W.ß^4i' '^'£ w- i .« •>Ä %. y-*J ^' I.' r.*.^ ZEITSCHRIFT FÜB, WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE BEGRÜNDET VON CARL THEODOR V. SIEBOLD UND ALBERT V. KÖLLIKER HERAUSGEGEBEN VON ERNST EHLERS PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU GÖTTINGEN HUNDERTACHTER BAND MIT 217 FIGUREN IM TEXT UND 18 TAFELN LEIPZIG UND BERLIN VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1914 I?l 3 Inhalt des liundertachten Bandes Erstes Heft Ausgegeben den 16. Dezember 1913 Seite Karl Herbers, Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. Mit 104 Figuren im Text 1 Zweites Heft Ausgegeben den 7. Januar 1914 Alexius Zawarzin, Histologische Studien über Insekten. IV. Die opti- schen Ganglien der Aeschna-Larven. Mit 19 Figuren im Text und Tafel I— VI 175 Ludwig Lochraann, Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren. Mit 5 Figuren im Text und Tafel VII 258 Wilhelm Pampel, Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. Mit 28 Figuren im Text und Tafel VIII— X 290 Drittes Heft Ausgegeben den 27. Januar 1914 Friedrich Stellwaag, Der Flugapparat der Lamellicornier. Mit 15 Fi- guren im Text und Tafel XI— XIV 359 Fritz Burghause, Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum nebst Bemerkungen zum I uchtvermögen. Mit 5 Figuren, 9 Tabellen im Text und Tafel XV u. XVI 430 Viertes Heft Ausgegeben den 10. Februar 1914 M. Rimsky-Korsakow, Über den Bau und die Entwicklung des Spinn- apparates bei Embien. Mit 1 Figur im Text und Tafel XVII u. XVIII 499 Friedrich Volkmar Colditz, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees mit besonderen Studien über das Zentrifugenplankton und seine Be- ziehungen zum Netzplankton der pelagischen Zone. Mit einer Karte und Abbildung des Sees und 32 Figuren im Text 520 Kurt Lantzsch, Studien über das Nannoplancton des Zugersees und seine ■ Beziehung zum Zooplancton. Mit 6 Figuren im Text 631 Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. Von Karl Herbers. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit 104 Figuren im Text. Inhalt. Seite Einleitung 1 Geschichtlicher Überblick 3 Material und Methode 8 I. Biologie der embryonalen Periode 9 II. Die Embryonalentwicklung 13 1. Furchung und Mesodermbildung 14 2. Gastrula und Schalendrüse 19 3. Ausbildung der jungen Larve 21 4. Übergang zum Glochidium 28 III. Biologie der parasitären Periode 35 IV. Biologie der jungen Muscheln 43 V. Die Umwandlung des Glochidiums in die ausgebildete Muschel ... 49 1. Die Entwicklung zur Zeit des parasitischen Lebens .50 2. Die Weiterentwicklung nach Beginn des freien Lebens 57 VI. Organbildung 62 1. Schale (j2 2. Mantel, Mundlappen und Siphonen 69 3. Kiemen 75 4. Fuß und Byssusdrüse 84 5. Muskelsystem 93 G. Nervensystem und Sinnesorgane 96 7. Darmkanal 108 8. Gemeinsame Anlagen von Herz, Pericard und Niere 117 9. Niere 127 10. Herz und Pericard 133 11. Geschlechtsorgane 157 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 164 Literaturverzeichnis 167 Erklärung der Abkürzungen 173 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 1 2 Kall Hcibers, Die nachstellende Aibeit über die Entwicklungsgesclüchte der Anodonta cellensis ist im Zusammenhang mit einer Reihe von Unter- suchungen entstanden, die im hiesigen Institut über die Morphologie und Histologie dieser unserer größten Süßwassermuschel angestellt wurden. Sie hatte infolgedessen als Ziel eine zusammenfassende Dar- stellung der Gesamtentwicklung dieser Form im Auge, was um so mehr gerechtfertigt schien, als seit Schierholz (1888) kein solcher Ver- such mehr gemacht worden ist, während unsre Kenntnis über die Entwicklung der Unioniden durch Einzeluntersuchungen seitdem be- deutend gefördert wurde. Frank R.LiLLiE behandelte in seiner 1895 erschienenen Arbeit über die )>Embryologie of the Unionidae, a study in cell-lineage « (Nr. 43), in eingehenster Weise die Embryonalentwicklung, während W. Harms durch mehrere Untersuchungen (Nr. 21 — 25) die postembryonale Pe- riode aufklärte. Letzterer verfolgte insonderheit die Anlage und den frühen Ausbau der Organe der parasitierenden Larven, so vor allem die Entstehung von Niere, Herz und Pericard. In Ermanglung der passenden postparasitären Stadien blieb jedoch die Anlage der Ge- schlechtsorgane, der äußeren Kieme, der Hautsinnesorgane bisher noch in Dunkel gehüllt. Es erschien daher wünschenswert — wenn auch zu Anfang wenig aussichtsreich — durch Zucht und Suchen im Freien neue postparasitäre Stadien zu erlangen und auf diese Verhältnisse hin zu untersuchen. Aus solchen Erwägungen heraus ist diese Arbeit in ihrer vorlie- genden Form entstanden. Die Embryonalentwicklung wurde größten- teils in Anlehnung an die oben erwähnte Arbeit Lillies wiedergege- ben, da es dem Verfasser aus besonderen Gründen vorerst nicht möglich war das bereits gesammelte Material über die Embryonalentwicklung einer eigenen gründlichen Untersuchung zu unterziehen, wenn auch bereits Beobachtungen darüber von ihm angestellt waren. Die Un- tersuchungen betreffen daher insbesondere das Glochidiuni, sie sollen eine möglichst anschauliche Darstellung der parasitären Periode ge- ben, und wollen die Kenntnis der postparasitären Entwicklung der Na- jaden nach M()glic!ikeit zu fördern suchen. Die an drei Stellen eingeschobenen Abschnitte biologischen Inhalts machen keinen Anspruch', eine erschöpfende Darstellung der Biologie der drei entsprechenden Perioden de^ Entwicklungsgeschichte zu sein. Sie wollen vielmehr im Interesse einer geordneten Übersicht das bisher Bekannte zusannnenfassen und dabei die im Laufe der eigenen Unter- suchung gemachten Beobachtungen verwerten. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. Geschichtlicher Überblick. Der Weg, den die Erforschung der Najadenentwickluug genonnnen hat, ist kein gerader gewesen. Er ist vielmehr, wie die nachfolgenden Zeilen lehren werden, immer wieder durch irrtümliche Beobachtung und Auffassung aufgehalten und abgelenkt worden. Schon verhältnismäßig früh setzt die Forschung über diesen Gegen- stand ein. Wenn auch die Ergebnisse der älteren Arbeiten heute nur noch geschichtlichen Wert besitzen, so soll doch der Vollständigkeit der Übersicht halber hier kurz darauf eingegangen sein. Leuwknhook war wohl der erste, der die Najadenenibryonen ge- nauer betrachtete. 1695 entdeckte er das rotierende Stadium. Mery fand nach ihm die äußeren Kiemen der Anodonta zu gewissen Zeiten voll von Embryonen, das führte ihn 1710 zur Annahme, daß er in den äußeren Kiemen die Ovarien, in den inneren die Samenblasen der Muschel vor sich habe. Diese Meinung widerlegte erst Poli, als er 1791 — 95 die Geschlechtsorgane im Fuß der Lamellibranchier beschrieb. Eine vollständige Verwirrung, die alle bisherigen Anschauungen in Frage stellte, führten Rathke (1797) und Jacobsen (1828) herbei, als sie die Embryonen in den Kiemen für Parasiten erklärten. Rathke nannte die kleinen Larven »Glochidium parasiticum<<. Schon 1825 machte Pfeiffer zu gunsten der alten Auffassung darauf aufmerksam, daß den Wirbeln der jungen Muscheln die Glochidiumschale aufsäße. 1828 trat auch Blainville in einem Gutachten der Pariser Akademie Eathke und Jacobsen entgegen. Als dann C. E. v. Baer, der nie an der wahren Natur der Eier gezweifelt hatte, 1830 aufs genaueste den Weg entdeckte, den die Embryonen bei ihrer Wanderung vom Ovarium bis in die Kiemen nehmen, war die Parasitentheorie für immer abgetan. Unabhängig von v. Baer gab 1832 auch Carus auf Grund äußerst sorg- fältiger Beobachtungen eine Widerlegung der Theorie Rathkes. Er entdeckte aufs neue die Rotation der Embryonen und verfolgte an den orangeroten Eiern von Unio littoralis ebenfalls den Weg, den die Eier nehmen. Die Folgezeit ist gekennzeichnet durch ein eingehenderes Studium der Furchungsstadien, vor allem der Glochidiumlarve. QuATREFAGES (1835 — 36) ging allerdings allzukühn vor, als er »seitliche Mägen, Darmschlingeu, eine Leber, sogar eine Nabelschnur« an der Larve zu finden glaubte, wobei er wahrscheinlich die seitlichen Gruben und den Larvenfaden im Auge hatte. Diese Irrtümer deckte 1848 1* 4 Karl Herbers, Leuckart auf, beging aber den verhängnisvollen neuen, die Region der seitlichen Gruben als den vorderen Pol zu bezeichnen. Er versuchte auch zum erstenmal die Najadenembryonen mit denen andrer Mol- lusken zu vergleichen, ging dabei aber weit über die Wirklichkeit hinaus, wenn er behauptete, daß bei den Najaden die Übereinstimmung zwi- schen Larve und ausgewachsenem Tier größer sei als bei den marinen Lamellibranchiern. Darauf machte 0. Schmidt 1856 in einer kleinen Abhandlung aufmerksam; gleichzeitig schilderte er eine Reihe späterer Stadien, verfiel aber auch in den Fehler, das Hinterende der Larve für das vordere zu halten. Bis zu diesem Zeitpunkte hatte kein Forscher je eine Weiterentwick- lung des Glochidiums feststellen können. Sein Schicksal war in voll- ständiges Dunkel gehüllt, allen Zuchtversuchen widersetzte es sich durch baldiges Absterben. Da fand Leydig 1866 an den Fischen des Maines die parasitierenden Larven. Forel bestätigte 1868 diese Ent- deckung und bezeichnete genauer die Zeit, in der die Cysten an den Fischen zu finden waren. Damit war ein neuer Wegweiser für das Studium der postembryonalen Unionidenentwicklung gegeben. Forel selbst leugnete aber infolge unvollständiger Beobachtungen die Weiter- entwicklung der Larven während des parasitischen Lebens. Es soll hingegen nicht unerwähnt bleiben, daß er zum erstenmal das Glochi- dium richtig orientierte und die Windungen des Larvenfadens um den larvalen Adduktor erkannte. Eigentümlicherweise ruhte in der Forschung im nächsten Jahr- zehnt das Problem der weiteren Najadenentwicklung vollständig. Das hat wahrscheinlich darin seine Ursache, daß gerade zu jener Zeit die Lehre von den Keimblättern die Aufmerksamkeit der Embryologen auf sich lenkte. So ist es auch zu verstehen, daß die Jahre 1875, 1876 zwei neue Arbeiten über die frühe Entwicklung von Anodonia, bzw. Unio von diesem Gesichtspunkt geleitet brachten. W. Flemming unter- suchte auf das genaueste das reife Eierstocksei und das Verhalten der Kerne bei der Befruchtung und Furchung. Wir verdanken ihm ferner eine eingehende Beschreibung der Einstülpung der Ventralplatte und der Ausbildung des embryonalen Mantels. Weniger glücklich war er in der Anwendung der Keimblätterlehre. Die Entodermbildung hat er nicht beschrieben. Bei der Orientierung der Embryonen folgte er, ohne Rücksicht auf die Befunde Forels der alten Anschauung Leuc- KARTs. In eben diesen Fehler verfiel auch Rabl in seiner »Entwick- lungsgeschichte der Malermuschel«. Rabl glaubte ferner das Gastrula- stadium der Unioniden und damit die Entstehung des Entoderms Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 5 aufgefunden zu haben. In Wirklichkeit hatte er sich, durch das Objekt getäuscht, dazu verleiten lassen, die schon von Flemming in ihrer wahren Bedeutung erkannte Schalendrüse der Embryonen als Urdarm anzusprechen. Er erkannte zwar richtig die Ableitung des Meso- derms aus zwei Urniesodermzellen, ging aber fehl, wenn er diese sich aus den hohen CyUnderzellen seines >> Entoderms << entstanden dachte. Der erste Irrtum wurde zwei Jahre später in einer vorläufigen Untersuchung von C. 8chierholz endgültig richtiggestellt. Schier- holz war auf Grund einer Untersuchung der parasitierenden Periode, in der er den Ursprung der Kiemen aus den seitlichen Gruben, das Vorrücken von Fußwulst und Mundschild beobachtete, zu einer rich- tigen Orientierung des Glochidiums gelangt. Der zweite wurde zuerst von Balfour erkannt, wenn er 1880 in seinem Handbuch der ver- gleichenden Embryologie Bd. 1, S. 258 (Nr. 1) in einer längeren Aus- einandersetzung mit Rabls Befunden über die Lage des Blastoporus schreibt: >>.... Der Blastoporus hätte somit eine dorsale Lage. Er nimmt aber in der Tat die sonst der Schalendrüse zukommende Stelle ein und gleicht auch diesem Organ außerordentlich <<. Erst 1891 wurde von GoETTE, der augenscheinlich Balfours Vermutungen nicht ge- kannt hat, die wirkliche Anlage des Entoderms beschrieben. 1895 hat schließlich Lillie in seiner ausführlichen Arbeit die Bildung des Meso- derms aus Urmesodermzellen entwickelt. Inzwischen hatte seit 1878 eine eifrige Erforschung der parasitären Periode eingesetzt. Neben der oben erwähnten ersten Arbeit von Schierholz erschienen kurz hintereinander mehrere Mitteilungen von Braun (Nr. 4 — 7). Er nahm als erster künstliche Infektionen der Fische mit Glochidien vor, erhielt nach 70 Tagen freilebende Najaden und vermochte sie noch 14 Tage lebend zu erhalten. Sein Schüler, F. Schmidt, gelangte 1885 in einer Arbeit (Nr. 53) weit über die mehr grob orientierenden Beobachtungen von Schierholz und Braun hinaus. Ausgehend von einem genauen Studium des Glochidiams fand er die Anlage von Vorderdarm, Magen, Leber, Ganglien und Statocyste; auch entdeckte er die Zellgruppen, aus denen die Nierenbläschen her- vorgehen, dachte sie sich aber aus dem Mesoderm entstanden. Seine Najaden lebten noch vier Wochen nach dem Freiwerden. Darauf ver- öffentlichte Schierholz 1888 seine Hauptarbeit (Nr. 51), in der die gesamte Entwicklung von Anodonta und Unio behandelt wird. Er kam zwar in seinen Ergebnissen wenig über das bisher Bekannte hinaus, hat aber das Verdienst, eine Fülle von biologisch wertvollen 6 Karl Herbors, Daten gegeben zu liaben. Es .sei an dieser .Stelle auch auf eine ^Vrbeit verwiesen, die J. Hazay schon 1881 (Nr. 26) veröffentlichte, die meines AVissens bisher nie in diesem Zusammenhang berücksichtigt A\Tirde. Mit großer Sorgfalt hat er jahrelange Beobachtmigen über alle biologischen Fragen, die mit der postembryonalen Entwicklung der Unioniden zusammenhängen, gesammelt, sich insbesondere der Frage nach den Jugendfornieii und dem Wachstum der kleinen Muscheln ge- widmet. 1891 erschienen zwei kleinere Arbeiten von Latter und von v. Ihering. Erstere betrifft Mitteilungen biologischen Inhalts über die Wanderung der Eier und ihren Aufenthalt in den Kiemen, über das Verhalten der (jrh)chidien den Fischen gegenüber. In letzterer befaßt sich Ihering mit der Entwicklung der süd- amerikanischen Unioniden und Muteliden. Für die Glochidien der Unioniden findet er Abweichungen vom Bau der europäischen, für die Muteliden beschreibt er als selbständige Larvenform die Lasidiumlarve, In der Zeit von 1895 — 1904 veröffentlichte Faüssek eine Reihe von Untersuchungen, die dem Vorgang der Cvstenbildung, der Ernährung der Larve während der parasitischen Periode und den mannigfachen pathologischen Vorgängen, denen das Glochidium unterliegen kann, gewidmet sind. 1895 erschien auch die bereits eingangs erwähnte Studie Lillies über die Embryonalentwickluug der Unioniden. Nach dem Vorbild von Conklin und Wilson für Crepidula und Nereis führte er für Unio bis zur Gastrula die >>Oell lineage« durch. Er verfolgte auch die weitere Entwicklung bis zum Glochidium und beschreibt die frü- hesten Organanlagen. Hier setzte Harms (1907 — 09) in seinen Arbeiten über die postembryonale Entwicklung der Unioniden ein. Besonders bemerkenswert ist sein, von Lillies Ergebnissen abweichendes Re- sultat über die Al)leitung der gemeinsamen Anlage von Niere, Herz und Pericard. Während Lillie sich diese aus dem Mesoderm ent- standen denkt, leitet Harms sie aus dem Ektixlerm ab. Im übrigen verdanken wir Harms eine, zumal mit den Mitteln der modernen Tech- nik bis ins einzelne gehende Darstellung der parasitären und frühen postparasitären Entwicklungsvorgänge, die insbesondre in den Ka- piteln Niere, Herz und Pericard weit über das bisher Bekannte hinaus- geht. Harms hat auch zum erstenmal die postembryonale Entwicklung von Unio vollständig, die von Margaritana margaritifera teilweise ver- folgt. Der hierdurch ermöglichte Vergleich der Formen ergab im we- sentlichen eine Übereinstinnnung, die nur bei der Ausbildung von Herz und Pericard bedeutend lockerer wird. Es bleibe schließlich nicht un- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensls Sehröt. 7 erwähnt, daß durch Harms auch unsre Kenntnis von der Biologie der parasitierenden Larve und der Najade bedeutend bereichert wurde. An der Hand bestimmter Daten machte er auf den Einfluß der Temperatur auf die Dauer des Parasitismus aufmerksam, verfolgte aufs neue die Er- nährung und Pathologie des parasitierenden Glochidiums und piüfte in eingehender Weise die Bedingungen, die zu einer erfolgreichen Zucht der Najaden notwendig sind. Inzwischen hatte Voinea 1903 eine besondere Arbeit über die Kiemenentwicklung der Najaden veröffentlicht. Wie schon Wasser- Loos 1011 nachgewiesen hat, irrte Voinea, wenn er die innere Kieme nach dem Faltentypus sich entstanden dachte. Für die äußere Kieme war bisher aus Mangel an passenden Stadien nichts Genaueres über die Entstehung auszusagen. Aber auch diese entsteht nicht, wie Voinea annahm, nach dem Falten-, sondern nach einem, allerdings modifizierten Papillentypus. In neuester Zeit (1908 — 12) ist schließlich eine ausgedehnte Lite- ratur nordamerikanischer Forscher über die Entwicklung der Najaden erwachsen. Unter der Leitung der Professoren Lefevre und Curtis an der »University of Missouri << ist man dort mit einem großen Stab von Mitarbeitern der Aufgabe nahe getreten, wissenschaftlich die Möglich- keit und die Bedingungen einer künstlichen Aufzucht, der für die Perlen und Perlmutterindustrie so wichtigen Unionen zu erforschen. Ohne hier im einzelnen auf die Veröffentlichungen einzugehen (man vergleiche das Literaturverzeichnis am Schluß dieser Arbeit) sei auf die jüngste, alle bisherigen Ergebnisse zusammenfassende Publikation von Lefevre und Curtis verwiesen, betitelt: »Studies on the reproduction and arti- ficial propagation of fresh-water mussels« (Nr. 39). Alles Bekannte, was auf irgend eine W^eise mit diesem Thema in Beziehung steht, ist hier aufs sorgfältigste gesammelt. Daneben findet sich eine zum Teil durch gute Abbildung veranschaulichte Fülle neuer Beobachtungen über den Aufenthalt der Eier in den Kiemen der Mutter- tiere, über den Bau der Bruttaschen, über den Bau und das Verhalten der Glochidien vor und während der parasitischen Periode, die Lebens- weise und Lebensbedingungen der jungen Muscheln. Von besonderem Interesse für die vergleichende Entwicklungsgeschichte sind die Beob- achtungen über 17 Formen von Glochidien, die drei verschiedenen Typen, dem hakentragenden, dem hakenlosen und dem beilförmigen angehören. Der Parasitismus war ganz verschieden stark ausgebildet, bei einer Species Strophytus Rafinesque mit beilförmigen Glochidium konstatierten Lefevre und Curtis den bisher einzigartig dastehenden 8 Karl Herbers, Fall einer Metamorphose ohne Parasitismus. Daß im übrigen die zitierte Abhandlung erfüllt ist von Berichten über praktische Versuche aller Art, ja solchen in großem Maßstab, sei noch besonders hervorgehoben. Material und Methode. Zur Untersuchung wurden fast ausschließlich Embryonen, Larven und junge Muscheln von Anodonta herangezogen. Drei Fundstätten in der Nähe Marburgs lieferten Muttertiere der s^ec. cellensis und jns- cinalis. Für die künstlichen Infektionen, die nach den Angaben der früheren Untersucher in flachen Glasschalen ausgeführt wurden, dienten Glochidien von Anodonta cellensis. Die embryonalen Stadien, sowie die im Freien gesuchten jungen Muscheln gehörten der spec. piscinalis an. Zur Zucht der parasitierenden Stadien wurden kleine 3 — 5 cm lange Fischchen benutzt. Die Larven hefteten sich meist an den Flossen, weniger an den Kiemen an. Die Präparation der Larven für Total- präparate, die anfangs große Schwierigkeiten bereitete, ^vur de schließlich in einer schon bei Schierholz angedeuteten Weise vorgenommen. Nach- dem die Fischchen in halbgesättigtem Chloroformwasser getötet und darauf kurze Zeit in reinem Wasser gelassen worden waren, ließ sich meist die Epidermis der Flossen mit den anhaftenden Larven leicht abstreifen. Nur in seltenen Fällen fielen die Larven frei aus ihren Cysten heraus, meist wurden sie mit Hilfe einer starken Lupe und feiner messerartig zugeschärfter Nadeln von den anheftenden Epidermis- fetzen befreit. So isoliert, wurden sie darauf mit einer heißen Lösung von Sublimat-Eisessig konserviert und zum Teil zum Zweck einer ge- nauen Orientierung nach der Nelkenölkollodiummethode auf kleinen Glasplättchen eingebettet (Näheres über diese Methode vgl. bei Wasser- Loos, Nr. 109, S. 184ff.). Heißer Subhmat-Eisessig mit einer Ein- wirkungsdauer von etwa 10 Minuten gab nach vielen andern Versuchen die besten Resultate, oft auch dann noch, wenn die Larven die Schalen dicht geschlossen hielten und somit ein rasches Eindringen der Konser- vieruniisflüssiükeit verhinderten. Diese Gefahr w^ar auch bei den Na- jaden und den im Freien gefundenen Muscheln besonders groß. Nach wenigen Versuchen gab ich es auf, durch schwache Lösungen von Cocain oder Chloralhydrat vor der Konservierung eine Lähmung der kleinen Objekte herbeizuführen, die das vorzeitige Schließen der Schalen und die heftigen Kontraktionen verhindern sollte. Die Schalen wurden trotzdem zumeist so schnell geschlossen, daß auch die Narkotika nur langsam eindringen konnten und dann durch Maceration mehr ver- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 9 darben als nützten. Daher habe ich bei der Kostbarkeit des Materials später nur folgende Methode angewandt. Die Najaden wurden mit einer geringen Menge Wasser in ein ganz sauberes Uhrschälchen ge- bracht und unter dem Binokular beobachtet. Sowie die Tierchen die Schale öffneten und den Fuß vorstreckten, woirden sie plötzlich mit bereitgehaltener heißer Konservierungsflüssigkeit getötet. So gelang es mit einiger Geduld, den größten Teil in brauchbarem Zustand zu kon- servieren. Die älteren 1 — 3 cm langen Muscheln, die mit Rücksicht auf das Zustandekommen der Darmschlingen untersucht wurden, legte ich zu- nächst eine halbe Stunde in 1% Chloralhydratlösung. Nachdem dann mittels einer Pinzette der hintere Schloßrand der Schale entfernt war, wurde vom Enddarm aus kalte Injektionsmasse eingeführt. Nach dem Festwerden der Masse ließ ich das umgebende Gewebe in V2% Kali- lauge abmacerieren und erhielt so einen getreuen Ausguß des Darmes. Die Färbuno- der Schnitte erfolgte meist mit ÜEiDENHAiNschen * ^ ... Eisenhämatoxyhn , bei größeren Objekten auch mit Hämatoxyhn nach Delafield oder einer der gebräuchlichen Doppelfärbungen. Über die Einzelheiten in der Beschaffung und Aufzucht des Ma- terials soll Näheres in den betreffenden biologischen Kapiteln mitgeteilt werden. I. Biologie der embryonalen Periode. Es kann im Rahmen dieser Arbeit nicht meine Aufgabe sein, näher auf die äußerst interessanten Fragen nach dem Weg, den die Eier vom Ovarium bis in die äußere Kieme nehmen, nach dem Ort der Befruch- tung einzugehen. Letzteres Problem muß heute noch als ungelöst be- trachtet werden, während ersteres schon von C. E. v. Baer eine ge- schickte Lösung fand. Die embryonale Periode reicht vom Augenblick der Befruchtung bis zum Ende des Furchungsprozesses, dessen Re- sultat das Glochidium ist. Den größten Teil dieser Zeit verlebt der Embryo in der äußeren Kieme des Muttertieres, erst kurz vor der para- sitischen Periode verläßt er diesen schützenden Aufenthalt. Den Zeit- punkt des Übertrittes der reifen Eier in die Kiemen bezeichnet man in der Literatur als Brunstzeit, während für die Dauer der Furchung der Name Brutzeit geprägt worden ist. Von beiden zu unterscheiden ist noch die Gesamtdauer des Aufenthaltes der Embryonen und der fertig ausgebildeten Glochidien in den Kiemen des Muttertieres. Hier soll zunächst von der Brunstzeit die Rede sein. Flemming, Schierholz und Harms geben als Zeitpunkt Mitte und 10 Karl Horbers, Ende August an. Hazay unterscheidet bei seinen Angaben die ver- schiedenen Arten und stellt merkliche Unterschiede nach der Art des Fundortes fest. Für Anodonta cellensis beobachtete er in Teichen die Einlagerung der Eier in die Kiemen von Anfang bis Ende November während sie in einem Altwasser der Donau schon Mitte März begann. Für Anodonta fiscinalis gibt er als Erster zwei verschiedene Brunst- zeiten an. Sie sollen im April und September stattfinden. Nach meinen Beobachtungen ist für A. cellensis unbedingt an dem von Flemming, Schierholz und Harms gegebenen Zeitpunkt festzuhalten. Es sei nur darauf hinge\^ lesen, daß in dem außergewöhn- lich heißen Sommer 1911 der Übertritt der Eier schon Ende Juli fest- gestellt wurde. Demnach mag je nach dem Einfluß der Witterung ein Schwanken der Brunstzeit innerhalb gewisser Grenzen stattfinden; es -uTirde aber niemals eine den Angaben Hazays entsprechende Schwan- kung nach der Beschaffenheit des Aufenthaltsortes beobachtet. Es bleibt vorläufig noch unerklärt, wie seine Daten für A. cellensis zu deuten sind. Anders liegt der Fall für A. piscinalis. Durch direkte Beobach- tungen konnte zwar das Vorkommen zweier Brutzeiten nicht bestätigt werden, jedoch läßt mir ein am 8. August 1911 in -im Tiefe im Flußbett der Lahn gemachter Fund dies als sehr wohl möglich erscheinen. Die in Fig. 43, S. 67 zur Darstellung gelangte junge Muschel (Länge: 2Gnim, Höhe 17,9 mm, Dicke 7,1mm) weist keinerlei Spur eines Jahres- ringes auf. Die äußerst dünne Schale zeigt nur nach dem Rande zu eine leichte grünlich-gelbe Färbung und ist sonst noch ganz von em- bryonaler Beschaffenheit. Für den beschriebenen Fall scheinen mir drei Erklärungsversuche besonders am Platze. 1. Die junge Muschel entstammt der gewöhnlichen Herbstbrunst. a) Das Glochidium, aus dem sie hervorging, gelangte zufälliger- weise schon im Herbst zum Parasitismus (Alter zu schätzen auf 1 Jahr). h) Das Glochidium parasitierte normal im Frühjahr. Die junge Muschel legte aber — tief im Flußbett lebend — keinen Jahres- ring an (Alter I1/2 J''^^i)- 2. Die Muschel entstammt einer Frühjahrsbrunst und gelangte noch im Herbst zum Parasitismus (Alter 1 Jahr). Eine definitive Lösung der Frage nach der zweiten Brunstzeit bei A. fiscinalis kann natürlich erst dann gegeben werden, wenn directe Beobachtuniren vorlieiien oder wenn wir durch eine genauere Kenntnis Entvvicklungsgescliifhte von Anodonta cellonsis Schrot. 11 der Biologie der jungen Muschel zu bestimmten Rückschlüssen auf ihr Alter befähigt sind. Es sei noch darauf hingewiesen, daß das Vor- kommen einer doppelten Brunstzeit schon für andere Formen beschrie- ben ist. Margaritana soll nach Harms (Nr. 22, S. 332) zweimal laichen; für das artenreiche Genus Quadrula haben Leffare und Cürtis (Nr. 39, S. 144) eine doppelte Laichzeit sehr wahrscheinlich gemacht. Über die Dauer der Brutzeit, d. h. der Zeit vom Beginn der Fur- chung bis zur fertigen Larve sind naturgemäß nur schwer sichere Be- obachtungen zu erlangen. Nach Schierholz soll sie mehr als zwei, nach Hazay mehr als vier Monate währen. Im Sommer 1911, der, wie schon weiter oben bemerkt, außerordentlich heiß war, konnte ich folgende Daten sammeln: Am 26. Juli w^urden die ersten Eier in den Kiemen der Muttertiere beobachtet. Schon am 8. August, also nach 12 Tagen waren bei der Mehrzahl der Muscheln auf der Sonnenseite des Teiches die Embryonen bis zur Larve entwickelt und hatten bereits die Eihülle verlassen. Auf der Schattenseite befanden sich jedoch sämt- liche Embryonen noch auf früheren Furchungststadien. Es ist für Anodonta, im Gegensatz zu ünio, eine schon durch Flemming und Schierholz bekannt gewordene Tatsache, daß sich alle Embryonen gleichzeitig nahezu auf demselben Furchungsstadium befinden. Wahrscheinlich hat man diesen Befund auf eine gleichzeitig oder doch kurz hintereinander erfolgende Befruchtung zurückzuführen. Hazay will zwar bei jungen Furchungsstadien eine große Verschieden- heit wahrgenommen haben, jedoch muß ich nach meinen Beobach- tungen, die an einem reichen Material selbst frühester Stadien ge- macht wurden, Flemming und Schierholz durchaus Recht geben. Vor allen andern Stadien der embryonalen Periode haben schon seit langem die »rotierenden Embryonen« der Anodonta das Interesse der Biologen auf sich gelenkt. Schon Leuwenhoek (Nr. 117) und nach ihm Carus (Nr. 9) berichten mit Entzücken von dem Eindruck, den dieses Naturschauspiel auf sie gemacht hat. Verursacht durch den lebhaften Schlag langer Cilien, die das Wimperfeld (vgl. S. 20) bedecken, vollführen die Embryonen in der Minute etwa zehn Umdrehungen und dies tagelang (nach Schierholz sogar 14) hinter einander. Diese leb- hafte Bewegung muß einen um so mehr in Erstaunen versetzen, wenn man sich den hilflosen Anblick reifer Glochidien vergegenwärtigt. Die biologische Bedeutung der Rotation dürfte wohl in einer vermehrten Nahrungs- oder Sauerstoffzufuhr zu suchen sein. Je nach dem Auftreten der Brunstzeit hatte Ortmann (Nr. 122) für die nordamerikanischen Unioniden »Sommer- und Winterbrüter« 12 Karl Herbers, unterschieden. Diese Einteilung haben Lefevre und Curtis neuer- dings verlassen und die Gesamtdauer der Kiementrächtigkeit als ein- teilendes Prinzip eingeführt. Sie unterscheiden eine »short« und eine '>long period of gravidity «. Die '>short period << würde dem hier gebrauch- ten Ausdruck Brutzeit gleichkommen. Es sind in dieser Gruppe solche Formen zusammengefaßt, welche, wie unsre europäischen Unionen, die eben herangereiften Glochidien gleich ausstoßen. Denmach wäre Anodonta zur andern Gruppe zu rechnen, denn sie behält die reifen Larven noch den ganzen Winter über bis ins Frühjahr hinein in den Kiemen. Erst im Februar oder März, wenn die ersten kräftigen Sonnen- strahlen die Fische hervorlocken, entledigt sich das Muttertier mit, einemmal der gesamten Brut. Es kommen vereinzelt auch Fälle vor, wo die Larven bis zum Juni, also nahezu 11 Monate in den Brutfächern beharren. Ein frühzeitiges Ausstoßen der Embryonen, das man im Lauf des Winters mitunter an den in der Gefangenschaft gehaltenen Tieren beobachten kann, ist eine krankhafte Erscheinung, die auf un- üünstioe Wasserverhältnisse zurückzuführen ist. Ohne auf den Bau der Kiemen, auf die besonderen Einrichtungen, die zur Aufbewahrung und Pflege der Brut dienen einzugehen (man vgl. bei Lefevre und Curtis [Nr. 39, S. llGff.] das Kapitel »The Marsupium<<), sei noch kurz die Frage nach der Notwendigkeit und dem Nutzen der langen Trächtigkeit berührt. Für die Anodonta-Glochidien steht es fest, daß den ganzen Winter über, außer einer geringen Diffe- renzierung der Ganglienanlagen keinerlei W^eiterentwicklung statt- findet. Nach V. Baer soll sich der Kiemenaufenthalt der Glochidien »weniger aus dem Atmungs- als vielmehr aus dem Bedürfnis nach Nahrung« erklären. Das stimmt sehr wohl mit der Tatsache überein, daß die Glochidien im Höchstfall nur 36 Tage im Wasser zu leben vermögen (Forel). Gewöhnlich sterben sie schon nach wenigen Tagen ab; sie haben sich auch allen Versuchen, die eine künstliche Beförde- rung der Weiterentwicklung, also gewissermaßen einen Ersatz der para- sitischen Periode bezweckten, hartnäckig widersetzt. (Lef., Curt., Nr. 39, S. 174). Während aber diese Beobachtungen nur ein Licht auf den Nutzen des Kienienaufenthaltes überhaupt werfen, liegt es nahe, die Gründe für die lange Winterruhe mit den ungünstigen Lebens- bedingungen für die parasitierende Larve und die junge Muschel in Beziehung zu bringen. Ehe wir aber nicht besser über die Biologie der jungen und alten Muscheln im Winter, über den Aufenthalt der Fische in dieser Zeit unterrichtet sind, bleibt es unmöglich; nähere Schlüsse zu ziehen. Entwicklungsgeschichte von Aiaodonta coUensis Schrot. 13 II. Die Embryonalentwicklung. Wie schon in der Einleitung hervorgehoben und begründet wurde, stellt dieser Abschnitt der vorliegenden Arbeit zum größten Teil eine Wiedergabe der bisherigen Forschungsergebnisse dar, wie sie in der schon mehrfach erwähnten Abhandlung Lillies am weitesten geför- dert wurden. Wenn auch Lillie aus rein praktischen Gründen als Untersuchungs- objekt in der Hauptsache Unio verwandte, so glaubten wir doch seine Resultate ohne weiteres übernehmen zu dürfen, um so mehr, als Lillie S. 6 ausdrücklich schreibt: >>What J have to contribute on Anodonta concerns the glochidium only «. Lillie hat für die Unioniden in gleicher Weise wie E.B.Wilson für Nereis die >>cell-lineage << bis ins einzelne durchgeführt und sich dabei auch der Nomenklatur Wilsons bedient. Hier ^^-^^ "^^ soll die Embryonalentwicklung nur in der Übersicht wiedergegeben und die Bezeichnungsweise Lillies nur dort verwendet werden, w^o allgemein wich- tige Zellen und Stadien besonders her- vorzuheben sind. Die Orientierung der Figuren, die zum großen Teil einfach Kopien derer Lillies darstellen, hat so stattgefunden, daß die Macromeren, jrig. i. aus denen später der dorsale Teil des ei von unio compUnata in der Eihüiie :). mp, Mikropylf tungskörperchen. Embryos, insonderheit der Schalenrand ("'-«h Lillie). «.p.Mikropyie; rA-, Rieh- ■^ ' tili hervorgeht, nach oben gelegen sind. So hat man von vornherein die endgültige Orientierung der Larve im Auge. Das reife, befruchtete Ei von Anodonta läßt im Gegensatz zu denen der marinen Lamellibranchier deutlich drei Teile erkennen (Fig. 1). \. Die umfangreiche Eihülle, die mit einer schornsteinartig auf- gesetzten Microphyle mp versehen ist. Sie umschließt den Embryo während der ganzen Embryonalentwicklung. Erst wenn die Schalen der jungen Larven vollständig ausgebildet sind, zerreißt sie. 2. Das eigentliche Ei mit Eikern, Dotter und den Richtungs- körperchen rh. In der Nähe der Micropyle haften bei jungen Eiern Ei und Eihülle an einander. Gerade dieser Stelle gegenüber sollen sich nach Lillie stets die Richtungskörperchen befinden. Die Zone der 14 Karl Herbors, Richtungskörpercheii erweist sich aber im Verlauf der weiteren Ent- wicklung als aninialer Pol. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, schon am ungefurchten Ei animaleii und vegetativen Pol zu unterscheiden. 3. Die eiweißartige Nährflüssigkeit, in der das Ei schwebt. 1. Furchung und Mesodermbildung. Die erste Furchungsebene geht vom animalen Pol aus und teilt das Ei in ein größeres und ein kleineres Elastomer CZ> und ^Iß (Fig. 2). Während beide zunächst noch ungefähr kugelförmig sind, flachen sie sich nach und nach an der Berührungsstelle ab. Die zweite Furchung.s- ebene steht annähernd auf der ersten senkrecht. Sie trifft aber nicht beide Zellen gleichzeitig, sondern schnürt zunächst von CD ein neues CD. ■->erster Somatoblast << von Lillie mit dem besonderen Buchstaben X belegt (Fig. 6Z). Aus dem ersten Ectomeren- quartett gehen inzwischen vier neue Micromeren (das dritte Quartett) hervor, sodaß nunmehr der Embryo aus 16 Zellen besteht. Die Über- 16 Karl Herbers, einstimmiing mit dem spiraligen inäqiialen Furchungstypus. wie man ihn von andern Mollusken (Lamellibranchiern und Gastropoden) sowie aus andern Abteilungen des Tierreichs kennt, tritt in den soeben be- schriebenen Stadien deutlich hervor und ist auch weiterhin nicht zu verkennen. Zunächst wird die Zahl der Zellen um eine dadurch erhöht, daß der erste Somatoblast sich teilt. Fig. 6 zeigt das 17-Zellenstadium vom oberen Pol geseh3n. Es schnürt sich alsbald von der D-ZeWe als erstes Glied der dritten Ectomerengeneration eine kleine Zelle d^ (Fig. 7) ab. Die übrigen Glieder folgen erst später. Zuvor tritt das zweite Ecto- merenquartett, zu dem auch der erste Somatoblast X gehört, in Teilung M. < d3 Fig. 7. Fig. 8. Ausbildung der dritten Ectomerengeneration 31-Zellenstadium vom unteren PoKnacliLiLLlE). (uadi LiLLiE). r= «22^ larvaler- Mesobla.st. il/ = rf*, i)rimärer Jlesoblast; 1', larvalcr Meso- blast. ein. Die aus «^ entstandene Zelle «22 y^xx^ als »larvaler Mesoblast« mit dem Buchstaben Y belegt. Sie besteht aus rein mesodermalen Elementen und läßt später den larvalen Adductor aus sich hervorgehen (Fig. 7 Y). Am oberen, apicalen Pol flachen sich die Micromeren mehr und mehr ab, Sie bilden eine Zellkappe und treten in eine längere Ruhepause ein. Die nächsten Umwandlungen beziehen sich auf den ersten Somatoblasten, der ein weiteres Glied abschnürt und auf das Auftreten der drei restierenden Zellen der dritten Ectomerengeneration. Darauf stößt D eine vierte Zelle c?* ab, die als primärer » jMesoblast << M eine besondere Bedeutung gewinnt (Fig. 8 M). Mit dieser Teilung ist das aus 32 Zellen bestehende Blastulastadium erreicht, bei dem die Keimblätter deutlich auf bestimmte Gruppen von Blastomeren ab- gegrenzt sind. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 17 Die Zellen A, B, C, D setzen sich jetzt nur noch aus rein ento- dermalen Elementen zusammen. Der primäre Mesoblast M, der lar- vale Y mit Tochterzelle bilden das Mesoderm, wohingegen die drei Ectomerengenerationen und der erste Somatoblast mit seinen Ab- kömmlingen das Ectoderm vertreten. Die Zahl 32 ist dabei, wie Lillie ausdrücklich hervorhebt, rein zufällig, nicht etwa auf dem Wege einer geometrischen Keihe erreicht. Die weitere Umgestaltung des Embryos hat die Anlage bestimmter Eegionen zur Folge, die zunächst noch ohne Herstellung der Bilateral- symmetrie vor sich geht. Aus der ersten Ectomerengeneration, deren Teilungen sehr langsam verlaufen, bildet sich das vordere Ende der zukünftigen Larve. Die zweite Ectomeren- generation, aus welcher der erste Somato- / .-' - / blast A' und der larvale Mesoblast Y hervorgingen, die in ihrer weiteren Ent- wicklung weiter hinten noch besonders betrachtet werden sollen, baut mit ihren i übrigen Blastomeren den larvalen Mantel \,^ t^^^pi'^X' "^ auf. Wahrscheinlich betailigt sich auch V ;' V ^" ' die dritte Ectomerengeneration daran, jedoch konnte Lillie ihr Schicksal nicht im Einzelnen verfolgen. ^'S- 0. TV X o X 1 1 j_ f 1 "j. 1. • liilati'i'al-syiiiinetrisi-lie 'reiluna von A' Der erste bomatoblast A leitet in- , „ . •,, ,■ . , , und M; Ansiclit von hinten (nach zwischen durch eine genau symmetrische lillie). Teilung den bilateral symmetrischen Aus- bau der Larve ein (Fig. 9). Gleich darauf schnüren beide Tochterzellen noch je eine kleine Zelle ab. Mit allen früheren, unpaaren Abkömm- lingen von X bilden die so entstandenen vier Zellen nach Lillie »eine Zunge von Zellen«, die nach vorn über den Mesoblasten M oder auch »zweiten Somatoblasten << vorwächst. Aus den symmetrischen Zellen X X bildet sich in der Folgezeit das Schalendrüsenfeld, wäh- rend aus den unpaaren Derivaten des ersten Somatoblasten Xi — X^ das Wimperfeld hervorgeht, das seinerseits direkt an die Entomereu Ä, B, C. D grenzt. Der zweite Somatoblast M unterliegt nunmehr auch einer bila- teralen Teilung. In Fig. 9 sind die Tochterzellen M M besonders hervor- gehoben. Während die Umwachsung des zweiten durch den ersten Somatoblasten fortschreitet, schnürt ersterer (Fig. 10) noch zwei kleine Zellen m m ab, die an den hinteren (oberen) Rand des zu dieser Zeit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 2 18 Karl Heibers, sich einstülpenden Blastoporus zu liegen kommen. Jetzt erst erfolgt der Eintritt der eigentlichen Mesoblasten in die Furchungshöhle (s. Fig. 11). LiLLiE hält es für wahrscheinlich, daß auch die kleinen Zellen m m später in die Furchungshöhle verlagert werden. Es kann nicht unerwähnt bleiben, daß eine erneute Untersuchung- über das Verhalten des zweiten Somatoblastcn bei den Unioni den drin- gend erwünscht ist. Schon Stauffacher hatte für Cijclas eine Beteili- gung der Derivate des »Mesoblasten << am Aufbau des Entoderms be- hauptet, E. B. Wilson, der bei Nereis ursprünglich an eine sekundäre Einwanderung pigmentierter Abkömmlinge von M M glaubte, hat diese Darstellung, die Lillie in seiner Auffassung eine wesentliche Fig. 10. Der piimiire ilesoblast MM wird von den Zellen des ersten Somatoblasten umwachsen, und seliaürt die Tochterzellen mm ab (nach Iji.lie). Fig. 11. Anocloiita rellfiisis, Eintritt des ))riniären Meso- blasten .1/ in die rurchungshöhle (Oridnal). Vergr. 250 : 1. Stütze bot, später wieder zurückgenommen und vielmehr die Anteil- nahme jener Pigmentzellen an der Zusammensetzung der hinteren Archenteronwand dargetan. Auch Conklin hat für Crepidida das Vorhandensein reichlicher entodermaler Elemente im Mesoblasten nach seiner ersten bilateralen Teilung beschrieben. Meisenheimer hat end- lich bei Dreissensia nie ein nachträgliches Eintreten der fraglichen Zellen in die Furchungshöhle beobachtet. Nach seiner Meinung »schie- ben sie sich vielmehr mitten zwischen die vegetativen Zellen hinein und gehen in ihnen auf, ohne daß sie später noch zu unterscheiden wären«. Sollte sich ein gleiches Verhalten für die Unioniden be- stätigen, so wäre in der weiter vorne geschilderten Aufteilung des 32 Zellenstadium auf die drei Keimblätter eine entsprechende Korrektion vorzunehmen. Erst nach erfolgter Bilateralteihmg, nach der Los- lösung von m m trüge dann der zweite Somatoblast den Namen Meso- blast zu Recht. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 19 Betrachten wir, um den allgemeinen Verlauf der Entwicklung nicht zu weit vorauszueilen, das Schicksal des larvalen Mesoblasten Y (vgl. Fig. 8, S. 16). Bisher an der linken Seite des Embryos gelegen, wird er immer mehr von den umgebenden Zellen umhüllt. Ehe er aber ganz in der Furchungshöhle verschwindet, schnürt er noch zwei bis drei kleine Tochterzellen ab. Erst im Innern geht er in eine bilaterale Teilung ein worauf gleich jede Hälfte sich noch einmal durchschnürt. Wie schon angedeutet, bilden sich aus dem ersten Somatoblasten nach Beginn der bilateralen Teilungen die Zellen der zukünftigen Schalen- drüse. Es kommt infolge starker Zellvermehrung schließlich zur Aus- bildung einer ganzen Platte hoher, säulenförmiger Zellen (Fig. 13), die das Bild des Embryos wesentlich verändert. Es entsteht die lang- gestreckte dorsale Körperachse, die von nun an die vorherrschende bleibt. 2. Gastrula und Schalendrüse. Bald nachdem die Urmesodermzellen ganz in das Innere der Fur- chungshöhle verlagert sind, vollzieht sich die Bildung des Urdarms. Es wurde schon in der Literaturübersicht darauf hingewiesen, daß dieser Vorgang zum erstenmal richtig von Goette erkannt wurde. Zwar hatte schon vorher Balfour auf Grund eines genauen Vergleichs der Regionen des Embryos starke Zweifel über die Ergebnisse der frü- heren Untersucher, insbesondere derer Rabls gehegt, er hatte sogar direkt auf die Wahrscheinlichkeit einer Verwechselung von Schalen- drüse und Entodermsäckchen hingewiesen (Nr. 47, S. 258). Jedoch blieb es Goette vorbehalten, den Nachweis zu führen, daß wirklich die Schalendrüse durch ihr eigenartiges Verhalten die älteren Beob- achter irre geführt hatte und daß diesen die wahre Anlage des Urdarms vollständig entgangen war. Während die wichtigen Ergebnisse Goettes nur in einer kürzeren Mitteilung niedergelegt sind, ist es das Verdienst Lillies, die Vorgänge der Gastrulation und Schalendrüsenbildung exakt und ausführlich dargestellt zu haben. Zur Zeit der Bildung des Urdarms, die bedeutend früher stattfindet als die Einstülpung der Schalendrüse, besitzt der Embryo noch eine langgezogene, gedrungene Gestalt (Fig. 12). Die Entomeren Ä, B, G, D (Fig. 8) liefern das Material des Entodermsäckchens, indem sie sich vor der Einstülpung bedeutend an Zahl vermehren. Fig. 12 und Fig. 13 veranschaulichen den Vorgang der Urdarmbildung selbst. Sie lassen auch die Lage des jetzt noch frei mit der Außenwelt kommunizierenden Entodermsäckchens zu den übrigen Regionen des Embryos erkennen. 20 Karl Herbers, Fig. 12. Gastnüastadiiim von Unio complanata in üchcr Ansicht (nach J,ILLIE). Charakteristisch ist besonders der Winkel zwischen dem Schalendrüsen- feld {sdf) und der oberen Lippe des Blastoporus {hl), die vom Wimper- feld (w) begrenzt Avird. Dazwischen eingekeilt befindet sich der primäre Mesoblast M (zweite Somatoblast). Weiter nach vorn liegen die Zellen des larvalen Mesoblasten Y . Nach und nach schließt sich der Blastoporus, das Säckchen schnürt sich ganz vom Ectoderm ab und lagert blind geschlossen (Fig. 16, 8. 24) am hinteren Pol des Embryos, bis später die reife Larve zum Para- sitismus gelangt. Der Verschluß des Entoderm- säckchens wird gefördert durch die weitere Ausbildung des Wimper- schildes (Fig. 15, 13 v), die wir hier, w^enn auch zum Teil zuvor- greifend betrachten w^ollen. Es bil- det sich allmählich eine Zellplatte, die vom hinteren Rand des Schalendrüsenfeldes bis zum Blastoporus reicht. Sie be- deckt sich mit feinen Cilien, welche durch ihre ununter- brochene Tätigkeit bis fast zur vollen Ausbildung des Glochidiums, die für Ano- (?onia-Embryonen so charak- teristische Rotation bewirken. (Bei Unio findet nach Lillie wegen der schwachen Ausbil- T^- , .^ düng der Cilien keine Rotation r lg. l.i. ~ Anodonta cellennis; mcrlianer Sa?ittalsclinitt (liircli das statt [vgl. aUch S. 11.]) Gastrulastadium. tv, Wimperfeld; sdf, Sclialendrüsen- Nach dor Anlage dcS feld; bl, Blastoporus; M, primärer Mesoblast; V, lar- valcr Mesoblast. (Original.) Vergr. :!-() : 1 ; verkl. EntodcrmsäckchcnS erfährt der Embryo eine Ausweitung. Die primäre Leibeshöhle wird stark vergrößert, indem das gesamte Zellmaterial einer Streckung unterworfen wird. Darauf beginnt die Einstülpung der Schalendrüsenzcllen, jener Platte hochsäulen- förmiger Zellen, deren Abstammung aus dem ersten Somatoblasten schon weiter oben herffeleitet wurde. Die Einbuchtun). Vergr. 320 : I. genau an die Stelle, an der, wie wir später noch sehen werden, beim reifen Glochidium die Larvenfadendrüse gelegen ist. Daher stehe ich nicht an, jene Bläschen als Entwicklungsstadien der Larvenfadendrüse aufzu- fassen, es bleibt jedoch weiteren Nachforschungen vorbehalten, ihre genaue Ableitung aufzuklären. Vielleicht dürfte sich dabei die folgende Deutung, welche eine Vereinigung der Befunde Lillies mit den meinigen anstrebt, bestätigen. Es scheint mir durchaus nicht ausgeschlossen zu sein, daß die »Kopfblase << Lillies (s. meine Fig. 15, S. 22) mit dem nach den Fig. 16, 17 geschilderten Bläschen {Ijd) identisch ist. Man müßte dann annehmen, daß die >>Kopfblase« (kph) während der Ein- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 25 faltitng des Mantels im gleichen Sinne wie die Oralplatte (Fig. Ibop) und gleichzeitig mit ihr eine Verlagerung erfährt. Es ist leicht vor- .-.tellbar, wie auf diese Weise die Kopfblase allmählich die definitive Lage der Larvenfadendrüse (Fig. 22, 23 [Ifd]) einnimmt. Das Bläschen in Fig. 16, 17 hat in der Tat diese Lage inne. Jedenfalls würde ein Organ, wie das eben beschriebene, weit besser die Secretion des Larvenfadens leisten können, wie die einzelne Zelle, die LiLLiE in seiner Fig. 74 darstellt. Damit wäre dann auch eine neue Grundlage für jene auf S. 37 er- wähnte Hypothese Lillies und Lefevre und Curtis' gegeben, die besagt, daß die Larvenfadendrüse die wichtige Funktion eines lar- valen Excretionsorgans voll- führe, daß der Larvenfaden nichts anderes darstelle, als das in feste Form überge- führte, daher, der noch in der Eihülle weilenden Larve, unschädliche Excret. Wenn man be- denkt, daß infolge der lang andauern- den Kotation des Embryos gewiß ein gesteigerter Stoffwechsel stattfinden muß, aber bei Anodonta bisher noch kein der Urniere der Dreissensia- oder C'?/cks-Larve homologes Organ aufgefunden ^\^.lrde, so hat die Hypo- these sehr viel Berechtigtes an sich. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß trotzdem der Larvenfaden bei der Vermittlung des Parasitismus noch eine Rolle spielt. Li der Betrachtung der Ausbildung des Ectoderms fortschreitend, wäre noch kurz der embryonalen Mantelzellen zu gedenken (Fig. 15, 16, 11, Im). Sie bilden ausschließlich die seitlichen Hälften der jungen Larve, umgreifen vorne die »Kopfblase« und reichen über den ventralen Ab- schnitt bis hinten, zum Mundschild. Eine bemerkenswerte Umgestal- tung erleiden sie genau auf der Mittellinie vom Mundschild bis zur tm Fig. 17. Austritt des Larvenfadens, Schnitt aus der gleiclien Serie wie Fig. 16. Vergr 320 : 1. /^.^ Fig. 18. Larvenfadendrüse zwischen 'arvalen Mantel- zellen. (Aus einem Querschnitt durch eine junge Larve.) Vergr. 300 : 1. 26 Karl Herbers, Larvenfaclendru.se. Sie nehmen dort eine lange, schmale Gestalt an (Nr. 43, Fig. 80) und bilden die schon von Flemming beobachteten »Nahtzellen«. Von besonderem Interesse sind schließlich noch die Sinnesborstenzellen, die aus M-—. M-... vier Paar symmetrisch ge- legenen Mantelzellen hervor- gehen. (Vgl. Fig. 22, 23). Wie wir im ersten Ab- schnitt bereits sahen, gehen die Organe des Mesoderms aus zwei Uranlagen hervor. Die Zellen des primären Mesoblasten hatten wir bis zur bilateralen Teilung nach vollzogenem Eintritt in die Furchungshöhle (Fig. 11, 13) verfolgt. Sie lagen im hin- teren oberen Abschnitt des Embryos zwischen Ento- dermsäckchen und Schalen- drüse. In der jungen Larve entwickeln sie sich durch eine Reihe sehr regelmäßig verlaufender Teilungen zu zwei Mesodermstreifen, die zu- Fig. 19. Mesoclermstreifen mes In einem naliezu frontal gefülirtcii Schnitt durdi ein Gastnilastadium von Anndonta cell. MM, primärer Mesoblast; op, Oralplatte. (Original.) Vergr. 300 : 1. 07ej mes i Hf Lr/) \ Fig. 20. Mesodernistreifenfmesy einer ganz iiingeii, uneingefalteten>-l«orfo«>Möglicherweise findet nebenbei eine Resorption des Fadens statt, so daß die einer direkten Nahrungsaufnahme noch unfähige Larve sich so eine Zeit lang zu ernähren vermag. « Im Gegen- satz dazu halten Lillie und neuerdings auch Lefevre und Curtis die Larvenfadendrüse für ein Exkretionsorgan. Die Verwendung als Klebfaden betrachtet Lillie nur als sekundäre Funktion. »Its primi- tive function, both ontogenetically and phylogenetically was probably excretion. « (Nr. 43, S. 53, 54.) Er bringt sie direkt in Parallele mit der Urniere der Trochophora, wenn er weiter sagt: »If its function be not that of excretion in the strict sense of the worcl, we would have the anomal}' of an active larva without any provision for the excretion of waste products <<. Die feste Form des Exkrets in Gestalt des hyalinen Larvenfadens hält er für eine Anpassung an den langen Aufenthalt 38 Karl Herbers, der bereits reifen Larven in der Dotterhaut. In löslicher Form würde hier das Exkret nur schädlich wirken. Lefevre und Cürtis, die be- sondere.s Gewicht darauf legen, daß sich der Larvenfaden nach dem Platzen der Dotterhaut im Wasser sehr bald löst, erhoffen weitere Gesichtspunkte von einem vergleichenden Studium aller ihnen zur Verfügung stehenden Larvenformen, insbesondere verfolgen sie die Frage, ob nicht bei den, einen Larvenfaden entbehrenden Glochidien, eine der Drüse homologe Bildung auftritt. 3. Die Cystenbildung. Die ersten sorgfältigen Beobachtungen über den Verlauf der Cysten- bildung machten Faussek und Harms. Neuerdings haben Lefevre und CuRTis mit ihrer Schülerin Young sich eingehender mit diesem Vorgang befaßt und insonderheit auch der Frage ihre Aufmerksam- keit zugewandt, ob das Glochidium nicht etwa durch einen chemischen Reiz die Cystenbildung verursache oder befördere. Vorläufig waren ihre Ergebnisse negativ und so bleibt die alte Anschauung zu Recht bestehen, daß es sich bei der Cystenbildung im w^esentlichen um eine Wundheilung handle. Schon bei der Betrachtung der Schalenhaken und ihrer W^irkungs- weise wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Zähnchen tiefe Furchen ins Fischepithel einsägen müßten. Es ist leicht vorstellbar, daß in diesem Falle der Reiz zur Wundheilung, d. i. zur Neubildung des verletzten Epithels weit größer ist als wenn das Glochidium nur locker aufsäße oder nur die Hakenspitzen eingedrungen wären. Wahr- scheinlich greifen die Epithelschollen schon gleich nach dem Anheften über die Ränder des Glochidiums hinweg. Bei der beginnenden Hei- lung schieben sie sich langsam über die Schalen decken vor, bis sie über der Schloßlinie zusammentreffen, hier mit einander verschmelzen und damit die Cystenbildung vollenden. Dieser Vorgang wird aufs schönste durch die von Lefevre und Cürtis gegebenen Totalbilder illustriert, Datsy Young (Nr. 57) hat ihn histologisch genau verfolgt. Für die Dauer desselben gibt Harms bei Anodonta 10 — 12 Stunden an, was vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Die Zeit des Parasitismus. Sobald das Glochidium sein Ziel erreicht hat, tritt eine Rück- bildung all der Organe ein, die eigens zur Erlangung desselben dienten. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis iSchröt. 39 Am schnellsten sind die Sinneshaare verschwunden, dann folgen Larvenfadendrüse, Larvenfaden, der larvale Adductor und schließlich noch die ganze innere Hälfte des larvalen Mantels. Schritt für Schritt erfolgt gleichzeitig der Aufbau der Najade. Während diese Vorgänge in ihren Einzelheiten im morphologischen Teil dieser Arbeit behandelt werden sollen, seien hier die Fragen erörtert, wie sich die werdende Muschel während ihrer Umwandlung ernährt, welchen schädlichen Ein- flüssen sie in dieser Lebensperiode ausgesetzt ist und endlich, wie lange sie überhaupt in diesen fremdartigen Verhältnissen beharren muß, bis sie in ihr eigentliches Element, den Schlamm der Gewässer gelangt, 1. Ernährung. Die Beobachtungen über die Ernährung der parasitierenden Lar- ven sind in übereinstimmender Weise von Faussek und Harms ge- macht. Während ersterer nur Änodonta-hsiiveii untersuchte, berück- sichtigte letzterer auch Unio und Margantana. Zu Beginn des Para- sitismus besteht der Darm des Glochidiunis nur aus dein kleinen blind- geschlossenen Entodermsäckchen (vgl. Fig. 16, S, 24; Fig. 26, S, 34), das keiner Nahrungsaufnahme fähig ist. Stellvertretend übernehmen auf intracellulärem Wege zunächst die großen Zellen der inneren Hälfte des embryonalen Mantels diese Funktion. Die erste Nahrung besteht aus abgestorbenen, in der Mantelhöhle des Glochidiums eingeschlossenen Resten des Fischepithels, aus zerfallenen Leucocyten, die der Fisch zur Wundstelle sandte. Diesem Detritus senden die embryonalen Mantelzellen pseudopodienartige Fortsätze (Fig. 60 ])f , S. 97) ent- gegen und saugen ihn auf. Je weiter im Verlauf der Entwicklung die definitiven Mantelzellen vordringen, um so mehr werden die embryo- nalen zu dem sogenannten »pilzförmigen Körper« (Fig, 31, S. 54; Fig. 45, S. 70) zusammengedrängt. Letztere haben dabei längst die Fähigkeit der Nahrungsaufnahme verloren und unterliegen selbst einem Zerfall. Wie schon Faussek angab, nehmen jetzt freie Mesodermzellen in Gestalt von Phagocyten an der Ernährung Anteil. In Fig. 65 'ph, S. 101) zum erstenmal, und später noch oft, sind sie auf den Schnitt- bildern zu sehen. Gegen Ende der parasitischen Periode ist auch der Darm vollständig zur Ausbildung gelangt und damit die Möglichkeit der regulären Nahrungsaufnahme gegeben. Die Nahrung besteht zum Schluß nur noch aus zerfallenen Leuco- cyten, den Resten der embryonalen Mantelzellen und einer lympha- tischen Flüssigkeit, die das ganze Glochidium umspült. 40 Karl Herbers, 2. Schädliche Einflüsse, a. Von Seiten des Wirts. Die Einwanderung der Leucocyten des Fisches verläuft nicht immer für das parasitierende Glochidium so günstig, wie es im vorher- gehenden Kapitel beschrieben wurde. Nach Faussek dringen sie mitunter massenhaft in die Cyste und Mantelhöhle des Glochidiums ein. Hier zerfallen sie alsbald und bilden dabei eine Flüssigkeit, die infolge ihrer giftigen Wirkung die Larve ab- tötet. Häufiger noch soll eine andre Art der Vernichtung auftreten. Die Anheftungsstelle wird zum Herd einer Entzündung. Die Cysten ^ füllen sich mit einem ödematösen Exsudat und abgestorbenen Leuco- cyten. Das Gewebe der Cyste wird auseinander gezerrt und nimmt netzförmigen Charakter an. Darauf zerfällt das Glochidium, seine Reste lösen sich in der lymphatischen Flüssigkeit auf, die dann vom Fisch resorbiert wird. Diese Resorption findet auch im ersten Falle statt. Allein die hornige Larvenschale bleibt von dem Zerstörungs- prozeß unberührt ; sie bleibt noch längere Zeit in der Haut des Fisches, wird aber schließlich als toter Fremdkörper abgestoßen. Es wird von Faussek noch besonders hervorgehoben, daß es .'•ich bei der Zerstörung der Larven nicht um eine echte Phagocytose von selten des Fisches handelt. Die durch den Zerfall der Leucocyten gebildeten >>cytolyti- schen Substanzen« stellen spezifische Zellgifte dar und bewirken das Absterben. Erst bei der Resorption der Zerfallsprodukte tritt Phago- cytose auf. Faussek glaubt, daß bei der Vernichtung der Larven der Zerfall des larvalen Adductors insofern von großer Bedeutung sei, weil sich nunmehr die Schale weiter öffnete und die Larve dem eindringenden Exsudat ohne eine Möglichkeit von AV iderstand preisgegeben sei. Dem- gegenüber muß ich mit Harms betonen, daß die durch Agglutinieren der Fasern eingeleitete Auflösung des larvalen Adductors ein ganz normaler Vorgang ist, der sich immer im Verlauf der parasitären Ent- wicklung abspielt (vgl. S. 93 und Fig. Gl, S. 97). In gesundem Zu- stand wird schon die Cyste dem Glochidium genügend Halt ge- währen; erst wenn diese krankhaft erweitert ist, wird ein vorzeitiges öffnen der Larvenschale möglich. b. Von Seiten äußerer Parasiten des Wirts. Haut- oder Kiemenparasiten der Fische können auf direktem und indirektem Wege den parasitierenden Larven mitunter recht gefährlich Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis iSchiöt. 41 werden. Besonders zeigt sich das bei künstlichen Kulturen. Harms nennt als Schädlinge für Unio und Margaritana-Znchten Costia ne- catrix und Cydochaeta domerguei. In meinen Aquarien traten zeitweise Fischkrankheiten auf, deren Erreger wahrscheinlich von Stichlingen, die aus einem schmutzigen Wasser stammten, eingeschleppt wurden. Es handelte sich teils um die durch Gyrodactylus elegans verursachte Gijrodactylus-^eiiche, teils um Beulenkrankheiten, die von Pilzen und Myxosporidien herrührten. (Vgl. näheres bei Schmidt, Das Aquarium [Natur und Geistes weit, Nr. 335] S. 49—54.) Zeitpunkt und Dauer der parasitären Periode. Über den Zeitpunkt des Parasitisnms der Anodonta-Glochidien in der Natur bestehen in der Literatur nur geringe Angaben. Schierholz fand Anfang April Barsche und Kaulbarsche damit besetzt. Hazay beobachtete sie im März und April, ferner aber auch im August und September. Letztere Angabe, die noch weiterer Bestätigung bedarf, berührt wieder die Frage nach der zweiten Brunst bei Anodonta pisci- nalis. Sie soll hier nicht weiter erörtert werden, da dies schon bei der Betrachtung der Brunstzeit (S. 10) geschah. Die Dauer des Parasitismus in der Natur läßt sich begreiflicher- weise kaum verfolgen. Schierholz nimmt auf Grund seiner Beobach- tungen an, daß sie höchstens 4 — 5 Wochen betrage. Erst durch die künstlich ausgeführten Infektionen sind genauere Beobachtungen möglich geworden. Wir wissen jetzt, daß je nach den Verhältnissen für Anodonta-ha.tYQn die äußerst schwankende Zeit von 12 — 80 Tagen für die Umwandlung zur Najade erforderlich ist. Als beeinflußende Faktoren sind in erster Linie die Temperatur, die Er- nährung, auch das Wohlbefinden der Wirte zu nennen. Es ist jedoch auch die Jahreszeit nicht ohne Einfluß. Die ersten ausführlichen An- gaben finden wir bei Schierholz (Nr. 51, S. 20, 21). Harms gab zuerst genauere Daten, die den Einfluß der Temperatur deutlich machen. Bei 20° C. Zimmertemperatur schlüpften die Najaden nach 12, bei 16—18° nach 21, bei 8— 10° erst nach 77 Tagen aus. Folgende Ta- belle (S. 42) veranschaulicht einige bei meinen Verbuchen gewonnene Ergebnisse. Der Unterschied in der Dauer der parasitischen Periode, den die Larven einer Infektion aufweisen, erklärt sich wahrscheinlich aus der Verschiedenartigkeit der Ernährungsbedingungen, denen sie während die- ser Zeit unterworfen waren. So wird die Ernährung in den stark durch- bluteten Kiemen eine weit bessere sein, als etwa an einem Flossenstrahl 42 Karl Herbers, Tag der Infektion Durch- schnitts- temperatur C Freiwerden der Najaden Dauer des Para- sitismus Tage Wirt 21. XII. inio 10,2 16. II. 1911 55 Gasterostetis aculeatus 18. I. 1911 11,3 7.-9. III. 1911 47-49 Leuciscus rutüus 25. I. * 11,6 25.-31. III. » 58—64 y 16. III. > 11,8 20.-22. IV. » 34-36 > 4. IV. » 8,5 13.-24. V. » 39—50 Esox luciiis Im Keller gehalten oder gar an einem Stachel von Gasterosteus aculeatus. Be.sonders auf- fällig läßt der, in der Tabelle zuletzt angeführte Fall den Zeitunterschied erkennen. Es handelt sich hier um eine Infektion, die sowohl die Kie- men, als auch die Flossen und andre äußere Teile eines 20 cm langen Hechtes betraf. In zwei Hauptschüben, die zu Beginn und Ende der Zeit vom 13. — 24. Mai lagen, wurden die jungen Najaden abgeworfen. Bei einer reinen Kiemeninfektion liegt, wie schon Harms, auch Le- FEVRE und CuRTis angegeben haben, das Maximum des Freiwerdens der Larven in der Mitte der Periode der Abwerfung. Überblickt man die Tabelle als Ganzes, so zeigt sich, daß man den Einfluß der Temperatur nicht überschätzen darf. Abgesehen vom dritten Beispiel fällt bei den übrigen Beobachtungen ein verhältnis- mäßig starkes Sinken der Dauer des parasitischen Lebens auf, das zu den geringen Temperaturunterschieden in keinem Verhältnis steht. Hier handelt es sich um den Einfluß der vorgeschrittenen Jahres- zeit. Auch Lefevre und Curtis (Nr. 39, S. 168) schreiben dem Wechsel der Temperatur nicht den Einfluß auf die Dauer des Parasitismus zu, w'ie ihn Harms vertritt. Sie belegen dies durch eine Reihe äußerst interessanter Daten, die sie an ihrem vielseitigen Material sowohl Haken tragender als auch hakenloser Glochidien gesammelt haben. So brauch- ten z, B. Glochidien von Larnfsilis ligamentina bei 19,1° Celsius im März und April 32 — 36 Tage Parasitismus, während sie bei 17,8° im Fe- bruar und März nur 14 — 21 Tage parasitierten. Dabei war in beiden Fällen die gleiche Fischart als Wirt benutzt worden. Lefevre und Curtis führen dieses Schwanken in der Dauer des parasitischen Lebens auf wechselnde Ernährung zurück. Leider nehmen sie in ihrer Besprechung keinerlei Rücksicht auf die Beziehungen zwi- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 43 sehen Brunstzeit, Brutzeit, Jahreszeit einerseits und die Dauer des Parasitismus anderseits. Solche vergleichend biologischen Betrach- tungen über die mannigfachen Formen der amerikanischen Unioden- larven würden ein wertvolles Hilfsmittel sowohl zum Verständnis der Entstehung ihres Parasitismus als auch der Stammfolge innerhalb der Familie sein. Gegen Ende der parasitären Periode sind die ersten Lebenszeichen an der werdenden jungen Muschel zu bemerken. Während sie bis- her eng von der Cyste umschlossen war, lockert sich jetzt das umgebende Epithel unter den Anstrengungen des schon gut ausgebildeten Fußes immer mehr. Man kann beobachten, wie er von Zeit zu Zeit sich lang- sam von innen her gegen die Schalenränder vorschiebt, dann aber sehr schnell wieder zurückgezogen wird. Infolge dieser Bewegungsversuche zerreißt schließlich die Cyste und die 0,306 mm lange und 0,292 mm breite junge Muschel fällt frei auf den Boden der Gewässer. IV. Biologie der jungen Muscheln. Mit dem Moment, wo die heranwachsende junge Muschel die Cy'ste des Wirtes verläßt, tritt sie in ein Lebensalter hinein, das F. B. Isely in einer Mitteilung (Nr. 33) als das >>Early and later juvenile life«, »das frühe und späte Jugendleben« vom »adult life«, >>dem Leben des aus- gewachsenen Tieres« unterscheidet. Die obere Grenze des frühen Jugend- lebens setzt Isely bei Tieren von 15 mm Länge an. Wenn auch diese Festsetzung an und für sich recht willkürlich ist, so ist doch eine solche Unterscheidung, wie wir im Folgenden sehen werden, durchaus gerecht- fertigt. Sie liegt begründet in dem verschiedenartigen biologischen Verhalten der winzigen Na jaden und der älteren Muscheln, tritt auch aufs deutlichste hervor bei einem ffenauen Studium der Entwickluno;s- Vorgänge in der nachparasitären Periode. Es ist leicht erklärhch, daß es bisher keinem Forscher gelang, eben ausgeschlüpfte Najaden in der freien Natur aufzufinden. Daher gingen alle dazu über, sich das Material dieser Entwicklungsperiode durch künstliche Aufzucht der jungen Muscheln im Laboratorium zu ver- schaffen. Der jeweilige Erfolg ging Hand in Hand mit dem Grad der Vollkommenheit, mit welchem man die natürlichen Lebensbedingungen nachzuahmen verstand. Bkaün erhielt sie 14 Tage am Leben, Schmidt 4 Wochen, Schierholz 40 Tage und Harms 6 — 7 Wochen. Letzterer gibt auch die ausführlichsten Mitteilungen über Zusammensetzung und Pflege seiner Kulturen (Nr. 24, S. 701; Nr. 21, S. 811). Er wählte Lahnschlamm als Unterorund, kochte ihn zuvor aus. um kleine Krebse 44 Karl Herbers, und andre Schädlinge der jungen Najaden zu vernichten, sorgte für reicldiche Nahrung und gute Durchlüftung. Die Zuchten befanden sich in kleinen Schälchen, die ihrerseits wieder in ein großes, gut eingerich- tetes Aquarium hineingestellt wurden. Auch Lefevke und Curtis mit ihrem reichen Material und großen Stab von Mitarbeitern haben solche Zuchtversuche aufgenommen. Es gelang ihnen jedoch, nur Najaden von Anodonta catarocUi und Sjjmphonota costata 1 — 2 Wochen, solche von Lampsilis ligamcntina und suhrontata 6 AVochen lebendig zu erhalten. Das Wachstum in jener Zeit war — wie die beigegebenen Figuren erkennen lassen — verhältnismäßig gering. Sie haben außer- dem interessante Masseninfektionen an tausenden von Fischen vorge- nommen und sie später im Freien ausgesetzt. Während positive Ergeb- nisse dieser Versuche noch nicht vorliegen, hatten sie in einem andern Fall einen überaus glücklichen Erfolg. Von einer Reihe künstlich infi- zierter Fische, die in einem großen, am Grund mit Sand erfüllten Wasser- behälter aufbewahrt wurden, erhielten sie ein junges Exemplar von Latnpsilis ventricosa. das in der Zeit vom Dezember 1908 bis Dezember 1910 eine Länge von 41 mm und eine Breite von 30 mm erlangte. Wohl infolge mangelhafter Ernährung wuchs es in der Folgezeit kaum mehr. Es ist interessant und Lefevre und Curtis anscheinend noch unbe- kannt, daß schon Hazay bei einem ähnlichen Versuch auch ein gutes Resultat erzielte. Am 21. August 1879 setzte er einen mit Unionen- larven infizierten Weißfisch in ein Gartenbassin aus und fand am 10. Mai 1880 im Schlamm zwei kleine Unio tumidus von 7 mm Länge und 4,5 mm Höhe. Im Verlauf der vorliegenden Untersuchungen habe ich im Winter und Frühjahr 1910/11 ebenfalls kün-^tliche Zuchtversuche vorgenommen. Trotz sorgfältigster Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Faktoren, als da sind, Beschaffenheit des Untergrundes und des Wassers, Zusammensetzung der Nahrung, Temperatur, gelang es nicht, die von Harms erzielte Altersgrenze zu überschreiten. Meine ältesten, im In- stitut gezogenen Najaden besaßen eine Länge von 0,66 mm und eine Höhe von 0,48 nun (vgl. Fig. 34, S. 58). Nachdem auf diese Weise hunderte von Najaden vergeblich geopfert waren, ging ich schließlich dazu über, die Aquarien mit den Najaden ins Freie auszusetzen. Sieben gewöhnliche Einmachgläser, die je mit etwa 100 Najaden besetzt waren, wurden teils in der Lahn, teils in Teichen der Marburger Umgebung untergebracht. Jedesmal wurde etwas vom betreffenden Untergrund beigegeben und darauf das Glas mit einem feinmaschigen, vernickelten Drahtnetz verschlossen. Nur in einem Fall, das Glas hatte in der Lahn Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 45 in 1 1/2 m Tiefe im Schatten einer Weide auf .schlammigem Grund ge- legen, gelang es einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den Ver- suchen im Institut zu erzielen. Zwar waren die jungen Muscheln kaum älter als 7 Wochen, sie waren aber im Vergleich mit den im Labora- torium gezogenen bedeutend schneller gewachsen. Wie verschieden aber dennoch unter diesen äußerlich so gleichen Umständen das Wachs- tum fortgeschritten war, beweist am besten eine Übersicht der aus dieser Zucht stammenden Stadien. Nr. Länge mm Höhe mm Nr. Länge mm Höhe mm 1 1,43 0,99 7 2,1 1,53 2 1,59 1,13 8 2,22 1,53 3 1,6 1,07 9 2,29 1,45 4 1,96 1,25 10 2,37 1,61 5 2,06 1,3 11 2,59 1,65 6 2,08 1.41 12 3,13 2,14 Fig. 27 stellt ein Tierchen aus dieser Zucht dar, ebenso Fig. 41, S. 65. Es scheint mir für diesen Erfolg der Umstand nicht unwichtig zu sein, daß die künstliche Infektion der Larven, sowie auch der erste Aufenthalt der jungen Muscheln im Schlamm sich fast gleichzeitig mit den entsprechenden Vorgängen in der freien Natur abspielte. (Die Infektion fand statt am 4. April 1911; am 22. Mai \\an'den die eben ausgeschlüpften Na jaden ausgesetzt und am 3. Juli konserviert). Das Material der früheren Zuchten stammte von Glochidien, die nicht die volle, natürhche Winterruhe genossen hatten. Vielleicht ^vurde dadurch schon von vornherein die Widerstandskraft, der aus ihnen resultierenden Na jaden herabgesetzt. Ehe noch von Bkaun die künstlichen Infektionen eingeführt und mit ihrer Hilfe überhaupt erst eine künstliche Aufzucht der jungen Najaden ermöglicht wurden, verschaffte man sich nach Möglichkeit junge Mu- scheln durch sorgfältiges Suchen in der freien Natur. Welch schwieriges Fig. 27. Schalenansicht einer 50 Tage alt€n Anodonta cellensis mit dem Wirbel aufsitzender Glochi- diumschale. (Länge 2,59 mm, Höhe 1.65 mm). 46 Karl Herbers, Unterfangen dies ist, mag schon allein die Tatsache beweisen, daß man an Stellen, wo hunderte von Anodonten und Unionen sich aufhalten, nur sehr selten Exemplare von 2 — 3 cm Länge, geschweige denn jüngere Stadien findet. Pfeiffer (Nr. 44) hat als erster 1826 eine kleine Muschel beschrie- ben, die noch auf ihren Wirbeln die Glochidienschale aufwies; später haben Kobelt und HeynExMAi>;n, Hazay, Schierholz und neuerdings aucli LsELV Funde von kleinen Unioniden gemeldet. Schierholz und Kobelt fanden Anodonten nicht unter 5 mm ,Voinea (Nr. 55) nicht unter 1 cm, ersterer jedoch eine Unio von 1,5 mm Länge. Hazay fand eine junge Najade von 2 mm und acht von 3 — 6 mm Länge. Während die Funde der älteren Beobachter — außer bei Schier- holz, der an einer kleinen Anodonta schon die Bildung der inneren Kieme richtig beobachtete — , kaum eine Untersuchung auf die innere Organisation erfahren haben, auch die Oberflächenbilder, wenn sie überhaupt gegeben sind, nur wenig Genaues erkennen lassen, sind von den schönen Funden Iselys gewiß wertvolle Mitteilungen über die postparasitäre Entwicklung zu erwarten. Er fand im ganzen 25 junge Unioniden, darunter als kleinste eine Anodonta imhecillis von 7,1 mm Länge, 3,5 mm Höhe und 1,1 mm Breite. Da wegen der vorgeschrittenen Jahreszeit sich sämtliche Mutter- tiere der Glochidien entledigt hatten, also w^eitere Zuchtversuche un- möglich geworden waren, sah ich mich seinerzeit ebenfalls genötigt, mir weitere Entwicklungsstadien durch Suchen im Freien zu verschaffen. Nach langen vergeblichen Versuchen, die darin bestanden, Schlamm aus allen Tiefen der muschelhaltigen Gewässer heraufzuholen und ihn aufs sorgfältigste durchzusieben, gelangte ich endlich durch einen glück- lichen Zufall in den Besitz wertvoller Stadien von Anodonta und Unio. Infolge eines Wehrbruches sank am 27. und 28. Juni 1911 der Lahn- spiegel plötzlich um nahezu 2 m. Auf den nunmehr weithin freiliegen- den Uferstrecken fand ich die nachstehend verzeichneten jungen Mu- scheln (s. S. 47): Eine der kleinen Anodonten ist in Fig. 42, S. G6 abgebildet. Ich fand sie beide an einer seichten sonnigen Stelle in kaum 2 m Abstand von einander. Wahrscheinlich handelt es sich um Geschwister, die an ein und demselben Fisch parasitierten und gleichzeitig abgew^orfen wurden. Nach der schon oben näher bezeichneten Frühjahrsüberschvvem- mung konnten auf Sandbänken der Lahn noch eine große Anzahl älterer Stadien von Anodonta von 15 nun Junge an aufwärts gesanmielt wer- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 47 Nr. Muschel Länge mm Höhe mm Breite mm 1 Anodonta 5,7 3,4 — 2 > 5,7 3,2 — 3 Unio 7 4 2,5 41 > 7,7 4,2 2,7 0 > 7.8 4,7 3,3 6 » 7,9 4,5 3,1 7 > 9,4 5,2 3,5 81 - 12,5 7,0 5 den. Es sind zum größten Teil zwei und dreijährige Tiere. Von jüngeren Tieren fand ich bei dieser Gelegenheit nur leere Schalenexemplare. Mit Absicht wurde dieser ausführliche Abschnitt über die Material- beschaffung aus der Zeit der frühen Jugendperiode den eigentlich bio- logischen Betrachtungen über dieses wichtige Lebensalter vorangestellt. Er gibt uns einen Begriff von der Lückenhaftigkeit des entwicklungs- geschichtlichen Materials jener Periode und läßt dadurch auch am besten erkennen, wie gering bisher überhaupt die MögUchkeit war, sichere biologische Daten darüber zu sammeln. Es muß IsELY das Verdienst zugesprochen werden, zum erstenmal zusammenhängend die Lebensbedingungen und Gewohnheiten der jungen Muscheln betrachtet zu haben. Auch Lefevre und Curtis stützten sich ganz auf seine Thesen, die er auf Grund seiner Untersuchungen aufge- stellt hat. (Nr. 33, S. 79; Nr. 38, S. 178.) Isely beschäftigt sich fast aus- schließlich mit der Frage nach dem Aufenthaltsort und berücksichtigt dabei die Bedingungen, die zu einem guten Fortkommen unerläßlich sind. Er kommt zu dem Resultat, daß dort, wo Sauerstoff und Nahrung ausreichen, der Wassergehalt nur geringen Einfluß auf die Entwicklung hat. Weit größere Bedeutung habe die Beschaffenheit des Untergrundes. Während er Triebsand und Schhck (>>silt<<) verwirft, hält er groben Kies für sehr günstigen Untergrund. Er fand nämlich die jungen Tier- chen in 1 — 2 Fuß Tiefe sämtlich mit Hilfe ihres Byssus an kleinen Steinen festgeheftet und glaubt mit dieser Beobachtung »den Schlüssel für die Gewohnheiten und die Ökologie« der jungen Stadien zu besitzen. Das ist nun auf unsere europäischen Unioniden, insbesondere auf die jungen Anodonten kaum zu übertragen, da sie ja schon die Byssus- 1 Nr. 4 und 8 wurden erst am 12. I. 1912 nach einer Überschwemmung gesammelt. 48 Karl Herbers, drüse bei einer Länge von 2,0G mm verlieren (s. S. 88) und es nicht einmal feststeht, ob letztere überhaupt vorher funktionsfähig ist. Wenn es heißt, hinter das Geheinniis des Aufenthaltes der jungen Muscheln zu k'ommen, scheint mir die Frage nach dem Untergrund, auf dem sie leben und gedeihen können, zunächst auch von untergeordneter Be- deutung zu sein. Wichtiger erscheint es mir, hinzuweisen auf die engen Beziehungen, die zwischen dem Aufenthalt der Fische zur Zeit des Parasitisnms und dem Vorkommen der jungen Muscheln bestehen müssen. Die Lösung wird darin liegen, möglichst genau die CTCwohn- heiten der Fische in jener Zeit zu studieren, wie es auch Hazay schon hervorgehoben hat. Die eigenen Funde, mit Ausnahme der nach dem Hochwasser gemachten, weisen deutlich darauf hin. An schönen sonni- gen Stellen, zwischen Schilf und anderen Wasserpflanzen, unterhalb von Mühlwehren, wird man die jungen Muscheln vor allem zu suchen haben, da sich dort die Fische gern und in Mengen aufzuhalten pflegen. Man darf sich allerdings nicht verhehlen, daß sie auch auf ihren Streif- zügen die jungen Najaden überall umherstreuen werden. Solche Tier- chen müssen dann gewiß oft große Wanderungen unternehmen, um an Stellen mit günstigen Lebensbedingungen zu gelangen, wenn sie nicht schon vorher zu gründe gehen. Wandern die jungen Muscheln über- haupt, sind sie fähig sich über größere Strecken zu bewegen? Daß, letzteres der Fall ist, darin sind sich alle die einig, welche junge Najaden aufgezogen haben. Fühlen sich die Najaden wohl, so wandern und klet- tern sie lebhaft im ganzen Aquarium herum. Es ist ein überraschender Anblick, zu sehen, wie sie langsam den langen Kriechfuß zwischen den Schalenhälften hervorschwellen lassen — die Flimmern, welche die Fußspitze dicht bedecken, in voller Tätigkeit — bis schließlich die größte Ausdehnung erreicht ist, die Bewegung stockt und mit einem plötzhchen Ruck der ganze Körper nachgezogen wird. (Bewirkt wird die Vorwärtsbewegung durch eine heftige Kontraction des vorn an der äußersten Spitze vorher festgehefteten Fußes; [vgl. Fig. 37, S. 63].) Kaum ist der Fuß in der Schale verschwunden, da beginnt das eben geschilderte Spiel von neuem. Bis zu welchem Alter diese Tätigkeit fortdauert, entzieht sich vorläufig noch unsrer Kenntnis. Sie nimmt bei den in der Gefangenschaft gehaltenen Najaden früh ab, wahr- scheinlich infolge der ungünstigen Lebensbedingungen, denen sie unter- worfen sind. Die im Freien gezogenen Tiere (bis über 3 mm lang) hinterließen im fein verteilten Schlamm auf dem Boden flacher Glas- schalen Jioch recht beträchtlich lange Kriechspuren. Im allgemeinen wird die Bewegung nachlassen, je mehr der Fuß die gedrungene, bell- Eutwicklungsgest'hichte von Anodonta celleiisis Schrot. 49 förmige Gestalt annimmt, die dem ausgewachsenen Tier mit seinen trägen Bewegungen zu eigen ist. Wenn somit die Möglichkeit der Bewegung für junge Muscheln er- wiesen ist, auch darauf hingewiesen wurde, daß die Art einer eventuellen Wanderung ganz und gar abhängig ist von dem Ort, an welchem die Muschel vom Fisch ausgesetzt %\airde, so wissen wir über die wirklichen Vorgänge in der Natur fast gar nichts. Das hat seinen Grund darin, daß nicht einmal genau bekannt ist, wo die ausgewachsenen Muscheln den Winter über weilen, wo sie ihre Glochidien ausstoßen und dem- gemäß die Fische sich infizieren können. Im großen und ganzen dürfte in den Jugendjahren für Anodonta eine Wanderung aller Individuen zu den Uferrändern der Teiche und Flüsse wahrscheinlich sein, denn dort sind sie vom vierten oder fünften Lebensjahr an in großen Scharen anzutreffen. Über die Nahrung der jungen Muscheln sind wir besser unterrichtet. Schon Harms gibt (Nr. 21, S. 810) an, daß sie aus Kieselalgen, Infu- sorien und abgestorbenen Pflanzenteilen bestehe. Besonders die Dia- tomeen scheinen reichlich daran beteiligt zu sein. Sowohl in Total- präparaten als auch auf Schnittbildern habe ich oft Magen und Darm dicht mit Kieselpanzern angefüllt gesehen (Fig. 91). Der Nahrungs- brei, der sich bei den lebenden Tierchen in beständiger Rotation be- findet, ist bald von gelbbrauner, bald von grüner Farbe. In bezug auf Alter, Wachstum und Form der jungen Muschel, sei auf das Kapitel Schalenentwicklung (S. G2) verwiesen. Ich hoffe nach weiterer Vervollständigung meiner Schalensammlung noch genauere Angaben hierüber machen zu können. V. Die Umwandlung des Glochidiums in die ausgebildete Muschel. Auf zweierlei Weise kann man die Entwicklungsgeschichte eines Organismus beschreiben. Die erste Methode betrachtet ihn auf jeder Entwicklungsstufe in seiner Gesaintheit, die zweite zergliedert den Or- ganismus in die einzelnen Organe und verfolgt nacheinander ihre Ent- wicklung. Für die Embryonalentwicklung ist die erste Methode durch- aus die gegebene und auch leicht anwendbare. Für spätere Stadien läßt sie sich nur mit großer Mühe durchführen, wenn man eine weitgehende Genauigkeit der Darstellung erreichen will. Zudem drängt auch die vergleichende Entwicklungsgeschichte, der vergleichenden Anatomie folgend, immer mehr darauf hin, im Vergleich der Ontogenie der ein- zelnen Organe die Brücken für die Phylogenie der ganzen Formen zu entdecken. Allein schon aus diesem Grunde können wir heute die ge- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 4 50 Karl Horbers, sonderte Darstellung der Organbildung nicht melir entbehren. Den- noch, so scheint mir, darf in der Ent\\icklungsgeschichte eines Tieres, zumal wenn sie seiner allgemeinen Monographie eingegliedert werden soll, der Überblick über die Entwicklung der ganzen Form nicht fehlen, weiui anders über dem Zergliedern und Spezialisieren das Verständnis für die morphologische und biologische Einheit der einzelnen Entwick- lungsstadien nicht verloren gehen soll. Im vorliegenden Fall dürfte eine solche Übersicht doppelt gerechtfertigt sein, da der Parasitismus der Glochidien eine in sich abgeschlossene Entwicklungsperiode be- dingt, die zwar morphologisch beim Übergang zum freien Leben kaum hervortritt^ demnach in einer ausschließlichen Darstellung der Organ- l)ildung nicht zum Ausdruck käme, und dennoch vom biologischen Gesichtspunkt aus für die junge Muschel einen tiefgreifenden Wechsel bedeutet. F^/■ la "Lm Tagen parasitischen Lebens (ventrale Aufsicht). Im, Reste der larvalen Mantelzcllen, la, Reste des larvalen Adductors; dm, definitive Mantelzellen, kPi erstes Kiemenpapillen- paar; ma + ls, Magen mit Lebersäckchen; af, After; vg, Visceralgangüon. Vergr. 168 : 1. den seitlichen Gruben haben sich zwei Flügel mit seitlich erhabenen Kändern kf gebildet, welche die larvalen Mantelzellen vor sich her- drängen. Auf der Mittellinie zwischen beiden liegt, teils unter dem larvalen Adductor die junge Anlage des Fußes, d. h. der weiter ent- wickelte Fuß^vulst des Glochidiums. Nur auf Schnitten der Beob- achtung zugänglich (Fig. 60 — 64, S. 97ff.) spielt sich gerade jetzt in dieser Region die Anlage von Cerebral-, Visceral- und Pedalgan- glion ab. Ein wesentlich älteres Stadium ist in Fig. 29 dargestellt. Man 4* 52 Karl Hcrbers, könnte es das Stadium mit dem Rinu von larvalen Mantel - Zeilen nennen. Die betreffende Larve hatte 13 Tage parasitiert. Im Mittelpunkt des Bildes liegt der schon beträchtlich herangewachsene Fußwulst. In seinem Innern Ijemerkt man das zum Magen {ma) er- weiterte Entodermsäckchen. Etwa seit dem 8. oder 9. Tag parasiti- schen Lebens entstanden durch seitliche Ausstülpung der Magenwand (vgl. Fig. 75, S. JIO) die beiden Lebersäckchen, die hier schon Fig. 29 (/,s) mit einem deutlichen Lumen versehen, beiderseits vom Magen lagern. Mit Hilfe einer kleinen ectodermalen Einstülpung ist der After (c//) vcillig durchgebrochen, auch setzt sich der Enddarm mo dsö Fi! af Gloclüilhim imcli 1.') Tagen parasitischen l^cbens. /. Fuß: A-p«- zweites Kienienpapillenpaar; (/«s, Darmschlinge; md, Mundöffniuif.'. ^■ul■gl•. 168 : 1. bereits merklich vom Magen ab. Am vorderen Pol des Fußwulstes befindet sich eine Einstülpung (msch), welche die Anlage des Vorder- darms vorbereitet. Aus den Rändern der seitlichen Flügel haben sich hinten die ersten Kiemenpa])illeu (l'p'^) herausdifferenziert. Vorn rechts und links vom Fußwulst liegen die Keste (/a) des larvalen Adductors, der, ebenfalls der Reduktion der larvalen Bestandteile unterworfen, nach voraufgegangener Atrophie der Fasern mitten durchgerissen ist. Als vollkommen neue Bildung tritt das definitive innere Mantelepithel (dm) in Gestalt zweier halbmondförmiger Flächen auf, die, einander die hohle Seite zuwendend, sich mit ihren Zi])relu berühren. Von den Schalenrändcrn aus allseitiü' im ^'orwachscn beüriffen, haben sie die EntAvickluagsgcsehichte von Anodonta celleiisis Schrot. 53 larvalen Mantelzellen {Im) schon auf einen schmalen ringförmigen Wulst zusammengedrängt. Von den nervösen Elementen ist das Vis- ceralganglion {vg) am weitesten in der Ausbildung fortgeschritten. Das Cerebral-, sowie das Pedalganglion mit den Statocysten — letztere sind eben erst durch Einstülpung aus dem Ectoderm des Fußes ent- standen — treten auf diesem und dem nächsten Bild ihrer geringen Ausbildung wegen nicht hervor. Die nächsten Umwandlungen sind in der Hauptsache durch ein weiteres Vordringen der definitiven Mantelzellen und die Anlage der zweiten Kiemenpapille (kpo) gekennzeichnet. Das zeigt Fig. 30, S. 52, die nach einer 15 Tage parasitierenden Larve angefertigt ist. Die Zer- fallsprodukte des larvalen Adductors sind ganz resorbiert, so daß die larvalen Mantelzellen von den definitiven nunmehr auf zwei Haufen, nielir zur Körpermitte hin, dicht an den Fuß herangedrängt worden sind. Nur vor der Fußspitze stehen letztere noch durch eine schmale Brücke in Zusammenhang. Das zweite hinter dem ersten neu entstan- dene Paar Kiemenpapillen [Jcpo) drückt seinerseits die Haufen seitlich nach außen. Der Fußwulst beginnt allmählich die charakteristische umgekehrt daumenförmige Gestalt des Najadenfußes herauszubilden. Er setzt sich schon deutlich gegen den in der Anlage begriffenen Ein- geweidesack ab. Der Darm hat inzwischen eine wesentliche Ausbildung erfahren. Der Vorderdarm ist zum Durchbruch gelangt, während der End- darm sich infolge eines starken Längenwachstums zu einer Schlinge {das) umzulegen beginnt. Die Lebersäckchen {Is) haben bereits eine selbständigere Form angenommen; sie setzen sich gegen den Magen {ma) scharf durch die beiden ersten Leberöffnungen ab. Ein wesentlicher Fortschritt im Ausbau der parasitierenden Larve wird mit der Anlage des definitiven Muskelsystems erreicht. Fig. 31, S. 54 zeigt ein solches Stadium, das 29 Tage encystiert war. Es ist zugleich das Stadium mit den »pilzförmigen Körpern« larvaler Mantelzellen. Aus Bündeln von Muskelbildungszellen sich aufbauend, sind nach einander der hintere hs und vordere vs Schließmuskel ent- standen. Infolgedessen ist es von nun an der werdenden Muschel nur möglich, die Schale um einen gewissen Betrag zu öffnen, während beim Glochidium und den bisher betrachteten Stadien die Schalen oft um 180 "" auseinander klaffen. Das weitere Zurückweichen der larvalen Mantelzellen aus dem hinteren Abschnitt der Larve wird neben den verdrängenden definitiven Mantelzellen hauptsächlich auch durch die Ausbildung des dritten Paares von Kiemenpapillen (^7^3) herbeigeführt. Dabei kommt es zuletzt zur Bildung jener >>pilzförmigen Körper« {pi), 54 Karl Horbers, die schon Braun beobachtet und ausführlich beschrieben hat. Im Innern des erweiterten Eingeweidesacks, von dem der schlanker ge- wordene Fuß (/) sich abhebt, sind wesentliche Veränderungen vor sich gegangen. So tritt vom Darnikaiuil besonders der Ösophagus mit der weiten, unter dem vorderen Adductor (vs) gelegenen Mundöffnung {7nd) deutlich hervor. Die Lebersäckchen haben an Größe zugenommen und hüllen den Magen {'ma) mehr und mehr ein. Der Enddarm (af) mündet dorsal vom hinteren Schließmuskel (//s). Vom Nervensystem ist /77,9 Fig. 31. Glocliidiuin nach 29 Tagen parasitischen Lebens, r«, hs, vorderer und liinterer definitiver Adductor; pi„ pilzförmige Körper aus Eesten larvafer Mantelzelleii ; kpa, drittes Kiemen papillenpaar; cg, CerebralsansHon. Vergr. 200 : 1, außer dem Visceralganglion (vg) auch das Cerebralganglion (cg) mit der Kommissur zu erkennen. Pedalganglion und Otocysten sind ihrer Klein- heit wegen auch hier noch nicht zur Darstellung gelangt. Im hinteren Abschnitt der Larve treten zu dieser Zeit die Nieren in Gestalt zweier kleiner Säckchen auf, die seitlich vom Enddarm liegen, aber nur auf Schnittbildern (Fig. 81 , S. 128) erkennbar sind. Das Gleiche gilt von Herz und Pericard, die ursprünglich mit der Niere aus einer gemein- samen Anlage hervorgegangen, auf diesem Stadium einen feinen Zell- rinu bilden, der den Enddarm umgibt. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 55 Wachstumsperiode gegen Ende des parasitischen Lebens, 'j Während die bisher geschilderte erste Zeit des Parasitismus in rascher Aufeinanderfolge der Anlage neuer Organe dient, tritt' bis zum Ende des parasitischen Lebens eine Zeit des Wachstums und der inneren Differenzierung ein. (Der erste Abschnitt macht etwa 2/3» ^^^ letzte hingegen 1/3 der gesamten Dauer des Parasitismus aus.) Auf Schnitt- bildern macht sich die Wachstumsperiode durch eine starke Aufspei- cherung des Zellmaterials bemerkbar. Man vergleiche nur einmal die rpd -mr -~/773 Fig. 32. Junge Anodonta zu Beginn des freien Lebens (veutrale Aufstellt), mr, Mantelrand; pg, Pedal- ganglion; st, Statocyste. Vergr. 200 :1. sich nach Lage und Richtung entsprechenden Fig. 65, S. 101 ; Fig. 66, S. 102. Alle diese Vorgänge zielen darauf hin, die parasitierende Larve für das freie Leben auszurüsten, ihre Organe für die den neuen Lebens- bedingungen angepaßten Funktionen auszubauen. Wir werden sie da- her am besten verstehen, wenn wir nunmehr zur Betrachtung der eben ausgeschlüpften jungen Na jade übergehen, wie sie in Fig. 32 in ven- traler und in Fig. 33 in seitlicher Aufsicht dargestellt ist. Die junge Najade. An der Schale ist noch keinerlei Neubildung zu bemerken; es ist die unveränderte Glochidiumschale, an der in Fig. 33, S. 56 die Lage 56 Karl Herbers, des jetzt noch inneren Liganientes (/) zn erkennen ist. Ihre beiden Hälften sind vollständig von dem definitiven Mantel ausgekleidet, auch die letzten Spuren der larvalen Mantelzellen sind verschwunden. Der Mantelrand {mr), der von nun an eine wichtige Rolle bei der Neubildung der definitiven Schale übernimmt, tritt in Fig. 32 scharf hervor. Als Hauptstützpunkte des ganzen Körpers dienen die beiden Adductoren (vs) und (hs). Zwischen ihnen sind Eingeweidesack und Fuß aufgehängt. Bei einem Blick auf Fig. 33 wird man erstaunt sein, wie umfangreich ersterer schon bei der jungen Najade ausgebildet ist. '•'/ ml' ^ö Fig. 33. Seitliclie Ansicht einer eben aus iler Cyste freigewordenen jiinseu Anodonfa. ml, Mundlappen; kr, Kiicclniime. Vergv. 200 : 1. In den ventralen Aufsichtsbildern, die wir bisher betrachteten, trat er in der Verkürzung innner stark zurück. Der Fuß (/) ist gemäß seiner wichtigen Bedeutung für die junge Muschel kräftig herangewachsen. Ganz im Gegensatz zu seiner späteren beilförmigen Gestalt ist er hier, wie auch bei andern aus der Trochophora hervorgegangenen jungen Lamellibranchiern, schlank und schmal; dazu, wie wir aus dem biolo- gischen Abschnitt schon wessen, äußerst dehnbar und beweglich. Ich wüßte für seine jetzige Form keinen besseren Vergleich als den eines gespannten, auf die Tischfläche aufgesetzten Daumens, wobei die Maus noch einen Teil des Eiimeweidesacks veranschaulichen könnte. Entwicklungsgeschichte von Anodonta ccllensis Schrot. 57 All seiner ventralen Kante trägt er die Kriechrinne (kr), die ihn in seiner Funktion als Kriechfuß wesentlich unterstützt. Die Ausbildung des Darmkanals geht am besten aus der Fig. 33 hervor. Unter dem vor- deren Adductor {vs), umgeben von den ersten Anlagen der Mundlappen (ml) liegt die Mundöffnung, Der trompetenartig erweiterte Ösopha- gus (vol. Fig. 72, S. 110) führt in den fast genau dorsoventral stehenden langgestreckten Magen (ma). In seinem vorderen Abschnitt wird er von den umfangreichen Leberlappen [Is) umhüllt. Der Enddarm, welcher infolge starken Längenwachstums die erste Anlage der Darni- schlinge zeigt, vollführt in seinem hinteren Verlauf den so charakteristi- schen Bogen dorsal über den hinteren Adductor (hs) hinweg, der von nun an, bei allen späteren Stadien wiederzufinden ist (vgl. Schema Fig. 73b, S. 112). An der schon in Fig. 33 angedeuteten geraden Strecke über dem mächtigen Visceralganglion (^'(/) "ruhen die jungen Anlagen von Herz, Pericard und Niere. Die Kiemen sind durch die drei gut aus- gebildeten Papillenpaare {tpi — ^7^3) vertreten, ein viertes Paar ist erst in der Anlage vorhanden. Vom Nervensystem ist noch außer dem schon vorhin erwähnten Visceralganglion (vg) das Cerebral- und das Pedalganglion {cg, pg) sichtbar. Neben dem Pedalganglion treten auch zum erstenmal im Bilde die Statocysten hervor. 2. Die Weiterentwicklung nach Beginn des freien Lebens. Mit Beginn des freien Lebens setzt bei der jungen Najade ein noch intensiveres Wachstum ein als in der letzten Periode vor dem Verlassen der Cyste. Dies macht sich in den ersten Wochen auf Schnittbildern durch eine weitgehende Dehnung aller vorhandenen Gewebe bemerk- bar (vgl. Fig. 84, 90). Die wichtigen Neubildungen an den Anlagen von Herz, Pericard und Niere entziehen sich zwar zunächst wegen ihres feinen Aufbaus dem Studium am Totalpräparat und sollen darum auch erst später bei der Organbildung eingehender behandelt werden. Eine direkte Folge ihrer raschen Entwicklung ist aber der Ausbau des hin- teren Körperabschnittes, der in der Folgezeit immer mehr an Aus- dehnung gewinnt. Weitere Neubildungen betreffen noch das Säckchen an der Fußkante und ganz zuletzt die Geschlechtsorgane. Alle übrigen Organe sind in den Grundzügen schon angelegt und erfahren im Ver- lauf des freien Jugendlebens nur eine mehr oder weniger tief greifende Differenzierung. Mit beiden Prozessen Hand in Hand geht schließlich die Anlage der definitiven Schale. Ohne die ganz jungen Stadien zu betrachten, die nur wenig von der oben geschilderten Najade abweichen (man vgl. die Abbildungen 58 Karl Herbcrs, bei Harms (Nr. 25, Fig. 49 — 51) sei gleich zum Stadium der Fig. 34 übergegangen. Die dargestellte junge Muschel besaß eine Länge von 0,66 mm, eine Höhe von 0,48 mm; sie war innerhalb 6 — 7 Wochen im Institut gezogen. Dem Stadium entsprechen ungefähr die Schalenaufsichtsbilder Fig. 39, 40, S. 64, 65. Den ältesten Teil der Schale bildet die alteGlochi- diumschale, die in der hinteren Hälfte der Schloßlinie der definitiven aufsitzt und noch deutlich die Schalenhaken erkennen läßt. Die schnee- is^l Le i/r yj ^^ .-md S. - - ' ; \ _ _ — mL ^ ^^t PS hs f da byh Fig. 34. Junge Anodonta (rllenxis, C — 7 Woclien freilebend (Lance 0,00 mm, Höhe 0,48mm). .v, definitive Schale, auf dem Wirbel die alte Glochidinmschale Isl mit ausgebogenen Schalenhaken. rr, kr. vordere und hintere Retractoren des Fußes; byh, rudimentäre Byssushöhle. Vergr. 126 : 1. weiße, definitive Schale ist innen mit den großen Mantelflächen aus- gekleidet, an denen der Mantelrand besonders hervortritt. Beide Scha- lenhälften werden neben dem Ligament durch die weit auseinander gerückten Adductoren {vs und hs) zusammengehalten. An den beiden, aus je zwei Wurzeln entspringenden Retraktoren [vr und hr) ist der Eingeweidesack mit dem schlanken Fuß zwischen den Schalen auf- gehängt. Rechts und links ist aus der Mantelfalte ein aus neun Papillen bestehendes Kiemenblatt hervorgesproßt. Die hintersten Papillen haben sich eben erst gebildet, an den vorderen, älteren läßt sich nach- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis »Schrot. 59 einander eine Sonderung in stützende Elemente und Filamente ver- folgen. Es macht sich auch eine leichte Krümmung der Papillen nach innen und eine Verdickung an ihren Spitzen bemerkbar. An der unteren Kante des Fußes liegt die Flimmerrinne, aus der sich im hinteren Ab-, schnitt mittels einer kleinen Einstülpung ein Säckchen, die rudimen- täre Byssushöhle (vgl. S. 89) gesondert hat. Vom Nervensystem sind Cerebral-, Visceral- und Pedalganglion, letzteres mit den Statocysten zu erkennen. Der Darmkanal hat beträchtlich an Umfang zugenommen, insbesondere haben Magen und Enddarm eine wesentliche Umwand- lung erfahren, die schließlich die Trennung in Kristallstieldarm und Dünndarm zur Folge hat (vgl. Schema Fig. 73c, S. 112). Vor dem Ösophagus liegt die bereits stärker gewordene, aber noch einfache Mundlappenfalte. Die Lebersäckchen reichen mit ihren Lappen bis weit in den Eingeweidesack hinein. Herz, Pericard und Niere sind auch hier noch nicht eingezeichnet, um das Bild nicht zu verwirren. Ihre ungefähre Lage ist durch den hellen Hof um den Enddarm herum gekennzeichnet. Von den Geschlechtsorganen war auf diesem Stadium noch keine Spur zu entdecken. Wenn auch, wie wir in vorstehender Beschreibung sahen, die Organe der jungen Muschel bereits zu weiter Entfaltung gelangt sind, so bedarf es doch noch tiefgreifender Umgestaltungen und Neubil- dungen, bis sie in ihrer Organisation der ausgewachsenen Muschel gleichkommt. Leider brechen meist die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen ihre Beoabchtungen schon auf solch frühen Stadien ab. Mir scheint zu Unrecht, denn es gehört nicht nur das Studium der jungen Anlage eines Organs, sondern auch das seines weiteren Aus- baues zu den Aufgaben der Entwicklungsgeschichte. Mitunter ist der Bau des ausgewachsenen Organs kaum zu verstehen, wenn nicht wenig- stens die wichtigsten Übergangsstadien aus dem ganzen Verlauf der Entwicklung bekannt sind. (Vgl. z. B. den Abschnitt über die Nieren- schleifen S. 131). Bei der vorliegenden Untersuchung konnte mehr noch im Kapitel von der Organbildung als hier in der Übersicht, Rück- sicht auf spätere Entwicklungsstadien genommen werden, soweit es überhaupt bei der Seltenheit des Materials möglich war. Man überzeuge sich davon in den Abschnitten über Darmkanal, Sinnesorgane, Byssus- drüse und Geschlechtsorgane. In Fig. 35 (S. 60) ist eine 2,08 mm lange und 1,41 mm hohe junge Muschel dargestellt. Es ist das wichtige Stadium mit beginnender An- lage der inneren Lamelle der inneren Kieme. Im Vergleich zu Fig. 34 fällt vor allem die starke Ausbildung des hinteren Körperabschnittes 60 Karl Herbers, ins Auge, der aber im Umriß sclion die sich vorbereitende Zuspitzuno- des späteren Hinterendes erkennen läßt. Vom Wirbel aus, der noch die unversehrte Glochidienschale mit Haken aufweist, besitzen vor- Q C SS 1 ^ ?' 2 W < ^ ^ f- <^ derer und hinterer »Schalenabschnitt iialie/u gleiche Ausdehnung. Man vergleiche dazu die Aufsichtsbilder Fig. 27 (S. 45) und Fig. 41 (S. 65). Wesentliche Umwandlungen in betreff der inneren Organisation haben Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis .Schrot. 61 Darmkanal, Kiemen, Herz, Pericard und Niere erfahren. Die Mund- öffnung umgibt das schon deuthch gefältelte äußere Mundlappenpaar. Das innere entsteht eben erst auf diesem Stadium und wird vom äußeren verdeckt. Charakteristisch ist die Form des kurzen Ösophagus. Am Maoen macht sich von oben der Wulst der Magenfalte bemerkbar, der hintere Abschnitt bildet sich zum Kristallstieldarm um. Die Schlinge des Dünndarms kommt immer mehr zum Ausdruck, auch setzen sich Dünn- und Enddarm scharf von einander ab (vgl. Schema Fig. 73 d, S. 1 12). Die Kieme besteht aus 24 Papillen, die meist mit den um- gebogenen Spitzen mit einander verschmolzen und durch eine feine Membran verbunden sind. Nur die hintersten eben erst hervorgesproß- > Phylogeny of the Pelecypoda<< nachdrücklich hingewiesen hat. Bei Anodonta ist aller- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 63 dings infolge der weitgehenden Anpassung der Larven an die parasi- tische Lebensweise der Unterschied des Prodisso- zum Dissoconch (larvalen zur definitiven Schale) weit größer als in den von Jackson angeführten Fällen. Die früheste Anlage der definitiven Schale erfolgt wahrscheinlich schon in der letzten Zeit des parasitischen Lebens in Gestalt einer feinen Perlmutterlanielle, mit welcher der definitive Mantel des reifen Para- siten die Glochidienschale auskleidet. Sie tritt in dieser Zeit aber nie über den Rand der Larvenschale hinaus. Hierdurch unterscheidet Fig. 37. 3 — i Wochen freilebende Anodonta cell, mit ausgestrecktem Fuß. Die definitive Schals tritt mit den ersten Zuwachsstreifen unter den seitlichen Rändern der Gloehidiumscliale hervor. (Dorsal- aufsicht). 111 : 1. sich Anodonta deutlich von Unio, bei der Harms ein Wachstum der end- gültigen Schale noch gegen End^ des Parasitismus beobachtete. Neuer- dings haben Coker und Surber (Nr. 10, S. 181/182) für eine nord- amerikanische Unionide Lampsilis laevissimus ein ganz beträchtliches Schalenwachstum in der parasitischen Periode beschrieben. Die 0,095 mm langen und 0,15 mm hohen beilförmigen Glochidien wuchsen zu jungen Muscheln von 0,320 mm Länge und 0,215 mm Höhe heran. Vom Beginn des freien Lebens an übernimmt bei Anodonta der Mantelrand die wichtigste Rolle beim Aufbau der definitiven Schale, 64 Karl Horbcrs, man ^;ieht ihn bei jungen Najaden immer etwas über den Eand der Glochidienschale greifen. Schon nach den ersten Tagen treten zunächst am vorderen, später auch am hinteren Rande feine, parallelle Zuwachs- streifen der neuen Schale auf. Durch ihre schneeweiße Färbung heben sie sich deutlich vom gelben Glochidium ab. Fig. 37 zeigt uns diese Verhältnisse an einer eine Woche alten Najade. An den Spitzen der Larvenschale erscheinen die Zuwachsstreifen erst viel später, da hier die endgültige Schale zuvor die beim Anheften der Larve nach innen eingeschlagenen Schalen- haken wieder aufrichten muß — ein Vorgang, der uns durch Fiu. 38. die nach einer etwa Schale einer Fig. 38. -3 Woclien freilebenden Anodonta cell. in Ventralaiifsidit. Ligament, unpaares Scl.alenhäut- (Jrci WocheU alten Najade aU- clien, Auslenkung der Zuwaclisstreifen durch die Haken p • i , der Larvenschale. vergr.?4 :i. gefertigt wurdc, Veranschau- licht wird. Man schaut von unten in die geöffnete Schale hinein, erkennt nebenbei die Lage des Ligamentes und be- merkt an beiden Enden der Schloßlinie die Grenzen des ur- sprünglichen Schalenhäutchens (vgl. S. 21). Es ist leicht er- klärlich, daß durch die Über- windung dieses Hindernisses, die sonst regelmäßig konzen- trisch verlaufenden Zuwachs- streifoii unter den Haken eine konkave Auslenkung erfahren. Li der seitlichen Ansicht der Fig. 39 (Najade 3 — i Wochen alt) sowie auch noch bei den folgen- den Stadien macht sie sich deutlich bemerkbar. Sie verliert sich meist erst im Verlauf des zweiten Jahres. Fig. 39, sowie Fig. 40 (S. 65), letz- tere in der Aufsicht auf die Schloßlinie einer 0,66 mm langen, 0,48 mm hohen Najade, lassen die Lage der larvalen zur engültigen Schale er- kennen. Fast um 180° geöffnet liei>t die Glochidienschale den Wirbeln Fig. 39. Schale vom gleichen Stadium der Fig. 38 in seitlicher Ansicht. Vergr. 84 : 1. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 65 der definitiven auf, aber noch ist letztere nicht umfangreich genug, um die Haken völlig aufzurichten. Weiter fortgeschritten ist dieser Vor- gang schon beim Stadium der Fig. 34, S. 58. Bis zu diesem Alter wurde die Schalenbildung auch von Harms ver- folgt. Man vgl. nur Fig. 6, Nr. 21, S. 811. Darüber hinaus ergaben sich nun überraschende Befunde, die durch einen vollständigen Wechsel in der Form gekennzeichnet sind. Man kann den frühen Stadien etwa von der Form der Fig. 39 (S. 64) eine gewisse Ähnlichkeit mit der ausge- wachsenen Muschel nicht absprechen, jedoch ist bei der jungen Muschel gerade das Vorderende das umfang- reichere, während bei der alten das Umgekehrte der Fall ist. Im Verlauf der weiteren Entwicklung werden dann aber am Hinterende die Zu- wachsstreifen immer breiter, was zu- nächst dazu führt, daß die junge Muschel eine nahezu symmetrische Gestalt annimmt. Das veran- schaulichen uns die Fig. 41, und 27, S. 45 (Stadium der Fig. 35. 2,08 mm Länge ; 1,41 mm Höhe). Der Wirbel mit der auf- sitzenden Glochidien- schale ist in die Mitte der sanft zu beiden Sei- ten absinkenden Schloß- linie gerückt. Neben den konzentrisch ver- laufenden Zuwachsstreifen zeigt die beim Schalenexemplar schnee- weiße, beim lebenden Tier klar und durchsichtige Schale schon drei Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 5 Fig. 40. Schale einer 5 — 6 Wochen freilebenden J«o- donta cell. (Dorsalaufsiclit). Vergr. 84 : 1. Fig. 41. Schale einer 7 Wochen freilebenden Anodonta cell, in seitlicher Ansicht. Vergr. 84 : 1. 66 Karl Herbers, wallförmige Erhebungen auf. Das schnelle Heranwachsen der Hinter- seite hat, wie bereits in der Übersicht S. 59 hervorgehoben wTirde, seine Ursache in dem schnellen und umfassenden Ausbau der Region von Kiemen, Herz und Nieren. Die nächstfolgenden Vorgänge der Schalenbildung konnten aus Mangel an passenden Stadien bisher nicht beobachtet werden. Die Untersuchung setzt erst wieder ein, bei einem 5,7 mm langen und 3,4 mm hohen Tier, wie es Fig. 42 darstellt. Wie zu erwarten Avar, hat nun- mehr das Hinterende das Vorderende im Wachstum bedeutend über- holt. Der Wirbel, immer noch die Larvenschale aufweisend, ragt weit über die zweifach eingeknickte Schloßlinie empor. Es sei hier noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, daß bis zur Fig. 41 (S. 65) die dar- gestellten jungen Muscheln der spec. cellensis angehö- ren, während die im Freien gefundene Muschel der Fig. 42 wie auch die in Fig. 43 (S. 67) abgebildete, wahrscheinlich der spec, piscinalis angehören. Über die Entstehung der wellenförmigen Erhe- bungen und der Gruben kann ich vorläufig nichts aussagen, ebensowenig über die Art ihrer Anordnung. Im allgemeinen scheinen sie bei A. 'piscinalis eine regelmäßigere Lagerung aufzuweisen als bei A. cellensis. (Bei den jungen Unionen treten auch starke Unregelmäßigkeiten im Bau der Schale auf. Hier haben sie, wie an einer ganzen Reihe sehr junger Stadien beob- achtet werden konnte, mehr die Gestalt teils konzentrisch um den Wirbel gelagerter, teils strahlenförmig von ihm ausgehender Höcker.) Es bleibe vor der Hand noch dahingestellt, ob in dieser eigen- artigen Skulptur der jungen Schale eine Erinnerung an skulpturierte Vorfahren vorliegt. Hier wird erst ein genaues vergleichendes Studium an größerem Material weitere Aufklärung bringen. Die jungen äußerst flachen Anodonten erhalten jedenfalls dadurch ein so charakteristi- sches Aussehen, daß man sie nicht mehr mit anderen kleinen Süß- wasserbivalven verwechseln kann, sobald man sie einmal gesehen hat. Das weitere Schalenwachstum ist durch zweierlei «rekennzeichnet. Fig. 42. Junge Anodonta piscinalis (Länge 5,7 mm, Höhe 3,4 mm). Auf dem Wirbel nooh die Glochidiumscliale erkennbar. Typisch wellenförmige Skulptur der jugendlichen Anodonta- Scliale. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 67 Einmal hebt sich auf der jetzt völlig glatten Oberfläche deutlich das hellgelb, nach dem Rande grünlich gefärbte Periostracum ab. An- dererseits gelangt die Wölbung der Schale immer mehr zum Ausdruck. Fig. 43, gezeichnet nach einer 26 mm langen, 17,9 mm hohen, 7,1 mm dicken Muschel, die schon S. 10 in bezug auf die Frage nach den Brut- zeiten näher betrachtet wurde, mag das veranschaulichen. Die konzen- trischen Ringe sind lediglich Zuwachsstreifen, es zeichnet sich keiner als Jahresring aus. Gleichsam als Beleg für die hier gegebene Darstellung der Schalen- entwicklung kann Fig. 44 (S. 68) dienen, die an zwei Exemplaren von A. fiscinalis den verhältnismäßig selten anzutreffenden Anblick fast völlig erhaltener Wirbel gewährt. Am Wirbel findet man die weiße Fig. 43. Scliale vou Anodonta pis^inahs (Län.^e 26 mm, Höhe 17,9 mm). Auf dem Wirbel die schneeweiße skulpturierte Jiigendschale, zum Schalenrand hin glatte, leicht gelbgrün gefärbte Oberfläche. Schale der jungen Muschel mit den zur Schloßlinie hin immer enger und enger werdenden Wellenfurchen, während nach den Schalenrändern zu das Periostracum mit Zuwachsstreifen und Jahresringen sichtbar ist. Die beginnende Zerstörung des Wirbels macht sich jedoch schon dadurch bemerkbar, daß er an der Spitze von Periostracum entblößt ist. Die angenagten Ränder desselben treten bei beiden Muscheln hervor. Es sei noch mit wenigen Worten die Histologie der Schalenbildung berücksichtigt. An der Glochidienschale ist auf den Schnittbildern Fig. 65 (S. 101), Fig. 66 hl (S. 102) keine Differenzierung wahrzunehmen. Als feiner gelber Saum liegt sie dem äußeren Mantelepithel (ep) an. Die Anlage der definitiven Schale macht sich in Fig. 82, S. 128) durch Anlagerung einer feinen, gleichmäßigen Perlmutterschicht {'pm) be- 5* 68 Karl Herbers, merkbar. Das Periostracum (per) (ursprünglich Schalenhäutchen) geht ohne Unterbrechung von der larvalen zur definitiven Schale über. Es scheint mir für die Vorstellung von der Schalenbildung (ausführlicher Überblick über die betreffende Literatur beim ausgewachsenen Tier siehe in der Arbeit von Raßbach, Nr. 89, S. 446) von Wichtigkeit zu sein, daß die im Verlauf der Entwickluno- zuerst entstehende Schicht Fig. 44. Zwei nahezu ausgewachsene Exemplare von Anodonia piscinalis mit gut eriialtenen Wirbeln. (Wellenförmige Skulptur.) der definitiven Schale durchaus der späteren Perlmutterschicht gleicht. Für die erste Anlage der Prismenschicht fehlen mir die Bilder, da sie auf Stadien stattfindet, die bisher noch nicht zu erlangen waren. Fig. 68 — 70 auch Fig. 50 zeigen bei einer 5,7 mm langen Muschel bereits alle drei Schichten. Hier überholt die Prismenschicht jetzt die dünne Perlmutterlage beträchtlich. Abgelöste Teile des Periostracums zeigten auf ihrer Innenseite in regelmäßiger Verteilung kleine, spitze Erhebungen etwa wie die Zähne auf einer Feile. Entwicklungsgeschichte von Anocionta cellensis Schrot. 69 Das Ligament ist beim Glochidium ein inneres. Es liegt als kleines, elastisches Band im hinteren Drittel der Schloßlinie (vgl. Fig. 25, S. 33). Auf dem Längsschnitt der Fig. 26, S. 34 ist der zunächst noch gleich- mäßige innere Bau sichtbar. Später zackt es sich nach den Seiten hin aus (Fig. 60, S. 97), wodurch wahrscheinlich die Sonderung in eine innere und äußere Ligamentschicht angebahnt wird. Auf Bildern aus der nachparasitäreu Zeit, etwa von der dritten Woche an, sind die Liga- mentschichten bereits deuthch gesondert (vgl. Fig. 84, S, 130; Fig. 98, S. 158). Der Übergang zu einem äußeren Ligament ist in den Fig. 60, S. 97 und 90, S. 137 schon vollzogen. Besonders in Fig. 98, 50. S. 158, 80 treten die Zusammenhänge des Ligaments mit den neu gebildeten Schalenschichten hervor. 2. Mantel, Mundlappen und Siphonen. Vor Beginn einer näheren Betrachtung der Umwandlungsvorgänge des larvalen in den definitiven Mantel, wie wir sie nach ihrer gröberen Morphologie schon vorn im Überblick kennen lernten, erscheint es ge- boten, auf einen mißverständlichen Sprachgebrauch der bisherigen Untersucher aufmerksam zu machen. Wenn dort von einem larvalen oder definitiven Mantel die Rede ist, so ist zumeist nur auf die innere, der Mantelhöhle zugewendete Epithelschicht bezug genommen. Sie ist es ja allerdings, die im Lauf des parasitischen Lebens den eigenartigen Umbildungsprozeß erleidet. Es sei jedoch ausdrücklich darauf auf- merksam gemacht, daß die ganze Umwandlung ohne das Körperepithel, welches auch das zur Schale gewendete Blatt des jeweiligen Mantels bildet, nicht denkbar wäre. Das Körperepithel (durchweg mit ep be- zeichnet) bleibt während der ganzen Umwandlung bestehen, ist aber gewöhnlich äußerst dünn, und daher auf den Schnitten oft nur als feiner Plasmasaum dicht an den Schalenhälften erhalten. (Vgl. Fig. 12, 60—62, 55, 75, 81.) Sobald die Larve zum Parasitismus gelangt, beginnt ein allge- meiner Zerfall der Mantelinnenfläche. Eingeleitet wird dieser Vorgang durch den Sch^vund der vier Paar feiner Sinnesborstenzellen und die Resorption der Larvenfadendrüse. Der Larvenfaden ist hingegen mit- unter noch lange in den parasitierenden Larven anzutreffen (vgl. Fig. 61, S. 97; Fig. 75, S. 116 [If]). Die Mantelzellen selbst verlieren bald ihre regelmäßige Gestalt und senden pseudopodienartige Fortsätze in die Mantelhöhle hinein (Fig. 60, S. 97). Die Zellgrenzen werden in der 70 Karl Herbers, Folgezeit immer undeutlicher; die Kerne, vor allem die Kernkörpercheu; nehmen an Größe zu (Fig. 60, S. 97 ; Fig. 65, S. 101). i\Iit der beginnenden Neubildung der definitiven Organe setzt auch ein mechanischer Zerstörungsprozeß der larvalen Mantelzelleu ein, der, obgleich an anderer Stelle schon berücksichtigt, hier noch ein- mal in seinen wesentlichsten Zügen wiedergegeben sei. Durch das Wachstum der Eänder der seitlichen Gruben werden zunächst die lar- valen Mantelzellen hinten ganz aus der Nähe des Fuß^mlstes hinweg- gedrängt (Fig. 28, S. 50). Letzte- rer schiebt sich darauf, besonders nach dem Zerfall des larvalen Adductors, wie ein Pflug nach vorn und drückt sie auch hier zur Seite. Während dieser Vor- gänge stellen sich, etwa in der zweiten Woche des parasitischen Lebens, plötzlich von allen Seiten des Schalenrandes und von den Rändern der definiti- ven Organanlagen her die neuen Mantelzellen ein. An den Schalen- rändern entstehen sie aus dem Körperepithel. Nach meinen Be- funden glaube ich annehmen zu müssen, daß schon im Glochi- dium definitive Mantelzellen vor- gebildet sind. Namentlich fand ich solche Zellen mit kleinen, stark färbbaren Kernen in der Gegend der Schalenhaken. Das vordringende, endgültige innere Mantelepithel nimmt, wie Fig. 29, S. 51 und Fig. 30, S. 52 erkennen lassen, bald den wesentlichsten Anteil an der Zerstörung der larvalen Mantelzellen. So bildet sich zu- nächst jederseits ein Ring, später ein Haufen und endUch der »pilzför- mige Körper« (vgl. Fig. 31, S. 54 und Fig. 45) von larvalen Mantelzellen. Noch gegen Ende des zweiten Drittels der parasitischen Periode sind aber auch diese letzten Reste resorbiert und damit ist die Anlage des definitiven Mantels vollständig geworden (Fig. 32, S. 55). Fig. 45. Quersclinitt durcli eine 5 Tage parasitierende Ana- rfow>dorsale Mantelrinne« bezeichnete Rinne sichtbar. Eine weitgehende Differenzierung hatten die Anlagen des Atemsipho erfahren. Fünf bis sechs kleine, papillenförmige Erhebungen erhoben sich auf dem Rand der Innenfalten, während die Basis der Anlagen reich von Bindegewebe, Muskeln und Nerven durchzogen war. Ober- halb der Kiemenleisten zeigte das Außenepithel der Innenfalten eine leichte Neigung zur Faltenbildung, was ich mit der Anlage des After- siphos in Zusammenhang bringe. Im dorsalen Mantelschlitz einer 7,7 mm langen Unio war deutlich zweierlei Epithel auf den Mittelfalten angelegt. Dem Schloßrand zu- gewandt, bestand es aus hohen Zellen mit langen Kernen, wie ich sie sonst nur von den Hautsinnesorganen der jungen Muscheln kenne. 3. Kiemen. Bei dem besonderen Interesse, das die Entwicklung der Lamelli- branchierkieme heute vom systematischen und morphologischen Ge- sichtspunkt aus besitzt, möchte es geboten erscheinen von vornherein die gesamte Literatur zu berücksichtigen. Dies ist aber unlängst erst in ausführlicher Weise von Wasserloos in seiner Arbeit über »Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea und andern Acephalen des süßen Wassers« (Nr. 109) geschehen, so daß ich mich hier nur auf das Wichtigste zu beschränken brauche. Wir unterscheiden gegenwärtig zwei Haupttypen der Kiemen- 76 Karl Herbers, anläge, den Pa|)illen- und den Faltentypus. Ersterer wurde zuerst von Lacaze-Duthiers 1855 für Mytüus beschrieben, letzterer be- sonders von Ziegler (1885). Wasserloos (1911) bei Cyclas Cornea verfolgt, nachdem schon Hatscheck (1880) ihn bei Teredo navalis in seinen Hauptzügen — sekundäre Durchfensterung einer ursprüngHchen Falte — erkannt hatte. Anodonta wurde schon frühzeitig .als eine zum Papillentypus ge- hörige Form erkannt. Sehen wir ab von den vergeblichen Versuchen QuATREFAGEs (Nr. 46) und Carus (Nr. 9), die Kiemen im Glochidium aufzufinden, so muß Leuckart (1849 [Nr. 40]) das Verdienst zuge- sprochen werden, in den Rändern der seitlichen Gruben die früheste Anlage der Najadenkieme richtig erkannt zu haben. Erst durch die in dieser Arbeit so oft erwähnten Untersuchungen von Braun, Schier- holz, Schmidt und Harms wurden dann nacheinander der Vollständig- keit des Materials entsprechende Mitteilungen über die frühe Aus- bildung der inneren Kieme in Form von Papillen bekannt. Harms bemerkte bei seinen ältesten Stadien eine leichte Einbiegung der Pa- pillenenden nach innen und bringt diese Erscheinung mit dem Zustande- kommen der inneren Lamelle der inneren Kieme in Verbindung. Was- serloos, dessen Zuchten größtenteils fehlschlugen, gelang es nicht, über diese Ergebnisse hinauszukommen. Angesichts der Einmütigkeit der Beobachtungen der bisher zitierten Untersucher müssen umso- mehr die Ergebnisse Voineas (Nr. 55) in Erstaunen versetzen, der 1892 in einer Arbeit »Die Entwicklung der Kiemen der Najaden«, letztere mit Cyclas und Teredo dem Faltentypus zurechnet. Wie Voinea selbst hervorhebt, hat er w^ährend seiner Untersuchungen sehr unter Materialmangel zu leiden gehabt. Zunächst fehlten ihm infolge un- glücklich verlaufener Zuchten die jungen Najaden, an denen er das Zustandekommen der inneren Lamelle der inneren Kieme hätte ver- folgen können. (Dennoch hat er, wie eine wenig genaue Zeichnung be- weist, als erster ein Stadium mit '22 Papillen besessen.) Das Material für das Studium der Entwicklung der äußeren Kieme bestand aus im Freien gefundenen Exemplaren von etwa 1 cm Länge. Nach den eig- nen Beobachtungen ist es nicht verständlich, wie er daran die beschrie- benen Vorgänge verfolgen, und vor allem seine gewagten Schlußfolge- rungen aufstellen konnte. Voineas Arbeit ist aber meines Wissens bisher die einzige, welche überhaupt über die Entwicklung der äußeren Kieme der Najaden berichtet und darum wird im Folgenden noch mehr- fach darauf zurückzukommen sein. In Totalfig. 22, S. 30 sind die liänder der seitlichen Gruben sieht- Entwicklungsgescliichte von Anodonta cellcnsis Schrot. 77 bar. Auf ihnen erhebt sich schon in den ersten Tagen des parasitischen Lebens von hinten nach vorn fortschreitend eine feine Falte (A;/),Fig. 28, aus der die innere Kieme ihren Ursprung nimmt. Fig. 45 (kf) zeigt sie uns im Querschnitt zu beiden Seiten als kleine wallartige Erhebungen auf dem Grund der erweiterten seitlichen Gruben. Die weitere Aus- bildung ist zunächst aus den Totalbildern Fig. 29, S. 51 ; Fig. 30, S. 52; Fig. 31, S. 54 ersichtlich. In Fig. 29, S. 51 ist die Falte breiter geworden, auch hat sie sich nach vorn zu wulstartig erhöht. Diese vordersten Spitzen stellen die beiden ersten Papillen {kpi) dar. Nun- mehr tritt auch auf dem hinteren Abschnitt der Leiste ein verstärktes Wachstum ein, dessen Endresultat das zweite Papillenpaar (kpo,) Fig. 30 [S. 52]) an einer 15 Tage parasitierenden Larve erkennen läßt. Das vordere Papillenpaar ist dabei etwas nach vorn zum Haken vorgerückt. Bei näherer Betrachtung des hinteren Abschnittes der linken zweiten Papille, bemerkt man, daß durch die Einschnürung die dritte Papille bereits vorgebildet ist. In Fig. 31, S. 54 haben sich die Verhältnisse schon erheblich geändert. Es ist nicht allein das dritte Papillenpaar in der Entwicklung weit gefördert, sondern auf dem hintersten Abschnitt der Leiste ist auch das vierte Paar in der Anlage vorhanden. Weitere Papillen kommen während der parasitischen Periode nicht zur Aus- bildung. Die Papillen, welche bisher noch knöpfchenartig der Leiste aufsaßen — man vgl. Schnittfig. 65, S. 101 bei der {kp^) getroffen ist — treten nun bis zum Ende des Parasitismus in eine Phase des Längen- wachstums ein. Die Fig. 32, S. 55; Fig. 33, S. 56 geben davon Zeugnis. Es sei besonders auf die breite "abgeplattete Gestalt der Papillen auf- merksam gemacht. Fig. 65, S. 101 und Fig. 83, S. 129 lassen histolo- gische Einzelheiten in ihrem Aufbau erkennen. Während Fig. 65, das vorderste Papillenpaar (kp^) im Schrägschnitt zeigt, ist in Fig. 84, das dritte genau in der Länge getroffen. Ein gleichmäßig cylin- drisches Epithel, das auf diesem Stadium noch sehr dem des jungen definitiven Mantels gleicht, umschließt Teile der primären Leibeshöhle, die mit in die junge Anlage hineingezogen sind. Voinea hielt dieses Lumen für den im Entstehen begriffenen interlamellären Hohlraum der inneren Kieme des erwachsenen Tieres, eine Ansicht, die, wie wir noch weiter hinten sehen werden, unhaltbar ist. Außer einigen Phagocyten {ph) sind Elemente des Mesenchyms kaum sichtbar. Vom Beginn des freien Lebens an, spielen sich in der weiteren Ent- wicklung der inneren Kieme zwei Vorgänge gleichzeitig nebeneinander ab. Einmal tritt eine rasche Vermehrung der Papillen ein, derart, daß sie hinten auf der Kiemenleiste neu entstehen und nach vorn hin 78 Karl Herbers, iifmr/y^^^ aufrücken. Anderseits vollzieht sich an den ältesten Papillen die äußere und innere Umwandlung in die Filamente. Beide Vorgänge werden veranschaulicht durch Fig. 34, S. 58, wenn man daran die Papillen dem Alter nach von hinten nach vorn verfolgt. Neun Paar Papillen sind bereits sichtbar, das neunte, jüngste, eben erst in der Anlage. An den älteren läßt sich deutHch ein nach außen gekehrtes Stützgerüst und ein an der Innenseite verlaufendes, zartes Häutchen beobachten. Was- SERLOOS hat in seiner Fig. 22, Taf. VII (Nr. 109) bereits einen Quer- schnitt durch gleichaltrige Papillen einer jungen Anodonta gegeben. Die Basis der beiderseitigen jungen Anlagen der inneren Kieme hat auf diesem Stadium eine be- merkenswerte Lage zur Hauptachse. Infolge der geringen Ausbildung des hinteren Körperabschnittes steht sie fast genau dorsoventral, d. h. senk- recht zur Hauptachse. Mit der nun einsetzenden Ausbildung der hinte- ren Körperregion erlangt sie dann später immer mehr ihre von hinten nach vorn gerichtete endgültige Lage, Die Kiemenleisten ziehen sich zu beiden Seiten des Mantels hin, im Wachstum mit ihm gleichen Schritt haltend. Dabei verlassen sie allmäh- ^^" ■ lieh den engen Winkel zwischen Drei in Umkehr begriffene Papillen der inm- . - ren Kieme. (Aus einem Frontalschnitt durcli Mantel Und Kumpt Und wenden Slch eine junge Muschel.) mcm, Membran; kp, gchräg Ventral uach hinten frei in Kiemenpapillen ; iik, interlamellarer Raum -.t.^ , -,i c -i • der inneren Kieme. Vergr. 467 : 1. den Mantelraum, wodurch auis beste der enge ontogenetische Zusammen- hang von Mantel und Kiemen veranschaulicht wird. (Letztere sind ursprünglich nur Falten, die aus dem inneren Mantelblatt hervor- gehen.) Dieses Verhalten ist noch klarer aus Fig. 35, S. 60 zu ersehen. Hier ist die Herz-, Pericard- und Nierenregion schon weit in der Ent- wicklung vorgeschritten. Das Kiemenblatt zählt bereits 24 Papillen, weist aber noch andre wesentliche Fortschritte in der Entwicklung auf. Die ventralen Enden der Papillen, die schon in Fig. 34, S. 58 zum Teil eine Verdickung aufwiesen, sind seitlich miteinander ver- schmolzen und biegen sich gleichzeitig nach innen um. Damit ist die M- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 79 Anlage der äußeren Lamelle der inneren Kieme vollendet und zu- gleich die der inneren Lamelle auf der ganzen Linie vorgebildet. Fig. 48. Tot>Byssusdrüse « übrig. Meisenheimer hat für Drcissensia (Nr. 81, S. 67) das gesamte Mesenchym des Fußes vom Ectoderm abgeleitet, was er schon bei Limax maximus vorher wahrscheinlich gemacht hatte. Harms gibt (Nr. 25, S. 346) an, daß bei jungen Anodonten das im hinteren Fuß- abschnitt gelegene bindegewebige Mesenchym vorn aus dem Mesoderm (zweiter Somatoblast?) stannne, für die kontraktilen Fasern im vor- deren Teile des Fußes hält er eine ectoderniale Entstehung für möglich. Entwicklungsgeschichte von Anodonta ccllensis Schrot. 85 '■a"o Die Bildung des Mesenchyms habe ich nicht besonders verfolgt, dennoch möchte ich mit einem Hinweis auf die vorliegenden Schnittbilder an eine Einwanderung freier Mesenchymzellen aus dem Ectoderm in weit- gehendem Maße glauben. Eine erste Phase starker Einwanderung dürfte kurz vor dem Verlassen der Cyste bei den jungen Larven statt- finden. In Fig. 71, S. 109 sieht man namentlich an der unteren Fuß- kante eine Reihe von Zellen in enger Berührung mit dem Fußepithel. Eine zweite Phase der Einwanderung setzt während des Wachstums der jungen Najaden ein. Fig. 74, S. 114 läßt erkennen, wie wenig Mesenchvm überhaupt zu jener Zeit im Fuß vorhanden ist. Gesetzt den Fall, die wenigen (vielleicht aus dem zweiten Somatoblasten ent- standenen) Mesenchymzellen würden sich fortgesetzt teilen, so würden sie kaum das umfangreiche >Schwell- und Bindegewebe allein bilden können. Byssusdrüse. Mit der Ausbildung des Fußes ist wie bei vielen andern Lamelli- branchiern so auch bei Anodonta die Entwicklung der Byssusdrüse aufs engste verknüpft. Dieses Organ, das außer bei Dreissensia polymorpha bei keiner unserer Süßwassermuscheln im ausgewachsenen Zustand mehr vorkommt, wird bei Anodonta im Lauf der postembryonalen Ent- wicklung zwar angelegt, aber es erleidet späterhin eine weitgehende Rückbildung. Da während der vorliegenden Untersuchung eine Reihe neuer Beobachtungen über diesen Gegenstand gemacht werden konnten, sei es gestattet, etwas ausführlicher als es sonst im Rahmen dieser Arbeit bei den einzelnen Organen geschieht, darauf einzugehen. Die ältesten Angaben von Cakus (Nr. 9), Quatrefages (Nr. 46), v. Siebold, Forel (Nr. 19), Flemming (Nr. 17) und Rabl (Nr. 47) über die »rudimentäre Byssusdrüse der Najaden« beziehen sich alle auf die Larvenfadendrüse der Gloehidien. Erst als Braun (Nr. 4 — 7) mit dem Studium der parasitierenden Larven beschäftigt, auf dem kleinen Fußkegel eine trichterförmige Einstülpung feststellte, und Caeriere (Nr, 63) diese als die eigentliche Byssusdrüse ansprach, er- klärte man die Larvenfadendrüse für ein spezifisch larvales Gebilde, das den Parasitisnms vermitteln sollte. Es ist ja an anderer Stelle schon darauf aufmerksam gemacht, daß Lillie sowie Lefevre und Curtis die Larvenfadendrüse in erster Linie als eine der Urniere der Tro- chophora homologe Bildung betrachten. Carriere war bei seiner Deutung der Angaben Brauns von ganz andern Beobachtungen ausgegangen. Er hatte im Fuß einer Reihe nicht byssusführender Muscheln, so auch 86 Karl Herbers, bei Anodonta und Unio. einen kurzen, von Flimmerepithel ausgeklei- deten Sack aufgefunden, den er auf Grund vergleichend anatomischer Untersuchungen als rudimentäre Byssusdrüse ansprach. Er bezeichnet das Vorkommen dieses Organs als sehr inkonstant, da er es unter drei bis vier Exemplaren nur bei einem fand. Leider findet man in Car- RiEREs Ausführungen keinerlei Angaben über Alter und Größe der untersuchten Tiere. Es sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, daß später J. Th. Catti (Nr. 64) und F. Schmidt (Nr. 53) das Vor- kommen des Säckchens für Anodonta nicht bestätigen konnten. Carriere hatte aber für Cyclas Cornea längst in der Entwicklung einen Beweis seiner Auffassung gefunden. Durch v. Siebold, Leydig (Nr. 41) und später ausführlicher von Ziegler (Nr. 111) wurde hier die Byssusdrüse im Verlauf ihrer Entwicklung verfolgt. Sie entsteht als paarige ectodermale Anlage, stülpt sich zu einem Säckchen ein, das für eine gewisse Zeit secernierenden Charakter trägt. In der weiteren Entwicklung konnte Carriere feststellen, wie sich das Säckchen all- mählich von der Fußkante ablöst, sich ins Fußinnere verlagert und dabei immer kleiner wird. Es ist leicht verständUch, daß Carriere Brauns Beobachtungen in der Anodonta-^nt\y\ck\\n\^ in eben dieser Weise glaubte verwerten zu dürfen. Die Berechtigung dazu wurde durch die Angaben F. Schmidts wieder in Frage gestellt. Schmidt bestätigte Brauns Beobachtungen über die Entstehung der Einstülpung. Sie soll nicht bei allen Indivi- duen gleich stark entwickelt sein, aber immer in zwei seitliche Aus- sackungen auslaufen, also eine paarige Anlage aufweisen. Im Zu- sammenhang mit der Einstülpung beobachtete Schmidt ferner das Auftreten einer Längsrinne an der ventralen Fußkante. Während nun die Rinne nach seiner Meinung bei den jungen Najaden erhalten blieb, glaubte er für die Einstülpung eine Abflachung feststellen zu können. S. 217 (Nr, 53) schreibt er: >>Die Drüseneinstiilpung ... ist an den jun- gen Muscheln nach dem Verlassen des Wirtes nicht mehr zu finden«. Daß er das von Carriere beschriebene Säckchen nie beobachtete, ist schon oben erwähnt worden. In neuester Zeit hat Harms weitere An- gaben über die »Byssusdrüse << gemacht. Er beschreibt sie (Nr. 25, S. 346) als »paarige ectodermale Anlage der Mittellinie . . . unmittelbar hinter den Pedalganglienanlagen entstanden«. Die Anlagen sollen aber entgegen der Ansicht Schmidts bald mächtig anwachsen und sich zu drüsigen Schläuchen entwickeln, die fast bis in die Fußspitze hineinreichen. Harms beschreibt auch eine gemeinsame Mündung der Drüsenschläuche, die durch Verwachsung an der Stelle, wo sie sich ursprünglich aus dem Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellcMisis Schrot. 87 Ectoderm bildeten, zustande kommen soll (s. Nr. 25, Fig. 36, 42). Er hat auch die Absonderung von schleimigen Massen und Secretfäden beobachtet. Was nun meine eignen Beobachtungen anbetrifft, so kann ich zunächst das von Beaun, Schmidt und Harms übereinstimmend be- schriebene Auftreten einer kleinen trichterförmigen Einstülpung an der ventralen Fußkante bestätigen. 8ie tritt schon sehr früh in der parasitären Periode auf und zeigt bei manchen Larven zwei kleine seitliche Aussackungen. »Schon bald nach der Ablösung der Pedal- ganglien vom Ectoderm findet man beiderseits, zwischen Pedalganglien Fig. 52. Querschnitt durch den geschwellten Fuß einer 25 — 30 Tage freilebenden Anodonta cell, fp, Fuß- epithel; kr, Kriechrinue ; bydr, Flügel von Drüsenzellen (rudimentäre Byssusdrüse). Vergr. 698 : 1. und der trichterförmigen Einstülpung, dem Fußepithel angelagert zwei kleine Gruppen von Drüsenzelleu. Das gleichmäßig gekörnte Proto- plasma färbt sich meist mit HEiDENHAiNschem Eisenhämatoxylin auf- fallend gelb, während die Kerne selbst nach kräftigem Ausziehen mit- unter noch tiefschwarz erscheinen. Bis zum Ende des parasitären Le- bens, besonders aber nach dem Freiwerden der jungen Muschel ließ sich ein verhältnismäßig rasches Anwachsen der beiden Anlagen in zwei lang gestreckte Flügel von Drüsenzellen verfolgen, die bis in die Fuß- spitze hineinreichen. Wie das Anwachsen vor sich ging, ob durch Tei- lung der ursprünglichen Drüsenzellen oder durch Einwanderung ein- zelliger Drüsen zu beiden Seiten längs der Fußkante, kann nicht mit 88 Karl Herbers, Sicherheit angegeben werden. Es sei aber besonders darauf hingewiesen, daß die beiden Flügel durchaus den Eindruck zweier einheithcher Ge- bilde machen. Das beweisen am besten die beiden Schnittfiguren 74 S. 114 und Fig. 52, S. 87. In Fig. 74, S. 114, die einen medianen Sa- gittalschnitt durch eine 25 Tage freilebende junge Muschel darstellt, ist ein Flügel auf seiner ganzen Erstreckung aus einem benachbarten Schnitt eingezeichnet. Die Lage der Flügel zur Fußachse geht ohne weiteres aus dem Fußquerschnitt Fig. 52, S. 87 hervor, der von einer Fig. 53. Fußkante aus einem Querschnitt durcli eine 2,06 nun lange, 1,30 mm liolie Anodonta cell. Das Säck- clien löst sich , vom Fußepithel; fm, Fußmuskulatur; kr, Krieclirinne ; hdg, Bindegewebs- fibrilleu; pb, Plasmabrücke; po, Polster des Säckchens; Iz, Leberzellen; ph, Pliagocyten. Vergr. 400 : 1. gleichaltrigen Najade entnommen ist. An feinen Bindegewebsfibrillen {bdy) frei im Fuß aufgehängt, senden die Flügel eine Menge feiner, zipfel- förmiger Ausläufer Fig. 74 (2/) zur Fußsohle. Eigenartig ist die in Fig. 52, S. 87 namentlich beim linken Flügel zum Ausdruck kommende Um- faltung. Jedenfalls handelt es sich in diesem Alter nicht mehr um einschichtige Flügel von Drüsenzellen, sondern um zwei kompakte Stränge. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß das soeben in seiner Entwick- lung beschriebene drüsige Organ mit der bei Harms aus einer paarigen Anlage abgeleiteten »Byssusdrüse << identisch ist. Zwar konnte ich eine Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 89 Verwaclisung der beiden Flügel zum Zweck einer gemeinsamen Aus- mündimg nicht feststellen. Im übrigen stimmten meine Beobachtungen so sehr mit Harms Ergebnissen überein, daß ich beim Studium älterer Stadien, die Harms nicht zu Gebote standen, sehr erstaunt war, das Auftreten eines neuen unpaaren Organs auf der Mittellinie des Fußes, an der Stelle der ehemaligen trichterförmigen Einstülpung zu bemerken. Von der Einstülpung aus war schon während des parasitischen Lebens, mehr noch aber bei den jungen Najaden die feine Kriechrinne zur Ausbildung gelangt. Fig. 33, S. 56 und Fig. 34, 35 kr, S. 58, 60 zeigen sie am Totalbild, während Fig. 65, S. 101, Fig. 66, S. 102, Fig. 53 hr, S. 88 sie auch im Querschnitt erkennen lassen. Nie fanden sich auf dem Epithel der Kinne Wimpern vor, die sonst den ganzen Fuß be- decken. Trotz der weiteren Ver- tiefuns; der Rinne "ibt aber die .:♦/ ursprüngliche Emstülpung diren -•* ' . '"Yi^V^ f'v selbständigen Charakter nicht auf, :^.:'{.-] *• 'v'^^ ''(.^r '^'«-rV ' ' sie wird vielmehr immer stärker und i^^© *'*;.,?ij. bildet schließlich ein kleines ein- i-. schichtiges Säckchen, wie es auf dem Sagittalschnitt in Fig. 74 6^Ä, ■ ':Y^^--^-\h\ -^^ '■'■'' ' S. 114 dargestellt ist. Dieser Schnitt ' (/."l . I® "^W '^ ■' " entspricht ungefähr dem in Total- -' — ''" fig. 34, S. 58 abgebildeten Stadium, Y\o. 54. wo das Säckchen auch hervortritt. Querschnitt dmch den oberen Abschnitt des In der Folgezeit schließt sich iedoch Jäckchens eines gleichen Stadiums wie in ^ J Flg. 53. Vergr. 777 : 1. die Öffnung des Säckchens immer mehr, es schnürt sich vom Fußepithel ab und wandert, nun blind- geschlossen, in Richtung auf das Pedalganglion ins Fußinnere hinein. Querschnitt Fig. 53, S. 88, der von einer 2,06 mm langen und 1, 3 mm hohen jungen Muschel stammt, zeigt das eben in Ablösung begriffene Säckchen. Im oberen Teil an Bindegewebsfibrillen i^dcj) aufgehängt, ist es mit dem Fußepithel nur noch durch eine feine Plasmabrücke (p&) verbunden. Es fällt ferner, besonders im oberen Teil, eine starke Kernvermehrung (po) und eine beginnende Längsstreckung des ganzen Säckchens ins Auge. Im Innern befinden sich feine Secret- stränge und darin eine Reihe sehr dunkel gefärbter Gebilde, die ich bisher nicht zu deuten vermochte. Fig. 54, einem Frontalschnitt der Muschel entnommen, hat das Säckchen im oberen Abschnitt quer ge- troffen, wie es auch durch die Linie in Fig. 53, S. 88 angedeutet ist. ^'■U.:Ah . - #• 90 Karl Herbers, Das Säckchen erscheint zweischiclitig und in Richtung von vorn nach hinten (auf die Muschel bezogen) abgeplattet. Ohne im einzelnen das weitere Schicksal des wandernden Säckchens von Stufe zu Stufe zu verfolgen , es sei nur auf Totalfig. 34 hijli , S. 58 verwiesen, seien noch die Befunde an Sagittalschnitten durch einige ältere Muscheln wiedergegeben. Fig. 55, zeigt das Organ einer nahezu 2 cm langen Anodonta im Ausschnitt, Das Säckchen, das noch näher in die Nachbarschaft des Pedalganglions vorgerückt war, hat bedeutend an Länge zugenommen und läßt deutlich drei Abschnitte erkennen. (Länge des Säckchens bei einer 7,8 mm langen, 4,7 mm hohen Unio 0,270 mm.) Der vordere und '^^:.-fe fe--. ^■ ■;^^'' ^^^^Mj Fig. 55. Sagittalschnitt diircli das Säckchen einer etwa 11/2 cm langen Anodonta pisc. rpo, runde Kerne des Polsters; //, Flimmerepithel des Säckchens. Vergr. 211 : 1. hintere, ursprünglich obere und untere Teil, (es findet im Lauf der Wanderung eine Neigung des Säckchens um die Horizontale statt) ist mit FUmmerepithel ausgekleidet. Die Flimmerzellen im hinteren Abschnitt sind in Fig. 56, S. 91 noch einmal bei stärkerer Vergrößerung dar- gestellt. In der Mitte ist das Säckchen von einem dichten, etwas nach innen vorspringenden Zellpolster (po) ausgekleidet. Die Kerne sind meist langgestreckt, zwischendurch finden sich aber auch die ein- fachen runden (rpo), wie sie in den Flimmerzellen zu sehen sind. Lu Hohlraum des Säckchens sind wieder Spuren eines Secrets zu erkennen. Druch das eigenartige Verhalten des Säckchens aufmerksam geworden, suchte ich irgendwelche nervöse Elemente aufzufinden. Meine Über- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 91 raschuug war dennoch groß, als ich zunächst bei einer 7,8 mm langen, 4,7 mm hohen Unio, später auch bei verschiedenen kleinen Anodon- ten eine direkte Beziehung des Säckchens zum Pedalganglion auf- fand. Fig. 57, zeigt meinen Befund an der kleinen Unio. Das rings in lakunäres Bindegewebe eingebettete Säckchen em- pfängt vom Pedalganglion aus einen starken Nerven. Wie die Strahlen eines Lichtkegels verteilen sich seine feinen Fasern auf der ganzen vorderen Kuppe. Vor der Hand sind diese Befunde noch nicht am ausgewachsenen Tier be- Stätio't Ich zweifle iedoch Fli™»ierepithel des Säckchens bei stärkerer Vergrößerung. ® ' / Vergr. 698 : 1. nicht, daß auch hier das Säckchen vorkommt und in Beziehung zum Nervensystem tritt. Wahrscheinlich kommt für die Innervierung der von Splittstösser (Nr. 102) als nervus pedalis 4 bezeichnete Nerv in Betracht, der, wie Fig. 50. -v Fig. .57. Ausschnitt aus einem Sagittalschnitt durch eine 7,8 mm lange, 4,7 mm hohe Unio spec.?. Das Säckchen byfi wird vom Pedalganglien aus innerviert, npi — 4, Nervus pedalis 1 — 4. (Länge des Säckchens 0,195 mm.) Vergr. 68:1. ein Vergleich mit marinen, byssusführenden Formen ergibt, dort die Byssusretraktoren versorgt (List, Nr. 118). Es liegt auf der Hand, daß das soeben in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung verfolgte Säckchen dasselbe ist, welches schon 92 Karl Horbers, Carrieke — wie wir weiter oben sahen — im Fuß von Anodonta und Unio auffand. Jetzt kennen wir auch seine wirkliche Ableitung, die in der Tat eine ganz ähnliche ist, wie sie Carriüre schon für Cyclas Cornea beschrieb und hier mit Eecht als einen ontogenetischen Beweis für seine Deutung der Befunde am ausgewachsenen Tier anführte. Aber bei Anodonta haben wir im Verlauf der Ontogenese zwei zeit- lich gesonderte ectodermale Anlagen beschrieben, einmal die von den bisherigen Beobachtern allein erkannten Flügel von Drüsenzellen und das Säckchen. Es erhebt sich daher notwendigerweise die Frage, ob das Säckchen mit den Drüsenschläuchen in irgend einem Zusammen- hang steht; ob und welche Beziehung beide Teile zum rudimentären Byssusorgan besitzen. Schon Carriere unterschied am ausgebildeten Byssusapparat, die in den vorderen Fuß eingelagerte Spinn- oder Byssusdrüse, die Rinne und die Byssushöhle mit den Byssusflächen. Er fand, was neuerdings in einer ausführlichen Arbeit Seypels (Nr. 94) bestätigt wurde, daß das gesamte Epithel der Byssushöhle und -fächer nirgends drüsigen Charakter zeigt, sondern in den überaus meisten Fällen als Flimmer- epithel ausgebildet ist. Seydel erweiterte unsre Kenntnis von der Spinndrüse noch dahin, daß wir es nicht mit einem einheitlichen Organ zu tun haben, denn er unterscheidet nach Lage und Struktur nicht weniger als sieben verschiedene Arten von Drüsenzellen. Aus der Entwicklungsgeschichte der byssustragendcn Lamellibran- chier ist mir kein Beispiel in der Literatur bekannt, wo die einzelnen Abschnitte des Organs hergeleitet werden. Meisenheimer (Nr. 84) beschreibt für Dreissensia die Anlage des Byssusorgans als eine ein- fache grubenförmige Einsenkung des Ectoderms, die später einen um- fangreichen Schlauch bilden soll. Für byssuslose Formen haben in neuerer Zeit Drew (Nr. 66, 67) für Yoldia und Nucula, Sigerfoos (Nr. 96) für Yyhtrya die Anlage einer kleinen Einstülpung als »rudi- mentäre Byssusdrüse« beschrieben. Es ist leicht ersichtlich, daß es sich hier in den Angaben überall um eine dem eingestülpten Säckchen bei Anodonta homologe Bildung handelt. Im Vergleich mit dem aus- gebildeten Byssusorgan bin ich geneigt, diesen Teil als ein Homologon der Byssushöhle aufzufassen. Allein Ziegler (Nr. 111, S. 548) beschreibt für das rudimentäre Byssusorgan von Cyclas über und neben dem Säckchen Haufen von Drüsenzellen. Er sagt: >> . . . es sind Drüsenzell<^n, die ohne Zweifel aus Epithelzellen entstanden sind <<, und weiter : >> ... sie entsprechen nach Lage und Aussehen den Drüsenzellen, welche Carriere an den Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 93 Byssusdrüsen andrer Lamellibranchier beobachtet hat«. — Ob die FHigel von Drüsenzellen der jungen Anodonten in diesem Sinne als Rudimente der Spinn- oder Byssusdrüsen aufzufassen sind, bleibe vorerst noch unentschieden. Obwohl sie rein äußerlich große Ähnlichkeit mit den echten Byssusdrüsen aufweisen, mahnt doch zweierlei in der Deutung zur Vorsicht. Einmal wissen wir nicht, welcher von den sieben Arten Drüsenzellen, die Seydel aufführt, die Drüsen der Flügel homolog zu setzen w^ären. Anderseits deutet das Verhalten der Flügel in der späteren Entwicklung — sie wachsen ohne jeden Zusammenhang mit dem Säckchen zu mächtigen, noch lange paarig erscheinenden Drüsenpolstern im Schwellgewebe der Fußkante aus — daraufhin, daß wir es hier mit den von Seydel als subepitheliale Mucindrüsen bezeich- neten Organen zu tun haben, »die keinerlei Anteil am Aufbau des Bys- sus nehmen «, sondern die der Reibung ausgesetzten Teile der Fußkante mit Schleim versorgen. Hinsichtlich der engen Beziehungen des abgeschnürten Säckchens zum Pedalganglion sei zum Schluß noch der Gedanke ausgesprochen, daß das Säckchen sekundär die Funktion eines Sinnesorgans über- nommen haben könnte. Zuverlässigere Schlüsse über die Deutung des Säckchens sowohl wie auch der Flügel von Drüsenzellen erhoffen wir von Nachuntersuchungen, die einmal das ausgewachsene Tier, dann aber auch dieselben Verhältnisse in der Entwicklung von Cyclas betreffen sollen. 5. Muskulatur. Was die Bildung des larvalen Adductors und das Auftreten der Myocyten anbetrifft, so sei hier auf die Ausführungen der S. 32 ver- wiesen. Der larvale Adductor (Fig. 22, S. 30) hat seinen Zweck erfüllt, sobald die Larve in die Cyste des Wirtes eingehüllt ist. Die tief ins Epithel des Fisches eingeschlagenen Häkchen im Verein mit der Cyste gewähren der Larve jetzt genügenden Halt. Dennoch bleibt der Adduc- tor mitunter bis in die zweite Woche des parasitären Lebens erhalten. Dann aber unterliegt er einem schnellen Zerfall. Während ihn Fig. 28, S. 50 nach vier Tagen Parasitismus noch gut erhalten zeigt, hat er in Fig. 29, S. 51 nach 13 Tagen bereits seinen Zusammenhang verloren. Er besteht nur noch aus zwei kleinen Haufen agglutinierter Muskel- fasern. In Fig. 61, S. 97 ist der in Auflösung begriffene Schließmuskel getroffen. Es sind nur noch Bruchstücke der langen glatten Fasern vorhanden. Es erübrigt sich, hier den Vorgang des Zerfalls im einzelnen zu beschreiben, da schon Faussek (Nr. 14), und Harms (Nr. 25, S. 355) die Verhältnisse näher behandelt haben. 94 Karl Horbers, F. Schmidt und Harms haben bereits Schierholz gegenüber da- rauf hingewiesen, daß die endgültigen Adductoren bei Anodonta voll- st.ändige Neubildungen sind, und nicht, wie Schierholz wenigstens für den vorderen annahm, aus Kesten des larvalen Schließmuskels entstehen. Die Anlage des vorderen und hinteren Adductors findet zu verschie- denen Zeiten statt, und zwar bildet sich im Gegensatz zu Ostrea, Dreis- sensia, Yoldya, Nucula zunächst der hintere, etwa nach 20 — ^25tägigem Parasitismus. Der vordere tritt erst nach etwa 30 Tagen auf. Dieser Gegensatz liegt darin begründet, daß der larvale Adductor mit seinen Kesten bei Anodonta lange Zeit die Anlage des definitiven vorderen Fig. 58. Anlage des definitiven liinteren Adductors hs. hr, hinterer Retractor; nb, Xierenbläschen. (Larve parasitierte 28 Tage.) Vergr. 581 : 1. verhindert, während der hintere schon zustande kommt. Fig. 58 hs und Fig. 59 vs zeigen die beiden Adductoren in früher Anlage. Sie ent- stehen aus freien taserförmigen Mesenchymzellen, die sich an einander lagern und an beiden Schalenhälften inserieren. Man sieht die Faserzellen schon vor der Vereinigung an den betreffen- den Stellen lagern; sie sind dann aber noch nicht so lang gestreckt und besitzen auch noch große deutliche Kerne. Fig. 31, S. 54 läßt die eben gebildeten Adductoren in ihrer Lage zu den übrigen Organen er- kennen. In Fig. 32, S. 55 heben sie sich noch besser vom umliegenden Gewebe ab und erstrecken sich von einer Schale zur andern. Bemerkens- wert ist ihre, im Verhältnis zum übrigen Körper große Länge, die den Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 95 " - -Im Larven, auch im Anfang den jungen Najaden noch ein beträchthches öffnen der Schalen erlaubt. In seitlicher Aufsicht läßt Fig. 33, S. 56, {vs, hs) die Lage der jungen Adductoren erkennen. Bald nach der Anlage des hinteren Adductors geht auch die Bildung des hinteren Retractors vor sich. In Fig. 58, S. 94 haben sich links über dem Adductor (hs) schon eine Reihe von Muskelbildungszellen zusammengelegt. Genau so geschieht es rechts. Harms denkt sich die Retractoren durch Abspaltung einiger Muskelzellen aus dem Adductor entstanden. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich eher um eine selb- ständige Neubildung. Der linke und rechte Strang umgeben den Enddarm wie eine Gabel. Etwas unter dem Darm laufen sie im hinteren Körperab- schnitt jedoch zu einem Bündel zusammen, das sich aber im Fuß wieder in zwei Stämme auflöst, die sich den seitlichen Fuß wänden anlegen. Von eigentlichen Muskeln kann man hier zwar kaum schon sprechen, denn es handelt sich zunächst noch feine Fibrillen, wie sie Fig. 66, S. 102 aus einem Querschnitt rechts und links im Fuß der jungen Najade zeigt. Etwas später wie die hinteren, legen sich genau in der gleichen Weise die vorderen Retractoren an. Erst mit Beginn des freien Lebens erfahren die Retractoren, entprechend ihrer wichtigen Funktion eine starke Ausbildung. Fig. 34, S. 58 und Fig. 35, S. 60 {hr, vr) zeigen ihre Lage zu den stärker gewordenen Schließmuskeln {hs, vs) und den übrigen Organen. Demnach besitzt die junge Muschel ein vierfaches Muskelsystem. Die beiden Adductoren vs und hs werden zu Fixpunkten für den Rumpf und den Eingeweidesack (vgl. Fig. 33 — 35, S. 56, 58). Die Retrac- toren haben daneben noch die Aufgabe, die Bewegungen des Fußes Fig. 59. um -"^"^^SG des vorderen Adductors vs. f, Fußspitze; dm, de- finitive Mantelzellen. (Larve parasitierte 31 Tage.) Vergr. 333 : 1. 96 Karl Horbers, der jungen Muschel zu regulieren. Wie sind sie dazu befähigt? Man betrachte zunächst einmal die Art der Auihängung an den beiden Schalen- hälften. Je an der rechten und linken mit einer Wurzel verbunden, um- fassen sie Enddarm und Ösophagus, vereinigen sich darauf für eine kurze Strecke, um dann im Fuß zu beiden Seiten fächerförmig aus- einander zu strahlen (vgl. Fig. 91, S. 143). Indem die entsprechenden divergierenden Strahlenbüschel des vorderen und hinteren Retractors zur Deckung gelangen (im Lauf der weiteren Entwicklung entstehen mehrere Lagen übereinander) und an der Sohle sich eng ineinander ver- flechten, entsteht das elastische Gerüst der für den Lamellibranchier- fuß so charakteristischen Schwellkuppe. Damit aber bei dem mit- unter sehr heftig erfolgenden Zurückfluten des Schwellblutes auch der nötige seitliche Halt im Fuß vorhanden ist, kommt es zur Ausbil- dung eines fünften Muskelsystems, das in regelmäßigen Zügen die rechte und linke Körperhälfte miteinander verbindet. Später sind diese Muskelstränge auch über den ganzen Eingeweidesack verbreitet. Schon bei parasitierenden Stadien finden sich im Fuß Bildungszellen der Quermuskulatur. Man vergleiche darauf hin nur Fig. 71, S. 109. Sie spannen sich hier aber nur einzeln von einer Wand zur andern und lassen noch keine regelmäßige Anordnung erkennen. Die Frage nach dem Ansatz der Muskelfibrillen an die Schale sei hier nur kurz gestreift, da in einer andern, im hiesigen Institut ange- stellten Untersuchung, ausführliches über den Muskelansatz, auch die Entwicklungsstadien der vorliegenden Arbeit berücksichtigend, veröffentlicht werden soll. Bei ganz jungen Stadien hat man deutlich den Eindruck, daß die Muskelfibrillen sich zwischen den Zellen des Körperepithels hindurchzwängen (Fig. 58, S. 94), um an die Schale zu gelangen. Später ziehen sie in ganzen Zügen bis an die Schale heran, und drängen dabei das Epithel immer nulir aus ihrem Bereich. Deimoch trifft man an der Insertionsstelle mitunter ganze Kernreihen, die nur dem ursprünglichen Epithel angehören können. Man vergleiche Fig. 68 und Fig. 70, S. 104, 106. 6. Nervensystem und Sinnesorgane. Das Nervensystem gehört mit zu den frühesten definitiven Neu- bidungen, die das Glochidium anlegt. Wie Harms schon angab, findet man mitunter Cerebral- und Visceralganglion schon vor dem Para- sitismus bei der Larve angelegt, lils handelt sich in solchen Fällen um eine Epithelverdickung an Stellen des Fußwulstes, wo in den ersten Tagen des parasitischen Ijcbens dann wirklich die Ganglien entstehen. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 97 Die Ganglien sverden im Lauf der Ontogenese angelegt und gehen sämtlich aus dem Ectoderm hervor. J3 Lm- Fig. 60. Frühe Anlage des Cerebralganglions cg. l, Ligament; es, Entodermsäckchen ; la, in Zerfall begriffener larvaler Adductor; Im, pf, degenerierende larvale Mantelzellen mit pseudopodieuartigen Fortsätzen, (Larve parasitierte i Tage.) Vergr. 400 : 1. 6f"-'^ Fig. 61. Anlage des Cerebralganglions nach 13tägigem Parasitismus der Larve, jip, Cyste aus Fischepithel. Vergr. 500 : 1. Das Cerebralgan g Hon gelangt am frühesten zur Ausbildung. In Fig. 60, die von einer vier Tage parasitierenden Larve stammt, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 7 98 Karl Herbers, ist seine frühe Anlage dargestellt. Aus dem verdickten Epithel sind durch Auswanderung aus dem Ectoderm die beiden Zellkuppen (cg) rechts und links vom Entodermsäckchen (e*) entstanden. Man bemerkt schon zwischen beiden zwei langgestreckte Zellen, die als früheste Anlage der Kommissur aufzufassen sind und wahrscheinlich den beiden Kuppen, nicht dem Ectoderm direkt entstanmien. Nach IStägigem Parasitismus bietet sich das Bild der Fig. 61, S. 97 dar. Die Kuppen sind viel umfangreicher geworden, die Kommissur ist verstärkt. Nun- mehr löst sich die Anlaoe vom Ectoderm los und leut sich vor die eben ep- Urr Fig. 62. Frülie Anlage lies Visceralganglioiiä vg. sg, erweiterte seitliche Gruben. (Larve parasitierte 4 Tage.) Vergr. 400 : 1. erst entstandene Mundöffnung. In Fig. 46, S. 72 sieht man Ganglion und Kommissur neben dem Ösophagus angeschnitten. Histologisch unterscheiden sich die Ganglienzellen von denen der übrigen Organe durch die feinkörnige Beschaffenheit und die schwache Färbbarkeit des Protoplasmas. Eine deutliche Scheidung der Ganglienzellen und Faserzellen tritt während der parasitischen Periode noch nicht ein. Eine gesonderte Anlage eines Pleuralganglions, wie sie IMeisex- HEIMP]R für Dreissensia ausführlich beschreibt, und Harms auch für Anodonta angibt, habe ich nicht wahrnehmen können. Wohl aber habe ich schon von frühen Stadien aufwärts an den äußersten Enden des hanteiförmigen Cerebralganglions je einen kleinen birnförmigen Ansatz gefunden, von dem später die Bildung der Cerebrovisceralkonauissur Entwicklungsgeschichte von Anodonta oollensis Schrot. 99 y3 — ~dm ausgeht. (Vgl. auch Fig. G9, S. 105; Fig. 70, S. 106). Vielleicht ent- sprechen diese vom Ganglion durch eine Einschnürung deutlich abge- setzten Ansätze morphologisch den Pleuralganglien. Das Visceralganglion gleicht in seiner ersten Anlage und Ent- wicklung ganz dem Cerebralganglion, nur bleibt es in seiner Ausbil- dung etwas hinter ihm zurück. Fig. 25 zeigt uns beim Glochidium die verdickten Stellen im Epithel neben den Zellen des von hinten getroffenen Entodermsäckchens {es). In Fig. 62. S. 98, die derselben I.iarve entstammt, wie Fig. 60, S. 97 ist deutlich die Aus- wanderung neuer Zellen aus dem Ectoderm zu erkennen. Die Wucherungen nehmen immer mehr an Stärke zu, treten durch zipfelförmig vorgeschickte Zellen seitlich untereinander in Verbindung und geben schließlich den Zusammenhang mit dem Außenepithel auf. Fig. 63 zeigt uns das Visceralganglion bereits abgelöst und mit einer Kommissur versehen, der Unterseite des Enddarms an- gelagert. Der Schnitt ent- stammt dem gleichen Stadium wie Fig. 61, S. 97. Es ist bemer- kenswert, daß beim Visceral- ganglion die Sonderung in Gan- glien und Kommissur schon bei weitem deutlicher ausgeprägt ist. Im Schnitt der Fig. 81, S. 128, der nur wenig von dem Schnitt der Fig. 63, entfernt lag, ist das Visceralganglion noch einmal getroffen. In betreff der histologischen Differenzierung gilt dasselbe, was oben schon beim Cerebralganglion gesagt wurde. Die frühe Anlage des Pedalganglions ist schwierig zu verfolgen, da sie ganz von dem Entodermsäckchen überlagert wird, das gerade an dieser Stelle zu jener Zeit seine größte Ausdehnung aufweist. In Fig. 64, S. 100 {^g) ist bereits eine mächtige Wucherung der Ganglien- zellen aus dem Ectoderm des Fußwulstes zu bemerken. Im Gegensatz zu Cerebral- und Visceralganglion ist hier von vornherein die Verbindung 7* Fig. ü3. Anlage des Visceralganglions nach 13tägigem Parasi- tismus der Larve, ed, Enddarm mit After. Vergr. 400 : 1 . 100 Karl Herbers, ■P3 P3- ep— -dm der Ganglienknoteii eine viel innigere. 8ie 1 »leibt auch bis ans Ende der parasitischen Periode bestehen. Eigenartiger Weise bilden sich im Lauf der Entwicklung mehrere Kommissuren aus. Die Loslösung vom Ectoderm tritt sehr bald ein. Der Fuß wölbt sich allmählich immer höher über das Pedalganglion hinweg, so daß es schließlich tief ins Innere gerückt erscheint. Das erläutern die sich entsprechenden Schnitte Fig. 65, S. 101 und Fig. ^'o, 8. 102 (p^), von denen der eine von einer 31 Tage alten Larve, der andre von einer eben ausge- schlüpften Na jade stammt. Die Ganglien erscheinen als große runde Zellhaufen, die von feinkörnigem Proto- plasma umgeben sind. Im Sagittalschnitt sind sie in Fig. 71, S. 109 und Fig. 72, S. 110 ebenfalls getroffen. Aus allen Bildern geht her- vor, daß auch hier die 8onderung in Ganglien- und Faserzellen noch nicht ein- getreten ist. In den wachsenden jun- gen Muscheln nehmen die Ganglien immer mehr ihre definitive Gestalt und Lage an. Fig. 34, S. 58 und Fig. 35, S. 60 zeigen sie am Totalbild junger Najaden. Schnitt- bilder aus späterer Zeit wei- sen die Fig. 70. S. 106 (c>ado- rale Sinnesorgane« entdeckt, die jederseits vor der Mundöffnung be- ginnen und sich lateralwärts an der Achse der Mundlappen hinziehen. Fig. 67. Schematische Übersicht über die Haiitsinnesorgane von Anodonta. dbd, abdominales Sinnesorgan; osph, Ospiiradium; Isi, laterale Sinnesleisten; lao, laterales Sinnesorgan; ost, orale Sinnesleisten; ado, adolrales Sinnesorgan; mr, Mantelrand; si, Atemsipho; ik, innere Kiemen; md, Mund; af, After; mdl, Mundlappen. Sehen wir ab von den >>pallialen Sinnesorganen «, die Stempell (Nr. 100, S. 408. Nr. 101, S. 153) und Pelsener (Nr. 122, S. 169) bei Leda sulcata, bzw. L. pella und Solemya togata aufgefunden haben, so geht aus dieser kurzen historischen Übersicht hervor, daß von den bisher überhaupt 104 Karl Herbcrs, beschriebenen Hautsinnesorganen der Lamellibranchier bei Anodonta und Unio nur das Osphradiuni bekannt war. Im Verlauf der /l«o(/on^a-Entwickluno; konnte ich nun einige in- teressante Beobachtungen machen, die mich veranlaßten. auch beim ausgewachsenen Tier nach weiteren Sinnesorganen zu suchen. Die Befunde sollen zunächst so geschildert werden, wie sie mir in Schnitt- serien durch eine 5,7 mm lange A. piscinalis begegneten, bei der Be- trachtung von hinten nach vorn fortschreitend. Zur Veranschaulichung dienen vorerst das Schema Fig. 67, S. 103, in dem eines besseren Verständnisses halber die Befunde an der jungen Muschel in die Topo- graphie einer ausgewachsenen, präparierten Anodonta eingezeichnet yj Fig. ()8. Abdominales Sinnesorgan ahd und Osi))iradium osph einer 5,7 mm langen Anodonta piscinalis im Querschnitt; w, Visceralganglion; «, Xiere; hs, hinterer Adductor. Vergr. 78,8:1. sind. (Das Tier ist auf den Rücken gelegt, der Fuß entfernt und die inneren Kiemen sind an der Nahtlinie aufgetrennt). Gleich vor der Afterpapille hebt sich mitten auf dem Epithel, das über den hinteren Adductor hinzieht, eine erhöhte Leiste {ahd), die sich bald spaltet und dabei mehr und mehr verbreitert. Gerade auf der Höhe des Visceralganglions nehmen die Leisten plötzlich die Gestalt umfangreicher Kuppen an, die nach innen steil, nach außen flach ab- fallen, Fig. 68 stellt einen Querschnitt aus dieser Region dar. Die mehrschichtigen Kuppen {ahd) machen ganz den Einciruck eines selb- ständigen Organs, umsomehr, als eine reichliche Lmervierung direkt vom Visceralganglion aus stattfindet. Allmählich nehmen die Kuppen Entwicklungsgeschichte von Anocionta cellensis Schrot. 105 an Umfang ab, es resultieren, ganz nach innen gelegen, wieder zwei erhöhte Epithelleisten genau wie vor der Anschwellung. Ehe wir den Verlauf dieser Leisten weiter verfolgen, müssen wir noch etwas anderes beachten. »Schon auf Schnitten, die noch hinter der Afterpapille (also auch hinter dem Adductor) geführt sind, treten auf der Innenseite des äußeren Blattes der inneren Kieme, nahe am dorsalen Rand ebenfalls Sinnesleisten auf, die nach vorn beständig an ■^z^pm Fig. 69. Querschnitt durch eine 7,1mm lange Vnio. ospÄ, Os])liradium; mit Sinnesleisten darüber das Visceralganglion; ilk, ik, äußere und innere Kiemen; ed, Enddarm; pm, prs, Perlmutter und Pris- menschicht der definitiven Schale; sz, Seitenzalm. Vergr. 41 : 1. Breite zunehmen und sich dem ventralen Körperabschnitt dieser Re- gion nähern. In Fig. 68, S. 104 {osph) heben sie sich deutlich vom Kiemenepithel ab. Verständlich sind diese Verhältnisse nur, wenn man sich vergegenwärtigt, daß auf diesem Entwicklungsstadium die hinter- sten Abschnitte der Kiemen noch frei in die Mantelhöhle hineinragen und nur auf der Außenseite leicht mit dem Mantel verbunden sind. (Vgl. S. 78). Nach dem Ausbau des Kloakenraumes und der An- 106 Karl Herbers, läge der äußeren Kiemen liegen die Organe auf der ganzen Länge der Naht zwischen innerer und äußerer Kieme, d. h. der Schneide, die äußeren und inneren Kiemengang von einander trennt. Indem sie so- wohl beim jungen, wie beim ausgewachsenen Tier auf dieser Schneide auf den ventralen Abschnitt des Eingeweidesackes übertreten, treffen sie auf die vorhin beschriebenen, vom After ausgehenden Hautsinnes- organe und gehen völlig in dieselben über. Das Schema Fig. 67. S. 103 läßt diesen Übergang deutlich erkennen ; Fig. 69, S. 105 zeigt uns die Fig. 70. Adorales Sinnesorgan ado einer 5,7 mm langen Anodonta pisc. im Querschnitt, cg, Cerebralgan- glion; ml, MuncUappen ; md, Mund; npa, Nervus pallialis anterior; vs, vorderer Adductor. Vergr. 80 : 1. Vcreinigungsstelle bei einer jungen Utiio im Querschnitt. Auch hier kann man sich nach dem histologischen Bau des Eindrucks nicht er- wehren, ein selbständiges Sinnesorgan vor sich zu haben, zumal da eine starke, direkte Innervierung von den vorderen Asten des Visceral- ganglions aus stattfindet. Schreiten wir nunmehr in der Betrachtung des ersten Leistenpaares fort (Fig. 67 [Isi]), so läßt es sich ohne Unterbrechung zu beiden Seiten des Fußes, immer unterhalb der Niere entlang verfolgen. Histologisch tritt es jederseits als feine Erhobung über das Körperepithel hervor, unterscheidet sich aber auch deutlich nach der Struktur und Färbbar- keit seiner Zellen von seiner Umgebung. Vorn zwischen Nieren und Geschlechtsöffnunji endigen schließlich die Leisten zu beiden Seiten Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 107 in Gestalt einer sehr starken Anschwellung wie in Fig. 98 lao, S. 158 er- kennen läßt. Ohne Zweifel haben wir es auch hier mit einem lokalen Sinnesorgan zu tun. Zwei weitere gesonderte Systeme von Sinnesleisten besitzt die junge Anodonta in der Region der Mundlappen. Zwischen der Basis der Mundlappen, dem Mantel einerseits und dem Fuß anderseits ziehen sie sich im halbkreisförmigen Bogen hin (vgl. Fig. 67 [od], S. 103). Auf dem äußeren kommt es unterhalb des Cerebralganglions zur Anlage eines vierten paarigen Hautsinnesorganes, wie es Fig. 70 {ado) im Qu^er- schnitt wiedergibt. In der gleichen Weise wie beim Visceralganglion, treten hier vom Cerebralganglion direkt nervöse Elemente in das Organ über. An der Innenseite der Basis der Mundlappen findet sich nur eine feine Sinnesleiste, die keine weiteren Differenzierungen aufweist. Bis zu einer jungen Anodonta von 2,2 mm Länge ließen sich die obiffen Befunde an vollständigen Schnittserien mehrerer Zwischen- Stadien bestätigen. Am ausgewachsenen Tier waren bei wenig ein- gehender Prüfung die beiden hinteren Organe sowie die beiden langen Sinnesleisten schon zu entdecken. Die Verhältnisse wurden hier nicht weiter geprüft, weil sie bereits im hiesigen Institut Gegenstand einer besonderen Untersuchung sind. Aus dem gleichen Grunde wurde auch eine eingehendere Schilderung der histologischen Beschaffenheit zurück- gestellt. Einer Homologisierung der vier Paar für Anodonta festgestellten Hautsinnesorgane mit den bisher bei den übrigen Lamellibranchiern beschriebenen ist nicht leicht vorzunehmen. Stempell hat schon (Nr. 100, S. 409, 410) in ausführlicher Weise auf die Schwierigkeiten eines solchen Versuches hingewiesen. Dennoch glaube ich bei den folgenden Festsetzungen nicht fehl zu gehen. Das gleich vor der Afterpapille gelegene Organ, von der typischen spitzwinkeligen Gestalt und ver- sehen mit den verdickten Feldern auf den Schenkeln, ist dem von Thiele aufgefundenen »abdominalen Sinnesorgan« gleichzusetzen. Meines Wissens wurde das abdominale Sinnesorgan für die ausgewach- senen Anodonten in der Literatur noch nicht beschrieben. An in Formol gehärteten Tieren ließ es sich deutlich, in Gestalt zweier sym- metrisch paarig gelegener, dreiseitiger Felder vor der Afterpapille konstatieren, (s. Fig. 67, S. 103). Die weit geschweiften, auf der Schneide zwischen innerem und äußerem Kiemengang gelegenen Organe bilden das »Osphradium << (Spengel) . Die auf der äußeren Mundlappenleiste sich erhebenden Sinnespolster sind homolog dem >>adoralen Sinnesorgan«, das bisher allein von Stempell für Solemya togata beschrieben worden ist. 108 Karl Herbers, Hingegen bestehen meines Wissens bisher in der Literatur keinerlei, einen Vergleich zulassende Angaben für das letzte, zwischen Nieren und Geschlechtsöffnung gelegene Paar von Hautsinnesorganen. Es sei darum vorläufig mit dem Namen »laterales Sinnesorgan« belegt. Die Sinnesleisten, deren Bedeutung jedenfalls eine untergeordnete ist, sind in der Monographie vo]i List (Nr. 118. vS. 237) für eine Reihe von Mytiliden abgebildet und behandelt. Was die Funktion der Sinnes- organe anbetrifft, so ist darüber zunächst noch nicht viel zu sagen. Alle bisher bekannten Organe sind von den Autoren als »Geruchs- organe« angesprochen worden, d. h. als solche, die durch Chemotaxis die Beschaffenheit des umgebenden Wassers zu prüfen hätten. Sei dem wüe es sei, jedenfalls ist nach ihrer Lage bei Anodonta zu vernmten, daß sie alle einem bestimmten Zweck dienen und nicht etwa von rudi- mentärer Beschaffenheit sind. Die Lage neben der Mundöffnung läßt eine Beziehung zu dem hier eintretenden Atemwasser und etwaigen Fremd- oder Nahrungskörpern vermuten, die zwischen den Geschlechts- und Nierenöffnungen gelegenen dürften mit einem zeitweiligen öffnen und Schließen jener Poren in Verbindung zu bringen sein. Schwieriger ist die Deutung für das Osphradium und das abdominale Sinnesorgan, da unter normalen Verhältnissen nach den neueren L^ntersuchungen von Wallengren nur das ausströmende, verbrauchte Atemwasser mit ihnen in Berührung konnnt, also eine Prüfung des frischen Atemwassers nicht in Betracht käme. Wichtig wäre zwar ihre Lage für die Regulie- rung der Wasserströmungen im Fall eines Reizes, und bei Schalen- Schluß. Auch ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, daß sie bei dem Transport der Eier von den Genitalporen durch den inneren Kiemengang in den äußeren Kiemengang und die Taschen der äußeren Kieme eine Rolle spielen möchten. 7. Darmkanal. Es sei zum Beginn dieses Abschnittes von der Umwandlung des Darmkanals in der Ontogenese zuerst noch einmal auf die larvaleu Bestandteile des Darmes verwiesen. Fig. 16, S. 24 (es) zeigt uns das Entodermsäckchen einer jungen, noch nicht eingefalteten Larve, bald nach seiner Abschnürung. Es ist allseitig geschlossen und weist nur ein geringes Lumen auf. Anders verhält es sich schon beim reifen Glochidium. In der Schnittführung genau dem vorigen Bild entsprechend, läßt Fig. 26, S. 34 (es) deutlich eine Längsstreckung des Säckchens und die Vorbereitung des After- durchbruchs erkennen. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellcnsis Schrot. 109 Gleich nach dem Beginn des parasitischen Lebens nimmt die Längsstreckung des Säckchens einen schnellen Fortgang, wie aus Fig. 28, S. 50 (es) hervorgeht. Darauf erfolgt unter Zuhilfenahme einer kleinen ectodermalen Einstülpung der Durchbruch des Afters; die Beteiligung des Ectoderms an der Bildung des Proctodäums ist aber nur sehr gering. Infolge des allmählichen Wachstums des Fußwulstes gewinnt nun das Entodermsäckchen immer mehr Raum sich auch in die Breite aus- m.- ''•■'^'4^ ',^^ V^;Si''-;;, /77^ ^P PS Im /• Sagittalschnitt durch eine 22 Tage parasitierende Larve, md, Oesophagus mit Mund; »?a, Miise»; a/, Enddarm mit After; /, Fuß; -pg, Pedalganglion; Im, larvale Mantelzellen; kp, Kiemenpapille. Vergr. 417 : 1. zudehnen. Man vergleiche den Querschnitt Fig. 60, 64. Die ursprüng- lich mehr kubischen Zellen (Fig. 60, S. 97 [es]) nehmen nach und nach cylindrische Gestalt an. Bald setzt sich auch das Entodermsäckchen deutlich von einem kleinen Enddarm ab. Wie Fig. 29, S. 51 zeigt, ist gleichzeitig die Afteröffnung bedeutend größer geworden. Der End- darm tritt darauf in ein lebhaftes Längenwachstum ein, welches so stark ist, daß aus Raummaugel eine Umbiegung zur rechten Körper- seite hin stattfindet. Das erweiterte Entodermsäckchen rückt dabei mit dem Fuß\\i.ilst immer weiter nach vorn. Etwa gegen Ende der zweiten Woche parasitischen Lebens kommt nun auch die Bildung 110 Karl Hcrbers, des Stomodäums zu stände. Hierbei ist die Beteiligung des Ectoderms Aveit größer als beim Durchbrucli des Afters. Eine Übersicht über die Ausbildung des Darmes auf diesem Stadium gibt einmal Totalfig. 30, S. 52, vor allem aber der genau median geführte Sagittalschnitt Fig. 71, S. 109. Es lassen sich bereits die drei Abschnitte Vorder-, Mittel- und Enddarm unterscheiden. Der Mitteldarm wird allein vom Magen (ma), der sich größtenteils aus dem erweiterten, ursprünglichen Entoderm- säckchen zusammensetzt, gebildet. Fig. 71, S. 109 läßt auch einige z wSg'W;:- '/> /77rf Fig. 72. Ocso])hagus; oes einer 38 Tage parasitierenden Larve, sagittal. md, Mund; loe, Leberöffnung; fp, Fußepithel: vs, vorderer Adductor; cgc, Commissur des Cerebralganglions; Is, Lebersäckclien. Vergr. 581 : 1. histologische Unterschiede der Darniabschnitte erkennen. Während im Vorder- und Enddarni das Epithel verhältnismäßig niedrig erscheint, ist es im Magen hochcylindrisch. Man vergleiche dazu auch die Bilder Fig. 63, S. 99 {ed) und Fig. 65, S. 101 (ma). Die weitere Entwicklung des Darmkanals erstreckt sich zunächst auf die Umgestaltung des Ösophagus. Er nimmt, wie schon Totalfig. 31, S. 54 zeigt, eine trompetenförmige Gestalt an. Besser erkennen wir die Verhältnisse noch an Fig. 72 und Fig. 46, S. 72. die aus einem Sagittal- bzw. Querschnitt einer 31 bzw. 38 Tage parasitierenden Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 111 Larve entnommen sind. In Fig. 72, S. 110 lassen sich auch zum ersten- mal Wimpern auf dem Darmepithel wahrnehmen; sie bedecken Mund- öffnung und Ösophagus. Der Querschnitt, Fig. 46, S. 72 hat gerade den vorderen Rand der Mundöffnung getroffen, welcher sich zu beiden Seiten als stark verdickt erweist. Es handelt sich hier um die ersten Anlagen des äußeren Mundlappenpaares. (Die weitere Entwicklung s. S.72ff.) Die Umfornmng, welche Magen und Enddarm in dieser Zeit erfahren haben, lassen sich am besten verstehen, wenn wir gleich zur Betrachtung der in Fig. 33, S. 56 in seitlicher Aufsicht dargestellten, kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden Larve übergehen. Am auffallend- sten sind die Veränderungen in der Gestalt des Magens. Nach hinten unten hat er sich stark verlängert und weist in dieser Richtung eine doppelte Knickung auf. Der am meisten dorsal gelegene Knick hängt mit der Anlage der Magenfalte zusammen (vgl. Gutheil, Nr. 70, S. 454; Fig. 3, 5). Der ventrale, gegen die Schalenhaken gerichtete Abschnitt bildet die ursprüngliche Anlage des Kristallstieldarmes. Im Verlauf des freien Jugendlebens ist der Darm starken Verände- rungen unterworfen. Sie beziehen sich in der Hauptsache auf Mittel- und Enddarm, und zwar betreffen sie einmal die langsam fortschreitende Umgestaltung des Magens und anderseits die Anlage des Dünndarms mit seinen charakteristischen Schlingen, zwei Prozesse, die sich gleich- zeitig und aufs engste miteinander verknüpft, abspielen. Die Fig. 34, S. 58 und 35, S. 60 lassen zwei Stadien der Darmentwicklung im Zu- sammenhang mit den übrigen Organen erkennen. Im vorderen Körper- abschnitt füllen Darm und Leber weitaus den größten Teil des Rumpfes aus, im hinteren herrschen hingegen Herz und Niere an Ausdehnung vor. Durch das Herz und den hinteren Adductor ist der gerade Schenkel des Enddarms schon frühzeitig in seiner endgültigen Gestalt festgelegt, da im Bereich des ersteren außer einem Längenwachstum Änderungen in der Form kaum mehr zulässig sein dürften. Ebenso beharrlich in der Gestalt wie der Enddarm ist der Vorderdarm. Abgesehen von der histologischen Differenzierung vollzieht sich nur eine Erweiterung der Mundöffnung. Die gesamten Ergebnisse in bezug auf die Entwicklung der äußeren Form des Darmkanals sind nun in dem Schema Fig. 73, S. 112 nieder- gelegt. Es zeigt sechs Stadien aus der Gesamtentwicklung, ist aber insbesondere der Ausbildung des Dünndarms und der Umformung des Magens gewidmet. Zwischen c und / ist ein bedeutender Sprung dem Alter nach, dennoch dürfte die Schleifenbildung im Wesentlichen klargelegt sein. (Die wichtigsten Phasen dieses Prozesses spielen sich 112 Karl Herbers, bei jungen Muscheln von etwa 2 — 4 mm Länge ab. die leider .so ^^cliwierig 7Ai erhalten sind.) Die schon oben erwähnte Konstanz der Lage und Ge.stalt von Vor- Fig. 73. Scliematische Übersicht über die Kiitwiekltiiig des T):innl aS 3 «■ ct- fs: r ^ 'S CD (^ B S l-J 5^ ^ »Tj C s CS CO »^ s + a:; >A special wing of the mesoblast may be seen on each side behind the lateral pits. According to Schmidt, these cells are the fundament of the organ of Bojanus <<. Nachdem von Tönniges bei Paludina vivi-para (Nr. 107), von Meisenheimer bei Limax, Dreissensia und Cyclas (Nr. 82, 84, 85) eine gemeinsame ectodermale Anlage von Niere. Herz, Pericard und Ge- schlechtsorganen beobachtet war, hat Harms auch für die L^nioniden das gleiche Verhalten beschrieben (Nr. 25). Jene von Lillie näher bezeichnete Anlage der Nieren hat er »vom Glochidium an weiter zurück- verfolgt« (S. 358). Er kam zu dem Resultat, daß sie »einen vom Ecto- derm nicht zu scheidenden Bestandteil der jungen Larve bilden, »daß die Zellen nichts mit dem Mesoderm zu tun haben«. Er belegt diese Auffassung mit einer Reihe von Figuren (Nr. 25, Fig. 6, 6 «, 7, 8, 19), welche scheinbar in hohem Grade dieselbe zu stützen geeignet sind. 118 Karl Herbers, Wie schon 8. 34 hervorgehoben ^\iirde, hat mir das Studium dieser Verhältnisse große Schwierigkeiten bereitet. Hier machte sich, beson(iers bei der Frage nach der Herkunft der in Rede stehenden An- lagen der Mangel einer genaueren Darstellung der späteren Embryonal- entwicklung der Unioniden bemerkbar. Daß mir eine solche nicht mög- lich war, ist schon eingangs erwähnt worden. Was sich jedoch an dem von mir aus jener Periode verarbeiteten Material in bezug auf jene Frage beobachten ließ, glaubte ich dieser Darstelkmg um so weniger vorenthalten zu dürfen, als sich bald in mehr als einer Beziehung Zweifei ~if Fig. 76. Totalansicht der definitiven Organanlagen im hinteren Abschnitt der rechten Hälfte eines jungen Olocliidiums. Sj/, seitliche Cl ruhen; n, Merenanlage; /ip, Anlage von Herz und Pericard; gz'., Geni- talzelle; la, larvaler Addiictor; Im, larvale Mantelzellcn; If, Larvenfaden Vergr. 420 : 1. an einer ausschließlich ectodermalen Herkunft von Niere, Herz, Pericard und Geschlechtsorganen erhoben. Meine Beobachtungen beziehen sich zunächst einmal auf die Ausbil- dung der aus dem primären Mesoblasten hervorgegangenen Mesoderm- f lügel. Weder Meisenheimer noch Harms haben die Entwicklung dieser iStreifen genauer verfolgt, was eigentlich unerläßlich war, wenn die vom Mesoderm gesonderte Entstehung der gemeinsamen Anlage von Niere, Herz und Pericard bewiesen werden sollte. Ich verweise hier auf die bereits bei der Betrachtung der Embryonalentwicklung (S. 18, Entwicklungsgeschichte von Anodonta ccUensis Schrot. 119 S. 26, S. 34) geschilderte frühe Ausbildung der Mesodermstreifen und möchte insbesondere auf die Fig. 13, S. 20, 15, S. 22, 19, S. 26, 20, S. 26 und 21, S. 27 aufmerksam machen. Es wTirde schon an jener Stelle die Aufmerksamkeit auf den streng symmetrischen Aufbau der Mesodermflügel gelenkt und auch betont, daß lange Zeit beiderseits am hintersten Abschnitt der Flügel, dort wo zuerst nach dem Ein- tritt des primären Mesoblasten eine symmetrische Teilung stattfindet, zwei durch ihre Größe sich auszeichnende Zellen zu finden sind. In Fig. 20, S. 26, m^s, schicken sie sich gerade zu einer Teilung an, während sie in Fig. 21, S. 57, n mit einigen kleineren Zellen jederseits einen be- -Im Fig. 77. Totalansicht des hinteren Abschnittes eines völlig ausgereiften Glochidiums. fw, Fußwulst; es, Entodermsäckchen; sg, seitliche Gruben; n, Nierenbläschen ; Tip, Anlage von Herz und Pericard; ms, symmetrische Haufen von Mesenchymzellen. Verer. 2.30 : 1. sonderen Komplex in den Flügeln bilden. Fig. 15, S. 22 zeigt im Totalbild die Lage der Mesodermstreifen zu den übrigen Organen der jungen noch nicht eingefalteten Larve. Es sei besonders darauf hin- gewiesen, daß sich außer den Mesodermstreifen im hinteren Larven- abschnitt keinerlei definitive Organanlagen befinden. Fig. 76, S. 118 zeigt uns nun die Verhältnisse bei einem eben eingefalteten Glochidium in dorsaler Aufsicht auf die rechte Schalenhälfte. Die Hauptmasse des definitiven Zellmaterials gehört dem Bezirk der rechten seitlichen Grube {sg) an. An ihrem hintersten Rande fallen zwei Zellstränge {hf, n) ins Auge, die beide bis an die larvalen Mantelzellen reichen. Zwischen ihnen zwänst sich der Larvenfaden hindurch. Über der seit- 120 Karl Herbers, liehen Grube sind sie zu einer gemeinsamen Basis verschmolzen, in der einige ausnehmend große Kerne sichtbar sind. An dieser Stelle sei an die schon vorne zitierte Angabe Lillies erinnert, daß bei der Ein- faltung des larvalen Mantels die Mesodermstreifen jederseits in zwei Abschnitte zerfallen. In Fig. 77 ist die hintere Region eines reifen Frühjahrs-Glochidiums von Anodonta zur Darstellung gelangt, eben- falls wie Fig. 76 in dorsaler Aufsicht. Leicht zu erkennen sind Fuß- wulst (/?r), Entodermsäckchen (es) und die seitlichen Gruben {sg). Von den seitlichen Gruben ziehen (in Fig. 76 erst eben angedeutete) Gruppen von Mesenchymzellen {ms) nach außen gegen die larvalen Mantelzellen. Die wichtigen hinteren Zipfel {hpn), die ehemaligen Mesodermstreifen. haben eine auffallende Umsestaltuno- erfahren. An Fig. 78. Gemeinsame Anlage von Herz, Perioard und Isiere im Quersclinitt durch ein junges Glochidium. Links liintcrster Zipfel der Herz- und Pericardanlage, rechts Isierenaulage. Vergr. 698 : 1. Stelle der ehemalig großen Kerne liegt je ein kompaktes Bläschen (n), das sich aus den stark angewachsenen hinteren Zipfeln isoliert hat. (Es sei mit Rücksicht auf Fig. 76 auch die Deutung vorbehalten, daß nur der im Bild am weitesten links liegende große Kern das Bläschen (n) bildet und daß der Kern rechts später einem andern wichtigen Organ den Ursprung gibt. Jedoch ließ sich sein Schicksal nicht genau ver- folgen). Auch sei besonders darauf aufmerksam gemacht, daß der Zu- sammenhang der hinteren Zipfel {hp) mit dem Ectoderm ein engerer geworden ist. — Wie stellen sich die hier zunächst an Totalbildern ge- schilderten Verhältnisse an Hand von Schnittfiguren dar? Es kommen für diese Frage in Betracht die Fig. 24, 25. S. 32 und Fig. 78—80, S. 120 ff. Fig. 24, S. 32, die einen Querschnitt durch die hintere Region eines jungen Glochidiums darstellt, zeigt beiderseits zwei stark gefärbte Zellstreifen {hpn), die scheinbar dem Ectoderm der äußeren Schicht des larvalen Mantels entstammen. In der Tat kchmte man sich durch Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 121 derartige Bilder leicht täuschen lassen, wenn man nicht genau die ganze Schuittserie verfolgte. Fig. 78, S. 120 gibt einen Schnitt wieder, der etwas schräg durch den hintersten Abschnitt eines Herbstglochi- diums geführt ist. Hier möchte man wieder versucht sein, die kleine Zellgruppe (hp) links als eben aus dem Ectoderm hervorgeknospt zu bezeichnen. Daß dem in Wahrheit nicht so ist, beweist zweierlei: 1. Auf den weiter nach vorn gelegenen Schnitten rücken die bezeich- neten definitiven Zellen immer mehr vom Ectoderm ab in den Mantel- raum hinein. Es treten dann plötzlich in dem Streifen — nichts andres stellen jene Zellen in Summa dar, hp in Fig. 78, S. 120 links bildet nur seinen hintersten Zipfel ■— rechts und links zwei kompakte, mehr Fig. 79. Querschnitt durch die linke gemeinsame Organanlage eines ausgereiften Glochidiums. Sekundäre Verschweißuug der Anlage mit dem ectodermalen, äußeren Mantelepithel ep. Vergr. 698 : 1. oder weniger isolierte Zellhäufchen (n) auf, die bei älteren Glochidien schon ein kleines Lumen umschließen. Dazu vgl. Fig. 78 n rechts, Fig. 25, S. 33 (n) links, Fig. 79 und 80. Daß dieser Streifen identisch ist mit jenem, den wir bei der Betrachtung der Totalfig. 76, 77 als hin- tersten Zipfel des ursprünglichen Mesodermstreifens herleiteten, dürfte ohne Zweifel sein. 2. Bei jungen Glochidien trifft man nicht selten auf Querschnitten folgendes Bild an: Der Larvenfaden drängt sich in der einen Schalen- hälfte zwischen die äußere Mantelschicht und den hintersten Zipfel des Streifens Jipn, so daß letzterer gar nicht mit dem Ectoderm in Berüh- rung kommt. Li der andern Schalenhälfte liegt der Streifen jedoch dicht dem Ectoderm an. So sehr im Vorstehenden primäre genetische Beziehungen der Strei- 122 Karl Herbers, fen hjyn zum Ectoderm bestritten wnirden, jene vielmehr direkt ihrer Entstehung nach auf die aus dem primären Mesoblasten entstandenen Mesodermstreifen zurückgeführt wurden, so wenig läßt sich für die weitere Entwicklung ein sekundäres Verschmelzen der Streifen mit dem Ectoderm leugnen. Fig. 79 weist die Schweißstelle (Jif) im Quer- schnitt, Fig. 80 dieselbe im Sagittalschnitt auf. Zu erwähnen sind schließ- lich noch die beim Stadium der in Fig. 77 zuerst beobachteten Gruppen von Mesenchymzellen. Fig. 25, S. 33 rechts und Fig 80, lassen sie auch im Schnittbild hervortreten. ep Fig. 80. Gemeinsame Organanlage im Sagittalschnitt eines überwinterten Glocliidiums. sg, seitliche Grube; nb, Nierenbläschen; hp, Herz- und Pericardanlage. Vergr. 698 : 1. Das Studium der Anodontenentwicklung in der parasitischen Pe- riode lehrt, daß sich aus den in den vorhergehenden Ausführungen mit n bezeichneten Bläschen die Nieren der Muschel entwickeln, daß die Zollhaufen {hj)) das Material für Herz, Pericard und Geschlechtsorgane liefern, somit auch die ursprünglich noch nicht gesonderten Streifen hfn die paarigen gemeinsamen Anlagen von Niere, Herz, Pericard und Geschlechtsorganen darstellen. Es lassen sich daher die bei den eignen Beobachtungen über die frühe Anlage der genannten Organe gezeitigten Ergebnisse kurz folgendermaßen zusammenfassen: >>Im Verlauf der -4 ?i 0 (Z 0 n ^ a- Entwicklung gehen Nieren, Herz, Pericard und Geschlechtsorgane aus einer paarigen, gemeinsamen An- lage hervor, die beiderseits in Form von Streifen im hin- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 123 tersten Abschnitt der jungen Larve ruhen. Diese Streifen leiten sich nicht vom Ectoderm ab, sondern sind direkt auf die aus dem primären Mesoblasten entstandenen Mesoderni- s tr e i f e n z u r üc k z u f üh r e n. « Während diese Befunde prinzipiell mit den älteren Angaben von Rabl, Schmidt und den neueren von Lillie übereinstimmen, stehen sie zu den Ergebnissen Harms in scharfem Gegensatz. Dabei unter- scheiden sich die rein objektiven Befunde Harms, wie sie zum Teil in dessen Figuren 6, 6 a, 7 und 19 niedergelegt sind, zunächst kaum von den meinigen. So dürfte Harms Fig. 6 a und 7 ( Unio, Margaritana) wohl mit meiner Fig. 78, dessen Fig. 6 mit Fig. 25, S. 33 ohne weiteres verglichen werden. (Allerdings bereitet jene in Harms Fig. 6 [Unio] mit mz als Mesodermzellen angesprochene kompakte Zellengruppe in- sofern in der Deutung einige Schwierigkeit, als sie vielleicht mit dem Nierenbläschen n in Harms Fig. 12 [Unio] oder meiner Fig. 25, S. 33 [Anodonta] identisch sein dürfte). In bezug auf die Möglichkeit einer irrtümlichen Beurteilung der Schnittbilder, gerade was Bau und Her- kunft der Anlagen hpn anbetrifft, verweise ich hier auf das schon weiter oben Gesagte. Es wäre ja nicht ausgeschlossen, daß bei dem von Harms bearbeiteten Material bereits die sekundäre Verschmelzung der Au- lagen mit dem Ectoderm eingetreten war und somit die genetischen Beziehungen jener Anlagen zu den Mesodermstreifeu schon verdeckt waren. Es besteht hingegen die Frage, in welchen Bestandteilen des jungen Glochidiums Harms die rein mesodermalen Elemente zu er- kennen glaubte. S. 358 schreibt er, nachdem gerade vorher von den Zellenhaufen der gemeinsamen Anlagen die Rede war : »Nirgends habe ich einen Zusammenhang mit den Mesodermflügeln, die in unmittel- barer Nähe, nur etwas weiter nach vorn in der Larve liegen, feststellen können. « Daraus dürfte sich folgern lassen, daß die »Mesodermflügel <<, wie sie Harms beschreibt, identisch sind mit den Gruppen von Mesen- chymzellen, wie sie Fig. 76, S. 118, Fig. 77, S. 119 aufweisen, also Zellen, die erst im späteren Verlauf der Embryonalentwicklung auftreten und nur einen geringen Abschnitt der aus dem primären Mesoblasten ent- standenen Mesodermstreifeu bilden oder gar völlige Neubildungen dar- stellen. Auch Meisenheimer, das sei vorweg genommen, scheint für dielfilesodennstveiien deiDreissensia-trochophora schon früher die gleiche Deutung wie Harms vertreten zu haben. Daraus würde am ehesten seine Nr. 84, S. 32 ausgesprochene Ansicht verständlich sein, »daß die Urmesodermzellen nur Muskel und Bindegewebe liefern«. Wenn es vom embryologischen Gesichtspunkt aus schon als auffällig bezeichnet 124 Karl Herbers, werden müßte, daß eine, im jungen Embryo so symmetrisch und stark ausgebildete Anlage wie die Mesodermstreifen (man vgl. meine Fig. 19, 20, 21, 7G, 77, S. 26, 27. 1J8. 119, sowie Meisenheimers Schema von den frühen Teilungen des II. Somatoblasten Nr. 84, S. 32) nur Muskeln und irreguläres Bindegewebe liefern sollten, so scheint es mir für die Anodonta-haive geradezu ausgeschlossen, daß im Verlauf der späteren Embryonalentwicklung, also etwa zur Zeit der Einfaltung der larvalen Mantelzellen, aus dem schon hoch differenzierten Ectoderm heraus noch die wichtigen Anlagen für Niere, Herz und Pericard ent- stehen sollten. Ich glaube jedenfalls mit Bestimmtheit sagen zu dürfen, daß auf dem Stadium der Fig. 15, S. 22 außer den Streifen hpn, die aus dem primären Mesoblasten hervorgegangen sind, keine besondere ectodermale Anlage mehr vorhanden ist. Daß sie in späterer Zeit noch gebildet werden sollte, will mir erst recht nicht als annehmbar erscheinen. Meisenheimer hat außer für Dreissensia auch für Cyclas Cornea eine ectodermale Herkunft der Anlagen von Herz. Pericard und Niere nachzuweisen versucht, im letzteren Fall entgegen den früheren, lange Zeit unangetasteten Ergebnissen von H.E. Ziegler. Schon 1885 hatte Ziegler in seiner »Entwicklung von Cyclas Cornea Lam. << in einem be- sonderen Abschnitt, betitelt: >>Die Differentiation der Mesoderm- streifen«, S. 551 ff., dargelegt, wie Genitalzellen, Nierenbläschen, Peri- cardialbläschen direkt aus dem paarigen Mesodermstreifen hervor- gehen. Somit schließen sich die hier für Anodonta vorgelegten Befunde im Wesentlichen eng an die Zieglers an. Er hat auch die »Mesoderm- mutterzelle << (Polzelle des Mesoderms) vermutet und in seinen Figuren darauf hingewiesen. (Vgl. Nr. 111, Fig. 6, 9, 12 b.) Ich möchte nicht unterlassen, auf die Ähnlichkeit zwischen Zieglers Fig. 6 und meiner Fig. 13 hinzuweisen. Anscheinend hat aber Ziegler in Fig. 6 auch das Schalendrüsenfeld mit den Entomeren verwechselt. Wenn Meisen- heimer in seiner Nachuntersuchung bei vergleichenden Betrachtungen zu dem Ergebnis kommt, daß die gemeinsame Anlage von Herz, Pericard, Niere und Genitalorganen »scharf von allen übrigen Zellkomplexen zu unterscheiden« sei, daß sie »stets durch direkte Wucherung aus dem Ectoderm entsteht, nachdem die Form des Embryos in seinen wesent- lichen Zügen bereits angelegt ist« (Nr. 85, S. 425), so kann ich selbst für Cyclas, so sehr ich dem ersten Teil dieser Behauptung zustimme, den zweiten nicht anerkennen. Die Beweiskraft der allein für die Frage der Herkunft der gemeinsamen Anlage in Betracht kommenden Fig. 1 (Nr. 85, Taf. XXIX) wird stark abgeschwächt durch den Umstand, Entwicklvingsgeschiclite von Aiiodouta cellensis Schrot. 125 daß Meisenheimer bei Cydas die Mesodermstreifen überhaupt nicht untersucht hat, wohingegen Zieglers Ausführungen darin wurzelten, die Differentiation der so oft genannten Organe aus den Mesodermstreifen darzutun. — Ehe wir uns in diesen kurzen, vergleichenden Betrach- tungen zu den Gastropoden wenden, sei noch auf ein auffälliges Ver- halten der gemeinsamen Anlage bei Dreissensia (Meisenheimer, Nr. 84, S. 97) aufmerksam gemacht. Während bei allen übrigen daraufhin untersuchten Lamellibranchiern, ja sogar bei Paludina (Nr. 87) und Planorhis (Nr. 88) die Anlage paarig-symmetrisch oder wenigstens, wie im letzten Fall, angedeutet paarig-symmetrisch auftritt, soll sie bei Dreissensia zunächst unpaar genau in der Medianebene des Körpers ge- legen sein. Insofern soll sie nach Meisenheimer jedoch schon eine streng bilateral symmetrische Lage aufweisen. Bei Limax maximus hat Meisenheimer zum erstenmal (Nr. 81, Nr. 82) »den Ursprung von Herz und Niere aus einer besonderen, ecto- dermalen Anlage abgeleitet <<, wie er selbst (Nr. 84, S. 96) sagt, »bei aller Sicherheit der Beweisführung mit einer gewissen Zurückhaltung <<. Die Anlage war unpaar und asymmetrisch. Fast gleichzeitig kam TöNNiGEs (vgl. Nr. 87, auch Nr. 106, Nr. 107) für Paludina vivipara zu dem Ergebnis, daß hier das Mesoderm nicht aus Urmesodermzellen seinen Ursprung nehme, sondern durch massenhafte Einwanderung aus dem Ectoderm entstehe, insofern auch die gemeinsame Organanlage ecto- dermalen Ursprungs sei. Schließlich hat Pötzsch bei Planorhis coryieus die fraglichen Verhältnisse eingehend untersucht. Sie sind für die hier für Anodonta vertretene enge Verwandtschaft von gemeinsamer Organ- anlage und Mesodermstreifen von besonderem Interesse, da Pötzsch, obgleich er keine direkte Entscheidung trifft, sich sehr dieser Ansicht zuzuneigen scheint. Das dürfte aus seiner ganzen Arbeit, unter anderm aus der folgenden Stelle hervorgehen, wo es heißt (Nr. 88, S. 414, 415) : »Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, ist es mir nicht möglich, sicher zu entscheiden, ob die Nieren, Pericard und Herzanlage aus dem Ecto- derm oder aus der Zelle D herstammt. Für eine Entstehung aus dem Ectoderm sprechen Bilder, die einen sehr engen Zusammenschluß der Anlage mit dem Ectoderm zeigen, so daß eine Grenze zwischen beiden nicht zu ziehen ist. Dagegen spricht das Aussehen der Zellen der An- lage, die überall den Mesodermzellen aufs genauste gleichen, für eine Verwandtschaft mit letzteren.« In obigen Ausführungen ist absichtlich mit Nachdruck AVert auf die Frage nach der Herkunft der gemeinsamen Anlage von Niere, Herz, Pericard und Geschlechtsorganen gelegt worden. Es geschah dies hin- 126 Karl Herbers, gegen keineswegs, um die Keimblätterlehre einseitig zu betonen, ins- besondere nicht, um die Existenz des mittleren Keimblattes in starrer Weise zu vertreten. Man könnte in unsrem Fall ja einwenden, daß die Urmesodcrmzellen und mit ihnen die Mesodermstreifen letzten Endes ectodermaler Herkunft seien. Es wurde ferner in diesen Aus- führungen schon darauf hingewiesen, daß eine sekundäre Verschmel- zung der gemeinsamen Organanlage mit dem Ectoderm stattfindet. Dennoch scheint mir ein wohl zu beachtender Unterschied darin zu beruhen, ob jene wichtigen Organe schon zu Beginn der Embryonal- entwicklung in der D-ZeWe und ihren Abkömmlingen vorgebildet wer- den und später erst mit dem Ectoderm verschmelzen oder ob sie erst als besondere, aus dem Ectoderm hervor\^alchernde Primitivanlagen entstehen, »nachdem die Form des Embryos in seinen wesentlichen Zügen bereits angelegt ist«. (Nr. 85, S.425). Bei der Besprechung der Cölomentwicklung wird auf Meisenheimers Annahme von ectoder- nialen Primitivanlagen noch zurückzukommen sein. Nachtrag: Nachdem die vorliegende Untersuchung im Manuskript bereits abgeschlossen vorlag, erschien soeben eine Arbeit Naefs (Nr. 120), in welcher dieser Autor, gestützt auf seine Befunde an Gastro- poden und Cephalopoden, im Zusammenhang mit der Cölomfrage auf eben die Probleme eingeht, welche uns im vorstehenden Kapitel be- schäftigt haben. Nachdem er (S. 381) darauf hingewiesen hat, daß die Anlagen des »Cölomsystems << immer im Analkomplex der Embryonen zu finden sind, heißt es weiter: >>Diese Partie, welche in einer Weise, die der Entstehung des Annelidenrumpfes bis zu einem gewissen Grad vergleichbar ist .... , enthält im Innern in unmittelbarer Nähe des Afters auf frühen Stadien die Urmesodermzellen, welche aus sich durch Teilung jederseits einen Zellenhaufen entstehen lassen, den wir den Mesodermstreifen der Anneliden mit gutem Grund homolog setzen und in welchem durch Spaltung auf späteren Stadien das Cölom gebildet wird (Fig. 6). Die Cölomanlage liegt in dem meist sehr engen Spalt- raume zwischen Entoderm und Ectoderm dem letzteren besonders dicht an, so daß er auf manchen Schnittpräparaten der verschiedensten Molluskenembryonen fast als Wucherung des Ec toder ms er- scheint, welche Täuschung noch verstärkt wird, wenn an der Stelle oder in deren unmittelbarer Nähe die Begren- zung des Ec toder ms eine unsichere ist (von mir gesperrt). Dies ist aber häufig der Fall, da das Ectoderm dieser Stadien fortgesetzt durch Einrücken von Zellen ins Blastocöl Mesenchym entstehen läßt. Entwicklungsgeschielite von Anodonta celk'ii«is Schrot. 127 Ich habe aber auch von Paludina, Bythinia und Planorhis entsprechende sowie auch jüngere und ältere Stadien gesehen, bei denen nicht nur das Ectoderm völlig scharf gegen das Mesoderm abgegrenzt ist, sondern auch eine färberische Verschiedenheit der Cölomanlage vom angrenzen- den Ectoderm deutlich wird.« Diesen Ausführungen Naefs, die in allem Wesentlichen mit den meinigen durchaus übereinstimmen, habe ich kaum noch etwas hinzu- zufügen. Es sei jedoch noch besonders darauf hingewiesen, daß Naef bei Paludina anscheinend die Urmesodermzellen schon gesehen hat; anders wäre seine Fig. 6a kaum zu deuten. Ich stimme mit Naef auch darin überein, daß im späteren Verlauf der Entwicklung mesenchy- matische Zellelemente die ursprünglich rein mesodermalen Organ- anlagen umlagern, bzw. einhüllen. Wenn wir auch die erste Anlage des Mesoderms bei den Cephalopoden noch nicht kennen und wir den durch den Dotterreichtum der Eier bedingten eigenartigen Verhält- nissen in der Furchung Rechnung tragen müssen, so dürften wir doch zu dem Schluß berechtigt sein, daß wir heute einer einheitlichen Auf- fassung über die Anlage und Entwicklung der Organe des »Cölomsystems << im Stamm der Mollusken wesentlich näher gekommen sind. (Vgl. die Ausführungen über die Cölomfrage S. 153.) 9. Niere. Die kleinen kugeligen Zellhäufchen n, wie sie das Glochidium als erste Anlage der Niere aufweist (vgl. Fig. 25, S. 33, Fig. 77 — 80 n oder nh), treten mit Beginn des Parasitismus bald in die Weiterentwicklung ein. Das mitunter bei völlig ausgereiften Glochidien schon angedeutete Lumen innerhalb der jungen Anlagen (Fig. 80 nh) erweitert sich sehr früh, so daß bald zu beiden Seiten des Enddarms je ein Nierenbläschen gelegen ist, das beständig an Größe zunimmt. In Fig. 81 nh sind sie in einem Querschnitt durch eine 13 Tage parasitierende Larve zur Dar- stellung gelangt, rings umlagert von Zellen, die am Aufbau von Herz und Pericard Anteil nehmen. Nach 21tägigem Parasitismus sind sie, wie Fig. 82 zeigt, schon bedeutend weiter ausgebildet. Hier hat auch bereits eine histologische Differenzierung eingesetzt, indem sich zahl- reiche Vacuolen im Plasma der Zellen bemerkbar machen. Die Kerne sind verhältnismäßig groß und mit einem starken Nucleolus versehen. Die Säckchen wachsen allmählich immer mehr in die Länge. Dabei biegen sie mit ihren dorsalen Enden scharf nach innen unten um, so- daß sich jetzt jederseits ein äußerer und ein innerer Schenkel unter- scheiden lassen. Das größte Lumen des Säckchens beiludet sich bei 128 Karl Herbers, -\-'^9 f-.Ap diesem Stadium in den äußeren Schenkeln, den ältesten Teilen der Organanlage. Die inneren Schenkel nähern sich in der Folgezeit einan- der mehr und mehr und verschmelzen schließlich, gegen Ende des para- sitischen Lebens, völlig unterhalb des Enddarms, wie es Fig. 83, S. 129 ver- anschaulicht. Im histo- logischen Bild besitzen die Nierenzellen des reifen Parasiten schon jetzt die typische, flache vacuolen- reiche Gestalt. In den Präparaten fallen sie durch ihre schwache Färbbarkeit sofort ins Auge. Nunmehr schreitet die Niereneutwicklung in zwei Richtungen sehr schnell fort. Zunächst wachsen die äußeren Schenkel, nach einer Längsstreckung der ganzen Anlage, in Gestalt rundlicher Röhren, ventral etwas nach vorn, und bie- gen darauf in einem schar- fen Winkel dorsalwärts nach vorn innen um. An- derseits wächst der durch die Kommunikation der inneren Schenkel entstan- dene Nierenabschnitt, der eine immer flachere Gestalt aimimmt, nach vorne aus, und bildet jederseits außen an seinem vordersten Rand einen schmalen Zipfel, der im rechten Winkel zur Fig. 82. Längsachse der Mantel- Nierenbläscheii 7ib bei einer 21 Tage parasitierenden Larve, höhle ZUStrcbt. Noch VOr ed. Enddarm: ep, äußeres Mantelepithel; Ar, hinterer Re- dt j , „„ ^4.; ' . . \,, . ,r. , •**> 1- roi 1 JieendifTun"; des parasiti- tractor; jJÄ, Phagocyten Querschnitt . \ergr. 581:1. o o r t/r> :m^. Fig. 81. Nierenbläschen nb im Querschnitt durch eine 13 Tage parasitierende Larve. Vergr. 400 : 1. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 129 ,.nb ...^-ph ---ep sehen Lebens gelangen nun die ventral von unten aufsteigenden röhrenförmigen Abschnitte der äußeren Schenkel auf der Höhe des flachen kommunizierenden Ganges der inneren an. Sie drängen sich dicht am Vorderrand des Ganges vorbei und treffen an die ventrale Wand des Pericards, durchbrechen sie und öffnen schließ- lich ihr Lumen gegen das des Herzbeutels. Fig. 88 und 89 nsfr zeigen uns beide Öffnungen bei einer eben ausgeschlüpften jungen Anodonta, nebst den langen Cilien der Wimperflammen, die in der »Nierenspritze << (in der Literatur auch Ne- phridialtrichter oder Reno- Pericardialgang genannt) be- reits ausgebildet sind. Mit diesem Ergebnis widerspre- chen meine Befunde der Darstellung Harms, der mit einem Stadium, das meiner Fig. 83 gleichkommen dürfte, die Nierenentwicklung in der parasitischen Periode abge- schlossen sein läßt und alle Vorgänge, die zur Ausbil- dung der Nierenspritze und der Ureteröffnungen führen, in die nachparasitische Zeit verlegt. Über den genauen Zeitpunkt des Durchbruchs parasitierenden Larve, kpj, drittes Papillenpaar der j TT i. ••££ 1- inneren Kieme. Übriae Bezeictmung wie Fig. 82. (Quer- der Ureteröffnungen liegen ^^^^.^^^^ vergr. .33.3 :i. mir keine bestimmten Daten vor; ich glaube jedoch, mit Rücksicht auf den vorhin angeführten Befund nicht fehl zu gehen, wenn ich ihn ebenfalls kurz vor das Ende des parasitischen Lebens verlege. Dann wäre mit dem Beginn des freien Lebens die Funktionsmöglichkeit des Exkretionsorganes gegeben. In den ersten Wochen der nachparasitischen Periode treten die bisher nur in der ersten Anlage begriffenen, und daher sehr schwer zu verfolgenden Nierenverhältnisse mit immer größerer Deutlichkeit hervor. Das möge Fig. 84, die einen Querschnitt durch den hinteren Abschnitt einer 4 — 5 Wochen alten jungen Anodonta cell, darstellt, ver- anschaulichen. Sie zeigt auf beiden Seiten deutlich den flachen, dorsal Zeitsciirift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 9 o'/77 Fig. 83. Kommunikation der Nierenbläschen n& bei einer 31 Tage 130 Karl Herbcrs, gelegenen Nierenabschnitt n>ectodermalen Wuche- rung« sondern sich zu Anfang die Nierenbläschen. »Die übrig bleiben- den Zellhaufen vermehren sich nun beständig . . . , sie streben dem 134 Karl Herbers, Enddarm zu . . . uiul umgeben ihn schlieülich in Form eines dicken Zellenringes. Alle diese Prozesse, die zur Bildung des Zellringes führen, spielen sich in den ersten Tagen des parasitären Lebens der Larve un- gemein schnell ab. Dann aber ist während der ganzen Dauer des Para- sitismus keine weitere Veränderung an ihm wahrzunehmen Schickt sich die Larve an, die Cyste zu verlassen, so wird . . . ungemein schnell Herz und Pericard . . durch einen sehr einfachen Prozess ge- bildet.« (Nr. 25, S. 363/3f)-l). Die beiden wesentlichsten Züge der Dar- stellung Harms beruhen darin, daß einmal schon zu Beginn der para- sitischen Periode durch den allseitig geschlossenen Zellring (vgl. Nr. 25, Fig. 21, Textfig. C, a, S. 366) das Herzlumen abgegrenzt wird, daß ferner das Pericardium erst kurz vor dem Ausschlüpfen der Larve in- folge einer inneren Aufspaltung des gesamten Ringes entsteht. Für den Beginn der Herz- und Pericardentwicklung kann ich die Ergebnisse Harms durchaus nur bestätigen. Aus den gemeinsamen Organanlagen des Glochidiums sondert sich am ehesten beiderseits das Nierenbläschen. Ich erinnere an die Ausführungen S. 119, insbe- sondere sei auf die Fig. 76, 77 und 80, 25 {nh) hingewiesen. Die für Herz und Pericard zurückbleibenden Elemente der Anlagen rücken nun mit einsetzender parasitischer Lebensweise ein wenig weiter nach vorn, bewegen sich dabei mehr und mehr medianwärts an beide Seiten des gleichzeitig gebildeten Enddarms. Bei einer 45 Tage dauernden In- fektion dürfte der Afterdurchbruch etwa am 13. — 15. Tag erfolgen. Es sei dies Beispiel angeführt, um darzutun, daß die nun zu erwähnende Umfassung des Enddarms seitens der jungen Herz- und Pericard- anlagen wohl nicht so früh stattfindet, als man nach den Angaben Harms über die Ringbildung anzunehmen geneigt sein möchte. Aller- dings macht sich schon frühzeitig in den sich beständig vermehrenden Zellhäufchen das Bestreben bemerkbar, die dem Darm zugewandte Seite der Darmoberfläche entsprechend abzurunden. A\if Querschnitt- bildern durch diese Stadien tritt dies durch sichelförmige Gestalt der betreffenden Partien hervor. (Vgl. z. B. Harms Nr. 25, Fig. 20 hj).) Später nähern sich die entsprechenden Zipfel der rechten und linken Seite immer mehr, dabei geht dieser Vorgang ventral vom Enddarm ungleich schneller von statten als dorsal. In Fig. 87 ist ein Querschnitt zur Darstellung Kelanst, bei dem dies deutlich hervortritt. Rechts und links vom Enddarm {ed), dorsal und ventral vom äußeren Mantelepithel {ep), bzw. Epithel der Nierenbläschen {nb) begrenzt, sind die innen sichel- förmig geschweiften Anlagen (lip) sichtbar. Im Centrum der Anlagen ist beiderseits ein kleines Lumen (p) angedeutet. Ich fand solche Lu- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 135 niina im Gegensatz zu Harms bei mehreren meiner Stadien, noch bevor dorsal vom Enddarm eine Verschmelzung der Anlagen erfolgt war. Trotzdem es mir für den weiteren Verlauf der Entwicklung nicht möglich war, das Schicksal dieser Lumina im einzelnen zu verfolgen, stehe ich doch nicht an, sie als echtes Pericardiallumen aufzufassen. Wir hätten somit auch bei Anodonta das Auftreten von Pericardialbläschen kon- statiert, noch bevor das Herzlunien endgültig von der primären Leibes- höhle abgegrenzt war. In der Tat habe ich während der ganzen ersten Hälfte des parasitischen Lebens bei meinen Larven keinen dorsalen Verschluß des Herzlumens, keine Bildung eines geschlossenen massiven Herzringes beobachten können. Die Umfassung des Darmes wurde erst vollständio'. nachdem seitlich bereits Pericardialbläschen gebildet waren. Fig. 87. Herz und Pericaidanlage bei einer 31 Tage iiaiasitierendeu Larve im Quersclinitt. ed, End- darm; p, Pericardialbläsclien; h, Herzlumen; ih, Zelle, die sich am Aufbau der inneren Herz- wand beteiligt; nb, Niere. Vergr. .581 : 1. Zudem ist mir eine langandauernde Ruhepause, wie sie Harms für die Herz-Pericardialentwicklung beschreibt, nicht aufgefallen. Im Gegen- teil war ich durch die Tätsache überrascht, daß schon bei einer 41 Tage parasitierenden Larve, 5 Tage vor dem Verlassen der Cyste, im wesent- lichen die Anlage des Herzens nebst dem Pericard vollendet war. So ließ sich unter anderm einwandfrei die Nierenspritze mit ihrer Wimper- flamme nachweisen. Die Fig. 88 und 89, beides Querschnitte durch eine soeben ausgeschlüpfte junge Muschel, mögen uns ein Bild der fraglichen Verhältnisse auf diesem Stadium geben. Es sind Schnitte derselben Serie, 89 liegt nahe vor 88, die Schnittrichtung ist etwas schräo-. In Fig. 88 sind links die Verhältnisse am klarsten zu überschauen. Das untere Pericardiallumen {up) ist durch die einmündende linke Nierenspritze {nspr) genügend gekennzeichnet. Darüber treten zwei 136 Karl Herbers, langgestreckte, den Darm mit einem Lumen (A) umfassende Zellen der Herzwand hervor. Wahrscheinlich ist zwischen ihnen gleichzeitig die Fig. 88. Herz und Pericard im Querschnitt durch eine eben ausgeschlüpfte junge JMuschel. /(. Herz; op, up, oberer und unterer Tericardialrauni; nspr, hnke Xierenspritze. (Schnitt etwas scliräg.) Vergr. 581 : 1. Fig. 89. Schnitt der gleichen Serie wie Fig. 88, etwas weiter nach vorn, p, vereinigter Pericardialraum; nspr, rechte Nierenspritze; ed, Enddarm. Vergr. 581 : 1. erste Anlage des Vorhofs (vh) getroffen. Dem äußeren Mantelepithel (ep) am nächsten liegt der obere Pericardialraum. In Fig. 89 tritt dieser ö Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 137 obere Pericadialrauni noch deutlicher hervor, allerdings geht er hier ohne weiteres in den unteren über, da der Schnitt vor den Vorhöfen geführt ist. Beachtenswert ist ferner die Einmündung der rechten Nierenspritze. Vom Herzen sind nur die vordersten Ausläufer {h) ge- troffen. (Zugleich ist auf der linken Seite der hinterste Zipfel des linken Lebersäckchens berührt.) Es dürfte somit nach den eben mitgeteilten Befunden feststehen, daß die junge ausschlüpfende Muschel alle wesent- lichen, zur Funktion notwendigen Bestandteile von Herz und Pericard mitbrinot, was eigentlich kaum besonders hervorgehoben zu werden brauchte, wenn sich in der Literatur nicht die Angabe fände, daß bei ^^ -^ ^ ^^.. -'©\ ¥ ^/^J ö ^^_^j? 0 (^ 0 ^V ^.). -^ Fig. 90. Herz h und Pericard p bei einer 4 Wochen frei lebenden jungen Muscliel. /, Ligament; le, Leber; /, Fuß; nspr, Xierenspritze ; kp, Kiemenpapille. Vergr. 420 : 1. Anodonta die letzte Differenzierung von Herz- und Pericardanlage erst zu Beginn des freien Lebens stattfinde (Nr. 25, S. 374). Wie sich für Anodonta im einzelnen die Ausbildung des Pericards vom Stadium der Fig. 87 bis zum Stadium der Fig. 88, 89 gestaltet, konnte nicht genauer festgestellt werden, dazu war es mir auch nicht möglich, die Anlage der Vorhöfe zu verfolgen. Ihr Auftreten kompliziert gerade die Übersicht jener an und für sich schon so subtilen Verhältnisse in starkem Maße. Mit Eintritt in das freie Leben setzt bei der jungen Muschel auch ein lebhafter Ausbau von Herz und Pericard ein. Kaum bei einem andern Organ macht sich die allgemein auftretende Ausdehnung der 138 Karl Herbers, Gewebe so bemerkbar, als gerade beim Herzen. Das veranschaulicht neben den Figuren 24, 37 — 39 bei Hakms (Nr. 25) auch die beifolgende Fig. 90. Die Wandungen von Herz (h) und Pericard (p) bilden auf dieser Altersstufe anscheinend äußerst feine Membranen, denn sie er- scheinen im Schnittbild nur als zarte Linien, denen hin und wieder ein Kern angelagert ist. In Fig. 90 rechts ist wieder die Mündung des Nierensacks in das Pericard getroffen. Bis zu diesem Stadium etwa sind wir bisher überhaupt erst über die Herzentwicklung der Lamellibranchier unterrichtet gewesen. Da- rum dürfte es geboten sein, hier zunächst einige vergleichende Bemer- kungen einzuschalten, ehe wir in der speziellen Betrachtung bei Ano- donta fortfahren. Es Nvurde bereits oben schon kurz erwähnt, daß Harms auch die Herzentwicklung von Unio, der Anodonta nächstverwandten Muschel untersucht hat. Er kam hier zu einem wesentlich andern Ergebnis. »Bei U^iio spalten sich zunächst die ursprünglich einheitlichen An- lagen jederseits in zwei Zipfel, je einen dorsal und ventral vom End- darm gelegenen. Die beiden ventralen stoßen unter dem Enddarm zu- sammen, verschmelzen und bilden durch Längsaufspaltung den unteren Pericardialraum. Der obere Pericardialraum soll nach einem völlig an- dern Modus zustande kommen. (Man vgl. Nr. 25, Textfig. D, h, S. 366.) Die dem Enddarm zugewandten Enden der dorsalen Zipfel verschmelzen direkt miteinander, >>die abgewandten Teile der beiden oberen Zellen- massen wachsen nun dorsal und nach innen einander entgegen und bilden so die obere Pericardialblase << (S. 367). Die übrigen Figuren der • vorhin bezeichneten schematischen Übersicht bei Harms machen uns mit den Entwicklungsmodi des Herzens zweier weiterer Lamellibran- chier bekannt. H. E. Ziegler hatte 1885 eingehende Angaben über die Ausbildung von Herz und Pericard von Cyclas Cornea gemacht. Diese Mitteilungen veranJaßten Korschelt und Heider in ihrem Lehrbuch (Nr. 77, S. 970), sowie Meisenheimer, als er die gleichen Verhältnisse bei Dreisscnsia (Nr. 84, S. 104) einer eingehenden Unter- suchung unterwarf, Zieglers Befunde in Schemata niederzulegen. Als Meisenheimer 1901 bei Cyclas eine Nachuntersuchung vornahm, konnte er in der Hauptsache die Ergebnisse Zieglers nur bestätigen. Die Eigenartigkeit der Herz- und Pericardialentwicklung von Cyclas besteht darin, daß aus den massiven gemeinsamen Organanlagen beiderseits vom Enddarm zunächst je ein Pericardialbläschen ent- steht, das bald von außen her eine Einstülpung zur Bildung der Vorhöfe erfährt. Darauf findet über und unter dem Enddarm eine Kom- Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensi.s Schrot. 139 niunikatiou der Pericardialbläschen statt, wodurch jetzt erst das Herz- lunien endgültig zum Abschluß gelangt. Es tritt also das Pericardial- lunien auf, ehe noch das Herzlumen allseitig abgeschlossen ist. Der von Meisenheimer für Dreissensia aufgestellte Typus, wie er sich in Textfig. 6, Nr. 84, S. 104 oder Textfig. B, Nr. 25, 8. 366 schematisch niedergelegt findet, läßt die beiden Organe gerade in umgekehrter Reihenfolge auftreten. Die von Harms für Anodonta gegebene Dar- stellung schüeßt sich dem Dreissensia-Typiis Meisenheimers aufs en> . . . wo die Umbiegung der beiden dorsalen Stränge soweit vorge- schritten ist, daß sie schon die ectodermale dorsale Schalenausklsidung erreicht haben« vmd weiter: »Sie wachsen beständig weiter, bis sie sich dorsal vom Enddarme treffen und dann verwachsen«. — • Sei dem wie es auch sei, es beansprucht allein der Umstand, daß die sich verwandt- schaftlich so überaus nahe stehenden Formen wie Anodonta und Unio eine derartig verschiedene Herz- und Pericardentwicklung haben sollten, unsere Aufmerksamkeit. Wir wissen aus den übrigen Kapiteln der Organentwicklung, daß sonst große Übereinstimmung zwischen bei- den Formen besteht. Zudem sei daran erinnert, daß meine, wenn auch geringen Beobachtungen bei Anodonta deutlich darauf hinweisen, daß auch hier die Verhältnisse eher dem Cijclas- als dem Dreissensia-Typus entsprechen. Vergleicht man überhaupt einmal die von Harms und Meisen- heimer gegebenen Schnittfiguren mit den daraus abgeleiteten Sche- mata über den Entwicklungsmodus, so wird man, da überall das Resultat 140 Karl Herbers, das gleiche ist, wohl deu Schluß wagen dürfen, daß der Wert der letzteren immerhin nur ein relativer genannt, werden kann. Allein für Cijclas scheint mir bisher eine völlige Übereinstimmung von .Schnittbild und Schema vorzuliegen. Die überaus klaren Figuren, welche Meisenheimer (Nr. 85, Taf. XXIX) gibt, schließen in diesem Fall jeden Zweifel aus. Nicht ohne Interesse dürfte für unsre Betrachtungen ein kurzer Überblick über die betreffenden Verhältnisse bei den Gastropoden sein. Bei Limax maximus tritt nach Meisenheimer (Nr. 82, 1898) zu- erst die Herzhöhlung und dann erst das Pericard auf. Paludina vivi- para weist nach Tönniges und Otto (Nr. 107, Nr. 87, 1898, 1906) Ver- hältnisse auf, die sehr an Cyclas erinnern. Aus zwei soliden Anlagen entstehen zwei Pericardialbläschen, die später zu einem einheitlichen Pericardium kommunizieren. Das Herz legt sich in einer Falte der Peri- card wand an. Bei Plunorhis corneus entwickelt sich weder das Peri- card aus dem Herzen {Limax) noch das Herz aus dem Pericard (Palu- dina), sondern beide Organe entstehen nach Pötzsch (Nr. 88, 1904) gleichzeitig. >>Ebenso wie bei Paludina legt sich das Herz als Rinne an <<. Somit bildet Planorhis gleichermaßen eine Übergangsstufe zwischen den beiden Extremen Paludina und Limax ^. Wenn wir nunmehr, über das Maß der bisherigen Kenntnis hinaus, in der Betrachtung der Herz- und Pericardentwickluug von Anodonta fortfahren, so werden uns in der Hauptsache zwei Fragen beschäftigen. Einmal ist zu untersuchen, ob die bisher für Cyclas, Dreissensia, Ano- donta und Unio aufgestellten Schemata überhaupt die gesamte Herz- und Pericardanlage berücksichtigt haben, oder ob nicht vielmehr ein wichtiger Bestandteil des ausgewachsenen circumrectalen Herzens da- bei V()llig unbeachtet blieb. Zum andern werden wir Stellung zu jener alten Streitfrage nehmen müssen, ob den Mollusken, speziell den Lamelli- branchiaten eine dem Cölom der Anneliden homologe, sekundäre Leibes- höhle zuzuschreiben sei, ob insbesondere das Pericardium der Muscheln als solche in Frage kommt. Wie schon weiter vorn erwähnt, dehnen sich zu Beginn des freien Lebens die Wände von Herz und Pericard zu feii\en Membranen aus, wie sie Fig. 90, S. 137 im Querschnitt {h, y) aufweist. Zu dieser Zeit lassen sich auch die Vorhöfe in den Präparaten deutlich erkennen. Einzelheiten über ihre Anlage ließen sich an meinem Material kaum beobachten; desgleichen ist mir auch die allerfrüheste Anlage der 1 Bei der Durchsicht der Korrekturen stieß ich im Lehrbuch der vergl. Histol. von K. C. Schneider S. 541 auf eine Notiz, die für Anodonta mutahilis die innere Herzwand bereits erwähnt. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 141 Hauptgefäße entgangen. Bei etwa 2 mm langen Muscheln ließ sich zum erstenmal ein kurzer Ansatz der vorderen dorsalen und hinteren ventra- len Aorta feststellen. Wahrscheinlich tritt bei jüngeren Stadien das Blut durch entsprechende Öffnungen direkt in die primäre Leibeshöhle ein. Gerade mit dem Studium der Herz Verhältnisse bei meinen jungen Muscheln von 0,7 — 3,1, von 5,7 und 7 — 9 mm Länge beschäftigt, stieß ich bald auf die mich höchlichst überraschende Beobachtung, daß sehr wahrscheinlich Anodonta wie Unio eine innere, das Herz- lumen von der Dar mmuscularis sondernde Herzwand zukä nie. Bei der immerhin nicht geringen Bedeutung, welche diesem Befunde, falls er sich im weiteren Verlauf dieser Darstellung begründen lassen sollte, für die heute herrschende Auffassung des circumrectalen La- melhbranchierherzens und seiner phylogenetischen Herleitung zukommt, sei gleich auf die wichtigsten Angaben in der Literatur eingegangen. In Nr. 84, S. 104 wendet sich Meisenheimer gegen die Darstellung, die in Korschelt-Heiders Lehrbuch von der Herzentwicklung bei Cyclas gegeben ist. Wenn wahrscheinhch der Korschelt und Heider gemachte Vorwurf überhaupt hinfällig ist (Meisenheimer hat offenbar das Peritonealepithel mit der inneren Herzwand verwechselt, wohin- gegen bei Korschelt und Heider überhaupt nur Peritonealepithel und Ventrikelwand unterschieden werden), so war mir die Bemerkung von besonderem Interesse, daß »das Herzinnere in unmittelbarer Be- rührung mit der Darmwandung« sei. Von voraufgegangenem Stu- dium meiner Schnittserien war mir hingegen in der Erinnerung, daß gerade in der Herzgegend im Lauf der Entwicklung rings um das rein entodermale Darmepithel herum eine Zellschicht auftrat, die ihrem histologischen Aufbau nach sehr an die äußere Herzwand erinnerte. Bei der nun folgenden eingehenden Untersuchung galt es allerdings sofort, die zunächst nur vermutete innere Herzwand scharf von den Anlageelementen einer später auftretenden Darmmuskulatur zu unter- scheiden. In allen mir bekannt gewordenen Untersuchungen über die Lamellibranchiatenentwicklung und den das Herz betreffenden, ver- gleichend-anatomischen Arbeiten, fand ich über die Anlage der Darm- muskulatur keinerlei Mitteilungen, hingegen stieß ich an zwei Stellen auf Angaben, die das Vorhandensein einer inneren Herzwand wenig- stens in Frage stellen, ja in einem Fall sogar bestimmt vertreten. In seinen Beiträgen zur Kenntnis der Nuculiden schreibt Stem- PELL, als er vom vergleichend anatomischen Gesichtspunkt aus die Hypothese von der Verlagerung des Lamellibranchierherzens von der dorsalen über die circumrektale zur ventralen Lage, zum Enddarm 142 Karl Herbers, diskutiert (Nr. 100, S. 392) : »Ferner müßte man, wenn jene Hypothese den phylogenetischen Tatsachen entspräche, bei allen Formen, wo das Herz vom Darm durchbohrt wird, innerhalb des Herzens auch die Darm- wand selbst von Herzinuskulatur bekleidet finden, was aber, wie ich gezeigt habe, bei Leda sulculata schon nicht der Fall ist. << In einer Fuß- note heißt es dann weiter: >>Ich weiß sehr wohl, daß bei vielen Muscheln mit durchbohrtem Herzen tatsächlich eine solche Muskelschicht vorhanden ist (von mir gesperrt); aber alle diese Arten stellen doch zweifellos höher spezialisierte Formen dar als gerade L. sulculata und können daher phylogenetisch nicht mit dem gleichen Recht in Betracht konnnen wie die letztere <<. S. 390 schreibt er dann schließlich, >>er (der Ventrikel) wird, wie schon berichtet, vom Enddarm (Nr. 100, Fig. 31 r) durchbohrt, wobei zu bemerken ist, daß der Darm innerhalb des Herzens an seiner Außenfläche nur von einem dünnen Bindegewebshäutchen, nicht aber von Muskulatur bekleidet ist<<. Demnach gibt Stempell für höhere Lamellibranchiaten unbedingt die Existenz einer den Darm umkleidenden inneren Herzwand zu. Es war mir aber nicht möglich, in der Literatur darüber Aufschluß zu finden, welche Formen Stempell bei jenem zweiten Zitat im Auge gehabt hat. Wenn Stempell schließlich für L. sulculata das Vorhanden- sein jener inneren Herzwand glaubt leugnen zu müssen, so erhebt sich doch gleich die Frage, wie denn das von ihm selbst beobachtete Binde- gewebshäutchen zu deuten sei. In der embryologischen Literatur fand ich einzig und allein in einer Arbeit Karl Ahtings über die Entwicklung des BojANUSschen Organs und des Herzens der LamelUbranchier, die Befunde an Mijtilus edulis betrifft, Angaben, welche sich mit der »inneren Herzwand »be- fassen. tSo heißt es Nr. 59, S. 18 (vgl. dazu auch Ahtings Fig. 13a, 17, 18 i. H.): »Diesem Darmepithel liegen an einzelnen Stellen Mesenchym- zellen auf, die sich zu endothelartigen Bildungen zu gruppieren begin- nen . . . Das auf älteren Stadien völlig ausgebildete Endothel bildet die innere Wand des Ventrikels. Für die Entstehung der Endothelzellen besteht nur die Möglichkeit, daß sie auf Zellen der primären Leibes- höhle zurückzuführen sind, welche bereits vor Verwachsung der beiden Pericardialbläschen an Ort und Stelle vorhanden waren. << Seite 20 schreibt Ahting u. a.: »die innere Herzwand ist voUkonnnen zur Ent- wicklung gelangt, doch macht sich hier die Erscheinung bemerkbar, daß auf der Dorsalseite sowohl die äußere, wie die innere Herzwand sich weiter vom Darm abgehoben haben«. Endlich heißt es S. 21 noch: »Die innere Herzwand . . . ist auch hier ein durchaus einschichtiges Plattenepithel. « Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellcnsis Schrot. 143 Ahting führt seine Befunde an Mytilus nicht weiter aus, auch * berücksichtigt er die Anlage der Darmmuskulatur nicht. Er begnügt sich im übrigen allein mit der Feststellung, >>daß weder Ziegler noch KoRSCHELT und Heider der inneren Herzwand irgendwelche Er- wähnung tun« (S. 18). Wie steht es nun in der Unionidenentwicklung in bezug auf diese wichtige Frage? — Schon auf den Schnittbildern durch die frühe Anlage von Herz und Pericard, noch während der parasitischen Lebensperiode finden sich hie und da in der Nähe des Enddarms Zellen, die sich keines- Fig. 91. Übersicht der wichtigeren Organe im liinteren Abschnitt einer 2,59 mm langen, 1,65 mm hohen vtwo- donta cellensis. h, Herz ; p, l'ericard ; vh, Vorliof ; n, Niere ; ed, Enddarm ; hs, liinterer Adductor ; hr, lünt«rer Retraetor; pr, Protractor; masch, dorsaler Mantelschhtz; /sZ, larvale Schale ; gr, Geschleclits- organe. wegs in eines der bisher vorhandenen Entwicklungsschemata einfügen lassen. Fig. 87, S. 135 zeigt uns in {iU) eine solche. Wenn es auch, nachdem sich mir durch die Befunde an älteren Tieren die Frage nach der Herkunft der inneren Herz wand bereits eröffnet hatte, nahe lag, derartige Zellen als Anlageelemente derselben zu betrach- ten, so tauchte doch sofort die weitere Deutungsmöglichkeit auf, daß sie das embryonale Material für die spätere Darmmuskulatur darstellen könnten. In der Tat habe ich auch lange in der Deutung jeuer Zellen geschwankt, ja, ein entscheidendes Urteil vermag ich auch heute noch nicht zu fällen. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß die Darm- niuscularis erst verhältnismäßig spät auftritt. So ist z. B. in der 144 Karl Herbers, Fig. 74 keine Spur davon vorhanden, während hingegen das Herz schon 4 Wochen funktionsfähig war. Das bedeutet für uns in die- sem Zusammenhang, daß seit dieser Zeit keine Muskelelemente die Herzdarmstrecke mehr erreichen konnten, noch in Zukunft würden erreichen können, da die Funktion einen festen Abschluß des Her- zens gegen die Darmdurchbruchstellen verlangt. Wollten wir demnach die alte Vorstellung von der Herzbildung aufrecht erhalten, so müß- ten wir die Einwanderung der Elemente für die Darmmuscu- laris ganz in die frühe para- sitische Periode verlegen, da ja nachHAEMS schon zu dieser Zeit die Bildung des Herz- ringes beendet ist. Sollte sich aber die innere Herzwand eher als die Darmmuskel- schicht oder doch wenigstens gleichzeitig mit ihr anlegen, so dürfte dem Ausbau beider kein Hindernis im Wege stehen. Zumal nicht der Voll- endung der letzteren ! Mit Be- ginn der Typhlosoliseinfaltung, die etwa bei 4 — 5 mm langen Muscheln einsetzt, wird ein weiter Kaum für eindringen- des Mesenchym aus der pri- mären Leibeshöhle verfügbar, eaf- ih- Fig. 92. QuL'rschnitt durcli das Herz einer 5,7 mm langen Ano donta piscinalis mit umgebendem Peiicard. pe, l'eri- (Jie Eintrittspforten ZUr HcrZ- cardialepitliel ; ih, innere Herzwand; (VA, äußere Herz- -, , i • n i wand. Vergr. 250 : 1. darmstrcckc Sind ohne wei- teres oegeben, wie leicht eine räumliche Vorstellung der in einander geschachtelten Organe ergibt. Hier sei vorweg bemerkt, daß später eine solche Einwanderung in der Tat stattfindet. Wenden wir uns nunmehr wieder zur Betrachtung der Befunde, so sei zunächst hervorgehoben, daß mit Beginn des freien Lebens die Zellen, welche dem rein entodermalen Darmrohr innerhalb des Herzens anliegen, immer häufiger werden, sodaß schließlich eine ganze Zell- hülle zustande kommt. Bei Stadien von 2 — 3 mm Länge tritt dieser feine Beleg bereits deutlich hervor. Ja mitunter finden sich zwischen Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 145 dem Häutchen und dem Darmepithel schon vereinzelt neue Mesen- chymzellen. Klarer und übersichtlicher liegen diese Verhältnisse jedoch erst bei etwas älteren Stadien. Wir wollen sie in folgendem bei der schon so oft erwähnten 5,7 mm langen A. fiscinalis eingehender unter- suchen. Zuvor möge uns aber Fig. 91, die nach einer 2,59 mm langen A. cellensis entworfen ist, im allgemeinen über Gestalt und Lage von Herz und Pericard in jenem Alter unterrichten. Im hinteren Körper- abschnitt der jungen Muschel, zwischen Wirbel {Isl) und dem hinteren Schließmuskel {hs) umhüllen Herz (/i) und Pericard (02^, uf) den oeraden Abschnitt des stark mit Nahrungsresten angefüllten End- darms. Ventral von beiden Organen erstreckt sich die Niere {n). Die Herzkammer Qi) setzt sich deutlich von den Vorhöfen {vh) ab, (im Bild nur der linke sichtbar) und weist am vorderen, bzw. hinteren Ende dorsal und ventral vom Enddarm zwei zipfelförmige Ausläufer (ya, ha), die vor- dere und hintere Aorta auf. Herz samt Vorhöfen liegen eingehüllt im Pericard, in das bei (nspr) die Nierenspritzen einmünden. Vor (nspr) befinden sich bei (g) auch die jungen Anlagen der Geschlechtsorgane. — Was nun die Einzelheiten des 5,7 mm Stadiums in bezug auf Herz und Pericard anbetrifft, so sei zunächst auf Fig. 50, S. 80 verwiesen, die im Querschnitt sämtliche Teile erkennen läßt. Das Herz (A) ist an der Stelle seiner größten Ausdehnung getroffen. Die äußere Herz- wand (äh) hat im Vergleich zu Fig. 90, S. 137, wo sie nur eine feine Membran bildet, eine wesentliche histologische Differenzierung er- fahren. Wir sehen feine Muskelfibrill^n aus der Herzwand in das Herz- lumen hineinragen. Central im Herzinneren ist der Enddarm (ed) ge- legen. Er wird von einem feinen Häutchen (ih) umsponnen. Ventral von der Herzkammer sind links und rechts die Vorhöfe {vh) angeschnit- ten. Auch von ihren Wandungen ziehen zahlreiche Muskelfibrillen aus. Besonders deutlich gelangt im Bild der Zusammenhang zwischen dem Lumen der Vorhöfe und den Mantelreservoiren zum Ausdruck, Herzkammer wie auch Vorhöfe werden außen von der Pericardialhöhle (p) umgeben. Lediglich durch die Vorhöfe ist eine direkte Verbindung von Herzlumen und den Mantelreservoiren (echte Mantelhöhle) gegeben. Fig. 92 stellt einen stärker vergrößerten Ausschnitt eines Querschnittes der gleichen Serie wie Fig. 50 dar. Schnitt 92 ist jedoch eine ganze Strecke vor Schnitt 50 gelegen. Einmal ist in Fig. 92 bei stärkerer Vergrößerung ein deutliches Pericardialepithel (pe) zu erkennen, weniger deutlich tritt es als Bekleidung der äußeren Herzwand (äh) hervor. Die Muskulatur der äußeren Herzwand ist wie in Fig. 50 ersichtlich. Von besonderem Interesse ist nun für uns das Schnittbild vom Enddarm Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 10 146 Karl Herbers, (ed) und seiner Umgebung. Das hochcylindrische Darmepithel ist ohne weiteres zu identifizieren. Diesem liegt nur teilweise dicht ein feines Häutchen (ih) an. An einzelnen Stellen ist es deutlich vom Darm- epithel abgehoben, was beim Totalobjekt auf einen vorhandenen Spalt- raum schließen läßt. Gehörte mm dieses Häutchen {ih) zum Herzen oder stellte es nichts andres als die Anlage der späteren Darnimusku- latur dar? Auf diese Frage nmßte eine Antwort erfol- gen, wenn man in der Betrachtung der Schnitt- serien weiter nach vorn (oder auch nach hinten!) fortschreitend an die Stelle kam, wo die eigentliche Herzkammer zu Ende war und der Darm frei aus dem Herzen herausragte. Stellte das Häutchen wirk- lich Darmmuskulatur dar, so mußte es kurz vor (oder hinter) dem Herzen ebenso gut das Darmepithel um- kleiden als auf der Herz- darmstrecke. In Fig. 93 sehen wir die Antwort für das vordere Herzende der gleichen Serie, wie Fig. 50 und 92 vor uns. Das frag- liche Häutchen (///) bleibt gar nicht am Darmepithel liegen. Dorsal ist es durch einen von Phagocyten durchwanderten Spaltraum vom Darmepithel getrennt, während es zu beiden Seiten ohne weiteres in die äußere Herz wand {äJi) übergeht, die dadurch ventral im Bild doppelt dick erscheint. Eine Deutung dieses Befundes ist gar nicht anders möglich, als daß das Häutchen (ih) wirklich als innere Herzwand zum Herzen gehört und dann stellen sich die Einzelheiten der Fig. 93 folgendermaßen dar. Der Schnitt hat dorsal vom End- darm das Herz an der Austrittstelle der vorderen Aorta (va) getroffen. Fig. 93. Querscliiiitt der gleichen Seiie wie J'ig. 50, 92 durcli die Aus- t,ritt:istelle der vorderen Aorüi va. Die ventrale Aorten- wand vea geht in die äußere Herzwand äh über mul doku- mentiert dadurch ilvre engen Beziehungen zur inneren Herz- wand {ih, Fig. 94). Vergr. 280 : 1. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellcnsis »Schrot. 147 Die äußere und innere Herzwand setzen sich hier direkt in die dorsale, bzw. ventrale Wand (vea) der vorderen Aorta fort. (Bei der hinteren Aorta würde gerade das Umgekehrte der Fall sein.) Ventral vom End- darm führte der Schnitt hingegen tangential an der Übergangs-, bzw. Umschlagsstelle der inneren in die äußere Herzwand vorbei (äh + ih). Der Spaltraum zwischen Enddarm und {vea), bzw. {äh + ih) gehört schon der freien, primären Leibeshöhle an. Als Anlageelemente der späteren Darmmuskelschicht bemerken wir ventral, dem Darmepithel fest anliegend, zwei Mesenchymzellen {Imu). Derartige Zellen treten, wie weiter vorn schon bemerkt wurde, bereits bei jüngeren Stadien hin imd wieder unter der inneren Herz wand auf der Herzdarmstrecke auf. Die Darmmuskulatur mag in der Folgezeit sehr bald zum Ausbau gelangen. Jedenfalls ist sie auf den Sagittalschnittfiguren 94, 95, die von einer 7,8 mm langen ünio stanmien, schon wesentlich stärker ausgebildet als bei der zuletzt betrachteten A. piscinalis von 5,7 mm. Dadurch wird allerdings auf der Herzdarmstrecke zunächst die Unter- scheidung von innerer Herzwand und Darmmuskelschicht erschwert. Dennoch dürfte die Klärung der von uns besonders berücksichtigten Verhältnisse gerade durch die Fig. 94, 95 gefördert werden, weil uns durch die Art der Schnittführung die fraglichen Schichten in ihrem natürlichen Zusammenhang vor Augen geführt werden. (Leider war die Schnittführung am Objekt nicht streng symmetrisch, was z. B. in Fig. 94 dadurch zum Ausdruck kommt, daß wohl der Austritt der vorderen, aber nicht derjenige der hinteren Aorta zu sehen ist. Letzterer wurde daher in Fig. 95 bei stärkerer Vergrößerung dargestellt.) Herz- kammer, Herzmuskulatur, oberer und unterer Pericardialraum sind in Fig. 94 deutlich zu unterscheiden, daneben tritt, zum erstenmal in der vorliegenden Darstellung, vor dem oberen Pericardialraum {ojj) die Pericardialdrüse {jjd) hervor. Sie wurde im einzelnen nicht auf ihre Entwicklung hin verfolgt. Über den Enddarm zieht sich nun außer der Darmmuskulatur {dmu) die feine innere Herzwand {ih) und, wie es theoretisch schon gefordert war, sehen wir deutlich, besonders am hinteren Ende die äußere Herzwand in die innere umschlagen {us). Vorn setzen sich beide ununterbrochen in die Wandung der vorderen Aorta fort. Zudem tritt hinten an beiden Stellen {iis) die Sonderung des Pericardialepithels von der Herzwand hervor. Dieses schlägt ge- rade im entgegengesetzten Sinne um, wie die letztere. In Fig. 95 finden wir diese Verhältnisse stärker vergrößert dar- gestellt, sodaß nunmehr auch Einzelheiten erkennbar werden. Dorsal vom Enddarm liegt eine Umschlagstelle {us). Pericardialepithel {pe) lü* 148 Karl Herbers, und äußere Herzwand {äh) trennen sich, letztere schlägt nach links in die innere (ih) um, während von rechts her schwache Züge der Darm- muskulatur (dmu) sich einfügen. Ventral ist besonders schön der Über- dmu Fig. 94. Sagittalschnitt (liirch Horz /( iiiiil Pericard ii einor 7,8 mm langcMi, 4,7 mm liohen Vnio spez.'?. np, op, unterer und oberer l'ericardialraum; üh, äußere Herzwand; ih. innere Herzwand; us, Umschlag der äußeren in die innere Herzwand; va, vordere Aorta; pd, Pericardialdrüse; n, Xiere; ed, End- darni. Vergr. 34 : 1. '~---~(fmu Fig. 95. Teil eines Sagittalschnittes der gleichen Serie wie Fig. 04, stärker vergrößert. }m, Austrittsstello der hinteren Aorta mit Sphinkter, dmu, J^arnimuscularis; üh, Herzmuskulatur; t, Typhlosolis (angedeutet). Übrige Bezeichnung wie Fig. 04. {In Fig. 04 sind zwecks besserer tJbersicht die komiilizierten Tyi)hlosülenverhältiiisse nicht eingezeichnet.) Vergr. 111 : 1. U9 gang der inneren Herz^Yand [ih) in die dorsale Wand der hinteren Aorta zu sehen. Die Darmmuskulatur (dmu) geht scharf von ihr gesonäert aus dem Herzbezirk hervor. Die Muskulatur des Herzens ist bei (äh) besonders kräftig angedeutet. Zu erwähnen sind dann noch im Bereich der hinteren Aorta (Jui) die stark von Muskelfibrillen durchsetzten Stellen [s])), die zusannnengenommen einen Schnitt durch den in der Anlage begriffenen Sphincter der hinteren Aorta darstellen. An der Austrittstelle der vorderen Aorta entsteht gleichzeitig ein Segelventil. Somit hätte das Herz im wesentlichen eine Ausbildung erreicht, die den Verhältnissen am ausgewachsenen Tier gleichkäme. Mit wenigen Worten sei jedoch, ehe wir auf diese eingehen, die Frage nach der Herkunft des Materials für Darmmuskulatur und Herz berührt. Für die Darmnuiscularis dürfte wohl die Abstammung zweifels- ohne auf Mesenchymzellen der primären Leibeshöhle zurückzuführen sein. In bezug auf das Herz bestehen in der Literatur zwei Airffassungen. KoRSCHELT und Heider vertreten, indem sie sich auf die Befunde H. E. Zieglers bei Cijclas beziehen, die Ansicht, »daß von jener Wand des Bläschens (gemeint ist das Pericardialbläschen) diejenigen Elemente sich abspalten, welche die Herzwand liefern, während die Wand des Pericardialbläschens selbst das bekleidende Peritonealepithel darstellt« (Nr. 77, S. 970). Ahting führt demgegenüber die innere Herzwand bestimmt auf Zellen der primären Leibeshöhle zurück (s. auch das be- reits S. 142 angeführte Zitat aus Nr. 59). Die Herzmuskulatur mit den vereinzelten Mesenchymzellen denkt er sich gleichzeitig mit den Elementen für die innere Herzwand angelegt, er läßt aber auch die Deutung offen, daß ihre Elemente erst nachträglich in Gestalt von Mesenchymzellen in die Herzhöhle einwandern. Wie sich Ahting die- sen letzteren Fall denkt, kann ich mir nicht vorstellen. Überhaupt muß ich, von theoretischen Gesichtspunkten geleitet, der von KoR- SCHELT und Heider für die äußere Herzwand vertretenen Auffassung auch in bezug auf die innere Herz wand den Vorzug geben. Es ist durch- aus anzunehmen, daß die Elemente für die Herzmuskulatur und die innere Herzwand, ebenso wie diejenigen für das Pericard den paarigen, mesodermalen Organanlagen entstammen. Dabei sei noch ausdrück- lich hervorgehoben, daß das Herzlumen einen, von der primären Leibes- oder Furchungshöhle abgekammerten Teil darstellt. Die paarigen Anlagen, späteren Pericardialbläschen vollführen eben diese Abkam- merung circulär um den Enddarm herum. Was nun die Herz- und Pericardverhältnisse, insbesondere die Frage nach der Existenz einer inneren Herz wand bei der ausgewachsenen Anodonta anbetrifft, so 150 Karl Herbers, gibt die morphologische und vergleichend-anatomische Literatur, so- weit sie mir bekannt wurde, mit einer einzigen Ausnahme eine ver- neinende Antwort. Diese Ausnahme, es handelt sich um die auch aus dem hiesigen Institut hervorgegangene Arbeit von Fritz Gutheil (Nr, 70, 1912) »Über den Darmkanal und die Mitteldarmdrüse von A . cellensis Schrot. << ist deshalb von einzigartigem Interesse, weil sie, obgleich dem Verfasser der Gedanke an die Existenz einer inneren Herz- wand völlig fern lag und er sich mit dieser Frage gar nicht beschäftigte (vielleicht gerade deshalb auch), dennoch einefi Indizienbeweis für deren Existenz ermöglicht. Diese Möglichkeit ist in den Angaben Gutheils über die Darmmuskulatur insbesondere über die Muskulatur der Herz- darmstrecke gegeben. In der Beurteilung dieser anatomischen Befunde am ausgewachsenen Tier, dürfte uns die bei den vorliegenden embryo- logischen Untersuchungen von Anfang an durchgeführte Unterschei- dung von Darmmuskulatur und innerer Herzwand einen wesentlichen Dienst leisten. Nr. 70, S. 459 unten heißt es : »Der Darmkaual grenzt sich all- mählich gegen das Herzlumen durch eine im Gegensatz zu allen andern Darmteilen gut ausgebildete Muskulatur ab . . . << Dieser Abschnitt (im Herzen) ist der einzige, bei dem wir von einer wirklichen, nach bestimmten Prinzipien angeordneten Darm- muskulatur sprechen können.« Welcher Art ist nun diese Musku- latur im besonderen? Für die schwache, den gesamten Darmverlauf begleitende Muskulatur pflichtet Gutheil den Beobachtungen von Vogt und Yung bei, daß sie sich in eine äußere Längsfaserschicht und eine innere Ringfaserlage unterscheiden lasse. Nur auf der Herzdarm- strecke vermißte Gutheil die innere Ringfaserlage, entdeckte hingegen eine stark ausgebildete äußere Ringnmskelschicht, die er auch in der Hauptsache in jenen vorhin zitierten Sätzen im Auge haben muß. Fig. 96 führt uns einen Querschnitt aus der Arbeit Gutheils vor, an dem sich am besten seine Befunde demonstrieren lassen. Central ge- legen ist das Darmepithel (da), dem die Längsmuskelschicht unmittel- bar angefügt ist. Durch einen, verhältnismäßig weiten, circulären Spaltraum ist von letzterer die äußere Ringnniskulatur getrennt. Gut- heil hält den Spaltraum zunächst für ein Kunstprodukt, fügt aber ausdrücklich hinzu, daß »sämtliche Präparate aus dieser Gegend ein Loslösen der beiden Schichten von einander zeigen«. Bei der Betrach- tung des Darmein- und -austrittes in bezug auf das Herz sagt er im ersten Fall, daß die äußere Ringmuskulatur von der Dorsalseite ausgeht und schließlich ganz um den Darmkaual licnimgreift, während es im andern Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis vScliröt. 151 Falle heißt: >>Hier erfolgt nunmehr dorsal eine Vereinigung der Darm- muskulatur mit den Ausläufern der Herzmuskulatur . . . die vorhin deutliche Anordnung der Muskulatur tritt allmählich von der dorsalen Seite nach der ventralen fortschreitend, wieder zurück <<. Gutheil hat eine morphologische Deutung dieses eigenartigen Verhaltens der Darm- muskulatur auf der Herzdarmstrecke nicht versucht, er betont jedoch ausdrücklich, daß hier eine Ausnahme von der allgemeinen Eegel, die Vogt und YuNa aufgestellt haben, vorliege. Flg. 96. Querschnitt durch den Enddarm (da) frei im Herzlumen (hei). Darmepithel von Längsmuskulatur umgeben. Von letzter durcli einen Spaltraum getrennt die innere Herzwand. Herzmuskulatur (hem) nur ange leutst. (Abdruck von Fig. 13 aus Outheil Xr. 70.) Nun hat sich aber neuerdings feststellen lassen, daß diese Aus- nahme in Wirklichkeit nicht vorliegt, da sich, wenn auch fein und zart, so doch deutlich selbst auf der Herzdarmstrecke eine innere Eing- faserlage vorfindet. An Gutheils Deutung festhaltend, wären da- mit auf jener Darmstrecke drei Muskelschichten, darunter zwei cir- culäre vorhanden, was sonst auf dem übrigen aber nie mehr vorkommt. Darum dürfte wohl der Schluß gerechtfertigt sein, daß die äußere Ringmuskulatur, welche sich nur im Herzgebiet befindet, nicht dem Darm, sondern dem Herzen selbst zuzurechnen ist. In der Tat paßt Gutheils gesamte Charakteristik genau auf die uns schon bei den jun- gen Entwicklung istadien genügend bekannt gewordene innere Herz- 152 Karl Herbers, wand. Von besonderem Interesse ist die Konstatierung des oben er- wähnten Spaltraums. Er stellt keineswegs ein Kunstprodukt dar, sondern läßt sich bei jeglicher Schnittrichtung, so vor allem in Sagittal- und Frontalschnitten über die ganze Herzdarmstrecke hinweg ver- folgen, ausgenommen an der Ein- und Austrittstelle des Darmes, wo die innere Herzwand leicht an der Darmmuskulatur befestigt ist. Durch gütigst gestattete Einsicht in die Präparate des Herrn K. Krug, der gegenwärtig im hiesigen Institut den Bau des Anodonta-HeT zens einer eingehenden Untersuchung unterzieht, bestätigten sich mir schon jetzt Fig. 97. Schemutischc rbersiclit über die EiitwicklunK des Herzens und der J);iriiiimiscularis in Quer- und Längsbildern. A, Verliältnisse bis gegen Ende des iiarasitischen Lebens. B, Nacli Beginn des freien Lebens. C, Im ausgewaclisenen Zustand. Imu, Längsmuskulatur des Darmes; rm, Ring- niuskulatur desselben. (Übrige Bezeichnung wie vorhergehende Figuren.) sämtliche Forderungen, die an einen Beweis für die Existenz einer inneren Herzwand gestellt werden müssen. So waren insbesondere Umschlagstellen und Aortenübergänge aufs beste zu erkennen. Doch soll hier in Anbetracht der zu erwartenden ausführlichen Darstellung nicht weiter auf Einzelheiten eingegangen werden. Erwähnt sei nur noch, daß es mir durch rein makroskopische Trennung schon gelang, die innere Herzwand im Zusammenhang mit der äußeren zu isolieren. Die gesamte Darmmuskulatur mit der Typhlosolis ließ sich, nachdem sie an zwei Stellen der Herzdarmstrecke quer völlig durchtrennt war, mit Hilfe einer Pinzette ohne weiteres in langen Streifen von der inneren Herzwand loslösen. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellonsis Schrot. 153 Überblicken wir noch einmal kurz an der Hand der schematischen Übersicht Fig. 97 die Entwicklung von Herz, Pericard und Darm- muskulatur, so diene Folgendes zur Erläuterung: Beim Stadium A liegt die Annahme zugrunde, daß die Pericardialräume eben gebildet sind, und einzelne Mesenchymzellen für die spätere Darmmuskulatur dem Darm bereits anliegen ; in B ist die Anlage von äußerer und innerer Herzwand dargestellt, daneben finden sich auch die Elemente der Darm- muscularis wieder. Endlich finden wir in C die Verhältnisse am aus- gewachsenen Tier angedeiltet, die einzelnen Lagen der Darmmuskel- schicht sind besonders unterschieden. Für die vergleichend anatomische Betrachtung des circumrektalen Lamellibranchiatenherzens dürften die im Vorstehenden niedergelegten Befunde von Bedeutung sein. Ich zweifle kaum daran, daß sich auch bei andern Formen dieses gleichen Herztypus die innere Herz wand wird auffinden lassen. In Sonderheit dürften auch die phylogenetischen Spekulationen, die Übergänge zu den anders gearteten Herztypen her- leiten wollen, von dem Ergebnis berührt werden. So vor allem die von Grobben begründete, von Stempele wieder aufgenommene und in Längs »Trophocöltheorie << (Nr, 79) nachdrücklich betonte Auffassung, welche von der circumrektalen Herzlage ausgeht, aber der inneren Herzwand keinerlei Rechnung trägt. Darum scheint mir weit eher die Auffassung von Menegaux und Pelseneer oder die von Milne Edwards und Thiele zu Recht zu bestehen, die, vom Anomia- oder ylfca-Typus ausgehend, beide in der circumrektalen Herzlage unbe- dingt eine innere Herzwand fordern müssen. Hier müssen wir es uns leider versagen, diese an und für sich sehr interessanten Verhältnisse einer genauen Analyse zu unterziehen, es sei nur betont, daß die Aortenverhältnisse bei einem Vergleich eine wichtige Rolle spielen dürften. Hingegen sei zum Schluß noch die wichtige theoretische Frage er- örtert, ob wir im Pericard der Lamellibranchier eine, der sekundären Leibeshöhle, d. h. dem Cölom der Anneliden homologe Bildung vor uns haben. Ohne im einzelnen die vergleichend anatomischen Befunde zu berücksichtigen, es sei nur erwähnt, daß namentlich H. E. Ziegler und A. Lang (Nr. 134, 125, bzw. Nr. 79) gegenüber den Gebrüdern Hertwig (Nr. 116) jene Frage durchaus glaubten bejahen zu müssen, wenden wir uns hier zu den entwicklungsgeschichtlichen Ergebnissen. Ziegler hat zum erstenmal für Cyclas die cölomatische Natur der Pericardialbläschen dargetan. Er stützte sich dabei besonders auf die Beobachtung, daß die Bläschen durch Auseinanderweichen paarig- 154 Karl Herbers, symmetrischer und solider Mesodermstreifen entstehen, die ihrerseits zwei Urmesodermzellen den Ursprung verdanken. Das Herz bildet sich dann derart, daß die Bläschen den Darm nebst einem Spaltraum der primären Leibeshöhle umfassen und durch nachträgliche Kommu- nikation das Herzlumen endgültig abschließen. Diese Auffassung fand in Meisenheimek einen scharfen Gegner, der auf Grund seiner Befunde in der Entwicklungsgeschichte von Limax und Dreissensia die Lehre der ectodermalen Primitivanlagen für Herz, Niere, Pericard und Ge- schlechtsorgane aufstellte, eine Lehre, der in bezug auf die Lamelli- branchier bisher kaum widersprochen wurde. Vielmehr fand sie in den Angaben Harms', der für die Unioniden auch die ectodermale Anlage jener wichtigen Organe beschrieb, anscheinend eine wertvolle Stütze. Auf Grund meiner eignen Befunde ist es mir nicht möglich, der Auffassung Meisenheimers beizustimmen. Einmal sind bei Anodonta die gemeinsamen Organanlagen nicht auf das Ectoderm, sondern auf Mesodermstreifen und Urmesodermzellen zurückzuführen. Sehr w^ahr- scheinlich tritt das Lumen der Pericardialbläschen vor der endgültigen Anlage des Herzens auf, gehen ferner äußere und innere Herzwand aus der Wandung der Bläschen hervor. Wenn aus diesen Gründen schon allein die cölomatische Natur der Pericardialbläschen im Sinne Zieglers gerechtfertigt erscheint, so wird sie durch folgende Tatsache — wir setzen damit das wichtigste Ergebnis des nachfolgenden Ka- pitels schon hierher — geradezu zur Bestimmtheit erhoben. Die Ge- schlechtsorgane entstehen aus paarig symmetrischen Ausstülpungen des unteren Pericardialraumes (siehe Schema Fig. 102, S. 162). Das Lumen der Gonadengänge ist aus dem Lumen des Pericards hervor- gegangen und steht mit der ursprünglichen Furchungshöhle in keinem genetischen Zusammenhang. Nach dem soeben Gesagten muß konse- quenter Weise eigentlich die hier von Anfang an gebrauchte Bezeich- nung Pericardialbläschen, Pericard so lange verworfen werden, bis wirklich die reine Anlage des Pericards in den Entwicklungsstadien vor- liegt. Bis zu dem Moment, wo die Gonadenhöhle selbständig wird und ihren Zu^annnenhang mit der Pericardialhöhle aufgibt (dieses dürfte bei etwa 1 cm langen Muscheln geschehen) stellt das »Pericard << und stellen insbesondere die jungen »Pericardialbläschen« komplizierte Or- gananlagen dar, die wesensverschiedene Elemente in sich bergen. Wenn dennoch jene Bezeichnungsweise übernommen wurde, so geschah dies einmal in Anbetracht ihrer alteingebürgerten Verbreitung in der em- bryologischen Literatur, anderseits aber auch aus dem Grunde, weil schon früh der größte Teil der »Pericardialbläschen« (nämlich der Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 155 hintere) einseitig als Pericardialanlage differenziert ist. Die Gonaden- elemente sind lediglich in ihren vordersten Zipfeln zu suchen und dürften bei genügend vollständigem Material auch bei jüngeren Ent- wicklungsstadien schon dort zu finden sein. In diesem Zusammenhang kann nicht weiter auf die Entwicklung der Gonaden eingegangen wer- den, jedoch sei erwähnt, daß die cölomatische Natur von Pericard und Gonadenhöhle selbst nicht bei jenen Formen in Zweifel gezogen zu werden braucht, wo, wie bei Dreissensia und Cyclas, die Genitalzellen sich schon frühzeitig aus den gemeinsamen Organanlagen lösen. Es ist zu fordern, daß die Gonodukte auch dort von der Pericardialhöhle ausgehen, jedoch fehlen uns noch jegliche Beobachtungen darüber, wie denn überhaupt der Befund bei Anodonta meines Wissens bei den Lamellibranchiaten der erste seiner Art ist. In bezug auf die Gastropoden haben die Angaben Meisenheimers bereits durch Otto und Tönniges, was die Cölomfrage anbetrifft, Widerspruch gefunden. Obgleich die genannten Autoren, ebenso wie Meisenheimer, die »Pericardialbläschen << auf das Ectoderm zurück- führen, halten sie dieselben dennoch für echte sekundäre Leibeshöhle, da aus ihnen nicht nur Herz, Pericard und Geschlechtsorgane, sondern auch die Niere hervorgeht. (Aus diesen Betrachtungen sind völlig jene, die Gastropodenliteratur zeitweise recht verwirrenden Angaben v. Er- langers auszuschalten, wonach Paludina neben den Pericardialbläschen, noch ein aus dem Urdarm entstandenes Cölombläschen zukommen sollte, da sie auf irrtümlicher Beobachtung beruhen.) Vergleichend- anatomische Gründe sind im Urteil von Otto und Tönniges mit be- stimmend gewesen. Meisenheimer hat die Auffassung der genannten Autoren einer scharfen Kritik unterworfen, wenn er schreibt (Nr. 86, S. 380, Referat 373) : >> Gewiß gibt es eine ganze Reihe vergleichend- anatomischer Beziehungen, welche einen Vergleich zwischen Leibes- höhle der Anneliden und Pericard der Mollusken nahe legen, entwick- lungsgeschichthch bietet nur die spätere Differenzierung der Anlage (Genitalzellen) die MögHchkeit eines Vergleiches. Die gesamten frühe- ren Entwicklungsvorgänge der Entstehung und Differenzierung der Pericardialbläschen, welche in der schärfsten Weise eine Primitiv- anlage von bestimmter Wertigkeit zum Ausdruck bringen und sie in durchaus selbständiger direkter Entwicklung aus der noch indifferenten äußeren Keimschicht hervorgehen, widersprechen einer Cölomentwick- lung in der schärfsten Weise und alles zu ihren Gunsten angeführte ver- mag in keiner Weise zu überzeugen. << Wir sehen, Meisenheimers ablehnende Haltung gegenüber einem 156 Karl Herbers, Verfrleich der sekundären Leibeshöhle der Anneliden mit dem Pericard der Mollusken steht und fällt mit seiner Lehre von den ectodermalen Primitivanlagen. Durch Pötzsch' Untersuchungen an Planorbis ist für diese Form schon die Wahrscheinlichkeit nahe gerückt, daß die ge- meinsame Organanlage auf echte Urmesodermzellen zurückgeht, es scheint mir auch keineswegs im Bereich der Unmögüchkeit zu liegen, daß eine noch ausstehende Untersuchung der Furchung bei Paludina zu einem gleichen Ergebnis gelangt. Wie sehr die eignen Befunde bei Anodonta, in Gemeinschaft mit den noch unwiderlegten Beobach- tungen Zieglers an Cydas für die Lamellibranchiaten der Annahme ectodermaler Primitivanlagen entgegenstehen, wurde im Kapitel 8 bereits ausführlich dargetan und begründet. Obgleich bei den Cephalopoden bei der Furchung wesenthch ab- geänderte Verhältnisse obwalten, ist doch auch bei ihnen, besonders durch die neueren entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten von Döring (Nr. 65) und Naef (Nr. 119) ein direkter Vergleich der Leibeshöhlen- verhältnisse in dem oben für die Gastropoden und Lamellibranchier ausgeführten Sinne näher gerückt. Es bleibe nicht unerwähnt, daß selbst für die Chitonen durch eine neuerliche Veröffentlichung von Rose M. Highley und Harold Heath (Nr. 72) eine wichtige embryo- logische Stütze für den Vergleich des Pericards mit der sekundären Leibeshöhle erbracht worden ist. (Siehe S. 164 unsre näheren An- gaben.) Nach alledem gelange ich zu dem Schluß, daß vom entwicklungs- geschichtlichen Standpunkt aus nichts dagegen einzuwenden sei, das Lumen von Pericard, Gonade und Niere der Mollusken als sekundäre Leibeshöhle oder Cölom zu bezeichnen. Vielmehr möchte ich, frei von dogmatischer Befangenheit, einer rein auf theoretischen Spekulationen begründeten Definition des Cöloms durchaus fernstehend, gerade bei diesem Vergleich allen Nachdruck auf die vergleichend-embryologischen Befunde gelegt wissen. Soweit unsre Kenntnis reicht, finden sich im ganzen Stamm der Mollusken gemeinsame, ursprünglich wohl paarig -symmetrische Organanlagen, die aus Urmesodermzellen hervorgehen (ausgenommen Cephalopoden), die durch Auseinander- weichen solider Zellstreifen eine neue sekundäre Leibeshöhle entstehen lassen, welche ihrerseits wieder das Lumen von Pericard, Niere und Geschlechtsorganen abgibt, die endlich die wesentlichen Aufbauelemente des Herzens und jener vorhin genannten Organe umfassen. Allerdings finden sich, was die zeitliche Reihenfolge in der Sonderung der einzelnen Organe aus den Organanlagen anbetrifft, bei den einzelnen Typen des Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 157 Stammes gemäß ihrer mehr oder weniger weit von einander entfernten Stellmig im System bemerkenswerte Unterschiede. Die dem Stamm wesentlichen, oben näher gekennzeichneten Züge in der Ontogenese des Cölomkomplexes werden jedoch davon in keiner Weise berührt. Es ist auch nicht zu verkennen, daß sie in den entsprechenden Ver- hältnissen bei den Anneliden eine deutliche Parallele finden. Nachtrag: Auch an dieser Stelle sei auf die jüngste Veröffent- lichung Naefs (Nr. 120) verwiesen, die mit ihren Ergebnissen und rinzipiellen Ausführungen über die Entwicklung des Cölomsystems meiner hier gegebenen Darstellung so nahe steht (vgl. den Nachtrag S. 126). Geschlechtsorgane. Aus vollständigem Mangel an geeigneten Stadien waren wir bisher über die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei den Unioniden in keiner Weise unterrichtet. Seit durch Meisenheimer für Dreissensia folymorfha die späte Differenzierung der Propagations- von den Soma- zellen beschrieben war, konnte man für die Unioniden ein ähnliches Verhalten erwarten, auch lag es nicht fern, die früheste Anlage der Keimzellen, wie bei jener Form, im Epithel des Pericards, der sekun- dären Leibeshöhle zu suchen. Dieser Vermutung gibt auch schon Harms dem von allen früheren Untersuchern die ältesten Stadien zur Ver- fügung standen, Ausdruck (Nr. 25, S. 373 oben). An dem eignen, immer noch sehr geringen Material gelang es zwar auch nicht, eine vollständige Keihe von Entwicklungsstadien auf- zustellen. Insbesondere mangelte es an Bildern, welche die früheste Anlage klar und unterscheidbar aufgewiesen hätten. Immerhin reichen die Befunde aus, um die wichtigsten Aufschlüsse über die Herkunft und den frühen Ausbau der Geschlechtsorgane zu geben. Sie dürften sogar für die vergleichende Entwicklungsgeschichte (wie schon w^eiter vorn ausführlicher erläutert wurde) von großem Interesse sein. Die einwandfreie Deutung der frühen Anlage der Geschlechts- organe wird durch zweierlei Umstände bei den jungen Anodonten außerordentlich erschwert. Einmal unterscheidet sich ihr Zellmaterial kaum in irgend einer Weise von den Zellen des Pericards, ganz im Gegen- satz zu Cyclas Cornea, wo, wie Ziegler (Nr. 111) und Meisenheimer (Nr. 84) gezeigt haben, die Genitalzellen sich sehr früh herausdifferen- zieren. Allenfalls zeichnen sich die Kerne der Genitalzellen vor denen der Pericardzellen durch ihre rundliche Gestalt aus. Letztere haben, wie auch bei Dreissensia (Meisenheimer) eine längliche Form. Ander- 158 Karl Herbers, seits spielt sich bei der Anodonta gleichzeitig mit der Anlage der Ge- schlechtsorgane auf derselben Schnitthöhe außen im Ectoderm die Bildung des umfangreichen lateralen Hautsinnesorgans ab. Beide An- Fig. !)8. Frülie Anlage der Geschlechtsorgane g. (Teil eines Querschnittes durch eine 5,7 mm lange Ano- donta pisc.) prs, Prismenschicht; l, Ligament; m, Mantel; ik, innere Kieme; ed, Enddarm; p, Pericard; voa, vordere Aorta; lao, laterale Sinnesorgane; sv, Sinus venosus; cvk, Cerebrovis- ceralcominissnr; /, Fuß. Vergr. 100 : 1. lagen liegen (wie auch noch in Fig. 98,) so dicht bei einander, daß eine Unterscheidung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Der Ort der jungen Anlage der Geschlechtsorgane ist scharf durch Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 159 die Lage der Nierenspritzen im vorderen Abschnitt des Pericards be- stimmt. Jederseits vor der Öffnung des Nephrostoms, dort wo die vordere Wand des Pericards aufwärts biegt (vgl. Fig. 91, 8. 143, gz), treten sie etwa bei 3 — 4 mm langen Tierchen zum erstenmal durch ihre starke Färbung hervor. Bei den zahlreichen, jüngeren Stadien war keine Spur der Genitalzellen zu entdecken, weder in der Wandung des Pericards, noch in der gemeinsamen Anlage von Herz, Pericard und Niere. Leider ließ sich infolge des empfindlichen Mangels junger Anodonten von 3,13 — 5,7 m.m Länge, die eben unterscheidbare Anlage in den nächsten Um- wandlungen nicht verfolgen. Um so klarer lagen die Ver- hältnisse bei dem so oft ge- nannten 5,7 mm Stadium. Fiff. 98 läßt sie in einem halb- schematisch wiedergegebenen Querschnitt erkennen. Von der oben näher bezeichneten Stelle aus sind beiderseits zwei etwa 142 u lange, blind- geschlossene Schläuche in den Fuß hineingewachsen. Sie dringen in Wirklichkeit noch etwas weiter ins Fußinnere hinein als es in Fig. 98 zum Aus- druck kommt. Die Schlauch- wände werden von einem ein- heitlichen einfachen Epithel ausgekleidet. Nur in der äußer- sten Kuppe waren wie Fig. 99 (gz) zeigt, einige wenige Zel- len ihrer Struktur nach deutlich zu unterscheiden. Ihre großen Kerne waren mit einem starken Nucleolus und einem zarten Keimbläschen versehen. Besonders auffallend war rund herum ein heller Plasma- saum. Wahrscheinlich haben wir es hier mit sehr jungen Keimzellen zu tun. Bei einer jungen Unio von 7 mm Länge und 4 mm Höhe waren die Anlagen der Geschlechtsorgane bereits in der Entwicklung fort- geschritten. Eine äußere Geschlechtsöffnung fehlte noch; hingegen waren die schlauchförmigen Ausstülpungen des Pericards schon bis Q Mh-Ci^k >Gono- pe ricardialgang<< (Stempell hat ihn 1898 zum erstenmal für Leda sulculata beschrieben) deutlicher zu erkennen. Der Schnitt ist gerade durch den Genitalporus (^ö) geführt und zeigt von ihm ausgehend zwei Gänge. Während der dor- sale, der Gonopericardial- gang (gpg) blind geschlos- sen ist, kann man den ventralen (ga) in der Schnittserie bis tief in den Fuß hinein verfol- gen. Er stellt den letzten Abschnitt des rechten Gonadenausführungsganges dar. Selbst bei aus- gewachsenen Anodonten kommt, wie sich auf Querschnitten fest- stellen ließ, noch ein Rest des Gonopericardialganges vor. Das Epithel des Gonopericardialganges sowohl als auch das des Ausführingsganges ist mit langen Wimpern versehen (vgl. Fig. 101). Die Schemata Fig. 102 sollen im Zusammenhang den Modus der Gonadenentwicklung in den wesentlichsten Zügen veranschaulichen. Fig. 100. Die in den Fuß vorgetriebene Gonade g einer Seite teilt sicli in die beiden ersten Nebeniiste. (Kombiniert aus drei benach- barten Sagittalselinitten durcli eine 7,8 mm lange, 4,7 mm hohe Unio). le, Leber; ng, ns, Nierengang und -sack; nsp, Nierensjiritze; p, Pericard; hdg, IMndegewebe: kp. Kicnicu- papillc. Vergr. 69 : 1. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 161 ^^SM.-.^i'^— m Lao Zu beachten ist vor allem, daß die Gonaden durch eine paarige Aus- stülpung der sekundären Leibeshöhle entstehen (^4), sich, ventral vor- dringend, dem Ectoderm des oberen Eingeweidesackes nähern (B), aber schon ehe ein Durchbruch nach außen erfolgt, sich wieder nach innen wenden (C) und nun tief in den Fuß hineindringen {D, E). Mit Rücksicht auf die Physiologie der jungen Muschel ist anzunehmen, daß der Durchbruch der Geschlechtsöffnung erst erfolgt, wenn der Gonopericardialgang gegen das Pericard hin einen sekundären Verschluß erhalten hat. Eine zeitweilig doppelte Kommunikation des f " Pericards mit der Außenwelt (Nieren, Nierenspritzen) dürfte kaum vorkommen. Endgültig läßt sich diese Frage erst an einem reicheren Material ent- scheiden, als es dem Verfasser bei den vorliegenden Unter- suchungen zu Gebote stand. Be- steht diese Auffassung von dem Zustandekommen der Gonaden zu Recht, so dürfte dem Ecto- derm an der Bildung der Aus- führunsgänge jedenfalls nur ein geringer Anteil zufallen. An Stadien junger Unionen, deren Genitalgänge noch nicht nach außen durchgebrochen waren (Fig. 102, C) fand sich mitunter an der Wendestelle der Schläuche eine kammerartige Erweiterung. In Fig. 100 hat sich der in den Fuß eingedrungene Schlauch bereits in zwei Äste gegabelt. Ein dritter ist eben in der Anlage begriffen. Nur in den blinden Tubenenden fanden sich junge Keimzellen. In Fig. 103 ist ein kleiner Bezirk der linken Tube der Fig. 100 stärker vergrößert dargestellt. Die Keimzellen {gz) lassen schon besser wie in Fig. 99, S. 159 das Keimbläschen erkennen. Nahe um den Kern ist wieder der helle Hof im Plasma sichtbar, während es in etwas weiterer Entfernung eine körnige Struktur aufweist. Bei jungen Anodonten von etwa 1 cm Länge sind von den beiden Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 11 Fig. 101. Querschnitt durch die reclitsseitige Genitalöffnung gö einer etwa 22 mm langen Anodonta piscinalis. ga, Go- nadenaustührungsgang; gpg, Gonopericardialgang; /, Fuß; lao, laterales Sinnesorgan. Vergr. 88,6 : 1. 162 Karl Herbers, Hauptstämmen aus sclion zahlreiche Seitenäste in den Fuß vorgetrie- ben. Die Gänge durchziehen das lacunäre Bindegewebe nach allen Seiten, selbst zwischen den Lebersäckchen sind sie zu finden. Die äußer- sten Enden zeigen eine bläschenförmige Erweiterung, worin nunmehr deutlich und einwandsfrei die Keimzellen in den verschiedensten Bil- dungsstadien zu finden sind. Fig. 104, S. 163 gibt einen Schnitt durch Fig. 102. Kiinibiiiatioii einer »ctiematischen übersieht über die Entwielvhiiif? der Geschleclitsorgane und der Kiemen. Die Anlage der Kiemen läuft viel früher ab als die der Geschlechtsorgane. Inbezug auf die letzteren gelten für das Schema folgende Längeangaben der Stadien. A, Hypotlietisch (.Vnodonteii zwischen :i,13 \uid 5,7 mm. B, Anodonta ,'),7 mm. C, Lhiio 7 mm. 1). Vnio 7,8 mm. E, Anodonta. ein solches Bläschen einer weiblichen Muschel wieder. Mit Ci sind die ganz jungen Eizellen bezeichnet. Sie unterscheiden sich von den Zellen der Tubenwand schon durch ihr grobkörniges stark färbbares Proto- plasma, die Größe ihres Kerns und mitunter auch schon durch die An- wesenheit des Keimbläschens. Bei den Keimzellen 62 ist ein kräftiges Wachstum eingetreten. Die Zellen der Tubenwand werden dadurch zur Seite gedrängt. Am Kern ist das Keimbläschen deutlicher sichtbar. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 163 Til^: -ff^ Fig. 103. Genitalzellen gz aus dem linken Jv'ebenast der Gonade in Fig. 99, stärker vergrößert. Vergr. 932 : 1. Dazu macht sich eben die für die Unioniden so charakteristische Spal- tung des Nucleohis in einen chromatinhaltigen und chromatinfreien Teil bemerkbar. Die Eier Cg reichen schon teilweise in das Lumen des Säckchens hinein. Außer durch die fortgeschrittene Differenzierung des Kernes zeichnen sie sich durch die Dotter- bildung aus. In ^4 ist endlich ein zum Ab- schnüren fertiges junges Ei getroffen. Gleichsam auf einem Stielchen sitzend, ragt es in das Innere des Tubus hinein. Besonders devitlich tre- ten bei ihm die chroma- tische und achromati- sche Substanz des Nu- cleolus hervor. Meines Wissens wurde bisher noch für keine Muschel die Bildung der Geschlechtsorgane durch Einstülpung aus dem Pericard beschrie- ben. Am nächsten ste- hen den vorliegenden Ergebnissen noch die Beobachtungen von Drew an Nucula delphi- nodonta. Dort heißt es (Nr. 67, S. 381): »Each genital organ consists, at first, of a short and rather narrow tube that lies close to the pericar- dium, for the most part in contact with it. Whether this tube originates from the pericardium, or whether it is formed in some other way, has not been determined <<. Die Untersuchungen von Meisenheimer an Dreissensia und Cijclas, die von Sigerfoos (Nr. 95, 96) an Xylotrya fimbriata, die älteren von Ziegler an Cijclas (Nr. 111) geben uns keine 11* Fig. 104. Bläschenförmige Tube mit jungen Eiern aus dem Ovarium einer etwa 11/4 cm langen Anodonta piscinalis. Vergr. 777 : 1. 164 Karl Herbers, Auskunft über die weitere Ausbildung der Geschlechtsorgane, sondern beziehen sich sämtlich nur auf die früheste Anlage derselben. Wenn auch unter den genannten Autoren über die Herleitung der Genital- zellen eine Unstimmigkeit herrscht, dergestalt, daß Melsenheimer sie auf eine gemeinsame ectodermale Anlage, alle übrigen aber auf meso- dermale Elemente zurückführen, so sind sie sich d(»ch alle darin einig, daß die junge Anlage stets in nächster Nähe der unteren Pericardwand zu finden ist. Für die Gastropoden ist die Entstehung der Geschlechtsorgane durch Einstülpung der Pericardwand schon seit 1891 durch die Unter- suchungen VON Erlangers an Paludina vivipara bekannt (Nr. 68, 69). Durch TöNNiGES fanden sie 1899 eine Bestätigung (Nr. 107). Für zwei Chitonenspezies Trachydermon raymondi und Muttalina thomasi ist erst kürzlich durch Rose M. Highley und Harold Heath (Nr. 72) die gleiche Entstehung der Geschlechtsorgane beschrieben worden. Zwei Gruppen von Zellen im vorderen Pericard stülpen sich ein und treiben zunächst .Schläuche gegen das Ectoderm vor, um die äußere Geschlechtsöffnung zu bilden. Seit den Arbeiten von Bobretzky (Nr. ()2, 1877) und Schim- KEWITSCH (Nr. 92, 1886) ist endlich auch von den Cephalopoden die Entstehung der Geschlechtsdrüsen »als Verdickungen des Pericardial- epithels in der Nähe des Herzens bekannt <<. Hier bleibt »zeitlebens diese primitive Beziehung zum Pericard bestehen << (n. Korschelt und Heider, Spezieller Teil, Heft 3, S. 1158). Man vergleiche vor allem auch die neueren Untersuchungen von Döring (Nr. 65) und Naef (Nr. 119). Zusammenfassung. 1. Durch künstliche Zucht gelang es, Anodonten bis zu 3, 13 mm Länge aufzuziehen. Von 5,7 mm Länge an aufwärts fanden sich Ent- wicklungsstadien von Anodotda und Unio in der freien Natur. 2. Aus dem primären Mesoblasten .1/ bilden sich nach der ersten bilateral-symmetrischen Teilung zwei synnnetrisch gelegene Mesoderm- streifen, die sich zunächst bis ins Glochidium hinein verfolgen lassen und sich nicht in loses Mesenchym auflösen (s. These 8). 3. Die Jugendschale von Anodonta ist nach Gestalt und Farbe wesentlich von der definitiven verschieden. Sie besitzt eine typische, wellenartige Skulptur und trägt auf ihrem Wirbel noch lange Zeit die larvale Glochidienschale. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 165 4. Die Mundlappeii entstehen nacheinander aus zwei Epithel- falten, und zwar zunächst der vordere und dann der hintere. Am Mantel- rand treten nacheinander Außen-, Mittel- und Innenfalte auf. Der >>dorsale Mantelschlitz« wird erst sekundär auf die Schloßlinie ver- lagert. Die einzige Brücke zwischen beiden Mantelhälften, der Boden der >> dorsalen Mantelrinne konunt durch ein streckenweises Verschmel- zen der beiderseitigeji Innenfalten zustande. Atem und Aftersiphonen sind Differenzierungen auf getrennten Abschnitten der Innenfalten. 5. Die Kiemen entstehen nach dem Papille ntypus. a) Die innere Papillenreihe entsteht zunächst und zwar in der Rich- tung von vorn nach hinten, derart, daß die hintersten Papillen die jüngsten sind. Ehe noch die äußere Papillenreihe erscheint, verschmelzen die Köpfchen der inneren Papillen miteinander, sodaß eine schmale Membran die Köpfchen verbindet. Bei der nunmehr auf der gesamten Reihe gleichzeitig einsetzenden, nach innen gerichteten Reflexion der Papillen tritt zunächst kein weiteres Verschmelzen der Papillen der gleichen Seite ein. Hingegen verschmelzen schon früh die schmalen Membranen der Gegenseiten miteinander, ausgenommen auf der Strecke, wo der Fuß eine Vereinigung nicht gestattet. Die Ausbildung der La- mellen und Segmente geschieht erst später, indem interfilamentare und interlamellare Brücken gebildet werden. b) Die äußere Papillenreihe tritt bei jungen Muscheln von 3,13 bis 5,7 mm Länge in gleicher Weise wie die innere auf. Die Re- flexion der Papillen erfolgt im Gegensatz zu letzterer bereits sehr früh und nach außen. Sodann verschmelzen die reflektierten Papillenköpf- chen gleich auf der ganzen Linie mit dem Mantelepithel. Wahrschein- lich erfolgt vor der Reflexion der Papillen die gleiche Vereinigung der Köpfchen durch eine Membran, wie sie bei der inneren Papillenreihe beobachtet wurde. 6. Die bisher in der Anodonten-Literatur als rudimentäre Byssus- drüse bezeichneten paarigen Flügel von Drüsenzellen kommen nur als Homologon der Spinn- oder Byssusdrüsen im engeren Sinne in Be- tracht. Eine allenfalls der Byssushöhle homologe Bildung tritt bei jungen Muscheln median auf der hinteren Kriechrinne in Gestalt einer unpaaren, säckchenförmigen Einstülpung auf, wie sie schon für Cydas bekannt war. Das Säckchen löst sich im weiteren Ver- lauf der Entwicklung vom Fußepithel ab, wandert, blind geschlossen, aber zunächst noch beständig wachsend, ins Fußinnere hinein, nimmt schheßHch in der Nähe des Pedalganglions seine definitive Lage ein und empfängt von letzterem einen starken Nerven. Es liegt 166 Karl Herbers, daher, auch mit Rücksicht auf die Histologie des Säckchens die Ver- mutung nahe, daß das Säckchen Träger einer Sinnesfunktiou ist. 7. Außer den Statocysten finden sich an den jungen Unioniden paarig-symmetrische Systeme von Hautsinnesorganen und Sinnes- leisten. Als Sinnesleisten sind die lateralen und die oralen zu nennen. An Hautsinnesorganen kommen von den bisher für die Mollusken bekannten vor: das abdominale, das Osphradium und das ado- rale. Daneben fand sich zwischen der Ureter- und Genitalöffnung ein neues, das vorläufig mit dem Namen »laterales Sinnesorgan« belegt sei. 8. Im Verlauf der . Inorfo wfa-Entwicklung gehen Nieren, Herz, Pericard und Geschlechtsorgane aus paarigen, gemeinsamen An- lagen hervor, die beiderseits in Form von Streifen im hintersten Ab- schnitt der jungen Larve ruhen. Diese Streifen leiten sich nicht vom Ectoderm ab, sondern sind direkt auf die aus dem pri- mären Mesoblasten entstandenen Mesodermstreifen zurück- zuführen. 9. a) Schon vor Beginn des freien Lebens ist die Entwick- lung der Niere so weit vorgeschritten, daß die Nierenspritzen (Reno- Pericardialgänge, Nephridialtrichter) bereits funktionsfähig ausge- bildet sind. h) Die Nierenschleifen kommen durch Krümmen und Einschlagen ursprünglich gerader Gänge zustande, was ein mehrfaches Überschnei- den einzelner Schenkelabschnitte zur Folge hat. Für die Schleifenbil- dung ist die Lage des hinteren Schließmuskels mitbestimmend. 10. In der Herz- und Pericardanlage tritt schon vor Abschluß des Herzlumens eine Pericardialhöhle auf. Eine frühe solide Ringbildung konnte nicht beobachtet werden. 11. In der Entwicklunosgeschichte des Herzens kommt bei Anodonta und Unio eine innere, den Darm umkleidende Herzwand zur Anlage, die ohne weiteres in die äußere Herzwand übergeht bzw. in diese umschlägt und sich auch mit letzterer gemeinsam in die Wandung der bei- den Aorten fortsetzt. Sie ist außer an geringen Stellen am vorderen und hinteren Darmaustritt, die eine sekundäre Befestigung des Herzens am Darm darstellen, auf der Herzdarmstrecke durch einen circulären Spaltraum von der Darnnnuskelschicht getrennt. Die Befunde ließen sich am ausgewachsenen Tier bestätigen. Die innere Herzwand ist hier von Gutheil schon beschrieben, aber irrtümlicher Weise als eine nur der Herzdarmstrecke eigentümliche äußere Ring- muskulatur des Darmes aufgefaßt worden. Entwicklungsgeschichte von Anodonta cellensis Schrot. 167 12. Die Genitalorgane entstehen als paarig-symmetrisch gelegene Einstülpungen des vorderen Pericards. Die Gono- dukte dringen zunächst nach außen gegen das Ectoderm vor, wenden sich dann aber sofort wieder nach innen und gelangen so ventral vor- wachsend in den Fuß, wo bald eine vielfache Verästelung eintritt. Etwa zu gleicher Zeit, wenn die äußere Geschlechtsöffnung zum Durchbruch gelangt, schließt sich sekundär die Kommunikation von Gonadenhöhlen und Pericard. Als Erinnerung an diesen ursprünglichen Zusammen- hang finden sich bei jungen und ausgewachsenen Tieren, die an der Genitalöffnung mündenden, aber blind geschlossenen Gono- pericardialgänge. Zum Schluß der vorliegenden Arbeit sei es mir gestattet, meinem verehrten Lehrer Herrn Geh. Keg.-Rat Prof. Dr. E. Korschelt für die Anregung zu derselben, für seinen steten Rat und Beistand während der Ausführung, sowie für die freundliche Bereitwilligkeit, mit der er mir alle Mittel des Institutes zur Verfügung stellte, meinen herzlich- sten Dank auszusprechen. Desgleichen bin ich Herrn Professor Dr. TöNNiGES sowie vor allem Herrn Privatdozenten Dr. W. Harms zu großem Dank verpflichtet, letzterem im besonderen noch für freund- lichst gewährte Einsicht in seine eigenen Präparate über die Unioniden- entwicklung. Zuletzt danke ich auch denjenigen unter meinen Herren Institutskollegen, welche mir bereitwilligst ihre Präparate vom ausgewachsenen Tier zur Einsicht und zum Vergleich überließen, die mir ferner durch die Verarbeitung einiger meiner ältesten Stadien viele Mühe ersparten. Marburg, im Juli 1913. Literaturverzeichnis. (Die mit einem * versehenen Arbeiten waren dem Verfasser nur im Re- ferat zugänglich.) I. Specielle Literatur über die Entwicklung der ünioniden. 1. Francis M. Balfoub, Handbuch der vergleichenden Embryologie. 2 Bde. Übersetzt von B. Vetter. Jena 1880 (G. Fischer). 2. De Blainville, Xote sur l'appareil de la generation dans les moulettes et les Anodontes. Nouv. Bull, de la Soc. Philomath. 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Bd. LXIX. Hft. 3. 1901. 86. — Referat über H. Otto und C. Tönnic4ES LTntersuchungen über die Ent- wicklung von Paludina vivipara. Ref. 375. Zoolog. Centralblatt. Bd. XIII. 1906. 87. H. Otto und C. Tönniges, Untersuchungen über die Entwicklimg von Pa- ludina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXX. 1905. 88. O. PÖTZSCH, Über die Entwicklung von Niere, Pericard und Herz bei Planorbis corneus. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat. Bd. XX. Hft. 3. 1904. 89. R. Rassbach, Beiträge zur Kenntnis der Schale und Schalenregeneration von Anodonta cellensis Schrot. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CHI. Hft. 3. 1912. 90. E. L. Rice, Gill Development in Mytilus. Biolog. Bullet. Vol. XIV. Nr. 2. January 1908. 91. J. A. Ryder, The metamorphosis and postlarval stages of development of the Oyster. Rep. U. S. Fish. Comm. for 1882 ersch. 1884. 92. W. ScHiMKEWiTSCir, Note sur le develop^jement des Cephalopodes. Zool. Anzeiger. Bd. IX. 1886. 93. R. Schwarz, Der Stilplan der Bivalven. Morphol. Jahrb. Bd. 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Erklärung der Abkürzungen. abd, abdominales Sinnesorgan; ado, adorales Sinnesorgan; äh, äußere Herz wand; äk, äußere Kieme; bdg, Bindegewebe; bl, Blastoporus; bi/h, rudimentäre Byssushöhle; bijd, rudimentäre Byssusdrüse; cg, Cerebralganglion ; c(jk, Cerebralcommissur; cvk, Cerebrovisceralcommissur ; cy, Cyste; da, Darm; das, Darmschlinge; dd, Dünndarm; dm, definitive Mantelzcllen; dmu, Darmmuscularis ; ds, definitive Schale; ed, Enddarm; eh, Eihülle; ep, äußeres Mantelepithel; es, Entodermsäckchen ; /, Fuß; //;, Fhmmerhaare; fip, Fischepithel; fl, Flimmcrepithel; /m, Fußmuskulatur; fp, Fußepithel; fs, Flossenstrahl; fw, Fußwulst; g, Geschlechtsorgan ; ga, Gonadenausf ührungsgang ; gö, Genitalöffnung ; gpg, Gonopericardialgang ; gz, Genitalzellen; /(, Herz; ha, hintere Aorta; hm, Herzmuskulatur; hpn, gemeinsame Anlage von Herz, Pericard und Niere; hp,g.A.v. Herz und Pericard; kr, hinterer Retractor; hs, liinterer Adductor; ih, innere Herzwand; iik, interlamellarer Raum der inneren Kieme ; 174 Karl Herbers, Entwicklungsgeschichte von Anodoiita cellensis Schrot. ik, innere Kieme; k, Kristallstiel; kb, KristallstielbUndsack; kf, Kiemenfalte; kl, Kiemenlamelle ; kp, Kicmenpapille; kpb, Kopf blase; kr, Kriechrinne; l, Ligament; la, larvaler Adductor; lao, laterales Sinnesorgan; le, Leber; lep. Ligamentepithel; //, Larvenfaden; Ifd, Larvenf adendrüse ; Im, larvalc Mantelzellen; hnu, Längsmuskulatur des Darmes; loe, Leberöffnung; Is, Lebcrsäckchen; Isi, laterale Sinnesleisten; Isl, larvale Schale; Iz, Leberzellen; m, Mantel; ma, Magen; mascli, dorsaler Mantelschlitz; md, Mund; mes, Mesodermstreifen; wem, Membran; mf, Mesenchym des Fußes; inl, Mundlappen; mr, Mantelrand ; ms, Mesenchymzellen; msch, Mundschild; my, Myocyten; n, Niere; nb, Nierenbläschen; ng, Nierengang; ns, Nierensack; nsch, Nierenschleife; nspr, Nierenspritze; nz, Nierenzellen; oes, Oesophagus; op, oberer Pericardiakaum ; osi, orale Sinnesleisten; osph, Osphradium ; p, Pericard; pb, Plasmabriicke ; pd, Pericardialdrüse ; pe, Pericardialejjithel; per, Periostracum ; pf, pseudopodienartige Fortsätze; pg, Pedalganghon; ph, Phagocyten; pi, pilzförmige Körper; pm, Perlmutterschicht; png, Pericardialnicrengang ; po, Polster d. rudimentärenByssushöhle ; pr, Protractor; prs, Prismensehicht ; rk, Richtungskörperchen ; rm, Ringsmuskulatur des Darmes; rpo, runde Kerne des Byssushöhlen- polsters ; s. Schale; sb, Sinnesborsten; sd, Schalendrüse: sdf, Schalendrüsenf eld ; sg, seitliche Gruben; sh, unpaares Schalenhäutchen; sha, Schalenhaken; shz, Schalenhakenzähnchen; si, Atemsipho; sl, Statolith; sp, Sphincter; sr, Spaltraum zwischen Darm und innerer Herzwand; st, Statocyste; stJ, Sinus venosus; sz, Sehließzelle; sza, Seitenzahn; t, Typhlosolis; II p, unterer Pericardialraum; ur, Ureter; US, Umschlagstelle der äußeren in die i nnere Herzwand ; va, vordere Aorta; vea, ventrale Wand der v. Aorta; vg, Visceralganglion ; vh, Vorhof; vr, vorderer Retractor; vs, vorderer Adductor; . vst, Vereinigungsstelle der beiderseitigen Nierenbläschen; to, Wimperfeld; zf, zipfelförmige Ausläufer der rud. Byssusdrüse, Histologische Studien über Insekten. lY. Die optischen Ganglien der Aeschna-Larven. Von Assistent am Aiiat.-histol. Laboratorium der Universität St. Petersburg. Alexius Zawarzin, istol. Laboratorium der Uni' Mit 19 Figuren im Text und Tafel I— VI. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung 175 Kurze Literaturübersicht 177 Material und Methode 180 Eigne Beobachtungen 183 A. Allgemeine Schilderung des Baues der Augen und der optischen Ganglien 183 B. Die Beziehungen der Nervenelemente in den optischen Ganglien . 194 a. Erstes Ganglion opticum 194 b. Äußeres Chiasma 199 c. Zweites Ganglion opticum 200 d. Inneres Chiasma 215 e. Drittes Ganglion opticum 216 Zusammenstellung der Resultate und Vergleich derselben mit den Befunden andrer Forscher 228 Vergleich der optischen Ganglien der Insekten mit den Sehcentra der Wirbel- tiere und der Cephalopoda 236 Allgemeine Ergebnisse und Schlußbetrachtungen 249 Literatur 251 Erklärung der Tafeln 253 Die Tatsache, daß das Nervensystem der Wirbellosen und der Wirbeltiere, sowohl seinem anatomischen als auch seinem histologi- schen Bau nach, sehr wenig gleiche Merkmale hat, stellt eine der schwie- rigsten Fragen der vergleichenden Neurologie dar. Die Schwierigkeit der Lösung dieser Frage wird mehr dadurch vergrößert, daß neben einer großen Menge von Arbeiten über das Nerven- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. BA 12 176 Ak'xius Zawarziii, System von Wiibeltiereu, die außerdem vermittelst der neuesten neuro- logischen Methoden ausgeführt sind, wir nur sehr wenige ähnliche Untersuchungen über das Nervensystem der "Wirbellosen besitzen. Beim Vergleich haben wir daher stets nicht gleichwertige Größen. Einerseits das sehr ausführlich studierte Nervensystem nur eines Tier- typus, andrerseits bloß vereinzelte und häufig unzusammenhängende Beobachtungen des Nervensystems einzelner A^ertreter sämtlicher übriger Typen. Außerdem jedoch nicht einmal aller, da meines Wissens wir über den feineren Bau des Nervensystems der Echinodermata fast vollkommen im Unklaren sind. Mir scheint daher die dringendste Aufgabe der vergleichenden Neurologie zu sein, eine möglichst große Anzahl von Formen Wirbel- loser zu studieren. Nur dann wird es möglich sein, irgendwelche all- gemeine Schlüsse genauer zu begründen. — Jedoch auch unter den vorhandenen Bedingungen gibt es ein Ge- biet, in dem wir, wie es E. Radl (1912) in seinem unlängst erschienenen Werke gezeigt hat, genügend Material besitzen, um mehr oder weniger sicher vollkommen bestimmte Schlüsse ziehen zu können. Es ist dieses das Gebiet der Sehorgane und der mit ihnen verbun- denen Nervencentren, das von jeher die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gelenkt hatte und daher reicher an Befunden ist, als sämtliche übrigen. Leider bedient sich E. Radl, indem er die Frage nach dem all- gemeinen Plan der Sehcentren im ganzen Tierreich hervorhebt, voll- kommen wissentlich ausschließlich derjenigen Befunde, die vermittelst der allgemeinen und nicht der speziellen, neurologischen Methoden er- hoben worden sind. Ich bin jedoch der Ansicht, daß seine Schlüsse nur dann eine sichere Basis haben werden, wenn sie von speziellen neurologischen Unter- suchungen bestätigt werden. Das in Abredestellen einer Methode, wie es E. Radl tut, bedeutet jedoch noch nicht ein Inabredestellen der ver- mittelst dieser Methode erhaltenen Befunde. Vorliegende Arbeit stellt einerseits eine Fortsetzung meiner Unter- suchungen des Nervensystems der Insekten vor, andrerseits gibt sie, wäe mir scheint, eine Reihe von Tatsachen zugunsten der neuen Theorie E. Radls. Ich muß jedoch bemerken, daß meine Arbeit fast abgeschlossen war, als ich das Buch E. Radls erhielt, während mir seine vorher- gehende Arbeit (1912) unbekannt war, so daß viele Schlüsse vollkommen selbständig von mir gemacht worden sind; die von E.Radl angestellten Histologische Studien über Insekten. IV. 177 Betrachtungen und angeführten Befunde haben die Überzeugung von ihrer Richtigkeit in mir noch mehr gekrcäftigt. Kurze Literaturiibersicht. Als erster hat die optischen GangUen bei einigen Insekten, haupt- sächlich bei der Biene und der Ameise Leydig (1864) gefunden, der jedoch dieselben nur anatomisch untersuchte. Der folgende Forscher, der sich mit dieser Frage beschäftigte, war Rabl-Rückhard (1875), der jedoch zu den Beobachtungen Leydigs nichts Neues zufügte. Erst CiACCio beschrieb 1876 genauer den feineren Bau des ersten Ganglion opticum bei einer Mücke. Die in demselben Jahre erschienene Arbeit von Dietl (1876) ist hauptsächlich dem Gehirn gewidmet und enthält nur indirekte Hin- weise auf den Bau der Sehlappen bei Carabus violaceus. Ebenso um- geht diese Frage Flögel (1878) und fügt über den Bau der optischen Ganglien nichts Neues hinzu. Berger gibt in seiner dem Gehirn im allgemeinen und speziell den Sehlappen der Arthropoden gewidmeten Arbeit eine genaue Be- schreibung dieser letzteren bei einigen Insekten, unter andern auch bei ylescAwa- Larven. Das erste Ganglion beschreibt er unter dem Namen Retina. Das- selbe besteht nach der Ansicht Bergers aus drei Schichten : einer äuße- ren Körnerschicht, einer mittleren Molekularschicht und einer inneren Ganglienzellenschicht. Darauf folgt das äußere Chiasma und das zweite Ganglion. Von den an der Oberfläche gelegenen Zellen sondert Berger eine im Innern des Chiasmakegels gelegene Gruppe ab unter der Bezeichnung keilförmiges Ganglion; die Punktsubstanz des zweiten Ganglions nennt er äußeres Marklager. Auf das zweite Ganglion folgt das innere Chiasma und weiter das allseitig von Zellen umgebene dritte Ganglion oder das innere Marklager. Die Arbeit von Newton (1879) ist dem Gehirn von Blatta orien- talis gewidmet, gibt jedoch in der Frage über den Bau der optischen Ganglien keine neuen Befunde. In einer Reihe glänzender Arbeiten gibt Viallanes von 1882 bis 1892 eine Menge von Befunden aus der Anatomie, Histologie und Embryologie des Nervensystems der Insek- ten (Fliege, Heuschrecke, Wespe). In sämtlichen Arbeiten beschreibt er genau die optischen Ganglien. Ich werde hier nur eine Arbeit berück- sichtigen, die die optischen Ganglien von Aeschna maculatissima betrifft, die somit unmittelbar mein Thema berührt. Viallanes hat diese Ganglien sowohl bei Larven als auch bei den Imagines untersucht. 12* 178 Alexius Zawarzin, Die Beschreibung der Larveiiaiigen stimmt im allgemeinen mit der- jenigen Bergers überein, nur gibt Viallanes seine eigene Termino- logie. Die Retina von Berger bezeichnet er als lame ganglionnaire. Das keilförmige Ganglion als ganglion en coin. Außerdem beschreibt er ausführlich die in den optischen Centren vor sich gehenden Veränderungen bei der Metamorphose der Larve in das erwachsene Insekt. Diese Veränderungen betreffen nur das erste Ganglion (lame ganglionnaire). welches bei den Larven der Form des Auges nicht entspricht und dieselbe unter allmählicher Veränderung im Verlauf der Metamorphose annimmt. S. J. HiCKSON (1885) beschreibt die optischen Ganglien bei Musca vomitoria und gibt hierbei seine eigene Terminologie. Das erste Ganglion nennt er Periopticum, das zweite Epiopticum und das dritte Opticum. Ln Jahre 1888 erschien die sehr ausführliche Arbeit von Cuccati über das Gehirn von Somoniya eri/trocephalo, in welcher sowohl die optischen Ganglien selber als auch ihre Verbindung mit dem Gehirn genau beschrieben werden. Die Verbindung der Ganglien mit verschie- denen Abschnitten des Gehirns ist eine ungemein komplizierte, ver- mittelst mindestens sieben verschiedener Bahnen. Cuccati gibt für die optischen Ganglien wieder seine Terminologie: so bezeichnet er das zweite Ganglion als äußerer geschichteter Körper, das dritte als innerer geschichteter Körper. Von 1897 an erscheint bereits eine Reihe von Arbeiten, die vermit- telst spezieller neurologischer Methoden hauptsächlich vermittelst der Methode von Golgi und dem Methylenblau verfahren ausgeführt sind. Kenyon (1897) veröffentlichte neben seiner Arbeit über das Ge- hirn der Biene (1896) auch seine Beobachtungen über die Beziehungen der Elemente in den optischen Ganglien dieses Insektes zu einander, die er vermittelst eines modifizierten Golgi- Verfahrens erhoben hatte. Nach diesen Beobachtungen endigen die Retinafasern mit keulen- förmigen Anschwellungen innersten Ganglion. Hier treten sie in Kon- takt mit den Fortsätzen von in jenem eingelagerten unipolaren Zellen. Diese Fortsätze treten unter Bildung des äußeren Chiasma in das zweite Ganglion ein und endigen in ihm. Auf dieselbe Weise verbinden uni- polare Zellen des zweiten Ganglions dieses mit dem dritten, die Fort- sätze von Zellen des letzteren verlaufen alsdann weiter ins Gehirn. Die großen neben dem zweiten und dritten Ganglion gelegenen Zellen entsenden Fortsätze, die nach einer T-förmigen Teilung einen Ast in die Marksubstanz des entsprechenden Ganglions, wo sie weit ausgebreitete Verzweigungen bilden, den andern ins Gehirn abgehen lassen. Histologische Studien über Insekten. IV. 179 Die folgende sowohl mit der GoLGi-Methode als auch vermittelst des Methylenblauverfahrens ausgeführte Arbeit von B. Haller (1904), enthält unter anderem eine Beschreibung der optischen Ganglien von Wasserjungfern. Seine Befunde unterscheiden sich jedoch dermaßen von den Beobachtungen sämtlicher übrigen Forscher, seine Schemata sind dermaßen weit entfernt von den Schemata letzterer, daß seine Beobachtungen durchaus nicht berücksichtigt werden können. Offen- bar stand er zu sehr unter dem Einfluß seiner Kontinuitätstheorie und hat unter diesem Einflüsse vollkommen verschiedenes miteinander vereinigt. Die Arbeit von Janet (1905) über den Kopf von Lasius niger habe ich nicht in Händen gehabt, soviel ich jedoch nach den Keferaten be- urteilen kann, bezieht sie sich mehr auf die Metamerie und gibt keine neuen Befunde über die Struktur der optischen GangKen. In einer kleinen Bemerkung beschreibt Vigier (1908) die Bezie- hungen der Retinafasern zu den Zellen des ersten Ganglions bei Calli- phora, die er an vermittelst des Golgi- Verfahrens erhaltenen Präpa- raten beobachtet hat. Im Jahre 1909 veröffentlichte R, Cajal eine große Arbeit über die optischen Ganglien von Musca vomitoria, ausgeführt vermittelst der Methode von Golgi. Die Arbeit ist in spanischer Sprache in einem spanischen Journal erschienen und daher unbekannt geblieben; die nachfolgenden Autoren zitieren sie augenscheinlich nicht, weil sie sie nicht kennen. Die Beobachtungen Cajals fallen mehr oder weniger mit den- jenigen von Kenyon und Vigier überein nur in dem Teile, welcher das erste Ganglion betrifft. Bereits im zweiten Ganglion ist bei R. Cajal kein Element in Übereinstimmung mit den von Kenyon be- schriebenen Nach R. Cajal tritt keine einzige Zelle mit ihren Fort- sätzen aus dem Bereich des Ganglions heraus, mit dem Gehirne ist es jedoch vermittelst besondrer centrifugaler Fasern verbunden u. dgl. Das dritte Ganglion hatte sich bei R. Cajal nicht gut imprägniert, in- folgedessen viele Beziehimgen ihm selber unklar geblieben sind. Bei dieser interessanten Arbeit will ich mich hier nicht länger aufhalten, weil ich auf dieselbe noch mehrfach bei der Schilderung meiner Beob- achtungen zurückkehren werde. Die Arbeit von Jonescu (1909) über das Gehirn der Biene, die gleichfalls vermittelst des Verfahrens von Golgi, sowie desjenigen von R. Cajal ausgeführt worden ist, betrifft auch die optischen Bahnen. Diesem Forscher sind jedoch die Beziehungen der einzelnen Elemente 180 Alexius Zawarzin, nicht genügend klar geworden, derart ist wenigstens der Eindruck, den sein Text und seine Zeichnungen hinterlassen. Jedenfalls unter- scheiden sich seine Befunde selbst betreffs des ersten Ganglions scharf von denjenigen von Kenyon, Vigier und R. Cajal und haben mehr gemein mit denjenigen B. Hallers, obgleich auch er keinerlei plas- matische Verbindungen zwischen den Zellen beobachtet hat. Zum Schluß halte ich es für notwendig, die interessanten Arbeiten (1902, 1912) von Radl zu erwähnen, welche einen dermaßen weiten Kreis von Begriffen umfassen, daß dieselben nur einigermaßen in dieser kurzen Übersicht zu berühren, fast unmöglich ist. Radl sucht nach allgemeinen Bauprinzipien des Nervensystems sämtlicher Tiere und findet dieselben, und zwar an dem Beispiel der Sehcentren. Hier findet er eine Reihe von Strukturen, die den Centren aller Tiere zukommen: ■wie z. B. die Schichtung, Knäuel, Kaskadenfasern, Chiasmata u. dgl. Za diesem Zwecke hat E. Radl eine Reihe von Sehcentren, darunter diejenigen von Schmetterlingen , der Fliege und der Wasserjungfern untersucht. Leider hat er keine speziellen Methoden der Untersuchung des Nervensystems äuge wandt (was übrigens bei der Menge von Material, die er gibt, unmöglich wäre); diese jedoch geben, wie es meiner An- sicht nach aus vorliegender Arbeit und den entsprechenden Arbeiten meiner Vorgänger hervorgeht, eine genügende Anzahl von Tatsachen, die, wie es mir scheint, sehr wesentlich die These über den allgemeinen Bauplan der Sehcentren argumentieren. Ohne hier weiter auf die Ar- beiten von Radl einzugehen (ich werde noch mehrfach Gelegenheit haben, auf dieselben zu verweisen) gehe ich nunmehr zur Schilderung meiner eigenen Beobachtungen über. Material und Methode. Als Material dienten mir für meine Beobachtungen die Larven dreier ^esc/ma-Larven: grandis, juncea und cijanea. Die Gründe, die mich veranlaßten, gerade diese Formen auszu- wählen, habe ich bereits ausführlich in meiner ersten Arbeit (1911) mitgeteilt, werde mich deshalb bei denselben nicht weiter aufhalten. Es sei nur vermerkt, daß diese Gründe rein technischer Natur sind. Diese Larven kann man jederzeit selbst im Winter in großer Zahl erhalten außerdem färbt sich ihr Nervensystem leicht mit Methylenblau, was desgleichen äußerst wichtig ist, da nicht jedes Insekt für dieses Ver- fahren geeignet ist. Histologische Studien über Insekten. IV. 181 Vorliegende Arbeit ist außerdem eine Fortsetzung meiner Unter- suchungen des Nervensystems der Aeschna-Lüvveu; wenngleich ich hier auch allgemeinere Fragen berühre, so hatte ich dennoch nicht die Möglichkeit, ein größeres vergleichbares Material zu untersuchen. Den Grund dafür gibt wieder die äußerste Launenhaftigkeit der Me- thode und die Notwendigkeit, sich derselben für jedes Objekt anzu- passen. Das Alter der zur Untersuchung gelangten Larven schwankt etwa um ein Jahr herum, dieselben waren somit mittlerer Größe. Derartige Larven sind besonders für die Methylenblaumethode geeignet, da die aus ihren Ganghen angefertigten Totalpräparate hinreichend dünn sind um mit Immersionssystemen betrachtet zu werden, gleichzeitig sind sie jedoch auch hinreichend groß, um die erforderlichen Organe rasch und leicht auspräparieren zu können. Die Artunterschiede, die ich bei der weiteren Schilderung außer Acht lasse, betreffen den histologischen Bau garnicht. Im ganzen habe ich etwa 200 Larven vermittelst des Verfahrens von GoLGi und etwa 500 vermittelst der Methylenblaumethode unter- sucht. Die Methylenblaumethode ist dermaßen laimisch. besonders in Anwendung für Wirbellose, daß nur persönliche Erfahrung es möglich macht, gewisse Eesultate zu erlangen und Hinweise keine wesentliche Hilfe erweisen können. Den von mir untersuchten Larven injizierte ich vermittelst einer PKAVAZschen Spritze in die Leibeshöhle Methylenblaulösungen ver- schiedener Konzentration (von ^/i2% — V4%) ii^ physiologischer Koch- salzlösung (0,75%). Hiernach verblieben die Larven 1/2 — 1^/2 Stunden im Wasser. Darauf wurden sie rasch eröffnet, das Gehirn mit den opti- schen Ganglien wurde rasch herauspräpariert und für einige Zeit (bis zu 1/2 Stunde) in eine feuchte Kammer untergebracht. Darauf folgt: die Fixierung im Verlaufe von 24 Stunden in 8 — 10% Lösungen von molybdänsaurem Ammonium, Auswaschen in destilliertem Wasser, rasches Entwässern in absolutem Alkohol, Aufhellen in Xylol und Ein- schließen in Damar-Xylol. Aus den mit Methylenblau gefärbten Objekten habe ich nur Total- präparate angefertigt. Derartige Präparate ergeben sehr viel für die Klarstellung der allgemeinen Beziehungen, sowie einige Details beson- ders im ersten Ganglion opticum. Diese Präparate sind jedoch wenig tauglich für eine Klarstellung 182 Alcxius Zawarzin, der Beziehungen einzelner Elemente in geschichteten Organen, zu denen auch die optischen Ganglien gehören. Ich wandte daher das Verfahren von Golgi an, welches es ge- stattet, auch Schnitte zu untersuchen. Das Goi-Gi-Verfahren gehngt an Aeschna-havven ungemein leicht. Ich habe folgendes Gemisch angewandt : zu 50 ccm einer 3,5%igen Lösung von doppeltchromsaurem KaH wurden 12 ccm einer l^gigen Osmiumlösung zugefügt. In diesem Gemisch verblieben die oberen .Schlundganglien mit den Schlappen im Verlaufe von 4 Tagen im Dun- keln; ohne sie auszuwaschen, wurden sie in eine 0,75%ige Lösung von salpetersaurem Silber übertragen und für 3 Tage dem Lichte ausgesetzt. Darauf folgt ein rasches (im Verlaufe von 1 — 2 Stunden) Einbetten in Celloidin und die Anfertigung von Schnitten. Ich fertigte Schnitte von 5U u an und breitete sie serienweise auf großen (30x40 mm) Deck- gläsern aus. Vermittelst einiger Tropfen eines Ather-Alkoholgemisches klebte ich die Serien ans Glas an. Darauf wurde das Glas mit der Serie zum Entwässern in 96 ^ Alkohol, zur Aufhellung in Creosot übergeführt ; das Creosot spülte ich mit reinem Xylol ab und bedeckte die Schnitte mit einer Schicht Damar-Xylol. Nach einiger Zeit, wenn der Damar- lack genügend ausgetrocknet war, verfuhr ich mit der Serie folgender- maßen: Auf einen grossen (40 x 76 mm) Objektträger klebte ich zwei vermittelst eines Diamanten aus einem dickeren Glase ausgeschnittene, schmale Streifen dermaßen auf, daß das aufgelegte Deckglas mit den entgegengesetzten Rändern auf den GUasstreifen zu liegen kam. Darauf legte ich das Deckglas mit der Damaxylolschicht und der Serie nach abwärts gekehrt auf die Glasstreifen des Objektträgers auf. Ich führte diese Manipulationen aus dem Grunde aus, weil die nach Golgi be- handelten Präparate nicht mit einem Deckglase bedeckt werden dürfen und daher mit starken Vergrößerungen und besonders mit Immer- sionssystemen nicht betrachtet werden können. Durch die angeführte Anfertigungsweise der Präparate hatte ich diese Möglichkeit erlangt, da zur Objektivlinse des Mikroskopes die freie Fläche des Deckglases gerichtet war, während auf der andern Seite derselben die Serie ange- klebt w^ar. Außer des Golgi- und des Methylenblauverfahrens habe ich zur Kontrolle meiner Beobachtungen auch die gewöhnHchen, allgemeinen Methoden angewandt. Eür die Fixierung wandte ich hauptsächlich das Gem'sch von Carnoy und von Herrmann an, für die Färbung das Eisenhämatoxylin von Heidenhain mit vorhergehender Fär- bung in Bordeaux-R., sowie auch Safranin mit Lichtgrün. Zur Histologische Studien über Insekten. IV. 183 Entfernung des Pigmentes benutzte ich mit Chlor gesättigten Alko- hol von 70°. Zum Studium des feineren Baues der Nervenelemente versuchte ich auch das Verfahren von R. Cajal und Bielschowski anzuwenden jedoch selbst nach sehr lange andauernden Versuchen gaben sie mir fast nichts. Mit demselben Resultat hat unter andern auch R. Cajal sein Ver- fahren bei seiner Arbeit über die Sehcentren der Fliege angewandt. Augenscheinlich sind diese Verfahren für Insekten wenig tauglich. Meine Arbeit ist somit fast ausschließlich vermittelst der Me- thode von GoLGi und des Methylenblauverfahrens ausgeführt. Diese Methoden sind vielfach angegriffen worden, in der letzten Zeit noch von Radl. Als Hauptargument wird gegen sie vorgeführt, daß auf den vermittelst dieser Verfahren erhaltenen Präparaten irgend ein isoliertes Element herausgerissen wird, oder auch nur ein Teil eines solchen, infolgedessen können keine genauen Vorstellungen erhoben werden, sowohl vom allgemeinen Bilde als auch von den Wechsel- beziehungen der Elemente, die dasselbe bilden. Dieser Vorwurf ist durchaus gerechtfertigt, wenn es sich um die Beschreibung irgend eines Gebildes nach einem einzigen gelungenen Präparate handelt, dieser Vorwurf kann freilich in geringerem Maße auch jeder andern Methode gemacht werden. Dieser Vorwurf kann somit sehr leicht beseitigt werden, es ist dazu nur erforderlich eine genügend große Anzahl von Präparaten zu untersuchen. Ich glaube, daß ich dieses getan habe, denn wie ich bereits oben er- wähnt habe, so habe ich etwa 700 Larven untersucht. Außerdem muß ich jedoch vermerken, daß sämtliche von den erhaltenen Präparaten lege artis waren, in die angegebene Zahl füge ich natürlich nicht die Präparate ein, an denen ich die Methoden ausversuchte. Eigne Beobachtungen. A. Allgemeine Schilderung des Baues der Augen und der optischen Ganglien. Bevor ich zur Schilderung meiner Beobachtungen über die Be- ziehungen der Nervenelemente in den optischen Ganglien der Aeschna- Larven übergehe, halte ich es für notwendig, zunächst eine allgemeine Schilderung in rein topograpischer Hinsicht des Baues sowohl diesef Ganglien als auch der Augen zu geben. 184 Alexius Zawarzin, Zunächst will ich auf die Orieutierung hinweisen, deren ich mich bei der weiteren Darstellung bedienen werde. Bei den Larven ist der Kopf nämlich horizontal gestellt, bei der Imago senkrecht. Das obere Schlundganglion und die Sehlappen folgen jedoch nicht diesen Verände- rungen in der Orientierunu des Kopfes. ^-^ '•>- -V • fi ^^ >-Nv bk ^:.k fr.--- Tcxtlig. 1. Senkrechter Sclmitt durch das Auge ehier Aeschna-'LAV\e. Ehenliämatoxylin, Bordoaux-R. Mikro- photograpliie. C, Corneolae; .SA,-, SEMPERsche Kerne; Ä, Kristi\llkegel; kk% Kenie des Kristall- kegels; ap. Kerne der äußeren Pigmentzellen; rzk. Kerne der Retinazellen; rh, lUuibdoni; /r, Fi- brillen der Eetinazellen; ?>, Kerne der inneren Pigmentzellen; gw, Grenzmenibraii; jnf, lUindel postretinaler Fasern. ViALLANES (1884), dem wir hauptsächlich unsre Kenntnisse über den Bau der optischen Ganglien der Libellen verdanken, orientiert seine Schnitte nach der Imago, infolgedessen er eine recht verwickelte Terminoloffie erhält. Histologische Studien über Insekten. IV. 185 Da ich erwachsene Formen nicht in den Bereich meiner Unter- suchungen gezogen habe, so werde ich der Bequemlichkeit wegen mich nur an die Larven halten, und bezeichne als vertikale Schnitte diejenigen, die in senkrechter Richtung quer durch den Kopf gelegt sind, wenn wir / / / X — --klv • ^ ap-^*'-/ V*^ .:'^.jte' :*'Ä *:^* .A l' .■^-i-rh Text f ig. 2. Tangentialschnitt durcli das Auge einer Äeschna-l,av\e. Eisenhäniatoxjiin. Bordeaux-K. Mikro- photographie. Die Bezeichnungen sind dieselben wie in Textfig. 1. uns die Larve auf einer horizontalen Fläche hegend vorstellen ; horizon- tale Schnitte sind somit diejenigen, die parallel der oberen Kopf fläche verlaufen (frontale nach Viallanes). Die parallel der Sagittalebene durchgelegten Schnitte bezeichne ich als tangentiale. Die Augen selber der /iesc/ma-Larve sind am genauesten von 186 Alcxius Zawarzin, Carriere (1885) beschrieben worden, zu dem von ihm gegebenen kann ich meinerseits nur weniges zufügen. Diese Augen gehören dem Typus der eukonen Augen nach Grenacher an, d. h. sie besitzen einen echten^ Kristallkegel. Jedes Onnnatidium besteht somit aus folgenden Teilen: Unmittel- bar unter der Corneola (c, Textfig. 1) liegen je vier Zellen mit den so- genannten SEMPERschen Kernen {Sk, Textfig. 1. 2), auf welche der halbflüssige, desgleichen aus vier Teilen bestehende Kristallkegel folgt {k, Textfig. 1, 2). An den Kristallkegel schließen sich zwei Zellen an, deren Kerne^ die sog. Kerne des Kristallkegels, stets gut wahrnehmbar sind {kk, Textfig. 1, 2). Die Kristallkegel, besonders ihre proximalen Enden werden von den äußeren oder pupillaren Pigmentzellen umgeben (ap, Textfig. 1 und 2). Weiterhin folgen die Retinae mit den Rhabdomen. Jede Retina wird von vier Retinazellen gebildet (Textfig. 2), was eine Ausnahme unter den Insekten bildet, da meistens ihre Zahl sieben beträgt, die normale Zahl wird in letzter Zeit (Dietrich, 1909) mit acht angenommen. Die Retinazellen gruppieren sich etwas asynnnctrisch neben dem Rhab- dom, wobei sie auf dem Querschnitt mit ihren Achsen eine Trapezfigur bilden, wie sie ausgezeichnet auf der Textfig. 2 sichtbar ist. Eine gleiche Erscheinung hat auch Dietrich zuerst bei den Diptera beobachtet. Die Zahl der Retinazellen in den einzelnen Retinulae kann auch fünf betragen, so daß hier offenbar eine Reduktion vorliegt. Sämtliche Zellen sind besonders an ihren distalen Enden pigmentiert, hier liegen auch ihre Kerne {rzk, Textfig. 1, 2). Außerdem erstreckt sich in jeder Retinazelle \on der Grenzmembran bis zum Kern eine Faser, die sich intensiv mit Eisenhämatoxylin nach der Fixierung nach Oarnoy färbt {fr, Textfig. 1, 2). Bei der Frage, was dieses interessante Gebilde vorstellt, kann ich mich hier nicht aufhalten,, da ich nicht über ein genügendes Material zur Lösung derselben ver- füge. Es ist möglich, daß sie eine Modifikation des neurofibrilläreu Apparates darstellt, obgleich dagegen der Umstand spricht, daß jen- seits der Grenzmembran, in den postretinalen Fasern diese Fibrillen nicht gefärbt werden und ferner die Tatsache ihrer Färbung nach dem HEiDENHAiNschen Verfahren. Die Rhabdome erstrecken sich längs der ganzen Retinula; irgend- welche Teilung derselben in einzelne Rhabdomeren ist nicht zu er- kennen. Die inneren oder retinalen Pigmentzellen umgeben die Retinulae; Histologische Studien über Insekten. IV. 187 ihre Kerne yiiid ungefähr in der Höhe des mittleren Abschnittes der letzteren näher zu ihrem proximalen Ende angeordnet {ip, Textfig. 1, 2). Das Auge ist von der Kopfhöhle durch eine besondere Grenzmem- bran abgegrenzt; durch Öffnungen derselben treten sowohl die das Auge versorgenden und gleichzeitig als Stützskelet dienenden Tra- cheen, als auch die Fortsätze der Betinazellen durch. Letztere sammeln sich zu Bündeln, die in Gestalt der postretinalen Fasern nach der Ter- minologie ViALLANES in die Sehlappen des oberen Schlundganglions eintreten. Jeder Sehlappen besteht aus drei Teilen, aus drei gesonderten Gan- glien. Diese haben einen größeren Durchmesser von vorne nach hinten und erstrecken sich mit Ausnahme des ersten hauptsächlich in einer horizontalen Ebene. Ihre Beziehungen sind daher am besten auf senk- rechten Schnitten sichtbar. Beim Studium der optischen Ganglien der Insekten stoßen wir auf eine sehr verwickelte Terminologie, mit der nur gebrochen wer- den kann durch eine eigene Terminologie; eine solche werde ich auch weiter unten geben, wobei ich mich teilweise an die Terminologie von Raul halte, welche sich schon dadurch vorteilhaft von den andern unterscheidet, daß sie für alle differenzierten Sehcentren anwend- bar ist. Die drei Ganglien, aus denen jeder Sehlappen besteht, können in der Richtung vom Auge als erstes, zweites und drittes Ganglion opticum •(Textfig. 3, 1, II, III) bezeichnet w^erden. Bei den ^lesc/ma-Larven ist das erste Ganglion in einiger Entfernung vom Auge gelegen; in ihn treten die Bündel der postretinalen Fasern ein. Dieses Ganglion (Retina nach Berger, lame ganglionaire nach ViALLANES, periopticon nach Hickson) entspricht seiner Form nach ungefähr der Form des Auges : ist demselben annähernd parallel gelegen und in der Richtung von vorn nach hinten ausgezogen. — Auf einem senkrechten Schnitte erscheint es somit als eine relativ kleine Masse (Textfig. 3, I), die unter einem scharfen Winkel zum zweiten Ganglion gelegen ist. Auf diesem Schnitt ist es außerdem sichtbar, daß das erste Ganglion nicht in seiner ganzen Ausdehnung einen gleichen Bau aufweist, son- dern im oberen Teile viel dünner ist und allmählich schwindet, wobei es einen embryonalen Charakter annimmt (Textfig. 3, ea). In diesen Abschnitt dringen keinerlei Nerven aus dem Auge ein, ebenso wie aus 188 Alexius Zawarzin, prf c'-K r-'--ach ■ea iks --xr^^M^^ „ ••:■■■■ l->,i'^i, U ^^^^^,c^ 'M^~ aks III ---,. o-zi •'. ' 1*^ ■ 'itf', — »- — — ---N Tcxtfig. 3. S-snkrechter Schnitt durch die optischen Ganglien einer ^-lescÄna-Larve. Eisenhämatoxj'lin, Bor- deaux-R. Milvrophotographie. prf, postretinale Fasern; A, Auge; /, erstes Ganglion opticum; ach, äußeres C'Iiiasraa; ea, embryonaler Anteil des ersten Ganglions; //, zweites Ganglion opticum; aks, dessen äußere Körnerschicht; iks, dessen innere Kürnerschicht; ich, inneres Chiasma; x, zapfen- artiges Gebilde; ///, drittes optisches Ganglion; 1, 2, 3, seine drei Teile; Com, Commissur zwischen dem II. und III. Ganglion; gzi, gz2, Gruppe großer Nervenzellen; N, Bündel der Sehfasern; Os und Us, obere und untere Seite. Histologische Studien über Insekten. IV. 189 ihm keine Fasern in das Chiasma übergehen. — • Dieser Abschnitt ist offenbar tatsächlich ein embryonaler Teil des Ganglions, welcher sich bei der Verwandlung der Larve in die Imago entwickelt, deren Augen bedeutend größer sind, infolgedessen auch das erste Ganglion eine größere Oberfläche haben nuiß. Mit dieser Annahme stimmen auch die Beobachtungen von Viallanes vollkommen überein. Das erste Ganglion selber besteht aus drei Schichten : einer äußeren aus kleinen Zellen zusammengesetzten, von denen auf den gewöhnlichen ach ms Textfig. 4. Senkrechter Schnitt diircli das erste Ganglion opticum und das äußere Chiasma einer Aeschna- Larve. Silberimprägnation nacli ß. Cäjal. Mikropliotograpliie. «A-, äußere Körnersclücht; Psff, Palissidenschicht; Om., Grenzmembran; ach, äußeres Cliiasma; Ä-s, Kernsclüclit; ms, Mark- substanz des zweiten Ganglions. Präparaten nur die Kerne sichtbar sind, infolgedessen es als äußere Körner- schicht bezeichnet werden kann {ah, Textfig. 4) ; einer mittleren Mark- schicht, in der eine palissadenförmige Faseranordnung wahrnehmbar ist, zu denen sich im äußeren Abschnitt besondre Spindel und Knäuel hinzugesellen (Hickson, Jonescu, Radl), infolgedessen der äußere Abschnitt dieser Schicht dunkler erscheint (ps). Unterhalb der Markschicht liegt eine besondere Grenzmembran, die erstere von dem äußeren Chiasma abgrenzt, eine derbe Membran^ 190 Alexius Zawarziii. in welcher in horizontalen Reihen Öffnungen für den Durchtritt der Chiasmafasern angeordnet sind (Textfig. 5). Auf die Grenzmembran folgen einzelne locker gelagerte Kerne, die denselben Charakter aufweisen wie diejenigen in der äußeren Körner- schicht (Textfig. 3 und 4). Die aus dem ersten Ganglion durch die Öffnungen der Grenz- niembran hindurchtretenden Fasern bilden ein Chiasma, welches in- folge der wechselseitigen Lagerung sowohl der Ganglien als auch der Bündel hauptsächlich in einer senkrechten Ebene erfolgt, sodaß das äußere Chiasma nur auf senkrechten Schnitten wahrgenommen werden kann. Die bündelweise durch die Öffnungen der Grenzmembran hin- durchtretenden Fasern kreuzen sich auch bündel- weise wie es die Textfig. 4 (ach) zeigt. Das zweite Ganglion opticum (äußeres Marklager von Bergee, masse medulaire ex- terne nach ViALLANES, epiopticum nach Hick- SON, äußerer geschichteter Körper nach Cucatti) ist vorwiegend in einer horizontalen Ebene j. angeordnet, parallelden Hautdecken des Kopfes. . , , ,, In ihm können folgende Teile unterschieden (Jrenzmembran des ersten Oan- ö filions. Imprägnation nach werden (Tcxtfig. 3): Außen liegt eine Schicht kleiner Nervenzellen, die die gesamte Außen- fläche des Ganglions, angefangen von seinem unteren Winkel überzieht; am inneren Ende geht sie in eine an die Commissur {com) sich anschließende Zellgruppe über. — Diese Schicht ist die äußere Körnerschicht (aks). Durch dieselbe treten die Bündel des äußeren Chiasmas hindurch, indem sie in ihr eine Zellgruppe, die ungefähr in ihrem mittleren Abschnitt liegt, abscheiden; diese Zell- gruppe bezeichnet Viallanes als ganglion en coin und Berger als keilförmiges Ganglioii. Wie aus dem folgenden ersichtlich sein wird, so unterscheiden sich die Zellen dieser Gruppe in nichts von den andern Zellen der äußeren Körnerschicht, es liegt daher kein Grund vor, sie in ein besonderes Ganglion abzuscheiden. An der Stelle, wo die äußere Körnerschicht des zweiten Ganglions an die Commissur herantritt, liegt in ihr eine kleine Gruppe großer Nervenzellen {gz, Textfig. 3), die auf dieser Figur nicht genügend deutlich hervortreten, während sie gut auf der Textfig. 7 (72) sichtbar sind. Unterhalb der centralen Markschicht des zweiten Ganglions liegt eine kleine Schicht locker angeordneter kleiner Zellen, die innere Körner- Histologische Studien über lasekten. IV. 191 Schicht {iks, Textfig. 3, ik, Textfig, G). Die Marivsubstanz .selber des zweiten Ganglions hat einen äußerst komplizierten Bau. Sie enthält fast keine Kerne und weist eine scharfe Schichtung auf. Die gesamte centrale Substanz des zweiten Ganglions zerfällt zunächst in drei Schich- ten, eine mächtigere äußere und innere (I und III, Textfig. 6) und eine dünnere mittlere (II). Die Schichten sind durch helle Zwischenschichten von einander geschieden {po und p^). In der ersten Schicht ist noch eine dunklere äußere Zwischenschicht (a) zu erkennen, ihr innerer Teil hat einen palissadenförmigen Bau. PI oll -nk K H'-: III' y**: -a -■'^y'"^m ' -b - - «^r^ .p2 »-'**' ""'- _I)3 wte»m^ .<'I3 ^^^^H' -b^ ^^^^^^H ' -C3 ^^J^^WI. -1)4 -ik Textfig. 6. Mittlerer Teil des zweiten Ganglion opticum einer Aeschnala-Lavve. Eisenliämatoxyliii, Bordeaux- R. Mikrophotographie, ach, Fasern des äußeren Chiasma; ak, äußere Eörnerschicht; ik, innere Körnerschicht; I, II, III, die drei Hauptscliichten der Marksubstanz; p'^, p^,p^,p*, Sehicliten der horizontalen Geflechte; a, Zwischenschiclit der I. Schiclit; a^,b^,c^, Zwischensdiiditen der ITI. Schicht. Die zweite Schicht weist keine besondere Struktur auf, die dritte wird durch helle Linien in drei ungleiche Lagen geschieden : eine dickere äußere und innere {n^, c^) und eine dünnere mittlere (b^). Von der Außenfläche des zweiten Ganglions treten, wie bereits erwähnt, Fasern aus dem äußeren Chiasma ein, von derselben Fläche entspringen auch die Fasern des inneren Chiasma {ich, Textfig. 3, 7), außerdem entspringen vom inneren Rande des Ganglions, von den ver- schiedenen Schichten seiner Marksubstanz ein Faserbündel, die Com- missur {com, Textfig. 3), die in zwei Teile geteilt ist, der eine derselben dringt in das dritte Ganglion ein, der andere in das obere Schlund- ganglion. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 13 192 Alexius Zawarzin, Das dritte Ganglion opticum (inneres Marklager von Berger, masse medulaire interne nach Viallanes, opticum nach Hickson, innerer geschichteter Körper nach Cuccati) ist desgleichen mehr in der horizontalen Ebene angeordnet und stellt seiner Lage nach gleich- sam das Spiegelbild des zweiten Ganglions dar. Seine Zelldecke ist schwächer entwickelt als in den beiden ersten Ganglien. ik r^^^' Mit' ;s?-' -^m; %-■: -sV ^' kV'A-ij Textfig. 7. Senkrechtor Schnitt durcli das II. und III. (Janglioii opticum einer .Ic^r/z/ia-Larve. Silberimpras;- nation nacli E. Cajai,. Mikrophotographie, ach, äußeres Chiai-nia; ak, äußere Körner.schicht des zweiten Ganglions; ik, innere Körnerschiclit desselben Ganglions; i, 2, 3, drei Lagen der Mark- .»iubstanz des zweiten Ganglions; ich, inneres Cliiasma; Gz, Gruppe großer Zellen des zweiten Gan- glions; aks, äußere, iks, innere Körnerschicht des IlT. Ganglions; ///j, 7//o, ///j, 77/4, vier Teile des dritten (lanülion (iiiticuni. Auf einem senkrechten Schnitte (Textfig. 3, 7) ist auf der Unter- seite dieses Ganglions eine relativ große Anhäufung kleiner Nerven- zellen {aJcs, Textfig. 7), die in dem von dem zweiten und dritten Ganglion gebildeten Winkel angeordnet ist. Diese Anhäufung ist somit die äußere Körnerschicht des dritten Ganglions. Histologische Studien über Insekten. IV. 193 Eine zweite Gruppe fileiclier Zellen ist im oberen Teile dieses Gan- slions gelegen und geht alhnählich in die äußere Körnerscliiciit des zweiten Ganglions über {iks, Textfig. 7). Die Commissur teilt diese Gruppe in zwei Teile, von denen der eine dem Ganglion selber anliegt, und bei jungen Larven einen embryonalen Charakter aufweist. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es dasjenige Gebilde, welches Berger als zapfenartiges Gebilde {x, Textfig. 3) beschreibt. Jedenfalls muß diese ganze obere Gruppe als die innere Körnerschicht des dritten Ganglions augesehen werden. 3 ■• '•'^f^ Textfig. 8. Tangeutialsclmitt in der Höhe des dritten Ganglion opticum einer Aeschna-Larve. Eisenhämatoxylin, Bordeaux-R. ililirophotographie. 1, 2, 3, die drei Hauptmarkmassen des dritten Ganglions; 4. flügeiförmige Auswüchse der vierten Markmasse. CJi, Hautdecke des Kopfes. . , Außer diesen kleinen Zellen liegen neben dem dritten Ganglion noch Gruppen runder Zellen, die sich an seinen proximalen Teil an- schließen {gzi, gz2, Textfig. 3). Die centrale Marksubstanz dieses Ganglions hat einen sehr kom- plizierten Bau und zerfällt in vier einzelne Massen. Drei derselben {Uli, 25 3 Textfig. 7) liegen übereinander, die vierte ist ihnen seitwärts angelagert {IH^) und kann als ein ErgänzungsgangHon angesehen werden. Die größte Masse liegt unten {Uli), hat einen geschich- teten Bau, der deutlich auf der Textfig. 7 hervortritt, auf der man 13* 194 Alexius Zawarzin, in ihr sechs bis sieben Schichten unterscheiden kann. Der folgende weniger große Abschnitt hat desgleichen einen geschichteten, frei- lich nicht scharf ausgebildeten Bau. Zwischen diesen zwei Teilen verläuft ein Nervenfaserbündel zur vierten Masse. Die dritte Masse ist sehr klein und weist fast keinerlei Schichtung auf. Die vierte seit- liche Masse hat eine eigenartige Form, von der auf einem senkrechten Schnitte keine Vorstellung gewonnen werden kann. Sie besteht aus einem Hauptteil und aus zwei Flügeln, die etwas asymmetrisch die äußere (III) Markmasse des dritten Ganglions umfassen. Eine Vor- stellung von ihrer allgemeinen Form gibt die Fig. 6 der Taf. II, auf welcher ihre Konturen nach einem Totalpräparat angegeben sind, so- wde der auf Fig. 8 dargestellte Tangentialschnitt in der Höhe ihrer Flügel. In die erste Markmasse des dritten Ganglions treten Fasern aus dem inneren Chiasma ein, während die Commissurenfasern zwischen der zweiten und dritten Markmasse eintreten. Außerdem entspringen von sämtlichen vier Teilen des dritten Ganglion opticum Nervenfaser- bündel zum Gehirn {N, Textfig. 3). Hiermit will ich die allgemeine topographische Schilderung be- endigen und werde nunmehr auf die Beziehungen der einzelnen Ele- mente, aus denen die beschriebenen Ganglien bestehen, übergehen. B. Die Beziehungen der Nervenelemente in den optischen Ganglien, a. Erstes Ganglion opticum. In das erste Ganglion opticum treten die Fasern aus dem Auge in relativ dicken Bündeln ein — die postretinalen Nerven, die sich ziemlich gleichmäßig auf der Oberfläche des Ganglions verteilen, dar- auf durch die äußere Körnerschicht hindurchtreten und in die Mark- substanz eindringen, wo sie in besonderen Verdickungen endigen. Diese postretinalen Fasern sind meiner Ansicht nach Fortsätze der Retinazellen. Sie färben sich ausgezeichnet sowohl mit Methylen- blau als auch nach dem Verfahren von Golgi. Auf Methylenblaupräpa- raten können diese Fasern bis zur inneren Schicht des Augenpigmentes verfolgt werden, wo sie durch dieses maskiert werden. Ihre Endan- schwellungen sind in der Markschicht des ersten Ganglions ungefähr in einer Höhe angeordnet, und zwar in deren äußeren Lage {Ps, Fig. 4). Auf den nach Golgi behandelten Präparaten, sowie auf Methylen- blaupräparaten erscheinen diese Gebilde als mehr oder weniger lang- gestreckte Plättchen, mit leicht gezähntem Rande, wie es deutlich die Fig. 1 der Taf. II eh, besonders jedoch die Fig. 2 derselben Tafel Histologische Studien über Insekten. IV. 195 {ek) zeigt. Das Golgi- Verfahren gibt dieselben Resultate (Textfig. 9 j)re, Fig. 2, Taf. III eh). Hinsichtlich der Endigungsweise der postretinalen Fasern sind Kenyon (1897) bei der Biene, Vigier (19ö8) und R. Cajal (1909) bei der Fliege zu ungefähr denselben Resultaten gelangt wie ich. Von den anderen Forschern hat bereits Hickson (1885) bei der Fliege in dem ersten Ganglion besondere Neurofibrillenknäuel beschrieben, gleiche Knäuel hat in der letzten Zeit auch Radl (1902) beobachtet, während Jonescu (1909) an den entsprechenden Stellen des ersten Ganglions der Drohnen besondere Spindel gesehen hat, in denen die postretinalen Fasern en- digen. Alle diese Knäuel und Spindeln sind meiner Ansicht nach nichts anderes als die Endanschwellungen der postretinalen Fasern. Textfig. 9. Senkrechter Schnitt durch das erste Oanghon opticum einer ^«sc/iMa-Larve. Verfahren nach Golgi Vergr. 330:1. Bei Reproduktion verkleinert, ak, äußere Körnersdiiclit; mlc, Markschicht; ej Verzweigungen einer eintretenden Faser; //, hindurchzieliende Fortsätze von Zellen der äuße- ren Körnersdiiclit; pre, Endanscliwellungeu der postretinalen Fasern. Was ihren feineren Bau anbetrifft, so enthalten sie wahrscheinlich ein Neurofibrillennetz, obgleich ich dasselbe nicht deutlich habe sehen können, da mir auf meinen Objekten die speziellen fibrillären Metho- den schlecht gelangen. In den Bestand der äußeren Körnerschicht ge- hen Zellen von zweierlei Typus ein. Die einen, größeren Zellen geben einem Fortsatz den Ursprung, der durch die Körnerschicht hindurchtritt, in die Markschicht eindringt und in der ganzen Ausdehnung derselben zahlreiche Kollaterale abgibt, die sich mehrfach verästeln und die Hauptmasse der Markschicht bil- den (Textfig. 10). Diese Kollateralen sind zahlreicher in den äußeren Abschnitten der letzteren, verschwinden allmählich zur inneren Körner- schicht, während der Zellfortsatz weiter in das innere Chiasma eintritt. 196 Ak'xius Zawarzin, An Präparaten, die nach Golgi und mit Methylenblau gefärbt worden waren, haben diese Zellen ein etwas abweichendes Aussehen. Auf den Silberpräparaten erscheinen ihre Fortsätze beim Eintritt in die Markschicht stark verdickt und gehen nur wenig dünner in das Chiasma über (Textfig. 10, besonders Fig. 3, Taf. III). Gleichzeitig erscheinen auch ihre Seitenäste ebenso massiv und nur relativ wenig varikös. Auf Methylenblaupräparaten sind sowohl die Fortsätze selber als auch ihre Seitenäste gleich dünn (Fig. 2, Taf. II). wobei sämthche KoUa- 32F rr Textfiu. 10. Horizontaler Schnitt durch das erste Ganglion optieum einer ^«scÄMa-Larve. Verfahren von GOLßl. Vergr. 850:1. Bei Keproduktion verkleinert, azf, Zellen der äußeren Körnerschicht mit hin- durcliziclienden Fortsätzen (//) ; ms, ^[arkschicht. teralen mit zahlreichen großen Varikositäten besetzt sind. Diesen Unter- schied der Befunde erkläre ich dadurch, daß das Golgi- Verfahren etwas verzerrte Bilder gibt, da das Silber auch von außen auf den Fasern niedergeschlagen wird, infolgedessen diese dicker erscheinen. Die Fortsätze der hier beschriebenen Zellen verbleiben somit nicht im ersten Ganglion, sondern treten aus demselben heraus, infolgedessen sie als Zellen der äußeren Körnerschicht mit hindurchgehenden Fasern bezeichnet werden können. HinsichtUcli der Beziehungen der Fortsätze dieser Zellen zu den Histologische Studien über Insekten. IV. 197 Endanschwellungen der postretinalen Fasern, habe ich folgendes fest- stellen können. Die Enden der Ketinafasern sind in der Schicht gelagert, in der die größte Anzahl von KoUateraleu beobachtet wird, mit diesen treten sie auch in Verbindung (Fig. 2, Taf. II). Auf den nach Golgi behandelten Präparaten werden die Endanschwel- lungen der Retinafasern dann imprägniert, wenndie durchziehenden Fort- sätze der Zellen unvollständig imprägniert sind, d.h. ihre Kollateralen un- gefärbt gebheben sind; sind im Gegenteil diese gefärbt, so sind die Enden der Retinafasern nicht imprägniert (Textfig. 9, 10). Auf denjenigen Präparaten, auf denen diese letzteren gut sichtbar sind (sowohl auf den mit Silber imprägnierten als auch mit Methylenblau gefärbten) ist es sichtbar, daß die Endverbreiterungen möglicherweise den vorbeiziehen- den Fortsätzen der äußeren Zellen dicht anliegen (Textfig. 9 pre, Fig. 2, Taf. II und Fig. 2, Taf. III ek), wobei jedem Fortsatze sich mehrere Endausbreituugen anschheßen. In Berücksichtigung der In- konstanz der Methoden, kann ich dennoch mit einiger Sicherheit die Behauptung aufstellen, daß jedem hindurchziehenden Fortsatze sich je vier Retinafasern anschließen, so daß jede Zelle mit ihrem Haupt- fortsatze ein einzelnes Ommatidium versorgt. Beim Vergleich meiner Beobachtungen mit denen Kenyons (1897), ViGiERs (1908), R. Cajal (1909) muß ich vermerken, daß sie im allge- meinen übereinstimmen, wobei Kenyon im ersten Ganglion (leider nur schematisch) ebensolche Zellen abbildet, wie ich sie beobachtet habe. Die großen perioptischen Neurone von Vigier und R, Cajal, die meinen äußeren Zellen mit den hindurchziehenden Fortsätzen ent- sprechen, haben einen etwas anderen Charakter. Die durch die Mark- schicht verlaufenden Abschnitte ihrer Fortsätze geben nämlich keine langen Collateralen ab, sondern sind mit zahlreichen, sehr kurzen Astchen mit Endknöpfchen besetzt, an die sich denn auch die End- plättchen der Retinafasern anlegen. — Ein derartiger Unterschied ist natürlich am ehesten durch die verschiedenen Untersuchungsobjekte (Fliege, Larve der Wasserjungfer, Biene) zu erklären, möglich ist jedoch auch eine andere Annahme; da nämlich die Collateralen der hindurch- ziehenden Fortsätze bei weitem nicht immer gefärbt sind, so ist es mög- lich, daß R. Cajal und Vküer sie garnicht gesehen haben, um so mehr als die auf Textfig. 9 und Fig. 2. Taf. III abgebildeten Bilder an die- jenigen erinnern, welche die genannten Forscher in ihren Arbeiten geben. Die Zellen des zweiten Typus liegen in der äußeren Körnerschicht des ersten Ganglions; vermittelst beider Methoden werden sie sehr selten und unvollständig; gsfärbt. — Sie sind etwas kleiner als die ersten Zellen; 198 Aloxius Zawarz.'n, ihre Fortsätze habe ich nur bis zur Markschicht verfolgen können. Offenbar endigen sie auch in ihr unter baumförmigen Verzweigungen; eine derartige Annahme ist aus dem Vergleich dieser Zellen mit den kleinen perioptischen Neuronen möglich, die R. Cajal bei der Fliege beobachtet hat, sowie mit einigen der großen Zellen der äußeren Körnerschicht des ersten Ganglions der Biene, die Jonescu (1909) abbildet. Diese Zellen schlage ich vor, als Lokalzellen der äußeren Körner- schicht des ersten Ganghons zu bezeichnen (Taf. I, h). Als Lokalzellen der inneren Körnerschicht des ersten Ganglions müssen die Zellen benannt werden, welche nach innen von der Mark- schicht liegen und ihren Fortsatz in diese absenden (Taf. I, ilz). Leider färben sich auch diese Zellen ebenso schlecht wäe die vorhergehenden. Ihr Fortsatz verzweigt sich augenscheinlich desgleichen in der Mark- schicht und tritt aus derselben nirgends weiter ein. Aus dem äußeren Chiasma treten in das erste Gangüon zahlreiche feine variköse Fasern ein, und endigen in ihm mit baumförmigen Ver- zweigungen (Taf. II, Fig. 1, chf; ev). Nach dem Charakter ihrer Endver- zweigungen können Fasern zweierlei Art unterschieden werden. Die einen dickeren Fasern (Textfig. 9 ef) verzweigen sich nach ihrem Eintritt in die Marksubstanz des Ganglions dichotomisch ein- oder zweimal, worauf ihre Äste in der äußeren Schicht der Marksubstanz ein Geflecht bilden, das sich weit ausbreitet. Die Gesamtmasse der- artiger Endverzweigungen bildet somit ein dichtes Geflecht in der äußersten Zone der Marksubstanz, wie es die Textfig. 9 illustriert. Die anderen dünnen, stärker varikösen Fasern als die ersten, ver- zweigen sich desgleichen baumförmig in der Markschicht; ihre Endver- zweigungen sind jedoch viel dünner, haben ein kompakteres Aussehen, weisen mehr Varikositäten auf und verbreiten sich nicht nur in der oberflächlichsten Schicht der Marksubstanz, sondern dringen auch in die tieferen Schichten derselben ein. Eine derartige Endverzweigung ist auf Fig. 2, Taf. III abgebildet; aus dem Vergleich dieser mit der Textfig. 9 ist der Unterschied zwischen diesen beiden Typen von Endverzweigungen viel leichter zu erfassen, als aus der Beschreibung. Hierbei muß jedoch im Auge behalten werden, daß Fig. 2 der Tafel bei einer stärkeren Vergrößerung gezeichnet worden ist, als die Textfigur. Von den anderen Forschern beschreibt derartige baumförmige Verzweigungen im ersten Ganglion nur R. Cajal bei der Fliege unter der Bezeichnung: Verzweigungen centrifugaler Fasern, wobei dieser Histologische Studien über Insekten. IV. 199 Forscher an ihnen keine zwei Typen unterscheidet, desgleichen ist ihm ihre Herkunft unbekannt gebheben. Auf der inneren Oberfläche der Markschicht breitet sich noch ein weitmaschiges Geflecht aus (Fig. 1, Taf. III P), das aus verzweigten varikösen Fasern besteht. Vermittelst Astchen (c), die von ihm in die Tiefe der Markschicht ziehen, ist dieses Geflecht mit dem dichten Geflecht in dem äußeren Teile der Markschicht {p), das von sämtlichen aufgezählten Elementen gebildet wird, verbunden. Auf Methylen blaupräparaten gelingt es auch die Fasern, aus denen das untere Geflecht entsteht, zu verfolgen. Längs der oberen Fläche des Sehlappens unmittelbar unter ihrer bindegewebigen Hülle erstrecken sich einige mehr oder weniger dicke aus dem oberen Schlundganglion austretende Fasern. Sie treten an das erste Ganglion opticum heran, verzweigen sich dichotomisch, wobei ihre Aste das untere Geflecht bilden (Taf. I, np). An der Vereinigungsstelle der Sehlappen mit dem oberen Schlundganglion liegen in unmittelbarer Nähe der erwähnten Fasern einige große unipolare Zellen (Taf. I, cz). Obgleich ich niemals einen Zusammenhang dieser Zellen mit den Fasern, die das untere Geflecht des ersten Ganglions bilden^ gesehen habe, da deren Fortsätze sich schlecht färben, so nehme ich dennoch in Analogie mit den ent- sprechenden Elementen der anderen Ganglien an, daß der Fortsatz einer derartigen großen Zelle in einiger Entfernung von derselben sich T-förmig teilt, wobei ein Teilast in das erste Ganglion opticum, der andere ins obere Schlundganglion verläuft {conj, Schema Taf. I). Diese großen Zellen müssen somit desgleichen den Elementen des ersten Gan- glion opticum zugerechnet werden. Zum Schluß muß ich noch hervorheben, daß bei der Behand- lung nach GoLGi der periphere Teil dieses Ganglions sowie der zum äußeren Chiasma gekehrte Teil häufig durch Silberniederschläge verunreinigt ist, während bei der Färbung mit Methylenblau nicht alle Elemente deutlich genug hervortreten, infolgedessen können auch meine Beobachtungen an diesem Ganglion nicht durchaus voll- ständig sein. b. Das äußere Chiasma. Zu dem in der topographischen Übersicht über das Chiasma mit- geteilten, kann ich nur noch hinzufügen, daß sich in ihm Fasern zweier- lei Art kreuzen, erstens die auf GoLGi-Präparaten äußerst dick, voll- kommen frei von Varikositäten erscheinenden hindurchziehenden Fort- sätze der Zellen der äußeren Körnerschicht des ersten Ganglions und 200 Alexius Zawarzin, zweitens feinere aus dem zweiten in das erste Ganglion verlaufende, variköse Fasern. Aus Methylenblaupräparaten erscheinen auch die ersten Fasern dünn und varikös, so daß anzunehmen ist, daß sich infolge besonderer Struktureigentümlichkeiten auf ihrer Oberfläche besonders stark das Silber niederschlägt. Irgendwelche Nervenzellen sind im äußeren Chiasma nicht vor- handen. c. Das zweite Ganglion opticum. Aus dem äußeren Chiasma traten in das zweite Ganglion opticum die durchziehenden Fortsätze der äußeren Zellen des ersten Ganglions ein. Hier verlaufen sie in schräger Richtung durch die äußere Kör- nerschicht (Textfig. 3, 4, 6), wenden sich darauf senkrecht zur Ober- fläche der Markschicht und treten in dieselbe ein (Taf. III, Fig. 9 fzi). Hier endigen sie alle in der äußeren Hauptschicht der Marksubstanz, wobei sie mit ihren Endverzweigungen palissadenförmige Zwischen- schicht derselben bilden (Textfig. 6 b). Diese Endverzwoigungen er- scheinen auf GoLGi- Präparaten als einfache keulenförmige Anschwel- lungen mit leicht gezähntem Rande, wie es die Fig. 9, Taf. III e zeigt. Auf Methylenblaupräparaten offenbaren sich andere Beziehungen. Auf diesen Präparaten (Fig. 3, Taf. II) kann man erkennen, daß die eintretende Faser an ihrem Ende gleichsam in ein Büschel feinster, dicht mit Varikositäten besetzter Fibrillen zerfällt. Diese Fibrillen sind dermaßen fein und bilden ein dermaßen dichtes Netz, daß es sogar bei der Betrachtung mit Immersionssystemen kaum wahrnehmbar ist und der ganze Endapparat beim ersten flüchtigen Betrachten körnig erscheint (Textfig. 3, 1, II eb). Das gleiche Verhalten beobachteten auch Kenyon (1897); R. Cajal (1909) und zum Teil auch Jonescu (1909). R. Cajal nimmt jedoch an, daß außer diesen Fasern in das zweite Ganglion opticum noch andere, von ihm als lange, optische bezeichnete Fasern ein- treten. Diese letzteren sind, wenn ich R. Cajal richtig verstehe, eine Fortsetzung der Rhabdome, die durch das erste Ganglion durchtreten, im äußeren Chiasma sich kreuzen und in verschiedenen Schichten der Marksubstanz des zweiten Ganglions endigen. Derartige Fasern habe ich auf meinen Präparaten nicht gesehen; mir scheint es, daß R. Cajal hier in einen Irrtum verfallen ist, indem er für derartige Fasern einer- seits nicht genügend imprägnierte Fortsätze der äußeren Zellen des ersten Ganglions, anderseits Fortsätze der äußeren Zellen des zweiten Ganglions ""ehalten hat. Davon überzeuoen mich folgende Überlegun- Histologische Studien über Insekten. IV. 201 gen. Zunächst erscheint die Herkunft dieser Fasern von den Rhab- domen sehr auffallend, die ja nur Teile der Retinazellen sind, außerdem bei Fliegen deutlich aus sieben Rhabdomen zusannnengesetzt sind. Die von R. Cajal gegebenen Bilder ähneln ungemein solchen, die auch ich erhalten habe, hinsichtlich derer ich jedoch zweifellos fest- stellen konnte, daß sie bloß das Resultat einer unvollkommenen Im- prägnation sind. In der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglion opticum lassen sich Zellen mehrerer Arten unterscheiden. Sämtliche Zellen dieser Schicht sind unipolar und sind ungefähr gleich groß. Jede Zelle liegt in einem besonderen Futteral oder einer Alveole, die aus Bindegewebe besteht. Dieses alveoläre Gewebe wird bei Anwendung des Golgi- Ver- fahrens mit Silber imprägniert und tritt auf sämtlichen Präparaten ungemein deutlich hervor (Fig. 4, Taf. III sg). Nach dem weiteren Schicksal des Fortsatzes können in der äußeren Körnerschicht dreierlei Arten unterschieden werden: Zellen mit rück- läufigen Fortsätzen, Lokalzellen und Zellen mit hindurchziehenden Fortsätzen. a) Zellen mit rückläufigem Fortsatze (Fig. 4, Taf. III). Diese Zellen liegen in den peripheren Teilen der äußeren Körnerschicht ; der von ihnen entspringende äußerst feine Fortsatz durchläuft zunächst die Körnerschicht und zieht zur Markschicht, nachdem er diese erreicht hat biegt er in einem Winkel vim und verläuft durch das Chiasma zum ersten Ganglion opticum (Fig. 4, Taf. III rz, rzf). Auf meinen Prä- paraten habe ich diesen Fortsatz bis zur inneren Oberfläche der Mark- schicht des ersten Ganglions verfolgen können. An dieser Stelle ent- stehen fast in allen Präparaten reichliche Silberniederschläge, die die Untersuchung erschweren. Von der Stelle des Niederschlages, zu der aus dem Chiasma der beschriebene Fortsatz herantritt, zieht jedoch zur Markzubstanz des ersten Ganglions eine Faser, die in dieser eine baum- förmige Verzweigung von dem auf Fig. 2, Taf. III abgebildeten Typus liefert. Auf Grund dieser Befunde ist, glaube ich, die Annahme zulässig, daß in diesen Verzweigungen im ersten Ganglion der rückläufige Fort- satz der Zelle der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions endigt. kxi der Stelle, wo die Zellen mit rückläufigen Fortsätzen liegen, beschreibt Radl (1902, 1912) Zellen mit T-förmigem Fortsatze, dessen einer Teilast ins erste Ganglion, der zweite in die Markschicht des zweiten verläuft. Gleiche Zellen hat auch Jonescu (1909) beschrieben, außer diesen hat er jedoch auch in der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions in unmittelbarer Nähe des Chiasmas Zellen gesehen, deren 202 Alexius Zawarzin, Fortsatz direkt in das letztere ohne weitere Teilung verlief. Leider be- richtet keiner der beiden Forscher über das weitere Verhalten der Fort- sätze dieser Zellen, außerdem hat Badl auch keine speziellen Methoden angewandt. An meinem großen Materiale habe ich bei keiner Zelle der äußeren Körnerschicht jemals einen T-förmigen Fortsatz gesehen. — Ebenso haben auch Kenyon (1897) und R. Cajal, denen die besten Arbeiten über die optischen Ganglien der Insekten angehören, derartige Zellen nicht gesehen. Ich bin daher der Meinung, daß diese Zellen mit T-för- migem Fortsatze zum Teil meinen rückläufigen Fortsätzen entsprechen, wobei die T-förmige Teilung das Resultat einer dichten Anlagerung von Fasern an die rückläufigen Fortsätze ist, welche mit ihnen gar nicht im Zusammenhange stehen ; derartige Bilder habe ich selber häufig beobachtet. h) Andere, in den Bestand der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions eingehende Zellen müssen aus dem Grunde, wie auch die entsprechenden Zellen des ersten Ganghons als Lokal zellen bezeichnet werden, da ihr Fortsatz nur in der Marksubstanz des zweiten Ganglions sich verzweigt und aus derselben nicht heraustritt. Bevor ich auf die Beschreibung der einzelnen Typen der Lokal- zellen übergehe, halte ich es für notwendig, überhaupt einige Bemer- kungen über die Einteilung derselben in Typen zu machen. Im Zu- sanmienhang mit der Inkonstanz des Golgi- Verfahrens können zu- nächst als Lokalzellen solche eines vollkommen anderen Typus be- schrieben w^erden, deren Fortsatz nicht bis an sein Ende imprägniert ist. Aus demselben Grunde können auch unter den Lokalzellen mehr Typen aufgezählt werden, als tatsächlich vorhanden sind. Ich berück- sichtige daher bei der weiteren Beschreibung noch eine Reihe anderer Merkmale, hauptsächlich den Charakter der Verzweigungen, und ver- merke in jedem möglichen Falle die Möglichkeit eines Irrtums. Die Fortsätze dieser Zellen können sich in allen drei (I. II, II, Textfig. 6) Hauptschichten der Marksubstanz verzweigen. Ich beginne daher auch ihre Beschreibung von der ersten Schicht. In dieser sind zunächst Endverzweigungen von Lokalzellen in der Art der auf Fig. 6, Taf. IV h abgebildeten vorhanden. Der von der Zelle abgehende, eine derartige Verzweigung bildende Fortsatz durchzieht die Körner- schicht und gibt sofort nach seinem Eintritt in die Markschicht Seiten- äste ab, die eine recht ausgebreitete Verzweigung bilden, nach einem kurzen weiteren Verlauf verzweigt sich der ganze Fortsatz baumför- mig und endigt in dieser Verzweigung. Eine derartige Verzweigungs- Histologische Stiidicii über Insekten. IV. 203 art kann als mehrschichtige bezeichnet werden, da die vom Fortsatze gebildeten Endverzweigungen in mehreren Reihen (im vorliegenden Falle in zwei) angeordnet sind. Andre Lokalzellen besitzen Fortsätze mit vollkommen verschie- denem Verzweigungscharakter, die jedoch auch in der ersten Schicht endigen (Taf. III, Fig. 5, Taf. IV, Fig. 6 Lz). Nach dem Eintritt in die Marksubstanz gibt ein derartiger Fortsatz bisweilen einfach kleine Seitenästchen ab, die unregelmäßig auf dessen ganzen Verlauf ange- ordnet sind, kann jedoch auch unter baumförmiger Verzweigung recht dicke Äste abgeben, die ihrerseits kurze Seitenäste entsenden (Fig. 5, Taf. III). Charakteristisch für diese Zellen ist jedoch die Endver- zweigung ihres Hauptfortsatzes. Diese Verzweigung ist angepaßt an die Enden der aus dem äußeren Chiasma eintretenden und in der ersten Schicht der Marksubstanz die palissadenförmige Zwi- schenschicht bildenden Fasern (Textfig. 6 h, Fig. 5, Taf. III ps). Die Endverzweigung der Fortsätze der beschriebenen Zellen umflicht die Enden der eintretenden Fasern. Da die Endästchen zwischen diesen Fasern angeordnet sind, so bilden sie, wie es die Fig. 5, Taf. III und Fig. 6, Taf. IV Lz zeigen, zahlreiche rechtwinklige Knickungen. Weiter sind zu vermerken Lokalzellen, deren Fortsatz nach dem Eintritt in die Marksubstanz, ihre erste Schicht in senkrechter Richtung durchzieht (Fig. 4, Taf. IV Ifz), darauf unter einem rechten Winkel abbiegt, eine beträchtliche Streke in der zweiten Schicht durchläuft und hier erst eine diffuse Endverzweigung bildet {ev). Weiter verläuft dieser Fortsatz unter einem rechten Winkel, durchzieht die zweite Schicht und zerfällt in der dritten Schicht in eine Endverzweigung, die den gleichen diffusen Charakter aufweist, wie die entsprechende Verzweigung in der zweiten Schicht. In der äußeren Körnerschicht liegen schließlich auch derartige Lokalzellen, die ihre Endverzweigungen nur in der dritten Schicht der Marksubstanz bilden (Taf. III, Fig. 10 Lz). Der Fortsatz dieser Zellen verläuft ohne jegliche Verzweigung durch die zwei äußeren Schichten und gibt erst nach seinem Eintritt in die dritte Schicht zahlreiche, stark verzweigte Seitenäste ab, teilt sich schließhch selber gabelförmig und endigt, indem er baumförmig in feinste, variköse Fädchen zerfällt. Alle diese Verzweigungen bilden in ihrer Gesamtheit eine baumförmige Endigung, welche fast die ganze Höhe der dritten Schicht einnimmt. Zum Schluß vermerke ich noch einen Typus von Lokalzellen, deren tatsächliches Vorhandensein ich jedoch infolge ungenügender objek- tiver Befunde nicht verteidigen kann. 204 Alexius Zawarzin, Auf Präparaten, die nach dem Golgi- Verfahren behandelt worden waren, kann man liäufig Zellen sehen, deren Fortsatz in die Mark- substanz eindringt und in dieser in verschiedenen Schichten derselben in recht charakteristischen Verzweigungen endigt, wie solche beson- ders die Fig. 10, Taf. III Iz zeigt. Auf mich macht es den Eindruck, daß hier Endverzweigungeu der Fortsätze von Lokalzellen vorliegen, es ist jedoch möglich, daß infolge ungenügender Imprägnation ein derartiges Aussehen die durch- ziehenden Fortsätze der äußeren Zellen, deren Beschreibung hier folgen soll, annehmen. Von anderen Forschern sind in der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions nur von R. Cajal (1909) bei der Fliege Lokalzellen beschrieben worden. E. Cajal unterscheidet an ihnen nicht die von mir beschriebenen Typen, außerdem hat er jedoch auch bei der Fliege keine Zellen mit hindurchziehenden Fortsätzen gesehen. c) Zellen mit fortschreitenden hindvirchziehenden Fort- sätzen. Ihrer Form nach unterscheiden sich diese Zellen nicht von andern in der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions gelegenen Zellen. Ihre Fortsätze ziehen durch die Körnerschicht, treten in die Marksubstanz ein und geben auf deren ganzen Ausdehnung zahlreiche, kleine, äußerst feine Ästchen ab. Nach ihrem Verlauf durch die Mark- substanz und die innere Körnerschicht treten sie in das innere Chiasma ein. Eine Gruppe derartiger Zellen ist auf Fig. 8, Taf. III abgebildet, ihre Fortsätze sind außerdem auch auf Fig. 9 /, // und Fig. 10 fz der- selben Tafel sichtbar. Mit den Seitenästen ihrer Fortsätze bilden offen- bar diese Zellen die Hauptmasse der Marksubstanz. Wenigstens er- scheint auf den Präparaten, auf welchen besonders viele derartige hindurchziehende fortschreitende Fortsätze imprägniert sind, die ganze Marksubstanz vollkommen schwarz (Textfig. 16). Nur auf Präparaten, auf denen bloß einzelne Zellen imprägniert sind, können die Beziehungen ihrer Seitenäste erkannt werden. Doch sind in diesen Fällen diese un- vollkommen imprägniert. Auf den Fig. 8, 9, 10, Taf. III ist sichtbar, daß von den fortschreitenden durchziehenden Fasern Kollateralen nur in geringer Zahl abgehen. Tatsächlich bedecken sie dicht die ganze Faser, nur an den Grenzen zwischen den Hauptschichten der Mark- substanz werden diese Kollateralen unterbrochen. Ähnliche Zellen mit durchziehenden Fortsätzen hat auch Kenyon (1897) in der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglion opticum bei der Biene beschrieben, leider liegt seiner Arbeit nur ein Schema bei, so daß ein Vergleich nur mit einem gewissen Vorbehalt möglich Histologische Studien über Insekten. IV. 205 ist. Von den übrigen Forschern hat niemand derartige Zellen be- schrieben. Innere Körnerschicht. In der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions ist die Zahl der Zellen bedeutend geringer als in der äußeren Körnerschicht; dieselben sind hier in viel weiteren Abständen von einander angeordnet (Textfig. 3). In dieser Schicht habe ich nur Zellen mit durchziehenden Fort- sätzen, Zellen mit rückläufigen und T-förmigen Fortsätzen gesehen. Lokalzellen habe ich keinmal gesehen. a) Zellen mit durchziehenden Fortsätzen. Diese Zellen liegen stets der Markschicht dicht angelagert (Taf. III, Fig. 9 kz). Der Zellkörper ist recht groß und stets birnförmig. Der von ihm abgehende Fortsatz tritt in die Marksubstanz ein und durchzieht deren sämtliche Schichten. Auf seinem ganzen Verlauf entspringen von ihm etagen- weise in bestimmter Höhe Seitenäste, von größerer Ausbreitung als an den durchziehenden Zellen der äußeren Körnerschicht. Diese Bezie- hungen sind teilweise auf Fig. 9, Taf. III sichtbar, doch sind hier die Seitenverzvveigungen noch nicht genügend imprägniert. Viel besser sind sie auf Methylenblaupräparaten sichtbar. Aus einem Vergleich der Fig. 8 und 9, Taf. III kann jedenfalls eine Vorstellung gewonnen werden von dem Unterschiede der durchziehenden Fortsätze der Zellen der äußeren (Fig. 8) und der inneren (Fig. 9) Körnerschicht. Nach ihrem Durchtritt durch die Marksubstanz treten die Fortsätze der beschriebe- nen Zellen in das äußere Chiasma ein, wo sie sich kreuzen. Weiterhin dringen sie in die Marksubstanz des ersten Ganglions ein und endigen hier in Verzweigungen von dem auf Textfig. 9 abgebildeten Typus. Den Gesamtverlauf dieser Fortsätze habe ich sowohl an Präparaten, die nach Golgi und an solchen, die mit Methylenblau gefärbt worden waren, verfolgen können. b) Zellen mit rückläufigen Fortsätzen sind in dem proxi- malen Teile der inneren Körnerschicht gelagert. Der Zellkörper ist desgleichen birnförmig, jedoch etwas kleiner als derjenige der Zellen des ersten Typus (Textfig. 11 2). Die Fortsätze dieser Zellen verlaufen durch die innere Körner- schicht und dringen in die dritte Hauptschicht der Marksubstanz ein. Hier dringen sie bis zur mittleren Zwischenschicht der letzteren vor (Textfig. 6 b^), biegen in dieser in einem Winkel von 90° um, ver- laufen in der neuen Richtung eine geringe Strecke und wenden sich wieder nach unten (Fig. 6, Taf. III). Von der hierdurch gebilde- ten Schlinge entspringt eine ungemein große Zahl von Seitenästen, die 20G Alexius Zawarzin, um den horizontalen Abschnitt des Fortsatzes gleichsam einen Muff bilden (Textfig. 11 ce, Fig. 6, Taf. III). Diese Seitenäste bilden nun die mittlere Zwischenschicht der dritten Schicht {h^). die auch auf den nach den gewöhnlichen Verfahren bearbeiteten Präparaten ausgezeichnet sichtbar ist (Textfig. 6). Auf den nach Golgi impräg- nierten Präparaten sind diese Schlingen mit ihren Seitenästen häufig Textfig. 11. Aus einem senkrechten Schnitte durch das zweite Ganglion opticum. a^, 6', c', Teile der dritten Schicht seiner Marksubstanz; lÄ-, innere Körnerschicht; ich, inneres Chiasma; z, Zellen der inneren Schicht mit rückläufigem Fortsätze; af, dessen aufsteigender Teil; ce, dessen Schlinge mit baum- förmigen Verzweigungen; d/, dessen absteigender Teil. Verfahren von GOLGI. Vergr. 425:1, Bei Reproduktion verkleinert. dermaßen geschwärzt, daß es vollkommen unmöglich ist, ihre Struktur zu entwirren. Nur in Ausnahmefällen tritt diese vollkommen klar hervor. Der absteigende Teil des Fortsatzes der hier beschriebenen Zellen {df, Textfig. 11) verläuft rückläufig durch den inneren Teil der dritten Markschicht, durch die innere Körnerschicht und tritt in das innere Chiasma ein {ich, Textfig. II). c) Zelle n m i t T- f ö r m i g e m F o r t s a t z e . Die Zellen dieses Typus Histologische Studien über Insekten. IV. 207 sind noch weiter entfernt von der Marksubstanz des zweiten Ganglions und liegen in dem vom zweiten und dritten Ganglion gebildeten Winkel {Rz\ Taf. I). Der Körper dieser Zellen ist kornförmig, vollkommen abgerundet; der von ihm abgehende Fortsatz verläuft etwas nach oben und nach außen (auf einem senkrechten Schnitt, hinsichtlich der Orientierung s. oben), und tritt an die Marksubstanz des zweiten Ganglions heran (Fig. 2, Taf. IV). Hier, gewöhnlich an der äußersten Grenze der Mark- substanz und der inneren Körnerschicht, teilt er sich T- oder Y-förmig wobei beide Teiläste gleichsam eine gemeinsame Faser bilden. Ein Teil- ast (/, Fig. 2, Taf. IV) verläuft zum inneren Chiasma, der andere dringt in die dritte Schicht der Marksubstanz ein, und endigt nach dem Durch- tritt durch ihre mittlere Zwischenschicht (6) unter gabelförmiger Teilung. Auf seinem ganzen Verlauf entspringen von ihm Seitenäste, die sich ihrerseits verzweigen und in feinste variköse Fädchen zerfallen. Auf diese Weise entsteht aus sämtlichen Verästelungen eine baumförmige Verzweigung, die die ganze dritte Schicht der Marksubstanz durchzieht. Außer den beschriebenen, von der inneren Körnerschicht aus ein- tretenden Fasern, die Fortsätze der Zellen jener Schicht sind, treten aus dem inneren Chiasma in die Marksubstanz noch andere Fasern ein, (leren Herkunft für mich unklar geblieben ist. Unter diesen Fasern können zwei Typen unterschieden werden. Die Fasern des einen Typus treten in die Marksubstanz ein, ver- laufen durch die innere (dritte) Schicht und endigen in der zweiten Schicht in baumförmigen Verzweigungen (Fig. 10, Taf. III e^). Die Fa- sern der zweiten Art endigen in der dritten Schicht in ungemein aus- gebreiteten diffusen Verzweigungen, die dabei jedoch arm an varikösen Ästchen sind (Fig. 1, Taf. IV). Beim Vergleich der Fig. 1, Taf. IV und der Fig. 10, Taf. III muß jedoch im Auge behalten werden, daß die erste bei einer geringeren Vergrößerung und von einer relativ kleinen Endverzweigung gezeichnet worden ist. Hinsichtlich der Herkunft der Fasern, welche die hier beschriebe- nen Endverzweigungen geben, können zwei Annahmen gemacht werden: Einerseits können sie centraler Herkunft sein, wie es R. Cajal vor- schlägt, der ähnliche Gebilde bei der Fliege beschrieben hat. Wie weiter ersichtlich sein wird, ist jedoch ihre centrale Herkunft in meinem Fall, d. h. bei der Äesckna-Ija.i\e, äußerst problematisch, da sie aus Nerven- bündeln stammen, die durchaus nicht mit dem Centrum verbunden sind {conf, Taf. I). Meiner Ansicht nach ist die Annahme richtiger, daß diese Fasern Fortsätze der Zellen mit T-förmiger Verzweigung sind, Zeitschrift f. wisseasch. Zoologie. CVIII. Bd. 14 208 Alexius Zawaizin, wobei ich jedoch diese letztere uicht beobachtet habe. Eine derartige Annahme ist um so wahrscheinhcher, als die T-förmigen Teilungen schwer eruierbar sind, außerdem jedoch durch eine Reihe anderer in dem inneren Chiasma verlaufenden Fasern, ferner auch durch die in ihm häufig vorhandenen Niederschläge maskiert werden. Keiner von den, mit speziellen Mitteln arbeitenden Forschern Textfig. 12. Ein etwas scliiäger Durchschnitt durch den inneren Winkel des zweiten Ganglions. Verfaliren nach GOLGI. A'ergr. 235:1. Bei Reproduktion verkleinert. I, II, III, die drei Hauptschichten der Marksubstiinz; p^,v^, P^,P*> gradlinige Geflechte in ihnen; Zp, Zellen, deren Fortsätze diese Geflechte bilden. (Kenyon, R. Cajal, Jonescu) hat in der inneren Körnerschicht irgend- welche Elemente beobachtet; von den centrifugalen Fasern R. Cajals, war soeben die Rede. Horizontale Geflechte und die sie bildenden Zellen. In verschiedener Höhe der Marksubstanz des zweiten Ganglions sind zahl- reiche Geflechte angeordnet. — Die Ursprungsstätte sämtlicher Ge- flechte bildet der innere Winkel des zweiten Ganglions, wo sowohl große Nervenzellen als auch eine große Gruppe kleiner Zellen gelegen ist, welch letztere ohne wahrnehmbare Grenzen in die innere Körner- schicht übergeht {Gz, Textfig. 3, Textfig. 7, Taf. I, Lzy, ezt, Cz). Die Histologische Studien über Insekten. IV. 209 großen sowie die kleinen Zellen bilden mit ihren Fortsätzen die er- wähnten Geflechte. Da auf den Golgi- Präparaten diese Geflechte zu intensiv tingiert sind und auf den Methylenblaupräparaten einige Geflechte überhaupt nicht gefärbt sind, so war es mir nicht möglich, mich in ihrer Struktur vollkommen zu orientieren, infolgedessen mir manches unaufgeklärt geblieben ist. Ich werde daher zunächst die Zellen und die von ihnen unmittelbar abgehenden Fortsätze und dar- auf die Geflechte selber beschreiben. In den Bestand des Eckganglions gehen vor allem ein: a) Kleine Zellen. Diese Zellen unterscheiden sich der Form ihres Körpers nach nicht von den Zellen der äußeren Körnerschicht. Ihren Fortsätzen nach zerfallen diese Zellen in zwei Typen. Der Fort- /rZ-c. Textfig. 13. Seukrecliter Schnitt durch das zweite Ganglion einer Aeschna-liurve. Verfahren von GOLGI. Vergr. 390:1. Die Figur ist verkleinert. I, II, III, drei Hauptscliicliten der Marksubstanz; p^, äu ßeres Geflecht (vollkommen geschwärzt); pf, pfi, dicke Fasern aus andern Geflechten; Kf, schräge Fasern. Auf der Figur sind die andern auf dem Präparate sichtbaren Elemente nicht dargestellt. satz der einen tritt (Fig. 7, Taf. IV z) an den inneren Rand der Mark- substanz heran und dringt in diese ein, entweder von deren äußeren oder inneren Oberfläche oder von den Grenzlinien zwischen den Haupt- schi chten der Marksubstanz (Fig. 7, Taf. IV und Textfig. 12). Weiter können diese Fortsätze nicht verfolgt werden, es ist jedoch deutlich sichtbar, daß sie das weiter unten beschriebene geradlinige Geflecht bilden (Textfig. 12 p^, f^, f^, p'^). Der Fortsatz anderer kleiner Zellen teilt sich an der Marksubstanz oder sogar häufiger in einiger Entfernung von derselben T-förmig (F ig. 7, Taf. IV zt, t und Fig. 5), wobei der eine Teilast in die Markmasse 14* 210 Alexius Zawarzin. eindringt und daselbst in ein geradliniges Geflecht übergeht, wie der Fortsatz des vorher beschriebenen Zelltypus, der andere Teil- ast dringt in die Commissur ein und verläuft in ihr zum dritten Ganglion (conf. Taf. I, czt). Bei einer stärkeren Vergrößerung ist eine derartige T-förmige Teilung aus der Fig. 7 auf Fig. 5. Taf. IV ab- gebildet. Mit Methylenblau werden weder die Zellen noch die Fortsätze gefärbt; von den anderen Forschern sind sie nicht gesehen worden. b) Die großen Zellen liegen näher zum oberen Schlundganglion Textfig. 14. Ein etwas stliräger, senkr(>fliter Durclischiiitt durch den Winkel des zweiten Ganglions einer J.escÄwrt- Larve. GOLGI-Verfahren, Vergr. 240:1. Bei Reproduktion Verkeinert. /, //, ///. -drei Hauptscliichten der iMarkmasse; ef, aus dem äußeren Chiasma eintretende Faser ;/.2i', eintretende dieko, horizontale Fasern. F^,P^, die von diesen gebildeten Geflechte. 3, 7, 9 ~) als eine wenig zahlreiche Gruppe, die allseitig von kleinen Zellen umgeben ist. Ihr recht feiner Fortsatz teilt sich T-förmig; die Teiläste sind bereits viel dicker und bilden gleichsam eine Faser, an die seitwärts die Zelle angegliedert ist. Ein Teilast tritt an die Marksubstanz heran und teilt sich häufig, bevor er dieselbe er- reicht, in zwei Äste (Textfig. 14 F). Jedenfalls verästelt er sich nach seinem Eintritt in die Marksubstanz reichlich, von diesen Asten ent- springende variköse Fäden bilden verzweigte Geflechte, die sich bei- nahe in der ganzen Ausdehnung einer ganzen Schicht der Marksubstanz erstrecken (Textfig. 14 P^, P^). Histologische Studien über Insekten. IV. 211 Der andre Teilast der T-förmigen Verzweigung verläuft in die Commissur, wobei er auf seinem ganzen Verlauf beträclitlich dick er- scheint (Taf. I, Cz). Die beschriebenen Beziehungen illustrieren die Fig. 4, 5 der Taf. II, Fig. 7, Taf. IV und Textfig. 14). Aus diesem Grunde ist es unmöglich zu behaupten, daß sämtliche dicke Geflechte notwendigerweise von Fortsätzen großer Zellen gebildet werden, da zugegeben werden nniß, daß ein Teil dieser dicken Fasern auch aus dem oberen Schlundganglion stammt.' Vollkommen gleiche jedoch näher zum oberen Schlundganglion gelegene Zellen hat auch Kenyon (1897) bei der Biene beschrieben, er- gibt jedoch, wie ich bereits erwähnt, in seiner Arbeit nur ein Schema, auf welchem weder der Charakter der Fortsätze noch ihre Verzwei- ";ungen sichtbar sind. Auch R. Cajal hat bei der Fliege an der entsprechenden Stelle große Zellen gesehen; dem Charakter ihrer Fortsätze nach unter- scheiden sie sich jedoch von denen von Kenyon und mir beschrie- benen. Nach R. Cajal teilen sich ihre Fortsätze nicht T-förmig, son- dern dringen direkt in die Marksubstanz ein, wo sie in Geflechte zerfallen. Indem ich nunmehr auf die Beschreibung der Geflechte übergehe, muß ich zunächst bemerken, daß sie an ganz bestimmten Stellen der Marksubstanz angeordnet sind und Zwischenschichten bilden, die bereits auf den vermittelst gewöhnlicher Methoden dargestellten Präparaten gut wahrnehmbar sind. Auf der Textfig. 6 sind mit den Buchstaben 'p'^,'p'^,'p^,'p^ die Schichten bezeichnet, in denen sich die Hauptmasse der Geflechte vorfindet. Es sind das somit vor allem die äußere und innere Oberfläche der Markschicht und ferner die Grenze zwischen der ersten, zweiten und dritten Hauptschicht dieser. Jedes Geflecht breitet sich in der ganzen Ausdehnung ihrer Schicht aus und besteht aus Fasern zweierlei Art. Die einen er- scheinen auf den Golgi- Präparaten als feine, wenig variköse mehr oder weniger geradlinige Fasern , die andern sind dick, verzweigen sich reichlich bis zu feinsten varikösen Fädchen und nehmen mit ihren Verzweigungen eine große Fläche ein. Die ersten nehmen ihren Ursprung von den kleinen Zellen des Eckganglions, die zweiten von den großen. Am kompHziertesten ist daß äußere Geflecht. Es ist an der äußer- sten Fläche in der ersten Schicht der Marksubstanz angeordnet. Auf 212 Alexius Zawarzin, einem tangentialen Flachschnitte hat dieses Geflecht folgendes Aus- sehen (Fig. 3, Taf. IV). Längs der Oberfläche ziehen feine, wenig variköse Fasern (//), die mit ihrer Entfernung von der Ursprungsstelle Textfig. 15. Senkrechter Schnitt durch das zweite optische (Janglion einer Aesckna-liaTve. Verfaliren nach OOLGI. Vergr. 410:1. /, II, III, drei Hauptschichteu der Marksubstanz; p^, p-, p^, p*, Geflechte aus dünnen geradlinigen Fasern; P'-, P^, P', P', Geflechte aus dicken Fasern; e, eine Anastomose zwischen pi und P-; /, dnrchzieliender Fortsatz einer Zelle der äußeren Kernschicht. (der Eckanhäufung von Zellen) allmählich divergieren und dermaßen längs der ganzen Oberfläche der Marksubstanz verlaufen. Unter ihnen, sie in einem rechten Winkel kreuzend, verlaufen gleiche Fasern (gf). Ihren Ursprung habe ich nicht feststellen können. Aller Wahrschein- Histologische Studien über Insekten. IV. 213 lichkeit nach sind diese Fasern Fortsätze eines Teils der Zellen der äußeren Körner scliicht. Noch tiefer sind dicke, stark verzweigte Fasern angeordnet (P). Zwischen ihnen sind stets desgleichen dicke Fasern anzutreffen, die auf ihrem Gesamtverlauf mit kleinen kurzen Astchen besetzt sind. Diese »Moosfasern << (m) sind aller Wahrscheinlichkeit nach nur Ab- zweigungen der dicken Fasern und erhalten das beschriebene Aussehen bloß infolge Silberniederschläge. Möglich ist es jedoch, wenn auch wenig wahrscheinlich, daß sie Gebilde sui generis sind; in diesem Falle ist ihre Herkunft für mich vollkommen unklar. Von den Fasern des glatten, geradlinigen Geflechtes ziehen in die Tiefe der Marksubstanz zahlreiche Ästchen (Fig. 7, Taf. III), die nach sehr kurzem Verlaufe in baumförmige Verzweigungen (6) zerfallen. Diese sämtlichen Verzweigungen sind in einer Lage angeordnet und bilden in der ersten Scliicht der Marksubstanz, zwischen deren äußerer Oberfläche und der palissadenförmigen Zwischenschicht {ps, Fig. 7, Taf. III, b, Textfig. 6) eine besondere Zwischenschicht, die bereits auf den gewöhnlichen Präparaten sichtbar ist und auf der Textfig. 6 mit a bezeichnet ist. Auf der Grenze zwischen der ersten und zweiten Haupt- schicht (p^, Textfig. 6) ist ein zweites Geflecht angeordnet, das jedoch einfacher gebaut ist. Hier sind nur dicke, reichverzweigte Fasern vorhanden {P^, Textfig. 15), die das eine Geflecht bilden und feine geradlinige Fasern, die ein zweites Geflecht zusammensetzen {p^, Text- fig. 12, 15). Ein drittes Geflecht von vollkommen gleichem Charakter liegt an der Grenze der zweiten und dritten Hauptschicht der Marksubstanz (p3, Textfig. 6, P^, Textfig. 14, p^, Textfig. 12, p^, P^, Textfig. 15). In der dritten Schicht, an deren inneren Oberfläche {p^, Textfig. 6) liegen schließlich noch zwei Geflechte des gleichen Charakters wie die vorher- gehenden, d. h. ein dickes verzweigtes und ein feines geradliniges (p*, Textfig. 12, P^ Textfig. 14, p"^ P*, Textfig. 15). Von dem einen Geflecht zum andern ziehen Verbindungsfasern, wobei die dicken Geflechte durch dicke, die feinen durch feine Fasern verbunden werden. Derartige Verbindungen zwischen den dicken Ge- flechten sind ausgezeichnet auf der Textfig. 15 (c) sichtbar. Die Verbindungen der geradhnigen Geflechte treten deutlich auf der Text- fig. 13 hervor, auf der zahlreiche feine Fasern wahrnehmbar sind, die in AVindungen durch die Marksubstanz in schräger Richtung verlaufen; gleiche Fasern sind auch auf der Textfiji. 15 sichtbar. 214 Alcxius Zawarzin, Die verzweigten Geflechte, die auf Golgi- Präparaten aus dicken Fasern zu bestehen scheinen, färben sich ausgezeichnet mit Methylen- blau; auf derartigen Präparaten erweisen sich diese Fasern viel feiner und stärker varikös. Ein Teil eines derartigen Geflechtes ist bei einer Vergrößerung mit dem Immersionssystem auf Fig. 4, Taf. II abge- bildet. Die Marksubstanz des zweiten Ganglions. Sämtliche oben beschriebene Fasern bilden mit ihren Verzweigungen die centrale Marksubstanz, die bereits auf gewöhnlichen Präparaten einen unge- mein komplizierten, geschichteten Bau aufweist. Alle diese Schichten werden von äußerst charakteristischen und zwar für jede derselben charakteristischen Fasern und deren Verzweigungen gebildet. Von der Außenfläche ausgehend können in der Marksubstanz folgende Schichten unterschieden werden (Textfig. 6). An der Oberfläche ist ein äußeres dreischichtiges Geflecht angeordnet (p^). Von dem äußeren gerad- linigen Geflechte abgehende Astchen mit baumförmigen Verzweigungen bilden die folgende Schicht («); darauf folgt die palissadenförmige Schicht, die von den Enden des aus dem äußeren Chiasma eintretenden Fasern, sowie von den sie umflechtenden Verzweigungen von Lokal- zellen der äußeren Körnerschicht gebildet wird. Unmittelbar unter- halb dieser Schicht liegt eine helle Zwischenschicht {p^), die die ersten zwei Hauptschichten der Marksubstanz trennt und in der die zwei folgenden horizontalen Geflechte angeordnet sind {p'^, P^, Textfig. 15). Auf diese folgt die mittlere Hauptschicht der Marksubstanz (II), die keinerlei Zwischenschichten enthält; unterhalb derselben liegt jedoch ein heller Streifen (p^), in welchem die beiden folgenden horizontalen Geflechte verlaufen ^j)^, P^, Textfig. 15). In der dritten Markschicht (III, Textfig. 6), ist in der Mitte eine Zwischenschicht, die von den Schlingen der rückläufigen Fortsätze der inneren Körnerschicht {b") gebildet wird, vorhanden; an der inneren Oberfläche sind dann schließlich die beiden letzten horizontalen Geflechte angeordnet (p*). Sämtliche Zwischenräume zwischen den beschriebenen, charakte- ristischen Schichten sind mit Verzweigungen der Fortsätze von Zel- len der äußeren und inneren Körnerschicht erfüllt. Werden somit sämtliche Zwischenräume und horizontale Geflechte als selbstän- dige Schichten gerechnet, so können in der Marksubstanz des zwei- ten Ganglions 18 Schichten gezählt werden. Auf einen derartigen komplizierten Bau der optischen Centra weist auch R^dl (1912) in seinem Buche hin, wobei er ihm eine große Bedeutung für die Sehfunk- tion zuspricht. Histologische Studien über Insekten. IV. 215 d. Das innere Chiasma. Aus dem zweiten Ganglion opticum treten, wie ich bereits oben geschildert habe, folgende Fasern aus: Durchziehende Fortsätze der Zellen der äußeren Körnerschicht, rückläufige Fortsätze der Zellen der inneren Körnerschicht und die proximalen Teiläste der T-förmigen Fort- sätze der Zellen derselben Schicht. Die Kreuzung der Fasern erfolgt in diesem Chiasma hauptsächlich in derselben Ebene, wie in dem äußeren Chiasma; so daß sie am besten auf streng senkrechten Schnitten sichtbar ist (Textfig. 7). Hier kreuzen sich jedoch augenscheinlich nicht alle Fasern. Vollkommen zweifellos läßt sich nur die volle Kreuzung der durchziehenden Fasern von Zellen der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions feststellen. Hin- sichtlich der übrigen aus diesem Ganglion in das Chiasma eintretenden Fasern habe ich aus meinen Präparaten den Eindruck davongetragen, daß dieselben sich nicht kreuzen, obgleich die Lösung dieser Frage sehr schwierig ist, da dazu vollkommen klare und vollständige Bilder erforderlich sind, die vermittelst der Methode von Golgi um so schwie- riger zu erhalten sind, als im Chiasma fast stets Niederschläge aus- fallen. Auf totalen, mit Methylenblau gefärbten Präparaten gelingt es überhaupt nicht, eine klare Vorstellung von dem Chiasma zu er- halten. Jedenfalls stellt das innere Chiasma, wie aus der Beschreibung des dritten Ganglions ersichtlich sein wird, ein dermaßen kompliziertes Gebilde dar, das zu entwirren nicht so einfach ist, wie es der erste, flüchtige Anblick erscheinen läßt. Kenyon (1897) sah bei der Biene im inneren Chiasma die Kreu- zung nur der durchziehenden Fasern der äußeren Zellen des zweiten Ganglions, was natürlich vollkommen verständlich ist, da Kenyon im zweiten Ganglion überhaupt keine andern Zellen gesehen hat. E,. Cajal hat die Fliege untersucht, bei dieser (wie überhaupt bei den Diptera), so wie bei den Lepidoptera ist ein inneres Chiasma nicht vorhanden. Außerdem ist in diesen Ordnungen der Insekten auch das dritte optische Ganglion vollkommen abweichend von den andern Gruppen gebaut. Der weitere Vergleich meiner Befunde mit denjenigen R. Cajals stößt daher auf große Schwierigkeiten, die außerdem noch dadurch gesteigert werden, daß diesem Forscher, wie er es selber mitteilt, vieles vom Bau des dritten Ganglion opticum oder wie er es nennt >>foco ovo- ideo «, unaufgeklärt gebheben ist. 216 Aloxius Zawaizin, Der Vergleich des Baues des dritten Ganglions von Insekten, die ein inneres Chiasma haben, mit denjenigen von Insekten, die ein inneres Chiasma nicht haben , bietet ein großes Interesse , besonders nach der Aufstellung des Prinzips von Eadl, der die Lage des Ganglions in Zusammenhang mit einem vorhandenen oder nicht vorhandenen Chiasma stellt. Leider kann ich einen derartigen Vergleich nicht durch- führen, da die Untersuchungen von R. Cajal ein viel zu geringes Material geben. e. Das dritte Ganglion opticum. Dieses Ganglion besteht, wie bereits geschildert worden ist, aus vier Markmassen, an die sich zwei Zellanhäufungen — eine äußere und eine innere Kernschicht anschließen (Textfig. 7, IH^ — ^-^-^4 (^^^s, ilcs). Ich beginne die Beschreibung der Nerveuelemente des dritten Ganglions mit den aus dem inneren Chiasma in ihn eintretenden Fasern, beschreibe darauf die äußere und innere Körnerschicht und schließhch die drei ersten Markmassen. — Die vierte Markmasse, die in einem ge- wissen Grade ein selbständiges Gebilde darstellt, w^erde ich gesondert beschreiben. Aus dem inneren Chiasma treten in das dritte Ganglion dreierlei Faserarten ein: die durchziehenden Fasern von Zellen der äußeren Körnerschicht, rückläufige Fortsätze und T-förmige Fortsätze von Zellen der inneren Körnerschicht. Die durchziehenden Fasern von Zellen der äußeren Körnerschicht treten in die Marksubstanz des dritten Ganglions nach ihrer Kreuzung im inneren Chiasma ein und endigen in verschiedener Höhe in baum- förmigen Verzweigungen. Ein Teil derartiger Fortsätze endigt in der ersten Markmasse in der Nähe ihrer äußeren Oberfäche. Ein Teil dieser Endigungen {chf, Fig. 5, Taf. V) ist annähernd in einer Reihe ange- ordnet, andre wieder sind anders gelagert, wie es die Figur zeigt. — Andre Fasern dieser Art dringen durch die erste Markmasse unter Ab- gabe von Seitenästen hindurch und endigen blos in der zweiten (Fig. 3, Taf. V chf und Fig. 5, Taf. VI //), wieder andere Fasern verlaufen auch unter Abgabe von Seitenästen durch die zweite Markmasse und endigen erst in der dritten {Fe, Fig. 5, Taf. VI). Alle diese Fasern sind dünn, varikös, ihre Endverzweigungen haben einen diffusen Charakter, so daß an den Stellen; an denen sie zahlreich vorhanden sind, es schwer ist, zu bestimmen, wo die eine End Verzweigung beginnt, die andre aufhört. Infolgedessen muß meine Einteilung derselben mit einiger Vorsicht mit dem angegebenen Vorbehalt aufgenommen werden. Augen- scheinlich durchlaufen diese Fasern mit ihren Verästelungen die drei Histologische Studien über Insekten. IV. 217 ersten Markmassen des dritten Ganglions, möglicherweise treten sie auch in die vierte ein. Die Fortsätze der Zellen der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions mit T-förmiger Teilung verlaufen durch das innere Chiasma und die äußere Körnerschicht des dritten Gan- glions und treten in dessen Marksubstanz ein. Hier dringen sie durch die erste Markmasse in senkrechter Richtung vor, wobei sie dichte, jedoch relativ kurze Seitenäste abgeben (Fig. 6, Taf. 5). Au der Grenze zwischen der ersten und zweiten Markmasse biegen diese Fasern ungefähr in einem Winkel von 90° ab, verlaufen längs dieser Grenze zur vierten Markmasse, wo sie endigen (conf. Schema Taf. I, Rz^). Die rückläufigen Fortsätze von Zellen der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions teilen sich nach dem Austritt aus dem Chiasma Y-artig in zwei Aste (r/, t, Fig. 7, Taf. V) noch im Bereich der äußeren Körnerschicht des dritten Ganglions. Der eine der Teiläste dringt darauf in die erste Markmasse ein, verläuft in ihr eine sehr kurze Strecke und endigt in der ersten Zwischenschicht {a, Fig. 7, Taf. V) in einer sehr charakteristischen Endverzweigung. Hierbei teilt sich die Faser in mehrere (gewöhnlich drei) dicke Äste, die ihrerseits wieder einige kleine Auswüchse bilden. Drei derartige Verzweigungen sind auf Fig. 7, Taf. V, te dargestellt. Der andere Teilast verläuft in der äußeren Körnerschicht, parallel der Oberfläche der ersten Markmasse, zur vierten Markschicht (T, Fig. 7, Taf. V), wobei sämtliche gleichartige Fasern ganze Nervenstämmchen bilden. In der vierten Markmasse endigen sämtliche derartige Fasern (conf. Schema Taf. I kz). Kenyon (1897) beschreibt im dritten Ganglion nur die Endigungen durchziehender Fortsätze der Zellen der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions ungefähr ebenso wie ich sie gesehen. Zellen der äußeren Körnerschicht. In der äußeren Körner- schicht habe ich nur Zellen zweierlei Typus beobachtet. Die Fortsätze beider Zelltypen treten nicht aus dem Bereich des dritten Ganglions heraus, infolgedessen sie nach der von mir angenommenen Termino- logie als Lokalzellen bezeichnet werden müssen. Bei den einen Zellen (Jz, Fig. 7, Taf. V) tritt der Fortsatz nach seinem Verlauf durch die äußere Körnerschicht in die erste Markmasse ein, Hier erreicht er die erste Zwischenschicht (a, Fig 7, Taf V) und gibt auf der Höhe derselben eine ungemein dichte Seitenverzweigung {cv) ab, die nicht aus dem Bereich dieser Zwischenschicht austritt. Diese Seitenverzweifjuno; erinnert ihrem Charakter nach an die dichten 218 Alexius Zawarzin, Büschel, mit denen die Schlingen der rückläufigen Fortsätze von Zellen der inneren Körnerschicht in/ der dritten Schicht der Marksubstanz des zweiten Ganglions endigen. Bisweilen sind diese Verzweigungen dermaßen dicht, daß sie als Muff erscheinen, durch welchen die Nerven- faser hindurchtritt (Fig 7, Taf \ cv, Fig. 1, Taf. VI). Die Nerven- faser selber (^/, //i, Fig. 1 , Taf. VI) verläuft weiter durch den übri- gen Teil der ersten Markmasse, darauf durch die zweite und endigt erst in der dritten, wobei sie auf ihrem ganzen Verlauf keinen Seiten- ast abgibt. Die Endverzweigimg dieser Faser im dritten Marklager ist sehr charakteri; tisch (Fig 2 ev, Taf V). Obgleich sie ein differentes Aus- sehen hat, so erinnert sie dennoch sehr an die Endverzweigung des rückläufigen Fortsatzes von Zellen der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions in der ersten Markmasse des dritten Ganglions. Auch hier ist der Endapparat im Vergleich zu der ihn bildenden Faser verdickt. Desgleichen fehlen hier reiche baumförmige Verzweigungen; es sind nur sehr kurze und dicke Seitenäste vorhanden usw. Diese Zellen schlage ich vor als äußere Lokalzellen des I.Typus des dritten Ganglion zu bezeichnen. Die äußeren Lokalzellen des IL Typus entsenden ihren ein- zigen Fortsatz desgleichen in die erste Markmasse. Hier verläuft er durch die äußere Zwischenschicht («, Fig. 7. Taf. V) und nur nach dem Aus- tritt aus derselben gibt er variköse Seitenverzweigungen ab {Lf, Fig. 1, Taf. VI, Fig. 7, Taf. V). Nach einem somit kurzen Verlauf teilt er sich in zwei Aste. Beide Aste verlaufen einander parallel, beide sind mit varikösen Astchen besetzt. Der eine derselben endigt, bevor er die Grenzlinie zwischen der ersten und zweiten Markmasse erreicht hat; der andere durchläuft die ganze erste Markmasse, biegt längs der Grenzlinie um und zieht zur vierten Markmasse, in der er sein Ende erreicht (Fig. 1, Lf. Taf. VI). Bereits nach dem Austritt aus der ersten Markmasse fehlen ihm jegliche Seitenäste (conf. Schema Taf. I, LZ'^). In der äußeren Körnerschicht des dritten Ganglions beschreibt Kenyon (1897) bei der Biene bloß Zellen eines Typus, die nach meiner Terminologie als Zellen mit durchziehenden Fortsätzen bezeichnet werden müßten, da diese erst in dem oberen Schlundganglion en- digen. Derartige Zellen habe ich bei den Wasserjungferlarven nicht ge- sehen; die Verbindung mit dem Gehirn erfolgt außerdem meiner 31ei- nung nach auf andre Weise. Kenyon gibt leider nur ein Schema, in- Histologische Studien über Insekten. IV. 219 foleedessen ist ein Vergleich unsrer Befunde sehr erschwert, außerdem hat Kenyon keine derartigen Zellen, wie die soeben von mir beschrie- benen Lokalzellen, gesehen. LP Textfig. ]6. Ein senkrechter Schnitt durch die optischen Ganglien einer J^cse^Ma-Larve. Verfahren nach GOLGI. Vergr. 235:1. I, II, III, die drei Hauptscliichten der Marlisubstanz des zweiten Ganglions; Ff, durchziehende Fasern dessen äußerer Körnerschicht; F, Fasern des inneren Cliiasma Z, Zellen der Eckanhäufung; C, Commissur; t, T-förmige Verzweigung; 2, 3. die zweite und dritte Mark- masse des dritten Ganglions; If, Endigung des Fortsatzes einer äußeren Lokalzelle des I. Typus; Ce, Verzweigungen der Commissurenfasern. Bevor ich auf die Beschreibung der inneren Körnerschicht des dritten Ganglions übergehe, muß ich noch des Faserbündels er- wähnen, welches den inneren Winkel des zweiten Ganglions mit dem 220 Alcxius Zawarzin, dritten verbindet und welches ich vorschlage, als Comniissur zu be- zeichnen. Diese Comniissur stellt ein sehr kompliziertes Gebilde vor, dessen Untersuchung dadurch erschwert wird, daß die dasselbe bildenden Fasern dicht bei einander liegen, infolgedessen sie schwer auf weitere Strecken verfolgt werden können. In der Comniissur können zwei Teile unterschieden werden. Eine Hälfte derselben, die an das zweite Ganglion sich anschließt, enthält außer Fasern, die letzteren mit dem dritten Ganglion verbinden und dicker Fasern, die ins Gehirn verlaufen, noch Fasern, die Fortsätze der Eckzellen des zweiten Ganglions darstellen und in der Comniissur verlaufen, um in der Marksubstanz dieses Ganglions ein Geflecht zu bilden {pf, Textfig. 16). In der andern, an das dritte Ganglion grenzenden Hälfte der Com- missur verlaufen außer den angegebenen Zellen noch Fortsätze der inneren Zellen dieses Ganglions, die zu seiner Marksubstanz ziehen. Wie bereits oben beschrieben wurde, so verzweigen sich die Fortsätze der großen, in der Zellanhäufung des inneren Winkels des zweiten Ganglions gelegenen Zellen (conf. Taf.I) T-förmig, wobei der eine dicke Teilast in die Marksubstanz des zv/eiten Ganglions eintritt und daselbst ein verzweigtes Geflecht bildet (Pi — P*), während der andere ebenso dicke Teilast zum Gehirn verläuft. Diese dicken Fasern verlaufen, wie ich soeben erwähnt habe, in der Commissur, an der Stelle jedoch, wo diese zum dritten Ganglion abbiegt, treten sie aus derselben aus und ziehen als selbständiges Bün- del in das obere Schlundganglion (conf. Schema Taf. I). Da jedoch die Annahme (siehe oben) mögHch ist, daß ein Teil dieser Fasern nicht mit den großen Zellen des zweiten Ganglions in Verbindung steht, sondern centralen Ursprungs ist ; so muß zugegeben werden, daß in diesem Faserbündel auch derartige Fasern verlaufen können. Alle bisher beschriebenen Fasern haben somit keine direkten Beziehungen zur Commissur. Wahre Commissurenfasern sind nur die Fortsätze derjenigen kleinen Zellen der Eckanhäufung des zweiten Ganglions, die sich T-förmig verzweigen {t, Textfig. 16). Ein Teilast eines derartigen Fortsatzes dringt, wie beschrieben wurde, bereits vor- her in die Marksubstanz des zweiten Ganglions ein, wobei es sich den horizontalen geradlinigen Geflechten zugesellt; der andere Teilast dagegen verläuft zur Marksubstanz des dritten Ganglions (Taf. I, Textfig. 16). Histologische Studien über Insekten. IV. 221 Ein Bündel derartiger Fasern verläuft zunächst längs der oberen! Oberfläche der dritten Markmasse, biegt um deren innere Oberfläche herum und dringt schließlich in die Marksubstanz des dritten Ganglions ein, längs der Grenzlinie zwischen seiner zweiten und dritten Markmasse. Längs dieser Grenze verläuft das Bündel fast bis zu deren äußerem Abschnitte, wobei es in einzelne Fasern zerfällt {Ce, Text- fig. 16). Diese Fasern sind hier dermaßen durcheinandergewirrt, sowohl mit einander als auch mit Fasern anderer Art, daß ich trotz größter Mühe ihre Endigungsweise nicht genau habe feststellen können. Diese Fasern geben augenscheinlich in der zweiten, hauptsächlich jedoch in der dritten Markmasse dichte Geflechte, von denen zahlreiche variköse Ästchen abgehen. Auf einigen Präparaten (Textfig 17) werden in der dritten Mark- masse Endverzweigungen in Gestalt kleiner Bündel imprägniert {cv), die augenscheinlich von Commissurenfasern stammen, obgleich auch hier die Beziehungen dermaßen verwickelt sind, wie es bereits die Zeichnung zeigt, daß über sie nichts genaues ausgesagt werden kann. Die innere Körner schiebt des dritten Ganglions ist kein selb- ständiges anatomisches Gebilde, sondern mit der Eckanhäufung von Zellen des zweiten Ganglions zu einer Masse verschmolzen und grenzt unmittelbar an die Commissur. In der inneren Körnerschicht können mindestens vier Zelltypen unterschieden werden. Alle diese Zellen sind von gewöhnlicher Größe, rund und uni- polar. Wie aus dem folgenden ersichtlich sein wird, so ist es äußerst schwierig, ihren Fortsatz von seinem Ursprünge bis an sein Ende zu verfolgen, infolgedessen kann eine Vorstellung von ihm nur durch Kombination verschiedener Schnitte gewonnen werden. Doch auch bei diesem Verfahren können vollkommen überzeugende Bilder erhalten werden, die es gestatten, eine genaue Aussage über diese Zellen zu machen. Die Fortsätze sämtlicher vier Zelltypen sammeln sich in ein Bündel, das sich der Commissur beigesellt und mit ihr um die äußere und innere Oberfläche der dritten Markmasse zieht. Weiter tritt dieses Bündel gleichfalls mit den Commissurenfasern in die Marksubstanz, längs der Grenzlinie zwischen der zweiten und dritten Markmasse (Taf. I, Textfig 16, Fig. 5, C/, Taf. VI, Fig. 3 ef, ef, Taf. V) ein. 1 Hinsichtlich der Orientierung siehe oben am Anlange der topographischen Schilderung der SehgangHen. 222 Alexius Zawarzin, Hier verzweigen sich die Fortsäte der inneren Zellen T-förmig, wobei ein Teilast (Fig. 1 ev, Fig. 3, Taf. V, Fig. 5 t, Taf. VI) durch die dritte Markmasse hindurchzieht, ihre obere Oberfläche erreicht, aus ihr heraustritt, in der Richtung zum Gehirn umbiegt und in das letzte verläuft {cn, Fig. 3, Taf. V, r/, Fig. 5, Taf. IV). cv - Textfig. 17. Durchsclinitt durch das dritte Ganglion opticum einer Aesclma-'LATve. Verfahren nach Golgi. Vergf. 410:1. 1, 2, 3, die drei ersten Marlcniasseu des diitten Ganglions; ef, Commissurenbiindcl; aj, eintretende Bündel; cv, Endverzweigungen von Commissu^enfa•^ern ( ?) ; ie, Endverzweigungen durchziehender Fortsätze von äußeren Zellen des zweiten Ganglion opticum. Diese Fasern bilden in ihrer Gesamtheit ein selbständiges centri- petales Bündel. Ein Unterschied in diesen Fortsätzen sämtlicher vier Zelltypen der inneren Körnerschicht ist nicht zu erkennen. Anders verhält es sich mit den zweiten Teilästen, deren ein Teil in die zweite, ein anderer in die erste Markmasse zieht. Histologisclie Studien über Insekten. IV. 223 Die einen derselben nehmen unmittelbar nach der T-förmigen Teilung an Dicke zu, verlaufen eine kurze Strecke in der zweiten Mark- masse (Fig. 5, Tai.YIRe), geben gleich dicke Seitenäste ab, verzweigen sich schließlich selber und endigen somit, ohne die zweite Markmasse zu verlassen. An den verdickten Hauptverzweigungen sind zahlreiche feine, variköse Fädchen angeordnet. Der allgemeinen Form nach kann diese ganze Endverzweigung mit einem Hirschgeweih verglichen werden. In der zweiten Markmasse werden außerdem noch einige reich- licher verzweigte Endbäumchen in der Art der in Fig. 3 62, Taf. V ab- gebildeten, angetroffen ; sie in einen besonderen Typus zu sondern, sehe ich keinen besonderen Grund, da der Charakter der Verzweigungen derselbe wie im vorigen Fall ist. Die andere Art der Teiläste verdickt sich desgleichen unmittelbar nach der T-förmigen Teilung; sie geben je- doch in der zweiten Markmasse bloß wenige Seitenäste ab, während die Hauptmenge ihrer Verzweigungen bereits in der ersten Markmasse an- geordnet ist (Taf. V, Fig. 1 v). Wie es die Figur zeigt, besteht diese Eudverzweigung aus viel feineren Astchen und nimmt viel mehr Platz ein als beim ersten Typus. Außerdem muß noch vermerkt werden, daß die Endverzweigungen dieses Typus niemals besonders tief in die erste Marksubstanz ein- dringen, sondern sich nur auf deren innere Hälfte beschränken (Fig. 3, Taf. V, ed). Die Teiläste der dritten Art werden nach der T-förmigen Teilung fast nicht verdickt und verlaufen ohne irgendwelche Seitenäste ab-, zugeben, durch die zweite Markmasse zur ersten. Hier verlaufen sie (Fig. 1, Taf. V Ivi, Fig. 3 ec, eh) in derselben Weise bis zur dritten Zwischen- schicht (e, Fig. 3, Taf. V) und verzweigen sich, sobald sie dieselbe er- reicht haben, in ein Büschel variköser Fasern, die sich allmählich ver- feinern gegen ihre distalen Enden (Fig. 1, Taf. V). Diese Endbiischel sind mit ihren Ästen in einer (zur Larve dorsoventralen) Kichtung ausgezogen, so daß auf vertikalen Schnitten sie das Aussehen von Bäumen, die vom Winde geneigt werden, haben (Fig. 1, Taf. V). Auf Horizontalschnitten ist ihr Aussehen bereits ein andres, wie es die Fig. 3 eci derselben Tafel zeigt. Von diesen Büscheln verlaufen noch je ein oder zwei Ästchen nach oben; dieselben erreichen die zweite Zwischenschicht (e&, Fig. 3, Taf. V) und geben hier eine in derselben Eichtung ausgezogene End- verzweigung. Diese Verzweigungen haben somit eine sehr charakteristische Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVIII. Bd. 15 224 Alexius Zawarzin, Form und Lage und bilden in ihrer Gesamtheit die zweite und dritte Zwischenschicht (6 und e, Fig. 3, Taf . V) der ersten Markmasse, die bereits auf gewöhnlichen Präparaten sichtbar sind. Der äußere Teilast des T-förmigen Fortsatzes von Zellen des vierten Typus verläuft bis zur äußeren Oberfläche der zweiten Markmasse, bildet hier Endverzweigungen und gibt einen oder zwei lange Äste ab (Fig. 1, Taf. V (/u), die fast bis zur äußeren Oberfläche der ersten Markmasse ziehen und hier in eine diffuse Endverzweigung zerfallen. Wie aus der gegebenen Schilderung hervorgeht, können somit in Berücksichtigung des Charakters der Endverzweigungen an den Zeilen der inneren Körnerschicht des dritten Ganglions zweifellos vier Typen unterschieden {RZ, Taf. I) werden. Hinsichtlich der Beziehungen ihrer Fortsätze zu den andern Elementen des dritten Ganglions sind keine scharfen Unterschiede an den Zellen der vier Typen durchführbar, da sie alle das dritte Ganglion mit dem Gehirn verbinden (Schema Taf. I). Große Zellen, die an dem dritten Ganglion gelegen sind. Zwischen der dritten optischen Ganglienmasse und dem Gehirn liegen, indem sie die beiden verbindenden Nervenbündel umgeben, Gruppen großer Nervenzellen der Art, wie die großen Zellen an dem zweiten Ganglion. Diese Zellen sind unipolar, ihr Fortsatz teilt sich T-förmig, wonach sich die Teiläste verdicken; der eine derselben verläuft ins Gehirn, der andere in eine der Markmassen des dritten Ganglions. Die Beschreibung der vierten Markmasse gebe ich, wie bereits erwähnt, zum Schluß, werde daher auch die zu ihr in Beziehung tretenden großen Zellen hier nicht weiter beschreiben. Bevor ich jedoch zur ausführlichen Beschreibung der Fortsätze der anderen großen Zellen übergehe, will ich bemerken, daß sie sich auf ihrem Verlauf von der Zelle bis zur T-förmigen Verzweigung ebenso schlecht tingieren (sowohl mit Methylenblau als besonders nach dem Verfahren von Golgi), wie die entsprechenden Abschnitte der Fortsätze der großen Zellen des zweiten Ganglions. Der übrige Teil derselben, sowohl der zum Gehirn verlaufende als auch der in das dritte Ganglion eintretende, färben sich dagegen ausgezeichnet nach beiden Verfahren. Nach den Überlegungen, die ich bei der Beschreibung des zweiten Ganglions ausgesprochen habe, muß auch hier die Möglichkeit zu- gegeben werden, daß nicht alle in das dritte Ganglion eintretenden dicken Fasern mit den neben diesem gelegenen großen Nervenzellen verbunden sind, sondern daß diese Fasern auch aus dem Gehirn stannuen können. In das dritte Gandion treten diese Fasern in einigen Bündeln ein. Histologische Studien über Insekten. IV. 225 Auf der Fig. 6, Tat". II ist von einem Methylenblaupräparat gerade die Eintrittsstelle der hier beschriebenen Fasern abgebildet. Auf der Figur ist auch eine große, den ersten drei Markmassen (a) anliegende Zelle (Zrt), sowie ihr Fortsatz mit der T-förmigen Teilung sichtbar. Die eintretenden dicken Fasern verteilen sich in den Markmassen folgendermaßen: In der ersten Markmasse verteilen sich diese Fasern in zwei Reihen. Die einen derselben treten in diese Masse von ihrem inneren Winkel aus ein und bilden in ihr längs ihrer ganzen äußeren Fläche ein Geflecht. Hierbei verzweigen sich die Fasern sofort nach ihrem Eintritt in die Marksubstanz (Fig. 3, Taf. VI, Pi), in eine große Anzahl sekundärer Ästchen, so daß das ganze Geflecht dasselbe Aus- sehen erhält, wie die dicken verzweigten Geflechte des zweiten Ganglions. An der Bildung dieses, sowie sämtlicher folgender Geflechte beteiligt sich nur eine geringe Anzahl eintretender dicker Fasern. Ich bin sogar geneigt, anzunehmen, daß jedes Geflecht von einer, maximum zwei Fasern gebildet wird, falls man davon überzeugt sein könnte, daß bei den angewandten Verfahren in gewissen Fällen alle gleichnamigen Elemente gefärbt werden. Andre dicke Fasern treten in die erste Markmasse mehr einwärts von deren dritten Zwischenschicht ein (conf. Schema Taf. I, CZa, so- wie Fig. 4, P2, Taf. VI). Hier verzweigen sie sich in mehr oder weniger dicke Stämme, von denen zahlreiche feinere Ästchen ab- gehen und zur Grenzschicht zwischen der ersten und zweiten Mark- masse verlaufen. Ohne dieselbe zu erreichen, zerfallen diese feinen Äst- chen in kleine, baumförmige Verzweigungen (Fig. 4, Taf. VI). In die zweite Masse treten die dicken Fasern neben der an die erste Markmasse angrenzenden Oberfläche ein (Fig. 3, Taf. VI P2) und bilden dort ein gleiches Geflecht wie das obere dieser letzteren. In die dritte Mark- masse dringen diese Fasern längs ihrer inneren (in bezug auf die Larve dorsale) Oberfläche ein und bilden hier ein gleichartiges, vielleicht jedoch feineres Geflecht (Fig. 3, Taf. VI, P3). Eine im allgemeinen mit der meinigen übereinstimmende Be- schreibung der dicken horizontalen Geflechte und der großen Zellen, die sie mit ihren Fortsätzen bilden, gibt auch Kenyon (1897) für die Biene, Die ersten drei Markmassen des dritten Ganghons haben somit einen äußerst komplizierten Bau, nicht weniger kompliziert als die Marksubstanz des zweiten Ganglions. Auch hier ist der geschichtete Bau gut ausgebildet. Derselbe tritt, wenn auch nicht so scharf, wie in dem zweiten Ganghon in der ersten Markmasse hervor und ist sogar 15* 22G Alcxius Zawarziii, deutlich auf den gewöhnlichen Präparaten sichtbar. Die zweite und besonders die dritte Markmasse sind relativ klein und offenbaren keine deutliche Schichtung. Die äußerste .Schicht der ersten Masse wird von einem horizon- talen Geflecht gebildet (P, Fig. 3, Taf. VI). Weiter nach innen von diesem Geflecht liegt die erste Zwischenschicht, ein sehr konstantes Gebilde, in dessen Höhe die Aste der rückläufigen Zellen der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions endigen und die dichten Seiten- verzweigungen der äußeren Zellen des I. Typus des dritten Ganglions gelagert sind (a, Fig. 7, Taf. V). In einiger Entfernung nach innen zu von dieser Zwischenschicht liegt eine zweite schmale und weiterhin die breitere, dritte, die von den charakteristischen Verzweigungen der inneren Zellen vom III. Typus des dritten Ganglions gebildet werden {Fig. 3, Taf. V b, e). Weiter folgt das zweite horizontale Geflecht (Pg? Fig. 4, Taf. VI) und dessen Endverzweigungen, die bereits dicht an der inneren Fläche der ersten Markinasse liegen. In der hellen, die bei- den ersten Markmassen trennenden Zwischenschicht verlaufen Fasern, die zur vierten Markmasse ziehen. In der zweiten Markmasse ist nur das horizontale Geflecht zu vermerken. Die Grenzschicht zwischen der zweiten und dritten Masse wird von den Commissurenfasern ein- genommen. In der dritten Masse ist wiederum ein horizontales Ge- flecht sowie längs ihrer Oberfläche zum Gehirn ziehende Fasern vor- handen. Werden somit die ersten drei Markmassen als ein Ganzes an- gesehen und die sie bildenden Schichten mit Berücksichtigung der Zwischenräume zwischen den einzelnen Schichten, welche von Faser- verzweigungen mit einer weniger regelmäßigen Anordnung gebildet werden (Fortsätze der äußeren Zellen vom II. Typus, der inneren Zellen vom I, II und IV. Typus, einige eintretende Fasern u. dgl.) ge- zählt, so können derartige Schichten in den ersten drei Markmassen in der Zahl von 20 oder 21 gezählt werden, mehr somit als sogar im zweiten Ganglion. Die vierte Märkmasse besteht aus einem Körper und zwei Flügeln (Taf. II, Fig. 6, 4), die die erste Markmasse umgreifen. Die Flügel sind sehr dünn und sind nur auf Totalpräparaten gut sichtbar. Infolge ihrer assymmetrischen Lage werden sie Aveder auf senkrechten noch auf horizontalen Schnitten gut orientiert und stellen daher für die Untersuchung bedeutende Schwierigkeiten vor. Außerdem wird die vierte Masse schwieriger als die übrigen Abschnitte sowohl von Methylenblau als auch nach dem Golgi- Verfahren gefärbt, infolgedessen sie auch bei mir ungenügender untersucht worden ist als die übrigen. Histologische Studien über Insekten. IV. 22T In diese Masse treten die Fasern an zwei Stellen ein. Wie ich bereits oben erwähnt habe, so teilen sich die rückläufigen Fortsätze der inneren Zellen des zweiten Ganglions, nachdem sie das dritte erreicht haben, Y-förmig, wobei der eine Teilast in der ersten Markmasse des dritten Ganglions endigt. Die andern Teiläste sammeln sich in ein Bündel, das längs der Oberfläche der ersten Markmasse zur vierten verläuft. Nachdem es diese erreicht hat, tritt es in dieselbe ein, zerfällt in einzelne Fasern, wobei jede derselben in einer kleinen, charakteristischen Endverzwei- gung endigt {ev, Fig. 2, Taf. VI), die der Endverzweigung der äußeren Zellen des I. Typus des dritten Ganglions sehr ähnlich ist. Derartige Endverzweigungen sind längs der ganzen vierten Markmasse aus- gebreitet. An einer andern Stelle treten in diese Masse diejenigen Fasern ein, welche in der Zwischenschicht der ersten und zweiten Markmasse ver- laufen und von den Fortsätzen der äußeren Zellen des III. Ganglions vom II. Typus, sowie von den Fortsätzen von inneren Zellen des zweiten Ganglions mit T-förmiger Teilung gebildet werden (conf. oben). Außer- dem treten hier auch, möglicherweise auf derselben Bahn wie die vor- hergehenden auch einige der durchziehenden Fortsätze von äußeren Zellen des zweiten Ganglions ein, obgleich mir dieses sehr zweifelhaft erscheint. Alle diese Fasern (?/, Fig. 4, Taf. V) treten in die vierte Mark- niasse ein, zerfallen hier in ein äußerst feines und diffuses Netz, welches die ganze Masse durchzieht. Dieser Masse liegen desgleichen große Zellen an; eine Gruppe der- selben ist auf Fig. 6, Taf. II z^ abgebildet. Ihre Fortsätze teilen sich aller Wahrscheinlichkeit nach T-förmigi, wobei ein Teilast zum Gehirn verläuft, während der andere in die Markmasse eintritt. Nach ihrem Eintritt in dieselbe teilen sich diese Fortsätze sofort fächerförmig in eine Reihe von Astchen, welche sich längs der ganzen Markmasse ausbreiten und hierher kurze Endäste abgeben (Fig. 2, Taf. VI P). Hiermit kann ich auch die Beschreibung derjenigen Elemente be- endigen, die es mir gelungen ist, in den optischen Ganglien von Äeschna-harven wahrzunehmen. Über die Verbindung dieser Gan- glien mit dem Gehirn werde ich ausführlich in meiner weiteren 1 Diese Fortsätze färben sich ebenso schwer wie überhaupt diejenigen aller großen Zellen der optischen Ganglien. Ungeachtet dessen kann ich auf Grund meiner Präparate genügend sichere Aussage über ihren Charakter machen. 228 Alexiu.s Zawarzin, Arbeit berichten, die das Gehirn und die Bauchganglienkette zum Ge- genstand hat. Zunächst sei nur vermerkt, daß die dünnen in das Gehirn eintreten- den Fasern, welche Fortsätze innerer Zellen des dritten Ganglions dar- stellen, im Protocerebrum derselben Seite endigen. Die dicken Fasern, die Fortsätze großer Zellen darstellen, verlaufen auf die entgegen- gesetzte Seite des Gehirns, ein Teil derselben möglicherweise auch in die optischen Ganglien des anderen Auges. Vollkommen sicher können diese Fragen nur im Zusannnenhang mit dem Bau des oberen Schlund- ofanzeichungen zu geben, wobei ich zugleich die Bezeichnungen der andern Forscher berücksichtigte. Unter den die Marksubstanz eines jeden Ganglions umgebenden Zellen können folgende Typen unterschieden werden. 1. Typus. Zellen mit durchziehenden Fortsätzen, d. h. Zellen, deren Fortsatz durch die Marksubstanz hindurchzieht, wobei er Seiten- ästchen abgibt und in ein anderes Ganglion verläuft. IL Typus. Zellen mit rückläufigen Fortsätzen; Zellen, deren Fort- satz in die Marksubstanz eindringt, aus derselben jedoch wieder aus- tritt, um in ein anderes Ganglion zu verlaufen. Derartige Zellen können einfache Fortsätze (Ä-, Taf. I) oder mit T-förmiger Teilung haben {Rz^, EZ, Taf. I). Histologische Studien über Insekten. IV. 229 III. Typus. Lokalzellen, d. h. Zellen, deren Fortsatz nicht aus dem Bereich seines Ganglions austritt. Diese Zellen können Fortsätze der verschiedensten Form haben. Sämtliche aufgezählte Zelltypen bilden mit den Achsenabschnitten ihrer Fortsätze die senkrechten Fasern, die von einer Oberfläche der Marksubstanz zur andern ziehen. Die Seitenverzweigungen der Fortsätze können in einer bestimmten Höhe fixiert sein und somit Schichten der Marksubstanz bilden oder sie sind diffus in der ganzen Masse derselben angeordnet. Die anderen Zellen, die gewöhnlich seitwärts am Ganglion gelegen sind, ist es am besten als Zellen der horizontalen Geflechte zu be- zeichnen, da ihre Fortsätze in der Marksubstanz sich verzweigen, wobei die von ihnen gebildeten Geflechte sich in zur Verlaufsrichtung der Fortsätze der ersten drei Zelltypen senkrechten Ebenen ausbreiten. Auch unter diesen Zellen können mehrere Typen unterschieden werden : a) Kleine Zellen der horizontalen Geflechte {Lzp,czt, Taf.I). Der Fortsatz der einen derselben ist einfach {Lzp), anderer mit einer T-för- migen Teilung [czt). Derartige Zellen verbinden zwei Ganglien (II und III) mit einander ; sie können daher als C o m m i s s u r e n z e 1 1 e n bezeichnet werden, b) Große Zellen der horizontalen Geflechte {cz, Cz, CZ). Diese Zellen haben stets einen T-förmigen Fortsatz, dessen einer Teilast das horizontale Geflecht bildet, der andre ins Gehirn verläuft. Eine Ein- schränkung der großen Zellen bloß auf diesen einen Typus scheint mir jedoch etwas hypothetisch; es ist möglich, daß auch Zellen ohne T- förmigen Fortsatz vorhanden sind, obgleich ich sie nicht gesehen habe; doch haben negative Beweise bei Anwendung spezieller neurologischer Methoden keine beweisende Kraft. Wie jedoch in der vorher gegebenen Schilderung der Beobachtung, so nehme ich auch in den folgenden all- gemeinen Betrachtungen an, daß derartige große Zellen nicht vorhan- den sind. Eine gleiche Annahme, desgleichen auf negativen Re- sultaten begründet, ist auch diejenige, daß einige dicke Fasern, die horizontale Geflechte bilden, dem Gehirn entstammen können. Diese sind dann die einzigen Fasern, die aus dem Gehirn in die optischen Ganglien eintreten. Am einfachsten gebaut ist das erste Ganglion, in dessen Mark- substanz nur drei Schichten unterschieden werden können: Eine äußere Pallissadenschicht, in der die Fortsätze der Retinazellen endi- gen (Taf. 1, re) und die Endverzweigungen {ev, eh) der rückläuii- 230 Alexius Zawarzin, gen (Iz) und durchziehenden (ufz) Fortsätze von Zellen des zweiten Ganglions liegen. Die mittlere Schicht enthält nur durchziehende Fortsätze von Zellen des ersten Ganglions (fz) und das innere, dicke, horizontale Geflecht {up); zu diesen Elementen gesellen sich augen- scheinlich noch diffuse Verzweigungen von Lokalzellen {h, Uz). Das zweite Ganglion hat bereits einen sehr komplizierten Bau. Außer einer äußeren Körnerschicht ist hier noch eine innere Körner- schicht gut entwickelt und noch eine Eckanhäufung von Zellen vor- handen. Zellen mit durchziehendem Fortsatz sind sowohl in der äuße- ren (Taf. I, i^2, Fs;!), als auch in der inneren Schicht {ufs) vorhanden. Desgleichen sind auch Zellen mit rückläufigen Fortsätzen in ihm so- wohl äußere {Iz) als auch innere {Rz, Rz'^) enthalten, die letzteren in zwei Typen. In der äußeren Schicht liegt außerdem eine Eeihe von Lokalzellen {Lz^, Lz^, 3, Lz^, Lz'). Einige dieser Zellen bilden eine diffuse Verzweigung {Fz, Fz^, Lz^, Lz^ 3, Lz^, Rz^); die Verzweigungen anderer erfolgen in be- stimmten Etagen {Lz*^, Rz, ufz). Im zweiten Ganglion sind ferner reich vertreten Zellen der horizontalen Geflechte, kleine, einfache (Lzf) Commissurzellen {czt) und große Zellen (Cz). Aus dem ersten Ganglion treten ins zweite durchziehende Fasern, nach ihrer Kreuzung im äußeren Chiasma ein und endigen hier (e). Die Marksubstanz hat einen äußerst komplizierten geschichteten Bau; in ihr können 18 Schichten gezählt werden, wobei ein Teil derselben von Verzweigungen senkrechter Fa- sern gebildet wird, ein anderer von horizontalen Geflechten (2^^ — />*; Das innere Chiasma stellt ein recht kompliziertes Gebilde vor, welches durchziehende Fortsätze äußerer Zellen und rückläufige Fortsätze innerer Zellen des zweiten Ganglions enthält. Eine Kreuzung habe ich mit unzweifelhafter Sicherheit nur für durchziehende Fasern feststellen können. Das dritte Ganglion ist ärmer an Zelltypen ; seine Marksubstanz ist jedoch ebenso kompliziert, wenn nicht noch komplizierter als die- jenige des zweiten Ganglions gebaut. In der äußeren Körnerschicht derselben sind nur Lokalzellen von zweierlei Typus vorhanden. {LZ, LZ^). Die einen haben einen diffusen Charakter (LZj), die Verzweigungen des Fortsatzes der anderen sind in einer bestimmten Etage lokalisiert {LZ^). In der inneren Körner- schicht sind nur Zellen mit rückläufigen T-förmigen Fortsätzen vor- handen (RZ) und zwar von viererlei Typus {Rze' — Rze""), wobei einer derselben eine lokalisierte Verzweigung, die übrigen diffuse haben. Die rückläufitren Fortsätze dieser Zellen verlaufen ins Gehirn. Histologische Studien über Insekten. IV. 231 An das dritte Ganglion schließen sich auch große Zellen an {CZa — CZd) mit T-förmigem Fortsatze, die in ihm horizontale Geflechte bil- den. Aus dem zweiten Ganglion treten in das dritte ein und endigen in ihm durchziehende Fasern äußerer (Fz) und rückläufige Fortsätze innerer {Rz, Rz^) Zellen des zweiten Ganglions. Die Marksubstanz des dritten Ganglions hat einen uno-emein komplizierten Bau; sie wird aus vier Markmassen zusammengesetzt. Drei derselben sind über einander gelagert (abc), die vierte liegt ihnen seitwärts an (d). In den drei ersten Massen ist die Schichtung gut aus- gebildet; in ihnen können 21 Schichten aufgezählt werden. Bei den histologischen Untersuchungen des Nervensystems wird gewöhnlich das Hauptaugenmerk sozusagen auf die physiologische Seite der Frage gerichtet, d. h. auf die Leitungsbahnen, auf den wechsel- seitigen Zusammenhang u. dgl. Eine derartige Untersuchungsrichtung ist natürlich äußerst wichtig und erweist der Physiologie des Nerven- systems sehr große Dienste. Die Histologie hat jedoch mit Beziehun- gen zu tun, die für den Physiologen nicht von Wichtigkeit sind, da sie jenseits der Genauigkeitsgrenze seiner Methoden liegen. Diesen Beziehungen muß vor allem die Struktur der optischen Ganglien zu- gezählt werden. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie die Physiologie die Beziehungen entwirren kann, die in der Marksubstanz der optischen Centren vorliegen, diese Endverzweigungen von Geflechten, die die Histologie so zweifellos deutlich offenbart und von denen jede ihren bestimmten, morphologischen Charakter hat. In meiner vorhergehen- den Darstellung habe ich daher einen rein morphologischen Gesichts- punkt durchgeführt, welcher in der letzten Zeit auch von Kadl her- vorgehoben wird. Wie weit ein derartiger Gesichtspunkt für die histo- logische Untersuchung der Nervencentren anwendbar ist, will ich mich bemühen, bei dem Vergleich der optischen Centra der Insekten mit denjenigen andrer Tiere klarzustellen, jetzt halte ich es jedoch für notwendig, die von mir erhobenen Befunde desgleichen vom Gesichts- punkt der Leitung von optischen Reizen zu betrachten. Ein Blick auf mein Schema zeigt bereits zwei Bahnen, auf denen diese Reize ver- laufen können. Die eine Bahn verläuft durch sämtliche Ganglien, die andre nur durch einen Teil derselben. In der Hauptbahn ist folgendes hervorzuheben: Die Erregung wird von der Retinazelle (re) dem durch- ziehenden Fortsatz einer äußeren Zelle des ersten Ganglions übergeben (fz); dieser ist mit dem durchziehenden Fortsatz einer äußeren Zelle des zweiten Ganglions (Fz) verbunden, weiter wird die Erregung dem 232 Aloxius Zawarzin, Fortsatze einer inneren Zelle des dritten Ganglions übermittelt {RZ) und ins Gehirn geleitet. Die zweite Bahn fällt bis zum dritten Ganglion mit dem ersten zu- sammen, aus dem dritten Ganglion kann jedoch die Erregung auch von den dicken Fasern {CZa — CZd) weitergeleitet werden. Beide Bahnen schließen in sich zwei volle und entgegengesetzte Kreuzungen in dem äußeren und dem inneren Chiasma ein. Die übrigen Bahnen sind unvollständig; jedes GangHon ist durch seine dicken horizontalen Geflechte direkt mit dem Gehirn verbunden. Hierbei ist nicht nur das Ganglion in toto, sondern sogar einzelne Schich- ten seiner Marksubstanz, wie es ausgezeichnet an dem zweiten und dritten Ganghon sichtbar ist, mit dem Gehirn verbunden (Pi — P*, Cz, CZa— CZd). Die physiologische Bedeutung des Baues der Markmassen, eines ungemein komplizierten Baues, ist vollkommen unklar. Jedenfalls ist dieser komplizierte Bau ein durchaus gesetzmäßiger bei fast allen Tieren, wie es Kadl gezeigt hat und wie es sich aus meiner weiteren Darstel- lung, glaube ich, klarstellen wird, was zweifellos wenigstens für einige derselben auch auf ihre komplizierte physiologische Bedeutung hin- weist. Offenbar erfolgt in jedem Ganglion eine sehr komplizierte Um- arbeitung der optischen Erregungen, wobei diese Umarbeitung durch- aus in der Marksubstanz erfolgen muß; in dieser Hinsicht kann ich Eadl nur vollkommen beistimmen. Es sei hier noch bemerkt, daß die von mir als auch von andern Forschern (Kenyon, K. Cajal, Radl) erhobenen Befunde vollkommen mit der Mosaiktheorie des Sehaktes übereinstimmen und dieselbe so- mit bestätigen. Sie ist übrigens auch ohne dem bereits glänzend von ExNEK (1891) bewiesen und nur die Verteidigung Vigieks (1907) der alten Multiplicitätstheorie veranlaßt mich, diese Zeilen zu schreiben. In der vorhergehenden Schilderung lasse ich den feinsten Zusammen- hang der einzelnen Elemente mit einander aus dem Grunde vollkommen unberührt, da die von mir angewandten Untersuchungsmethoden in dieser Hinsicht keine bestimmten Resultate geben können. Ich bin der Ansicht, daß die Frage nach den Kontakt- oder Kontinuitätsbezie- hungen zur Zeit an Schärfe eingebüßt hat; es ist auch kaum anzunehmen, daß bei dem jetzigen Stande der neurologischen Technik dieselbe voll- kommen befriedigend gelöst werden kann. Mir scheint es am richtigsten zu sein, anzunehmen, daß an den Nervenelementen beiderlei Beziehungen vorhanden sein können. Nur in einem Falle habe ich gleichsam einen Übergang der Seiten- Histologische Studien über Insekten. IV. 233 Verzweigungen eines durchziehenden Fortsatzes einer Zelle des ersten Ganglions in einer gleichen Verzweigung einer andern Zelle gesehen. Im gegebenen Falle kann eine derartige Verbindung zugegeben wer- den, um so mehr, als derartige Beziehungen zwischen gleichnamigen Zellen zweifellos von Herrn Prof. Dr. A. 8. Dogiel (1893) in der Retina von Wirbeltieren festgestellt worden sind. Für einen Vergleich in toto meiner Befunde an ^esc/ina-Larven mit den Befunden andrer Forscher können nur die mit speziellen Me- thoden ausgeführten Arbeiten herangezogen werden. Zu derartigen Arbeiten gehören die Untersuchungen von Kenyon (1897), B. Haller (1904), ViGiER (1908), R. Cajal (1909) und Jonescu (1909). In der Literatur Übersicht habe ich bereits darauf hingewiesen, daß die Arbeit von B. Haller eine vollkommene Sonderstellung unter den Untersuchungen über die optischen Ganglien der Insekten ein- nimmt. Das von diesem Forscher gegebene Schema vom Baue dieser unterscheidet sich dermaßen von allen übrigen Untersuchungen, daß es nur möglich ist, anzunehmen, daß B. Haller sich in seinen Prä- paraten nicht recht klar geworden ist. Ungeachtet dessen, daß die Arbeit von B. Haller die optischen Ganghen von Wasserjungfern zum Gegenstand hat, kann ich in derselben keinen einzigen mit dem meinigen übereinstimmenden Befund finden und kann daher seine Be- funde durchaus nicht mit den meinigen vergleichen. Die Arbeit von Jonescu (1909) ist hauptsächlich der vergleichen- den Anatomie des Gehirns, verschiedener Vertreter einer Bienenkolonie gewidmet und berührt nur die optischen Ganglien. Das von ihm bei- gelegte Schema und die sich auf dieselbe beziehende Beschreibung zeigt, daß es diesem Forscher, ungeachtet dessen, daß er spezielle Me- thoden angewandt hat, nicht gelungen ist, viele Beziehungen bis zum Schluß zu verfolgen; in dieser Hinsicht ist die dasselbe Objekt behan- delnde Ai'beit von Kenyon (1897) viel reicher an Befunden. Die kleine Bemerkung von Vigier (1908) berührt nur ein Detail des Baues des ersten Ganglions, und zwar die Beziehungen der Retinafasern zu den durchziehenden Fortsätzen, die keinen Widerspruch hervorrufen. Es bleibt somit für mich nur übrig meine Befunde mit denjenigen von Kenyon (1897) und R. Cajal (1909), der die Ganglien von Musca vomitoria untersucht hat, zu vergleichen. Anatomisch sind die Sehlappen der Wasserjungfern ähnlich denjenigen der Biene gebaut und weisen einen wesentlichen Unterschied von den Sehlappen der Fliege auf. 234 Alexius Zawarzin, Bei der Biene ist die gegenseitige Lage der Ganglien ungefähr die- selbe wie bei der Aeschna-haive, es sind desgleichen zwei Chiasmata vor- handen usw. Die Befunde von Kexyon haben vieles mit den meinigen gemein, besonders hinsichtlich des Baues der ersten zwei Ganglien. Ich habe jedoch viel mehr Elemente gefunden als Kenyox in seinem Schema abbildet. In dem ersten Ganglion hat dieser Forscher weder Lokalzellen, noch das untere Geflecht, noch die baumförmigen Verzweigungen der ein- tretenden Fasern gesehen. Im zweiten Ganglion fehlen bei ihm die Lokalzellen mit rückläufigem Fortsatze, die kleinen Zellen der horizon- talen Geflechte und die Commissurenzellen. Das dritte Ganglion unter- scheidet sich bereits wesentlich. Nach Kenyon wird dasselbe mit dem Gehirn durch durchziehende Fasern äußerer Zellen verbunden, des einzigen Typus (außer den großen Zellen der horizontalen Geflechte), den Kenyon gesehen hat und die ich bei der Aeschna-haiye nicht ge- sehen habe. Kenyon beschreibt jedoch weder Lokalzellen, noch rück- läufige Zellen, diesen letzteren entsprechen jedoch vollkommen seine durchziehenden. Unsre Befunde stimmen somit im Wesentlichen überein. Ein derartiger Schluß kann jedoch nicht aus dem Vergleich der Sehlappen der Aeschna-Lsuve mit denjenigen der Fliege nach den Befunden R. Cajals gemacht werden. Die Sehlappen der Diptera sind freilich anders gebaut als bei den Wasserjungfern und der Biene; der Unterschied im Bau geht so weit, daß die Fliege z. B. kein inneres Chiasma hat und das dritte Ganglion hinsichtlich des zweiten ganz anders gelagert ist. Vieles kann somit durch diese Unterschiede erklärt werden; meine Befunde stimmen jedoch mit denjenigen von R. Cajal, bereits angefangen vom ersten Ganglion an, nicht überein. R. Cajal beschreibt besondre >>fibras opticas largas <<, die durch das erste Ganglion hindurch ziehen, die seiner Arbeit nach Fortsetzungen der Rhabdome darstellen^; dafür hat er jedoch weder horizontale Ge- flechte, noch untere Lokalzellen gesehen. Mit Ausnahme dieser Be- funde ist das erste Ganglion im allgemeinen ähnlich dem von Aeschna- Larven gebaut. Im zweiten Ganglion ist bereits eine Reihe sehr wesent- licher Unterschiede vorhanden. So beschreibt R. Cajal keine Zellen mit durchziehenden Fortsätzen, keine einzige Zelle der inneren Körner- schicht, und von den horizontalen Zellen nur die großen, deren Fort- ^ Darüber s. oben bei der Beschreibung des zweiten Ganglions. Histologische Studien über Insekten. IV. 235 satz sich nicht T-förmig teilt, sondern vollkommen in der Marksubstanz des zweiten Ganglions conzentriert ist. Vermittelst keines seiner Ele- mente ist somit das zweite Ganglion mit dem dritten verbunden. Eine Verbindung ist nur mit dem Gehirn vermittelst centrifugaler Fasern unbekannter Herkunft vorhanden. Ungeachtet derartiger grundle- gender Unterschiede ist dennoch in dem allgemeinen Bilde der La- gerung der Elemente, im Charakter ihrer Verzweigungen nichts gemein mit der Aeschna-JjSivye] beim Vergleich meiner sich auf das zweite Ganglion beziehenden Figuren mit denjenigen E,. Cajals bieten sie auf den ersten Anblick so viel gemeinsames, daß ein dermaßen großer Unterschied in unseren Befunden vollkommen unmöglich erscheint. Ich kann natürlich die Befunde R. Cajals keiner Kritik unter- ziehen, ohne eigne Untersuchungen der Fliege angestellt zu haben; dennoch macht es auf mich den Eindruck, daß dieser Forscher im zweiten Ganglion die Zellen mit den durchziehenden Fortsätzen über- sehen hat. Würden sie bei der Fliege gefimden werden können, dann würde ein großer Teil unserer Widersprüche ausgeglichen werden; außerdem wäre auch die Rolle des dritten Ganglions bei der Fliege, das R, Cajal nicht hat aufklären können, klarer. Nach den Befunden von R. Cajal liegt dieses Ganglion gesondert und ist mit den andern optischen Ganglien nicht verbunden. Mit den andern Insekten (der Biene und der .4esc/ma-Larve) hat es nur die horizontalen Geflechte gemein, die nach R. Cajal aus dem Gehirn stanmien. Detaillierter sind die Unterschiede meiner Befunde mit denjenigen von R. Cajal oben bei der speziellen Beschreibung besprochen. Ich bin dennoch der Ansicht, daß in dem Bau der optischen Ganglien der Fliege und der AescJma-hsbvye ein derartiger Unterschied wie er zur Zeit beim Vergleich meiner Arbeit mit derjenigen R. Cajals erscheint, nicht möglich ist und daß weitere Untersuchungen feststellen werden, worin hier der Fehler liegt. Von andren Arthropoda haben wir nur die Befunde von Pakker (1895) über den Bau der optischen Ganglien von Ästacus, die er ver- mittelst der Methylenblaumethode erhoben hat. Die Sehlappen be- stehen aus vier Markmassen (vier Ganglien), zwischen denen unipolare Zellen mit T-förmig verzweigtem Fortsatze angeordnet sind. Ein Teil- ast dieses verläuft in ein Ganglion, das andere in ein benachbartes, womit eine Verbindung zwischen allen Ganglien, dem letzten mit dem Gehirn und dem ersten und den Retinafasern hergestellt -sWrd. Die Verhältnisse sind somit nach Parker sehr einfache ; irgendwelche andre Elemente beschreibt er nicht. 236 Alexius Zawarzin, Aus dem Vergleich seiuer Befunde mit denjenigen von Bethe über das Gehirn von Carcinus moenas, wobei Bethe ausführhch die in das Gehirn eintretenden Sehnerven beschreibt, geht bereits hervor, daß die Verhältnisse auch hier nicht so einfach sind; ein gleicher Schluß kann auch aus dem Vergleich des Baues der optischen Ganglien der Insekten mit den Befunden Parkers gemacht werden. Letztere be- nötigen somit einer beträchtlichen Erweiterung und erst dann wird es möglich sein, die optischen Centra der Crustaceen mit denjenigen der Insekten zu vergleichen. Vergleich der optischen Ganglien der Insekten mit den optischen Centren der Wirbeltiere und der Cephalopoden. Der gleiche allgemeine Bau sowohl der Sehcentren als auch der Augen hat bereits seit langem die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gelenkt; im vorigen Jahre hat Radl (1912) in seinem Buche diese Allgemeinheit des Baues durch gewichtige Befunde begründet. Wie ich bereits mehrfach erwähnt habe, so sind diese Verallgemeinerungen auf Grund gewöhnlicher Schnitte gemacht und haben daher (ungeachtet dessen, daß Radl die histologische Struktur berührt) einen mehr ana- tomischen Charakter. Radl ist sogar der Meinung, daß die gebräuch- lichen neurologischen Methoden nicht genügendes Material für der- artige Verallgemeinerungen geben, da bei ihrer Anwendung eine Reihe, nach ihm, äußerst wichtiger Strukturen (z. B. Schichtung, Kaskaden) verdeckt werden. Würden wir tatsächlich die Sehcentra von Tieren aus verschiedenen Typen des Tierreichs, nur in Berücksichtigung der sie zusammensetzenden Elemente allein vergleichen, so hätten wir nur ein sehr unbedeutendes Material zur Verfügung. Auf diese Weise sind nur die optischen Centra der Cephalopoden, Arthropoden und natürlich der Wirbeltiere untersucht. Ungeachtet dessen haben die Forscher, welche die histologi- sche Struktur dieser Centra bei Wirbellosen studiert haben (Len- HOSSEK [1897], R. Cajal [1909]) bereits ihre Aufmerksamkeit sogar auf die Ähnlichkeit des Baues einzelner Elemente gerichtet und haben verschiedene Analogien zwischen ihnen in verschiedenen Typen des Tierreichs durchgeführt. Sowohl Lenhossek als auch R. Cajal ver- fügten jedoch nur über ein unbedeutendes Material. Dieses glaube ich nun einigermaßen vervollständigt zu haben; die in dieser Hinsicht neuen Befunde, welche mir gelungen sind an Aeschna-hnTwen zu er- heben, gestatten es mir, die erwähnte Analogie von einem etwas an- 237 Textfig. 18. Schematische Abbildung der Retina und der Lobi optici von Vögeln nach R. Cajal (Textura del systema nerviosa 1004). I, II, Retina; a, Kolben und Zapfenschiclit; l, Limitans externa; b, äußere Kömersclücht; c, äußere reticuläre Schicht; d. innere Körnerschicht; e, innere reticuläre Schicht; /, Ganglienzellschicht ; g, Fasersclücht ; Sz, Sehzelle; Ik, LASDOLTseher Kolben; vb, deplazierte bipolare Zelle; bz, bipolare Zellen; hz, horizontale (sternförmige) Zelle; ani^, am^, am^, amakrine Zellen; am*, deplacierte amakrine Zelle; Dz, DOGiELsche Zelle; gz, mehrschichtige Ganglienzelle; cf, centrifugale Faser; ///, Lobiis opticus; sf, Sehfasern; cz, Zelle mit austretendem Axon; Pz, pz, Pyramidenzellen mit langen, absteigenden Axonen; oz, ovale Zellen mit langen Axonen; Cz, Cellula de cajado; Iz, Lz, Zellen mit kurzen Axonen; Kz, Riesenzellen; ef.Ef, eintretende Fasern. 238 Alexius Zawarzin, dem Gesichtspunkte aus zu betrachten, was ich auch im folgenden auszuführen versuchen will. Meinen Vergleich beginne ich mit den Wirbeltieren, als der am besten studierten Gruppe. Hier sind wie bekannt, die Sehcentra zwischen dem Auge und dem Gehirn verteilt. Der aus der Retina des Auges aus- tretende Sehnerv verläuft ins Gehirn, wo seine Fasern hauptsächlich zwi- schen dem Corpus geniculatum externum, dem Pulvinar und dem vorde- ren Hügel der Corpora quadrigemina verteilt werden, diese sind dann wei- ter mit der Rinde des Occipitallappens verbunden. Den Sehlappen der Insekten entsprechen sämtliche aufgezählten Centren, natürlich mit Aus- nahme der psychooptischen Centren des Occipitallappens. R. Cajal (1899) hauptsächlich jedoch Radl (1902, 1912) haben hier folgende Analogie festgestellt: Die Retina der Wirbeltiere entspricht den ersten zwei opti- schen Ganglien der Insekten, wobei die äußere Reticularschicht der Mark- substanz des ersten Ganglions, die innere der Marksubstanz des zweiten Ganglions entspricht, das Corpus geniculatuni externum, das Pulvinar und der vordere Hügel der Corpora quadrigeminalis dem dritten. R. Cajal stellt auch weiter eine Analogie der Nervenelemente der ersten zwei Gan- glien der FUege und der Retina der Wirbeltiere auf. Mir scheint es jedoch, daß die von mir erhobenen Befunde bei Aeschna-LsiTyeia. eine Änderung dieser Analogie veranlassen, sowie dieselbe auch auf das dritte Ganglion der Insekten und die Gehirncentra der Wirbeltiere ausdehnen lassen. Auf der Textfig. 18 habe ich zwei mit einander vereinigte Schemata aus der »Textura clel systema nerviosa<< von R. Cajal abgebildet. Das eine Schema (I, II) stellt die Retina dar, das andere (III) den Lobus opticus von Vögeln, bei denen dieser am besten untersucht ist. Die römischen Zahlen bezeichnen das erste, zweite und dritte Ganglion entsprechend den optischen Ganglien der Insekten. Wird nun dieses Schema mit dem auf Taf. I abgebildeten Schema der optischen Ganglien von Aeschna-LsLVven^ verglichen, so wird folgendes Bild erhalten. Für Elemente des ersten Ganglions müssen diejenigen gehalten werden, die der äußeren reticulären Schicht anliegen und mit ihren Verzweigungen dieselbe bilden i. Dieses sind: die Sehzellen (sz), die bipolaren Zellen {bz) und die sternförmigen oder horizontalen Zellen (hz). Hinsichtlich der Analogie der Fortsätze der Sehzellen mit den 1 Auf diesem Schema sind die Elemente des ersten Ganglions mit blauer Farbe, diejenigen des zweiten mit roter, des dritten mit grüner Farbe bezeichnet. Nur auf Grund ihrer anatomischen Lage in bezug auf die Marksubstanz sind hierbei die Zellen einem der Ganglien zuerteilt worden. Nur mit diesem Rück- halte kann somit diese Verteilung der Zellen auf die Ganglien angenommen werden. Histologische Studien über Insekten. IV. 239 Eetinafasern {re, Taf . I) kann kein Zweifel vorliegen. Ebenso unzweifel- haft ist die Analogie der bipolaren Zellen mit den äußeren Zellen mit durchziehendem Fortsatze des ersten Ganglions {fz, Taf. I), um so mehr, als in der Retina wir sogenannte deplazierte bipolare Zellen [vb) haben, deren Körper in der äußeren Körnerschicht liegt und welche sogar ihrer Form nach (wenn nur der kurze Fortsatz mit dem Landolt- schen Kolben unberücksichtigt gelassen wird) den äußeren Zellen mit durchziehendem Fortsatze des ersten Ganglions entsprechen. Die Lokalzellen (Iz, Uz, Taf. I) entsprechen ferner vollkommen, wenn auch nicht ihrer Form nach, so ihren Beziehungen zu andern Elemen- ten nach, vollkommen den sternförmigen Zellen, die desgleichen Lokalzellen der äußeren reticulären Schicht sind. A. S. Dogiel hat unter den sternförmigen Zellen solche mit langem, in den Sehnerv ein- tretenden centralem Fortsatze beschrieben; diese Zellen würden bis zu einem gewissen Grade dem unteren Geflecht des ersten Ganglions analog sein {up, Taf. I). In einer persönlichen Aussprache mit Herrn Prof. Dr. A. S. Dogiel ergab es sich jedoch, daß er auf Grund einiger seiner unveröffentlichten Beobachtungen annimmt, daß der lange Fortsatz dieser Zellen, wie derjenige aller übrigen sternförmigen Zellen in der äußeren reticulären Schicht endigt. Von den in das erste Ganglion der Aeschna-haiiven aus dem zweiten Ganglion eintretenden rückläufigen {IZ) und durchziehenden [ufz) Fortsätze von Zellen des zweiten Ganglions können die ersteren als deplazierte innere Lokalzellen des ersten Ganglions angesehen wer- den; eine deutliche Analogie läßt sich jedoch für die zweiten nicht feststellen. — Es mag nur daran erinnert werden, daß neben der äußeren reticulären Schicht bei Wirbeltieren Verzweigungen centripetaler Fa- sern beschrieben worden sind. Hinsichtlich des ersten optischen Gan- glions ist R. Cajal ungefähr zu denselben Schlüssen gelangt. Als Elemente des zweiten Ganglions der Wirbeltiere (der inneren reticulären Schicht) müssen die amakrinen Zellen {am'^ — am^) und die Ganglienzellen {gz, Dz) gerechnet werden. Von beiden sind mehrere Typen vorhanden. Sowohl die Ganglienzellen als auch die amakrinen Zellen können außerdem deplaziert sein : die ersten in die innere Körner- schicht (DoGiELsche Zellen, Dz), die anderen in die Ganglienzellen- schicht (am^). In der inneren reticulären Schicht wurden auch centri- fugale Fasern (c/) angetroffen. Den Beziehungen zu anderen Elementen nach (besonders in Be- rücksichtigung der DoGiELschen Zellen) entsprechen den Ganglien- zellen vollkommen die äußeren Zellen mit durchziehendem Fortsatze Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 16 240 Alexius Ztuvarzin, {Fz, Fz^, Taf. I) des zweiten Ganglions. Den amakrinen Zellen sind na- türlich die Lokalzellen analog {Lz'^, Lz^, Lz^ ^), von denen auch bei Aeschna-JjSiiYen, wie wir gesehen, mehrere Typen vorhanden sind. Da R. Cajal die Zellen mit durchziehendem Fortsätze im zweiten Ganglion der Fliege nicht gesehen hat, so homologisiert er mit den Ganglienzellen der Wirbeltiere die großen Zellen der horizontalen Ge- flechte, die zudem einen aus dem Bereich des zweiten Ganglions nicht austretenden Fortsatz besitzen, und daher mit ihren Beziehungen durch- aus nicht an die Ganglionzellen der Wirbeltiere erinnern. Das dritte Ganglion der Insekten ist komplizierter gebaut als die beiden anderen ; bei den AVirbeltieren entsprechen demselben mindestens drei Ganglienmassen i. Die Analogie stößt hier somit auf neue Schwie- rigkeiten. Da jedoch alle drei Centren der Wirbeltiere ungefähr die gleichen Beziehungen aufweisen, die komplizierter und folglich auch mehr differenziert im vorderen Hügel der Corpora quadrigemina sind, so kann sich ein Vergleich bloß auf diesen beschränken. Die zahlreichen, in seinen Bestand eingehenden Elemente können in fünf Gruppen eingeteilt werden (Textfig. 18). Die eine Gruppe bil- den die aus dem Sehnerv eintretenden Elemente {sf), die zweite die aus anderen Gehirnabschnitten eintretenden Fasern {ef, EF), die dritte Zellen, deren Axone in den Sehnerv eintreten (az), die vierte Zellen, deren Fortsätze nicht aus dem Bereich des vorderen Vierhügels {Iz, Lz) austreten und schließhch die fünfte, Zellen mit Fortsätzen, die in andere Gehirnabschnitte übergehen {pz, Pz, Cz, oz, Rz). Den aus dem Sehnerv eintretenden Fasern entsprechen (/•/) voll- kommen die Enden der durchziehenden Fortsätze äußerer Zellen des zweiten Ganglions {Fz, Fz^, Taf. I). Die Lokalzellen {LZ, LZ^, Taf. I) des dritten Ganglions kommen ihren Beziehungen nach durchaus gleich den Zellen mit kurzen Fortsätzen {lz, Lz, Textfig. 18). AVas nun die Zellen anbetrifft mit dem in den Sehnerv eintretenden und wie angenommen wird, in der Retina eine centrifugale Faser darstellen- den Fortsatze, so ist hier folgende Analogie möglich. Wie ich bereits oben erwähnt habe, so habe ich die Zellen in den optischen Ganghen der ^escÄwa-Larven ihrer anatomischen Lage nach auf das eine oder das andere Ganglion bezogen. In diesem Falle sind jedoch hinsichtlich einiger Zellen Zweifel möglich. Für einen derartigen zweifelhaften Fall müssen nun auch die inneren Zellen des zweiten Ganglions mit T-förmigem Fortsatze {Rz') gerechnet werden. Der Kör- 1 Corpus geniculatuin extcrnum, J'ulvinar, Corpus bigcminuni auterius. Histologische Studien über Insekten. IV. 241 per dieser Zellen liegt in einer ungefähr gleichen Entfernung vom zwei- ten und dritten Ganglion, während der Fortsatz in beide verläuft. Eine derartige Zelle kann somit mit demselben Recht dem dritten als auch dem zweiten Ganglion zugerechnet werden, besonders in Be- rücksichtigung der zahlreichen Deplazierungen, die in den optischen Zellen vorkommen. Wird diese Zelle dem dritten Ganglion zugezählt, so wird sie mit ihren Beziehungen ungefähr einer Zelle mit aufsteigen- dem Fortsätze des vorderen Hügels der Corpora quadrigemina entspre- chen (az, Fig. 18). Viel auffallender ist jedoch die Analogie, die zwischen den Zellen des Hügels mit langen Nervenfortsätzen {pz, Pz, oz, Cz) und den inneren Zellen des dritten Ganglions der AescJma-ha,vve durch- geführt werden kann {RZ, Taf. I). Ihre Beziehungen zu anderen Ele- menten sind vollkommen analog, beide verbinden das dritte Ganglion mit dem Gehirn und hierbei verschiedene Schichten desselben. Sowohl in dem Vierhügel als auch im dritten Ganglion der Insekten sind der- lei Zellen in mehreren Typen vorhanden; die Verzweigungen der Fortsätze jedes dieser verteilen sich auf bestimmte Schichten. Die großen Zellen der inneren Schichten des Vierhügels (Kz) können, wenn auch gezwungen, hauptsächhch weil die Endstelle ihrer Fortsätze un- bekannt ist, mit den großen Zellen der horizontalen Geflechte ver- glichen werden {CZa—CZe, Taf. I). Zwischen dem Bau der optischen Ganglien der Insekten und der Wirbeltiere besteht somit eine bemerkenswerte Analogie. Dieselbe tritt besonders deutlich hervor, wenn die Nebenelemente unberücksichtigt gelassen wesden und nur die Hauptkette im Auge behalten wird: bei den Wirbeltieren setzt sie sich zusammen aus: den Sehzellen (sz), den bipolaren Zellen (bz), den Ganglienzellen {Gz) und den Zellen mit lan- gen Nervenfortsätzen des vorderen Hügels {Pz, pz, Cz, oz); bei den Insekten aus den Retinalzellen, den äußeren Zellen des ersten Ganglions mit durchziehendem Fortsatze {fz, Taf. I), den gleichen Zellen des II. Ganglions {Fz) und den inneren Zellen des dritten Ganglions {RZ). We- niger Ähnlichkeit und Konstanz offenbaren die lokalen Elemente, so- wohl bei den Wirbeltieren als auch bei den Insekten ; Elemente, die nur Tieren mit Facettenaugen zukommen sind schließlich die unge- wöhnlich entwickelten horizontalen Geflechte, deren Analoga vergeblich bei Wirbeltieren gesucht werden, es sei denn, daß die Riesenzellen des inneren Hügels {Kz) dieselben darstellen. Ein derartig detaillierter Vergleich der Sehcentren der Insekten mit denjenigen der Cephalopoden läßt sich leider nicht durchführen, 16* 242 Textfig. I!>. Scheniatische Darstellung der optischen GanszluMi von Eledone (nach LenhOSSEK). /, Retina; rt, Stäbchen; h, Stützzellen; c, Sehzellen; d, Knorpel; Sz, Sehzelle; //, zweites optisches Ganglion; e, äußere Körnerschicht; /, äußerer heller Saum; g. äußerer Plexus; /(, mittlere Zone; {, innerer J'lexus; k, innere hellere Zone; t', innere Körnerschicht. ///. Marklager; az, größere, äußere Körner- zellen; kz, kleinere äußere Körnerzelle; Kaz, äußere Riesenzelle; iz, innere Körnerzelle; igz, innere größere Körnerzelle; az, az'-, az-, Zellen mit aufsteigendem Fortsatze; hz, hgz, Zellen mit abstei- gendem Fortsätze; Kmz, Kiesenmarkzelle, Histologische .Studien über Insekten. JV. 243 da letztere weniger vollständig untersucht sind als die Sehcentren der Wirbeltiere und da sie weniger hoch differenziert sind als die Centren der Insekten und der Wirbeltiere. Über den histologischen Bau dieser Organe sind nur zwei Arbeiten vorhanden: Lenhossek (1896) hat dieselben bei Eledone und Kopsch bei Sejpia, Loligo und Eledone untersucht. Die Resultate beider For- scher stimmen leider in vielem nicht überein; zum Vergleich habe ich das Schema von Lenhossek gewählt, weil es vollständiger ist; doch auch dieses bedarf meiner Ansicht nach zahlreicher Korrekturen. Die optischen Nervenorgane der Cephalopoden bestehen aus der im Auge gelegenen Retina, die nach dem Typus des Wirbeltier- auges gebaut ist, und den optischen Ganghen, in welche der Nerv aus der Retina eintritt. Dieses Ganglion hat einen sehr charakteristischen Bau. Seine periphere Zone zerfällt in Schichten, die eine undifferen- zierte Marksubstanz umgeben. Die die periphere Zone zusammen- setzenden Schichten sind folgende: die äußere Körnerschicht (Text- fig. 19, e), die plexiforme Schicht (/, g, h, i, b), die ihrerseits in mehrere Reihen zerfällt, und die innere Körnerschicht (l). Bei den Decapoda ist außerdem noch eine Schicht (Palissadenschicht) vorhanden, die jedoch bereits der Marksubstanz zugerechnet werden muß. Letztere besteht aus einer Zell- und einer Fasersubstanz, die mit einander vermischt sind. Die Zellen sind hierbei in größerer Zahl in dem der inneren Körncr- schicht anliegenden Teilen vorhanden, während die Fasersubstanz ^ nur kleine Inseln zwischen der Zellmasse bildet. In den tiefen Schichten ist das Verhältnis ein umgekehrtes: hier wiegt die Fasersubstanz vor, während die Zellgruppen in dieselbe Form von Inseln eingestreut sind. Die Retina der Cephalopoden ist nach den Beobachtungen von Lenhossek hinsichtlich ihrer Nervenelemente sehr einfach gebaut. In ihren Bestand gehen nur Sehzellen (sz) ein, deren distale Enden in Stäbchen («) differenziert sind; zwischen den Sehzellen sind Stützzellen (6) angeordnet. Die Sehzellen haben eine recht mannigfaltige Form und können mehrere kurze Fortsätze haben; stets haben sie einen langen Fortsatz; die langen Fortsätze bilden den in das optische Ganglion eintretenden Nerv. Nach Lenhossek treten diese Fortsätze direkt in das Ganglion ein, nach Kopsch jedoch kreuzen sie sich zunächst. Die Retinafasern dringen in die plexiforme Schicht ein und en- digen in ihr (nach Kopsch kann ein Teil derselben auch in der Mark- 1 Auf dem Schema (Textfig. 19) sind in der Marksubstanz (///) die aus Zellen bestehenden Teile dunkel gehalten, die Fasersubstanz hell gelassen. 244 Alexius Zawarzin, Substanz endigen). In der äußeren Körnerschicht sind drei Zelltypen vorhanden: kleine (kz), größere (gz) und Riesenzellen {Kaz)', die Fort- sätze aller treten nicht aus dem Bereich der plexiformen Schicht aus. In der inneren Körnerschicht liegen Zellen zweierlei Art: bi- oder uni- polare (ik), die einen Ast oder Fortsatz in die plexiforme Schicht ent- senden und den anderen in die Marksubstanz, und größere, mehr central gelegene, multipolare Zellen, deren langer Fortsatz desgleichen in die plexiforme Schicht verläuft, während einige kurze in Verzweigungen an der Zelle selber endigen {igz). In dem Marklager sind zweierlei Art Zellen verstreut; die Form derselben kann eine sehr mannnigfaltige sein: uni-, bi- und multipolar, wobei ein Fortsatz lang, die übrigen kurze Dendriten sind. Während bei den einen Zellen {az,az^,az^) der lange Fortsatz in die plexiforme Schicht verläuft, wo er auch endigt, tritt der lange Fortsatz der an- deren {hgz, liz) in die Fasersubstanz des Marklagers ein und verläuft zxxva cerebralen Ganglion. In den tiefsten Teilen des Marklagers beschreibt Lenhossek noch multipolare Riesenzellen mit zwei langen und mehreren kurzen Fort- sätzen (Kmz). Der eine lange Fortsatz verläuft in die plexiforme Schicht und endigt in ihr, der andere zieht zum cerebralen Ganglion. KoPSCH hat tatsächlich Decapoda, bei denen das Marklager mehr differenziert ist, untersucht. Er beschreibt daselbst eine Reihe von Lokalzellen mit Fortsätzen, die nicht aus dem Bereich des Marklagers austreten; die interessantesten derselben sind die Palissadenzellen, welche die äußere Schicht des Marklagers bilden. Andererseits beschreibt jedoch KopscH nicht eine Reihe von Zellen, die Lenhossek beschreibt. Um die Widersprüche beider Forscher auszugleichen, ist daher drin- gend eine neue Untersuchung erforderlich, welche diese Frage klären könnte. Aus der kurzen Übersicht der Arbeiten von Lenhossek und KoPSCH geht bereits hervor, daß eine irgendwie detaillierte Analogie im Bau der optischen Centren der Cephalopoden und der Insekten nicht durchführbar ist. Lenhossek selber vergleicht das optische Ganglion von Eledone mit der Retina der Wirbeltiere folgendermaßen: Die Sehzellen ent- sprechen den Stäbchen und Zapfen; die größeren Zellen der äußeren Schicht {gz) den bipolaren. Die Riesenzellen derselben Schicht {Kz), den amakrinen und schließlich die Zellen der inneren Körnerschicht den Ganglienzellen. Dieses Schema nimmt in seiner Arbeit über die Fliege auch R. Cajal (1909) an. Histologische Studien über Insekten. IV. 245 Auch bei dieser Deutung der »Struktur der optischen Ganghen der Cephalopoden wird natürlich eine große Ähnlichkeit ihres Baues mit demjenigen der Retina der Wirbeltiere erhalten. In diesem Falle stößt jedoch der Vergleich der optischen Centren der Cephalopoden mit den- jenigen der Insekten auf größere Schwierigkeiten. Bei den letzteren sind sämtliche drei Ganglien scharf ausgebildet und von einander ge- sondert. Bei den Wirbeltieren entsprechen diesen, wie es Radl ge- zeigt hat und wie es aus dem oben mitgeteilten hervorgeht, desgleichen drei verschiedene Ganglien. Als Characteristicum der Ganglien wurde hierbei die Marksubstanz gewählt. Nehmen wir die Deutung von Lenhossek an, so muß zugegeben werden, daß bei den Cephalopoden das erste und zweite Ganglion ver- schmolzen sind und daß ihnen die plexiforme Schicht entspricht. Die Verschmelzung ist hierbei dermaßen vollständig, daß keinerlei sicht- bare Grenzen derselben nachgeblieben sind. Es läge hier eine Ver- schmelzung vor und nicht eine entgegengesetzte Erscheinung, daß nämlich diese zwei Ganglien noch nicht genügend ausdifferenziert sind. Im letzteren Falle könnte meiner Ansicht nach eine derartige kompli- zierte Differenzierung in der plexiformen Schicht nicht vorhanden sein. Gegen die Möglichkeit einer Verschmelzung kann auch die Tat- sache als Argument dienen, daß bei den Mollusken überhaupt das Nervensystem einen diffusen Charakter hat und die Nervenzellen in ihrer ganzen Ausdehnung verstreut sind. Die einfachste Lösung der Frage, wem die plexiforme Schicht von Lenhossek entspricht, bloß dem zweiten optischen Ganglien oder dem verschmolzenen ersten und zweiten, ist der Bau der Retina. Die Retina der Cephalopoden ist mehrfach untersucht worden (Babuchin [1864], Hensen [1886], Grenacher [1886], Lenhossek [1894]). Am meisten überzeugend ist infolge Anwendung spezieller Methoden die Arbeit von Lenhossek. Er nimmt an, daß in der Retina nur ein Nervenelement, die Sehzellen (sz) vorhanden sind; dieselbe ist somit einschichtig. Lenhossek bestätigt in dieser Hinsicht zum Teil die Beobachtungen von Babuchin und Grenacher. Hensen (1865) zählt in der Retina der Cephalopoden mehrere Schichten, augenschein- lich jedoch ohne hinreichenden Grund. Alles spricht somit zu gunsten des Schemas von Lenhossek, wo- nach somit die plexiforme Schicht den ersten zwei Ganglien der Wirbel- tiere und eo ipso denjenigen der Insekten entspricht. Mir scheint es jedoch, daß eine Analogie zwischen dem Bau der 246 , Ak'xius Zawarzin, Sehcentren der Cephalopoden und der Wirbeltiere und Insekten noch auf andere Weise durchgeführt werden kann. Dafür muß nur zAigegeben werden, daß auch bei den Cephalopoden diese Centren desgleichen aus drei Ganglien zusammengesetzt werden und daß die plexiforme Schicht von Lenhossek bloß dem zweiten, das Marklager dem dritten entspricht. Daraus ergibt sich dann die direkte Notwendigkeit, die Retina dem ersten Ganglion der Insekten gleichzusetzen, die Enden der Re- tinafasern, sowie die äußeren Zellen mit durchziehendem Fortsatze ent- hält, und den gleichen Bau auch bei den Wirbeltieren aufweist (Sehzellen und bipolare Zellen) ; es bleibt nichts andres übrig als anzu- nehmen, daß diesen zwei Elementen bei den Cephalopoden nur das eine — die Sehzellen entspricht {sz, Taf. 19). Daß eine derartige Annahme, d. h. die Gleichstellung der Cepha- lopodenretina dem ersten Ganglion der Insekten und \\'irbeltiere einige Berechtigung hat, ergeben folgende Tatsachen: zunächst ist zwischen der Knorpelkapsel des Auges und den Sehzellen bei den Cephalopoden eine Faserschicht gelegen, die einerseits mit der Marksubstanz des ersten Ganglions der Insekten verglichen werden kann , anderseits mit der äußeren reticulären Schicht der Retina der Wirbeltiere. Zwischen den von Lenhossek beschriebenen Sehzellen finden sich ferner auch solche (Textfig. 19), die an ihrer Basis zahlreiche Dendriten- fortsätze besitzen, welche sich in der Faserschicht verzweigen. Die Bedeutung dieser Seitenverzweigungen ist vollkommen unklar bei Be- rücksichtigung des einfachen Baues der Retina nach Lenhossek, da- für spricht jedoch diese Tatsache zu gunsten einer Gleichstellung der Faserschicht der Retina von Cephalopoden mit der Marksubstanz des ersten Ganglions der Insekten. Die Enden der langen Fortsätze der Sehzellen in der plexiformen Schicht erinnern ihrem morphologischen Charakter nach lebhaft an die Enden durchziehender Fasern des ersten Ganglions in der Mark- substanz des zweiten von Insekten. Diese Überlegungen geben mir Veranlassung, daran zu zweifeln, daß die Retina der Cephalopoden so einfach gebaut ist, wie es Lenhossek annimmt: möglicherweise werden künftige Untersuchungen diese Zweifel bestätigen; dann wird es möglich sein, eine ausführlichere Analogie durchzuführen; vorläufig bleibt nichts übrig, als, wie ich es oben bereits erwähnt, zuzugeben, daß den Sehzellen der Cephalopoden sowohl die Retinazellen als auch die Zellen des ersten Ganglions mit durchziehendem Fortsatze der Insekten entsprechen. Histologische Studien über Insekten. IV. 247 Im weiteren ist der Vergleich bereits bedeutend leichter, obgleich auch hier mit den Widersprüchen in den Arbeiten von Lenhossek und KoPSCH gerechnet werden muß. KopscH beschreibt unmittelbar nach der Ketina ein Chiasma, welches Lenhossek nicht gesehen hat. Dieses Chiasma entspricht voll- kommen dem äußeren Chiasma der Insekten. Sämtliche Zellen der äußeren Körnerschicht haben bei Eledone {gz, kz, möglich auch Kaz) einen lokalen Charakter und entsprechen somit vollkommen den äuße- ren Zellen des zweiten Ganglions der Insekten. Die Zellen der inneren Körnerschicht (iz) entsprechen ihren Be- ziehungen nach durchaus den äußeren Zellen mit durchziehenden Fort- sätzen des zweiten Ganglions. Das Marklager (III, Textfig. 19), welches seiner Lage nach dem dritten Ganglion der Insekten gleichkommt, sowie den Centren des Mittelhirns der Wirbeltiere, bedarf noch bevor, zu einem Vergleich seiner Elemente geschritten wird, einiger Erläuterungen seines Baues. Sowohl bei den Insekten, als auch bei den W^irbeltieren hat das dritte Ganglion eine sehr charakteristische Differenzierung, die sich in einer komplizierten Schichtung ausdrückt. Bei den Cephalopoden wird eine derartige Schichtung nicht beobachtet; da jedoch das zweite Ganglion eine derartige Differenzierung aufweist und da eine derartige Schichtung bei den höheren Cephalopoden (Decafoda) in Form einer Palissadenschicht gefunden wird, so muß angenommen werden, daß die unregelmäßige Anordnung der Elemente des dritten Ganglions der Cephalopoda ein Beweis einer niedrigeren Differenzierung dieses ist. Im Zusammenhange mit einem derartigen Baue haben wir bereits gar kein festes anatomisches Kriterium für eine Zuerteilung der im Gebiet des Marklagers gelegenen Elemente zu dem zweiten oder dem dritten Ganghon, da zu diesem Zweck Stützpunkte nur in rein logischen Bezie- hungen gefunden werden können. Derartigen zweifelhaften Elementen gehören in dieser Schicht hauptsächlich die auf der Textfig. 19 mit igz bezeichneten Zellen. Ihren Beziehungen zu anderen Elementen nach entsprechen dieselben den Zellen az, welche dem dritten Ganglion zugeteilt werden müssen, während dem liegen- dieselben der inneren Körnerschicht des zweiten Gan- glions an. Werden die Zellen dieses Typus {igz) zunächst unberücksichtigt gelassen und gehen wir auf Zellen über, die unzweifelhaft dem dritten Ganglion angehören, so finden wir, daß die Zellen mit absteigendem Fortsatze [hz) Analoga der inneren Zellen des dritten Ganglions der 248 Alexius Zawarzin, Insekten sind {UZ, Taf. I). üie Zellen mit aufsteigendem Fortsatze {az, Textfig. 19) können den Zellen gleichgesetzt werden, welche ich (auf Grund rein anatomischer Überlegungen) dem zweiten Ganglion der Insekten zugezählt habe, und zwar dessen inneren Zellen mit T- förmioem Fortsatze. Beim Verdeich der Insekten mit den Wirbel- tieren habe ich die Annahme gemacht, daß diese Zellen den Zellen mit aufsteigendem Fortsatze des vorderen Hügels der Corpora quadrigemina {az, Textfig. 18), d. h. des dritten Ganglions entsprechen. Vergleicht man nun diese Zellen mit denjenigen bei Eledone mit az bezeichne- ten (Textfig. 19), so kann man sich von ihrer vollkommenen Ähnlich- keit überzeugen. Diese Zellen mit aufsteigendem Fortsatze von Eledone erscheinen sogar auf diese Weise als eine Bestätigung der früher aus- gesprochenen Voraussetzung, infolgedessen auch die Voraussetzung einer Analogie derselben mit den inneren Zellen mit T-förmigem Fort- satze des zweiten Ganglions der Insekten vollkommen zulässig ist. Die von Kopshh bei Decapoden gefundenen zahlreichen Lokal- zellen (Palissadenzellen u. a.) entsprechen den vollkommen gleichen Lokalzellen {LZ, LZ^, Taf. I) im dritten Ganglion der Insekten. Eine Analogie der Hauptelemente der optischen Ganglien von Insekten und Cephalopoden kann somit ungeachtet der großen Schwierigkeiten beim Vergleich des ersten Ganglions durchgeführt werden. Viel schwieriger ist jedoch der Vergleich der Riesenzellen, die einerseits in der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions {Kaz, Textfig. 19), andrerseits in den tiefen Schichten des Marklagers liegen {Kmz). Hier muß ich mich auf dieselben Überlegungen, die ich bei Durchführung der Analogie der horizontalen Geflechte der optischen Ganglien der Insekten mit den gleichen Elementen der GangHen von Wirbeltieren ausgesprochen habe, bezichen. Offenbar liegen auch hier spezifische, nur den Cephalopoden zu- kommende Elemente vor, wie auch die horizontalen Geflechte spezi- fisch für Insekten sind. Werden diese Elemente nur von diesem Gesichtspunkte aus be- trachtet, so sind sie natürlich einander ähnlich. Leider konmien alle diese Überlegungen nur in dem Falle zu Kecht, wenn meine Einteilung der Sehcentren von Cephalopoden in drei Gan- glien angenonimen wird. Mir scheint es jedoch, daß die Möglichkeit an und für sich, eine dermaßen relativ vollkommene Analogie durchzufüliren, ein indirekter Beweis zu gunsten meiner Voraus- setzung ist. Histologische Studien über Insekten. IV^. 249 Allgemeine Ergebnisse und Schlußbetrachtungen. Die allgemeineu Schlüsse, die auf Grund meiner Beobachtungen gemacht werden können, ergeben sich meiner Ansicht nach von selbst aus dem vorhergehenden Kapitel, infolgedessen ich mich hier bei den- selben nicht lange aufhalten werde. Obgleich bis auf die gegenwärtige Zeit die optischen Centren vom histologischen Gesichtspunkt, und zwar vermittelst spezieller neuro- logischer Methoden nur bei Cephalopoden, Insekten, zum Teil Crusta- ceen und hauptsächlich bei Wirbeltieren untersucht worden sind, so kann bereits auf Grundlage dieses beschränkten Materials festgestellt werden, daß dieselben vieles gemeinsam in ihrem histologischen Bau aufweisen, ungeachtet anatomischer und genetischer Unterschiede. E. Radl (1902, 1912), der die optischen Centren bei verschiedenen Vertretern des Tierreichs untersucht hat, ist bereits zu dem Ergebnis gelangt, daß ihnen allen ein gemeinsamer Bauplan zukommt und suchte denselben in gewissen histologischen Strukturen (Kaskadenfasern, Schichtung u. dgl.), wobei er die speziellen Methoden unberücksichtigt ließ. Mir scheint jedoch aus dem oben Mitgeteilten hervorzugehen, daß nicht die von E. Radl (1912) hervorgehobenen Strukturen, son- dern allein die mit ihren Fortsätzen sie bildenden Nervenelemente und ihre Wechselbeziehungen aufs deutlichste auf diesen gemeinsamen Bauplan hinweisen. An drei vollkommen verschiedenen Typen gelingt es, eine relativ vollständige Analogie der Hauptelemente durchzuführen. Diese Ana- logie ist besonders auffallend zwischen Insekten und Wirbeltieren; bei den Cephalopoden stoßen wir auf einige Schwierigkeiten bei den Elementen des ersten Ganglions, welche meiner Meinung nach haupt- sächlich auf einer ungenügenden Untersuchung der Centren bei Cepha- lopoden beruht. Bei den Insekten ist eine Grundkette aus vier Elementen vorhanden : Retinazellen (Taf. I re), Zellen mit durchziehendem Fortsätze des ersten Ganglions {fz), gleiche Zellen des zweiten Ganglions {Fz) und schließ- lich innere Zellen des dritten Ganglions (RZ). Bei den Wirbeltieren liegt eine gleiche viergliedrige Kette vor: Sehzellen (Textfig. 18 sz), bipolare Zellen (bz), Ganglienzellen (gz) und Zellen der Sehlappen mit langen absteigenden Fortsätzen {Pz, Cz, pz). Als Analogon der ersten zwei Elemente dieser Kette müssen bei den Cephalopoden die Seh- zellen mit ihren langen in der plexiformen Schicht endigenden Fort- sätzen (Textfig. 19 sz) angesehen werden. Den beiden übrigen Ele- 250 Alexius Zawarzin, ineuten entsprechen vollkonimen die Zellen der inneren Körnerschicht (iz) und die Zellen des Marklagers mit absteigenden Fortsätzen {hz, hgz). Bei allen hier in Betracht gezogenen Tieren gesellen sich zu diesen Ilauptelementen noch Zellen lokalen Charakters. Gewisse Gebilde, wie z. B. die horizontalen Gebilde der Insekten, haben einen mehr spezifischen Charakter, doch auch hier, glaube ich, werden viele gemeinsame Baumerkmale gefunden werden, wenn die Gebilde vollkommen untersucht sein werden. Eine derartige Kongruenz der hochdifferenzierten Sehcentren weist unzweifelhaft nicht auf eine einfache Kongruenz hin, sondern auf ein für das ganze Tierreich gemeinsames Strukturprinzip, verbunden mit der Sehfunktion. Das Studium weniger differenzierter optischer Zellen, nachdem bereits mehr oder weniger der Bau hochdifferenzierter Centren be- kannt geworden ist, wird es zweifellos gestatten, an die Feststellung dieses Prinzips näher heranzutreten und damit auch zur Feststellung von Baugesetzen des ganzen Nervensystems führen. Außer der großen Bedeutung, welche das vergleichende Studium der Sehcentren für die Neurologie hat, kann dasselbe auch noch eine große allgemeine Bedeutung haben. Außer dem gemeinensamen Bauplan dieser Organe fällt außerdem noch die große Ähnlichkeit auf, die bisweilen bis auf eine vollkommene Wiederholung gleichnamiger Elemente bei den Vertretern verschie- dener Typen des Tierreiches geben kann. Am auffallendsten sind in dieser Hinsicht die von Lenhossek (1896) im zweiten Ganglion (nach meiner Terminologie) beschriebenen Stütz- zellen, die bis in die feinsten Einzelheiten den MüLLERschen Fasern in der Retina der Wirbeltiere entsprechen. Ebenso stimmen ihrer Form nach die Zellen mit durchziehendem Fortsatze des ersten Ganglions der Insekten und die deplazierten bipolaren Zellen der Wirbeltiere überein; ferner die inneren Zellen des dritten Ganglions der Insekten und einiger Zellen des vorderen Hügels der Corpora quadrigemina u. dgl. Derartige Beispiele könnten noch viele angeführt werden. Sämtliche Sehelemente könnten sogar ihrer Ähnlichkeit nach in ein- zelne Gruppen geteilt werden, die sich durch das Maß ihrer Ähnlich- keit unterscheiden. Am ähnlichsten sind einander z. B. die Elemente der Hauptkette, weniger ähnlich die lokalen Elemente, noch weniger Ähnlichkeit weisen schließlich die spezifischen Elemente auf. Wird somit einer derartigen morphologischen Analyse das centrale Nerven- Histologische Studien über Insekten. IV. 251 System (welches zu diesem Zwecke am meisten geeignet ist, da es so- zusagen weniger plastisch ist) unterworfen, so kann eine Kette von Tatsachen aufgefunden werden, die uns etwas näher zur Lösung einer derartig kardinalen Frage, wie es die Frage nach der Form ist, brächte. Zum Schluß halte ich es für eine angenehme Pflicht, meinen er- gebensten Dank meinem hochverehrtem Lehrer, Herrn Prof. Dr. A. S. DoGiEL auszusprechen für seine zahlreichen Ratschläge und Hinweise, sowie für das Interesse, das er stets meinen Arbeiten entgegenbringt. St. Petersburg, Mai 1913. Literatur. *A. Babuciiin (1864), Vergleichend histologische Studien. I. Über den Bau der Cephalopodenretina. Würzb. naturwiss. Zeitschr. Bd. V. E. Berger (1878), Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Ai'b. Zool. Inst. Wien. Bd. I. A. Berlese (1909), Gli Insetti. A. 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Erstes Ganglion opticum, in demselben: re,' Enden der Postretinal- fasern (prf); fz, Zelle der äußeren Körnerschicht mit durchziehendem Fortatze, Iz, Lokalzelle der äußeren Körnerschicht; Uz, eine gleiche Zelle der inneren Körner- 254 Alexius Zawarzin, Schicht; ev, Endverzweigungen von Zellen mit durchziehendem Fortsatze aus der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions (nfz): eb, Endverzweigungen einer Zelle mit rückläufigem Fortsatze der äußeren Körnerschicht des zweiten Oanglions; up, Verzweigungen des unteren Geflechtes; cz, große Zelle dieses Geflechtes, ach, äußeres Chiasma. IL Zweites Ganglion opticum, in demselben: Zellen der äußeren Körner- schicht: Fz, Fz^ mit durchziehenden Fortsätzen; IZ, mit rückläufigem Fortsatze. Lz , Lz^, Lz^^, Lze, Lokalzellen; Lzp, Zellen lokaler horizontaler Geflechte; czt, Commissurenzellen. Zellen der inneren Körnerschicht : ufz, mit aufsteigendem Fortsatze; Rz, mit rückläufigem Fortsatze; Rz^, mit T-förmigem Fortsatze; 1, 2, 3, drei Hauptschichten der centralen Marksubstanz; e, Enden durchziehender Fortsätze von Zellen der äußeren Körnerschicht des ersten Ganglions; p^, p^, p^, qA, Geflechte feiner, wenig verzweigter Faser; dv, baumförmige Verzweigung der ersten derselben (;ji); P^, P^, P^, P^, Geflechte der verzweigten Fasern. — Cz, große Zellen der horizontalen Geflechte; E, E', Fasern unbekannter Her- kunft, die im zweiten Ganglion endigen, ich, inneres Chiasma. IIL Drittes Ganglion opticum, in ihm: a,b,c,d — L 2, 3 und 4, Massen centraler Marksubstanz. LZ, LZ^, Lokalzellen der äußeren Körnerschicht; RZ, Zellen der inneren Körnerschicht mit T-förmigem, rückläufigem Fortsatze. Rze^, Rz", Rz"', Rz"", ihre Verzweigungen in der ersten, zweiten und dritten centralen Markmasse; CZa, CZb, CZc, CZd, große Zellen horizontaler Geflechte, die ihre Fortsätze in die entsprechende erste, zweite, dritte und vierte Markmasse aussenden. Auf dem Schema sind die Elemente des ersten Ganglions mit blauer Farbe, des zweiten mit roter und des dritten mit grüner Farbe bezeichnet. Tafel II. Sämtliche Figuren dieser Tafel sind Totalpräparate, die mit Methylenblau gefärbt und in molyhdänsaurem Ammonium fixiert worden waren, entnommen. Fig. L Erstes Ganglion opticum und Chiasmaf asern ; pzf, postretinale Fasern; ek, ihre Endapparate; ev, Endverzweigungen in das erste Ganglion ein- tretender Fasern [chf). Vergr. 870/L Fig. 2. Zellen mit durchziehendem Fortsatz {fz) aus der äußeren Körner- schiclit des ersten Ganglion opticum; /, durchziehender Fortsatz; c, Verzwei- gungen seiner Seitenästc; prf, postretinale Faser; ek, deren Endplättchen. Vergr. 900/1. Fig. 3. Endigung von Fortsätzen der Zellen des ersten Ganglions in der ersten Schicht der centralen Marksubstanz des zweiten; eb, Endverzweigungen; fza, eintretende Faser; //, durchziehende Faser; Vergr. 920/L Fig. 4. Teil eines horizontalen Geflechtes des zweiten Ganglions. Vergr. 640/ L Fig. 5. Innerer Winkel des zweiten Ganglion opticum an der Austritts- stelle der Commissur (c). Z, große Zellen; P, das von denselben gebildete Ge- ilecht; eb, Endverzweigungen von Fasern {fza), die aus dem ersten Ganglion ein- treten. Vergr. 235 /L Fig. G. Proximaler Winkel des dritten Ganglions, a, erste, zweite und dritte Markmasse; 4, flügeiförmige vierte Masse; Za, große Zelle; t, T-förmige Verzweigung ihres Fortsatzes; Cfa, Fasern, die in das obere Schlundganglion Histologische Studien über Insekten. IV. 255 aus der ersten, zweiten und dritten Markmasse eintreten. C'/* Fasern die dorthin aus der vierten Masse verlaufen; Z*, große, derselben anliegende Zellen. Vergr. 410/1. Tafel III. Sämtliche Figuren sind von Präparaten, die nach dem Verfahren von Golgi behandelt worden sind, gezeichnet worden. Fig. 1. Flächenschnitt (tangentialer) durch das erste Ganglion opticum; p, äußeres; P, inneres Geflecht; C, Faser, die aus dem einen in das andre ver- läuft. Vergr. 410/1. Fig. 2. Senkrechter Schnitt durch das erste Ganglion; eb, Endverzweigung einer Zelle mit rückläufigem Fortsatz der äußeren Körnerschicht des zweiten Ganglions (?); ek, Endverdickungen postretinaler Fasern; /, durchziehender Fortsatz der Zelle der äußeren Körnerschicht. Vergr. 410/1. Fig. 3. Zellen mit durchziehendem Fortsatz aus der äußeren Körnerschicht des ersten Ganglion opticum. Vergr. 670/1. Fig. 4. Senkrechter Schnitt durch die äußere Körnerschicht des zweiten Ganglion opticum. n, Silberniederschlag; v^, Zellen mit rückläufigem Fort- satz (r~/); sg, Stützgewebe; ms, Marksubstanz des zweiten Ganglions. Vergr. 410/1. Fig. 5. Lokalzelle des zweiten Ganglions, die mit ihren Verzweigungen die Enden eintretender Fasern umfhcht; ps, Palissadenzwischenschicht der ersten Schicht der Marksubstanz. Vergr. 410/1. Fig. 6. Schlinge eines rückläufigen Fortsatzes einer Zelle der inneren Körnerschicht des zweiten Ganglions. Vergr. 1270/1. Fig. 7. Äußeres Geflecht (p) und von ihm abgehende Verzweigungen (b) des zweiten Ganglions, ps, pallissadenförmige Zwischenschicht. Vergr. 450 '1. Fig. 8. Senkrechter Schnitt durch das zweite Ganglion opticum; fz, Zellen der äußeren Körnerschicht mit durchziehender Faser; Pi, P2, P*, erstes, zweites und viertes Geflecht dicker verzweigter Fasern; rz, Schlinge einer Zelle der äußeren Körnerschicht mit rückläufigem Fortsatz ; a, Zwischenschicht in der diese Schhngen angeordnet sind; 1, 2, 3, drei Hauptschichten der Marksubstanz. Vergr. 410/1. Fig. 9. Dasselbe wie Fig. 8. /:;', aus dem ersten Ganglion eintretende Fa- sern; e, deren Endigungen; /, Verzweigungen des Fortsatzes einer Lokalzelle aus der äußeren Körnerschicht; //, durchziehende Fasern; Rz, Zelle der inneren Körnerschicht mit durchziehendem Fortsatz; 1, 2, 3, drei Hauptschichten der Marksubstanz. Vergr. 410/1. Fig. 10. Dasselbe wie Fig. 9. Pi, äußeres Geflecht; Iz, Endigung eines Fortsatzes einer Lokalzelle der äußeren Körnerschicht; Lz, desgleichen; e^. Endi- gung einer aus dem inneren Chiasma eintretenden Faser; fz, durchgehende Faser; 1, 2, 3, drei Hauptschichten der Marksubstanz. Vergr. 410/1. Tafel IV. Sämtliche Zeichnungen sind Präparaten, die nach dem GoLGi-Verfahren hergestellt sind, entnommen. Fig. 1. Diffuse Verzweigung einer aus dem inneren Chiasma eintretenden Faser in die dritte (3) Schicht der Marksubstanz des zweiten Ganglions. Vergr. 235/1 Fig. 2. Zelle mit T-förmigem Fortsatz aus der inneren Körnerschicht Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVIII. Bd. 17 256 Alexius Ziwarzin, des zweiten Ganglions; 3, dritte Schicht der Marksubstanz; h, deren mitt- lere Zwischenschicht; /, ein in das dritte Ganglion verlaufender Fortsatz. Vergr. 600/1. Fig. 3. Äußere Geflechte des zweiten Ganglions. Flachehnitt; gf, If, wenig verzweigte feine Fasern; p, dicke verzweigte Fasern; m, »Moosfasern«. Vergr. 570/1. Fig. 4. Horizontaler Schnitt durch die Marksubstanz des zweiten Ganglions; up, unverzweigte Fasern des oberen Geflechtes; /, durchziehende Faser; Ifz, Fort- satz einer »mehrschichtigen« Lokalzelle; ev, dessen Endverzweigung; 1, 2, 3, drei Hauptschichten der Marksubstanz. Vergr. 390/1. Fig. 5. Die auf Fig. 7 mit t bezeichnete Stelle mit einer T-förmigen Ver- zweigung bei stärkerer Vergrößerung. Vergr. 1040/1. Fig. 6. Senkrechter Schnitt durch die Marksubstanz des zweiten Ganglions; p, unverzweigte Fasern des äußeren Geflechtes; m, »Moosfasern«; Iz, Lz, End- verzweigungen von Fortsätzen von Lokalzellen; ps, palissadenförmige Zwischen- schicht. Vergr. 450/1. Fig. 7. Senkrechter Schnitt durch den inneren Winkel des zweiten Gan- glions; 1, 2, 3, drei Hauptsehichten der Marksubstanz; p, p^, äußeres und drittes Geflecht unverzweigter Fasern; P, zweites Geflecht dicker Fasern; Pv, dessen feinere Verzweigungen; d, Endabzweigungen des ersten Geflechts; z, Zellen der Eckganglien, die Fortsätze in unverzweigte Geflechte abgeben; zt, eine gleiche Zelle mit T-förmigem Fortsatz; c, Commissur; t, T-förmiger Verzweigung. Vergr. 410/1. Tafel V. Sämtliche Zeichnungen sind Präparate, die nach dem Verfahren von GoLGi behandelt worden sind, entnommen. Fig. 1. Verticaler Schnitt durch das dritte Ganglion; 1, 2, erste und zweite Markmasse; dv, diffuse Endverzweigungen; Iv'^, lokalisierte Verzweigung; ei-i, T-förmige Verzweigung dieser Faser; v, eine in beiden Markmassen gelegene Endverzweigung; ev, T-förmige Verzweigung dieser Faser. Vergr. 410/1. Fig. 2. Endverzweigungeir {ev) der Fortsätze von Lokalzellen der äußeren Körnerschicht des dritten Ganghon opticum; 3, dritte Markmasse. Vergr. 600/1. Fig. 3. Horizontaler Durchschnitt des dritten Ganglions. 1, 2, 3, erste, zweite und dritte Markmasse; b.e, zweite und dritte Schicht der ersten derselben; ch, inneres Chiasma; chf, aus dem Chiasma eintretende Fasern; chn, Commissuren- fasern; cn, Fasern, die in das obere Schlundganglion verlaufen; ef, ef^, Fasern, die in die Marksubstanz aus der inneren Körnerschicht eintreten; eb, ec, e'^, ed, deren Endverzweigungen. Vergr. 231/1. Fig. 4. Senkrechter Schnitt. 1, 2, 4, erste, zweite und vierte Markmassc des dritten Ganghon; //, Fortsätze von Lokalzellcn, die zwischen der ersten und zweiten IMarkmasse verlaufen und mit feinen Verzweigungen in der vierten endigen. Vergr. 4 1 0/ 1 . Fig. 5. Senkrechtc^r Schnitt durch das dritte Ganglion. chj, aus dem Chiasma eintretende Fasern; 1, erste Markmasse. Vergr. 410/1. Fig. 6. Senkrechter Schnitt durch das dritte Ganghon opticum. Fortsätze von Zellen mit T-förmigem Fortsatz aus der inneren Körnersehicht des zweiten Ganglions; 1, 2, erste und zweite Markmasse. Vergr. 410 1. Fig. 7. Senkrechter Schnitt durch das dritte Ganglion opticum. 1, erste Histologische Studien über Insekten. IV. 257 Markmasse; a,b, erste und zweite Schicht derselben; /■/, Fortsatz einer Zelle mit rückläufigem Fortsatz aus der inneren Körnerschiclit des zweiten Ganglions; t, seine T-förmige Verzweigung; te, seine Endigung in der ersten Markmasse; Iz, Lokalzelle des I. Tyjjus aus der äußeren Körnerschicht des dritten Ganglions; ev, collaterale Verzweigung seines Fortsatzes. Lf, Fortsatz einer Lokalzelle der äußeren Schicht vom IL Typus. Vergr. 000/1. Tafel VI. Sämtliche Figuren sind Präparaten, die nach tlem Verfahren von GoLOl behandelt worden sind, entnommen. Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch das dritte Ganglion opticum. 1, Z, erste und zweite Markmasse; b, die zweite Schicht in der ersten Masse; lf, Lf, Fortsätze von Zellen des I. und II. Typus der äußeren Schicht; //, aus dem Chiasma ein- tretende Faser; ch, inneres Chiasma; /*, Fasern, die in die vierte Markmasse verlaufen. Vergr. 410/1. Fig. 2. Aus einem senki'echten Durchschnitt durch das dritte GangUon. 1, Z, 4, erste, zweite und vierte Markmasse; P, dicke, in der vierten Markmasse sich baumförmig verzweigende Faser; ev, Endverzweigungen von Fortsätzen der Zellen des IL Typus der inneren Schicht des zweiten Ganglions; Tr, Trachea. Vergr. 410/1. Fig. 3. Senla'echter Schnitt durch das dritte Ganglion. 1, 2, 3, erste, zweite und dritte Markmasse; Pi, P2, ps, dicke, Inder ersten, zweiten und dritten Markmasse sich verzweigende Fasern; /, eine aus dem Chiasma eintretende Faser; cf, in das obere Schlundganglion verlaufendes Bündel; Cf, desgleichen; cf^, aus der inneren Körnerschicht eintretende Fasern ; re, deren Verzweigungen. Vergr. 235/1. Fig. 4. Senkrechter Schnitt durch das dritte Ganglion. 1, 2, 4, erste, zweite und vierte Markmasse; c, dritte Schicht der ersten Masse; lf, Lf, Fortsätze äußerer Zellen des I, und IL Typus; /, aus dem Chiasma eintretende Faser; /*, Fasern, die zwischen der ersten und zweiten Markmasse in die vierte verlaufen; P^, dicke Faser, die Verzweigungen in der ersten Markmasse bildet. Vergr. 240/1. Fig. 5. Senla-echter Schnitt durch das dritte optische Ganglion. 2, 3, zweite und dritte Markmasse; fl. Endigungen von Fasern, die aus dem Chiasma eintreten; rf, aus der inneren Körnerschicht eintretende Fasern; t, ihre T-förmige Verzweigung; Re, ihre Endverzweigung; Cf, zum oberen Schlundganglion ver- laufende Fasern; le. Endigung der Fortsätze von Zellen des I. Typus der äußeren Schicht. 410/1. Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren. Von Ludwig Loclimaun aus Cötheii. (Aus dem Zoologischen Institut zu Leipzig.) Älit 5 Figuren im Text und Tafel VII. Inhalt. „ * Seite Biologische Beobachtungen 259 Methoden der Züchtung und Untersuchung 261 Zur Entwicklung der Diphyiden 262 I. Galcolaria aurantiaca Vogt 262 Historisches 262 Entwicklung bis zur Ausbildung der ersten Schwinimglocke . . 262 Das larvale Primärglockenstadium 265 Das larvale Zweiglockenstadium 268 Das Einglockenstadium 260 Zeitdauer der Entwicklung 270 II. Diphyes Sieholdn KöUik 271 Historisches 271 Das larvale Zweiglockenstadium 272 Trennung der beiden Glocken 276 Das Einglockenstadium 278 III. Ahyla pentagona Eschsch 279 Historisches 279 Das Einglockenstadium 280 Zusaiunienfassung. Der Entwicklungstyp der Calycophoriden . 28:5 Die Bedeutung der Primärglocke 284 Angeregt zu nachfolgenden Untersucliungen wurde ich durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Chun. Es sei mir gestattet, ihm an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen für seine wertvollen Anregungen und Ratschläge. Desgleichen danke ich Herrn Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren. 259 Prof. Dr. Woltereck und Herrn Privatdozent Dr. Steche für das meiner Arbeit entoegengebrachte Interesse. Das Material zu dieser Arbeit wurde von mir während eines drei- monatlichen Aufenthaltes, März bis Mai des Jahres 1912, an der russi- schen zoologischen Station zu Villafranca gesammelt. Dem Leiter der Station, Herrn Prof. Dr. von Davidoff, danke ich für die Unter- stützung, die er mir zur Beschaffung des Materials gewährte. Biologische Beobachtungen. Im Anfang meines Aufenthaltes war das Vorkommen der Siphono- phoren, speziell das der Calycophoriden, mit denen ich mich haupt- sächlich beschäftigte, sehr dürftig. Es besserte sich erst einigermaßen Anfang Mai, um dann gegen Ende des Monats wieder abzuflauen. Während dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, auch einige Einzel- heiten über Vorkommen und Auftreten der Siphonophoren zu beob- achten. Für Diphyes konnte man das Auftreten einigermaßen sicher voraussagen je nach Temperatur und Bewegtheit des Meeres. AVar das Meer bei feuchtem, kaltem Wetter einige Zeit unruhig, so konnte man sofort bei Eintreten von einigermaßen besserem Wetter mit Be- stimmtheit auf das Vorkommen von Diphyes in größerer Zahl rechnen. Diphyiden und die dazugehörigen Eudoxien fanden sich dann in der Regel 8 — 10 Tage, darauf wurden die Tiere seltener. Am ergebnis- reichsten war der Fang in den späten Nachmittagstunden in einer Tiefe von ungefähr 20 m. Verschieden davon ist das Auftreten der großen Galeolaria auran- tiaca. Diese Siphonophore scheint sich vorwiegend in der Tiefe aufzu- halten und bei beinahe erlangter Geschlechtsreife zur Oberfläche empor- zusteigen, wo dann die Geschlechtsprodukte vollkommen reifen, und sich die Befruchtung vollzieht. Ich schließe dies daraus, daß Galeolaria, wie ich aus meinen eigenen Beobachtungen und für andre Jahre aus den mit Sorgfalt geführten Tabellen der Station zu Villafranca über das Vorkommen größerer pelagischer Tiere entnahm, sehr selten vereinzelt gefangen wurde. Während meines Aufenthaltes ereignete sich dies nur einmal, und da war es ein kleineres noch nicht geschlechtsreifes Exemplar. Dagegen traten sie zuzeiten, meist bei sonnigem, ruhigem Wetter, in so großer Anzahl auf, daß man sie zu Dutzenden an der Oberfläche sehen konnte. Alle diese Exemplare waren durchweg fast geschlechtsreif. Galeolaria ist bekanntlich eine Diphyide, bei der sich die Stamm- gruppen nicht als Eudoxien vom Stamme lösen, um selbständig eine 260 Ludwig Lucliinann, lieihe von Gonuplioien lLi'i\orzubiiiigen. Die Gonophoren, von denen jede StammgTuppe nur eine einzige erzeugt, verbleiben hier am Stamm. Dadurch erhält dieser eine ziemlich beträchtliche Länge. Ich beob- achtete Exemplare von 1 — IV2 Meter Stammeslänge. Die loko- motorische Kraft wird durch die beiden Schwimmglocken geliefert, unterstützt werden diese durch die Genitalschwimmglocken der zahl- reichen Anhangsgruppeu. Man kann jedoch auch bei Gcüeolaria einen der Eudoxienbildung ähnlichen Vorgang beobachten, der einer allzu großen Verlängerung des Stammes entgegenwirkt. Die Stammgruppen der stets monöcischen Kolonie, die aus Deck- stück, Freßpolyp, Fangfaden und Geschlechtsglocke bestehen, lösen sich kurz vor der vollständigen Reifung der Geschlechtsprodukte vom Stamme los und schwimmen durch lebhafte Kontraktionsbewegungen der Gonophore selbständig weiter. Derartige abgelöste Stammgruppen finden sich häufig im Plankton. Den Prozeß selbst konnte ich genau an Exemplaren beobachten, die ich, um von ihnen zur Züchtung reife Eier und Hoden zu erhalten, in großen Glasbehältern hielt. Die Stamm- gruppe ist nach dem Loslösen mindestens solange lebensfähig, bis die vollständige Reife der Geschlechtsprodukte eingetreten ist, was nach meinen Beobachtungen 8 — 14 Stunden beansprucht. Während dieser Zeit schwimmt die Stammgruppe mit ausgestrecktem Faugfaden und auch Nahrung aufnehmend lebhaft umher. Nach vollständiger Reife der Geschlechtsprodukte, die man äußerlich bei den weiblichen Gruppen an der größeren Durchsichtigkeit der Eier, bei den männlichen an der lebhaft orangeroten Färbung der Hoden erkennt, löst sich die Gono- phore von der Stammgruppe los und schwimmt allein weiter. Die übrigen Teile sinken und sterben allmählich ab. Der Austritt der Eier und Hoden aus der Gonophore erfolgt in der von Chun für Eudoxia Eschscholtzii angegebenen Weise, indem an den Eiern in regelmäßigen Intervallen Pumpbewegungen von einem Teil der Eioberfläche aus- geführt werden, durch welche schließlich die umgebende dünne Ecto- dermhüUe gesprengt und dem Ei Austritt und Befruchtung ermög- licht wird. Dieses Verhalten bei Galeolaria dient wie die Eudoxienbildung zur Verkürzung des Stammes und damit zur Entlastung der Schwimm- glocken. Jedoch ist es, wenn sich auch eine gewisse Ähnlichkeit nicht verkennen läßt, doch verschieden von der Eudoxienbildung. Im Gegensatz zu dem einfacheren Vorgange bei Galeolaria erfährt dort nach der Ablösung das Deckstück eine Reihe von Gestaltsveränderun- gen, es besitzt außerdem einen wohlausgebildeten Ölbehälter, die Zur Entwickluugsgescliiclitc der Siphonophoren. 261 Geschlechtsprodiikte bilden sich erst nach der Ablösung der Eudoxie aus, und die Eudoxie bringt nacheinander eine ganze Reihe von Gono- phoren hervor. Ähnliche Verhältnisse wie bei Galeolaria finden sich bei andern nicht eudoxienbildenden Diphyiden, z. B. bei Praya. Methoden der Züchtung und Untersuchung. Während meines Aufenthaltes in Villafranca beabsichtigte ich, eine ganze Anzahl von Diphyesarten vermittels künstlicher Befruch- tung zu züchten. Leider war mir dies infolge Materialmangels nicht möglich. Züchtungen gelangen mir nur bei zwei Siphonophoren, bei Galeolaria aurantiaca und bei der Physophoride Haiistemma tergesti- num. Im Plankton fand ich eine Reihe von Entwicklungsstadien von Diphyes Sieboldii und von Ahyla pefitagona. Bei einem Züchtungs- versuch bei Forscalia Edwardsii entwickelten sich die Larven nicht über das Planulastadium hinaus. Die Züchtungen wurden in großen, flachen Glasbehältern vorge- nommen. Die Durchlüftung, ein sehr wesentlicher Faktor für die nor- male Entwicklung der Larven, geschah durch Meeresalgen, Ulva oder Enteromorpha. Ernährt wurden die jungen »Siphonophoren durch See- igellarven, die ich mir durch die bei diesen Tieren ja sehr leichte künst- liche Befruchtung verschaffte. Da bei andern Siphonophoren, bei Praya maxima, Agalnia rubrum, Forscalia Edwardsii und bei Galeo- laria die künstliche Befruchtung nach der bekannten Art der künst- lichen Befruchtung bei Seeigeln, das Zusammentun von künstlich aus den Gonophoren befreiten Eiern und etwas Spermaflüssigkeit, nie Erfolg gehabt hatte, brachte ich jetzt reife männliche und weibliche Gonophoren, die sich von den Stammgruppen abgelöst hatten, zusam- men. Die Eier und Hoden entleerten sich normalerweise aus den Gono- phoren und befruchteten sich. Zur Konservierung verwandte ich für die Larvenstadien die Flem- MiNGsche Mischung, für erwachsene Diphyiden FLEMMiNGsche Lösung, Formol oder eine Mischung aus 12 Teilen konzentrierter Sublimat- lösung, 2 Teilen Eisessig und Formol und 12 Teilen Meerwasser. Letztere empfiehlt sich besonders, da sie ohne große Schrumpfungen und Kon- traktionserscheinungen und ohne die bei Verwendung des Flemming- scheu Gemisches so lästige Brüchigkeit und Schwärzung der einzelnen Stammesteile die Verwendbarkeit des Objektes auch zu histologischen Zwecken gestattet. Zur Färbung der Schnitte verwandte ich das HEiDENHAiNsche Gcmisch mit einer Nachfärbung mit Orange-G. Bei 262 Ludwig Locluiiauii, Totalpräparaten wurden die Entwicklungsstadien 3 — 5 ]VIiuuten mit einer Mischung von Formol und Seewasser, 1 : 25, fixiert und mit DELAFiELDschem Hämatoxylin gefärbt. Zur Entwicklung der Diphyiden. I. Galeolaria aurantiaca Vogt. Historisches. Die erste Notiz über Entwicklungsstadien von Galeolaria auran- tiaca findet sich bei C. Vogt (185i). Die von ihm als Larven von Ga- leolaire orangee beschriebenen und abgebildeten Siphonophoren sind jedoch überhaupt keine Larven, sondern junge Eudoxien; von welcher Art läßt sich aus den Abbildungen nicht mit Sicherheit erkennen. Metschnikoff, dem Altmeister der Ontogenie der Siphonophoren, gelanü es zuerst, Galeolaria aurantiaca zu züchten. Er beschreibt sie in seinen Studien über Entwicklung von Medusen und Siphonophoren als Epibulia aurantiaca. Metschnikoffs Beobachtungen sind hier, wie er selbst bemerkt, etwas lückenhaft und endigen auf einem Stadium, welches wichtige Fragen unbeantwortet läßt. So ist sich z. B. Metsch- NIKOFF Über die Art der Entwicklung der erstgebildeten Schwimm- glocke und über ihre morphologische Stellung zur erwachsenen Kolonie im unklaren. Entwickhing bis zur Ausbildung der ersten Schwimmglocke. - Diese folgenden Bemerkungen über die Entwicklung von Galeo- laria bis zur Ausbildung der primären Schwämmglocke sollen zunächst eine Ergänzung zu Metschnikoffs bis zu diesem Punkte reichenden Beobachtungen bilden, und dann auch ein Bild der typischen Ent- wicklung der Calycophoriden bis zu diesem Stadium geben. Das befruchtete Ei teilt sich durch totale, in den übrigen Gesetzen sonst unbestimmbare Furchungen bis zum sogenannten Morulastadium. Die kugelige Form der Larve wird länglich, die Oberfläche glättet sich und überzieht sich mit einem feinen mit Wimpern versehenen Ecto- derm und wird so zur typischen, im Innern aus großen saftreichen Dotterzellen bestehenden Planula. Man unterscheidet an der länglichen, eiförmigen Planula zwei Teile. Der breitere Teil ist bei den kreisenden Beweüunoen der Larve stets nach oben gerichtet. Am unteren spitzeren Teil tritt bald ein gelblichrotes Pigment auf; dieser wird später zum Primärpolypen, ist also der orale Pol. An diesem oralen Pol bildet sich nun eine starke Ectodermver- dickung aus, die sich von dort auf die eine Seite der Planula zieht. Zur Entwicklungsgeschichte der Sijjhonophoren. 26a A SU r----v c, >/ ent' die man wegen der dort stattfindenden Organbildung als Ventralseite bezeichnet. Hier beginnen nun die großen inneren Saftzellen, das primäre Entoderm, sich zum sekundären umzuwandeln. Die Bildung des definitiven Entoderms bleibt 7Ainächst auf die Ventralseite be- schränkt, und erst allmählich zieht sich dies zum Oralpol hinab. Die genaue Beschreibung der Ectoderm- und Entodermbildung bei Siphono- phoren hat Woltereck gegeben (1905). Auf der Veutralseite, etwas oberhalb der Mitte, entwickelt sich vermittels eines Glocken- kerns die erste Schiwmm- ';:-. glocke (Fig. 1 A). Unter- :, halb der Schwimmglocken- v. anläge entsteht aus einer aus Ectoderm und Entoderm bestehenden Verdickung die Knospe für den Fangfaden (^), zunächst ein einfaches, rimdliches, später warziges Bläschen. Die Knospe der V, Schwimmglocke vergrößert sich schnell; eine Ausstül- ^--■]^^\\/"^-^--. pung des Entoderms liefert enf.—--- den Ölbehälter {c.ol ), zwi- schen Ectoderm und Ento- ect- derm wird eine Schicht Gallerte abgelagert, und es entsteht der entodermale Textfig. 1. Glockeno'efäßapparat Bipolare Plamüa von Galeolaria aurantiaca. jI."" Anlage w-V A 1 ^^^ primären larvalen Glocke; c.ol., Anlage des Ölbehäl- Vv anrenCi uer nun ei- ters; ffa.cUe zwischen Ectoderm und Entoderm abgcsclüe- folo'enden VerorÖßerun"" der "^'ene Gallortschicht; su, Subumbrella ; t, Fangfadenknospe; ^^. - - T , • 1 J ''^'' Ectoderm; ent', primäres und ent, sekundäres defini- Glocke verändert SlCn der tlves Entoderm; p, künftiger Magenschlaucb. Rest des Embryonalkörpers, der bei zunehmender Größe der Glocke als bloßer Anhang erscheint. In seinem Innern entsteht eine flimmernde Kaviiät, die Anlage des Cölenterons. Am Oralpol entwickelt sich das typische, aus zylinder- förmigen Zellen bestehende Entoderm des Freßpolypen (Fig. 2 ent). Zwischen der Glocke und den übrigen Teilen hat sich ein Verbin- dungsgefäß gebildet, an dem die Knospenbildung erfolgt. Es besitzt ganz den histologischen Bau des Stammes, man kann es sogar als Anlage des Stammes bezeichnen, wenn es auch nur vergänglich und 264 Ludwig Lochmaiin, larval ist. Ein Längsschnitt durch dieses Stadium gibt Abbildung 2 wieder. Das Auffallendste ist die schon ziemlich große, bei der Konservierung etwas geschrumpfte primäre Schwimmglocke (A) mit dem Ölbehälter [c.ol.) und dem Schwimmsack und seiner schon ziemlich stark ausgebildeten subumbrel- laren zirculären Muskula- tur. Die die Wandungen des Ölbehälters bildenden entodermalen Zellen sind ziemlich stark. Bei fort- schreitendem Wachstum werden sie dünner, bis sie schlicßHch bei der erwach- senen Glocke nur noch eine zarte Auskleidung des Öl- behälters bilden. Mit der Primärglocke hängt durch das vom Proximalabschnitt des Öl- behälters abgehende Ver- bindungsgefäß der Rest des Embryonalkörpers zu- sammen. Man kann an diesem zwei verschiedene Abschnitte, die durch eine ringförmige Furche von- einander abgesetzt sind, rp ,,. o unterscheiden. Der orale Textfig. 2. Längssclinitt durch eine ältere Larve von Galcolaria auran- ^^^^ (/O ^^* Sclion ganZ daS tiaca. Ä., Priniärglocke; c.ol., Ölbehälter; M.su, zirkuläre Aussehen des auso'ebilde- subumbrellare Muskulatur und y,Yelum derselben. ü,Knospe , -aT 'Ul 1 T»' der sekundären heteromorphen Glocke; tr, Verbindungs- ^^^ iViagenscnlaUCneS. Uie gefäß; K.Z, Urknospe der Stammgruppen; t, Anlage des Ectodcrmzellen siud Ver- Fangfadens; p, Anlage des primären Magenschlauches ; x-ij-J T?.(-/1 'U ec«, Ectoderm;«««', primäres und e«<, definitives Entoderm; Stärkt, ClaS J^intOCierm De- st.i, Stützlamelle. Steht aus langen zylindri- schen Zellen. Zwischen Ectoderm und Entoderm ist die in der Abbildung besonders auf der ventralen Seite hervortretende Stützlamelle {St.l) gebildet. Der obere Abschnitt des Embryonalkorpers ist noch ziemlich undifferenziert. M.su Zur Eutwickluugsgesc'hichte der iSiphonojihoren. 265 Er ist vollkommen von dem primären Entoclerm (enf), den großen wabigen Dotterzellen erfüllt. Auf der Oberseite des Stammes liegt eine rundliche aus Ectoderm und Entoderm bestehende, noch nicht weiter differenzierte Knospe (B), die Anlage der zweiten Schwimmglocke. Die auf der Unterseite des Stammes, dieser ungefähr opponiert liegende Knospe {K.z), ist die so- genannte Urknospe (Chun), die Knospungszone der Stammgruppen. An ihrem distalen Teile beginnt sich bereits eine Knospe abzuschnüren. Unterhalb des Stammes an der Ventralseite des Embryonalkörpers liegen vielfach verschlungene Aste und Knospen, die Anlage des Ten- takclapparates der ersten Stammgruppe (t). Bei fortschreitendem Wachstum wird die primäre Schwimmglocke vollkommen ausgebildet, der Kest des Embryonalkörpers wird zur Ausbildung der primären Stammgruppe und des Stammes verwandt. Wir haben dann ein Stadium bestehend aus ausgebildeter Primärglocke, Primärstammgruppe und verschiedenen Knospen vor uns. Bis hierher erstrecken sich Metschnikoffs Bebachtungen. Das larvale Primärgloekenstadium. Bei sorgfältigster Kultur, täglichem Wasserwechsel, Durchlüftung und guter Fütterung gelang es mir, die jungen Galeolarien zu einem ziemlich weiten Entwicklungsstadium zu bringen. Ich beginne mit der Beschreibung des in Taf. VII, Fig. 1 wiedergegebenen Stadiums. Charakterisierend für dieses Stadium ist die Primärglocke mit ihrem von dem der späteren Glocken so abweichenden Habitus. Sie ist im Verhältnis zu den ausgewachsenen sekundären Glocken nicht allzu groß, ungefähr 2,7 mm im Längsdurchmesser, Sie ist mützenförmig gestaltet, von ähnlicher Form wie die von Chun für Muggiaea Kochii und von Haeckel für Cymbonectes Huxleiji beschriebenen Primärglocken, jedoch größer als diese. Der untere, breite Teil ist fast ganz vom Schwimmsack erfüllt, im oberen, schlankeren Abschnitt befindet sich der Ölbehälter {c.ol), ein am oberen Pol stärkeres, im proximalen Ab- schnitt nicht sehr verengtes, keulenförmiges Organ, das schräg aufwärts durch den oberen Teil der Glocke verläuft. Vom proximalen Abschnitt des Ölbehälters verläuft ein kurzes Gefäß fast senkrecht nach unten, tritt in den Schwimmsack ein und teilt sich dann in die vier subumbrellaren Glockengefäße. Zwei seit- liche streichen in dem Bogen der Wandung des Schwimmsacks nach unten. Das dorsale Gefäß geht zunächst aufwärts, bis es die oberste Kuppe des Schwimmsackes erreicht, und läuft dann auf der dorsalen 266 Ludwig Loohinann, Seite der Subiinibrella abwärts. Das vierte kürzeste ventrale Gefäß streicht an der entgegengesetzten Seite direkt nach unten. Im Velum (v) vereinigen sich die vier Gefäße zu einem Kingkanal. Auf der ven- tralen Seite befindet sich ein tiefes, schlitzförmiges Hydroecium (h). Vom proximalen Abschnitt des Ölbehälters verläuft der schon erwähnte starke muskulöse Gefäßstrang (tr), den man, wenn auch ein kurzes proximales Stück später abgeworfen wird, doch als Stamm bezeichnen kann. Er mündet durch das Hydroecium nach außen. Bemerkenswert ist seine große Kontraktilität. Ich beobachtete Exem- plare mit einem lang aus dem Hydroecium heraushängenden Stamm und andere, bei denen der Stamm mit allen seinen Anhängen ganz in das Hydroecium eingezogen war. Am Anfangsteile des Stammes findet sich eine Reihe von Knospen. Auf der Oberseite liegt eine einzige kugelige Knospe (B), die Anlage der sekundären heteromorphen Schwimmglocke. Dieser ungefähr oppo- niert auf der Unterseite des Stammes liegt eine aus Ectoderm und Entoderm bestehende Verdickung {K.z), die Urknospe der Stamm- gruppen. Chun hat die lebenslängliche Persistenz dieser Urknospe für die Monophyiden und Polyphyiden mit aller Schärfe nachgewiesen. Bei allen von mir untersuchten Diphyiden, bei Jugendstadien sowohl als bei erwachsenen Exemplaren fand ich stets diese Urknospe, kann also Chuns Beobachtungen auch für die Diphyiden bestätigen. In neuerer Zeit sind die Knospungsvorgänge und die Entwicklung der Diphyiden Gegenstand einer Untersuchung von Dr. Fanny Moser geworden. In ihren Arbeiten, anf die ich noch später zurückkommen w^erde, stellt sie die Existenz einer Urknospe in Abrede. Hierbei muß ich kurz auf die Entstehung der Stammgruppen zu sprechen kommen. Chun, der die Knospungsvorgänge am Stamm in seiner Monographie über die kanarischen Monophyiden (1892) ein- gehend beschrieben hat, hat als erster bei den Monophyiden erkannt, und später für die gesamten Calycophoriden verallgemeinert, daß die vier Konstituenten einer Stammesgruppe ursprünglich aus einer ein- zigen Knospe hervorgehen. Moser kommt über diesen Punkt zu fol- genden Resultaten (1911): »Was die Entwicklung der Stammesgruppen anlangt, so fand ich niemals bei den von mir untersuchten Diphyiden, daß die vier Konstituenten einer Stammesgruppe aus einer einzigen Knospe hervorgehen, sondern drei entstehen stets selbständig meist nacheinander {Dijihyes), selten nebeneinander {Ahyla, Deckstück und Geschlechtsglocke) am Stamm.« Diese Resultate von Moser erweisen sich als unhaltbar, sind aber Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren. 267 durch die Beobachtung von ledigUch konserviertem Material, bei dem durch Kontraktion diese Verhältnisse sehr schwer erkennbar sind, zu erklären. Kurz geschildert, entwickeln sich die Stammgruppen der Diphyiden folgendermaßen. Zimächst bildet sich durch Abschnürung von der Urknospe auf der Ventralseite des Stammes ein schlauchförmiges Bläschen {g'), welches distalwärts sich zum Stamme neigt. Ich will es Hauptknospe nennen. Auf der Abaxialseite, also der dem Stamme abgewandten Seite dieser Hauptknospe, entsteht nun zwischen Anfang und Mitte eine warzige Erhebung, die Anlage des Fangfadens (Taf. VII, Fig. 3 t), und später am proximalen Abschnitte kurz vor der Inser- tionsstelle der Hauptknospe am Stamm ebenfalls abaxial eine weitere Knospe (Taf. VII, Fig. 3 hr + go), die sich dann später auf einem ge- wissen, je nach der Spezies verschiedenen Stadiimi, in die Anlagen von Deckstück und Gonophore differenziert. Meine diesbezüglichen Beobachtungen decken sich darin ganz mit Chuns über die Mono- phyiden gewonnenen Resultaten. Wenn nun Moser sagt, drei Knospen entstünden selbständig meist nacheinander, selten nebeneinander, so ist dabei eben von ihr über- sehen worden, daß diese Knospen doch sekundäre Produkte der Haupt- knospe sind, die ganze Anlage also doch aus ursprünglich einer Knospe, der Hauptknospe, hervorgeht. Bei dem vorliegenden Stadium ist nur eine Hauptknospe, ein noch einfaches Bläschen ( 96%iger Alkohol, 6 >> Formaldehyd 4 » Eisessig. Jedoch bei jüngeren, bis Anfang Juli gefangenen Formen ist wegen ihres reichen Gehaltes an Fettgeweben diese Konservierung nicht zu empfehlen, da die Fettmassen nach wenigen Tagen stark zu schwellen beginnen, w^odurch das Abdomen aufgetrieben wird und meist sogar platzt. Es ist mir noch unklar, ob etwa die Essigsäure diese Schwel- lung verursacht. In diesem Falle ist 70%iger Alkohol allen andern Konservierungen vorzuziehen. Das Präparieren geschieht am besten unter der binoculären Lupe. Man verfertigt sich zweckmäßig zwei kleine Präparierbecken, eins Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 299 aus weißem, das andre aus schwarzem Paraffin. Das zu präparierende Insekt wird einfach am Boden des weißen Beckens festgeklebt, indem man mit einem heißen Messer das Paraffin in der Umgebung des Tieres etwas erweicht; es liegt dann ganz fest, so daß man bequem mittelst eines scharfen Messerchens die Chitindecke abheben kann. Zum Frei- legen der inneren Organe benutzt man am besten ganz feine, möglichst unelastische Stahluadeln; fein ausgezogene Glasstäbchen sind zwar sehr spitz, aber viel zu biegsam. Man präpariert das Tier zweckmäßig von der Seite auf, weil nur auf diese Weise die Einmündung der Geschlechts- organe in den Legestachel und die dazu gehörigen Drüsen gut sichtbar werden. Allerdings ist bei diesem Verfahren nur das eine Ovarium mit dem sich daran anschließenden Ovidukt zu sehen; da aber der Ge- schlechtsapparat bilateral symmetrisch gebaut ist, läßt sich das andere in Gedanken leicht ergänzen. Präpariert man vom Rücken aus, wie es DuFOUR anscheinend immer getan hat, so legt man wohl beide Ova- rien frei, dagegen ist von dem meist unter den Ovarien oder Ovidukten verborgenen Uterus und seiner Einmündung in den Legestachel sehr wenig zu bemerken. Die Präparation in einem weißen Becken vorzu- nehmen, empfiehlt sich deshalb, weil sich die Tiere wegen der meist dunklen Färbung des Chitins recht gut von dem weißen Untergrunde ab- heben. Will man dagegen die einzelnen Organe näher untersuchen, so löst man sie aus dem Abdomen heraus, um sie bequem von allen Seiten betrachten zu können und bringt sie in das schwarze Becken, wo wieder- um ihre helle Färbung auf dem dunklen Grunde die Beobachtung sehr erleichtert. Es ist ratsam, unter 70%igem Alkohol zu präparieren, um die Gewebe für eventuelle histologische Untersuchungen immer konserviert zu halten. Allerdings habe ich mich auf histologische Be- trachtungen gar nicht eingelassen, weil derartige Untersuchungen weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würden; trotzdem ver- suchte ich aber (der technischen Methode halber) einige Eierstöcke zu schneiden. Es läßt sich nicht jedes beliebige Verfahren anwenden, da besonders der Eidotter immer Schwierigkeiten bereitet. Als gut erwies sich die von T. Caesar (Freiburg) beschriebene Celloidiumethode : 70%iger Alk. (1 Tag) — 96%iger Alk. (1 Tag) — lOOiger Alk. (2 Tage) — Celloidinlösung (2 g Cell, in 80 g Äther + 20 Teilen 100%igem Alk.; 2 Wochen) — Chloroform ( 1 Stunde ) — Chloroform + Paraffin vom Schmpt. 45° (3 Tage) — Paraffin vom Schmpt. 45° (3 Tage) — Pa- raffin vom Schmpt. 58° (3 Tage) — einbetten in Paraffin vom Schmpt. 58°. Manche ließen sich auf die einfache Methode : Alkoh. — Benzol — Paraffin ganz gut schneiden. 300 Wilhelm Pampel, 2. Systematik. Ich untersuchte alle in der Inhaltsangabe aufgeführten Arten. Wie zu erwarten stand, kam ich dabei oft in Gegensatz zu dem nach rein äußerlichen Gesichtspunkten aufgestellten System. Die einzige, sowohl nach äußerlichen als auch anatomischen Merkmalen fest um- rissene, von den andern Ichneumoniden streng geschiedene Gruppe stellen die Ichneumoninen Schmiedeknechts dar, während bei den übrigen vier Gruppen der Cryptinen, Pimplinen, Ophioninen, Trypho- ninen viele Umstellungen vorgenommen werden müssen, wenn man einen rein anatomischen Maßstab anlegt. Glypta, Phytodietus, Echthro- doca, Lissonota gehörten dann nicht zu den Pimplinen, sondern zu den Ophioninen. Paniscus wäre besser den Tryphoninen zuzuordnen. Von den Tryphoninen dagegen müßten Protarchus, Hadrodactylus, Cato- glyptus, Ctenopelma, Perilissus, Erigloea zu den Ophioninen gestellt werden. Die Cryptinen zeigen denselben Bau wie die Pimplinen und müßten mit diesen zu einer einzigen Gruppe vereinigt werden. Des Vergleiches halber stelle ich im folgenden ein Verzeichnis der präpa- rierten Formen nach dem System Schmiedeknechts einem nach ana- tomischen Gesichtspunkten geordneten gegenüber: Ichneumoninen : Ichneumonentypus : Ichneumon Ichneumon Stenichneumon Stenichneumon Protichneumon Protichneumon Cryptinen : Bohrertypus : Cryptus Cryptus Stylocryptus Stylocryplus Pimplinen : Pimpla Pimpla Ephialtes EphiaUes Rhyssa Rhyssa Theronia Theronia Coleocentrus Coleocentrus Odontomerus Odontomerus Xorides Lissonota Poemenia Echthrodoca Collyria Xorides Ophiontypus : Phytodietus Ophion Poemenia Henicospilus Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 301 Glypta Collyria Ophioninen : Ophion Henicospilus Campoplex Paniscus Allocamptus Angitia Trichomma Anomalon Xenoschesis Pyracmo7i Try phoninen : Tryphon Protarchus Polyblastus Dispetes Hadrodactylus Catoglyptus Ctenopelma Perilissus Erigloea Campoplex Allocamptus Angitia Trichomma Anomalon Xenoschesis Pyracmon Lissonota Echthrodoca Phytodietus Glypta Protarchus Hadrodactylus Catoglyptus Ctenopelma Perilissus Erigloea Tryphontypiis : Tryphon Paniscus Polyblastus Dispetes. 3. Nervensystem und Darmkanal. Wir finden im Abdomen immer eine Kette von fünf Ganglien- knoten, die durch zwei parallele, dicht zusammenliegende Nerven- stränge verbunden sind. Das erste Ganglion sitzt gewöhnlich schon im Hinterleibstiel. Die nächsten drei folgen in regelmäßigen Abständen. Das letzte Ganglion dagegen ist dem vorletzten sehr genähert und meist nur durch zwei ganz kurze Connective von diesem getrennt. Während die vier ersten Ganglien unter einander die gleiche Größe haben, ist das letzte in der Regel 3 — 4 mal so groß wie die andern, bei manchen Formen sogar 5 — 6 mal {Angitia, Textfig. 22). Die Größe dieses Gan- glions ist daraus zu erklären, daß es eigentlich aus mindestens vier Einzelganglien zusammengesetzt ist; denn entsprechend den acht Abdominalsegmenten der Imago, sollte man auch insgesamt acht Ganglien erwarten. Daß dies ursprünglich auch der Fall war, erkennt man daran, daß, während die ersten vier Ganglien rechts und links nur je einen sich weit verästelnden Nervenstrang entsenden, vom 302 Wilhelm Pampel, Hinterrande des Endganglions etwa sechs solcher Stränge ausgehen, die den gesamten hinteren Abschnitt des Abdomens innervieren. Bei größeren Formen (z. B. CoJeocentrus excitator) kann man deutlich Nerven- stränge nach dem Uterus, den muskulösen Uterus-Ligamenten, dem Enddarm, der Stachelmuskulatur und den Stachelscheiden verfolgen. Die Ganglienkette durchläuft im allgemeinen nur etwa zwei Drittel des Abdomens, so daß also dem Endganglion die Innervierung des ganzen letzten Drittels anheimfällt. Bei Formen mit sehr weit nach vorn eingerenktem Legestachel ( Coleocentrus excit. Taf . VIII, Fig. 4) reicht sie nur bis zur Mitte. Vom Hinterleibsstiele an verläuft sie bis zum dritten Ganglion dicht über der ventralen Chitindecke hin, bleibt aber von dieser immer durch eine Fettschicht getrennt. Darnach biegt sie mehr der Mittellinie des Abdomens zu und zieht sich ventral am Chylus- darm hin, zwängt sich zwischen diesem und den beiden ihn umgreifen- den Ovidukten hindurch, und zwar gerade an der Stelle, wo sich die beiden Ovidukte zum Uterus vereinigen und endet dann mit dem letzten Ganglion dorsal auf dem Uterus. Manchmal reicht das End- ganglion nicht bis an den Uterus heran, sondern nur bis zu dem durch die Vereinigung der beiden Ovidukte gebildeten Sattel (vgl, Textfig. 6), anderseits schiebt es sich zuweilen so weit auf dem Uterus vor, daß auch das ihm sehr genäherte vorletzte Ganglion mit auf den Uterus zu liegen kommt (vgl. Textfig. 8). Wo die Ovidukte recht lang ausgezogen sind {Ängitia, Textfig. 22), erreicht das Endganglion gar nicht mehr die Vereinigungsstelle der beiden Ovidukte, sondern schmiegt sich einfach ventral dem Chylusdarm an. Der Darmkanal zeigt nach Dufour keinerlei AVindungen, son- dern durchzieht als gerade gestreckter Strang das ganze Tier. Diese Beobachtung habe ich nur bei einem einzigen Präparat machen können {Coleocentrus exit., Taf. VIII, Fig. 4); in allen andern Fällen ist er immer mehr oder weniger gewunden. Regel ist, daß das Intestinum direkt hinter dem Chylusdarm eine große Schlinge bildet. Der Darm- tractus zerfällt, soweit er für das Abdomen in Betracht kommt, in fünf Teile: Aus dem Stiele tritt der dünnwandige, durchsichtige, meist etwas blasig aufgetriebene Kropf (Vorderdarm); bei jungen Formen stellt er einen ziemlich engen, glatten Schlauch von undurchsichtigem Gewebe dar. Bei ausgewachsenen Formen erfüllt er oft den ganzen Querschnitt des vorderen Abdomens und weist mehrere seichte Aus- sackungen auf. Hieran schließt sich ein kurzer Muskelmagen, der einen Verbindungskanal zwischen dem Kropf und dem folgenden Chylus- darm darstellt. Er verengt den Darnikanal sehr stark und zeigt oft Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 303 kräftige Längsmuskeln. Im einfachsten Falle reduziert er sich auf einen kaum erkennbaren, unverdickten Schlauch. Er ist dem Chylus- darm eingefügt und bildet an diesem gewissermaßen ein Mundstück, das in das Innere des Kropfes vorspringt. Der Chylusdarm (Mittel- darm) hebt sich durch seine bräunlich-gelbe Färbung und seine tönn- chenförmige Gestalt deutlich von den andern Teilen des Darmtractus ab. Infolge seiner ringförmigen Querriefung gewinnt er das Aussehen eines Bienenkorbes. Nach hinten zu verjüngt er sich allmählich und nimmt an seinem Ende einen Kranz von 15 — 20 MALPiGHischen Gefäßen auf, die wirr in einander ver- schlungen, einen großen Teil des Abdomens durchziehen. Es folgt der Enddarm. Dieser bil- det direkt hinter dem Chylus- darm die schon erwähnte Schlinge, wodurch der letzte Teil des Darmkanals in dor- sale Lage gebracht wird. Er zerfällt in zwei Abschnitte, den Dünndarm und das meist kurze Rectum. Der Dünndarm zeigt manchmal Längsriefung und weißliche Färbung (Textfig. 1 a). Während er neben dem Muskel- magen den schmälsten Ab- schnitt des Darmkanals dar- stellt, ist das Rectum immer mehr oder weniger ausgebaucht. Es weist starke lokale Ver- dickungen der Darmwand auf, die Rectaldrüsen. Diese haben oft längliche Gestalt und liegen zu sechs bis acht neben einander auf dem Darmumfang; oft sind es auch nur weißliche Knoten, die in regelmäßiger Anordnung oder regellos verstreut das Rectum bedecken. Im letzteren Falle ist das Rectum meist ganz dünnwandig und durch- sichtig (Textfig. 1). Die Länge der einzelnen Darmabschnitte ist fast bei jedem Tier verschieden; im allgemeinen endet der Kropf ungefähr Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bil. 20 Textfig. 1. Rectaldrüsenformen; a, Campoplex spec.?; b, Xeno- schesis fulvipes; c, Angitia spec. f; d, Ophion obscunw, e, Coleocentrus exeitator. 304 Wilhelm Panipel, in der Mitte des Abdomens. In manchen Fällen überschreitet er bei weitem diese Länge {Coleocentrus, Taf. VIII, Fig. 4. Angitia, Text- fig. 22). Bei jüngeren Tieren ist er immer kürzer. 4. Geschlechtsapparat. A. Allgemeine Anatomie. Der weibliche Geschlechtsapparat setzt sich zusammen aus den beiden Ovarien mit ihren Ovidukten, dem Uterus, dem Giftapparat, einer Schmierdrüse und dem Legestachel. Die Ovarien werden von zwei über dem Darmkanal gelegenen Eiröhrenbündeln gebildet, deren Größe und Gestalt bei den einzelnen Genera immer sehr verschieden ist. Sie haben Spindelform und neigen beiderseits mit ihren Spitzen zusammen. Die vorderen Enden sind an einem gemeinsamen Liga- mente aufgehängt, das von der dorsalen Chitindecke des Thorax aus- geht. Die hinteren Enden laufen in zwei längere oder kürzere Ovidukte aus, die sich zu einem gemeinsamen Uterus vereinigen. Sind die Ovidukte kurz (Ichneumoninen, Pimplinen und Cryptinen), dann weichen die Ovarien in der Mitte auseinander und lassen zwischen sich einen Spalt zum Durchgang des Darmkanals frei. Sind die Ovi- dukte lang (Ophioninen und Tryphoninen), dann schließen sich die Ovarien in der Längsrichtung eng zusammen, und nur die Ovidukte umgreifen den Darmkanal. Jedenfalls ist der Uterus ventral gelegen. Die Anzahl der Eiröhren in jedem Ovarium schwankt zwischen 4 und 40; die niedrigsten Zahlen findet man bei den Ichneumoninen, die höchsten bei den Ophioninen und darunter besonders bei AnomaJon. Entsprechend der verschiedenen Anzahl der Eiröhren beanspruchen die Ovarien bei den einzelnen Formen auch verschieden viel Raum, ein Umstand, der das anatomische Bild stark beeinflußt. Auch die Anzahl der Eier in einer Eiröhre ist sehr wechselnd. So enthalten die Eiröhren vieler Pimplinen, besonders auch der großen Holzbohrer {Ejjhialtes usw.) trotz ihrer Länge oft nur 2—3 Eier (vgl. Taf. VIII, Fig. 3; Taf. IX, Fig. 7; Taf. VIII, Fig. 5), während in einer Eiröhre mancher Ophioninen oft 20 — 30 aneinandergereiht sind (Taf. X, Fig. 16). Natürlich hängt die Anzahl der Eier durchaus von ihrer Größe ab, und man wird sich nicht wundern, bei den erwähnten Holzbohrern sehr große, langge- streckte Eier zu finden, bei den Ophioninen dagegen kurze und oft an- nähernd kugelförmige. Die Ovidukte stellen den gemeinsamen Ausführkanal sämtlicher Eiröhren eines Ovariums dar (Dufour nennt die Ovidukte >>le col<< Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden, 305 oder »le calice de rovaire<< und bezeichnet mit »l'oviducte« den Uterus). Sie scheinen manchmal ein nur kurzes Verbindungsstück zwischen den Ovarien und dem Uterus zu bilden (Ichneumoninen und Pimplinen); in andern Fällen sind sie sehr lang und dienen als Eireservoire ; außer- dem scheinen ihnen dann noch zuweilen besondere physiologische Eigen- schaften zuzukommen, die den kurzen Ovidukten abgehen. (Vgl. S. 334.) Auffallend lange , oft mit Eiern ganz vollgestopfte Ovidukte findet man bei vielen Ophioninen. Da ihnen zur völligen Ausbreitung nicht genügend Raum zur Verfügung steht, sind sie zu großen Win- dungen und Schleifen gezwungen; sie übertreffen unter Umständen die Ovarien um das 2 — 3 fache an Länge. Bei solchen Formen bilden sie die Hauptmasse des gesamten Geschlechtsapparates; bei einzelnen Ophioninen (z. B. Angitia, Textfig. 22) verschwinden die Ovarien fast vor den Ovidukten, und man ist beim ersten Anblick leicht geneigt, die in ihren vorderen Teilen besonders stark angeschwollenen Ovidukte fälschlicher Weise für die Ovarien anzusehen (vgl. S. 333). Der Uterus ist, allgemein gesprochen, ein Sack zur Aufnahme der Eier aus den beiden Ovidukten, die entweder getrennt oder zu einem gemeinsamen Gang vereinigt in ihn einmünden. Seine Funktionen sind nicht recht klar. Die Eier scheinen sich nicht längere Zeit in ihm auf- zuhalten; wenigstens spricht dafür die Tatsache, daß ich außer bei einigen Ophioniden nie ein Ei im Uterus gefunden habe. Er trägt dor- sal das unpaare Receptaculum seminis, dessen Inhalt wahrscheinlich die Eier vor ihrem Austritte in die Legeröhre befruchtet. Es scheint durchaus nicht bei allen Ichneumoniden vorhanden zu sein; so habe ich es z. B. bei Paniscus und Dispetes vergeblich gesucht. Der Bau des Uterus ist keineswegs durchweg einheitlich. Während er bei den Ophi- oninen allgemein einen kurzen birnenförmigen Sack darstellt, nimmt er bei den übrigen drei Gruppen infolge seiner starken dorsoventralen Abplattung Bandform an und hat in der Mitte ein scharfes Knie, so daß die zweite, dem Legestachel zustrebende Hälfte an der Unter- seite der ersten zurückläuft. An diesem Knie greift rechts und links je ein Muskelstrang an, der an der dorsalen Innenwand des vorletzten, aus einem einzigen Chitinring bestehenden Segments festgewachsen ist, und dem Uterus als Aufhängevorrichtung dient, vielleicht auch beim Durchgang der Eier einen Muskelzug ausübt, um dem Uterus eine be- stimmte Lage zu geben. Etwas mehr tritt der Uterus in den Vordergrimd, wenn er rechts und hnks je eine große Drüse trägt, wie man sie bei den Pimplinen und Cryptinen immer findet. Es sind dies meist bohnenförmige Ausstülpun- 20* 306 Wilhelm Pampel, gen, die im Innern mit Drüsenzellen ausgekleidet sind und ein Secret abscheiden, das wahrscheinlich zur Einfettung der Eier dient, um ihnen den Weg durch die Ausführwege zu erleichtern. Die beiden Drüsen sind oft so groß, daß sie in der Seitenansicht den Uterus fast ganz ver- decken (vgl. Taf. VIII, Fig. 3, Taf. VIII, Fig. 4, Textfig. 10, Taf. VIII, Fig. 5, Textfig. 12). Das Keceptaculum seminis ist, wenn der Uterus bandförmige Gestalt hat, immer dorsal auf seiner ersten Hälfte gelegen. Es lehnt sich oft eng an das letzte Ganglion an, das in der Regel zwischen Uterus und Darmkanal fest eingeklemmt ist; manchmal liegt es sogar ganz unter diesem versteckt. (Poemenia, vgl. Taf. IX, Fig. 7). Bei dem birnenförmigen Uterus der Ophioniden sitzt es an dem inneren dicken Ende neben der Einmündung der beiden Ovidukte (Textfig. 18). Das Aussehen des Receptaculums ist ziemlich verschieden. Bald ist es ein einfaches Wärzchen, bald gleicht es einer kleinen Traube, bald zeigt es, ähnlich einem Säugerhirn, tiefe Riefen und Windungen. Der Uterus mündet in den Legestachel ein. Dieser läßt meist schon durch seinen äußeren Bau auf die Lebensweise des betreffenden Insekts schließen und stellt somit ein wichtiges Kriterium für die Ein- reihung seines Trägers in ein auf anatomischer Grundlage beruhendes System dar. So haben Formen, die im Holze sitzende Käferlarven heimsuchen, naturgemäß einen langen Legestachel; an diesem über- rascht nur die außerordentlich geringe Dicke, ein Umstand, der sich aber leicht erklären läßt, wenn man weiß, wie diese Ichneumoniden beim Einbohren verfahren. Andre Formen, die — wie viele Pim- plinen — die Wandungen von Schmetterlingspuppen durchstoßen, zeichnen sich durch einen besonders kräftigen Stachel aus, während solche, die weichhäutige Raupen anstechen, durch eine feine Spitze charakterisiert sind. Die Tryphoninen haben (außer Paniscus) einen Legestachel, der anscheinend seine eigentlichen Funktionen, die des Anstechens oder Bohrens, eingebüßt hat und besser nur als Legeröhre bezeichnet wird; denn diese Tiere hängen ihre mit einem Stiele ver- sehenen Eier dem Wirtstiere nur äußerlich an. Im speziellen Teile werde ich auf die einzelnen Stachelformen noch ausführlicher zurück- kommen. Er setzt sich stets aus drei Teilen zusammen, die sich um den Stachelgang zusammenschließen, nämlich einem kräftigen, den Stachel in der Hauptsache ausmachenden dorsalen Teil, der »Stachel- schiene«, und zwei gleichen ventralen »Stachelgräten« (oder Stech- borsten), die in die übergreifenden Ränder der Stachelschiene derart eingepaßt sind, daß sie sich in dieser Führung durch Muskelzug leicht Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 307 hin und her bewegen lassen. Es ergibt sich also der in Fig. 2a darge- stellte Querschnitt. Die Stachelschiene ist in ihrem Anfangsteile trichter- förmig erweitert (vgl. Textfig. 3a) und trägt rechts und links an dieser Erweiterung starke Chitinbacken (6), an denen kräftige, sehnige Liga- mente angreifen, die den Legestachel an den letzten beiden zum Ringe geschlossenen Chitinsegmenten verankern. Die beiden Gleitrinnen der Stachelschiene, in denen sich die Stachelgräten hin und her bewegen können, sind über den Stacheleingang hinaus als zwei auseinander gabelnde Chitingräten (/ in Textfig. 3a) verlängert; auf diese legen sich zwei entsprechende Fortsätze der beiden Stechborsten (/ Text- fig. 3 b). Zwischen den beiden Gabeln der Stachelschiene ist die dorsale Uteruswand aus- gespannt, zwischen den Gabeln der Stachel- gräten die ventrale, so daß sie flach auf ein- ander liegen. Die beiden Fortsätze stellen also eine Versteifung des Uterus bei seiner Einmün- dung in den Stachel dar. Demselben Zweck dienen auch die Fortsätze d. Auf spezielle Eigentümlichkeiten werde ich in den einzelnen Fällen zu sprechen kommen. Neben dem Uterus mün- .6 Textfig. 2 a und b. der Giftapparat. Eigentlich ist es falsch , dieses Drüsen- system schlechthin als Gift- et, Stachelquerschnitt von lehn, primatorius. Der un- det in den Legestachel noch tere Teil, gebildet von den beiden Stechborsten, ist in die übergreifenden Ränder des oberen Teiles (Staehel- schiene) eingefalzt. — b, Dorsale Uterusansicht von Stenichn. culpator Schrk. orfj, 2, die beiden Oviduete; Hl die erste Uterushälfte; «2, die andre, rückläufige Uterushälfte; e?, Endganglion; r, das dem Endganglion apparat zu bezeichnen. Denn festanliegende Receptaculum sem. des Uterus; ul, die für viele Ophioninen und die ^''^ Uterus festhaltenden Ligamente. Tryphoninen konnte ich nachweisen, daß das Secret der »Giftdrüsen« lediglich mechanisch bei der Eiablage beteiligt ist. Ich werde diese Verhältnisse im speziellen Teil näher erörtern. Ob auch die übrigen Ichneumoniden an Stelle von Giftstoffen ein derartiges Secret aus- scheiden, konnte ich an meinen Präparaten nicht genau feststellen; indessen lassen es gewisse Analogien im Bau des Stachels fast glaubhaft erscheinen. Die am häufigsten auftretende Form des Giftapparates ist die- jenige, die auch Dufour und Bordas (Anatomie de l'appareil veni- meux des Ichneumonides) beschreiben. Man kann daran drei Ab- schnitteunterscheiden: 1. die Drüsenschläuche, 2. ein Reservoir für das 308 Wilhelm Pampel, N "% Secret der Drüsenschläuche, die >>Giftblase<<, 3. einen in den Stachel mündenden Ausführgang aus diesem Eeservoir. Die Drüsenschläuche ähneln in ihrem Bau ganz den Malpighi- chen Gefäßen. Sie stellen ein Bündel blindges-chlossener einfacher oder nur an den Enden verzweigter Schläuche dar, die einen weißlichen, zuweilen auch bräunlich bis schwar- zen Farbton besitzen. Dieser rührt von der jeweiligen Färbung der von den Drüsenzel- len ausgeschiedenen Secrete her. Der Durch- messer der Schläuche ist etwa zweimal so groß wie der der MALPiGHischen Gefäße. Ihre Anzahl schwankt sehr; gewöhnlich sind es 8 — 10. Durch einen gemeinsamen Stamm münden sie in das eine Ende des Giftreser- voirs ein. Dieses ist ein meist längliches, bla- siges Gebilde, das mit einer oft sehr kräf- tigen Längs- oder Quermuskulatur ausge- stattet ist. Am andern Ende setzt sich ein dünnwandiger Schlauch an, der Giftgang, der die Secrete in denStachelein- gang leitet. In der Aus- bildung dieser drei Ab- schnitte finden sich, wie aus der Beschreibung der einzelnen Präparate er- sichtlich werden wird, zahlreiche Variationen, die zuweilen von dem hier beschriebenen Ty- pus gänzHch abweichen. Der letzte Bestand- teil des Geschlechtsap- parates ist die Schmier- drüse, ein einfacher, nie verzweigter Drüsenschlauch, der gewöhnlich in der Nähe des Chylusdarms seinen Ursprung hat und nach einem kurzen Bogen in den Stachel einmündet. Ob dieser Schlauch in AVirk- lichkeit die Eier vor ihrem Durchgang durcli den Legestachel einfettet, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen ; es ist dies aber daraus zu schließen, daß er bei den meisten Tryphoninen, bei denen die Eier gar nicht den Legestachel passieren, überhaupt nicht vorhanden ist. Seine Wan- Vi Textfig. 3 a und 6. Legestachel vonlchn.primatorius. a, dorsaler Teil (Stachelschiene) mit der trichterförmigen Erwei- terung b und den Chitingabeln /, zwischen denen die dorsale L'teruswand ausgespannt ist. — b, ventraler Teil, bestehend aus den beiden fest zusammenschlie- ßenden Stechborsten. Zwischen den Chitingabeln / ist die ven- trale Uteruswand ausgespannt, die durch die chitinösen (Jebilde d und e nocli versteift wird; c, die beiden in den Stachelgang vorspringenden Chili nlamellen. Textfig. 4. Dorsale Ansicht des Uterus von lehn, primatorius: die zweite rückläufige Uterus - hälfte ist nicht zu sehen; odi, 2, Oviducte; r, Eecept. sem.; iiL Uterusligamente. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 309 dung wird entweder von dicken, undurchsichtigen Cylinderzellen ge- bildet, oder sie ist dünnhäutig und durchscheinend. Ihre Länge und Dicke variiert sehr stark. Zwischen Giftapparat und Schmierdrüse bestehen vermutUch bestimmte Korrelationen, da bei gewissen Formen, wo die Schmierdrüse ungewöhnlich stark ausgebildet ist, der Gift- apparat fast rudimentär erscheint. Dies läßt darauf schließen, daß die Schmierdrüse funktionell ganz oder wenigstens teilweise den Gift- apparat ersetzt. Dufour scheint sie übersehen zu haben, weil er nie etwas davon erwähnt. B. Die vier Typen des Geschlechtsapparates. Der Unterschied dieser vier Typen macht sich geltend in der Ge- stalt der Ovarien, der Anzahl der Eiröhren, im Vorhandensein oder Fehlen von Uterusdrüsen, der verschiedenen Ausbildung des Recep- taculums, der außerordentlich wechselnden Länge der Ovidukte, im Bau des Legestachels, schließlich in der An- oder Abwesenheit von Eistielen. a) Ichneumonentypus (vgl. Taf. VIII, Fig. 1). Die Ovarien haben eine keulenförmige Gestalt, die dadurch ent- steht, daß die Eiröhren einesteils sehr lang sind, andernteils ihre Keim- zone sich so weit nach vorn (man richtet sich bei der Angabe der Lage- beziehungen am besten nach dem Verlaufe der Eiwanderung und bezeichnet mit »hinten << die nach dem Kopfe, mit »vorn« die nach dem Stachel zu gelegenen Partien des Geschlechtsapparates; noch besser ist die Bezeichnung: proximal und distal; die Eier wandern distal- wärts) verschiebt, daß sie nur im letzten Drittel mit Eiern angefüllt sind; die Anzahl der Eiröhren beträgt vier. In jeder findet man höch- stens drei bis vier Eier, von denen nur das direkt vor dem Ovidukt liegende völlig entwickelt ist ; die andern sind unreif und wechseln in der bekannten Weise mit Nährzellen ab. Der Durchmesser der reifen Eier ist etwa vier- bis fünfmal so groß wie der des Legestachels, und es ist kaum möglich, daß sie durch diesen dünnen Gang gelangen können, ohne ganz gehörig zusammengepreßt zu werden. Die Ovidukte sind so kurz, daß man eigentlich nur von einem kurzen Verbindungskanal der Eiröhren mit dem Uterus reden sollte. Der Uterus ist dorsoventral abgeflacht und wird von der Mitte aus, wie vorn beschrieben, rückläufig. An dem dadurch entstehenden Knie greifen die beiden muskulösen Ligamente an, die sich dorsal am Chitin des vorletzten Segmentringes ansetzen. 310 Wilhelm Pampel, Die Länge des Legestachels beträgt ungefähr den vierten Teil von der des Abdomens; oft jedoch ist er viel kürzer, so daß er, wenn er von den beiden schützenden Stachelscheideu umhüllt und an den Hinter- leib angelegt ist, kaum über dessen Spitze hinausragt. Bei Protichneu- mon und Stenichneumon ist er gewöhnlich länger. Stachelschiene und Stachelgräten sind am Ende mit reihenweise angeordneten Wider- häkchen versehen, die wahrscheinlich ein Herausgleiten des in die Haut des Wirtstieres eingesenkten Stachels verhindern sollen. Der Giftapparat zeigt den oben beschriebenen Typus: ein Bündel von acht bis zehn Drüsenschläuchen mündet in das eine Ende einer länglichen Giftblase; das andre Ende setzt sich in einen Gang fort, der ihr Secret in den Legestachel einführt. Die Schmierdrüse ist ein einfacher, mittelstarker, blind geschlossener Schlauch mit dünnen, durchscheinenden Wänden. Das letzte Ganglion liegt dorsal dem Uterus auf und berührt eng das kleine weißliche Receptaculum seminis. h) Bohrertypus (vgl. Textfig. 6, Taf. VIII, Fig. 2, Textfig. 8, Text- fig. 9, Taf. VIII, Fig. 3 Taf. VIII, Fig. 4 usw.). Die gemeinsamen anatomischen Eigenschaften der vielen hierher gehörenden Formen bestehen in den stets ganz kurzen Ovidukten, den beiden rechts und links am Uterus sitzenden, oft sehr großen Uterus- drüsen, einem Receptaculum seminis, das in der Mitte einen kugel- runden, völlig undurchsichtigen schwarzen Körper enthält und dem »Bohrstachel <<. Letzterer ist dadurch gekennzeichnet, daß die Stachel- schiene an der Spitze durchaus glatt ist, die beiden Stachelgräten (Stechborsten) dagegen am Ende scharfe Zähnchen aufweisen, die ihnen das Aussehen einer kleinen Säge geben. Durch einfache Vor- und Rückwärtsbewegung in der Führung der Stachelschiene bohren sich diese beiden kleinen Sägen allmählich in Rinde und Holz ein. Es leuchtet ein, daß bei dieser Art des Einbohrens ein dünner Stachel wegen seiner geringen Raumverdrängung und nicht zuletzt wegen sei- ner Schmiegsamkeit bessere Wirkungen erzielt, als ein starker und unbiegsamer Stachel. Denselben Legestachel findet man auch bei den Vertretern der großen Gattung Pimpla, die ihn aber sicher nicht zum Bohren benutzen, sondern, wie man annimmt, damit die oft sehr widerstandsfähigen Hüllen von Schmetterlingspuppen durchstoßen. Jedoch ist er viel kürzer und stumpfer, vor allen Dingen aber sehr dick- wandig und von größerem Durchmesser als z. B. bei Ephialtes und Rhyssa. Auch enden die Stechborsten stumpf, und ihre Sägezähnchen Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 311 sind nicht besonders scharf. Die Cryptinen haben einen kräftigen, da- bei ziemlich langen Bohrstachel. Er ist aber unelastisch und scheint ebenfalls nicht zum Bohren Verwendung zu finden. Die Ovarien zeigen in ihrer Ausgestaltung eine reiche Abwechs- lung. Bei Efhialtes und ähnlichen Formen sind sie oft sehr lang ge- streckt, wie es die außerordentliche Länge ihres Abdomens mit sich bringt. Jedes Ovarium hat 4 — 6 Eiröhren, die in ihrer ganzen Länge Eier enthalten. Es sind deren jedoch in jeder Eiröhre nur 2 — 3 Stück, und zwar ist meist nur das eine davon vollkommen herangereift, während die andern in der Entwicklung noch weit zurück sind. Da die reifen Eier oft in einen sehr langen Stiel auslaufen, stehen sie an Länge den Eiröhren selbst nur wenig nach; so durchzieht z. B. ein einziges Ei des Efhialtes manifestator ungefähr drei Viertel des ge- samten Abdomens. Formen wie Pimpla, Theronia und die Cryptinen haben entsprechend ihren viel kürzeren Abdomina auch kürzere und gedrungenere Ovarien; ihre Eier sind ungestielt. Die Ausbildung des Giftapparates ist bei diesem Typus so mannig- faltig, daß ich erst bei der Beschreibung der einzelnen Präparate darauf zu sprechen kommen werde. Die Schmierdrüse zeigt bei den verschiedenen Arten recht erheb- liche Unterschiede in Länge, Durchmesser und Beschaffenheit ihrer Gewebe. c) Ophion-Tj-pus (vgl.Textfig. 13, Textfig. 15, Textfig. 17, Textfig. 18, Taf. X, Fig. 16, Taf. X, Fig. 17, Textfig. 22 usw.). Dieser Typus ist charakterisiert durch die meist sehr große An- zahl der Eiröhren, die zwischen 15 und 40 in jedem Ovarium schwankt, ferner durch die außerordentlich ausgedehnten Ovidukte, die an Länge die Ovarien oft um das Doppelte, in besonderen Fällen sogar um das Dreifache übertreffen. Wenn sie dazu noch so mit Eiern angefüllt sind, daß sie auch im Durchmesser größer als die Ovarien erscheinen, dann wird das gewöhnliche anatomische Bild des Ichneumoniden-Geschlechts- apparates ganz wesentlich verändert. Nach dem Stachel zu nehmen die Ovidukte manchmal allmählich, manchmal sehr rasch an Stärke ab und münden dann ziemlich dünn in den Uterus ein. Bei einigen Formen (z. B. Henicospilus, Textfig. 14) schaltet sich zwischen den ver- einigten Ovidukten und dem Uterus ein kleiner blasiger Vorhof ein, dessen Zweck mir bisher nicht klar geworden ist. Von diesem aus führt ein dünner Gang in den Uterus. Dieser ist nicht wie bei den 312 Wilhelm Painpel, Ichneumonen und Bohrern in der Mitte zusammengefaltet, sondern stellt einen gerade gestreckten birnenförmigen Schlauch mit ziemlich dicken Wänden dar. Sein Receptaculum seminis trägt er an dem dicken Ende über der Einmündung der Ovidukte, bzw. des Vor- hofes. Das vordere, sich verjüngende Ende führt in den Stachelgang hinein. Die Schmierdrüse ist zumeist recht klein und unscheinbar; bei einigen Formen dagegen etwa 5 — 10 mal so lang als gewöhnlich und würde ausgestreckt das ganze Abdomen durchziehen. Interessant sind die Beobachtungen, die ich über die Funktion des Giftapparates bei vielen Ophioninen und den Tryphoninen machen konnte. Betrachten wir zu diesem Zwecke den Legeapparat. Der Stachel besteht aus den bekannten drei Teilen: einer dorsalen Stachel- schiene und den beiden ventralen Stachelgräten, die in den übergreifen- den Rändern der Stachelschiene hin und her zu gleiten vermögen. Die Stachelschiene zeigt bei allen Ophioninen kurz vor der Spitze eine scharfe Einkerbung, die sicher nach dem Einstich in das Wirtstier als Widerhaken dient und so ein Zurückgleiten des Stachels verhindert. Die Stachelöffnung für den Austritt der Eier befindet sich nicht an der Spitze, sondern ist ein Stück von dieser entfernt und entsteht da- durch, daß die beiden Stachelgräten, die nur bis zu der erwähnten Einkerbung hinreichen, zwischen sich einen länglich ovalen Spalt frei- lassen (vgl. Taf. IX, Fig. 8). Weiter tragen die beiden Gräten unge- fähr in der Mitte zwei quergestellte Chitinlamellen, die in das Stachel- innere hineinragen und zusammen fast den ganzen Gang verschließen. Diese beiden Lamellen sind schräg nach der Spitze zu gerichtet und wirken auf diese Weise bei der Vor- und Rückbewegung der beiden Stachelgräten wie ein Klappventil. Ist der Stachelgang mit einer festen Masse angefüllt, so gleiten sie, wenn die Stachelgräten zurückgezogen werden, infolge ihrer schrägen Stellung über das Hindernis hinweg. Bewegen sich dagegen die Gräten nach der Stachelspitze zu, so richten sie sich auf, greifen in die Masse ein und schieben sie mit nach vorn. Eine solche Masse stellt das klare, zähflüssige Secret der »Giftdrüsen« dar. öffnet man vorsichtig den Stachelgang einer Ophionide, so findet man ihn stets mit diesem Secret erfüllt; da der Kanal ziemlich weit ist, kann man die Einmündung des »Gif tganges << deuthch erkennen und somit leicht feststellen, daß die glashelle Masse wirklich von den »Giftdrüsen« herstammt. Auffallenderweise setzt sie sich nach hinten fort und ist bis in den Uterus hinein zu verfolgen (vgl. Textfig. 20 und 21), wo sie, wie bei Hadrodactylus ersichtlich, fest an der Schale des Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 313 gerade im Uterus liegenden Eies anklebt. Durch abwechselnde Hin- und Herbewegung der Stachelgräten, wobei die beiden Chitinlamellen in der oben beschriebenen Weise wirken, wird das Ei ziemlich schnell durch den Stachelgang befördert. Man kann diesen Mechanismus selbst am toten Präparat noch demonstrieren, wenn man mit der Nadel die Stachelgräten hin und her bewegt. Derselbe Vorgang spielt sich in der gleichen Weise bei den Try phoninen ab, wo er fast noch deutlicher zu beobachten ist. Die beiden Chitinlamellen finden sich übrigens fast bei allen Ich- neumoniden; auch ist das Stachelinnere stets von einem durchsich- tigen glashellen Faden durchzogen. Es liegt somit die Vermutung nahe, daß die Eiablage auch bei den übrigen Ichneumoniden in der- selben Weise vor sich geht. Nur ist eben gewöhnlich der Stachelgang so eng, daß man genaue Beobachtungen schlechterdings nicht machen kann. d) Tryphoninentypus (Textfig. 23; Taf. X, Fig. 14; Taf. X, Fig. 11, Taf. X, Fig. 12). Der Geschlechtsapparat der Tryphoninen nähert sich im Bau sehr dem der Ophioninen, insofern als die ebenfalls gut ausgebildeten, meist mit Eiern gefüllten Ovidukte das anatomische Bild des Geschlechts- apparates dem der Ophioninen ziemlich ähnlich erscheinen läßt. Jedoch ist die Anzahl der Eiröhren viel geringer als bei den Ophioninen, weil die Eier selbst relativ etwa dreimal so groß sind wie die der Ophioninen, Bei Polyhlastus z. B. sind es nur vier in jedem Ovarium; gewöhnlich findet man sechs bis acht. Der Uterus gleicht dem der Ichneumoninen und Bohrer : er ist flach gedrückt und wird von der Mitte an rückläufig. Er trägt in den meisten Fällen dorsal ein Receptaculum seminis; bei einigen Formen fehlt es allerdings vollkommen. Sehr interessant ist der Legemechanismus. Da die Eier aller Try- phoninen sehr groß sind, vermögen sie den Stachel überhaupt nicht zu passieren. Sie sind auch nicht imstande, sich in die Länge zu strecken und auf diese Weise ihren Querschnitt zu verkleinern (wie man es bei Ichneumonen und den Bohrern annehmen muß), da sie eine sehr dicke, jedem Druck widerstehende Eischale haben, während die Eier der letz- teren von einer ganz dünnen, pergamentartigen Hülle umschlossen sind. Sie treten deshalb schon vor dem Stachel aus den Geschlechtswegen aus und zwar durch einen weiten ventralen Längsspalt des Uterus kurz vor seiner Einmündung in den Stachelgang (Textfig. 28). Damit aber das Ei nicht etwa verloren geht, ohne seine Bestimmung erfüllt 314 Wilhelm Pampel, ZU haben, wird es am Stachel durch einen kräftigen, aus der Substanz der Eischale gebildeten Stiel festgehalten. Dieser bleibt mit seinem freien Ende im Innern des Stachelganges, indem er sich innig mit dem zähen Secret des »Giftapparates << verkittet, das wie bei den Ophioninen gleichfalls als eine zusammenhängende Masse das Stachelinnere durch- zieht und bis in den Uterus hineinragt. Diese Secretmasse wird durch denselben Mechanismus wie bei den Ophioninen nach vorn geschoben. Damit das Ei ungehindert bis zum Stachelende gelangen kann, weichen die beiden ventralen Gräten in ihrer ganzen Länge auseinander und lassen so zwischen sich einen Spalt frei, aus dem der Eistiel hervor- ragen kann. Bei der Gattung Tryphon schiebt sich das letzte Bauch- segment weit über den Legestachel vor und bildet somit für das aus dem Uterus austretende, noch nicht völlig entwickelte Ei eine schützende Hülle, in der es sich längere Zeit aufhalten kann. Manchmal wird der ganze Legestachel von dieser Hülle umscheidet. Bei den meisten der untersuchten Tryphoninen fand ich immer nur ein Ei in dieser Weise am Stachel hängen, bei Polyhlastus cothur- natus dagegen in einem Falle die stattliche Anzahl von 17. Ihre Stiele haften alle in dem das Stachelinnere erfüllenden Secret des Gift- apparates fest. Während der Giftapparat bei Paniscus in die bekannten drei Ab- schnitte zerfällt, ist er bei der Gattung Tryphon meist auf eine lang- gestreckte Giftblase reduziert ; die Drüsenschläuche sind bei den meisten Arten ganz verschwunden, bei einigen nur eben noch angedeutet. Ein Giftgang ist auch nicht mehr vorhanden, sondern die Giftblase läuft mit dem einen Ende breit in den Stachelgang hinein und mündet dann ungefähr in der Mitte des Stachels aus. So lange die Eier der Tryphoninen die Geschlechtswege noch nicht verlassen haben, also noch im Uterus oder Ovidukt liegen, konnte ich im Gegensatz zu den Angaben Chuns (Senckenb. Naturf. Gesellsch. 1875/76) am Eidotter nie einen Beginn des Eurchungsprozesses erkennen. Dasselbe gilt übrigens auch für alle von mir untersuchten Ichneumo- niden. Haben sie dagegen den Uterus verlassen, so scheint damit ein Anlaß zur Weiterentwicklung des Eies gegeben zu sein. Wie weit es sich hierbei um eine Befruchtung durch den Inhalt des lieceptaculums oder Parthenogenese {Paniscus, Dispetes) handelt, läßt sich so ohne weiteres nicht entscheiden. Jedenfalls zeigen manche der am Stachel hängenden Eier fast gänzlich entwickelte Embryonen, während aller- dings bei andern Formen vorläufig von einer Furchung noch nichts zu bemerken ist. Eine allmähliche Entwicklungsabstufung zeigen die Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 315 17 Eier des Polyblastus. Die ältesten, an der Stachelspitze hängenden, beherbergen fast fertige Embryonen, bei den mittleren ist die Furchung stark vorgeschritten, die jüngsten dagegen, die den Uterus zuletzt verlassen haben, weisen einen noch völlig ungefurchten Dotter auf. Was die Eiablage anbetrifft, so ist anzunehmen, daß sie sich bei der weitgehenden Übereinstimmung in Bau und Funktion der Ge- schlechtswege, besonders des Legestachels, annähernd in gleicher Weise vollzieht. Im vorigen Frühjahr konnte ich beobachten, wie eine der kleineren, auf unsern Wiesen in großen Mengen fliegenden Tryphoniden- formen sich über eine kleine Raupe hermachte und an sie ein Ei ab- legte. Sie flog dem sich heftig wehrenden Tiere ins Genick, umklammerte es mit dem vorderen Beinpaar, krümmte das Abdomen stark ein, so daß der Legestachel den Thorax berührte, und im nächsten Augenblick hatte sie am Nacken des Räupchens eins ihrer gestielten Eier fest- geklebt. Ob sie dazu die freien Beinpaare zu Hilfe nahm oder nicht, konnte ich bei der Schnelligkeit des ganzen Vorganges nicht unter- scheiden. Paniscus weicht von den übrigen Tryphoninen insofern ab, als seine kurzen Eistiele Häkchen besitzen, vermittelst derer die Eier in die Haut des Wirtstieres eingehängt werden. Die Embryonen reifen im Innern des Eies allmählich heran, verlassen, wenn sie ausgebildet sind, die Eischale durch ein Loch an der dem Stiele entgegengesetzten Seite und brechen, wie ich an einer gefangenen Gabelschwanzraupe beobachten konnte, in das Innere der Raupe durch, um hier sich weiter zu entwickeln. Spezieller Teil. 1. Ichneumonentypus. St en i ch n e um 0 n 'pistatorius L. (Taf . VIII, Fig. 1). Da es sich um eine Anfang Juni gefangene Form handelt, findet man nach Abheben des Chitinpanzers eine dicke Schicht von gelblichem Fettgewebe, die alle Hinterleibsorgane vorläufig den Blicken entzieht. Beim Entfernen dieser Fettschicht ballen sich die kleinen, frei zwi- schen den Zellen liegenden, flüssigen ölkügelchen zu großen gelben Tropfen zusammen. Die zunächst sichtbar werdenden Ovarien haben die Form einer Keule, die dadurch zustande kommt, daß die acht Ei- röhren nur in ihrem letzten auf dem Chylusdarm ruhenden Drittel nahe dem Uterus Eier führen, während der übrige, dem blasigen Kropf anhegende Teil strangförmig ausgezogen ist. Ein feines Ligament be- festigt die beiden Ovarien an der dorsalen Chitindecke des Thorax. 316 Wilhelm Panipel, Da die Keimzonen der Eiröhren erst im letzten Drittel beginnen, iät auch die Gesamtanzahl der Eier nur gering. Nur fünf von den acht Eiröhren enthalten am Ende ein reifes Ei, die übrigen weisen drei bis vier noch gänzlich unentwickelte Eizellen auf, zwischen denen regel- mäßig Komplexe von Nährzellen eingeschaltet sind. Eine allmähliche Entwicklungsabstufung vom reifen bis zum eben erst angelegten Ei, die z. B. bei den Ophioninen die Eiröhren als Ketten mit auf- gereihten, immer kleiner werdenden Perlen erscheinen läßt, gibt es hier nicht. Die vier Eiröhren eines jeden Ovariums münden in einen kurzen Hals, der die Verbindung mit dem Uterus herstellt und der wegen seiner Kürze kaum als Ovidukt bezeichnet werden kann. Der Uterus hat infolge seiner dorsiventralen Abflachung die Gestalt eines breiten Bandes. Bis zur Mitte ungefähr verläuft er in caudaler Richtung wie die Ovarien, dann knickt er in spitzem Winkel ventralwärts um und strebt dem Stacheleingang zu. Kurz vor der Umbiegestelle liegt dorsal ein kleines Wärzchen, das Receptaculum seminis. Aufgehängt ist der Uterus durch zwei starke Muskelstränge, die rechts und links an der Umbiegestelle angreifen und sich dorsal am Chitin des vorletzten zum Ringe geschlossenen Segmentes inserieren. Der Stachel ist außerordentlich dünn und etwa halb so lang wie das Abdomen. Man wundert sich, wie die vielleicht sechsmal so dicken reifen Eier ihn überhaupt passieren können, selbst wenn man annimmt, daß sich der Querschnitt des Eies beim Durchgang sehr zu verkleinern vermag, was natürlich eine besondere Elastizität der Eischale und große Widerstandsfähigkeit des Dotters voraussetzt. Der Stachelgaug selbst kann sich nicht erweitern, da seine drei Teile, die Stachelschiene und die beiden Stechborsten, fest in einander gefalzt sind. Das Vor- handensein einer langen Schmierdrüse mit weitem Lumen läßt darauf schließen, daß die Eier beim Durchgang durch den Stachel gut ein- gefettet werden. Sie besteht aus einem durchscheinenden, dünnen Ge- webe, wie es besonders für die Ichneumonen charakteristisch ist und bildet einen unverzweigten, mehrfach gewundenen Schlauch, der lang ausgestreckt etwa die Hälfte des Abdomens durchziehen würde. Der »Gif tapparat << ist, wie bei allen Ichneumonen, sehr gut ent- wickelt. Die Blase ist immer dorsal gelegen, etwas seitwärts aus der Mittellinie des Abdomens verschoben. Giftblase und Ausführgang zei- gen eine von ihrem Inhalte herrührende intensiv gelbbraune Färbung. Die Blase fühlt sich hart an und läßt sich mit der Nadel kaum ein- drücken; das Drüsensecret ist wahrscheinlich infolge der Konservie- Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 317 rung erstarrt. Bei andren Ichneumoniden bleibt das Secret trotz der- selben Konservierung weich, ein Zeichen, daß die Secrete der Gift- drüsen in den einzelnen Fällen verschieden sind. Die Drüsenschläuche sind in fast ebenso reicher Menge vorhanden wie die MALPiGHischen Gefäße. Sie haben einen etwas größeren Durchmesser als letztere und zeigen auch einen dunkleren Farbton. Es sind blind geschlossene Schläu- che, die sich am Ende gabeln. In der Nähe der Giftblase fUeßen sie zu einigen wenigen Hauptstämmen zusammen, die gegenüber der Aus- trittsstelle des Giftganges einmünden. Uterus, Giftgang und Schmier- drüse münden gesondert in den Stachelgang ein und zwar zuerst der Uterus, dahinter die Schmierdrüse, zuletzt, also am weitesten in das Stachelinnere eingesenkt, der Giftgang. Der Stachelgang ist von einem dünnen Faden eines hellen Sekretes durchzogen, das sich jedoch nicht bestimmt als das der Giftdrüsen nachweisen läßt. Die beiden Stachel- gräten weisen zwei ins Innere ragende Chitinlamellen auf. P r 0 t i ch n e um 0 n f u s o r i u s L. (Textfig. 7). Die Ovarien enthalten je vier Eiröhren, die allerdings wegen der Jugend des Tieres noch gänzlich unentwickelt sind und infolgedessen auch noch keine reifen Eier zeigen. Die Ovidukte sind bedeutend aus- gedehnter, als man sonst bei Ichneumonen zu sehen gewohnt ist. Die Uterusschlinge ist im Vergleich zu Stenichneumon pistatorius auffallend lang und verläuft parallel zum Legestachel ziemlich weit nach hinten; auf der dorsalen Seite liegt das Receptaculum seminis. Ganz riesenhaft ist der Giftapparat ausgebildet. Die Giftblase ist ein ovaler, mit Quermuskulatur versehener gelblicher Körper, der in- folge seiner Größe die in seiner Umgebung liegenden Organe ganz aus ihrer gewohnten Lage drängt. Sie wird gespeist durch ein außerordent- lich großes Büschel von Drüsenschläuchen, die in der Abbildung der klaren Übersicht halber weggelassen wurden. Sie sind in solcher Menge vorhanden, daß sich, wenn man die Chitindecke abgelöst hat, zunächst nur ein unübersichtliches Gewirr von Schläuchen den Bhcken darbietet. Am hinteren Ende mündet der Giftgang aus und läuft an der Uterus- schhnge entlang nach dem Stacheleingang hin, so daß letztere zwischen Giftblase und Giftgang eng eingeklemmt ist. Ferner findet man wie bei Stenichneumon pistatorius eine weitlumige dünnwandige Schmierdrüse mit blasigen Ausbuchtungen. Der Stachel ist kräftig und enthält im Innern wieder das schon bei Stenichneumon fistatorius erwähnte Secret ; auch die beiden Chitinlamellen der Stachelgräten sind vorhanden. AuffälUg ist, daß der Giftapparat schon vollkommen ausgebildet ist, 318 Wilhelm Pampel, während die Ovarien in der Entwicklung noch weit zurück sind. Das erweckt den Anschein, als ob das Secret der »Giftdrüsen« hier doch andern Zwecken diente, als den reifen Eiern den Durchgang durch den Legestachel zu ermöglichen. Sten Ichneumon culpator (Schrk.). In Textfig. 2 b findet sich eine dorsale Ansicht des Uterus mit den beiden letzten Ganglien und dem sich an das Endganglion eng an- legenden Receptaculum sem. Im übrigen zeigt dieses Präparat, wie auch das eines Stenichneumon sputator F und mehrerer Vertreter der Gat- tung Ichneumon keinerlei Abweichungen von dem gewöhnHchen Typus, wie er in Stenichneumon pistatorius beschrieben worden ist. Ichneumon spec. Die Stachelschiene ist in ihrer ganzen Länge mit widerhaken- ähnlichen Zähnchen besetzt, während sich diese bei den andern Ichneu- monen nur auf die Spitze beschränken. Ich 71 e u m o n p r i m a t o r i u s F. Der Abdomeninhalt dieses Anfang Juni gefangenen Tieres be- steht zu etwa 80% aus Fettgewebe. Sämtliche Hinterleibsorgane, zu- mal der Geschlechtsapparat, sind noch weit von ihrer völligen Aus- bildung entfernt. Es scheinen etwa 1 — 1 Vg Monate vergehen zu müssen, bis die Geschlechtsorgane auf Kosten des Fettkörpers so weit heran- gewachsen sind, daß sie reife Eier abzuscheiden vermögen. Am Uterus treten , wie aus Textfig. 4 ersichtlich, besonders die starken Liga- mente hervor. 2. Bohrertypus. P impla qu a dr i d cnt ata (Textfig. 5). Der kräftige Bau des Tieres, besonders sein starker, dickwandiger Legestachel, läßt darauf schließen, daß das Insekt bei der Eiablage nicht allzu sanft mit dem Wirtstiere seiner zukünftigen Jungen ver- fährt. Wahrscheinlich sind es Schmetterlingspuppen, die von ihm heimgesucht werden und deren oft recht widerstandsfähige AVandung vermutlich nicht allmählich durchbohrt, sondern mit einem einzigen Ruck eingestoßen wird. Der Legestachel endet mit stumpfer, leicht sichelförmig gekrümmter Spitze; der Zweck dieser Krümmung ist mir allerdings nicht klar. Die beiden letzten, den Stachel tragenden Seg- mente überragen die übrigen an Weite und bergen außerordentlich Die weibliclien Geschlechtsorgane der Ichneumouidcn. 319 kräftige uud breite Muskeln zur Bewegung des Stachels, öffnet man seitlich das Abdomen, was bei der Dicke der schwarzen Chitindecke mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, so findet man unter einer dünnen Fettgewebeschicht zunächst ein reiches Gewirr von Giftdrüsen- schläuchen, die das ganze Abdomen durchziehen. Die Schläuche haben einen größeren Durchmesser als bei den Ichneumonen und zeigen eine weißliche Färbung, von der sich der bräunliche Ton des im Innern ent- haltenen Secretes deutUch abgrenzt. Sie vereinigen sich zu einigen wenigen Hauptstämmen und münden in das eine Ende einer dunkel- braunen, sehr großen, gurkenförmigen Giftblase ein. Diese füllt fast den sanzen, hinter den Ovarien noch freibleibenden Eauni des Ab- domeus, hat also eine un verhältnis- mäßige Größe. Sie liegt nicht wie bei den Ichneumonen in der Längs- achse des Abdomens dorsal über dem Darmkanal, sondern ist quer zwischen den Stachelmuskeln der beiden letzten Segmente ausge- streckt. Am andern Ende schHeßt sich der zum Stachel führende Giftgang an. Die Ovarien müssen sich, da die Bauchfalte tief einge- zogen ist, mit einem sehr kleinen Textfig. 5. T-, , .. -,-,.. ■ i Geachlechtsa.ppa.Tat von Pimpla quadridentata F. Raum begnügen und drangen sich „.^ovarium; orfi,„Oviducte;«rf, Uterusdrüsen; zwischen Darmkanal und dorsaler M7,Uterusligamente;r, ßecept. sem.;«, Schmler- ^., . . , . m i drüse: gb, (üft blase; gd, Giftdrüsen. Chitmdecke eng zusammen, irotz- dem besteht jedes aus der erheblichen Anzahl von etwa acht Ei- röhren, die sich außerdem noch durch eine reiche EifüUe auszeich- nen, wie man sie sonst nur bei Ophioninen zu finden gewohnt ist. Die Eier haben längliche Form und sind an den Enden gleich- mäßig abgerundet. Die Eiröhren laufen in zwei kurze, den Chylus- darm vor der Einmündung der MALPiGHischen Gefäße umgreifende Ovidukte zusammen, welche die Verbindung mit dem Uterus herstel- len. Dieser bildet nicht wie bei den Ichneumonen eine Schleife, son- dern strebt als kurzer Schlauch direkt dem StacLeleingang zu. Rechts und links trägt er je eine Uterusdrüse in Gestalt zweier länglicher, nach hinten gerichteter Aussackungen der Uteruswand, die mit weiter Öffnung in den Uterus einmünden. Dies unterscheidet die Drüsen neben ihrer länghchen Gestalt und ihrer Dünnwandigkeit von denen der eigent- lichen Holzbohrer, z. B. eines Ephialtes, wo sie scheibenförmig ausge- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CV'III. Bd. 21 320 Willif'lm Pampel, bildet sind, dicke Wände haben und nur durch einen engen Stiel mit dem Uterus in Verbindung stehen. Sie .scheinen bei den Pimplinen überhaupt eine primitivere Form darzustellen. Dufour beschreibt die Uterusdrüsen von Pimpla instigator wie folgt: >> . . .je dois signaler l'existence, de chaque cote de l'origine de l'oviducte (Uterus), d'un Corps arrondi ou ovale, sessile, blan- chätre, c^ui, suivant ses dispositions fonctionelles, se presente ou sous l'apparence d'un tubercule calloso- charnu, ou sous celle d'une vesicule remphe d'une pulpe d'un blanc pur. J'ignore les attributions physiologi- ques de ces deux corps glanduleux, qui s'observent aussi dans le Pini- pJa crassipes ... II est presumable que ces corps sont destines ä pro- duire, ä Tepoque de la ponte, c[uelciue humeur speciale, propre ä ramollir les milieux resistants que la tarriere traverse.<< Meiner Meinung nach dient das Secret der Uterusdrüsen dazu, die Eier für den AVeg durch den meist sehr lanoen und en^en Legestachel {Ephialtes, Rhyssal) gehörig einzufetten. Je länger und dünner der Legestachel ist, umso besser sind auch die Uterusdrüsen ausgebildet. An den Enden der bei- den Drüsen greifen die Ligamente an, wodurch der Uterus an der dorsalen Chitindecke aufgehängt wird; zwi- schen ihnen sitzt das Receptaculnm seminis. Die Schmierdrüse ist kurz und weist cylindrisches Drüsengewebe auf. Textfig. n. (Jeschleclitsapparat yon Pimphi examimitar V or, Üvariuin; ud. I'terusilrüsen; r. Keccpt sein.: s, Sclimierdrüse; ab, (Jiftblase. P i m pla e X a m i n a l o r F. (Textfig. 6.) Es handelt sich um eine ganz junge Imago. die am Tage vor der Präparation aus einer Nonnenpuppe geschlüpft ist. Unter dem starken Chitinpanzer finden sich wiederum dicke Schichten von Fettgewebe ; in der Mitte dieser Fettmassen liegen die Abdominal- organe eingebettet. Die je Lj — 20 Eiröhren enthaltenden Ovarien Die weiblichen Ciesclileehtsorgane der Iclmeunionideii. 321 sind sehr lang gestreckt, haben aber im Vergleich zu denen der Pimpla quadridentata nur geringen Umfang. Hie schwellen erst im letzten Sechstel an, weil erst hier in den einzelnen Eiröhren die Keimzone be- ginnt. Die andern fünf Sechstel stellen vorläufig einen dünnen, den Kropf und Chylusdarm begleitenden Strang dar. Die Reihe der jungen Eianlagen in den Eiröhren durchläuft nur etwa ein Segment, während sie sich nach 1 bis 1 i/g MonateiA auf fünf bis sechs Segmente erstreckt. Zwei kurze, ziemlich weite Ovidukte bringen die Eier in den Uterus. Dieser ist gestreckt wie bei Pimpla quadridentata und trägt neben der Textfig. 7. (ieschlechtsapparat von Protichn. fusoriiis L. od, Oviducte; u, Uterusschleife; r, Recept. sem. ; gb, Giftblase ( Giftdrüsen sind weggelassen) ; s, Schmierdrüse. Textfig. 8. I )orsalansicht des Uterus von TÄeroHiö ate/fOi^Hc Püda. Die beiden großen Uterusdrüsen sind weggelassen worden, um die Lage des Endganglions \uu\ des Re- cept. sem. zu zeigen, orf]. o, Oviducte; Uq, zweite, rückläufige Hälfte des Uterus; r, Recept. sem. Einmündung der Ovidukte rechts und links die beiden Drüsensäcke, die durch die an ihnen angreifenden Uterusligamente nach hinten gezogen werden. Zwischen den Drüsenanhängen findet ein großes Eeceptaculum seminis Platz mit dem für den ganzen Typus charakteristischen kugel- runden, schwarzen Kern in der Mitte. Der C4iftapparat zeigt die üb- liche Form, ist aber noch lange nicht fertig entwickelt. Die Schmier- drüse besteht aus weißlichem, undurchsichtigem Gewebe und ist ziemlich lang. Das Endganglion liegt wie bei allen Vertretern der Gattung Pimpla nicht auf der dorsalen Seite des Uterus, sondern eher ventral. 21* 322 Wilhelm Pampel, P i m p l a i n a i i rj at o r F. Das Insekt hat denselben anatomischen Bau wie die beiden vorher behandelten Pwipla. Die Uterusdrüsen sind jedoch nicht wie bei Pimpla examinator nach hinten gezogen, sondern liegen breit dem Uterus auf und verdecken ihn in der Seitenansiclit zum Teil. Sie sind bohnen- förmig gestaltet und mit einem weißen, opalisierenden 8ecret erfüllt. Der Giftapparat ist ebenso stark entwickelt wie bei Pimpla quadriden- tata, Giftblase und Giftgang haben dunkelbraune Färbung. Dufour beschreibt und zeichnet bei Pimpla instigator ein besonderes »Reservoir supplementaire << der Giftblase: »Le reservoir supplementaire est un boyeau simple, filiforme, ä peine flexueux, moins long que le prin- cipal (Giftblase), flottant par un bout, insere par lautre au col de ce dernier, immediatement avant son Implantation ä l'oviducte (!). Ce boyeau, qui a la teinte roussätre du col du reservoir principal, pourrait bien etre lui-meme un organe secreteur, analogue ä la glande saUvaire des Apiaires et des Andren etes. »Es ist dies wohl ein Irrtum, ebenso wie die Behauptung, daß die Giftblase in den Uterus einmündet und zwar, wie er an andrer Stelle beschreibt, auf der dorsalen Fläche zwi- schen den beiden Uterusdrüsen. Er hat wahrscheinlich die Schmier- drüse, von der er übrigens nie etwas erwähnt, oder den in den Stachel mündenden Giftgang für dieses zweite Reservoir angesehen, ein Ver- sehen, das allerdings leicht unterlaufen kann, wenn man wie Dufour die Tiere dorsal aufpräpariert. Es erklärt sich so auch der Fehler in manchen seiner Zeichnungen, daß er den Stachel «anz am Ende des Abdomens über dem After austreten läßt, während er in Wirklichkeit dem Abdomen innner vor dem After auf der ventralen Seite einge- fügt ist. mitunter sogar recht weit von der Spitze entfernt, (vgl. Taf. VIII, Fig. 4, Coleocentrus). Von der Pimpla crassipes F. bringt er zwei Spezialzeichnungen, die mir überhaupt nicht klar geworden sind. P i m p l a /• a f at a F. weicht insofern von den andern Pimpliden ab, als jedes Ovarium nur aus vier kurzen, dafür aber um so tlickeren Eiröhren besteht, was sicher auf eine von den andern verschiedene Lebensweise des Insekts zurückzuführen ist. P i m p l a m a c ul a t o r F. Es handelt sich um einen der kleineren Vertreter der Gattung. In jedem Ovarium finden sich acht Eiröhren. Sie münden in einen Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumonidcn. 323 sehr dünnwandigen Uterus, dem seitlich zwei flach gedrückte, leere, aber gut entwickelte Drüsen aufliegen. In allen andern Punkten schließt sich das Präparat an die vorhergehenden an. C /• y p t u s a l h a t o r i u s F. (Taf. VIII , Fig. 2). Die Cryptinen ähneln in manchen Eigenschaften sehr den Pim- pliden. Ihr Legestachel ist stark, unbiegsam und dient, trotzdem er den Bau des typischen Bohrerstachels aufweist, wahrscheinlich mehr zum plötzlichen Durchstoßen der sich ihm bei der Eiablage dar- bietenden Widerstände als zum langsamen Bohren. Die Länge des Legestachels überragt bei Cryjjtus alhatorius um ein weniges die des Abdomens. Die Ovarien umfassen je fünf bis sechs Eiröhren, deren jede nur ein entwickeltes Ei enthält. Außer diesem liegen in jeder Ei- röhre noch zwei bis drei junge Eizellen mit den zwischen ihnen ein- tTeschalteten Nährzellen. Die reifen Eier nehmen reichlich die Hälfte der Eiröhren ein und haben beinahe denselben Durchmesser wie der Chylusdarm; man ist erstaunt, in einem so kleinen Abdomen so riesen- hafte Eier anzutreffen. Der Uterus bildet ein Knie und wird in der Seitenansicht fast ganz verdeckt durch große zweilappige Uterus- drüsen, die bohnenförmig gestaltet und prall mit einem matt wie Perl- mutter schimmernden Secret erfüllt sind. Sie stoßen dorsal fast an- einander und schließen zwischen sich das letzte Ganglion ein. Hebt man dieses vorsichtig vom Uterus ab, so wird darunter ein kleines Receptaculum seminis sichtbar. Zwei an der Unterseite der Drüsen angreifende muskulöse Ligamente hängen den Uterus in der gewohnten Weise auf. Die Schmierdrüse ist ein langer faltiger Schlauch, der über den Ovidukten entspringt und in einer fast bis zur Spitze des Abdo mens reichenden Schleife seinen Weg zum Stacheleingang nimmt- Der Giftapparat zeigt dieselbe Beschaffenheit wie bei den Ichneumonen. Am Darmkanal fällt ein besonders langer Enddarm auf, der fast noch länger ist als Kropf imd Chylusdarm zusammengenommen. Es wird dadurch die Hauptmasse des Darmkanals mehr auf die vorderen Teile des Abdomens konzentriert, woraus dessen plötzliche Anschwellung unmittelbar nach dem Hinterleibsstiel zu erklären ist. Die Rectal- drüsen sind linsenförmige, weißliche Knötchen, die vom After unge- wöhnlich weit entfernt liegen. S ty l 0 c r y pt u s p r o f l i g n t o r F. Daß man eine spät gefangene Form vor sich hat, erkennt man an dem starken Verfall der Ovarien, deren vier Eiröhren nur noch in 324 Wilhelm J'ainpel, ihrer letzten Hälfte existieren nnd zwar in der Gestalt je eines einzigen, allerdings großen Eies. Die vorderen Teile sind abgestorben und über- haupt nicht mehr zu sehen. Im übrigen zeigt das Präparat die schon bei Cryptus alhatorius gemachten i'x^funde. T h e r o n i a a t alant a e Poda (Taf. IX, Fig. 9). Theronia schließt sich eng an die Cryptinen an. nur ist zum Unter- schied von diesen ihr Legestachel dünn und biegsam und scheint wirk- lich zum Bohren verwendet zu werden, worauf die besonders scharfen Sägezähnchen der Stachelgräten hinweisen. Jedes Ovarium umfaßt acht Eiröhren, deren Verlauf man leicht bis in die äußersten Spitzen verfolgen kann. Die reifen Eier sind ziemlich dick, so daß die Ovarien kurz vor der Ausmündung der Ovidukte einen ansehnlichen Raum be- anspruchen. Die jungen Eizellen liegen nicht wie sonst dicht an einander gereiht in den Eiröhren, sondern jede ist mit dem ihr zukommenden Haufen von Nährzellen durch einen größeren Zwischenraum von der andern getrennt. Auf diese Weise wird der Bau einer Eiröhre beson- ders durchsichtig. Zum Unterschied von den andern Holzbohrern sind die Eier von Theronia nicht gestielt oder lang ausgezogen, sondern kurz und dick wie bei Cryptus. Sie haben ungefähr die Länge von 1 V2 Segmenten und sind an beiden Enden abgestumpft. Ein kurzer Ovidukt verbindet die Ovarien mit dem Uterus, der zwei mit einem opalisierenden Secret erfüllte Drüsenkörper trägt. Sie schließen sich über den beiden den Uterus dorsal bedeckenden letzten Ganglien fast zusammen. Das Receptaculum mit seinem im Innern befindlichen schwarzen Kern schließt sich eng an das Endgangiion an und scheint fast zu diesem in gewissen Beziehungen zu stehen, worauf auch der Umstand hinweist, daßes von einem Geflecht feinster Nervenfädchen. die von dem Endganglion ausgehen, dicht umschlungen wird (vergl. Textfig. 8). Die- selbe Beobachtung habe ich noch bei verschiedenen Präparaten machen können. Der Bau des Giftapparates ist insofern eigenartig, als eine Giftblase überhaupt nicht vorhanden ist. Man findet ein System von drei bis vier Drüsenschläuchen, die sich an ihren Enden einfach gabeln und dann mit einer blasigen Anschwellung blind im Fettgewebe enden. Die einzelnen Schläuche haben einen ungewöhnlich großen Durch- messer, der denjenigen der MALPiGHischen Gefäße um das fünffache übertrifft. Infolge der braunen Färbung des Secretes kann man inner- halb der Schläuche die Drüsenkanäle genau verfolgen, die sich am Ende ebenfalls zu größeren Bläschen erweitern. Ihren Ursprung nehmen die Drüsenschläuche in <1(M' Unm(>bung der Ovarien und verlaufen alle Die weiblicheil Geschlechtsorgane der Ichneu nioniden. 325 nach hinten bis in die äußerste Spitze des Abdomens, wo sie sich zu einem feinen Kanal vereinigen, der das bräunUchc »Secret zum Lege- stachel leitet. Bei vorsichtigem Offnen des Stachels erkennt man, daß sich von der ein Stück im Stachelgang vorgeschobenen Mündung dieses Kanales aus das Secret der Drüsenschläuche als ein brauner Faden durch das Stachelinnere hindurchzieht. An den beiden Stachel- gräten konnte ich die sonst immer vorhandenen Chitiiilamellen nicht finden, ein Zeichen, daß die Eiablage bei den einzelnen Formen doch in verschiede- ner Weise vor sich geht. Vom Darmkanal ist in der Abbildung nur der Kropf und Chylusdarm vorhanden; das Intestinum wurde weggelassen, um den Giftapparat recht deutlich hervortreten zu lassen. 0 d 0 nt 0 m er u s pinetoru m. Thoms. (Textfig. 9). Der vordere Teil des Abdomens wird durch eine tief eingreifende, bis zum Sta- chel reichende Bauchfalte dorsoventral stark abgeflacht. Infolgedessen ist den Ovarien der Platz knapp bemessen. Die Eiröhren, deren Anzahl in jedem Ovarium nur drei beträgt, breiten sich auseinander und drängen sich in einfacher Schicht der dorsalen Chitindecke an, nur durch eine Textfig. 9. dünne Fettschicht von dieser getrennt, «ieschiecutsapparat von odontomems ^ _ pinetorum Thoms. or, Ovarium mit Hinter dem Stachel dagegen erweitert den langausgezogenen (»gestielten«) sich das Abdomen plötzlich sehr stark, weil ^'^'^'^' "''' "^'^^"'^* <^^^' ^"'^""^ '"'■«'^* ^ _ darunter liegend); ud, Uterusdrüse der außerordentlich lange Legestachel eine (die andre nur angedeutet); r, Be- kräftige Muskulatur erfordert. Der Uterus '''''^- '*^">- "' ""f^^cher, ungeknieter " _ Uterus; s, Schmierdrüse; gb, («ift- ist fischblasenähnlich aufgetrieben, ver- blase; gg, Giftgang. läuft an der Hinterseite des Chylusdarmes entlang und verjüngt sich bei seiner Einmündung in den Stachel- gang zu einem dünnen Schlauch. Er trägt rechts und hnks an kurzem Stiele zwei große runde Uterusdrüsen, in denen allerdings kein Secret enthalten ist. Ein Receptaculum ist vorhanden. Die Eier sind so groß, daß ein einziges Ei die an sich sehr lange Eiröhre aus- füllt. Sie bestehen aus einem keulenförmig angeschwollenen Kopfstück und einem lang ausgezogenen Stiel. Man sollte eigentlich in die- 326 Wilhelm Pamjiel, sem Falle ebensowenig wie bei Rhyssa, EphiaUes usw. von gestielten Eiern sprechen, da sich der Eidotter wie bei den Cynipiden bis in die, äußerste Spitze des Stieles hineinzieht. Jedenfalls muß man diese Art Stiele streng von denen der Tryphoninen unterscheiden, bei denen sie ausschließhch von der Eischalensubstanz gebildet werden und ganz massiv sind, der Eidotter dagegen allein auf den Kopfteil beschränkt ist. Der Eistiel ist nach dem Uterus zu gerichtet und wan- dert beim Durchgang durch die Geschlechtswege voraus. Ob das Ei deshalb so langgestreckt ist, damit sich die gesamte Dottermasse beim Durchgang durch den sehr langen und engen Stachel gleichmäßig auf die ganze Länge des Eies ver- teilen kann, oder ob der Stiel eine besondere Rolle außerhalb des Geschlechtsapparates spielt, läßt sich nicht sagen. Es ist übrigens anzunehmen, daß die Eier ihrer Länge wegen nicht in das Wirtstier hineingelegt wer- den, weil zu diesem Zwecke der Legestachel sehr tief in das Wirtstier eindringen müßte und dadurch diesem eine starke Verwundung beibringen würde. Da alle Formen mit derartig gestalteten Eiern Holzbohrer sind, so sind ihre Eier durch- aus keinen Fährnissen ausge- setzt, wenn sie neben das Wirts- tier in dem von diesem gebohr- ten Holzgang abgelegt werden. Tatsächhch sind ja auch diese Holzbohrer {EphiaUes, Rhyssa, Poemenia usw.) Ectoparasiten. Ephialtes mani f estator Gr. (Textfig. 10 u. Taf. YIII, Fig. 3). Die Eistiele sind noch bedeutend länger als bei Odontomenis. Be- trägt die absolute Länge des ganzen Eies etwa 2 cm (das Abdomen ist etwa 3 cm lang), so entfallen davon allein auf den Stiel l^/o cm. Der 1/2 — 1 mm im Querschnitt messende Kopfteil ist etwa vier- mal so dick wie der Stiel. Jedes Ovarium hat vier bis fünf Ei- r()hren, von denen einige schwer zu unteischeiden sind, weil sie überhaupt keine Eier führen. Von den gestielten Eiern findet in Textfig. 10. Dorsale Uteriisansicht von EphiaUes manifesi. (Ir. Ui, erste Hälfte des Uterus (in der Mitte ein I-ocli, in das die beiden Oviducte einmündeten); ?/2. rück- läufige Utenishälfte; id, Ligaineiite; wl, die mäch- tigen Uterusdrüsen; zwisclien ihnen das Kecppt. sem. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneunioniden. 327 jeder Eiröhre außer einigen kleinen unentwickelten Eizellen höchstens eins Platz. Wie bei vielen andern Formen macht die ungewöhnliche Größe der Eier das Vorhandensein mehrerer gegen einander abgestufter Entwicklungsstadien in einer Eiröhre unmöglich. Die Ovarien schließen sich bis zur Einmün- dungderbeiden Ovidukte fest zusammen. Die Eistiele weisen, wie überhaupt innner, wenn Eistiele vorhanden sind, nach dem Uterus hin, so daß also die dickste »Stelle der Ovarien, die Region, wo die Kopfenden der Eier liegen, dem Hinterleibsstiele sehr genähert ist. Der Uterus bildet ein kurzes dickes Knie und trägt zwei zwiebeiförmige Drüsen, die nach dem Abheben der Chitindecke wegen ihrer Größe sofort auffallen (vgl. Textfig. 10). Sie berühren sich dorsal über dem unter ihnen versteckt liegenden Receptaculum seminis. Vom Giftapparat und der Schmierdrü?e ist nichts Besonderes zu erwähnen. E p h ia 1 1 e s e xten s o r (L.). ist bedeutend kleiner als E. »lanifestator. Die Eier sind ungestielt und enden an beiden Seiten mit stumpfer Spitze. Diese abweichende Form und eine außerordentlich große Schmier- drüse lassen auf eine andre Lebensweise schließen. Die Schmierdrüse stellt einen Schlauch dar, der dicker ist als die Giftblase, aber durchsichtige Wände hat; die Uterus- drüsen sind dafür relativ kleiner als bei Eplii- altes manifestator. Textfig. 11. Geschlechtsapparat von Ephial tes spec? or, Ovarium; od, der langgezogene Ovidiict; ud, Ute- rusdrUse; s. Schmierdriise; gl), Gil'tblase. R h ij s s a p e r s ua s o r i a Gr. zeigt in allen Punkten denselben inneren Bau wie EpkiaÜes ma- nifestator. Die gestielten Eier hat E. Bugnion beschrieben in: >>Les oeufs pedicules de Rh/ssa persuasona(<. Ephial tes spec? (aus der Wiener Gegend, Textfig. 11). Jedes Ovarium enthält sechs Eiröhren. Die Eier sind ungestielt, an beiden Enden zugespitzt. Wegen der relativ geringen Länge der 328 Wilhelm Panipel, Eier (sie sind nur etwa achtmal so lang als dick) können in einer Eiröhre auch zugleich die jüngeren Eizellen mit herangebildet wer- den, so daß in jeder Eiröhre eine wenn auch rasch abfallende Ent- wicklungsabstufung zu beobachten ist. Dadurch erhalten die Ovarien ein von Ephialtes manifestator sehr verschiedenes Aussehen. Immerhin sind trotz der größeren Anzahl von Eiern die Ovarien bedeutend kürzer als bei Ephialtes manifestator; denn während sie bei letzte- rem direkt im Hinterleibsstiel beginnen und erst in der Nähe des Stacheleinganges enden, beschränken sie sich hier auf die Länge des Chylusdarmes ; sie beginnen erst im zweiten Hinterleibssegment und enden schon weit vor dem Stacheleingang. Die beiden Ovidukte sind deshalb viel länger als sonst. Sie umgreifen den Enddarm hinter der Einmündung der MALPiGHischen Gefäße. P oemenia hectica Holmg. (Taf. IX, Fig. 7). Es ist dies das einzige Präparat, bei dem ich den dorsalen Herz- schlauch fast bis zum Rectum verfolgen konnte; meist scheint er über- haupt nur bis zur Mitte des Abdomens zu reichen. Die Ovarien durch- ziehen wie bei Ephialtes manifestator infolge der auffälligen Länge der Eier, von denen ebenfalls immer nur eins in einer Eiröhre Platz findet, fast das gesamte Abdomen, trotzdem sind die Eier nicht gestielt, son- dern verjüngen sich nur an beiden Enden allmählich. Der Chylusdarm ist weit nach hinten verschoben und wird ungefähr in der Mitte von den Ovidukten umschlossen. Der Uterus trägt neben dem dorsal ge- legenen Eeceptaculum große zweilappige, mit weißlichem Secret ange- füllte Drüsen. Zugleich mit dem Uterus münden in den Stachelgang zwei blind geschlossene Drüsenschläuche, von denen der eine aus der äußersten Spitze des Abdomens her kommt, allmählich an Dicke zu- nimmt, bis er sich kurz vor seiner Einmündung in den Stachel rasch zu einem dünnen Gang verengt, der andre dagegen so dünn und küm- merlich ausgebildet ist, daß man ihn kaum erkennen kann. Man ver- mag nicht zu unterscheiden, welcher von beiden als Schmierdrüse oder als Giftapparat anzusehen ist. Wahrscheinlich ist der kleine unschein- bare Schlauch der Gii'tai)[)arat . was daraus zu entnehmen ist, daß ich ihn ähnlich rudimentär auch bei andern Formen gefunden habe {Xorides nitens, Pyracmon melanurus). In diesen Fällen zeigte dann immer die Schmierdrüse eine entsprechend vollkommenere Ent- wicklung. Der Bohrstachel ist im Verhältnis zur Dicke der Eier wieder unverhältnismäßig dünn und übertrifft an Länge noch das Abdomen. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 329 C ol e 0 c entr u s e xcitat o r Gr. (Tai'. VIII, Fig. 4). Schon äußerlich zeigt das Tier eine von den sonstigen Ichneumo- niden abweichende Gestalt. Diese wird dadurch bedingt, daß der Lege- stachel auffällig weit vorn eingesetzt ist, fast noch vor der Mitte des Abdomens, Während sich die acht Rückensegmente gleichmäßig über die Rückenf lache verteilen, reichen die sechs Bauchsegmente außer dem letzten nicht einmal bis zur Mitte des Abdomens und fallen dem- entsprechend kurz aus. üas letzte dagegen ist länger als die fünf ersten zusammengenommen, bedeckt wie ein Schild die hintere Hälfte des Abdomens und begleitet als schützende Hülle noch ein Stück darüber hinaus den Legestachel. Hand in Hand mit dieser sonderbaren äußeren Gestaltung gehen auffällige Verschiebungen im Innern. Da der Stachel- eingang so weit nach vorn verschoben ist, ist der gesamte Geschlechts- apparat hauptsächlich auf die vordere Hälfte des Abdomens beschränkt. Während im allgemeinen die Ovarien dem Chylusdarm aufliegen und ihn mit ihren Ovidukten umschließen, umspannen hier die beiden Ova- rien den Kropf, indem sie sich nach kurzem Zusammengehen auseinander- spalten und so eine weite Öffnung zum Durchgang des Kropfes ent- stehen lassen. Jedes Ovarium umfaßt 13 Eiröhren, die außer einigen ganz jungen Eizellen nur je ein reifes Ei bergen. Dies besteht wie bei Ephialtes manifestator aus einem dickeren Kopfende und einem lang ausgezogenen dünnen Stiel, der nach dem Uterus zu gerichtet ist. Die Eier sind im Vergleich zu denen des Ephialtes manifestator sehr klein zu nennen, denn ihre Länge beträgt nur etwa ein Fünftel des Abdomens, bei Ephialtes manifestator dagegen etwa zwei Drittel. Der Stiel ist, wie bei Odontomerus und Ephialtes in seiner ganzen Länge von Dotter durch- zogen. Der Durchmesser des Eies an seiner dicksten Stelle reicht noch nicht an den Durchmesser des keineswegs besonders starken Legestachels heran, so daß also das Ei ohne jede Schwierigkeit den Stachelgang passieren kann. Es trifft deshalb hier kaum die Vermutung zu, daß der Stiel dazu vorhanden wäre, beim Durchgang durch den Legestachel vorübergehend einen Teil der Dottermasse des Kopfendes aufzunehmen und so dessen Durchmesser zu verringern. Wahrscheinlich verrichtet der Stiel doch noch andre Dienste. Ovidukte sind überhaupt nicht vorhanden, sondern die Eiröhren münden direkt in den Uterus ein. Die beiden seitlich am Uterus sitzenden Drüsen sind die größten, die ich je bei einem Präparat gefunden habe. Sie haben fast denselben Umfang wie der Chylusdarm und sind mit dem schon mehrfach er- wähnten opalisierendem Secrete angefüllt. Das zwischen den Drüsen :3;30 AVilhelm Pampel, sitzende Eeceptaculuiii ist winzig klein. Die Schmierdrüse zeigt eine relativ spärliche Ausbildung, ist dünn und hat eine durchsichtige Wandung; ihre Bedeutung scheint nicht von Wichtigkeit zu sein. Ein eigenartiges Gebilde ist der Giftapparat. Die Giftblase ist ein weißlicher, mit außerordentlich starken Längsmuskeln versehener Schlauch, der sich in »S-förmiger Windung vom Stacheleingang bis zum Rectum hinzieht und von einem Knäuel flacher Drüsenschläuche gespeist wird. Von diesen vereinigen sich je zwei und münden gemein- sam in das Ende der Giftblase ein. Der Darmkanal durchläuft in gerader Richtung das Abdomen. Da der Kropf bis weit über die Mitte in das Abdomen hineinragt, fallen der übrigens rein dorsal gelegene Chylus- darm und der Enddarm sehr kurz aus. Das Rectum ist blasig aufgetrieben und trägt viele rundliche, regellos auf der Darm wand verstreute Rectaldrüsen . Der Herzschlauch läßt sich vom Stiel aus nur etwa bis zur Mitte der Ovarien verfolgen. Die Ganglienkette endet in- Textfig. 12. Ventrale Itenisaiisicht von Xorides iiilcns (jr. Mo, der rückläufige uterusabsciinitt; folge der Verschiebung des Geschlechts- apparates schon in der Mitte des Ab- domens. Dafür ist das Endganglion aber außerordentlich groß (in der Abb. wegen der umfangreichen Uterusdrüsen nicht sichtbar) und entsendet deutlich erkennbare Nervenstränge nach der riesenhaften Stachelmus- kulatur und dem Darmkanal. od, Oviducte; ud, die riesigen Drüse zwischen ihnen gerade noch sichtbar da dorsal gelegene Kecept. sein. X 0 r i d e s n i tens Gr. (Taf. VIII, Fig. 5 u. Textfig. 12). Sowohl seiner äußeren Gestalt wie auch seinem inneren Bau nach gleicht Xorides nitens dem Coleocentrus excitator. Der Stachel ist auch fast in der Mitte des Abdomens eingesetzt, so daß sich die Bauchseg- mente sehr zusammenschieben müssen. Die Ovarien umgreifen eben- falls den Kropf, während der Chylusdarm weit nach hinten verschoben ist. Im übrigen nimmt jedoch der Geschlechtsapparat einen viel größe- ren Raum ein als bei Coleocentrus. Die Ovarien sind viel massiger ent- wickelt als bei irgend einem Holzbohrer. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb sie an doppelten Ligamenten aufgehängt sind ; deren eines ver- läuft ventral, das andre dorsal nach dem Thorax. Auf jede Eiröhre entfällt nur ein einziuesEi. DerDiirclimesser der Eier ist etwa sechsmal Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 331 SO groß als der des dünnen, sehr langen Legebohrers, so daß hier die Art und Weise, wie die Eier durch den Stachelgang konnnen sollen, ganz besonders problematisch erscheint. Gestielt sind sie nicht, son- dern laufen wie bei Poenienia hectica beiderseits in langgezogene dünne Enden aus. Junge Eizellen sind in den Ovarien nur spärlich vorhan- den. Die beiden Uterusdrüsen kommen an Größe denen des Coleocentrus ziemlich gleich. Sie sind über den Stacheleingang hinaus Aveit nach hinten verlagert, so daß der Uterus wieder eine ziemlich große Strecke zurück zu laufen hat. Textfig. 12 zeigt den geknieten Uterus von der ventralen Seite mit den beiden dorsal zusammenstoßenden Drüsen, zwischen denen eben noch das Receptaculum sichtbar wird. Auch die Uterusligamente sind angedeutet. Die gut entwickelte Schmierdrüse läuft nicht wie gewöhnlich im Bogen nach vorn, son- dern zieht sich in gerader Linie bis in die äußerste Spitze des Ab- domens hinein. Der Giftapparat besteht aus einem winzigen, rudi- mentär erscheinenden Drüsenschlauch, der durch einen feinen, kaum sichtbaren Kanal in den Stachelgang mündet. Eine Giftblase ist nicht vorhanden. C oll y r i a c a l c it r a t o r Gr. (Taf. IX, Fig. 6). Es handelt sich hier um eine der allerkleinsten Ichneumoniden. Der Geschlechtsapparat zeigt den Bohrertypus, wenn auch die eigen- artige Form des Legebohrers damit nicht recht im Einklang steht. Die beiden Stachelgräten enden nicht wie sonst mit einer Reihe scharfer Zähnchen, sondern sind in ihrer ganzen Länge mit kleinen Chitindornen besetzt, die dem Legestachel das Aussehen einer kleinen Säge verleihen. Außerdem ist er vorn weit geöffnet, läuft aber nach hinten pfriemen- artig spitz zu. Obwohl das Tier seine Entwicklung vollkommen abge- geschlossen hat, sind die Ovarien winzig klein, umfassen aber trotz- dem je 10 Eiröhren. Dazu findet man in jeder Eiröhre durchschnitt- lich etwa 7 — 8 Eier, die sämtliche Entwicklungsstadien zeigen. Die reifen sind länglich und an beiden Seiten abgestumpft. Ihr Durchmesser beträgt höchstens den fünften Teil von dem des Stachelganges in sei- nem Anfangsteile. Die Ovarien entspringen über dem Chylusdarm, umgreifen ihn und münden erst kurz vor dem Stachelgang in den Uterus ein. Dieser ist ein kleiner dünner Schlauch, der sich zum Teil in die weite Stachelöffnung einsenkt. Infolgedessen sind die Anhänge des Uterus, bestehend aus den beiden Drüsen und dem Receptaculum seminis lang gestielt, damit sie mehr in das Innere des Abdomens ver- legt werden. Die Schmierdrüse ist verhältnismäßig groß. Der Gift- 332 Wilhelm Pampe), apparat läßt sich in seiner eigenartigen Modifikation am ehesten mit dem der Theronia atalantae vergleichen. Er besteht aus vier Drüsen- schläuchen, die an zwei bis drei Stellen zu weiten birnenförmigen Bla- sen aufgetrieben sind; die einzelnen Schläuche verzweigen sich in zwei oder drei Aste, die mit einer ebensolchen Anschwellung enden. Die vier Schläuche vereinigen sich direkt zu einem gemeinsamen dünnen Gang, der ihrSecret in den Stachel führt. Offnet man das Abdomen des Tieres, so zeigt sich das letzte Drittel über und über mit diesen birnenförmijsien Blasen erfüllt. Der Übersichtlichkeit wegen habe ich in der Abbildung viele von diesen Blasen und den ganzen vierten Drüsenschlauch weg- gelassen. Interessant ist schließlich noch die Verteilung der fünf Ab- dominalganglien. Das erste liegt an der Stelle, wo der Kropf in den Chylusdarm übergeht, also schon in der Mitte des Abdomens, während es sonst meist noch im Hinterleibsstiel seinen Platz hat. Die andern vier drängen sich in der Nähe des Stachelganges dicht zusammen und sind nur durcli kurze Connective von einander geschieden. Das letzte, die andern an Größe weit zurücklassende Ganglion liegt dem Uterus an und wird von den beiden Ovidukten umfaßt. 3. Ophiontypus. 0 phion luteus L. (Taf . IX, Fig. 8). Henneguy beschreibt in seinem >)Les Insectes« betitelten Buche auf S. 163 — 165 einen von der üblichen Form prinzipiell abweichenden Bau der Geschlechtsorgane bei Aphidius: Les ovaires de quelc^ues In- sectes (Ichneumonides, Culicides, Cecidomyides et peut-etre de quel- ques autres groupes mal etudies) presentent une disposition speciale differente de celle de la raajorite des autres Hexapodes. Balbiani a bien etudie cette structure, et j'ai pu verifier sa description chez un Aphidius, parasite des Pucerons du Bosier. Chaque ovaire est con- stitue par une poche unique se continuant avec l'oviducte. Cett-*- poche contient dans son interieur un certain nombre de follicules libres; les jeunes follicules occupant la partie terminale de la poche sont ar- rondis. Ils sont formes par une paroi de cellules epitheliales aplaties et de cellules toutes sembables entre elles. Les follicules plus avances dans leur developpenient sont ovoides et presentent, ä Tune de leurs extremites, une cellule plus grosse qui est le jeune ovule differencie; les autres cellules representent les elements vitellogenes. Vers la partie moyenne de la poche ovarique, les follicules ont la forme d'un bissac, dont Tune des moities contient les cellules vitellogenes et l'autre ren- Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 333 ferme Toeiif rattache par uii pedicule ä ses cellules vitellogenes. Enfiu ä la partie posterieiire de l'ovaire, ou dans toute l'etendue de la poche, chez les femelies pretes ä pondre, on ne troiive plus que des oeufs al- longes, entoiires encore d'une inince couehe epitheliale; les cellules vitellogenes ont disparu ou il eii reste encore quelques traces. Chez les Chironomus et les Cousins, la poche ovaricßie renferme aussi de nombreux follicules libres contenant chacun un ovule et de grosses cellules vitellogenes, comme dans les autres Dipteres. Metsch- NiKOFF (1866) avait deja vu que, dans les larves paedogenesiques des Cecidomyies, l'ovaire est une poche renfermant des oeufs hbres. Les ovaires, exaraines chez les larves et les nymphes, ont la forme de sacs allonges, presentant dans leur Interieur un axe central, creuse d'un canal en continuite avec l'oviducte, et autour duquel sont in- serees de nombreuses petites gaines ovariques, disposees en verticilles (also senkrecht zur Achse). A un stade plus avance, Taxe central se resorbe et les gaines ovariques deviennent libres dans le sac. Chaque gaine comprend d'abord plusieurs chambres ovulaires qui renferment un ovule et des cellules vitellogenes; mais une seule de ces chambres, Celle qui etait la plus voisine de Taxe, se developpe et finalement on trouve la meme disposition que chez VAfhidius. II est possible que dans l'ovaire de VAphidius il existe aussi primitivement un axe central qui disparait par resorption. Cette disposition de l'ovaire est probable- ment primitive et derive sans doute de celle qui existe chez Afiurida maritima et quelques autres Thysanoures, dans lesquels le tube ovari- que contient des groupes cellulaires ä divers etats de developpement, chacun de ces groupes renfermant un ovule et plusieurs cellules vitello- genes. Ahnliche Beobachtungen glaubte ich auch bei mehreren Ophioni- nen gemacht zu haben. Präpariert man manche im Spätherbst ge- fangene Exemplare, so fallen besonders zwei längliche dünnhäutige Säcke auf, in denen die Eier ohne weitere Hülle dicht nebeneinander geschichtet liegen. Man ist versucht, diese Säcke auf den ersten Blick für die Ovarien von der oben beschriebenen Art zu halten. In Wahr- heit handelt es sich jedoch nur um Ovidukte; die Ovarien sind bei älteren Tieren meist fast leer und verschwinden direkt vor der Masse der Ovidukte. Am deutlichsten tritt diese Erscheinung bei Angitia zutage (Textf ig. 22), wo man die Ovarien ihrer Durchsichtigkeit wegen anfangs überhaupt nur schwer unterscheiden kann. Es scheint über- haupt die Tendenz zu bestehen, daß gerade bei den kleineren Ophioni- den die Ovidukte vor den Ovarien stark in den Vorderarund treten. 334: Wilhelm Pampel, 80 liegt die Vermutung nahe, daß auch Balbiaxi bei der außerordent- lich geringen Größe des Aphidius irrtümlicherweise die Ovidukte für die Ovarien gehalten oder auch die oft sehr dünnen Wände der Ei- röhren ganz übersehen hat. Daher ist wohl auch die Annahme Hen- neguys, daß die Anordnung der Eiröhren senkrecht zu einer Achse für Aphidius ursprünglich sei, nur mit großer Vorsicht aufzunehmen. Bei jüngeren Formen dagegen, besonders in der Gattung Ophion selbst, stehen die Ovidukte den Ovarien an Masse bedevitend nach. Im allgemeinen sind die Ovarien der Ophioniden weniger in die Länge gestreckt als bei den Ichneumoninen und Pimplinen, sondern gehen mehr in die Dicke und zeichnen sich dabei durch einen großen Reich- tum an Eiern aus. Die beiden Ovarien schließen sich in ihrem ganzen Verlauf dicht zusammen, so daß sie einen einzigen, dem Chylusdarm aufliegenden Ballen bilden. Man kann sie nicht von einander trennen, ohne einige Eiröhren zu zerreißen. Nur der Abgang der beiden Ovi- dukte läßt darauf schließen, daß das Ovarium doch aus zwei von ein- ander isolierten Teilen besteht. Die Abbildung Taf. IX. Fig. 8 zeigt den Geschlechtsapparat eines jungen Ophion luteus von der ventralen Seite aus. Die ziemlich langgestreckten Ovarien sind infolge Platzmangels an der Spitze etwas zusammengestaucht. Sie lassen die einzelnen Eiröhren auf dieser Seite deutlicher erkennen, als wenn man sie dorsal be- trachtet. Jedes Ovarium beherbergt 10 — 15 Eiröhren, in denen man alle Entwickhingsstadien der Eier von den jüngsten Eizellen an bis zum fertigen Ei perlenschnurförmig aufgereiht liegen sieht. Da die beiden Ovidukte ziemlich zweimal so lang sind wie die Ovarien, sind sie bei dem geringen, ihnen noch zur Verfügung stehenden Raum zu großen Schleifenwindungen gezwungen . Außer der Eileitung scheint den Ovidukten noch eine besondere Funktion zuzukonnnen; gewisse Anzeichen lassen darauf schließen. Bei jüngeren Formen der Gattung Ophion. wie z. B. bei dem vorliegen- den Ophion luteus, weisen die Ovidukte in ihrer ersten Hälfte keinen in- neren Hohlraum auf, sondern sind massiv, so daß also jede Verbindung der hinteren Teile der Geschlechtswege mit den Ovarien unterbrochen ist. Und doch findet sich die zweite, stark angeschwollene Hälfte der Ovidukte, selbst bei ganz jungen Tieren, prall mit Eiern angefüllt, die fest in dasselbe gelbe Gewebe eingebettet sind, aus dem auch der massive Teil der Ovidukte besteht. Sie zeigen noch keine vollkominene Reife; denn die Eischale hat sich noch nicht aus dem Dotter heraus- differenziert, während sie bei reifen Eiern deutlich vom Dotter abge- hoben ist, meist sogar eine braune Färbung annimmt. Ob diese Eier Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneunioniden. 335 schließlich doch schon als junge Keime aus den Ovarien hierher ge- langt sind, oder ob sie, was fast anzunehmen ist, selbständig im Ovi- dukt angelegt worden sind, läßt sich ohne histologische Untersuchungen schwer entscheiden. Jedenfalls legt die Tatsache, daß hier unreife Eier im Ovidukt zur Reife gelangen, den Schluß nahe, daß sich bei der Gattung Ophion die Ovidukte physiologisch gar nicht sehr von den Ovarien unterscheiden. Bei den meisten andern Vertretern der Ophio- ninen reifen die Eier dem Anschein nach schon im Ovarium völlig aus, so daß also die Ovidukte ausschließUch der Eileitung dienen. Aller- dings könnte man meinen, würden für diesen Zweck viel kürzere Ovi- dukte genügen. Vielleicht stellen sie in diesem Falle auch Sammel- reservoire dar, damit das Tier im Bedarfsfalle möglichst viel Eier zur Verfügung hat. So läßt sich die oft ganz enorme Länge und Dicke der Ovidukte erklären. Die Gattung Ophion zeigt weiter die Eigen- tümlichkeit, daß w^ahrscheinlich schon unreife Eier abgelegt werden. Wenigstens habe ich zu verschiedenen Malen im Uterus, zweimal sogar im Stachelgang, unreife Eier mit noch nicht differenzierter Eischale aufgefunden; es ist sehr w^ahrscheinlich, daß sie auch abgelegt wor- den wären; Furchungserscheinungen innerhalb der Geschlechtswege habe ich, wie mehrfache Schnittversuche gezeigt haben, bei Ophion nicht gefunden. Die auf Taf. IX, Fig. 8 vorliegende Abbildung von Ophion luteus läßt recht gut den Bau des Legestachels erkennen. Von der dorsal gelegenen Stachelrinne sieht man nur die beiden rechts und links hervorstehenden Backen, an denen die beiden letzten Segmente verankert sind. Die bei- den ventralen Stachelgräten lassen zwischen sich unweit der Spitze eine längliche Öffnung frei, aus der das Ei durch die schiebenden Bewegungen der Stachelgräten herausbefördert wird. Sie enden ein Stück vor der eigentlichen Stachelspitze und lassen gerade noch die widerhakenförmige Einkerbung der Stachelschiene erkennen. Die Giftblase ist noch win- zig klein und zusammengeschrumpft, dagegen sind ihre Drüsenschläuche schon weit entwickelt. Sie sind, wie bei allen Ophioninen nur kurz und in oerinuer Zahl vorhanden, dafür aber reichlich dick. Die Schmier- drüse stellt ein kurzes flaches Band mit kolbiger Endanschwellung dar. Ein Receptaculum seminis konnte ich trotz aller Vorsicht beim Präpa- rieren nicht entdecken. Ophion oh s cur US (Textfig. 13). Es liegt ein ganz junges, im Juni gefangenes Insekt vor. Im Innern finden sich noch zum größten Teil Fettmassen. Die Gewebe der ein- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 22 336 Wilhelm Pampel, zelnen Organe sind weich, flockig und von gelblicher Farbe. Während die reifen Ovarien bei Ophion gewöhnlich so viel Raum einnehmen, daß sie den dünnhäutigen Kropf ganz zusammendrücken, sind sie -hier als eine dünne Decke zwischen Darm und Rückenchitin eingezwängt. Kein einziges Ei ist nur annähernd ausgereift. Die langen Ovidukte sind in ihrer ersten Hälfte sehr dünn und massiv. In ihrem weiteren Ver- laufe vergrößert sich ihr Durchmes- ser etwa um das Vierfache, und sie sind dicht gefüllt mit gelblich durch- scheinenden Eiern, die zwar sämt- lich weiter entwickelt sind als die letz- ten Eier in den Ovarien, aber noch lange nicht reif genannt werden kön- nen. Der zwischen ihnen freiblei- bende Raum ist mit demselben gelb- lichen Gewebe ausgefüllt, woraus auch die Wandung und der vordere massive Teil des Oviduktes besteht. Die AVancl der Ovidukte ist auch keineswegs von diesem Gewebe ab- gesetzt; es handelt sich also kaum, wie man annehmen könnte, um eine im Innern des Oviduktes durch die Konservierung entstandene Fällung. Ausgestreckt würden die Ovidukte etwa dreimal so lang wie die Ovarien sein. Sie münden ohne besonderen Vorhof, wie ihn z. B. Ilenicospilus aufweist, in den birnenförmigen Ute- rus, der ein ziemlich großes Receptaculum trägt. Im Uterus, zum Teil schon im Stachelgang, steckt ein unreifes Ei, festgeklebt an das den Stachelgang erfüllende gelbliche Secret der >> Giftdrüsen <<. Giftblase und Giftgang haben einen gelblichen Farbton. Die Rectaldrüsen bilden meh- rere Längsreihen von je vier kugeligen Anschwellungen (Textfig. 1 d). Textfig. 13. (ieschleehtsapiiarat eines ganz jiiimon Ophion obscurus. or, Ovarium ; od. Oviducte (die Pfeile deuten die llielitiins der KiwandeniiiK an); s, Schinierdrüse: die tJiftljlase liegt unter den nach hinten zu stark anschwellenden Ovi- ducten versteckt, nur der Giftgang ist sichtbar; r, Kecei)t. sem. Henicospilus r a m i d u l u s (Textfig. 14). Der größeren Deutlichkeit halber ^\llrde ein im Herbst gefan- genes Tier gezeichnet, das schon fast alle Eier abgelegt hat. Der Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichncumoniden. 337 eine Ovidukt ist kurz • vor dem Uterus abgerissen und umgelegt. Allem Anschein nach gelangen die wenigen noch im Ovarium liegen- den Eier nicht mehr zur Ausbildung; sie sind klein, schwächlich und haben keine genügende Nah- rung mehr, da der Fettkörper bis auf kleine E-este aufgezehrt ist. Die Ovidukte enthalten indessen noch i e sechs reife Eier mit kräftiger brau- ner Eischale. Die beiden Ovidukte münden in einen blasigen Vorhof b, der seinerseits durch einen engen Kanal in den eigentlichen Ute- Textfig. 14. Geschlechtsapparat von Henicospilus rami- dulus. Der rechte Oviduct ist abgerissen und umgeklappt, um den Vorhof b des Ute- rus sichtbar zu machen; der linke enthält sechs reife Eier; das Ovarium nur angedeu- tet. Die Ganglienkette n endigt am Uterus; das Endganglion legt sich dicht an das Re- cept. sem. an Die Drüsenschläuche der Giftblase sind nicht eingezeichnet. Textfig. 15. Anatomie von Campoplex spec? Nur der rechte Oviduct abgebildet; er umschlingt die (iift blase. Das Endganglion des Nerven- systems n legt sich an das Recept. sem. an. Zwischen Nervensystem und Ovarium der Darmkanal, (Kropf, Chylusdarm, längsge- streifter Enddarm mit Rectaldrüse.) rus einläuft. Der Darmkanal weist zwischen Kropf und Chylusdarm einen gut ausgebildeten Muskelmagen auf. Die Giftblase hat gelbhche Färbung. 22* 338 Wilhelm Panipel, C a m p 0 pl ex spec? (Textfiu. 15). Der Bau des Geschlechtsapparates ist ganz derselbe wie bei der Gattung Ophion. In der Jugend sind die Ovarien so vohirninös. daß sie den ganzen Querschnitt des Abdomens erfüllen und nur noch Platz für den Darmkanal freilassen; gegen Ende des Sommers schrumpfen sie immer mehr zusammen und reduzieren ihren Eibestand ganz bedeutend. In den Eiröhren beobachtet man besonders bei jüngeren Formen einen kontinuierlichen Übergang in der Entwick- lung der Eier; ein Zeichen für die Reife ist eine dunkelbraune Fär- bung der Eischale. Die Abbildung zeigt einen im Herbst gefangenen Campoplex. Die Mehrzahl der Eiröhren hat ihre Funktion schon eingestellt; sie sind z. T. gar nicht mehr sichtbar, z. T. enthalten sie nur noch gänzlich unentwickelte Eizellen. Zwei Eier in den Ovarien und vier in den Ovidukten bilden die letzten Reste der früheren Eifülle. Giftblase und Giftgang sind ihres häutigen Ge- webes halber kaum zu erkennen. Das Drüsensystem wird darge- stellt durch zwei kurze, dicke Schläuche, die durch einen gemeinsamen Stamm seitlich in die Giftblase einmünden. Das Intestinum zeigt weiße Längsstreifen und ist kurz vor dem After mit einem dichten Kranz kräftiger, langgestreckter Rectaldrüsen besetzt. L i s s 0 )i 0 t a c yl i n d r a t o r Vill. (Textfig. 16). Die Abbildung will die reiche Eifülle und die für Lissonoto typi- sche eigenartige Verschiebung der beiden Ovarien veranschaulichen. Diese sind so umfangreich, daß sie nebeneinander in dem ziemlich schmalen Abdomen keinen Platz haben, sondern gezwungen sind, sich hintereinander zu lagern. Aus diesem Grunde haben sie auch keinen gemeinsamen Ursprung mehr, sondern jedes läuft für sich in eine feine Spitze aus und ist auch durch ein besonderes Ligament aufgehängt. Ovarien und Ovidukte sind mit keulenförmigen Eiern vollgestopft, von denen die am weitesten entwickelten eine ringförmige braune Zone um das kolbige Ende tragen. Sonderbarerweise scheinen die Eier in den Ovarien weiter in der Entwicklung vorgeschritten zu sein als die in den Ovidukten liegenden, da diese die ringförmige braune Zone nicht er- kennen lassen, wenn anders überhaupt auch hier die Braunfärbung der Eischale wie bei Ophion, Henicospüus, Campoplex, Paniscus, Tryphon ein Kriterium für die Reife der Eier darstellt. Außerdem nehmen sie an Größe ab, je näher sie dem Uterus gelegen sind. Es macht den An- schein, als ob in der ersten Zeit die Eier in den Ovarien noch sar nicht Die weiblichen Gesehleolitsorgane der Ichneunioiiiclen. 339 völlig ausreiften und die Eiablage schon vor der vollkommenen Reife vor sich ginge. Der im Verhältnis zu dem gesamten Geschlechtsapparat sehr kleine Uterus erinnert an die Ichneumonen , insofern als er flach /«f^ 9b ^.\ Textfig. IG. Eigenartige Lagerung der Ovarien bei Lissonota cylindrator Vill. oti, odi, linl^es Ovariuin mit dem dazu gehörigen Oviduct; or^, od«, rechtes Ovarium mit Oviduct; u, Uterus. Textfig. 17. Geschlechtsapparat von Lissonota sulphu- rifera Gr. gb, die von den beiden Oviduc- ten umsclilossene große Gittblase (Drüsen- schläuche nicht eingezeichnet) ; !/?,Qiftgang. gedrückt ist und an derselben Stelle wie die Ichneumonen das Re- ceptaculum trägt. Der Stachel ist lang und dünn; vielleicht ist aus diesem Grunde die Schmierdrüse so kräftig entwickelt. Dem äuße- ren Habitus nach möchte man Lissoyiota für eine Pimplide halten. Lissonota sulphurifera Gr. (Textfig. 17). Die Ovarien sind wieder in der oben beschriebenen Weise gegen- einander verschoben. In der Abbildung ist nur das oben liegende Ovarium 340 Wilhelm Panipcl, eingezeichnet. Interessant ist an dem Präparat die riesige Giftblase, die den Darmkanal aus seinem angestammten Platz ganz ventralwärts drängt, so daß er eben noch zwischen den sich vereinigenden Ovidukten und der Giftblase einen Durchgang findet. Ein dicker, sich allmähhch verjüngender Gang führt ihren Inhalt in den Stachel. Am andern Ende läuft sie in einen kurzen Schlauch aus, in den mehrere dicke Drüsenschläuche einmünden (in der Abi), weggelassen). Sie ist grau gefärbt und fühlt sich hart an ; zu beiden Seiten liegen ihr fest die beiden Ovidukte auf. Der Uterus ist ein dünner Schlauch, der mit einem scharfen Knie in den Stachel einläuft und dor- sal ein Receptaculum trägt. P y r a c m o n m e l a n u r u s Holmg. (Texttig. 18). gehört mit zu den klein- sten Schlupfwespen. Die Ovarien treten geoen- Über den langen, reich mit Eiern erfüllten Ovi- dukten fast ganz in den Hintergrund. Sie sind kurz und bestehen aus je etwa 10 Eiröhren, in denen die Eier per- lenschnurähnlich aufge- reiht sind und alle Ent- wicklungsstadien zeigen. Der Durchmesser der Ovidukte ist im An- fang etwa halb so groß wie der eines Ovariums; es finden in diesem \veiten Schlauche bequem sechs Eier nebeneinander Platz. Allmählich verengt sich der Schlauch, so daß kurz vor dem Uterus nur höchstens noch zwei Eier nebeneinander liefen können. An Länge überragen die Ovidukte die Ovarien etwa um das Fünffache. Sie repräsentieren neben denen der Echthrodoca conflagrata die längsten Ovidukte, die mir je vorgekommen sind. Dabei sind sie in ihrer ganzen Länge mit Eiern Toxtfig. 18. Geschloclitsappaiat von Pyracmon »lelanurus Holing. or. Ova riuni; od, linker Oviduct; s, die riesige Schmierdrüsc; g. dei- ru dimentäre (Jiftai)i)arat. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneunioniden. 341 vollgestopft, welche bei der Reife seitlich etwas zusammengedrückt und braun gefärbt sind. Der birnenförmige Uterus läßt an seinem Hinterende an der Einmündung der Ovidukte ein Receptaculum er- kennen. Der Giftapparat macht einen rudimentären Eindruck, wenig- stens der winzigen, verkümmerten Giftblase nach zu urteilen; sie ist etwa nur halb so lang wie ein Ei und wird durch zwei haar- dünne Drüsenschläuche gespeist. Der ganze Giftapparat scheint außer Funktion gesetzt zu sein. Um so mächtiger ist die Schmierdrüse ent- wickelt, die gerade ausgestreckt im Abdomen kaum Platz finden würde. Sie besteht aus einem blind geschlossenen Schlauche, der ge- gen das freie Ende zu allmählich immer weiter wird, so daß er schließlich denselben Durchmesser wie die Ovidukte nach ihrem Austritt aus den Ovarien annimmt. Dadurch, daß die Schmier- drüse eine große Schlinge bildet, bleibt sie auf den hinteren Teil des Abdomens beschränkt und schließt sich ziemlich innig an die Ovidukte an, so daß man sie beim Präparieren leicht verletzt. Ob die so außerordentlich kräftig entwickelte Schmierdrüse dieselben Funktionen verrichtet, wie das bei den meisten andern Formen be- obachtete homologe, aber viel kleinere Gebilde oder ob sie ihre Funk- tion gew^echselt hat, vielleicht gar die Rolle des Giftapparates über- nimmt, das läßt sich ohne weiteres nicht entscheiden. Sicher ist, daß die Eiablage in andrer Weise vor sich geht, als in der bei OpJiioti be- schriebenen. Ich bin der Meinung, daß sie in den einzelnen Fällen je nach der Lebensweise besonders spezifiziert ist, daß man also ein all- gemeines Schema überhaupt nicht aufstellen kann. Darauf deutet auch die in den einzelnen Fällen so außerordentlich verschiedene Ge- staltung des Legestachels und seiner Drüsenapparate hin. Durch- gehend besteht aber die Beziehung, daß, wenn der Giftapparat schwach entwickelt oder gar auf einige Überbleibsel reduziert ist, die Schmierdrüse sich einer um so kräftigeren Ausbildung erfreut. Ein analoges Verhalten findet man bei Echthrodoca c on f lag r ata (Textfig. 19). Auch hier ist der Giftapparat anscheinend vernachlässigt, inso- fern als eine Giftblase ganz fehlt und die allerdings normal entwickelten Drüsenschläuche ihr Secret direkt zum Stachel führen. Dafür ist die Schmierdrüse umso besser bedacht. Sie hat einen weiteren Durchmesser als die Ovidukte und ist reichlich lang. Eigentümlich sind die Ovarien gebaut. Die einzelnen Eiröhren spreizen sich fächerförmig von der Einmündung der Ovidukte auseinander, so daß die Ovarien wiegen 342 ^^'illl(■lnl Paiiiijcl, ihrer Breite nur übereinander Platz finden. Die vorderen Hälften sind nicht mehr sichtbar, da sie wahrscheinlich nach Einstellung ihrer Funk- tionen abgestorben sind. In der Abbildung sind die beiden Ovidukte getrennt von einander wiedergegeben, ebenso sind der Übersichtlich- keit wegen die Ovidukte besonders zurechtgelegt. Die Ovidukte sind etwa sechs bis siebenmal so lang wie die Ovarien und beherbergen eine Unmenge Eier. Nach hinten zu nehmen sie allmählich an Dicke ab und münden ziemlich dünn in einen einfachen schlauchförmisen Textfig. 19. Ovarien und Oviducte von Echthrodoca conjluijrata. or. Ovarien, die in \\ irkliehkeit auleinander liegen. J)ie Oviiliicte sind starlv gewunden, s, Sclnnierdrüse. Uterus ein. Ein Receptaculum seminis konnte ich trotz aller Vorsicht beim Präparieren nicht entdecken. Ich glaube bestimmt, daß es bei vielen Ichneumoniden wirklich fehlt und nicht nur übersehen worden ist. Deshalb brauchen sich diese Formen allerdings noch lange nicht parthenogenetisch fortzupflanzen, da es fraglich erscheint, ob die zwei- geschlechtliche Entwicklung überhaupt an das Vorhandensein eines Receptaculum seminis gebunden ist. Vielleicht wird das Sperma hier in andrer Weise als gewöhnlich untergebracht, oder die ganze Art der Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 343 Begattung ist überhaupt verschieden. Interessant ist ferner, daß die beiden letzten Ganglienknoten zu einem einzigen länglichen Ganglion zusammenfließen, während sie bei allen andern Formen immer noch durch zwei Connective von einander getrennt sind. X e n 0 s che s i s f ulvife s Gr. (Taf. X, Fig. 16 und 13). Jedes Ovarium enthält etwa 15 Eiröhren, deren Eier ihrem Ent- wicklungsgrade nach ganz regelmäßig angeordnet sind, so daß sich die Eiröhren wie eine Kette mit aneinandergereihten, immer kleiner werdenden Perlen ausnehmen. Die Ovidukte zeigen die Eigentümlich- keit der jungen Ophioniden. Sie stehen mit den Ovarien durch einen langen massiven Hals in Verbindung. In ihrem weiteren Verlaufe schwellen sie sehr stark an und erreichen bald die Dicke der Ova- rien. Ihre Wandung besteht aus einem weichen Gewebe, das an seiner Innenseite zahlreiche Falten und Rillen ähnlich dem Blätter- magen eines Rindes aufweist. Von diesen Falten heben sich ungefähr in der Mitte des Oviduktes zwei deutlich differenzierte bohnenförmige Auswüchse ab, deren Bedeutung mir unerklärlich ist. In den Ovidukten liegen einige Eier, die gegenüber den letzten in den Ovarien unterge- brachten in der Entwicklung entschieden zurück sind. Es scheinen also auch hier den Ovidukten noch besondere Funktionen zuzukommen. Sie münden in einen runden schlauchförmigen Uterus, der dorsal die letzten beiden Ganglien trägt. An das EndgangHon lehnt sich ein traubenförmiges Receptaculum seminis an, das sich bei näherem Zu- sehen als ein Knäuel von vier bis fünf blind geschlossenen Schläuchen darstellt. Die verhältnismäßig kleine Giftblase ist kugelrund und nimmt zwei Drüsenschläuche auf, die getrennt von einander rechts und links einmünden. Der Inhalt der Giftblase ist hart, aber durchsichtiß', man kann ihn durch den ganzen Stachelgang verfolgen. Die beiden Chitin- laraellen der Stachelgräten greifen in die erhärtete Masse ein, ein Zeichen, daß der Legemechanismus dem der Ophioniden gleicht. Die Stachel- schieue besteht nicht wie sonst aus einem einzigen Stück, sondern ist in der Mittellinie gespalten; der Spalt wird durch ein dünnes Chitin- häutchen geschlossen. Wahrscheinhch dient diese Vorrichtung dazu, den Stachelgang erweitern zu können. H adr odactylus t y j) h a e (Fouver) (Textfig. 20). Infolge der kurzen und gedrungenen Gestalt der Eiröhren nimmt das Ovarium beinahe Kugelform an. Das Gewebe der Ovidukte ist so dünn und durchsichtig, daß man ihren Verlauf nur an den im Innern 344 Wilhelm Pamjiel, aufgespeicherten Eiern erkennen kann. Sie münden durch einen kurzen gemeinsamen Gang in den Uterus. Der weite Stachelgang ist an- Tcxtfig. 20. Geschlechtsapparat von Hadrodactylus typhae. Darlegung des Legemeclianismus. gh, »Giftblase«; sg, erstarrtes Secret der tiiftblase im Stachelgang; c, die in das Secret eingreifenden Chitinlamellen der Stechbor.sten; ul. l'tenisliganii'nt. gefüllt mit dem bekannten Secret, das sich sofort als das der >>Gift- drüsen<< feststellen läßt; denn einerseits hat es dieselbe Farbe und Be- Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 345 schaff euheit wie der Inhalt der Giftblase, anderseits kann man einen kontinuierlichen Übergang des Aiisführkanals der Giftblase in die das Stachelinnere erfüllende Secret- masse erkennen. Diese setzt sich auch nach hinten in den Uterus fort und heftet sich hier an die Schale eines bereit liegenden Eies an, so daß bei jeder Vorwärtsbewegung der Secretmasse das Ei dieser Bewegung folgt. Die beiden Chitinlamellen der Stachelgräten stecken aufrecht in dem Secret fest. Bewegt man mit einer Nadel vorsichtig die Sta- chelgräten noch vorn, so wandert das Secret mit dem daran hängen- den Ei auch mit. Ebenso klar liegen die Verhältnisse bei C t e n 0 p elma cJypeata Holmg. (Textfig. 21). Jedes Ovarium enthält 10 — 12 Eiröhren mit perlenschnurähnlich aneinander gereihten Eiern aller Ent- wicklungsstufen. Die kurzen, ge- rade gestreckten Ovidukte bringen die Eier in einen einfachen Uterus. Dieser trägt ein traubenf örmiges Re- ceptaculum wie XenoscJiesis. Mäch- tig entwickelt ist der »Giftapparat <<, dessen Giftblase von einem langen, gegen das Ende zu immer dicker wer- denden, das halbe Abdomen durch- ziehenden Blindsack gebildet wird. Man kann daran deutlich eine doppelte Wandung erkennen, eine äußere durchsichtige Hülle und einen inneren weißlichen, undurch- Textfig. 21. Geschlechtsapparat und Legemeclianismus von Ctenopelma dypeata Holmg. gb, die große, dop- pelwandige »Giftblase« mit den seitlich in sie einmündenden Drüsenschläuchen gd; gb, Gift- gang; sg, erstarrtes Secret der Giftdrüsen im Stachelgang, das sich nach rückwärts bis in den Uterus verfolgen läßt; c, die in das Se- cret eingreifenden Chitinlamellen der Stechbor- sten; r, Recept. sem. (traubenförmig); s, Schmierdrüse. sichtigen Schlauch, der das Secret in sich birgt. Genährt wird die Blase von einer Reihe reich verzweigter Drüsenschläuche, die durch einen gemeinsamen Kanal ungefähr in der 346 Wilhelm Pampel, iVIitte der Blase einmünden. Die Mündung des Giftganges ist ein Stück in den Legestachel eingesenkt. Daraus ergießt sich das Secret durch den ganzen Stachelgang und setzt sich auch nach hinten zu fort, wo es bis weit in den Uterus hinein zu verfolgen ist. Die Schmierdrüse ist fast noch länger als die Giftblase. Perilissus f i l i c o r n i s Gr. Das Eeceptaculum ist außerordentlich groß und setzt sich eben- falls aus mehreren dünnen Schläuchen zusammen. Die Stachelrinne ist am Ende nicht widerhakenförmig eingekerbt wäe die andern Ophio- ninen. Bei All 0 campt US undulat u s Gr. bestätigen sich die schon bei Hadrodactjjlus und Ctenopehna gemach- ten Beobachtungen bezüglich des Eilegemechanismus. Außer den kurzen, fast kugeligen Ovarien ist Neues an dem Präparat nicht zu finden. Prot a r c h u s r u j u s. Der Geschlechtsapparat zeigt den gewöhnlichen Ophioniiijentypus. Der Uterus ist sehr dickw^andig und trägt ein Receptaculum von eigen- tümlichem Bau. Es ist deutlich gestielt und besteht, wie ein Säuger- hirn, aus zw^ei durch einen Spalt geschiedenen Hälften, deren jede sich aus einzelnen knäuelförmig aufgewundenen Schläuchen zusammen- setzt. Die Schläuche beider Hälften vereinigen sich in dem Stiele des Receptaculums, E r i gl o e a r e s p l e n d e n s Holmg. ist wegen seines typischen Ophioninenbaues ebenso wie Protarchus, Ctenopelma, Perilissus, HadrodacUßus im Gegensatz zu Schmiede- knecht nicht zu den Tryphoninen zu rechnen. Gl y pt a spec? Das schlanke, lang gestreckte Abdomen und der dünne, letzteres an Länge noch überragende Legestachel geben dem Tier äußerlich ganz den Habitus einer Pimpline, unter denen sie Schmiedekxecht auch anführt. Doch der innere Bau ist typisch der einer Ophionine. Die noch im Hinterleibsstiel beginnenden Ovarien bestehen nur aus Die weiblichen Geschlechtsorgane der lehneunioniden. 347 drei bis vier Eiröhren und machen allerdings einen für eine Ophionine ziemlich spärlichen Eindruck. Zwei lange, gar keine Eier enthaltende Ovidukte von opalisierendem Schimmer führen zu einem einfachen schlauchförmigen Uterus. Die Schmierdrüse ist lang, dünnwandig und durchsichtig. Die hintere Hälfte des Abdomens wird von kräftigen Giftdrüsen durchzogen, die ihr Secret an eine längliche Giftblase ab- geben. Man kann durch den langen dünnen Legestachel hindurch den Inhalt der Giftblase verfolgen, findet aber an den beiden Stachelgräten nicht die Chitinlamellen. Phytodietus polygonias Gr. wird von Schmiedeknecht neben Echthrodoca, Glypta, Lissonota zu den Pimplinen gezählt, ist aber seiner Anatomie nach entschieden unter die Ophioninen zu reihen. Wegen der Kürze des Abdomens werden die Ovarien so stark in den Hinterleibsstiel hineingedrängt, daß sich die Eiröhrenspitzen knäuelförmig aufwinden. Die Eiablage geht in gleicher Weise vor sich wie bei Hadrodactylus usw. C ato gly ft u s f o r ti p e s Gr. wird von Schmiedeknecht unter die Tryphoninen gerechnet, gehört aber seiner Anatomie nach auch zu den Ophioninen. Die Ovarien be- ginnen erst in der Mitte des Abdomens, setzen sich aus je 25 — 30 Ei- röhren zusammen, die dünne, schlanke Eier führen und laufen in die beiden mit Eiern reich versehenen Ovidukte aus. Der Uterus trägt ein großes Receptaculum. Die Chitinlamellen der beiden Stachelgräten fehlen; ebenso der widerhakenähnliche Einschnitt an der Spitze. Die Eiablage wird also auf eine besondere Art vor sich gehen. T r i cho m 7n a fulvidens Wesm. (Taf. X, Fig. 17). Obwohl die Ovarien eine unübersehbare Menge von Eiern be- sitzen, beschränkt sich doch der gesamte Geschlechtsapparat auf die hintere Hälfte des Abdomens. Die beiden Ovarien sind kurz, durch- laufen höchstens anderthalb Segmente, sind dafür aber umso dickerund füllen den Querschnitt des Abdomens so vollständig aus, daß der Darm- kanal nur mit Mühe seinen Weg durch die Eiermenge findet und ganz der ventralen Chitin wand angedrückt wird. An Eiröhren faßt jedes Ovarium etwa 35 bis 40. In einer einzigen Eiröhre finden sich wiederum etwa 20 — 30 der kleinen birnenförmigen Eier aneinander gereiht. Von jedem Ovarium geht ein sehr langer Ovidukt aus, der sich in reichen 348 Wilhelm Pampcl, Windungen zum Uterus hinzieht. Er enthält eine lückenlose einfache Kette von Eiern, die dadurch entsteht, daß sich das eine Ei mit seinem zugespitzten Ende fest auf das dicke Ende des nächstfolgenden legt. Bei Anomalon latro liegen zwei solcher Ketten im Ovidukt nebenein- ander. Der Giftapparat setzt sich zusammen aus einer in der äußersten Spitze des Abdomens gelegenen kugeligen Blase und zwei dicken in sie einmündenden Drüsenschläuchen. Der Giftgang ist weitlumig, aber dünnwandig und durchsichtig. Die kleinen Eier zeigen einen lebhaft opalisierenden Glanz. Anomalon latro »Schrank. Der Geschlechtsapparat wiederholt getreu den von Trichomma fulvidens, nur sind die Ovidukte noch länger und bergen eine doppelte Kette von Eiern. Es scheinen immer mehrere Eier zugleich abgelegt zu werden, wenigstens fand ich im Uterus einen Komplex von vier fest miteinander verkitteten Eiern, der darauf hindeutet. Angitia spec. ? (Textfig. 22). Das Insekt gehört zu den kleinsten Schlupfwespen; seinen Lege- stachel trägt es auf dem Rücken, mit der Spitze nach vorn, so daß der Stacheleingang in die äußerste Spitze des Abdomens verlegt ist. In- folge dieser eigentümlichen Verschiebung werden die letzten Rücken- segmente stark in einander gekapselt, während die sonst weit über einandergreifenden Bauchsegmente lang ausgezogen werden. Diese starken äußeren Verschiebungen haben auch eine entsprechende Än- derung der Lagebeziehungen im Innern zur Folge. Der Darmkanal durchzieht nicht wie sonst das ganze Abdomen, sondern wird in seinem hinterem Abschnitt stark zusammengestaucht, wodurch der Chylus- darm fast rückläufig wird, und mündet ein großes Stück vor der Spitze des Abdomens auf dem Rücken aus. Der Kropf erstreckt sich so weit in das Abdomen hinein, daß er gerade gegenüber dem dorsal gelegenen After endet. Was dem Darmkanal an Platz verloren geht, das kommt den Geschlechtsorganen zugute, da sie sich bis zur Spitze des Ab- domens lang ausstrecken können. Die Ovarien sind an sich sehr klein; sie bestehen aus etwa acht Ei röhren, deren Länge die eines Segmentes nicht überschreitet. Daran schliessen sich mit weiter Öffnung die beiden Ovidukte an, die in ihrem vorderen Abschnitt, viel stärker als die Ovarien selbst sind, so daß man auf den ersten Blick diesen Teil der Ovidukte leicht für die Ovarien ansehen könnte, zu mal da sie prall mit kleinen wasserklaren Eiern anuefüllt sind. Noch bevor die Ovi- Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 349 dukte den Cliylusdarm umgreifen, nehmen sie schnell an Dicke ab, so daß schließHch nur noch ein einziges Ei in ihnen Platz findet. Sie vereinigen sich erst ein großes Stück hinter dem Chylus- darm. Aus diesem Grunde reicht das Endganglion gar nicht bis zu ihrer Vereini- gung, geschweige denn bis zum Uterus hin, sondern leat sich einfach an den Chylusdarm an. Der Uterus trägt ein deutlich sichtbares Receptaculum. Die sehr weit nach vorn verlegte Giftblase hat ihren Platz dorsal über dem einen Ovi- dukt und wird nur durch einen einzigen kurzen Drü- senschlauch mit Secreten versehen. Die Schmierdrüse ist ziemlich weitlumig und endet unter dem Chylus- darm. 4. Tryphontypus. Pa 71 iscus testaceus Gr. (Taf . IX, Fig. 10, Textfig. 23 b u. c.) Der Geschlechtsapparat durchzieht in gerader Rich- tung das ganze Abdomen. Die Ovarien beginnen schon im Hinterleibsstiel, wo ihre Spitzen spirahg eingerollt sind. Die Anzahl der Ei- röhren ist gering ; sie beträgt vier bis fünf in jedem Ovarium. Da die Eier außerordentlich dick sind und infolge der seithchen Abflachung des Abdomens nur höchstens zu dreien nebeneinander Platz finden, müßte die An- Textfig. 22. Anatomie von Angitia spec? or, Ovarium; od, Oviduct; eg, das am Chylusdarm anliegende Endganglion; s, Schmierdrüse, unter dem Chylusdarm endigend. gb, Giftblase; gg, Giftgang; r, Keceptac. sem. Zwischen Nervenstrang und Ovarium liegt der Darmkanal; der Chylusdarm ist fast rückläufig; der Enddarm trägt lin- senförmige Rectaldrüsen und mündet dorsal aus. 350 W'iUk'Iiu l'ainpel, zahl der Eiröliren noch mehr reduziert werden, wenn nicht auf einfache Weise für alle Eiröhren Raum geschafft würde. Die reifen Eier in den letzten Abschnitten der Eiröhren rücken nämlich soweit auseinander, daß in den dadurch entstandenen Zwischenraum immer ein Ei der be- nachbarten Eiröhre zu liegen kommt. Es brauchen also zwei hinter- einander liegende reife Eier keineswegs derselben Eiröhre anzugehören o o o (Textfig. 23c). Aus diesem Grunde ist auch der Verlauf der Eiröhren Textfig. 23. a, hinterer Teil des Abdomens von Tryphon hrunniventris Holmg. ])ie Legeröhre ist durch die kräftige Stachelscheide verdeckt. Ein am Legestachcl hängendes Ei wird vom letzten Baiicli- segment umhüllt. Ein weiteres, noch im Oviduct liegendes Ei weist anstatt des Eistieles noch die chitinöse Haube auf. — b, junges Ei von l'aniscus testaceus tir. Der Stiel ist noch von einem Gewebe umhüllt, aus dem er sich wahrscheinlich bildet. — c, zwei Eier aus dem Ovarimn von Paniscus testaceus. Sie gehören zwei verschiedenen Eiröhren an, scheinen aber in ein und der- selben iMröhrc zu liegen. wenig übersichtlich ; auch ihr Übergang in die Ovidukte ist nicht leicht festzulegen. Einige der Eiröhren enthalten in ihrer ganzen Länge nur junge Eizellen, die noch von Nährzellen begleitet sind. Im Ovi- dukt scheinen die Eier erst noch auszureifen, wie aus dem tieferen Braun der Eischale zu schließen ist. Sie sind tönnchenförmig gestaltet, an beiden Enden abgestumpft und seitlich zusammengedrückt, so daß die dicke Eischale auf der Unterseite eine scharfe Längsfirste bildet. Diese Längsfirste schließt kurz vor dem einen Ende mit einer Ring- wallverdickung ab, auf der sich ein kräftiger Stiel erhebt. Er ist etwa Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 351 nur den vierten Teil so lang wie das ganze Ei und läuft rasch in eine Spitze aus, die sich zu einem feinen Häkchen krümmt. Vor diesem Häkchen sitzt an der Außenseite des Stieles ein kleiner AVulst von un- durchsichtigem Gewebe, während der Stiel selbst aus der hyalinen durchsichtigen Eischalensubstanz besteht. Beim Durchgang durch den Ovidukt gehen die Eistiele voran. Der Uterus öffnet sich, wie schon vorn beschrieben, noch vor seinem Eintritt in den Stachelgang durch einen ventralen Längsspalt, so daß die Eier, die wegen ihrer Dicke unmöglich den Legestachel passieren können, schon vorher aus den Geschlechts wegen auszutreten vermögen, während der Stiel weiter im Innern verbleibt. Das im Uterus und Stachelgang vorhandene Secret läßt sich nicht bestimmt als das der Giftdrüsen nachweisen; man kann es aber nach analogen Erscheinungen bei andern Präparaten annehmen. Die große Giftblase zeigt eine milchweiße Färbung und fühlt sich weich au, ihre Drüsenschläuche sind nur in geringer Anzahl vorhanden und dabei bedeutend dünner als die MALPiGHischen Gefäße. Ein Eecep- taculum seminis habe ich nicht finden können, der Gedanke an Parthe- nogenese liegt deshalb nahe, Henneguy schreibt S. 212: Enfin on a constate la Parthenogenese accidentale chez des Ichneumonides {Pa- niscus glaucopterus Siebold), (vgl. dazu Chun, Bericht der Senckenb. Naturf. Gesellsch. 1875 — 76, S. 136); weiter spricht er sich nicht da- rüber aus. Paniscus gracilipes Thoms. Das Präparat bestätigt im allgemeinen die schon bei Paniscus testaceus gemachten Beobachtungen und läßt ebenfalls deutlich er- kennen, daß Paniscus, der ja immer zu den Ophioniden gerechnet wird, im Grunde genommen eigentlich nur die äußere Gestalt mit ihnen oe- mein hat. Schärfer als bei Paniscus testaceus tritt hervor, daß sich das letzte Segment wie bei TrypJion ein Stück über den Stachel vorschiebt, so daß die aus dem Uterus austretenden Eier gleichsam in eine schützende Tasche gelangen. Ein Eeceptaculum konnte ich auch hier nicht finden. Try jyhon (Textfig. 23 a; Textfig. 24 bis 27). Die beiden Ovarien setzen sich aus je acht Eiröhren zusammen. Diese zeigen einen Bau, wie ihn Textfig. 25 wiedergibt. Sie ent- halten bis zur Hälfte junge Eianlagen mit dazwischen eingeschalteten Nährzellen; darauf folgt ein in der Entwicklung schon weiter fort- geschrittenes Ei von elHptischer Form, an dem jedoch noch kein Stiel zu erkennen ist. Den Abschluß bildet ein reifes Ei von definitiver Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 23 352 Wilhelm Pampel, Form. Es hat längliche Gestalt und verjüngt sich allmählich nach vorn. Die Spitze ist bedeckt von einer kleinen, dunkelgefärbten chiti- nösen Haube, an deren Stelle sich später der ziemlich lange massive Stiel ansetzt. Diese Haube findet sich bei allen Tryphoniden und über- zieht bei den meisten Formen eben nur die Spitze des Eies in der Ge- stalt eines kleinen dreilappigen Blattes; manchmal aber {Tryjyhon ruiilator) ist sie ein ziemlich auffälliges Gebilde und bekleidet außer Textfig. 24 a und h. Textfig. 25. Fig. 24. a, Geschlechtsapparat von Tryphon rtUilator Holnig. Das Ovariiim enthält die mit Chitinösen Hauben versehenen liier. T)as an der Leperölire hängende Ei hat die Haube verloren und besitzt an ihrer Stelle einen dünnen massiven Stiel. ■ — h. einzelnes Ei von Tryphon ruti- lator mit Eihaube. — Fig. 25. Eiröhre von Tri/phon trochanteratus Holmg. der Spitze noch einen großen Teil des Eies (Textfig. 24 h). Der Zweck dieser Eihaube ist mir völlig unbekannt. Jedesfalls findet sie sich auch noch bei den im Ovidukt liegenden Eiern, verschwindet aber spurlos, sobald das Ei aus dem Uterus ausgetreten ist; dann trägt das Ei an ihrer Stelle plötzlich einen Stiel, der wie bei Paniscus ebenfalls massiv ist, diesen aber an Länge bedeutend überragt. Was mit der Eihaube geschieht, und wo auf einmal der Eistiel herkommt, konnte ich bei keinem einzigen der vielen T?7/pAo?i- Präparate in Erfahrung Die weiblichen Gesclilechtsorgane der Iclineumoniden. 353 bringen. Die Ovidukte sind bei jungen Formen nicht mit Eiern au- gefüllt (Textfig. 27), bei älteren enthalten sie deren höchstens zwei, und zwar liegen sie hintereinander und sind mit der die Haube tragen- den Spitze nach dem Uterus zu gerichtet. Der Uterus ist, wie bei den Ichneumonen und den meisten Pimplinen, gekniet, öffnet sich in seinem letzten Teil wie bei Pcmisciis und läßt den Eikörper austreten, während der Stiel in dem den Stachelgang ausfüllenden Secrete der »Giftdrüsen « haften bleibt und mit diesem durch den bekannten Mechanismus all- mählich am Stachel entlang geschoben wird. Das letzte Bauchsegment greift zum Schutze der austretenden Eier und des gesamten Legeapparates weit über den Stachel vor (Text- fig. 23 a und 24 a). Denselben Zweck verfolgen anscheinend auch die kräfti- uen mit scharfen Kanten und Firsten Textfig. 26. Textfig. 27. Fig. 26. (Teiiffnete Legeröhre von Tryphon rutilator. gb, die in der Mitte des Legestachels aus- mündende »Giftbhise«; sff, das erstarrte Drüsensecret der Uiftblase, das sich nach hinten zu in den Uterus fortsetzt. Links eine der beiden Stecliborsten mit der Chitinlamelle c. Fig. 27. Geschlechtswege von Tryphon trochanteratus Holnig. or, reife Eier des Ovariums, da^ nicht vollständig gezeichnet ist; od, ungefüllte Oviducte; r, Recept. sem.; id, Uterusligamente. versehenen breiten Stachelscheiden (Cerci), die in der Ruhelage den Stachel völlig umhüllen (Textfig. 23 a). Die Legeröhre hat die Gestalt eines Vogelschnabels (Textfig. 26); sie beginnt mit sehr breiter Mündung, verjüngt sich aber rasch. Die Giftblase hat kei- nen besonderen Ausführgang, sondern läuft, so breit sie ist, direkt in den Stachelgang ein, um erst in der Mitte auszumünden. Ihr Secret erfüllt den Stachel bis zur Spitze und ragt sogar weit daraus hervor, anderseits setzt es sich auch nach hinten bis in den Uterus fort. Man vermag bei einiger Vorsicht die Giftblase und ihr Secret mit dem daran hängenden Ei aus dem Stachelgang herauszuheben. Die beiden Stachelgräten weisen immer die Chitinlamellen auf, die das Drüsen- 23* 35*1 Wilhelm J*ain])cl. secret weiterschieben. Bei den Tryphoniden treten nie mehrere Eier zugleich hintereinander aus dem Uterus aus, wie z. B. bei Polyblastus, sondern erst, wenn das am Stachel hängende Ei abgelegt ist, folgt ein weiteres nach. Embryonen habe ich in den Eiern von Tryphon selbst nie finden können. Eine Schmierdrüse ist nicht vorhanden. Offen- bar ist sie überflüssig und wird deslialb überhaupt nicht angelegt. Di s pete s p r a er o g a t o r Gr. (Taf. X, Fig. 14). Der äußere Habitus sowohl wie auch der innere Bau kommt dem der Tryphoniden ziemlich gleich. Die Ovarien setzen sich aus vier Eiröhren zusammen, von denen drei ie zwei, eine sooar drei üroße reife Eier enthalten. Die Ovidukte sind gerade so lang, daß zwei Eier hintereinander darin Platz finden. Die Eier sind seitlich zusammen- gedrückt und erhalten so die Gestalt eines Zwiebacks. Je mehr sie sich dem Uterus nähern, umso voller und runder werden sie. Die Stiele werden im Gegensatz zu denen der Tryphoniden schon innerhalb des Ovariums in ihrer definitiven Foiin ausoebildet. Sie sind kurz, kräftig und wie bei Faniscus und Trijphon ebenfalls massiv. Der Stiel ist am Ende mit derselben schon bei Tryphon erwähnten Kappe bedeckt, die auch hier spurlos verschwindet, sobald das Ei die Geschlechts- wege verlassen hat. Am Uterus ist selbst bei der sorgfältigsten Unter- suchung kein Receptaculum aufzufinden. Er öffnet sich vor seiner Einmündung in den Legestachel durch einen Längsspalt, der den Eiern den Austritt in die von dem letzten weit vorgeschobenen Bauchsegmente gebildete Tasche ermöglicht. Ein am Stachel hängendes Ei hat sich schon so weit entwickelt, daß man einen Embryo mit deutlich abge- gliedertem Kopfabschnitt darin unterscheiden kann. Das Kopfende liegt an der dem Stiele entgegengesetzten Seite des Eies, ein Zeichen, daß der Embryo in derselben Weise, wäe bei Paniscus. seine Eischale verläßt. Die »Giftblase«, die ebenfalls das zur Beförderung der Eier nötige Secret ausscheidet, ist sehr klein, besitzt, wie es scheint, über- haupt keine Drüsenanhänge imd läuft, wie bei Trypiwn. ohne beson- dern Gang direkt in den Legestachel ein. Eine Schmierdrüse ist eben- sowenig wie bei Tryphon vorhanden. P ol y b l a s t u s c o t h u r n a l u s Gr. (Taf.X. Fig. 11. 12 und 15; Textfig. 28). Die Dicke der Eier liat zui' Folge, daß sicli ilii'c Anzahl in jedem Ovarium auf vier beschränkt. Drei bis vier nebeneinander liegende Eier füllen schon den gesamten Querschnitt des Abdomens aus. Ein Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichnoumoniden. 355 kurzer enger Gang führt sie in den geknieten Uterus. Ein Receptaculum ist nicht zu finden. Textfig. 28 gibt eine ventrale Ansicht des Uterus wieder. Man kann deutlich die spaltförmige Öffnung erkennen, durch die die Eier den Uterus verlassen. Im Gegensatz zu Tryplion sammeln sich die Eier bei Polyhlastus zahlreich am Stachel an, damit wahr- scheinlich dem Tiere im Bedarfsfalle sofort eine größere Menge zur Verfü- gung steht, öffnet man vorsichtig den Stachelgang, so findet man ihn von der bekannten glashellen Masse erfüllt, in der die Enden der Eistiele festhaften. Man kann sogar alle Chitinteile des Stachels entfernen, ohne daß dadurch der Zusammenhalt der Eier untereinander gelöst A\ard. Die vordersten der 17 am Stachel hängenden Eier lassen im Innern schon völlig gegliederte Embryonen erken- nen. Dagegen hat bei den letzten der Furchungsprozeß überhaupt noch nicht begonnen. Taf. X, Fig. 15, 1—6 stellt die einzelnen Entwicklungssta- dien der Eier von Polyhlastus dar. Fig.l zeigt dasvorletzte Ei einer gut ausgebildeten Eiröhre. Die Eischale ist überhaupt noch Fig. 28. Ventrale rterusansiclit von Polyhlastus cothurnatus. Ui, erster Abschnitt des Uterus mit den in ihn eln- nicht angelegt, sondern wird mündenden Oviducten odi und 0(^2- «2, der hintere 1.. j.. 1 j_ , 1 IT rückläufige Abschnitt des Uterus mit der ventralen Vorlauf lg noch ersetzt durch die Spaltöffnung für den Austritt der Eier. Dieser Ab- dicke, das junge Ei vollständig schnitt ist versteift durch Chitinäste, die sich vom i T n ^ -ITT 11 T-i- Legestachel nach hinten fortsetzen. Der Legestachel umschließende Wand der Ei- ist unter «, verborgen. röhre. Von einem Stiel ist noch nichts zu sehen, doch ist die Eizelle an dem vorderen, nach dem Uterus weisenden Ende zugespitzt. Fig. 2 ist das letzte Ei derselben Eiröhre. Das Vorhandensein einer Eischale läßt sich an, dem lebhaften Glanz er- kennen, den das Ei nach Entfernung der immer noch dicken Eiröhren- wand zeigt. An der Spitze hat sich schon ein ganz dünner Stiel angelegt. Dieser nimmt in Fig. 3 immer mehr an Dicke zu; die Eischale läßt sich nunmehr deutUch als eine wasserhelle, glänzende Hülle von ziemlicher Stärke unterscheiden. So weit oeht die Entwicklung im Ovarium vor 356 Wilhelm Pampel, sich. Im Ovidukt und Uterus scheinen sich die Eier überhaupt nicht aufzuhalten, wie bei Tryphon und Paniscus usav. Fig. 4 zeigt das jüngste der 17 am »Stachel hcängenden Eier. Der Stiel ist vollkommen ausgebildet, die Eischale bedeutend dünner geworden und hebt sich deutlich von dem Dotter ab. Furchungserscheinungen sind noch nicht zu beobachten. Die andern 16 Eier sind so über den Stachel hin ver- teilt, daß immer drei bis vier zusammen zu einer Gruppe vereinigt sind. Diese zeigen dann immer die gleiche Entwicklungsstufe. Fig. 5 inid 5 a stellen zwei weitere Entwicklungsstadien vor. Sie enthalten Embryonen, an denen sich eine deutliche Gliederung in Kopf und Hinterleibsabschnitt erkennen läßt. Alles Dottermaterial ist bis auf einen kleinen dorsal liegenden Rest aufgezehrt. Die letzten Entwicklungs- stadien zeigt Fig. 6: Die einzelnen Segmente der Embryonen sind jetzt scharf gegeneinander abgegrenzt, der Dottervorrat ist jedoch immer noch nicht völlig erschöpft. In Taf. X, Fig. 12 sind die Embryonen nicht mit eingezeichnet. Der das Stachelsecret ausscheidende Apparat wird von zwei Drüsenschläuchen gebildet, die durch einen gemeinsamen Stamm in eine winzige kugelrunde Blase münden. Ein kurzer Aus- führgang bringt das Secret zum Stachel. Außerdem ist eine Schmier- drüse von gewöhnlicher Ausbildung vorhanden. Leipzig, im April 1913. Literaturangabe. DuFOUR (1834), Recherchcs auatouiiques et physiologiques sur les Orthoptercs, Hymenopteres, Neuropteres. BoRDAS (1894), L'appareil venimcux des Ichneumonides. Zool. Anzeiger. 1894. ]). 385ff. BuGJJiON, Les oeufs pedicules de Rh3'ssa persuasoria. Bulletin de la Soc. cntom. de France. 1904. p. 80—83. Henneguy (1904), Les Insectes (Morphologie, Reproduction, Enibryogenie). Leuckart, Über die Mikropyle etc. (Eier von Pimpla, Paniscus, S. 237). Müll. Arch. 1855. Chun, Parthenogenese bei Jchneumoniden (Paniscus). Senckenb. Naturforsch. GeseUsch. 1875—76. S. 13G. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Ichneumoniden. 357 Erklärung der Tafeln. Bezeichnung der Abkürzungen: c, Chitinlamellen der Stechborsten; odi, », Oviduct 1 und 2; ch, Chylusdarm; o/i, 2. Ovariuni l und 2; ed, Enddarm; r, Receptaculum seminis; eg, Endganglion; rd, Rectaldrüsen ; gb, Giftblase; sg, Secret der »Giftdrüsen«; gd, Giftdrüsen; s, Schniierdrüse; gg, Giftgang; u, Uterus; h, Herzschlauch; «1, vorderer Teil des Uterus; k, Kropf; «2, rückläufiger hintererTeil des Uterus; m, Malpighische Gefäße; ul, UterusHgamente ; n, Nervensystem; nd, Uterusdrüsen; nz, Nährzellen; Tafel VIII. Fig. 1. Anatomie von Stenichneumon pistatorius F. Fig. 2. Anatomie von Cryptus albatorius F. Fig. 3. Anatomie von Ephialtes manijestator Gr. Fig. 4. Anatomie von Colcocentrus cxcitator Gr. Fig. 5. Geschlechtsapparat von Xorides nitens Gr. Tafel IX. Fig. 6. Anatomie von Collyria calcitrator Gr. Fig. 7. Anatomie von Poemenia hectica Holmg. Fig. 8. Geschlechtsapparat von Ophion Intens L. Fig. 9. Anatomie von Theronia atalantae Poda. Fig. 10. Geschlechtsapparat von Paniscus testacev.s. Tafel X. Fig. 11. Abdomen von Pohjhlastus cothurnatus Gr. mit am Stachel hängen- den Eiern. Fig. 12. Geschlechtsapparat von Polyblastus cothurnatus Gr. Fig. 13. Seitliche Ansicht des Uterus von Xenoschesis fulvipes, Fig. 14. Geschlechtsapparat von Dispetes praerogator. Fig. 15. Embryonalentwicklung von Pohjhlastus cothurnatus. Fig. 16. Anatomie von Xenoschesis fulvipes Gr. Fig. 17. Geschlechtsapparat von Trichnmma fulvidens Wesm. Der Flugapparat der Lamellicornier. Von Dr. Friedrich Stellwaag. Assistent am zoologischen Institut Erlangen, Mit 15 Figuren im Text und Tafel XI— XIV. Einleitung. In der vorliegenden Studie habe ich mir die Aufgabe gestellt, den Flugapparat der Lamellicornier eingehend zu untersuchen. Um befriedigende Resultate zu gewinnen, war es zunächst notwendig, die morphologischen Eigenschaften klar zu stellen, soweit es die Haupt- frage notwendig machte. Auf Grund der Kenntnis der anatomischen Elemente des Skelettes und der Einzelheiten der Muskulatur ver- suchte ich mir ein umfassendes Urteil über die Wirkungsweise und Leistung des gesamten kompUzierten Mechanismus zu verschaffen. Die Lamellicornier habe ich deswegen zur Unjbersuchung gewählt, weil sie eine wohlabgeschlossene Gruppe bilden, deren Vertreter sich meist durch ansehnliche Größe auszeichnen und daher bequemen Ein- blick in Bau und Mechanik der beiden Thoraxsegmente gestatten. Die Wirkungen von Zug und Druck auf einzelne Körperteile kann man mit geringerer Mühe nachahmen als bei kleinen Formen. Auch minu- tiöse Verhältnisse, wie sie gerade die wichtigen Teile des Apparates, die Elemente der Flügelwurzel und die kleinen direkten Muskelzüge der Elytren und Hinterflügel bieten, lassen sich mit wünschenswerter Genauigkeit erkennen. Die relativ großen Elytrenf lachen erzeugen beim Flug einen ziemlich bedeutenden Luftwiderstand und erleichtern es, über die schwierige Frage nach ihrer Bedeutung sich ein Urteil zu bilden. » Die Sektion der Lamellicornier umfaßt zwei biologische Gruppen. Die überwiegende Mehrzahl hebt vor dem Flug die Elytren hoch und schafft dadurch den Hinterflügeln genügend Bewegungsfreiheit. Im Tribus der Cetoniinen dagegen werden die Flügeldecken beim Flug nicht gehoben, vielmehr die Hinterflügel unter ihnen vorgezogen und Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 24 360 Friedrich Stellwaag, trotzdem ungehindert bewegt, da der Vorderrand der Elytren einen ovalen Ausschnitt besitzt. Dieses Charakteristikum steht mit einer Reihe andrer Eigenschaften in Beziehung, so daß in der Sektion zweierlei Konstruktionen ein und desselben Apparates vorliegen. Soviel ich durch vergleichende Stichproben in andern Käferfamilien feststellen konnte, unterscheiden sich die Käfer im allgemeinen Bau ihres Flug- apparates nicht prinzipiell voneinander. Da ich die Lamellicornier für hoch spezialisierte Formen halte, so glaube ich, daß die Untersuchung des Flugmechanismus bei ihnen die klarsten Resultate ergibt. Doch darf man manche Einzelheiten nicht ohne weiteres auf die übrigen über- tragen. Bezüglich der Musloilatur hat schon Bauer (5) ^ bei Bytiscus darauf hingewiesen. Ich habe es daher auch unterlassen, den Vergleich des Flugapparates der Käfer mit dem der verwandten Orthopteren in einem eigenen Kapitel durchzuführen, obwohl ich zur Kontrolle meiner Resultate Orthopteren und Käfer verschiedener Familien untersuchte. Um eine möglichst klare Anschauung zu gewinnen, untersuchte ich zuerst in Lucanus cervus L. einen größeren Typus und lernte dabei manche scheinbare Nebensächlichkeit der Plastik, die früheren Autoren (bei Melolontha z. B.) entgangen war, als wichtig und bedeutungsvoll einschätzen. Im Zeitraum eines Jahrhunderts hat sich die Wissenschaft mehr- mals mit dem Flugapparat der Käfer beschäftigt. Chabeier (11) undSNODGRAS (36) amalysierten das Skelett und beschrieben seine Einzel- heiten. Am ANS (1, 2, 3) förderte die Kenntnis des Flugapparates durch vergleichend anatomische Untersuchungen au andern Insektenord- nungen. Aber alle überragt Strauss-Dürckheim (37) als der einzige, der in einer grundlegenden Arbeit über den Maikäfer nicht nur die Details erschöpfend behandelt, sondern auch die Wirkungsweise des Apparates in seiner mechanischen Einheit erläutert und die Hebung und Senkung der Flügel als kombinierte Leistung von Muskelgruppen eingehend erklärt hat. Chabrier(II) und Amans(1,2,3) haben dieses Ziel, welches ihre Untersuchung anstrebte, nicht erreicht, da sie bei der beschreibenden Schilderung der anatomischen Details stehen blieben. Beim Studium des Flugapparates darf man die Skeletteile nicht aus ihrem Zusammenhang lösen, weil es sich um einen Mechanismus handelt, bei dem die Bedeutung jedes Chitinstückes nur in seiner Be- ziehung zur Nachbarschaft erkannt werden kann. Jedes Sklerit ist 1 Die Zahlen weisen auf das Literaturverzeichnis S. 425 hin. Der Flugapparat der Lamellicornier. 361 eiu Teil der beweglichen Maschine, ist das Element einer nur in ihrer Gesamtheit zu begreifenden Elementenkette. Daher muß die mehr topographisch-mechanische Betrachtungsweise an die Stelle der alten, beschreibenden Methode treten. Allgemeines. Durch zwei Gelenktaschen wird der Körper der Käfer in drei scharf voneinander geschiedene und an Größe zunehmende Abschnitte geteilt : die Kopf kapsei, den Prothorax und den durch die Elytren zusammen- gehaltenen Komplex von Meso-Metathorax und Abdomen, der von den alten Insektenanatomen als Stamm bezeichnet wurde (Taf. XI, Fig. 1 K,P, Sm). Die drei Partien können gegeneinander frei bewegt werden, weil sowohl die oralen wie die analen Intersegmentaltaschen des Pro- thorax concav gewölbt sind. In- folgedessen schieben sich Kopf und Mesothorax in den Prothorax hin- ein. Die größte Bewegungsfreiheit kommt der hinteren Gelenktasche zwischen den Brustsegmenten zu, welche stark chitinös versteift ist. Die dicke oberflächliche Chitin- schicht des Prothorax (Textfig. 1 P) biegt sich am Hinterrand in die Gelenktasche um und läuft, sich ver- rextfig. 1. , . c(. 1 -^ • ■• X Längsschnitt durch den Thorax von Lumnus engend, eme Strecke weit eniwarts. ^^^^,^,^ j^ y^^^^ 3^1 ^^.^^^ ^j^ oeienktasche Trotzdem der Prothorax dorso-ven- zwischen Prothorax p und Mesotiiorax Mg. 1 J •■ 1 ^ ■ i- J Q V 1 ^^'- Gelenkconus G des Stammes ist etwas aus tral gedruckt ist und beitenlappen ,^gj. Gelenkpfanne des Prothorax herausgezogen. besitzt (Taf. XI, Fig. 1 P), erfolgt - der Umschlag doch in der Weise, daß die Wand der konkaven Ge- lenktasche nahezu gleichweit von der durch den Prothorax gelegten Sagittalachse entfernt ist. Das ist eine notwendige Vorbedingung für die Beweglichkeit des dahinter liegenden Stammes. In etlicher Ent- fernung von der Wand des Prothorax geht der Chitinreif in die düime Schicht der Intersegmentalmembran über (Textfig. 1) und setzt sich dadurch auf den Mesothorax fort. Die orale Wand des Mesothorax bildet einen fast drehrund abge- stutzten Kegel, der sich konisch nach vorn verengt (Taf. XI, Fig. 2 G) und genau in die Gelenkhöhle des Prothorax paßt. Im Sinne von Keuleaux (32) bilden die starren Elemente einen Kraftschluß, da in diesem Kugelgelenk die Pfanne den dazu gehörigen Kegel nicht völlig 24* 362 Friedrich Stellwaag, umfaßt, so daß der Kegel Bewegungsfreiheit in sagittaler Richtung neben der Beweglichkeit in den beiden dazu senkrechten Achsen gewinnt. Während die den Prothorax zusammensetzenden Sklerite zu einer starren Kapsel verschweißt sind, lassen sich im Mesothorax die meisten Teile deutlich unterscheiden und auseinander nehmen, nur seine oralen, am Aufbau des thorakalen Gelenkkonus beteiligten »Stücke stoßen so eng aneinander, daß ihre Kanten dem oberflächlichen Blick sich schwer bemerkbar machen. Aber dadurch wird die für die Wirkung des Ge- lenkes erforderliche glatte Fläche geschaffen. Hinter dem Konus springt der Mesothorax lateral vor. Die Konfiguration läßt sich am besten mit der Form eines in eine weithalsige Flasche eingeschhffenen Glasstöpsels vergleichen. Wie dieser sich über dem Flaschenhals verbreitert, so tritt auch im Mesothorax die hintere Partie über den Prothorax vor. Der ringförmig vorspringende Rand ist bei Lucanus wie überhaupt bei den Käfern ungleichmäßig breit. Während an der dorsalen und ventralen Kante die Ausladung wenig in die Augen fällt (Taf. XI, Fig. 2), ist sie lateral stark und prägt sich besonders in der sogenannten Schulterecke (Taf. XI, Fig. 1 ScIiE) aus, welche beinahe im rechten Winkel vom Gelenkkonus abbiegt und fast senkrecht zur Medianebene des Körpers steht. Sie sperrt daher übermäßige Lateral- bewegungen des Prothorax. Von der Schulterecke aus läuft die Kante der Elytren senkrecht caudal. Da die Elytren in der Ruhe die Ringe des Stammes zu einem einheitlichen Komplex zusammenschließen und mit ihm eng vereinigt sind, steht der dritte Hauptabschnitt des Käferleibes trotz der größeren Zahl von Segmenten dem ersten und zweiten an Festigkeit nicht viel nach, obwohl im Kopf und Prothorax die Sklerite im Laufe der Puppen- zeit untrennbar miteinander verschmelzen, während die unter den Elytren geborgenen Ringgürtel erst sekundär auf mechanischem Wege eng zusammengehalten werden und bei gehobenen Elytren beschränkte Beweglichkeit besitzen. In der Ruhe können nur die letzten Abdomi- nalsegmente sagittal ausgestreckt mid eingezogen werden, um die Atemluft unter die Elytren an die abdominalen Stigmen in der schlaffen Lateralmembran zu schaffen. Die abdominalen Körperringe geben das klarste Beispiel vom Bau und der davon abhängigen Bewegungsfähigkeit der für den Käfer cha- rakteristischen Segmente. Ihr Sternum (Textfig. 2 St) ist stark chiti- nisiert, dehnt sich lateral weit aus und erhebt sich über die transversale Mittelebene des Körpers. Dann knicken sich die Ränder nach innen Der Flugapparat der Lamellicornier. 363 ein (Textfig. 2 PI), (es ist die Stelle, wo der Elytrenrand aufliegt) und gehen durch die Lateralmembran {L) in das viel schwächer chitini- sierte Tergum über, welches sich wenig convex über das Sternum legt. Bei der Bewegung, die im Abdomen hauptsächlich für den Atemprozeß erfordert wird, senkt sich das Tergum in das Sternum ein oder es steigt dorsal empor. Viel komplizierter sind die morphologischen und physiologischen Charaktere der flügeltrageuden Brustsegmente (Meso- und Metathorax). In einem wesentlichen Punkte gleichen sie allerdings den Abdominal- ringen. Die ventralen und pleuralen Partien dehnen sich weit nach den Seiten aus, biegen U-förmig an der oberen Kante um und gehen durch die Lateralmembran in das Rückenstück über (Textfig. 6 und 7, S. 372). Die Bewegung der Ringteile erfolgt daher wie beim Abdomen, indem die dorsalen Teile ventral gesenkt werden können. Da Elytren und Hinter- flügel zwischen die Rücken- und Seiten- .stücke eingeschoben sind, so schnellen beim Senken des Tergum die Flügel empor, denn das Tergum drückt auf ihre Wurzel, bei der Hebung dagegen werden die Vorder- „ ^,. „ » *=> » Textfig. 2. und Hinterflügel abwärts gestellt. Schematischer Querschnitt durch Dieses Prinzip der Flügelbewegung ei'ien Abdominalring von Lucanus scheint außerordentlich einfach. Es ließe ^^^. ^^ sternum^ t, Tergum; sich am besten vergleichen mit der Be- l, Lateralmembran. wegung eines Ruders auf dem Rand eines Bootes. Auch hier wird durch Druck auf das eine Ende des Hebel- armes das andre Ende gehoben oder umgekehrt durch Nachlassen des Druckes ein Senken hervorgerufen. Beim Käfer ist das Prinzip in einem komplizierten Mechanismus verwirklicht, dessen Teile nach ganz bestimmten Gesetzen ineinandergreifen. Neben dem Heben und Senken der Flügel ist der Thorax noch für eine Reihe andrer Auf- gaben eingerichtet. Die Deckflügel sollen aus ihrer Verzahnung mit den darunter gelegenen Teilen glatt herausgelöst, geeignet hoch- gestellt, nach dem Fluge in ihre Ruhelage zurückgebracht und so eng mit Mesothorax und Abdomen verbunden werden, daß sie einen wirksamen Schutz gegen äußere Angriffe und schädliche Einflüsse bilden. Ferner soll der Hinterflügel, der bekannthch mehrmals unter dem Deckflügel gefaltet wird, ausgebreitet und nach beendeter Flug- arbeit wieder eingeschlagen werden. All diese Aufgaben müssen mit möglichst geringem Kraftaufwand, durch relativ einfache Mittel und 364 Friedrich Stellwaag, doch stets gleich exakt und sicher gelöst werden, wobei in Betracht zu ziehen ist, daß die dafür notwendigen Kräfte nur au der relativ kleinen Wurzel der Flügel und Elytren ansetzen können. Um klaren Einbhck in die Flugmechanik zu bekommen, ist zunächst die morphologische Konstruktion des Thorax eingehend zu berück- sichtigen. Die Angaben in der Literatur reichen dazu nicht entfernt aus. Es ergab sich daher für mich die Notwendigkeit, den Käferthorax einer erneuten gründlichen Analyse zu unterziehen. A. Mesothorax. Pleurosternum. (Tafel XI, Fig. 3 und 4). Sternum {St), Episternum (Es) und Epimeron {E7n) sind innig vereinigt und bilden einen starren Halbring, dessen Vorder- und Hinter- rand bei Lucanus fast senkrecht auf der Transversalebene des Körpers steht. Da der vordere Teil des Pleurosternums zum mesothorakalen Gelenkkonus gehört, biegt sich sein hinterer Abschnitt auswärts. Die Knickungslinie verläuft etwa von der vorderen Grenze des Epimerons ziemlich gerade nach unten, so daß das Epister- num einen Teil der Wand des Konus bildet (Taf . XI, Fig. 2 und 3). Die unter dem Epimeron gelegene Coxa des Mittelbeines {C II) kann sich frei be- wegen, auch wenn der Mesothorax in den Pro- thorax so weit wie möglich hineingezogen wird. Episternum {Es) und Epimeron {Etn) haben in ihrer mittleren Gegend gleiche Breite, Da- Textfig. 3. gegen differieren ihre Höhenmaße bedeutend. Schematischer Quersciinitt Das Episternum verlängert sich dorsal als durch den oberen Teil des ^^^^^^ ^UngC (Taf. XI, Fig. 3 Z). Da CS sich niesothoracalen Episternum . . \'on Lucanus cervusij. Es, Epi- bogenförmig nach innen wölbt, nähert sich sternum; Sp, Elytrenposta- ^^^ ^^^^^ j^^^^^g ^^^ ljj^|.pj^ Episternum der dcS ment; SpE, Elytreusperr- ^ höcker; Ta, Transversaiapo- rechten beträchtlich, SO daß für das Tergum des physe; ^, Zunge des Epister- Mesothorax (Fig. 3 T Und Fig. 1 T), das sich in nuni. . ^ . . den Zwischenraum schiebt, nur wenig Raum übrig bleibt. Der obere Rand des Epimerons steht tiefer und fällt in leichtem Schwung nach hinten und unten ab. Die allgemeine Eigenschaft der Pleurosternite, ihren dorsalen Rand gegen die Lateralmembran median einzubiegen, kommt auch dem Episternum zu, dessen Rand sich T-förmig umklappt und als breites Gesimse in das Innere der Brust vorspringt (Textfig. 3 und Der Flugapparat der Lamellicornier. 365 Textfig. 4. Rechter Meso- und Metathorax von Mclolontha vulgaris L. von innen. Vergr. 8/1. Taf. XI, Fig. 4). Seine innere Kante zieht sich zum Teil in einen Fort- satz nach oben aus, der von Steauss als apophyse ahfere bezeichnet wurde, weil er ein festes Postament für die Elytrenwurzel abgibt (Text- fig. 3 Ejp). Lateral von ihm steht eine zweite, von dem aufgebogenen Rand des Episternum gebildete Apophyse. Sie ^ w steht mehr oder weniger quer und hält durch ihre Lage die in die Ruhe zurückgenommene Elytre fest. Ich nenne sie deshalb Elytren- sperrhöcker (Taf. XI, Fig. 4 und 9 SyE, Textfig. 3 SfE). Nach innen und unten wendet sich vom Gesimse eine zweite, die Transversal- apophyse {Ta), die bei Lucanus bedeutende Länge erhält und an ihrem unteren Ende brei- ter wird. Sie dient als Ursprungsstelle für den Levator und den ersten Adductor Elytrae (Taf. XlY,Yig.MLE.AdEl). Das Epimeron ist als etwa dreieckiges nach innen concaves Skelett- stück an das Epister- num angegliedert. Die Berührungskanten bie- gen sich zu einem band- förmigen Chitinstreifen nach innen um und bilden die starke Pleuralleiste (Taf. XI, Fig. 4 Pll), die in geschweiftem Bogen nach unten zur Coxa 2 läuft. Während bei Lucanus, Melolontha und Scarahaeus die Fläche des Epimerons der Größe des Episternums nahezu gleichkommt, finden wir bei Ceto- nia insofern ein bedeutendes Mißverhältnis, als das Epimeron auf Textfig. 5. Rechter Meso- und Metatliorax von Cefania aurata L. von innen. Vergr. 8/1. CII, Coxa IT; Em, Epimeron; Ep, Elytrenposta- ment. Es, Episternum; F, Falz des Pleuron; Pll, Pleuralleiste; Sp.E., Elytrensperrhöcker; St. Sternum; Ta, Transversalapo- physe. 366 Friedrich Stellwaag, Kosten des Episternum sehr stark verbreitert uud tief ausgehöhlt ist. Die Größenverhältnisse werden durch die Textfiguren 4 und 5 klar veranschaulicht. Der Falz (Taf. XI, Fig. 3 F) des Episternums setzt sich auf das Epimeron fort und nimmt dabei an Tiefe zu, bis er, plötzHch durch einen kleinen Vorsprung (Taf. XI, Fig. 3) abgelenkt, nach auswärts und unten eine Biegung macht und nun immer flacher werdend, sich ver- liert. An seine Stelle tritt die stumpfwinklige Abknickung des Ober- randes. Bei Cetonia ist der Falz sehr tief (Textfig. 5), da sich das Epimeron lateral darüberwölbt, wie die Zunge des Episternum über das Gesimse. Dadurch wird der im Falz liegende Elytrenrand eingeklemmt, so daß er nur künstlich herausgehoben werden kann. Die Biegungs- kante der übrigen Lamellicornier läuft tief geschweift nach hinten und unten. Bei geschlossenen, d. h. in den Falz greifenden Elytren scheint der Höhenunterschied zwischen Episternum uud Epimeron noch viel bedeutender, da die Zunge des Episternum über die Elytrenwurzel sich erhebt, die Biegungskante des Epimerons aber schnell abfällt (Taf. XI, Fig. 2). Bringt man die Elytren in die extreme Hochstellung, indem man sie vorsichtig schief nach außen und oben bewegt, so wird sofort die Beziehung der Elytrenbasis zu den Umschlagsrändern der Pleura klar, denn mit der Ausbildung des Elytrenpostamentes und des Falzes sind zwei Aufgaben mit einem Schlag gelöst. Da das Postament tiefer liegt als die Episternalzmige, so schiebt sich die Elytrenbasis für die Ruhelage in die Rinne zwischen Zunge und Apophyse wie in eine Hohl- kehle und wird von der Zunge überdeckt und festgehalten. Es ent- steht eine innige Verzahnung, gewissermaßen eine Tasche für die Ely- trenwurzel, aus der sie nur in einer gewissen Richtung genommen werden kann. Ferner dient das Postament als festes Widerlager für alle Schlag- und Drehbewegungen der Elytrenwurzel. und die vor- springende Apophyse gewährleistet der Wurzel trotz der Anwesenheit der Episternalzunge genügende Bewegungsfreiheit. Meso-Tergum. (Tafel XI, Fig. 1, Fig. 3 und 4 7'.) Die bei andern Insekten festgestellten Teile: Präscutum, Scutum, Scutellum und Postscutum, lassen sich am Tergum der Käfer nicht gegeneinander abgrenzen. Sie sind vereinigt zum Schildchen, das sich zwischen und über die geschlossenen Elytren legt. Wenn die Ely- tren entfernt sind, so liegt es in seiner ganzen Ausdehnung frei; denn Der riugaiiparat der Lamellicoruier. 367 es stellt mit dem Mesopleuron nur vorn durch die schmale Lateral- membran in Verbindung und greift ein Stück weit über den Metathorax. Der am meisten in die Augen springende Teil des Schildchens ist seine dorsale Fläche. Hinter dem Prothorax beginnt sie mit einer senk- recht nach unten gerichteten Platte, dem Präphragma (Taf. XI, Fig. 4 Pr). Seine lateralen Kanten sind stark chitinisiert und springen als zwei Hörner ein Stück weit über die Platte vor (Fig. 2 und 3 VH). Ich nenne sie die beiden Vorderhörner. Sie stoßen unter Vermittlung zweier oblonger beweglicher Chitinstücke auf den episternalen Vorder- rand (Fig. 4). In der Gegend ihrer vorderen Enden besitzt das Schild- chen seine größte Breite. Nach hinten verengt es sich in Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Die Fläche steigt caudalwärts etwas an und gehört zum Gelenkkonus, bis eine Winkelknickung sie von ihrem hinteren Ende absetzt, der etwas convex als zungenförmiger Teil in die Höhe schaut und frei über die geschlossenen Elytren ragt (Fig. 1 T). Von den beiden Seitenrändern des Schildchens ragen fast senk- recht in das Innere des Thorax zwei Wände, die Schildchenkulissen (Fig. 3. 4 See), die sich an die Vorderhörner anschließen und nach hinten an Höhe zunehmen, um mit einer stark chitinisierten, von der hinteren Platte des Schildchens herabsteigenden Apophyse, dem Hinterhorn (Fig. 3, 4:HH), abzuschließen; jedes Hinterhorn stellt eine Art Einne dar, deren Höhlung nach vorn schaut und den Wurzelpfeiler der Elytren (Fig. 8, 9 Pf) umschließt, wenn er bei geschlossenen Elytren umgelegt ist. Die Apophysen beider Seiten sind dorsal durch einen starren Halbring, einen Bestandteil der Schildchenspitze miteinander ver- schweißt. Ihre Enden ragen frei über die Kulissen nach abwärts und außen und sind eingekerbt. Sie stützen sich auf je ein verdicktes Feld- chen des metathorakalen Präscutum (Taf. XI, Fig. 7, Textfig. 6 x). Wird das Schildchen gehoben oder gesenkt, so gleicht es einem Stuhl, den man auf zwei Beinen hin und her schaukelt. Es ist notwendig, diese Tatsache im Auge zu behalten, um ihre Bedeutung für die Mecha- nik der Elytrenwurzel zu verstehen. Präphragm^, Vorderhörner, Seitenkulissen, Hinterhörner und dorsale Schildchenwand überdecken zusammen einen nach hinten offenen Raum, der von den orocaudal ziehenden Retraktoren des Schildchens ausgefüllt ist (Fig. 52 und 53, Taf. XIV Re). Seine hintere Öffnung wird sekundär durch das Präphragma des Metathorax geschlossen. Jede Seitenwand des Schildchens wird durch zwei Dellen, die durch einen mittleren Höcker getrennt sind, in zwei hinter- und ein wenig übereinander liegende Nischen unvollständig geteilt (Fig. 3 und 4). 368 Friedrich Stellwaag, Die Gruben sind am tiefsten unterhalb der Kante, wo Seitenwand und dorsaler Bezirk des Schildchens zusammenstoßen. Sie dienen dazu, bei zurückgelegten Elytren einen Teil der die Elytren\\-urzel bildenden Plättchen aufzunehmen. Die Plättchen drücken sich eng an die Wand, und die Basis der Elytren ist in der Ruhe innig den be- nachbarten Skleriten angeschmiegt. B. Metathorax. Gemäß seiner flugphysiologischen Aufgabe ist der Metathorax der größte und kräftigste aller Körperringe. Er übertrifft bei Lucanus den Mesothorax um das Doppelte, bei Melolontha fast um das Drei- fache an Größe und Inhalt. Während die lateralen Partien des Meso- thorax sich dorsal stark nähern und in Correlation damit das Schild- chen nur geringe Breite erreicht, streben die Pleura des Metathorax auseinander und werden von einer ungefähr quadratischen, ebensosehr orocaudal wie quer ausgedehnten Platte bedeckt. Somit entspricht dem Sternum ein gleichgroßes Tergum als zwei gegenüberliegende Wände für die dazwischen gespannten Muskeln. Pleurosternum. (Tafel XI, Fig. 5, 6 Sl). Das Sternum bildet das Widerlager für alle Bewegungen des Ter- gum und die Ursprungsstelle starker Muskelzüge, welche die Lage- verschiebungen des Tergum hervorrufen. Infolgedessen muß es starr und kräftig sein, was zunächst durch starke Chitinisierung erreicht ist. Damit sich seine Komponenten nicht gegeneinander verschieben können, sind sie miteinander verschmolzen. Daß dies physiologisch bedingt ist, erkennt man ohne weiteres bei der Untersuchung nicht- fliegender Käfer, z. B. Meloe und Blaps, wo die Verbindung der einzelnen Teile durch weichhäutige Membranen hergestellt wird. Ob- wohl das Sternum aus zwei getrennten lateralen Hälften entsteht, stoßen diese im ausgefärbten Zustand zu einer einheitlichen kahn- förmigen Bildung zusammen. Ihre Kontaktstelle wird im Innern als steiler orocaudal ziehender Kamm sichtbar, der die Festigkeit er- höht und zugleich den ersten Lateralmuskeln als Ansatzstelle dient (Taf . XIV, Fig. 56 Lm I). An seiner oberen Kante teilt er sich in drei Hörner, von denen eines nach vorn steht, die beiden andern gabelig aber zu den Pleura geneigt sind (Taf. XI. Fig. 6). Die Festigkeit des Sternums wird durch seine Verbindung mit den benachbarten Segmenten gesteigert. Mit dem Mesosternum ist es zu Der Flugapparat der Lamellicornier. 369 einem Stück verschmolzen, das nicht einmal eine Trennungsnaht wahr- nehmen läßt. Die durch das Coxalgelenk II bedingte Einbuchtung der Körperwand springt ins Innere schalenförmig vor, so daß sich das Gelenk in einer tiefen Mulde bewegt (Fig. 4). Die beiden Schalen verschmelzen an der Medianebene miteinander zu einem außerordent- lich kräftigen Gewölbe des Sternalpanzers , welches sich lateral in zwei Apophysen, Entosternum des Mesothorax auszieht. Sie bilden bei Lucanus je einen starken Ast, der gegen den oberen umgebogenen Rand des Epimerons gerichtet ist (Fig. 4 En). Weniger stark ist die Chitinisierung des Sternums an der abdomi- nalen Grenze gegen die Coxalll (Fig. 5, 6 CHI). Hier schlägt sich die Wand als schmaler Saum in das Innere um und bietet dadurch für die Coxa eine schmale Gleitfläche. Der Hinterrand des Sternums geht durch eine schmale Interseg- mentalmembran in das Sternum des ersten Abdominalringes über. Die Verbindung ist locker, jedoch nicht so, daß das Abdomen freier Beweglichkeit fähig wird. Der oberen Kante des Sternums sitzt das Episternum in seiner ganzen Länge auf (Fig. 5 und 6 Es). Oral ziemlich hoch, verschmälert es sich nach hinten und spitzt sich bis zur Berührung der Coxa III zu. Es steht an Festigkeit dem Sternum nicht nach, aber seine Verbindung mit ihm kommt durch ihre Elastizität einer Art Gelenk gleich. Die Grenzkanten der Stücke springen als Episternalkamm (EsK) einwärts, sind aber nur an ihrem inneren Rand miteinander verschmolzen, wäh- rend sich ihre übrige Fläche nur berührt. Dadurch erhält das Epi- sternum eine gewisse BewegUchkeit in dorsoventraler Richtung, wie sie für die Flügelschläge erforderlich ist; zugleich befördert sie das Eingleiten der Elytren in den lateralen Falz, Während im Mesothorax der Falz vom Episternum auf das Epi- meron rückt, da das eine hinter dem andern liegt, verläuft er im Meta- thorax nur am Episternum, denn hier liegen die Sklerite übereinander. Infolgedessen knickt sich der obere Teil des Episternums ein wenig vom unteren ab, und der Elytrenrand stößt an die Knickungskante. Damit er nicht ausgleiten kann, springt an der vorderen Gegend eine Schuppe vor (Taf. XI, Fig. 5, Fig. 2 Seh). In die Kerbe zwischen Schuppe und Episternum schiebt sich der Deckflügel beim Zurücklegen und wird dadurch festgehalten (Fig. 2). Wesenthch andre Form- und Festigkeitsverhältnisse zeigt das über dem Episternum gelegene Epimeron (Fig. 5 Em). Wie die Sternalseg- mente des Abdomens besitzt es eine mehr oder weniger vertikale Fläche, 370 Friedrich Stellwaag, die sich nach innen horizontal abbiegt. Der Flügel erhebt sich über dem abgebogenen Feld des Epimerons. Die Verbindung des Epister- num mit der Epimeralkante (Fig. 6) ist im Sinne Amans eine adhe- rence, da die Ränder verschmolzen sind. Ein Druck auf das Epimeron muß sich also auf das Episternum fortpflanzen und kann erst an der Grenze zum Sternum eine Bewegung hervorrufen. Um so lockerer sind die oralen und aboralen Kanten des Epimerons den Nachbar- stücken angeschlossen. Eine weiche Intersegmentalmembran stellt der Bewegung des Epimerons und Episternums nicht das geringste Hinder- nis entgegen. Da das Epimeron die Unterlage für die Flügelwurzel bildet, so nuiß es entsprechende Widerstandskraft gegen den Druck des Ter- gums besitzen. Anderseits aber soll es doch genügend Nachgiebigkeit für die mannigfachen Flügelbewegungen beim schnellen Heben und Senken bieten. Letzteren Zweck erfüllt die membranöse Ausbildung seines Mittelfeldes, welches an dem von außen sichtbaren vertikalen Feld deutlich gegen die stark chitinisierten vorderen und hinteren Ab- schnitte abgegrenzt und am Insekt durch helle Färbung ausgezeichnet ist. Der umgebogene horizontale Rand weist einen noch viel geringeren Grad von Chitinisierung auf ; er ist an der Anheftungsstelle zur Flügel- Avurzel direkt schlaff. Immerhin erhalten beide Flächen an ihrer Bie- gungskante eine horizontal verlaufende Versteifung vom chitinisierten Vorderbezirk bis zum ebenfalls kräftigen Hinterabschnitt. Eine solch schlaffe Unterlage scheint unvorteilhaft für die rapiden Schläge des Hinterflügels. Allein das Centrum der Angriffskraft ist auf die orale Partie des Epimeron lokalisiert. Dieses verlängert sich oral in einen kräftigen, säulenartigen Fortsatz, den ich im Anschluß an Voss (39) Pleuralgelenkkopf nenne (Taf. XI, Fig. 5, Fig. 10 Pik). Da das Epimeron des Mesothorax sich lateral ausbuchtet, schiebt sich der Fortsatz in die Höhlung und ragt noch ein Stück weit darüber hinaus. Er greift an der Flügelwurzel unter das Sigmoid (Taf. XI, Fig. 7 Si). Durch seine Richtung schief nach vorn wird die Wurzel des Flügels in enge Nachbarschaft mit der Wurzel des Deckflügels gebracht. Seine Höhe ermöglicht es, daß die ihm aufsitzende Flügelwurzel sich nach unten umklappen kann, worauf später noch hingewiesen werden wird (S. 408). Seine Standfestigkeit erhält der Fortsatz dadurch, daß er sich als Kamm auf der Innenseite des Epimerons bis nach hinten zur Coxa III fortsetzt (Epinicralkamm, Fig. G EpK). Seinem freiragen- den stets unbeweglichen Ende läuft ein zweiter Stab parallel, der sich an seinem unteren Ende innerhalb des Epimerons becherartig erweitert Der Flugapparat der Lamellicornier. 371 und als Sehne des Musculus extensor alae ant. aufzufassen ist. Da er bei zurückgelegtem Flügel ein Gesperre an der Flügelwurzel schließt, bezeichne ich ihn als Sperrsäule (Taf. XI, Fig. 5, 10, 11 Sp). Sie ver- breitert sich unten zum Napf und endet oben mit dem knorrigen Sperr- höcker (Fig. 5 und 10 Sph), der sich vorn in eine kleine Chitinspange auszieht. Die Säule gelenkt mit dem Pleuralgelenkkopf durch ein schma- les Chitinband, das etwas spiralig an ihm hinaufläuft; dem Zug des Muskels folgend, kann sie um den Pleuragelenkkopf ein wenig spiralig nach innen und etwas nach unten gedreht werden. Die Art der Ver- bindimg des Tergum mit dem Pleuron ist für den Verlauf der Flügel- bewegungen von großer Bedeutung. Wird der Flügel aus seiner Ruhe- lage vorgezogen, so daß seine Wurzel über den Pleuralgelenkkopf gleitet, so werden alle Bewegungen des Tergum nur auf die Vorderrand- adern übertragen. Der hintere Saum, der nicht eigens bewegt wird, muß dem Zuge folgen. Es ist verständlich, daß die benachbarte Partie des Epimerons schlaff und membranös sein muß, um ihm genügend Bewegungsfreiheit zu sichern. Tergum. (Tafel XI, Fig. 5 und 7.) Es scheint wohl überflüssig, auf die tergalen Partien des Mesothorax näher einzugehen, nachdem sie von den früheren Autoren so detail- reiche Schilderung erfahren haben. Und doch kommt man zu einem richtigen Verständnis des Tergum und seiner Teile erst dann, wenn man es vom Gesichtspunkte seiner flugphysiologischen Aufgabe, und seiner korrelativen Beziehungen zu den benachbarten Teilen betrachtet. Gerade die Erkenntnis der letzteren gibt über die eigenartige Plastik überraschenden Aufschluß. Im wesentlichen stellt sich das Tergum als eine wenig convexe Platte dar, die nach vorn zum Präphragma abfällt (Taf. XI, Fig. 5 und 7 Pr, Textfig. 6 Pr). Die mittlere Partie, das Präscutum (Fig. 5 PrSc), springt wie ein Erker über die umgebogene orale Wand des Scutum ( Sc) vor. Sie schiebt sich, wie oben erwähnt, in die hintere Öffnung des Mesotergum ein und hängt in ihrer Form zum größten Teil von dem sie umschheßenden Schildchen ab. Das Präphragma bildet die Hinterwand des Raumes im Schildchen. Die Anheftungs- stelle der meso-metathoracalen Intersegmentalmembran ist als chiti- nöser Halbring auf dem Präphragma erkenntlich. Sie ist breit und gestattet dem Schildchen freie Bewegung. Die hinteren Apophysen des Schildchens stehen lateral am Präscutum, so daß das Schildchen auf 372 Friedrich Stellwaag, Textfig. 6. dem Präscutum zu reiten scheint. Sie stemmen sich auf eine Ghitin- verdickung (Taf. XI, Fig. 7 x, Textfig. 6 x) im Winkel zwischen Prä- scutum und der geneigten Wand des Scutums und geben den festen Stützpunkt für die Wippbewegungen des Schildchens ab. Es ist erstaunlich, wie deutlich sich dem Tergum die Relief eigen- tümlichkeiten der darüber ge- legenen Teile des Thorax auf- prägen. In das Feld hinter dem Präphragma , gewisser- maßen also auf die Decke des Erkers, der durch die zwei Wülste des Scutums ( Scw) nach hinten begrenzt wird, paßt ge- nau die hintere Zunge des Schildchens hinein, und die auf dem Scutum in der Median- Vorderansicht des Metathorax von i?(ca««s eerr«s L. i f t -ri- Vergr. 3/1. MJ?, mediane Kinne des Tergum; Pr, Prä- ebene verlautende Kmne (iliÄ) phragma; Pr Sc, Präscutum; Sc&, Scutalbogen ; Scw, igt nichts andres als der Eiu- Scutalwulst; x, Chitinfeld im Präscutum. druck der medianen erhöhten Ränder der Elytren (Text- fig. 7 Su). Diese Ränder grei- fen als ein Gesperre ineinander. Die dadurch zu einem Stück vereinigte Platte der beiden Elytren besitzt in der Median- linie einen erhöhten Kamm, der zur innigen Verzahnung der Elytren mit dem Tergum dient, indem er sich in die Rinne des Tergum legt. Da Textfig 7 ^^^ beiden Seiten der Rinne Hinterer Abschnitt des Metathorax von Lucanus ccr- chitinisicrt Und ein Wenig er- w« L. von innen gesehen. Vergr. 3/1. £?, Elytren; J^öht sind, SO SChnappCU die Epp, Epipleuron; HFl, Hinterflügel; Po, Post- . n • i- phragma; su, Sutura. Elytrcu gcwissermaßcn m die Rinne ein (Textfig. 7). Die Ränder der Medianrinne divergieren oral und chitinisieren sich stärker zu den Scutalbögen (Taf. XI, Fig. 7 und Textfig. 6 Seh). Sie bilden ebenfalls ein Gesperre und zwar für den medio-oralen Unter- rand der Elytren. Wie fest die Elytren von ihnen gehalten werden, er- kennt man, wenn man sie zwischen ihnen und dem Schildchen heraus- Der Flugapparat der Lamellicornicr. 373 zunehmen versucht. Es gehngt nur, wenn das Schildchen gehoben und dadurch der Kaum zwischen Schildchen und Scutalbogen vergrößert wird. Von den Scutalbogen werden oral die Scutalwülste (Taf. XI, Fig. 6 und 7 Sciv) begrenzt. Sie wölben sich convex nach oben, oral aber verlängern sie sich senkrecht nach abwärts bis zu den Stellen (Textfig. 6 x), wo die hinteren Hörner des Schildchens sich aufstützen. Sie bilden die vertikalen Wände, über die der Erker des Präscutum vorspringt. An den Seitenrand des Scutalwulstes jeder Seite schließt sich ein dreieckiges in ein tieferes Niveau gerücktes Feld des Scutum. Es dient zur Aufnahme des unter die Elytren gefalteten Hinterflügels, dessen mediane Grenze genau an die Wölbung des Wulstes stößt. Wegen dieser Beziehungen nenne ich es Flügelgesimse (Taf. XI, Fig. 5, 7FG). Mit einem Blick übersieht man die erörterten Beziehungen, wenn man auf die Dorsalansicht des Tergums den Umriß des Schildchens und des Vorder- und Hinterflügels einzeichnet, und ist überrascht, wie genau die Teile gleich einer Patrize und Matrize zusammenstimmen. Die gleichen Verhältnisse zeigt Textfig. 7 im Querschnitt. In flugmechanischer Hinsicht erfüllt das Tergum den Haupt- zweck, durch Druck auf die Wurzel des Hinterflügels den Flügel zu heben und durch Nachlassen desselben das Herunterschlagen des Flügels zu bewerkstelligen. Infolgedessen zeigen die lateralen, mit der Wurzel in Verbindung stehenden Ränder gewisse Differenzierungen. Am hinteren Teil der Wurzel springt die Kante des Gesimses mit einem ausgekerbten und schnabelartig nach vorn gekrümmten Plättchen vor. Beim Zurücknehmen des Flügels verharrt es in seiner Lage und nimmt dann die umgeklappten Wurzelsklerite auf. Von der Lage der Sklerite zum Schnabel wird im Kapitel über den Hinterflügel gehandelt werden. Da das Plättchen ziemlich breit ist und horizontal liegt, da ferner die Flügelwurzel durch eine schlaffe Membran mit dem Epimeron sich vereinigt, so können Hebungen und Senkungen nur geringen Einfluß auf die Bewegung der Wurzel ausüben, wie sich durch das Experiment ohne weiteres nachweisen läßt. Um so größer wird die Wirkung am vorderen Wurzelende. Hier drückt die versteifte, ein wenig horizontal gebogene Kante des Scutums, so daß die Wurzel zwischen ihr und dem Pleuralgelenkkopf eingekeilt festsitzt. Eine geringe Verschiebung des Scutum hat einen bedeutenden entgegengesetzten Ausschlag des Flügels zur Folge. 374 Friedrich Stellwaag, Auf das Scutum folgt nach hinten das Scutellum (Taf. XI, Fig. 5 und 7 Set) als schmaler Halbring, der hinter die Flügehvurzel herab- reicht. Lateral gewinnt es immer mehr an Höhe und bildet schheß- lich einen erhöhten Kamm, dessen obere Kante allmählich in den Hinterrand des Flügels übergeht. Weil sich das Scutellum an den Seiten durch eine weiche Membran mit dem Scutum und dem ersten Abdo- minaltergum verbindet, so kann der Kamm orocaudal bewegt werden. Wird der Flügel extrem nach vorn gezogen, so stellt sich der Kamm auf und verhindert, daß der Flügel bei starker Inanspruchnahme Schaden leidet. Wie die orale Seite des Scutums durch das Präphragma abge- schlossen wird, so ragt von der aboralen Seite das Postphragma (Taf. XI, Fig. 6 Po, Textfig. 7 Po) in das Innere der Brust und steht als unvoll- ständige Scheidewand zwischen Metathorax und Abdomen. Median ist es wegen der Anwesenheit des Herzens, zweier Tracheenstämme und des Darmes eingekerbt. Lateral gibt es seine Verbindung mit dem Tergum auf, hängt frei herab und endet mit zwei Apophysen, deren eine median gerichtet ist und wie das Postphragma die Insertionsstelle kräftiger Muskelpakete bildet. Elytren und Hinterfiügel. Elytren und Hinterflügel entstehen als dünnwandige Auswüchse des Körpers, die mit fortschreitender Größenzunahme platt gedrückt werden, so daß gegen Ende der Puppenzeit die oberen und unteren Ektodermflächen samt der Chitindecke nahe zusammenhegen. Während der Entwicklung weichen Deckflügel und Elytren in einigen Punkten voneinander ab. Schon in der Form und in den Maßen beginnen sich Gegensätze bemerkbar zu machen; die einschneidenden Verschieden- heiten zeigt namentlich die histologische Untersuchung. Am Hinter- flügel wird ein eigenes Netzwerk von Versteifungen mit halbkreisför- migem Querschnitt sowohl auf der Ober- wie auf der Unterseite ausgebildet. Dadurch, daß die beiden Lamellen des Flügels sich fest aufeinander legen, kommen Köhren mit kräftigen Wänden zu- stande, die zur Hälfte der Oberseite, zur Hälfte der Unterseite des Flügels angehören. Sie bergen gewöhnlich Tracheen, Nerven und Blut- flüssigkeit. Dem Dcckflügel fehlt die Aderung. Die beiden Chitin- flächen der Flügelduplikatur nähern sich zum großen Teil nicht bis zur Berührung und infolgedessen verlaufen die Tracheen nicht in äußer- lich sichtbaren Röhren, sondern in dem Zwischenräume der allseitig gleichmäßig chitinisicrten Laaen. Der Flugapparat der Lamellicornier. 375 Trotz dieser merklichen Differenzen gleichen sich Elytren und Hinterflügel in der Art der Ausbildung der Wurzel, wo harte Chitin- platten mit weichen Chitinmembranen abwechseln, aber die Oberseite hat eigene, von denen der Unterseite verschiedene Versteifungen. Die Sklerite der einander berührenden Lagen decken sich also keineswegs, Diese Tatsache verdient besondere Beachtung; denn die Wurzel wird an der Oberseite vom Tergum und an der Unterseite vom Pleuren mechanisch in Anspruch genommen. Die jeweilige spezielle Ausbil- dung der dorsalen bzw. ventralen Plättchen ist daher in ihrer physio- logischen Aufgabe begründet. Stellen wir uns den Flügel wie ein einfaches Luftruder vor, das als Hebel zwischen Pleuron und Tergum eingeschoben ist, so muß die Wurzel die größte Festigkeit haben, weil hier die Angriffspunkte der Kräfte liegen. Die Flügelschläge müssen sehr rasch und gleichmäßig vor sich gehen, um den Käfer in die Luft zu erheben, und die Schlag- weite und Stellung der Flügel zum Körper muß exakt und sicher reguliert werden. Um so mehr befremdet es, daß die Wurzel in mehrere schlaff miteinander verbundene Plättchen aufgelöst ist. Die folgenden Ka- pitel werden zeigen, daß eben dadurch die mannigfaltigen Bewegungen der W^urzel in wunderbarer Gesetzmäßigkeit vor sich gehen, weil die Wurzel gerade durch die Zerlegung in mehrere Teile ihren Aufgaben in vollkommenster Weise gerecht wird. Die Flügel Wurzel ist dasjenige Stück des Flügels, welches die freie Flügelplatte mit der Brust verbindet. Sie ist ein flachgedrücktes Stück des Körpers, welches den Übergang vom runden Segment in den abgeplatteten Flügel vermittelt. Der hohe Grad ihrer Beweglich- keit ist durch eine grabenartige Einsenkung der Thoraxfläche um die Flügelwurzel gewährleistet. Man kann sie mit Recht den Ge- lenktaschen andrer beweglicher Teile des Insektenleibes (Abdominal- ringe, Beine, Fühler, Mundteile) vergleichen. Während aber dort die Verhältnisse einfach sind, indem gleichmäßig stark chitinisierte Streifen mit dünnen Gelenkmembranen alternieren, ist die Chitinisierung der Gelenkregionen der Flügel oder der Achsel ungleichmäßig. Infolge- dessen stehen biegsame Bezirke und kräftigere Zonen (Sklerite) neben- einander. Sie gewähren eine größere Freiheit und Mannigfaltigkeit der Bewegungen als an den sonst vorkommenden Scharniergelenken. Man darf aber die Flügelwurzel nicht als Gelenk schlechthin, als starr ren Punkt, auf den das Tergum drückt, auffassen. Sie ist vielmehr eine Summe von Gelenken, oder eine Maschine. Es genügt daher keineswegs, zum Verständnis ihrer Bewegungen sie lediglich als Hebel zu betrachten, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 25 376 Friedrich Stellwaag, oder die Beziehung von je zwei benachbarten und gelenkig verbundenen Plättchen zu untersuchen, die bestimmte Bewegungen gegeneinander ausführen. Im Anschluß an Strauss-Dürckheim hat Amans in einer Tabelle die Gelenkverbindungen zusammengestellt, die bei den Insekten vorkommen, und die in Betracht kommenden Bewegungsarten geprüft. Er nahm dabei nur auf die Wechselbeziehungen von je zwei benach- barten Elementen Rücksicht und präzisierte 14 Arten solcher Verbin- dungen, die sich durch wechselnde Form und gesteigerte oder vermin- derte Bewegungsfreiheit der Komponenten unterscheiden. Diesen und jenen Gelenktypus finden wir in den Beziehungen der Plättchen an der Wurzel wieder. Aber wie wir die Konstruktion und die Wirkungsweise einer Maschine erst dann richtig erkennen, wenn Form und Lage der Teile im Hinblick zum Ganzen studiert werden, so dürfen wir uns in der FlügelwTirzel nicht auf das Verhältnis von beliebig herausgegriffenen Elementenpaaren beschränken, sondern müssen die ganze Kette der Elemente im Auge behalten. Die morphologische Analyse macht es notwendig, die Flügel an ihrer Insertionsstelle vorsichtig loszulösen und die Wurzel in die Ebene auszubreiten. Wollen wir uns aber über die mechanische Bedeutung des Gelenkkomplexes klar werden, so müssen wir sie auf Grund der bei der Isolierung gewonnenen Kenntnisse in ihrer natürlichen Lage und ihrem funktionellen Zusammenhang mit den Nachbarteilen stu- dieren. A. Elytren und ihre Insertion. Der für die Vorderflügel geprägte Name Elytre {jeXvtqov = Hülle) ist außerordentlich treffend; denn beide Flügel decken tatsächlich Abdomen und Metathorax in vollendeter Weise. Daher sind die abdo- minalen Segmente dorsal schwach chitinisiert. Daß der ebenfalls ge- schützte Metathorax trotzdem eine steife Platte darstellt, hängt mit seiner Leistung beim Flugakt zusammen. Der Deckflügel von Lucanus hat den Umriß eines sphärischen Drei- ecks mit einer lateral convexen und einer median geraden Seite. Beide Elytren stoßen median mit geraden Rändern zusammen (Taf. XL Fig. 1 Su) und bedecken als einheitlicher Panzer Metathorax und Ab- domen. Ihre von vorn bis zur hinteren Spitze umgebogene, als Epipleu- lon bezeichnete (Textfig. 7 Epf) Seitenzone umfaßt die Pleura. Der eigentliche Rand steht in der Ruhe auf der Knickungskante der l)louralen Bezirke des Meso-Metathorax auf, von der wiederholt die Rede war. Die Epipleura haben an der Schulterecke (Taf. XI, Fig. 1 Der Flugapparat der Lamelliconiier. 377 Sch.E) ihre größte Breite und nehmen kontinuierlich bis zur Hinterleibs- spitze ab. Auf ihrer Außenfläche sieht man eine schwache Hohlkehle, der an der Innenfläche eine Vorwölbung entspricht (Textfig. 7 Efj), S. 372). Die Außenränder fassen die bedeckten Partien des Körpers zwischen sich und klemmen sie durch einen elastischen Verschluß ein, so daß sie wie der Sprungdeckel einer Uhr einschnappen. Längs der Innenkante der Elytren, der Sutura, läuft eine schmale Nutrinne, die am einen Flügel etwas ventral, am andern dorsal ver- schoben ist (Textfig. 7 Su) Die Kinne des einen Flügels vereinigt sich mit der des andern zu einem Gesperre Nach dem Bilde von Keu- le aüx (32) greifen die Känder wie zwei Fensterflügel rheinischer Art ineinander. Das Gesperre funktioniert so gut, daß man den einen Deckflügel eines abgelösten Flügelpaares hochheben kann, ohne die Verbindung mit dem andern zu lösen. In der Nähe des »Schildchens hört der Falz auf, denn die Innen- ränder der Elytren divergieren voneinander. Sie besitzen aber eine kleine schräge Facette, die unter das Schildchen greift und mit ihm ebenfalls ein Gesperre bildet (Taf. XI, Fig. 8 Fa). Bei Getonia besitzt das Schildchen an seiner lateralen Kante einen Falz, in den die bis zur Wurzel reichende Sutura eingreift. Am abgestutzten Vorderende biegt sich die Oberfläche der Elytren ab, um sich in die Wurzel zuzuspitzen (Taf. XI, Fig. 8). Ihre mannig- fachen Beziehungen zu den benachbarten Teilen sind überraschend und bedürfen einer eingehenden Untersuchung. Vorher jedoch müssen die anatomischen Verhältnisse der Wurzel klargestellt sein. Der erste, der die Elytrenwurzel genauer beschrieben hat, ist Strauss-Dürckheim (37). Er hat nicht nur die hauptsächlichsten Sklerite festgestellt, sondern auch durch gute Abbildungen eine be- queme Grundlage geschaffen, auf der die späteren Autoren aufbauen konnten. Strauss-Düeckheim hat es sich große Mühe kosten lassen, am Maikäfer die minutiösen Verhältnisse zu studieren, und sagt ein- mal selbst (S. 96): >>Les trois epaulieres (drei Achselplättchen) propre- ment dites sont tellement pelotonnees les unes sur les autres, qu'il est fort difficile de decrire leurs rapports, qui ne peuvent guere etre con- §us, qu'en les etudiant sur l'animal lui-meme. << Und weiterhin (S. 99) : >>La forme de ces divers replis des tegumens etant fort difficile ä concevoir, je n'ai essaye de les decrire ici que pour guider ceux qui voudraient les etudier sur l'animal, et non pour en donner une idee par la description elle-meme.<< 378 Friedrich Stellwaag, Seiner Analyse haben die später folgenden Arbeiten für die Mecha- nik wenig Neues hinzugefügt. Amans (1, 2, 3) benützte sie zu ver- gleichend morphologischen Theorien und Snodgras (36) gab überhaupt nur ganz allgemein gehaltene Schemata mit ebenso allgemeinen Be- merkungen. Da die Elytrenwurzel nicht nur an und für sich durch die geringe Größe ihrer Elemente und deren enge Nachbarschaft, sondern besonders durch ihre Lage zwischen und unter den angrenzenden Teilen des Tergum und Pleuren der Untersuchung große Schwierigkeiten entgegen- setzt, so wird das Verständnis wesentlich durch folgende Erwägung erleichtert. In einem frühen Puppenstadium, wo die Chitinisierung der Sklerite noch nicht weit fortgeschritten ist, kann man keine deutlichen Seg- mentgrenzen unterscheiden, und die spätere Plastik ist als unschein- bare Anlage vorhanden. Die Elytren hängen wie flache Platten am Thorax. Die obere Wand der Doppellamelle setzt sich ohne scharfe Unterbrechung auf die Oberfläche des Tergum fort, ebenso geht die untere Lamelle ohne Grenze auf dasPleuron über. Weder Tergum noch Pleuron engen die Wurzel ein. Die Stellung der Elytren zum Körper entspricht ungefähr der späteren Flugstellung; denn sie stoßen in der Medianebene nicht zusammen und stehen quer vom Thorax ab, aller- dings so, daß ihre Spitze sich um das Mesopleurosternum herumlegt. Nun stelle man sich theoretisch vor, daß die Lage der Elytren samt ihrer Wurzel unverändert bleibt und die zunehmende Chitinisierung der Nachbarschaft die ebenfalls chitinisierende Elytrenwurzel nicht beeinträchtigt, so lagern sich die Wurzelsklerite nicht zu eng aneinander, die Wurzel wird nicht gefaltet, und die Hauptschwierigkeiten der Er- kenntnis sind damit beseitigt. Da in der Wurzelgegend die Chitinisierung der Oberseite anders vor sich geht als die der Unterseite, so behandle ich zuerst die dorsale Platte der Doppellamelle und dann die ventrale. Ich ziehe dabei den Ausdruck »Achsel« vor, da die Bezeichnung »Wurzel« bisher nur für den Komplex der beweglichen Elemente üblich war, während die un- gleichmäßig starke Chitinisierung auch einem Teile der an die Wurzel anschließenden Platte eigentümlich ist, und bezeichne als dorsale Achsel- platte den Bezirk der Doppellamelle am Tergum, als ventrale Achsel- platte den Bezirk am Pleuron. Ich nehme an, daß nach beendeter Chitinisierung der Deckflügel in der allgemeinen Form und Plastik der Wurzelsklerite mutatis nmtandis dem aus der Ruhelage in die Flug- stellung vorgenommenen Deckfügel eines ausgefärbten Käfers gleicht. Der Flugapparat der Lamellicornier. 379 Die dorsale, convexe Achselplatte (Taf. XI, Fig. 8) verläuft gleich- mäßig stark chitinisiert von ihrem spitzen Ende bis zur Schulterecke, knickt sich fast senkrecht ab, um nach einer zweiten Knickung ein wenig geneigt zur ursprünglichen Richtung bis zum Ende der Flügel- wurzel weiterzulaufen, wodurch eine Art Treppe entsteht. An der Schulterecke hat der Flügel seine größte Breite (Taf. XI, Fig. 1 Sch.E). Nach vorn zu convergiert sein gebogener Seitenrand mit dem media- len Rande rasch zu einer mehr oder weniger dreieckigen Fläche (Taf. XI, Fig. 8). Der Fortsetzung des gebogenen Randes läuft in dieser eine Kerbe parallel, die als Transversale des Dreiecks zwei un- gleich große Abschnitte gegeneinander abgrenzt, ein größeres Dreieck und ein kleineres trapezartiges Stück. Das Dreieck nenne ich Achsel- feld (Taf XI, Fig 8 .4). An seiner medialen Seite besitzt es einige der Kanten- und Seitenplastik des Schildchens entsprechende Rauhig- keiten. Der zweite trapezartige Abschnitt ist langgestreckt und ragt ein Stück weit über das Achselfeld vor. Eine Längsrinne teilt ihn in zwei zinkenartige Apophysen, die oral ein wenig auseinander weichen. Ihre Enden (Taf. XI, Fig. 8 Ä'p.l und A]).m) werden durch eine Kerbe in zwei Gelenkhöcker geteilt. Apophysen und Achselfeld sind die unmittelbare Fortsetzung der Elytrenfläche, somit die starren Bestandteile der dorsalen Achselplatte. An sie schließen sich noch mehrere untereinander bewegliche Plättchen von wechselnder Form. Es sind deren, wie schon Strauss-Dürckheim festgestellt hat, vier auf der Oberseite, von denen das letzte als Säule die hintere Kante der Achsel abschließt. Vor der lateralen und mittleren Apophyse liegt das Vorachsel- stück (Preepauliere Strauss; Taf. XI, Fig. 8 V). Es schiebt sich zwi- schen das Vorderhorn des Schildchens und das Episternum und bildet mit letzterem ein Scharniergelenk, während zum Hörn eine schmale Membran hinüberführt (Taf. XI, Fig. 9 F). Es stellt nichts andres als die flächenhaft verstärkte Insertionsstelle des Musculus extensor Elytri anterior in der Achselmembran vor, der am Vorderrand der Coxa II entspringt (Fig. 52 Exa). Die drei andern Achselstücke gruppieren sich eng zusammen und verbinden sich mit dem Vorachsel- stück durch eine breite Membran. Am meisten oral liegt das erste Achselstück (epauliere anterieure, Fig. 8 Ach I). Da es seiner Länge nach geknickt ist, hat es die Form zweier winkelig aneinander stoßender Pyramidenflächen. In der Figur gleicht das Plättchen einem spitz- winkHgen Dreieck, da nur die eine Fläche in der Ebene der Zeichnung liegt, die zweite dagegen senkrecht zur Zeichnungsebene steht. Die 380 Fricfirich Stellwaag, Spitze des Achselstückes schmiegt sich bei gehobenen Elytren in die Kerbe der mittleren Apophyse (A-jnn) zu einem Sperrschhiß. Außer- dem gelenkt die obere Kante mit dem lateralen Gelenkhöcker der Apo- physe durch ein Ligament und kann infolgedessen gegen sie umgeklappt werden. Von der Spitze nach unten nimmt das Sklerit nicht nur an Breite, sondern auch an Dicke zu, bis es unten knollenartig anschwillt. Diese Verdickung ist zu einer Gelenkpfanne ausgehöhlt und sitzt auf dem Höcker des Elytrenpostamentes (Fig. 4 Ep). Ohne scharfe Grenze, lediglich durch eine dünnere elastische Zone geht die mediale untere Kante in den Unterrand der Schildchenkulisse über. Die untere Grenze des Plättchens, das die Fig. 8 zeigt, ist daher bei der Ablösung der Flügehvurzel vom Schildchen künstlich geschaffen. Durch das Sklerit wird die engste Vereinigung zwischen Achsel, Schildchen und Epistcrnum hergestellt. Das zw^eite Achselstück (Fig. 8 Ach II) schiebt sich in den Winkel zwischen Achselstück I {Achl) und Achselfeld {Ä). Es liegt letzteren nahe an, kann aber nur scharnierartig wäe eine Türe nach einer bestimmten Richtung bew' egt w^erden , so daß es den gesetz- mäßigen Bewegungen der benachbarten Plättchen kein Hindernis bereitet. Die dorsale Achselfläche wird hinten durch das größte Plättcheii, das dritte Achselstück oder den Achselpfeiler (Taf. XI, Fig. 8 und 9 Pf) abgeschlossen. Es hat die Gestalt einer der Länge nach umgebogenen oblongen Platte und wendet seine Flächen zum Teil dem Schildchen, zum Teil dem Episternum zu. Der auf der Oberseite der Achsel lie- gende Abschnitt hat den Umriß eines Prismas und grenzt an die Achsel- plättchen I und IL Mit dem ersten vereinigt es sich durch eine sehr schmale biegsame Zone, so daß beide fast eine einheitliche Platte vor- stellen. Die Basis steht auf dem Unterrand der Schildchenkulisse. Die andre Hälfte des Plättchens ist unten breiter wie oben, und zieht sich wie ein Zipfel aus. Durch zunehmende Verdickung des Plätt- chens nach der Grundfläche wird die Knickung der beiden Felder zu- einander verwischt, so daß der Winkel zwischen ihnen viel stumpfer wird, als er oben gewesen ist. Die obere Kante des Plättchens wird wie die Unterkante durch einen Einschnitt gekerbt. Die komplizierte Gestalt des Plättchens hat ihren Grund in den korrelativen Beziehungen zu den anliegenden Chitinteilen. In der oberen Kerbe liegt der ver- dickte glatte Eand des Achselfeldes, unter dem der Pfeiler sich hin und her schiebt. Die untere Kerbe aber sitzt am Hinterhorn des Schildchens durch ein Scharniergelenk. Die Plastik des Plättchens stimmt weiter- hin mit der Plastik des Hinterhornes (Taf. XI, Fig. 3 und 4 HH) genau Der Flugapparat der Lamellicornier. 381 Überein; denn das umgelegte Plättchen drückt sich fest in dessen Rinne. Für die Bewegung des Sklerites ist die Scharnierverbindung mit dem Hinterhorn und die longitudinale Knickung von großer Bedeutung. An der medianen Kante inserieren die Adductoren der Wurzel (Taf, XIV, Fig. 54 ^(ü-E'/ und ZZ). Durch ihre Kontraktion verliert das Achself eld seine Stütze und der Flügel wird aus der Flugstellung zurückgenommen. An der abgeknickten Fläche inseriert der hintere Extensor (Taf. XIV, ¥ig. 54: Ex.p). Seine Kontraktion bewirkt, daß das Achselstück sich auf- stellt und den Deckflügel entgegengesetzt bewegt. Viel ärmer an Chitinversteifung ist die ventrale Platte der Elytren (Taf. XI, Fig. 9). Ihre concave Fläche stellt zwar eine gleichmäßig dicke Chitinlage vor, die dicht unter der convexen liegt und durch mehr oder weniger hohe Querbrücken mit ihr in Zusammenhang steht, aber in der Achselplatte, also vor der Schulterecke, überwiegen die schwach chitinisierten Bezirke. An der Vorderkante der Elytren finden wir unter der obengenannten lateralen Apophyse (Fig. 8 Apl) eine ihr ähnliche ventrale (Taf. XI, Yig.QApv). Sie stellt gewissermaßen die abgeknickte von oben nicht sichtbare Kante der Elytrenachsel dar. Auch sie besitzt durch eine Kerbe am Ende zwei Gelenkhöcker. Die Kerbe gleitet über den Höcker der Elytrenschiene des Episternum, wenn der Flügel vorgezogen wird. Die anale Kante der Achselplatte wird durch die abgebogene Fläche des dritten Achselstückes (Pf) versteift, darüber aber durch ein Stück des Achselfeldes, das die Achselkante ventral umgreift. Der größere Bezirk der Ventralplatte, der unter dem Achselfeld liegt, bleibt membra- nös, so daß sich das dritte Achselstück, das bei hochgestellten Elytren die Kante des Achselfeldes unterstützt, beim Zurücknehmen der Elytren leicht in die Fläche des Feldes hineinlegen kann. Die andern Versteifungen der Achsel erwähne ich nur der Voll- ständigkeit halber. Das eine Plättchen liegt neben der unteren Apo- physe, das andre vor dem Achselstück III. Letzteres hat die Gestalt eines Halbringes und hilft das zweite Achselstück an die Transversal- apophyse des Episternum festklemmen. Wie Fig. 2 zeigt, sind bei geschlossenen Elytren die beweglichen Achselplättchen unsichtbar. Die Lateralansicht läßt lediglich das Achselfeld A erkennen, mit den beiden anliegenden Apophysen Apm und Apl. Die laterale Kante der Elytrenachsel wird eben verdeckt durch die Zunge des Episternum (Taf. XI, Fig. 3 Z), da der Flügel durch Vermittlung des Achselstückes I auf dem Elytrenpostament ruht, das tiefer als der Hand der Zunge liegt. Ebenso lagert sich die 382 Friedrich Stelhvaag, mediale Partie der Elytrenachsel mit den Achselstücken I, II, III eng an die gerade aufsteigende Wand der Scliildchenkulisse an, und zwar so, daß die Teile wie Patrize und Matrize zusammenstimmen. Betrachtet man den Mesothorax von vorn, so bekommt man den Ein- druck, daß die Achsel in einem engen Spalt eingeschlossen ist. In dieser Ansicht ist nur das Vorachselstück ganz sichtbar, da es in der Achsel am weitesten vorgeschoben ist (Textfig. 8 F). Die enge Nach- barschaft von Schildchen, Achsel und Episternum ist darin begründet, daß durch die Bildung des Gelenkkonus eine glatte, drehrunde Ober- fläche der Komponenten erfordert wird. Die Beziehungen der Achsel zu den Nachbarteilen komplizierten sich dadurch noch mehr, daß sie in der Ruhe gefaltet wird. Löst man die Achsel aus ihrem Zusammenhange mit den anliegenden Skleri- ten, so klappt sie stets zusammen und nimmt diejenige Lage ein, die ihr bei zurückgelegten Elytren zukommt. Die Falte läuft vom Vor- achselstück nach hinten aufwärts zum Achsel- feld. Man kann sich das Prinzip der Faltung klarmachen, wenn man ein oblonges, recht- eckiges Stück Papier (Textfig. 9 oben ab c de) an einer Ecke einbiegt. Stellt man nun die von vorn ]^ieinere umoebogene Fläche (c d e) vertikal, gesehen. Vergr.lx 5. 4cA7,Achsel- . . stück imp«, laterale Apophyse; SO daß die Knickungskantc von vorn nach Apm, mediale Apophyse ; El, Ely- tron; Es, Episternum; Pr, Prae- phragma; St, Sternum; T, Ter- gum; V, Vorachselstück; VH, Vorderhorn des Schjldchens. Textfig. 8. Mesothorax und Elytrenachsel von Lncanus cervus L hinten ansteigt, so wäre das große Feld B mit der Elytrenfläche und die Fläche um die Knickung mit der Achsel zu vergleichen. Man kann nun die große Fläche um die festgehal- tene kleine so herumbiegen, . daß sie aus ihrer Ruhelage schief nach außen und oben von hinten unten bewegt wird. Bezeichnen wir an unsrem Modell (Textfig. 9 a rechts) die kleine Fläche mit A, die größere mit B, so müssen wir, um darauf die Skle- rite der Achsel zu skizzieren, folgende Anordnung treffen. Die Fläche A wird hinten abgeschlossen durch das Achselstück III (P/). Dann folgt nach vorn Achselstück II {Ach II), oben an die Knickungskante stoßend, und davor Achselstück I {Ach I). An die Spitze der Fläche würde das Vorachselstück (F) zu liegen kommen. (Auf der Unterseite schließt sich an das Achselstück III das kleine halbringförmige Sklerit.) Der Flugapparat der Lamellicornier. 383 Der Oberseite der Fläche B, die über die Kante weg die Oberseite der Wurzel fortsetzt, gehören die starren Enden der Elytren (Text- fig. 9 a links) an. Den spitzen Winkel füllen die drei Apophysen {Äpm, Apl, Apv), die sich nach rückwärts zum Wurzelfeld verbreitern. Die unter der zweiten gelegene dritte Apophyse (Apv) können wir uns dadurch markieren, daß wir den Seitenrand ein wenig nach unten falten. Vergleichen wir unser Schema mit dem natürlichen Objekt. Der Textfig. 9 a—c. a. Schematisches Modell der Faltung der Elytrenachsel von vorn und von hinten. A, kleine Fläche; B, große Fläche. — h. Die Falte in der linken Elytrenachsel von oben beim Maikäfer. Vergr. 7/1. — c. Die Falte von unten. Vergr.7xl. .4, Achselfeld; Achl, II, Achselstück I, II; Ävl, Lateralapophyse ; • Apm, Medialapophyse ; J.pf, Ventralapophyse; .£/, Elytron; Pf, Pfeiler; V, Vorachselstück. gehobene Deckflügel stellt den weniger komplizierten Zustand vor, da die Faltung fast aufgehoben ist und Elytren und Wurzel in einer Ebene liegen: Die Plättchen stehen parallel hintereinander. Bringen wir da- gegen die Elytren in die Ruhelage zurück, so prägt sich die Falte immer deutlicher aus und die Plättchen liegen quer zueinander. Die Knickungs- kante verläuft allerdings nicht einfach gerade, sondern biegt sich im Winkel ein, was durch die Gelenkverbindung und die Stellung der Sklerite ermögUcht wird (Fig. & u. c). Auf der Oberseite der Elytrenbasis beginnt die Knickimg medial neben dem Vorachselstück, läuft in die Kerbe der Apophyse I, biegt sich ihrem Innenrande parallel ab und setzt sich 384 Friedrich Stellwaag, mit stumpfwinklig geänderter Richtung zum Rande des Wurzelfeldes fort. Da die Unterseite zum großen Teil der Sklerite entbehrt, so spricht sich die Knickung hier weniger exakt aus. Sie beginnt hinter den Apophysen und endet über den Achselstück III. Auf dem geknickten Verlauf der Falte gründen sich die verschie- denen Bewegungen der Elytren in vertikaler und horizontaler Richtung. Sie werden hervorgebracht durch die angrenzenden Teile des Schild- chens. Bei der wichtigen Rolle, die ihnen für die Mechanik der Elytren zukommt, muß ich diese Beziehungen noch kurz erörtern. Die schlaffe Lateralmembran nimmt in der Nähe der vorderen Apophysen einen relativ großen Bezirk ein, weniger breit ist sie in der Gegend des dritten Achselstückes. Das erste Achselstück ist innig mit dem Schildchen und dem Pleuron vereinigt; seine Lage wird noch dadurch fixiert, daß die untere knollenartige Verdickung genau in die eine Delle des Schildchens paßt und durch diesen Kraftschluß während der Bewegung der Elytren und des Schildchens ständig festgehalten wird. Außerdem sitzt die untere Gelenkpfanne auf dem Elytrenposta- ment auf. Sie umgreift dessen Gelenkkopf zu einem Kugelgelenk und kann sich in beschränktem Maße neigen, aber nicht verschieben. Eine gewisse Bewegungsfreiheit ist notwendig, damit die Wirkungen der indirekten Muskeln auf die Elytren übertragen werden können. Durch das Achselstück I steht das Schildchen in engster Beziehung zum Episternum. Das Kugelgelenk gestattet ihm die oben erwähnten Schaukelbewegungen auf dessen festem Widerlager, die völlig gesetz- mäßig vor sich gehen, da das Schildchen rechts und links in gleicher W^eise fixiert ist. Der Sperrhöcker des Elytrenpostamentes, der stets in seiner Lage bleibt, greift in der Ruhelage der Elytren in die Kerbe der unteren Apophyse und hält diese und damit die Elytren in ihrer Lage fest. Bei gehobenen Elytren (Fig. 9) steht die Apophyse vor und über ihm. Der Höcker bildet mit der Apophyse ein weiteres Gesperre für den zurück- gelegten Deckflügel. Hinterflügel und ihre Insertion. Dem Hinterflügel der Käfer fällt die ganze Aufgabe zu, den Körper durch kräftige und schnelle Flügelschläge zu heben und fortzubewegen. Infolgedessen hat er eine größere Fläche als bei andern Gruppen, wo er in der Ruhe kaum oder wenig über das Abdomen hinausragt. Fläche und Länge des Flügels stehen in bestimmtem Verhältnis zu dem Gewicht des Körpers. Nach den Berechnungen Müllenhoffs (26) und meinen Der Flugapparat der Lamellicornier. 385 Messungen lassen sich für einige Lamellicornier beispielweise folgende Zahlen anführen: Gewicht g Länge cm Inhalt qcni Melolontha melolontha 0,9508 2,5 1,83 » » 0,4 2,3 1,16 » » 0,6 2,51 1,29 Lucanus cervus L. 4,7 3,7 3,88 Nach MÜLLENHOFF gehören kurze Zeit fliegende Käfer und Insekten mit Zierarten wie Lucanus zum Wachtel- oder Fasanentypus. »Sie sind dadurch charakterisiert, daß sie niemals schweben oder segeln können. Sie fallen daher sehr schnell, selbst heftig zu Boden, sobald die wegen der relativen Kleinheit und Kürze der Flügel notwendigerweise sehr raschen und einen großen Kraftaufwand erforderlichen Flügelschläge aufhören. « Stets übertrifft der Hinterflügel den Deckflügel bedeutend an Länge. Ich habe folgende Zahlen gefunden: Hinterflügel Deckfl. absolute Differenz Verhältnis Rhizotrogus solstit. 19 mm 12 mm 7 mm 1 : 0,6 Trichius fasciatus 13 mm 7 mm 6 mm 1 : 0,6 Copris lunaris 22 mm 13 mm 9 mm 1 : 0,6 Cetonia aurata 22 mm 13 mm 9 mm 1 : 0,6 Infolgedessen muß er in der Ruhe zusammengelegt und gefaltet werden, um unter den Elytren Platz zu finden. Die dreieckig oblonge Form des Hinterflügels ist für seine Funktion von ausschlaggebender Bedeutung; denn ein langgestreckter Flügel hat eine höhere Tragkraft als ein kurzer. Wird eine Fläche vorwärts- bewegt, die etwa ebenso breit wie lang ist, so wird die Luft an der Vorderkante zerteilt. Die unter die Fläche gepreßte und für den Flug hauptsächlich wirksame Luftmenge strömt aber sofort nach hinten und an den Seiten aus. Bei einer rechteckigen Fläche wird mehr Luft zurückbehalten (da sie seitlich nicht so rasch abströmt) und min- destens so viel, daß die Platte schon lange schwebt und sich vorwärts bewegt, ehe der elastische Stützpunkt an Hubkraft einbüßt. Im Gegensatz zur gleichmäßig starren Beschaffenheit der Elytren steht die Geschmeidigkeit und Elastizität der Hinterflügel. Er stellt eine Doppelplatte vor mit abwechselnd dünnen und dickeren Chitin- schichten, mit membranösen Feldern und stärkeren Adern. Der Ader- verlauf der Käfer wurde schon oft eingehend untersucht. Strauss- 386 Friedrich Stellwaag, DÜRCKHEiM (37) und Chabrier (11) behandelten ihn bei ihren Studien des Flugapparates, die neueren Forscher aber suchten ihn zu systema- tischen Zwecken zu benutzen. Doch Avurde erst durch Comstock und Needham (14) auf Grund vergleichender Studien eine neue Nomen- klatur eingeführt. Sie unterscheiden sechs Hauptadern: Costa, Sub- costa, Radius, Media, Cubitus und Analis. Auf Comstock und Needham fußend teilte Ganglbauer (15) 1902 die Käfer in drei Gruppen ein, die er als Adcphagen-, Staphili- noiden- und Cantharidentypus bezeichnete. Die Lamellicornier rechnete er zum dritten Typus. Das Charakteristische dieser Gruppe liegt nach ihm darin, »daß ein Teil (Mi) (Textfig. 11, S. 391) des Astes der Media (Mn) als sogenannte rückläufige Ader ausgebildet und mit der Media am Gelenk hakenartig verbunden ist. Ebenso ist ein Teil des Astes (Ä2) des Radius [R^) als rückläufige Ader ausgebildet. Gegen die Spitze des Flügels treten häufig apicale Teile der Äste des Radius und der Media als Strahladern auf. Dieser Typus zeigt die weitgehend- sten Modifikationen, doch ist er an dem charakteristischen Haken der Media am Gelenk in der Regel sofort zu erkennen« (Textfig. 11). Durch diese auf vergleichende Studien begründete Nomenklatur wurde für die Flügelfläche endgültig Klarheit geschaffen. Allein die Flügel Wurzel blieb dabei völlig unberücksichtigt, obwohl sie ein un- trennbarer Bestandteil des Flügels ist. Umgekehrt haben mehrere ältere Autoren ihr Hauptaugenmerk auf die Wurzel gerichtet und das Adernetz oberflächlich abgehandelt. Diese Fehlerquellen führten not- wendigerweise zu großer Unklarheit, die noch gesteigert wurde durch den Umstand, daß fast jeder Autor für die Wurzelsklerite willkürlich neue Namen einführte, die nicht immer für alle Insektenordnungen gleich- mäßig verwendbar sind oder sich auf spezifische Charakteristica be- ziehen. Die nachfolgende Tabelle stellt die Synonyme fest und er- leichtert den Vergleich. Amans war der erste, der das Bedürfnis nach Klarheit erkannte und die Wurzel vergleichend morphologisch behandelte. Auf Grund einer genauen Analyse stellte er eine einheitliche Nomenklatur für alle Insektengruppen auf. Wohl vernachlässigte er den durchaus natürlichen physiologischen Zusammenhang, allein er verstieß nicht gegen ihn, wie neuerdings Voss (39), der die Gelenkstücke einteilt »in solche, welche als Duplikaturen auftreten und als eigentliche Flügel - gelenkstücke von beiden Seiten, ober- wie unterseits sichtbar sind — und solche, welche als Thorakalge lenkstücke als einfache Platten erscheinen und als Tergalgelenkplatten den Übergang zum Tergit, Der Flugapparat der Lamellieornier. 387 1822 1828 1885 1905 1909 Chabrier Strauss Amans Voss Snodgras Humerus Axillaire anterieure Antesigmoide? Sigmoid Vordere Tergalplatte Mittlere Tergalplatte 1. Axillary 4. Axillaire Dorsoterminale Hintere Tergalplatte 4. Axillary Omoplate 2. Axillaire Submediane Mittelgelenk- stück Vermittlungs- platte in der Analwurzel 2. Axillary Onguiculus 4. Axillaire Terminale Analwurzel- platte Vordere Anal- gelenkplatte 3. Axillary Onguiculus 4. Axillaire Terminale Osselet de pronation Hintere Anal- gelenkplatte Episternal- gelenkplatte Vordere Epime- ralgelenkplatte Hintere Epime- ralgelenkplatte als Pleuralgelenkplatten den Übergang zu den Pleuren vermitteln. Zwischen beiden letzteren verläuft die Ansatzlinie des Flügels«. Der Flügel und besonders seine Wurzel ist ein Gebilde, dessen Form in erster Linie als Ausdruck seiner mechanischen Tätigkeit und Inanspruchnahme aufzufassen ist. Ich möchte mich daher der aus rein morphologischer Betrachtungsweise hervorgegangenen zonaren Eintei- lung der Wurzel, wie sie Voss (39) fordert, nur mit Vorbehalt an- schließen^ denn sie tut der mechanischen Nachbarschaft der Teile Gewalt an und zerstört sie, statt sie klarzustellen. Die Sklerite wir- ken vor allem, weil sie in mediodistaler Richtung ineinander greifen, nicht weil sie sich in orocaudaler Richtung hintereinander lagern. Der aus der Ruhelage hervorgezogene und entfaltete Flügel nimmt in der Reihe der aufeinander folgenden Flugphasen eine Art Mittelstel- lung ein und gestattet die klarste Übersicht über die für den Flug bedeutungsvollen FormeigentümUchkeiten. Es ist daher notwendig, bei 388 Friedrich Stcllwaag, einem frisch getöteten Tier die Elytren zu entfernen und den Flügel in die Fluglage zu bringen. Jeder vollkommene Flügel muß einen kräftigen Vorderrand be- sitzen, damit er wie eine Messerschneide die Luft zerteilen kann. Bei großer Fortbewegungsgeschwindigkeit des Tieres muß der Vorderrand elastisch sein, damit er dem Anprall verschiedenartiger Luftströmungen nachgibt und nicht Schaden leidet, vielmehr ihn geschickt ausnützt. Dem steifen Vorderrand nmß ein elastischer Hinterrand entsprechen, der das Entstehen hemmender Wirbelströme verhindert und die vom Vorderraud und der Flügelfläche aufgenommene Luftmenge in un- schädlichen Kreisströmen abfließen läßt. Der Hinterflügel entspricht diesen Anforderungen in vollkom- mener Weise. Costa, Subcosta und Radius 1 (Textfig. 11) sind gemäß ihrer Auf- gabe miteinander zu einer einheitlichen Chitinleiste verschmolzen. Sie verstärkt in gleicher Dicke etwa zwei Drittel des Vorderrandes, wird dann durch eine Kerbe unterbrochen und setzt sich bandartig und schwächer zur Flügelspitze fort. An der Kerbe zweigt der Radius 2 ab. Wenn der Flügel in die Ruhelage zurückgenommen und gefaltet wird, biegt sich hier die Flügelspitze gegen den Radius um. Das Gelenk ist ein Scharniergelenk und gestattet nur in querer Richtung freie Beweglichkeit, ebenso wie eine Papierrolle, die man abknickt, nur gegen sich selbst umgebogen werden kann. Diese Mechanik allein macht es möglich, daß sich der gefaltete apikale Teil aus der Ruhelage des Flügels ausstrecken kann, wie auf S. 393 erörtert werden wird. An der Flügelwurzel entfernt sich das Ende der Costa von den andern Adern. Die miteinander verschmolzenen Subcosta und Radius bilden einen Stumpf mit zwei knorrigen Asten, von denen der eine in der Richtung der vereinigten Adern weiterläuft, während der andre sich nach unten neigt und dadurch in enge Beziehung zum Sperrhöcker tritt. Die Apophysen der drei Adern werden von Amans als apophyse anterieure, interne und inferieure bezeichnet (Taf. XI, Fig. 7). Die Costa unterscheidet sich von den dahinter liegenden Adern durch ihre oblonge Gestalt. Sie gleicht einer langgezogenen Schuppe und bedeckt die Subcosta, wobei sich ihre freie Fläche abwärts neigt. Durch ihre Verbindung mit der Subcosta kann sie gegen diese aufge- klappt werden. In der Ruhelage des Flügels, wo sie mehr oder weniger heruntergeschlagen ist, schließt sie mit der unteren Apophyse einen Hohlraum ein (Taf. XI, Fig. 11 Co). Die Costalf lache zieht sich nach zwei Seiten zu einer Spitze aus, von denen die distale allmählich mit der Der Flugapparat der Lainellicornier. 389 iSubcosta versclimilzt, während das andere Ende als vordere Apophyse vorspringt (Taf. XI, Fig. 11 Co). Die untere Apophyse gleicht einem Knopf, der auf einem Stiel sitzt (Taf. XI, Fig. 10 Äjm). Daher ergibt sich für die betreffende Gegend das schematische Querschnittsbild der Textfig. 10. Der Hohlraum zwischen Costa und unterer Apophyse wird bei zurückgelegtem Flügel vom Sperrhöcker {Sph) ausgefüllt, der die untere Apophyse in ihrer Lage fixiert. Beide bilden ein Schnappgelenk. Ohne Bewegung des Sperrhöckers ist es der Apophyse und damit dem Flügel unmöglich, sich aus dem Verschluß frei zu machen. Die Plastik des Sperrhöckers kongruiert mit den Formverhältnissen der benachbarten Teile. Sein Dorn schiebt sich genau zwischen die Enden der vorderen und hinteren Apophysen und teilt infolgedessen seine Bewegungen den Apophysen mit (Taf. XI, Fig. 10). Durch ihn kommt hauptsächlich die Vorwärtsbewegung des Flügels aus der Ruhe- lage zustande. In der Fluglage des Flügels kann man die Beziehungen des Sperrhöckers zur Nachbarschaft nicht ohne weiteres erkennen. Wird aber der Flügel in seiner Ruhelage darauf- hin untersucht, so stellt sich heraus, daß die schalenartige Vertiefung der verschmolzenen Adern neben der unteren Apophyse das Spiegel- bild der unregelmäßig knorrigen Verdickung des Sperrhöckers darstellt. Nach hinten zu lockert sich der intime Verschluß des Sperrhöckers mit der unteren Apophyse, indem er sich abschrägt. Wird er um seine Achse nach außen gedreht, so bekommt die Apophyse die für die Vor- wärtsbewegung des Flügels nötige Bewegungsfreiheit. Die obere Apophyse (Taf. XI, Fig. 7 Äp o) liegt über der zweiten. Sie verjüngt sich in ihrem kurzen Verlauf nach der Wurzel zu, wird aber unvermittelt schief abgestutzt. Ihre mediale Fläche ist unregel- mäßig concav ausgehöhlt, nach hinten steht ein kleiner Sporn recht- winklig ab. Längs der Basis steht die Apophyse durch ein Ligament mit dem Hakenende des Sigmoides {Si) in Verbindung, und ist auf diesem scharnierartig beweglich. Alle Lage Veränderungen des Sigmoides müssen dadurch auf die Apophyse und infolgedessen auf die Flügel- fläche übertragen werden. Das Ende des Sigmoides ist höckerig convex und paßt genau in die Concavität der Apophyse. Bei ausgestrecktem Flügel berühren sich daher die korrespondierenden Flächen zu engem Verschluß (Taf. XI, Fig. 7). Dabei drückt eine vorspringende Schuppe lÜk Sph Apu Textfig . 10. Schematischer Querschnitt durch Costa (Co), Siibcosta {SCo), Radius (Äi), Sperr- höcker {Sph) und untere Apophyse Up u). 390 Friedrich Stellwaag, am Sigmoidkopf auf den Sporn der Apophyse und hält ihn fest. Dieses Gesperre hat für die innige Verbindung vom Sigmoid mit den Vorder- randadern die größte Bedeutung; denn nur dadurch können die Bewe- gungen des motorischen Apparates auf die Flügelfäche übertragen werden. Der physiologische Zusammenhang der Vorderrandadern mit dem Tergum wird abgesehen von der schlaffen Lateralmembran lediglich durch das Sigmoid bewerksteUigt. Es hat die Form eines Hakens, dessen umgebogener Teil an die hintere Apophyse stößt, dessen ent- gegengesetztes Ende sich plattenförmig verbreitert und an seiner me- dialen Kante mit der lateralen Wand des Tergum durch ein Ligament in engster Verbindung steht. Nur diese Fläche liegt bei ausgestrecktem Flüjiel annähernd horizontal. Der Haken steigt nach vorn und oben in die Höhe, da die Apophysen höher liegen als die Sigmoidfläche. Das Sigmoid ist eine Chitinverdickung der dorsalen Achselmembran. Seine Unterfläche gleitet auf einer Chitin verdickung der Unterseite, die mit dem Pleuralgelenkkopf verschmolzen ist. Während der verschiedenen Flügelbewegungen wird der Angriffspunkt verändert, da das Sigmoid über den Kopf hinweggleitet. Die Führung dieser Verschiebungen ist vollkommen zwangsläufig, da die Ränder des Sigmoidhakens an der Unterseite vorspringen und somit eine tiefe Kinne für die Aufnahme des Pleuralgelenkkopfes bilden. Werden durch das Schnappgelenk die tergalen Bewegungen an und für sich auf den Flügel übergeleitet, so wird durch die innere Füh- rungsrinne erst eine völlig exakte und zwangsläufige Übertragung er- möglicht und zwar während aller Flugphasen. Die untrennbaren Ele- mente: Tergum, Sigmoid, Vorderrandadern und Pleuralgelenkkopf bilden den wichtigsten mechanischen Komplex für alle Bewegungen des Flügels. Jeder leise Druck des Tergums bewirkt auf das Sigmoid einen ent- sprechend vergrößerten Ausschlag des entgegengesetzten Hebelarmes, der auf dem Pleuralgelenkkopf spielt, so daß die Vorderrandadern stets zuerst die Luft durchschneiden. Die Festigkeit des Schnappgelenkes und die Zwangsläufigkeit der Sigmoidrinne gewinnt noch an Bedeu- tung, wenn man sich die Größe der gesamten Flügelfläche und die von ihr zu leistende Arbeit vergegenwärtigt. Denn mit Hilfe des Luft- widerstandes soll das ganze Gewicht des Käfers gehoben und fortbewegt werden. Gleich wichtig wie die eben besprochenen Teile des Flügels ist die Media für den Flug, aber in andrer Beziehung. Sie besitzt die gleiche Der Flugapparat der Lamellicornier. 391 Stärke wie der Radius und versteift die Membran hinter ihm. Inner- halb des Feldes wird die physiologische Verbindung mit dem Radius 1 und 2 durch die rückläufige Media 2 hergestellt (Textfig. 11). Wo letztere sich abzweigt, wird die Media 1 durch eine Kerbe verengt und setzt sich als schwächer chitinisierter Streifen zum äußeren Flügel- rande fort. Die Anwesenheit des Ligamentes zwischen den beiden Textfig. 11 vv SCo M,^!ll^"^ . Textfig. 13. Textfig. 14. Fig. 11. Hinterflügel \on Lucanus cerwts L. geöffnet. Vergr. xl,5. — Fig. 12. Hinterflügel von Lucanus cervus L. gefaltet. Vergr. xl,5. — Fig. 13. Querschnitt durch den geöffneten Hinter- flügel in den durch Buchstaben angegebenen Richtungen. Vergr. x2. — Fig. 14. Querschnitte durch den geschlossenen Hinterflügel in den durch Buchstaben a — k angegebenen Richtungen. Vergr. x2. An, Analis; Co, Costa; Cui, Cubitusl; Ce(2, Cubitus 2; CuF, Cubitalfalte ; Ri, Radius 1; «2, Radius 2; SCo, Subcosta; MF, Membranfalte; Mi, Medial; M», Media 2. Stücken bedingt die Querfaltung des Flügels in der Ruhelage. Die Media 2 convergiert nach der Wurzel zu mit dem Radius, um sich ganz nahe an ihn anzuschmiegen. Sie endet ein Stück vor ihm in zwei schmalen Spangen, die durch ein Ligament die Ader mit der Sigmoidfläche und den analen Gelenkplatten zusammenhalten. Doch verhindert der lose Zusammenschluß mit dem Sigmoid die unmittelbare Teilnahme Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 26 392 Friedlich Stellwaag, an dessen Bewegungen. Die Chitinspangen steigen vom Ende der Ader zur tiefer gelegenen Sigmoidiläche abwärts. Es ist eine Eigentümlichkeit der Adern und damit auch der Flügel- membran, daß sie höher liegen als die Ansatzlinie der Flügelwurzcl am Tergum. Dadurch, daß die Wurzelsklerite zwischen den umgebogenen Band des Metapleurons und die gehobene Flügelfläche eingeschaltet sind, erhält der Flügel eine bedeutendere Bewegungsfreiheit; er kann viel stärkere Ausschläge nach unten ausführen und kommt nicht in Be- rührung mit der pleuralen Partie des Metathorax, wodurch der Flügel- schlag an Kraft einbüßen würde (vgl. Taf . XIV, Fig. 66). Obwohl die Media mit dem motorischen Apparat nur indirekt in Verbindung steht, macht sie alle Bewegungen des ihm angelagerten Radius mit, weil sie sich an der Basis ein wenig unter ihn schiebt (Text- fig. 12 und 13). Diese Einrichtung ist notwendig aus zweierlei Gründen. Beim Heben des Flügels wird durch den Luftwiderstand ein Druck auf die Flügelfläche ausgeübt, der die Media abwärts drückt, so daß sie sich vom Radius entfernt. Die Zwischenmembran wird dabei schlaff, und der Radius, dem vom Sigmoid her die Bewegung mit- geteilt wird, durchschneidet vor der Media messerartig die Luft. Um- gekehrt drückt sich beim Senken des Flügels die Media fest an den Radius, die erschlaffte Membran wird steif und übt als breite Fläche einen wirksamen Druck auf die Luft aus. So verhindert die Media, daß bei schnellen Schlägen die Flugmembran hinter dem steifen Vorder- rand des Flügels schlapp und unregelmäßig nach Art eines an der Raa lose befestigten Segels hin und her flattert und die Sicherheit des Fluges in Frage stellt. Die Anordnung der Adern läßt sich mit einer Jalousie vergleichen, deren Blätter dachziegelartig übereinander greifen und in einer gewissen Stellung eine steife Platte bilden. Werden die Blätter um ihre Längs- achse gedreht, so stehen ihre Flächen parallel aneinander, der feste Zusammenhang ist gelöst und jedes Blatt für sich elastisch und biegsam. Vermöge seiner jalousieartigen Verbindung mit der Media hat der Radius genügende Bewegungsfreiheit, sich ein wenig um seine Längs- achse zu drehen. Die Drehung läßt sich deutlich an der Stellung der Costa ablesen, die von den verschmolzenen Adern des Vorderrandes sich vertikal abknickt. Wenn in der Ruhestellung der Radius ab- wärts rollt, schaut man auf die Fläche der Costa (Taf. XI, Fig. 11 Co). Beim vorgezogenen Flügel aber schiebt sich der Radius auf die Media, indem er sich zurückdreht. Damit biegt sich die Costa auf und statt ihrer Fläche bietet sie ihre Kante dar. Ich habe in den Textfig. 13 und 14 Der Flugapparat der Lamellicornier. 393 eine Reihe von Querschnittsbildern des geöffneten und geschlossenen Flügels wiedergegeben, durch welche die geschilderten Verhältnisse erläutert werden. Zwar besteht die Jalousievorrichtung nur an der Be- rührungszone von Radius und Media, aber die Drehung wird um so deut- licher, je größer die Entfernung von der Wurzel ist; denn beide Adern sind lange Hebelarme. Ihre Wirkung besteht darin, daß das querläufige Gelenk zwischen Radius und Media geöffnet und geschlossen wird. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß Radius und Media in etwa zwei Drittel der Länge vorn und hinten eingekerbt sind. Wird der Flügel eingelegt und der Radius nach außen von der Media weg- gedreht, so knickt sich sein apicales Ende vermöge des Scharnieres ohne weiteres um, und die Membran wird zusammengelegt. Beim Vor- nehmen des Flügels macht der Radius die umgekehrte Drehung zurück auf die Media und teilt diese in verstärktem Maße dem Scharniergelenk mit. Dadurch neigt sich dessen Achse, die ursprünglich senkrecht zur Flügelfläche stand, schief nach hinten, das Ende des Radius biegt sich in die Richtung der Ader auf und die zerknitterte Membran zwischen ihr und Media wird gespannt. Das läßt sich sehr leicht an einer Papier- rolle nachmachen, die man an einer Stelle abknickt. Hält man den abgeknickten Teil in der Hand und dreht den andern um seine Achse, so spürt man in der Hand, die den ersteren festhält, einen Zug nach vorn. Derselbe Zug ist es, der die Falte ausbreitet. Solange die Drehung des Radius andauert, was während des ganzen Fluges der Fall ist, solange bleibt die Flügelspitze flächenhaft ausgebreitet und elastisch. Nur so ist es zu verstehen, daß ein Gelenk, das weit vom motorischen Apparat und mit ihm nur indirekt in Verbindung steht, geöffnet und geschlossen werden kann. Costa, Subcosta, Radius und Media versteifen einen Bezirk der Flügelfläche von der Form eines spitzwinkligen Dreiecks. Das Feld nenne ich Costalfeld^. Hinter ihm verläuft eine tiefe Falte. Bei der Aufsicht auf die Flügelfläche erkennt man sie nicht sofort, da sie von der Media zum Teil verdeckt und von keiner Querader unterbrochen wird, wie bei den Adephagen, wo man die Falte ohne weiteres wahr- nehmen kann. Um ihre Tiefe festzustellen, muß man Querschnitte durch den ausgebildeten Flügel machen (Textfig. 13 und 14). 1 Voss (39) spricht beim Käfer von einem Costalfeld in dem hier gebrauchten Sinn. Er stützt sich dabei auf Amans (3), doch dürfte er ihn nicht richtig inter- pretiert haben. Denn Amans bezeichnet (S. 157) die Vereinigung der Adern anterieure, subanterieure und proanterieure == Costa, Subcosta und Radius als versant basilaire anterieure. 26* 394 Friedrich Stellwaag, SCo + R Durch die Falte wird das Costalfeld des Flügels von dem dahinter gelegenen Analfeld abgegrenzt. Dem Costalfeld gleicht es durch seine dreieckige Form ; während dieses aber durch seine Spitze mit dem Thorax vereinigt ist, liegt das Analfeld mit seiner Breitseite ein Stück weit dem Thorax an. Die Versteifung besorgen die Cubitalader 1 und 2 und die Analader (Textfig 11). Von diesen ist nur die erste kräftiger chitinisiert, erreicht aber nicht die Stärke der Adern im Costalfeld. Das Analfeld ist durch ein Gelenk des Cubitus mit dem Costalfeld in Verbindung (Taf. XI, Fig. 7; Textfig. 15). Nahe an der Wurzel erhebt sich auf dem Cubitus ein Sporn, der in eine Grube der Media 1 paßt und sich mit ihr ligamentös vereinigt. Wenn das Costalfeld die Be- wegungen desTergums mitmacht, so kann die Media 2 auf dem Gelenk- kopf in orocaudaler Richtung spielen und sich dadurch auf dem Cubitus 1 drehen. Aber das Gelenk hat nur einen Freiheitsgrad, denn durch die innige Verbindung der Elemente wird die Bewegung zwangsläufig be- schränkt. Die strahlenförmige Verteilung der Adern im Analfeld läßt sofort erkennen, daß diese eine andre physio- logische Aufgabe zu erfüllen haben, als die Adern des Costalfeldes. Sie liegen weit auseinander und stoßen erst ganz nahe an der W\irzel zusam- '^' "*■ men. Dort verschmelzen die beiden Aufsicht auf die Hinterflügelaclisel von Lu- • i i i i • mnits ceyDusL.ii.iUIeneingezeiclinetenFalteii Cubltaladcrn durch emC stärker chl- vergr. x 5. ^i\ Analfalte; ^«, Anaiis; Co, tinisicrte Stelle der Flügelmembran, Costa; C«i, Cubitus 1; C'mo, Cubitus 2; Ct(f, . r ■ cubitaifaite; .1/ 2, Media 2; Mi\ Membran- während sich die Anahs ein Wenig falte; iJ,. Radius 1; ÄCo, subcosta; TF, verbreitert. Dazwischen verläuft eine Teiniinalfalte. Falte, die beim Zurücknehmen des Flügels eine Rolle spielt. Ich nenne sie Cubitaifaite, Textfig. 15 CuF . Die Adern sind lediglich Spangen, um die schlaffe Flügelmembran ausge- breitet zu erhalten und ihr eine gewisse Geschmeidigkeit bei den Bewegun- gen zu verleihen. Alle drei enden an der Wurzel quer abgestutzt und stoßen dort unter Vermittlung der Axillarmembran an den Anal- pteiler (Taf. XI, Fig. 7 ^4/9/), von Amans Terminal genannt. Er ist ein kräftiges Chitinstück, das medial einen Dorn trägt. Der Pfeiler stützt die anale Flügclhälfte, indem er sich in verschiedenen Flugphasen unter die Aderenden aufrichtet; seine mediale Seite gelenkt vorn mit den Der Flugapparat der Lamellicornier. 395 Chitinspangen der Media und hinten mit dem Scutalgesimse. Da dieses viel tiefer als die Enden der Adern liegt, so steigt der Analpfeiler beim vorgenommenen Flügel nach vorn oben und außen. Sein Sporn wird als Stützpunkt beim Umlegen verwendet und steht auf einem kleinen Plättchen, der Insertionsstelle der Flexores alae 1, 2 und 3. Der Analpfeiler geht mit keinem der Nachbarteile eine innige Verbin- dung ein, denn sowohl an seiner medialen als an der distalen Kante ver- läuft eine Falte, die Terminal- und Analfalte (Textfig. 15). Beide ziehen zum Schnappgelenk des Sigmoides. Die hintere Partie des Analpfeilers schimmert auf der Unterseite der Flügelmembran als ovale Verdickung durch. An sein vorderes Ende stößt ein Chitinfeld, auf das die untere Apo- physe drückt, wenn der Flügel zurückgenommen wird (Taf. XI, Fig. 10). Costal- und Analfeld unterscheiden sich nach den vorhergehenden Erörterungen in verschiedenen prinzipiellen Merkmalen. Der Klarheit und Übersicht halber lasse ich eine Tabelle über ihre wichtigsten Charak- teristica folgen. . A. Costalfeld. 1. Die Adern sind stark chitinisiert (am kräftigsten der Radius). 2. Sie liegen an der Wurzel dachziegelig übereinander. 3. Dadurch erzeugen sie mit der Membran beim Senken des Flügels eine steife Fläche, die als kräftiges Luftruder wirkt. 4. Die Adern sind gegeneinander jalousieartig drehbar. 5. Sie schließen und öffnen die querläufige Falte. 6. Das Costalfeld liegt mit der Spitze dem Thorx an. 7. Die Adern stehen durch ein Schnappgelenk eng mit dem Sigmoid in Verbindung. 8. Durch Sigmoid und Pleuralgelenkkopf wird eine enge Beziehung zum motorischen Apparat hergestellt. 9. Daher wirkt auf das Costalfeld die gesamte indirekte Muskulatur. B. Analfeld. 1. Die Adern sind schwache Leisten. 2. Sie liegen an der Wurzel nebeneinander. 3. Sie versteifen die Fläche des Feldes, um sie ausgebreitet zu halten. 4. Das Analfeld liegt mit einer Seite dem Thorax an. 5. Die Adern sind an der Wurzel quer abgeschnitten. 6. Die Verbindung mit der Wurzel und dem Segment wird durch eine Membran bewerkstelligt, ist also sehr locker. 7. Das Terguni kann keinen direkten Einfluß auf das Feld ausüben. 8. Das Analfeld wird vom Vorderfeld bei allen Bewegungen mitgezogen. 39(3 Friedrich Stelhvaag, Die Existenz der Membranfalte bringt dem Flügel bei seinen kom- plizierten Vertikal- und Drehbewegungen bedeutende Vorteile. Jede Lageveränderung des Costalfeldes wird in schwächerem Maße auf das Analfeld übertragen, so daß dieses ganz ähnliche Bewegungen aus- führt wie das Costalfeld. Natürlich verringert sich der Einfluß mit zunehmender Entfernung von der Falte zum Hinterrand, der infolge seiner Elastizität sich den Luftströmungen vorzüglich anschmiegt, die vom Costalfeld erzeugt werden und nach hinten abfließen. Trotzdem ist der Zusammenhang mit dem Costalfeld doch stark genug, um zu ver- hindern, daß das Analfeld schädliche Eigenbewegungen ausführt. Anderseits wird das Costalfeld vom Analfeld in seiner Bewegungsfreiheit nicht gestört, da der Zusammenhang der beiden nicht so eng ist, wie wenn die Falte durch eine Membran von derselben Elastizität wie die übrige Flügelfläche ersetzt wäre. Die Zerlegung der Flügelfläche in zwei Felder durch die Membran- falte habe ich 1909 (Stellwaag 34) beim Flügel der Biene festgestellt. Die Falte verläuft dort hinter dem Cubitus (nach der Nomenklatur von Comstock), wendet sich aber nach vorn und zieht unterhalb des mit der Media vereinigten Radius zum Wurzelstift (Sigmoid Amans). Auch Voss spricht in Anlehnung an Amans von einem Costal- und Analfeld bei Gryllus domesticus: »Da es von morphologischer und mechanischer Bedeutung nicht nur für Orthopteren, sondern ganz allgemein für sämtliche 'abgeleiteten' Insektentypen ist, die vier ersten Felder (Costal-, Radial-, Medial- und Cubitalfeld) als eine. Einheit dem Analfeld, Analfächer, gegenüberziistellen, . . . und da die Costal- ader von großer mechanischer Bedeutung für den ersten Flügelabschnitt inid auch hauptsächlich an der Bildung des Gelenkes beteiligt ist, so seien die genannten vier Felder als Costalfeld, Vorderfeld, Schulterfeld im weiteren Sinne zusannnen- gefaßt. « Das Costalfeld entspricht hier dem Gebiete der Adern I — ^VIII d. h. dem Gebiete von Costa, Subcosta, Radius, Media, Submedia, Cubitus und Subcubitus. Letzterer bildet die tiefe Falte, die in der Wurzel unter dem Radius bis zum Mittelgelenkstück läuft. Die Costalfelder sind in den drei Fällen analog, trotzdem die Falte an verschiedenen Stellen liegt, weil sie von der indirekten Muskulatur durch das Tergum unter Vermittlung des Sigmoides bewegt werden. Die Falte wird eben dorthin verlegt, wo sie aus physiologisch mechanischen Gründen be- nötigt wird. Aus der Tatsache, daß der Radius beim Vorziehen sich aut die Media rollt, und daß das Analfeld vom Costalfeld bei den Bewegungen Der Flugapparat der Lamellicornicr. 397 mitgezogen wird, erklärt sich die schraubenförmige Gestalt des Flügels, die schon Pettigrew (27) aufgefallen ist. Niemals findet man einen vollkommen eben ausgebreiteten Flügel, Wird der Flügel aus der Ruhelage in die Flugstellung gebracht, so wird er durch die Adern des Vorderrandes vorgezogen, die durch ihre Drehung gegen die Media einen kräftigen Zug nach vorn auf die Fläche ausüben. Der Zug, der für die medialen Zweidrittel des Flügels genügt, ist aber zu stark für die Spitze, die einen Ausweg nach aufwärts sucht, der ihr durch die Neigung der Scharniergelenkachse im Radius gewiesen wird. Daher biegt sich der apikale Teil des Flügels nach vorn oben. Ihm entgegen- gesetzt biegt sich der Hinterrand des Flügels nach hinten oben, da sich der Analpfeiler unter die Adern des Analfeldes stellt. Die Kombi- nation der beiden Wirkungen auf die Flügelfläche ergibt als Resultat, daß die Flügel >>um sich selbst gewunden« sind und, daß »ihre freien Ränder jene schönen Kurven bilden, welche so mächtig auf die Luft wirken«. Es ist das ein neuer Beweis gegen die Theorie von Marey, nach der alle Lageveränderungen und W^ölbungen des Flügels nur auf die Wirkungen des Luftwiderstandes zurückzuführen seien. Das vorliegende Kapitel hat gezeigt, daß Elytren und Hinterflügel ganz verschiedene morphologische Eigenschaften in ihrer Fläche, wie in der Ausbildung der Wurzelelemente aufweisen und daß sie daher verschiedene Voraussetzungen für ihre mechanischen Leistungen be- sitzen. Ich fasse zum Schluß des Kapitels ihre diesbezüglichen Unter- schiede und Ähnlichkeiten übersichthch zusammen. A. Unterschiede. Deckflügel. Hinterflügel. 1. Steif und hart. Elastisch. 2. Einheitliche Platte von annähernd Platte von abwechselnder gleichmäßiger Dicke. Dicke (Membran u. Adern). 3. Die Fläche kann nicht gefaltet Wird gefaltet, werden der Länge und Quere nach. 4. Wurzel kurz, daher schmale Ver- Lange Wurzel. Lange Ver- bindung mit dem Tergum. bindung mit dem Tergum. 5. Entfernung der Wurzel von der Entfernung weit. Sagittalebene gering. 6. Die Form der Deckflügel ist den Nicht angepaßt. Nachbarteilen angepaßt. 7. Beschränkte Beweglichkeit. Viele Freiheitsgrade des Ge- lenkekomplexes. 398 Friedrich Stellwaag, Deckflügel. Hiuterflügel. 8. Achselstück I kann sich nur in be- Öigmoid gleitet über den stimmter Richtung auf dem Ely- Pleuralgelenkkopf. trenpostament neigen. 9. Sperrhöcker starr und unbeweg- Beweglich und mit einem lieh. An ihm inseriert kein Muskel. kräftigen Muskel verbun- den. 10. Der laterale Elytrenrand wird von Hinterflügel steht hoch auf der Zunge des Episternum über- dem Pleuralgelenkkopf. deckt. B. Ähnlichkeiten. 1. Zerlegung der Wurzel in Elemente. 2. Faltbarkeit der Wurzel. 3. Drei Apophysen stehen am Vorderrand, eine vordere, eine hintere, eine untere, 4. Die hintere Apophyse bildet mit einem Achselstück (Achselstück I im Deckflügel, Sigmoid am Hinterflügel) einGesperre, um die Flügel in der Fluglage zu halten. 5. Die untere Apophyse steht in der Ruhe hinter dem Sperrhöcker und wird dadurch in ihrer Lage fixiert. 6. Der Wurzelpfeiler der Elytren ist analog dem der Hinterflügel. 7. Die Bewegung der Flügel erfolgt durch Druck des Tergum auf ein Achselstück und durch Gegendruck eines Chitinfortsatzes des Pleuren (Elytrenpostament — Pleuralgelenkkopf). Die Flug-Muskulatur und ihre Wirkungsweise. Die Kenntnis der morphologischen Charaktere des Thorax bildet die notwendige Vorbedingung für die Untersuchung der Muskeln. Höchst selten kann man bei Insekten einen Muskel während seiner Funktion direkt beobachten; man ist meist gezwungen, aus seiner An- satzstelle, seiner Richtung und seinem Ursprung Schlüsse auf seine Leistung zu ziehen. Um möglichst exakte Resultate zu bekommen, habe ich daher neben der Sektion die Schnittmethode angewandt, nachdem mir älteres Puppenmaterial in genügender Menge vom Mai- käfer, Rosenkäfer und andern Lamellicorniern zur Verfügung stand. Über die Muskulatur der Käfer sind bisher mehrere Abhandlungen erschienen, aber die gründhche Untersuchung von Strauss (37) am Maikäfer blieb bisher unübertroffen. Zwar hat 1910 Bauer (5) die Muskulatur von Dytiscus klarzustellen versucht, allein der Wissenschaft- Der Flugapparat der Lamellicornier. 399 liehe Wert der Arbeit wird wenigstens für den Flugapparat bedeutend abgeschwächt, da er die erforderlichen Details ungenügend berück- sichtigte. Gerade die Wirkungsweise der direkten Muskeln kann man ohne genaue Kenntnis der Elemente der Flügelwurzel gar nicht ergründen. Daher wurde er zu verkehrten Vorstellungen über die Funktion, zu falschen Identifizierungen und zu zahllosen Unklarheiten geführt, abgesehen da- von, daß es ihm nicht möglich war, die Angaben in der Literatur kritisch zu bewerten 1. (Eine gründliche Nachprüfung der Untersuchung behalte ich mir vor.) Da außerdem Dytiscus in der Existenz mancher kleinen Mus- keln von den Lamellicorniern abweicht, kommt für die vorliegende Un- tersuchung vor allem Steauss in Betracht. Er gab von jedem Muskel eine vollständige und klare Diagnose, wie keiner der späteren Autoren. Bezüglich des Zusammenwirkens der Muskulatur für die Bewegung des Flugapparates habe ich allerdings eine andre Auffassung gewonnen. Flug-Muskulatur des Mesothorax. Beim Maikäfer stellte ich im Mesothorax folgende Muskeln fest: A. Indirekte Muskeln. Musculus levator Elytri (Abbaisseur de l'Ecusson Steauss, Sternali dorsal anterieur Amans, M. levator Elytrae Bauee) ; Taf . XIV, Fig. 52, 53, 54 LE. Taf. XII, Fig. 21—27 blau. Inseriert vor der Elytrenwurzel nahe am Vorderhorn des Schild- chens und zieht zur Transversalapophyse des Episternum. Er senkt das Vorderhorn des Schildchens und hebt dadurch den Deckflügel. Musculus retractor Mesonoti (Retracteur de l'Ecusson Steauss, M. dorsal Amans, Musculus mesonoti Bauee) ; Taf. XIV, Fig. 52 und 53 Re. Taf. XII, Fig. 23—35 grün. Inseriert am Vorderrande des Schildchens und zieht nach rück- wärts zum Praephragma des Metathorax. Er zieht das Schildchen nach hinten und senkt es, so daß es sich mit den Hinterhörnern auf dem Mesothorax bewegt. 1 Das erste ist z. B. der Fall beim Musculus mesonoti (superior et inferior), beim Musculus extensor alae anterior, von dem Bauer behauptet, er stehe direkt mit der ersten Flügelrippe in Verbindung, so daß der Flügelschlag nach vorn und oben zustande kommt, das zweite beim Musculus levator elytri, den er mit dem Adductor elytri zu identifizieren versucht, obwohl ihn Sträxjss klar und deut- lich als abbaisseur de l'ecusson bezeichnet hat. Außerdem spricht er ganz un- bestimmt von »einem Chitinfortsatz des Mesothorax«, von »einem Gelenlvfortsatz des Mesothorax«, von »einem Gelenkfortsatz der Elytre«, von »einem Chitin- fortsatz des Flügelgelenkes « ; der Musculus relaxator extensoris entspringt »an den Chitinplatten« am Flügelgrunde. 4:00 Friedrich Stellwaag, Musculus adductor praephrastmatos metathoracis (Abais- seur du diaphragme Strauss) ; Taf. XIV, Fig. 52, 53 Ad P. Taf . XII lila. Beginnt am mittleren Teil des Praephragma des Schildchens und inseriert mit einer Sehne zum Teil an den Hinterhörnern des Schild- chens, zum Teil am Praephragma des Metathorax. Durch seine Kon- traktion wird das Praephragma nach .einwärts gezogen und gewisser- maßen seitlich komprimiert, so daß der Wurzelpfeiler aus der Rinne des Hinterhornes befreit wird. B. Direkte Muskeln. Adductor Elytri I und II (Tai. XIV, Fig. 52, 53, 54 Ad.E I und 77) (Adducteur de l'Elytre, Strauss, Muscle du tampon Amans). Taf. XII, gelb und weiß. Nr. I. Setzt an der Transversalapophyse des Episternum an und inseriert mit einer Sehne am Pfeiler und zwar an der dem Schildchen benachbarten Kante. Nr. II. Beginnt am vorderen Umschlagsrand des Episternum und inseriert ebenfalls am Pfeiler. Sie legen den Wurzelpfeiler nach innen und unten um und drehen dadurch die Elytren nach innen. Extensor Elytri anterior (l'extenseur de l'elytre Strauss, preaxillaire Amans, Musculus flexor coxae mesothoracis = indirekter Muskel Bauer); Taf . XIV, Fig. 52^».«; Taf . XIV. Taf. XII rot. Inseriert an zwei Stellen: 1. am Vorderrande der Mittelcoxa, 2. am unteren inneren Sporn des Vorachselstückes. Er dreht das Vorachselstück nach innen, indem er es zu gleicher Zeit herunterzieht und hebt dadurch den Deckflügel. Extensor Elytri posterior (Flechisseur de l'Elytre Strauss); Taf. XIV, Fig. 54 Ex ^. Taf. 12 punktiert. Inseriert mit einer langen Sehne am Außenast des Wurzelpfeilers und zieht zum Oberrand des Epimerons. Er stellt den Wurzelpfeiler auf und beteiligt sich daher an der Rotation der Elytren nach außen. Die Cetoniinen unterscheiden sich in Bau und Zahl der raesothora- kalen Muskeln beträchtlich von Melolontha. Meine Schnittserien Taf. XII, Fig. 12 — 20. zeigen zwar den Retractor und Levator Elytri, sowie den Adductor praephragmatos in gleicher Lagerung, gleicher Ansatz- und Ursprungsstelle wie beim Maikäfer, allein der Retractor erscheint als ein schmales Band im engen Raum des Schildchens und die Masse des Levators und Adductors ist bedeutend geringer. Von den direkten Muskeln ist nur der Extensor Elytri anterior vor- handen. Der Flugapparat der Laniellicornier. 401 Zur Bewegung der Elytren vereinigen sich also sieben Paar Muskeln, und zwar vier Paar direkte und drei Paar indirekte Muskeln. Keiner der indirekten Muskeln verbindet das Tergum mit dem Sternum wie im Metathorax. Die direkten Muskeln inserieren teils am Vorderende der Elytren\vurzel (Extensor Elytri anterior), teils am hinteren Ab- schnitt (zwei Adductores Elytri und Extensor Elytri posterior). Die beiden Chitinverdickungen des ersten und zweiten Achselstückes werden daher nur mittelbar durch die direkten Elytrenmuskeln bewegt. Wie oben (S. 383) erwähnt, liegen Vorder- und Hinterrand der Elytrenachsel in der Ruhe aufeinander wie die Flächen eines gefalteten Papierstückes. Um die Elytren aus dieser Lage zu heben, wirken zweierlei Bewegungen zusammen, eine Drehung in horizontaler Rich- tung und eine Hebung. Beide erzeugen als Resultante die Bewegung der Elytren schief nach oben und außen. Die Drehung' wird ermöglicht durch die innige Verbindung von Achselstück 1 mit dem Schild chen und dem Elytrenpostament. Die in der Stellung des Achselstückes 1 gegebene Achse bleibt in ihrer Lage unbeweglich, wenn der Deckflügel einen horizontalen Halbkreis beschreibt. Da er aber zwischen Pleuron und Tergum eingeschoben ist und das Tergum durch den Zug seiner Muskeln zunächst nach vorn und dann nach hinten unten gedrückt wird, so muß sie sich ebenfalls zunächst nach vorwärts neigen, um bei starker Muskelkontraktion nach innen unten umgelegt zu werden. Man kann diese Bewegungen durch einen entsprechenden Druck auf das Schildchen nachahmen und dadurch die Elytren hochstellen, wenn man sie vorher aus ihrer Umgebung frei gemacht und nach vor- wärts gedreht hat. Die künstlich hervorgerufene Bewegung der Elytren entspricht den natürlichen Verhältnissen. Demnach kann man vier Bewegungs- phasen unterscheiden : 1. Lockerung der Elytren. 2. Drehung der Elytren nach vorn. 3. Hebung der Elytren. 4. Zurücknehmen der Elytren. 1. Lockerung der Elytren. Im Ruhezustand ist die Achsel vollkommen gefaltet. Das Achselstück III schmiegt sich mehr oder weniger quer geneigt in die Rinne des Hinterhornes. Achselfeld und Apophysen liegen hori- zontal, die ventrale Apophyse stößt an den Sperrhöcker, der Flügel 402 Friedrich Stellwaag, bedeckt den Körper und ist mit ihm durch zahlreiche Gesperre innig verzahnt. Die Lockerung der Elytren wird eingeleitet durch den Musculus levator Elytri, der einen kräftigen Zug auf die Vorder- hörner des Schildchens ausübt. Dieses gelenkt mit Hilfe des Achsel- stückes I auf dem Episternum und neigt sich nach vorn unten. Dadurch wird der Raum zwischen Meso- und Metatergum erweitert, indem sich die Spitze des Schildchens hebt. Gleichzeitig werden die Hinterhörner gehoben und ziehen ihren Stützpunkt am Präscutum mit in die Höhe. Zugleich nähert der Adductor praephragmatos die Hörner der Me- dianebene. Seine und des Levators Kontraktion hat also zur Folge, daß die Elytren genügend Platz bekommen, um sich aus ihrem Ver- schluß mit der Umgebung frei zu machen. Zwar verharrt ihre Fläche vorläufig in ihrer horizontalen Lage, allein die Hebung der Hinterhörner bewirkt, daß die enge Beziehung zwischen diesen und dem Wurzel- pfeiler aufgehoben wird, so daß dieses Achselstück sich ungehindert bewegen kann. 2. Drehung der Elytren nach vorn. Während bisher nur indirekte Muskeln wirksam waren, treten jetzt die direkten Muskeln in Aktion und zwar am vorderen Ende der Achsel der Extensor anterior Elytri und am hinteren Ende der Extensor posterior. Letzterer zieht den Außenast des Achselstücks III nach außen und stellt dieses aus seiner geneigten Lage senkrecht auf, so daß es als kräftiger Pfeiler das Achselfeld stützt. Dabei drückt es auf dessen Unterseite und hebt den medianen Rand der Elytren aus seiner engen Verbindung mit dem Metatergum. Sobald die Elytren aus diesem Gesperre befreit sind, lösen sich ihre verschiedenen andern Gesperre ohne weiteres. Man kann sich leicht davon überzeugen, wenn man die Elytren künstlich heben will. Jeder andre Zug führt zum Mißerfolg oder verletzt sie. Je mehr die Stellung des Achselstückes III sich der Vertikalen nähert, desto mehr geht der Flügel in die Höhe und die Achselfalte verschwindet. Der Flügel gleitet aus der pleuralen Schiene und schiebt sich auf die obere Kante der Zunge des Episternum. Der Extensor anterior zieht das Vorderachselstück und die drei Apophysen nach unten und innen. Die Achsel rotiert um ihre Mittelachse, und der Flügel gleitet über die Pleuralzunge, bis die Kerbe des ersten Apo- physenendes in den Kopf des ersten Achselstückes einschnappt und das Gesperre (s. S. 380) schließt. Dann sind die Elytren in ihrer Lage vollkommen fixiert, auch wenn die Kontraktion der beiden Der Flugapparat der Lamellicornier. 403 Extensoren nachläßt. DieElytren stehen in schiefem Winkel etwas nach hinten außen ab, ihre Fläche neigt sich von vorn unten nach hinten oben. Weiter können die Elytren überhaupt nicht vorgezogen werden, Sie können aber während des Fluges auch nicht etwa durch Wirkung der Flexoren aus ihrem Zwangsverschluß befreit werden, da sie dann dem Luftstrom preisgegeben haltlos hin und her schwanken würden. Das ist einer der Gründe, warum die Elytren nicht als Balanzierorgane ver- wendet werden können. Da in der Phase der Drehung jeder Flügel von seinen eignen direkten Muskeln bewegt wird, so kann jeder unab- hängig vom andern vorgezogen werden. Davon kann man sich leicht am lebenden Tier überzeugen. 3. Hebung der Elytren. Das Schildchen wird von neuem bewegt, die Musculi levatores Elytri verharren in ihrer Kontraktion und die Retractores meso- noti üben einen kräftigen Zug nach hinten aus, indem sie das Schild- chen an das Metatergum heranziehen, l^abei stemmen sich die hinteren Hörner auf das Präscutum: Das Schildchen wird in der Resultante der beiden Bewegungen nach hinten und ein wenig nach unten gezogen, es drückt die Achselstücke I nach innen und unten, und die Elytren steigen in die Höhe. Weil die Retractoren in der Mitte zusammenstoßen, so funktionieren sie vollkommen gemeinsam, sodaß beide Elytren ihre Bewegungen stets gleichmäßig ausführen. Da das Schildchen durch den kräftigen Zug der Retractoren eng an das Metatergum angeschlossen wird, übertragen sich die vibrieren- den Bewegungen der indirekten Muskulatur des Metathorax auf die Elytren und veranlassen sie zum Mitschwingen. 4. Zurücknehmen der Elytren. Die Senkung der Elytren wird bewerkstelligt durch die Entspannung der Retractoren, so daß die Elytren in die zweite Phase zurück- kehren. Weiterhin hört die Kontraktion der beiden Extensoren jeder Seite auf, die zwei Adductoren öffnen das Gesperre dadurch, daß sie die Rotation um das erste Achselstück in die Wege leiten und die Wurzelpfeiler in die Rinne der Hinterhörner zurückbringen. Die Kontraktion der indirekten Retractoren drückt das gehobene Schildchen an das Metatergum heran und veranlaßt die medianen Rän- der der Elytren in den Falz des Scutums einzuschnappen und dadurch sämtliche Gesperre der Elytren zu schließen. •iO-i Friedrich Stellwaag, Flugmuskulatur des Metathorax. Wie im Mesothorax die Bewegung der Elytren, so wird im Meta- thorax die Bewegung der Flügel durch die kombinierte Tätigkeit der direkten und indirekten Muskulatur bewerkstelligt. Allein die von den Muskeln hervorgebrachten Wirkungen unterscheiden sich in beiden Segmenten bedeutend voneinander. Im Mesothorax wirkt die gesamte Muskulatur zusammen, um die Elytren aus ihrer horizontalen Ruhe- lage nach vorn zu ziehen, aufzurichten und wieder zurückzunehmen. Einmal aufgerichtet wird der Flügel weiterhin in dieser Stellung belassen und nicht aktiv bewegt. Seine Vibrationen sind lediglich sekundärer Natur und durch die Bewegungen der Muskulatur im Metathorax ver- anlaßt; denn es fehlen Muskeln, die Schildchen und Elytren in verti- kale Schwingungen versetzen könnten. Im Metathorax aber erreichen gerade diese das Übergewicht. Als indirekte Muskeln füllen sie in dicken Paketen den größten Teil des geräumigen Segmentes aus. Im Verein mit der direkten Muskulatur ziehen sie den Flügel in die Flug- stellung und veranlassen ihn zu energischen Vertikal- und Drehbewe- gungen, deren rapide Aufeinanderfolge den Käfer in die Luft erhebt und vorwärts treibt. Für alle Lamellicornier, die ich untersuchte, einschließlich Cetonia, stellte ich folgende Muskeln fest: A. Indirekte Muskeln. 1. Musculus mcdianus metathoracis. (Nach Bauer, Abaisseur de l'aile nach Strauss) Taf. XIV, Fig. 55 Mm; Taf . XIII orange. Inseriert als sehr kräftiger Muskel am PraephragmadesMetatergum, das er ganz bedeckt, und zieht zum Postphragma. Krümmt das Ter- gum. indem er es in seiner Mitte hebt und bringt dadurch das Senken des Flügels hervor. 2. Musculus lateralis metathoracis tertius. (Musculus lateralis metathoracis posterior nach Bauer, Pretracteur de l'aile nach Strauss); Taf. XIV, Fig. 56Zm/7/; Taf. XIII blau. Inseriert am lateralen Bezirk des hinteren Drittels des Tergum und zieht zum lateralen Ast des Postphragmas. Er zieht das Tergum nach hinten und ein wenig nach unten, so daß die gleitende Bewegung des Sigmoides auf dem Wurzelpostament unterstützt wird. Er hebt indirekt den Flügel nach oben und hinten. Der Flugapparat der Ijamellicornier. 405 3. Musculus lateralis metathoracis primus. (Musculus lateralis metathoracis anterior Bauek, Elevateur anterieur de l'aile Strauss); Taf . XIV, Fig. 55 und 5Q Lml; Taf. XIII grün. Inseriert ander lateralen und hinteren Partie des Praescutums und zieht nach hinten und unten zum Entosternum. Drückt auf das Ter- gum nach hinten und unten. Heber des Flügels. Antagonist des Musculus metathoracis medianus. 4. Musculus lateralis metathoracis secundus. (Elevateur posterieur de l'aile Strauss) ; Taf. XIV, Fig. 55 und 5(1 Lmll; Taf. XIII, lila. Inseriert an der lateralen Partie des Tergum und zieht nach hinten unten zum Hinterrand des Sternum, wo er mit einem kleinen Napf nahe der Medianlinie inseriert. In seiner Funktion gleicht er dem vorigen. 5. Musculus flexor coxae metathoracis secundus. (Le second flechisseur Strauss); Taf. XIV, Fig. 56 FlcII; Taf. XIII punktiert. Beginnt hinter Nr. 4 und zieht hinter ihm zur Coxa, wo er mit einer verbreiterten becherartigen Fläche inseriert. Bei fixierter Coxa wirkt er als Heber des Flügels. B. Direkte Muskeln. 1) Musculus extensor alae anterior. (Nach Bauer, Extensor ant. de l'aile Strauss); Taf. XIV, Fig. 57 Eaa; Taf. XIII rot. Inseriert am vorderen großen Napf und zieht nach unten und hinten zum Sternum. Durch seine Kontraktion wird die Sehne des Napfes vermöge ihrer Verbindung mit dem Pleuralgelenkkopf spirahg nach innen gedreht. Dadurch wird sein Gesperre mit der unteren Apophyse des Flügels gelöst und der Flügel breitet sich aus. 2. Musculus retractor alae. (Musculus extensor alae posterior Bauer, Extenseur posterieur de l'aile Strauss); Taf. XIV, Fig. 57 R.a; Taf. XIII gelb. Inseriert am hinteren Napf und zieht zur hinteren Coxalfalte der Hüfte, wo er mit Hilfe einer langen Sehne und eines Becherchens ent- springt. Da der hintere Napf median vom Achselstück III liegt, so wird dieser durch die Kontraktion median umgelegt, wodurch der Flügel an der Wurzel gefaltet wird^. 1 Noch besser wie Melolontha oder Cetonia zeigt die Insertionsstelle Dytiscus., 406 Friedrich Stellwaag, 3. Musculus relaxator extensoris. (Nach Bauer, le Releveur de la grande cupule Strauss); Taf. Xiy, Fig. 51 ReE; Taf. XIII weiß. Ein kleiner Muskel, der am großen Napf inseriert und ihn mit dem nahe gelegenen Scutum verbindet. Er zieht schief nach unten und innen. Er dreht die Sehne des Napfes spiralig zurück, nach dem Nachlassen der Kontraktion des M. extensor alae anterior. Er spielt somit eine Rolle beim Zurücknehmen des Flügels. 4. Musculus relaxator alae. (Nach Bauer, Relaxateur de l'aile Strauss) ; Taf. XIV, Fig. 57 Re a ; Taf. XIII weiß. Er verbindet die Kante des Scutum mit dem Sperrstab des großen Napfes. Seine Wirkung gleicht der des vorigen Muskels. 5. Musculus flexor alae I (Nach Bauer, Flechisseur de l'aile Strauss); Taf. XIV, Fig. 57 FII. Taf. XIII weiß. Inseriert am medialen Dorn des Analpfeilers und zieht nach vorn zum Pleuralgelenkkopf. 6. Musculus flexor alae II (Taf.XIV, Fig. 57i^/ //). Taf.XIIl weiß. Beginnt am Epimeronkamm und inseriert wie Nr. 5. 7. Musculus flexor alae III (Taf. XIV, Fig. 57 JZ/7Z, Taf.XIIl weiß). Inseriert ebenfalls wie Nr. 5 und beginnt am Epimeralkamm. Alle drei Muskeln falten den Flügel. Die Ausbreitung des Hinter- flügels kann außer bei Cetonia erst dann vor sich gehen, wenn er nach Hochstellung der Elytren für alle Bewegungen den nötigen Spielraum erhalten hat. Soll der Flügel aus seiner Ruhelage in die Flugstellung gebracht werden, so muß zunächst das Gesperre an der Wurzel geöffnet werden, welches der Sperrhöcker mit der Costa und der unteren Apophyse bildet (Textfig. 10, S. 389). Der Sperrhöcker ist am Pleuralgelenkkopf zwangsläufig beweglich wegen seiner spiralig verlaufenden Anheftungs- stelle. Kontrahiert sich der Extensor anterior, so wird der Napf spiralig um den Pleuralgelenkkopf nach einwärts und ein wenig nach wo zwischen ihr und dem Pfeiler eine breite Membran liegt. Diese wird durch die Kontraktion des Muskels nach innen gezogen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dadurch der »durch den Bau des Gelenkes bedingte komphzierte Flügel- schlag nach vorn und oben (sie!) bewirkt« werden soll, wie Bauer behauptet. Der Flugapparat der Lamellicornier. 407 unten gedreht. Das Ende der Sehne macht den umgekehrten Weg nach außen und gibt den Knopf der unteren Apophyse und mit ihm den Flügel für die folgenden Lageveränderungen frei. Das ist die eine Wirkung des Extensors. Die andre besteht darin, den Flügel nach vor- wärts zu bringen, indem der orale Sporn der Apophyse, der vorher im engen Spalt zwischen vorderer und unterer Apophyse gelegen war, bei zunehmender Kontraktion das Ende der Costa nach innen und ab- wärts zieht. Infolgedessen schiebt sich der Knopf der inneren Apophyse auf den Sperrhöcker, was um so leichter geschehen kann, als dieser sich keilförmig nach hinten zuspitzt. Der Kopf spielt weiterhin die Rolle eines Unterstützungspunktes für einen Hebel mit einem langen und einem unverhältnismäßig kurzen Hebelarm. Die vordere Apophyse (kurzer Arm) wird durch den Druck des Spornes nach hinten und unten gezogen, während der lange Hebelarm der Vorderrandadern einen ent- sprechenden Ausschlag nach vorn und schwach nach oben macht. Das concave Ende der hinteren Apophyse legt sich in die ihm entsprechende Oberfläche des Sigmoidkopfes, und der Druck des Sigmoidspornes schließt das Gesperre von hinten her vollkommen. Die Vorderrand- adern und folglich auch das Costalfeld stehen dann im stumpfen Winkel schief nach hinten außen von der longitudinalen Körper- achse ab. Ehe die hintere Apophyse den Anschluß an das Gesperre erreicht, dreht sich der Radius auf die Media (s. S. 392) und schiebt sich daher schraubenförmig an das Sigmoid. Dadurch wird das querläufige Gelenk geöffnet. Alle Ausschläge des Flügels werden durch die gesamte indirekte Muskulatur hervorgebracht. Um den Flügel zu heben, kontrahiert sich der Musculus late- ralis metathoracis I, II und III und der zweite Beuger des Hin- terbeines. Sie üben auf das Tergum einen energischen Zug nach hinten und unten aus. Das Tergum gibt in gleicher Richtung nach und zwar vorn stärker wie hinten, da es vorn die größere Bewegungs- freiheit besitzt. Seine Verschiebungen übertragen sich unmittelbar auf das Sigmoid, das auf der starken Chitinsäule des Pleuralgelenk- kopfes und dadurch auf dem starren Widerlager des Pleuralsternum gelenkt. Das Sigmoid gleitet mit Hilfe seiner rinnenförmigen Kerbe über den Pleuralgelenkkopf weg und erzeugt einen Ausschlag des Flügels nach hinten und oben. Bei extremer Kontraktion der Muskeln drängt sich das Tergum mehr oder weniger zwischen die Pleura, so daß der Sigmoidkopf nach einwärts gedrückt wird. Die ihm angeschlossenen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 27 408 Friedrich Stellwaag, Vorderrandadern drehen sich dann nach außen, so daß sie bei der Ansicht von vorn ihre Unterseite darbieten (Taf. XIV, Fig. 64), Die Bewegungen des Costalfeldes üben wenig Einfluß auf das Anal- feld aus, da es mit dem motorischen Apparat nur indirekt in Verbindung steht. In der Phase extremer Hochstellung wölbt sich daher die Ober- fläche des Flügels concav (Taf. XIV, Fig. 64) ; denn das Costalfeld ist schief nach vorn innen gerichtet, während sich das Analfeld schief nach außen stellt. Die Falte hinter dem Costalfeld bildet die Kante der Winkel- knickung. Cetonia zeigt die Wölbung viel deutlicher als die andern Lamellicornier, da das Analfeld an seiner Achsel zum Teil unter den Elytren zurückbehalten wird, während das Costalfeld sich sehr stark nach vorn und innen neigt. Alle Bewegungen des Hebens kann man durch einen entsprechen- den Druck auf das Terguni künstlich hervorrufen. Die Tiefstellung der Flügel wird einzig und allein durch den paarigen Musculus medianus metathoracis hervorgebracht. Er bringt die vordere Partie des Tergum an das Postphragma heran und wölbt da- durch die elastische mittlere Zone empor. Das Sigmoid schiebt sich zunächst nach vorn außen über den Pleuralgelenkkopf weg und mit zunehmender Wölbung schief nach abwärts. Daher beschreibt der Flügel einen Weg von hinten oben nach vorn unten. Die Vorderrand- ädern drehen sich dabei um ihre Achse, so daß sie ihre Oberseite nach vorn wenden. Das Costalfeld steht am Ende der Bewegung schräg nach vorn unten, während das Analfeld nur unvollkommen mitgezogen wird, da der Analpfeiler durch seine vertikale Stellung die Analpartie unterstützt. Betrachtet man den Käfer von vorn, so schaut man auf die Oberseite des Costal- und auf einen Teil des mitgezogenen Anal- feldes (Taf. XIV, Fig. 66). Der Ausschlag nach vorn unten erfolgt genau in der Verlängerung des Ausschlages nach hinten oben und zwar in einer Achse, die sehr schief zur Längsachse des Körpers steht. Nach rückwärts wird die Spitze bis in die Gegend der letzten Abdominalsegmente gehoben, nach vorn unten aber neigt sie sich über den Kopf hinaus. Daß der Flügel so weit nach vorn unten ausgreifen kann, verdankt er neben der S. 392 erwähnten Eigentümlichkeit dem Umstände, daß seine Wurzel durch den Pleuralgelenkkopf ein Stück weit über die Pleura emporgehoben ist. Wenn der Käfer schnell fliegt, kann man beobachten, daß die Flügel- spitzen bei extremer Hochstellung sich stärker nähern als bei der ex- tremen Tiefstellung und zwar so stark, wie man es künstlich nicht nach- machen kann. Es bedarf wohl keines Hinweises, daß dabei der Wider- Der Flugapparat der Lamellicornier. 409 stand der Luft eine Rolle spielt. Bei allen Bewegungen des Flügels geht der mit der Subcosta vereinigte Radius stets voran und führt nicht nur die Hebung und Senkung, sondern auch die verschiedenen Drehungen zuerst aus. Die Bewegungen übertragen sich unmittelbar auf Media und Costalfeld und erst sekundär auf das Analfeld. Die kombinierten Vertikal- und Drehbewegungen gleichen im Prinzip denen, die der Flügel der Biene während des Fluges ausführt, obwohl sich die beiden Flugapparate in wesentlichen Punkten ihrer Konstruktion unterscheiden. Denn dort liegt das motorische Centrum hauptsächlich im Mesothorax, weil dem Vorderflügel die meiste Arbeit beim Fluge zufällt. Bei der Biene fällt die pleurale Kante des mäch- tigen Mesopleurosternums gegen das Metasternum allmählich ab und bildet dadurch einen Buckel, über welchen die Flügelwurzel leicht hin- gleiten kann. Das Scutum ist eine tief muldenförmig gehöhlte Chitin- platte, welche einen oralen Ausschnitt besitzt, den eine äußerst starke durch ihre tiefschwarze Färbung stets kenntliche Chitinverdickung umrahmt. Diese beiden Scutalhaken umfassen vorn und hinten ein schraubenschlüsselförmiges Stück der Flügel wurzel, den Wurzelstift, dessen Anschluß an die Vorderrandadern der Verbindung des Sigmoides der hinteren Apophyse beim Käfer gleichkommt. Die Hebung des Flügels erfolgt durch Senken des Mesonotums, die Senkung aber durch die Einwirkung des Mesophragmas, dessen laterale Enden sich unter die Flügelwurzel pressen. Ebenso wie beim Käfer reicht die Annäherung der tergalen an die sternalen Partien vollkommen aus. um einen Ausschlag des Flügels nach hinten oben hervorzurufen und ihn gleichzeitig so zu drehen, daß man bei Betrachtung der extremsten Hochstellung ihre Unterseite von vorn überschauen kann. Ebenso genügt die Kontraktion der horizontal verlaufenden indirekten Muskeln, um den Flügel nach vorn und unten zu stoßen und so zu drehen, daß seine Oberfläche schief nach vorn unten geneigt ist und sich dabei con- vex krümmt. Die Zurücknahme des Flügels nach Beendigung des Fluges kommt der Umkehr der Flügelbewegung aus der Ruhelage in die Flug- stellung gleich und fällt wie diese den direkten Muskeln zu. Vor allem ist dazu notwendig, daß die tonische Kontraktion des Extensor an- terior aufhört. Seine Wirkung wird völlig aufgehoben durch den Relevator. Da er den großen Napf mit dem Tergum verbindet und schief nach innen und unten gerichtet ist, dreht er den Sperrhöcker nach außen und läßt das Gesperre frei, wodurch Costa, Subcosta und Radius abdorainalwärts zurückgeschoben werden. Die Adern drehen 410 Friedrich Stell waag, sich auseiHander, wie man eine Jalousie öffnet, das querläufige Gelenk erschlafft, indem die untere Apophyse auf dem Sperrhöcker nach rück- wärts gleitet. Gleichzeitig ziehen die drei Flexoren die Achsel- membran nach innen und unterstützen die Wirkung des Relevators. Außerdem kontrahiert sich der Retractor alae^ der am Ligament des Sperrstabes inseriert und beginnt den aufrecht stehenden Wurzel- pfeiler auf das Scutalgesimse umzuklappen. Die kombinierte Wirkung der Muskeln genügt, um den Muskel in die Ruhelage auf das Scutal- gesimse zu legen. Es bleibt nur noch übrig, daß der Relevator des Flügels den Sperrstab einwärts dreht und dadurch das Wurzeigesperre vollkommen schließt. Das erschlaffte querläufige Gelenk kann von keinem der erwähnten Muskeln völlig geschlossen werden. Dazu ist notwendig, daß die Elytren auf die Vorderrandadern drücken und den abgeknickten Schenkel unterstützt von den orocaudalen Bewegungen der Abdominalsegmente in den Spalt zwischen Elytren und Abdomen nehmen. Wird der Deckflügel verletzt oder weggenommen, so ist der Käfer nicht mehr imstande, den Flügel richtig zu falten. Ehe die Lamellicornier sich zum Fluge anschicken, macht der Körper energische Bewegungen in longitudinaler Richtung, wohl um Luft in die Tracheen einzupumpen. Dabei wird der Kopf abwechselnd aus der Concavität des Prothorax herausgezogen oder in ihn zurückge- nommen. Der Prothorax, der ursprünglich an seiner hinteren Gelenk- höhle fest an den Mesothorax gedrückt war, so daß sich der vorspringende Rand über die Elytrenachsel schob, biegt sich ventral abwärts, und die Körperachse, die im Ruhezustand eine mehr oder weniger gerade Linie vorstellt, knickt sich nach unten ab (Taf. XIV, Fig. 58). Um den Pro- thorax möglichst stark neigen zu können, stellt sich der Käfer hoch auf die Mittelbeine, während das Abdomen auf der Unterlage liegen bleibt. Dadurch werden die Elytrenachseln aus ihrem Verschluß mit dem Prothorax vollkommen frei und können ungehindert vorgezogen und in die Höhe gehoben werden. Die Lösung des Verschlusses der Elytren ist natürhch bei Cetonia nicht notwendig, weshalb hier der Prothorax immer dicht dem Mesothorax angelagert bleibt. Kurz ehe der Käfer abfliegen will, wird er außerordentlich unruhig; dann bringt er seine El}'tren in die Hochstellung (Taf. XIV, Fig. 59 und 60) und zieht die Hinterflügel horizontal nach vorwärts, um sich alsbald von seinem Unterstützungspunkt zu erheben. Sein Körper wild dabei annähernd vertikal gerichtet. Die Hinterflügel bewegen sich fast in einer horizontalen Ebene, und die Elytren sind schief nach Der Flugapparat der Lamellicornier. 411 hinten gerichtet. Das gleiche können wir beobachten, wenn der Käfer sich in langsamem Flug auf einen Ruheplatz niederlassen will, oder wenn er eine Lichtquelle umschwirrt. Wird aber die Geschwindigkeit des Fluges vergrößert, so liegt der Körper fast wagerecht, und zwar um so mehr, je schneller das Tier vorwärts fliegt, d. h. je kräftiger es den Luftwiderstand ausnützt. Die Hinterflügel schwingen in einer schiefen, beinahe vertikalen Ebene, während die Elytren schief nach außen und hinten oben zeigen. Auf meinen photographischen Auf- nahmen bemerkte ich außer der eben beschriebenen Erscheinung, daß die meisten Käfer, wenn sie von einer horizontalen Fläche abfliegen, die Flugrichtung vertikal aufwärts, ja sogar schief nach rückwärts und oben bevorzugen. Die Käfer stellen dem Versuch, die Zahl ihrer Flügelschläge genau festzustellen, beträchtliche Schwierigkeiten entgegen. Man hat bisher drei Methoden ausgearbeitet. Marey zog einen berußten Papier- cylinder an dem schwingenden Flügel vorbei und las aus der Zahl der vom Ruß befreiten Stellen die Zahl der Flügelschläge ab. Diese Methode ist aber bei den Käfern nicht anwendbar, da diese nicht dazu zu bringen sind, die Flügel zu bewegen, wenn sie festgehalten werden. Landois (21) bevorzugte eine zweite Methode. Da fast jedes fliegende Insekt durch seine schnellen Flügelschläge einen bestimmten Ton hervorbringt, so ist ein gutes Ohr imstande, aus der Tonhöhe die Zahl der Schwingungen festzustellen, wenn man für den Pariser Kammerton a' 435 Schwin- gungen in der Sekunde annimmt. Eine mit Hilfe diese Verfahrens vor- genommene Schätzung 1 ergab für den Maikäfer den Hauptton a = 217,5 Schwingungen. Man darf also rund 220 Flügelschläge in der Sekunde annehmen. Der Ton war völlig rein und wurde entschieden von den Hinterflügeln hervorgebracht. Sollte ein Brummapparat vorhanden sein, dessen Existenz ich hier nicht berühren will, so ist seine Tonhöhe entweder gleich der Tonhöhe der Flügelschläge, und er bildet dann für die Beurteilung keine Fehlerquelle. Bringt er aber einen andern Ton hervor, so hätte sich dieser dem gutgeschulten Ohr des Beobachters bemerkbar machen müssen. Um die mehr oder weniger subjektive Auffassung der Tonhöhe zu kontrollieren, stellte ich verschiedene Ver- suche mit der QuiNKEschen Röhre an, aber stets mit negativem Erfolg. Die dritte Methode, die Schwingungszahl der Flügel festzustellen, ist die mechanische von Prochnow (29) , der aus dem Gewicht des Körpers und der Größe der Flügelfläche auf rechnerischem Wege ans Ziel zu 1 Die Schätzung verdanke ich Herrn Lehrer Heider von Nürnberg. 412 Friedrich Stellwaag, kommen 8ucht. Sie ist für unsre Zwecke gar nicht zu gebrauchen, da die Berechnung stets die Kenntnis der Schwingungszahl eines verwandten Vertreters voraussetzt. Von Käfern aber ist bisher noch nichts fest- gestellt worden. Bedeutung der Elytren, Nachdem wir in den vorhergehenden Kapiteln kennen lernten, wie innig die Elytren und ihre Achseln bei den LamelUcorniern durch eine bisher unbeachtete Zahl von Gesperren ihrer Nachbarschaft ein- gefügt sind, sollen nun die zerstreuten Angaben ül)orsichtUch geordnet werden. Es existieren folgende Gesperre: 1. Dorsale Fläche der ElytrenwTirzel . . SchildchenkuUsse, 2. Wurzelpfeiler Rinne der Hinterhörner des Schildchens. 3. Untere Apophyse Sperrhöcker der Elytren. 4. Medialer Rand des Achselstabes . . . Kante des Schildchens. 5. Achselfeld Kante des Schildchens. 6. Ventraler Rand der Elytrentreppe . . Scutalbogen. 7. Elytrenfacette Schildchenspitze. 8. Medianer Rand des linken Deckflügels Medianer Rand des rechten Deckflügels (Sutura). 9. Sutura Medianrinne des Scutum. 10. Epipleuron Pleuraler Bezirk des Stam- mes. 11. Epipleuron Schuppe am Episternum des Mesothorax. 12. Epipleuron Pleurale Rinne am Epi- meron und Episternum des Mesothorax. 13. Schulterecke Vorderende der vereinigten Costa, Subcosta und Radius des Hinterflügels. 14. Lateraler Rand des Achselstabes . . . Zunge des Episternum des Mesothorax. 15. Beide Elytrenachseln Concave Gelenkfläche des Prothorax. Dazu kommt noch ein für den Flug wichtiges Gesperre: Gelenk der Medialapophyse Ende des Achselstückes I. Diese Gesperre (mit Ausnahme des letzteren) drücken lediglich Der Flugapparat der Lamellicornier. 413 durch ihre Konstruktion die Elytren eng an den Stamm. Ihre Wir- kung kann vom Tier gegebenenfalls noch gesteigert werden durch die Kontraktion der beiden Retractores mesonoti (Taf. XIV, Fig. 52 RE), die das Schildchen und die Schildchenspitze fest auf die Elytrenbasis pressen. Durch diese Einrichtungen erhalten die Hinterflügel, die wich- tigsten Bewegungsorgane der fliegenden Käfer, den denkbar besten Schutz. Erst sekundär kommt der Vorteil auch dem Abdomen zu- gute. Denn bei den Histeriden bleiben die letzten Abdominalsegmente frei und bei den Staphyliniden das ganze Abdomen, während in beiden Fällen die Flügel so gefaltet werden, daß sie unter den Elytren Platz finden. Nur wenige Gattungen, z. B. Molorchus, Arthroceras, Myodites suhdipterus können sie in der Ruhe nicht falten, so daß sie weit unter den stark verkürzten Flügeldecken hervorragen. Diese Bedeutung der Elytren für den Käfer ist so augenfällig, daß man keine weiteren Worte zu verlieren braucht. Sie hat die Bezeich- nungen Deckflügel, Flügeldecken, Elytren, Coleoptera hervorgerufen. Zum aktiven Flug nach Art der Hinterflügel kann der Vorderflügel nie- mals tauglich sein (obwohl Chabkier [11] die Ansicht vertritt, daß die Elytren sich am Flug beteiligen i), denn ein wirksamer Flügel muß neben andern Eigenschaften notwendigerweise einen steifen Vorderrand und eine nachgiebige Fläche besitzen, wenn er den Luftwiderstand wirksam ausnützen soll. Außerdem muß er energische und wirksame Schläge und ganz bestimmte Drehbewegungen ausführen. Aber der Deckflügel stellt eine gleichmäßig dicke, unelastische Platte vor, die nur geringe Aus- schläge machen kann und vertikal beweglich ist. Kann ihm aber eine Bedeutung als Luftruder nicht zuerkannt werden, so bleibt zunächst nur übrig, ihn als Schutzorgan anzusprechen. Das ist die durchaus natürliche Überlegung zahlreicher Forscher. So äußert sich Steauss-Dürckheim 1828 (37): Pendant le vol les elytres n'eprouvent qu'un mouvement de Vibra- tion plus ou moins etendu, qui leur est communique par les diverses pieces du thorax alors en mouvement; mais ces vibrations sont trop faibles pour influer sur le vol. 1 Der betreffende Satz S. 440 lautet: Quant a leur participation au vol, eile ne peut etre douteuse, quoique faible, car Fecusson auquel elles tiennent etant lui meme fortement articule avec les cotes ecailleux du cou du dorsum, et etant entraine dans tous les mouvements de ce dernier (en se haussaut et s'abais- sant avec lui), les communique aux parties internes de la base des elytres, qui lui sont attachees, d'oü s'ensuit l'abaissement et relevation alternatifs des parties externes coincidant avec les mouvements des ailes. 414 Friedrich Stell waag, Der gleichen Meinung ist Girard 1862 (16): Aucun doute n'existe sur ce fait que les elytres des Coleopteres ne sont pas des organes de vol. Dans les Cetoines meme, ils restent clos pendant le vol, et meme un vol assez rapide, s'opere par les vibrations des ailes membraneuses in- ferieures. Den Franzosen schließen sich Redtenbacher (31), Hoffbaüer (17) und zum Teil auch Sajo (33) und verschiedene moderne Lehrbücher an. Für diese Anschauung sprechen gewichtige Gründe, die sich kurz in vier Punkten zusammenfassen lassen: 1. Nur bei wenigen Arten fehlen die Elytren oder treten als kleine Schüppchen auf. Sonst sind sie immer, wenngleich in wechselnder Größe, vorhanden, und, was besonders wichtig ist, auch dann, wenn die Käfer truncatipenn sind oder der Hinterflügel vollkommen entbehren. Solche Fälle sind recht zahlreich (unter den Cicindeliden, Canthariden, Tenebrioniden, Curculioniden, Chrysomeliden u. a.). Das klassische Bei- spiel aber bilden die Carabiden. Wären die Elytren reine Flugorgane, so wären sie für flugunfähige Tiere vollkommen nutzlos. Hier haben sie also ausgesprochen schützende Funktion, die noch dadurch gesteigert wird, daß ihre Nähte sich so fest zusammenschließen, daß eine einheit- liche Schale entsteht. Eine Ausnahme davon machen nur wenige Käfer, z. B. Meloe. 2. Die große Zahl der Histeriden und Staphyliniden hat vorzüglich fliegende Vertreter, trotzdem die Elytren abgestutzt oder abgekürzt sind. 3. Die Cetoniinen heben ihre Elytren beim Flug überhaupt nicht. 4. Schneidet man die Flügeldecken mehr oder weniger kurz ab, so vermag der Käfer scheinbar unbeschadet zu fliegen. Somit kommen die Elytren als aktive Flugorgane nicht in Betracht. Doch bleibt die Frage, ob ihnen nicht eine sekundäre Bedeutung für den Flug beizumessen ist. Denn mit Ausnahme der Cetoniinen heben alle Käfer die Elytren vor dem Flug hoch. In dieser Stellung können sie keinesfalles ohne Einfluß auf das fliegende Tier sein, da sie stets einen Luftwiderstand erzeugen. Sie müssen entweder eine schädliche oder eine nützliche Rolle spielen. Sajo (33) entscheidet sich für den ersten Fall. »Die beim Fliegen ausgespreizten Flügeldecken sind wahrscheinlich die Ursache, weshalb die meisten andern Käfer (als Ceionia) minder flink und rasch sich in der Luft bewegen und sich etwas plump gebaren. Ihre Flügeldecken sind ihnen keine Förderer in den Flugbewegungen, sondern eher Hinder- nisse, mindestens so eine Art Ballast, an den sie sich freilich schon Der Flugapparat der Laniellicoruier. 415 derart gewöhnt haben, daß ein Abschneiden der Decken sie mögUcher- weise verwirrt und aus der FUigbahn herauslenkt. << Die überwiegende Mehrzahl der Autoren aber ist gerade vom Gegenteil überzeugt. Die Elytren sind wichtige Flug Werkzeuge, die entweder als Tragflächen den Flug überhaupt ermöglichen, oder durch ihr Gewicht den Schwerpunkt des fliegenden Käfers beein- flussen. So äußert sich von Ungern-Sternberg (38) im gleichen Sinne wie Pettigrew (27), aber unabhängig von ihm in folgender Weise: Das Fliegen in allmählich aufsteigender oder auch horizontaler Bahn ist vergleichbar dem Sichaufwärtsschieben auf einer schiefen Ebene, die stetig in einer zu ihrer Fläche senkrecht stehenden Kichtung sinkt. Hieraus ergibt sich, daß je größer die Bauchfläche des Fliege- wesens ist, um so langsamer auch das Sinken desselben in der zu der Bauchfläche senkrecht stehenden Richtung sein muß. Nun ist aber die Bauchfläche derjenigen Insekten, welche mit Deckflügeln versehen sind, rücksichtlich der Schwere ihres Körpers nicht genügend groß, um das richtige Verhältnis zwischen Vorwärtsbewegung in der Richtung der Längsachse des Körpers und dem Sinken in der zur Bauchfläche senkrechten Richtung herzustellen. Dieses wird erst dadurch erreicht, daß durch Auseinanderbreiten der Deckflügel die Grundfläche ver- größert wird. Er fand, daß ein Käfer, dem die Deckflügel abgeschnitten oder gestutzt sind, nicht mehr imstande ist zu fliegen. Offenbar wurde Pütter (30) von den gleichen Erwägungen geleitet wie Sternberg; denn trotzdem Hoffbauer (17) durch seinen Hinweis auf Cetonia und die Staphyliniden lebhaft gegen die Tragflächentheorie protestiert hatte, finden wir bei ihm (S. 478) die Einteilung der Flugtiere in ■ Drachenflieger, Schwingenfheger und Schraubenflieger, »Die Drachen- flieger haben feststehende Segelflächen und außerdem Flügel, die als Propeller (Treiblinge) dienen; in den Käfern und Heuschrecken sehen wir diesen Typus verwirklicht.« Durch die Anschauung Pettigrews und Sternbergs wurde der schon 1866 von P. Bert (8) zum erstenmal geäußerte Gedanke verdrängt, daß die Elytren als Organe für die Schwerpunktsverlagerung anzusehen seien. >>Ces organes (i. e. les elytres) ne semblent pas prendre une part active ä la locomotion aerienne et ne jouent probablement qu'un role d'equihbration. << Begründet wurde die Theorie durch Plateau (28), der genaue Messungen des Schwerpunktes bei Insekten ausführte. Er bestimmte den Schwerpunkt zunächst beim Tier in Ruhelage, um dann dessen Verlagerung beim Flug zu untersuchen. Seine Messungen au Käfern führten ihn zu folgender Auffassung: 4:1(5 Friedrich Stellwaag, » On a dit et repete que les elytres des Coleopteres ue tont pas des organes actifs du vol. Je ne reviendrai pas sur les observations et les experiences curieuses que Ton a citees ä ce sujet; mais je ferai remar- quer que, chez les especes oü les elytres se soulevent et s'ecartent, elles out pour fouction, concurremment avec les alles, de clianger la Situation du centre de gravite et de ranieuer dans la position necessaire ä l'equi- libre de l'insecte pendant le vol. Elles jouent donc un röle d'equilibra- tion, ainsi que l'avait dejä suppose M. P, Bert.<< JoussET DE Bellesme (0) verwertete 1879 diese Resultate bei der Erörterung der Frage, auf welche Weise die Insekten die Flugricbtung ändern. Andre Ansichten über die Bedeutung der Elytren, die zum Teil sonderbarer Natur sind, übergehe ich. Sie haben den Wert von Behauptungen, da sie nicht begründet werden und sind meist in Un- kenntnis der vorhandenen Literatur aufgestellt. Keine der hier wiedergegebenen extremen Theorien, die während eines Jahrhunderts im bunten Wechsel sich gegenseitig ablösen, vermag bei kritischer Betrachtung zu befriedigen. Zwar ist es ohne Zweifel außerordentlich schwierig, den Wert der Elytren zu berurteileu, allein die Widersprüche sind darauf zurückzuführen, daß die Theorien des wissenschaftlichen Charakters entbehren und daher lediglich als Mut- maßungen gelten können. Es liegen ihnen nur wenige und mangelhaft beobachtete Tatsachen zugrunde, die obendrein zu weitgehenden Schlüssen benutzt wurden. Sonst wäre es nicht gut möglich, daß ein und dasselbe Experiment ganz verschiedene Resultate ergibt. Denn wir lesen, daß ein Käfer mit künstlich beschnittenen Elytren einmal vorzüglich weiterfliegt, das andre Mal sofort zu Boden fällt. Um hier Klarheit zu schaffen, habe ich mehrmals eine Reihe von Versuchen mit männlichen und weiblichen Tieren aufgestellt und immer den gleichen Erfolg erzielt. Ich wählte dazu unter anderen den Maikäfer, der in genügender Menge zur Verfügung steht. Bei der Größe seines Körpers und seiner Elytren läßt sich die Wirkung auf die Luft besser beobachten als an kleinen Formen. Selbstverständlich darf man nur fluglustige Käfer verwenden und nicht zu lange mit ihnen experimentieren, weil sie bald ermüden. 1. Rechter oder linker Deckflügel zur Hälfte abgeschnitten. Der Käfer fliegt unregelmäßig gaukelnd. Er fällt ab und zu rasch, fängt sich aber bald wieder, um in großen Wendungen aufwärts zu fliegen. 2. Rechter oder linker Deckflügel bis zur Spitze des Schildchens, also etwa bis auf ein Drittel gestutzt. Der Käfer fliegt unbeholfen und schwankend schnell von links nach rechts und kommt langsam vor- Der Flugapparat der Lamellicornicr. 417 wärts. Mitten im Flug fällt er hart zu Boden. Nach mehrmahgen Versuchen gewinnt er größere Sicherheit. Da Blut aus der Schnitt- wunde austritt, so liegt der Gedanke nahe, daß die Verletzung den Käfer behindert. Aber der nächste Versuch beweist, daß dies nicht der Fall ist. 3. Der eine Deckflügel wurde am Grund eingeschnitten bis nahe zur Naht. Vorzüghcher normaler Flug. 4. Dem rechten oder linken Deckflügel wurde am Grund ein drei- eckiger Zwickel herausgeschnitten. Es ist kein Unterschied gegenüber dem normalen Flug zu bemerken. 5. Der eine Deckflügel wurde mit einem Tropfen Collodium be- schwert. Der Käfer erhebt sich unbeholfen und fällt dabei zu Boden. 6. Die beiden Deckfügel werden durch zwei Schnitte der Längsrich- tung nach in drei Teile zerlegt. Vorzüghcher und langer Flug. 7. Dem Käfer des vorigen Versuches wird die mittlere Partie jedes Deckflügels entfernt. Der Käfer erhebt sich normal aufwärts, kommt aber nur langsam vorwärts und ermüdet bald. 8. Beide Elytren werden durch einen kurzen Querschnitt am Grunde angeschnitten. Normaler Flug. 9. Jedem Deckflügel wird am Grund ein Zwickel herausgeschnit- ten. Der Käfer fliegt leicht und sicher. 10. Der Zwickel wird zu einem viereckigen Ausschnitt vergrößert. Es ist kaum ein Unterschied gegen den vorigen Versuch zu bemerken. 11. Vom Hinterrand her noch ein Stück weggenommen. Gleich guter Flug. 12. Der Ausschnitt wird soweit vergrößert, daß das übriggebliebene Stück des Deckflügels die halbe Fläche der normalen hat. Der Flug geht gleichmäßig, aber langsam vor sich. Das Tier lenkt normal. 13. Die Elytren werden beim gleichen Käfer fast vollkommen ent- fernt. Der Käfer erhebt sich schwankend mit gemäßigter Schnelligkeit. Seine Bewegungen sind durchaus nicht unbeholfen. Die Stellung des Körpers bleibt annähernd senkrecht. 14. Einem unverletzten Käfer werden beide Elytren bis zum Schildchen entfernt. Der Käfer erhebt sich etwas, fällt aber in kurzem Bogen kopfüber zu Boden. 15. Beide Elytren werden an ihrem Ende mit einem Tropfen Col- lodium beschwert. Der Käfer ist nicht imstande, sich in die Luft zu erheben. Er fällt schwer zu Boden. Auch ohne Kenntnis der Versuche darf man von vornherein an- nehmen, daß die Elytrenfläche oder ein Teil davon beim raschen Flug 418 Friedrich Stellwaag, gewisse Luftströmungeu und einen bestimmten Luftwiderstand erzeugen. Diese physikalischen Erscheinungen der Kreis- und Wirbelströme bilden für sich ein schwieriges Problem, dessen Lösung ich dem Physiker überlassen muß. Ich berücksichtige hier die biologische Seite der Frage und werde nur so weit allgemeine Gesetze heranziehen, als sie sich aus dem Gegenstand selbst ergeben oder von ihm gefordert werden. Doch genügen schon die biologischen Beobachtungen und die beim Studium des Flugapparates gewonnenen Kenntnisse, um die bisher gültigen Theorien zu prüfen und zu neuen Schlüssen zu gelangen. Hätte Ungern-Sternberg sich die Mühe genommen und mehr als einen Versuch angestellt, dann hätte er nie die Behauptung auf- stellen können, daß die Elytren als Tragflächen den Flug ermöglichen. Er hätte vor allem beobachten müssen, daß Käfer, die aus irgendeinem Grunde im Fluge innehalten, z.B. wenn sie stark an eine Wand stoßen, trotz der ausgestreckten Elytren wegen ihres bedeutenden Gewichtes schnell und hart zu Boden fallen. Jeder Drachenf Heger vermag im Gleit- flug niederzugehen. Daß der Käfer zum richtigen Gleitflug unfähig ist, kann man sehr einfach nachweisen, wenn man ein getötetes Tier in die Fluglage bringt und zu Boden fallen läßt. Nur in besonders günstigen Fällen landet das Tier nach einer steilen Fallkurve ein wenig weiter von dem Punkt entfernt, den er beim vertikalen Fall ohne aus- gestreckte Flügel erreicht hätte. • Das Segelvermögen des Tieres ist eben äußerst gering i. Nach Müllenhoff (26) kommt ihm das geringste Segelvermögen log a --= 0,42 zu. Sollte der Käfer mit Hilfe seiner Elytren nur einen kurzen Gleitflug ausführen können, so wäre unter sonst gleichen Umständen mindestens eine Segelfläche log o = 0,56 nötig. Dem entspricht eine vierfach größere Elytrenf lache. Die Theorie Sternbergs aber fordert eine achtfach größere Fläche, also statt 1,8 qcm 14,4 qcm! Sternbergs Ansicht begründet sich auf ein einziges Experiment, das mit meinem Versuch 14 übereinstimmt. Dagegen beweist mein 13. Versuch, daß die stückweise Verkürzung der Elytren durchaus nicht unbedingt zur Flugunfähigkeit führt, ebensowenig wie die andern Be- 1 Unter Segelfläche versteht man die vom Tier dem Wind dargebotene Fläche F. Das Segelvermögen stellt das Verhältnis des Gewichtes des ganzen Tieres zur Segelfläche dar. Da aber nur F^/2 und P'/s vergleichbare Zahlen sind, so lautet das Verhältnis g= Segelvermögen = -^- Müllenhoff rechnet mit dem Logarithmus, damit Schwankungeu luu gleiche relative Beträge bei den verschiedensten absoluten Werten als gleich groß dargestellt werden. Der Flugapparat der Lamellicornier. 419 Schädigungen, die man an einem Drachenflieger niemals vornehmen dürfte. Der Käfer fliegt ohne Elytreu nur schwankend und aufrecht, aber durchaus nicht unbeholfen. Würde der Deckflügel als Drachenfläche dienen, so dürfte sie nicht gleichmäßig dick chitinisiert sein. Im Gegensatz zur steifen Vorder- kante, welche die Luft durchschneidet, müßte der Hinterrand mem- branös und elastisch beschaffen sein, damit hier die Luftströme glatt abfließen können. Endlich spricht gegen Sternbergs Theorie die Tatsache, daß es den Käfern ohne Mühe möglich ist, gerade nach oben oder rückwärts zu fliegen (s. S. 411). Ebensowenig begründet scheint mir die von vielen Seiten be- dingungslos wiederholte Theorie der Schwerpunktsverlagerung durch das Gewicht der Elytren. Plateau, der den Versuch machte, sie eingehend wissenschaftlich zu begründen, benutzte eine Methode, die für seine Zwecke nicht ausreichte. Er bestimmte zunächst den Schwerpunkt bei zurückgelegten Elytren und Hinterflügeln, breitete dann beide aus, gab dem Tier die natürliche Fluglage und legte es auf den Kücken. Dann brachte er die Beine in die richtige Stellung und nahm die neue Messung vor. Seine zahlreichen Beobachtungen be- weisen, daß der Schwerpunkt um eine minimale Differenz durch das Gewicht der Elytren und Hinterflügel vorwärts verschoben ward. Auf Grund seiner Zahlen gelangte er zu dem Schluß, daß der Körper des Tieres während der Flugbewegungen ständige Oscillationen durch die Verlagerung des Schwerpunktes nach vorn und hinten erfährt. Plateau hat damit nichts andres bewiesen, als daß der Käfer bei gehobenen Elytren einen andern Schwerpunkt besitzt als in der Ruhe, die Frage aber, wie der Schwerpunkt sich während des Fluges verändert, erörterte er gar nicht, da er nichts darüber aussagen konnte. Es war ihm auch nicht möglich den Beweis zu führen, daß die Elytren nennens- werte orocaudale Bewegungen machen, denn dabei würden sie die Hinterflügel bei ihren Schlägen stören, oder den Flug ganz beeinträch- tigen. Minimale Schwankungen wären trotzdem wohl nicht ausge- schlossen, allein sie würden so geringen Einfluß ausüben, daß dieser reichhch durch Luftströmungen oder Windstöße aufgehoben würde. Aber auch diese Schwankungen des Körpers sind unmöglich, weil die in die Fluglage vorgenommenen Elytren durch das Fluggesperre fest- gehalten werden, so daß sie in der Richtung der Längsachse des Körpers nicht wesentlich verschoben werden können. Außerdem erfolgt die Hebung beider Elytren indirekt durch das Schildchen vollkommen gleichzeitig und infolgedessen auch vollkommen gleichmäßig. 420 Friedrich .Slellwaag, Die Tabelle von Plateau (28) zeigt die eigentümliche Eisclieinung, daß der Schwerpunkt aller von ihm untersuchten Käfer merkwürdig weit hinter der Flügelwurzel liegt, obwohl er sich doch bei andern Fliegern, insbesondere bei den Vögeln, stets zwischen den Flügelachseln oder etwas unterhalb findet, so daß sich der zwischen den Flügeln aufgehängte Körper in stabilem Gleichgewicht befindet. Diese Tat- sache schien mir bedeutsam genug, um noch eine Reihe von Messungen bei andern Käfern anzustellen. Ich berücksichtigte dabei insbesondere den Abstand des Schwerpunktes von der Flügelwurzel, d. h. von der Bewegungsachse des Körpers. relative Ent- Entfernung des fernung des Entfernung des Schwerpunktes Scliwerpunktes vom vorderen Ganze Länge des Tieres Schwerpunktes vom Ende des vom Abdomen Ende des Sigmoides Sigmoides bezogen auf Cetonia anrät a 1. Tropinota hirta 6 mm 1 mm 11 mm 1,9 2. Cctonia aiirata 9 . 2 . 20 » 2 3. Cicindela hybrida 7 » 2,5 . 15 . 3,5 4. Oeotrupes vernnlis 9 > 8,4 . 18 > 3,8 5. Lephcra maculala 9 . 3 . 16 . 3,99 6. Cantliuris rufa 5,2. 2 >. 10 » 4 7. Clytra laeviuscula 5,2. 2 . 10 . 4 8. Staphylimis globulifer 11 . 4 . 20 . 4 9. Oeotrupes mutator 11 > 4,5. 22 » 4 10. Bliizoiropus solstitiaris 10 3,5 . 17 . 4,1 11. Hydropliiliis piceus 20 . 9 . 42 . 4,2 12. Trichius fasciahis 5 > 3 . 14 > 4,3 Die Prüfung der Zahlen ergibt, daß die Cetoniinen insofern eine Ausnahmestellung einnehmen, als der Schwerpunkt fast mit der Achse durch das Sigmoid jeder Seite zusammenfällt. Es macht ihnen daher keine Schwierigkeiten, durch folgerichtiges Ausnützen der Luftwider- stände während des Fluges den Körper nach vorw^ärts oder rückwärts zu neigen. Wie sich bei ihnen der Flug abspielt, hat Strauss-Dürk- HEiM auf Grund mathematischer Überlegungen gezeigt. Strauss nahm allerdings für alle Käfer an, daß Schwerpunkt und Bewegungs- achse zusanmienf allen. Doch tut das für unsern Fall keinen Eintrag; denn er hat bei seinen Berechnungen die Elytren ganz außer acht gelassen. Um den Vergleich der Abstände zwischen Schwerpunkt und Be- wegungsachse zu erleichtern, habe ich sie in einer besonderen Rubrik Der Flugapparat der Lamellicornier. 421 auf die Größe von Cetonia umgerechnet und ^vurde überrascht, daß die Entfernung bei kleinen und großen Käfern verschiedener Familien stets um den Mittelwert 4 schwankt, während Cetonia mit einem Wert 2 abseits steht. Wenn der Schwerpunkt weit hinter der Flügelachse liegt, so wird beim Flug das Abdomen abwärts gezogen und der Körper steht mehr oder weniger vertikal. Ich habe oben schon darauf hingewiesen, daß das bei langsamem Flug der Fall ist. Bei schneller Fortbewegung da- gegen liegt der Körper annähernd wagrecht. Diese Erscheinung kann ich mir nicht anders erklären, als daß beim raschen Flug die über den Schwerpunkt zurückgreifenden Elytren der Luft einen Teil ihrer Fläche darbieten, so daß der von ihnen erzeugte Luftwiderstand den Körper dreht, und das Abdomen, dessen Fläche die Wirkung unter- stützt, gehoben wird. Dabei spielt die Festigkeit des Fluggesperres eine wichtige Rolle. Die Elytren wirken also durch ihre Fläche und die bei schneller Bewegung sekundär erzeugte lebendige Kraft des Luftwiderstandes, nicht durch das in ihnen selbst liegende Gewicht. Ich fasse sie also nicht als Balanzierorgane, sondern als Stabilisierungsflächen auf. Sie gleichen in physikalischer Beziehung jeder Oberflächenvergrößerung des Körpers, jeder von der bewegten Luft angegriffenen Fläche. Ihr spezieller Wert besteht darin, daß die weit hinten wirkende Schwerkraft durch eine entgegen- gesetzte zweite Kraft equilibriert werden kann. Die natürlichen Verhältnisse lassen sich durch ein Experiment nachahmen, wenn man einem in der Flugstellung präparierten Tier eine Nadel durch die Flügelwurzeln und quer durch den Körper hin- durchführt. Der Käfer hängt an der Achse zunächst vertikal. Erzeugt man aber vor ihm einen Luftstrom von zunehmender Stärke, so dreht er sich in die horizontale Lage. Meiner Ansicht scheint die Tatsache zu widersprechen, daß die Staphyliniden mit abgekürzten Flügeldecken zum Teil vorzüghche Flieger sind, obwohl die relative Entfernung von Flügelachse und Schwer- punkt ebenfalls 4 mm beträgt. Aber statt einer großen Elytrenfläche besitzen sie einen ungewöhnHch langen und beweglichen Hinterleib, der flugmechanisch die gleiche Wirkung wie die Elytren ausübt; denn er bietet der Luft eine große und lange Fläche dar. Nun erklärt es sich auch, warum ein Käfer, dem die Elytren nach und nach vorsichtig abgenommen wurden, trotz der angestrengtesten Tätigkeit den Körper nicht mehr in die günstige Fluglage bringen kann : Die Schwerkraft findet kein entsprechendes Gegengewicht. 422 Friedrich Stellwaag, Schlußbemerkungen. Am Schlüsse meiner Untersuchung fasse ich die Hauptergebnisse kurz zusammen. Um Einblick in die Mechanik des Flugapparates der LamelUcornier zu gewinnen, war es zunächst notwendig, vom anatomischen Ge- sichtspunkt aus die mechanischen Elemente und Elementenketten einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Sie ergab neben zahl- reichen interessanten Details im Meso- und Metathorax für die Elytren folgende Resultate: 1. Von den von vorn nach hinten an Größe zunehmenden Achsel- plättchen ist das erste Achselplättchen zwischen Schildchen und Pleuro- sternum geklemmt, wodurch eine exakte Übertragung der auf das Schildchen wirkenden Muskelkraft gewährleistet wird. 2. Das erste Achselstück bildet die feste Achse, um die sich die benachbarten Stücke rotierend bewegen können, wodurch der Deck- flügel in horizontaler Bahn in die Flugstellung gebracht werden kann. 3. Das erste Achselstück ist durch ein Kugelgelenk an das Ely- trenpostament angeschlossen. Es kann sich neigen , aber nicht ver- schieben. 4. Die Elytrenachsel besitzt drei Apophysen; die ventrale liegt in der Ruhe hinter dem Sperrhöcker und wird von ihm festge- halten. 5. Das dritte Achselstück bildet einen festen Pfeiler für den hinteren Rand der Achsel. Er unterstützt die Bewegung der Elytren horizontal nach vorn. 6. Sind die Elytren in die Flugstellung gebracht, so schnappt das erste Achselstück mit seinem Ende in die Gelenkgrube der medialen Apophyse ein und hält dadurch die Elytren in der Fluglage fest. 7. Wird der Deckflügel in die Ruhelage zurückgenommen, so faltet sich die Achsel von vorn nach hinten. Der Hinterflügel besitzt folgende für seine Mechanik bedeutungs- volle Charakteristika: 1. Wie den Elytren sind ihm drei Apophysen eigentümUch, eine vordere, eine hintere und eine untere. 2. Die untere Apophyse bildet mit dem Sperrhöcker in der Ruhe ein Gesperre. 3. Die hintere Apophyse setzt sich auf das Sigmoid fort. Da beide in der Flugstellung einschnappen, so vermittelt das zwischen Tergum Der Flugapparat der Lamellicornier. 423 und Pleuralgelenkkopf geklemmte Sigmoid die Übertragung der tergalen Bewegungen auf den Unterrand des Flügels. 4. Das Sigmoid gleitet mit einer Rinne auf der Unterseite über den Pleuralgelenkkopf während der Flugbewegungen. Der Verlauf der Rinne ermöglicht die verschiedenen Bewegungen des Flügels. 5. Der im Zwischenraum zwischen unterer Apophyse und Costal- apophyse gelegene Sperrstab ist beweglich und wird durch Muskeln gedreht, so daß der Flügel aus der Ruhelage in die Flugstellung ge- bracht wird. 6. Die hintere Partie der Flügelachse wird durch den Analpfeiler gestützt. 7. Eine hinter der Media II verlaufende Falte teilt die Flügelfläche in Costal- und Analfeld. 8. Im Costalfeld liegt der dicke Radius I jalousieartig über der starken Media II. 9. Die Öffnung des querläufigen Gelenkes erfolgt nicht durch Auseinanderweichen der Adern, sondern dadurch, daß der Radius sich auf die Media rollt. 10. Im Analfeld liegen die Adern als schmale Spangen neben- einander. 11. Cubitus I gelenkt durch einen Zahn auf der Media II. Die Elytren werden aus der Ruhelage in die Flugstellimg durch die vorbereitende Tätigkeit indirekter Muskeln gebracht, die von direkten abgelöst werden und zunächst die Rotation der Elytren horizontal nach vorn hervorrufen. Die Phase endet damit, daß das erste Achsel- stück das Gesperre mit seiner korrespondierenden Apophyse schließt und die Elytren ohne Muskelzug in ihrer Lage festhält. Durch andre indirekte Muskeln wird der Deckflügel schwach vertikal gehoben und verharrt in dieser Stellung. Erst nach der Hebung der Elytren wird der Hinterflügel durch den direkten Extensor alae anterior nach vorn gezogen und sein Gesperre in der Ruhelage gelöst. Auch er wird durch ein Schnappgelenk in seiner Lage fixiert, beginnt aber nun seine Hauptleistung, indem er durch Vertikalschläge und Drehbewegungen den Körper vorwärts und aufwärts bewegt. • Beide Bewegungsarten werden nur durch indirekte Muskeln hervorgebracht, aus ihrer Flugstellung werden Elytren und Hinterflügel durch direkte Muskeln in die Ruhelage zu- rückgebracht. Die Muskulatur im Mesothorax steht mit der des Metathorax in keinem Zusammenhang. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 28 424 Friedrich Stell waag, Aus den hier angeführten Tatsachen geht hervor, daß Vorder- und Hinterflügel weitgehende Homologien und Analogien zeigen. Die spezielle Ausbildung des Vorderflügels gegenüber dem Hinterflügel gründet sich darauf, daß der Sperrhöcker unbeweglich ist und keine Insertionsstelle für Muskeln bietet. Infolgedessen müssen die Elytren durch andre direkte Muskeln in die Fluglage gebracht werden. Der Bau der Elytrenachsel verhindert die Elytren wirksame Ausschläge zu machen. In der Ruhelage bestehen zwischen den Elytren und ihrer Nach- barschaft zahlreiche Gesperre. Daraus folgt, daß die Elytren die unter ihnen Hegenden Teile, besonders aber die Hinterflügel, in denkbar bester Weise schützen. Ihre Bedeutung für den Flug suche ich entgegen den bisherigen Auffassungen in der Tatsache, daß sie als Stabilisierungs- flächen einen ausgiebigen Luftwiderstand erzeugen, der den Körper aus der mehr vertikalen Lage in eine horizontale bringt. Unter den Lamellicorniern sind die Cetoniinen dadurch ausge- zeichnet, daß sie beim Flug ihre Elytren nur wenig heben können. Eine ovale Kerbe am vorderen Teil des Epipleuron ermöglicht es dem Hinterflügel, ungehindert die für einen sicheren Flug notwendigen Bewegungen zu machen. In Korrelation damit stehen folgende Eigen- schaften : 1. Das mesothoracale Epimeron buchtet sich weit nach oben aus und überwölbt die Elytrenkante. 2. Infolgedessen ist der Falz des Epimerons sehr tief. 3. Die Achselplättchen haben keine scharfen Formen, da die Achsel nur schwach chitinisiert ist. Sie sind klein und auf einen engen Haum zusammengedrängt. 4. Das Schildchen liegt nicht über dem medialen Rand der Elytren, sondern besitzt eine Nutrinne, in welche die Elytrenkante eingreift. Ihr unterer Rand greift unter die Rinne zu einem Gesperre. 5. Der Hinterflügel ist an der Basis sagittal eingeengt, so daß Costa, Subcosta und Radius concav gekrümmt sind. 6. Von den mesothoracalen Flugmuskeln existieren statt sieben nur vier Paare. 7. Der Prothorax ist stets eng an den Mesothorax gedrückt. 8) Trotzdem sind die Cetoniinen gewandte Flieger, weil ihr Schwer- punkt nur wenig hinter der durch das Ende des Sigmoides jeder Seite gelegten Achse liegt. Bei der Abfassung der vorliegenden Studie hat mir Herr Professor Dr. A. Fleischmann wertvolle Ratschläge gegeben, und ich möchte Der Flugapparat der Lamellicoruier. 425 nicht schließen, ohne ihm meinen herzlichen Dank ausgesprochen zu haben. Ebenso danke ich Herrn Geheimrat Prof. Dr. E. Wiedemann, Direktor des physikalischen Instituts zu Erlangen und seinem Assistenten Herrn Privatdozent Dr. Würschmidt für zahlreiche Anregungen. Erlaneen. 1. August 1913. Verzeichnis der benützten Literatur. 1. Amans, Essai sur le vol des Insectes. Revue des scienc. nat. Montp. Paris. Tome II, 1883. Tome III, 1884. 2. — Referat von Nr. 1. 3. — Comparaisons des organes du vol dans la serie animale. Annal. des scienc. nat. Zool. VI. serie. Tome XIX. 188.5. 4. I. V. AüDOUEsr, Recherches anatomiques sur le thorax des animaux arti. cules et celui des insectes hexapodes en particulier. Annales des scienc- nat. Tome I. 1824. (Ferner auch 1825, 1828.) 5. Bauer, Die Muskulatur von Dytiscus marginalis. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCV. S. 594—646. 1910. 6. M. JoussET DE Bellesme, Sur une fonctiou de direction dans le vol des insectes. Comptes rendus de l'Academie des sciences. T. LXXXIX. Paris 1879b. 7. A. Berlbse, Gli Insetti. Loro organizzazione sviluppo abitudini e rapporti coli uomo. Volume primo. Rlilano 1909. 8. Paltl Bebt, Notes diverses sur la locomotion chez plusieurs especes animales. Memoires de la societe des Sciences physiques et naturelles 1866. T. IV. 9. R. Breed, The changes, which occur in the muscles of a Beetle, Thymallus inarginicollis Cheor. during metamorphosis. Cambridge, Mass., U. St. A. Bull, of the Mus. of comp. Zoology at Harvard College. Vol. XL. Nr. 7. 1903. 10. H. Burmeister, Handbuch der Entomologie. 1832. 11. J. Chabrier, Essai sur le vol des Insectes. Memoires du Museum d'histoire naturelle. T. VI, 1820. T. VII, 1821 (Melolontha). T. VIII, 1822. Auszug der drei Bände über den Flug der Insekten. Meckels Archiv für Naturgeschichte. Bd. VII. S. 588. 1822. 12. G. C. Ph. D. Crampton, Ein Beitrag zur Homologie der Thoracal-Sklerite der Insekten. Dissert. Berlin 1908. 13. — A Contribution to the comparative Morphology of the Thoracic Sclerites of Insectes. Proceedings of the Academy of National Sciences of Philadelphia. Vol. LXI. 1909. 14. CoMSTOCK and Needham, The Wings of Insects. Am. Nat. Vol. XXII. and XXIII. 1898/99. 15. Ludwig Ga??glbauer, Systematisch koleopterolog. Studien. Münchener koleopterologische Zeitschrift. Bd. I. 1902—1903. 16. M. GiRARD, Notes sur diverses experiences ä la fonction des ailes chez les Insectes. Annales de la Societe entomologique de France. IV. serie. Tome IL 1862. 28* 426 Friedrich Stellwaag, 17. HoFFBATJEB, Beiträge zur Kenntnis der Insektenflügel. Zcitsehr. f. wiss. Zool. Bd. LIV. 18. Fb. Kleuker, Ü^ber endosk. Bildungen bei Insekten. Dissert. Göttingen. 1883. 19. I. KoLBE, Einführung in die Kenntnis der Insekten. 1. Auflage. 1893. 20. — Vergleichend-morphologische Untersuchungen an Coleopteren. Archiv für Naturgeschichte. Beiheft 1901. 21. Landois, Tierstimmen. Freiburg i. Breisgau. 1874. 22. Fb. Liebe, Die Gelenke der Insekten. Programm der kgl. Gymnas. zu Chemnitz. 1. Tafel. 1873. 23. LuKS, Über die Brustmuskulatur der Insekten. Jen. Zeitschr. f. Naturw. u. Med. Bd. XVI. 1883. 24. M. E. I. ]VL\REY, Memoire sur le vol des insectes et des oiseaux. Annales des scienc. nat. 1869. Serie 5. Zool. Tome XII. 25. — Memoire sur le vol des insectes et des oiseaux. Ann. des sc. nat. Serie 5. Zool. Tome XV. 1872. 26. MüLLENHOFF, Die Größe der Flugflächen. Archiv für Physiologie v. Pflü- ger. Bd. XXXV. 1885. 27. Bell Pettigbew, Die Ortsbewegung der Tiere. Leipzig 1875. Internat. wissensch. Bibliothek. Bd. X. 1875. 28. M. F. Plateau, Recherches experimentales aur la position du centre de gravite cliez les insectes. Archives des Sciences physiques et naturelles, nouvelle periode. Tome quarante-troisieme. 1872. Geneve. 29. O. Prochnow, Die Lautapparate der Insekten. Ein Beitrag zur Zoophysik u. Descendenz-Theorie. Intern, entomol. Zeitschr. 1. Jahrg. 1907. 30. August Pütter, Vergleichende Physiologie. Jena 1911. 31. Redtenbacher, Fauna Austriaca. Die Käfer. Bd. I. 1849. 32. Reuleaux, Lehrbuch der theor. Kinematik. Bd. I, II. 1875 u. 1900. 33. Karl Sajo, Der Käferflug. Prometheus. XII. Jahrg. 1911. 34. Fritz Stellwaag, Bau und Mechanik des Flugapparates der Biene. Zeit- schrift f. wiss. Zool. Bd. XCV. 1910. 35. Chr. Schröder, Handbuch der Entomologie. 1913. 36. Robert Evans Snodgrass, The Thorax of Insects and the Articulation of the Wings. Proceedings of the United States. Nationalmuseum. Vol. XXXVI. 1909. 37. H. Strauss-Dürckheim, Considerations generales sur l'anatomie comparee des animaux articules. Paris-Straßbourg-Bruxelles. 1828. 38. VON Ungern Sternberg, Betracht, über die Gesetze des Fluges. Naturw. Wochenschrift Bd. IV. S. 158. 1889. 39. Voss, Über den Thorax von Gryllus dom. 1 — 4. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXVIII. 1905. 40. Voss, Vergleichende Untersuchungen über die Flug^erkzeuge der Insekten. Verhandl. der deutschen zool. Gesellschaft auf der 23. Jahresver- sammlung 1913. Der Flugapparat der Lamellicorniei'. 427 Erklärung der Abbildungen. Gemeinsame Buch A, Achselfeld; Achl, II, erstes und zweites Achsel- stück der Elytrenachsel; Ad.E.I, II, erster und zweiter Adductor Elytri; Ad.P., Adductor praephragmatos meta- thoracis ; AF., Analfalte des Hinterflügels; An, Analis; Apf, Analpfeiler des Hinterflügels; Apl, laterale Apophyse der Elytren- achsel; Äpm, mediale Apophyse der Elytren- achsel; Apo, obere Apophyse des Hinterflügels; Apu, untere Apophyse des Hinter- flügels ; Apv, ventrale Apophyse der Elytren- achsel; i?i, B2, erster und zweiter Becher; CII und ///, Coxa des II. und III. Thoracalsegmentes ; Co, Costa; Cui, Ci(2, Cubitus 1 und 2; GuF, Cubitalfalte; Eaa, Extensor alae anterior; Eap, Extensor alae posterior; El, Deckflügel; Em, Epimeron; En, Entosternum; Ep, Elytrenpostament ; Ep.k, Epimeralkamm ; Epp, Epipleuron; Es, Episternum; Esk, Episternalkamm ; Exa, Extensor elytri anterior; Exp, Extensor elytri posterior; F, Falz des mesothoracalen Pleuro- stemum und des metathoracalen Episternum zur Aufnahme der Ely- trenkante; Fa, Facette der Elytre; Fl I, II, III, Flexo- alae I-, II, III; stabenerklärungen: FlcII, Flexor coxae metathoracis II; FG, Flügelgesimse; G, Gelenkkonus des Stammes; HH, Hinterhorn des Schildchens; HFl, Hinterflügel; /, Intersegmentalmembran ; K, Kopf; L, Lateralmembran; LE, Musculus levator elytrae; Lml, II, III, Musculus lateraUs meta- thoracis primus, secundus, tertius; Ml, M2, Media 1 und 2; Mh, Membranfalte des Hinterflügels; 31m, Musculus metathoracis medianus; Mh, mediane Rinne des metathoraca- len Tergum; Ms, Mesothorax; Mt, Metathorax; P, Prothorax; Pf, Wurzelpfeiler der Elytren; PI, Pleuron; Pik, Pleuralgelenkkopf des Metathorax, Pll, Pleuralleiste; Po, Postphragma; Pr, Praephragma ; Pr. Sc, Praescutum ; /?i, R2, Radius 1, Radius 2.; Be, Musculus retractor mesonoti; Rea, Musculus relaxator alae; ReE, Musculus relaxator extensoris; Sc, Scutum; Scb, Scutalbogen des Metatergum; " See, Schildchenkulisse; Seh, Schuppe des metathoracalen Epi- sternum ; SchE, Schulterecke; SCo, Subcosta; Set, Scutellum; Scw, Scutalwulst; Si, Sigmoid; Sm, Stamm; Sp, Sperrsäule der Elytren; SpE, Sperrhöcker der Elytren; 428 Friedrich Stellwaag, Sph, Sperrhöcker der Sperrsäule; TF, Terminalfalte; St, Sternum; V, Vorachselstück der Elytren; Su, Sutura; x, Chitinf eidchen im metathoracalen T, Tergum; Präscutum; Ta, Transversalapophyse im Meso- Z, Zunge des mesothoracalen Epi- thorax; sternum. Tafel XI. Fig. 1. Lucanus cervus L. (5 vom Rücken gesehen in natürlicher Größe. Fig. 2. Der Stamm von Lucanus in der Lateralansicht von links, x 2. Fig. 3. Der linke Mesothorax von Lucanus in der Lateralansicht von außen, x 5. Fig. 4. Der rechte Mesothorax von Lvcamcs von innen gesehen, x 5. Fig. 5. Der linke Metathorax von Lucanus in der Lateralansicht von außen, x 5. Fig. 6. Der rechte Metathorax von Lucanus in der Lateralansicht von innen, x 5. Fig. 7. Aufsicht auf die tergale Partie des Metathorax von Lucanus und die Wurzel des linken Hinterflügels, x 5. Fig. 8. Aufsicht auf die dorsale Platte des linken Deckflügels und ihrer Achsel von Lucanus. x5. Fig. 9. Aufsicht auf die ventrale Platte des rechten Deckflügels und ihrer Achsel von Lucanus. x5. Fig. 10. Aufsicht auf die ventrale Fläche des linken Hinterflügels von Lucanus und auf die Verbindung mit dem Metapleuron. x 5. Fig. 11. Lateralansicht des in die Ruhelage zurückgelegten Hinterflügels von Lucanus. x5. Tafel XII. Fig. 12 — 20. Ausgewählte Querschnitte durch den Mesothorax einer alten Puppe von Cetonia aurata. x7. Fig. 21 — 35. Ausgewählte Querschnitte durch den Mesothorax einer alten Puppe von Melolontha melolontha. x 7. blau: Musculus levator elytri {LE.); gelb: Adductor elytri I (Ad.E.I); grün: Rctractor mesonoti {Ee); lila: Adductor praephragmatos (Ad.P.); orange: Musculus mctathoracis medianus (Mm); rot: Extensor elytri anterior (Ex.a.); weiß: Adductor elytri II (Ad.E.II); punktiert: Extensor elytri jwsterior {Ex.p.). Tafel XIII. Fig. 36 — 51. Ausgewählte Querschnitte durch den Metathorax einer alten Puppe von Melolontha melolontJw. x 7. blau: Musculus lateralis mctathoracis III (Lmlll); gelb: Retractor alac (R.a.); grün: Musculus lateralis mctathoracis I {Lml)-. Der Flugapparat der Lamellicornier. 429 lila: Musculus lateralis metathoracis II {Lrnll); orange: Musculus metathoracis medianus (Mm); rot: Extensor alae anterior {Eaa); weiß: Relaxator alae {Rea) (Fig. 40, 41 und 42), Relaxator extensoris {ReE) (Fig. 40, 41 und 42), Musculus flexor alae I, II, III {Fl I, II, III), (Fig. 44, 45, 46, 47); punktiert: Musculus flexor coxae metathoracis II {FlcII). Tafel XIV. Fig. 52. Innenansicht der rechten Hälfte des Mesothorax von Melolontha melolontha. Flugmuskeln, x 7. Fig. 53. Innenansicht der rechten Hälfte des Mesothorax von Melolontha melolontha. Äußere Schicht der Flugmuskeln, x 7. Fig. 54. Innenansicht des rechten Pleuron von Melolontha melolontha mit den direkten Flugmuskeln. x20. Fig. 55. Innenansicht des rechten Metathorax von Melolontha melolontha. Irmere Lage der Flugmuskeln, x 7. Fig. 56. Innenansicht des rechten Metathorax von Melolontha melolontha. Mittlere Lage der Flugmuskeln. x7. Fig. 57. Innenansicht des rechten Metathorax von Melolontha melolontha. Äußere Lage der Flugmuskeln, x 7. Fig. 58. Melolontha melolontha kurz vor dem Abflug. Die Elytren sind gehoben, die Hinterflügel werden in die Fluglage gebracht. : 2. Aufgenom- men mit STEGEMANN-Kamera (Zeiss Tessar 1 : 6,3). Fig. 59 — 66. Flugstadien von Amphimallus solstitialis. x 1,5. Nach zahl- reichen Photographien des fliegenden Käfers mit der STEGEMANN-Kamera wur- den einzelne Exemplare künstlich gespannt, indem Flügel und Körper in die den natürUchen Verhältnissen entsprechenden Stellungen gebracht wurden, und mit Mikroluminar Leitz 80 mm aufgenommen. Fig. 59. Die Hinterflügel werden in die Flugstellung gebracht. Lateral- ansicht. Fig. 60. Die gleiche Phase in der Dorsalansicht. Fig. 61. Die Hinterflügel und Elytren in der Flugstellung. Lateralansicht. Fig. 62. Die gleiche Phase in der Dorsalansicht. Fig. 63. Die Hinterflügel in extremer Hochstellung. Lateralansicht. Fig. 64. Die gleiche Phase von vorn. Fig. 65. Die Hinterflügel in extremer Tiefstellung. Lateralansicht. Fig. 66. Die gleiche Phase von vorn. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum nebst Bemerkungen zum Leuchtvermögen. Von Fritz Burghause aus Zerbst i. A. (Aus dem Zoologischen Institut zu Leipzig.) Mit 5 Figuren, 9 Tabellen im Text und Tafel XV u. XVI. Inhalt. Seite I. Teil: Ascidiozoid 432 Gefäße und Kreislauf 432 Historisches 432 Methode 432 1. Der Hypobranchial- oder Ventralsinus 433 2. Der Stolonensinus 436 3. Der peripharyngeale Sinus 437 4. Der Visceralsinus 437 5. Der Dorsalsinus 438 6. Die Gefäße des Kienienkorbes 440 7. Die Gefäße der Egestionsöffnung 441 Der Kreislauf des Blutes in den Gefäßen 442 Vergleich des Gefäßverlaufes bei Pyrosoma mit den eigentHchen Ascidien und Salpen 443 Nutzen und Bedeutung der periodischen Herzumkehr 447 Das Herz 450 I. Lage, Form, Histologisches 450 IL Die Herztätigkeit bei frischen Individuen unter normalen Bedin- gungen 451 Historisches 451 Methode 452 Die Pulsation 453 Ursprung der Wellen 453 Die fortlaufende Welle 454 Die Herzumkehr 456 Die zusammengesetzte Herzperiode 457 Methode 457 Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoina gigaiiteum usw. 431 Seite Die Schlagzahl 458 Die Zeitdauer der einzelnen Reihen 4G2 Die Frequenz in den Reihen 4(j2 Wechselpause und Pausen 406 III. Wirkung von die Körperoberfläche treffenden Reizen auf die Herz- tätigkeit 466 IV. Wirkung von Sauerstoffmangel und Stoffwechselprodukten . . . 470 V. Einfluß von Temperaturveränderungen 475 VI. Absterbeerscheinungen 479 IL Teil: Cyathozoid 481 Das Herz 481 Lage und Form 481 Physiologisches 481 III. Teil: Bemerkungen zum Leuchten 485 Literatur 492 Tafelerklärung 496 Die vorliegende Arbeit wurde im Zoologisclien Institut der Uni- versität Leipzig unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Chun ange- fertigt. Die Untersuchungen beziehen sich lediglich auf Anatomie und Physiologie der Blutgefäße und des Herzens, während die Ent- wicklung des pulsierenden Organs unberücksichtigt bleibt. Die sich an- schließenden Angaben über das Leucht vermögen von Pijrosoma konnten wegen Materialmangels sich leider nicht umfangreicher gestalten. Mei- nem hochverehrten Lehrer sei an dieser Stelle mein herzlichster Dank ausgesprochen für das stets»' entgegengebrachte Wohlwollen und für die trefflichen Ratschläge, mit denen er mir bei den Untersuchungen zur Seite stand. Ein dreimonatlicher Aufenthalt im Musee Oceanographique zu Monaco und folgendes viermonatliches Allheiten in der russischen zoologischen Station an der Bucht von Villafranca gestatteten mir, Kolonien jeden Alters lebend zu untersuchen, sowie zu histologischen Zwecken hinreichendes Material selbst zu konservieren. Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Direktor des Musee Oceanographique, Herrn Dr. Richard, sowie dem Leiter des Laboratoire Russe, Herrn Professor von Davidoff aufrichtig zu danken für den überlassenen Arbeitsplatz, für das Interesse, das sie meiner Arbeit entgegenbrachten, und für ihre Bemühungen um das oft schwierige Beschaffen von ganz jungen Kolonien, welche nur mit dem Vertikalnetz aus größeren Tiefen zu erhalten sind. Gute Resultate zeitigte besonders Konservierung mit Sublimat- 432 Fritz Burghause, Essigsäure-Gemischen mit folgendem langsamen Überfiüiren in Alkohol. Konservierung mit FLEMMiNGscher Lösung empfiehlt sich für das Studium der Herzstruktur; das zarte Bindegewebe, in dem die Gefäße verlaufen, zerreißt freilich dabei oft. Die Aufbewahrung geschah in 80%igem Alkohol. Zur Anfertigung von Schnitten ^vurden die Em- bryonen mit Hilfe von Nelkenölcollodium eingebettet. Die größeren Objekte kamen aus Xylol oder Chloroform in GOgrädiges Paraffin. Die Färbung der 3 — 6 u dicken Schnitte geschah mit Hämatoxylin nach Delafield oder am besten nach Heidenhain mit oder ohne Nach- tinktion durch Lichtorün oder Orange-G. Aseidiozoid. Gefäße und Kreislauf. Historisches. Von den ältesten Untersuchern der Pyrosomen macht querst Savigny (1820) die Angabe, daß ihr Blutgefäßsystem ähnlich dem der Ascidien ist. Weiteres finden wir bei Huxley (1851), der erwähnt, daß die Hoden lose in einer Ausdehnung des Gefäßsystems liegen, vom Blute umspült. 1860 erweiterte er seine Angaben, indem er von drei Hauptkanälen, einem ventralen, dorsalen und peripharyngealen spricht; vorn bildet nach ihm zwischen dem dorsalen und ventralen Gefäße die pharyngeale Bahn, in der Mitte die Kiemengefäße und im hinteren Teile des Tieres die Eingeweidekanäle die Verbindung. Neu- mann (Bronn) macht die Angabe: >>Zu diesem (dem peripharyngealen) Kreislauf zählen schließlich auch die Mundtentakeln mit dem großen Ventraltentakel, in dessen bläschenförmig erweiterter Basis denn auch stets zahlreiche Blutzellen angetroffen werden, von denen Joliet (1888) und Salensky (1892) annehmen, daß sie den Tentakel zum vollstän- digen Verschluß der Mundöffnung strecken und aufrichten können <<. Methode. Leider erwies es sich als vollkommen unmöglich, selbst bei den größten Individuen von Pi/rosoma giganteum Injektionen zustande zu bringen, weil sogar die feinsten Glaskanülen, nachdem sie durch den Cellulosemantel geführt sind, das zarte Gewebe zerreißen. Schnitt- serien geben zwar Aufschluß über den Verlauf der größeren Kanäle im Bindegewebe, machen aber die Verfolgung kleinerer Gefäße dadurch unmöglich, daß selbst bei sorgfältiger Konservierung und Überführung das feine Bindegewebe ungemein leicht reißt und folglich unregel- Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteuni usw. 433 mäßige und zahlreichere Lückenräume zeigt, als im Leben vorhanden sind. Die besten Ergebnisse zeitigte die Beobachtung des lebenden Materials, ohne daß auch dabei die feineren Verzweigungen und feinsten Kanälchen festzuhalten waren. Vitalfärbungen zur Darstellung der Körperflüssigkeit schlugen fehl. Nach Hakless (1874, Bronn) wird das Blut bei Ascidia mammillata und nach Krukenbeeg (1860) und Giaeü (189G) bei Asc. mentula und Asc. fumigata tiefblau, bzw. dunkelgrün, sobald es mit Luft oder Kohlen- säureblasen in Berührung kommt. Versuche, durch Durchlüftung des Wassers mit Kohlensäure eine Dunkelfärbung des farblosen Pyrosoma- Blutes zu erzielen, ergaben negative Erfolge, weil keine Farbänderung eintrat und außerdem die einzelnen Individuen, die im kohlensäure- haltigen Wasser sehr schnell absterben, sich so stark trübten, daß bei nur schwacher Blut Verfärbung eine Verfolgung der Kanäle unmöglich wäre. Was die Nomenklatur anlangt, so ist es hier wie bei Tunikaten überhaupt unzutreffend, mit Lacaze-Duthiers von Arterien und Venen zu sprechen, da das Herz seine Pulsrichtung dauernd wechselt. Bei den meisten Autoren findet sich der Ausdruck Sinus mit der ent- sprechenden topographischen Benennung für die großen Gefäße, wäh- rend die kleineren nach den Organen, welche sie verbinden, benannt sind. Die Schwerfälligkeit dieser Nomenklatur muß man mit in Kauf nehmen, wenn man nicht dem Vorgehen Vogt und Yungs sowie ScHULTZEs folgen will, die jedes Gefäß nur nach einem Organ benennen, eine Methode, durch welche beim Vergleich der verschiedenen Ascidien leicht Irrtümer hervorgerufen werden können. Der Kreislauf von Pyrosoma läßt sich auf das von Lahille ge- gebene Schema der Ascidien zurückführen. Im wesentlichen haben wir einen dorsalen und ventralen Hauptsinus vor uns, welche vorn durch die Gefäße des Kiemenkorbes, hinten durch die den Darm um- spülenden Sinus in Verbindung stehen. Das Herz gehört dem ventralen an. Die Gefäße verlaufen in den Lakunen der Leibeshöhle und ent- behren mit Ausnahme der Mantel- und Stologefäße besonderer Epithel- wandungen. Seeliger (1895) hält es für nicht ausgeschlossen, daß sich hin und wieder in der Nähe des Herzens in den großen Kanälen Mesenchymzellen zur strecken weisen Endothelbildung fixieren. 1. Der Hypobranchial- oder Ventralsinus. Dieser starke Gefäßstamm (s. v. Taf. XV, Fig. 1, Taf. XVI, Fig. 1, 2 s. v.) entspringt aus dem vorderen Herzostium, also ventral rechts 434 Fritz Burghause, vom Eüdostyl, und zieht sich ventral und .seitlich von letzterem bis zur Nähe der Ingestionsöffnung hin. Er teilt sich kurz nach seinem Aus- tritt aus dem Herzen in mindestens drei Hauptkanäle, von denen der mediane (s. v. m. Taf. XV, Fig. 1; Taf. XVI, Fig. 2) genau ventral vom Endostyl, die beiden andern (s. v. 1.) symmetrisch zum medianen seit- lich, zum Teil direkt vom Entoderm begrenzt, verlaufen. Bei älteren Tieren sind die lateralen Stränge durch eingewuchertes Bindegewebe noch einmal in je zwei Kanäle geteilt (Taf. XVI, Fig. 1) in der Weise, daß die dem Endo.styl zugewandten die kleineren sind. Die allmähliche Einwucherung von Bindegewebe ließ sich bei manchen Schnitten ver- folgen, und vielfach ist in einem der Lateralgefäße der Prozeß noch im Gange. Das Studium des Lebenden lehrt, daß sämtliche Ventral- stämme durch feine Kanälchen in Verbindung stehen und von ihnen überaus spärliche, enge Abzweigungen in das Bindegewebe zwischen Ectoderm und den Peribranchialräumen gehen. Der engste Kanal kurz nach der Verzweigung ist der unpaare, doch verjüngen sich die Lateralstränge distal so stark, daß ihr Lumen am vorderen Endostyl- ende kleiner als das des Mediankanals ist. Von letzterem werden am Flimmerbogen zwei symmetrische Aste als peripharyngealer Kreislauf abgegeben, welche die schwachen Enden der lateralen Ventralstämme aufnehmen (Taf. XV,' Fig. 1; Taf. XVI, Fig. 2). Ein nur geringer Teil der Körperflüssigkeit strömt median im präbranchialen Teil des Ventral- gefäßes (s. V. p. Taf. XV, Fig. 1; Taf. XVI, Fig. 2) in der alten Rich- tung über den Flimmerbogen hinaus und verliert sich unterhalb und an der Mundkrause in zahlreiche feinste Verästelungen. Ich muß an dieser Stelle auf ein Organ kurz eingehen, dessen Funktion bisher vollkommen verkannt worden ist, nämlich auf den Ventraltentakel (Taf. XV, Fig. 1). Ich entnehme Neumann (Bronn) folgende Angaben über ihn: »Sehr oft erscheint er dorsal gerichtet. Er ist stets hohl und an seiner Basis blasig erweitert. Er umschließt einen Teil der primären Leibeshöhle, und in der basalen Erweiterung trifft man auch stets Blutzellen in großer Menge au, die allerdings in ihrem histologischen Charakter von den in andern Teilen der Leibes- höhle flottierenden erheblich abweichen.« Ussow (1876) faßt ihn auf Grund letzter Tatsache und des herantretenden starken Nervenastes als ein Gehörorgan, seine bläschenförmige Erweiterung als Gehörblase auf. JoLiET (1888) und Salensky (1892) sprechen die Vermutimg aus, daß die wechselnde Blutmenge in ihm abwechselnd Strecken und Erschlaffen verursacht, so daß der geschwellte Tentakel die Ingestions- öffnung völlig verschließt. Neu.mann meint: >>Der Ventraltentakel und Kreislauf und Herzschlag bei Pj^rosoiua giganteum usw. 435 die übrigen Mundtentakel können aber zweifellos durch Muskeln be- wegt werden. « Dieser Autor rechnet den Ventraltentakel zum Bereiche des peripharyngealen Sinus. Tatsächlich liegt er indessen nahe den letzten Verästelungen des Ventralsinus. Bei konserviertem Material ist das fragliche Organ stets in die Ingestions Öffnung eingezogen, der Ventralwand derselben mehr oder weniger genähert. Bei dem ersten lebenden Material, das mir zugäng- lich war — es handelte sich durchweg um junge Kolonien — nahm er unbeweglich die gleiche Lage ein. Allein schon hier zeigte sich, daß von einem Schwellen durch Blutzufuhr keine Rede sein kann. Die geringe Blutmenge, welche infolge des Mangels eines stärkeren Gefäßes über- haupt die Ingestionsöffnung erreicht, und das in den feinen Veräste- lungen überaus behinderte Strömen machen ein Schwellen des Organs zur Unmöglichkeit. Wenn die Verfolgung der Blutkörperchen in die- sen Kapillaren wegen ihres häufigen zeitweisen Fixierens auch einiger- maßen erschwert wird, so dringen doch zweifellos nie Blutzellen in- den Ventraltentakel ein, und die Zellen seiner erweiterten Basis ver- lassen nie ihren Ort, um als Mesenchymzellen im Blutstrom zu flot- tieren. An ganz frischen, in der Nähe des Laboratoriums gefangenen, großen Kolonien machte ich sodann den wichtigen Befund, daß das fragliche Organ im Normalzustande überhaupt nicht in die Ingestions- öffnung eingestülpt ist, sondern aus ihr frei in das umgebende Wasser hinausragt. Jede direkte Berührung der Tiere oder Wasserbewegungen veranlassen sein sofortiges Zurückziehen in die präbranchiale Zone des Kiemendarms, und so erhält er die Stellung, welche er an konser- viertem Material aufweist. Gleichzeitig verengt sich die Ingestions- öffnung bis zum völligen Verschluß. Behutsames Berühren des aus- gestreckten Tentakels mit einem Haar bei einem Individuum, das zapfenförmig weit über die Kolonieoberfläche hervorsteht, veranlaßt allein dieses zum sofortigen Einklappen. Liegen die gereizten Tiere tiefer in den gemeinsamen Zellulosemantel eingesenkt, so zeigen die Nachbarindividuen dieselbe Reaktion, da beim Verschluß der In- gestionsöffnung durch das gereizte Tier ein Zug in der Cellulose ent- steht, welchen die Nachbarindividuen empfinden. In der Gefangen- schaft nimmt die Reizbarkeit des Tentakels bald ab. Demnach dient der Ventraltentakel bei Pyrosoma keineswegs zum Versperren der Mund- öffnung, sondern er ist ein zum mindesten für mechanische Reize sehr emfindliches Sinnesorgan, welches die Besitzer vor Ein- dringen von Fremdkörpern und Feinden schützt. 436 Fritz Burghause, Der Mechanismus des Ventraltentakels wird durch Muskeltätig- keit vermittelt. Die latente Reizzeit ist der Beobachtung nicht zu- gänghch. Der Umstand, daß seine Bewegung durch die Sistierung des gesamten Kreislaufs zur Zeit der Wechselpausen nicht aufgehalten wird, zeigt gleichfalls seine Unabhängigkeit vom Blutdruck. Das Wiederhervortreten gleichzeitig mit der allmählichen Öffnung der In- gestionsöffnung erfolgt wie das Einklappen in nur einer Ebene (dorso- ventral). Seitwärts gerichtete oder kreisende Bewegungen konnte ich in keinem Falle konstatieren. Langsam und ruckweise, oft spontan ganz oder ein Stück seines Weges wieder zurückschnellend, richtet er sich, gleichsam vorsichtig tastend, wieder auf, bis er seine normale Stellung wieder erreicht hat, d. h. bis die Muskeln, die sein Einziehen verursachen, wieder völlig erschlafft sind. Dafür, daß das Organ nur temporär durch Muskeltätigkeit eingezogen wird, sprechen meine Be- obachtungen an Tieren, die eines natürlichen Todes in der Gefangen- schaft gestorben und aus dem Cellulosemantel herausgefallen sind. Bei ihnen allen zeigt infolge der Muskelerschlaffung der Tentakel seine charakteristische normale Stellung, nämlich aus der Ingestionsöffnung in das umgebende Wasser hervorragend. 2. Der Stolonensinus. Vom Hypobranchialsinus zweigt sich zwischen dem vorderen Herzende und der Stelle seiner Teilung ein schwächerer Sinus ab, welcher den Stolo prolifer ernährt (s. st. Taf. XV, Fig. 1). Da der Stolo etwas analwärts vom vorderen Herzende hervorknospet, muß das ihn ver- sorgende Gefäß ein wenig nach hinten umbiegen, bis es den vom Endo- styl her in den Stolo eintretenden Entodermfortsatz erreicht. Es tritt dann aus dem Bindegewebe heraus in die Lücke zwischen Ectoderm und Entoderm, das Nervenrohr bespülend, durchläuft die ganze Knos- pungszone, kehrt am distalen Ende um, wo die Entoderm- und andern Eöhren (Neumann, 1913) nicht bis zum Ectoderm reichen, und tritt in das Mutterindividuum durch die zweite Blutbahn zurück, deren Grenzen durch das Ectoderm und den Geschlechtsstrang einerseits sowie durch Entoderm, Peribranchialröhren, sowie Pericardstrang anderseits gegeben sind (Taf. XVI, Fig. 9). Nach kurzem Verlauf im mütterlichen Bindegewebe gelangt er vereint mit dem Visceralgefäß durch das hintere Herzende in das pulsierende Organ. Mit der Ent- wicklung der Knospen, welche am distalen Stoloende einsetzt, wird der Blutkreislauf natürlich komplizierter. Die Ausbildung der Kanäle in den Knospen zu verfolgen, liegt außerhalb des Rahmens dieser Unter- Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteuni usw. 437 suchung. Sie ist im wesentlichen durch die sukzessive Organbildung, wie sie von Seeliger (1889) und Neumann (1913) eingehend beschrieben ist, charakterisiert. Ob der Stolonensinus an beiden Herzenden als selbständiges Gefäß aus dem Herzen entspringt, läßt sich ohne Injektionen schwer fest- stellen. Ich glaube indessen, daß sein eventuell gesondertes Entspringen erst sekundärer Natur sein kann, indem ursprünglich jedem Herzostium nur ein einziger kräftiger Kanal entspringt, welcher sich kurz nach seinem Austritt in mehrere zerteilt, und alsdann das Bindegewebe von der Gabelungsstelle dem Herzende entgegen wuchert. 3. Der peripharyngeale Sinus. Unter peripharyngealem Sinus (s. per. Taf. XV, Fig. 1; Taf. XVI, Fig. 2) verstehe ich allein die geschlossene Blutbahn, welche sich vom Hypobranchialsinus am vorderen Endostylende abzweigt und deren symmetrische Hälften, dem beiderseits vom Kiemendarm geschwungen verlaufenden Flimmerbande folgend, sich am Ganglion in den Dorsal- sinus ergießen. Die weiter oralwärts gelegenen Partien gehören nicht zu seinem Bereiche. Es werden von ihm die beiden Leuchtorgane um- spült, bei denen er so stark erweitert ist, daß er die ganze Breite dieser in der Längsrichtung der Tiere oft recht ausgedehnten Organe einnimmt. 4. Die Visceralsinus. Aus dem Herzhinterende entspringt ein starker Blutstrom, welchem die Versorgung der Eingeweide obliegt. Es ist mir nur möglich, in grö- beren Zügen ein Bild dieser Sinus zu entwerfen, da über ihre feinen Verästelungen allein Injektionen Aufklärung verschaffen können. Bei sehr jungen Individuen, die noch durch den Stolo mit dem Muttertiere zusammenhängen, wird der Visceralsinus durch einen einzigen mäch- tigen Kanal repräsentiert, der sich im Bindegewebe an der Umbiegungs- stelle des Darmkanals zwischen Magen und Enddarm einschiebt, ohne nennenswerte Verästelungen auf der linken Seite von Magen und Öso- phagus verläuft und schließlich in den Dorsalsinus übergeht. Im Alter gestaltet sich indes sein Verlauf komplizierter. Mit der zunehmenden Unabhängigkeit der Knospe vom mütterlichen Individuum und der notwendig werdenden Selbsternährung verästelt er sich, so daß bei er- wachsenen Individuen der Mitteldarm, die Kegion der darmumspin- nenden Drüse und der Enddarm ringsum von mehreren parallel ver- laufenden, unter einander kommunizierenden Gefäßen umspült wird, welche sich am Magen in feinste Lacunen auflösen. Stets bleibt dabei der 438 Fritz Burghause, ursprünglich linksseitige Verlauf des jungen Visceralgefäßes dadurch angedeutet, daß auf dieser Seite ein schnelleres Strömen des Blutes zu beobachten ist als in den rechtsseitigen Verästelungen. Deren all- mähliche Vereinigung findet am Vorderdarm statt und zwar zu zwei denselben begleitenden Kanälen (Taf. XV, Fig. 1), deren linker als der ursprüngliche ein weiteres Lumen aufweist. — Eine weitere Komplika- tion erfährt der Eingeweidesinus mit der Ausbildung des Geschlechts- apparates. Dieser wölbt ventral, etwas nach hinten von der Darmschleife in der Leibeshöhle liegend, die Körperw^andung bruchsackartig vor, und es liegt das Ovar stets rechts, dicht hinter dem Hoden. Huxley (1850, 1861) erwähnt, daß die Hoden in einer Ausdehnung des Gefäß- systems liegen, macht aber keine Angaben über den Zusammenhang mit dem Herzen und den übrigen Blutgefäßen. Nach der völligen Ausbildung der Geschlechtsorgane erscheint der dem hinteren Herzende entspringende starke Gefäßstamm kurz nach seinem Austritt in zwei Kanäle geteilt (Tai. XV, Fig. 1). Der schwächere Ast verläuft innerhalb der Darmschleife, dann links am Magen ent- lang und mündet am Beginn des Ösophagus in den Dorsalsinus. Dieses Gefäß, es sei »Sinus stomaco-intestinalis<< genannt, gibt am Intestinum und Magen nur spärliche Äste ab. Die Hauptmenge des dem hinteren Herzende entströmenden Blutes tritt zum Zwitterapparate, sich links dem Hoden, rechts dem Ei zuwendend. Die Stärke der Blutversorgung der männlichen und weiblichen Geschlechtsdrüsen ist abhängig von ihrem jeweiligen Eeifezustand. Die Ei und Hoden umspülenden Ka- näle vereinigen sich zu einer einzigen Blutbahn, welche etwas links der Medianebene die bruchsackartige Ausstülpung verläßt, um sich dem Magen zuzuwenden. Hier spaltet sich das Gefäß, der »Sinus stomaco- genitalis«, in zahlreiche Verästelungen, welche mit denen des Sinus stomaco-intestinalis kommunizieren und den Magen vollkommen um- greifen. Die Hauptkanäle verlaufen auch in diesem Falle links des Magens. Am Ösophagus findet die allmähliche Wiedervereinigung der den Magen umspülenden Kanälchen statt, und die zwei den Ösopha- gus begleitenden Äste (Taf. XV, Fig. 5) treten zur Bildung des Dorsal- sinus zusammen. 5. Dei' Dorsalsinus. Er entsteht aus der Vereinigung der Visceralkanäle am ösophagus- beginn und zieht sich dorsal im Bindegewebe zwischen Ectoderm und dem Kiemendarm annähernd parallel zum Ventralsinus dahin (Taf. XV, s. d. Fig. 1). In seinem Bereiche liegen die dorsalen Mesenchymzell- Kreislauf und Herzschlag bei Pyro.soma giganteuni usw. 439 häufen, welche nach den verschiedensten Deutungen von Seeliger neuerdings als blutbildendes Organ angesprochen werden. Leider ist es mir nicht gelungen, durch Beobachtung des Lebenden diese Deu- tung bestätigen zu können. Es setzen sich nämlich die Blutzellen oft an den dorsalen Zellhaufen vorübergehend fest, und bei der großen Ähnlichkeit der Blutkörperchen mit den Zellen des Dorsalorgans ist es, zumal da die Körperflüssigkeit in dem weiten Dorsalsinus sehr schnell fließt, überaus erschwert, in einer sich eben loslösenden Zelle ein fixiert gewesenes Blutkörperchen oder eine losgelöste Mesenchymzelle des f-raglichen Organs mit Sicherheit zu erkennen. Wie am Ventralsinus lassen sich auf Querschnitten (Taf. XVI, Fig. 4, 3) klar drei dorsale Kanäle erkennen, welche in der Region der dorsalen Zellhaufen meist verschmolzen erscheinen. Die zwei kleineren, rechts und links symmetrisch gelegen, verlaufen im Bindegewebe dicht an den Endigungen der Kiemenquergefäße entlang und geben Blut in diese ab. Außerdem kommunizieren sie durch feine Kanälchen mit dem großen Mediankanal, welcher dorsal von dem blutbildenden Organ verläuft. Bei alten Tieren finden sich auch ventral unter- und innerhalb der Mesenchymzellhaufen Lückenräume, deren Auftreten keiner Gesetz- mäßigkeit unterliegt, und es erscheint das Gefäß durch einwuchern- des Bindegewebe an seinen Konturen vielfach unregelmäßig und zackig zerrissen. Seeliger nimmt an, daß das Bindegewebe bei Tunikaten während der ganzen Lebenszeit der Tiere wächst und sich verändert und daß demzufolge die Lakunen nicht unwandelbar die gleichen blei- ben können, sondern auch in alten Individuen sich größere Sinus ver- engen und neue sich bilden dürften. Die runde bis ovale mediane Röhre versorgt dann das Ganglion nebst der Flimmergrube, gibt hier den peripharyngealen Sinus ab und zieht sich als präbranchialer Teil des Dorsalgefäßes (s. d. pr. Taf. XVI, Fig. 1) unter allmählicher Verengung und Abgabe von Kanälchen zur Ingestionsöffnung, um sich in der Region der Mundkrause in feinste Verästelungen aufzulösen. Auch das Dorsalgefäß kann stellenweise direkt vom Entoderm begrenzt werden. Einzugehen wäre an dieser Stelle noch auf die Rückenzapfen, Aus- stülpungen der dorsalen Kiemendarmwand, welche zum Bereiche des Dorsalsinus zu rechnen sind. Neumann (Bronn) sagt: >>Es sind hohle, fingerförmige Ausstülpungen in der Medianebene des dorsalen Epithels, welche als solche Teile der dorsalen Leibeshöhle umschließen und da- her vereinzelt Blutzellen führen.« Bei Seeliger (Bronn) finden wir für die eigentUchen Ascidien folgende Angabe (S. 353): »Die Zapfen umschließen Divertikel der primären Leibeshöhle, enthalten ein mehr Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVIII. Bd. 29 440 Fritz Burghause, oder weniger zellenreiches Bindegewebe und Blutbahnen und bewirken dadurch eine Vergrößerung der atmenden Oberfläche <<. Daß der Zweck dieser tentakelförmigen Organe bei Pyrosoma sicherlich nicht in einer \'ergrößerung der respiratorischen Oberfläche besteht, zeigt die Be- obachtung, daß nicht in einem einzigen Falle Blutkörperchen aus den Dorsalkanälen in sie eintraten; sie erschienen stets durch Bindegewebe und Dorsalgefäß vollkommen abgeschlossen. Dorso ventral geführte Querschnitte durch das Tier, stark mit Plasmafarbstoffen fingiert, be- stätigen die Beobachtung am Lebenden und zeigen, daß die Rücken- zapfen mit Bindegewebe vollkommen angefüllt sind (Taf. XVI, Fig. 4). In dem dorsalen Sinus nehmen die Mantelgefäße (Tai. XV, Fig. 1 mg) ihren Ursprung, hohle Ausstülpungen des Körperectoderms ohne auskleidendes Bindegewebe, welche sich je nach der Lage der Indi- viduen im Stocke weiter oder kürzer in den Mantel hineinerstrecken. Sie entspringen trichterförmig in der Gegend des hinteren Endes der dorsalen Zellhaufen und sind am besten entwickelt bei den Individuen, welche dem Sphincter der Kolonie benachbart sind. Sie durchsetzen denselben hier überaus dicht in radiärer Anordnung. Die histologischen Verhältnisse der Mantelgefäße, ihre Ausbildung und Verteilung im P?/rosoma-Stocke, sind durch Seeliger (1895) und Neumann (Bronn) eingehend erörtert worden. Es erübrigt sich, an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Erwähnt sei, daß alle sekundären Ascidiozooide nur ein, die vier primären indessen je zwei Mantelgefäße besitzen. Eine prinzipiell verschiedene histologische Beschaffenheit oder Funktion zwischen beiden existiert nicht. 6. Die Gefäße des Kiemenkorbes. Bisher unterschied man Längs- und Quergefäße des Kiemenkorbes und bezeichnete damit die längs der Kiemen über Quergefäße und Spalten verlaufenden Rippen und andrerseits die hohlen Stücke des Kiemendarms, welche zwischen den Kiemenspalten liegen. Meinen Befunden nach verdienen den Namen Gefäße im Sinne von Blutgefäßen allein die parallelen, dorsoventral verlaufenden Quergefäße, durch welche die Verbindung der lateralen Dorsal- und Ventralbahnen zu- stande kounnt. Ihre Anzahl wächst mit der Ausbildung der Kiemen bis zu einem gewissen Grade. Ihr Lumen ist so eng, daß Zusammen- ballungen von mehreren Blutkörperchen, welche sich in absterbenden Tieren reichlich vorfinden, nicht in sie eintreten können. Nie vermochte ich indessen flottierende Mesenchymzellen in den Längsgefäßon zu entdecken. Es ist freilich an der Verbindungsstelle von jedem Quer- Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma gigantcum usw. 441 und Längsgefäß insofern zur Verschmelzung gekommen, als keine celluläre Scheidewand zwischen beiden besteht, allein das die Quer- gefäße auskleidende, in den Längsgefäßen fehlende Bindegewebe scheint an der Verwachsungsstelle die Hohlräume beider zu trennen (Taf. XVT, Fig. 6). Wollte man annehmen, daß die Hohlräume der Längsrippen mit denen der Quergefäße in so feiner Verbindung stehen, daß wohl die Lymphe, nicht aber die Blutkörperchen eintreten können, dann müßten sich Fälle beobachten lassen, in denen die Blutkörperchen vor der Öffnung festgehalten und angepreßt würden, d. h. sie müßten sich des öfteren auffallenderweise an der Berührungsstelle von Quer- und Längsgefäß festlegen. Dies war jedoch nie der Fall. Einzugehen wäre noch kurz auf Unregelmäßigkeiten im Bau der Kieme und dadurch bedingte abnorme Ausbildung der Gefäße, Nicht selten machen die Kiemenblätter den Eindruck, als seien sie zerrissen ge- wesen und sekundär wieder ausgeheilt. Der Kiemenkorb zeigt strecken- weise überhaupt keine Perforation, und meist verschwinden in den betreffenden Regionen auch die Längsrippen. Es schieben sich halbe Spalten zwischen die normalen ein oder es verschmelzen zwei benach- barte streckenweise. Überhaupt zeigen sich statt regulärer Spalten kürzere oder längere und selbst runde Perforationen. Entsprechend ist die Anordnung der Quergefäße, welche dann streckenweise zur Ver- einigung gelangen. Es ist hier nicht der Ort, einzugehen auf die Fragen, welche neuerdings von Seeliger (1895), Damas (1904), Julin (1904) und Neumann (Bronn) aufgeworfen sind, ob nämlich diese Unregel- mäßigkeiten durch sekundäre Einschiebung neuer Spalten zwischen die normalen oder durch Querteilung der letzteren entstehen und wel- chen morphologischen Wert die Querspalten der Pyrosomenkieme haben. Merkwürdigerweise zeigen meist beide Kiemenblätter eines In- dividuums und einzelne Kolonien in besonderer Häufigkeit derartige Abnormitäten, so daß die Annahme einer Vernarbung nach erhaltener Verletzung zurücktreten muß gegenüber der, daß besondere Lebens- bedingungen die Tiere zu diesen Bildungen zwangen. 7. Die Gefäße der Egestionsöfifnung. Die Versorgung der Egestionsgegend mit Körperflüssigkeit ge- schieht wie an der Ingestionsöffnung durch zwei Gefäße (Taf. XV, Fig. 1 s.an.). Durch ihre Schwäche wird ihre Auffindung einigermaßen erschwert, zumal die Kloakalmuskeln und das koloniale Muskelsystem bei dicker geschnittenen Streifen das Bild stark trüben. Am vorderen Herzende zweigt sich von dem kräftigen Ventralsinus ein zweiter schwa- 29* 442 Fritz Burghause, eher Kanal ab, welcher sofort nach hinten umbiegt und, sanft links sich wendend, ventral vom Herzen dicht unter dem Ectoderm und dann bei alten Tieren linkerseits an der Aussackung, welche die Geschlechts- organe beherbergt, vorbei zur Egestionsöffnung hinläuft. Hier ver- zweigt er sich in feinste Lakunen, welche sich dorsal wieder zu einem einzigen Kanäle vereinigen, der oralwärts das Blut zurückführt und mit leichter ventralwärts gerichteter Biegung in das hintere Ende des Dorsalsinus endet. Ein besonderes Versorgen der Muskeln der Egestions- öffnung mit Blut findet wie bei den Nerven der Ingestionsöffnung nicht statt. Der Kreislauf des Blutes in den Gefäßen. Vergegenwärtigen wir uns nach diesen Betrachtungen kurz die Bewegung der Körperflüssigkeit bei der Herztätigkeit in einer bestimm- ten Richtung. Das Herz pulsiere bei einem Individuum mit Stolo und entwickelten Genitalorganen in der Richtung von hinten nach vorn. Die gesamte Blutmenge, welche das vordere Herzende verläßt, ver- teilt sich dann so, daß die kleinste Menge in das zur Egestionsöffnung führende Gefäß eintritt, daß etwas mehr durch den mittelstarken Sinus in den Stolo fließt und daß der Hauptteil von den Ventralkanälen auf- genommen wird. Nur wenig Flüssigkeit nimmt ihren Weg von letzteren durch die Kiemenquergefäße, die Hauptmenge durchströmt namentUch vom ventralen Mediankanal aus die zwei Schenkel des peripharyngealen Sinus mit einigem Aufenthalt an den Leuchtorganen bis zum Eintritt in das Dorsalgefäß in der Gegend des Centralnervensystems. Der Rest des Blutes aus dem Ventralsinus, je nach der Ausbildung der präbran- chialen Körperzone mehr oder weniger, fließt langsam über das Ende des Endostyls hinaus und verliert sich in den feinen Lacunen der In- gestionsregion. Infolge der Saugwirkung des Herzschlauches wird es wieder versammelt zu dem präbranchialen Dorsalsinus, der am Gan- glion eine plötzliche Blutbereicherung erfährt durch den peripharyn- gealen Sinus, und passiert nun die Dorsalgefäße, deren laterale Stränge das aus den Kiemen tretende Blut aufnehmen. Blutverlust oder Zu- nahme durch das abgehende Mantelgefäß kommt nicht in Betracht, da in ihm die Körperflüssigkeit stagniert und nur durch die Kontrak- tion seiner Muskel und dadurch verursachte Verkürzmig und Veren- gung des Lumens schwach bewegt Avird. Es liegt auf der Hand, daß dadurch die von Neumann vermutete Auswanderung von Mesenchym- zellen in die umgebende Cellulose begünstigt wird. Zur Respiration tragen indessen die Mantelgefäße nicht bei. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosonia giganteuni usw. 443 Am Ansatz des Ösophagus wird alsdann die oralwärts strömende geringe Blutmenge des dorsalen Egestionsgefäßes aufgenommen, und beide vereint ergießen sich in das den Darmkanal einfassende Binde- gewebe. Die kleinere Blutmenge strebt durch das Stomaco-Intestinal- gefäß, alles übrige durch den Sinus stomaco-genitalis, den Geschlechts- apparat passierend und die Hodenläppchen mit jedem Pulsschlage bewegend, dem hinteren Herzende zu, kurz vor welchem das aus dem Stolo zurückkommende Blut sich mit ihm vereinigt. Bei der umgekehrten Herzperistaltik verläuft der Blutstrom in sämtlichen Gefäßen in der umgekehrten Richtung. Die Schnelligkeit des Blutstromes ist abhängig von der Energie der Herztätigkeit. Infolge der wellenförmigen Herztätigkeit zeigt die Bewegung der Körperflüssigkeit keine Kontinuität, insofern die Blut- masse mit jeder ablaufenden Welle ein Stück vorwärtsgetrieben wird, um dann einen Moment ihre Bewegung zu sistieren oder in den größeren Kanälen nach dem Ablaufen jeder Pulsation sogar ein Stückchen zurückzufließen. Bei künstlich gesteigerter Herztätigkeit (S. 475 ff.) entzieht sich dieser Vorgang der Beobachtung. Die Bewegungsgeschwin- digkeit in den verschiedenen Körperregionen desselben Individuums ist proportional der Weite der Kanäle. Es kommt natürlich in den Verästelungen am Darm und vor allen Dingen an den Körperöffnungen, ferner an den Leuchtorganen und dorsalen Zellhaufen infolge der engen oder der unregelmäßigen Konturen der blutführenden Bindegewebs- lakunen zu einer zeitweisen Fixierung der flottierenden Mesenchym- zellen. Vergleich des Qefäßverlaufes bei Pyrosoma mit den eigentlichen Ascidien und Salpen. Vom Schema Lahilles (1890) weicht der Pyrosomenkreislauf da- durch ab, daß das Herz weiter nach hinten als im Schema gelagert ist, so daß die seinem hinteren Ende entspringenden Sinus sich fast sofort nach ihrem Austritt dorsal wärts wenden. Das extreme Stadium der Polijdinidae, bei welchem das pulsierende Organ am Hinterende des Gesamtkörpers liegt und beide Herzenden nach vorn gekrümmt sind, wird von Pyrosoma noch nicht erreicht. In der histologischen Beschaffenheit der Blutgefäße steht Pyro- soma den Synascidien am nächsten. Bei allen Tunikaten sind die Blut- gefäße diejenigen Teile der primären Leibeshöhle, welche durch das gallertige Bindegewebe nicht ausgefüllt sind und die Körperflüssigkeit 444 Fritz Burghause, führen. Das bindegewebige Füllgewebe fehlt allein den Appendicularien, bei denen sich die Korperflüssigkeit direkt in der Leibeshöhle bewegt. Daß die Füssigkeitsbahnen bei Pyrosoma teilweise nicht völhg im Binde- gewebe liegen, sondern, ähnhch wie es bei Synascidien vorkommt, direkt vom entodermalen Epithel begrenzt werden, wurde bereits hervorgehoben. Bei den Monascidien als den größten Formen der Tunikaten kommt es besonders in den größeren Gefäßen, allein auch zuweilen in den kleineren Bahnen in der Hauptsache durch sich der Gallerte anlegende, hindurchgewanderte Zellen des Bindegewebes, auch wohl durch ein Fixieren und Aneinanderlegen amöboider Blutzellen zur Ausbildung feiner Epithellamellen. Die kleineren Synascidien entbehren meist der- artiger Bildungen wie die Pyrosomen. Ebenso fehlen Muskeln, wie sie in den großen und auch kleineren Gefäßen der Monascidien und in den größeren Gefäßen der Synascidien vorkommen, im Pyrosomen- körper mit Ausnahme der Mantelgefäße, deren longitudinale Muslai- latur direkt von der Körperflüssigkeit bespült wird, wodurch sie den Charakter von Hohlmuskelschläuchen erhalten. Einfache Bahnen sind die röhrenförmigen Mantelgefäße der Synascidien, während bei Monas- cidien dadurch kompliziertere Verhältnisse geschaffen werden, daß durch eine sekundär einwuchernde Gewebslamelle das Gefäßlumen in zwei Röhren geteilt wird. Auf Grund der Tatsache, daß die Außenwand der Stolonenblut- kanäle der Synascidien wie der Mantelgefäße der Monascidien nur eine Ectodermschicht ist, hat neben andern Forschern namentlich 0. Hertwig (1872) die morphologische Gleichwertigkeit zwischen den Stolonen der Syn- und Manteldoppelgefäße der Monascidien au;-- gesprochen. Dies ist jedoch kaum zulässig, da mit Sicherheit Doppel- gefäße bei Monascidien nachgewiesen sind, an deren Bildung das Eiitoderm im Gegensatz zu allen Stolonen nicht beteiligt ist. Seeli- üER (Bronn) meint, daß freilich gerade der möglichen entodermalen Bildung der Scheidewand in den Doppelmantelgefäßen bisher zu wenig Aufmerksamkeit zugewandt worden ist. In der Tat ist mit Sicherheit ein Fall bekannt, wo die ectodermalen Mantelgefäße durch eine Entodermlanielle zu Doppelgefäßen werden. Es sind dies die Gefäße in den Haftzotten bei Ciona intestinalis. Mit vollem Rechte homologisieren deshalb Roule, Herdmann und Damas die Mantel- kanäle von Ciona mit den Stolonen der Synascidien, und ich schließe mich dieser morphologischen Gleichstellung auch für die Stolonen bei Pyrosoma an. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 445 Bei allen Ascidien finden wir den starken, aus dem vorderen Herz- ende entspringenden Blutstrom wieder, welcher ventral verlaufend, das Blut der vorderen Körperregion zuführt und, an der Ingestions- öffnung sich in feinste Kanälchen auflösend, verstreicht. Die Tatsache, daß er aus mehreren Parallelstämmen besteht, welche ihrerseits wieder feinere Gefäße abgeben, ist gleichfalls von den Ascidien beschrieben, so bildet z. B, Heller für Ascidia mentula und Seeliger für Botryllus (Bronn, Taf. VIII, Fig. 5) drei Ventralkanäle ab. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Clavellina (ibid. Fig. 1). Der Sinus ventralis bei Pyro- soma ist homolog dem grand sinus thoracique ou ventral (Milne Edwards), dem sinus branchiocardiaque, sinus branchial inferieur ou ventral (Roule), der aorte branchio-cardiaque oder branchiale (Lacaze- DuTHiERs), dem Bauchkanal (Vogt und Young), dem Ventralgefäß (Heller), dem great dorsal branchial Channel (Hancock) und dem cana- lis hypobranchialis (Schultze) bei Salpen. Der bei Pyrosoma überaus deutlich entwickelte peripharyngeale Sinus scheint in derselben Mächtigkeit bei Ascidien nicht zu existieren. Die Hauptblutmenge nimmt bei den großen Monascidien ihren dorso- ventralen Weg durch die Kiemen, während die Flimmerbogenkanälchen ihnen gegenüber nur untergeordnete Bedeutung besitzen. Hier bestehen sie, dem komplizierten Bau des FHmmerbogens entsprechend, aus vielen kleinen Gefäßen, unter denen ein stärkeres allerdings in un- mittelbarer Nachbarschaft der flimmertragenden Zellen des Bogens ver- laufen kann (Bronn, Abbildung S. 330). Bei den kleineren Synascidien gewinnt der genannte Sinus an Bedeutung, und es ist naheliegend, an- zunehmen, daß seine starke Entwicklung bei Pyrosoma durch die in ihm liegenden Leuchtorgane bedingt worden ist, deren intensive Tätigkeit eine ausgebildete Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff zum Er- fordernis macht. Das Homologon zum peripharyngealen Sinus ist bei den Salpen durch die zwei symmetrischen Vasa oralia (Nicolai 1908) repräsentiert. Der starke, dorsal in der Längsachse des Tieres über dem Kiemen- korb verlaufende Sinus der Pyrosomen fehlt bei keiner der untersuchten Ascidien. Überall nimmt er oralwärts an Volumen ab und löst sich dendritisch an der Ingestionsöffnung auf. Synonyma sind sinus dorsal (Milne Edwards), veine du raphe posterior oder vaisseau branchial median posterieur (Lacaze-Duthiers), sinus viscero-branchial oder sinus branchial superieur ou dorsal (Roule), Dorsalstämme (Heller), Eingeweide-Kiemenkanal (Vogt und Yung), great ventral branchial Channel (Hancock) und canalis branchialis (Schultze) bei Salpen. 446 Fritz Burghause, Mehrere parallele Längsstämme sind von den meisten Ascidien bekannt, und nach Seeliger (Bronn) erscheint bei manchen ein großes Längs- gefäß »durch eingewuchertes Bindegewebe auf gewissen Strecken in mehrere kleine Blutbahnen aufgelöst <<. Zu einer Übereinanderlagerung zweier Dorsalkanäle, wie wir sie aus Hellers Untersuchunsen für Ascidia mentula kennen, kommt es bei Pyrosoma nicht. Nur bei wenigen Ascidien (Gattung Ascidia, Heller) verläuft der Dorsalkanal an seinem Hinterende unverästelt bis zum Herzen. In den meisten Fällen liegen die Verhältnisse wie bei Pyrosoma, indem sich das Dorsalgefäß an den Eingeweiden in feinste Astchen auflöst (Dorso-intestinal- und Dorso- ventraläste, Bronn), deren Blutinhalt erst durch die Visceralkanäle dem Herzen zugeführt wird. Die Art und Weise der am Eingeweidekanal erfolgenden Auflösung ist von Lacaze-Duthiers und Delage (1899) bei Cynthideen {Poly- carpa varians, Molgula) und ganz besonders sorgfältig durch Roule (1884) für Ciona intestinalis beschrieben worden. Bemerkenswert ist, daß nach den Erstgenannten von den zwei außer einem dritten me- dianen rechts und links vom Ösophagus verlaufenden Ästen auch bei Mogula der linke der mächtigere sein soll. Für die großen Ascidien sind Trabekelgefäße bekannt geworden, Kanäle, welche in den die Peribranchialräume durchsetzenden und die Kieme mit der äußeren Leibeswand verbindenden Stütztrabekeln ver- laufen und somit eine Kommunikation zwischen den Kiemen- und Leibeswandgefäßen darstellen. Sie fehlen den Trabekeln der Pyro- somen sowie kleinen Synascidien voUkommeu. Die bei den größeren Formen in der Leibeswand, also im Bindegewebe zwischen dem Ecto- derm und dem äußeren Peribrauchial- bzw. Kloakenepithel verlaufen- den starken, reich verästelten Gefäße sind bei Pyrosoma ja sehr schwach ausgeprägt und deshalb ist eine lacunäre Verbindung zwischen Kieme und Körperwandung überflüssig geworden. Die Trabekeln bei Pyro- soma haben demnach allein die Aufgabe zu erfüllen, die Kieme zu stützen. Ich möchte nicht versäumen, an dieser Stelle auf eine Bemerkung See- ligers (1895) einzugehen, welcher vermutet, daß den Trabekeln der Pyrosomen eine gewisse Kontraktilität zukommt. Beobachten des lebenden Materials lehrt, daß bei geöffneter Ingestionsöffnung die Tra- bekeln glattgestreckt die Kieme stützen. Kontrahieren sich die Mus- keln der Ingestionsöffnung plötzlich, so entsteht im Innern des Kiemen- korbes ein Überdruck, infolge dessen beide Kiemenblätter auseinander- gedrückt werden und sich dem äußeren Peribranchialepithel nähern. In dem Maße, wie das Wasser beim Wiederöffnen abfließt, kehrt die Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteuni usw. 447 Kieme wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück und der Tra- bekel streckt sich. Infolge dieser Verengung der Peribranchialräume müssen sich die Trabekeln verkürzen, und dies geschieht durch Ein- knickung, welche an besonderen dazu präformierten Stellen erfolgt, nämlich dort, wo die Kerne der langen, spindelförmigen Zellen liegen, welche die Trabekeln bilden. Außer diesem charakteristischen Ein- knicken beobachtete ich indessen bei fest verschlossnen In- und Ege- stionsöffnungen, an denen sich keinerlei Bewegungserscheinungen zeig- ten, ruckende kleinere Bewegungen der Kiemenblätter, welche zweifellos durch aktive Kontraktion der Trabekeln Zustandekommen. Es näherte sich nämlich oft, obwohl der Knickwinkel des Trabekels sich vergrößerte, das betreffende Kiemenblatt der äußeren Körperwand. Diese Erschei- nung findet nur in der Annahme Öeeligees ihre Erklärung. Das Visceralgefäß entspringt bei allen Ascidien aus dem hinteren Herzende als starker, die Eingeweide versorgender Sinus. Die bei Pyrosoma beobachteten Verhältnisse nähern sich am meisten den bei Ascidia, von Roule bei Ciona und von Lacaze-Duthiees bei Mol- gula beschriebenen. In allen diesen Fällen teilt sich das Visceralgefäß in zwei Äste, deren Verlauf bei den genannten Arten indes verschie- den ist. Die Versorgung der Genitaldrüsen läßt keinen allgemeinen Ver- gleich zu wegen ihrer verschiedenen Anordnung im Reiche der eigent- lichen Ascidien. Die Stolonenversorgung ist bei Salpen genau die gleiche wie bei Pyrosoma (Vogt 1852). Tentakelblutgefäße und eine direkte Verbindung zwischen den Gefäßen der Kieme und dem Visceralgefäß, wie sie bei Molgula und Ascidia bekannt sind, fehlen den Pyrosomen ebenso wie die Kanäle, welche den Visceralsinus mit der Leibes wand verbinden. Die Kiemengefäße zeigen gegenüber den Ascidien eine große Vereinfachung. Nutzen und Bedeutung der periodischen Herzumkehr. Es ist an dieser Stelle einzugehen auf die Frage, wie sich die Ver- teilung von Sauerstoff und Nahrung im Pyrosomenkörper durch die umkehrende Herzarbeit gestaltet. Roule (1884, 1885) war bekanntlich der erste, welcher darauf hinwies, daß die Sauerstoffversorgung im Tuni- katenkörper in den verschiedenen Körperregionen innerhalb der ent- gegengesetzten Herzperioden eine recht verschiedene sein muß, und er baute darauf seine Erklärung für die Herzumkehr im Tunikatenkörper auf. Von späteren Forschern wandte namentlich Schultze (1901) die- sem Punkte seine Aufmerksamkeit zu. Er dehnt seine Angaben auch 448 Fritz Burghaut^o, auf die Versorgung mit Nährstoffen aus, indem er meint, daß »doch wohl auch im Tunikatenkörper das Blut vom Darm resorbierte Nähr- stoffe aufnimmt«. Da diese ScHULTZEschen Befunde infolge des bei Salpen reduzierten respiratorischen Organs und des direkten Zusammen- hanges des Dorsalgefäßes mit dem hinteren Herzende für die eigentlichen Ascidien keine Gültigkeit haben, geht Seeliger (Bronn, S. 527) auf diese Verhältnisse bei ihnen kurz ein. Diesen Betrachtungen liegt die Idee zugrunde, daß das Blut in der Kieme Sauerstoff, in den Darm- lakunen diffundierte Nahrungsstoffe aufnimmt und bei seinem weiteren Verlaufe allmählich an die durchströmten Gewebe abgibt. Allerdings hebt schon Schultze hervor, daß dafür nur dann ein bindender Beweis gefunden werden kann, wenn man aus ein und derselben Körperstelle bei zwei entgegengesetzten Herzperioden Blut entnähme und es einer eingehenden Analyse unterzöge. Das Herz schlage in einem erwach- senen Pyrosoma von hinten nach vorne. Ihm entströmt ein sauerstoff- armes, aber an resorbierter Nahrung reiches Blut, welches in erster Linie die Gegend des Endostyls, dann den Stolo, die Kieme, die Leucht- organe im peri pharyngealen Sinus, ferner die ventrale Region der In- und Egestionsöffnung versorgt. In der Kieme und vielleicht auch im peripharyngealen Sinus findet reichliche Aufnahme von Sauerstoff statt, der ihm wieder entzogen wird in der Gegend des Dorsalsinus, vor allem aber in den die Eingeweide umspülenden Kanälen. Die Versorgung mit Nährstoffen ist in diesen Körperteilen gering. Ihre Aufnahme findet erst in den darmumspinnenden Lakunen wieder statt, so daß die Ge- schlechtsorgane bei verhältnismäßig starkem Sauerstoffmangel reichlich mit Nährstoffen bedacht werden und ins Herz annähernd sauerstoffreies, aber nahrungsreiches Blut eindringt. Bei advisceralen Pulsen (S. 452) gestalten sich die Verhältnisse folgendermaßen. Dem Stolo, den Geschlechtsorganen und dem ge- samten Verdauungstractus steht sauerstoffreiches Blut zur Ausnutzung frei. Die am Verdauungstraktus aufgenommenen Nahrungsstoffe kommen der Dorsalgegend von der In- bis zur Egestionsöffnung zu- gute. Der ventralen Körperregion stehen diesmal bei beträchtlicher Sauerstoffmenge nur wenig Nahrungsstoffe zur Verfügung. Diese Betrachtungen lassen sich kurz zu folgender Übersicht zusammen- stellen. Aus nebenstehender Tabelle läßt sich unschwer entnehmen, daß aller- dings die umkehrende Herzperistaltik die Verteilung von Sauerstoff und Nährstoffen in gewissen Körperregionen günstig beeinflußt. Auf- fällig ist indessen die Tatsache, daß bei der Annahme, daß nur in den Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 449 Bei Pulsen von h inten nach vorn Körperregion Bei I'ulsen von vorn nach hinten Versorgung mit Sauerstoff Versorgung mit Nahrung Versorgung mit SauerstoiF Versorgung mit Nahrung schwach stark Stolo stark schwach » » Ventralregion bis Flimmerb. ^ » » Kieme schwach stark . . Leuchtorgane % stark schwach Dorsalregion bis Flimmerb. » " > » Darmkanal stark schwach schwach stark Geschlechtsoi-gane » > » » Egest. Öffnung schwach stark » > Ingest. Öffnung » » Kiemengefäßen Sauerstoffaufnahme stattfindet, bei dem Kreislauf in beiden Richtungen die Gegend der Ingestionsöffnung mit ihren Mus- keln und Nerven mit Sauerstoff stets recht stiefmütterlich, mit Nahrung verhältnismäßig reichlich bedacht wird. Dieses Mißverhältnis läßt sich nur dadurch beseitigen, daß man annimmt, daß in der präbranchialen Zone auch durch die innere Epithelauskleidung ein direkter Gasaustausch zwischen dem im Ingestionsraum befindlichen frischen Wasser und den umgebenden Geweben stattfindet. Die Möglichkeit dazu ist dadurch gegeben, daß der präbranchiale Teil des Dorsal- und Ventralgefäßes vielfach direkt am Innenepithel ohne dazwischengschobenes Binde- gewebe verläuft. Auffällig ist ferner, daß die im peripharyngealen Sinus gelegenen Leuchtorgane stets besser mit Nahrung als mit Sauerstoff versorgt werden. Die merkwürdigste aus der Tabelle resultierende Er- scheinung dürfte jedoch die sein, daß die Egestionsgegend stets stark venöses, jedoch nährstoffreiches Blut erhält. Das Wasser tritt aus dem Innern des Kiemenkorbes durch die Kiemenspalten, wo ihm sein Sauer- stoff entzogen wird, in die Peribranchialräume und von hier in die Kloake, von wo es durch das Innere der Kolonie wieder ins Freie strömt. Eine Sauerstoffaufnahme von selten des Innenepithels aus dem be- spülenden Wasser kann so gut wie nicht stattfinden, da es beim Pas- sieren des Tierkörpers den größten Teil seines Sauerstoffgehaltes ab- gegeben hat. Die Versorgung mit Sauerstoff in der Egestionsgegend muß demnach in der Tat sehr schwach sein. Diese drei erwähnten Punkte drängen zur Berührung der Frage, welche bereits Krukenberg (1880) für Salpen aufwirft, ob das Blut nicht überhaupt im wesentlichen nutritorische Bedeutung und vielleicht 450 Fritz Burghause, Überhaupt keine respiratorische be^sitzt. Ich glaube dahin schUeßen zu müssen, daß der Körperflüssigkeit der Pyrosomen in erster Linie die Aufgabe zufällt, die vom Darm resorbierten Nährstoffe in alle Regionen des Leibes zu führen, wo sie dann in die umliegenden Gewebe trans- sudieren. Einen untergeordneten respiratorischen "Wert des Blutes völlig in Abrede zu stellen, hieße aus Gründen, welche auf S. 470 ff. er- örtert werden, zu weit gehen. Das Herz. Lage, Form, Histologisches. Der Entdecker des P//roA'oma-Herzens ist Milne-Edwards (1840). Über seine Lage (Taf. XVI, Fig. 8, Tai. XV, Fig. 1) entnehme ich Neu- mann (Bronn, S. 109) : >>Es liegt am Hinterende des Endostyls zwischen diesem und der Enddarmschleife, jedoch nicht genau median, sondern etwas nach rechts, und stellt einen cylindrischen, schräg von unten nach oben gerichteten Schlauch mit mäßiger ventraler Krümmung dar. « Da das ursprüngliche Zellbläschen, aus dem das Herz hervorgeht, sich an der dem Kiemendarm zugewandten Seite einstülpt (Seeliger, 1898), sind am pulsierenden Organ zwei Teile zu unterscheiden, wie Fig. 8, Taf. XVI zeigt. Die äußere Wandung, das Pericard (pc), schlägt sich am Kiemendarm in die innere, das eigentliche Herz (hz), um. Es ist dem- nach mit VAN Beneden und Julin (1887) das Herz als viscerales Blatt des Pericards aufzufassen. Die Stelle, wo die Herzwandung jederseits in das Pericard übergeht, die Herzraphe, ist durch eingewuchertes Bindegewebe verschlossen (Fig. 8). Außerdem liegt der Schlitz mit Ausnahme der beiden Herzenden, welche offen bleiben, dem hinteren Kiemendarmepithel dicht an. Bei alten Individuen können sich die Umschlagstellen der Raphe bis zum Verwachsen nähern (vgl. See- liger 1895). Die Histologie des Herzens ist von eben genanntem Forscher klar- gelegt. Das Pericard wird, wie das Herz, von einer einzigen feinen Schicht polygonaler Zellen gebildet. Das Epithel des Herzschlauches scheidet die das innere Lumen bedeckenden Muskeln ab (Taf. XVI, Fig. 7), und zwar bildet jede Zelle mehrere, wohl über die gesamte Herzwand ver- laufende Fibrillen. Teilungen derselben konnte ich des öfteren fest- stellen. Da eine weitere innere Herzschicht, wie sie von Ascidien (mem- brane anhyste, v. Beneden und Julin, Roule) beschrieben ist, nie existiert, wird die Fibrillenschicht direkt von der Körperflüssigkeit bespült. Kreislauf und Herzsclilag bei Pyrosoma giganteuiu usw, 451 Der Zwischenraum zwischen Pericard und Herzwandung ist von einer wasserklaren Flüssigkeit erfüllt. Es gelang mir an lebenden Pyro- somen den allen bisherigen Untersuchern entgangenen, darin schwim- menden Pericardkörper nachzuweisen, welcher bei Ciona von Heller (1875) und Roule (1884), bei Ascidia cristata und fumigata von Fernandez (1906) beschrieben und auch bei Salpen (Schultze 1901) beobachtet ist. Er tanzt bei Pyrosoma in der Pericardflüssigkeit mit jedem Herzschlage hin und her und liegt, da er mit den Wan- dungen nicht in Verbindung steht, meist demjenigen Herzende mehr genähert, nach welchem die jeweiligen Wellen verlaufen. Er ist ver- hältnismäßig selten und findet sich in variierender Größe nur bei älteren Tieren. Da ich ihn auf Schnitten nie wiederfinden konnte, sind mir An- gaben über seine histologische Beschaffenheit nicht möglich. Im Leben erweckt er den Eindruck eines Zellkonglomerates. Kleinere außer ihm schwimmende Zellelemente (Fernandez) fehlen wie bei den Salpen. Die Bedeutung des Pericardkörpers ist nach Heine (1903) secreto- rischer Natur. Fernandez dagegen meint, seine Bestandteile seien nur losgerissene Teile des Herzens und Blutzellen, die bei einem Biß der Herzwand in den Pericardraum eindrangen und hier nach der Aus- heilung verblieben. Nach den Befunden von Gaver und Stephan (1907) an Ciona intestinalis bilden außer verbrauchten Herzzellen vor allem parasitäre Protozoen die Pericardpartikelchen. Ein Eintreten von Blut in den Pericardraum durch einen Riß in der Herzwand erscheint mir unwahrscheinlich, da die intensive wellenförmige Tätigkeit des Herzens kaum ein Ausheilen ermöglichen dürfte. Die Tatsache, daß nur alte Tiere den Pericardkörper aufweisen und daß er im Cyathocoid fehlt, spricht dafür, daß er aus abgestoßenen Herzelementen zusammen- gesetzt ist. Die Herztätigkeit bei frischen Individuen unter normalen Bedingungen. Historisches. Nach der Entdeckung der umkehrenden Herzperistaltik bei Salpen durch V. Hasselt (1824) und bei Ascidien durch Lister (1834) ist die Tätigkeit des Ascidienherzens zuerst von Müne-Edw^ards (1839) ein- gehender beschrieben worden. In neuerer Zeit wandten einige Forscher ihr Augenwerk auf den Herzschlag der Salpen, die bei ihrer Durch- sichtigkeit, Größe und der oberflächlichen Lage des Herzens ein aus- gezeichnetes Objekt zum Studium der Kontraktionsvorgänge darstellen. Schultze hat 1901 Komplikationen im normalen Pulse des Salpen- 452 Fritz Burghause, herzens beschriebeiij die in einem merkwürdigen Verhalten der beiden Herzenden beim Verlaufe einer Welle besteben und die um so beachtens- werter sind, als sie, für die eigentlichen Ascidien noch nicht beschrieben, sich zum Teil bei Pyrosoma wiederfinden. Für Pyrosoma selbst liegen genaue Beobachtungen über diesen Punkt nicht vor. Milne-Edwards (1840) entdeckte die Übereinstim- mung der umkehrenden Herzperistaltik bei ihnen und den Ascidien, also das Verlaufen einer Anzahl von Wellen von einem Herzende zum andern und nach kurzer Pause Umkehr der Pulsrichtung und des Blut- stromes. Keferstein und Ehlers (1861) beschränken sich darauf, seine Angaben zu bestätigen. Weitere dürftige Mitteilungen über die Herztätigkeit sowohl des aus dem Ei entstehenden Cyathozoids sowie der aus ihm knospenden vier Primärascidiozooide finden sich bei Pa- VESi (1872), welcher ein gleiches Verhalten bei den primären und sekun- dären Ascidiozooiden konstatiert. In der Nomenklatur schließe ich mich den früheren Untersuchern über Ascidienherztätigkeit an. Demnach seien die Herzenden mit ScHULTZE (1901) nach den großen Kanälen, welche sie entsenden, benannt ; das vordere ist das hypobranchiale, das hintere das viscerale. Die Kontraktionen, welche vom hypobranchialen zum visceralen Ende verlaufen, seien nach Krukenberg (1880) als adviscerale, die entgegen- gesetzten als abviscerale bezeichnet. Die Summe der Kontraktionen in einer Richtung sei eine Pulsationsreihe und die Ruhezeit des Herzens zwischen zwei entgegengesetzt verlaufenden Reihen die Wechselpause. Die Bezeichnung zusammengesetzte Herzperiode bedeutet eine abvis- cerale und eine adviscerale Pulsationsreihe mit der einer jeden folgenden Wechselpause. üntersuchuugsmethode. Die Untersuchung der Herzrhythmik der Pyrosomen ist mit einiger Schwierigkeit verknüpft, weil man die großen Kolonien zur Beobach- tung unter dem Mikroskope zerschneiden muß. Jede Berührung und Zerrung der Tiere hat, wie später (S. 466 ff.) dargetan werden soll, einen merklichen Einfluß auf die Herztätigkeit, und da junge Kolonien als spärliches und kostbares Material selten zu erlangen sind, wurden aus großen Kolonien Längsstreifen mit einem scharfen Messer so stark herausgeschnitten, daß sie noch genügenden Durchtritt des Spiegel- lichtes erlaubten. Die Individuen dieser Stücke liegen dann lateral, zeigen das Herz in seiner ganzen Ausdehnung, und die im Innern ge- legenen Individuen sind von dem Eingriff, der, um Eintritt von Luft Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosonia giganteum usw. 453 in die Kiemenhöhle zu verhindern, am besten unter Wasser auszu- führen ist, so gut wie nicht betroffen und gestatten, zu einwandfreien Resultaten zu gelangen. Die Streifen wurden alsdann in möglichst großen Schalen, um Wasserverschlechterung zu vermeiden, untersucht. Von einer Durchlüftung mußte, wie sich bald herausstellte, abgesehen werden, da Wassererschütterungen den Herzschlag wesentlich ver- ändern. Ein Vorteil, den die Beobachtung der Herztätigkeit der Pyro- somen und der Synascidien gegenüber Salpen und großen Monascidien bietet, liegt darin, daß man es stets mit einer Anzahl von Individuen zu tun hat, welche im großen und ganzen unter den gleichen Bedin- gungen gelebt haben und bei den annähernd gleichalterigen Primär- ascidiozooiden gleiche Verhältnisse aufweisen. Es wurden außerdem Versuche an Botryllus-Kolonien angestellt, an denen einige für das Tunikatenherz strittige Punkte geklärt werden sollten. Das Experi- mentieren mit diesen Tieren bietet vor Pyrosoma insofern wesentliche Vorteile, als sie gegen Gefangenschaft weniger empfindlich sind und eine Ausschaltung jeglichen Berührungsreizes gestatten, wenn man nach PizoN (1901) alte losgelöste Kolonien auf Objektträgern fest- bindet, wo sie sich dann fixieren, oder in ein mit Botryllen bevölkertes Becken Glasscheiben legt, auf denen sich dann die jungen freischwim- menden Larven festsetzen und fortwachsen. So besetzte Glasstückchen, mit den darauf befindlichen Kolonien nach unten gekehrt, gestatten leicht eine Beobachtung der Herztätigkeit unter möglichst normalen Bedingungen. Im Anschluß an die HARTMAYRsche Bearbeitung der Ascidien (1911, S. 1731 in Bronn) möchte ich erwähnen, daß die festgebundenen Kolonien arge Feinde in kleineren Fischen haben, welche unter den in Bronn zitierten fehlen. Labriden, Serranus, Julis, Coris und Sargus fressen Botryllen mit Vorliebe. Die Pnlsation. Ursprung der "Wellen. Während wir im Herzen der Wirbeltiere bei jedem Schlage eine gleichzeitige Kontraktion der Gesamtmuskulatur vor uns haben, setzt bei den Pyrosomen wie bei allen Tunikaten jede Herzkontraktion in einem bestimmten Bezirke ein, der jeweils durch eines der beiden Herz- enden repräsentiert wird. Verfolgen wir das Herz bei seiner Arbeit in einer advisceralen Reihe. In den meisten Fällen erscheint direkt am hypobranchialen Ende eine Einschnürung, die als Welle zum advis- 454 Flitz Burghause, ceralen Herzende läuft. Des öfteren zeigen sich jedoch Komplikationen durch das Auftreten des von Schultze für Salpen beschriebenen und als Regel hingestellten Kontraktionszipfels. Statt der einfachen Ein- schnürung am hypobranchialen Ende springt die Herzwand durch Aus- stülpung ein Stück in das sich ansetzende Ventralgefäß vor. Dann wird der ausgestülpte Teil, ohne daß Stillstand der Bewegung eintritt, schnell eingezogen, gleichzeitig kontrahiert sich das hypobranchiale Ende und sendet die Welle in gewöhnlicher Weise weiter. Infolge seiner Schnelligkeit und Kleinheit ist der Kontraktionszipfel leicht zu über- sehen. Seine Größe variierte in den beobachteten Fällen von minimal kleiner Ausstülpung bis zum Vorschlagen um etwa ein Viertel der Herz- länge. Da er selbst in ein und derselben Pulsationsreihe an Ausdehnung variiert und zeitweise schwindet, ist eine optische Täuschung ausge- schlossen. Es scheint, daß weniger die individuelle Veranlagung als der jeweilige Zustand der Tiere von Einfluß ist und daß bei stark irri- tierten Individuen der Kontraktionszipfel besonders ausgeprägt ist. Die Ausstülpung erfolgt stets ventral und bei genügender Größe legt sich der Zipfel einen Moment der Ventralwand des Hypobranchialsinus an. Ich halte es für wahrscheinlich, daß der Kontraktionszipfel es war, der Delle Chiaje Klappenapparate am Herzen der großen Monas- cidien annehmen ließ. Der Blutstrom selbst ward durch den Kontrak- tionszipfel oder die hypobranchiale Einschnürung einen Augenblick unterbrochen und das Blut sogar einen Moment ein wenig rückwärts gedrängt, eine Erscheinung, welche sich selbst in den Kiemengefäßen und den feinen Lacunenverästelungen an In- und Egestionsöffnung bemerkbar macht. Erst mit dem weiteren Verlaufe der Welle wird das Blut vor der Kontraktion hergetrieben und kräftig in das Herz nach- gesaugt. Das so entstehende ruckweise Strömen der Körperflüssigkeit ist also keine Folgeerscheinung einer Unterbrechung der Herztätigkeit; denn abgesehen von Anfang und Ende der Reihen setzt die neue Kon- traktion in dem Augenblicke ein, wo die vorangehende Welle über das Herz verlaufen ist. Eben dieselben Erscheinungen finden am advis- ceralen Ende bei abvisceralen Pulsationen statt. Die fortlaufende Welle. kommt dadurch zustande, daß die an einem Herzende eingetretene Kontraktion wie bei allen Tunikaten sich als reifenförmige Einschnü- rung über das Herz bis zum entgegengesetzten Ende hinschiebt, so daß dadurch der Eindruck einer Wellenbewegung hervorgerufen wird. Sind die Schläge zu Anfang und Ende der Reihen verzögert, so bleibt die Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 455 einsetzende Kontraktion erst eine Zeit lang stehen, bevor sie als Welle weiterläuft. Jede Welle endet mit Systole und folgender völliger Dia- stole am erreichten Herzende. Letztere hält an, bis mit dem nächsten Pulse neue Systole eintritt. Die ventral sehr tief einschneidende Welle verliert sich nach der Verwachsungsstelle mit dem Darm zu allmählich, und man sieht bei seitlicher Betrachtung an der Raphe mit dem Ver- lauf der AVelle nur ein leises Schwanken und zahlreiche von der Ein- schnürung ausstrahlende Fältchen, deren Aussehen und Zahl sich mit jedem Momente ändern. Daß bei gesunden Individuen durch die Kon- traktionswelle ein vollkommener Verschluß im Herzlumen erreicht wird, erhellt daraus, daß bei der schnellen, kräftigen Saug- und Druckarbeit des Herzens nie Blutkörperchen durch die Einschnürungstelle hindurch- treten. Bei matten Individuen, welche längere Zeit gefangen gehalten sind, vermag die fortlaufende Welle das Herzlumen nicht mehr bis zum völligen Verschluß einzuengen, so daß häufig Blutkörperchen aus der vor der Welle liegenden in die angesaugte Blutmenge zurück- schlüpfen. Mit Ausnahme der Stelle, an welcher sich gerade die fort- laufende Welle befindet, liegt bei gesunden Individuen die Herzwand dem Pericard prall an ; zur Zeit der Wechselpause zeigen sich indes auf dem Herzbeutel regelmäßig eine oder mehrere leichte Einsenkungen, und es berührt an diesen Stellen die Herz wand das Pericard nicht. Die Schnelligkeit, mit welcher die Welle über den Herzschlauch hinläuft, ist nicht an allen Stellen die gleiche. Während nach Schultze (1901) bei Salpen die Welle in der Mitte des Herzens einen Moment sich verlangsamt, um dann mit der Anfangsgeschwindigkeit weiter- zulaufen, ist bei den Pyrosomen in der Regel die Schnelligkeit in der Mitte des Herzens etwas größer als in der Nähe der Enden. Alle andern Erscheinungen, wie Zögern oder Stillstehen der Welle auf irgend einer Stelle des Herzens, starke Abweichungen in der Schnelligkeit an verschiedenen Herzstellen, glattes Fortschreiten der Welle in der einen Herzhälfte und holpriger Verlauf in der andern, gehören entschieden in das Gebiet der Absterbeerscheinungen. Zwischen diesen Unregel- mäßigkeiten und dem normalen Verlauf finden sich je nach dem Zu- stande der Tiere alle Übergänge. Die Dauer einer ablaufenden Welle habe ich nicht exakt genau festgestellt, doch da im Normalzustande nach den ersten und vor den letzten Schlägen jeder Periode die nächste Welle mit Ablauf der vor- hergehenden beginnt, läßt sich aus den Frequenzen innerhalb der Reihen (S. 462) ungefähr die Dauer einer Pulsation bestimmen. Schultze konnte an normalen großen Salpenformen höchstens Zeitschritt f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 30 456 Fritz Burghause, zwei, A'oGT (1854) bei der kleinen Salpa mucroriata-detnocratica bis sieben gleichzeitig über das Herz verlaufende Kontraktionen feststellen. Bei Pyrosonien gehören Abweichungen von der erwähnten Norm, daß nur eine Welle über das Herz verläuft, zu den Absterbeerscheinungeu. Nur durch bestimmte Veränderungen des äußeren Milieus (S. 475 ff.) läßt sich die Anzahl gleichzeitiger Einschnürungen auf vier bis fünf erhöhen. Die Herzumkehr. Betrachten wir das Herz bei einer advisceralen Periode. Die Wellen, begonnen mit der Einschnürung mit oder ohne Kontraktionszipfel am hypobranchialen Ende, gleiten bis zum advisceralen Ende über das Herz hin. Es folgen sich eine Anzahl advisceraler Wellen, bis nach deut- licher Verlangsamung der letzten drei bis fünf Pulse die letzte Welle abgelaufen ist. Nach ihr macht das hypobranchiale Ende einen letzten vergeblichen Versuch, eine neue Welle abzuwenden, indem es sich mit oder ohne Bildung des Kontraktionszipfels kontrahiert. 8o verharrt es während der eintretenden Wechselpause, und es verschwindet diese hypobranchiale »Systole erst mit dem Einsetzen der ersten abvisceralen Welle. Ferner gehen am Ende der advisceralen Reihe Veränderungen am advisceralen Herzende vor sich. Die sonst hier auf die kurze Systole, welche durch die ankommenden advisceralen Wellen entsteht, unmittelbar folgende Diastole wird bei den letzten drei bis fünf Pulsen mehr und mehr verzögert, bis nach der Ankunft der letzten advis- ceralen AVelle keine Diastole wieder eintritt. Es bleibt jetzt sozusagen die letzte adviscerale Welle am erreichten Herzende stecken und hält es Avährend der folgenden Wechselpause in Systole. Nach Al)lauf der Wechselpause kommt der erste Pulsschlag der folgenden entgegengesetzten Reihe dadurch zustande, daß sich die Dauerkontraktion des advisceralen Herzendes mit oder ohne vorhergehen- den Kontraktionszipfel verstärkt und einfach als erste abviscerale Kon- traktion abläuft. Es folgen einige deutlich verlangsamte Schläge, bis der normale Rh\tlnnus allmählich hergestellt ist. Bei den letzten drei bis fünf Schlägen erfolgt wieder Verlangsamung, die nach Verlauf jeder Welle am hypobranchialen Herzende eintretende Diastole wird mehr und mehr verzögert, bis sie nach Ankunft der letzten Welle aus- bleibt. Das adviscerale Herzende macht nach der letzten entsandten AVellc den vergeblichen Ansatz zu einer neuen in Form einer Dauer- kontraktion. Die Kontraktionen beider Herzenden bleiben während der eintretenden Wechselpause, und die Umkehr erfolgt analog dem beschriebenen Überjianö; von advisceraler zur abvisceralen Reihe. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma gigaiiteum usw. 457 ÖCHULTZE beschreibt als Regel für das normale »Salpenlierz die '■>aiitiperistaltisclie Zuckung«. Er versteht darunter folgende Erschei- nung. Kommen die Wellen in beiden Pulsationsreihen in die Nähe des von ihnen zu erreichenden Herzendes, so springt ihnen von dort her eine kleine Kontraktion entgegen, die antiperistaltische Zuckung. Gegen das Ende einer Reihe kann sie an Stärke zunehmen und sich allmählich zu einer Welle entwickeln, so daß z. H. die letzten abvis- ceralen Kontraktionen mit den ihnen vom hypobranchialen Herzende entgegenkommenden antiperistaltischen Zuckungswellen zu kämpfen haben. Nicolai (1908) meint: >>Bs scheint demnach, daß die von ScHULTZE regelmäßig beobachteten antiperistaltischen Zuckungen unter Umständen auch fehlen können <<. Bei Pyrosoma gelang es mir nicht, diese Erscheinung an frischgefangenen völlig gesunden Tieren festzustellen, trotzdem ich gerade diesem für die von Schultze auf- gestellte Erklärung der Herzumkehr wichtigen Faktor gespannte Auf- merksamkeit zuwandte. Nur nach längerer Gefangenschaft ließ sich die Erscheinung, allmählich häufiger und stärker auftretend, in allen Abstufungen konstatieren. Die antiperistaltische Zuckung ist bei Pyrosoma demnach ein Phänomen, das nur bei pathologischen Iiidi- viduen auftritt, und gehört in das Gebiet der Absterbeerscheinungen. Die zusauimengesetzte Herzperiode. Das Betrachten einer Pyrosoma-KoXome, zeigt ohne weiteres, daß die Herzen aller Individuen unabhängig von einander pulsieren, daß hier das Herz in advisceraler, dort in abvisceraler Richtung arbeitet, während an dritter Stelle gerade Wechselpause eingetreten sein Icann. Kein Tier gleicht beim ersten Zusehen in seiner Herztätigkeit einem andern in Schlagzahl, Schnelligkeit und Zeitdauer der Reihen und Pau- sen. Ehe man der Frage nähertreten kann, welche Ursachen die Ver- schiedenheiten in den Pulsreihen hervorrufen mögen, sind zunächst diejenigen Punkte festzulegen, welche die eigenartige Herztätigkeit unzweideutig bestimmen, und auf sie ist näher einzugehen. Methode. Bei der Zartheit des Objekts kann natürlich an eine graphische Selbstregistrierung nicht gedacht werden. Unmöglich ist ferner, gleich- zeitig Zahl und Zeitdauer der Reihen festzustellen. Auf diese Weise würden sich überhaupt die Wechselpausendauer und eventuelle Frequenz- schwankungen innerhalb der Reihe nicht bestimmen lassen. Da mir die dauernde Hilfe einer zweiten zuverlässigen Person fehlte, welche, 30* 458 Fritz Burghause, während ich zählte, die genannte Zahl und die verstrichene Zeit hätte notieren können, so benutzte ich einen guten Morseapparat mit elek- trisch angeschlossenem Taster, dessen Papierstreifen mit selten etwas schwankender Konstanz ablief. Ich möchte nicht versäumen, dem Leiter des Musee Oceanographique, Herrn Dr. Eichard für die An- schaffung des zweckdienlichen Apparates speziell für meine Unter- suchungen an dieser Stelle nochmals herzlichst zu danken. Ich \'erfuhr in der Weise, daß mit der hnken Hand bei jedem einsetzenden Herz- schlage der Taster gedrückt und die entgegengesetzten Reihen beim jeweils ersten Schlage verschieden markiert wurden. Zu Anfang ver- fällt man dabei leicht in den Fehler, sich zu sehr an den Herzrhythmus zu gewöhnen und bei verzögerten Pulsationen den Taster zu früh zu drücken. Einige Übung hilft über diese kleine Schwierigkeit hinweg. Eine größere Schwäche dieser Methode liegt darin, daß man keine be- liebig langen Tabellen aufnehmen kann; denn abgesehen davon, daß die Augen nach einer Beobachtungszeit von höchstens 1 V2 Stunden ermüden, lief das den Papierstreifen führende Federwerk nur bestimmte Zeit. Durch wiederholtes Aufziehen des Werkes, was allerdings eine kurze Unterbrechung des Beobachtens erforderte, und durch Kontroll- versuche, bei denen nur die Schläge unter dem Mikroskop gezählt ^\^lrden, ließen sich einwandfreie Resultate erlangen. Die vom Apparate geheferten Papierstreifen, die jeden Herzschlag enthielten, waren ein- fach in Zeit umzurechnen, und es gelang auf diese Weise, folgende Punkte genau festzulegen: 1. Die absolute und relative Schlagzahl in den entgegengesetzten Reihen. 2) Die Frequenz innerhalb der Reihen und das Frequenzverhältnis zwischen ad visceraler und ab visceraler Reihe. 3) Die Zeitdauer der Reihen. 4) Die Dauer der Wechselpausen. Diese Faktoren bestimmen die Herztätigkeit hier wie bei allen Tunikaten vollkommen und eindeutig. Die Schlagzahl. Die absolute Zahl der Pulsationen. Die einzigen Angaben hierüber finden sich bei Pavesi (1872). Auf S. 4 folgt auf seine Beschreibung der Verhältnisse in den Primärascidio- zooiden: »J'ajouterai ici, comme donnee nouvelle sur la circulation des Ascidies adultes que les battements comptes par moi, chez celles-ci, furent, une fois, au nombre de 34 du cote du cloaque et de 20 du cote Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 459 de la bouche, puis de 36, 12, M, 13 etc.; ime autre fois, j'en trouvai 36, 20, 28 etc. . . Les battemeiits complets sont toujours separes par des pauses de duree variable et commences ou termines par des oscillations indecises. << Die angegebenen Zahlen sind auffallend kurz, und es scheinen die letzten Worte darauf schließen zu lassen, daß der Autor Tiere vor sich hatte, deren Herzen bereits Absterbeerscheinungen zeigten. Das starke Variieren der Schlagzahl bei Tieren ein und desselben Stückes sowie bei demselben Individuum schließt die Aufstellung einer Norm für adviscerale und abviscerale Reihen aus. Nicht selten steigt in einem Individuum die Pulszahl sprungweise an (S. 467). Tiere,' die einige Zeit in der Gefangenschaft gehalten sind, zeigen andre Ver- hältnisse als frische Objekte (8. 470 ff). Zwischen regelmäßigen Reihen, die numerisch verhältnismäßig wenig differieren, w^erden nicht selten unvermutet einige ganz kurze, von einem oder weniger Schlägen oder abnorm verlängerte eingeschoben (Tab. I). Je frischer die Versuchsobjekte, desto seltener sind derartige Abnormitäten, und ihr Auftreten bei frischgefangenen jungen Viererkolonien muß die Folge unbekannter schwerer Chokwirkungen vor oder bei dem Fange sein. Von gewissem Einfluß scheint das Alter der Tiere insofern zu sein, als die Pulszahl bei erwachsenen Tieren weniger Schwan- kungen unterliegt als bei jungen Knospen. Das Herz ist hier wie bei den Synascidien (Pizon 1899, 1900) im Verlaufe der Entwicklung das erste Organ, w^elches in seine Funktion eintritt, und zwar sind es zunächst unregel- mäßig sich folgende, überaus kurze Reihen von nur zwei bis vier Pul- sen. Mit zunehmendem Wachstum nimmt Pulszahl und Regelmäßigkeit zu, und schon lange vor dem völligen Auswachsen ist der Unterschied zwischen alten und jungen Individuen verwischt. Eine synchron'^. Herztätigkeit zwischen Muttertier und der noch mit ihm verbundenen Knospe konnte ich in den seltensten Fällen kon- statieren. Beide Herzen arbeiten in Rhythmus sowie Umkehr und Pausenlänge vollkommen unabhängig von einander. Die von Pizon (1899) an Botryllus und Botnjlloides gemachte Beobachtung, daß die Knospen synchrone Herztätigkeit zeigen mit den Mutterindividuen, vermag ich für Botryllus nicht zu bestätigen, wenngleich rein zufälliges gelegentliches Vorkommen wie bei Pyrosoma nicht ausgeschlossen ist. Zu demselben Resultate gelangte Bancroft (1899). Tab( eile I. Temp.: : 18,5° C. adv. abv. 102 114 96 j 110 104 109 3 1 99 j 104 101 ' 112 109 111 50 1 ^2 24 1 7 112 115 460 Fritz Burghause, u -•. -'^ -f II « ,^ ' cc -f lO O CO O £ 11 -5t* CO lO ^ (M x* er. »c f^ cc ^^ 1 't CT: CC TC -t -* 1 (N * CO 00 c: CO CO cc ■* Tf cc (N (N r- 1—1 5*3 t^ -5f fM '^ cn t- « TJ< ■^ ^ •^ >o O 00 00 31 CO CO c: °s '+ »-H o OT) CO tc ■<* -f •<* •^ o w» -TS '^' oo" cc (N •<* O T-l co" Oi x* *"= T-T ec ec" u:5 c:s cd" *" 1 "* CO__ co^ t^ -* CM ^ ! 00 CO cc^ l>" .1» 00^ 1-''" TU CO co" 00 00 c-" 05 -<* cc co" ec o" cc S CO CO cc cd' r-" i CO ec CO lO" cc 00 cc o ec" cc 05 oo" CM cc §8 §5 c9 ec in" cd' Ol iC3 CM Ol 2-1 CC CO CO CO ^' — f Ol * oc" CO CO -rfl CO l^ ^ ■^ g "M CO T-l i (M (M 00 c CO CD (M CO cc CO s 12 o CO (M CO I^ 1^ ec is cc -* lO ^^ o> G^ ec co~ i>^ •>*" r-" Tf •>* »o •* ^ 1 00 CO ■<* »o a: * 1 T-l CO C5 oc T Tli -* »o -T r- ec ec t- ^ r^ t^ C75 er. c 1 1 ■* -* -* >o >n .o» '-^ CO 00 o: T-l «ä lO 05 Oi 1-1 C^ (N 1 <=« -* "* o lO iSi CO CO 05 ec Oi CM s (M Oi 1§ CC^ CO co^ tH <5J 05_ "^ '^ 00 tcT ec (M of <>f ■^ >0 lO lO CO iC ^_^ OS CO CO co' CO co" (M' y-^ Tf O O O CO co" i ec 00 T-( CO U5 T-l o" CM "*" CO oc^ co_^ 00 00 CO oo" o" Tt CO oo" CC cd' [>- T-c CD OS (> Ol Ol^ 0* r-H 10 c 0' 05 cd CO CO co'~ C5 (M CO co'~ (M 00 CO CM - * cc" »0 Oi cd" 10 05 •<* (M CO^ I>" CO ^ CO 0 0 CO" 05 -^' T-H^ 05 cc 5Ö g 0 x" X 0 5^ 0 05^ 0 s 05" ec X^ CD 03' ec »0" X 8"^ IC (M iC5 * Oi 8 (N^ X 8 s CO ec ic" CO 0^ x' 10 ; .CC (M 00^ i-T CO •0 cc^ CO y-i CD 10 «0 ö CO ,^1 1 «0 i-T CO cc" CO CD n" CD 05 cd" CD CD ^k 1-^ 0- ec" CD (N" CD § 05 t>" CC c9 00" Oi X__ T-T cc cc" of CO CC cc" PL, 1 I> 10" 0 ■r-i CD X ec" ec cc ^ ■»+1 i-Ti rr> rri C(i T-l ■^^ >o CT r^ X 1—1 T) -*.- ^ X l^ i^ l-H CVJ CC ■^ 7-< tH " 1—1 T— 1 X r^ X 1^ (M T. ..-, — cc i^ ^- ■M 462 Flitz Burghause, Die relative Zahl der Pulse in ad- und abvisceraler Reihe. Nach allen bisherigen Untersuchungen, zu nennen sind in erster Linie Roule (1884), Lahille (1890) und Schultze (1901), überwiegt im Tunikatenherzen die Zahl der ad visceralen Pulf-e über die abvis- ceralen. Aus Pavesis Angaben (vgl. S. 458) scheint für Pyrosoma das umgekehrte Verhalten zu erhellen. Meine zahlreichen Aufzeichnungen über Pyrosoma ergaben bei jungen und alten Kolonien sowie Tieren der verschiedensten Alters- stufe, daß im Normalzustande die Zahl der abvisceralen Pulee stets bald mehr, bald weniger überwiegt (Tab. I, III). Unvermittelt tritt bei einem Tiere hin und wieder eine Zeitlang das Gegenteil ein, und ähnlich ist nicht selten bei einigen Individuen desselben Stückes die adviscerale Schlagzahl ohne erkennbare Ursache die höhere (Tab. II). Diese Aus- nahmefälle zeigen, wie leicht bei Tunikaten Vernachlässigungen zu Irr- tümern führen, und daß sich einwandfreie Resultate nur an der Hand zahlreicher Tabellen finden lassen. Die mögliche Umkehr des Verhält- nisses advisceraler zu abvisceraler Pulszahl wird im Kapitel über Sauer- stoffmangel erörtert. An dieser Stelle sei noch erwähnt, daß sich zwi- schen stark prädominierender advisceraler und anderseits abvisceraler Pulszahl alle Übergangsstufen finden lassen. Die Zeitdauer der einzelnen Reihen unterliegt ebenfalls sehr beträchtlichen Schwankungen. Sie ergibt sich- aus der Anzahl der Pulse (S. 458 ff.) und der berechneten Minutenfre- quenz (S. 462 ff.). Die Frcqtienz in den Reihen. Frequenzschwankungen innerhalb der Reihen. Untersuchungen über diesen Punkt der Tunikatenherztätigkeit liegen bisher allein allein von Nicolai (1908) vor. Schon die Beobach- tung ohne den Hilfsapparat zeigt deutlich, daß die ersten und letzten Schläge jeder Reihe langsamer erfolgen als die übrigen. Schultzes Theorie (1901, S. 305) fordert, daß am Ende jeder Reihe eine allmähliche Verlangsamung eintritt, und der Autor sagt selbst: »Eine Verlang- samung der Herzschläge konnte am verletzten Tier zwar häufig, aber durchaus nicht immer mit Sicherheit festgestellt werden. << Nicolai (1908, S. 102) leugnet jede Verlangsamung am Ende der Reihen. Nach seinen Angaben steigt die Frequenz, bis sie nach 20 Pulsen annähernd stabil wird. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 463 Das Verhalten im Pyrosomenherzen mögen vorstehende Tabellen (S. 460 und 461) illustrieren (Tab. II und III). In ihnen bedeuten n Anzahl der Schläge, t Zeitdauer der Keihen 1 QO.n\ in Sekunden. /r die minutiöse Durchschnittsfrequenz I = I und die folgenden /^^ und /i^, die Minutenfrequenz der Schläge 1 — 6 und 6 — 11 und die folgenden /g, /s usw. die Minutenfrequenzen von je 10 weiteren Pulsationen. Aus den am Ende der Reihen bleibenden Schlägen, z. B. 121 — 128 ist dann die berechnete Minutenfrequenz mit- geteilt. Es beweist die Tab. II, welche das gewöhnliche Verhalten illustriert, folgendes. Jede Reihe beginnt mit geringer Frequenz, erreicht dann ein Maximum, das während einiger Zeit beibehalten werden und zu einer zeitweisen Konstanz im Verlaufe der Reihen führen kann, und gegen das Ende stellt sich die von Schultze geforderte Verlangsamung, all- mählich stärker werdend, mit voller Deutlichkeit ein. Die Lage des Maximums in den Reihen ist verschieden, fast ausnahmslos indes dem Anfange näher als dem Ende. Es kann sogar soweit kommen (Tab. III abv.), daß die Reihen mit Maximalfrequenz beginnen und fortschrei- tenden Fall zeigen. Eine bemerkenswerte, mehrfach beobachtete Tat- sache fällt mit besonderer Deutlichkeit in Tab. III auf, nämHch ein verschiedenes Verhalten des Beginns der ad- und abvisceralen Reihen. Es fangen die abvisceralen Reihen mit einer höheren Frequenz als die advisceralen Reihen an, selbst wenn letztere numerisch überwiegen (Tab. II). Ein ähnhches Verhalten des Salpenherzens ist durch Nicolai bekannt geworden: >>Es scheint, als ob meist die Frequenzzunahme in der abvisceralen Pulsreihe ausgesprochener ist (S. 105). << Botryllus zeigt etwas andre Verhältnisse und gleicht den untersuchten Salpen darin, daß nach 10 — 20 Schlägen allmählich ein Maximum erreicht wird, das sich annähernd konstant erhält. Allein auch hier setzt mit den letzten 10 — 15 Schlägen ein zunehmendes Sinken der Frequenz ein. Schultzes Befunde an Salpen, daß die Wechselpause des öfteren ohne vorherige Schlagverlangsamung einsetzt, gelten ebenso für diese Synascidien. Folgende Kurven stellen die beschriebenen Verhältnisse graphisch dar (s. Kurve 1 u. 2, S. 464). Starke Frequenzschwankungen in den Reihen sind die Folgen kräftiger Reize, Verletzungen oder Absterbeerscheinungen. Die Durchschnittsfrequenz in ad- und abvisceralen Reihen. RouLE (1884) konstatierte bei Ciona intestinalis eine schnellere Pulsfolge in den längeren advisceralen Reihen. Krukenberg (1880) 464 Frit/ Burghau.se, erwähnt dasselbe für Salpen. Schultze (1901) widerlegt ihn damit, daß die Frequenz in den ab- und advisceralen Eeihen im allgemeinen die gleiche ist; und zu demselben Resultat gelangt Hunter (1903) bei Molgula mahattensis. X\\< den angegebenen Tabellen (Tl. III) geht hervor, daß bei P^ro- so ^ ^ h"»- w " 30 / / N ^ 20 f ß ; Fr , 5 7L 1 Z 0 3 0 'fi 1 5 9 6 0 7L 7 8i ■) SO 100 110 120 130 7-x Kurve 1. 70 ^ 60 50 ^^ W ^ w ?0 10 Fr. ■ 5 1 ? 2 0 3 0 ^ 0 i 0 6 0 7 0 8 0 9 0 IL w n 0 1k 0 Kurve 2. soma die Frequenz der abvisceralen Reihen die der advisceralen Reihen stets etwas überwiegt. Der Unterschied vermindert sich, je lebens- frischer die untersuchten Objekte sind. Die schnellere durchschnitt- liche Schlagfolge in der abvisceralen Reihe tritt auch dann meist auf, wenn die Tiere aus unbekannten Gründen eine höhere adviscerale Schlagzahl (Tal). II) zeigen. Ausnahmefälle zeigen höhere Frequenz Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma gigantcum usw. 465 der advisceralen Pulse. Die sich folgenden zusammengesetzten Herz- periaden zeigen mit der Gefangenschaft zunehmende Schwankungen in — — ly der Durchschnittsfrequenz, und nur selten findet man zwei aufeinander- folgende gleichgerichtete Pulsationsreihen mit gleicher Schlagfolge. 466 Fritz Burghause, Außer dem Gasgehalt des Wassers (S. 470) und der Temperatur (S. 475) scheinen äußere, das Tier treffende Reize wirksam zu sein, indem sie eine Verlangsamung hervorrufen können. Wechselpause und Pausen. Die Dauer der nach jeder Pulsreihe eintretenden Wechselpause ist starken Schwankungen unterworfen. Sie beträgt von nicht ganz eins, bis zu sechs, selten sieben Sekunden. Nach längerer Gefangenschaft kann sie bedeutend vergrößert erscheinen oder vollkommen zwischen zwei entgegengesetzten Reihen verschwinden. Eine Verlängerung der Pause nach den Pulsreihen in einer Richtung ließ sich einige Male konstatieren (Tab. III, S. 461). Die Wechselpausenlänge ist abhängig von der Temperatur. Pausen finden sich im normalen Tiere zu Anfang und Ende jeder Pulsreihe zwischen den ersten bis vierten Schlägen. Das unvermittelte Auftreten von Pausen innerhalb der Reihen wird durch hohe Tempe- ratur und längere Gefangenschaft gefördert. Wirkung von die Körperoberfläche treffenden Reizen auf die Herztätigkeit. Da junge Kolonien leicht aus dem Gesichtsfelde fortrollen, lassen sich mechanische Reize an ihnen schwer studieren. Es wurde so ver- fahren, daß auf Individuen geschnittener Stücke mit fein ausgezogenen Glaskapillaren ein leiser Druck ausgeübt oder der ausgestülpte Ven- traltentakel berührt ^^nlrde. Das Resultat eines derartigen Versuches demonstriert Tab. IV und Kurve 3. Infolge des Reizes sinkt die Schlagzahl augenblicklich, gleich- gültig, ob man ihn zur Zeit der Wechselpause oder im Verlaufe einer Reihe appliziert. In letztem Falle macht das Herz nur noch wenige Schläge, und dann folgt nach eingetretener Wechsel pause eine stark verkürzte Reihe. Sprungweise steigen die Schlagzahlen der folgenden Reihen an, zuerst schneller und dann langsamer, bis die ursprünglichen Verhältnisse ungefähr erreicht sind. Wartet man nach dem Berühren , bis annähernde Konstanz wieder eingetreten ist, so verursacht ein zwei- tes und hierauf ein drittes Berühren in sinkendem Umfange eine Ver- kürzung. Die beigegebene Kurve zeigt das Gesagte. Weitere Reize, hinter dem dritten appliziert, sind ebenso wirkimgslos wie ein dem ersten in kurzem Abstände folgender. Zur Erreichung des Effektes ist es durchaus notwendig, ganz frische Tiere zu verwerten; denn schon einige Stunden der Gefangenschaft genügen, schwache Reize erfolglos zu Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 467 Tabelle IV. Temp.: 18" C iiiaclien. Zu starke Berührungen und Verletzungen können vorüber- gehende Unregelmäßigkeiten und selbst zeitweise Sistierung der Herz- tätigkeit hervorrufen. Da Wasserbewegung den Herzschlag wie schwache Reize modifiziert, mußte von Durchlüftung abgesehen werden. Andrerseits läßt sich die Herztätigkeit nach eben eingetretenem Herzstillstande durch Berührung der Körperoberfläche wieder für kurze Zeit, freilich mit starken Unregelmäßigkeiten, hervorrufen. Die- selben Dienste leistet Einwerfen in Süßwasser, was sich mit demselben Versuchsobjekte mehrmals wiederholen läßt, wenn man es es abviechselnd in Meerwasser zurückgibt. Hier setzt die Herztätig- keit sofort wieder aus. Ob dabei der veränderte Chemismus des Wassers als solcher empfunden wird oder ob nur die mechanische Wirkung der ent- stehenden Diffusionsströmungen und der veränderte osmotische Druck in Betracht kommt, wäre noch zu untersuchen. Beim Zerschneiden der Kolonien wurde öfters das Herz mitgetroffen. Die beiden Stücke eines durchgeschnittenen Herzens pulsieren nach dem Erholen von der Chokwirkung nur von den Enden nach der Mitte zu. Durch einen glücklichen Zufall wurde in einem Falle die Darmschlinge, das rechte Kiemenblatt und das linke bis in die Nähe des advisceralen Herzendes weggeschnitten, so daß das Herz hier direkt mit dem umgebenden Wasser in Verbindung stand. Es begann nach einiger Zeit imregelmäßig in alternierender Richtung zu pul- sieren. Ein leichteres Experimentieren gestatten Bo- tryllen, wo beim Oozoid und den Ascidiozooiden Klopfen auf das mit ihnen besetzte Glasstück dieselbe Wirkung wie Berührung zeitigt. Interessant ist, daß diese Erscheinung fast stets auftrat, wenn ein Infusor oder kleiner Kruster, die zahlreich auf den fixierten Kolonien leben, ein Individuum, das einige Zeit unbehelligt geblieben war, durch Hinkriechen über die Ingestionsöffnung zum energischen Kontrahieren zwang. Es ist deshalb ratsam, beim Unter- suchen des Herzschlages der Tunikaten die störenden Bewohner nach Möglichkeit zu entfernen. Welches ist die Ursache dieser merkwürdigen Reihenverkürzung adv. abv. 102 127 111 123 108 126 7 8 3 18 16 25 31 40 48 94 85 126 72 97 41 53 65 57 68 77 85 90 105 127 104 121 78 87 96 107 114 130 112 122 468 Flitz Burghausc, durch Bciührung? Es bestehen zwei Mögliclikeiten. Entweder Ist die Veränderung der Pulsreihen eine Folge von Blutdruckveränderungen im Tierkörper, hervorgerufen durch die dem Reize unmittelbar folgende ganze oder partielle Kontraktion der Körpermuskulatur, oder sie ist reflektorischer Natur. Dem Fachmann wird die Theorie Lahilles (1890) bekannt sein, daß infolge ungenügenden Abflusses im jeweilig arteriellen Lacunensystem der Blutdruck ständig wächst und nach allen Seiten hin, also auch in der Richtung zurück auf das Herz, sich immer stärker geltend macht, und daß in dem Moment, wo der Gegendruck des Blutes dem Druck gleich wird, den das Herz durch seine Kontraktionen aus- zuüben vermag, das Herz zum .Stillstande und schließlich zur Peristaltik in entgegengesetzter Richtung gezwungen wird. Unter den Experimen- ten, durch die der Autor seine Theorie zu erhärten sucht, zeigen Ver- such 7 (Pulszahlen vor und nach einer Verwundung bei PhaUusia) und 9 (Abschneiden der ganzen Ingestionsöffnung) deutlich die für Pijrosoma beschriebenen Reizwirkungen. Am Ende von Versuch 7 findet sich (S. 296) drei Stunden nach der Operation: »liO nombre de pulsations est remonte a celui du debut. La presence ou Tabsence du ganglion nerveux ne senible avoir aucune influence sur le rythme du coeur«. Auf die Erklärung der Reihenverkürzung durch Lahille kann ich nicht näher eingehen, jedenfalls macht er eintretende Blutdrucksveränderun- gen dafür verantworthch. Pizon (1899/1900) schließt sich dieser An- sicht an. Die Theorie Lahilles ist von Schultze (1901, S. 300ff.) theoretisch und experimentell widerlegt worden. Für Veränderungen der Schlugzahl bei Verletzungen hat er die Erklärung, >>daß es ausschließ- lich, auch im Falle der Enthirnung die Verletzung an sich und nicht eine Abhängigkeit vom Centrainer vensystem ist, welche die Pulsations- reihen verkürzt.« Darauf, daß seine Exstirpationsversuche des Gan- glions nicht glücken konnten, weil er durch das dabei gehandhabte Feststecken der Individuen einen permanenten, den Herzschlag modi- fizierenden Reiz einschaltete, machte Nicolai (1908) aufmerksam. Er fand, daß leise Berührung jeder beliebigen Körperstelle denselben Effekt wie Verletzungen hat. Infolge Mangels an Versuchsobjekten konnte er das Rei?;centruni nicht feststellen, vernuitet indes eine Reflex- wirkung. Carlson (1906) zitiert unveröffentlichte Untersuchungen LiNGLEs, der bei MolfjuUi und einigen andern bei Reiz oder Verletzung eine Sistierung der Herztätigkeit für kurze Zeit konstatierte und mit der Möglichkeit einer indirekten Heminung infolge der Kontraktion des Tieres rechnet. Da mir bei meinem Aufenthalte in Villafranca >SV//;;rt Ajricana- Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosonia giganteum usw. 469 maxinui in genügender Anzahl zur Verfügung stand, suchte ich dieser Frage näherzutreten, und stellte, da Curarelähniung wegen direkter Beeinflussung des Herzschlages zu keinen Resultaten gelangen ließ, folgendes, oft wiederholtes Experiment an. Frischen Salpen, die deut- lich die Herzreaktion zeigten, wurde mit einer feinen Pipette das Gan- glion entfernt. Sofort hörten die rhythmischen Muskelkontraktionen der Tiere bis auf minimale Bewegungen der In- und Egestionsöffnung auf, und die Reaktion war Schlagzahlverkürzung. Nachdem der Herz- schlag allmählich wieder normal geworden war, wurden an den ver- schiedensten Körperstellen zu verschiedenen Zeiten mechanische Reize durch Berührung oder Einschnitte appliziert, ohne daß es dadurch ge- lungen wäre, eine deutliche Verkürzung der Pulsreihen auszulösen. Der Blutverlust kommt bei dem Eingriff kaum in Betracht, da nur wenig Flüssigkeit aus dem Stichkanal tritt und die Einstichöffnung sich oft wieder verschließt. Während der ganzen Beobachtungszeit befanden sich die Tiere frei beweglich in großen Glasschalen in einer Temperatur von 15 ° — 18 ° C. Die Herztätigkeit ließ sich mit bloßem Auge hinreichend beobachten. Die Beeinflußung der Herztätigkeit durch der Körperoberfläche applizierte mechanische Reize ist dem- nach ein Reflektionsvorgang, dessen Centrum das dorsale Ganglion ist. Wie wir uns die Leitung dieses Reflexes vom Centralnervensystem zum pulsierenden Organ vorzustellen haben, darüber läßt sich bei den bisherigen negativen Versuchen, bei Tunikaten zum Herzen laufende Nerven nachzuweisen, nichts sagen. Jedenfalls darf uns das Versagen unserer technisch-histologischen Mittel nicht von einer durch das Ex- periment notwendig gewordenen Folgerung abhalten. Auf Grund der Tatsache, daß der Herzrythmus nach der Isolierung des Herzens schneller ist als im Tiere, glaubt Carlson (1906) sogar vom Ganglion zum Herzen gehende, dem Vagus entsprechende Hemmungs- nerven annehmen zu müssen. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch die Befunde Hunters (1903) an Mohjida, welche ebenfalls auf eine Abhängigkeit der Herztätigkeit vom Centralnervensystem schließen lassen. Nach ihm übt die Behandlung mit Nervengiften bei ganglien- losen Tieren einen andern Einfluß auf die Herzrythmik aus als bei Normaltieren, während Muskelgifte in beiden Fällen dieselbe Wirkung zeitigen. Daß durch reflektorische Übertragung der applizierten Reize auf das Herz auch die Größe des Kontraktionszipfels (S. 454 ff.) und die Fre- quenz (S. 466 ff.) beeinflußt werden kann, wurde bereits hervorgehoben. 470 Fritz Burghause, Wirkung von Sauerstoffmangel und Stoffwechselprodukten. Schon den Untersiichern der großen Ascidien fielen die Verände- rungen der Herztätigkeit bei demselben Individuum nach längerer Gefangenschaft auf. Krukenberg (1880), Lahille (1890) und Schultze (1901) stimmen darin überein, daß die Schlagzalil mit der Verschlech- terung des Atemwassers wächst. Über die Veränderung der Schnellig- keit des Herzrhythmus gehen die Ansichten auseinander. Lahille betont, daß keine Frequenzänderung mit der Verlängerung der Puls- reihen eintritt, während Schultze eine Beschleunigung des Herz- rhythmus nachweist. Drittens überwiegt nach Lahille die Zahl der advisceralen Pulse in schlechtem Atemwasser die der abvisceralen Pulse mehr als im Normalzustande. Für Pyrosoma waren die drei erwähnten Punkte festzulegen und zu ergründen, ob die Ursachen eventuell veränderter Herzrhythmik im Sauerstoffmangel oder einer Ansammlung von Stoff Wechselprodukten im Wasser liegen. Schon die Beobachtung namentlich von ganz jungen Pyrosoma- Stöckchen, frisch und längere Zeit nach dem Fange, ergab weitgehende Übereinstimmung mit den Befunden der zitierten Forscher. L^m die eventuellen Wirkungen von Stoff Wechselprodukten auszuschalten, wur- den die Tiere nach Aufzeichnung ihrer Normalherztätigkeit in aus- gekochtes Seewasser, das durch ebenfalls gekochtes destilliertes Wasser wieder auf sein Anfangsvolumen gebracht war, mit oder ohne Abschluß durch chemisch reines öl in möglichst große Schalen gelegt, und so der direkte Einfluß von Sauerstoffmangel bestimmt. Durch Kochen des Seewassers werden indes die Bikarbonate in Karbonate verwandelt, die Kohlensäure entweicht, und der Alkaligehalt des Seewassers steigt infolgedessen. Deshalb wurden, um einen eventuellen Einfluß des ver- änderten Chemismus auszuschalten, Kontrollversuche mit Seewasser angestellt, welches durch einen langdauernden mit KOH und KMn04 gewaschenen Wasserstoffstrom aus dem Apparat nach Kipp — Wasser- stoff verhält sich bekanntlich sehr indifferent gegenüber tierischen Or- ganismen — sauerstoffrei oemacht worden war. Es ist. um einwaud- freie Resultate zu erhalten, unumgänglich notwendig, mit reinem Wasserstoff zu arbeiten. Gehen geringe Säuremengen mit über, so tritt sehr bald eine wachsende Verkürzung der Reihen ein. Zur Kon- trolle der Neutralität des angewandten Wasserstoffs empfiehlt es sich, hinter den Waschflaschen das Gas einen Indikator (Neutralrot) pas- sieren zu lassen. In beiden Fällen der Versuchsordnung waren die Re- sultate gleich. Um störende Einflüsse auszuschalten, ist darauf zu Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 471 achten, daß das Objekt in Wasser von derselben Temperatur über- tragen und die Beobachtung zur Ausschaltung der Reizwirkung erst einige Zeit nach der Übertragung begonnen wird. Folgende Tabellen geben die Resultate zweier der angestellten Experimente (V a und Vb, S. 471, 472 und 473). Tabelle Va. Herzschlag vor der Erstickung. Temperatur: 17,5" C. abv. adv. n t fr P n t fr P 125 172 43,5 2,1 115 161 42,8 4 128 189 40,7 6 110 165 40 2 143 207 41,5 2 119 182 39,3 1,7 131 186 42,2 1,8 62 95 39 2,2 153 211 43,5 1,2 114 161 42,4 1,7 154 232 39,9 3 101 150 40,3 5 Hieraus gehen ohne weiteres folgende Tatsachen hervor. Durch den Sauerstoffmangel findet eine allmähliche Steigerung der Herzfrequenz sowohl in den ad- wie abvisceralen Reihen statt. Eine Erhöhung der absoluten Pulszahl tritt allein in der advisceralen Periode auf, während sie sich in der entgegengesetzten eher vermindert. Die gesamte Herz- peristaltik zeigt eine deutliche Tendenz, adviscerale Wellen hervorzu- bringen, und die wenigen eingeschobenen abvisceralen Pulse erscheinen oft nur als Unterbrechung einer einzigen langen advisceralen Periode. Mehrfach wurden über 1000 ununterbrochene adviscerale Pulse ge- sehen. Es überwiegen also bei eintretender Atemnot die advisceralen Schlagzahlen über die sonst höheren ab visceralen. Diese bemerkens- werte Erscheinung ist ein weiterer Beleg dafür, daß die Herztätigkeit bei Tunikaten durch äußere Einflüsse modifiziert werden kann und herz- regulierende Nerven angenommen werden müssen. Ferner deutet sie darauf hin, daß dem Tunikatenblute trotz bisher mangelnder che- mischer Untersuchung eine respiratorische Rolle zuzuschreiben ist. Im Laufe des Versuches tritt naturgemäß eine allgemeine Erschö- pfung ein, und es zeigen sich in den hohen Reihen später starke Fre- quenzschwankungen und mehr und mehr die Symptome, die in dem Kapitel über Absterbeerscheinungen (S. 479) gewürdigt werden. Reines Kohlendioxyd erwies sich als überaus starkes Gift für die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 31 472 Fritz Burghause, Tabelle Vb. Herzschlag desselben Tieres Kich- tnng n t fr P Frequenzen in abv. 7 966 7,0 1Ü61 56 54,6 1,3 1,2 1 47,0 41,7 43,3 44,1 43,7 44,3 44,5 44,4 adv. 34,7 40,6 44,6 53,9 52,8 52,8 53,7 52,6 53 52 54,4 52 52,6 52,3 58,5 58,9 59,5 60,4 59,9 58,9 54,8 53,7 54,4 53,2 56,5 17 19 53,6 1,1 64,2 64,9 63,3 59,3 66,6 66,1 55,3 51,6 54,4 abv. 47,4 1 53,9 adv. 222 65 379 211 67 360 63,2 59,6 63,1 1,5 4 1,4 51 t Ö2,6 56,5 64,8 60 59,6 61,1 57,5 59,6 59,3 61 66,3 63,5 61,7 68,9 63 60,7 68,7 43,2 66,6 70,3 65,9 70,2 66,6 69,4 abv. 63,7 , 57,9 adv. 29 55 6,3 66,6 66,6 65 62,8 49,8 53,2 51,8 59,6 54,4 abv. 13 14 55,6 1,1 56,7 1 58,3 51,8 adv. 2 2,5 48 0,9 1 abv. adv. 3 77 3 83 60,4 55,4 1,4 1,6 54,4 59,6 56,3 57,9 57 57,9 56,7 52 46,8 abv. 5 39 6,9 46 43,2 51,7 1,1 1,4 51 56,7 51,6 adv. 47,7 1 48,9 abv. V ? p p 49,5 51,3 61,8 52,8 33,3 31,1 24,8 22 13,2 22,7 8,8 Tiere. Versuchsobjekte, welchen bei Zimmertemperatur gesättigtes Wasser gegeben wurde, stellten nach zwei bis vier oft krampfartigen Kontraktionen jegliche Herztätigkeit ein, wie das isolierte, von CO2- gesättigtem Blute durchspülte Wirbeltierherz infolge Keizung der Vagusendigungen (v. Cyon, 1888). Etwas anders liegen die Verhältnisse, wenn man die Versuchs- objekte längere Zeit in demselben Atemwasser läßt, ohne den Sauer- stoff auszutreiben. Die Frequenz steigt auch hier in beiden Reihen allmählich, numerisch jedoch wachsen beide Reihen zunächst an, wobei die abviscerale Reihe zuerst eine höhere Schlagzahl behält. Erst später nähert sich die Anzahl der advisceralen Pulse den abvisceralen und überholt dieselbe schließlich, so daß das Verhältnis ab-: ad visceraler Pulszahl ebenfalls umgekehrt wird. Danach kann ein Rückgang der Schlagzahl in der ab visceralen Reihe erfolgen, bevor sich die Absterbe- erscheinungen einstellen. Vielleicht lassen sich damit einige von mir beobachtete Fälle in Einklang bringen. Herausgeschnittene Koloniestücke wurden mehr- mals 32 Stunden und länger, eine Anzahl junger Kolonien Mitte Mai Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. in sauerstoffreiem Wasser. Temperatur: 17,5" C. 473 den Reihen 45,1 45,2 45,3 45,6 46,1 46,9 48 48,9 48,9 50,2 50,5 51,8 51,8 52,1 öl,5 51,8 51,3 53,7 54,4 Ö3,5 54,2 56,3 56,5 58,3 58,1 56,7 54,4 53,9 47,3 49 49,8 54,4 55,1 57,3 67,8 57,5 57,6 57,6 56,3 56.5 59,8 57,9 58,8 58,5 61,91 60,7 1 ; 56 59,1 63,3 54 !57 60 63 62 63,3 60 61,4 67,2 67,2 66,8 66,6 65,8 64 63,3 62,3 60,9 58,3 56,5 60,6 65,3 69,1 69,4 71.9 70,7 67,4 71,6 71,2 70,5 65 58,7 68 67,2 65 62 68 65,3 65,8 68,6 12,5 11,2 Tabelle VI. Temp.: 19" C. abv. 278 992 172 217 577 428 374 adv. 40 Stunden in Bechergläsern voll mit Ulva besetzten frischen Meer- wassers derart aufbewahrt, daß sie, in ein Aquarienbecken gestellt, dauernd durch umfließendes Wasser kühl erhalten wurden und genü- gend Licht zur Ermöglichung starker Assimilation einfiel. Fast ausnahmslos zeigte das Herz nach Verlauf der angegebenen Zeit ein abnormales star- kes Prädominieren, wie es die nebenstehende Ta- belle VI zeigt. Dieses merkwürdige, in dem einen Fall bei sämtlichen fünf jungen in demselben Pokal aufbewahrten Kolonien sich zeigende Vorherrschen der abvisceralen Schlagzahl muß bei der guten Durchlüftung unabhängig von Atemnot sein und ist möglicherweise bedingt durch im Wasser an- gesammelte Stoff Wechselprodukte. Es gelang nur in. einem Falle durch Einbringen in Sauerstoff reies Wasser ein schwaches Überwiegen der advisceralen Pulse zu er- zielen. Bei den übrigen vier Kolonien wurden durch geringes Stei- gen der advisceralen und starkes Herabmindern der abvisceralen 31* 1 3 31 23 48 2 22 474 Fritz Burghause, Pulse nur annähernd normal zusammengesetzte Pulsationsreihen erzielt. Vergleichen wir diese Resultate mit denen, welche an Versuchsob- jekten in demselben Atemwasser ohne Durchlüftung gemacht sind. Bloßer Sauerstoffmangel könnte hier nur Steigen der advisceralen Puls- zahl verursachen. Daß indessen auch in den abvisceralen Reihen zu- nächst die Pulszahl wächst, mag wie bei den mit Ulva aufbewahrten Tieren an der Wirkung von Stoffwechselprodukten liegen. Das gleich- zeitige numerische Anwachsen beider Reihen ist die Doppelwirkung von Sauerstoffmangel und Stoffwechselprodukteu. Infolge der stär- keren Wirkung der Atemnot tritt hinterher eine Prädominanz der ad- visceralen Pulse ein. Leider konnten diese Fragen infolge späterer Ergebnislosigkeit der Fänge nicht völlig geklärt werden, und die Ausführungen des letzten Abschnittes über die wahrscheinliche Wirkung der Stoffwechselprodukte bedürfen weiterer Forschung. Sicher zeigen uns die Befunde, daß durch Veränderungen der Umgebung, die wahrscheinlich den Chemismus des Wassers betreffen, das Verhältnis ad- zu abvisceraler Schlagzahl ver- schoben werden kann. Ähnlich ist das Verhalten von Botryllen bei Atemnnot. Infolge der geringeren Empfindlichkeit gegen Sauerstoffmangel bei diesen fest- sitzenden Tieren gegenüber den flottierenden Pyrosomen tritt bei Er- stickung ein Überwiegen der advisceralen Pulszahl wesentlich später ein. Die advisceralen Reihen wuchsen auch dann, wenn ihre Schlag- zahl vor dem Einbringen in sauerstoffarmes Wasser bereits die höhere war. Ein andrer Punkt trat bei diesen Tieren infolge der langsam ein- tretenden Verkleinerung der abvisceralen Schlagzahl deutlicher hervor als bei Pyrosomen, nämlich eine Verschiebung des Verhältnisses der Frequenzen in den entgegengesetzten Schlagreihen. Während unter normalen Bedingungen die Frequenz der längeren abvisceralen Reihen um ein weniges höher ist als in den entgegengesetzten, wird einige Zeit nach dem Übertragen in sauerstof freies Wasser der Wert der Durch- schnittsfrequenz in der advisceralen Reihe merklich höher als in der abvisceralen. Mit der Tatsache, daß auch hier Sauerstoffmangel die advisceralen Pulse zum numerischen Überwiegen bringt, läßt sich eine meiner Be- obachtungen au in demselben großen Steinbecken gehaltenen Bo- tryllen erklären, welches durch einen starken Strom Meerwasser dauernd gespeist wurde. Während im Dezember und Januar die Zahl der ab- visceralen Pulse fast durchweg dominierte, war im Mai das Umgekehrte Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 475 der Fall. Es ist wahrscheinlich, daß dieser auffallende Unterschied durch den zu beiden Zeiten verschiedenen Sauerstoffgehalt des Wassers bedingt worden ist. Leider habe ich im Winter die Temperatur des Beckens nicht gemessen, doch ist anzunehmen, daß mit der im Mai schon recht hohen Wassertemperatur die Löslichkeitsfähigkeit für Gase im Meerwasser und damit der Sauerstoffgehalt bis unter die Schw^elle gesunken ist, oberhalb w^elcher in den Herzen der Botryllen der Bruch ab- : adviscerale Schlagzahl größer als eins ist. Einfluß der Temperaturveränderung auf das Herz. Dieser Punkt ist am Tunikatenherzen bisher wenig experimentell untersucht worden. Knolls (1903) Angaben über Ciona intestinalis, Phallusia mentula und Salpa maxima, finnata und hicaudata sind kurz folgende. Mit ansteigender Temperatur wächst die Energie und Fre- quenz der Herzbewegung bis 32 '^ C. »Dann trat Abschwächung auf, die Pausen wurden länger, sowie die Umkehr der Bewegungsrichtung häufiger, es kam auch zu diastolischen Pausen ohne Umkehr, die zu- weilen recht lange währten, und nachdem hierbei die Frequenz des Herzschlages im ganzen wieder etwas gesunken war, trat bei 35 ° — 38 ° C. Stillstand in Diastole ein.« Nicolai (1908) kommt zu dem Schlüsse, daß die Frequenz innerhalb der von ihm gewählten Grenzen (7 — 20° C.) eine annähernd geradlinige Funktion der Temperatur ist und sich gegen die höheren Temperaturen hin einem Maximum nähert. Durch Er- höhung der Temperatur scheine auch die absolute Zeitdauer der Puls- reihen erniedrigt zu werden. Die Versuchsanordnung bei meinen Experimenten war derart, daß das Gefäß mit den Objekten in ein größeres gestellt wurde, in das Eis oder heißes Wasser allmählich eingegeben wurde. Leider konnten, da der Morse- Apparat nur bestimmte Zeit lief und ich ohne Hilfsperson die Temperatur selbst reguheren mußte, keine ununterbrochenen Tabellen erhalten werden, und die Temperaturveränderung konnte beim Er- hitzen nicht mit gleichmäßiger Schnelligkeit während des ganzen Ver- suches erfolgen. Dennoch ergaben sich bei genügend wiederholtem Experimentieren Resultate, die mit denen der zitierten Autoren viel- fach übereinstimmen. Zur Kontrolle etwa störender Nebeneinflüsse wurde ein und das- selbe Individuum einer Steigerung und folgender Herabsetzung der Temperatur ausgesetzt und umgekehrt. Es ergaben sich so, falls die Temperatur nicht zu hoch wurde, oder die Versuchsobjekte nicht zu lange Zeit stark gekühlt wurden, Resultate, die mit denen harmonieren, 476 Fritz BurghauHC, welche bei Tieren infolge Temperaturvariation in nur einer Richtung erhalten wurden. Nur so war es mir möglich, vollständige Tabellen bis zum in einer Richtung erreichten Maximum zu erhalten. Die Veränderungen, welche die Temperaturvariation hervornift, beziehen sich auf 1) die Frequenz, 2) die zeitliche Länge, 3) die Schlagzahl, 4) die Pausen. ad 1) Die Veränderungen der Frequenz sind beim Kühlen sowie Erwärmen sehr auffällig und finden im Laufe der sich folgenden ein- Tabelle Vlla. :idv. al ^'. n t fr P 1 ^ t fr P 108 134 48,3 1,2 134 164 49,1 4 106 134 47,4 3,4 136 170 47,9 2,5 140 171 49,3 1,2 143 173 49,6 2,1 109 136 48,2 3,1 125 153 49 2,3 Tabelle Eich- j tung n t fr P i fria fl'ib fr. fr3 fr4 fi-s fre ft-T frg f»'9 fi'io.frii 1 fri2 kdv. 150 207 43,4 4,1 '43,4 45,3 43,5 44,2 45,7 46,9 47,145,9 44,1 144 43,2'42,2 41.8 abv. 207 350 35.4 4,6 33,3 39,8 39,1 39,3 38,438,4 37,6'37,7 37,3 37 1 35,8 37,1 36.5 adv. 241 548 26,4 6,2 32,1 29,6 28,6 28,3 28,2 28,6 27 26,6 27 26,8 27,426,5 28,1 abv. 274 848 19,4 7,2 17,6 20 18,8 21,7 21,7 30 21,3 20,8 20,9 20,7 19,6 20,1 18,4 adv. 230 714 19,3 10 17 19,4 21,3 21,6 22,8 21,1 21,221,1 20,7 20,7 20,3 18,8 19,9 abv. 327 1220 16,1 21,4 [13,7 14,6 17 17,9 17,7 17,6 17,4 17,3 17,1 17 16,9 17 16,9 fachen Reihen allmählich statt. Die Frequenz fällt beim Abkühlen bis zur Kältelähmung des Herzens dauernd mit der Temperatur und wächst beim Erhöhen bis zu einem gewissen Grade (etwa 31° C), oberhalb dessen sie eine Zeitlang annähernd konstant bleiben kann, bis sich bei noch höherer Temperatur wieder geringer Fall geltend macht. Dies Resultat harmoniert allerdings wenig mit Nicolai (1908), nach dem die höchste Frequenz bei 17° oder 18° erreicht wird, nähert sich aber stark Knolls Angaben. Es stinnnt mit den Reaktionen auf Hitze- wirkung in der Herztätigkeit bei andern Wirbellosen (Caelson, 1906, Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 477 I Knoll 1893) überein. Indessen kamen bei Pyrosoma wie Botryllus auch Fälle vor, in denen nach eingetretener Konstanz bei 31° kein Frequenzfall mehr beobachtet werden konnte bis zum Sistieren der Herzrhythmik, das in der Regel bei 36° bei Pyrosoma und zwischen 36° und 38° bei Botryllus eintrat. Oberhalb 32° erscheint die Herz- rhythmik vielfach, bei 35° stets gestört, es treten unvermittelt lange Pausen auf, das Herz beginnt zusammenzufallen, und es zeigen sich mehr und mehr die Absterbeerscheinungen; eine Feststellung der Frequenz ist dann nicht mehr möglich. Daß der Stillstand des überwärmten Herzens keine Folge von Muskeleiweißgerinnung sein kann, zeigt der Umstand, daß in den meisten Fällen die Peristaltik wieder einsetzt, wenn man sofort nach der Wärmelähmung das Herz einem langsamen Temperaturfalle aussetzt. Geringes Erwärmen über das Maximum hinaus schaltet diese Möglichkeit für immer aus. Das Temperatur- minimum für die Herzarbeit bei Pyrosoma scheint bei etwa + 1 ° C. zu liegen; störende Unregelmäßigkeiten stellen sich auch hier vor dem Stillstande ein, zuweilen schon bei 6°C., während in andern Fällen noch bei +3° reguläre Pulsfolge konstatiert wurde. Die Folgewirkung der Temperatur betrifft natürlich auch die Dauer des Verlaufes der einzelnen Wellen über das Herz, da die Leitfähigkeit Vllb. fi-isifruifris i ' fi'ie frlT fris fri9 fr^o froi froo fr23 fr24 fro5 f 1*26 ' tV27 fr28 fr29 frso frsi fr3o il'33 41,1 38,9;36,9 1 ! 35,8 35,634,1 33,3 32,2 32,131,7 28,8 28,8 28 2(j,8|26,7 25,3 24,8 24,9 24,6 25,7 22,8^22,8 21,9 20,7 19,1 19,3 19,3 18,9 19 18,7 18,5 18,8 18,7 j 17,8 18,3 17,3 17,4 16,1 15,7 16,9 19,5 20,7 19,4 18,8 19,8 19,8 17,5 17,8 16,414,613,7 ; 16,8 16,7 16,9 16,6 16,6 16,3 16,4 16,3 16,214,3 15,8 16 15,4 14,8 15,8 16 15,6 14,8 16,2 12,6 12,4 t in C° 7,5 8,0 11,0 11,5 25,0 Pulsdauer in Sekunden im Herzen durch Wärme erhöht wird. Genaue Messungen sind bei der Kleinheit des Objek- tes sehr erschwert, namentlich bei der überaus gesteigerten Herztätigkeit in der Wärme. Die Ablaufsdauer einer Kontraktionswelle wächst umgekehrt wie die Temperatur. Ein Beispiel für ein mittelgroßes Individuum sei hier in nebenstehender Tabelle angeführt. Die Werte können selbstverständlich nicht als mathematisch genau angesehen 4,4 4,0 2,8 2,0 0,5 478 Fritz Burghause, werden, sie sind mit Hilfe der konstanten Geräusche einer Taschen- uhr aufgenommen. Über die Beeinflussung der Zahl gleichzeitig das Herz einschnürender Wellen siehe S. 456. ad 2) Die zeitliche Länge der einzelnen Pulsreihen ist bei Pyro- soma wie Botryllus deutlich und wesentlich stärker als bei Nicolai durch die Temperatur modifiziert. Genannter Autor gibt zu, daß steine Versuche zu wenige sind, um die Angabe einwandfreier Mittelzahlen zu gestatten, hält es jedoch für wahrscheinlich, daß die zeitlich kürzesten Pulsationsreihen bei 14 — 16" C. liegen. Nach meinen Befunden fällt die absolute Länge der Pulsreihen umgekehrt wie die Temperatur vom Minimum bis zu etwa 31 °C. Danach kann infolge der verlangsamten Frequenz und Eintreten von Pausen wieder längere Zeit zwischen zwei AVechselpausen vergehen. ad 3) Aus dem oben (S. 475) zitierten Satze von Knoll glaube ich entnehmen zu dürfen, daß oberhalb von 32° eine Verkürzung der Schlag- zahl in den Reihen eingetreten ist. Direkte Angaben fehlen bei ihm, da seine Aufmerksamkeit infolge der Versuche an Krustern und Mol- lusken vornehmlich der Frequenzänderung gilt. Nicolai meint: »Die Zahl der Pulse nimmt mit der Temperatur stetig zu.« Meine Unter- suchungen ergaben das Gegenteil, am klarsten bei Botryllus. Wie die zeitliche Länge der Reihen, so erfährt auch die Schlagzahl eine deut- liche Vermehrung oder Verminderung, umgekehrt wie die Temperatur. In der Kälte tritt das Anwachsen der Schlagzahlen deutlicher hervor als ihr Fall beim Erwärmen über normale Wassertemperatur. Hier zeigt sich in vereinzelten Fällen zwar die Frequenzerhöhung, nicht aber die Reihenverkürzung. Niemals jedoch, trat mit der Erhöhung der Temperatur eine numerische Reihen Verlängerung ein. In der Nähe des Temperaturminimums und -maximums, vor allem des letzteren, machen die eintretenden Unregelmäßigkeiten eine genaue Feststellung der Zahlen fast unmöglich. Zuweilen finden sich kurz vor dem Wärme- stillstande etwas längere Reihen neben minimal kurzen. Reihenver- kürzung vor dem Kältestillstande bleibt aus. Daß bei der Erhöhung der Temperatur von 20° aufwärts eine wei- tere Reihenverkürzung öfters nicht mehr eintritt, liegt vielleicht an der abnehmenden Menge gelösten Sauerstoffes und dem mit der Tem- peratur gesteigerten Stoffwechsel der Objekte. Es entspricht dieser Anschauung, daß verschiedentHch bei Temperatursteigerung der Bruch ad- : abvisceraler Pulszahl größer als 1 wurde. Diese Erscheinung kann natürlich nicht so ausgeprägt und regelmäßig sein wie beim völ- ligen Sauerstoffmangel, da das Herz bei durch Temperatursteigerung Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 479 bedingter Atemnot wahrscheinlich vielleicht infolge von noch im Organismus vorhandenen disponiblem Sauerstoff einige Zeit braucht, um adviscerale Pulse in höherer Anzahl hervorbringen zu können. Bei schneller Temperatursteigerung muß der Herzstillstand deshalb vor Ablauf der Reaktionszeit auf Sauerstoffmangel eintreten. ad 4) Es ist schwierig, über ein Variieren der Wechselpausendauer infolge der Temperatur genaue Angaben zu machen, da dieselbe bekannt- lich schon im Normalzustande beträchtlichen Schwankungen unter- liegt. Aus meinen aufgenommenen Tabellen geht hervor, daß sicherlich unterhalb 10° C. sie deutlich verlängert erscheint. Entsprechend finden sich von 25° aufwärts durchschnittlich kürzere Wechselpausen. Lange Wechselpausen treten dann wieder, wie Knoll bereits für die von ihm untersuchten Tunikaten angibt, bei 32° ein, erreichen jedoch nicht die Ausdehnung wie vor dem Kältestillstande. Absterbeerscheinungen. Sie sind in den einzelnen Kapiteln zum Teil erwähnt und sollen hier rekapituliert werden. Ihre Kenntnis ist ein unbedingtes Erfor- dernis, wenn man experimentell die Wirkung äußerer Einflüsse auf den Herzschlag studieren will. Die ersten Zeichen des nahenden Herztodes sind wie bei Salpen (ScHULTZE 1901, S. 251) Störungen in der Koordination der Bewe- gungen. Am Ende einer advisceralen Reihe treten z. B. am advisceralen Herzende antiperistaltische Zuckungen auf, welche allmählich zu ab- visceralen Wellen werden und den advisceralen entgegenlaufen. Es findet eine Zeitlang Kampf entgegengesetzter Wellen statt, in welchem die abvisceralen allmählich siegen, d. h. der Treffpunkt der sich ent- gegenlaufenden Wellen rückt mit jeder advisceralen Pulsation mehr dem hypobrauchialen Herzende zu, bis er dies erreicht und die advisceralen Pulse verschwunden sind. Ebenso kann die entgegengesetzte Pulsreihe einsetzen. Solche antiperistaltischen Zuckungen und entgegenlaufen- den Wellen können inmitten der Pulsreihe zeitweise auftreten und wieder verschwinden, ohne die Oberhand zu gewinnen. In andern Fällen erschien der Kampf entgegenlaufender Pulse konstant nur am Ende der Pulsreihen in einer Richtung, während die entgegengesetzten Reihen regulär mit Frequenzfall und folgender Wechselpause endeten. Dies Verhalten kann bei sonst regelmäßiger Peristaltik sehr lange beibehalten werden, bevor der völUge Herzstill- stand eintritt. Der Wellenkampf macht ein Feststellen der Schlagzahl unmöglich. Häufig erfolgen zu Anfang der Reihen am jeweils venösen 480 Fritz Burghause, Herzende lediglich Kontraktionen, welclie erst allmählich kräftiger werden und zu Wellen anwachsen. Die Wellen selbst machen an be- liebigen Herzstellen Halt, laufen nach kurzem Aufenthalte selbständig weiter oder lassen sich von der nächstfolgenden aufnehmen oder ver- schwinden mit deren Einsetzen. Die Verlangsamung des Wellenver- laufes an den Herzenden gewinnt mit dem nahenden Tode an Deutlich- keit. Es stellen sich des weiteren krampfhafte Kontraktionen ein. Vor dem Tode machen sich ferner starke Frcc^uenzschwaukungen inner- halb der Reihen bemerkbar, und die Durchschnittsfrequenz der ein- zelnen gleichgerichteten Pulsationsreihen differiert stärker als im ge- sunden Individuum. Dies ist zum Teil die Folge unvermittelt in den Reihen auftretender langer Pausen. Nicht selten wird durch sie eine echte Wechselpause vorgetäuscht, indem die Frequenz vor ihrem Auf- treten wie am Ende einer Reihe fällt. Nach Verlauf der Pause erfolgen aber wieder Pulse in derselben Direktion mit anwachsender Frequenz. Es findet sich somit die von Schultze bei Salpen beobachtete Perio- dizität innerhalb von enorm verlängerten Pulsreihen bei Pyrosoma wieder. Die Wechselpause kann völlig verschwinden oder enorm ver- längert werden. Mit den Schwankungen von Frequenz und Schlag- zahlen geht eine stark variierende Zeitdauer der Pulsationsreihen Hand in Hand. Mehrere Wellen verlaufen nicht selten gleichzeitig über den Herzbeutel und schreiten in einem Bezirk oder der Gesamtausdehnung des Herzens zitternd und holprig fort. Weiterhin sind allmählich stärker werdende Herzformveränderun- gen zu bemerken. Der sonst dem Pericard straff anliegende Herzbeutel zeigt zunächst hier und dort dauernde Kontraktionsfalten und fällt schließlich, von der Mitte nach den Enden zu forschreitend, faltig zusammen. Das Herz erhält dadurch die Form, wie wir sie an konser- viertem Material in mannigfachen Abstufungen finden. Mit dem Zu- sammenfallen werden die Kontraktionen so schwach, daß die Körper- flüssigkeit nach anfänglichem Hin- und Herpendeln in den Gefäßen nicht mehr fortbewegt wird. Die Wellen lassen sich dann nur noch an den gespannten Herzenden als solche erkennen, während über die zusammengefallene Mitte nur ein Beben zieht. Vollkommener Herz- zusammenfall macht es unmöglich, zu erkennen, von welchem Herz- ende die Bewegung ausgeht. Der völlige Herzstillstand tritt zuerst bei den ältesten Individuen des Stockes auf; wenn sie schon völlig undurchsichtig geworden sind und selbst die Flimmerbewegung ihrer Branchien aufgehört hat, schlagen die Herzen der jungen Knospen noch bis 32 Stunden lang weiter. Legt Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 481 man große Kolonien in ein enges Wasserbecken, so fallen die Ascidio- zooide allmählich aus ihrer Celluloseumhüllung heraus. Es wurde bei solchen, auf dem Gefäßboden liegenden Tieren vielfach noch unregel- mäßige Herztätigkeit konstatiert. Cyathozoid. Das Herz. Lage und Form, Taf. XV, Fig. 2; Taf. XVI, Fig. 10. Lage und Form des Herzeus des Cyathozoids sind durch die Unter- suchungen Salenskys (1892) und Julins (1912) geklärt worden. Es besteht, da es ventral am hinteren Ende des Pharynx durch Einstül- pung der Pericardblase hervorgeht, ebenfalls aus dem inneren eigentlichen Herzbeutel und dem Pericard. Außer an den beiden Enden verschließt auch hier das Entoderm an der Raphe das Herzlumen. Folgende Worte Julins (S. 833) zeichneu die Lage des ausgebildeten Herzens : »L'organe cardio-pericardiaque du cyathozoid est dispose de teile Sorte que des deux orifices terminaux de la cavite cardiaque, Tun, le proximal ou anterieur, debouche au dessus du pharynx, tandisque l'autre, l'orifice distal ou posterieur, tres rapproche de l'extremite d'ori- gine du premier tube d'union qui rattache, est situe sous le pharynx. On pourrait donc les appeler respectivement l'orifice cardiaque dorsal et l'orifice cardiaque ventral. II resulte de cette disposition que, quand l'onde de contraction du cceur du cyathozoide se propage d'avant en arriere, le saug est chasse dans le sinus sanguin profond du premier tube d'union, tandisque, quand l'onde de contraction se propage en sens inverse, le sang est chasse dans le sinus superficiel du premier tube d'union. << Die Histologie ist dieselbe wie beim Ascidiozoid. Physiologisches. 1. Methode. Die Kleinheit des Cyathozoids macht es unmöglich, die Objekte in ihrer natürlichen Lage in der mütterlichen Kloake zu beobachten. Es wurden deshalb aus großen Kolonien Querringe geschnitten, wobei die Embryonen herausfallen. Mit einer weiten Pipette isoliert, ermöglichen sie dann die mikroskopische Beobachtung. Freilich werden die Ver- suchsobjekte dabei meist starken Reizen ausgesetzt sein, und es er- klären sich daraus die zahlreichen Verschiedenheiten bezüglich der Herzarbeit. Die genaue Form der Herzbewegung läßt sich hier in- 482 Fritz Burghause, folge der übergelagerteu Zellen und des undurchsichtigen Dotters schwer ermitteln. Sie gleicht im wesentlichen der beim Ascidiozoid. Zum Verständnis der folgenden Tabellen (VIII u. IX) sei erwähnt, daß die Pulse, welche das Blut aus dem Herzen direkt in den Stolo treiben, adstolon, die in entgegengesetzter Richtung, also zur Kloake gerichteten, abstolon genannt werden. Die einzigen Angaben über den Herzschlag beim Cjathozoid bringt Pavesi (1872): »Le cceur de la nourrice presente le phenomene d'alter- nance tous les 37, 39, 40 ou 50 battements. L'observation des coeurs des embryons m'a donne les chiff res suivants : 74 battements dans un sens, puis 33 dans l'autre, apres cela 133, 68, 139, 48, 28, 65, 35, 27 etc.« 2. Die Schlagzahlen. In allen untersuchten Ammen in den verschiedensten Stadien der Entwicklung waren die absoluten Schlagzahlen auffallend höher als bei Ascidiozoiden unter gleichen Bedingungen (vgl. Tab. VIII u. IX). Tabelle VIII. adstolon abstoloü n t fr P n t fr P 131 141 55,6 3,3 148 173 51,3 5,6 136 148 55,2 2,2 156 163 57,5 6,7 127 134 57 4 159 152 62,6 6,6 Gleiche Schlagzahlen in den sich folgenden gleichgerichteten Reihen sind auch hier überaus selten. Das gelegentliche Auftreten von sprung- weisem Anwachsen der Pulszahlen scheint auf eine ähnliche AVirkung mechanischer Reize wie beim Ascidiozoid (vgl. S. 466) schließen zu lassen. Nach langer Gefangenschaft finden sich nicht selten enorm ver- längerte Reihen. Die relative Länge der ad- und abstolonen Reihen gestattet weit schwerer eine Regel aufzustellen als beim Ascidiozoid. In 64% der untersuchten Objekte war die Schlagzahl in den abstolonen Reihen größer. Für die Zeitdauer der Reihe gilt das für das Ascidiozoid Gesagte. 3. Frequenz. Die Frequenz in den Reihen steigt meist schnell an und fällt dann nach dem erreichten Maximum bis zum Ende, besonders mit den letzten Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 483 X P^ ;_i fl io" CO^ CO 43 >-0 T-l co" i OS co" 00^ D-" CD i 1-1 co" T-H, 5" o CO, (m" CD co" OS 05^ iH cg" CD CD co" "O 00 CD, T-T CD CD cm" CD 00 (M" CD Ol SO (M" CD CD s OS CO, CO CD (m" CO !>, ■tn eo CD OS s 00^ (M" CO CO •* CO CD CO ^ 00 cd" CD CO CO ccT CO 05 o" s 00 CD CD CO o" (M (M" CO CD CD CO o" Ca 05 cd" CD 05 cd" CO (M P^ (M co" C5 co' 00^ ^ CD r-^ CO 00 m" -u co" (M CO (M (M O s Ol IM • O IM 'S« (M (M IM M P^ 'TS CO l-H 00 £t o" 35 fü ■^ CO r^ CO cm" CM co" <43 lO lO eo B cd" T-l cm" ^" vo ira CO lO O CO T-l s ■^ ira 00 'S o lO -* 05 1-1 CM =» II 1—1 m >o CM <5 o CO Q eS lO lO lO CO 00 cd" CD "5" ^ lO iO lO O CO 05 CO 05 CM c- I>- 1^ CJ lO lO o o ira eo l> ^^ CD 05 t> ^) 03 lO o CO lO "U" eo CO CO c- OS an tH C3S o o CO >o eo 05 od" CD^ CM oT lO lO CO »o CD 00 tH T-l 05 m CM T-l vm lO U5 CO CO 1 -»^ 05 CO '^ 00 Oi CM T— 1 CD >o CO CO o Oi 00 ^ rf) r-l CM CO la CO CO 1 ^ 05 -rf 00 efi tH 00 CT3 ^5 CO lO lO CD CO 00 C5 CM '^ * CM OD O 1—1 CO lO CD CO 00 ■^ ^ ^ CM C5 O CM CO lO CO CO CO •«* CD 00 c^ (M o 1-1 CM CO CD CO CD CO r^ CO ^ ■1—1 y-< »* •* !> CD CD CO t>- CM r^ lO O 1—1 CO CO CD CD CD CO CO 00 1-1 eo >il lO iM CO CD CD CD CO lO •^ r^ .'^ lO ^ 00 CO "^ CO CD >o CO ^ 00 C5 CO rK CM CO 5« CO O o CO CO >o (M T-l (M 1—1 CD I> «ä 1 o lO CO cc 1 lO CM CO P-, CO '^ -* (M ! i> CM r^ 55 * 05 t^ cn CO O 'O >o lO CD -f CO o -»J CM 1-1 (M CM CM CM M ' -^ CO CO a CM CM C ^H CM (M CM (M 484: Fritz Burghunse, Schlägen. Stellenweise kann eine Zeitlang Konstanz eintreten (vgl. Tab. VIII u. IX). Auch hier können die Keihen mit Maximalfrequenz beginnen und bis zur Wechselpause stetiges Sinken zeigen. Die relative Durchschnittsfrequenz der Reihen zeigt ebenfalls mehr wie beim Ascidiozoid alle Möglichkeiten. Unabhängig von der relativen Schlagzahl ist die Frequenz bald in ab-, bald in adstolonen Reihen höher, und das Verhältnis abstoloner durch adstolone Schlag- zahl und Frequenz kehrt sich bei demselben Individuum nach einigen Pulsreihen ohne kontrollierbare Einflüsse oft um. 60% zeigten in den abstolonen Pulsreihen höhere Frequenz als in den entgegengesetzten. Im allgemeinen ist die Schlagfolge schneller als im Ascidiozoid. Die Wechselpausen und die in den Reihen auftretenden Pausen gleichen denen des Ascidiozoids. Bei Pavesi (1872) findet sich: »Taut que le coeur de la nourrice existe en meme temps c[ues le coeurs des embryons, les mouvements de ces derniers sont synchrones entre eux, mais non avec celui de la premiere.« Ich muß dem Forscher auch in diesem Punkte entgegen- treten. Die Herzen der vier Primärknospen arbeiten völlig unabhängig voneinander. Freilich kann zufällig einmal synchrone Herztätigkeit zwischen einzelnen oder allen angetroffen werden. Im übrigen gleichen sie in der Physiologie des Herzens den Sekundärknospen und zeigen, wenn das Cyathozoid resorbiert ist, als fast gleichaltrige Tiere an- nähernd dieselben Werte für die erwähnten Pimkte des Herzschlages. Der Kreislauf. Taf. XV, Fig. 2. Ihm widmet Pavesi gleichfalls seine Aufmerksamkeit. Er hebt hervor, daß die zwei Verbindungsgefäße von der Amme zum Stolo ab- wechselnd als Arterie und Vene funktionieren. Der Gesamtkreislauf ist nach ihm geschlossen durch das Cyathozoid und anderseits durch das distale Stoloende. Wenn der eigentliche aus der Keimscheibe hervorgegangene Embryo noch der Dotterblase kappenförmig aufsitzt, bewegt sich die Körper- flüssigkeit in der primitiven Leibeshöhle nur so weit, als das Ectoderm reicht, also zwischen Ectoderm, Entoderm und dem an die Keimscheibe grenzenden Dotter. Ist die gesamte Dottermenge in den Embryo ein- gerückt, wird sie also ringsum vom Ectoderm umfaßt (Salenskys Stadium L), so umströmt sie das Blut auch allseitig. Ein Eindringen in die Dottermasse findet nicht statt. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoina giganteum usw. 485 Der Kreislauf findet nun umgekehrt statt, wie es Julin annimmt. Bei adstolonen Pulsen strömt das Blut direkt aus dem Herzen in das äußere oder, wenn man in der Medianebene der jungen Kolonie auf den Stolo blickt, obere Stolonengefäß, welches zwischen Ectoderm und Entodermlamelle verläuft. Nach dem Durchlaufen der Knospen kehrt es durch den »sinus sanguin profond du premier tube d'union« ins Cyathozoid zurück, verläuft rechts und links des Dotters am hinteren Ende der Keimscheibe, wendet sich nach vorn, bespült beiderseits das Entodermrohr (Pharynx) und das Ganglion und tritt wieder in das vordere Herzende ein. Bei abstolonen Pulsen sind die Verhältnisse naturgemäß umgekehrt. Die geringe Anzahl der anfänglichen Blut- kanäle nimmt mit dem Umwachsen des Dotters zu, welcher schließlich überall von Flüssigkeit umspült erscheint. Bei der bekannten Resorption des Cyathozoids durch seine vier Knospen zeichnet sich das Herz wie bei den Synascidien (Pizon 1899, 1900) durch gewaltige Lebenskraft aus. Es ist dasjenige Organ, welches zu allerletzt seine Funktion einstellt, und bereits stark resorbierte Tiere scheinen nur noch aus dem Ectoderm und dem großen, noch kräftig arbeitenden pulsierenden Organ zu bestehen. Der Kreislauf in den Knospen, der sich Hand in Hand mit der Entwicklung ihrer Organe (Salensky, Julin) ausbildet, wird vom Herzen des Cyathozoids be- stimmt. Das späte Absterben des Ammenherzens hat eine große Bedeu- tung für die Resorption ; es treibt, bis es schließlich den letzten Rest der Besitzerin bildet, die Bestandteile der Amme, Dotter sowie lebende Zellen, in die Knospen, wo sie sich festsetzen können. Man kann direkt beob- achten, wie von dem kräftigen Blutstrome die Dotterpartikelchen lang- sam gelockert und dann plötzlich in die Knospen mitgerissen werden. Das Zurückwandern der ausgewanderten Bestandteile aus den Knospen hindert das Schwanken, welches die Entodermlamelle in Ver- bindungskanal durch die Blutumkehr erleidet. Es wird das jeweils arterielle Gefäß, besonders wenn der Verbindungsstrang sehr lang ist, stark erweitert, während das venöse derart verengt wird, daß es von den größeren einmal in die Knospen gewanderten Partikeln nicht mehr passiert werden kann. Beiiierkungeii zum Leucliten. Die Entwicklung der Leuchtorgane ist neuerdings von Julin (1912) genau studiert worden. Seine eingehende histologische Darstellung ist so zutreÖend, daß ich nichts hinzuzufügen vermag. Auch ich konnte 486 Flitz Burghiiuse, im Gegensatz zu Panceri mit O.smiumtetroxyd, Färbung mit Alkana- rot oder Sudan III kein Fett in den Leuchtzellen nachweisen. Dubois (1911) isolierte bei Pholas dactylus zwei Substanzen, welche er Luciferin und Luciferase nennt und durch deren indirekte Oxydation das Licht entstehen soll. Alle meine Bemühungen, diese Stoffe aus ganzen oder feinzerriebenen P^rosowia-Stöcken durch geeignete Extraktion zu iso- lieren, schlugen fehl. Daß das Licht hier ebenfalls nicht durch direkte Oxydation einer Leuchtsubstanz Zustandekommen kann, zeigt die Wir- kung von Cyankali und Chloralhydrat, welche bekanntlich die Oxy- dation in tierischen Zellen unterdrücken; Zusatz von einer dieser Sub- stanzen zum Seewasser löst das Licht aus und läßt es oft über eine Stunde lang bestehen. Nach dem Erlöschen läßt es sich sogar durch Berühren der Kolonie wieder hervorrufen. Aus den Angaben Meyens (1834), Perons (1804) und Bennets (1833) glaubt Neumann (Bronn) als wahrscheinlich annehmen zu dürfen, »daß alle oder wenigstens einzelne Teile des Eingeweideknäuels Licht auszusenden vermögen«, zumal da ein schwaches Leuchten des Salpennucleus bekannt ist. Nach meinen Befunden an unversehrten Individuen und herauspräparierten Eingeweiden zeigen Hoden und Darmtractus keinerlei Lumineszenz auf alle Reize, die das Licht sonst hervorrufen. Es leuchten allein die Leuchtorgane, das Ovar und die in den Kloaken liegenden Embryonen, und ich nehme an, daß die genannten Forscher durch die letzten beiden dazu verleitet worden sind, in dem Ösophagus oder Hoden den Sitz des Lichtes zu vermuten. Über die Farbe des Lichtes finden sich bei den verschiedenen Autoren abweichende Angaben. Nach Peron soll das Licht sogar von aurorafarben zu orange, grünlich und schließlich himmelblau über- gehen. Es gelang mir bei Pyrosoma giganteum nicht, durch verschiedene Reize bei allen entstehenden Lichtstärken eine andere Färbung als grünlich-blau zu erzielen. Bei Polimanti findet sich die Angabe: »Eine konstant von mir bei der Phosphoreszenz von Pi/rosoma beobachtete Tatsache ist die, daß in dem Maße wie das Tier zerfällt, nicht mehr jenes charakteristische grüne Licht ausgesandt wird, sondern ein röt- liches, d. h. stärker brechbare Strahlen werden durch weniger brech- bare ersetzt. << Diese Erscheinung fiel auch mir bei absterbenden Kolo- nien auf. Indessen glaube ich sie einfacher erklären zu müssen. Die absterbenden Individuen trüben sich und nehmen, während sie im Leben mit Ausnahme der pigmentierten Stellen (Hoden, Ösophagus, Magen) vollkommen durchsichtig sind, eine gelbe und mehr und mehr rote Färbung an, wohl durch das Auswandern des Pigmentes. Die ältesten Kreislauf und Herzschlag bei l'yrosunia giganteum usw. 487 Individuen beginnen damit, während die Knospen, nachdem sie ihre Gefäß Verbindung vom Muttertiere abgeschnürt haben, bei eigener Herztätigkeit noch eine Zeitlang weiter leben können. Außer ihnen behalten auch die rötlich getrübten Tiere zunächst ihr Leuchtvermögen. Sämtliche aus der Kolonie kommenden Lichtstrahlen müssen zum Teil die rötlich getrübten Körper passieren, wenn sie zum Auge des Beob- achters gelangen sollen, und allein aus diesem Grunde erscheint das er- zeugte Licht rötlich. Außer Panceri befaßte sich neuerdings Polimanti sehr eingehend — ^^ mit dem Studium von mechanischen und elektrischen Reizen, welche die Kolonie zum Leuchten zu bringen imstande sind. Beim Nach- prüfen der chemischen Stoffe, welche nach erstgenanntem Forscher das Licht hervorrufen, fand ich eine andre Wirkung des Alkohols. Nach Panceri löst er dauerndes Licht aus, welches nach 15 — 25 Minuten erlischt. Nach meinen Befunden findet dies wirklich statt, wenn man auf einmal größere Mengen davon dem Seewasser zusetzt oder die Tiere in Alkohol wirft. Vorsichtiges tropfenweises Beigeben von Alkohol zeitigt jedoch ganz andre Wirkung. An keiner Stelle der Kolonie zeigt sich Licht, und hat man genügende Mengen angewandt, so ist es unmöglich, durch irgendwelche Keize Leuchteffekte zu erzielen. Alkohol zeigt bezüglich des Leuchtvermögens ebenfalls narkotisierende Wirkung, und es ist mög- lich, daß bei einmaligem reichlichen Zusetzen die mechanische Wirkung der entstehenden Diffusionsströme stark in Betracht kommt. Bezüglich der Wirkung des Lichtes auf die Leuchtfähigkeit äußert sich Panceri dahin, daß Pyromosa sich gleichgültig gegenüber dem Einfluß von Sonnenlicht erweist. Polimanti entnehme ich: »Ein auf das Pyrosoma mit einer elektrischen Lampe von 32 Kerzen ausgeübter Lichtreiz bewirkt fast immer, je nach des Tieres Befinden, ein Leuchten der ganzen Kolonie. Wenn man aber eine elektrische Lampe von ge- ringerer Kerzenstärke benutzt, so erzielt man fast nie ein Leuchten auf reflektorischem Wege, und die Resultate sind sehr unsicher«, und auf S. 529: »Mithin hat das Licht eines Pyrosoma keine Wirkung auf Tiere derselben Gattung; kurz, es liegt unterhalb der Reizschwelle und ver- mag nicht, eine Reizwirkung auszuüben. << Noch ehe ich diese Abhand- lung kannte, machte ich den interessanten Befund, daß, wenn zwei frische P^/rosoma-Kolonien in nicht zu weiter Entfernung voneiuancer sich befinden, das Licht des einen unter günstigen Umständen auch das des andern auslöst. Um eine Nebenwirkung der Wassererschütte- rung auszuschalten, Avurden zwei Kolonien in zwei Glasgefäßen auf zwei Tische dicht nebeneinander gestellt. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. CVIII. Ed. 32 488 Kiilz Burghause, War bei der Versiichsanorduung des Schema B das durch Reize direkt zum Leuchten gebrachte Tier a, so trat bei h an der a zugekehrten Längsseite die Lumineszenz auf und verbreitete sich über die ganze Kolonie. Bei der Versuchsordnung A begann das Licht in h am stärk- sten an dem a zugekehrten Ende, und es traten gleichzeitig deutlich bis zum distalen Ende die Leuchtorgaue vieler solcher Individuen in Funk- tion, welche mit ihrer Ingestionsöffnung weit über die Kolonieober- fläche hervorragten. Bleibt die Reaktion in h aus, so läßt sie sich oft dadurch hervorrufen, daß man es vorher durch mechanische Reize zum Leuchten veranlaßt. Dann tritt nach dem Wiedererlöschen der durch das Aufleuchten von a hervorgerufene Reflex deutlich auf. Die- selbe Beobachtung machte Polimanti bei seinen Versuchen mit der 32 kerzigen Lampe, und er meint: »Die mechanischen Reize hätten also eine dynamogene Wirkung ausgeübt, kurz, sie hätten dem Lichtreiz den Boden vorbereitet und seine Wirksamkeit erleichtert <<. Der Licht- reflex läßt sich ebensogut an zerschnittenen Stücken und herauspräpa- rierten Embryonen hervorrufen. Die Stärke und Deutlichkeit des Reflexes nimmt mit der Entfernung zwischen a und h ab. Der Effekt wird besonders deutlich durch den Versuch C, wo & in ein besonderes dünnwandiges, durch einen Glasdeckel abgeschlossenes Gefäß mit Wasser gegeben ist und so in ein größeres gesetzt wird, in welchem sich a be- findet. Auf diese Weise können beide Stücke sehr iiahe gebracht werden. Diese interessanten Beobachtungen f ührtoi mich zur Untersuchung der Beeinflussung durch fremdes Licht. Es ergab sich, daß das tierische Licht von Beroe ovata, Cestiis vetieris, Hippopodius, Praya maxima und des an der Riviera häufigen Luciola italica ebenfalls den Reflex Zu- standekommen ließ. Selbst wenn kräftiges Schütteln des Behälters bei Pyrosoma keine Wirkung mehr zeitigte, veranlaßte vielfach das inten- sive Licht der Deckstücke und großen Schwimmglocken von Praya das betreffende Stück, sein Leuchtvermögen zu entfalten. Gleiche Wirkung hatte ein angezündetes Streichholz, brennender Phosphor, das in das Arbeitszimmer fallende Blinklicht des Leuchtturms und selbst, wenn man plötzlich die Türe der Dimkelkammer öffnete, das Tageslicht. Es ist von verschiedenen Untersuchern andrer Leuchtticre — z. B. von Panceri für Beroe — behauptet worden, daß direktes Tages- licht schädigenden Einfluß auf die Leuchtkraft ausübt. Ich kann das Gleiche für Pyrosoma bestätigen. Mechanische Reize üben bei Tieren, welche lange dem Tageslicht ausgesetzt waren, vielfach keine Wirkung Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteuui usw.] 489 aus, und die latente Reizzeit bei Zusatz des äußerst wirksamen Ammo- niak ist bei ihnen ungleich viel größer als bei Kolonien, die gleichzeitig üefangen und dauernd in der Dunkelkammer o ehalten werden. Man könnte den Einwurf machen, daß die belichtet geweseneu Kolonien durch den Transport zur Dunkelkammer mechanisch gereizt waren und deshalb zur neuen Entwicklung Erholungszeit brauchten. Indessen zeigten die Kontrolltiere, in der Dunkelkammer aufbewahrt, selbst nach kräftigen mechanischen Insulten ungleich stärkeres Leuchtver- mögen. Außerdem standen die belichteten Objekte nur wenige Schritte von der Dunkelkammer entfernt. Ich möchte erwähnen, daß ich das gegenseitige Entzünden bei leuchtenden Planktoncopepoden wieder- gefunden habe. C. Textfig. A~ E. Diese Beobachtungen gestatten es uns, Schlüsse zu ziehen, wie die Fortpflanzung des Lichtes in einer Pyrosoma-Kolomo, zustande- kommt. Bereits durch Bennett und Meyen ist bekannt, daß das Licht von der gereizten Stelle aus über die ganze Kolonie hinschreitet. Poli- MANTi kommt zu nachstehenden Schlußfolgerungen: (S. 522) >>Bei der an einem Pole ausgeübten mechanischen Rei- zung kann das Leuchten in verschiedener Weise auftreten: 1) Zuerst am berührten und gleichzeitig auch am entgegengesetzten Pol, dann am ganzen Tier; 2) das Leuchten verbreitet sich jedoch fast immer lawinen- artig von der gereizten Stelle gegen die entfernteren Stellen hin; 32* 490 Fritz Burghause, 3) oder es kann hier und da längs der Kolonie, namentlich an der Oberfläche, auftreten und dann das Tier in toto leuchten. B. Wird dagegen das Pyrosoma statt an beiden Polen mehr oder min- der stark in der Mitte gereizt, so wird es leuchten 1) an verschiedenen mehr oder weniger zahlreichen Stellen, 2) an beiden Polen, 3) oder das Leuchten verbreitet sich v\-ellenförmig von der Eeiz- stelle aus nach den beiden Seiten. Das Leuchten des Tieres erfolgt zuerst an der Oberfläche und geht von hier auf das Innere über.« Für die Fortpflanzung des Reizes gibt Seeligee, die Erklärung : >>Da es zweifellos ist, daß die direkte Berüh- rung die betreffenden Tiere zum Leuchten veranlaßt, läßt es sich leicht verstehen, wenn die Kloakenmuskeln eines Tieres durch den Zug der Faserstränge erregt werden.« Damit wäre auch die Angabe Perons erklärt, daß bei den rhythmischen Kontraktionen der Kolonie der CyUnder jedesmal erglüht und wieder erlischt. Ich konnte außer an dem von den Mantelgefäßen durchsetzten Sphincter überhaupt keine Bewegungen beobachten und demzufolge auch keine rhythmischen Lichtblitze. Nicht einmal die Sphincterbewegungen sind rhji^hmisch, und es wird diese Membran, welche normalerweise schwach konvex in das umgebende Wasser vorgewölbt ist, bei Berührung ganz oder teil- weise durch Kontraktion der Gefäßmuskeln dem Kolonielumen genähert . Das dadurch hervorgerufene Ausströmen des Wassers dient weniger zur Bewegung als zum Schutze gegen das Eindringen von Fremdlingen. Bei V. ÜxKÜLL (1905) findet sich die Bemerkung: »Vor mehreren Jahren wurde an der zoologischen Station zu Neapel von einem jungen englischen Gelehrten die Beobachtung gemacht, daß Pi/rosoma durch Lichtreiz zum Leuchten gebracht ^vurde und daß wahrscheinlich die Einzeltiere der Kolonie sich gegenseitig wie Einzelkerzen aneinander entzündeten. Eine Publikation ist mir nicht zu Gesicht gekommen. Dieses wäre eine originelle Art der Reflexübertragung. « Ich schließe mich dieser Ansicht auf Grund des Gesagten und aus folgenden Grün- den an. V',,. , -;V Von Pavesis zitierten Ergebnissen stinnnen Punkt A 2 und B 3 ohne weiteres mit meiner Annahme überein. Punkt A 3 und B 1 kann ich nicht bestätigen, da ich stets Licht an der berührten Stelle auf- treten sah. Freilich bUtzen kurz nach deren Aufleuchten auch an an- dern, entfernten Stellen Lichter auf. Es sind dies ausnahmslos die Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 491 zapfeiiförniig weit hervorstehenden Individuen. Dies ist durchaus er- klärlich, wenn wir annehmen, daß der dem Ganglion aufliegende Pig- mentfleck das lichtperzipierende Organ repräsentiert. Infolge der Ab- sorption des Lichtes der gereizten Stelle durch die Cellulose können die tiefer im Mantel liegenden entfernteren Tiere die Strahlen nicht so früh perzipieren wie die alten, weit in das Wasser hervorstehenden. Pavesis Punkt A 1 erkläre ich durch Krümmung der Versuchskolonien, wie mau sie häufig findet. Die Resultate von B 2 erhielt ich nie. Poli- MANTis Satz: »Das interessanteste ist, daß das Pyrosoma, wenn an einer Stelle irgendweich mechanischer Reiz einsetzt, nicht nur an der gereiz- ten Stelle, sondern auch an ganz entfernten Stellen leuchtend wird,« findet seine Ursache einzig und allein in der bei den betreffenden In- dividuen für die Lichtperzeption besonders günstigen Lage des Augen- fleckes. Freilich liegt bei dem Auftreten des Lichtes bei entfernteren Indi- viduen noch immer die Möglichkeit vor, daß ihr Aufleuchten nur durch ihre größere Empfindlichkeit gegenüber der durch die ganze Kolonie gehenden Kontraktion der Mantelfaserzüge bedingt wird. Schon die oben erwähnte Versuchsanordnung C spricht dagegen ; denn außer dem « zugewandten Ende von h trat der Reflex auch in dessen distal ge- legenen großen Individuen auf. Weiter gewinnt diese Annahme an ünwahrscheinlichkeit durch folgende von mir angestellte Experi- mente. Aus großen Kolonien wurden mit einem Skalpell Stücke völlig herausgeschnitten und vorsichtig wieder an ihre alte Stelle gesetzt (Text- fig. D), oder ich löste lange keilförmige Stücke bis auf eine kurze Ver- bindung an ihrer Basis aus dem kolonialen Verbände (Textfig. E). Beim Fortwandern des Lichtes von der gereizten Stelle über die Kolonie hin verhielten sich die losgetrennten Stücke, wie wenn sie mit dem Ganzen allseitig verbunden wären. PoLiMANTi wie viele andre Untersucher von leuchtenden Organis- men meint, daß die Leuchtfähigkeit als Verteidigungsmittel gegen- über andern Tieren aufgefaßt werden muß. Eine kleine Bemerkung, welche ich in Vogts (1852) populärer Schrift fand, nämlich, daß er im Darmkanale von Fischen verschluckte Feuerzapfen fand, veranlaßte mich, diese Frage in Angriff zu nehmen. Leuchtende PyrosomaStück- chen werden, nachts in die Aquarienbecken geworfen, von den auf S. 453 zitierten Fischen ergriffen und gefressen. Größere, vorsichtig derart gegebene Stücke, daß sie zunächst kein Licht zeigen, werden «benfalls angenommen und bei dem dadurch veranlaßten Aufleuchten 492 Fritz Burghause, nicht wieder losgelassen. Alle andern flossentragenden Aquarienbe- wohner suchen den leuchtenden Bissen dem Besitzer abzujagen. Auch Krabben lassen sich von leuchtenden PyrosomaStöcken durchaus nicht in ihren Wanderungen stören. Mithin handelt es sich bei dem Leuchten von Pyrosorim nicht um ein Schreckmittel, da kaum andre Feinde in Betracht kommen. Eine biologische Erklärung des Leuchtvermögens ist, wie Chun (»Aus den Tiefen des Weltmeers) betont, schwierig. Die Phosphoreszenz der Pyrosomen kann infolge der geringen Eigenbewe- gung der Kolonie nicht dazu dienen, Artgenossen zum Zwecke gegen- seitiger Befruchtung anzulocken. Leipzig, im August 1913. Literaturverzeichnis. 1. Bancroft, Üvogenesis in Distaplia occid. (Ritter) with remarks on other species. Bull. Mus. Harvard. 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B e z c i c h Bg, Bindegewebe; ent, Entoderm; fct., Ectoderm; Hz., Herz; p.c., Pericard; Mz., Mesenchyrazellen ; Do, Dotter; R., Herzraplie; E.R., zur Knospe gehendes Entoderm- rohr; L.R., Längsrippe; D.Z., dorsale Zellhaufen; ä.P.e,. äußeres Peribranchialepithel; R.Z., Rückenzapfen; K.s., Kiemenspalte; End., Endostyl; s.v.pr., Sinus ventralis praebranchialis; s.v.L, Sinus ventralis lateralis; s.v.m., Sinus ventralis medianis; s.d.pr., Sinus dorsalis praebranchialis; n u n gen: s.d.l., Sinus dorsalis lateralis; s.d.m., Sinus dorsalis medianis; s.per., Peripharj-ngealsinus ; m.g., Mantelgefäß; s.an.d. und v., dorsales und ventrales Egestionsgef äß ; s.st., Stolonensinus; P.R., Peribranchiah'öhre; G.str., Genitalstrang; Pc.str. , Pericardstrang ; N.R., Nervenrohr; K.g., Kiemengefäß; s.stom.gen., Sinus stomaco-genitaÜs; s.stom.int., Sinus stomaco-intestinalis; G, Ganglion; L.O., Leuchtorgan; Kn, Knospe; T, Hoden; O, Ovar. Kreislauf und Herzschlag bei Pyrosoma giganteum usw. 497 Tafel XV. Fig. 1. Ascidiozoid. Gesaiutkreislauf. Fig. 2. Cyathozoid. Gesamtkreislauf. Tafel XVI. Fig. I — 9. Ascidiozoid. Fig. 1, Schnitt durch die Ventrah-cgion zur Darstellung der Gefäße. Fig. 2. Schema der Endigungen der Ventralgefäße. Fig. 3. Querschnitt durch die Dorsalregion. Fig. 4. Querschnitt durch die Dorsalregion mit den dorsalen Mesenchym- zellhaufen. Fig. 5. Längsschnitt durch die Oesophagusendigung in den Kiemendarm, die begleitenden zwei Gefäße zeigend. Fig. 6. Querschnitt durch ein Kiemenquergefäß mit ansetzender Längsrippc. Fig. 7. Aufsicht auf einen Teil der Herzwand. Fig. 8. Herzquerschnitt. Fig. 9. Stoloquerschnitt. Fig. 10. CA'athozoid. Querschnitt durch das Herz. über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. Von M. Rimsky-Korsakow (St. Petersburg). Mit 1 Figur im Text und Tafel XVII u. XVIII. Unsere Kenntnisse in bezug auf den eigentümlichen Spinnapparat der interessanten Insektengruppe Emhiodea sind sehr mangelhaft. Grassi und Sandias waren die ersten Autoren, welche über die Spinn- drüsen der Embien in einem Appendix zu ihrer bekannten Termiten- arbeit (1897 — 98) Mitteilungen gemacht haben. Sie beschreiben die bläschenförmigen Drüsen und ihre Ausführungskanäle, welche an der Spitze besonderer Haare münden. Melander (1902) gibt eine kurze Beschreibung der Drüsen bei der von ihm entdeckten amerikanischen Art, Anisemhia texana (Mel.): er fand die eigentümlichen Ampullen, mit denen die Ausführungsgänge anfangen. Verhoeff (1904) erwähnt die Drüsen in seiner x\rbeit über die äußere Morphologie der Embien. KusNEZOV (1904) beschreibt kurz (ohne Zeichnungen) den Spinnapparat seiner Haploemhia taurica (Kusn.). Etwas eingehender sind die Drüsen von mir (1905) bei Embien aus Villefranche sur Mer beschrieben worden. In den beiden systematischen Monographien der Embüden, die un- längst erschienen sind (Krauss, 1911 und Enderlein, 1912), sowie in der Arbeit von Friederichs (1906), welche die Biologie der mediterranen Arten der Embien behandelt, finden wir keine neuen Angaben über den Bau der Drüsen. In der vorliegenden Arbeit möchte ich einige Resultate meiner Beobachtungen über den Bau und die Entwicklung des Spinn- apparates der Embien mitteilen, die ich bei der Untersuchung der Regeneration der Beine dieser Insekten gemacht habe (über Regene- Zeitsclirift f. wisseusch. Zoologie. CVIII. Bd. 33 500 ^I- Rimsky-Korsakow, ration der Extremitäten bei Embien soll an andrer Stelle mitgeteilt werden). Als Material dienten mir hauptsächlich die beiden Arten Emhia ramhuri R.-Kors. und Haploemhia solieri (Ramb.), die in der Um- gebung von der Russischen Zoologischen Station in Villefranche sur Mer zahlreich vorkommen und die von meiner Frau und mir 1909 und 1910 gesammelt worden sind. Einige konservierte Exemplare von Haploem- hia taurica erhielt ich von Herrn J. Philiptschenko, wofür ich ihm herzlichst danke. Ganze Tiere oder bloß abgeschnittene Vorderbeine derselben wurden mit der heißen Flüssigkeit von Gilson, mit Jodjod- kahum, Sublimatessigsäure, mit der Flüssigkeit von Carnoy u. a. fixiert. Als Färbung benützte ich Boraxkarmin nach Grexacher oder DELAFiELDsches Hämatoxjlin ; nachgefärbt wurde mit Bleu de Lyon, Eosin, nach Mallory, van Giesson und Blochmanx. Einbettung in Paraffin; die Schnitte sind 4 — 5 // dick. Bevor ich zur Be.-chreibung des Spirnapparates übergehe, möchte ich hier nochmals die von Enderlein ausgesprochene Meinung über die Bedeutung der Metatarsaldrüsen der Embien in aller Kürze be- sprechen. Der genannte Autor spricht nämlich (1903, 1909) diesen Drüsen die Bedeutung eines Spinnapparates ab; er meinl, daß ihr Secret zur Erhärtung des aus der Unterhppe abgeschiedenen Spinnfadens diene oder die Haare vor einer Verklebung mit dem Spinnfaden schütze, (beide Funktionen seien möglicherweise gleichzeitig wirksam). Als Spinndrüsen möchte er ein Paar vermeintlicher Drüsen, die an der Unterlippe enden sollen, ansehen. Nun habe ich 1910 nachgewiesen, daß es solche Drüsen bei Embien gar nicht gebe vmd daß die Metatarsal- drüsen der Vorderbeine in Übereinstimmung mit Grassi und Sandias, Melander, Kusnezov und Friederichs, als echte Spinndrüsen be- zeichnet werden müssen. Desto merkwürdiger erscheint es, daß Ender- lein in seiner neulich erschienenen monographischen Beschreibung der Embien aus der Sammlung von Selys Loni^champs (1912) in dem Kapitel >>Zur Physiologie des Spinnens« bei seinen früheren Äußerun- gen anscheinend festhält, da er dasselbe wiederholt, was er 1909 ge- schrieben hatte. Er führt einen Brief an ihn von Prof. Vosseler au, wo der letztere behauptet, die Ausscheidung des Spinnstoffes aus den Vorderbeinen der Embien nicht gesehen zu haben. Selbstverständlich hat diese negative Behauptung keinen Wert, wenn wir dieselbe mit den positiven Angaben andrer Autoren vergleichen. Enderlein er- wähnt nur kurz am Schlüsse des Kapitels meine Entgegnung, ohne das wichtigste anzuführen, nämlich, daß die der Vordertarsen beraubten über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates hei Enibien. 501 Embien keinen Spinnstoff ausscheiden. Er führt zugleich meine An- gaben über das Vorhandensein bei Embien bloß eines Paares von Kopf- drüsen (Speicheldrüsen), die am Hypopharynx ausmünden, an, zieht aber daraus keinen weiteren Schluß in bezug auf seine Behauptun- seni). Der Spinnapparat aller Embienarten befindet sich in dem stark aufgeblasenen ersten Tarsalglied (Metatarsus) der Vorderbeine. Das- selbe ist mehr oder weniger eiförmig; von unten ist es flach, von oben gewölbt und mit einer krummen, ziemlich tiefen Längsfurche versehen, die am Proximalende des Gliedes allmählich verschwindet. An der Unterseite des Metatarsus verläuft eine gerade schmale Medianfurche. Es finden sich auf dem Gliede drei Arten von Haaren: 1) gewöhnliche, ziemlich gleichmäßig auf dem Gliede verteilte Haare; 2) viele kleine dornartige Haare (Taf.XVII, Fig. 6) an der Unterseite des Gliedes (sie werden von Verhoeff(1904) als Häutungshaare bezeichnet, da er glaubt, daß sie bei dem Abwerfen der Chitinhaut tätig sind) ; 3) besondere Haare mit den Ausführungsgängen der Spinndrüsen auch nur auf der Unter- seite des Gliedes (Taf. XVII, Fig. 6). Diese Haare sind etwas länger und dicker als die gewöhnlichen und sind an der Spitze mit einem lanzettförmigen Anhängsel versehen, der die Öffnung des Ausführungs- kanals enthält. Daneben findet sich ein kleineres haarförmiges An- hängsel (Taf. XVIII, Fig. 6). Die Drüsenhaare sind nicht nur auf dem ersten Gliede der Vordertarsen verteilt, sondern finden sich auch auf dem zweiten Gliede, in welches die Ausführungsgänge einiger Drüsen des ersten Gliedes hereintreten. Wir gehen jetzt zur Beschreibung der Spinndrüsen über und müssen sofort darauf aufmerksam machen, daß die Bilder, welche wir auf den Schnitten durch den Metatarsus zu sehen bekommen, die größte Mannig- faltigkeit aufweisen. Es können kaum zwei Exemplare der Tiere auf- gefunden werden, die in dieser Beziehung einander ganz gleich wären. Der Grund dieser Verschiedenheiten in dem Aussehen der Drüsen liegt in der Tätigkeit derselben, in dem Alter der Embien, so wie auch in dem Häutungsprozeß der Tiere. Es können vier Typen von Spinn- driisen unterschieden werden. Wollen wir zunächst denjenigen Bau- typus betrachten, der als Ausgangstypus angesehen werden muß, da 1 Die Arbeit von Krauss (1911) ist vor dem Erscheinen meiner Erwiderung an Enderleix gedruckt worden; dem Verfasser scheinen aber die oben ange- führten Behauptungen Enderleins so unwahrscheinlich, daß er sie mit mehreren Ausrufungszeichen begleitet (S. 15, Anmerkung). 33* 502 M. Rimsky-Korsakow, er den jungen eben aus dem Ei ausgesclilüpften Tieren eigen ist und da von ihm die übrigen Typen abgeleitet werden können. Die Drüsen, welche diesem ersten Bautypus angehören (Taf.XVII, Fig. 2), stellen mehr oder weniger kugelförmige Bläschen dar, in deren Hohlräumen der Spinnstoff — das Secret der Drüsen — sich befindet. Die Wan- dung eines solchen Bläschens besteht aus einer protoplasmatischen Masse, die eine große Anzahl von kleinen Kernen enthält. In einigen Fällen sind die Wandungen der Bläschen überall gleich dick, meisten- teils bilden sie aber mehrere unregelmäßige Vorstülpungen nach außen. Wie die innere, so auch die äußere Oberfläche des Bläschens entbehren jeder Membran oder Hülle. Die Kerne sind gewöhnlich unregelmäßig in dem Protoplasma verteilt; manchmal bilden sie eine mehr oder we- niger regelmäßige Reihe (Taf. XVIII,. Fig. 5). Es gibt in den Drüsen keine Zwischenwände, die den Grenzen zwischen den einzelnen Zellen, aus welchen die Drüsen bestehen, entsprechen. In seltenen Fällen könn- ten noch einzelne kleine Auswüchse der Drüsenwanduiigen mit je einem Kerne als einzelne Zellen betrachtet werden (Taf. XVIII, Fig. 3). Die Drüsen stoßen teils aneinander, teils finden sich zwischen ihnen Zwischen- räume, wo sich Blut vorfinden kann (Taf. XVII, Fig. 2). Manchmal kann man auf Schnitten gar keine Grenzen zwischen den einzelnen Drüsen sehen. Der zweite Bautypus, welcher ziemlich selten vorkommt, ist auf der Fig. 3 der Taf. XVII dargestellt. Wir finden hier eine geringere Anzahl von Drüsen, sie sind aber alle im Vergleich mit dem ersten Typus viel größer und haben die Gestalt von Bläschen mit äußerst dünnen Wandungen. Sie sind als Bläschen des ersten Typus aufzu- fassen, bei denen die Hohlräume sich stark vergrößert haben, die AVände aber sehr dünn geworden sind. Solche Drüsen liegen dicht aneinander, so daß hier Zwischenräume fehlen. Die Kerne erscheinen da, wo die Wände dünn sind, stark zusammengepreßt; das Blut fehlt in diesem Falle in dem Gliede. Die Drüsen des dritten Bautypus (Taf. XVII, Fig. 4) weisen immer gewisse Zwischenräume auf, wobei in den letzten kein Blut, sondern Spinnstoff vorhanden ist. In diesem Falle sind die Wandungen in ein- zelnen Stellen der Bläschen von sehr verschiedener Dicke, wie es sehr gut an der eben genannten Figur zu sehen ist: sehr oft verwandeln sich die Wandungen der Bläschen in äußerst feine Membranen. Endlich sind bei den Drüsen des vierten Typus (Taf. XVII, Fig. 5) die Wandungen mehr oder weniger zerstört. Das Secret der Hohlräume der Bläschen steht mit dem Secrete, welches in den Zwischenräumen über den Bau uiul die Entwicklung dos Spinnapparates bei Enibien. 503 sich befindet, in Verbindung. Auf den Schnitten sieht man alle Über- o'änge zwischen solchen Fällen, wo die Wandungen der Bläschen noch erhalten bleiben und solchen, wo sie fast gänzlich verschwinden. Dank der Mannigfaltigkeit der Form der Drüsen könnte man glauben, daß wir es hier mit verschiedenen Embienarten zu tun haben. In meiner ersten Embienarbeit (1905), als mir bloß wenige Exemplare der Tiere zur Verfügung standen, glaubte ich, daß bei E. ramburi, das Secret nur in den Hohlräumen der Drüsen sich vorfindet, in den Zwischenräumen aber fehlt (daß also bei dieser Art die Drüsen nur dem ersten Bau- typus angehören) ; bei H. solieri hatte ich das Secret auch in den Zwi- schenräumen gesehen (der dritte Typus). Als ich aber später eine viel größere Anzahl von Schnitten angefertigt hatte, konnte ich zur Über- zeugung gelangen, daß wie bei E. ramburi so auch bei H. solieri die Drüsen nach allen vier Typen gebaut sein können. Auf den Schnitten einiger andrer Embienarten konnte ich dieselbe Mannigfaltigkeit fest- stellen. Augenscheinlich haben wir es hier mit Verschiedenheiten der Lebenstätigkeit der Drüsen zu tun. Es wäre von Interesse, die verschiedenen histologischen Bilder, die man auf den Schnitten durch die Spinndrüsen zu sehen bekommt, mit den Unterschieden in der Tätigkeit der Drüsen, d. h. mit der größe- ren oder kleineren Menge des ausgeschiedenen Spinnstoffes in Zu- sammenhang zu bringen. Wenn wir die Embien in der Gefangenschaft beobachten, bemerken wir, daß einige Exemplare sehr viel Spinnstoff ausscheiden, andre aber viel weniger. Um die Tiere mehr Spinnstoff ausscheiden zu lassen, nahm ich täglich das Gespinnst ab, welches sie in meinen Zuchtgläsern gesponnen hatten und so glaubte ich nach Ver- lauf von einigen Tagen und sogar Wochen bei solchen Exemplaren die Drüsen des dritten und vierten Typus aufzufinden. Die Erwartung hat sich aber nicht bewährt. Den histologischen Bau der Drüsen habe ich nur nebenbei bei den Regenerationsstudien untersuchen können; viel- leicht wird es bei einer genaueren experimentellen Untersuchung der Frage auch gelingen, festzustellen, welches die Bedingungen sind, bei denen die Veränderungen in dem Bau der Drüsen vor sich gehen. Was den Bau des Plasmas der Drüsen anbelangt, so hat dasselbe auf den Schnitten meistenteils ein feinkörniges Aussehen; auf einigen Präparaten (Taf. XVII, Fig. 9) besteht es aus kleinen Bläschen, wie es überhaupt oft in Drüsenzellen vorkommt. Oft sieht man in dem Plasma einzelne kleinere oder größere Vacuolen (Taf. XVIII, Fig. 2). Die Kerne der Drüsen sind gewöhnlich kugelförmig (nur bei den Drüsen dos zweiten Typus sind sie, wie oben erwähnt, zusammengepreßt). Der Bau der 504 M. Ivimsky-Korsakovv, Kerne ist folgender: mehr oder weniger central findet sich der mit Eosin färbbare, ziemlich große Kernkörper, an der Peripherie liegen Chromatinkörner (Taf. XVII, Fig. 7); die Größe der Kerne in den ein- zelnen Drüsen, sowie in allen Drüsen desselben Individuums ist mehr oder weniger die gleiche; manchmal treffen wir größere oder kleinere Kerne beisammen. Die Innenfläche der Drüsenwände ist gewöhnlich vom Secret der Hohlräume abgesetzt (Taf. XVIII, Fig. 1); manchmal ist der innere Rand der Drüsen Wandungen uneben. Das Secret der Drüsen (der Spinnstoff), vvie wir gesehen haben, kann entweder nur in den Hohlräumen der Drüsen oder auch nach außen von den letzten sich vorfinden, wobei sein Bau in dem zweiten Falle überall der gleiche ist. Sonst ist das Aussehen des Secretes, wie es auf den Schnitten erscheint, bei einzelnen Exemplaren der Embien äußerst verschieden. In dem lebenden Tiere ist das Secret sicher flüssig, wie es gewöhnlich in den Spinndrüsen der Arthropoden der Fall ist. Die Verschiedenheit in dem Bau des Secrets auf den Schnitten ist von den angewandten Fixierungsmitteln abhängig. Auf den Präparaten, die mit Sublimat konserviert worden waren, ist das Secret körnig (Taf. XVIII, Fig. 1), bei Fixierung mit heißem absoluten Alkohol erscheint es netzförmig (Taf . XVII, Fig. 4) ; manchmal (Taf . XVII, Fig. 9) hat das Secret ein Aussehen von großen Waben (wobei die meisten gleich groß, einige aber sich durch ihre Größe auszeichnen). In vielen Fällen kann man in den Hohlräumen der Drüsen eine schmale Randzone des Secretes unterscheiden, die wahrscheinlich andrer Konsistenz ist, als das übrige Secret, da sie eine intensivere Färbung aufweist (Taf. XVII, Fig. 3) ; manchmal erscheint diese Zone breiter und bildet Fortsätze in den Hohlraum der Drüse (Taf. XVIII, Fig. 1). Was überhaupt die Färbung des Secretes betrifft, so bleibt dasselbe auf den Präparaten gar nicht gefärbt oder färbt sich nur schwach. Bei der Bearbeitung nach Mallory bekommt das Secret eine bläulich-lila Farbe, die BLOCHMANNsche Flüssigkeit färbt nur die eben erwähnte Randzone ))lau, indem der übrige Teil des Secretes gänzlich ungefärbt bleibt. Bei der Färbung nach van Giesson färbt sich das Secret lila. Das aus- geschiedene Secret (d. h. der Spinnstoff) färbt sich äußerst schwer; um das Gespinnst einer Embie zu färben, benutzte ich Methyl violett 6 B mit vorausgehender Beizung mit Tannin und Brechweinstein. Wir haben schon bei der Betrachtung des Baues der Drüsen ge- sehen, daß in vielen Fällen die Menge des Protoplasmas in den Drüsen sich verringert, wobei gleichzeitig die Menge des Spinnstoffes zunimmt. Dieser Umstand läßt vernmten, daß das Plasma der Drüsen bei der Üter den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Enibien. 505 Bildung des Secretes verwendet wird. Das Studium der Präparate be- stätigt diese Annahme in dem Sinne, daß hier ein unmittelbarer Über- gang oder Verwandlung des Plasmas in das Secret beobachtet werden kann. Nicht auf allen Präparaten sieht man diesen Übergang, wohl aber auf den am besten fixierten. So verschwindet (Taf. XVII, Fig. 8) die Grenze zwischen der Innenfläche der Drüse und dem Secret, so daß es schwer zu entscheiden ist, wo das eine aufhört und das andre anfängt. Dasselbe bemerkt man auch auf der Außenfläche der Drüse (dieselbe Figur). Wir finden hier einen kegelförmigen Auswuchs des Drüsenplasmas mit vielen kleinen Vacuolen; man sieht auch die Reste der Kerne, die bei diesem Prozesse auch zerstört werden; an der Spitze des Kegels ist der Übergang des Plasmas in das Secret besonders deut- lich. Dasselbe erscheint auch mit Deutlichkeit auf den dünnen Teilen der Drüsen, die auf Fig. 5 der Taf. XVII abgebildet sind. Die Ausführungsgänge der Drüsen fangen an mit eigenartigen Ampullen, die in den Hohlräumen der Drüsen sich befinden und der Innenfläche der letzten anliegen. Eine Ampulle (Taf. XVIII, Fig. 7) stellt eine mehr oder weniger kugelige Erweiterung des Ausführungs- ganges mit vier oyalen Öffnungen und mehreren feinen haarförmigen Fortsätzen dar; außerdem bemerkt man auf der Ampulle mehrere äußerst kleine Dörnchen. Den Bau der Ampullen erkennt man am besten nicht auf den Schnitten, sondern auf Zerzupfungspräparaten ; dabei werden die Ausführungskanäle einiger Drüsen mit ihren Ampullen frei- gelegt (Taf. XVIII, Fig. 7). Durch die Öffnung der Ampulle geht das Secret aus dem Hohlräume der Drüse in den Ausführungskanal, der ein äußerst feines Röhrchen darstellt (bestehend, wie auch die Am- pulle, aus Chitin; färbt sich mit Eosin rosa und mit BLOCHMANNscher Flüssigkeit blau). Der Anfangssteil der Kanäle geht durch die Wand der Drüse hindurch (Taf. XVIII, Fig. 5), w^eiter finden sich die Kanäle in den Zwischenräumen der Drüsen und treten in die bereits beschrie- benen Haare herein, um an der Spitze derselben nach außen zu mün- den (Taf. XVIII, Fig. 6 ). Die Breite der Ausführungsgänge ist über- all die gleiche mit Ausnahme des Anfangsteiles, wo sie etwas größer ist ; beim Hereintreten in das Haar wird der Kanal etwas schmäler. Einige Ausführungskanäle sind verhältnismäßig kurz (hauptsächhch bei den- jenigen Drüsen, die in der Nähe von der Hypodermis liegen) und mehr oder weniger gerade; andre sind lange, mehrmals gewundene Röhrchen (Taf, XVIII, Fig. 8); wie früher schon gesagt, treten einige von ihnen in das zweite Tarsalglied, In meiner Arbeit 1905 habe ich geschrieben, daß die Ausführuugs- 506 M. Rinisky-Korsakow, Pl gänge der Drüsen kein Plasma und keine Kerne enthalten und bloß aus feinster Chitinscbicht bestehen. Ich muß jetzt diese Behauptung aufgeben, da ich, dank dem viel reicheren Material, das Vorhanden- sein von ein bis zwei kleinen spindelförmigen Kernen, die den Röhrchen dicht anliegen, feststellen konnte (Taf. XVIII, Fig. 2 u. 8). Was das Plasma anbetrifft, so merkt man davon keine Spur. Die Kerne findet man nicht auf allen Präparaten; in denjenigen Fällen, wo die Drüsen einander dicht anliegen (der erste und der zweite Typus) ist es un- möglich, auf den Schnittserien die Kanäle zu verfolgen; falls wir aber mit solchen Drüsen zu tun haben, wo viel Spinnstoff zwischen den Drüsen vorhanden ist, so können manchmal die Kerne der Kanäle aufgefunden werden. Wir müssen jetzt die Frage aufwerfen, auf welche Weise die Ausscheidung des Spinnstoffes aus den Ausführungsgängen zustande kommt. Bei der früheren Beschrei- bung des Spinnapparates der Embien (1905) habe ich die Be- merkung gemacht, daß der Mechanismus der Ausscheidung ziemhch unverständlich sei, da hier jede Einrichtung zum Heraus- pressen des Secretes fehle (es ibt eine solche Einrichtung in den Spinndrüsen der Raupen und andrer Insekten- larven existiert). Enderlein (1909) führt diese meine Bemerkung als einen Beweis für seine Meinung an, daß diese Drüsen keinen Spiun- apparat vorstellen. Später (1910) habe ich schon darauf hingewiesen, daß obgleich hier kein Preßapparat vorhanden ist, das Secret in den Kanälen wie in Kapillarröhren aufsteigen kann. Enderlein hält es nicht für möglich, daß das Secret der Drüsen eine Flüssigkeit wäre; die körnige Struktur des Secretes auf den Präparaten läßt nach seiner Mei- nung diese Vermutung nicht zu. Dieser Schluß ist gewiß unbegründet, da das Secret zweifellos eine Flüssigkeit vorstellt, die beim Heraustreten nach außen, sowie bei Fixierung der Tiere, erstarrt; in dem letzten Falle gerinnt das Secret und weist einen netzigen oder körnigen Bau auf. Schema einer Spinndrüse von Embia. pl, Plasma , k. Kerne; sp, Spinnstoff; am, Ampulle; ag, Aus- Wohl bekannt, daß führungsgang; ch, Chitin; h, Haar. über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. 507 In den Spinndrüsen der Insektenlarven ist das Vorhandensein eines Apparates, welcher das 8ecret aus dem Ausführungsgange herau;:- preßt, eine Notwendigkeit, da die Ausführungsgänge der Drüsen ver- hältnismäßig breite Röhren darstellen, die eine große Quantität des Spinnstoffes enthalten, die Öffnung aber an der Spinnwarze der Larven viel enger ist; außerdem muß der Spinnfaden in dem kurzen gemein- samen Ausführungsgange aus zwei Teilen, die in dem rechten und dem linken Gange gebildet werden, zusammengesetzt werden. Bei andern Tieren, wie z. B. bei Spinnen, wo die Ausführungskanäle auch aus feinen Röhrchen bestehen, welche auf den Spinnwarzen mit kleinen Öffnungen endigen, fehlt auch jegliche Einrichtung zum Herauspressen des Secretes. Wie oben gesagt, sammelt sich das Secret bei Embien in den Hohlräumen der Drüsen, tritt durch die Ampullen in die Kanäle und bewegt sich in denselben, wahrscheinlich infolge der Kapillarität. Es fragt sich nun, wie wird es durch die Öffnungen der Haare ausge- schieden und wie die äußerst feinen Fäden, aus denen das Gespinnst der Embien besteht, gebildet werden. Wann kommt nämlich die Ausschei- dung zustande? Kann das Tier nach seinem Willen das Heraustreten des Secretes bewerkstelligen oder einstellen? Solche Fragen können natür- lich nur annähernd beantwortet w^erden. Wie es scheint, kann das Se- cret bei Embien ausgeschieden werden, ohne daß der Ausführungskanal auf irgend eine Weise gepreßt wird; das einzige, was man voraussetzen könnte, ist ein gewisser Druck auf den Endteil des Kanals, der den oben erwähnten lanzettförmigen Anhang bildet (Taf. XVIII, Fig. 6), seitens des Substrates, auf dem das Tier sich befindet. Während des Spinnens bewegen die Tiere energisch ihre Vorderbeine nach verschiedenen Rich- tungen, indem sie mit den Enden der Haare den einen oder den andern Gegenstand berühren. Minimale Quantitäten des Secretes, die dabei ausgepreßt werden, erstarren in der Luft. Es ist unmöglich, die Bil- dung des Spinnfadens selbst unter dem Mikroskop zu verfolgen. Wahr- scheinlich spielt hier eine gewisse Rolle die zugespitzte Form des End- anhauges der Haare. Die Ausscheidung des Spinnstoffes geschieht bei Embien nicht fortwährend und es wird in dieser Beziehung die größte Mannigfaltigkeit bei einzelnen Individuen beobachtet, denn einige Exemplare scheiden sehr viel Spinnstoff aus, andre verhältnismäßig wenig; manchmal spinnt eine Embie während mehrerer Tage gar nicht und fängt nachher wieder an zu spinnen. Die Vermutung, daß die Tiere einige Zeit lang nicht imstande wären, den Spinnstoff auszuschei- den, ist kaum annehmbar; wir haben dazu keine Gründe, da, Avie wir gesehen haben, in dem Metatarsus immer große Mengen von Spinnstoff 508 -^I- Hiiiisky-Korsakow, vorhanden sind. Nur während der Häutung.speriode kann die Aus- scheidung des Spinnstoffes wirklich abnehmen, da während der Häu- tung, wie wir gleich sehen werden, die Spinndrüsen sehr oft zum Teil zerstört werden; somit ist es ganz verständhch, daß die Embien dabei gewöhnlich in ihrem Gespinnst ruhig sitzen und kein neues spinnen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Embien imstande sind, nach ihrem Willen die Spinntätigkeit anzufangen, sowie auch aufhören zu lassen. In dem ersten Tarsalglied der Vorderbeine finden sich außer dem Spinnapparat noch folgende Teile: eine Sehne, die durch den Tarsus zu den Krallen hinzieht (Taf. XVIIL Fig. 10), ein Nerv (Taf. XVII, Fig. 2) und mehrere feine Membranen, die längs des Gliedes verlaufen (Taf. XVII, Fig. 4). Diese Membranen bestehen aus einer äußerst dünnen Plasmaschicht und einer Anzahl von kleinen -unregelmäßig zerstreuten Kernen (Taf. XVII, Fig. 5). Da wo die Membranen zur Hypodermis herantreten, findet sich manchmal in denselben etwas Pigment; dieser Umstand beweist natürlich, daß die Membranen Deri- vate der Hypodermis vorstellen. Es sind vier Membranen vorhanden; sie teilen die Höhle des Gliedes in vier Kammern, die untereinander nicht gleich groß sind. Die Lage der Membranen sieht man auf der Fig. 4 der Taf. XVII. Wir sehen, daß von der Hypodermis der Oberseite des Gliedes folgende Membranen anfangen: die eine Membran zieht seit- wärts, die zweite dringt in das Innere des Gliedes ein, um wieder nach der Oberseite zurückzukehren und an die Hypodermis anzutreten (die Anheftungsstelle ist durch den Schnitt nicht getroffen) ; die dritte Mem- bran verbindet die Oberseite mit der Unterseite. Die vierte Membran fängt an der Unterseite an, geht in das Innere des Gliedes und endigt zusammen mit der zweiten an der Seite desselben (die Anheftungsstelle ist nicht getroffen). An einigen Stellen liegen die Membranen so nahe aneinander, daß sie als eine Membran aufgefaßt werden können. So viel bekannt, fehlen gewöhnlich solche Membranen den Tarsen andrer Insekten; nur Dewitz (1884) hat ähnliches bei Decticus beschrieben (es fehlen aber da anscheinend die Kerne). Nicht weit von der Hypo- dermis der Unterseite sieht man die Sehne und an einigen Stellen fin- den sich zwischen den Membranen die Tracheenäste (Taf. XVII, Fig. 5). Wir gehen jetzt zu der Frage von der Anzahl der Drüsen in ver- schiedenen postcmbryonalen Entwicklungsstadien, sowie von der Neu- bildung der Drüsen während der Wachstumsperiode der Tiere über. Der Spinnapparat ist bei eben aus den Eiern ausgeschlüpften 2 mm langen Tierchen schon ausgebildet und besteht aus 14 — 15 Drü- über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. 509 sen. Auf Querschnitten durch die Mitte des ersten Tarsalgliedes finden wir gewöhnlich vier Drüsen (Taf. XVII, Fig. G). In dem zweiten Sta- dium haben die Tiere etwa 22 Drüsen; weiter nimmt die Zahl der Drüsen rasch zu : so zählen wir bei dem vierten Stadium bis 46 Drüsen, bei den erwachsenen Tieren von E. ramhuri bis 115. Wir müssen sofort die Be- merkung machen, daß wir diese Zahlen bei denjenigen Drüsen erhalten, die dem ersten und zum Teil dem dritten Bautypus angehören, d. h. wenn die Drüsen verhältnismäßig klein bleiben. In denjenigen Fällen aber, wo wir mit den Drüsen des zweiten und vierten Typus zu tun haben, d. h. die Drüsen verhältnismäßig groß sind, bekommen w^ir schon ganz andere Zahlen. So zählen wir bei E. ramhuri des achten Sta- diums bloß 68 solche Drüsen. Jedenfalls nimmt die Zahl der Drüsen mit dem Alter zu, bei einigen Exemplaren mehr, bei andern weniger. Da die Ausführungskanäle der Drüsen in die Haare hereintreten, so könnte man schon a priori voraussetzen, daß die Bildung neuer Drüsen mit der Häutung im Zusammenhang stehe, da nur während derselben neue Haare entstehen können. So geschieht es auch tatsächlich. Um somit die Bildimg neuer Drüsen zu verfolgen, muß man die Embien während der Häutung untersuchen. Das Studium wird dadurch er- leichtert, daß bei den Embien vor der Häutung die Spitzen der Cerci hell werden, was natürlich von dem Abheben der alten Chitinhaut abhängt. Das Hell werden der Cerci wird 10 — 12 Tage vor dem Eintritt der Häutung beobachtet. Ich habe eine ziemlich große Anzahl von Embien mit hellen Cerci oder solche Exemplare, die sich eben gehäutet haben, konserviert und geschnitten. Der Bau des Spinnapparates, den man auf den Schnitten durch die Tiere, die sich zur Häutung vorbereiten, beobachtet, zeichnet sich durch größte Mannigfaltigkeit aus. Bei einigen Exemplaren weisen die Spinndrüsen ihren normalen Bau auf, in andern Fällen fällt die Zer- störung einzelner oder aller Drüsen auf. Derartige Zerstörung geschieht nicht auf die Weise, wie der Übergang des Drüsenplasmas in den Spinn- stoff, wovon früher die Kede war, sondern wir sehen hier eine echte Zerstörung der Drüsen ; es bilden sich in denselben viele Vacuolen und die Drüsen zerfallen in mehrere Teile (Taf. XVIII, Fig. 9). Es muß bemerkt werden, daß dabei keine Phagocytose stattfindet. Bei jungen Tieren zerfallen alle Drüsen, was man auf dem Präparate einer Embie, die sich vor dem Übergange in das vierte Stadium befindet, sehen kann (Taf. XVIII, Fig. 10); meistenteils wird nur ein Teil der Drüsen zerstört. Auf mehreren Präparaten läßt sich die Anwesenheit von kleinen neuen Drüsen neben den alten zerfallenden nachweisen. So bemerken wir 510 ^I- Rimsky-Korsakow, auf der Fig. 12 der Taf. XVIII eine kleine Drüse, die nur zwei Kerne enthält ; der Hohlraum der Drüse und der lange Ausführungsgang mit zwei Kernen, der bis zur Hypodermis reicht, sind deutlich zu sehen. Auf der Fig. 11 der Taf. XVIII sieht man, daß die Zellen, aus welchen später die Drüsen entstehen, von der Hypodermis sich absondern. Diese Zellen, soweit man nach den Präparaten urteilen kann, tragen nach der Absonderung von der Hypodermis einen amöboiden Cha- rakter. Sie migrieren mehr oder weniger in das Innere des er.sten Tarsal- gliedes und verschmelzen untereinander. Noch vor der Verschmelzung einzelner Zellen bildet sich schon in einigen von ihnen ein Hohlraum, der als Anlage des künftigen Hohlraumes der fertigen Drüse dient (Taf. XVIII, Fig. 13); der letzte muß also als intracellular betrachtet werden. An den Wandungen dieses ursprünglichen Hohlraumes (nach der Verschmelzung mit der zweiten Zelle) entwickelt sich die Ampulle ; somit fällt der Hohlraum der Ampulle mit dem ursprüngUchen Hohl- raum der Drüse, die sich zu vergrößern anfängt, zusammen. Was die Bildung des Ausführungsganges betrifft, so fängt sie zu der Zeit an, wo wir es noch mit einzelligen Drüsen zu tun haben. Der ursprüngliche Hohlraum der Drüse bricht nach außen durch und es entsteht der An- fangsteil des Ausführungsganges. Die weiteren Entwicklungsstadien des Ausführungsganges und ihr Hereinwachsen in die Haare habe ich nicht beobachten können. Wichtig ist die Feststellung der Tatsache, daß die Drüsen der Em- bien als Resultat der Verschmelzung mehrerer Zellen — also als ein echtes Syncytium — in welchem die Grenzen einzelner Zellen gar nicht zu unterscheiden sind — aufgefaßt werden müssen. Früher (1905) meinte ich, daß die Spinndrüsen der Embicn einzellige mehrkernige Drüsen vorstellen. Als Beweisgründe habe ich folgendes angeführt: 1) das Fehlen der Zwischenwände, 2) kernlose Ausführungsgänge und 3) Ana- logie mit einzelligen Beindrüsen andrer Insekten. Die erste Tatsache ist richtig, bekommt aber jetzt eine andre Deutung: das Verschwinden der Grenzen zwischen den Zellen infolge voller Verschmelzung. Die zweite Erwägung kann jetzt nicht mehr, wie wir gesehen haben, auf- recht erhalten werden. Was den Vergleich mit Beindrüsen andrer In- sekten betrifft, so kann das nur als indirekter Beweis dienen und hat allein keine Bedeutung. Die Frage, mit was für Drüsen der Spinnapparat der Embien verglichen werden kann, wird noch am Schluß der Arbeit besprochen werden. In den Vorlesungen über vergleichende Anatomie Bütschj.is (1911) und in dem von Schröder herausgegebenen Handbuch der Ento- über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. 511 uiologie (in dem Kapitel 1 über Haut und Hautorgane von Deegener) werden die Spinndrüsen als einzellige Gebilde aufgefaßt. Diese Auf- fassung ist augenscheinlich meiner Arbeit (1905) entnommen worden und muß infolge des Obengesagten aufgegeben werden. Wenn die Drüsen einzellig wären, so müßte das Vorhandensein der großen Anzahl von Kernen natürlich durch die Teilung derselben erklärt werden; ich konnte aber wieder früher, noch jetzt etwaige Tei- lungäbilder in den Drüsen beobachten. Anderseits muß ich betonen, daß ich auf meinen Präparaten keine aufeinanderfolgenden Stadien der Verwandlung kleiner, 2 — 3 kerniger Drüsen in vollkommen aus- gebildete, mehrkernige sehen konnte; ich konnte nur die Vereinigung einzelliger Drüsen mit zwei bis drei amöboiden Zellen beobachten (Taf. XVIII, Fig. 13 u. 14). Die Abtrennung neuer Zellen von der Hypoderniis zur Zeit, wo Drüsen mit mehreren Kernen schon vorhan- den sind, zeigen mehrere Präparate. Ich möchte hier noch zwei interessante Fälle unvollkommener Entwicklung der Drüsen mitteilen. Ein Schnitt durch den Metatarsus eines erwachsenen Männchens von E. ramhuri (Taf. XVIII, Fig. 15) weist mehrere einzelne ziemlich große Zellen, die der Hypodermis an- liegen, die sich aber von ihr nicht abgetrennt haben, auf. Ich glaube, daß man sie als solche Zellen betrachten muß, die von der Hypodermis sich abtrennen und Spinndrüsen bilden sollten, in diesem Falle aber an ihrem Entstehungsort geblieben sind. Eine andre Deutung kann kaum vorgeschlagen werden, da solche Zellen überhaupt nie in den Tarsen der Embien vorkommen; ihrer Lage nach erinnern sie an die Häutungsdrüsen der Collembolen, die von Philiptschenko (1906) be- schrieben worden sind; solche Drüsen sind aber in den Beinen der Embien nicht vorhanden, dabei sind diese Zellen bei einem erwachsenen Männ- chen aufgefunden worden, das sich also nicht mehr häuten sollte. Bei einem andern erwachsenen Männchen erwies sich auch eine Reihe von unvollständig entwickelten einzelhgen Drüsen, die aber voll- kommener waren, da sie die Verbindung mit der Hypodermis schon verloren hatten und einen Hohlraum, aber keine Ausführungsgänge besaßen. Wenn dieses Exemplar noch weiter leben würde (es wurde konserviert an dem Tage der Häutung), so wären die Drüsen in dem- selben unvollkommen entwickelten Zustande geblieben, da auf dem Präparate keine Zellen zu sehen waren, die sich diesen Drüsen anschließen würden; jedenfalls könnten sie sich nicht in normale Drüsen verwan- deln, da die ihnen entsprechenden Haare bei diesem Exemplar sich nicht bilden konnten. 512 M. Rimsky-Korsakow, Es muß noch eine Frage besprochen werden, die mit dem Vor- finden des Secretes in den Zwischenräumen der Drüsen zusammen- hängt. Vor allen Dingen muß der Umstand betont werden, daß dieses äußere Secret, jedenfalls in den Drüsen des dritten Typus (d. h. wenn dieselben abgeschlossene Bläschen vorstellen) nicht nach außen aus- geschieden werden kann; somit besteht in diesem Falle seine Bedeu- tung darin, daß es die Zwischenräume der Drüsen, gleich wie das Blut in den Drüsen des ersten Typus, ausfüllt. In den Drüsen des vierten Typus, wenn die Hohlräume der Drüsen mit den Zwischenräumen in Verbindung stehen, kann das äußere Secret in die Hohlräume der Drüsen hineintreten, in die Ausführungsgänge steigen und aus- geschieden werden. Es muß aber bemerkt werden, daß hier ein • ge^^'isser Überfluß des Secretes in dem Metatarsus vorhanden ist. Es genügt, die Fig. 5 der Taf. XVIII anzusehen, um sich von dem Eben- gesagten zu überzeugen. Wir haben gesehen, daß ein Teil der Drüsen der Embien während der Häutungen zerstört wird; auf diese Weise erscheint das Secret, welches in den Hohlräumen der Drüsen sich befand, nach ihrer Zer- störung auch unmittelbar in dem Hohlräume des ersten Tarsalgliedes. Daraus folgt, daß bei Embien, die sich wenigstens einmal gehäutet haben (also vom zweiten Stadium angefangen), das äußere Secret drei- facher Herkunft sein kann: erstens das Secret, welches durch die Um- bildung der Außenfläche der Drüsen in den Spinnstoff entstanden ist; zweitens das Secret, das aus den Hohlräumen der Drüsen in die Zwischen- räume herausgetreten ist (wenn wir es mit den Drüsen des vierten Typus zu tun haben), und drittens kann das das Secret des vorhergehenden Stadiums sein, welches sich auch in den Zwischenräumen der Drüsen oder in deren Hohlräumen befand, aber nach ihrer Zerstörung sich befreit hatte. Anderseits wissen wir, daß bei den Embien, die sich schon mehr- mals gehäutet hatten (und !-ogar bei erwachsenen), das Secret in den Zwischenräumen der Drüsen gänzlich fehlen kann (Drüsen des ersten und zweiten Typus). In diesen Fällen wurden die Drüsen augenscheinlich gar nicht zerstört, anders müßte sich das Secret in dem Hohlräume des ersten Tarsalgliedes befinden. Folglich fand bei den Drüsen des ersten Typus (Taf. XVII, Fig. 2) nur die Neubildung der Drüsen (bei der Häutung), aber keine Zerstörung der alten statt. W^as die Drüsen des zweiten Typus anbelangt (Taf. XVII, Fig. 3), so wurden auch hier offenbar bloß neue Drüsen gebildet, aber in geringerer Anzahl als beim ersten Typus, was dem Spinnapparat des zweiten Typus, wie wir wissen, eigen ist. In den Drüsen des zweiten Typus geschieht über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. 513 an Stelle der Vergrößerung der Anzahl der Drüsen die Vergrößerung deren Hohlräume auf Kosten der Wandungen, die hier sehr dünn wer- den. Man muß hier hinzufügen, daß der Spinuapparat des zweiten Typus nur bei großen Embien, die sich in den letzten »Stadien der post- embryonalen Entwicklung befinden, beobachtet werden konnte. Die Sache stellt sich so vor, daß bei solchen Individuen der Spinnapparat in den früheren Entwicklungsstadien dem ersten Typus angehörte, wo- bei keine Zerstörung, sondern nur Neubildung der Drüsen stattfand; am Schluß der Entwicklung verwandelten sich die Drüsen des ersten Typus in den zweiten. Der Übergang der Spinndrüsen des einen Typus in den andern während der postembryonalen Entwicklung kann diircli folgendes Schema erläutert werden : 1. Typus 2. Typus 3. Typus 4. Typus Einige Individuen behalten während des ganzen Lebens den ersten Grundtypus der Drüsen; andre gehen am Schluß der Entwicklung zum zweiten Typus über; die dritten gehen früher oder später, ganz oder teilweise, vom Grundtypus zum dritten über, die vierten gehen noch weiter und bekommen Drüsen des vierten Typus. Außerdem, beim Vorhandensein der Drüsen des dritten und vierten Typus entsteht dank der Bildung neuer Drüsen eine gewisse Anzahl Drüsen des ersten Typus, die nachher wieder Drüsen des dritten und vierten Typus geben usw. Nachdem wir die postembryonale Entwicklung des Spinnapparates kennen gelernt haben, können wir zu seiner embryonalen Entwicklung übergehen. Die Schnitte durch die Eier der Embien auf späten Ent- wicklungsstadien, wenn die Extremitäten des Embryos schon voll- ständig ausgebildet sind, zeigen folgendes. Auf dem Schnitte durch das erste GHed des Vordertarsus sieht man eine Reihe von Zellen, die von der Hypodermis des Gliedes sich abtrennen und zum Teil sich schon abgetrennt haben (Taf. XVIII, Fig. 16). Diese Zellen haben ganz den- selben amöboiden. Charakter, wie die Zellen, aus denen die Drüsen während der postembryonalen Entwicklung entstehen. Die Fig. 17 (Taf. XVIII) zeigt den Schnitt durch den Tarsus auf einem späteren Entwicklunssstadium : in einigen Zellen haben sich Hohlräume schon 514 M. Kiinsky-Korsakow. gebildet, andre Zellen vereinigen sich mit ihnen. Auf der Fig. 18 (Tai. XVIII) sehen wir vollkommen ausgebildete Drüsen mit Ampullen und Ausführungsgängen. Somit müssen wir auch auf Grund der embryonalen Entwicklung die Drüsen als Sjncytien betrachten. Es fragt sich nun, mit was für Drüsen andrer Insekten die Spinn- drüsen der Embien verglichen werden können, und ob in ihrem Bau und Leben gemeinsame Züge mit Spinnapparaten andrer Insekten oder überhaupt Arthropoden vorhanden seien. Alles oben mitgeteilte weist auf ungemeine EigentümHchkeit der Spinndrüsen der Embien hin. Vor allem fällt in die Augen ihr Vor- finden in dem ersten GUede der Vordertarsen. Bei allen andern In- sekten kommen die Spinndrüsen in den Beinen nie vor. Überhaupt besitzen die Insekten Spinndrüsen nur im larvalen Zustande; gleich den Embien bilden Ausnahme bloß die Holzläuse {Copeognatha), bei denen als Spinnapparat ein Paar von Kopfdrüsen (nach Ribaga, 1902) tätig ist. Außerdem ist es möglich, daß bei den Männchen kleiner Dipteren aus der Gattung Hilura (Fam. Emfidae) ebenfalls aus dem angeschwollenen ersten Gliede der Vordertarsen Spinnstoff ausgeschieden wird, obgleich genauere Angaben darüber in der Literatur gänzlich fehlen (s. bei Handlirsch, 1904). Am besten sind die Spinndrüsen verschiedener Larven {Lepidoptera, Trichoptera, H ymenoptera u. a.) be- kannt. Als Spinndrüsen funktionieren auch MALPiGHische Gefäße bei Larven vieler Neuropteren {Myrmeleo, Chrysopa u. a.) und einiger Käfer {Lehia scapidaris, Phytononius u. a.)i. Der Bau und die Ent- wicklung der Spinndrüsen bei Embien weisen natürlich auf ihre Zuge- hörigkeit zu den Hautdrüsen hin, die bekanntlich bei den Insekten weit verbreitet sind. Was speziell die Beine betrifft, so finden wir bei vielen Insekten in verschiedenen Beingliedern Hautdrüsen. Als solche sind die sogenannten SxEiNschen Drüsen anziisehen; sie bestehen aus einer großen drüsigen Zelle mit einem langen Ausführungskanal, welcher von einer andern Zelle umgeben ist, von der in einigen Fällen bloß der Kern nachbleibt; der Ausführungsgang fängt in der Drüsenzelle mit einer Erweiterung (sogen, radiäres Bläschen) an. Diese Drüsen ähneln den Spinndrüsen der Embien, aber mit dem Unterschiede, daß hier bloß eine Drüsenzelle vorhanden ist, bei Embien aber, wie wir wissen, stellen die Drüsen ein Syncytium vor. Wenn wir aber den Umstand in 1 Kurze Übersicht der Spinndrüsen bei Insekten findet man bei Hand- lirsch (1904), obgleich sie jetzt veraltet ist. Siehe auch bei Fredericq (1910) im Handbuch der vergleichenden Physiologie, herausgegeben von Winterstein. über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Einbien. 515 Betracht ziehen, daß die Spiuudrüsen der Embien bei ihrer Entwick- lung zuerst einzellig sind, später aber mit andern Zellen sich vereinigen, so können wir uns vorstellen, daß die Spinndrüsen der Embien auch phylogenetisch aus den Drüsen, die den SxEiNschen ähnlich waren, entstehen konnten. Das Zwischenstadium stellen die von Nassonow (1900) für Dytiscus manjinalis beschriebenen Beindrüsen vor, deren Zellen miteinander verschmelzen und ein Syncytium mit so vielen Aus- führungskanälchen als Zellen in demselben vorhanden sind, bilden. Wenn wir uns jetzt vorstellen, daß ein Teil der Drüsenzellen vor der Bildung der Ausführungsgänge mit einer Zelle, die einen Ausführungs- gang schon besitzt, verschmilzt, so haben wir den Fall, der bei Embien vorkommt. In den Tarsen einiger Insekten {Telephonis) sind auch einzellige Drüsen, deren Ausführungsgänge an den Haaren münden, beschrieben (Dewitz, 1884). In verschiedenen andern Körperteilen der Insekten kommt eine ganze Reihe einzelliger Drüsen mit langen Aus- führungsgängen vor (manchmal werden in den Ausführungsgängen Kerne beschrieben); sehr oft sammeln sich solche Drüsen gruppen- weise und ihre Ausführungskanäle münden in einen gemeinsamen Aus- führungsgang (Analdrüsen verschiedener Käfer u. a.)i. Bekanntlich besitzen viele Arthropoden Spinndrüsen in verschie- denen Extremitäten (einige Amphipoden, Pantopodenlarven, die Milben- gattung Tetramjclms). Die Mündungen der Spinndrüsen liegen bei Scolopendrella auf den Spinngriffeln, bei Araneina auf den Spinn- warzen (beide Gebilde müssen als Homologa der Extremitäten ange- sehen werden). Alle diese Drüsen sind sehr verschieden gebaut; am ähnlichsten den Spinndrüsen der Embien sehen die Drüsen der Panto- podenlarven aus. Sie bestehen (nach den Untersuchungen von Dohrn, Meisenheimer und V. Dogiel [1913]) aus zwei großen Zellen mit je einem Hohlräume am Vorderende und besitzen einen röhrenartiaen Ausführungskanal mit einem Kern; der Ausführungskanal mündet an einem Dorn des ersten Extremitätenpaares. Eine gewisse ÄhnUchkeit mit den Drüsen der Embien zeigt auch die Drüse unbekannter Funktion in dem zweiten Gliede des zweiten Antennenpaares von Oniscus murarius (Ost, 1906); sie besteht aus mehreren Zellen, die sich um einen gemeinsamen Hohlraum gruppieren. In den Spinndrüsen andrer Insekten, zum Unterschied von Embien, sind die Zellgrenzen immer deutlich zu sehen. Ferner bemerkt man sehr oft in dem Plasma der Zellen das Secret in Form von Vacuolen, 1 Zusammenstellungen über die Hautdrüsen der Insekten siehe bei Nasso- now (1901), Berlese (1909) und Deegener (1912). Zeitschrift f. wisiensch. Zoologie. CVIII. Bd. 34 516 M. Rimsky-Korsakow, Körperchen oder Fäden; das Secret wird aus den Zellen in den Aus- führungsgang ausgeschieden, was in den Arbeiten von Gilson (1890, 1893) beschrieben ist; die Zerstörung der Zellen und der Übergang des Plasmas in den Spinnstoff wird bei andern Insekten nicht beobachtet. Die Zerstörung (Zerfall) der Drüsenzellen und unmittelbarer Über- gang des Plasmas in das Secret ist überhaupt bei einer Reihe verschie- dener Drüsen andrer Tiere beschrieben worden (sog. holocrinc Drüsen); als Beispiel kann man die Tintendrüse der Cephalopoden (Girod, 1882) und die Giftdrüsen in der Haut der Fische Scorpaena und Trachinus (Pawlowsky, 1906) anführen. Was den periodischen Zerfall der Drüsen und die Neubildung bei den Häutungen anbetrifft, so steht diese Er- scheinung unter den Insekten vereinzelt da. Die Periodicität in der Tätigkeit der Drüsen, die mit den Häutungen im Zusammenhang steht, wird bei sogenannten VERSONschen (Häutungs-) Drüsen verschiedener Insekten beobachtet. Die Drüsen vergrößern sich bedeutend im Um- fange vor dem Abwerfen der Chitinhaut, werden aber in den Zeiträumen zwischen den Häutungen viel kleiner; die Wachsdrüsen der Bienen (d. h. eigentlich Hypodermiszellen gewisser Körperteile) nehmen je nach der Jahreszeit ebenfalls stark an Größe zu, um später kleiner zu werden. Aber in beiden Fällen tritt keine Zerstörung der Drüsen ein. Auffallend ist auch die Fähigkeit der Spinndrüsen der Embien, das Secret nicht nur in den Hohlraum, sondern auch nach außen aus- zuscheiden. Derartige Fähigkeit ist nur dank dem Fehlen jeglicher Membran (tunica) auf der Außenseite der Drüse möglich (die Innen- und Außenfläche sind hier einander ganz ähnlich). Mir sind keine Fälle bekannt, wo das Secret wie bei Embien nach der Außen- seite der Drüsen ausgeschieden werden könnte. St. Petersburg, im August 1913. Literaturverzeichnis. 1909. A. Berlese, Gli Insctli. Vol. I. Milano. 1910. 0. BÜTSCHLi, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Lief. I. Leipzig. 1912. P. Deegener, Haut und Hautorgane. Handbuch der Entomologie, herausg. von Chr. Schröder. Lief. I. Jena. 1884. H. Dewitz, Über die Fortbewegung der Tiere an senkrechten glatten Flächen vermittels eines Secretes. Pflügers Arch. f. d. gcs. Physiol. ßd. XXXIII. 1913. V. DoGiEL, Materialien zur Entwicklungsgeschichte der Pantopoden. St. Petersburg. (Russisch.) über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embien. 517 1903. G. Enderlein, Über die Morpliologic, Gruppierung und systematische Stellung der Corrodentien. Zool. Anz. Bd. XXIV. 1909. — Die Klassifikation der Embiidinen, nebst morphologischen und phy- siologischen Bemerkungen, besonders über das Spiimen derselben. Zool. Anz. Bd. XXXV. 1912. — Embiidinen monographisch bearbeitet. CoUections Zoologiques du Baron Edm. de Selys Longchamps. Fase. III. Bruxelles. 1910. L. Fredericq, Die Secretion von Schutz- und Nutzstoffen. Handb. d. vergleich. Physiologie, herausg. von Winterstein. Lief. IV. Bd. II. Jena. 1906. K. Friederichs, Zur Biologie der Embiiden. Mitt. zool. Mus. Berlin. Bd. III. 1890. G. GiLSON, La soie et les appareils sericigenes. Lepidopteres. La Cellule. T. VL 1893. — La soie et les appareils sericigenes. Lepidopteres, Suite. Trichopt^res. Ibidem. T. X. 1882. P. GiROD, Recherches sur la poche du noir des Cephalopodes des cotes de France. Arch. zool. Exper. T. X. 1897 — 1898. B. Gbassi e A. Sandias, The Constitution and Development of the Society of Termites. Appendix IL Contributions to the Study of the Embiidae. Quart. J. microsc. Sc. (n. s.). Vol. XXXIX and XL. 1904. A. Handlirsch, Zur Systematik der Hexapoden. Zool. Anz. Bd. XXVII. 1911. H. Krauss, Monographie der Embien. Zoologica. Hft. 60. 1904. N. KusNEZOV, Observations on Embia taurica Kusnezovfrom the southern coast of the Crimea. Horae Soc. entomol. Ross. Vol. XXXVII. 1902. A. Melander, Two new Embiidae. Biol. Bull. Marine biol. Labor. Woods Holl, Mass. Vol. III. 1900. N. Nassonov, Zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Inte- gumente bei Insekten. Berichte d. Universität Warschau. (Russisch). 1901. — Handbuch der Entomologie. I. Integument der, Insekten. Warschau. (Russisch). 1906. J. Ost, Zur Kenntnis der Regeneration der Extremitäten bei Arthro- poden. Arch. f. Entwickl.-Mech. Bd. XXII. 1906. E. Pawlovsky, Hautdrüsen der Giftfische. Berichte d. Militär-Medizin. Akad. Petersburg. Bd. XVIII. (Russisch). 1907. J. Philiptschenko, Anatom. Studien über Collembola. Diese Zeitschr. Bd. LXXXV. 1902. Ribaga, Osservazioni circa l'anatomie del Trichopsocus dahlii Mc. Lachl. Rivista di Patologia vegetale. Vol. IX. 1905. M. Revisky-Korsakow, Beitrag zur Kenntnis der Embiiden. Zool. Anz. Bd. XXIX. 1910. — Über das Spinnen der Embiiden. Zool. Anz. Bd. XXXVI. 1904. K. Verhoeff, Zur vergleichenden Morphologie und Systematik der Em- biiden. Nova Acta Acad. Leop. Halle. Bd. LXXXIII. 34* 518 M. Rimsky-Korsakow, Erklärung der Abbildungen. ag, Ausführungsgang; hl, Hohkaum der Drüse; am, Ampulle; hy, Hypodermis; hh, Blutkörperchen; k. Kerne; ch, Chitin; me, Membran; cu, Cuticula; lü, Blutplasma; dh, Haare mit Ausf ührungsgängen ; s. Sehne; dr, Drüsen; sp, Spinnstoff; dz, Drüsenzellen; t, Trachec; h, Haare; v, Vacuole. Alle Figuren mit Ausnahme der Fig. 1 der Taf. XVII sind mit Benutzung vom Mikroskop Zeiss und vom Zeichenapparat Zeiss-Abbe gezeichnet. Tafel XVII. Fig. 1. Embia ramburi ll.-Kors. im I. Stadium der post embryonalen Ent- wicklung. Boraxcarmin. Seibert, Obj. 0, Oc. 2. Fig. 2. Längsschnitt durch den Vordertarsus von E. ramburi (Spimidrüsen des I. Typus). Obj. B, Oc. 2. Fig. 3. Querschnitt durch den Vordertarsus von E. ramburi (Spinndrüsen des II. Typus). Obj. B, Oc. 4. Fig. 4. Querschnitt durch den Vordertarsus von Hajdoembia solieri (Ramb.) (Spinndrüsen des III. Typus). Obj. B, Oc. 4. Fig. 5. Querschnitt durch den Vordertarsus von E. ramburi (Spinndrüsen des IV. Typus). Obj. B, Oc. 4. Fig. 6. Querschnitt durch den Vordertarsus von E. ramburi im I. Stadium. Obj. D, Oc. 4. Fig. 7. Schnitt durch die Drüsenwandung von //. .solieri. Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 8. Schnitt durch eine Spinndrüse von H. solieri. Obj. D, Oc. 4. Fig. 9. Schnitt durch eine (Spinndrüse von E. ramburi. Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Tafel XVIII. l'ig. 1. Schnitt durch eine Spinndrüse von E. ramburi. Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 2. Schnitt durch eine Spinndrüse von H. solieri. Obj. D, Oc. 2. Fig. 3. Schnitt durch die Wandung einer Spinndrüse von E. ramburi. Obj.D, Oc. 4. Fig. 4. Dasselbe. Obj. D, Oc. 2. Fig. 5. Schnitt durch eine Spinndrüse von H. solieri. Obj. D, Oc. 2. Fig. 6. Ein Haar mit Ausführungskanal von E. ramburi (Zerzupfungs- präparat, Gentiana-Violett). Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 7. Eine Ampulle von E. ramburi ( Zerzupf ungspräparat, Gentiana- Violett). Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 8. Teil eines Querschnittes durch den Vordertarsus von IL solieri (Ausführungskanäle und Hypodermis). Obj. F, Oc. 2, über den Bau und die Entwicklung des Spinnapparates bei Embicn. 519 Fig. 9. Teil eines Querschnittes durch den Vordertarsus von E. mmhuri vor der Häutung (Zerstörung der Drüsen). Obj. D, Oc. 2. Fig. 10. Querschnitt durch den Vordertarsus von E. ramburi. III. Stadium vor der Häutung. Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 11. Teil eines Querschnittes durch den Vordertarsus von //. taurica (Kusn.) vor der Häutung (Bildung der Drüsenzellen). Obj. F, Oc. 2. Fig. 12. Dasselbe (kleine neugebildete Drüsen). Obj. D, Oc. 2. Fig. 13. Zwei Drüsenzellen vor der Vereinigung von //. taurica. Obj. F, Oc. 2. Fig. 14. Dasselbe (weiteres Stadium). Obj. F, Oc. 2. Fig. 15. Drüsenzelle in der Hypodermis bei einem erwachsenen c5 von E. ramburi. Homog. Tmmers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 16. Schnitt durch den Vordertarsus eines Embryos von E. ramburi (Bildung der Spinndrüsen). Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fg. 17. Dasselbe (weiteres Stadium). Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Fig. 18. Schnitt durch den Vordertarsus eines Embryos von E. ramburi mit ausgebildeten Spinndrüsen. Homog. Immers. 2 mm. Oc. 2. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees mit besonderen Studien über das Zentrifugenpiankton und seine Beziehungen zum Netzplankton der peiagischen Zone. Von Friedrich Volkmar Colditz aus Meeraue i. S. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Leipzig.) Mit einer Karte und Abbildung des Sees und 32 Figuren im Text. Inhalt. Seite Einführung 521 I. Teil. Physikalisch-chemische Verhältnisse des Mansfelder Sees . 522 A. Das Seebecken 522 1. Lage und Gestaltung 522 2. Geologische Beschaffenheit und Entstehung 523 B. Das Seewasser 527 1. Hydromctrische Verhältnisse 527 2. Thermisches Verhalten 528 3. Optisches Verhalten 531 4. Chemisches Verhalten 536 IL Teil. Biologie des Mansfelder Sees 543 Vorbemerkung: Geschichtliches über Planktonuntcrsuchungen des Sees und allgemeiner Charakter der Litoral- und Bodenfauna . . 543 A. Spezielle Betrachtung des Planktons 547 1. Methode der Untersuchung 547 2a. Zusammensetzung des Netzplanktons 550 2b. Biologische und morphologische Bemerkungen zu den Planktonten mit besonderer Berücksichtigung der Periodizität 551 3a. Zusammensetzung des Zentrifugenplanktons ( »Nannoplank- ton« Lohmann) 570 3b. Besj)rcchung der Arten mit Beobachtungen über ihren Nahrungs- wert imd ihr zeitliches Auftreteii 572 Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 521 Seite B. Beziehungen zwischen Zentrifugen- und Netzplankton 581 1. Einfluß des Zentrifugenplanktons auf die Quantität und Periodi- zität des Netzplanktons 581 2. Einfluß des Zentrifugen])lanktons auf die Verteilung des Netz- planktons 592 3. Bedeutung des Zentrifugenplanktons für den Planktonertrag der Gewässer 613 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 617 Literaturverzeichnis 622 Erklärung zu den Plankton-Kurven 629 Einführung. In vorliegender Abhandlung, die durch meinen Lehrer, Prof. Chun, angeregt wurde, soll die Planktonfauna des Mansf eider Sees einer nähe- ren Darstellung unterzogen werden. Dieses Wasserbecken stellt das orößte Gewässer Mitteldeutschlands dar und kann in Wissenschaft- lieber Hinsicht als eines der interessantesten Gebiete unserer engeren deutschen Heimat betrachtet werden. Auf den Rat Professor Wol- terecks wurde auch das Zentrifugenplankton in den Beobachtungs- gang einbezogen, um die Beziehungen zwischen Zentrifugenplankton und Zooplankton in einem mitteltiefen Flachlandsee klarzustellen. Die quantitativen Untersuchungen, welche sich ohne Unterbrechung über 11/2 Jahre erstreckten, wurden im September 1911 begonnen und im Februar 1913 beendet. Über die chemische Natur des Seewassers erhielt ich durch eine Reihe von Analysen Aufschluß, die Herr Dipl. Landwirt Dr. Witt- mann, Assistent an der Kaiserl.-Königl.Landwirtschaftl.-chem. Ver- suchsstation in Wien, die Freundlichkeit hatte, auf meine Veranlassung hin auszuführen. Ich möchte deshalb nicht versäumen, auch an dieser Stelle Herrn Dr. Wittmann meinen verbindlichsten Dank auszu- sprechen. Den größten Dank schulde ich aber meinen verehrten Lehrern, den Herren Geh. Rat Prof. Dr. Chun und Prof. Dr. Woltereck, für die liebenswürdige Unterstützung, die ich durch sie erfuhr und das vielseitige Interesse, das sie meiner Arbeit entgegenbrachten. Den Herren Prof. Dr. Thallwitz (Dresden), Prof. Dr. Kolkwitz (Berlin), Prof. Dr. Brehm (Eger), sowie der United States Fish Commission (Washington) sei für das Überlassen von schwer zugänglicher Literatur und für briefhche Mitteilungen, Herrn Prof. Dr. Bachmann (Luzern) 522 Friedrich Volkmar Colditz, und Herrn Dr. Lemmermann (Bremen) für ihre Auskunft über einige Formen des Zentrifugenplanktons herzlichst gedankt. Auch dem Besitzer des Mansfelder Sees, Herrn Rittergutsbesitzer AVendenburg, der mir durch sein Entgegenkommen die Arbeit wesent- lich erleichterte, möchte ich hier meinen besonderen Dank abstatten. Der einleitende Teil der Abhandlung soll sich zunächst mit dem Mansfelder See selbst näher befassen, um mit den natürlichen Lebens- bedingungen bekaimt zu machen, welche das Plankton hier vorfindet. I. Teil. Physikalisch-chemische Verhältnisse des Mansfelder Sees. A. Das Seebeckcii. 1. Lage und Gestaltung. Mit einer Karte und Abbildung. In dem südwestlichen Teile der Provinz Sachsen lagen bis vor etwa zwei Jahrzehnten zwei nicht unbedeutende Wasserbecken, welche die tiefste Senke des südöstlich an den Harz sich anschließenden Mans- felder Hügellandes erfüllten. Sie waren unter dem Namen »Mans- felder Seen« bekannt und bestanden aus dem größeren südlichen »Salzigen See<< mit einem buchtartigen Anhängsel, dem »Binder See«, und dem kleineren nördlichen »Süßen See«. In jüngster Zeit hat sich nun in diesem Seengebiete eine gewaltige Katastrophe er- eignet, die eine große Veränderung hier herbeigeführt hat. Seit Anfang 1892 hatte das Wasser des Salzigen Sees einen unterirdischen Abfluß nach den Schächten des Mansfelder Bergbaues gefunden. Die Folge davon war, daß die etwa 9 ha große Fläche dieses Sees trocken gelegt werden mußte, da alle Versuche, ihn der Gegend zu erhalten, aus technischen Gründen scheiterten i. Nur wenig berührt wurde von diesen Vorgängen der Süße See, dessen Bezeichnung Mansfelder See jetzt die gebräuchlichere und auch zutreffendere ist. Er liegt zwischen dem 51 ° 29 — 30' nördl. Br. und 29° 18 — 22' östl. L. v. F., in einer absoluten Meereshöhe von 92,9 m. Er erstreckt sich in einer Länge von 5 km. Die Breite beträgt vor dem Dorfe Ase leben, wo die Buntsandsteinfelsen des nördlichen Ufers in einem nach Süden geöffneten Bogen etwas zurücktreten, 0,8 km 2. Hier an seiner breitesten Stelle besitzt er auch die größte 1 Zeitschr. f. prakt. Geologie, 1894. 2 Topographischer Atlas 1 : 25 000. ßl. 2530, 2531, 2003 und 2G04. Kgl. ])reuß. Landesaufnahme 1903. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 523 Tiefe von 7 m. Das Areal umfaßt nach planimetiisclier Vermessung 2,619 qkmi. Der See repräsentiert mithin ein langgestrecktes, außerordentlich flaches Wasserbecken, das eine schmale von W. N. W. nach 0. S. 0. gerichtete Talsenke ausfüllt und eine einförmige Ufergestaltung zeigt. Buchten sind kaum angedeutet, infolgedessen stellt das Becken ein vollkommen biologisch-einheitliches Medium dar, 2. Geologische Beschaffenheit und Entstehung. Über die genauen Tiefenverhältnisse des Wasserbeckens sind wir seit den eingehenden Lotungen Ules (1887)^ unterrichtet. Die Trocken- legung des Salzigen Sees ist später nicht ohne Einfluß auf den Wasser- stand jenes Sees geblieben. Eine auffallende Vertrocknung weiter Strecken des Phragmitetums spricht schon äußerlich dafür. Infolge der allgemeinen Erniedrigung des Grundwasserspiegels in der Seeumge- bung hat die Zusickeruug von Wasser auf unterirdischem Wege aufge- hört, und sind die oberflächlichen Zuflüsse auf ein Minimum zusammen- geschrumpft. In Anbetracht dieser Tatsachen war es geboten, eine Nachlotung des Sees auszuführen. Die Resultate der Tiefenmessungen, welche von der Eisdecke (Feb- ruar 1912) aus vorgenommen wurden, sind in der beigegebenen Karte nebst Profilen niedei gelegt. Mit Ules Angaben verglichen hat der See seit den letzten 25 Jahren fast 80 cm an Tiefe verloren. Die Iso- bathen zeigen einen ziemlich glatten Verlauf. Man hat es mit einer außerordentlich einfach gestalteten Seewanne zu tun, die sowohl in der Richtung von West nach Ost als auch in der Richtung von Süd nach Nord allmählich an Tiefe zunimmt. Der vor See bürg gelegene südöstliche Teil des Sees ist sehr flach, dasselbe gilt in noch größerem Maße von der östlichen Bucht neben dem Schlosse und dem nordwest- lichen und westlichen Teile. Der Seeboden fügt sich dem allgemeinen Charakter der Land- schaft an. Er besteht aus einem tonig-mergeligen Sediment von mehre- ren Metern Stärke. Vor der Mündung der Bösen Sieben finden sich naturgemäß alluviale Schwemmassen vor, die hier eine allmähliche Verflachuns; herbeiführen. Felsiger Untergrund ist nur in der Nähe 1 Gelbke, Die Volksdichte des Mansfelder See- und Saalkreises. Inaug.- Dissert. Halle 1887. Die hier angegebene Zahl für die Seeoberfläche, (welche nach Vermessung auf dem Topogr. Atlas 1903 mit 2,79 qkm zu veranschlagen ist), muß nach den erwähnten Vorgängen in jüngster Zeit auf etwa 2,5 qkm reduziert werden. 2 Ule, W., Die Mansfelder Seen. Mitteilg. d. Vereins f. Erdkunde. Halle 1888. 524 Friedrich Volkmar Colditz, Beiträge zur Biologie des Mausfelder Sees usw. 525 der nordöstlichen Ufer vorhanden, während der südöstliche Teil des Wasserbeckens vor See bürg und die Aselebener Bucht kiesig-sandi- gen Boden aufweisen. Das Seebecken liegt in dem großen Talkessel, der im Süden von einem dem Hornburger Sattel paralell vorgelagerten Buntsandstein- rücken mit dem Wachhügel und im Norden von den Erhebungen der Mansfelder Hochfläche flankiert wird. Diese Höhen gehören ebenfalls dem unteren Buntsandstein an, der sich als der Südrand der Mans- felder Triasmulde ununterbrochen in der Richtung von N N. W. nach S. S. 0. erstreckt. Der See ist also in der Hauptsache in den unteren Buntsandstein eingebettet, dessen Unterlage von den Schichten der Zechsteinformation gebildet wird. Mit der Frage nach der Entstehung des Sees hat sich be- reits Ule eingehend beschäftigt. Er ist zu dem Resultat gelangt, daß hier ein altes Flußtal vorliegt, welches seine Entstehung der aus- laugenden Wirkung des Wassers auf die den Buntsandstein unterlagern- den Zechsteinschichten und der damit verbundenen teils plötzlichen, teils allmählichen Senkung des Bodens verdankt. Dann aber ist an der Bildung dieses Beckens auch eine jüngstzeitlich hebende und so- mit das Wasser aufstauende Bodenbewegung beteiligt gewesen. CrednerI) und Kayser^) haben nur die erstere Entstehungs- möglichkeit ausgesprochen, für die zahlreiche Beweise in den geolo- gischen Verhältnissen der Umgebung vorhanden sind. Die unterirdisch zirkulierenden Wasser haben allmählich die löslichen Teile der Zech- steinbildungen fortgetragen und auf diese Weise ein weit ausgedehntes zusammenhängendes System von Spalten und Höhlungen ausgewaschen, welche noch jetzt auf weite Strecken den Untergrund der Mansfelder Gegend durchziehen und das Sinken des darüber lagernden lockeren Buntsandsteins in diese durch das Wasser geschaffenen Hohlräume veranlaßten. Durch die Untersuchungen von Professor v. Fritzsch^) wurde fest- gestellt, daß den alten Hauptströmen im Bereiche des Eislebener See- beckens der Weg verlegt wurde, »weil neue Zerstörungen der vorhan- denen Gesteine, ferner mutmaßlich eine oder mehrere Bodenbewegiingen und hierdurch Abschnürungen folgten, welche die Aufstauung größerer 1 Credner, H., Elemente der Geologie. 1897. 2 Kayser, E., Lehrbuch der Geologie. 1905. 3 V. Fritzsch, Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen. Blatt Teutschenthal. Liefg. 19. 526 Friedrich Volkmar Colditz, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 527 Wassermassen in diesem Gebiete zur Folge hatten«. Man glaubte des- halb vielfach schließen zu müssen, daß der See allein durch eine Auf- stauung des Wassers in einem alten Erosionstale entstanden sei und ur- sprünglich ein Flußsee gewesen ist, bis durch neue Gesteinszerstörungen die Verlegung der alten Hauptflüsse erfolgte. Nach Ule kann diese Bodenbewegung nicht die alleinige Ursache der Seenbildung sein, weil sie keineswegs die vielen Einsenkungen und Einstürze in der Umgebung des Sees, sowie die zahlreichen Schichten- störungen im Buntsandstein erklärt. "Wir werden daher zu der Schluß- folgerung veranlaßt, daß hier ein Zusammentreffen beider Bildungs- möglichkeiten vorliegt. B. Das Seewasser. 1. Hydrometrische Verhältnisse. Der Mansfelder See liegt in dem Flußgebiet der Saale. Er erhält sein Wasser durch mehrere Bäche, von denen nur die vom Unterharz kommende Böse Sieben einer Erwähnung wert ist. Sie führt nur geringe Wassermengen, kann aber nach heftigen Gewitterregen oder Schneeschmelze eine verderbliche Wirkung entfalten. Durch diesen Bach werden dem See die Abwässer der Stadt Eisleben zugeleitet, die infolge der darin enthaltenen, zahlreichen gelösten, organischen fäulnisfähigen Stoffe auf weite Strecken eine starke Verunreinigung des westlichen und nordwestlichen Teiles herbeiführen. Ein weiterer Zufluß ist der S tolle n^ der in der Nähe des Sees seinen Ursprung nimmt und den Schlangengrund- und Topfsteinbach aufnimmt. Er führt eben- falls nur selten Wasser und mündet in unmittelbarer Nähe der Bösen Sieben in den See. Weitere Quellbäche und zahlreiche unterseeische Sickerwasser sind dem See durch die Trockenlegung des Nachbarge- wässers entzogen worden. Der Abfluß hat völlig aufgehört. Der Mühlbach, der den See nach der Weida entwässert, und der Graben liegen schon seit Jahren trocken. Sie bildeten früher die direkte Verbindung mit dem Salzigen See, von dem als geringe Überreste nur der Binder- und Kerrner- See sowie eine Anzahl Wassertümpel erhalten sind. Der Pegelstand des Sees war während meiner Untersuchungen im Sommer 1911 bis Winter 1912/13 nur geringen Schwankungen unter- worfen. Sommerminimum und Wintermaximum wichen um je 8, bzw. 5 cm vom Mittelstand ab. Der geringe Zufluß war für die Höhe des AVasserspiegels ohne Bedeutung, vielmehr regelte sich letzterer ledigHch 528 Friedlich Volkmar Colditz, durch atmosphärische Einflüsse, die stärkere Pegelveränderungen hier so gut wie ausschließen. Das ganze Seegebiet liegt in dem Regenschat- ten des Harzes und gehört zu den ausgeprägtesten Trockengebieten Norddeutschlands. Die jährliche Niederschlagshöhe beträgt etwa öOcmi). (Eisleben jährliche Niederschlagshöhe 49 cm.) 2. Thermisches Verhalten. Die physikalischen Verhältnisse eines mitteltiefen Flachlandsees sind im Zusammenhang mit Beobachtungen über die Periodizität und Verteilung der planktonischen Organismen bisher noch nicht studiert worden. Es sollen in diesem Kapitel nur die Ergebnisse der physikali- schen Untersuchungen angeführt werden. Die Beziehungen zu dem Plankton werden erst in dem speziellen Teile der Arbeit erörtert. Der Einfluß, welcher der Temperatur auf das Planktonleben zu- erkannt worden ist, hat durch neuere Arbeiten in verschiedener Hin- sicht eine Einschränkung erfahren. Die Temperaturmessungen ^^'urden von mir mit Hilfe eines ge- prüften ^ Laboratoriumthermometers und der MAYERschen Schöpf- flasche vorgenommen. Diese Methode liefert für Seen von geringer Tiefe bei längerer Expositionsdauer vollkommen zuverlässige Resultate. Einen genauen Überblick über die Temperaturschwankungen in den verschiedenen Tiefen der Beobachtungsperiode 1912 gibt Tab. I. Der große Unterschied, welcher zwischen den verschieden tiefen Gewässern in physikalischer Hinsicht besteht, liegt darin, daß sich die thermischen Änderungen in den flachen Seen bedeutend schneller vollziehen als in tiefen Wasserbecken. Die beträchtlichen Temperatur- schwankungen, denen die oberflächlichen Schichten konstant ausge- setzt sind, teilen sich sofort der gesamten Wassermasse mit und ver- hindern eine Schichtung innerhalb derselben. Demzufolge war der Mans- f eider See während des größten Teiles des Jahres annähernd gleichmäßig temperiert. Deutlicher noch als aus Tab. I ist dies aus den in Fig. 1 ge- zeichneten thermischen Isobathen von Oberfläche und Grund ersichtlich. Es wurden 1912 folgende Temperaturperioden beobachtet: I. Winterstagnation, inverse Schichtung. Abkühlung der Tempe- ratur auf das Jahresmininmm (Januar bis erste Hälfte des Februar). II. Frühjahrscirculation. Erwärmung des Wassers auf das Jahresmaximum (Februar bis Ende Mai). 1 Zeitschr. f. prakt. Geologie. 1894. 2 Großherzogl. Sachs. Prüfungsanstalt für Glasinstrumentc in Ilmenau unter niilwirk. KoTitrolk> der phys.-techn. Reichsanstalt zu Charlottenburg. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usav. 529 T-H > tH (M T-l ■I— 1 C5 00, (M o CO T-H C5 05 o r-l o CO Oi" T-l OS T-t 1-1 T-l 1— 1 r-l o" CM s t> (M t-, CO >- T-; > (M ^ 2 K (M^ 00, -<#_ (N T-l O, crT "*~ -^ -^"^ '*' -^^ 03 03 T-^ CC^ 00^ 00^ CO O^ Q^^ y-l 0_ O, od" oo' od" od" oo" oo' oo_, cq_ 00^ 00^ CO, 00^ to" CD cd" CO ^ CO co_^ »•„ !-! O O ~ CO CO CO lO lO lO, >o, >o^ iC cd' co" cd~ co" cd" cd" lO^ »•„ "^^ '^^ ^„ ^, >o" io~ >-o~ icT »o" irf" co^ >q, o, 0_ iq, t> c^ O, O^ l> cvi" (>r oJ" co" co" co' o^ iO_ iq, i>^ O, lO Cvf Cvf J o »n »o CM (M (M_^ (M" (m" cm" CM_ CM_, (m' cm" CM (M" 00„ th" i> co^ co^ lO o co^ co^ -^" 'dl" (M^ C-" IC5 »O (M tH — oo" oo" co" T-H 1-1 oo" oo" 8 oo" CO eo" SM '^ -^ '^ co" oo" oo" co" oo" od 05 CO S'M >0 lO eq, ^ T-* 1— 1 CO CO l>_ cm" cm" cm" T-l T-H T-H CD CD__ (m" cm" T-H l—{ im" T— 1 O cd" T-H 1— 1 I>^ •>■„ ^^ co" co" co" tH tH TH co" co" -H T-H CO co" oT 31. VIII. C5 Ol, 00 co" co" co" T-H T-H T-H :0 CO cd" lO" T— i tH CM lO" TH CO o" r-t O O, er: os" cjT co' tH tH ^ Oi, 00 co" oo" T-H T-t CD od 00_ tH CO j> 05, Cl_ CTJ, CM (M CM T-T T-T (M CM o, T-H CM cm" CM (M Kj. co_ co_, CO T^ T-H T-H CM ö" cT CM T-l CO ctT tH cd" CM 1 ■^„ '"i- ^. CM (M CM ! CO I> co' oo" T-H T— 1 CD co" T-i O co" T-H tH •— ' CO >- o o C5 co" oo" O-' T-H T-H T-H r-' c»' T— 1 TH O 00 t>" oo" O ^ tH CO lO 3 530 P>icdrkli Volkniar Colditz, III. .Sommerstagnation, direkte Schichtung (Ende Mai bis Ende Juli). IV. Herbstcirculation. Abkühlung der Temperatur vom Jahres- maxitnuin bis zur Bodentemperatur von 4° C (August bis No- vember). Diese thermischen Perioden, deren Ausbildungund Dauer von den allgemeinen klimatischen Verhältnissen abhängio- ist, sind von großem Einfluß auf die biologische Schichtung des Zentrifugenplanktons. Sie erklären uns die Schichtung des- Januar fehnwr März April Mai Juni Juli August September Okiober ^'oyembe^ Dezember Fig. 1. Graphische Darstellung der Luft- und Wassertemperaturen vom Mansfelder See 191l selben im Sommer und Winter und die gleichmäßige Verteilung in den übrigen Jahreszeiten. Letztere wird durch die Konvektionsströmungen bedingt, welche durch die herbstliche Abkühlung und durch die großen Temperaturschw^ankungen in den Frühjahrsmonaten hervorgerufen werden. Die aktiv schwimmenden wie passiv schwebenden Organis- men werden davon in gleicher Weise beeinflußt. Ein weiterer Grund für die geringe Ausprägung der thermischen Perioden in diesem Gewässer im Vergleich mit gewissen Alpenseen von gleicher Tiefe (Katzensee) ist dadurch gegeben, daß eine Abkühlung Beiträge zur Biologie des IMansfelder Sees usw. 531 der unteren Wasserschichten durch zutretendes Grundwasser fehlt. Ohne diese unterseeische Speisung vermag sich der See natürlich sehr schnell durch die vertikalen Konvektionsströmuiigen bis in die Bodenschichten zu erwärmen. NurimHochsonnner ist eine deutliche Sprungschicht aus- gebildet, welche als direkte Ursache die tägliche Besonnung hat. Das Temperaturintervall von Grund und Oberfläche betrug zur Zeit der höchsten sommerlichen Erwärmung 5,5° C, und zwar zeigte sich dieser Temperaturabfall am ausgeprägtesten in der Schicht von 1 — 3 m Tiefe. Dieser Unterschied war wenige Tage in diesem Maße ausgebildet, wäh- rend der übrigen Zeit betrug er 2 — 3 ° oder auch nur wenige Zehntelgrade. Durch heftige Wellenbewegungen und größere Niederschläge kann plötz- lich eine thermische Ausgleichung der Wasserschichten eintreten. Die Wärmedifferenz zwischen dem Oberflächenwasser am freien See und in den Buchten schwankte zwischen 0,1° und 1,5°. Im Winter war im allgemeinen das Uferwasser kälter als dasjenige der pelagischen Zone, das Umgekehrte war im Sommer der Fall. Die Winde bewirkten einen ständigen Ausgleich der Temperatur. Der Mansfelder See ist nach seinem thermischen Verhalten Forels Gruppe der temperierten Seen zuzuteilen. 3. Optisches Verhalten. Transparenz. Um festzustellen, bis in welche Tiefe des Sees ein direkter Einfluß des Lichtes auf die Verteilung der Planktonorganismen in Betracht zu ziehen ist, wurden regelmäßige Transparenzmessungen ausgeführt. Die Transparenz wurde nach der Methode von Forel unter Beach- tung der bekannten Vorsichtsmaßregeln mit der SECCHischen Scheibe bestimmt. Ich benutzte eine weiße Emaillescheibe von 30 cm Durch- messer. Die gefundenen Durchsichtigkeitswerte für das Seewasser be- wegten sich zwischen 1,60 m (maximale Transp. im Oktober) und 0,30 m (minimale Transp. im April). Daß Licht überhaupt nur bis zu der mit der Scheibe festgestellten Sichtbarkeitsgrenze eindringt, ist vollkommen ausgeschlossen. Nach meinen Befunden muß man jedoch annehmen, daß unterhalb dieser Zone, die für die Chlorophyllfunktion des Zentrifugenplanktons und für reizphysiologische Tropismen des Netzplanktons in Betracht kommende Intensität der Lichtstrahlen in ihrer Wirkung stark geschwächt ist. Diesen Satz möchte ich nur für Seen mit geringer Transparenz einge- schränkt wissen. Die Transparenz ist von der Intensität des Lichtes und von der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII.Bd. 35 532 Friedrich Volkmar C'olditz, Menge des. im Wasser suspendierten Materials abhängig. Ein Wechsel der Beleuchtungsstärke verursachte nur geringe Differenzen. Forel, dem wir über diese optischen Verhältnisse die eingehendsten Unter- N >1 t»3- i H *-i tS) g ^ 3 »^ «te ?, rrq to F 5 B .'^ o ■? B s r^ WS. Co ^ .■■ l \ ^^-^ ^ / \ -""' «s- 3 / \ ' Sä ■ ^ \ <- __ ■^ \ \ ~ ~ -^ ^ \ \ ^^ ' f \ \ ^ ^ - ' ^ y^ \ /^ ^5 / ^--^^^^^^ k. / ^■~~^-^^^_^ ^^- ^ /^ ' /■ r^ c?: ^-X' ^ b , ^^~--^^ '~~~-~^ ■ ■ ■'^ «^ ^~~~-~~~.^_^^ ''^"'^- — Cr ■3' 1 ^^-.,-\ ■•■- ^./A...V =^ ...■ ■ ./' ^_— — -■^"^ "^ <::i /- ^ — — ^ 5? S" ^ — ""^Z - — — -^ ' ~ C5- 5 "^^^"^^-^-^ '■ "~ — ~ - — — ^ <&-• i .-^ / _-—-""' 5- y^ / ^^■'' »^i y / s '^ / T ^ / / ^ ■^^ ^ N 1 ^^ -? =^ Ci« ^ ^^ ;-* i> Ko N; fc? ?:^^ <^ ^J xj-* '•^^Sc^C.rsj.^^ o%Oo«S» t\o-*-<^':3ci$, Ns>*-Q%Oo<:i> Ni-f-ON^JO"^ rsi-t-O^ <>i^^-<. O^Oq^ suchungen verdanken, kam zu dem Resultate, daß im allgemeinen die Transparenz im Sommer geringer ist als im Winter. Er begründet dies mit der größereu Stratifikation des Wassers in den Sommermonaten, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 533 welche bewirkt, daß die verschiedenen suspendierten Partikel im Wasser gleichmäßiger verteilt sind, da sie sich jeweils in den Schichten aufhal- ten, die ihrem spezifischen Gewichte am nächsten kommen. Im Winter ist die Stratifikation undeutlich, weil das Suspendierte mehr zu Boden sinkt. Diese im Genfer See gewonnenen Ergebnisse stimmen mit den Angaben überein, die über eine Anzahl svibalpiner Seen ähnlichen Cha- rakters gemacht worden sind. Sie gelten ebenso für die tiefen norddeut- schen Seen, von denen hierüber Untersuchungen vorliegen. Man hat infolgedessen eine direkte Abhängigkeit der Transparenz von der Tem- peratur konstatiert. Die Beobachtungen von Guyer haben bereits für den Greifensee das Gegenteil bestätigt, und auch ich bin im Mansfelder See zu dem Resultate gekommen, daß hier eine Abhängigkeit der Trans- parenz von der Temperatur nicht in jenem Sinne besteht, sondern nur indirekt, insofern als die durch die Temperatur im Frühjahr und Herbst erfolgten Circulationsströmungen des Wassers die Entwicklung ge- wisser Zentrifugenplanktonten fördern und hierdurch auf die Trans- parenz einwirken. Die niedrigsten Transparenzwerte wurden nicht zur Zeit intensivster Durchwärmung, bzw. ausgeprägtester Temperatur- schichtung des Wassers oder größten Netzplanktonvolumens gemessen, sondern am 30. April vor dem Erscheinen der Microcystis-W srnseihlüte und am 5. Oktober nach ihrem Verschwinden. Die größte Transparenz wurde nicht in den Winter monaten, sondern am 25. Oktober und am 27. Juli beobachtet. Also müssen noch andre Faktoren auf die Trans- parenz einwirken. Bisher hat man bei diesen Untersuchungen das Zentrifugenplankton nicht berücksichtigt. Meine Befunde sollen zei- gen, welche wichtige quantitative Rolle dasselbe im Mansfelder See spielt. Zur Zeit des Transparenzminimums am 30. April waren nach mei- nem Zählverfahren ^ in 60 ccm Seewasser über 11 Millionen Individuen = 2/25 ccm Zentrifugensediment enthalten: 3800 Schwärmsporen, 1300 Cryp'.omonas erosa und 3300 sonstige Grünalgen, 10 854 000 Entwick- lungsstadien von Microcystis aeruginosa und Microcystis aeruginosa var. minor nov. var., 3800 Cydotella Meneghiniana, 2400 chromophyll- freie Formen, 19 800 Scenedesmus quadricauda, 100 Rhaphidium folymorphum und 1500 Pediastrum boryanum; am 26. Juni in 60 ccm Seewasser 3 245 000 Individuen = etwa Y3Q ccm Zentrifugensediment: 103 000 Schwärmsporen, 10 700 Cryptomonas erosa, 16 800 sonstige Grünalgen, 2000 Scenedesmus quadricauda, 61 000 chromophyllfreie Formen, 3 280 000 Pleurococcus punctiformis nov. spec, 6500 Cydotella Meneghiniana, 800 Rhaphidium polymorphum, 270 Pediastrum und 1 Siehe: Methode der Untersuchung. II, A. 1. 35* 534 Friedrich Volk mar Colditz, 675 Staurastrum gracile : am 13 November in 60 ccm Seewasser 2 800 000 Zentrifugenplanktonten = etwa Y40 ccm Zentrifugensediment : 50 000 .Schwärmsporen, 4200 Cryptomonas erosa, 5000 sonstige Grünalgen, 16 200 cliromophyllfreie Formen,. 2 746000 Cyclotella hyalina nov. spec., 4500 Scenedesmus quadricauda . Es waren an diesen Tagen in 20 1 Seewasser verteilt : Zentrifugenplankton Netzplankton 30. April etwa 26,7 ccm 3.5 ccm 26. Juni >> 11,1 >> 2,2 >> 13. November » 8,3 » 1,9 » In Fig. 2 ist eine graphische Darstellung des Verlaufes der Trans- parenzkurve 1912 gegeben. Zum Vergleich sind die Oberflächentempera- turen, das Setzvolumen aus 120 1 mittelst Netz (MÜLLER-Gaze Nr. 25) fil- trierten Seewassers und die Zentrifugenplanktonkurve beigefügt. Diese Kurvenzusanmienstellung zeigt deutlich die direkte Abhängigkeit der Transparenz von der Quantität des Zentrifugenplanktons. Nur im August und September äußerte sich die Einwirkung der Mi- croc^/s^zs - Wasserblüte , welche als Netzplanktonvolumen bestimmt wurde; z. B. 9. September 9,8 ccm (Zentr. -Flankt.) dagegen 43,2 ccm (Netz- Flankt.). Ihr Einfluß ist bei weitem geringer als nach der Quantität dieser Algen erwartet werden müßte, was sich daraus erklärt, daß das Zentrifugenplankton dem Netzplanktongemisch gegenüber eine viel feinere »Suspension« darstellt, die infolge des günstigeren Verhältnisses von Volumen (Masse) zu Oberfläche möglich ist. Durch die damit be- dingte stärkere Diffusion und Absorption des Lichtes an der Obei fläche des suspendierten Planktons wird dem Eindringen des Lichtes in tiefere Lagen ein bedeutenderer Widerstand entgegengesetzt. Es ist vielleicht ratsam, diese Befunde nicht allzu sehr zu verall- gemeinern, da das Zentrifugenplankton in diesem See eine außerge- wöhnlich dominierende Rolle spielt. In flachen Wasserbecken, wo störender Gesteinsdetritus nicht in Frage kommt, wird das Zentrifugen- plankton bei dem Studium der Transparenzverhältnisse künftighin mit in Betracht gezogen werden müssen. In tiefen Gewässern dagegen wird wahrscheinlich infolge der geringen Dichte d'eser planktonischen Or- ganismen kaum ein Einfluß derselben festzustellen se n. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß durch sie die Ursachen verschiedener Ano- malien in der Transparenz dieser Gewässer erklärt werden. Es liegen hierüber noch keine Beobachtungen vor. Beiträge zur Biologie des Mansfelder »Sees usw. 535 Farbe. Das Zentrifugeiiplankton bedingt im Mansfelder See auch gewisse jahreszeitliche Färbungsiinterschiede des Seewassers und liefert hier- durch einen neuen Beitrag zu diesem Farbeproblem. Zur Beurteilung der Farbe eines Gewässers sind von verschiedenen Forschern bestimmte Farbenskalen hergestellt worden. Ein solches Xanthometer stand mir leider nicht zur Verfügung, deshalb konnte keine strenge Beobachtungs- reihe aufgestellt werden, sondern es mußte eine zeitweilige Bemerkung in den Protokollen genügen. Das Wasser wies im allgemeinen eine schmutziggrüne, etwas in bräunlich übergehende Grundfärbung auf. Es waren konstant geringe suspendierte Schlammpartikelchen nachweisbar. In den Wintermonaten konnte ich eine Beimengung von gelblichen Tönen konstatieren, die durch das Maximum von Cyclotella hyalina hervorgerufen wurden. Sie wurden Ende Mai durch das massenhafte Auftreten der Microcystis- Jugendstadien und der Grünalge Pleurococcus punctiformis in ein helleres Grün verwandelt. Im Juli und August nahm das Wasser Töne an, die die Nüancierung der Wasserblüte zeigten und im Oktober wieder in die olivgrünliche Cyclotellenfärbung übergingen. Längere Regenperioden und starke Wellenbewegungen durch heftige Stürme brachten im Früh- jahr und Herbst eine Verschleierung des Farbtons mit sich. Meinen Resultaten nach ist der bisherige Einfluß des Zentrifugen- planktons auf die Färbung des Seewassers unterschätzt worden, wohl gemerkt, bei hoher Individuendichte dieser Organismen. Die Reflexfarbe der Farbstoffkörper dieser winzigen Algen mischt sich mit der Eigen- farbe des Seewassers, wodurch ganz bestimmte Mischfarben entstehen werden. Massenentwicklungen von Organismengruppen mit einem be- stimmten Farbstoff müssen deshalb bei einem Gewässer zweifelsohne auch in dem Farbenschema seines Wassers zum Ausdruck kommen. Daß ein Zusammenhang zwischen Farbstoffgehalt des Zentri- fugenplanktons und Tönung des See wassers besteht, wird durch eine Angabe Paschers vom Stadtteiche zu Franzensbad bestätigt. Eine Blaualge von 3 — i u Durchmesser rief hier einen leicht bläulichen Farbton der oberflächlichen Wasserschicht hervor. Diese Beobachtungen beleuchten das Problem in Wasserbecken geringer Tiefe, wo die Bedingungen für eine reiche Entwicklung der Zentr.fugenplanktonflora gegeben sind, von andrer Seite als die An- schauungen von FoREL, Wittstein und Spring, welche die Grün- und Braunfärbung des Wassers ausschließlich auf eine darin gelöste Materie 536 I'necliicli Volkmar Culditz, — Huniinstoffe und Eisenoxyd -Verbindungen — oder auf im Wasser suspendierte Fremdkörperchen, bzw. einen im Entstehen begriffenen Niederschlag zurückführen. 4. Chemisches Verhalten. Das untersuchte Gewässer zeichnet sich den andern Binnenseen gegenüber durch einen hohen Salzgehalt aus. Seen von derartig chemischer Beschaffenheit gehören nach AVittmann in Mitteleuropa zu den Seltenheiten. Nur der Balatonsee in Ungarn i und der Lac Ritom^ in der Schweiz führen salziges Wasser. Im Süßwasser betrug die Summe der gelösten Salze in typischen Fällen nie mehr als 0,03 %. Der Salzgehalt des Mansfelder Sees wurde zum ersten Male von Ule (1887) einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Nach chro- Tabelle IL Probe I: Oberflächenwasser geschöpft in der Mitte des Sees vor Aseleben. Liter- milligramme Millimol ^lilligramiii- aeqnivalente Aequivalent- % Kationen Kaliumion, K' Natriumion, Na' Calciumion, Ca" Magnesiumion, Mg" Aluminiumion, AI"' 1 36,9 172,2 1 108,7 ': 70,8 : 4,2 274,5 331.3 336,0 0,9436 7,4863 2,7132 2,9095 0,1566 7,741 3,4484 5.5072 0,9436 7,4863 5,4264 5,8189 0,4698 ^'ß'"^' 41,85 37,17 ) ' 26'f} 55,82 28,88 1 ' 2,33 20.1450 100,00 Anionen Chlorion, Cl' Sulfation, SO4" Hydrokarbonatiou, HCO3' 7,741 (;,8968 5,5072 38,43 34,24 27.33 1334,6 t 7.8 ; 30,9058 0,0995 20,1450 100,00 Jonensumme Kieselsäure, IloSiOa Summe des Gelösten Abdampfrückstand, gefunden » berechnet Leitfähigkeit Ki8 = 14,450x10--' 1342,4 1034,0 1169,8 31,0053 1 Ilosvay, L., Die chemische Untersuchung des Balatonsccwassers. Re- sultate d. Wissenschaf tl. Erforschung d. Balatonsees. L Bd. 6. Teil. 2 BouRCART, E., Les lacs alpins suisses, etude chimique et physique. Geneve 190(5. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 537 Tabelle III. Probe II: Tiefenwasser geschöpft an derselben Stelle wie Probe I vom Grunde des Sees. Liter- milligramme Millimol I\Iilligramm- aequivalente Aequivalent- % Kationen Kaliiimion, K' Natriumion, Na' Calciumion, Ca" Magnesiumion, Mg" Alarainiumion, AI'" 40,1 136,2 112,2 56,8 1,1 275,5 335,4 157,4 1,0257 5,9214 2,8001 2,3347 0,0392 7,7715 3,4913 2,5801 1,0257 5,9214 5,6002 4,6694 0,1175 0,7 17,3342 100,0 Anionen Chlorion, Cl' Sulfation, SO4" Hydrokarbonation, HCO3' 7,7715 6,9826 2,5801 44,8 40,3 14,9 1114,7 13,0 25,9640 0,1658 17,3342 100,0 Jonensumme Kieselsäure, HoSiOa Summe des C4elösten Abdampfrückstand gefunden » berechnet Leitfähigkeit K18 = 14,463 X 10-^ 1127,7 1024,0 1044,7 1 26,1298 uistischen Angaben konnte festgestellt werden, daß das Seewasser in früherer historischer Zeit wesentliche chemische Verände- rungen durchgemacht hat. Ganz besondere Beachtung verdienen die Berichte über das periodische Fischsterben in dem See. Schon JockuscrI führt 1715 als Ursache die Grubenwässer an, welche durch den Stollen zugeleitet wurden. Der Vorgang wiederholte sich zum letzten Male 1876. In diesem Jahre war dem See ein so hoher Prozent- satz von Salz zugeführt worden, »daß die Bäume und Sträucher an den Ufern eingingen und die Fische starben«. Seit dieser Zeit werden die Grubenwässer direkt nach der Saale abgelassen. Sie wiesen nach amtlichen Analysen einen schwankenden Salzgehalt von 0,166% bis 24% auf. Der Salzgehalt des Sees ist seitdem ständig zurückgegangen. Ules Untersuchungen ergaben nur 0,308% Abdampfimgsrückstand. 1 JocKuscH, J., Versuch zur Xaturhistorie der Grafschaft Mansfeld. Eis- leben 1730. (Grundigs »Neue Versuche nützlicher Sammlungen zu der Natur- und Kunstgeschichte, sonderhch von Obersachsen. Bd. L) 538 Friedrich Volkmar Colditz, Tabelle IV. Probe III: OberHiichenwasser geschöpft in der Nähe des Einflusses der Bösen Sieben, etwa 50 m vom Ufer entfernt. l.itcr- milligramme Milliiiiol Milligramm- aequivalente Acquivaleut- Kationen Kaliumion, K' Natriumion, Na' Calciumion, Ca" Magnesiumion, Mg" Aluminiumion, AT" 36,1 162,4 104,6 68,1 8,9 281,0 329,2 303,3 ■ 0,9231 7,0629 2,6104 2,8017 0,3132 7,9247 3,4270 4.9711 0,9231 7,0629 5,2208 5,6034 0,9396 4.6 19,7498 lÜÜ.O Anioneu Chlorion, Cl' Sulfation, SO/' Hydrokarbonation, HCO3' 7,9247 6,8540 4.9711 40,1 34,7 25.2 1293,6 5,2 30,0341 0,0663 19,7498 100,0 Jonensumme Kieselsäure, HoSiOs Summe des Gelösten Abdampfrückstand gefunden > berechnet Leitfähigkeit K,8 = 14,129 X 10-* 1298,8 , 1024,0 1134,0 30,1004' Die vorliegende biologische Betrachtung hat zur Beurteilung der Lebewelt des Gewässers eine erneute Untersuchung in hydrochemischer Hinsicht nötig gemacht. Herr Dr. Wittmann an der Abteilung für Fischerei wesen der k. k. Landwirtschaftlich -chemischen Versuchs- station in Wien nahm die erforderlichen Analysen der Wasserproben vor. Sie wurden am 1. Oktober 1911 mittels Schöpfflasche entnommen. Die chemische Untersuchung wurde, da sie lediglich der biologischen Erforschung des Sees dienen sollte, nur auf die wichtigsten Bestand- teile ausgedehnt. Die Sesquioxyde, die nur in geringen Mengen vor- handen sind, wurden bei der Berechnung als Aluminium in Rechnung gestellt. Die Differenz der Kationen und Anionen erscheint beim be- rechneten Abdampfrückstaud als Karbonatkohlensäure, in der lonen- summe als Hydrokarbonation. Die elektrolytische Leitfähigkeit "wurde bei 18° C bestimmt und pro Kubikzentimeter reziproke Ohm gefunden: K18 =- 14,347 X 10—4 (Durchschnittswert) Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 539 An Abdampf rückständen fanden sich Milligramm im Liter: 1027 1/mg (Durchschnittswert). Die Differenz des gefundenen Abdampfrückstandes vom gewogenen erklärt sich aus Kohlensäureverlusten, die eintreten, wenn Wässer mit hohem Gehalt an Chlorionen und Magnesiumionen eingedampft werden. Die Einzelergebnisse der Untersuchungen sind in den Tabellen II bi^ IV zusammengestellt worden. Die übereinstimmenden Resultate der verschiedenen Wasserproben liefern einen deutlichen Beweis, daß das Salz in dem Wasser- becken gleichmäßig verteilt ist und keine Schwankungen in den Tiefenschichten oder in dem Einmündungsgebiete der Bäche zeigt, wie vielfach vermutet worden ist. Um die gewonnenen Werte mit den früheren Analysen vergleichen zu können, hat Herr Hartmann- Wien, die Analyse Ules in Liter- milligrammen, Millomol und von TnANschen Äquivalentprozenten be- rechnet i. Es wurde hierdurch erwiesen, daß im Laufe der jüngsten 1 Ules Analyse 1887 in Litermilligramnien, MilUmol imd von THANschen Aequivalentprozenten (Härtmann). Liter- milligramme Millimol Milligramm- aequivalente Aequivalent- Kationen Kalinmion, K' Natriuuiion, Na' Calciumion, Ca" Magnesiumion, Mg" 288,64 687,92 175,72 37,66 1322,73 425,08 8,40 182.82 7,3822 29,9100 4.3853 1,54843 37,3000 4,4252 0,01355 2,99671 7,3822 29,9100 8,771G 3,09686 15,016 60,842 17,843 6,299 49.16066 100.000 Anionen Chlorion, Cl' Sulfation, SO4" Nitration, NO3' Hj'drokarl)onation, HCO3' berechnet 37,3000 8,8504 0,01355 2,99671 75,874 18,003 0,028 6,299 Jonensumme 3128,97 87,9614 49,16066 100.000 Abdampfrückstand gefunden » berechnet 3075,01» 3036,05 Thax, K. v., Die chemische Konstitution der Älineralwässer und die Vor- gleichung derselben. TscHERMAKsJMineralog.-petrograph.Mtteil. N. F. Bd. XL 1890. HiNTZ und Grünhut, L., Besondere Grundsätze für die Darstellung der che- mischen Analysenergebnisse. Deutsches Bäderbucli. Leipzig 1907. 540 Frifdricli \'olkinar Culdilz, Zeit eine bedeutende Abnahme der K', Na' und Cl'-Ionen uiid eine geringe Zunahme der HCO3'- und Mg'^-Ionen eingetreten ist. Der Salz- gehalt hat sich seit den letzten 25 Jahren um fast den dritten Teil verringert, ein Zeichen dafür, daß die Aussüßung des Sees allmählich immer weiter fortschreitet. Dieser Wechsel der Existenzbedingungen ist sicherlich von großem Einfluß auf die planktonischen Organismen gewesen. Die Veränderungen, welche in der Zusammensetzung der Fauna und in ihren biologischen Verhältnissen hierdurch hervorgerufen worden sind, wird der zweite Teil der Abhandlung ergeben. Bei einem Gewässer von so hohem Salzgehalte ist zu untersuchen, ob auch innerhalb eines Jahres bedeutende Schwankungen desselben nachweisbar sind, so daß der Chemismus des Sees während einzelner Jahreszeiten für einen daraus resultierenden Einfluß auf die Lebewelt verantwortlich gemacht werden könnte. Zu diesem Zwecke wurde dem See jeden Monat eine Wasserprobe aus 1 m Tiefe entnommen. Die Übersichtstabelle V der Monate Februar 1912 bis Januar 1913 wird über die Analysen Aufschluß geben. Die einzelnen Monate weisen in ihren physikalischen Konstanten (Dichte und Leitfähigkeit) sowie in ihrem Gehalt an Gl'- und S04"'-Ionen geringe unregelmäßige Schwankungen auf, die auf meteoro- logische Verhältnisse zurückzuführen sind. Der geringe Salzgehalt der Februarprobe 1912 dürfte mit der Eisschmelze des Sees im Zusammen- hange stehen. Eine zeitweise saline Stratifikation ist nach diesen Untersuchungen in dem flachen Wasserbecken nicht zu vermuten. Was die Klassifikation des Mansfelder Sees in chemischer Hin- sicht anbetrifft, so liegt hier ein salziges oder ein an mineralischen Substanzen reiches Süßwasser vor. Gasgehalt. Am 26. September 1912 wurden dem See Proben entnommen zur Feststellung des Gasgehaltes des Wassers. Die Untersuchungen -wur- den von Herrn Dr. AVagler, Zoologisches Institut Leipzig, ausge- führt, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus- sprechen möchte. Die Wasserproben wurden aus den Tiefen: Ober- fläche, 1/2 m, 1 m, 3 m, 5 m, 7 m, ferner an der Oberfläche in Bucht IV 1, 1 Den See habe ich für die Bearbeitung nach morphologischen Gesichts- ])inikten in eine Anzahl größere Abschnitte geteilt, die ich auf der Karte durch unterbrochene Linien markiert und mit römischen Ziffern bezeichnet habe, und auf die ich mich hici- bei Angabe des Untersuchungsortes beziehe. Beiträge zur Biologie des ^lansfelder Sees usw. 541 ^ rt o c 0 s lO 1 o 0 s c C o o o c lO (M 1 C^ C5 00 1-1 CO tr-^ C5 (M (M (M ^ (>f ^ >o~ c" irf co" 1— ( [>" N !>f (N c^ T-i 1—1 g « a « CCI [^ [^ c^ c- CO 1 y—^ , CC L-- i> t^ ^ I>- t 35 ^^ 1 1 lO 1— ( 1—1 T-I ^ CD ■* " o" D-" t-" !>•' c-" !>•■" a S es d _o '-Ö .03 ■— flj Vh r2 fl ■rH •^ -1^ C2 C2 05 CD I> s g 3 T— 1 00 1 ^ CO CO co" cd" Cvf m 00 ' >o ' t^ lO »o lO I>- 00 ' 1—1 CO CO CO CO co CO ..- ha v^ 1 03 a -*^ 2 ö a « •^ 00 CO CO (M i> CO ^ c~ 2 g CO 1 CO i> >o o 00 00 CO '^ 05 o •>• w o CD c>- CO OD ^ CO 05 c^ ^^ cr> ' 1—1 lO CO '* OS 05 CO l> o 05 o 5 c" '* 00 oo" 00 cxT x" oo" oi" 00 Ci 00 a <5 c3 03 5 o li CO 00 CO 00 tH [> , 1-1 co^ 03 CO 00 CO 02 r-_^ '^ CO ■^ o 1 00*^ i-T t£ o~ co'~ oo" Oi" o^ o" oo" ca cS eo 00 o o o T-^ 1—1 (M •^ "^ 1—1 -5 !-, tH (M CO CO CO CO CO CO CO CO CO 3 ^ »o CO [~ !>• c^ T— 1 « •^ Gvj OD QO C5 1-1 o (^ CD CO ■=> 1 T-i o 1—1 1-1 1—1 (^ <^ f^ o ^) <^ o o (^ § <^^ o o^ O o o o_ o_ o^ 1 Q T-T T-T 1—1 i-T y-^ T-T 1—1 i-T £ 'S ■ilT M .^ o '"'- 1 CO 00 tH (M (M (M o T-I eo^ t ^ -S T-i ao 1 •d" lO" co' •^ co' ot" oT cd" r-" 1 -ii! 1 11 1-1 1—1 1—1 T^ 1-1 1-1 1—1 T^ 1-1 « s Ui ^ ^ Ui 05 03 ..-1 CS 'S ;2 2 &B 3 g 05 05 o 3 > o « § s Ji^ »* <5l s ^ •^ <1 X o ^ Q '-S 542 Fiiediicli Volkmar Coklitz, Tabelle VI. In 1 Liter Seewasser waren entlialten : Ort Gelöster i'reie Sauerstoff Kohlensäure Gebundene Kohlensäure Tempe- ratur Seemitte vorAseleben com ccm Litermilli- gramme Millimol ]\Iilligr.- Aequiv. C" Om 6.04 — 257,9 4,2273 4,2273 11.3 1 .. m 5,76 — — — — 11,3 1 m 6,56 — — — — 11,3 3 m j 6,96 — — — 11,3 5 111 5.46 — — — 11,25 7 111 5,10 274,5 4.5000 4,50(Mj 11,25 Mitte B IV Wormsleben 5,87 . — ~ — 11,3 Vor Einfluß Böse Sieben 5,62 — 274,0 4,5000 4,5000 11,25 Mitte B I 5,90 _ 11,0 Seeburg Tabelle VII. IJindersee: Oberflächenwasser geschöpft in der Mitte des Sees. Liter- milligramme Millimol Milligraunu- aequivalente Aei^uivalent- % Kationen Kaliumion, K' Natriumion, Na' Calciumion, Ca" Magnesiumion, Mg" Aluminiumion, AI'" 28,9 154,4 102,2 49,8 2,1 266,0 349,8 128,3 0,7385 6,7150 2,5520 2,0474 0,0783 7,5014 3,6412 2,1034 0,7385 6,7150 5,1040 4,0948 0,2349 4.41 44., 39.8 J'" 1,4 16,8872 100,0 Anionen Chlorion, Cl' Sullation, SO4" Ilydrokarbonation, IICO3' 7,5014 7,2824 2.1034 44,42 43,12 12,46 1081,5 13,0 25,3772 0,1658 lti,S,S72 KIO.OÜ Jonensumme Kieselsäure, ILSiOs Summe des Gelösten Abdampfiückstand gefunden > berechnet Leitfähigkeit Ki8 = 14,057x10-^ . 1094,5 1002,0 1026,3 25,5430 Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 543 an der Einflußstelle der Bösen Sieben und in Bucht I geschöpft. Die Resultate sind in Tab. VI niedergelegt. Zur Zeit der Probeentnahme war freie Kohlensäure im See nicht vorhanden, da das Wasser gegeniAber Phenolphtalein leicht alkalisch war. Die gebundene CO2 wurde sofort nach der Entnahme mit ^/\q Salzsäure und Methylorange als Indikator bcstinnnt. Darnach war der Gehalt an Hydrokarbonation (HCO3') über dem Grunde und an dem Einfluß der Bösen Sieben am größten. Im freien Wasser stieg er von 257,9 (Oberfläche) auf 274,5 Litermilligramme (Boden). Der Sauerstoff war in den oberen Schichten 0 — 3 m in größerer Menge als in den tieferen Schichten 5 — 7 m enthalten, ebenso war das Oberflächen- wasser der pelagischen Zone des offenen Sees sauerstoffreicher als das- jenige der Buchten. In diesen litoralen Gebieten konnte in den Sommermonaten ein größeres Defizit an diesem Gase wahrgenommen werden. Binder-See. Einen ähnlichen Salzgehalt wie der Mansfelder See weist der be- nachbarte Binder See auf, welcher eine Einbruchsstelle des ehemaligen Salzigen Sees darstellt. Der Rückgang des Salzgehaltes hat sich dort in geringerem Maße vollzogen. Da ich dieses Wasserbecken in dem biologischen Teil der Arbeit des öfteren zum Vergleich herangezogen habe, so sei auch die chemische Beschaffenheit dieses Seewassers an- geführt. Es stimmt qualitativ vollständig mit den Analysen des Mans- felder-Seewassers überein, nur in den Mengenverhältnissen der gelösten Salze zeigt es geringe Unterschiede (Tab. VII). II. Teil. Biologie des Mansfelder Sees. Vorbemerkung: Geschichtliches über Planktonuntersvichungen des Sees und allgemeiner Charakter der Litoral- und Bodenfavma. Die faunistischen Berichte, die von diesem See bis jetzt vorgelegen haben, beziehen sich nur auf den planktonischen Inhalt desselben und haben kein tieferes biologisches Interesse. Die Abgelegenheit und die schlechten Bootsverhältnisse mögen dazu beigetragen haben, daß man diesem interessanten Gewässer selbst in neuester Zeit in faunistisch- biologischer Beziehung nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat. Die ersten Angaben verdanken wir Zacharias. In der 60. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, Wiesbaden 1887 berichtet er über die »Ergebnisse einer faunistischen Exkursion«, die 544 Friedrich Vollvinar C'olditz, er im Juli desselben Jahres an die beiden Salzseen unternommen hat^. Sie ist dadurch interessant, daß Zacharias dieselben Planktonarten des Salzigen Sees auch in dem jetzigen Mansf eider See feststellen konnte. Ferner fiel ihm schon damals hier die geringe Reichhaltigkeit der Fauna an Arten bei ungeheuren Individuenmengen im Vergleich mit holstei- nischen, mecklenburgischen und westpreußischen Wasserbecken glei- cher Größe und Tiefe auf. Später erwähnen Schmeil^ (1892) und Wagler^ (1912) den See in ihren Arbeiten als Fundort verschiedener Copepoden- bzw. Clado- cerenspezies. Weigold* (1908) führt ein massenhaftes Vorkommen von Leydicjia Leydigii (Schödler) in den von ihm im Schilfgürtel ge- machten Fängen an. Hierauf beschränkt sich die Literatur über das tierische Plankton des Sees. Über die pflanzlichen Mikroorganismen, soweit sie als Nahrung der Planktozoen in Betracht kommen, liegen keine Angaben vor. Zacharias berichtet von einem »ziemlichen Reichtum an niederen pflanzlichen Indi- viduen <<. Als negativen Charakter gibt er das Fehlen von Flagellaten an und erklärt diese Erscheinung durch die chemische Zusammensetzung des See Wassers. Zu dieser Ansicht wurde er sicherlich durch die Unzu- länglichkeit der damaligen Methodik geführt. Meine eigenen Angaben, auf vollkommenerer Arbeitsweise fußend, haben das Gegenteil ergeben. Litoral- und Bodenfauna. Leider konnte die Litoral- und Bodenfauna nicht in dem Maße, wie anfänglich beabsichtigt war, in den Gang der Beobachtung ein- bezogen werden. Ihre Darstellung soll sich in der Hauptsache auf die- jenigen Formen beschränken, die regelmäßig an der Grenze dieser bei- den biologischen Bezirke beobachtet wurden und von hier aus gelegent- lich in die Planktonregion vorstießen. Die litorale Zone des Sees ist auf den Schilf gürtel von Phrag- mites communis Tr. beschränkt. Sie entbehrt jeder weiteren Besiede- lung einer Sumpf- und Wasserpflanzenwelt. Die für norddeutsche Seen 1 Zacharias, O., Ergebnisse einer faunistischen Exkursion an den süßen und salzigen See bei Halle a. S. Tageblatt d. 60. Versamnilg. Deutscher Natur- forscher und Ärzte in Wiesbaden, 1887. 2 ScHMEiL, 0., Deutschlands freilebende Süßwasser-Copepoden. Bibl. Zoologica. Bd. IV und VIII. 1892 u. 1895/98. 8 Wagler, E., Faunistischc u. biologische Studien an freischwimmenden Cladoceren Sachsens. Bibl. Zoologica. CiiuN-Fcstschrift, 1912. * Weigold, Biologische Studien an Lyncodaphniden und Chydoriden. Int. Rev. d. gesamt. Hydrogr. u. Hy(lrol)i()l. Bd. III. 1910/11. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 545 SO bezeichnenden submersen Gewächse Ni/mphaea, Nuphar, Potamo- geton, Polygonuni, und Ceratophyllum usw. fehlen hier. Das reich ent- wickelte »Schilfrohr hat mit seinem weit ausgreifenden Khizoni diese Pflanzenformationen bereits verdrängt. Der Seeboden ist zwischen den PÄra^wiites-Beständen verschlammt und reichlich durchsetzt von organischem Detritus. Infolge dieser monotonen Ufervegetation findet sich eine sowohl in quantitativer wie qualitativer Beziehung nur ärmlich entwickelte spezifisch litorale Tierwelt vor. In vereinzelten Exemplaren wurden in den Fängen folgende Ver- treter der Uferfauna vorgefunden: Rotatorien: Rotifer vulgaris Schrk., Diaschiza grazilis Ehrbg., Brachionus ur- ceolaris 0. F. M., Notholca acuminata Ehrbg., Pornpholyx sulcata Gosse, Metopidia lepadella Ehrbg., Rhinops vitrea Gosse. Cladoceren: Cenodaphnia pulcheUa Sars., Alona quadrangularis 0. F. M. Copepoden: Cyclops bicuspidatus Claus, Cyclops viridis Jur., Cyclops languidus Sars., Cyclops serrulatus Fischer. Ostracoden: Cypris fiiscata Jur., Notodronias monaclia 0. F. M. Insektenlarven und Wassermilben waren in den Stocknetzfängen nur sporadisch nachweisbar i. In überwiegender Anzahl kamen im sommerlichen Benthos stets Chydorus spJiaericus 0. F. M. und Leydigia Leydigii vor. Letztere Form ist im allgemeinen nicht sehr verbreitet und nur selten in dieser Menge vorhanden. Regelmäßig mischten sich die bathylimnetischen Plankton- ten der pelagischen Zone zur Zeit ihres Auftretens der Uferfauna bei. Bosmina longirostris 0. F. M., Polyarthra platyptera Ehrbg., Anuraea aculeata Ehrbg., Anuraea cochlearis Gosse konnten an den schilfbe- * Von meinem Kollegen Herrn Cand. rer. nat. Willy Schuster wurden zur Zeit der Drucklegung dieser Ai'beit auf einer Exkursion an den See in den litoralen Distrikten einige Oligochaeten aus der Familie der Naiden kon- statiert. Es sind die Arten: Chaetogaster diaphanns Gruith., Chaetogaster diu- strophvs Gruith., Nais pardalis Piguet, Dero ohtusa Udek. und Stylaria lacustris L. Während die ersteren Naiden in ungeschlechthcher Vermehrung durch Tei- lung vorgefunden wurden, konnten von Stylaria 3 geschlechtsreife Exemplare angetroffen werden. Bemerkenswert ist ferner noch, daß im Bindersee diesel- ben Arten festgestellt ^vurden und außerdem noch 2 Exemplare von Nais Bretscheri Älichlsn., deren Vorkommen bisher nur aus der Schweiz bekannt war. 546 Friedrich Volkmar ("olditz, wachseneu »Stellen das ganze Jahr über zahlreich aufgefischt werden. Sie verhielten sich in ihrem Erscheinen und Verschwinden in der pela- gischen und litoralen Zone analog. Zeitweise waren diese Rotatorien in den Plankton- wie in den Uferfängen in fast gleicher Individuen- menge anwesend. Scapholeberis mucronata, von Wagler aus diesem Gewässer angeführt, konnte nie erbeutet werden. Ebenso sind die in der Faunenliste von Zacharias erwähnten Litoralformen in der Haupt- sache wohl dem Salzigen See zuzurechnen. Charakteristisch für den Mansfelder See ist das Vorkommen des typischen Brackwasserpolypen CordylopJiora lacustris Allm., der hier auffällig kurze Tentakel aufweist. Er bildet in einer Tiefe von etwa V2 ^11 3,n den älteren Schilfstengeln dichte Kolonien und ist an den Stellen zu finden, die stärkerem Wellenschlage ausgesetzt sind. Er kommt zusammen mit Plumatella reptans und zahlreichen Stöcken von Euspomjilla lacustris var. ramosa vor. Individuen von CristateJIa mucedo L. waren nicht selten. Da Mitteldeutschland außerordentlich arm an größeren Wasser- ansammlungen ist, so machen die Wasservögel auf ihrem Zuge nach dem Süden und umgekehrt hier häufig Station. Auch bietet das Phrag- mitetum günstige Bedingungen für eine Ansiedelung dar. Der Orni- thologe findet deshalb an diesem See eine seltene Vogelfauna 1 vor. Auf den angrenzenden Ufern, wo das Salz durch beständige Ver- dunstung in stärkerer Konzentration enthalten ist, hat sich neben einer reichen und interessanten Halophytenf lora ^ eine eigene Coleopterenwelt eingebürgert. Den Seegrund habe ich keiner eingehenden Untersuchung unter- zogen. Der schlammig-tonige Bodenabsatz, welcher infolge zahlreicher verwesender organischer Substanzen einen starken Geruch nach Schwe- felwasserstoff aufweist, bietet wahrscheinlich schlechte Lebens- bedingungen für die Entwicklung grundbewohnender Or- ganismen. Die dem Litoral angehörende Form Leydigia Leydigii konnte auch hier neben Amoeha Umax Duj., verschiedenen Nematoden und spärlichen Insektenlarven mit der Schlammdredsche nachgewiesen werden. Cyclops jimhriatus Fischer wurde vereinzelt in der Seeburger Bucht angetroffen. Der Bodenschlick enthält in der Uferzone zahlreiche, mitunter 1 Hierbei möchte ich auf die iSaiiunlung des bekannten Ornithologen Pfarrrer Kleinschmidt in Dcderstedt aufmerksam machen. 2 TCggees, H., Verzeichnis der in der Umgeb. von Eisleben beobachteten wildwachsenden Gefäßpflanzen. Eislebcn, 2. Aufl. Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 547 seltene Bacillariaceen, die sich teilweise aucli in den Planktonfängea aus der Tiefenschicht vorfanden. Herr REiCHELT-Leipzig hatte die Freundlichkeit, eine Schlammprobe einer genaueren Durchsicht zu unterziehen. Er konnte darin 38 Arten ^ feststellen, von denen das Vor- handensein von Campi/lodiscus hicostatus Ehrbg. und Nitzschia para- doxa Grün, bemerkenswert ist, weil diese Algen bisher nur aus salzhal- tigen Gewässern bekannt geworden sind. A. Spezielle Betraclituiig des Planktons. 1. Methode der Untersuchung. Zur Beschaffung des Planktonmaterials dienten als quantitative Fangapparate Pumpe, Schöpfflasche, Zentrifuge und Filter, Es ist schon genügend in der Literatur über diese neueren Fangmethoden ge- schrieben worden, so daß jede weitere Auseinandersetzung gespart wer- den kann. Erwähnen möchte ich nur, daß ein quantitatives Arbeiten in einem See, der in den Sommermonaten eine überaus reich entwickelte Wasserblüte besitzt, erst durch Einführung der Pumpe in die Plankton- technik ermöglicht wurde. Ich benutzte eine Saug- und Druckpumpe mit Klappenventilen, die auf einem hölzernen Dreifuß befestigt war und pro Minute 60 l Wasser förderte. Als Schlauch verwandte ich einen Gummischlauch von 30 mm Licht weite mit Spiraleinlage. Sein unteres Ende trug einen Trichter von 25 cm Durchmesser und 20 cm Länge. Er hatte den Zweck, die Organismen besser zur Schlauchöffnung zu leiten, indem er die ganze durch verschiedene Stromintensität sich auszeichnende Saugzone einschloß. Damit sollte einem Nachteil dieser Methode abgeholfen wer- den, den ihre Gegner immer wieder hervorheben. Das schwere eiserne 1 Amphora ovalis Kütz, Amphora pedicuhis Grün, auf Nitzschia sigmoidea sitzend, Cymhella lanceolata Heib., Cymbella tumida Breb., Encyonema ventri- cosum Ehrbg., Pinnularia viridis Kütz, Pinnularia maior Kütz, Navicula crypto- cephala Kütz, Navicula radiosa Kütz, Navicula cuspidata Kütz, Navicula sculpta Ehrbg., Navicula gracilis Kütz, Navicula anglica Ralfs, Pleurosigma attenuatum W. iSni., Cocconeis pedicuhis Ehrbg., Cocconeis placentula Ehrbg., Gomphoneina olivaceum Kütz, Rhoicosphenia curvata Grün., Epithemia Westermanni Kütz, Epithemia sorex, Rhopalodia ventricosa O. F. JMülI., Synedra vlna Ehrbg., Synedra delicatissimaW. Sm., Cymatopleura hibernica W. Sm., Cymafopleura elliptica W. Sm., Cymatopleura solea var. apiculata W. Sm., Nitzschia circumsela Gran., Nitzschia sigmoidea W. Sm., Nitzschia sigma W. Sm., Nitzschia hungarica Grün., Nitzschia (Bacillaria) paradoxa Grün., Campylodiscus clypeus Ehrbg., Camp>ylodiscus echeneus Ehrbg., Campylodiscus hicostatus Ehrbg., Surirella splendida Ehrbg., Surirella striatula Ehrbg., Melosira varians Ag., Cyclotella Meneghiniana Kütz (pelagisch). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII.'Bd. 36 548 Friedrich Volkniar C'okütz, Saugventil, an das der Trichter geschraubt war, diente zugleich als Ge- wicht für den Schlauch. Der Ausfluß der Pumpe wurde in einen eigens für diese Untersuchungen konstruierten weiten Filtrator aus Müller- Gaze Nr. 25 geleitet, aus dciu das Wasser in ein großes kalibriertes Zinkgefäß floß. Der Rückstand aus dem Filtrator wurde in graduierten Gläsern gesammelt und sofort durch Zusatz von Formoi fixiert. Die Untersuchungen wurden in Gestalt von Stichproben und Stufenfängen in einem Zeitintervall von je 10 Tagen ausgeführt. Es wurden für das Netzplankton 20 1 Wasser aus den folgenden Schichten gepumpt : Oberfläche — V2 ^ 1 m — 2 >> 2 » — 4 » 4 » — 6 >> 6 » — Grund. Die saugende Öffnung des Trichters wurde während des Fanges gleich- mäßig und langsam durch die betreffende Wasserregion geführt. Aus denselben Tiefen wurden alle 4 — 5 Tage AVasserproben von 1 1 mit der MAYEßschen Schöpfflasche für das Zentrifugenplankton ent- nommen. Sie mußten sofort in besonderen Zinkblechcylindern vor intensiver Belichtung und durch nasse Tücher vor starken Temperatur- schwankungen geschützt werden. Schon ein kurzes Stehenlassen dieser Schöpf proben ohne jene Schutzmittel brachte Veränderungen in der Quantität und Qualität dieser zarten Protisten mit sich. Je 10 ccm Seewasser wurden am Ufer 10 Minuten lang zentrifugiert, womit ich eine vollkommene Sedimentation erreichte. Es stand mir zu diesem Zwecke eine Handzentrifuge zur Verfügung mit 3500 — 4000 Umdrehungen pro Minute 1. Die Filtriermethode (gehärtete Faltenfilter der Firma Schleicher u. Schüll) kam nur für die Kolonien der wasserblütebildenden Algen, welche sich nicht zentrifugieren lassen, zur Verwendung. Für das Zentrifugenplankton werden durch Filtrieren, wie Woltereck schon in Lunz gezeigt hat, keine brauchbaren Werte erzielt. Die in unzähhgen Mengen auftretenden jungen MicrocystisStadien und die Alge Pleu- rococcus 'punctiformis, ebenso wie Schwärmsporen und die Cyclotella 1 Diese Zentrifuge »JMedico G « mit doppeltem Antrieb von der Fa. Hügers - HOFF, Leipzig, eignet sich sehr gut zu derartig planktologisclien Ai'beiten an ab- gelegenen Gewässern, wo man weder die bequemere Turbinen- noch Elektro- motorzentrifuge verwenden kann. Bei Handzentrifugen von geringer Tom*enzahl ist bedeutend längere Zentrifugierdauer nötig ! Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 549 h/jalina konnte ich nur in unkenntlicliem Zustande und in verhältnis- mäßig geringer Anzahl nachweisen. Die Fänge wurden vor Ase leben an der tiefsten Stelle des Sees ausgeführt. Die Lage derselben war durch Boje markiert (cf. Karte ]jr[). Die Entnahme der Proben geschah über ein Jahr lang regelmäßig in den festgesetzten Zeitintervallen vom verankerten Boote aus. Ungünstige Wind- und Eisverhältnisse zwangen mich, in den Monaten Januar, Februar und November, Dezember 1912 geringe Einschränkungen in den programmäßigen Fahrten eintreten zu lassen. Das gewonnene Material wurde auf dem Zähl-Objektträger, bez. der Zählplatte einer genauen qualitativen und quantitativen Bestim- mung unterworfen!. Die hohen Individuenzahlen erschwerten die Zählung ganz beträchtlich. Es durften trotzdem die verarbeiteten Wassermengen nicht noch weiter reduziert werden, um daraus ent- stehenden Fehlerquellen vorzubeugen. Das Zentrifugensediment wurde je nachdem auf y^o bis 2 ccm verdünnt und möglichst gleichmäßig verteilt. Dieser Menge wurde ein Flüssigkeitsquantum von V25 ^c™ entnommen und auf die in ihm vorhandenen Individuen durchgezählt (Vergrößeruug 500, Leitz Obj. 5, Ok. 4). Es \M.irden von jedem Einzelversuch jeder Versuchsserie zwei bis drei Stichproben durchgezählt, der Durchschnitt bestimmt und auf das Ganze zurückgeschlossen. Mitunter mußte eine Betäubung der Organismen durch Osmiumdämpfe oder Chloralhydrat vorge- nommen werden. Die quantitativ-qualitative Analyse des Netzplanktons wurde in analoger AV'eise ausgeführt. Das Flüssigkeitsvolumen, auf das die Probe nach ein- bis zweitägiger Sedimentation gebracht wurde, schwankte je nach der Individuenmenge zwischen 3 — 8 ccm, sodaß möglichst viele Planktonten gezählt wurden und auch die in geringerer Anzahl im Fange vorhandenen eine genaue Berücksichtigung erfahren konnten. Es \vurden V2 ccm von dem Gemische mittels Meßpipette auf die Zähl- platte gebracht (Vergrößerung 56, Leitz Obj. 2, Ok. 4) und die Tiere in Zählprotokollen eingetragen. Von den nur in geringer Anzahl vor- handenen Exemplaren wurde der ganze Fang durchgezählt. Berücksichtigt ^^^lrden sämtliche lebende Zooplanktonten des Sees, wobei auch Alterszustände und sexuelle Verhältnisse qantitativ fest- gelegt wurden. Eine Unterscheidung war hier oft mit Schwierigkeiten verbunden. Bei dem Zentrifugenplankton wurden nur die plasma- 1 Zur Untersuchung wurden teilweise der bewegliche Zähltisch (ZwiCKERT, Kiel) und das Zählmikroskop nach Mensen benutzt. 36* 550 Friedrich Volkinar C'olditz, erfüllten Exemplare der Bacillariaceen in die Zählung einbezogen. Die leeren Schalen fanden keine ]3erück.sichtig-ung. Cyclops strenuus und Cyclops Leuckarti, ferner sämtliche Jugendstadien der Copepoden wur- den in je einer Kategorie zusammengezählt, da eine genaue Unterschei- dung der einzelnen Arten bei der ohnehin schon langwierigen Zählarbeit nicht durchführbar war. 2 a. Zusammensetzung des Netzplanktons. Planktonliste. Rotatorien. Anuraea aculeata Ehrbg. Anuraea cochlearis Gosse. Polyarthra 'platyptera Ehrbg. Triarthra terminalis Plate var. maior nov. var. (Colditz). Brachionus angularis Gosse var. hidens Plate Brachionus pala Ehrbg. Asplanchna priodonta Gosse. Asplanchna brightivelli Gosse. Synchaeta pectinata Ehrbg. Cladoceren. Daphnia longispma 0. F. M. var, longispina-galeata. Diaphanosoma hrachyurum Liev. Bosmina longirostris 0. F. M. Chydorus sphaericus 0. F. M, Leydigia Leydigii Schödler. Copepoden. Diaptomus salinus Daday. Cyclops strenuus Fischer. Cyclops Leuckarti Claus. Diese Übersichtstabelle zeigt, daß die Pianktonfauna des Mans- felder Sees nicht so mannigfaltig ist, wie diejenige der norddeutschen Wasserbecken von gleicher Größe und Tiefe. Es fehlen hier viele For- men, welche in allen kleineren und größeren Gewässern dort angetroffen werden. Die vorhandenen Planktonten sind sämtlich Vertreter des reinen Süßwassers, bieten aber durch ihren geringen Artenreichtum bei auffallend hohen Individuenzahlen An- klänge an die Brackwasserfauna dar. Sicherlich haben die Schwan- kungen des Salzgehalts auf die Entwicklung der empfindlicheren Or- ganismen nachteilig gewirkt und sich nur solche Formen erhalten, bzw. Beiträge ziu" Biologie des Mansfelder Sees usw. 551 ueu angesiedelt, welche sich den erheblichen Veränderungen dieser Lebensbedingungen anzupassen vermochten. Das vorstehende Ver- zeichnis zählt neun Arten Rotatorien auf, wovon Zacharias nicht eine anführt, fünf Arten Cladocereu, die durch diesen Forscher, ferner durch Wagler und Weigold aus dem Wasserbecken bekannt sind und drei Copepodenspezies. Schmeil erwähnt nur Cyclops Leuckarti und Dia- ptomus salinus. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß er auch Cyclops strenuus, über den er keine speziellen Fundorte angibt, und den ich als Hauptrepräsentanten der pelagischen Cyclopiden des Sees nachweisen konnte, hier vorgefunden hat. 2b. Biologische und morphologische Bemerkungen zu den Planktonten mit besonderer Berücksichtigung der Periodizität. Die Beobachtung der einzelnen Netzplanktonspezies hat in diesem Gewässer verschiedene Abweichungen von den Funden aus andern Seen ergeben. So zeigten die Individuen in ihrem jahreszeitHchen Auf- treten hier teilweise ein andres Verhalten. Da die Periodizitätsverhält- nisse der einzelnen Planktonten noch keineswegs geklärt sind, sei mir gestattet, im Folgenden etwas näher darauf einzugehen. Einen raschen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der Zähltabellen geben die LoHMANNschen Kugelkurven i, auf welche ich in betreff der genaueren Daten bei diesen quantitativ- vergleichenden Studien hinwei- sen möchte. Rotatorien. Diese überwogen im Plankton nach Anzahl der Arten. Anuraea aculeata und Polyarthra platyptera konnten während des ganzen Jahres festgestellt w^erden. Anuraea cocJdearis, Brachionus angularis var. bidens und Asplanchna priodonta waren wenige Monate nicht nach- weisbar, womit nicht gesagt sein soll, daß diese Rotatorien fehlten, sondern nur, daß sie sich infolge ihrer geringen Individuendichte der Beobachtung entzogen. Brachionus pala, Synchaeta pectinata und Asplanchna hrigthicelli ^vurden sonderbarerweise nur wenige Wochen in wahrnehmbarer Menge vorgefunden. Triarihra terminalis var. maior war in den Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonaten im Plankton anwesend. Anuraea aculeata (Fig. 3). Die höchste Individuenzahl wurde Ende Februar unter dem Eise erreicht (29./II. Mittelwert 23 700)2. Eine weitere maximale Entfaltung konnte Mitte Juli (22./VI. Mittel- 1 Cf. Erklärung zu den Planktonkurvcn S. 629. 2 Mittelwert für die Individuendichte in 20 Liter Seewasser, berechnet zum Vergleiche mit den Fangzahlen aus anderen Gewässern. 552 Friedrich Volkinar f'olditz. wert 3300) und Mitte September (19./IX. Mittelwert 1700) beobachtet werden. Anuraea ist in den meisten Seen Sommerform (Plöner-, Dobers- dorfer See). Nur Laüterborx erwähnt sie im Winter »sehr häufig in allen Gewässern«. In den Lauerschen Teichen in der Nähe von Leipzig fällt das Maximum in den Mai. Die Sommerindividuen waren kleiner als diejenigen des Winters. Die Länge der Mediandornen variierte zwi- jj /3W0032 31 30 29 8800028 21 26 25 55000 2't 22 22 21 12000 20 19 18 n moo 16 15 n 13 7000 12 11 10 9 2000 8 7 6 5 250 h 3 2 1 Fig. 3. .Tahrescyclus von Amiraea aculeala Ehrbg. sehen 34 und 45,«, die Panzerläuge zwischen 125 und 160^, die Breite des Panzers zwischen 80 und 108 u, die Länge der Hinterdornen zwi- schen 79 und 100,«. Polyarthra platyptera (Fig. 4) wies zwei dicht aufeinanderfolgende Hauptmaxima im Mai (21./V. Mittelwert 7200) und Juni (21. /VI. Mittelwert 13500), ein kleines Nebenmaximum im Juli und eine dritte stärkere Entfaltung im September-Oktober auf (30./X. Mittelwert 4300). Die Zahlen von Mitte Dezember bis Anfang Mai lassen eine Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 553 deutliche Mininmmperiode erkennen. Nach der Literatur ist von diesem Rädertier in Seen nur ein jährliches Maximum bekannt. Es liegt im Oberen Zürichsee und Katzensee im September, Ncuenburger und Fig. 4. •fahrescyclus von Pohjartlira platyptera Ehrbs. 2000 8 7 6 5 250 H 3 2 7 /0/^2/. 31 %19 29. n^l1 1^13.2030 11/^21. 31. 11/^21 t^U. 22 31. 11^ 3! 9^9 30. 10^20 30 %30. 16^ Fig. 5. Jahrescyclus von Triarthra terminalis Plate var. maior nov. var. Montiggler Seen im Juni, Plöner-, Dobersdorfer- und Vierwaldstätter- see im Juli und August. Im Gi-reifensee und Luganer See fehlt Po- lyarthra in den Wintermonaten. Triarthra terminalis var. maior nov. var. (Fig. 5) ist ein ausge- sprochener Winterplanktont. Von Anfang Mai bis Ende August war er 554 Friedrich Volkmar Colditz, nicht nachweisbar, die maximale Produktion erreichte er im Februar (9./II. Mittelwert 250). Er unterscheidet sich von Triarthra termi- nalis, die nur aus wenigen Wasserbecken bekannt ist (Czardamerower See in Pommern, Gewässer in der Nähe von Bonn), durch die Größe der Form, zeigt aber mit ihr Übereinstimmung bezüglich der Inserie- rung des Hinterdornes und der kaum wahrnehmbaren Zähnelung der Vorderdornen (Fig. 6). In der Größe gleicht diese Triarthra vollkommen der Triarthra longiseta Ehrb. Messungen an zahlreichen Individuen ergaben im Mittel folgende Dimensionen : Körper 162» Seitliche Borsten 387 u Hintere Borste 325 ,«. Triarthra longiseta tritt im Gegensatz zu jener Art hauptsächlich im Sommer auf. Im Plöner See kam sie in bedeutenderen Mengen nur in den Monaten Juni bis November, im Luganer See vom Mai bis Juni vor. In den Lauerschen Teichen fehlte sie im Winter voll- kommen. Die Periodizität von Triarthra terminalis Plate ist leider nicht genauer bekannt. Oh in dev Triarthra des von mir untersuchten Gewässers eine Übergangs- form von Tr. terminalis zu Triarthra longiseta vorliegt, kann ich nicht entscheiden. Wahrscheinlich kommt diese Form auch noch in anderen Gewässern vor, ist aber bisher einfach mit Tr. longiseta identifiziert worden. ßrachionus angularis var. hidens (Fig. 7) verlegte die maximale Ent- wicklung ebenfalls in die kälteren Monate (Januar bis Anfang Mai). Hauptmaximum am 30. April (Älittelwert 26 900), ihm ging ein Neben- maximum am 31. Januar (Mittelwert 5900) voran. Von Mitte Mai bis Anfang September trat diese Spezies nur vereinzelt auf, im Juli Iconnte überhaupt kein Exemplar erbeutet werden. Eine Zunahme der Indi- Fig. (5. Triarthra terminalis Plate var. maior nov. var. Vergr. 290. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 555 viduenzahl trat erst wieder im September ein. Dieser Brachionus hat in dem Plankton der Seen, soweit diesbetreffende Untersuchungen vor- liegen, nie so hohe Zahlen erlangt. Er kam im Mansfelder See aus- schließlich in der var. hidens Plate vor. Anuraea cochlearis Gosse (Fig. 8) war im Winter nur spärlich ver- treten, fehlte von März bis Mitte Juli und erreichte ihre maximale /^//J/^^;^/5 n^2f 1^^1320.30. 11^2131 n^lt^l 22.31 11^313/^9 30.10^20 30 15^30. 7^ Fig. 7. Jahrescyclus von Brachionus angularis Gosse var. hidens Plate. Volksdichte September bis November (15./XI. Mittelwert 11 700). In ähnhcher Weise verlief die Jahreskurve im Luganer See. Aus dem Plöner-, Dobersdorfer,- Neuenburger-, Züricher See ist Anuraea coch- learis als typischer Sommerorganismus bekannt. Im Moritzburger Groß- teich bei Dresden, welcher das dem Mansfelder See am nächsten gele- gene größere Gewässer ist, von dem wir etwas Näheres über die tem- porale Verteilung der Planktonorganismen wissen, hatte diese Art in 556 Friedrich Volkmar Colditz, den kältesten Monaten ihr Maximum. Dasselbe wird aus den Montiggler Seen berichtet. Im Katzensee und Lac d'Annecv war sie im Mai am 26 25 2't 23 22 21 32000 20 19 18 n mOO 16 !5 n 13 mo 12 II w 9 2000 8 7 6 5 250 't 3 2 I 0 Fig. 8. Jalirescyclus von Anuraea cochlean's Gosse. 21 20 19 18 17 moo 16 15 /« 13 7000 12 11 10 9 2000 8 7 6 5 250 H 3 2 1 10/^21. 31 9^19 29 11/^21 /^ 1120 30 11^21 31 11^21 1^11 22 31 11^9 31 9^^19 30 70^20 30 15^ 30 Fig. 9. Jahrescyclus von Asplanchna priodonta Gosse. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 557 zahlreichsten. Nach dem Winter zu zeigte sich im Mansfelder See bei dieser Form ebenfalls die Tendenz zur Verlängerung des Caudalstachels. Die Extreme der Mittelmasse von August- und Dezember-Individuen waren 51 u und 72 a. Asflanchna priodonta Gosse (Fig. 9) erreichte im November ihre be- deutendsten Zahlen (15./XI. Mittelwert 6200). Sie war Februar — Juni im Plankton abwesend. Im September — ^Dezember 1911 war sie im Gegensatz zu 1912 nur vereinzelt in den Fängen enthalten. Es wurde diese Erscheinung durch die ungünstigen Nahrungsverhältnisse 'rCOO 10 9 2000 8 7 6 5 't 3 2 1 0 10. V^ 21 £1 9^19 29 U/^21 1^ 13 20.30 11^21 31 1,^^21 1.^1 22 31. n./^9. 31 9^19. 30. 10.^^20. 30 /5^ 30 /.^ Fig. 10. Jahrescyclus von Asplanohna brifjMivelli (Josse. tOOO 10 9 2000 8 7 6 5 250 h 3 2 1 10^2131.9^19 29. 11^21. 1^ 11 20 30. 11/^21. 3L 11^^21 I^U. 22 31.11^9 31. 9^9. 30. 10.^^20.30. 15^^30. 16.^ Fig. 11. .Tafirescycliis von Synchaeta pectinata Ehrbg. ZU dieser Zeit bedingt. Asflanchna gilt in vielen Seen als Leitform für das Winterplankton (Alpenseen). In Norddeutschland wurde das Maximum im Juli beobachtet. Männchen konnte ich in wenigen Exemplaren Ende Oktober nachweisen, ebenso konstatierte ich bei dieser wie bei der folgenden Art vereinzelt Latenzeier. Asplanchna hrigthtvelli Gosse zeigte sich in meinen Fängen zum ersten Male Mitte April. Kurz nach ihrem Erscheinen erreichte die Kurve (Fig. 10) ihren Hochstand, aber ebenso rasch wie sichÄsflanchna entwickelte, vollzog sich der Abfall. In den übrigen Monaten wurde 558 Friedrich Volkmar Colditz, sie im Plankton nie vorgefunden. Sonderbarerweise komite Thall- wiTz das Auftreten dieser Spezies im Moritzburger Großteich zu genau derselben Zeit feststellen. Die folgenden Rotatorieu ^^nlrden ebenfalls bloß auffallend kurze Zeit beobachtet. Sie erlangten nur geringe Prodiiktions werte. Sijnchaeta pectinata Ehrbg. (Fig. 11) war von September bis Anfang Dezember vertreten (lO./X. Mittelwert 550). In den däni- schen Seen, im Plöner See und in den Altwässern des Rheins ist dieser Planktont perennierend, namentlich zahlreich im Frühjahre. Das- selbe gilt von dieser Art in verschiedenen Alpenseen (Montiggler Seen). Im Katzensee und Luganer See beschränkte sich ihr Vorkommen auf die Winter monate. Fuhrmann fand das Maximum im Neuenburger See zur Zeit der stärksten Erwärmung des AVassers, im August. Eibildung habe ich nur in beschränktem Maße feststellen können. Das Auftreten dieser Form fiel mit dem Maximum von Cyclotella Meneghiniana zusammen. SOG 5 250 h J 2 1 % "■ ^'- ^i '9- ^^- %" 'k '^ ^" ^'- V- ^'- %^' 'k "• '' " V ^' W^- ^° "'^"' ^' % ^" % Fig. 12. Jahreseychis von BracMonus pala Ehrbg. Brachionus pala Ehrbg. (Fig. 12) wurde im April und Mai zur Zeit der ersten Entwicklungsperiode von Microcystis (30./IV. Mittelwert 60) angetroffen. Im Moritzburger Großteich war dieses Rädertier eben- falls nur jene kurze Zeit nachweisbar. In den meisten kleineren Ge- wässern wurde dieser Brachionus perennierend mit einem Frühjahrs- und Herbstmaximum vorgefunden. Er trat im Plankton stets in der typischen Form auf, während in den Uferfängen gelegenthch auch Exemplare der forma amphiceros (Ehrbg.) gesehen ^vurden. Cladoceren. Nur drei Formen dieser Gruppe nehmen an der Zusammensetzung dieses Seeplanktons teil. Bosmina longirostris, Daphnia longispina var. longispina-galeata hielten das ganze Jahr über aus, DiapJmnosoma tnachyurum kam nur in den Sommermonaten vor. Mit Ausnahme von Bosmina waren die Unterschiede der Maxima und Minima der Jahres- cyklen der beiden andern Formen naturgemäß nicht in dem Maße aus- geprägt wie bei den Rotatorien. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 559 Bosmina longirostris 0. F. M. Die Netzfänge ließen ein Haupt- maximum im Mai (21. /V. Mittelwert 32 500) und eine Periode maxi- maler Entwicklung erkennen, die Anfang Juli nach der maximalen Entfaltung von Pleurococcus punctiformis einsetzte und ihr Ende An- fang November erreichte (19./IX. Mittelwert 12 500). Die Kurve (Fig. 13) zeigt viele Schwankungen. Das zahlreiche Vorkommen dieses W^ ?f. 31 9/^ n. 29. n^2,. 1^ 13. 20. 30.lly^2l. 31 1,^21. ,^11. 22. 31. 11^9. 31 3./^19. 30. 10^20. 30. 75^ 30. fS^ Fig. 13. Jahrescyclus von Bosmina longirostris O. F. M. Krusters im Winter beweist, daß dem Einfluß der Temperatur auf seine Periodizität keine direkte Bedeutung zukommt. Burckhardt, Bally und Brutschy berichten sogar, daß derselbe in den Alpenseen die kalte Jahreszeit bevorzugt. Im Plöner See fand Apstein ihn im Juli am häufigsten. Die Formvariation dieser Bosmine, die sich hier über- einstimmend wie in den übrigen Gewässern verhielt, wird am besten 5G0 Friedrich Vollviiiar Colditz, von Wesenberg geschildert. Das Variationsmaximiim der mittleren Körpergröße \vnrde im Mai zur Zeit der stärksten Fortpflanzung beob- achtet. Die sämtlichen Fänge wiesen nur Weibchen mit Sommereiern auf, Männchen kamen vereinzelt Mitte Oktober bis Mitte Novem- ber vor. Daphnia longispina 0. F. M. var. longisfina-galeata (Fig. 14) er- reichte ihre höchste Individuenzahl gleichzeitig mit Bosmina im Mai (31./V. Mittelwert 6100), ein zweites Maximum im Juli (1./\T:I. Mittel- wert 1250). Sie überdauerte den Winter selbst unter dem Eise in noch beträchtlichen Mengen. Aus dem Verlauf der Jahreskurve könnte ver- mutet werden, daß höhere Wärmegrade die Entwicklung dieser Art Vy^2t. 31 9/^19 29 U^^Zl 1^73 20 30 1,^2, 31 11^21 J^^V 22 31 ff/^9. 3, 9.^^n 30 10/^20 30. 15./^ 30 Fig. 14. Jalirescyclus von Daphnia lomjispina O. F. M. var. longispina-galeata. begünstigten. Daß diese Erscheinung noch andre Gründe hat, beweist die gleichzeitige Beobachtung der Ernährungsverhältnisse. Die ge- ringere Individuendichte im Winter ist sicherlich nach meinen Kultur- versuchen auch eine Folge des geringeren Nahrungswertes der Cyclotella liyalina für größere Planktonten. Ephippialweibchen fand ich nie vor, dagegen im Mai und Juni sowie im Oktober und November ver- einzelte Männchen. Da ziemlich viel Material untersucht ^vurde, muß man aimehmen, daß Ephippien in dem Beobachtungsjahre sehr wenig oder überhaupt nicht gebildet wurden. Die Männchen von Dafhnia ebenso wie diejenigen von Bosmina scheinen einen Grenerations Wechsel nicht eingeleitet zu haben. Es ist sicher nicht ausgeschlossen, daß bei diesen Formen gelegentlich in beschränktem Maße AVintereier gefun- den werden. Sie haben wahrscheinlich nur infolge der Konstanz der Beiträge zur Biologie des Mansf ekler »Sees usw. 561 Lebensbedingungen im See, die in erster Linie durch die dauernd reich- haltige Nahrung geboten ist, die Gewohnheit, in regehnäßigen Inter- vallen Ephippien zu bilden, aufgegeben. Wagler hat die Daphiia des Mansfelder Sees in seiner Arbeit bereits kurz skizziert : »Sie zeichnet sich vor den übrigen Formen dieser Art durch fast rundes Rostrum, geringe Größe, kleinen, wenig breiten behelmten Kopf und einen winzigen Augenfleck aus, der mitunter kaum nachzuweisen ist und diese Daphnia der Daphnia cucuUata sehr nahe bringt. << Ich möchte zur weiteren Charakterisierung hinzufügen, daß die Riechstäbchen der Vorderfühler am mittleren Abschnitte des Rostrums sitzen, ferner auf die konstant kleine Zahl der Abdominal- krallen (7 — 9) hinweisen. Die Temporalvariationen dieser Daphnia waren deutlich aus- geprägt, und zwar in ähnlicher Weise wie bei der Daphnia longispina des Moritzburger Großteiches. Fast jedes Gewässer zeigt eine eigne Cyclomorphose dieser Art, die sich unter dem Einfluß der verschie- denen Existenzbedingungen herausgebildet hat. In neuerer Zeit wird, durch die Revision der Daphniensystematik bedingt, diesen Verände- rungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Im Januar- bis Märzplankton fanden sich nur typische lotigispina- Formeu mit rundem Kopf, schwach entwickelter Crista und stumpfem Rostrum vor, ebenso in der ersten Hälfte des April. Von Mitte dieses Monats an traten in wenigen Exemplaren junge Individuen hinzu, die alle helmartig zugespitzte Scheitel zeigten. Zu derselben Zeit wiesen die älteren Formen eine spitzere Gestaltung des Rostrums und eine stärkere Ausbildung des Kopfkieles auf, wodurch das Auge weiter entfernt von der Kopfkontur zu liegen kam. Das relative Verhältnis von Kopf- höhe zu Schalenlänge war im Mai zur Zeit der höchsten Abundanz am ausgeprägtesten. Juni und Juli überwogen die jüngeren gaIeata-¥ onweu, während die ungehelmte Altersvariation zurücktrat. Nach dem Herbste zu wurde die Ausbildung der Helme schwächer. Vom Oktober ab wurden nur noch rundköpfige Formen mit geringem Auge-Scheitel- abstand angetroffen. Gleichzeitig stieg das relative Verhältnis von Kopfhöhe zu Schalenlänge der erwachseneu Individuen zu einem zweiten Maximum an. Wir haben somit hier eine zw ei gipfelige Variations- kurve. Ob ihr Verlauf nach den Beobachtungen Wolterecks mit den Emährungsverhältnissen im Zusammenhange steht, konnte ohne weiteres nicht festgestellt werden. Die Individuen des Mai wiesen von allen Saisonformen die bedeutendste Größe und den beträchtlichsten Schalenumfano- auf. 562 Friedrich Volkmar Colditz, Da mir aus allen Monaten des Jahres Material zur Verfügung stand, so habe ich in Fig. 15 verschiedene Saisonformen dargestellt. Die Unter- schiede in den Größenverhältnissen während der einzelnen Monate geben die Messungen in Tab. VIII wieder. Sämt- liche in den Fängen der betreffenden Monate enthaltenen erwachse- nen Exemplare wurden nach WoLTEKECKs Meß- methode behandelt. Diaphanosoma hra- chyurum Liev. Die typische monocyclische Sommerform beteiligte sich vom Juni bis Okto- ber an der Zusammen- setzung des Planktons. Die Jahreskurve (Fig. 16) verläuft ziemlich gleichmäßig. Am 2. Juni trat diese Sidide zum ersten Male in größerer Zahl auf, erreichte in den Sommermonaten Juli und Au2;ust ihre höchsten Werte Fig. 15. Saisonformen der Daphnia longispina O. F. M. var. longispiiiu- galeata (Mansfelder See). Vergr. 25. a, Mai : b, August: c, Olvtober. 11000 vt /3 7000 12 It 10 9 2000 8 7 6 5 3 2 1 0 Fig. 16. Jahrescyclus von Diaphanosoma hrachyurum Liev. (ll./VIII. Mittelwert 1750), ein Nebenmaximum folgte Ende Sep- tember (30./IX. mittl. Dichte 1450), worauf sie plötzlich aus dem Plankton verschwand. Ihr Auftreten fiel zusammen mit dem Erschei- nen der Grünalge Pleurococcus functiformis. In dem heißen Sommer und Herbst 1911 erreichte die Abundanzkurve von Diafhanosoma eine Beiträge zur Biologie des Maiisfelder Sees usa\-. 563 o o CM CM CO CO 1-1 (M c^ TU ^M o CM CO CO Tt< CO CM CO 1-1 ■* 1—1 CO CO tH ^t^ Ol s lO on ^ CO ir-l CO T-l ^M Od S '^ oiH CO CO CO CO (M o CO iH i-i CO CO o o CO »— ( CM tH .. f^ (M aj . 1— ( ■iH CO CO CO CD 00 1-1 T-l -Hk, (M lO CO . I-H CO (-> lO CO iH CM T— 1 CO lO r- 1-1 CO CO . t-H in CO er, CO CM -> (M «o CO CM CO ■.—1 CO o CO CO GM CM T-l ^ CO GO tH tH (M *^ CO t> CO CO >o m CO I>- co tH ^> rS S !> CM lO CO CO T-l CO f_( CO CO '^ o ^ ar> 00 T— 1 T— 1 h- 1 CM c- CO CO 3 £> 3 bO a :5S 3 ' a C15 IH !3 t 3 0) n £> c3 bC fJ o- a ca Q •^ :0 ^ OQ .bi :o ä a -M rf3 Ol _® s o OS CS es -a ^ XD CJ C5 ^ 05_ CO Ski T-l co" SM T-l co" 1— 1 00 CO' 21. VIII. 00 co" CO Cvl f> CM ^> CO T-! H CM >. 00 cm" T-H k^' CM >■ C<] CO j— 1 ^ ^ a CO a X Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 37 564 Friedrich Volkmar Coklitz, größere Höhe, und war diese Art bedeutend längere Zeit (bis Ende No- vember) in den Netzen nachweisbar. Ihr Entwickkingscyclus, der von der Temperatur abhängig ist, verHef ähnUch wie in den übrigen Seen. Zunächst waren nur Weibchen vorhanden, die sich parthenogenetisch fortpflanzten. Mitte September erschienen die Männchen, die bald die \\'eibchen an Zahl übertrafen. Zu gleicher Zeit waren letztere zur Winter- eibildung übergegangen. Ende Oktober wurden nur noch Männchen gefangen. In der litoralen Zone traten erwachsene Exemplare von Diaphanosoma nie auf. Ebenso wird berichtet, daß diese Form in der Regel kleinere Gewässer meidet. Im Binder See, der dem Mansfelder See bei annähernd gleicher Tiefe an Ausdehnung bedeutend zuriick- Fig. 17. Vorkommen von Chydorus sphaerims O. F. M. in der pelagischen Zone. WO 3 30 2 1 f^2l.3l9,^19.29.n^2l.,^^in0M1t^2UU!^U^n.22.Jr^ 15^30 m^ Fig. 18. Vorkommen von Leydigia Leydigii ScluJdler in der |)elagischen Zone. steht, konnte ich sie sonderbarerweise nur in wenigen Exemplaren er- beuten. Da dieser Planktont ein ständiger Bewohner der kleinen Teiche der Umgebung von Leipzig ist, kann die Größe des Gewässers bei seiner Ansiedlung, bzw. Entwicklung in erster Linie keine ausschlaggebende Eolle spielen. Zur Vollständigkeit der Cladocerenplanktonlii^te des Sees müssen noch zwei Arten aus der Familie der Chydoriden angeführt werden. Sie fanden sich das ganze Jahr über regelmäßig in geringen Mengen, teilweise auch nur in vereinzelten Exemplaren in der pelagischen Zone vor. Chydorus sphaericus 0. F. M. war im Frühjahr und Herbst, Ley- digia Leydigii Schödler in den wärmeren Monaten am häufigsten. Ein zahlreiches Auftreten im Plankton verriet jedesmal eine maximale Entwicklung im Litoral. Die Periodizitätskurven (Fig. 17 u. 18) zeigen einen unregelmäßigen Verlauf und nur geringe Maximalziffern. Diese Formen sind deshalb für die späteren Erörterungen über die Ernährungs- Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 565 frage niclit mit in Betracht gezogen worden. Chydorus sphaericus kann als semipe lagischer, Leydigia Leydigii als erratischer Planktont des Mansfelder Sees aufgefai3t werden. Höchst merkwürdig erschien schon Zacharias die Abwesenheit von Leptodora Lilljeborg in diesem Wasserbecken. Die in ganz Nord- deutschland sehr verbreitete Cladocere, die in allen größeren Nachbar- gewässern häufig vorkommt, fehlt hier vollständig. Der Salzgehalt des Seewassers bietet dafür allein keine ausreichende Erklärung dar, da Chun zahlreiche Exemplare im Frischen und Kurischen Haff nach- gewiesen hat. Als Ursache wird die Verschmutzung des Seewassers durch Detritus mit in Frage kommen, da von dieser Gattung im all- gemeinen reines Wasser bevorzugt wird. Copepoden. Von den drei pelagischen Copepodenspezies im See sind das ganze Jahr über vertreten Diaptomus salmus und Cyclops strenuus, dazu ihre Jugendstadien, die Nauplien. Cyclops Leuckarti war nur Sommerplank- tont. Die Hauptentfaltung beider Genera fiel in verschiedene Zeiträume. Für den Mansfelder See ist in erster Linie das Vorkommen des Diaptomus salinus von Daday charakteristisch. Er ist nach Schmeil und Brauer- VAN DouwE in Deutschland nur aus diesem Gewässer bekannt. Da dieser Copepode Bewohner der Salzseen von Algerien ist und in einigen, wahrscheinlich ebenfalls salzigen, außerdeutschen Binnengewässern vorkommt, so nahm man dieser Verbreitung zu- folge lange Zeit an, daß Salzhaltigkeit des Wassers für ihn eine not- wendige Existenzbedingung sei. Man hat ihn deshalb als typische Salzwasserform beschrieben. Sars bezeichnet ihn als »einen an das Salzwasser angepaßten Diaptomus hacillifer Koelbel «, dem er verwandt- schaftlich sehr nahesteht. Erst in jüngster Zeit ist diese Art nach van DouwE in Asien auch in vollkommen süßem Wasser gefunden worden, sie ist identisch mit dem von Sowinsky autgestellten Diaptomus cau- casicus. Eine genaue Beschreibung des Diaptomus salinus findet sich bei Schmeil 1, auf die ich hier verweisen möchte. Ihr will ich noch einige Bemerkungen hinzufügen. »Das drittletzte Segment der Vorderantenne beim Männchen ist in einen stilettartigen Fortsatz ausgezogen, der nach dem apikalen Ende zu nur wenig an Stärke abnimmt und das nachfolgende Glied an Länge übertrifft.« Ich habe nie beobachten können, daß dieser Fortsatz die Spitze des Endgliedes überragt, wohl 1 Schmeil, O., Deutschlands freilebende Süßwassercopepoden. 37* 566 Friedrich Volkmar Colditz, aber, daß seine Länge stark variiert (zwischen 61 und 79 u beim er- wachsenen Exemplar). Ebenso variiert beträchtlich der für diese Form charakteristische zweite Vorsprung der mittleren Partie des Exopoditen vom V. Beinpaar beim Männchen (Variationsextreme 1912 beobachtet 30 und 50;«; s. auch Fig. 19) Der Eiballen enthielt im Vergleich zu den Cyclopsarten stets eine relativ geringe Anzahl von Eiern, deren Größe aber weit beträchtlicher ist. Schmeil gibt an, daß er oft nur ein bis zwei, niemals mehr als acht angetroffen hat und die Durch- schnittszahl etwa vier betrug. Dagegen muß ich anführen, daß ich sehr häufig zur Zeit des Maximums im Juli zehn und noch mehr Eier zählen Fig. 19. Diaptmnus salinus Uaclay (zum Teil nach Schmeil). Vergr. a' u. c' JOo. letztes Glied I A. (5. b, V B. Q. c und c' V B. c5. a und a', Dritt- konnte, und Individuen mit ein bis zwei Eiern 1912 eine Seltenheit Avaren. Die größte Anzahl wäes sechs bis acht auf. Der Jahrescyclus dieses Centropagiden (Fig. 20) ist bis jetzt noch nicht bekannt gewesen. Es konnten beim Zählen ziemlich genaue Werte erhalten werden, weil er als einziger Diaptomus den See bevöl- kert. Die höchste Individuenmenge fand ich im Juli vor (22./VII. Mittelwert 1630). Was die speziellen Zahlen für die Geschlechter an- geht, so waren erwachsene Männchen und Weibchen das ganze Jahr über vorhanden. Das Maximum der geschlechtsreifen Tiere fiel in die kälteren Monate. Im Januar und Februar, sowie Oktober bis Dezember überwogen die Männchen, im August und September war das Umge- kehrte der Fall. Vom März bis Juli wurden in der Hauptsache jüngere, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 567 noch nicht geschlechtsreife Exemplare nachgewiesen. Eiertragende Weibchen traten in allen Monaten auf, besonders zahlreich im Februar, Mai, Juli und Oktober/November (40 — 60% der gefangenen Q waren eiertragend). Eigentümlicherweise kam dieser Diaptomus in den be- /^^J/ %f9 29n^^f 1^.^32030 ^213111^21 1/^11131 11^.313^19.3010/^10 30 ^5^30.16/^ Fig. 20. .Tahrescyclus von Diaptomus salinus Daday. Cyclops Leuc-I> >> D. sal. und C.Leuck.m » 5300 30. Oktober < » » C.stren. » 2100. 3a. Zusammensetzung des Zentrifugenplanktons (,,Nannoplankton** Lohmann). Die vorausgehenden Ausführungen haben ergeben, daß dieselben Planktonindividuen in den verschiedenen Gewässern teilweise ein ganz anderes jahreszeitliches Verhalten zeigen. Ihre Periodizität kann mit- hin nicht zeitlich feststehend durch Temperaturverhältnisse begründet angesehen werden, sondern sie ist für jedes Gewässer spezifisch. Es müssen lokale Faktoren vorhanden sein, die auf den periodischen Ver- lauf ihrer Jahrescyclen einwirken. Bisher hat man die Einflüsse, die für diesen Wechsel in Seen in Frage kommen könnten, ausschließlich in der physikalischen Natur des Mediums gesucht und so auf die Erforschung der gleichzeitigen Nahrungsbedingungen keinen Wert gelegt. Das Studium der Ernährungs- verhältnisse der Planktozoen, welches uns erst durch Einführung der Zentrifuge in die Planktonmethodik erschlossen wurde, erfuhr durch Pütters Arbeit eine erneute Anregung. Lohmann und Woltekeck kenn- zeichneten deutlich das >>Nannoplankton<< = »Zentrifugen plankton« als Ernährungsfaktor, Durch Untersuchungen an einem kleinen Teiche bei Elbogen in Böhmen konnte Brehm die Wahrnehnuing machen, daß eine höchst auffällige Abhängigkeit des Netzplanktons vom Zen- trifugenplankton besteht. Seine Beobachtungen erfuhren durch Dief- FENBACH (1912) die erste genauere Bestätigung dadurch, daß er für Rotatorien eine Abhängigkeit der zeitlichen Verteilung vom Zentrifugen- plankton in einem Teichgevvässer nachwies. Für den Mansfelder See habe ich die Beziehungen zwischen Nah- rungsorganismen und Tierwelt ziemlich weitgehend berücksichtigt, um gegenseitige Abhängigkeit und Beeinflussung möglichst klar zum Aus- druck zu bringen. Das Zentrifugenplankton flacher Seen hat bisher noch keine quantitative Bearbeitung durch die Zählmethode erfahren. Da über Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 571 diese kleinsten und zartesten Protisten überhaupt erst wenige Mitteilun- gen vorliegen, so stößt man bei den Fängen beständig auf unbekannte Formen, die meistens Entwicklungsstadien hölierer Algen darstellen. riauktouliste. Das Zentrifugenplankton des Mansf eider Sees setzt sich zu- sammen aus: Flagellaten. Cryptomonas erosa Ehrbg. fi, Bodo glohosus Stein. Schwärmsporen und unbestimmbare kleine, unregel- mäßig auftretende Flagellaten f. Cyanophyceen. Entwick- Microcystis aeruginosa (Henfr.) Lemm. f. lungsstadien Microcystis aeruginosa (Henfr.) Lemm. var. minor nov. var. (Colditz) f. Chlorophyceen. Pleurococcus punctiformis nov. spec. (Colditz) f. Scenedesmus quadricauda Breb. Pediastrmn Boryanum (Turp.) Menegh. Rafhidium 'polymorphum Fresen. Sphaerocystis Schroeteri Chod. Oocystis felagica Lemm. Chlamydomonas media Klebs. Bacillariaceen. Cyclotella Meneghiniana Kütz f. Cyclotella hyalina nov. spec. (Colditz) f. Surirella ovalis Breb. Rhoicosphenia curvata Grün. Navicula gracilis Kütz. Conjugatae. Staurastrwn gracile Ralfs. Hierzu kommen noch einige Formen, die zufällig im Zentrifugenplankton auftraten. Sie wurden ihrer geringen Individuendichte wegen nicht berücksichtigt, da sie für den Haushalt des Sees von keiner Bedeutung sind. Es handelte sich um größere Bacillariaceen vom Grunde, pelagische Amöben iind einige Ciliaten {Chilodon cucullus Ehrbg.). 1 Die mit Kj-euz (|) versehenen Formen kommen als Hauptkomponenteii der Nahrung in Betracht. 572 Friedrich Volkniar Colditz, 3b. Besprechungen der Arten mit Beobachtungen über ihren Nahrungswert und ihr zeitliches Auftreten. Die Untersuchungen des Darm-, bzw. Mageninhaltes^ der einzelnen Zooplanktonten, die an lebenden Objekten vorgenommen \mrden, so- wie des Filtrates in den reußenartigen Fortsätzen der Extremitäten der Cladoceren haben zu dem Ergebnis geführt, daß für die Nahrungs- aufnahme die Größe der Nahrungsalgen von einer nicht zu unter- schätzenden Bedeutung ist. Die meisten Planktozoen strudeln sich ihre Nahrung herbei und führen sie dann dem Darme zu. Infolge der gering entwickelten Zerkleinerung ■; Werkzeuge können, wie Woltee- ECK festgestellt hat, größere mit Gehäuse ausgestattete Formen den engen Ösophagus nicht passieren. Dasselbe habe ich beobachtet für Individuen, die mit größerer Gallerthülle umgeben sind. Die Jugend- stadien von Microcystis im März und April konnten in ungeheuren Massen im Darminhalte nachgewiesen werden. Nachdem diese Alge zu größeren Kolonien ausgewachsen war und eine dichte AVasserblüte im See bildete, wurden nur selten einzelne ihrer Zellen vorgefunden. Es kann möglich sein, daß hier noch eine qualitative Zurücksetzung hinzukommt, indem die älteren Individuen der Cyanophyceen irgend einen Stoff in ihrem Innern enthalten, den die Planktonten verab- scheuen. Untersuchungen liegen darüber nicht vor. Die Kolonien von Botrijococcus BraunüKütz kamen ihrer Größe wegen nur im Verdauungs- tractus von Asplanchna vor. Dieffenbach führt an: »Es ist höchst- wahrscheinlich, daß bestimmte Planktozoen auf ganz bestimmte Nahrungsorganismen angewiesen sind, oder daß sie wenigstens einige Nahrungsorganismen andern vorziehen«. Es geht hieraus hervor, daß den Planktonten ein qualitatives Wahlvermögen zuerkannt wird. Nach meinen Befunden muß ich denselben eine solche Eigenschaft voll- kommen absprechen. Es ist sicher, daß die verschiedenen Planktozoen 1 Zur Feststellung des Darminhaltes, der sich nur bei Dia phanosoma und den Copepoden etwas schwieriger gestaltete, wurden die Planktonten einfach unter das Deckglas des Objektträgers gebracht und ein leichter Druck darauf ausgeübt. Sofort erfolgte eine stoßweise Entleerung des Darmkanals. Handelte es sich darum, die Objekte nicht zu verletzen, .so wurde dasselbe bewirkt durch Hinzufügen eines Tropfen Formols. Der auf diese Art frei präparierte Inhalt konnte dann leicht einer Untersuchung unterzogen werden. Seine Quantität verhielt sich analog der Menge des im Seewasser enthaltenen Zentrifugenplanktons, d. h. in Zeiten, wo letzteres seine maximale Entfaltung hatte, war der Darm konstant prall gefüllt mit diesen Algen, wäluend in den Perioden geringerer Ent- wickhn\g der Darmkanal ebenfalls nur geringen Inhalt aufwies. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 57^ auf Nalirungsorganismen von bestimmter Größe angewiesen sind, so daß der einen Individuengruppe ein Zentrifugenplanktont noch als Nahrung dienen kann , während seine Größe für eine andre bereits den Grenzwert erreicht hat und demnach nicht mehr in Betracht kommt. So fanden sich z. B. bei Bosmina in dem Darminhalte seltener Überreste von Scenedesmus, Staurastrum, Sphaerocystis und größeren Formen der Cyclotella Meneghiniana als bei Daphnia und Diafhanosoma. Die Räder- tierarten waren auf die winzigsten Nahrungsorganismen angewiesen, nuv Asplanchna machte davon eine Ausnahme. Eine Bevorzugung bestimmter Nähralgen jedoch war weder bei Rotatorien noch Cladoceren oder Copepoden der Fall. Um den Wert der verschiedenen Nahrungskomponenten besser charakterisieren zu können und mir gleichzeitig das Zählen dieser win- zigen Formen etwas zu erleichtern, habe ich dieselben hinsichtlich ihrer Größe und Beschaffenheit in bestimmte Gruppen I — V, Fig. 23 — 27, ein- geteilt. Unter die I. Kategorie zählte ich: sämtliche Schwärmsporen und unregelmäßig auftretende" Flagellaten, Pleurococcus punctiformis und die Jugend- stadien von Microcystis; unter II: die größeren Grünalgen Ghlamydomonas media, Oocystis pelagica und die Entwicklungszustände von Sphae- rocystis Schroeteri. ferner den Flagellaten Cryptomonas erosa ; unter III: die kleineren Bacillariaceen Cyclotella. Meneg- hiniana und Cyclotella hyalina', unter IV: die größeren sperrigen Formen: Scenedesmus, Pediastrum, Raphidium, Sphaerocystis , Staurastrum, Su- rirella, Rhoicosphenia, Navicula; unter V: sämtliche chromophyllfreien und die mit dege- nerierten Chromatophoren versehenen unbestimmbaren Individuen, ferner Bodo glohosus und Bodo celer. chromo- phyllfüh- rende For- men chromo- phyllfreie Formen Die Vertreter von I und II waren die Hauptnahrung für das Früh- jahrs- und Sommerplankton, Gruppe III für das Herbst- und Winter- plankton. Die Organismen unter V traten quantitativ Gruppe I — III gegenüber stark zurück, Sie erlangten nur in den tieferen Schichten und dicht über dem Grunde des Pelagials zur Zeit der Periode der Sommerstagnation des Wassers eine bedeutendere Mächtigkeit. Da- gegen waren sie konstant in beträchtlichen Mengen in den durch 574 Friedrich Volkmar Colditz, •<*-<-0,'o, ^<:^J:^0|.O^Q;jgigj, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 575 -^ p^ '5^^^^'*^'*-^^ ^^^^°^^'*"^^ 576 Friedrich Volkmar Colditz, C^Ni -C>0^&3^^*0^^ <5» N> "** ^ ^ ^ Ni ^ !^ p 1^, 2 Z^ "-', (X» ■-1 < ^ o UQ II W rj^ C5 t- Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 577 Abwässer verunreinigten Buchten anzutreffen. Die Angehörigen der Gruppe IV kamen ihrer Größe wegen in nur geringem Maße als Nahrungsquelle in Betracht. Sie waren immer in dem Zentrifugeu- sediment enthalten, erreichten aber nie bedeutendere Werte. Die Hauptkomponenten des Zentrifugenplanktons. Die Nahrungsorganismen im See setzten sich wie das tierische Plankton aus einer Anzahl perennierender Formen und aus solchen zu- sammen, die nur zu einer gewissen Jahreszeit vorhanden waren. Ihre Massenentwicklung war beträchtlich. Die Jahreskurve des gesamten Zentrifugenplanktons (eingetragen in Fig. 29 bis 32) läßt deuthch ein quantitatives Ansteigen der Planktonentfaltung in den Frühjahrs- (April), und in den Herbstmonaten (Oktober und November) und außerdem ein Produktionsmaximum im Juni erkennen. Microcystis aeruginosa und Microcystis aeruginosa var. minor nov. var. Das Frühjahrsmaximum wurde veranlaßt durch die Entwick- lungsstadien von Microcystis aeruginosa und einer neuen kleineren IZU a. 0 0 0 0 1 c. Fig. 28. Zentrifugeuplanktonformen. Vergr. 800. a und a' Cydotella hyalina nov. spec. a, Schalenseite, a', G ürtelseite. b Pleurococcus punctiformis nov. spec. c ]Mitwicklungsstadien von Microcystis aeruginosa (Henfr.) Lemm. d Desgl. von Microcyslis aeruginosa (Henfr.) Lemni. var. minor nov. var. Varietät dieser Cyanophycee, die mir von Herrn Dr. Lemmermann als Microcystis aeruginosa var. minor nov. var. bestätigt wurde. Sie besitzt 2 — 3 /< große ovale Zellen von gelbgrüner Farbe, die in einem gallertigen Lager eingebettet sind und deutliche Pseudovakuolen auf- 578 Friedrich Volkniar Colditz, weisen. Die Kolonien sind mehr oder wen i ""er rund und netzförmiü durchbrochen. Die Form trat im Plankton später auf als Microcydis aeruginosa und erreichte fast eine bedeutendere Entfaltung als diese. Über den Entwicklungsgang dieser Algen ist bishernichts Näheres bekannt gewesen. Ende März traten im Seewasser zahlreiche Einzel- zellen auf. Sie bildeten sich zu kleinen Kolonien von vier Individuen aus, die durch ein gallertiges Fadengerüst verbunden und mitGasvakuo- len ausgestattet waren (Fig. 28). Sie fanden sich in ungeheuren Men- gen vor. Am 6. Mai konnten in 10 ccm Wasser aus 1 m Tiefe 1517000 Einzelzellen und 267 000 Kolonien gezählt werden (mittlere Individuen- dichte). Die Kolonien nahmen allmählich durch Vermehrung der Ein- zelzellen in der Gallerthülle an Größe zu. Infolgedessen ließen sie sich nicht mehr zentrifugieren und kamen für das Netzplankton als Nahrung außer Betracht. Anfang Juni waren die letzten Jugend- stadien von Microcystis in den Zentrifugierproben enthalten. Die Nahrungskurve erreichte zu dicer Zeit ihren Tiefstand. Diese Befunde widersprechen den bisherigen Annahmen, daß sich jene wasserblütebildenden Algen auf dem Grunde entwickeln und erst später aufsteigen. Es konnte ein derartiges Verhalten hier nie wahr- genommen werden, im Gegenteil haben meine Darlegungen erwie- sen, daß sich ihre Entwicklung im freien Wasser vollzieht, Pleurococcus punctiformis nov. spec. Diese winzige Grünalge war nur kurze Zeit an der Zusammen- setzung des Nannoplanktons beteiligt. Ich konnte sie mit der Zentri- fuge im Juni und Juli nachweisen. Sie bewirkte mit Microcystis aemg. var. minor zusammen das Junimaximum der Nahrungskurve. 10 ccm Seewasser enthielten am 26./VI. 505 000 Individuen. Ich habe sie unter dem Namen >> Pleurococcus punctiformis<( nov. spec. in obigem Planktonverzeichnis angeführt, da eine Identifizierung dieser Alge mit bereits beschriebenen Formen nicht möglich war, und sie als ein Ent- wicklungszustand irgend einer höheren Chlorophycee nicht gedeutet werden kann. Sie trat in einzelnen Kügelchen von ziemlich konstanter Größe auf, IV2 — 2// Durchmesser (Fig. 28). Die Membran war deut- lich, der Farbton intensiv hellgrün. Die Zelle war von keiner Gallerthülle umgeben. Die Vermehrung erfolgte durch Zweiteilung. Eine Bildung von Aggregaten und kolonialen Vereinigungen erfolgte nicht. Die Alge gehört zu den »primitiv oder wahrscheinlicher sekundär vereinfachten, einzellig bleibenden, morphologisch gleichartigen« Formen der Familie der Pleurococcaceen. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 579 Einflui3 der Wasserblüte auf das Zentrifugenplankton. Im Juli und August bei höchster sommerlicher Temperatur war die Minimumperiode des Zentrifugenplanktons. Die Microcystis-Koloiden bildeten zu dieser Zeit eine stattliche Wasserblüte. Es ist daher die Vernmtung sehr naheliegend, das Zurücktreten jener Organismen mit der üppigen Entfaltung dieser Algen in Beziehung zu bringen, denn es liegen von andern Seen (Dobersdorfer See) Beobachtungen vor, daß durch das massenhafte Auftreten der Planktonschizophyceen für die übrigen pelagischen Formen ungünstige Lebensbedingungen hervor- gerufen wurden, die das Optimum ihrer Entfaltung herabsetzten oder ein gänzliches Fehlen veranlaßten. Es gilt dies wahrscheinlich haupt- sächlich für Organismen, die reines Wasser bevorzugen. Am 9. Septem- ber hatte die Wasserblüte ihren Höhepunkt erreicht. Sie bedeckte an völlig windstillen Tagen die Seeoberfläche mit einem dichten spangrünen Schleier, war aber trotzdem über alle Tiefenschichten verteilt. Tabelle X. Vertikalverteilung der Microcystis- Kolonien. 18. VIII./19. VIII. 1912. (In 20 Liter). 2— 3 h mittags 8-9 ^ abends 12—111 nachts 7—8*1 morgens Om 1,6 ccm 2,3 ccm 1 4,0 ccm 6,2 ccm 1/2 » :, 1,9 » 1 2,6 * 3,4 . 4,0 > 1 » 3,6 » 2,5 » 2,8 . 2,3 . 3 » 3,8 » 2,6 . 1,9 . 1,7 . 5 » 1,9 . ' 1,3 » 1,8 . 1,6 » 7 . 1,9 » 1,7 > 1,6 » 1,3 . Ufer 1,5 * 2.3 . 2.8 > 3.9 » (Oberfläche) ' ] See leicht bewegt See windstill Mit dem Eintreten der Herbstcirculation des Wassers (Mitte Sep- tember) begann ein plötzliches Absinken der Kolonien, und die er- neute Zunahme der Kleinalgen setzte ein. Cyclotella Meneghiniana und Cyclotella hyalina nov. spec. Das pflanzliche Herbst- und Winterplankton des Sees trug fast ausschließUch Cyclotellencharakter. Die übrigen Arten traten be- deutend zurück. Cyclotella Meneghiniana wurde in geringer Zahl das ganze Jahr über gefunden. Anfang Oktober erlangte sie eine ungeahnte Vegetations- Zeitscbrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 38 580 Friedrich Volkmar Colditz, höhe bei einer Wassertemperatur von 9°C., worauf sie rasch wieder an Zahl zurückging (6./X. in 10 ccm Seewasser 191 000 Individuen), Auxosporen- und Koloniebildung wurde nie beobachtet. Die Perio- dizität dieser Bacillariacee scheint in ihrem Entwicklungsgange be- gründet zu sein, da sich diese Art in den übrigen Seen in bezug auf ihr zeitliches Vorkommen in derselben Weise verhält. Cyclotella hyalina nov. spec. bildete von Ende Oktober bis Ende Februar in reichlichen Mengen die Nahrung für das Winterplankton. Nach Mitteilungen von Herrn Dr. Lemmermann handelt es sich bei dieser Form um eine bisher nicht beobachtete Abart. Sie weicht in ihrer Morphologie derart von allen andern Cyclotellenarten ab, daß er es für gerechtfertigt hält, wenn sie als neue Spezies »Cyclotella hya- lina << beschrieben wird. Ihre Hauptunterscheidungsmerkmale sind die geringe Größe (Längendurchmesser 7 /<)» ^i^ große Zartheit der Schalen und die äußerst schwachen Randstreifen, die nur mit Immersion zu erkennen sind, sowie die rechteckige Pleuraansicht (Fig. 28). Die Perio- dizität dieser Diatomee war insofern geregelt, als sie frühestens im September erschien, vom November bis Dezember den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte (15./XII. 1911 in 10 ccm 397 000) (13./XI. 1912 in 10 ccm 457 000) und spätestens zur Zeit der Frühjahrscirculation des Wassers in dem Zentri- fugenrückstand nicht mehr enthalten war. Cryptomonas erosa. Dieser Flagellat repräsentiert den besten Nahrungskomponenten des Sees. Er war perennierend, erreichte ebenfalls hohe Werte, doch nie so bedeutende Zahlen wie die vorher erwähnten Planktonten (Maxi- mum 21. /HI., mittl. Dichte in 10 ccm 8400). Die Grünalge Oocystis pelagica und die chromatophorenfreien Flagellaten Bodo celer und Bodo globosus ließen sich ab und zu nach- weisen, Chlamydomonas media fehlte im Februar in keinem Fange. Die stärkste Entwicklung bei diesen Arten betrug: mittl. Dichte in 10 ccm Oocystis felagica ll./VIII. 12. 850 Bodo celer ll./VIII. 12. 430 Bodo globosus ll./VI. 12. 380 Chlamydomonas media 29./II. 13. 250 Eine konstant wichtige Nahrungsquelle stellten die Schwärmsporeu der Algen dar, die in zahlreichen Exemplaren in allen Monaten vor- Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 581 banden waren und im März mit Cryftomonas erosa den Hauptanteil des Pflanzenplanktons bildeten. Auf die übrigen Zentrifugenalgen kann hier nicht näher eingegangen werden, da sie quantitativ den übrigen Formen gegenüber stark zurück- traten und infolgedessen von keinem besondern Einfluß auf die Ent- wicklung des tierischen Planktons waren. Was die Zusammensetzung des Zentrifugenplanktons im allgemeinen anbetrifft, so liegt hier eine Einwirkung des Salzgehaltes klar zutage. Die geringen Arten und die im- mensen Individuenzahlen sind auf ihn zurückzuführen. Auffallend ist das Fehlen der für alle norddeutschen Seen typischen pelagischen Dinobryen, Peridineen, Ceratien und der Diatomeen- gattungen Melosira, Asterionella, Tahellaria, Fragilana. Diese Formen gehören ebenfalls dem Zentrifugenplankton zu, treten aber als Nahrung bedeutend zurück. Da ihre Verschleppungsmöglichkeit sehr groß ist, müssen in diesem Gewässer die biologischen Bedingungen für sie fehlen. Der Salzgehalt und auch die starke Verschmutzung des Sees durch Detritus wird dafür in erster Linie in Frage kommen. Daß diese Spezies zum Teil reineres Wasser benötigen, beweist das zahlreiche Vorkommen von Peridinium cinctum im Bindersee. Botryococcus Braunii kam mit Microcystis vergesellschaftet in den Frühjahrs- und Herbstmonaten vor. Die Protozoen spielten mit Ausnahme der Flagellaten in der Plank- tonregion eine untergeordnete Rolle. Die Ciliaten und Rhizopoden traten hier fast ganz zurück. Es gelangte als einziges Planktoninfusor Codonella lacustris Entz im Oktober zu stärkerer Entfaltung. Ebenso konnte ich im Zentrifugenrückstand der pelagischen Zone niemals Bakterienkolonien {Zoogloea) beobachten, wohl aber an den detritusreichen Uferstellen in der Nähe des Einflusses der Drain wässer der Bösen Sieben. Diese Lokalität zeichnete sich ständig durch Armut an Zoo- plankton aus. Nur Anuraea cochlearis konnte hier zuweilen angetroffen werden. Meiner Meinung nach sind die Schizomyceten selbst als eine nur gering ergiebige Nahrungs quelle für das Zooplankton ohne Bedeutung. B. Beziehungen zwischen Zentrifugen- und Netzplanldon. 1. Einfluß des Zentrifugenplanktons auf die Quantität und Periodizität des Netzplanktons. In den folgenden Abschnitten soll die Abhängigkeit des Netzplank- tons von dem jeweilig vorhandenen Nahrungsquantum einer Kritik 38* 582 CO V 0} c CC CO rr Od C Ci o OJ +j .^ •^ c bC cd II S o. <3 c: g 0) o> tx; XI (V EH :^ « II IM . (O O) « 2 O '"' CO I CO O) (O s_ Od ® 'z: JZ V o a CO Oi 1 1 «] aj CO rt O 9-0 C^O Co S 'S es CO ^ CO d 2 9 o C tf fl CS . ^O- 3 _« t- • ■^ ^ '^ ^ ■ r: rt rt CO m M CO t< , '^ -^ 'S "+3 O O ro Ö t« O Süd ü bc ü a a .S SS '*^ ^- ö i ^ _, Ö c3 t>, a ^ ö ,^ p. er o -l-" bc « » ^« 2-2^ g "saa>>*§ o S £ 2 " -a eä <"^ « 2 o S £ 2 S «'S -2 o oj «? a o ^ Ph :» Cli p^ a:. O ü 2^53 a c3 > ~ o a •r S ä> •2 ^ 'o'S-s'S'E^ 2 k>>^a-^ sä ^ Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 583 5i§s?;^^f^^?gj^s^Ri^^;§^;a§oo>o. 584 Friedrich Volkmar Colditz, unterzogen werden. Für das Plankton kommen in unseren Süßwässern in der Hauptsache die Formengruppen der Kotatorien, der Clado- ceren und der Copepoden in Betracht. Im Interesse der Über- sichtlichkeit sollen diese getrennt und ihre Arten gemeinsam abgehandelt werden. In Fig. 29 — 31 sind ihre Gesamtzahlen in LoHMANNschen Kugelkurven dargestellt und dazu die Mittelwerte für das Zentrifugen- plankton, sowie die Oberflächentemperatur eingetragen worden. Die drei Tiergruppen weisen, ihrer Entwicklungsdauer entsprechend, verschieden große Schwankungen der Individuenmenge auf, welche am deutlichsten im Frühjahr und auch im Herbst ausgeprägt sind. Im AVinter (Dezember bis Mitte Januar) und Sommer (Juni) sind aus- gesprochene Minimaperioden vorhanden, von denen letztere besonders erwähnt werden muß. Unmittelbar auf das Frühlingsmaximum im Mai zeigen plötzlich Anfang Juni (11. /VI.) sämtliche drei Kurven sehr niedrige Werte, Dieser Zustand dauert nur kurze Zeit an, worauf so- fort wieder eine lebhafte Vermehrung anhebt. Aufschluß über dieses Verhalten gibt das Zentrifugenplankton. Das Sommerminimum ist die Folge einer vorangegangenen Erschöpfung an Nahrung, die durch die Entwicklung des Zooplanktons herbeigeführt worden war. Es ist interessant, daß sowohl die Rotatorien wie Cladoceren, als auch die Copepoden davon beeinflußt w^erden, freilich in quantitativ verschie- dener Weise. Verfolgen wir zunächst die Rotatorien und Z-Kurve^ (Fig. 29). Beide verlaufen fast parallel. Eine Zunahme des Z- Planktons veranlaßt direkt eine Entfaltung, seine Abnahme ein Zurück- gehen der Rädertiere. Geringe Abweichungen hiervon im Juli und Oktober sind auf den Einfluß der beiden andern Tiergruppen und auf die Qualität der dargebotenen Nahrungsalgen zurückzuführen. Eine ebensolche Abhängigkeit wurde für die Ciacoderen bestätigt (Fig. 30). Sie äußerte sich in der Weise, daß die Maxima des Z- Planktons immer denjenigen der Cladocerenkurve voran- gehen (Zeitintervall etwa 14 Tage), wodurch bedingt wird, daß teil- weise Maximum und Minimum der beiden Kurven zusammenfallen. Der hohe Stand der Cladocerenkurve im August, der in keinem wirklichen Verhältnis zu der geringen Individuendichte der Nähralgen in dieser Zeit steht und der Abfall jener Kurve von Mitte Septem- ber bis Dezember trotz reichhaltiger Cyclotellennahrung ist auf die Anwesenheit von Diaphanosoma zurückzuführen. 1 Das Zcntrifugcnplanktoii soll der Einfat'hlieit halber mit Z-Plankton im folgenden bezeichnet werden. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 585 a S; 5:; ^ =0 ^ •*. csi ci 586 Friedrich Volkmar Colditz, Nach diesen Ergebnissen muß es in Übereinstimmung mit Dieffen- BACHs Befunden für Rotatorien als auch für Cladoceren »als aus- geschlossen gelten, daß sich diese Planktozoen im Sinne der PÜTTERschen Lehre von gelösten organischen Sub- stanzen ernähren <<, sondern lediglich geformte Nahrung auf- nehmen. Hierdurch sind weiter Knörrichs Behauptungen wider- legt. Schwieriger läßt sich eine Beziehung zwischen den Copepoden und dem Z-Plankton herauslesen (Fig. 31). Es ist das einerseits in den ge- ringen Schwankungen der Individuenmengen, anderseits in der immer- hin langsamen Entwicklung dieser Formen begründet. Trotzdem kann man auch hier, wie bereits Dakin ^ vermutete, eine Abhängigkeit der Konsumenten von den Nahrungsproduzenten konstatieren, nur kommen diese Verhältnisse weniger scharf zum Ausdruck. Dies ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, daß die Entwicklung eines Cope- poden längere Zeit in Anspruch nimmt. Wie ist nun das Steigen und Zurückgehen der Individuenzahlen dieser Kurve zu erklären? Ich habe die erwachsenen Tiere mit den Jugendstadien hier zusammen graphisch dargestellt. Ein Blick auf die getrennt eingezeichnete Nauplienkurve ergibt, daß die Schwan- kungen der Gesamtcopepodenkurve zu einem großen Teile durch die Anzahl der Nauplien verursacht werden. Weiterhin muß aus dem Früh- lingsmaximum geschlossen werden, daß in Perioden größerer Z- Plankton- mengen die Entwicklung dieser Kruster gefördert wird. Es ist daher als wahrscheinlich anzunehmen, daß sich dieselben nicht, wie Dieffen- BAOH glaubt, nur von Detritus ernähren, sondern daß die Periodi- zität der pelagischen Formen dieser Tiergruppe direkt vom Z-Plankton abhängig ist^ insofern als seine Quantität die Zahl der Nauplien mit bedingt. Dies gibt sich umso deutlicher zu erkennen, je größer die Anzahl der gleichzeitig vorhandenen Männchen und Weibchen ist. Daß Copepoden auch Detritus, vor allem die im Wasser suspendierten, zahlreichen tierischen Exkremente aufsuchen, habe ich selbst beobachten können. Letztere haben jedoch nie einen Einfluß auf die Geschlechtsperioden erkennen lassen, woraus der Schluß zu ziehen ist, daß für pelagische Copepoden Detritus als Nah- 1 " . . . A certain rclation seenis to cxist between the timcs of maxima of theCopepoda in the sca, and those of the phytoplankton. It niay be that these directly affect one another or both may be conditioned by other causes at present unknown." Intern. Rev. Bd. T., 1908. Dakin, Notes on the AUmentary Canal and Food of the Copepoda. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 587 < o^fS ^ SN Sb ?o 1^ ^ö^S^:J:JSSS^±'i'<=>»ie: r«;^ «^ >^ 5g;^ Sa S '*'«>-»- c\j ^"^ 588 Friedrich Volkinar Colditz, riing erst in zweiter Linie von Bedeutung ist. Der PüTTERsche Ernährungsmodus ist auchi bei dieser Tiergruppe auszuschalten. Ihr Sommerminimum fällt mit dem Tiefstand der Zentrifugen-Rotatorien- und Cladocereukurve bei gleichzeitig hoher Entfaltung der Microcystis- Wasserblüte zusammen. Es wäre diese Erscheinung höchst merkwürdig, wenn die zu dieser Zeit im See besonders reichen Abfallstoffe den Copepoden in gleichem Maße als Nahrung dienen würden. Hierzu möchte ich als eine weitere Tatsache die Fettkörperbil- dungen der erwachsenen Cyclops und Diaptomus unterhalb des Dar- mes und in der Gegend der Mundöffnung anführen. Dieses Fettkörper- gewebe war im April, Juni und Oktober bis November, als die größten Z-Planktonmengen im See vorhanden waren, ausgebildet und zeigte intensive Karotinfärbung. Wagler hat in Kulturen an Daphnia longispina nachgewiesen, daß diese Erscheinungen offensichtlich An- zeichen einer guten Ernährung sind. Bei Daphnia, Bosmina und Dia- phanoioma des Sees dokumentierte sich letztere nur in einem Auf- treten zahlreicher Fettröpfchen. Wenn von einigen Forschern die onmivore Lebensweise der Cope- poden damit begründet wird, daß das Plankton mancher Seen diese Kruster enthalten hätte, während die ihnen als Nahrung dienenden Algen fehlten, so ist dieser Umstand lediglich auf die Unzulänglich- keit der früheren Planktonmethoden zurückzuführen. Amberg hat sich durch Beobachtungen am Katzensee ebenfalls in dieser Weise für die Copepoden entschieden: »durch die Möglichkeit der Copepoden, auch unter dem Eise üppig zu gedeihen und sich sogar zu vermehren <<. Meine Untersuchungen haben erwiesen, welche Mengen an Nähralgen, auch entgegen Ruttners^ Meinung, im Winter in einem Gewässer vor- handen sein können. Betrachten wir jetzt vergleichsweise Rotatorien-, Cladoceren- und Copepodenkurve gemeinsam in ihren Beziehungen zum Nanno- plankton, so ergibt sich die wichtige Tatsache, daß unter den Nah- rungskonsumenten eine beträchtliche Konkurrenz vorliegt. Es wurde bereits erwähnt, daß die Maxima der verschiedenen Arten nicht zusammenfallen, sondern zeitlich differieren. >>Der schwächere Organismus muß dem stärkeren in dem Kampfe um die Nah- rung unterliegen, da er ein Anwachsen dos Nahrungskonkur - ^ ». . . Das Phyto2)laiiktoii, das ja ohiioliin im Winter und insbesondere imter schneebedeckter Eisfläche stark zurücktritt, blieb unberücksichtigt . . . « Int. Rev. Bd. IL 1909. Ruttner, Über tägliche Tiefenwanderungen von Plank- tontieren unter dem Eise imd ihre Abhängigkeit vom Lichte. Beiträge zur Biologie des IMansfelder Sees usw. 589 §SSi?:RiS§i8$.^§5^3-.?^^55$5;§S?;^^S^^^.§^Si^^iSS:S^S°o^-»- 590 Friedrich Volkraar Colditz, renten nicht verhindern kann.<< Hierbei spielt die raschere oder langsamere Entwicklungsdauer der einzelnen Formen eine bedeutende Rolle. Am offensichtlichsten macht sich die Unterdrückung der Rotato- rien durch die Cladoceren bemerkbar. Immer verursacht ein Steigen ihrer Individuenzahl ein Sinken der Nahrungsdichte und hierdurch der Ro- tatorienkurve. Ferner macht sich in dieser Hinsicht auch der Einfluß der Copepoden geltend. Sie kommen in erster Linie für Rotatorien, in geringerem Maße für Cladoceren in Betracht. So wurde z. B. der Ab- fall der Nahrungs- und Rädertierkurve im Februar und Ende März im wesentlichen durch sie herbeigeführt. Der Konkurrenzkampf läßt sich am besten aus Fig. 32 erkennen; eine Erläuterung ist hier über- flüssig. Ein Blick auf diese Kurven wird rascher und vollständiger ein Bild der Verhältnisse entwerfen als Worte es können. Hierdurch erfährt zugleich meine Behauptung, daß die pelagischen Copepoden ebenfalls auf das Z- Plankton als Nahrung angewiesen sind,, eine weitere Bestätigung. Eine Beziehung der Temperatur zu den Gesamtperiodizitätskurven des Netzplanktons konnte ich nicht ermitteln. Daß die Temperatur des Wassers einen Faktor in der Regelung des Lebenscyclus gewisser Planktozoen abgibt, ist zweifellos, doch ist er weitaus überschätzt worden. Maxima- und Minimaperioden können sich im Lebenskreis einer Art an einem bestimmten Orte scheinbar nach den Jahres- zeiten richten und doch von der Nahrung beeinflußt sein. Für das zeitlich verschiedene Auftreten gerade der wichtigsten Planktonorganis- men in Seen kann man den Temperatureinfluß fast ausschalten. Das Verhalten vereinzelter Ai'ten, sich zu einer bestimmten Zeit zu ent- wickeln, liegt höchstwahrscheinlich >>in einer inneren durch Anpas- sung und Vererbung erworbenen Entwicklungstendenz« begründet. Indirekt ließ sich eine Abhängigkeit der Zooplanktonten von der Temperatur insoweit konstatieren, als die Hauptentfaltung der Nah- rungsorganismen mit der Frühjahrs- und Herbstcirculationsperiode des Wassers zusammenfiel. Zur Zeit höchster sommerlicher Erwärmung zeigt die Z- Planktonkurve ihren Tiefstand, im Winter, zur Zeit be- trächtlichster Abkühlung, ein Cyclotellenmaximum, das für dänische Seen (Wesenberg-Lund) als für baltische und alpine Seen charak- teristisch ist. Einen Zusammenhang zwischen Herbstcirculation des Wassers und der Entfaltung der Diatomeen hat bereits Whipple in den seichten Seen bei Boston beobachten können. Im Gegensatz zu den meisten größeren Gewässern war im Mansfelder See nur ein herbst- liches Diatomeenmaximum ausgebildet, während zur Zeit der Frühjahrs- Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 591 circulatiou des Wassers durch die Zentrifuge für Diatomeen nur ge- ringe Zahlen festgestellt wurden. Zusammenfassung: Es vollzieht sich somit in jedem Gewässer die Planktonproduktion nach einer ihm eignen Gesetzmäßigkeit. Es handelt sich um einen beständigen Kampf um die Nahrung, der überall eine eigne Form annehmen muß, da das Zentrifugenplankton in seiner Entwicklung von den jeweiligen physikalisch-chemischen Faktoren ab- hängig ist. Das Lebensgetriebe im Plankton des Mansfelder Sees 1912 kann in großen Zügen folgendermaßen skizziert werden: Mit der Frühjahrs- circulation im März und April trat eine gewaltige Vermehrung des Z-Planktons, welches sich zu dieser Zeit in der Hauptsache aus Schwärm- sporen und Microcystis-'Eintwicklnngssta.dien rekrutierte, ein. Sie be- dingte zugleich ein rasches Anwachsen der Rotatorienzahl, dem eine schnelle Abnahme durch die Entfaltung der Cladoceren folgte. Der beträchtliche Verbrauch an Nahrung durch diese Organismen hatte ein tiefes Absinken der Z- Planktonkurve bewirkt und im Juni das Sommerminimum des gesamten Netzplanktons zur Folge. Erst jetzt konnten sich die Nahrungsalgen {Pleurococcus punctiformis) ihrer ge- ringen Entwicklungsdauer entsprechend gleichzeitig mit Rotatorien wieder bedeutend entfalten. Das Maximum der Rotatorien- (Juni) und Cladocerenkurve (Juli) erreichte in anbetracht der geringeren Nahrungsdichte bedeutend niedrigere Werte. Im September begann mit der Herbstcirculation des Wassers die Entwicklung der Cyclotellen. Cyclotella Meneghiniana verursachte infolge geringeren Nahrungs- wertes Schwankungen des Netzplanktons nicht in dem Maße wie Cy- clotella hyalina. Mit dem Erscheinen der jungen MicrocystisStadien Ende März 1913 begann dieser Cyclus von neuem. Er wiederholte sich, wie ich aus einem Vergleiche der Fänge von 1912 mit denjenigen von 1911 und 1913 feststellen konnte, jedes Jahr in ähnlicher Weise. Es können aber in demselben Gewässer zeitliche Verschie- bungen und beträchtliche quantitative Abweichungen in den verschiedenen Jahreszeiten eintreten, die naturgemäß auch in der Periodizität der einzelnen Spezies zum Ausdruck kommen. Die Ursache dieser Veränderungen ist sicher zum Teil die Nahrung. Als Beispiel will ich die folgende Beobachtung anführen. Sommer und Herbst der Jahre 1911 und 1912 waren in bezug auf Wärme und Besonnung ganz verschieden (abnorm warmer und trockener Sommer undHerbst 1911, umgekehrt 1912). Die Cyclotellen zeigten infolgedessen 592 Fricdricli Volkniar Colditz, in ihrer temporalen Verteilung 1911 ein andres Verhalten als 1912, Ihre Maximalperiode trat in jenem Jahre erst im November ein und hatte eine parallele Verschiebung der Periodizität des Netzplanktons zur Folge. So konnten im September und Oktober 1911 Bosmina, Rotatorien und auch Daphnia nur in wenigen Exemplaren im See nachgewiesen wer- den, während Diaphanusoma und die Copepoden in beiden Jahren quantitativ nur wenig differierten. Die Untersuchung des Z-Planktons ergab gleichzeitig sehr geringe Zahlen, kaum i/oo der Menge des nach- folgenden Jahres. Da mir genauere Werte nicht zur Verfügung stehen, möchte ich auf diese Verhältnisse hier nicht weiter eingehen. Höchst- wahrscheinlich lassen sie sich direkt durch das späte Eintreten der Herbstcirculation und die hiermit im Zusammenhang stehende längere Anwesenheit der i^/2'croc?/5f^s- Wasserblüte im Plankton erklären. 2. Einfluß des Zentrifugenplanktons auf die Verteilung des Netzplanktons. Das noch ungelöste Problem der Verteilung der Planktonten hat durch DiEPFENBACHs Untersuchungen in Teichen und Tümpeln für größere Gewässer neue Gesichtspunkte gewonnen. Zum ersten Male wurde von mir in einem flachen Seebecken neben den physikalischen und chemischen Faktoren auch die Verteilung des Zentrifugenplank- tons berücksichtigt. Die Beobachtungen haben interessante Ver- teiluugs Verhältnisse gezeigt und mehrfache Korrekturen der bis jetzt bekanntgewordenen Tatsachen über die Verteilung nötig gemacht. Horizontale Verteilung. Was die horizontale Verbreitung des Planktons anbetrifft, so ist man auf Grund der Untersuchungen Apsteins, Burckhaedts und Zacharias' wohl allgemein der Ansicht, daß sie in der pelagischen Region eines Sees als gleichmäßig betrachtet werden muß. Zu dem- selben Resultate sind in größeren, flachen Gewässern auch Amberg (Katzensee), Birge (Lake Meudota), Reighard (Lake St. Clair), Fric und Vavra (Unterpocernitzer und Gatterschlager Teich) gelangt. Doch ist der Streit über diese Frage noch keinewegs beendet. Nach meinen Befunden ist die horizontale Verteilung so- wohl des Zentrifugen- wie Netzplanktons in der pelagischen Zone des Mansfcldcr Sees qualitativ wie quantitativ über- raschend gleichmäßig zu nennen. Schon der kontinuierliche Ver- lauf der Periodizitätskurven der Planktozoen läßt keine Andeutung einer ungleichen Verteilung erkennen. Schwärme oder ähnliche Zusammen- Zu S. 593. Horizontalverteilung 22./VII. 1912. n ab eile m — Ikp-». See 1-2 lu leicht bewegt. Bimmel bedeckt, trüb. 0— ' hm V2- Im 2— 4 m 4-6 m ö— 7 m I IIa IIb III I II a IIb III p I 3900 Ua 1 IIb UI I IIa IIb 1 m I IIa IIb 1 m I IIa IIb m Ätmraea aculeata 4020 4750 5890 4920 2870 2430 4640 3850 332tf * 3010 2960 3020 3340 4530 2990 1890 2480 2410 2100 1770 2340 1810 1650 Polyarthra platijptera 2250 2080 2450 3200 2200 1550 2180 2960 lR7ü 1410 1810 1540 150O 1460 1630 2300 1230 930 1650 1710 310 240 140 120 Asplanchna priodonta 310 270 320 280 300 160 240 200 7010 - 100 5670 100 130 4860 4950 120 4620 80 50 40 100 20 40 50 30 10 30 40 30 Rotatorien 6580 7100 8660 8400 5870 5140 7060 4600 4850 6100 5390 3140 3460 4110 3840 2090 2610 1990 1800 Diaptomus salinus 2500 2770 2800 2150 2850 2400 2320 3330 2450 9m 2.S30 2600 3100 2640 2760 2550 2750 4590 1970 2400 6040 7090 7780 4500 Oyelops strenmts 1380 1460 1170 1310 1860 2130 2560 2300 11.50 1600 1890 1730 1400 1230 930 1120 1370 1280 1150 990 1220 1120 910 1100 Nauplien 3100 2240 2570 1950 - 2100 1680 1600 1800 - 980 1760 i 1820 1350 1180 1970 2020 1270 1010 1120 1300 1160 750 980 960 690 Copepoden 6980 6480 6540 5410 6810 6210 6480 7430 4580 6360 6040 5680 5680 5840 5710 4940 5130 6990 4420 4550 7010 9190 9650 6290 Bosmma longirostris 3950 2850 3720 3330 1720 »1570 1940 1340 1630 109O 1590 1310 1280 1370 1480 1190 1190 1270 1280 1000 180 290 370 310 Daph nia longispina -galeata 1920 1570 1230 1820 1270 *1570 2050 1610 1350 120O 1370 1140 1150 1070 1200 900 690 750 850 620 670 960 880 650 Diapkanosoma brachyurum 1100 1280 930 960 1450 *123p 960 1100 - 1350 141« 1120 1270 1550 1500 1330 1370 780 950 990 840 690 910 1170 760 Cladoeeren 6970 5700 5880 6110 4440 *4370 4950 4050 4230 420O* 4010 3720 3980 3940 4010 3460 2660 2970 3120 2460 1540 2160 2420 1720 I Schwärmer 15600 14000 10300 12400 10600 13100 13200 11600 8«00 930O 10200 9000 7800 9400 8400 8200 6900 9100 * 7700 7300 5900 7100 5500 6300 U Cryptomonas ovata 1700 1900 2100 1900 1200 800 1700 1400 2700 3L«y 4100 2700 1800 2000 2300 2100 1900 2400 * 2600 2000 1400 1100 800 1000 III Scenedesmus quadrieauda 500 300 600 700 700 400 400 600 800 1200: lOOü 600 500 300 400 500 400 300 * 300 300 300 300! 200 400 IV Cyelotella Meneghiniana 1100 800 1000 900 300 300 400 400 60O 30O 500 300 400 400 600 500 600 500 * 400 400 600 800 400 600 V Bodo celer 500 600 500 400 - 400 600 500 500 - 300 m' 300 _l4 500 500 300 500 400 100 100 * lOO 200 200 8400 300 600 100 (in 10 ccm) Z = Plankton 29400 17600 14500 16300 12200 15200 16200 14400 12900 1420C 116200 13100 11000 12400 12200 11700 9900 12400 *1110C 10200 9600 750O 8400 (in 20 Liter) Netz = Plankton 20530 19280 21080 19920 16620 15720 21490 18490 14480 1442( 15000 14020 13760 14630 15820 13790 10930 13410 1165C 10850 10640 13960 14060 9810 Anmerkung; Auf dieser Tabelle sind die mit einem * versehenen Zahlen durch Berechnung geMene luterpolationswerte, da die betreffenden Planktonproben durch einen unglüeldichen Zufall verloren gingen. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVIII. Bd. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 59i5 scharungen einzelner Planktonten habe ich nie beobachtet. Diese Gleich- mäßiglceit erstreckte sich auf alle pelagischen Seebezirke. Tab. XII möge hierzu als Illustration dienen. In ihr sind die Fang- zahlen von drei Fängen aus den Teilen I, II und III des Sees (vgl. Karte), und zwar aus den gleichen Tiefen gegenübergestellt. Die Entfernung zwischen den einzelnen Untersuchungsstellen konnte etwa 800 m be- tragen, außerdem ist noch ein Fang aus dem Bezirke II, etwa 30 m von der ersten Fangstelle entfernt, angeführt. Die hier wiedergegebenen Zahlen stellen nur einen Auszug aus den Zählprotokollen dar, wo die Tiere auch nach Geschlecht und Alter unterschieden wurden. Der Übersichtlichkeit wegen sind in den folgen- den Tabellen nur die Gesamtzahlen angeführt, da die jungen und die geschlechtsreifen erwachsenen Tiere, ebenso die vorhandenen Männ- chen und Weibchen in bezug auf die Verteilung ein gleiches Verhalten an den Tag legten. Apstein führt die gleichmäßige horizontale Verbreitung auf die gleichmäßige chemische Zusammensetzung des Seewassers und die dadurch bedingte gleichmäßige Verteilung der pflanzlichen Nahrung zurück. Da nach meinen Befunden das Z- Plankton horizontal gleich- mäßig verteilt ist, — selbst eine Zusammenscharung von Z- Plankton- ten, die eine Eigenbewegung besitzen, wie Schwärmsporen und Fla- gellaten, konnte nie beobachtet werden — und ein direktes Abhängig- keitsverhältnis zwischen den Nahrungsorganismen und der gesamten Planktontierwelt nachgewiesen werden konnte, so ist es vollauf be- rechtigt, die gleichförmige Verbreitung des tierischen Planktons mit einer solchen des Nannoplanktons in Zusammenhang zu bringen. Die Annahme Ambergs, daß in kleinen Seen das Gewässer selbst die »planktonische Verbreitungseinheit« sei, hat sich bestätigt. Ein von diesen Beobachtungen abweichendes Verhalten in der freien Region des Wassers ergaben regelmäßige Fänge in der freien Wasserzone der kleineren, schon litoralen Charakter aufweisenden Buchten. Während in den Wintermonaten die Fänge aus Bezirk I und II (vgl. Karte) eine ganz ähnliche Zusammensetzung zeigten, und eine Abnahme der limnetischen Organismen erst in der Nähe der Ufer festzustellen war, konnte ich im Hochsommer nur wenige pelagische Planktonformen hier nachweisen, obwohl das Z- Plankton eine gewal- tige Zunahme aufwies und mitunter nahezu das Zwanzigfache der Menge wie in der freien Wasserfläche des offenen Sees erlangte. Die größten Werte erreichte ein kleiner farbloser Flagellat, den ich leider nicht bestimmen konnte. Auch Crijptomonas erosa war in bedeutend größerer 594 Friedrich Volkmar Colditz, Anzahl vertreten. Cyclotella Meneghiniana, Raphidium 'polymorphum und Scenedesmus quadricauda dagegen zeigten in dieser Beziehung keine Unterschiede. Es müssen mithin Faktoren auf die Verteilung des tierischen Plank- tons in diesen litoralen Buchten einwirken, die hier den Nahrungs- einfluß ausschalten. Für diese Erscheinung muß in erster Linie die größere Masse zersetzungsfähiger organischer Nährstoffe verant- wortlich gemacht werden. Sie bieten zwar für das osmotisch sich er- nährende Nannoplankton günstige Existenzbedingungen dar, führen aber im Sommer durch bakterielle Fäulnisprozesse und Wucherung pflanz- licher und tierischer Saprobien eine chemische Veränderung des um- oebenden Mediums, vor allem einen bedeutenden Verbrauch an Sauerstoff herbei, der auf das an größere Sauerstoffmengen gebundene Netz- plankton ungünstig wirken muß, und den die zahllosen Individuen sauerstoffproduzierender Algen nicht zu decken vermögen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Empfindlichkeit der einzelnen Zooplankton- ten gegenüber dem Sauerstoffmangel außerordentlich verschieden ist eL nur geringes Sauerstoffbedürfnis besaßen mehrere Kotatorien- arten, vor allem Änuraea cochlearis. (l./VII. in 201 Seewasser: Bucht IV -' 5300; See II = 1; 23./VII. in 20 1 Seewasser: Bucht IV - 2250; See II - — ). Am empfindlichsten erwiesen sich die Cladoceren Dia- ■phanosoma brachyumm und Daphnia hngispina, sowie Diaptomus sa- linus, die in den heißen Monaten die litoralen Gebiete ganz mieden. Tab. XIII wird das C4esagte noch näher erläutern. Etwas andre Verhältnisse wurden in dieser Hinsicht in der Ufer- region des Bindersees angetroffen, welcher eine dichte Wasserpflanzen- zone aufweist. Dort waren im Sommer das Z-Plankton und auch die pelagischen Zooplanktonten in nur geringen Mengen vertreten. Sollte hier vielleicht der Einfluß der reich entwickelten Litoral- fauna als Nahrungskonkurrent oder ein solcher der Lichtmtensitat auf das Zooplankton in Frage kommen? Ich möchte nicht ver- säumen, auf die Arbeiten von Woltereck und Burckhardt hinzu- weisen. Ersterer erklärt das Phänomen der Uferflucht als »Be- rührungs-Reaktion«, letzterer hingegen sieht als Ursache »aktive Lichtflucht« au. Vertikale Verteilung und tägliche Wanderungen. Komplizierter als die horizontale repräsentiert sich die ungleiche vertikale Verteilung in einem See, weil sie in den verschiedenen Ge- wässern em andres Gepräge aufweist. Schon seit Jahrzehnten ist auch Zu S. 594 Anuraea aculeaia Triarthra terminalis-nmior Brachionus angularis-bidem Brachionus pala Asplanchim brigktwelU Polyarlhra plalyptera Anvraea eochlearis Synchaeta pectinata Diaptomus scUinus Oyclops sirmuus Nauplien Copepodea Bosmina longiroatris Daphnia longispina-galeala Diaphanosoma hrachyurum Cladoceren Zeitsclirilt f. wissenach. Zoologie. CVIII. Bd I Beiträge zur Biologie des Mansfelder Seos usw. 595 diese Ersclieiiumg beobachtet und aus allen tieferen Seen oft beschrieben worden. Eine befriedigende Erklärung für dieses Verhalten aber fehlt noch. Bisher hat man es ausschließlich auf Gründe physikalischer Natur zurückzuführen versucht (Weismann, Fuhrmann). Erst Burck- HARDT deutet einen eventuellen Einfluß der Nahrung an. Dieser hat sich nach Dieffenbachs Beobachtungen als die direkte Ursache der ungleichmäßigen Vertikalverteilung der pelagischen Rotatorien in dem von ihm untersuchten Teiche erwiesen: Zu jeder Jahreszeit, bei den verschiedensten Witterungs Verhältnissen konnte er »die pelagischen Rädertiere und ihre Nahrungsorganismen an allen Stellen des Limneti- kums in einer Zone, die etwa V2 m unter dem Wasserspiegel lag, in ungleich erößeren Menoen antreffen als in den darunter- und darüber- liegenden Wasserschichten«. Die vertikale Verteilung der Planktonten des Mansfelder Sees, welcher in seinem biologischen Charakter vielmehr eine Mittel- stellung zwischen Teich und See einnimmt, ist im Laufe des Jahres einem bestimmten Wechsel unterworfen. Thallwitz konnte im Moritzburger Großteich bei Dresden eine zonar und periodisch ver- schiedene Verteilung des Planktons nicht nachweisen. Zu diesem Resul- tat kam er jedenfalls nur durch Anwendung der für das quantitative Arbeiten in flacheren Gewässern völlig ungeeigneten Netzmethode.. In dem von mir untersuchten See konnte ich die Beobachtung machen, daß das Maximum der Verteilung des Gesamtnetzplanktons vom späten Frühjahr bis zum Winter von der Oberfläche nach der Tiefe zu wandert. Im Mai und in den Sommermonaten waren 43 — ^72% der Planktonten in der Oberflächenschicht 0 — 1 m enthalten. Umgekehrt war die Verteilung im Winter, zu dieser Zeit war die größte Menge in 4 — 7 m Tiefe ange- sammelt. Mit andern Worten: Die tierischen Organismen be- vorzugten in den Sommermonaten die Oberflächenschicht, im Winter die tieferen Schichten, während in den Übergangs- zeiten die Verteilung von der Oberfläche bis zum Boden eine mehr gleichförmige war. Die Befunde Apsteins, daß die Haupt- masse des Planktons in verschiedenen norddeutschen Seen in der Ober- flächenschicht konzentriert ist, gilt im Mansfelder See nur für die Pe- riode der Sommerstagnation des Wassers. Am ausgeprägtesten zeigten dieses zonare Verhalten die Cla- doceren. Im Winter unter dicker Eisdecke waren sie bis 3 m über dem Grunde in nur geringer Zahl vorhanden. Hier begann plötzlich eine enorme Zunahme der Bevölkerungsziffer, die unter Umständen das Vierfache des Wertes der darüberliegenden und das Hundertfache Zeitschrift f. wisseusdi. Zoologie. C'VIII. Bd. 39 596 Friedrich Volkmar Colditz, des Wertes der Oberflächenschicht erreichen konnte. Dapimia longi- spina hatte ihr Maximum direkt über dem Grunde in 6 — 7 m Tiefe, Avährend Bosmina longirostris quantitativ am stärksten in 4 — 6 m auf- trat. Dieses Tiefenmaximum ließ sich im Januar und Februar ver- folgen, worauf es abnahm, und eine mehr gleichmäßige Verteilung in den dariiberliegenden Schichten platzgriff. jVIitte Mai wurde ein deut- liches Oberflächenmaximum in 0 — V2 ^^ beobachtet, welches sich von Juni an über 0 — 2 m ausbreitete. Vom September an war wieder das Umgekehrte der Fall, zunächst gleichmäßige Verteilung von 0 — i m und schließlich ein Wintertiefenmaximum. In ähnlicher Weise verhielten sich die Rotatorien. Die Ober- fläche war im Winter stets ärmer an diesen Organismen als in den übri- gen Monaten des Jahres. Auch sie waren {Brachionus angularis var. hidens, Triarthra terminalis var. tnaior, Anuraea aculeata) in der Tiefe bedeutend stärker gehäuft zu finden als in den übrigen Regionen. Vom Mai an wiesen die Vertreter dieser Tiergruppe {Pohjarlhra platyptera, Anuraea cochlearis, Anuraea aculeata, Asplanchna priodonta, Asplanchna hrightwelli, Brachionus pala, Synchaeta pectinata) bis Anfang Herbst ihre größte Volksdichte ebenfalls in der Oberflächenzone auf. Die Copepoden zeigten zu allen Jahreszeiten eine gleichmäßi- gere Verteilung in der ganzen Wassersäule. Ausgesprochene periodische Maxima in irgend einer Tiefenschicht konnten nicht konstatiert werden. So war es auch eigentümlich, daß im Mai, wo die Fänge für die sämt- lichen übrigen Planktonspezies eine gewaltige Ansammlung an der Oberfläche ergaben, sich diese Art nicht daran beteiligte, sondern im Gegenteil diesmal sogar größere Zahlen in der Tiefe aufwies. Eine ausreichende Erklärung für die zonare Verteilung des Netz- planktons können wahrscheinlich weder die thermischen, noch die opti- schen Eigenschaften des Seewassers geben. Denn es konnten in dem- selben Untersuchungsjahre im Winter unter dem Eise im Bindersee eine durchaus gleichmäßige Verbreitung der tierischen Planktonten und öfters sogar größere Mengen an der Oberfläche angetroffen wer- den. Letztere Erscheinung kann allerdings durch die geringe Anzahl der Individuen herbeigeführt worden sein, die keine deutliche Vertikal- verteilung zu erkennen gestattete. Die wenigen vorhandenen Zentri- fugenalgen zeigten in ihrer Verteilung vollkommene Übereinstimmung mit dem Netzplankton. Das Z- Plankton soll deshalb im Mansf eider See zur Beurteilung dieses Problems herangezogen werden. Die Hauptmasse der Algen war während des größten Teiles des Jahres in der ganzen Wasserzone gleichmäßig Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 597 verteilt. Bei Schwärmsporen und Grünalgen konnte beständig ein geringes Maximum in den oberflächlichen Schichten beobachtet wer- den. Es ist erst vom Mai an deutlich ausgeprägt, wenn die Schich- tung des Wassers sich ausbildet und die Nähralgen zugleich durch die zunehmende Besonnung und Was&erwärme eine gewaltige Vermehrung in der Oberflächenschicht erfahren. Eine andre Verteilung wiesen die Nahrungsorganismen zur Zeit der inversen Schichtung des Wassers in den Wintermonaten auf. Die in der Minderheit vorhandenen Schwärra- sporen hatten ihre Hauptentfaltung gemeinsam mit Chlamydomonas media und dem Flagellaten Cryptomonas erosa (s. Tab. XIV) dicht unter dem Eise. Tabelle XIV. (in 10 ccm Januar Februar Seewasser) 10. 21. 27. 6. 9. 14. 19. 24. O-i/om 1250 1400 875 5000 63000 33700 35100 21600 '/2-I * — — — 1750 9000 22000 19800 16200 1-2 . — — — 600 5400 9000 5400 12600 2-4 . — — — 100 1800 3600 3600 12600 4-6 » 6—7 » — — — — — — — 5400 Schneeeis Spiegeleis Die durch die Eisdecke geschwächte Lichtintensität bietet wahr- scheinlich in den obersten Schichten optimale Lebensbedingungen für diese Algen. Vielleicht ist hier zugleich ein heliotaktisches Verhalten der letzteren ausgeprägt, da unter der schützenden Eisdecke äußere Einflüsse, die sonst störend einwirken, wie Wellenbewegung, Tempe- raturschwankungen und damit zusammenhängende Strömungen, weg- fallen. Die Schichtung wurde durch die nach der Eisschmelze ein- setzenden Konvektionsströmungen aufgehoben. Entgegengesetzt verhielten sich unter dem Eise die chromophyll- f reien ( = grauen) Formen und Cyclotella hyalina, die Hauptnähralge des tierischen Winter planktons. Sie wiesen ihre größte Bevölkerungsdichte in den tieferen Regionen auf (s. Tab. XV, S. 598). Es handelt sich bei ersteren um Planktonorganismen, die ihre opti- malen Bedingungen zu ihrem Wachstum in der Tiefe finden. Dasselbe kann für Cyclotella hjalina der Fall sein. Bei dieser Spezies kommt noch hinzu, daß sie aus Mangel an Eigenbewegimg dem Sinken keinen aktiven Widerstand leisten kann. Somit warenim Winter gleichzeitig zwei periodische zonare 39* 598 rriedrich Volk mar Colditz, Tabelle XV. (in 10 ccm , Januar Feltruar Seewasseij 10. 21. 27. 6. 9. 14. 19. 24. 0— I/o m 129200 221000 217600 132500 75000 70000 23400 54800 1/2-1 > 257400 240600 240G00 179750 102500 65500 79900 71600 1-2 . 248900 256000 356000 324800 118600 12C000 122200 134000 2-4 . 362000 402250 574200 497600 224800 177400 131200 108800 4-6 . 474800 534400 719000 695200 398000 479000 460200 340400 6-7 » 450000 420400 509C00 383(;00 395400 422000 449400 335700 Schneeeis Spiegeleis Ansammlungen im See vorhanden: Das Hauptmaximum der gesamten Nahrung, bestehend aus Cyclotella und chromophyllfreien Formen in der Tiefe und ein geringes Maximum für Cryptotnonas, Chlamydomonas und Schwärmsporen an der Oberfläche. Dieses Tiefen- maximum ließ sich noch wenige Tage nach der Eisschmelze verfolgen. Aus alledem geht hervor, daß das Z- Plankton in seiner biolo- gischen Schichtung in einem nicht tiefen Seebecken von der ther- mischen Stratifikation des Wassers abhängig ist. Letztere er- klärt uns die ungleiche Verteilung im Sommer und Winter, während die mehr regelmäßige Verteilung im Frühjahr und Herbst und damit das Vorkommen von Schwärmsporen und Grünalgen bis in die Nähe des Grundes auf die thermische Circulation des Wassers zurückzu- führen ist. Das Licht vermag auf die Verteilung der Nahrungsorga- nismen insofern einzuwirken, als eine bestimmte Intensität das Optimum für die Entwicklung derselben darstellt. Einfluß der Nahrung. Li welcher Beziehung steht nun das Netzplankton zu der verti- kalen Verbreitung des Z-Planktons? Tab. X\T soll als Erläuterung zur Beantwortung dieser Frage dienen. Li ihr habe ich die Werte für die Planktonteu in den verschie- denen Monaten der Übersichtlichkeit wegen in Prozenten der Total- menge angegeben. Aus demselben Grunde, um die zahlreichen Schwan- kungen der Lidividuenmengen innerhalb der mit Absicht sehr eng gewählten Untersuchungsschichten zu eliminieren und die Unterschiede charakteristischer hervortreten zu lassen, habe ich bei der Berechnung die Zählergebnisse der sechs Stufenfänge jeder Untersuchung in drei Kategorien zusammengefaßt und darnach nur drei Zonen der Wasser- säule des Sees unterschieden: Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 599 o CD o (M c- Gi (>J o C^ 1— ' a *-i . 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Die tabellarische Übersicht zeigt uns, daß sich Netz- und /- Plankton in ihrer vertikalen Verteilung auffallend parallel verhalten. Es ist deshalb berechtigt, eine gesetzmäßige Abhän- gigkeit zwischen beiden anzunehmen. Beide Planktongruppen waren im Winter zahlreicher in der Tiefe enthalten, während sie im Sommer ihr Produktionsmaximum an der Oberfläche hatten und in der übrigen Zeit eine nahezu gleichmäßige Verteilung zeigten. Wenn man dieses Verhalten der Zooplanktonten allein in direkten Kausalzusammenhang mit dem Lichte oder der Temperatur und ihren Gefolgeerscheinungen: Änderung der Viskosität, Konvektionsströ- mungen usw. zu bringen sucht, so erhält man keinen genügenden Auf- schluß. Es wird auf diesem Wege nicht deutlich, weshalb im Winter unter dicker Eisdecke und selbst unter einer Schneeschicht das Netz- Plankton bei beträchtlicher Zunahme der Individuenzahl eine maximale Entfal- tung in den tieferen Zonen aufweist. Darüber kann uns nur das zu dieser Zeit ebenfalls in die tieferen Regionen verlegte Algenmaximum Aufklärung geben. Wollte man annehmen, daß dieses Tiefenmaximum des Netz- Planktons allein durch ein Absinken der Tiere in dem kälteren Wasser ohne Zutun der Nahrung hervorgerufen wurde, so W'äre dort eine Vermehrung der Planktonten in dem Maße, wie meine Untersuchun- gen ergeben haben, ausgeschlossen gewesen. Hiernach sind auch die Beobachtungen zum Teil verständlich, daß die Planktonten in verschiedenen norddeutschen Seen (Behrens, Sa- crowersee) und Alpenseen (Bueckhakdt, Vierwaldstättersee ; Lantzsch, Zuger See) im Winter in bedeutend größerer Tiefe anzutreffen sind als im Sommer, wobei eine zonare Schichtung in den meisten Fällen nicht aus- gebildet ist. Die Circulationsströme im Herbste haben reichere Nahrung in diese Tiefen geführt und erst Existenzbedingungen fürdasNetzplank- ton dort geschaffen. Zachaeias und Bueckhakdt nehmen an, daßdiegün- stigeren Ernährungsverhältnisse in den Tiefenschichten zu dieser Zeit durch das Untersinken der absterbenden Algen herbeigeführt werden. Hinfällig ist die Anschauung von Feig und Va VEA,welche das regere tie- rische Leben zur Winterszeit nahe am Grunde in dem nur 3 m tiefen Unterpocernitzer und Gatterschlager Teich direkt durch die Zunahme der Temperatur nach der Tiefe erklären wollen. Ein Einfluß der Tem- peratur ist gewiß vorhanden, aber er ist sehr wahrscheinhch nur in- direkt. Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw. 601 Tabelle XVII. Tag. (26. IX. 1912.) 12— Ihpm. See: windstill. Wetter: heiter, sonnig. (in 20 Liter) Ober- fläche i/ora Im 3m 5 m 7 m Anuraca aculeata 510 850 960 530 270 80 Triarihra terminalis-maior — 10 — — 1 — Brach ionus angularis-bidcns — 27 80 27 10 — Asplanchna priodonta 530 690 400 190 — — Polyarthra platyptera 2640 4350 5090 4610 2370 190 Anuraca cochlearis 4240 4670 4210 4400 930 80 Synchaeta pectinata 670 1070 710 510 11 80 Kotatorien 8590 11660 11450 10260 3590 430 Diaptomus salinus 110 160 320 240 190 110 Cyclops strenims 130 480 720 670 670 1090 Nauplieu 750 1430 910 910 720 430 Copepoden 990 2070 1950 1820 1580 1630 Bosmina longirostris 4960 18210 14480 2720 1390 290 Daphnia longispina-galeaia 130 450 510 310 250 270 Diaphanosoma brachyurum 420 610 5600 830 610 480 Cladoceren 5510 19270 20590 3860 2350 1040 I. Schwärmer 20000 22200 19300 12800 12500 12300 11. Cryptomonas erosa 900 1100 600 600 300 150 III. Scenedesmus quadricauda, Eaphidiumpolymorphiim, Pediastrum, Staurastrum 900 1600 800 1200 600 1500 VI. Oyclotella Meneghiniana 197100 189600 180900 163900 120700 107800 (in 10 ccm) Z = Plankton 218900 214500 201600 178500 134100 121700 Temp.: Luftt. 16,8° C ! 12,6° 12,5° 12,1° 11,4° 10,8° 10,7° Ferner muß man auch noch andre Momente für die Verteilung gelten lassen. Woltereck zieht als Erklärung für das winterliche Tiefen- maximum bei Cladoceren die Beobachtung heran, daß im kalten Wasser die Eigenbewegung der »hüpfenden« Cladoceren verlangsamt wird, wodurch die Tiere infolge des zwischen je zwei Ruderschlägen jeweils erfolgenden Absinkens schHeßlich nach unten gelangen, mit andern Worten, >>daß die Schwimmbahnen im kalten Wasser häufig abwärts führen <<. Meine Befunde im See stimmen mit diesen an Kulturen gewon- nenen Beobachtungen gut überein. Durch sie wird uns erklärlich, wes- halb das Maximum der Daphnien im Januar und Februar stets tiefer lag als dasjenige derBosminen und der Rotatorien. An dieser Bcdenansamm- lung beteiligten sich sowohl die älteren, wie die jüngeren Tiere. Anderseits 602 Friedrich Volkinar Colditz, Tabelle XVIII. Nacht. ^27. IX. 1912.) 1— 2'' p-m- "■ See: windstill. Neiiinond. (in 20 Liter) Ober- fläche i/om Im 3m 5 m 7 m Anuraca aculeata 730 690 660 730 310 50 Triarilira tcrminalis-maior — — 10 — — — Brach ionus angularis-bidens 40 30 40 10 — — Asplanchna prioclonta 750 410 530 210 10 27 Polyarthra platyptcra 4350 3980 4900 3820 197U 60 Anuraea cochlearis 4440 5010 3720 4100 1260 110 Synchaeta pectinata 820 790 840 600 27 60 Rotatorien 11130 10910 10700 9470 3570 300 Diaptomus salinus 240 360 420 490 100 120 Oyclops strenuus 80 320 630 770 920 900 Nauplien 930 1150 870 640 810 720 Copepoden 1250 1830 1920 1900 1830 1740 Bosmina longirostris 8730 10200 8240 8290 1120 600 Daphnia longispina-galeata 290 250 300 270 410 270 Diaphanosoma brachyiirwn 2320 2030 3450 920 1400 240 Cladoceren 11340 12480 12190 9480 2930 1110 I. Schwärmer 17500 20600 18400 12700 11900 11500 II. Cryptomonas erosa 400 500 300 300 200 150 III. Scenedesnius quadricauda, Raphidiumpolymorphum, Pediasirum, Statirastrmn 1100 1300 700 600 400 900 IV. Cyclotella Meneghiniana 173400 180200 192100 150000 111600 110000 (in 10 ccm) Z = Plankton 192400 202600 211500 163600 124100 122500 Temp.: Luftt. 11,0" C 11,1" 11,1" 11,2" 11,0" 10,9° 10,7" lassen sich meine Resultate nicht ohne weiteres mit der Anschauung die- ses Autors vereinigen. Sie vermag uns allein keine Auskunft zu geben über die beträchtliche Zunahme der Bevölkerungsdichte aller Tiergrup- pen im Winter in den Tiefenschichten des Sees, wofür nach meiner Meinung in erster Linie nur die Nahrung in Frage kommen kann. Im Mai fällt das Oberflächenmaximum der Planktonten mit dem Minimum der Transparenz zusammen, trotzdem liegt kein Grund vor, den Einfluß der Nahrung einem solchen des Lichtes gegenüber aus- schalten zu wollen. Die gleichzeitige gewaltige Zunahme der Cladoceren und Rotatorien in dieser Zone spricht für den ersteren. Apstein berich- tet, daß die größten Individuenwerte von Diaphanosoma hracliyurum und der meisten Rädertiere an der Oberfläche von ihm zur Zeit der Beiträge zur Biologie des Älansfelder Sees usw. 603 X »_^ ^ o o o ^ Q o o 3 o o o O tt f& ro T-l Oi -* CO o (M - CO lO 1-1 00 (M o s lO >o T— ( CM p 5" l- CD 2 1 (M o o o o o o Q o o o C3 o o 1 ^ 1—1 1-1 r- lO -* ^ CO OS 1—1 t^ f^ t> '^ £ ' 1 ^^ TU o co CO CD (M o -* CO CO I> -* S 'O T— ( T-l (M T— 1 CO 1-1 '-' CO 1—1 o o o o o o o o o o o o © ^ ►— H c^ CO OS T-l *o (>J -^ c» so r- t^ Ol Cd i s -* '>^ ■^ -* 1-1 T— 1 1—1 CD T-l CO T— 1 1—1 1— 1 bc ^- — ^ 1-1 ■* t- -r U C5 rH -J=-' o o o o 8 o -^ o o o o o o 05 f a 05 CO CO CD 00 (M CD 1—1 t>- CO CO 1—1 ^ CO lO ^ CO CO CO OJ CD co o o 1—1 T— 1 1—1 1— 1 ^ o ^ o o o o — o o o o o 1— 1 r^ .0^ CO (M CO CO 1—1 Cf^ o CO »M 1 CM > (M 5 1—1 1—1 (M >o Ol CO c5 CD 1 CO 1 o »o T-l T-l Ol T-l (M (— 3 o ^ o o o o o O O o o 1 a CO ^ CO CD CO 'Tt« 00 lO c» CO >o CO T-l ^ HH lO CD '^ CO o (M oa ^ 05 I> ■^ GM ^ ^ 1— ( > T-l ■iH o o o o o o o o o Q Q o o C5 1 a c» T-l M c>- Oi lO T— 1 (M oo CO (^ t>- 'O CO tH ^ o CO CO CD VO CO o CO (^] *o y—t CS -£i 1-1 >o C»] c^ tH CM 1—1 '^ o o ^ o o Q Q o ^, o o o o 'S) g$ "l ö c^ T-l ■^ C5 •rtl 00 CD T-l iC o ^ — ■ CD CD » 1 ^ ^ CO ^ ■o CO CO CO -* r— 1 T-l ö5 C>J G> o 1—1 '^ 1—1 CD T— 1 ^ -* ^ o ^ o o o o !M o o O o o o .- CO 1— ( .£P 5 1— ( 1—1 Oi '* Ci o CS c» l> '3 a .5^ CD c- tH Q^ ^ a oi (M o o o CD o (^ o o o o o o o s-i 1 1 a CO T-l tH CO CO ^^ CO CO OS o IQ CO OD S 1 1-1 CO r- ■TjH 05 lO 1-1 CD «o CO -* O^ T-l 1—1 CV] (M c^ T— 1 rtl o OJ tH o o o o o <3 o o © <— , o o O »^ »-H cq CD »o 1-1 o >o tO o CS o I^ CO PV« ^^ i' ^ o OS CD -* (O CO •<* CO OS CO (M o .S 'S > 1—1 CO CO OD (M 1— 1 •o 'S S od ■^ r-l 02 -s) — o o o o o o ^5 (^ o o ^ o ^^ "^ ä lO CO (M r- ir- ^ CO ^^ (>] lO ^ CO CO 1 ^ CO CO xt* co ^ t> (M o o o o o o o o O o o o o 1 '— (M CO ■* ^ CO (M T-l c^ o o OS o CS ^ 1 s 1-( »o -* o t> T-l lO -* OS CO CM "* TH tH 5i 1—1 Ol (M CO rH o o o o o o o o o ~ö" o o S &b L a CM 1—1 •o m CO I> ■<* rH O] CO r~ 00 00 r~ c- o >o CO 1—1 00 •* »o CO 00 (M 1—1 CCl "5 CO T-l CO 05 tH tH IM CO c bt) -^ T-l o 05 -^ o o o o Q o o o o o o o o ^ ä 1 a OS OJ CO CO Oj T— 1 (M c^ iO T-l 00 "* iT H 1—1 iO lO lO 05 00 (M o o CO 00 1—1 CO « o T-l CO T-l lO T-l CM 'S u e 1 1 r; s g a .'•^ 1 >» gl a a S s 1 ,:c _« =0 ■^ •l?* 2 TS o a, 3 Ö .o ^ o £ §^ <5 o O s 1 g g "a, o Ca o -2 >2 o CO CO o ü s § CS o CO ö «^ ö '> von einer durch Verän- derung der inneren Reibung bedingten Vertikalwanderung durch- aus keine Rede sein«. Verteilung unter einer Schneedecke. Eine weitere Fangserie wird die Verteilungsverhältnisse zu einer Zeit illustrieren, wo eine Schneedecke das Eis überkleidete. Leider war dieselbe nur von kurzer Dauer. Bereits am folgenden Tage war sie vom Sturme zum größten Teile abgeweht und damit die Hoffnung auf gründlichere Resultate zunichte gemacht. In dem äußerst milden Winter 1912/13, der ebenfalls nur wenige Tage Schnee aufwies, konnte die Eisdecke ihrer geringen Stärke wegen nicht betreten werden. So kam es, daß ich mich diesen Untersuchungen nicht in dem Maße widmen konnte, wie ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Aus den Zählungs- ergebnissen vom l./II. 1912 (Tab. XXII) geht deutlich hervor, daß die leichte Schneedecke nur geringe Veränderungen in der Oberflächen- Tabelle XXII. 1. II. 1912. 2iip-"i. Eisdecke (24 ciU; und Sclmeeschicht von 5 cm Stärke, nebelig. (in 20 Liter) i Ober- fläche i/om Im 3 m 5 m 7m Änitraea aculeata Triarthra tei-minalis-maior Brachion us angiclaris-bidens 12600 110 5350 14860 270 5110 14390 280 5600 16380 240 7480 18690 330 7740 18730 370 7460 Kotatorien Diaptomus salimis Cyclops stremms Xauplien 18060 70 170 800 20240 160 150 830 20270 140 160 580 24100 240 180 1440 26760 290 210 1260 26560 150 180 720 Copepoden Bosmina longirostris Daphnia longispina-galeata 1040 275 1140 67 233 880 11 230 1860 590 1760 75 610 1050 280 880 Cladoceren Cgclotella hyalina Cryptomonas erosa Scenedesmus quadrieaiida 275 110600 325 1750 300 176250 260 1750 241 204250 180 3500 590 425200 3500 685 516250 7000 1160 650000 7000 (in 10 ccm) Z = Plankton Temp.: Luftt. +1,25" C 112675 2..T" 178260 2,5" 207930 2,5" 428700 3,0" 523250 3,25" 657000 3,7" 608 Friedrich Volkmar Colditz, Schicht verursachte. Das 24 cm starke Eis trug eine vom vorhergehenden Tauwetter herrührende dünne Lage wässrigen Öchneebrei und darüber 5 cm Neuschnee. Eisdecke + Schneeschicht hatten zum mindesten tiefe Dämmerung, wenn nicht gar völligen Lichtabschluß hervorgerufen. Das Netzplankton zeigte in den oberen Schichten eine fast gleichmäßige Verteilung. Das Z- Plankton wurde mit Ausnahme von Cri/ptomonas erosa hiervon nicht berührt. Die Schwächung der Lichtintensität hatte bei diesem Flagellaten ein Verwischen der zonaren Schichtung unter gleichzeitiger Abnahme der Individuenmenge zur Folge. An- sammlungen der Planktonten um Eislöcher, wie France vom Balaton- see beschrieben hat. konnten von mir nicht konstatiert werden. Mechanische Einflüsse. Endlich möchte ich noch den Einfluß mechanischer Kräfte, Wind und Wellen, sowie denjenigen des Gasgehaltes des Seewassers auf die Vertikal- verteilung des Planktons in meinem Gewässer einer kurzen Erörterung unterziehen. Der Mansf eider See ist ungehindert den häufigen West- und Südwestwinden ausgesetzt, die mitunter ganz beträchtliche Wellen erzeugen können. Die weniger zahlreichen Nordwest- und Ostwinde wirken auf die Wasserbewegung geringer ein, weil die den See umgeben- den Höhen sich schützend davorstellen. France hat am Balatonsee in Ungarn zuerst den Einfluß der Witterungsverhältnisse auf die ver- tikale Verteilung des Planktons beobachten können. Er äußerte sich Tabelle XXIII. 1. VII. 1912. Heftiger Sturm; etwa 1/2 »1 hohe Wellen. (ia 20 Liter) Oberfläche 1/2 m Im 3 m Änuraea aeuleata Polyarthra platyptcra 53 53 267 160 875 1665 980 2260 Rotatorien Diaptomus salinus Cyclops strenuus Nauplien 106 360 107 600 427 920 213 1140 2540 2150 610 2560 3240 2610 580 2830 Copepoden Bosmina loiicjirostris Daplinia longit C-l Ch g > B h^ CD M B >-« o 'S o er <3> CD S" 3 er CD c er? a CO V ^ s s. - N CD H^ er CD <-l H-1 C CO g' l-i INS CO 1-1 1—1 H-1 13 >-' CD CO CO i—i- *- INS o Ol ^ Ol CO OS OS t;^ OS ^1 o o< -o o o »4:^ H-1 1—*^ to 00 Ü« Ci ÜT fc Ol OS c< CO 00 CO o p o s o "^ o O o o Oi o c ° ^^ «2 CD CD ~w h-i 1-1 t— 1 tu- p* cd' 05 OS CO OS >f^ CO en CO i-^ Oj p Ci to CO INS OS CD o 1—1 CO H-1 CS ~3 00 rf^ M ►-1 CD Ol h-1 O CO CO Ol CO '~i W CO o O o O o o O o o o o CD CD g H-1 h-i t— ' k_^ h- 1 OS ^ 8 ^ Ol CO Ol •o —. o o o O § O o o o o o OS CD CD g 1—1 1-1 Ol p »t^ o ^1 CO CD *» INS INS CO OS OS CO C3 w 00 *» 00 OS h- 1 OS n^ Ol OS 00 00 00 f*1 1—1 -P- ^ 1—1 o 1—1 ■^ «O Ol #>■ . - Q o o o o o o O o o o o o o CD CD p" o CD 2 5' CD 1 to t^ t-i 1 ». 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O w fö o o o c O o o o o o Ol JK CD o CD p M s p" OD p t« 1-1 c» 1-1 1^ OS B . . 1:9 02 OS c OS h-1 1-1 CD Ol Ol CO to CO ^ OD o O o C\3 CO rf^ to Ol Ü< ro >— 1 •v] h- 1 Ol r*» oo h-i ^^ Ol o CO ^^ (^ 00 H-1 C5 o o 8 8 o o § s § 8 8 8 ° s 8 s CD CD CD B, CS s 05 Ol 5' ^ Ol INS <] v-^ -0 CO n^ o- p" © © © l-fc »— 1 OS Ü' ^ Ci lO o CO 1-1 CO H-I Ol CD p 00 ^D CO ^] Ol 00 OS ^^ H-1 »r^ CO •^ "K g 8 8 8 8 8 g 3 g g 8 o o CD o CD p «2 B CD H CD p Hr- er i:: (D p H-^ T9 »— ' CD n> p p M oo !x; < Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 615 Mangel an Nahrungsproduzenten einen solclien der Nähr ungs- konsumenten im Gefolge hat, wie direkt die Zusammen- setzung des Z-Planktons auf einen geringen Planktonreich- tum schließen läßt und so die planktonische Eigenart eines Gewässers in quantitativer Hinsicht bedingt. Die Zusammen- stellung (Tab. XXIV, S. 614) liefert die entsprechenden Eesultate, Am auffallendsten kommt dieser quantitative Unterschied in den AA-^interfängen zum Ausdruck. Während im Mansfelder See ein reicher Fortbestand von Z- Plankton die Überwinterung und sogar das Auf- treten von Maxima gewisser Tierspezies ermöglicht, ist das plankto- nische Leben im Bindersee zu dieser Zeit auf ein Minimum beschränkt. Letzterer weist dieselben natürlichen Lebensbedingungen auf wie der größere See (vgl. chemisches Kapitel des Seewassers). Die Faktoren, die diese geringere Nahrungsmenge bewirken, sind durch die Art der Zentrifugenalgen gegeben. Apstein ist der erste gewesen, der es versucht hat, die Seen nach ihrer Planktonproduktion einzuteilen. Er unterscheidet Chroococca- ceen-Seen und Dinobryon-Seen. Die ersteren sind reich, die letzteren arm an Plankton. Dies ist eine Gruppierung nach ganz äußerlichen Merkmalen, wobei nur die Menge des Gesamtplanktonvolumens berück- sichtigt wurde. Man hat nun diese beiden Charaktertypen ohne weiteres auch auf das quantitative Vorkommen des animalischen Planktons in Anwendung gebracht. Im Laufe der Zeit hat sich aber vor allem durch die verbesserten Methoden der Planktonbestimmung herausgestellt, daß viele Seen nicht in dieses System passen. Da wir jetzt über die Ernährungsverhältnisse der Planktozoen aufgeklärt und ihre Nahruugsorganismen uns qualitativ und quanti- tativ zugängig sind, ein Nahrungswert der Hauptchroococcaceengruppe Microcystis und von Dinohryon dem Volumen nach nicht in Betracht kommt, so ist wohl auf Grund der Vergleichsergebnisse vom Mansfelder See und Bindersee gerechtfertigt, eine biologische Qualifikation der Seen betreffs ihrer Planktonproduktion nach dem Z- Plankton vorzunehmen und zwischen Z -planktonarmen Seen und Z-planktonreichen Seen zu unterscheiden. Ein See ist umso ärmer an tierischem Plank- ton, je geringer seine Z-Planktonfauna entwickelt ist, und umgekehrt spielt nur dort, w^o das Z-Plankton bedeutend dominiert, auch ersteres quantitativ eine größere Rolle. Da bis jetzt noch kein andrer See in dieser Beziehung genauer untersucht 616 Friedrich Volkmar Colditz, worden ist und mir deshalb in der Literatur keine Resultate zum Ver- gleiche vorliegen, so ist vorderhand noch nicht möghch, eine speziellere Klassifikation anzugeben. Man muß damit warten, bis weitere ein- gehende Beobachtungen über den Nahrungshaushalt andrer Wasser- becken veröffentlicht werden. Auch die einzelnen Gewässertypen weisen nach den bisherigen Untersuchungen eines Teiches (Lauerscher Teich bei Leipzig), mittel- tiefen Flachlandsees (Mansfelder See) und tiefen Alpensees (Zugersee, nach persönlichen Mitteilungen von Herrn Lantzsch) beträchtliche Unterschiede in den Konstituenten der Nahrungsorganismen auf. Die Quantität von Z- und Netzplankton steht aber unter Berücksichtigung des Nahrungswertes der jeweilig vorhandenen Klein- algen in einem für die betreffenden Tiergruppen annähernd überein- stimmend gestalteten Verhältnis. Hierdurch wird die Bedeutung, welche das Z-Plankton im Loben der Gewässer hat, am besten charak- terisiert. Je größer ein Wasserbecken ist, umso ärmer ist die Chlorophyceen- und Schizophyceenflora. Umgekehrt spielen Bacillariaceen im Z-Plank- ton von Teichen eine unbedeutende Rolle, und an ihre Stelle treten in der Hauptsache saprophytische Formen. Den Übergang zwischen die- sen beiden Gewässertypen bilden die Seen mit Teichcharakter, für die das Vorhandensein von wasserblütebildenden Algen von Wichtigkeit ist. Alle diese Verschiedenheiten lassen sich in erster Linie auf den ver- schiedenen Gehalt des betreffenden Mediums an organischen Nährstof- fen in gelöster Form zurückführen. Wesentlich werden hierbei diejenigen Wasseransammlungen ab- weichen, deren Wasser sich noch durch besondere che mische Merk- male anzeichnet, z. B. die durch reiche Entwicklung von Humus- säuren charakterisierten Torfmoore, die durch besondere organische Bei- mengungen künsthcher Art verunreinigten und die salzhaltigen Ge- wässer. Sie werden hinsichtlich ihres Z- Planktons ganz andre Existenz- bedingungen zu bieten vermögen. Der Beweis ist für schwach salz- haltige Gewässer in dem Mansfelder See erbracht. Wie jedes Gewässer hinsichtlich seiner Nahrungskomponenten als eine Individualität aufzufassen ist, lehrte mich als Beispiel der Mansfelder See, Bindersee und Kerrnersee. Obwohl bis vor wenigen Jahren diese drei Wasseransammlungen noch in direkter Verbindung gestanden haben, so zeigte doch jede eine andere Z- Planktonflora, Der Bindersee hatte im Vergleich zum größeren See in der Hauptsache sper- rige und gallertige Formen, die bei diesem in der Minderheit vorhan- Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees us\\-. 617 den waren oder ganz fehlten: Scenedesmus ohliquus Kg., Gomphosphaera lacustris Chod., Coelosphaerium microporum Naeg., Closterium lunula Nitzsch., Sphaerocystis Schroeteri Chod., Peridinium cinctum Ehrbg., Anabaena jlos aquae Breb.; Cyclotella hyalina und Microcystis wurden hier nie, Cyclotella Meneghiniana und Scenedesmus quadricauda höchst selten angetroffen. Reichhaltiger als das Z- Plankton des Bindersees war dasjenige des kleineren Kerrnersees. Es zeichnete sich durch zahlreiche Arten von Chlorophyceen, besonders Chlamydomonas gigantea Dill, aus, ferner dominierten hier auffallenderweise die größeren Bacillariaceen, Diatoma tenue var. elongatum Grün, und Ästerionella formosa Hass. Als ein wichtiger Umstand bei der Beurteilung der Planktonnahrung eines Gewässers darf deshalb vor allem der aus nutzbare Nährwert nicht außer acht gelassen werden, den die vorhandenen Organismengruppen repräsentieren. Eine genaue Lösung der in diesem Kapitel berührten Fragen der Süßwasserökologie müssen wir selbstverständlich dem weiteren Stu- dium des Z- Planktons anheimstellen i. Durch die Zentrifuge wird uns die mannigfach komplizierte Biologie der Lebewelt unsrer Gewässer in immer weiteren Punkten erschlossen werden. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Mansfelder See. Zusammenfassung der hydrographischen Daten. Geographische Lage: Größtes Binnengewässer Mitteldeutsch- lands, im südwestlichen Teile der Provinz Sachsen, zwischen 51 ° 29' — 30' n. Br. und 29° 18'— 22' ö. L., 92,9 m ü. M. Hydrologische Verhältnisse: Seeoberfläche 2,5 qkm, Länge 5 km, größte Breite 800 m. Pegelschwankungen gering. Flußgebiet der Saale, zur Zeit aber gänzlich isoliert. Zuflußbäche: Böse Sieben vom Unterharz und der Stollen; früherer Abfluß durch den Mühl- bach nach der Weida und durch den Graben nach dem Bindersee. Relief der See wanne: Langgestreckte, flache Mulde von ein- förmiger Ufergestaltung. Wasserbecken in biologischer Hinsicht eine Einheit. Maximale Tiefe 7 m, an der breitesten Stelle vor Aseleben; mittlere Tiefe etwa 4,5 m. Seeboden von gleichmäßig-ebener Beschaffen- 1 Der Verfasser beabsichtigt, im Laufe der nächsten Jahre einen diesbe- züglichen Beitrag über die ökolog. Verhältnisse in einigen kleineren Gewässern der näheren und weiteren Umgebung von Leipzig zu liefern. 618 Friedrich Volkmar Coklitz, heit, Untergrund in der Hauptsache ein tonig-mergeliger, an organischen Beimengungen reicher Öchlammabsatz von mehreren Metern Stärke. Vergleich der Messungen 1912 mit den von Ule 1887 ausgeführten Lotungen ergibt eine Tief erlegung des Wasserspiegels um 0,80 m in- folge der Veränderungen der Grund Wasserverhältnisse, welche in der Umgebung des Sees durch die Trockenlegung des benachbarten Salzigen Sees im Jahre 1894 herbeigeführt wurden. Entstellung des Sees: Nach Ule ein altes Flußtal, dessen Boden sich infolge der Auslaugung der unterteufenden Zechsteinschichten teilweise gesenkt hat, in dem möglicherweise aber auch eine jüngere Bodenbewegung das Wasser aufgestaut hat. Temperaturverhältnisse: Temperierter See. Sprungschicht nur im Hochsommer ausgebildet. Temperaturperioden 1912: Winterstagnation (Januar bis Mitte Februar) Frühjahrscirculation (Februar bis Ende Mai) Sommerstagnation (Ende Mai bis Ende Juli) Herbstcirculation (August bis November) Winterstagnation (Dezember bis Anfang Februar 1913.) Transparenz: Maximum im Oktober 1912 =^ 1,60 m Minimum im April 1912 = 0,30 m Jährliche Transparenzschw^an- kung 1912 im Mittel = etwa 1 m. Verlauf der Transparenz in bedeutender Abhängigkeit von der Quan- tität des Z-Planktons. Thermische Schichtung des Wassers und Netz- Planktonmenge waren ohne wesentlichen Einfluß. Farbe: Das Seewasser wies einen schmutzig-grünen, in bräunlich übergehenden Grundton auf. Gewisse jahreszeitliche Färbungsuüancen ^vurden durch die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Z-Planktons bedingt. Chemisches Verhalten: See mit abnormem Salzgehalt des Wassers. Dieser ist im Laufe der Zeit beträchtlichen Schwanlomgen unterworfen gewesen. Er beträgt noch reichlich 0,1 %. (Abdampf- rückstand in 1 1 Seewasser Oktober 1912 = 1027 1/mg [gefundener Durchschnittswert], 1116 1/mg [berechneter Durchschnittswert] nach Wittmanns Analysen). Den Hauptanteil haben Na', Ca", Mg", Cl' und SO4" Ionen. Der Salzgehalt ist auf Auslaugungsprozesse des Wassers auf das unterlagernde Gestein, im wesentlichen aber auf früher ein- geleitete stark salzhaltige Stollen wässer zurückzuführen. Er ist gleich- Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 619 mäßig über den See verteilt und wies innerhalb der einzelnen Jahres- zeiten nur unwesentliche, durch meteorologische Verhältnisse bedingte Schwankungen auf. Zusammenfassung der biologischen Ergebnisse. Litoral- und Bodenfauna: Makrophytische Uferflora nur durch Phragmites communis Tr. vertreten, eine Wasserpflanzenzone fehlt. — Diese gering entwickelte Litoralflora hat eine nur wenig reichhaltige Litoralfauna zur Folge. Interessant ist das zahlreiche Vorkommen der Chydoride Leydigia Leydign (Schödlee) und des Brackwasserpolypen Cordylophora lacustris (AUm.). — Bodenfauna spärlich entfaltet. Planktologische Charakterisierung des Sees. Netzplankton. Anklänge an die Brackwasserfauna sind vorhanden: Geringer Artenreichtum bei auffallend hohen Individuenzahlen. Zusammen- setzung: 9 Rotatorien, 3 Copepoden und 5 Cladoceren (17 Arten). Da- durch, daß viele Organismen fehlen, welche in allen flacheren nord- deutschen Seen vorkommen, nimmt der Mansf eider See diesen gegen- über eine gewisse Sonderstellung ein. Charakteristisch für ihn ist das Auftreten des Diaftomus salinus (Daday), einer Daphnia longispina (0. F. M.) var. longispina-galeata, die der D. longispina var. cucullata (G. 0. Sars) sehr nahe steht, und der Triarthra terminalis (Plate) var. maior nov. var., die sich von Triarthra terminalis (Plate) in der Größe unterscheidet. Periodizitätsanomalien : Triarthra terminalis var. maior nov. var. war Winterform, Cydops Leuckarti und Diaphanosoma hrachyurum bevorzugten auch in diesem Gewässer die Sommermonate. Cyclops strenuus war hier auch im Sommer zahlreich vorhanden, während Brachionus pala, ^ynchaeta pectinata und Äsplanchna hrighticeUi nur wenige Wochen im Plankton auftraten. Pelagische Rhizopoden und Ciliaten außer Codonella lacustris (Entz.) von untergeordneter Bedeutung. Zentrifugenplanktons Die Z-Algen wiesen infolge des Salzgehaltes geringe Artenzahl, dafür enorme Individuenmengen auf. Zusammensetzung: 3 Flagella- ten, 2 Schizophyceen, 7 Chlorophyceen, 5 Bacillariaceen , 1 Conjugate (18 Arten). Zwei neue Spezies konnten konstatiert werden: Cyclo- tella hyalina nov. spec. (AVinterf orm ) und Pleurococcus punctiformis 620 Friedrich Volkmar Colditz, iiov. spec. (Juni). Im Frübjahr bildeten die Entwicklungsstadien von Microcystis aeruginosa und einer neuen Varietät dieser Alge Mi- crocystis aeruginosa var. minor nov. var. die Hauptnahrung des Netzplanktons. Die Entwicklungsstadien dieser Schizophyceen sind durch die Zentrifuge hier zum ersten 3Iale nachgewiesen worden. Sie haben gezeigt, daß Microcystis sich nicht auf dem Grunde, sondern pelagisch entwickelt. Die Maxima der Z-Planktonten fielen in die Periode der Frühjahrs- und Herbstzirkulation des Wassers. Betreffs des Nahrungswertes der einzelnen Algen für das tieri- sche Plankton spielt die Größe eine bedeutende Rolle. Sperrige Formen, sowie Individuen mit größerer Gallerthülle, z. B. die was- serblütebildenden M^croc?/s<^s-Kolonien, kommen als Nahrung nicht in Betracht. Das Phytoplankton dieses Sees weicht von den bisher bekannt gewordenen Planktontypen größerer norddeutscher Gewässer durch das Fehlen der dort dominierend auftretenden Bacillariaceen Melo- sira, Fragilaria, Asterionella, ferner von Dinobryon und der Peridineei\ Ceratium und Peridinium ab. Das schwach salzhaltige Wasser begün- stigt wahrscheinlich in den Sommermonaten die Entwicklung einer üppigen Microcystis-Wasseiblüte. Botryococcus Braunii war im Frühjahr undHerbst im Plankton an- wesend. Hauptergebnisse über die Beziehungen zwischen dem Zentrifugen- und Netzplankton. 1. Das gesamte tierische Plankton der pelagischen Zone eines Sees ist an das Vorhandensein geformter Nahrung gebunden. Die Quantität des Zentrifugenplanktons bestimmt direkt die Quantität der Rota- torien, Cladoceren und Copepoden. Es wird uns dadurch das biolo- gische Moment des Wechsels der tierischen Planktonschar eines Ge- wässers erklärt. Ein Einfluß der Temperatur kommt hierbei nicht in Betracht. Innerhalb dieser drei Tiergruppen ist ein gegenseitiger starker Kon- kurrenzeinfluß vorhanden. Die schwächeren Organismen (Rotatorien) müssen den stärkeren (Cladoceren und Copepoden) in dem Kampfe um die Nahrung weichen, da sie ein Anwachsen der Nahrungskonkurrenten nicht verhindern können. 2) Die Horizontal Verteilung des Z- und Netzplanktons ist in allen Teilen der pelagischen Zone des Mansfelder Sees vollkommen gleich- mäßig. Die freie Wasserzone der Buchten zeigte im Sommer trotz der Beiträge zur Biologie des Mansf eider Sees usw. 621 größeren Mengen an Z-Plankton eine beträchtliche Abnahme der pela- gischen Planktonten. Die Gründe für dieses Verhalten sind in den durch bakterielle Fäulnisprozesse und durch Wucherung pflanzlicher und tierischer Saprobien hervorgerufenen ungünstigen Lebensbedingungen zu suchen. Die Vertikal verteilung der pelagischen Planktozoen ist in einem flachen, planktonreichen See von der Nahrung, dem Lichte und den mechanischen Einwirkungen auf diö Oberflächenschicht (Wellenbe- wegung) abhängig, Z- und Netzplankton zeigten die gleiche Vertikalschichtung. Die jahreszeitliche oder periodische Vertikalverteilung beider Planktongruppen war im Laufe des Jahres einem bestimmten Wechsel unterworfen. Das Hauptmaximum von Netz- und Z-Plankton befand sich im Sommer dicht an der Oberfläche und wurde im Winter nach der Tiefe verlegt. In den Übergangsjahreszeiten war eine mehr gleichmäßige Verteilung in der ganzen Wassersäule vorhanden. Für diese Verteilung des Zooplanktons ist in Seen geringer Trans- parenz die Nahrungsschichtung in erster Linie verantwortlich zu machen. Die Copepoden verhielten sich hierbei indifferent. Das Z-Plankton ist in seiner biologischen Schichtung von den thermischen Verhältnissen des Wassers und von dem Lichte abhängig, insofern als letzteres die Entwicklung dieser Nahrungsorganismen be- günstigt. Diese Klein- Algen wiesen keine Wanderung auf. Es ist durchaus nicht der Fall, daß die Planktozoen der Nahrung nachjagen oder bestimmte Z-Planktonten bevorzugen, sondern es kön- nen einfach diejenigen Schichten, natürlich nur von größerer Ausdeh- nung, eine reichere Planktonfauna entwickeln, welche die meisten Nähr- algen besitzen, vorausgesetzt, daß die Lichtintensität nicht zu groß ist, um einen Aufenthalt der Tiere dort zu verhindern. Die tägliche Wanderung des tierischen Planktons wird durch den Lichtwechsel veranlaßt, außerdem aber durch mechanische Reize (Wellenbewegung) beeinflußt. Es konnte im Mansfelder See des Nachts nie ein Aufsteigen oder Aufdrängen der Planktonten zur Oberfläche, sondern nur eine zonare Ausgleichung innerhalb der Oberflächen- schicht beobachtet werden. Die erwachsenen Copepoden zeigten gegenüber einem Wechsel der Lichtintensität die geringste Reaktion. 3) Der Planktonertrag der verschiedenen Gewässer ist in höchstem Maße von der Quantität und Qualität des Z-Planktons abhängig. Leipzig, im Juli 1913. 622 Friedrich Volkiiiar Colditz, Literaturverzeichnis. Bedeutung der Abkürzungen. Int. Rev. usw. = Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie und Hydro- graphie (Woltereck). Plöner Ber. = Forschungsberichte der Biol. Station Plön (Zacharias). Archiv usw. = Archiv für Hydrobiologie und Planktonkunde (Zacharias). B. Amberg, Optische und thermische Untersuchungen des Vierwaldstätter Sees. Mitt. d. naturf. Gesellschaft Luzern. Hft. 4. 1903/04 K *ü. Amberg, Beiträge zur Biologie des Katzensees. Vierteljahrsschr. d. naturf. GeseUsch. Zürich. Bd. XLV. 1900. — Biologische Notiz über den Lago di ]\Iuzzano. Plöner Ber. 1903. H. Ammann, Physikahsche mad biologische Beobachtungen an oberbayrischen Seen. Inaug.-Diss. der Kgl. Techn. 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Den Kurven des Netzplanktons liegen die Individuenzalden aus 120 Liter Seewasser (ä 20 Liter aus sechs verschiedenen Tiefen), denjenigen des Zentrifu- genplanktons aus 60 ccm Seewasser (ä 10 ccm aus denselben Tiefen) berech- net für die mittlere Individuenmenge in 10 ccm zugrimde. Bei diesen Fang- werten möchte ich auf die Seite 547 — 550 angegebene Methodik hinweisen. Die Zahlen für die Individuenmengen in Fig. 3 — 32 sind die Werte der Halb- messer von Kugeln, deren Volumen man sich von den in der gezählten Menge vorhandenen, in gleichen Abständen im Räume verteilten Individuen ausgefüllt denkt: 3 _ r = y I ; r = Halbmesser; z = gezählte Individuenmenge! z= 4?-3 Die abgerundeten Werte für die Individuenzahlen, welche den Werten der halben Diuchmesser der Kugelkurven für das Netz- und Zentrifugenplankton entsprechen, sind teilweise sofort aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich oder schnell nach obiger Formel zu berechnen. Tabelle. Abgerundete Werte für die Individuenzahlen, welche den in Fig. 3 — 32 angegebenen Radienwerten der Kugelkurven entsprechen: Kadienwert Entsprechende Individuenzahl 1 5 2 30 3 100 4 250 5 500 6 850 7 1 350 41* 630 Friedrich Volkniar Colditz, Beiträge zur Biologie des Mansfelder Sees usw, Jladieuwert Entsprecliende Inclividueiizahl 8 2000 9 2 900 10 4 000 12 7 000 U 11000 16 16 000 18 23 000 20 32 000 22 43 000 24 55 000 26 70 000 28 88 000 30 108 000 32 131 000 34 ' 157 000 36 187 000 38. 220 000 40 256 000 42 29() 000 44 341 000 46 389 000 48 442 000 50 500 000 52 562 000 54 630 000 56 703 000 58 780 000 60 864 000 62 953 000 64 1 048 000 66 1 150 000 • 68 1258 000 70 . 1 372 000 72 1 493 000 74 1 621 000 76 ] 756 000 78 1 898 000 80 2 048 0()(> Studien über das Nannoplancton des Zugersees und seine Beziehung zum Zooplancton. Von Kurt Lantzsch aus Meuselwitz Sa.-A. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit ß Figuren im Text. Den Aiistoß zu vorliegender Arbeit gab mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor Dr. Chun. Diese Studie ist bestimmt, einen Beitrag über die biologischen Verhältnisse in tiefen Seen zn liefern. Für die liebenswürdige Unterstützung durch Rat und Tat, für die Förderung, die mir zuteil wurde, sei es mir hier gestattet, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Herrn Professor Dr. Woltereck schulde ich ebenfalls Dank für manchen Ratschlag und Aufklärung. Als Arbeitsgebiet wurde der Zugersee gewählt. Gründliche und allseitige Einführung in die Seenkunde brachte der >>I. Hydrobiologische Demonstrations- und Exkursionskursus am Vierwaldstättersee <<, ver- anstaltet von Professor Dr. Hans Bachmann in Luzern. Mit Herrn Prof. Bachmann blieb ich während meiner Untersuchung in Verbindung und wiederhole hier für das warme Interesse und die Unterstützung, die ich erfuhr, meinen ergebensten Dank. Auch darf ich an dieser Stelle nicht Herrn M. Müller, Schreinermeister in Walchwil, über- gehen, welcher mir durch Überlassen seines Einbaumes und eines Arbeitsplatzes die Untersuchung wesentlich erleichterte. Genanntem Herrn sei auch hier mein Dank ausgesprochen. Der Zugersee. Das Seebecken, seine Gestaltung und Vergangenheit. Der Zugersee gehört seiner Lage und Entstehung nach zu der Reihe der »alpinen Randseen«. Sein Spiegel liegt 416,7 m über dem Meere. Die Oberfläche beträgt 38,24 km^, die mittlere Tiefe 85 m. 032 N. Kurt Lantzsch, ZUGER SEE 0 158't m. Rossberg Goldau Textfig. ]. Der Zugersee, Das Seebecken, seine Ocstaltuni,' \\\v\ Vergangenheit. Studien üb. d. Xauuoplanctou d. Zugeiseos u. seine Beziehung z. Zooplancton. 633 Er erstreckt sich in nord-südlicher Richtung iu einer Länge von 13,5 km. Bei fast parallelen Ufern ist das südliche Becken 3 km, das nördliche 4,5 km breit. Die Halbinsel des Kiemen, vom westlichen Ufer vor- stoßend, schnürt ihn ungefähr in seiner Mitte auf etwa 800 m ein und zerlegt so den Zugersee in die zwei auch morphologisch verschiedenen Becken. Die südliche Mulde, der Obersee, ist charakterisiert durch die steile Böschung der Uferwände und durch bedeutende Tiefe. Zwischen Walchwil und Immensee liegt der Seeboden an seiner tiefsten Stelle 219 m über dem Meere, der See ist also 198 m tief. Der Grund, etwa 170 — 180 m unter dem Spiegel, verläuft auf weite Strecken zwischen den steilen Uferhalden fast eben. Das nördliche Becken, der Untersee, weist weniger steile Böschun- gen auf. Der Saum verflacht sich nach Norden und gewährt Raum für größere Bestände einer litoralen Fauna. Mit der Verbreiterung des Untersees geht ein Rückgang der Tiefe Hand in Hand. Die Tiefe beträgt bei dem Inselchen noch etwa 120 m und wird nach N. immer geringer. Diese Eigentümlichkeit, daß die der Bergseite zugewandten Seeteile größere Tiefen aufweisen als die alpenfernen, teilt der Zugersee mit andern Randseen. Die Erscheinung wird verständlich durch die Entstehung des Sees. Vom westlichen Ufer schiebt sich noch eine zweite Landzunge, der Kirchberg, nördlich vom Kiemen bei Risch, in den See vor. Die Ostseite zeigt keine nennenswerte Gliederung. Sie wird in der ganzen Länge flankiert vom Zugerberg, der bis zu einer Höhe von rund 1000 m sich erhebt. Im Süden bei Arth-Goldau schwingt er sich nochmals um 600 m empor und kulminiert im Roßberg und Wildspitz (etwa 1600 m). Dem Roßberge entspricht auf der Westseite des Ufers die steile Nordostwand der Rigi, die rasch zur Depression von Immensee-Küßnach, der engsten Stelle zwischen Zuger- und Vierwald- stättersee, abfällt. Zwischen Roßberg und Rigi senkt sich das Tal von Arth-Goldau ein, das sich nach Süden bis Brunnen am Vierwald- stättersee hinzieht und Fortsetzung findet im Urner Becken. In dieses gewaltige Quertal, das eine Zugangspforte zum Reußtal darstellt, liegt am nördlichen Ausgang der Zugersee in die Molasse eingebettet. Zwei Theorien, die die Entstehung der alpinen Randseen erklären, stehen sich gegenüber. Nach Heim sind die Talwannen der Seen durch die erodierende Tätigkeit der alpinen Entwässerungsströme entstanden. Die Becken stellen ertrunkene Täler dar, indem die Alpen »nach Ausbildung der 634 Kurt Lantzsch, großen Erosioiistäler als starres Ganzes eingesunken sind«. Durch dieses Tiefersinken des Alpenkörpers, nach Aeppli etwa 400 m, verloren die Flüsse an der Randzone ihr Gefälle und mußten allmählich zu den jetzigen Seen anschwellen. Als Beweis werden rückläufige Terassen und Deckenschotter, deren Schichten Gefälle talaufwärts zeigen, an- geführt. Diese Auffassung wird bestritten durch Penck, Brückner u. a,, die als Hauptfaktoren der Seewannenbilduug die aushobelnde und ausschürfende Gletschertätigkeit betrachten. Wären die Entstehungs- bedingungen für den Zugersee durch Flußerosion gegeben, so käme die Reuß, eventuell auch die Muotta in Betracht. Frey weist aber aus- drücklich auf die Schwelle zwischen dem Grunde des Zugersees und des Urner Beckens hin, die sich mindestens über 230 m über den jetzigen Boden beider Seen, der dazu durch Sedimentation erhöht ist, erhebt. Für einen Fluß wäre diese Schwelle ein unübersteigliches Hindernis und eine schluchtartige Durchbrechung dieses Felsriegels läßt sich nicht nachweisen. Außerdem zeigen die Uferhalden am Südende des Sees ein Gefäll, wie es imr dem Oberlauf eines Flusses zukommt. Wir müssen daher der Erosion durch Gletscher einen Teil der Ausgestaltung des Beckens zuschreiben. Anzeichen und Reste der einstigen Gletscherbedeckung lassen sich überall am See nachweisen. Ortsfremde Gesteine, Granite, liegen verstreut am Kiemen, auf der Höhe des Zugerberges, also fast 600 m über dem jetzigen Seespiegel, so daß wir auf eine Eisdecke von mindestens 800 m Dicke schließen dürfen. Diese Tatsachen machen uns für die Annahme einer so ge- waltigen Arbeitsleistung der Gletscher zugänglicher. Die Zuflüsse sind unbedeutender Art. Von den Flanken des Zugerberges und der Rigi kommen Bergbäche herab, die bei regnerischem Wetter eine verderbliche Wirkung entfalten können. Kleinere Berg- rutsche »Erdschlipfe« sind im Gebiete der wenig festen Molasse nicht selten. Größere Wassermengen führt nur die Lorze zu, die im benach- barten Aegerisee ihren Ursprung nimmt. Sie mündet am nördlichen, alpenfernen Ende des Zugersees. Nicht weit davon liegt der Abfluß, der den See nach der Reuß entwässert. Das Zuflußgebiet gehört dem voralpinen Gebiet an, Gletschergebiet ist nicht beteiligt. Thermisches Verhalten und das Zentrifugenplancton. Pfenniger kommt durch seine Studien am Zürichsee zur Auf- stellung von sechs periodischen Schwankungen der Temperaturen eines Sees. Am Zugersee kamen mir zwei dieser periodischen Schwankungen Studien üb. d. Xiuiuoj)laiictoii d. Zugersecs u. seine Beziehung z. Zooplancton. 635 zur vollen Ausbildung, da auf den extrem warmen Sonmier 1911 ein milder Winter folgte. Von den Schwankungen wurden beobachtet die Periode der Abkühlung vom Jahresmaximum (direkte Schichtung) bis zur Boden- temperatur von 4:,4i°. Die Erscheinungen der weiteren Abkühlung des Wassers auf Dichte- maximum von 4° (Herbstvollzirkulation) und die folgende auf das Jahresminimum (Wiuterstagnation, verkehrte Schichtung) kamen nicht zur Ausbildung. Natürlich fielen ebenso die rückläufigen Erscheinungen durch die Erwärmung des Wassers weg. Der See erwärmte sich direkt vom beobachteten Jahresminimum auf das Jahresmaximum 1912. Die winterliche Abkühlung bedingt Strömungen, die »Convections- .strömungen << im See. Sie entstehen dadurch, daß das durch die Luft abgekühlte Wasser durch sein größeres specifisches Gewicht in die Tiefe sinkt, sich dabei mit den darunterliegenden Schichten mischt und einen Wärmeaustausch herbeiführt. Eine Schicht gleichmäßiger Temperatur wird dabei resultieren. Bei fortschreitender Abkühlung wird die Zone gleicher Temperatur immer mehr nach der Tiefe vor- rücken, bis zu einem Zeitpunkt der See fast gleichmäßig temperiert sein wird. Dies war für den Zugersee in der Mitte des Februar 1912 der Fall. Der Unterschied zwischen Oberflächentemperatur (4,75°) und Tiefentemperatur (160 m : 4,4"") betrug nur 3 — 4 Zehntel Grad. Diese Ausgleichsströmungen müssen das Bild des sommerlich geschichteten Nannoplanctons natürlich stark beeinflussen. Von den passiven schwebenden Planctonten, Diatomeen und Schizophyceen, dürfen wir von \'ornherein erwarten, daß ihre Verticalverteilung auf- gehoben wird und dafür eine mehr gleichmäßige Schichtung von der Oberfläche bis zum Grunde einnehmen werden. Wie verhalten sich dagegen die Flagellaten? Sie sind ebenfalls zur Winterszeit bis zum Grimde des Sees, also in einer Wasserschicht von fast 200 m nach- weisbar. Es mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, daß diese activen Schwimmer den immerhin schwachen und langsam vor sich gehenden Convectionsströmungen nicht Widerstand leisten können. Doch wir müssen uns erinnern, daß das Wasser sich nahe seinem Dichte- maximum befindet, die Viscosität des niedrig temperierten Mediums sich dem Höchstwerte nähert. Über die spezielle Verteilung der einzelnen Formen soll bei deren Besprechung das Nähere gesagt werden. Brutschy hat in den Jahren 1906 — 09 das physikalische Ver- halten des Sees studiert und beschrieben, so daß ich Neues nicht 636 Killt Laiitzsc'li, zufügen kann. Die eignen Temperaturbeobachtungen stehen in Überein- stimmung mit denen des genannten Herrn. Gleiches gilt vom Ver- halten der Sprungschicht. Über Transparenz und optisches Ver- halten wurden keine Untersuchungen angestellt. Hervorgehoben sei, daß Brutschys Beobachtungen zu gleichen Ergebnissen geführt haben wie die von Lozerox, Amberg u. a. Um das Bild vom Zugersee zu vervollständigen, gestatte ich mir, Tabelle VI aus den »Monographischen Studien am Zugersee« von A. Brutschy hier anzuführen. Transparenz der verschiedenen Seen. Zugersee Gentersee Vierwald- stättersee Bodensee Zürichsee Beobachter Brutschy Forel Amberg 1903/04 Forel Lozeron 1889/91 i 1900/01 Winter Frühling Sommer Herb^^t 14,7 m 4,r, . s.i - 15,2 ra 11,7 » 7,4 . 9.7 -> 12,93 m 9,67 » 6,1 » 6,6 m 5,5 m 5.2 » 4,7 » 4.3 >^ 3.3 : Ö.4 >- (i.i") > 8,6 m 11 m 9,4 m 5,4 m Maximum Minimum 16,9 in 3,.ö » Extreme 21,5 m 16,6 m 6.7 4,4 11,5 m 1,76 » Seh wanken. 13,4 m 16,8 12,2 m 9.74 m 9,4 m 2.6 . (i.S 111 Methode und allgemeine Bemerkungen. Im Herbst 1911 begann ich die Untersuchungen über das Zentri- fugenplancton im Zugersee. Die Fänge im Herbste beschränkten sich auf das untere Becken und wurden ausgeführt bis zu einer Tiefe von 45 m. Es wurden aus verschiedenen Tiefen: 0 m, 2 m, 5 m, 10 m, 20 m, 30 m, 40 m, 45 m Wasserproben von 1 Liter mittels Plancton- pumpe entnommen. Von diesen Proben wurden je 10 ccm zentrifugiert und auf dem Zählobjektträger nach Qualität und Quantität bestimmt. Bis zur genannten Tiefe war die Zentrifuge verwendungsfähig. Bei dieser Grenze war das Material schon so dünn verteilt, daß von genügender Genauigkeit der Zählmethode nicht mehr die Eede sein koiuite. In Anbetracht der kleinen verarbeiteten Wassermenge werden wir gezwungen sein, die untere Verbreitungsgrenze des Nannoplanctons um 10 — 15 m tiefer zu legen. Streng genommen dürfen wir nicht von einer Grenze im eigentlichen Sinne reden, sondern müssen uns Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersecs u. seine Beziehung z. Zooplancton. 637 o, 2 1 t»^ 1 >o 1 . cc^ O cc_ . t^ . :D 1 1 'O^ <» tb 1 -*" 1 '*" 1 1 ^"^ 1 o" 1 i>" 1 1 -*'" 1 '^ 1 1 -*" w. T-l T-l tH r-l i-H od T-< (M tH c • f- O o z >n c -^ 1 1 CD 1 O 1 (M 1 1 1 1 1 L'-^^ 1 ^,. 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'■* •-D T— f tH CD r-l 30 t— 1 638 Kurt Lautzsch, vorstellen, daß die Individuendichte unterhalb der optimalen Zone immer geringer wird, und daß bis zum vollständigen Verschwinden in einer gewissen Tiefe ein allmählicher stetiger Übergang stattfindet. Die Grenze der Beobachtung wird uns gesetzt durch die Leistungs- fähigkeit unsrer Hilfsmittel, der Zentrifuge, des Netzes usw. Ab Januar 1912 wurden die Fänge im oberen Becken mittels AVasserschiipfer (Richard- Wasserschöpfer 600 ccm Inhalt) ausgeführt, um den Einfluß der Convectionsströmungen auf die Verteilung des Nannoplanctons zu studieren. Der Obersee mit seinen steilen Uferwänden bot den Vorteil einer kurzen Seefahrt. Ausgeführt wurden die Fänge zwischen Walchwil und Immensee, ungefähr an der tiefsten Stelle. Ein Unterschied zwi- schen beiden Becken konnte nicht festgestellt werden. Um eine Serie von Stufenfängen von 0 — 180 m durchzuführen, waren mindestens 2 Tage erforderlich. Diese zeitliche Differenz hat aber nichts zu sagen. Die physikalischen Zustände des Sees sind be- sonders im Winter sehr konstant und sehr geringem Wechsel unterworfen. Bestätigung findet sich in den angeführten Tabellen. Die winterliche Abnahme des Nannoplanctons und die Convec- tionsströmungen führen, wie später dargelegt werden soll, eine starke Verminderung in der Quantität herbei. Zur Vermeidung der dadurch bedingten Fehlerquellen wurde die Filtriermethode mit der Zentri- fugiermethode kombiniert. Verwendung fanden die in der Literatur für Planctonfiltration angegebenen Falterfilter Nr. 575 V2 ^^^ Firma Schleicher u. Schüll, die mir Herr Professor Bachmann gütigst überließ, und gehärtete Faltenfilter Nr. 605 der gleichen Firma. Ein halber Liter der geschöpften oder gepumpten Probe wurde in dem Faltenfilter unter Nachspülen der Seitenwände auf etwa 5 — lOccm eingeeengt. Darauf ^yurde der Boden des Filters durchgestoßen, nach- gespült und der Gehalt des abgelaufenen Wassers mittels Zentrifuge bestimmt. Die Vergleichszahlen wurden gewonnen durch direktes Zentrifugieren von 10 ccm Wasser der gleichen Probe. Kein Verlust beim Filtrieren vorausgesetzt, müßten sich die ge- wonnenen Werte verhalten wie 50 : 1 d. i. d^r Quotient aus der filtrierten und zentrifugierten Probe zu der nur zentrifugierten Probe. Die Ver- suchsreihe ergab als Mittelwerte für Diatomeen 2 : 1 unter Nichtberücksichtigung eines vom Mittel gänzlich abweichenden, wohl fehlerhaften Resultats, für Schizophyceen 11:1, Studien üb. d. Nannoplanctoii d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 639 für Flagellaten konnte kein brauchbarer Mittelwert berechnet werden. Die Werte schwankten für Chromulina ovalis z. B. zwischen 0 : 1 und 1 : 1, d. h. in der filtrierten, 50 fachen Probe wurden keine oder so viel Flagellaten aufgefunden als wie in der nur zentrifugierten ! Ähnlich verhielt es sich mit Cryptomonas ovata. Dabei war der Erhaltungszustand ein schlechter. Sie überstehen das Filtrieren also nicht und diese Methode muß ein falsches Bild der Zusammensetzung des Seenplanctons ergeben, indem sie die wichtige Formengruppe der Flagellaten der Beobachtung fast vollständig unzugänglich macht. So wird es auch verständlich, daß Brutschy, welcher Seiden- taffet zur Filtration verwandte, in den »Monographischen Studien am Zugersee << niemals die Chrysomonade Chromulina ovalis erwähnt, trotz- dem sie das ganze Jahr nachweisbar ist und im Winter dominiert. Da dieser Versuch gänzlich fehlschlug, blieb nur der Ausweg über, größere Wassermengen zu zentrifugieren. Es stand eine Zentrifuge zur Verfügung mit zwei Gläsern zu je 10 ccm. Der auszentrifugierte Inhalt beider Gläser wurde zusammengetan, frisch aufgefüllt und nochmals verarbeitet, so daß Material von 30 ccm auf die Zählplatte kam. Die Entnahme der Stichproben konnte unmöglich in regelmäßigen Zeitintervallen vor sich gehen. Die Abhängigkeit des Beobachters von Wind und Wetter ist bei den großen Schweizer Seen immer ein mißlicher Umstand. Längere Sturmperioden, bis zu 2 Wochen, unter- brachen die Arbeit. Besonders machte die »Bise«, ein im Obersee sehr konstant und kräftig wehender Wind, N. bis N.O.-Wind, recht viel zu schaffen. Die Entnahme der Proben steht unter stillschwei- gender Voraussetzung einer gleichmäßigen Verteilung. Während der Fangzeit, die zumeist den ganzen Vormittag beanspruchte, war es ganz ausgeschlossen, dieselbe Stelle einzuhalten. Selbst bei ganz glattem See wird das Boot von oberflächlichen Strömungen fortgetragen ; bei leicht bewegter Oberfläche mehrten sich die Schwierigkeiten, die- selbe Stelle einzuhalten, ganz beträchtlich. Die Abtrift bei mäßig bewegtem See betrug während einer Fangzeit bis etwa 1 km. Doch ist in den Tabellen keine Andeutung einer Schwarmbildung vorhanden, gleiches Resultat zeigen die Zahlen für Horizontalverteilung. Das Zentrifugenplanctou. Das Zentrifugenplancton tiefer Seen hat bisher noch keine quan- titative Bearbeitung durch die Zählmethode erfahren. Als erster Teil mögen deshalb hier die Ergebnisse über die saisonelle Verticalverteilung 640 Kurt Lantzsch, angeführt werden ; als zweiter Teil folge das Zooplancton des Zugersees und die Beziehungen zwischen beiden. Die Komponenten, die das Zentrifugenplancton des Zugersees zusammensetzen, sind folgende: Schizophyceae : Chroococcus limneticus var. carneus (Chodat) Lemm. Gomphosphaeria lacustris Chod. Clathrocystis aeruginosa (Kütz) Henfr. Flagellatae : Chromulina ovalis Klebs. Chromulina verrucosa Klebs. Cryptomonas ovata Ehrbg. Cruptomonas ovata var. curvata (Ehrbg.) Lemm. Mallomonas producta (Zach.) Iwanoff. {Uroglena volvox Ehrbg.). Helcomastix ovalis Lantzsch. Diatomaceae : Cyclotella comta (Ehrbg.) Kuetz. Cyclotella melosiroides Lemm. Cyclotella kuetzingiania Thwait. Cyclotella socialis Schutt. Cyclotella glomerata Bachmann. Cyclotella Schroeteri Lemm. Synedra delicatissima W. Sm. Fragillaria crotonensis Kitt. Asterionella gracillima (Hantzsch) Heib. Chlorophyceae: Sphaerocystis Schröteri Chod. {Oocystis lacustris Chod.) {Botryococcus Braunii Kuetz.) Binuclearia tatrana Wittr. Als nur zufällig und gelegentlich im Zentrifugenpia ncton an- wesende Formen, deren Individuendichte zu gering ist, um berück- sichtigt werden zu können, müssen bezeichnet werden die Peridineae: Ceratium hirundineUa 0. F. Müller. Peridinium tahulatum (Ehrbg.) Clap. et Lachm, Peridinium cinctum Ehrbg. Glenodinium cinctum Penard. Studien üb. d. Xamioplancton d. Zugorsoes ii. seine Beziehung z. Zoojjlaneton. 641 nach Bachmann und Brutschy. Gi/mnodinium helveiicum Penard. Gymnodinium minimum Lantzsch. Dazu kommen die Species von Dinohryon, Chlamydomonaden und Ciliaten. Ab und zu traten in verschwindender Anzahl ganz kleine Peridineen, pelagische Amoeben, Hydrachniden, Ciliaten {Chilodon u. a.) und Flagellaten auf, die für den Haushalt des Sees von keiner Be- deutung sind, doch dem Systematiker reiche Ausbeute versprechen. Helcomastix ovalis Lantzsch nov. spec. (ev. nov. gen.). Dieser farblose Flagellat besitzt eine Länge von 9 /.i. Unter den Periblasten sind feine glänzende Körnchen eingestreut. In der Mitte liegt bisweilen ein dunkelgelber bis brauner Ballen, wohl Nahrungs- ballen, eingeschlossen. Der Kern liegt zentral, Vacuole im Vorder- ende, konnte aber mit Sicherheit nicht festgestellt werden. Das Charakteristische, was die- sen Flagellat auszeichnet und ihm systematisches Interesse verleiht, ist die Art der Fortbewegung. Beide Geißeln, von ungleicher beim Schwimmen Die kürzere Geißel beschreibt einen Kegelmantel um die längere, so daß der Organismus um seine Längs- achse rotierend vorwärts schwimmt. Die längere, richtungsgebende ist dabei in zitternder Bewegung; es scheint ihr Steuerung und Vor- wärtsbewegung obzuliegen. Das ruhige Vorwärtsschwimmen wird zuweilen unterbrochen durch wildes Hüpfen und Springen an einem. Orte. Ein einziges Mal wurde auch das skizzierte Teilungsstadium be- obachtet. Durch Herrn Professor Bachmann auf Helcomastix glohosa Lemm. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVII. Hft. 4) aufmerksam ge- macht, sei dieser Organismus trotz mancher Abweichung der genannten Form vorläufig angereiht, bis genauere Untersuchungen Aufklärung geben. Länge, werden nachgeschleppt, peitscht und A. B. Fig. 2. Helcomastix ovalis. Gymnodinium minimum. 642 Kiirt Lantzsch, Gymnodinium minimmn Lantzsch n. sp. Diese sehr kleine Form, Länge 14 ,«, Breite 12 /.i, besitzt keine Chromatophoren. Die Längsfurche ist nur angedeutet, die Querfurche ausgeprägt, im Tode sich etwas abrundend. Der Kern liegt central. Die Farbe ist ein glänzendes Silbergrau. Die Form schwimmt unter Rotation um die Längsachse rasch geradeaus. Cyclotellen. Die verschiedenen Species von Cijclotella [comta, melosiroides, kuetzingiana, socialis, glomerata, Schroeteri) konnten beim Zählen nicht voneinander geschieden werden. Die koloniebildenden Cyclotellen wurden als Einzelindividuen betrachtet und als solche gezählt. Sie treten zur Gesamtmenge der Einzelzellen stark in den Hintergrund, so daß von einer Beeinflussung des Gesamtresultats nicht die Rede sein kann. Als Netzplancton nehmen die Kolonien eine scheinbar dominierende Stellung ein. Die Zellen der solitären Cyclotellen schlüpfen durch die Poren, während die Kolonien ihrer sperrigen Form wegen zurückgehalten werden. Im Anfange der Untersuchung wurden lebende und tote Exemplare in die Zählung einbezogen. Später wurden plasmaerfüllte und leere Individuen getrennt. Eine genaue Scheidung durchzuführen, war aus- geschlossen, da sich alle Übergangsstadien von gut erhaltenen Chromato- phoren zu degenerierten fanden. Tote Cyclotellen konnten nicht von lebenden getrennt werden, höchstens in den unteren Schichten, da beim Absinken genügend Zeit ist, das Plasma zu lösen. Die herbstliche Tiefengrenze der Cyclotellen liegt bei etwa 45 — 50 m. In dieser Tiefe waren Cyclotellen mit Plasmainhalt noch nachweisbar. Die Grenze ist vielleicht um 10 m tiefer anzusetzen, in Anbetracht der kleinen Wassermenge, die verarbeitet wurde (10 ccm). Am 28. De- zember 1911 bilden die plasmahaltigen Cyclotellen 10% der vorhandenen Individuen (150 in 10 ccm : 15). Am 22. Januar 1912 sind etwa 55% der Exemplare bei 50 m plasmaerfüllt (130 in 10 ccm) und die Grenze der lebenden Cyclotellen liegt bei etwa 150 m. Wie ist diese Erschei- nung zu verstehen? Die von Cyclotellen bewohnte Zone erstreckt sich im Herbste bis 50 m Tiefe. Die Convectionsströmungen dringen bis Ende Dezember in diese Schicht ein und führen lebendes Material mit sich. In dem Maße, wie sie in die Tiefe eindringen, wird diese auch erfüllt, so daß der See von der Oberfläche bis zum Grunde mit plasma- haltigen Cyclotellen belebt ist. Es nniß wohl beachtet werden, daß Studien üb. d. Xaimoplaucton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 643 die Individuenmenge, die im Herbste eine Wasserschicht bis 50 m erfüllte, im Winter bis zum Grunde, also fast 200 m getragen wird. Wollen wir das Zentrifugenplancton des Winters mit dem des Herbstes vergleichen, so müssen wir uns die Verbreitungszone von fast 200 m auf 50 m reduziert denken. Absterben und Vermehrung kann dabei das Gesamtbild modifizieren. Wir werden durch diese Erscheinung zur Aufstellung von zwei Begriffen geführt: mittlere Wohndichte, d. i. die mittlere Dichte der jeweils bewohnten Zone (Winter 0 — 180 m, die übrigen Monate 0 — 50 m gerechnet), mittlere Volksdichte, d. i. die mittlere Zahl der Gesamtmenge, bezogen auf eine gemeinsame Zone, der Einfachheit halber auf 50 m. Um letztere Zahl zu erhalten, müssen wir uns die bewohnte Zone von 0 — 200 m gewissermaßen zusammengeschoben denken auf 0 — 50 m. Nun tritt bei den Cyclotellen eine gewisse Schwierigkeit zutage. Die Wassertiefen, in welche die Ausgleichsströmungen im Laufe des Januar und Februar eindringen, sind natürlich schon von absinkenden Schalen erfüllt. Zu diesen mischen sich die durch die Strömungen hinab- getrageneu. Dadurch wird verhindert, da eine Scheidung natürlich nicht möglich ist, für die Cyclotellen genaue Werte zu berechnen. Hingegen liegen bei Chroococcus die Verhältnisse klar und deutlich. Die herbstliche Tiefengrenze der Cyclotellen lag, wie schon erwähnt, bei 50 m. Ende Dezember und Anfang Januar beginnen sich die Schich- ten unter dieser Tiefe allmählich mit lebenden Cyclotellen zu erfüllen, während vorher nur leere absinkende Schalen vorhanden waren; d. h. die Convectionsströmungen dringen in die Tiefe ein. Betrug der Prozentsatz der plasmaerfüllten Cyclotellen in den ersten Tagen des Januar etwa 10%, so sind es am 22. Januar bereits 45%. Dement- sprechend sind sie in größeren Tiefen nachweisbar, z. B. 26. Januar 1912 bis 140 m. Die Ausgleichsströmuugen nehmen ihren Fortgang, so daß wir am 3. April in 180 m Tiefe plasmaerfüllte Exemplare konstatieren können und zwar 10% der Gesamtzahl der Gehäuse (siehe auch Tabelle vom 6. bis 8. März 1912, S. 644). Mitte April beginnen die untersten Schichten allmählich zu veröden. Die Organismen, die die Wanderung in die Tiefe mitgemacht haben, sterben infolge der ungünstigen Be- dingungen aus und Mitte Mai dürfte der Rückzug beendet sein, denn bei 70 m sind lebende Vertreter des Zentrifugenplanctons nicht mehr nachweisbar. Eine Grenze von 60 m hat sich also wieder eingestellt. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 42 644 Kurt Lantzsch, Analog mit dieser Erscheinung und im inneren Zusammenhange damit stehend ist die Verlegung der maximalen Zone. Die letzten Septembertage zeigen ein Cyclotellenmaximum in der Schicht von 10 m. Im Anfang Oktober schiebt es sich in die Schicht von 5 m und am 1. November 1911 erscheint die optimale Cyclotellenzone bei 2 m, die beibehalten wird bis über die Mitte des Dezembers. Bei diesem Aufwärtswandern des Cyclotellenmaximums hat man natürlich nicht an eine aktive Bewegung zu denken. Die abnehmende Lichtintensität läßt allmählich die oberen Schichten in optimale Lebens- bedingungen kommen, so daß eine Wucherung eintritt. Dabei findet ein gewisser Ausgleich durch die zunehmende Transparenz des Wassers statt, jedoch überwiegt die Abnahme der Lichtintensität, so daß ein Aufwärtsschieben des Cyclotellenmaximums eintritt. ])iese Schich- tung, mit einem ausgebildeten Optimum, wird aufgehoben durch die Convectionsströmungen. Die auf S. 644 u. 645 beigegebenen Tabellen Herb >Im Sommer dominieren Formen, die der geringeren Tragfähigkeit des Wassers am besten angepaßt sind. Hierbei gehört vor allem Ceratium hirundinella. Ihm gesellen sich Formen bei, die wie Mallomonas und Notholca longispina sich infolge ihres großen Formwiderstandes mit Erfolg der Sinkbewegung widersetzen sowie solche, die sich durch Eigenbewegung schwebend erhalten können. In der kalten Jahreszeit werden diese Sommerorganismen von den im allgemeinen kälteliebenden Diatomeen verdrängt.« Dieser Behauptung Brutschys kann ich nicht beipflichten. Es widerspricht ihr die Tatsache, daß sich ein ausgeprägtes Maximum von Mallomonas nachweisen ließ, welches in die Zeit vom 27. März bis 10. April fiel, also 1 — lYg Monat vor das Diatomeenmaximum. Dadurch wird in Frage gestellt ob den Stacheln von Mallomonas wirklich die zugesprochene biologische Bedeutung zukommt. Bis zu einem gewissen Grade finden die eignen Beobachtungen Bestätigung durch die Tat ache, daß H. Steiner am Luganersee ein ^-ls>°<=t-<*>^ >. . . Auch die übrigen Chloro- phyceen [vorher Botryococcus Braunii angeführt] und die Schizophy- ceen erreichen ihre untere Grenze zwischen 25 und 35 m. Die größte Tiefe erreichen die Diatomeen, die namentlich im ^^'inter (max. Trans- 0- roo 0 100 200 300 'too soo 1000 J300 Jndividüen in 10 ccm. 10m 20 m 30 m tOm 50 rn 51 Ül Verteilung vom 7. Okt. 11 M „ „ n.Dei.ll. W M n 6 -8. März 12 Fig. 4. mini. Voltsdi eilte: 390 in 10 ccm W „ „ „ 'tO „ „ „ parenz) in 50 m Tiefe noch recht zahlreich zu finden nind. << Nach diesem Satze scheint Brutschy der Transparenz den größten Einfluß auf die winterliche Verteilung einzuräumen, weniger den Ausgleichs- strömungen, die meiner Meinung nach für die Schichtung der Winter- monate ausschlaggebend sind. Chroococcus wies im Herbste seine stärkste Entwicklung auf (5. bis 7. Okt. 1911 mittl. Volksdichte 390). Diese .«ank im Laufe des Herbstes auf 40 in 10 ccm (14. Dez. 1911) und hielt sich ungefähr auf dieser Höhe bis Ende März. Iii der Zeit von Dezember bis Ende März Studien üb. d. Naiinoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 651 ändert sich jedoch die mittlere Wohndichte (d. i. die Dichte bezogen auf den jeweils bewohnten Kaum) gewaltig. Die Convectionsströ- mungen ziehen die bewohnte Schicht immer mehr auseinander, so daß die mittlere Wohndichte sinken muß, während die Gesamtmenge von Chroococcus sich gleich bleibt. Der Wohnraum vom Dezember ist fast vervierfacht im Monat März, die Verteilung muß bei gleichblei- bender Gesamtzahl eine dünnere sein als wie im Dezember. Ent- nehmen wir im Winter, ohne die Gesamtverteilung genügend zu be- rücksichtigen, Proben, so wird ein Minimum vorgetäuscht. Das wahre Minimum fällt in die Zeit von Mitte April bis Anfang Juli. Dann setzte wieder Wucherung ein, um das Herbstmaximum anzustreben. In die Zeit des Minimums von Chroococcus (Mai bis Juni) fällt das Früh Jahrsmaximum von Ästerionella, Fragillaria und der Cyclotellen. Ob dieses Aufeinanderfolgen in ursächlichem Zusammenhange, in ge- setzmäßiger Abhängigkeit steht, wage ich nicht zu entscheiden. Zusammenfassung: Chroococcus limneticus var. carneus (Chod.) Lemm. zeigt seine stärkste Entwicklung im Herbst; das Minimum fällt in die Zeit vom April bis Juni ( — Juh). (Kurve S. 654.) Im Herbst ist eine ausgeprägte Schichtung mit deutlichem Maxi- mum in der 20 m-Zone verbanden. Diese wird aufgehoben durch die Convectionsströmungen und die Verbreitung ist eine allgemeine im See. Die sommerliche Schichtung hat keine ausgeprägte optimale Schicht. Goniphosphaeria lacustris. Diese Schizophycee spielt bei weitem nicht die Rolle wie Chroococcus im Zugersee. Bei der Zählung wurde Clathrocystis aeruginosa, die in noch geringerem Maße auftrat, mit unter diese Form einbezogen, einerseits, weil oft eine Scheidung beider beim Zählen schwer war, anderseits, weil letztere quantitativ zu gering vertreten war. In der Verticalverteilung finden wir in der Zone von 10 m meist ein schwaches Maximum angedeutet, das Anfang November ähnlich den Cyclotellen sich nach oben verlegte. Späterhin verwischte sich die optimale Zone oder war wenigstens nicht mehr nachweisbar. Die untere Grenze Hegt im Herbst bei 40 — 50 m. 9. Januar 1912 war Gomphosphaeria lac. bis 70 m, 22. Februar 1912 bis 100 m und im März bis 140 m nachweisbar. Zweifellos ist sie mit den Strömungen bis auf den Grund gewandert, war aber in so geringer Zahl vertreten, daß der Nachweis ausblieb. 652 Kuri Laiitzsch, Anfang Mai ist der Rückzug vollendet und wir finden sie in der gewohnten Schicht von 0 — 50 m. Im Sommer zeigte sich ein Maximum wieder bei 10 m mit ziemlicher Regelmäßigkeit. Die stärkste Entwicklung fiel ähnlich wie bei Chroococcus in den Herbst. Vom Dezember 1911 bis Juni 1912 zeigte Go77ipJiosphaeria eine Volksdichte von 5 — 10 Individuen in 10 ccm. Mitte Juli begann der Anstieg. Er erreichte am 16. September 1912 die mittlere Volksdichte von 70, d. i. die gleiche Höhe wie am 28. September des Vorjahres. Die stärkste Entwicklung, die je nachgewiesen A\'urde, betrug 100 als mittlere Dichte (9. November 1911). Chromulina ovalis Klebs. Diese ührysomonade ist der einzige Flagellat, der in keinem Fange fehlte. Er ist also eine wichtige Komponente im Zentrifugen- plancton und seine Ausschaltung durch methodische Unzulänglichkeit nmß den Charakter des Planctons falsch wiedergeben. Unsere Me- thoden, Filtrieren, Zentrifugieren und Fänge mittels Netz, geben stets nur Ausschnitte aus dem Gesamtbilde, das nur mit der nötigen Vor- sicht zusammengesetzt werden kann. Die saisonelle Verticalverteilung verläuft wie bei den schon ge- nannten Formen, so daß sich ein näheres Eingehen unnötig macht. Die bemerkenswerteste Eigenschaft von Chromulina ist die Photo- taxis, und zwar reagiert dieser Flagellat negativ phototaktisch. Wir finden bei hellem Sonnenschein die obersten Schichten frei, während in der Nacht sich eine mehr gleichmäßige Verteiluns; einstellt. Olli 4. Juli 12 300 5. Juli 12. — 2 m ö m 10 m I 20 lu (300) (50) 280 100 130 ver- loren Sternenscliein etwa 11— 1/^1 Nachtfang hell und sonnig. Tagfang 11—12 Stunden später Eingeklammerte Zahlen durch Interpolation gefunden. 200 260 Es macht den Eindruck, als ob die ganze Masse sich um 3( — 5)m nach oben verschiebt. Immerhin ist die Bewegungskraft der Flagel- laten nicht stark genug, um den winterlichen Strönnmgen widerstehen zu können. Nicht verschwiegen sei, daß die Einstellung auf die Licht- intensität nicht immer so exakt erfolgte wie im vorliegenden Beispiele. Die Verschmutzung des Sees durch mineralische Stoffe und Detritus spielt zweifellos eine Rolle. Die Chrysomonaden ziehen reines Wasser Studien üb. d. Nannoplanctou d. Zugersecs n. seine Beziehung z. Zooplancton, 653 vor. Am 17. Juni nahm Chromulina ovalis folgende Verticalvertei- luna" ein. Om 5 ni 10 m 20 m 170 — — 40 Exempl. in 10 ccm viel viel wenig Detritus An den Tagen vorher hatten Fchwere Wetter gewütet. Die stark angeschwollenen Wildbäche brachten von den Hängen des Zugerberges und der Rigi mit Lehm und mineralischen Detritus beladenes Wasser in den See, der weithin gelbbraun gefärbt wurde. Allmählich sanken diese detrituserfüllten Schichten ab. Chromulina zeigte sich im de- tritusarmen Wasser. Ein Bhck auf die Kurve der mittleren Volksdichte belehrt uns, daß die Chromulina ein ausgeprägtes Wintermaximum besitzt, wie dies auch die. Tabellen vom 6. bis 8. März im Vergleich zu den übrigen zeigen. Wir finden sie in der Tiefe von 100 m stärker vertreten als im Dezember in den Schichten zwischen 20 — 40 m. Am 14. März 1912 war das größte je beobachtete Maximum; die Verteiluno; folgende : Gm 3 m 10 m 15 m 30 m 60 m 140 m 180 m 30 ccm Chromul. ov. Mallomonas 100 1100 60 1750 50 850 30 200 80 20 1 14. März Mallomonas 530 280 330 9 15 — — } 27. März Chromul. ov. 5 10 50 9 120 100 30 ö Am 27. März 1912, die Zwischenzeit war von stürmischem Wetter erfüllt, sehen wir Chromulina von ihrer Höhe gestürzt; an ihre Stelle ist Mallomonas getreten. Eine fast vollständige Verdrängung hat stattgefunden. 30 ccm 0 m 3 m 10 m 29. März. 12. Chromul. ov. — 5 300 Mallomonas 1400 1100 650 Beide Formen scheinen also nicht in größeren Dichten neben- einander existieren zu können. In den unteren Schichten unter 40 m erhält sich Chromulina (siehe 27. März), da sich die Entwicklung 654 Kurt Lantzsch. ro Co -f o» tO C-J -C- Ul CT) *^igi -S" ^ s ^ ^ •^ '^ <»^ § von Mallomonas auf die oberen 40 m beschränkt. Ist diese Unterdrückung von Chromulina ovalis durch eine nahe Ver- wandte, die in mancher Bezie- hung an den Daseinskampf zwi- schen Mus rattus und Mus decumanus erinnert, durch Über- völkerung zu erklären, wobei Mallomonas als die besser ange- paßte Form den Sieg davonträgt? Beides sind assimilierende For- men mit holophytischer Ernäh- rung. Hierbei käme der Kohlen- dioxydgehalt in Frage. Es hat diese Annahme wenig für sich, da der »See imstande ist, größere Quantitäten assimiUerender Or- ganismen zu produzieren. So' rasch, wie sich Mallomonas ent- wickelte, ebenso schnell vollzog sich der Abfall. Zusammenfassung: Die negativ phototaktische Chromulina ovalis ist der häu- figste Vertreter der Flagellaten im Zugersee. Die sommerliche Tief engreuze liegt bei 35 — 40 m ; im Winter ist diese Form im ganzen See verbreitet. Die stärkste Entwicklung zeigt sich im Winter, ungefähr zur Zeit, wo der See von der Oberfläche bis zum Grunde fast gleichmäßig temperiert war. Chromulina verrucosa Klebs. Diese Chrysomonade trat auf im August und September 1912. Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugcrsees u. seine Beziehung /. Zooplancton. 655 Zu andern Zeiten blieb der Nachweis aus. Damit soll nicht gesagt sein, daß dieser Flagellat fehlte, sondern nur, daß er sich infolge seines minimalen Auftretens der Beobachtung entzog. Die untere Grenze von Chromulina verrucosa liegt bei etwa 15 m, zur Zeit des Maximums bei etwas mehr als 20 m. 7. August 1912 Om : 250. | 5m : 150. | 10 m : 5. | 20m : 5 in lOccm. Bei trübem und dunstigem Wetter liegt das Maximum an der Oberfläche. 3. August: Om : 280. | 1 m : 100. | 2m : 100. | 5m : 100 in lOccm. Bei hellem Sonnenschein weichen die Chrysomonaden von der Oberfläche zurück. Vom Maximum sank die Volksdichte wieder herab und nahm am 16. September 1912 folgende Verteilung ein: 0 m : — . j 5 ni : 30. | 10 m : 60. | 20 m : — . Mallomonas producta. Darin sind inbegriffen die übrigen Species, die beim Zählen nicht zu trennen sind. Außer zu Zeiten des Maximums trat Mallomonas in so geringen Zahlen auf, daß diese nicht große Sicherheit beanspruchen dürfen. Die Zahlen schwanken vom Oktober 1911 bis März 1912 zwischen zwei bis sechs Exemplaren in 10 ccm. Im März vollzog sich der rasche Anstieg und die Verdrängung von Chromulina ovalis. Das stärkste beobachtete Maximum fiel auf den 29. März mit 290. Dann begann ein rascher Abfall mit einigen Schwankungen auf die Dichte des Vorjahres. Mallomonas scheint noch mehr als Chromulina die oberflächlichen Schichten zu bevorzugen. Im Sommer 1912 konnte ich diesen Organis- mus fast nie bei 30 m nachweisen, ebenso ging sie zu Zeiten des Maxi- mums kaum tiefer als 35 m. Zur Zeit der stärksten Entwicklung waren bereits die Convectionsströmungen vorüber, und in der Minimum- periode waren deren Einflüsse auf die Verteilung nicht nachweisbar. Das Maximum der Verticalverteilung lag zumeist nahe der Ober- fläche oder es waren die oberflächlichen Schichten bis zu 10 m fast gleichmäßig erfüllt. Die Frage über die biologische Bedeutung der Stacheln ist bereits angeschnitten worden. Ob ihnen die Aufgabe, die Schwebfähigkeit zu erhöhen, wirklich oder als einziger Zweck zukommt, ist zweifelhaft, da doch die stärkste Entwicklung noch in die kalte Jahreszeit fällt. Die Temperatur betrug etwa 7°. Und daß Mallomonas ein den Verhält- nissen angepaßter Organismus ist, beweist die Verdrängung der verwand- ten Chromulina. Mallomonas ist eine mit Geißeln ausgestattete Form, 656 Kurt Lantzsch, die rascher Bewegung fähig ist, wie die Beobachtungen im Mikroskop lehren. Der Panzer und die Stachehi müssen eher, wenn wir an die starke Viskosität des Wassers von 7° denken, als ein der Fortbewegung hinderlicher Ballast erscheinen. Doch das Gesetz der Sparsamkeit in der Natur verlangt, derartige Gebilde als in sich begründete und nicht als zufällige aufzufassen. Cryptomonas ovata. In der Entwicklung bleibt Cryptomonas weit hinter Chromulina ovalis zurück. Die Reinheit und Klarheit des Zugersees mögen dazu Bedingung sein, denn die Cryptofno^ias-Yoimeia: sind am zahlreichsten vertreten in verschmutztem Wasser. Anderseits verstehen wir die reiche Entwicklung von Chromulina und der Dinobryon-Species — der Zugersee gehört zu den Dinobryonseen — die zu ihrer Entfaltung reines Wasser benötigen. Die mittlere Wohndichte schwankt vom September 1911 bis Mitte November 1911 zwischen 5 — 20 Individuen in 10 ccm. Dann steigt sie an und erreicht ihr Maximum mit etwa 70 am 4. bis 6. Dezember 1911 {Chromulina 570), um wieder auf die alte Dichte herabzusinken. Ein zweites Maximum, von gleicher Höhe, aber nicht sicher nachgewiesen, fiel auf den Anfang Februar 1912. Dann schwanken die Zahlen zwischen 10 — 40, um in der Zeit von JuU bis September 1912 auf 1 herabzusinken und oft sich dem Nachweis zu entziehen. Die untere Grenze konnte im Sommer und Herbst wegen Seltenheit nicht bestimmt werden, wird wohl in der Tiefe von 40 — 50 m liegen. Die Convectionsströmungen ziehen Cryptomonas in ihr Bereich. Am 9. Januar 1912 war dieser Organismus nachweisbar in einer Tiefe von 100 m (3 in 10 ccm), am 12. Januar in gleicher Zahl bei 140 m. In den Grundproben (etwa 190 m) war der Flagellat gleichfalls ver- treten und zwar in 30 ccm ein Exemplar, Bereits Anfang März ist Cryptomonas ovata in den untersten Schichten nicht mehr nachweisbar. Die Widerstandskraft gegen die ungünstigen Bedingungen scheint eine geringere zu sein als wie bei Chromulina. Binuclearia tatrana. Bei dieser Form ist die Species noch nicht ganz sicher gestellt. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Brutschy ist es »tatrana <<, nach Ansicht von Herrn Prof. Bachmann stellt sie eventuell eine neue Species dar. Wegen Literaturmangels konnte kein Entscheid eefällt werden. Studien üb. d. Xanuoplancton d. Zxigersees ii. seine Beziehung z. Zoopluncton. 657 In der Erscheinungsweise zeigt Binuclearia manche Analogie mit Chroococcus limneticus var. carneus. Dies tritt besonders in der Ver- tical Verteilung hervor. Die herbstlichen Optima fallen zusammen, beide finden wir in einer Tiefe von etwa 20 m entwickelt. In dieser Schicht konstatieren wir das Maximum bis zum Anfang des November 1911. Dann nahm die Verteilung einen mehr gleichmäßigen Charakter an ; die eintretenden Strömungen sind auch hier der Grund. Und letztere führen diese Alge in die Tiefen des Sees. Im Mai finden wir ein Opti- mum bei 10 m angedeutet. Binuclearia entwickelte im Zugersee in ihrem saisonellen Auf- treten zwei schwache Maxima. Das herbstliche trat auf in den Monaten Oktober und November mit 40 und 60 als mittlere Volksdichte. Dann folgte ein winterliches Mininuim (5 — ^20). Mai und Juni ließ ein Früh- liugsmaximum konstatieren (50 mittl. Dichte). Es setzte eine Periode der Degeneration ein und vom 28. Juli entzog sich Binuclearia dem Nachweis mittels Zentrifuge. Sphaerocystis Schröteri. Nur zur Zeit des Maximums war diese Grüualge in genügender Anzahl vorhanden, um Berücksichtigung zu finden. Dieses fiel in die Zeit des April und stimmt ungefähr mit Brutschys Angaben überein. Die Verteilung war am 24. April folgende: 0 m : 10. 3 m : 10. 10 m : 40. | 20 : m 25. | 30 m : 2. Exemplare in 10 ccm (gefunden durch Reduktion aus 30 ccm). Es setzte dann eine kontinuierliche Abnahme ein, dabei blieb das rela- tive Maximum bei 10 m Tiefe erhalten. Im Juni schien eine mehr gleich- mäßige Verteilung vorzuliegen, jedoch entzog sich diese Form an der Oberfläche zumeist der quantitativeii Bestimmung. Ich kann den Satz Brutschys: >>Sie ist am zahlreichsten an der Oberfläche und gedeiht bis 20m<<, nicht unbestritten lassen. Die Chlorophycee : Oocijstis lacustris Chod. und die Conjugate: Cosmarium scenedesmus Delph. ließen sich ab und zu nachweisen. Jedoch war das Auftreten ein zu seltenes, als daraus Schlüsse hätten gezogen werden können. Gymnodinium minimum. Die Verteilung dieses chromatophorenfreien Gymnodiniums scheint mit dem Nahrungsbereich zusammenzufallen. Es scheint in der Aus- wahl keine Anforderungen zu stellen. Einmal fand sich ein Stück von einem Bitiuclearia-Ynden in der Zelle. Auch kann diese Form 658 Kurt Lantzsch, den Convectionsströmungen nicht wiederstehen. Es ließ sich Anfang Februar 1912 in 180 m Tiefe nachweisen; am 15. Februar war es relativ häufig, 30 — 40 Exemplare in 30 ccm, in genannter Tiefe vertreten. Die optimale Schicht der Verticalverteilung ließ sich nur zur Zeit der stärksten Entwicklung feststellen. Die am dichtesten bevölkerte Zone lag stets an der Oberfläche. Die stärkste Entwicklung fiel in die Mitte März bis Anfang April. 14. März 1912: mittlere Volksdichte 50 in 10 ccm; 27. März 1912: 25; 6. April:. 30. Außer dieser Zeit be- wegten sich die Zahlen unter 10. Horizontal Verteilung. Bei der großen Schwierigkeit, das Boot auf gleicher Stelle zu halten, oder gar denselben Ort der vorhergehenden Fänge zu treffen, müssen wir mit einer gleichmäßigen Verteilung rechnen. Wäre Schwarm- bildung vorhanden, so hätte sich diese bei der großen Anzahl von Fängen wenigstens einmal geltend machen müssen. Aber es zeigt sich, daß, bei einer starken Vermehrung diese das ganze Gebiet ergreift und stets an mehreren Fangtagen, wie bei Mallomonas, oder Wochen hin- durch gleichmäßig zu beobachten ist, wie bei Chromulina und Chroo- coccus. Das gleichmäßige Verhalten der großen und tiefen Seen, deren physikalische Änderungen sich nur lang-am vollziehen und deren Reaktion auf äußere Umwälzungen, wie der Temperatur, nur träge erfolgt, setzt schon eine Horizontalverteilung ohne Schwarmbildung voraus. An aktive Zusammenscharung der schwebenden, unbeweg- lichen Nannoplanctonten ist nicht zu denken, höchstens käme dies bei den Flagellaten in Betracht. Zur Illustration der Verhältnisse seien einige vergleichende Ober- flächenproben hierher gesetzt. Es sei in Erinnerung gebracht, daß die Uferwände steil und jäh sind. Kleine Zahlen können naturgemäß kein Kriterium abgeben. Beim Durchmustern nachstehender Tabelle ergibt sich gleichmäßige Verteilung bis an die Uferwände heran, außer für die Cyclotellen und Helcomastix. Die Cyclotellen zeigen gleichmäßige Verteilung oder wie die zwei letzten Fänge lehren, eine Abnahme gegen das Ufer. Helcomastix weist eine Zunahme gegen das Ufer auf. Dieser farblose Flagellat scheint in dem mit Detritus und Nährstoffen beladenem Uferwasser bessere Existenzbedingungen zu finden als in der Planctonzone. Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 659 U = üferzone, neben Ufeniiancrn geschöpft; PI = IManctonzone. u PI U PI U PI i 30 ccra 3300 3000 2900 5500 900 1650 Cyelotellen — — 110 160 — — Astcrionella gr. 240 180 140 330 20 35 Synedra del. 25 — — 20 670 800 Chrooccocus lim. v. carn. 15 — 10 50 80 60 Oomphosph. lac. 45 30 30 30 35 20 Sphaerocyst. Sehr. 120 45 50 150 — — Binuel. tart. 550 90 80 60 320 270 Chromul. ov. — — — — 730 800 Chromul. verr. — — — — 115 80 Crypfomonas or. 45 20 60 20 115 5 Helcomastix ov. — — 80 90 — — Mallomonas 4340 3365 3460 6390 2975 5720 Bei Binuclearia stehen sich zwei entgegengesetzte Resultate gegen- über. Chromulma zeigt mehr eine Tendenz zu gleichmäßiger Hori- zontalverteilung in beiden letzten Fällen, die das erste Resultat wieder abschwächen. Wir dürfen wohl von gleichmäßiger Horizontalverteilung die sich bei steilen Ufern bis in diese Region erstreckt, sprechen. Nur daß die Cyelotellen eine Abnahme erfahren, die aber nicht unter den Begriff der Schwarmbildung fällt. Anhang; Es sei noch kurz die Entwicklung der Dinobryon socialis-Gmppe angeführt, durch welche der Zugersee seine Zugehörigkeit zu den Dinobryonseen dokumentiert. Diese Formen gehören nicht mehr dem eigentlichen Zentrifugenplancton an. Die Wucherung setzte ungefähr in der Mitte des Oktober 1911 ein. Die Zahlen sind gewonnen durch Filtration von 20 Liter Seewasser durch das Netz ohne Berücksichti- gung des Filtrationscoefficienten. Bei 10 m waren am 17. Oktober etwa 100 Dinobryenkolonien in 20 Liter vertreten. Die Wucherung schritt fort und wir finden die stärkste Entwicklung in der Tiefe von 5 — 10 m. Am 7. November 1911 lag das Maximum vor. Om 2 m 5 m 10 m 20 m , 30 m 45 m ^ 20 Liter 1650 2200 1850 2000 1450 2400 300 1600 , 200 20 10 7. Nov. 11 9. Nov. 11 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVllI. Bd. 43 660 Kurt Lantzsch, Schon am 9. November zeigt sich ein Rückgang mid am 28. Novem- ber finden wir 40 Kolonien l^ei 10 m in 20 Liter. Der Anstieg zum Maximum und der Abfall vollzog sich fast in gleichen Zeiträumen. Einmal kam ein Dinobryon aus etwa 180 m Tiefe zur Beobachtunff, das kein zugespitztes, sondern abge- rundetes Gehäuse zeigte. Der Flagel- Chroma- lat entschlüpfte während der Beob- op oren. Achtung dem Gehäuse und wurde in dem Moment gezeichnet. Es stellt diese einmal beobachtete Form wahr- scheinlich die Keimung der Spore dar. Ceratiuni hirwidineUa wurde nur im Herbste 1911 in die Untersuchung einbezogen. Die Zahlen können einer Kritik nicht standhalten, da ein un- bestimmbarer Teil in den Netzwänden hängen bleibt und für die Zählung verloren geht. Die optimale Zone zeigte sich mit ziemlicher Konstanz bei 5 — 10 m. pj„_ (j Als Beispiel seien die beiden beob- achteten Maxima 1911 angeführt, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß ein sommerliches Maximum voraus- gegangen ist. Leu cos in. 0 111 2ml 5 m 10 m 20 in 35 lu 13. Okt. 11 27. Okt. 11 1200 3250 2450 3300 3250 1800 1650 800 700 400 20 Liter Es setzte dann starker Rückgang ein ; am 9. November waren etwa 1000 Exemplare in 20 Liter vorhanden. In den Monaten Dezember bis Februar wurde in den oberfläch- lichen Schichten Anabaena jlos aquae, vergesellschaftet mit Botryo- coccus Braunii beobachtet. Ayiahaena jlos aquae sedimentierte sich nicht beim Zentrifugieren. Es waren in einem von der Oberfläche geschöpften Liter 50 — 70 dem Auge sichtbare Kolonien vertreten. Bei diesen Formen könnte man eventuell von einer passiven Schwarmbildung sprechen. Als gut an- Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 661 gepaßte Schwimmer halten sie sich nahe der Oberfläche auf und werden durch Wind in Buchten zusammengetrieben. Am Landungs platze in Zug war nach S.-W.-Winden ein Streifen faulender Anabaenen im Ufersande aufzufinden. Wind und oberflächliche Strömungen können im Limneticum Anhäufungen, wenn auch nicht sehr ausgeprägt, herbei- führen. Überblicken wir kurz das Nannoplancton in seiner Zusammen- setzung zu einander. Von den Formen, die im Zentrifugenplancton auftraten, sind grüne oder blaugrüne. Schizophyceae : Chroococcus limneticus var. carneus. Gomphosphaeria lacustris. Clathrocystis aeruginosa . Flagellaten : Cryptomonas ovata. Cryptomonas ovata var. curvata. Chlorophyceen und Conjugaten: Sphaerocystis Schroeteri ; Binuclearia tartrana, Oocystis lacustris, Botryococcus Braunii, Chlamydomonaden, Cosmarium scenedesmus. An Formen mit gelben Chromatophoren waren vorhanden. Diatomeen : Cyclotella, Synedra delicatissima, Fragillaria crotonensis, Asterionella gracillima. Flagellaten : Chromulina ovalis, Chromulina verrucosa, MaUomonas, dazu treten die Dinobryen und die verschiedenen Peridineenspecies. Von den grünen und blaugrünen Formen sind von Bedeutung : Chroococcus limneticus var. carneus. Maximum: 390, erste Hälfte des Oktober. 43* 662 Kult Lantzsch, An Bedeutung treten zurück Gomphosphaeria lacustris und ükithrocystis aeruginosa . Maximum 80 — 100 in den ersten Hälfte des Oktober und in der ersten Novemberwüche Cryptomonas ovata und Cryptomo7ias ovata var. curvata. Maximum 70 im Anfang Dezember und Maximum 60 Ende Juli Binudearia tartrana. Maximum 40 — 60 erste Hälfte des Oktober und November Sphaerocystis Schroeteri, Maximum April. Dit-, übrigen Formen treten zurück. Von den Formen mit gelben Chromatoplioren sind die wichtigsten : Cyclotellen : Herbstmaximum etwa 1400 — 1700, Mitte Oktober; Frühjahrsmaximum 1150, Anfang Mai. Dazu treten Synedra, Fragillaria und Asterionella. Die Diatomeen weisen quantitativ die höchsten Zahlen auf. ChrotnuUna ovalis. Maximum: 570 im März. Wir finden beim Vergleichen beider Gruppen ein zahlenmäßiges Überwiegen der gelben Formen ausgeprägt und einen größeren Formen- reichtum angedeutet. Diese Erscheinung wird sich auf die Reinheit und Klarheit des Wassers zurückführen lassen. Beweis dafür ist auch, daß die gelben Formen ihre stärkste Entwicklung im AVinter oder kurz vorher oder nachher aufweisen, also zur Zeit der größten Transparenz und Klarheit. Ob ein innerer Zusammenhang zwischen Lichtverhält- nissen, wie Absorption der verschiedenen Lichtstrahlen durch das Wasser, Transparenz usw. und der Ausbildung der gelben Chromato- phoren besteht, kann nicht entschieden werden. Werfen wir noch einen Blick auf die Mengenverhältnisse in Seen und Tümpeln. Colditz und ich hatten im Jahre 1911 in den Teichen zu Cospuden bei Leipzig Beobachtungen angestellt. Ein Beispiel wird uns die Gegensätze vor Augen führen (nebenstehende Tabelle, oben). Wir sehen, wie sich das Verhältnis zugunsten der saprophytischen Cryptomonas- und Euglena-¥ ovmen verschoben hat und wie gelbe Formen quantitativ und qualitativ in den Hintergrund treten. Zugleich fallen die starken Unterschiede in der Quantität des Nannoplanctons auf. Das läßt einen Rückschluß zu auf den Gehalt an organischen Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 663 Crypt. ov. Scened. 4 caud. Diatomeen Englenen Om 1/2 m 11000 1100 18500 1100 100 950 180 4800 in 10 ccm 22. Juni 11 193/400. Om 1/2 m 400 700 1000 3500 370 330 370 1850 in 10 ccm 27. Juni 11 20° C. Nährstoffen in gelöster Form. Im Zugersee waren Bodoformen und deren biologisclie Verwandte selten. Die Keimzahl ist, wie Nussbaumer darlegte, ebenfalls eine sehr geringe. Auch derartige gewaltige Differenzen, wie sie sich hier in kurzer Zeit ausbilden, vermissen wir im Haushalt großer Seen, abgesehen von Ereignissen wie die Verdrängung von Chromulina durch Mallomonas. Wir sehen vielmehr das Ansteigen zum Maximum und den Abfall sich in ziemlich ruhiger Weise vollziehen. Die großen Wassermassen stellen den kleinen Teichen und Tümpeln gegenüber ein träges Medium dar. Sie sind den äußeren physikalischen Schwankungen, der Beeinflussung durch Abwässer viel weniger unterworfen als ein kleines Becken, (siehe Kurven). Die Jahre 1911/12 stellen starke Extreme dar inbezug auf Wärme und Besonnung. Der Einfluß, der hierdurch zum Ausdruck kam, äußerte sich mehr nach der quantitativen Seite als nach der qualitativen. Die Verteilung zeigt sich am Anfang und Ende der Untersuchung als fast die gleiche. Cyclotellen Ghroocc. lim. V. ca. Oomphospli. lac. Chromul. ovalis 1911 1 1912 1911 1912 1911 1 1912 1911 1912 Om 2500 1 500 1 380 150 80 90 20 2m 2400 !750) 260 (140) 80 (70) 20 — 5 m 2100 950 300 140 70 50 70 5 10 m 4300 850 550 130 140 90 70 5 20 m 250 370 370 240 30 80 — 5 30 m 150 230 70 30 — 1 15 — 5 11700 3650 1930 860 400 395 160 40 eingeklammerte Zahlen interpoliert. Die stärksten quantitativen Unterschiede zeigen sich bei den Cyclotellen. 1911 tritt das Maximum in der 10 m-Zone auf, hingegen ]. Reihe: 28. Sept. 11. 2. Reihe: 16. Sept. 12. 664 Kurt Lantzsch, liegt es 1912 noch zwischen 5 und 10 ni. Bei Chroococcus finden wir charakteristische, fast gleichmäßige sommerUche A^erteilung trotz quantitativer Unterschiede. Bei GomjjJiosphaeria hcustris bereitet sich 1911 das Maximum bei 10 m vor, welches 1912 noch nicht zur Aus- bildung gelangt ist. Es ist hier vielleicht der Ort, die Ernährungsbedingungen in der Tiefe einer kurzen Erörterung zu unterziehen. Die Convections- strömungen hatten das in den oberen Schichten angesammelte Nanno- plancton bis zum Grunde verbreitet. Die assimiUerenden Formen, Flagellaten, Schizophyceen und Diatomeen, werden aus Zonen, in denen sie ihre Lebenstätigkeit voll entfalten können, in Regionen geführt, die für die Aneignung des Kohlendioxyds immer ungünstiger werden. Die allein ausnutzbaren gelben und roten Strahlen dringen bekannthch am wenigsten tief ein, während die violetten nicht so rasch ver- schluckt werden. Dazu tritt im Winter die geringe Erhebung der Sonne über den Horizont, kurze Belichtungsdauer und die häufige Nebel- bedeckung. Ausgleichend wirkt die größere winterliche Transparenz, die den drei- bis vierfachen Wert der sommerlichen erreicht. Immerhin muß die große Tiefe von 180 — 200 m Bedenken erregen. Für einen Organismus wie Cryptomonas ovata ist der Übergang von holophytischer Ernährungsweise nicht unwahrscheinlich. AVeist doch das massenhafte Auftreten in gedüngten Teichen und Tümpeln usw. auf die Fähigkeit der Ausnutzung organischer Nährflüssigkeit hin. Gleiches könnten wir auch Chromulina ovalis zugestehen, wenn auch hier sichere Be- obachtungen nicht vorliegen. Größere Schwierigkeiten bereiten dieser Annahme die Diatomeen und die Schizophyceen. Unter den Diatomeen nützen die Nitzschia- Arten organische Nährlösung aus. Von Cyanophyceen meldet Prings- HEiM allerdings, daß drei reinkultivierte Species von Oscillaria und Nostoc sich im Dunkeln wohl w^ochenlang lebend hielten, ohne sich aber zu entwickeln. Auch weist die so häufige Symbiose von Cihaten mit Grünalgen darauf hin, daß wir diesen niederen Algen die Fähigkeit, sich in zwei- facher Weise zu ernähren, nicht ohne weiteres absprechen dürfen. Sind wir aber genötigt, in vorliegendem Falle zu dieser Annahme zu greifen, um die Fortdauer der assimilierenden Formen in der Tiefe zu erklären? Erinnern wir uns an Chroococcus limneticus var. carneus. Diese Form hatte ich in zweifellos lebenden Exemplaren im Sommer 1912 noch bis 70 m Tiefe nachgewiesen. Die sommerliche Transparenz des Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 665 •I 08 U9ijdnv\r sdopfiQ gSnnf •}dvi(j gSunf sdojofiQ ■ovi 'idviQ •ov.cß fdmQ ■ßduoo viniusoQ vßii vmi/dt7Q smioiuojinj\[ \io tuoopjj •aotpiuio.li/Q uyag \t9Viidg ■f.W} pilUtQ douyfvjQ n ■ydsoi[ducoß •latl •ooo.ii/Q •OV.lß \13}SY •pp vupdußg udjpjopßQ UTOO 08 ^ o e(3 00 O _i 2 o^ >o o i> Ja '^ tH ■rH GM T-l ^^ -^ CO I>- ^ ^ 05 ?0 CO a I I I CO CO — :j_, TT. L .— so \o ^.? 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Diapt. lac. 1 s Anur. acul. 1 - Floscularia tnuL 1 1 Notholca lg. ® 1 Ploesoma tr. <_ S C6 B ö tu > ö cn; Zugersees beträgt uacli Brutschy im Mittel etwa 4,5 ra. Die optimale Zone, wo diese Schizophycee im Oktober und November die besten Bedingungen für Lichtausnutzung fand, lag in der beträchtlichen Tiefe von etwa 20 m. Die untere Grenze lag in ungefähr demselben Niveau wie im Sommer. So hat auch die Anschauung Berechti- gung, es möchte die geringe Licht- quantität, die bei größter Transparenz (etwa 15 — 17 m) bis in die Tiefe von 200 m dringt, ausreichend sein, um assimilierenden Formen das Leben zu fristen. Sicheren Aufschluß können erst photometrische Messungen und Dunkelkulturen bringen. Daß eine reiche Welt von nicht assimilierenden oder saprophytischen Formen, wie Ciliateu, den am Grunde sich ansammelnden Detritusregen aus- nutzt und ihre Existenzbedingungen findet, bewiesen die Fänge vom Grunde (etwa 190 m), die ich im Winter 1911/12 ausführte. Zwischen dem feinen, vom Wasserschöpfer aufgewühlten Boden- sediment fanden sich als Vertreter einer specifischen Bodenfauna Gastrotrichen {Chaetonotus), farblose Flagellaten {Ästasia u.a.), MulticiUa'i eine Oscillatoria (nur am Grunde nachgewiesen), drei bis fünf Species von Ciliaten {Loxophyllum, Holophria, Pleuro- nema u. a., die beiden letzteren auch pelagisch). Daß im Winter, wo dem Grunde organisches Material in reichlichem Maße zugeführt wird, dieser auch für höhere Tiere bewohnbar wird, zeigt Studien üb. d. Nanuoplaiicton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 667 das Auftreten der Fische, Lota vulgaris, eines Grundfisches, in Tiefen von 150 — 180 m. Die Fischer legen ihre Legangeln im Winter bis in genannte Tiefe, im Sommer bis 60 — 80 m. Diese dürftigen Angaben zeigen, daß ein reichhaltiges Leben auf dem Grunde möglich ist. Die Existenzbedingungen scheint der De- tritusregen, der im langsamen Strome herabsinkt, zu liefern. Dazu kommt im Winter das Material, welches die Convectionsströmungen mit sich führen. Cyclotellen, Panzer von Anuraea usw. unterliegen am Boden einer langsamen Zersetzung und geben die Grundlage für eine saprophytische Organismenwelt, die bei systematischer Durch- forschung mit geeigneten Hilfsmitteln sich noch beträchtlich ver- mehren ließe. Vielleicht gibt auch hier die Zentrifuge und Unter- suchung des lebenden Materials einen ungeahnten Aufschluß über Flagellaten, Bacterien und Cihaten. IL TeiL Das Zooplancton und seine Beziehung zum Nannoplandon. Leider konnte nicht das Zooplancton in dem Maße, wie anfänglich beabsichtigt war, in den Gang der Beobachtung einbezogen werden. Es wurde zur Untersuchung ein relativ kleines Netz (mittlerer Poren- durchmesser 60 ^() benutzt. Die gefundenen Data genügen, um eine recht weitgehende Übereinstimmung mit den Eesultaten Burckhardts, die in den »Quantitativen Studien über das Zooplancton des Vier- waldstättersees << niedergelegt sind, nachzuweisen. Das Zooplancton des Zugersees setzt sich zusammen aus: Copepoden : Diaftomus laciniatus Lilljeb. Diaptomus gracilis Sars. Cyclops strenuus Fischer. Cyclops leuckarti Claus. Cladoceren : Daphnia hyalina Leydig, Bosmina coregoni Baird, DiapJmnosoma brachyiirum Liev., Leptodora hyalina Lilljeb., Bythothrephes longinuinus Leydig {Scapholeberis mucronata O.F.Müll.). 668 Kiut Lantzsch, Rotatorien : Asplanchna friodonta Gosse, Polyarthra flatyptera Ehrbg., Triarthra lomjiseta Ehrbg., Anapus testudo Lauterb., Hudsonella pygmaea Calman, Ploesoma truncatum Lev., Mastigocerca capucina Wierz., Anuraea cochlearis Gosse, NotJtolca longispina Kellic, Conochüus unicornis Rouss., Floscularia mutahilis Bolt., Synchaeta pectinata Ehrbg. Copepoden. Die Periodicität von Diaptomus laciniatus und gracilis ist dieselbe wie im Vierwaldstättersee. Das Maximum der geschlechtsreifen Tiere fiel in die winterlichen Monate Dezember bis April. In dieser Zeit waren 50 — 80% der gefangenen Weibchen eiertragend. Männchen wie Weibchen gingen dann stark zurück. In Übereinstimmung damit sind zu dieser Zeit wenig junge Diapto- musstadien zu finden. Mitte Dezember betrug die Nauplienzahl über 400. Im Februar schnellt die Zahl über 1600 hoch. Es hat also die Entwicklung eingesetzt. Mit dem Nachlassen der Geschlechtsperiode sinkt auch die Nauplienzahl, teils durch Weiterentwicklung zu junger Diaptomus- und C?/c?ops-Stadien, teils durch Dezimation, die durch Nachschuß nicht wieder ausgeglichen wird. Die Entwicklung vollzog sich weiter in den natürHchen Bahnen. Die Zahl der Nauplien geht zurück und wir finden entsprechend mehr junge Vertreter von Dia- ptomus, so daß am Ende der Untersuchung, im September 1912, fast nur Exemplare zur Beobachtung kamen, die die Speciesausbildung erkennen ließen und der Geschlechtsreife nahe standen. Ebenso habe ich wie Burckhardt bis in die Sommermonate Juni — Juli Weibchen mit Eipäckchen konstatieren können, aber nie Männchen mit Sperma- tophoren. Die Geschlechtsperioden von Cyclops strenuus fiel in die gleiche Zeit wie von Diaptomus gracilis. Cyclops leuckarti hat wie in den übrigen Seen die Geschlechtsperiode im Sommer. Die ersten geschlechts- reifen, eitragenden Weibchen fing ich Ende Mai und konnte sie kon- statieren bis September. Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 669 Wenden wir uns zur Verticalvertcilung, insbesondere zur Frage der nächtlichen Wanderung. In den Tabellen S. 665 geben die Zahlen des Zentrifugenplanctons den Inhalt von 30 com, die des Zooplanctons den durch das Netz geschlagenen Inhalt von 20 Litern wieder. Trotz der relativ kleinen Wassermenge von 20 Litern stimmen beide überein und stehen im Einklang mit den Resultaten Burckhardts. Wir finden die Nauplien und die Cyclops- und Z)wf|)tomMS-Stadien über die ganze Zone von 0 — 70 m verteilt und müssen die untere Grenze um etwa 15 — 20 m tiefer legen. Über die reifen Dia'ptomus-Bta.dii&Q. lassen sich bei der Kleinheit der Zahlen keine genauen Angaben machen, doch zeigen die Stich- proben Übereinstimnmng mit den Angaben Burckhardts, welcher für die Hauptmasse der Diaptomus gracüis cf und Q. bei mittlerer Trans- parenz 20 — 30 tri angibt. Für das Maximum von jungen Diaptomus- stadieu geben die Stichproben eine Tiefe von etwa 20 — 30 m, für die Cyclops etwas höher, etwa 10 — 20 m, an. Bemerkenswert ist, daß die jüngsten Exemplare von Cyclops sich in den oberen Schichten auf- hielten, gewissermaßen die Vorläufer zur Hauptmasse bildeten. Ihre negative Phototaxis ist noch wenig ausgebildet und sie erinnern darin an das verlassene Nauplienstadium. Diese Verteilung der Nauplien, der jungen Cyclops- und Diaptomus- Stadien macht es unwahrscheinlich, daß sie auf bestimmte Nahrung an- gewiesen sind. Sie bevölkern die Zonen der Flagellaten, die bis etwa 40 m geht, und reichen hinab bis an die unterste Grenze, wo Material mittels Zentrifuge nachgewiesen werden konnte. Die letzten Vertreter vom Nannoplancton sind Cyclotellen, meist mit schon gelöstem Plasma, Gomphosphaeria lacustris und Chroococcus, der sich hier in seiner Minimumperiode befindet, sonst aber wohl nach- zuweisen ist (siehe Fang 30. August, S. 666). Die Copepoden können also nicht wählerisch in der Nahrung sein; entweder sind sie Detritus- fresser, wie Burckhardt und Diepfenbach auch annehmen, oder wir müssen sie in gewissem Sinne als omnivor ansprechen. Deshalb können wir nicht Abhängigkeit dieser Formen vom Nannoplancton erwarten. Das Alter der Copepoden setzt Burckhardt über ein Jahr an. Auch dies spricht gegen eine Bevorzugung bestimmter Nahrung durch diese Formen. Die Sexualperiode dieser Tiere fällt mit der stärksten Entwick- lung der Chrysomonaden zusammen. Doch macht es das eben Gesagte unstatthaft, irgend eine Beziehung zwischen beiden Erscheinungen herauslesen zu wollen. AVie verhält es sich mit dem nächtlichen Andrang? Die Tabelle 670 Kult Lantzsch, CP3 =^ I CS O W O i DO ' )— ' Ol Gyclotcllen 1400 Synedra del. 30 CA?-ooc. /im. 200 Qomph. lac. 40 Sphaer. Sehr. 5 Chromul. ov. 300 Gryptom. ov. 60 Mallomonas 40 Helcomastix 90 O o §go 1 1 go^i O O g 1 1 '-^ o o § 1-^ Ol .. .. -.^ 1 Ol § 1 - 1 !z! o S" ^ CO 1 Ol '^ o o Ol t\3 i er, i_i. t^ J^ C^ CO i^i CO Üi Ol 1 go'ioggil CD o'gi gsss^i o INS 1 S^8gSg§| H=E ... 1 1 1 - 1 1 1 1 - -^ CO o h3 Ol CO o II CO 1 1 1-1. i_i N5 1 1 -^ g 1 1 o o ^ 1-^ CO 00 g ^ OO 1 -3 H- 1 tO ^ o 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 H SS»»'"^^! S !2J CO CO -. c2 <0 o CO ^ T-l r-l CO lH 1 T-l r-l CD CD CO CO OS T-t 1-1 CO S H 1 1 1 1 1 1 1 1 1 >« lO -. Cl. o- CV. cv. CV. o. o- o- o. ^ 1 1 1 1 1 ;=. 1 1 1 1 T-l ° ^ ^ ■^ 1 1 S ^ co O 1-1 C^ CO CM 3 H (M o o CD 1 lO o -* 1 1 1 1 CD o 05 o o O o o o 1-1 1 O o o cc CD CO fM tH lO CO 1 1 O S CO, -* U3 ^ ! m^} o. pH ^ o o o 1 O O o C CD CO o o o § OS Ci OS 1 1—1 CO -:i< (M ^ 1—1 X o o o o 1 o o 1 O 1-1 1 >o 1 ^ '-H lO fM CO 1 r* '^ 1 1 1 I> 05 T-l 1—1 ^ s o o O o o o CO o lO o T^ I> 1-1 05 OJ 1—1 CD CD T— 1 -^ 1-1 00 >o OS '^ '^ (-, (>] iO Ä (^ o o 1 1 <=> 1 1 'O 1 •o (M CO o l^ 1 1 (M 1 1 1—1 1 CD 05 1—1 1-1 X s s ^ lO 1 si 1 o o -.^ S s CO CD CO 1 1 -^ ^ C5 1-1 ;z; g lO 1 o o 1 o o o (M 1—1 1 CD CO CO 1 1 Oi CO 1 OJ T-l 1 O 1-H a ^ Ol f, -2 O !S3 <» ^ ~ ;_i a ri VO <ü 3 o o > CO SUD ö >. . . Für dieses ver- schiedene Verhalten (nämlich der verschieden starke Andrang) läßt sich leicht unter Berücksichtigung der Nahrung eine Erklärung finden. Es ist höchstwahrscheinlich der Fall, daß bestimmte Planctozoen auf ganz bestimmte Nahrungsorganismen angewiesen sind, oder daß sie wenigstens einige Nahrungsorganismen andern vorziehen. « An andrer Stelle steht der Satz: >>. . ., daß sich die Copepoden nicht, wie oft irrtümlich angenommen wird, von Planctonorganismen, sondern viel- mehr von Detritus ernähren <<. Sind diese Formen Detritusfresser, so können sie nicht vom Zentrifugenplancton abhängen. Und doch zeigen sie gerade die stärkste aktive Wanderung, wie aus Burckhardts und eignen Angaben hervorgeht. Wir sind gez^yungen, die Wande- rungen der Copepoden auf andre Ursachen zurückzuführen, auf Photo- taxis oder Gas Verhältnisse. Wir sahen, daß das nächtliche Nannoplancton quantitativ nicht verschieden ist von dem tagsüber in den oberflächHchen Schichten vorhandenen, wenigstens nicht so, um derartige Wanderungen aus- zulösen. Es wäre die Deutung zulässig, daß die Copepoden am Tage nicht genügend Nahrung in der Tiefe fänden, in die sie die negative Phototaxis hinabgedrängt hat. Dieser Nahrungsmangel könnte wohl ein Aufsteigen veranlassen, aber nicht die strenge Konzentration er- klären. Müssen wir aber die Nahrungsverhältnisse zur Erklärung der Ver- ticalwanderung heranziehen ? Genügt nicht schon die Reaktion auf die Intensität des eindringenden Lichtes allein? Im Hinblick auf die RuxTNERschen Beobachtungen, welcher im Lunzersee Planctonwanderung unter der Eisdecke beobachtete, die nach dem Grade der Schneebedeckung verschieden ausfielen, möchte ich mich letzterer Auffassung anschließen. Die Wanderung ist nach Species und Stadium mehr oder weniger ausgeprägt. Bei den Nauplien finden wir fast keine Verticalverschie- bung von Tag zu Nacht. Wir können die jüngsten Cyclops stets in den Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. S3ine Beziehung z. Zooplancton. 673 oberflächlichen Öchichten als Vorläufer zur Hauptmasse konstatieren, ähnliches gilt für' Daphnia lujalina. Mit zunehmender Ausbildung verschärft sich auch die Reaktion auf Veränderung der Lichtintensität. Ist die Phototaxis noch nicht zur vollen Ausbildung gelangt, so werden wir diese Formen über das ganze Wohngebiet verteilt finden, unter Ausbildung eines Maximums, wie es bei den Nauplien der Fall ist. Die winterlichen Verhältnisse können nur gestreift werden. Im Winter wurde für große Tiefen der Wasserschöpfer benutzt. Es konnte leider die Verticalverteilung des Zooplanctons nicht untersucht werden, da das Arbeiten mit einer Schlauchlänge über 100 m für eine einzelne Person und ein einfaches Boot fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. Es sei hier erlaubt, die BuRCKHARDTschen Beobachtungen über die winterliche Verticalverteilung in ihrer Gesamtheit auf den Zugersee zu übertragen, was anbetracht der großen Übereinstimmung beider Seen, des Zuger- und des Vierwaldstättersees, bezügUch saisoneilen Auftretens und der sommerlichen Verticalverteilung bei Crustern und Rotatorien sowie bei der Gleichheit der physikalischen Bedingungen nicht unberechtigt ist. BuRCKHAEDT schreibt: »Folgendes Resultat ist aber über allen Zweifel erhaben.« Planctoni von 100 m bis 200 m, Juli bis September 0 oder höch- stens 0,2%; Januar bis März 10 — 20% des Totalquantums. Der Nachweis des sommerlichen und herbstlichen Nannoplanctons hörte bei 50 — 70 m auf, die untere Grenze dürfen wir in Anbetracht der kleinen verarbeiteten Wassermenge in eine Tiefe von 80 — 90 m legen. Dies ist auch die sommerliche Tiefengrenze für das Zooplancton im Zuger- und Vierwaldstättersee. Die winterliche Grenze des Zooplanctons liegt nach Burckhardt bedeutend tiefer, sie geht bis zum Grunde, bis etwa 200 m. Gleichermaßen verhielt sich auch das Nannoplancton im Zugersee. Die angeführten Zahlen geben das Nannoplancton in der Schicht von 100—180 m an. (Juli bis November etwa 0% oder etwas mehr.) 22. Februar 1912. 6. bis 8. März. 2. bis 3. April. 8% 12% 11,5% des Totalquantums unter Ausscheidung leerer Cyclotellenschalen. Diese Zahlen stimmen recht gut mit denen Burckhardts überein, so daß wir zum Schlüsse berechtigt sind, daß das Auftreten des Zoo- 1 Zooplancton. 674 Kurt Lantzsch, planctons und der Verlauf der unteren Grenze an die Verbreitung ge- formter Nahrung gebunden ist. Es macht sich nun nach Burckhardt eine gewisse zeitUche Diffe- renz geltend; die Copepoden dringen Ende November in Tiefen unter 100 m ein, eher als die Convectionsströmungen Nahrungsmaterial dahintragen. Dieser Widerspruch klärt sich. Das Schließnetz Burck- HAKDTs brachte zu jener Zeit »bedeutende Mengen bräunlich-grüner Algenmassen aus großen Tiefen herauf, die schon durch den Geruch als abgestorben zu erkennen waren. Diesen scheinen die Copepoden und in bescheidenerem Maße auch Daphnia und AsplancJma zu folgen und dann, so lange dank der thermischen Ausgleichung reiches Organis- menleben auch in der Tiefe möglich ist, unten zu bleiben«. Dieser Umstand bestätigt obigen Satz, daß der Wohnbereich der Copepoden so weit geht, als geformte Nahrung vorhanden ist. Cladoceren. Daphnia hyalina. Die Netzfänge ergaben kleine Zahlen, so daß die Zeit des Maxi- mums nicht sicher angegeben werden kann. In den Monaten Februar bis April ließ sich eine Minimumperiode nachweisen, ein gleiches Ver- halten wie im Vierwaldstättersee. Auch \\airde die Bildung von Ephip- pien beobachtet, im Gegensatz zu Burckhardt. Mitte April brachte das Netz zwei Ephippieu zutage. Die sommerliche Verticalverteilung stimmt ziemlich genau mit der im Vierwaldstättersee überein. Nur habe ich nicht eine so starke daphnidenleere Schicht beobachten können, wie sie in jenem See sich zeigte. Die jungen Exemplare von Daphnia hyalina fanden sich im Sommer tagsüber bei trübem Wetter in einer Tiefe von 5 m oder 2 m. Die Hauptmasse hielt sich in einer Schicht von 10 — 20 m auf; die untere Grenze ließ sich im Mai bei 40 m festlegen, im Juni und Juli wurden bei 50 m die letzten Exemplare gefangen. Diese Tiefengrenze steht im Einklang mit den Beobachtungen Burckhardts, und wir dürfen wohl auch für den Zugersee die untere Grenze im Winter auf 100 — 140 m veranschlagen. Leider kann ich diese Annahme noch nicht durch eigne Beobachtungen sicher stellen, jedenfalls beansprucht sie eine große Wahrscheinlichkeit. Der nächtliche Andrang ist ein bedeutender. Wir finden die Hauptmasse der Daphniden in der obersten 10 m-Schicht versammelt (Tab. vom 3. u. 4. Juni, S. 671), was gut übereinstimmt mit den Ver- hältnissen im Vierwaldstättersee. Woltereck unterscheidet drei Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 675 Phasen der Nachtwanderung : 1) Ein Aufwärtssteigen, sobald der die Bewegung >>horizontalisierende« Reiz des Lichtes aufhört. 2) Emp- fangen des Berührungsreizes an der Oberfläche, welcher die auf- wärtsschwimmenden Tiere zu horizontal oder abwärts gerichteter Be- wegung zwingt. 3) Tagsüber verhindert der Lichteinfall von oben ein Aufsteigen dadurch, daß die Schwimmbahnen, sobald die Tiere eine gewisse Dämmerungszone überschreiten, horizontal abgelenkt werden. Die Schicht liegt für unsern See im Sommer in einer Tiefe von 10 — 20 m. Hat Daphnia hyalina einen Berührungsreiz an der Oberfläche empfangen, so müssen wir annehmen, daß im See die Schwimmbahn weniger in der Horizontalen verläuft, vielmehr vorübergehend eine Ab- lenkung nach unten erfährt, um dann wieder aufwärts gerichtet zu werden. Im Zugersee, ebenso wie im Vierwaldstättersee, sind die so extrem ausgebildeten Formen, Daphnia cucuUata und Bosmina gihbera, mit denen Woltereck experimentierte, nicht vertreten. Für Bos- mina coregoni ist die Beeinflussung durch Berührungsreiz viel geringer anzuschlagen als wie für Daphnia hyalina, zeigt doch diese Form stärkeren Andrang an die Oberfläche als jene. Verminderung erfährt der nächtliche Andrang von Daphnia hyalina durch starken Seegang. Hier ist es der Reiz der »Erschütterung der Oberflächenschicht durch das zurückfallende Wasser der Wellenkämme <<, welcher die Ansammlung verhindert. »Schwächere Konzentration nach oben macht sich (nach Burckhardt) auch unter den winterlich- sten Bedingungen geltend«. Hier ist es wohl der Ausdruck der durch die ungünstigen Verhältnisse, niedrige Temperatur, geringe Nahrungs- zufuhr herabgesetzten Lebenstätigkeit dieser Organismen, weniger die »abschreckenden Temperaturverhältnisse der Oberfläche.« Wir könnten versucht sein, die winterHche Verteilung von Daphnia hyalina als eine von der niederen Temperatur bedingte anzusehen, in- sofern als das kalte Medium von etwa 4° die Intensität der Ruder- bewegung herabsetzt und die Tiere sich schon deshalb gleichmäßiger im See verteilen müßten. Dagegen spricht, daß im Winter noch aus- giebige Wanderungen stattfinden und die Verbreitung sich, soviel wir bisher wissen, nicht bis zum Grunde erstreckt, w'as aus diesem Satze folgen würde. Sicherlich ist es die durch die Convectionsströmungen bedingte Nahrungsverteilung, die den Cladoceren den Aufenthalt in den tiefen Schichten ermöglicht. Im Zugersee stehen hauptsächlich Cyclotellen als Nahrung zur Verfügung. Diese Kost wird im Herbst durch Chroo- Zeitschritt f. wissensch. Zoologie. CVIII. Bd. 44 S7ß Kurt Lautzsch, coccus, im Winter durch Ckromulina etwas variiert. Es dürften die Cladoceren bezüglich Nahrungsqualität - und -quantität an engere Grenzen gebunden sein als die Copepoden, die nichts zu verschmähen scheinen, was einen Nährwert besitzt. Dies geht aus der winterUchen Verteilung beider Formengruppen hervor, auch aus der S. 674 ange- führten Beobachtung Bukckhardts. EiNAR Naumann kommt in seinen Arbeiten über südschwedische Seen zu ähnlichen Resultaten. Nach den von ihm angestellten Darm- untersuchungen sind besonders Heterocope, Diaptomus ausgeprägte Diatomeenfresser; Cyclotella ist für Bosminen, Calaniden und Uolo- pedium von großer Bedeutung, von geringer für Hyalodaphnia und Diaphanosoma. Daß die angeführten Formen außer Cyclotella noch andre Kleinalgen konsumieren, ist wohl selbstverständhch, nur daß eben bei Darmuntersuchungen der Nachweis von Diatomeen am leich- testen gelingt. Für Wolterecks Auffassung der verschiedenen Körperfortsätze bei den pelagischen Cladoceren als Richtungsorgane spricht auch die Tatsache der nächtlichen Wanderung. Wären diese verschiedenartigen Körperfortsätze als Schweborgane aufzufassen, so ergibt sich eine (Schwierigkeit. Die Hauptmasse der Daphniden und Bosminen hält sich tagsüber in den Schichten von etwa 20 m auf. Die Temperaturen dieses Horizontes bewegen sich im Sommer in der Höhe von 5 — 7"^, während die Zone von 0 — 10 m Temperaturen von 13 — ^20° und darüber aufzuweisen hat. Das wandernde Zooplancton kommt beim Auf- und Niedersteigen in verschieden erwärmte Schichten, deren Tem- peratuidifferenz bis 14° und mehr beträgt. Es wären also diese Organe — als Schwebfortsätze aufgefaßt — nur für die oberen Schichten nutz- bringend, in der Tiefe erscheinen sie als nutzloser, überflüssiger Ballast. Der ökologische Wert der Richtungsorgane liegt nach W^oltereck vorzugsweise darin, daß sie den Cladoceren ermöglichen, durch vor- wiegend horizontale, bzw. flach geneigte Schwinunbahnen sich in ihrer (im Sommer) zonar begrenzten »Nahrungsschicht << zu halten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Verhältnisse in den relativ flachen baltischen Wasserbecken (etwa 40 m) anders liegen als in den tiefen Schweizer Seen. In diesen steht den pelagischen Cladoceren eine Schicht von mehr als 50 m zur Verfügung, die für diese Formen ausnutz- bar ist. Daraus würde folgen, daß wir in tiefen Seen, wie Vierwald- stättersee, Zugersee, Formen mit wenig extrem ausgebildeten Rich- tungsorganen finden werden, was auch zutrifft. Hier liegt keine Not- wendigkeit für derartig extreme Ausbildung der Richtungsorgano, wie Studieu üb. d. Naiinoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton, 677 sie Daphnia cucullata zeigt, vor, da in diesen Becken die Bahnen ohne Gefahr steiler ausfallen können. Dies ist auch verständlich aus dem Grunde, daß die Überwindung einer Höhendifferenz von 20 — 30 ni bei der Nachtwanderung in einer sehr flachen Bahn für eine Daphnide wohl sicher ein Ding der Unmöglichkeit ist. In flacheren Wasserbecken hingegen, wo die Beschränkung der Cladoceren auf die zonar begrenzte »Nahrmigsschicht << zur Notwendigkeit wird, erscheinen aus diesem Grunde Formen mit extrem ausgebildeten Helmen, Spina, Mucro usw. begreiflich. Endlich möchte ich bemerken, daß die Anwendung des Satzes von Merz und Behrens (Notiz : Int. Revue usw. Bd. III, S. 541) »Die planctonischen Crustaceen bevorzugen die Grenzen homogener Schich- ten« auf tiefe Seen unmöglich ist. Die Sprungschicht zeigt hier nicht den Einfluß, wie sie ihn in flachen Seen haben mag. In der einzigen angeführten Tabelle gehorchen nur die Nauplien dem angeführten Satze; das Maximum von Daphnia und Bosmina in 1,3 m Tiefe möchte ich als durch das Licht bedingt ansprechen. Eine kurze Bemerkung über die Nauplien sei angeschlossen. Ver- schiedene Erklärungsmöglichkeiten für das Verhalten der Nauplien liegen vor. Entweder veranlassen die in der Sprungschicht vermutlich ange- häuften Nahrungsstoffe, die durch die dort verstärkte Viscosität des Wassers festgehalten werden, die Nauplien zur Ansammlung, was Che- motaxis voraussetzen würde. Oder das Maximum ist durch den Tem- peraturwechsel hervorgerufen. Bei der Abwärtsbewegung gelangen die Nauplien plötzlich aus wärmeren Schichten in kühlere, deren Tem- peraturdifferenz für den Sacrower-See etwa 3° betrug. Als schlechte Schwimmer können sie infolge verstärkter Viscosität in diesem Niveau hängen bleiben; außerdem muß das kühlere Medium die Energie der Bewegung herabsetzen; dieser Faktor mag am meisten beitragen, ein Scheinmaximum vorzutäuschen. Dabei ist eine geringe negative Phototaxis, die auch wahrscheinlich ist, Voraussetzung. Bosmina coregoni. (Nach Burckhardt eine Lokalvarietät.) Die Netzzüge ließen eine Periode der maximalen Entwicklung, die im Anfang März 1912 einsetzte und im Juli ihr Ende erreichte, erkennen. Burckhardt konnte während dieser Zeit, in den Monaten März bis April eine Minimumperiode beobachten, welche sich in die Zeit der stärksten Entwicklung einschaltete. Im Zugersee war dieser Rückgang nicht ausgeprägt, er deutete sich nur durch eine Abnahme an. Der erste Anstieg von Bosmina fällt noch in die Maximumsperiode 41* 678 Kurt Lantzscli, von Chromulina ovalis; ist aber schwerlich damit in Verbindung zu bringen, denn Bosmina überdauert deren gewaltigen Sturz. Außer- dem spricht die verticale Verteilung dieser Cladocere stark dagegen. Die Hauptmasse (Tab. 30. Mai, S. 665) von Bosmina liegt wie im Vierwaldstättersee zwischen 20 und 30 m, in einer Zone, wo die Cyclo- tellen das Übergewicht haben. Die Tiefengrenze lag etwas unter 70 m. Im allgemeinen scheint sich Bosmina vor dem Lichte in größere Tiefen zurückzuziehen als Daphnia hyalina. Im Stufenfange von 10 m waren bei dunstigem oder trübem Wetter die ersten Exemplare anzutreffen. Der nächthche Andrang ist weniger intensiv als wie bei der Verwandten. Es zeigte sich die Hauptmasse nachts bei ungefähr 5 — 15 m, wie ein Blick auf die Tabelle S. 670 lehrt, deshalb möchte ich, wie schon kurz erwähnt, den Einfluß des Berührungsreizes bei den Bosminen ausschalten. Die Bedingungen für die Entwicklung von DapJmia und Bosmina scheinen ziemlich komplexer Natur zu sein. Jedenfalls kann ich mich nicht entschließen, sie allein vom Zentrifugenplancton abhängig zu machen. In der Wucherung von Chromulina ovalis oder der Cyclotellen, die doch die ausschlaggebenden Komponenten im Zugersee sind, habe ich nicht parallellaufende Züge feststellen können, die dazu berechtigen, die Entwicklung dieser Formen von der des Nannoplanctons allein abhängig zu machen. Die physikalischen Faktoren scheinen bedeu- tenden Einfluß zu besitzen. Die große Übereinstimmung in der Peri- odizität der Copepoden, Cladoceren und auch der Rotatorien im Vier- waldstättersee (BuRCKHARDT 1897/98) und Zugersee (1912) machen es plausibel, daß hier Verhältnisse vorliegen, die teilweise in der Eigen- art der Seen begründet sind. Der Character der beiden Seen, unter Ausschluß des Urner und Alpnacher Beckens des Vierwaldstättersees. weist verwandte Züge auf, ungefähr die gleiche Transparenz, die gleichen Erscheinungen, die die winterliche Abkühlung mit sich bringt; es erklärt sich die große Konvergenz im Auftreten. Wie weit dies auch für das Nannoplancton gilt, war nicht festzustellen. Diaphanosoma brachyurum. Auch hier kann ich auf die Übereinstimmung beider Seen bezüg- lich Temporal- und Verticalverteilung hinweisen. Zum ersten Male konnte Diaphanosoma brachyurum konstatiert werden am 24. Juli 1912. Sein Auftreten fällt 5 — 6 Tage nach dem ersten Erscheinen von Chro- mulina verrucosa. Das Wohngebiet beider ist ungefähr das gleiche, beide konnten nachgewiesen werden bis in eine Tiefe von 20 m ; die Maxima fallen nicht aufeinander. I Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 679 Das Maximum dieser Oladocere erleidet nur geringe Verschiebung gegen die Nacht. Es bewegte sich ungefähr um 5 m; am Tage war eine Bewegung von der Oberfläche weg zu konstatieren, so daß wir eine geringe negative Phototaxis annehmen müssen. Die Rotatorien. Genaue Angaben für saisoneile Entwicklung können nicht ge- macht werden. Es wurde wohl durch verticale Netzzüge die Zeiten der Maxima und Minima festzustellen versucht, doch fielen die Re- sultate für genaue Untersuchung, insbesondere für quantitativ ver- gleichende Studien viel zu unzulänglich aus, als daß hier die Rede über Höhe und Zeitangabe der Maxima sein könnte. Das Netz ist für quantitative Rotatorienbestimmung ein unzureichendes Hilfsmittel, da es beim Gebrauch allzustark von Zufälligkeiten abhängt und Wechsel unterworfen ist. Es ist schon genügend über Filtrationscoefficient, über Änderung desselben durch verschiedenartig zusammengesetztes Plancton, Zuggeschwindigkeit, Aufquellen der Faser usw. in der Lite- ratur bekannt, so daß jede Auseinandersetzung gespart werden kann. Nur in groben Zügen sollen hier Angaben über saisonnelle Ver- teilung Aufnahme finden. Die maximale Entwicklung von Anuraea cochlearis scheint in den Herbst zu fallen. Die höchsten Zahlen be- obachtete ich im Herbst 1911. Im Dezember setzte ein starkes Ab- sterben ein und die Zahlen bis zum Mai zeigen eine deutliche Minimum- periode. Der Fang vom 21. Mai wies ein gemeinsames Ansteigen von Polyarthra flatyjJtera, Anuraea cochlearis und Notholca longispina auf. Dies war die Zeit, da die sperrigen Diatomeen Asterionella, Fragillaria wucherten zugleich mit den Cyclotellen. Es liegt die Vermutung nahe, daraus eine Abhängigkeit von den Cyclotellen konstruieren zu wollen ; doch das Anschwellen wird nur als scheinbares zu betrachten sein, da der Filtrationscoefficient durch die wuchernden Diatomeen beein- flußt wurde. Die Vertical Verteilung der Rädertiere macht erstere Vermutung unwahrscheinlich. Gegen den Herbst hin, im September 1912, zeigte Anuraea cochlearis wieder höhere Zahlen. Diese Entwick- lung steht im allgemeinen in Übereinstimmung mit den Burckhardt- schen Resultaten. A splanchna priodonta . verlegte die maximale Entwicklung in die Monate Dezember bis April und steht damit in Einklang mit den Resultaten aus dem Vierwald- stättersee. Die Maximumperiode fällt temporal zusammen mit der stärksten Entwicklunji; von Chromulina ovalis. In den Sommermonaten. 680 Kurt Lantzsch, WO Chromulina stark zurückgegangen ist. zeigt Asplanchna die Mini- mumperiode. Mastigocerai capucina ist nach den Netzfängen ein Sommerorgani,-- mus; er konnte konstatiert werden in den Monaten Juli und August. Conochilus unicornis zeigte im September 1912 einen starken An- stieg gemeinsam mit Anuraea cocMearis ; vorher war der Nachweis nicht gelungen. Beide Formen diskutiert werden. sollen bei Verticalverteiluno noch weiter Verticalverteiluno der Rotatorien. DiEFFENBACHs Arbeit bringt die Beziehungen der Rotatorien zum Zentrifugenplancton, dessen wichtigste Komponenten in Tümpeln Flagellaten sind, klar zum Ausdruck. Die jährlichen Maxima- und Minimaperioden, die verticale Verteilung fallen miteinander zusammen. Wo sich ein Plus oder Minus der Flagellaten findet, zeigt sich die analoge Erscheinung in der Verticalverteilung der Rotatorien. Wie liegen die Verhältnisse bei klaren und tiefen Seen ? Betrachten wir zuerst die sommerliche Verteilung. Wir sehen Polyarthra platyptera (siehe auch folgende Tabelle 3. August 1912) angehäuft in einer Zone von 2 — 3 m. Die Schichten darüber und darunter enthalten weniger Exemplare. Die untere Grenze liegt für Polyarthra bei 30 — 35 m. Am 1 . Juli fand sich ein Exem- plar in 20 Liter bei 30 m. Triarthra longiseta zeigt gleiches Verhalten im Zugersee wie im 22. Mai 12. 20 Litei- Olli 3m 10 m Om 3 m 10 m 30 ccm ! 20 ?^ 20 9^ 30% Polyarthra pl. 4 237 82 6550 7650 7700 Cyclotellen Aniiropa cochl. 37 770 146 270 220 190 Synedra del. AsplancJina pr. 4 13 25 20 ö 60 Fragillaria crot. Anapus lest. 5 36 21 120 120 120 Asterionclla grac. Hudsonella p. 3 89 17 60 5 20 Chroococ. lim. r. c. Notltolca lonrj. 27 110 155 50 20 60 Gomphosph. lac. 220 160 170 Bimcclearia t. 30 30 80 Sphaerocyst. Sehr. 40 10 170 Chromidina oval. 20 70 190 Mallomonas 10 5 5 Clilamydomonad. 1 — 5 10 Cryptomonas ov. Die II 80 1255 446 | 7390 8200 | 8775 , % bei den Cyclotellen bedeuten die leeren Schalen. Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 681 26. Juni 12. Regen, Himmel trüb. 20 Liter 1 Om 2m 5 m 10 m 20 m Om 5 m 10 m 20 m 30 ccm Polyath. pl. 27 221 28 8 1 650 520 585 300 Cydotellen Triarthra l. — — — — 18 90 170 30 5 Synedra del. Anur. coehl. 7 45 47 26 2 — — 10 130 Asterion. gr. Notholca lg. 5 5 32 07 7 20 60 90 5 Chrooc. lim. Anapus lest. 3 19 57 32 2 20 5 30 80 30 5 60 60 10 30 30 10 Oomjih. lae. Sphaer. Sehr. Chromid. ov. Mallomonas 60 10 — — Cryptom. ov. ' 42 290 164 133 39 955 795 845 510 Fang aus 0 und 2 m 18. Juli — 19. Juli die übrigen. An beiden Tagen Keaen und trüb. 20 Liter 0 2 5 10 20 30 0 2 5 10 20 30 30 cm m m m m m m m m m m m 1 m Polyath. pl. 26 41 61 18 1 520 1160 1940 2100 105 75 Cyelotellen Triarthra — — — — 10 170 160 160 270 40 5 Synedra del. AsplaneJtna 17 1- __ _ 160 360 600 800 10 20 Chrooc. lim. Anur. cochl. 11 i 20 10 14 — — 10 30 20 120 5 vorh. Qomph. lae. Nothol. long. 2 1 — 8 1 2 50 65 110 200 40 10 Sphaer. Sehr. Floscul. mut. 6 7 4 — — — 5 — 5 5 5? Chrom, oval. Mastigoe eap. — 4 5 — 40 5 90 20 10 — Mallomonas Synchaet pect. 1 3 2 ~ i 170 40 I 20 — 10 5 Cryptomonas Helconiastix 47 83 83 40 1 13 1165 1780 2940 3515 225 120 Während der Filtration hing das Netz im Wasser. Vierwaldstättersee. Erst bei 20 m fand sich das Maximum. Dieses Rädertier ist an die tieferen Schichten gebunden. Anuraea cochlearis weist dasselbe Verhalten wie Polyarthra auf. Die Anhäufung zeigt sich in derselben Schicht. Auch die untere Grenze scheint in derselben Tiefe zu liegen. Anders hingegen verhält sich Notholca longispina. Das relative Ma- ximum fand sich stets bei 10 m. Das wahre scheint noch tiefer zu liegen. Der Fang vom 17. und 18. Juni z. B. ergab folgende Verteilung: 0 m : 1. — 5 m : 2-5. — 10 m : 60. — 20 m : 26. 30 m : 7. — 50 m : 5 in 20 Liter. Auch andere Fänge ergaben die stärkste Entwicklung in genannter Schicht. Die untere Grenze liegt bedeutend tiefer als wie bei Anuraea 682 Kurt Lantzsc'h, cochlearis. Lebende Exemplare habe ich noch bei 50 m gefangen. In einem konservierten Fange fand sich einmal eine Notholca longispina mit Ei bei 70 m ; doch schien dies ein versprengtes Exemplar zu sein. Wir dürfen daher die untere Grenze auf etwa 50 — 60 m ansetzen, im Gegensatz zu Burckhardt, der diese für den Vierwaldstättersee mit 30 m angibt. Für die übrigen Rotatorien können genaue Angaben nicht ge- macht werden. Eine kurze Rekapitulation zeigt das Maximum von Änuraea cocJil. und Polyartlira plat. bei 2 — 3 m (eventuell auch Hudsonella pygm.), Anapus testudo bei etwa 5 — 10 m, NotJiolca longispina bei etwa 10 m. Durchmustern wir die Tabellen vom 28. Mai und 2G. Juni 1912 und auch die folgende vom 3. August, so findet sich keine analoge Anhäufung von Zentrifugenplancton. Aber ebensowenig finden wir das Optimum einer Komponente des Nannoplanctons, aus dem viel- leicht die starke Zusammenscharung der Rotatorien sich rechtfertigen ließe. Dies steht im Gegensatz zu den Beobachtungen Dieffenbachs, welcher feststellen konnte, daß die pelagischen Rädertiere sich hin- sichtlich ihrer Verteilung genau so wie ihre Nahrungsorgani^men, das Zentrifugenplancton, verhalten, daß also ihre Verteilung von der des Zentrifugenplanctons bedingt erscheint. 3. Aufftist 12. 20 Liter Om Im 2m 5 m Om Im 2 m 5 m 1 10 com Folyathr. plat. 12 30 117 30 200 500 400 330 Cyclotellen Äsplanehn. pr. 5 1 — — 5 40 15 15 Synedra del. Synehaeta pect. 2 3 1 — 200 200 200 330 Chrooe. lim. Anuraea coehl. 1 11 23 6 10 20 30 25 Qomph. lac. Notholca long. — 1 2 3 5 5 — 100 Chrom, ovalis Mastigoc. cap. 2 2 14 9 280 100 100 100 » verrucosa Floesoma tr. — 7 8 — 140 20 j Cryptom. ovat. u. 5 1 var. curv. 30 — 5 ö Eelcomastix ov. 22 55 165 48 870 865 770 910 ohne Cyclo teilen 1 670 365 370 580 Wir finden an Zentrifugenplancton besonders die Flagellaten an der Oberfläche stark vertreten, die für die Rotatorien doch das gün- Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 683 stigste Nahrungsmaterial darstellen. Die Cyclotellen zeigen sich bei 1 m am dichtesten. Aber ganz unbekümmert darum sammeln sich die Rotatorien in ihrer optimalen Zone von 2 m an. Polyarthra platyptera, Anuraea cochlearis, Mastigocerca capucina und auch Ploesoma truncatum zeigen sich am dichtesten in der Zone, wo gerade am wenigsten Nanno- plancton vorhanden ist, besonders wenn wir die Cyclotellen ausschließen. Nur Asplanchna priodonta zeigt andres Verhalten, wenn man mit diesen kleinen Zahlen rechnen will. Sie weist auch in ihrem saisonellen Verhalten Besonderheiten auf, indem sie ihr Maximum mit dem von Chromulina ovaNs in die Wintermonate verlegt. Ahnliche Verhältnisse zeigte der 2 9.Aug ust 1912, neblig. 10 ccm Om 2 m 5 ni Om 2m 5 m 20 Liter Cyclotellen 350 470 300 250 400 90 Anuraea cochl. Ckrooeoc. lim. 130 100 150 17 3 8 ' Notholca longisp. Oomphosph. Inc. 30 50 50 41 37 18 Polyarthra plat. Chrom, ovalis 65 5 5 11 12 4 Mastigoc. capuc. » verruc. 40 5 30 4 4 3 Ploesoma trunc. Mallomonas 5 — 20 6 6 10 Anapus lest. Cryptonionas 40 — — 5 7 3 Floscularia mut. 7 4 1 1 Synchaeta pect. 660 610 555 341 473 137 1 Ziehen wir noch die herbstliche Verteilung zu Rate. 19. Okt. 11. Herbstnebel. 10 ccm 2 5 10 20 30 45 2 5 10 20 30 45 20 Liter m m m m m m m m m m m m Cyclotellen 2900 3400 2800 2060 2900 600 240 120 360 120 60 ? Anur. cochl. Chrooc. Ihn. 100 100 j 150 [ 580 150 50 — — 60 — — — Polyarth. pl. Oomphosph. 30 10 ! 10 70 5 — 40 50 10 — — — Anapus test. Chrom, ov. 30 90 140 100 30 30 Chlamydom. 20 20 20 20 ; 20 20 Eelcomastix 40 45 60 20 i 45 5 Binuclearia — — — 140 — — 3120 3665 3180 2990 3150 705 280 170 430 120 60 y 1 Im Herbste 1911 dominierte Anuraea cochlearis, die übrigen Rädertiere sind zumeist schon in ihrer Minimumperiode oder ihr nahe. 684 Kurt Lantzsch, 7 Nov. 11. sonnit!,-. 10 ccui 2 5 10 20 30 2 5 10 20 ^^ 20 Liter 1 m m m in m m 1 in m m m Cydotellen 1900 2500 2150 1350 540 200 200 140 160 — Änur. cochl. Clirooc. lim. 60 70 100 200 400 60 100 40 — — Polyarth. pI. Gomph. lac. 180 i 40 70 100 40 100 60 100 — — Atiapus fest. Chrom, ov. 200 i 150 150 5 5 Helcomastix j 20 20 140 20 10 ii Crijptom. ov. ' 30 — 80 — 10 1 Bimicl. tatr. — — — 150 — 1 Chlamydom. 10 70 100 — — 1 360 360 280 160 — Wir sehen die optimale Schicht tiefer liegen als im Sommer 1912. Mit der Abkühlung des Wassers steigert sich auch die Transparenz. Das Tiefersinken der maximalen Zone finden wir auch im Herbst 1912 angedeutet. Der Fang vom 16. und 17. September 1912 zeigt dies. An beiden Tagen herrschte gleiches Wetter. 16. u. 17. Sept. 12. weiße Wolken, fahle Sonne. Fang 0 — 5 m 16. Sept., 17. Sept. die übrigen. 10 com 0 5 10 20 30 0 2 5 10 20 30 20 Liter m m m m m m m m m m m Cydotellen 300 500 ' 230 210 35 42 65 271 55 8 1 Änur. cochl. Chrooeoccus 140 140 160 240 30 10 14 30 3 10 3 Nofholca lo. Gomphosph. 95 50 90 80 10 22 95 132 30 1 Polyarth. pl. Chrom, ov. 20 — ö 5 5 — — — — 2 2 Triarthra. l. » ve7-r. — — 60 — — 9 6 13 3 — — Synch. pect. Cryptomonas 20 — 20 — — 6 6 10 1 — — Floscul. mut. Helcomastix 30 — — — — 16 6 32 25 — 1 Conochil. un. Mallomoiias 25 20 10 5 10 20 50 101 7 1 — Anapus lest. 1 12 28 29 1 — — Ploesoma tr. 2 10 9 5 2 1 Mastig. cap. 630 710 575 540 90 139 280 527 130 24 8 Daraus drängt sich der Schluß auf, daß bei den Rotatorien in tiefen, klaren Seen die Einstellung in einen bestimmten Horizont, dessen Tiefenlage von der Lichtintensität abhängt und bei den ver- schiedenen Species specifischen Charakter trägt, die beherrschende und wichtigste Eigenschaft ist. In zweiter Linie wird die Verteilung der Rädertiere von der Schich- tung des Nahrungsmateriales bestimmt. Studien üb. d. Xannoplancton d. Zugersecs u. seine Beziehung z. Zooplancton. 685 Gleiche Beobachtungen über das Tieferlegen der optimalen Zone bei den Rotatorien gegen den Winter zu hat auch Burckhardt im Vierwaldstättersee gemacht. Nur legt Burckhardt das Verhalten von Asplanchna und Polyarthra verschieden aus. Er schreibt: » . . . doch ergeben alle Beobachtungen recht übereinstimmend, daß wenig- stens die oberen 5 Meter etwas ärmer an Polyarthren sind, als die Schicht unter 10 m Tiefe. Wir können daraus schließen, daß sich Polyarthra doch etwas vor den niederen winterlichen Oberflächen- temperaturen zurückzieht.« Von Asplanchia behauptet der Forscher, daß die täglichen Lichtschwankungen keinen merklichen Einfluß haben, wohl aber die saisonellen, im Wechsel der Wassertransparenz bedingten ! Das sind für das gleiche Verhalten, für das Tiefersinken der winterhchen maximalen Zone der Rotatorien, zwei Erklärungen. Im Verein mit eignen Beobachtungen möchte ich mich für die letztere entscheiden. Ist das Gesagte zutreffend, so muß die Schichtung bei Nacht aufgehoben werden und wir dürfen Anstreben gleichmäßiger Ver- teilung voraussagen. 4. Juli etwa 11— ^M Nachttang- N, 5. Juli etwa 11—12 Stunden später T. Das zugehörige Zentrifugenplancton S. 670. Om 2 lU ö m 10 m 20 m Summe N T N T N T N T N T N 1 T Triarthra l. 24 22 24 22 Polyarthra pl. 30 — 22 99 41 6 40 29 — 3 133 137 Anur. cochl. 15 — 18 68 31 7 35 25 1 2 100 102 Kotliolca l. 10 2 7 4 7 1 31 75 23 2 78 84 Anapus test. 14 1 6 5 28 1 11 38 1 — 60 45 Mastigoc. cap. 1 — 3 2 3 — 2 1 — — 9 3 1 70 3 56 178 110 15 119 168 49 29 404 393 Wir finden obiges bestätigt. Die maximale Anhäufung von Poly- arthra und Ätiuraea bei 2 m hat einer mehr gleichmäßigen Verteilung Platz gemacht. Nur Triarthra scheint unberührt gebUeben zu sein. Wollen wir diese Verschiebung als eine von der wechselnden Nahrungs- verteilung abhängige deuten, so käme als phototaktischer Flagellat nur Chromulina ovalis in Betracht. Doch dessen Verticalverteilung läßt sich mit der der Rotatorien nicht in Parallele setzen. Eine analoge Ansammlung bei 2 m habe ich bei den zahlreichen Fängen nicht be- obachten können. Der Fang vom 5. und 6. September 1912 (S. 687) zeigt vielleicht noch besser, daß wir eine Abhängigkeit von Chromulina 686 Kurt Lantzsch, ovalis nicht annelimen dürfen. Auch hier muß dem Lichte die Rolle eines die Verteilung regelnden Faktors zugeschrieben werden. Merk- würdig ist die Beobachtung Rüttners am Lunzersee >)daß Polyarthra und Notholca infolge ihres negativen Heliotropismus wohl tagsüber von der Oberfläche ferngehalten werden, ohne jedoch des Nachts wieder emporzusteigen.« Die Nachtfänge an der Oberfläche des Zugersees ergaben für die Rotatorien ein deutliches Plus gegenüber den Tag- fängen. Scharen sich die Rotatorien tagsüber in einem bestimmten Horizonte zusammen, so weichen sie in der Nacht auseinander, was eine Vermehrung an der Oberfläche nach sich ziehen nmß. Die Tabelle S. 687 zeigt starken Anstieg von Conochilus unicornis, eines Rädertieres, das sonst fehlte, und von Anuraea cochlearis. Im Anschluß an diese starke Entwicklung sei noch ein Vergleich zwischen Rotatorien und Zentrifugenplancton wiedergegeben (Tab. S. 687). Die Zahlen stellen Mittelwerte dar, die durch Addition gewonnen sind aus drei Stufenfängen von 0 m, 2 m, 5 m, der Schicht also, die für das Rotatorienleben am wichtigsten ist. Gewaltigen Anstieg zeigt Cono- chilus unicornis im Verein mit Anuraea cochlearis, während das Nanno- plancton nur geringen Schwankungen unterworfen ist. Aus den an- geführten Zahlen des Nannoplanctons oder irgendeiner seiner Kompo- nenten kann ich keine Ursache für diese Vermehrung des Rotatorien- planctons herauslesen. Gleiches gilt von den beiden angeführten Julifängen. Diese zeigen minimale Zahlen gegen die Ergebnisse vom August und September; das Nannoplancton schwankt nur in geringem Maße um einen gewissen Mittelwert. Wir kommen zu dem Satze, daß in tiefen, klaren Seen der die Verti- cal Verteilung regelnde Faktor das Licht ist und eine direkte, unmittel- bare Abhängigkeit vom Nannoplancton nicht wahrscheinlich ist. Es fanden sich Polyarthra pl. und Anuraea cochl. zwischen 2 — 3 m angehäuft, Notholca longispina wies ein Maximum bei 10 m auf, Triar- thra long, zeigte im Zugersee die charakteristische Verteilung. Die Schicht der stärksten Entwicklung lag bei 20 m. Es ist kein so überein- stimmendes Verhalten, wie es Dieffenbach in den Lauerschen Teichen finden konnte. Besteht eine Abhängigkeit der Rotatorien vom Nahrungsmaterial, so haben im Sommer die Cyclotellen die größte Wahrscheinlichkeit, als solches zu dienen, da sie quantitativ die andern Formen weit über- flügeln. Im Winter ist es hingegen Chromulina ovalis, die den Haus- halt des Sees beherrscht (siehe Tab. S. 644 u. 645). Trotz dieser neuen Nahrimgsquelle haben wir eine Minimumperiode der Rotatorien außer Studien üb. d. Nannoplancton d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplancton. 687 S iH 20 Liter Polyarthra plat. Anuraea cochlearis Notholca longispina Conochilus unieornis Floscularia mutabilis Synchaeta pectinata Anapus testudo Ploesoma truncatum § 1 1 o .»> 1 ogsg^^o. 1 CO tH t> (M ^|sg^-^ 1 CO CQ CO CO H o 1—1 CO CO S2; _„ >o .^ r- CM i a go^§co-io c^ O 00 kO O CO CO 1— 1 (M T-l tH '.If ■tU0S90]J r-l "SS 1 1 •fsdf sndnuy (M (M s§g-s •dvo -ßiisvj^ ■^ iC3 1-1 _, _+i n< CO CO ^ ^ ■pdd •ipiiflg C CO cot CO ^ 1-1 siuMOuin sniiipouoQ 652 200-300 55 ■ßuoj ■pyfo^ §5 5S s s ^ ^ 'jyooo -xnuy ^ g ?5 lo o S S ^ •> "* ■s-g 1 1 lO CO CO 2023 1400—1500 1880 197 328 ■s-s o S5 T-l CO 1840 1660-1800 2050 2350 1925 ■pßuwii/Q -n xijsvmoopjj o CO 1—1 O O O O lO CO CO -^ tH T-l smioiuojjvj\[ s 8 1 O O 1 o 1 CO CO 1 lO •a.md -a ii •ao •tuoidäj.Q ^ 1—1 o S o o o CO ^ CO -^ CO •Mdd -n ■ao -tUOM/Q o 8 1—1 CO o £ »o o 1-1 CO "^ CO 'Mpg -uamidg o T-l g o o o c o CO CO CO CD l>- •otri 'tidmoQ T-l 1-1 liS^s uni -joouyQ CO c^ o o c o o CO o CO c- i> C- »O -^ rH CO uaipppliQ Tri 7-1 CO g s S S S ^30. CO CO CO 1—1 0 < ai 2. Sept. 12 Nacht 5. Sept. 12 Tag 6. Sept. 12' 16. Sept. 12 5. Juli 12 18. Juli 12 K P^ N3 W :os a .G 0 0 rr 4) bn a a ■^" « OQ rt b(1 TS OJ d ö ._flj M 0 «1 g =^ i «J a 00 ö £, S !-l O a ^j o i 688 Kurt Lantzsch, Asplanchia. Der Kückgaug der Rädertiere müßte demgemäß auf die Verminderung der Cyclotellen oder auf die ungünstigen winterlichen Temperaturverliältnisse zurückgeführt werden. Die eignen Beobach- tungen lassen keine direkte Abhängigkeit der Rotatorien von den Cyclotellen erkennen. Die Existenz einer solchen ist immerhin frag- lich oder schwer nachweisbar. Die Rädertiere bewohnen im Zugersee eine Schicht von 0 — 50 m. Die Amplitude der Bewegung ist eine bedeutende. Zugleich kommt die Komplikation der Abhängigkeit vom Licht hinzu. Bei stärkster Zusammendrängung, die je beobachtet wurde, entfiel rechnerisch auf ein Rotator ein Raum von 22. Mai 1912 5. September 1912 nachts bei 3 m. 16 ccm 17 ccm Zpl. im gleichen Raum 3300 Individuen 1530 Individuen. Im allgemeinen schwankten die berechneten Räume zwischen 30 ccm bis 100 ccm, mit einem entsprechenden Mehrgehalt an Nanno- plancton. Selbst wenn wir einen gewissen Verlust an Polyarthren und Anuraeen in Anschlag bringen, fallen die Werte wesentlich anders aus als wie in Teichen. Aus den Angaben Dieffenbachs wurden folgende Werte berechnet: Auf 1 Rotator entfielen ccm (Tab. 10, S. 30). Schatten: 0 m : 11,5 ccm | ^/2va :7 ccm | Im: 13 ccm Zpl. : 4670 Indiv. 3250 Indiv. 9300 Indiv. Sonne: 0 m : 18 ccm | 1/2^31: 6 ccm [ Im: 20 ccm Zpl. 7500 6500 6900. Einem Rotatorindividuum steht im Zugersee im allgemeinen ein größerer Wohnraum zur Verfügung als wie in Teichen, von den beiden stärksten, oben angeführten Anhäufungen abgesehen. Dies kann da- mit zusammenhängen, daß die Cyclotellen eine nicht so günstige Nah- rung darstellen wie die Flagellaten in den Teichen. Wir dürfen Teich imd See nicht ohne weiteres vergleichen. Wenn wir das Zentrifugen- plancton, die Nahrungsquelle der Rotatorien auf seine Zusammen- setzung hin prüfen, so finden wir, daß im Zugersee von 21 Kompo- nenten sieben Flagellaten sind, wovon nur Chromulina und Mallo- monas Bedeutung haben. In den Lauerschen Teichen sind nach Dieffenbach hingegen von 20 Formen die Hälfte aktiv bewegliche Organismen, Flagellaten und Chlorophyceen. Auch tritt der saprophytische Charakter der Teich- formen in den Vordergrund, es dominieren Cryptomonas und deren biologische Verwandte, deren Bedeutung im klaren und reinen Zugersee Studien üb. d. ]Srauuoi)lanctoa d. Zugersees u. seine Beziehung z. Zooplaneton. 689 gänzlich zurücktritt; sie sind in ihrem Auftreten an gedüngtes Wasser gebunden. Dabei fielen in unserem See die Schwärmsporen fast ganz weg, Chlamydomonaden spielen eine untergeordnete Kolle. Im Zugersee scharen sich die Rotatorien in einem bestimmten Horizonte zusammen, dessen Tiefenlage von der Lichtintensität und von der Transparenz bedingt erscheint. Die Flagellaten zeigten gleich- falls phototaktische Bewegungen. Nur ließen sich im Zugersee die Orts Verschiebungen beider Gruppen nicht aufeinander zurückführen, die Amplituden der Wanderungen sind nicht die gleichen. In Tümpeln sind die Wohnverhältnisse enge und gedrängte. Der Kontakt zwischen den verschiedenen Formenkreisen ist ein inniger. Ist in den Seen genügend Bewegungsfreiheit vorhanden, so erscheint in den Klein- gewässern alles zusammengedrängt. Die Transparenz kann bei weitem nicht die Rolle spielen wie in tiefen Seen. Es steht nichts dagegen, wenn die Tiefenlage des Rotatorienmaximums mit der des Flagellaten- maximums zusammenfällt, infolge der beschränkten Ausdehnungs- möglichkeit. Beide Gruppen zeigen Phototaxis, beide stellen sich in eine gewisse Tiefe ein, die für beide in Teichen die gleiche ist. Für den Zugersee müssen wir dann annehmen, daß genügend Nahrung vor- handen ist, um eine Zusammenhäufung in einem bestimmten Niveau zu ermöglichen, was im Anblick obiger Zahlen wahrscheinlich ist. Selbst wenn wir einen gewissen Verlust an Rotatorien beim Fang usw. in Anschlag bringen, so fallen die berechneten Räume bedeutend größer aus als in Teichen, ein Verhalten, das sich auf die Zusammensetzung der Nahrung zurückführen läßt. Zusammenfassung. Das Nanno- oder Zentrifugenplancton des Zugersees zeigte im Sommer und Herbst eine charakteristische Schichtung. Die untere Grenze liegt in dieser Jahreszeit bei rund 80 m. Die Vertreter des Nannoplanctons, die in dieser Tiefe sich noch finden, wurden gestellt von den Schizophyceen [Chroococcus und Gomphosphaeria) und den Diatomeen (Cyclotellen). Die Flagellaten {Chromulina ovalis) scheinen auf die oberen 40 — 50 m beschränkt zu sein. Sie zeigen aktive photo- taktische Wanderungen. Gegen den Herbst hin prägen sich die opti- malen Zonen der Komponenten des Nannoplanctons immer deutlicher aus {Chroococcus, Gomphospaena, Binuclearia, Cyclotellen). Diese ist für jeden Vertreter specifisch und scheint bestimmt durch die jeweilige Transparenz und Lichtquantität. Die winterlichen Convections- strömungen heben diese Schichtung auf und es tritt im See eine Ver- 690 Kurt Lantzsch, teilung des Zentrifugenplanctons ein, die sich ohne ausgeprägtes Maxi- niiini von der Oberfläche bis zum Grunde erstreckt (0 — 200 m). Im Mai ist die sommerliche Tiefengrenze von rund 70 — 80 m wieder hergestellt. Unter Berücksichtigung der Angaben Burckhaedts können für das Zooplancton des Zugersees folgende Sätze aufgestellt werden. Die Verteilung der Copepoden, Cladoceren und Rotatorien ist an das Vor- handensein geformter Nahrung gebunden. Die Tiefengrenze der Cope- poden erfährt in ihrem saisoneilen Verlauf entsprechende Verlegung wie die der geformten Nahrung. Dieser 8atz schließt die Annahme des PiJTTERschen Ernährungsmodus aus. Der Lichtwechsel löst die täglichen Wanderungen der Copepoden, Cladoceren und Rotatorien aus, der Transparenz Wechsel entsprechende Verschiebung der Tiefenlage des Rotatorienmaximums. Die maximale Anhäufung der Rotatorien in bestimmtem Horizonte scheint durch die Lichtintensität und Transparenz bedingt und nicht von der Nahrung bestimmt zu sein, ist außerdem ein specifischer für die verschiedenen Vertreter der pelagischen Rädertiere. Leipzig, im Mai 1913. Literatur. A. Äppli, Beiträge ziir geol. Karte der Schweiz. Lief. XXXIV. 1894. C. Apstein, Vergleich der Planctonproduktion in verschiedenen holsteinischen Seen. Berichte der naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B. 1894. — Das Süßwasserplancton 1896. H. Bachmann, Die Planctonfänge mittels der Pumpe. Biol. Centralblatt. Bd. XX. 1900. — Beitrag zur Kenntnis der Schwebcflora der Schweizer Seen. Biol. Centralbl. Bd. 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Pringsheim, Kultiu-versuche mit chorophyllführenden IMikroorganismen. 3. Älitteilung. Zur Physiologie der Schizophyceen. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Erklärungen zu den Kugelkurven. Fig. 3. Kugelkurve der Cyclotellen, die mittlere Volksdichtc darstellend. Untere Kurve stellt den saisonellcn Verlauf der plasmaerfüUten Cyclo- tellen dar. Obere fast die plasmaerfüllten und leeren Cyclotellen der jeweils von lebenden Individuen erfüllten Räume zusammen. Es sind also die leeren absinkenden Schalen im Sommer, die sich unter der Zone von 60 bis 70 m befinden, nicht einbezogen. Die Zahlen geben die mittlere Größe aus sechs Fängen von 10 ccm (0 — 50 m) wieder. Zone 50 — 70 m konnte ver- nachlässigt werden. Die mittlere Wohndichte des Winters mußte auf die mitt- lere Wohndichte umgerechnet ^verden , um direkt vergleichbare Werte zu er- halten (siehe S. 043). Fig. 5. 1) Obere Kugelkurve: — Chromulini ovalis ; ....... 2Iall ^monis. Die Spaltung dieser Kugelkurve in den Winter monaten stellt das Aus- einanderfallen der mittleren Wohndichte und Volksdichte dar (S. 643). Der untere Kurventeil drückt die mittlere Zahlengröße aus sechs Fängen zu 10 ccm aus, bezogen auf den jeweils bewohnten Raum (Wohndichte). Er muß naturgemäß geringere Werte aufweisen als die Kugejkurve der mittliU'en Volksdichte, da wir hier die durch die Convcetionsströmungen auseinandergezo- gene Verteilung uns zusammengeschoben denken auf die kleineren sommerlichen Räume, um so direkt v^ergleichbare Zahlen mit denen des Sommers zu erhalten. 2) Kugelkurve von Chroveccus limutticus var. carneus. Für die Spaltung der Kurve gilt gleiches wie bei Chromulina. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoolagif. Bd. CVIII. Taf. l V't eb -■-'- -— -C /^ ZaK-tf^it pl>?j: is;;^'«*'" *'' "^«^«^-^^^T^;;^ J:tt /(«!t v.Jeiamts AmJiJmi /nisrhiifl l.iviss. /oologic. Bd. I'l'llf Tiif II. Verlag i'Ok H'iihrirn F.iifielnujnn in. Leipzig und Berlin. . LUhAmtr JokannesAnidi, Jena. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. CVIII. Taf. III. i4. Zaivarzin pinx. Zeitschrift f. tviss. Zoologie. Bd. CVIII. Taf. IV. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. CVIII. 1 ->^_ Taf. V. ^^ a'w — f-ii^^ C/7f Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. GVIII. Taf. Vf. A. Zawarzin pinx. /n/.sr/iri/f /:in.ss./,j,)fof/ir Hd.mil. Ihn II. Ziihi-Iiril'l l'inss. /.i,<>hqir HiIaVUI. T(i i:\iii. /rihrlin/} pri.sxZodloiiU' Bd.nW. \ ^m\ '.Ol ^^..^^ Taf.lX. Zrilsclmll f./i'i.ss.Zoo/oc/ü' BiLCVItt. Zeitschrift f. u-iss. Zoologiv. Bd (VI II. T /.^' .rf^r-T-,|i n '■ " •*'. V«.." V*-;