ähnlich. Der Haupt- stamm trägt vier bis fünf Paare unverzweififter Nebenäste und kleine verstreut dazwischen stehende Sprossen. Die Behaarung ist auch ähn- lich wie bei Atractocerus brevicornis. Ich möchte hier im folgenden noch eine kurze Tabelle (S. 47) geben, in der man deutlich die Modifizierung der Mundwerkzeuge bei den einzelnen besprochenen Lymexyloniden erkennen kann. Die Reihe der untersuchten Formen ist leider nur relativ gering; besonders bedauerlich ist, daß mir häufig von einer Art nur ein Geschlecht vorgelegen hat. Trotzdem lassen sich meines Erachtens recht interessante Schlüsse über die merkwürdige Umgestaltung der Kopfanhänge bei den Lymexyloniden ziehen. Ordnet man die unter- suchten Formen ohne Rücksicht auf ihre systematische Stellung nur nach der Ausbildung ihrer Kopfanhänge, so ergibt sich etwa folgendes. Die Maxillarpalpen zeigen im weiblichen Geschlecht im allgemeinen einen viel einfacheren Bau als bei den Männchen. Bei allen Gattungen außer Atractocerus sind die Palpen im weiblichen Geschlecht viergliedrig und vom normalen Käfertypus. Die einfachste Form der Umbildung zeigt der männliche Taster von Hylecoetus flabellicornis ; dort tritt am Ende des dritten Gliedes ein kurzer kegelförmiger Anhang, etwa von der Länge des vierten Gliedes, auf, so daß der Taster am Ende gespalten erscheint. Dieser Anhang beginnt sich nun mächtig zu entwickeln und wird zum Hauptelement des ganzen Tasters. Seine Entwicklung er- streckt sich in zwei Richtungen. Die eine, nur durch Hylecoetus der- mestoides repräsentiert, zeigt einen Hauptstamm, von dem aus eine große Zahl langer unverzweigter Seitenäste ausgehen. Bei der andern Gruppe gabeln sich diese Seitenäste wieder und geben eine Anzahl kleiner Zweige ab. Verhältnismäßig am einfachsten ist der Bau bei Melittomma insulare, während Lymexylon navale, Melittoma, africanum und Atractocerus africanus nach verschiedenen Richtungen fortschrei- tende Komplikationen aufweisen. In der Gattung Atractocerus springt nun höchst interessanter- weise die offenbar im männlichen Geschlecht erworbene Modifikation auf das weibliche Geschlecht über. Die vier weiblichen Formen, welche mir vorliegen, bilden wieder eine Reihe, deren einfachste Vertreterin Atractocerus africanus ist, dann folgen A. brevicornis und ßavicollis. A. brasiliensis zeigt durch die Ausbildung der seltsamen Kegel eine eigene Richtung. Die weibliche Palpe von Atractocerus africanus steht in ihrem Bau wesentlich zurück hinter der der Männchen; ich glaube daher berechtigt zu sein, die Vermutung auszusprechen, daß auch die Untersuchungen üb. den Bau u. d. Lebensweise d. Lymexyloniden, usw. 729 _^ -1;^ ^ -I-' © 03 _03 .03 ^_, 1 ^H ^~ ,_^ ,_^ tSJ 'n 'S 'S rt sS 1 c5 ci 7i c5 1 tc s « CC a ' g H s 5 1 'S 'S ^ ^ ä « s o o o o o o o o o g '3 a< s a Ö a Ö a s a r£ es ^ P-( ,b£ hß _bE bß ,bß bß bß .bß bß öB ;h S-i 'S r^ t •^ •^ 'C 'C 1 •^ r^ 'Ö 'Ö .® _£ 1 _« 03 .2 .2 1 03 .2 o;> 03 b£ Sjß bß bß bß bß bß bß bß bß ■4< rt< '^ ■* -4 •^ -* ^ ■<* -t* bp .^ S C 03 ;^ :0 « C. 4- 1 cS 2 c3 S 1 es ei ci 2 ® a 1 s s 'S ' s j- a a V £3 -TS 'S o o ^ o o O —1 o o .4 a 43 ^ n a s n a a a a ja 1 8 _&c _fep bß bß bß bß bß bß bß .bß <1 *^ "C 'Ö 1 -Ö f^ TS r^ 1 r^ 'Ö 'Ö -Ö aj « 1 03 .* 03 .2 1 .2 .2 .2 .2 bXj iß bß bß bß bß bß bß bß bß ,1t 1—1 1—1 1—1 .^^ yl, 1—1 1—1 1— ( 1—1 1—1 1-1 1—1 1—1 1—1 1— ( 1—1 1-1 1—1 .(.d -w ID C^ bß _03 .2 .2 "S ^^ _-■ ^3 *tS5 'n tß 03 ^ 'S 53 1 CS tC 1 tC 1 1 1 tC ^ g 1 s 'S ' ''S ' 1 ' ■'S o -g c c o S %-t O a o o o o a Ph ,bb bß & .^ bß bß ,bß .^ S •r" <^ 'Ö 'S r-^ 1 'w ts 1 rs 1 [ 1 13 .2 03 .2 1 .2 .2 1 .2 1 1 .2 SjC ■oß bß biß 5jß bJ3 Sjß '* ^ ^ 4< ■* '^ ^ -tJ &» bß '1 _s -2 :e3 03 :3 S3 1— bß . 1 O a S -2 1 i .^ "rt 1 ä 1 1 1 e5 g c ^ c 'S s '^1 y o a o c o a :3 a b£ .bß bß'S '^ s bß bß bß S < 'r^ 'C •— O .-- 03 rS 'Ö *C "r^ 'O r^ n^ S 1 TS 1 'S 1 1 1 -« .2 .2 .2 .2 ■■*- .2 _© 1 .2 bp bß bß biß bß bß bC 1-1 1-1 Ö 1—1 1-1 1—1 1—1 1—1 1—1 1—1 1—1 ■^ 1—1 tH .^ CO =9 S CS» /-^ .^ c? 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LUh.fjaLr. Johanns Arnät, Jena. Zeäschnft f. wiss. Zoologie. Bd. Cl. Tof. XVI. Tk Mortenseri del %.^ . k;;;:;;;^«^^'^;!^;;;^;;]— LUh.Änsiir Johannes Amdt.Jcna /('ilschnll l'wiss. ZooUhjic I'hIA'I. Tdi'.W IL ■Isleronwc Lovciii M Tr. inUr. Fro'lknirt W. Xcilsrhi-il'l l'u-iss. /(Xflofiic Ini.CI TaCXMll Th, Morten:;erv 7erlsg von WiUielm Engelmann. m Leifizig. Asteronvx Laven i M.Tr. Werner a^Wuiter, Frank) urt'M. ZdUclirift f. wis$. Zoologie. Bd. CI. T,if. XIX. r\ * .■ .Jm •[ -^^ - • * »' . . ^'M' ^[iW^ ■ .--Ä^V i '■*■ ;^. ^ ?£l ^^ *1^B ^^^^^^ .^tf Zeä.ichri/t fiir wissenscha/tlicke /oolor/ie Bd CI. Taf.XL ZciUc/iri/f. fiir \axscnsc/ioMu^rj^olof/ie .Dd. CT. raf.XXI. UVh.-l"< ^igel,n,inn..:...i;,zi^ LvrKcdrujck V C G Roden S"^ bH,UtfiZi^- Zpä.schri/l für \asse/isc/taßlidj£_Zi)nloqie . Bd. C I. Taf.XM. •rUgy Will"'"' ^"Vclnann., Lcfpzi^. Luktärucli V Ce Roder Sm. bH.ltcfiy. fit Zrif-schriä fiir uisscrtschaMic/ie Zoolog ir. Bd<7 1. Ta/.xxni. Zeüachrift f.niss.Zuohfjir Bd.CI h'iff.l. !■)),. 2 W ß Fl % I \ Z Au. litLAnstvEATurir Zeitschrift f wt-is. Zoologie BdCl Taf XXV. Voss gtz- nnag "m WUhil^ ^»Stlmam n La. Liih Ann vJi^vus Ar^M...'t Zütsciu-ili f.iviss Zoologie Bd. Cl. Taf. XXVI. VeHua Tcn Wilhelm EngeU L'ik A^l 7 JohanJtesAmü.Jtr» Zi'ilsihnl'l I ims. Zoologie Bd (1 Schema VI. ^hilihatotiisrluH Sf}ic, itk Ansl r JlthännuAf7uit,JtnäL Zeitschrift f. Miss. Zoologie Bd.CI. Taf.XXVJll VOSS gez- Verlag von WiUulm Engdmatm in Leipzig. lith.Anst v. JohcmusAniÜ.Jma,. Zeitschrift für n-iss Zoologie Bd Ci Taf XXIX. u i^eHxJ wi mihcini^elmam ui Ltipzig Luh-Ans! 7J0ka.1niiArndt.Jina,. w L Xeilsi-Iinft f. ttiss. Z()(ßlngie Bd. Ct. riit:nx. CK sk y ^^^ \ V>rU'lvWll»'l'"''f>gflmanniii:.ei!,;:!q Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. CI. Taf. XXXI. WWW Verlag von Wilhelm hunann in Leipilg. Zeitschrift f. ivüs. Zoologie. Bd. CI. Taf. XXXII. Fig. 1 Q Ficj. 2 Fig. 4 Fig. G Verlag von Wm»^'Vlmam in Leipzig. ■Ai'ilsrhrip fwhv.'/mi/oijif 11,1 Cl. ^l"-4^""'(( /•irAv 7,„,i.;,,. !:./ I I. Tai.yysii: MBL WHOI Librarv - SeriaU ||||j||!|jj!|j}{j!||j|||j{||{{l|Ä 5 WHSE 01450 /^ö 6 f; #4 r ','■ r . / ^' ;■.;