rr-^. """C'Tt^*' ^^^-y iv 'W^'*^' f '4r j - [<"■ ■ ^'<:. ZEITSCHRIFT FÜR WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE BEGRÜNDET VON CARL THEODOR V. SIEBOLI) UND ALBERT V.KÖLLIKER HERAUSGEGEBEN VON ERNST EHLERS PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU GÖTTINGEN HUNDERTSIEBZEHNTER BAND MIT 137 FIGUREN IM TEXT UND 19 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1918 Inhalt des hundertsiebzelinten Bandes Erstes Heft Ausgegeben den 8. Mai 1917 Seite Hans Blunck, Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 2. Teil. Die Metamorphose (Der Habitus der Larve). Mit 57 Figuren im Text 1 Karl W. Verhoeff, Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren und über die phylogenetische Bedeutung desselben, zu- gleich ein zusammenfassender kritischer Rückblick und neuer Beitrag. Mit 12 Figuren im Text und Tafel I und II 130 Zweites Heft Ausgegeben den 19. Juni 1917 Hans Blunck, Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. Zweiter und letzter Teil. Mit 3 Figuren im Text und 5 Kurven auf Ta- fel III- VI 205 E. Wasmann, S. J. , Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas (Col., Staphylinidae). (218. Beitrag zur Kenntnis der Myrmekophilen.) Mit Tafel VII— X 267 Drittes Heft Ausgegeben den 25. September 1917 E. Korscheit, Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, nebst Be- merkungen über ihre Beziehungen zur geschlechtlichen Fortpflanzung. Mit 25 Figuren im Text 361 Georg Jegen, CoUyriclum faba (Bremser) Kossack. Ein Parasit der Sing- vögel, sein Bau und seine Lebensgeechichte. Mit Tafel XI und XII 460 Jözef Nusbaum-Hilarowicz, Über das Verhalten des Chondrioms wäh- rend der Eibildung bei Dytiscus marginalis L. Mit Tafel XIII — XVI 554 i «o n (o IV Viertes Heft Ausgegeben den If;. Juli 1918 ' , Seite Henrik Strindberg, Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophageugattungen. Mit 35 Figuren im Text 591 F. K. Studnicka, Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. Eine Tlieorie der Plasmogenese H54 Lucie Jeziorski, Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius . (Nebst einigen Angaben über Wachstum und Wachstumskorrelationen.) Erster Teil. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). (Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Insektenkörpers.) Mit 5 Figuren im Text und Tafel XVII-XIX 727 Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L vom Ei bis zur Image. 2. Teil. Die Metamorphose (der Habitus der Larve). Von Hans Bluiick, Assistent an der Biologischen ßeichsanstalt für Land- und forstwirtsoliaft. Mit 57 Figuren im Text. Inhaltsverzeichnis. Seite A. Das Wesen der Insektenmetamorphose und die phylogenetische Bedeutung der Larve und Puppe von Dytiscus 2 B. Historisches 12 C. Die Gestalt der Larve von Dytiscus marginalis L 14 I. Die erwachsene Larve (drittes larvales Stadium) 14 a) Allgemeiner Habitus 14 ß) Der Kopf (caput) 19 1) Die Kopfkapsel 20 2) Die Augen 27 3) Der Augenfleck 28 4) Die Fühler (antennae ) 31 5) Die Mundteile 33 a) Die Oberlippe (labrum) 35 b) Die Oberkiefer (mandibulae) 39 c) Die Unterkiefer (maxillae I) 44 d) Die Unterlippe (labium) 47 e) Vergleich der Mundwerkzeuge bei Dytisciden, Carabiden und ihren Larven 48 f) Die Mundhöhle 58 y) Die Brust (thorax) 68 1) Die Vorderbrust (prothorax) 69 2) Die Mittelbrust (mesothorax) und die Hinter brüst (taetathorax) 72 3) Das Endoskelett des Thorax , 75 4) Die Beine 76 5) Bemerkungen zur vergleichenden Morphologie des Thorax der Dytisciden- und Carabidenlarven 81 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 1 2 Hans Blunck, .Seite d) Der Hinterleib (abdomen) , 86 1) Allgemeines . 86 2) Das 2. — 7. (1. — 6.) Abdoroinalsegment 87 3) Das 8. (7.) Abdominalsegment 94 4) Das 9. (8.) Abdominal segment 95 5) Das 10. (9.) Abdominalsegment 98 6) Die Cerci ^ 98 7) Bemerkungen zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Djtisciden- und Carabidenlarven 104 11. Die junge Larve (das 1. und 2. larvale Stadium) 107 «) Allgemeines 108 ß) 1. Stadium 109 y) 2. Stadium 116 Schluß bemerkung 122 Literaturverzeichnis 124 A. Das Wesen der Insektenmetamorphose und die phylogene- tische Bedeutung der Larve und Puppe von Dytiscus. Die Metamorphose bezeichnet die Summe aller vom Augenblick des Ausschlüpfens des Individuums aus dem Ei bis zum Eintritt des geschlechtsreifen Stadiums sich abspielenden Formwandlmigen, also den zwischen der Geburt und der letzten Häutmig des Tieres liegenden Lebensabschnitt und im weiteren Sinne alle in diesen Zeitraum fallen- den Lebensäußerungen. Die durch die Embryonalentwicklung ein- geleitete Formbildung des Organismus wird durch die Metamorphose zum Abschluß gebracht. Unter den zahlreichen Beispielen für Metamorphose im Tierreich nimmt die vollkommene Verwandlung der holometabolen Insekten unter anderen insofern eine Sonderstellung ein, als sie keine ursprüng- liche Erscheinung darstellt. Die vollkommene Metamorphose ist eine »im Reiche der Insekten erworbene Höhergestaltimg der individuellen Entwicklung« (Korschelt-Heider 1892 S. 858). Im Gegensatz zu den Larvenformen der Coelenteraten, Echinodermen, Mollusken, Crusta- ceen usw. lassen sich die Jugendstände der Holometabolen nur schwer zu Ahnenformen in Beziehungen setzen. Seit Fritz Müller den Satz aufstellte (Für Darwin, 1864, S. 80/81): »Es hat früher vollkojnmene Insekten als Raupen oder Puppen gegeben«, hat sich gegenüber der älteren Auffassung, die in der Raupe den Anneliden, in der Puppe den Kruster wiedererkennen wollte (vgl. Bukmeister, Handbuch der Ento- mologie, V. Bd., 1. Teil, 1832, S. 451—452), die Anschauung Bahn ge- brochen, daß die echten Larven und Puppen der Insekten für die Die Entwicklung des Dvtiscus niarginalis L. vom Ei bis zur linago. 3 Stamiuesgeschichte der Hexapoden von untergeordneter Bedeutung sind. Alle modernen Autoren (vgl. die Arbeiten von Miall 1895, S. 152—158, Boas 1899, S. 385—402, Lameere 1899, Schindler 1902, S. 341—356, Perez 1903, Heymons 1909, Deegener 1909, Börner 1909, 8. 290—311, PoYARKOFF 1910, S. 333—474, Deegener 1911, S. 495 — 505) sind sich darin einig, daß die Holometabola von Insekten mit unvollkommener Verwandlung abzuleiten sind. Aus dem uns lieute vorliegenden Material dürfte sich folgende Auffassung über die Phylo- genie der vollkommenen Insektenmetamorphose als genügend fimdiert entwickeln lassen: Die Jugendstadien der Urinsekten haben sich von den Imagines nur durch die Größe und durch den Mangel der Geschlechtsreife ausge- zeichnet. In dieser Beziehung weisen einige in anderer Hinsicht wahr- scheinlich ziemlich abgeleitete recente Apterygoten (C'ollemboien) die primitivsten Verhältnisse auf: sie sind ametabol. Die das Ei verlassen- den Tiere waren kleiner, aber iin übrigen den erwachsenen sehr ähnlich und strebten durch intensive Nahrungsaufnahme unter zahlreichen Häu- tungen dem imaginalen Zustand zu. Alle Häutungen waren Wachs- tumshäutungen (Perez 1910, S. 221 — 233). Das Schwergewicht hegt bei den präimaginalen Stadien auf der Erhaltung des Individuums, bei den Erwachsenen auf der Erhaltung der Art. In diesem Unterschied erblicken wir das treibende Agens, das zu dem morphologischen Gegensatz zwischen den Altersstadien geführt hat. Die Lösung differenter Aufgaben erfordert die iVnwendung diffe- renter Mittel. Bei den auf Wachstum sich einstellenden Jugendstadien führt die intensive Nahrungsaufnahme zur Ausgestaltung des Darm- traktus und der Organe zum Nahrungserwerb. Die Aufgabe der Imago begünstigte die Differenzierung aller Apparate zur Erhaltung und Verbreitung der Art, z. B. der Flugorgane und der sekundären Ge- schlechtscharaktere. Andererseits kamen diese Apparate bei den Jugendformen als für ihre Aufgaben überflüssig oder gar schädlich nicht zur Ausbildung, und manche primären Organe wurden aus den- selben Gründen in der Entwicklung temporär retardiert. Jugendstadien und erwachsene Individuen gingen also primär in ihren Lebensäuße- lungen, dann aber auch morphologisch verschiedene Wege. Sie diffe- renzierten sich zu »Larven« und »Imagines«. Mit den Häutungen verband sich ein Formwechsel. Der bei diesem Prozeß zu wahrende ontogenetische Connex zwi- schen Larve und Imago legte indessen der morphologischen Divergenz beider gewisse Beschränkungen auf. Die Larve mußte gewissermaßen 1* 4 Hans Blunck, bei jedem 8cliiitt die Imago als ihr Endziel »im, Auge behalten«, mußte ihr also im Laufe ihrer Ontogeuie fortschreitend ähnlicher werden. Bei allen hemimetabolen Insekten kommt dieses Gesetz unverkennbar zum Ausdruck. Rhynchoten und Orthopteren nähern sieh mit jeder Häutung mehr dem Bilde der Imago. Je länger das Individuum indessen den typisch larvalen Habitus beibehält, um so länger kann es auch den larvalen Aufgaben nach- kommen. 80 zeigt sich denn bereits bei den systematisch ziemlich tief stehenden Pseudoneuropteren das Bestreben, die Ausbildung der imaginalen Organe möglichst bis gegen den Schluß der Larvenperiode zu verschieben. Der Abstand zwischen dem letzten Larvenstadium und der Imago ist bei den Libellen viel größer als zwischen irgend zwei anderen, durch eine Häutung getrennten Entwicklungsstadien dieser Tiere. Etwas Aveiter gehen in der gleichen Kichtung bereits einige Rhyn- chotenfamilien, so die echten Blattläuse. Die Pemphigiden z. B. lassen als Jungläuse keine Spur der Flügelknospen erkennen, haben jederseits nur drei larvale Stemmata zur Ausbildung gebracht und dokumentieren sich somit als echte Larven. Der Typus der Junglaus bleibt auch nach der 1. Häutung noch ziemlich unverändert erhalten, und erst dem 3. und 4. larva,len Stadium liegt die Vorbereitung der imaginalen Charak- tere ob: der Thorax verbreitert sich, die Flügelknospen treten auf, und die Facetten der Fliege differenzieren sich. Die 4. Häutung liefert das flugfähige und geschlechtsreife Insekt. Noch deutlicher tritt das Bestreben, die Jugendstadien zu entlasten und den Vollzug der Umbildung zur Imago möglichst bis gegen den Schluß der Metamorphose zu verschieben, bei der den Aphiden nahe- stehenden Familie der Chermesiden und Phylloxeren hervor. Hier legt erst das letzte Larvenstadium die Flügelknospen und Facetten- augen an, hebt sich dadurch scharf aus der Reihe der Jugendstände heraus und führt den Namen Nymphe. Ganz ähnlich wie bei den Chermesiden und Phylloxeriden liegen die Verhältnisse bei den Thysanopteren. Der Habitus der Larven bleibt sich bei den Blaseufüßen auf allen Entwicklungsstufen im wesentUchen gleich, nur das letzte larvale Stadium zeigt sich mit der Vorbereitung der Imago betraut. Diese Nymphe der Thysanopteren dokumentiert sich besonders dadurch recht augenfällig als eine der Umgestaltung der Larve in das Geschlechtstier dienende Zwischenform, als sie zeitweilig ruht. Von der Nymphe der Thysanopteren bis zur Puppe der Holo- Die Entwicklung des Dytisciis luargiualis L. vom Ei bis zur Imago. 5 metabola ist, biologisch gesprochen, nur ein Schritt. Börner (1909, S. 298) erklärt sich sogar für eine vollständige Homologisierung der Thysanopteren- und Holometabolennymphe. In der Tat ist die Grenze zwischen der Nymphe der Blasenfüße und der Puppe primitiver Holo- metabola schwer zu ziehen. Die Thysanopterennymphe unterscheidet sich von einigen ebenfalls nur kurze Zeit ruhenden Neuropterenpuppen eigentlich nur dadurch, daß sie noch Nahrung aufnimmt. Bei den eigentlichen Holometabola ist die Nahrungsaufnahme während der Puppenperiode vollständig sistiert. Die Puppen sind somit ausgeprägte Zwischenstadien und bilden das Glied, welches die für einen einzigen Sprung zu große Distanz zwi- schen Larve und Imago überbrückt. Die Frage, ob die Puppe ein einziges präimaginales Larvenstadium vertritt, ob sie das imagini- forme Nymphenstadium und mehrere präimaginiforme zusammen- faßt, oder ob sie durch Umbildung aus bereits geschlechtsreifen iijiaginalen Vorstadien sich entwickelt hat, wie Boas und Heymons (1909, S. 137—188) annehmen, scheint mir von untergeordneter Be- deutuno; zu sein. Mit der Höherdifferenzierung der Insekten geht durchweg eine Reduktion in der Zahl der larvalen Häutungen parallel. Diese Reduktion ist vielleicht weniger auf die dadurch gemachte Sub- stanzersparnis (Deegener 1909, S. 19), die mir ziemlich gering zu sein scheint, zurückzuführen, als auf die mit jedem Häutungsprozeß und seinen Nachwehen (Hinfälligkeit der Larve!) verbundenen Gefahren für das Leben des Individuums. Jedenfalls weisen die Holometabola die niedrigsten Häutungszahlen auf, und es erscheint als ziemlich wahr- scheinlich, daß in der Puppe ebenso wie in jedem Larvenstadium der Insekten mit vollkommener Verwandlung mehrere ursprünglich durch Häutungen getrennte Perioden zusammengefaßt sind. Zu einer ganz abweichenden Auffassung von der Natur der Insekten- puppe kam in den letzten Jahren Poyarkoff (1910, S. 333 — 474), auf dessen bislang nur von Deegener diskutierte Auslassungen hier kurz eingegangen sei. Der russische Autor meint auf Grund seiner histogenetischen Studien über die Metamorphose des Chrysomeliden GaleruceUa luteola Müll., die unsere Kenntnisse an Tatsachenmaterial außerordentlich bereichern, die Natur der Pu^pe als selbständiges Stadium leugnen zu müssen. »La nymphe n'existe pas" pour ainsi dire<< (S. 470). Poyarkoff schließt aus dem Nachweis, daß die Puppe keine spezifische Hypodermis, keine ihr eigentümliche Muskeln, Tracheen, Speicheldrüsen und Vasa Malpighi hat, daß nymphale Organe nicht existieren. Die Organsysteme der Larve wandeln sich direkt in die der 6 Hans Blniick, Imago um. Die Puppe der Insekten hat nie eine freie Existenz geführt. Puppe und Imago gehören eng zusammen. »L'animal muerait pour se transformer non en nvmphe . . .. mais en imago« (S. 471). Die Häutung von der Puppe zur Imago ist wahrscheinlich eine Neuerwerbung — »une mue sur-ajoutee<< — . Ursprünglich ging aus dem heutigen pränym- phalen Stadium direkt die Imago hervor. Nicht nur die Puppe als morphologisch und physiologisch charakterisiertes Gebilde, sondern das nymphale Stadium als solches, die nymphale Zeitspanne ist einge- schoben, neuerworben, um dem Individuum Zeit zur Überbrückung der strukturellen Differenzen zwischen Larve und Imago zu geben. — So etwa dürften sich die von Poyarkopf in vorsichtiger Form ausgespro- chenen Gedanken präzisieren lassen. Dieser Bewertung der Puppe als unreifes Geschlechtstier oder als unreife Imago steht indessen das schwerwiegende Faktum entgegen, daß die Chrysalis von der Imago durch eine Häutung getrennt ist, und daß diese Häutung sich in nichts von den normalen Häutungen der Insekten unterscheidet. Wie jede typische Häutung ist der Über- gang von der Puppe zur Imago mit einer Neubildung der cuticularen Körperdecke, sowie mit einer Abstoßung der Intima des Vorder- und Enddarmes und der Tracheen verbunden. Das gleiche gilt für die Häutung, die von der Larve zur Nymphe führt. Das Puppenstadium wird somit von zwei typischen Häutungen eingeschlossen. Dadurch allein schon ist es als selbständiges Stadium charakterisiert und darf nicht in seinem Verhältnis zur Imago ebenso aufgefaßt werden, wie etwa die Semipupa der Ameisen zur eigentlichen Puppe steht. Diese ist eine jugendliche Puppe und wandelt sich nach Dewitz (1878) direkt, d. h. ohne Häutung in die eigentliche Puppe um. PoYARKOFF nimmt an, daß die imaginale Häutung erst sekundär erworben ist. Nun läßt sich die Einschaltung einer Häutung nicht von vornherein als unwahrscheinlich abweisen, da accessorische Häu- tungen bei den niederen Insekten beobachtet sind. Sie scheinen durch operative Eingriffe künstlich herbeigeführt werden zu können. Poyar- KOFP irrt aber wohl, wenn er aus dem Fehlen gewisser organologischer Umwandlungen bei dem Hautwechsel der Puppe zur Imago das Sekun- däre dieser Häutung folgern zu dürfen glaubt. Normale Häutungen pflegen sich im allgemeinen nicht von accessorischen zu unterscheiden. Tiefgreifende morphologische Umwandlungen sind durchaus nicht mit jeder typischen Häutung verbunden. Die Wachstumshäutungen der niederen Insekten beschränken sich teilweise fast ganz auf das Ab- werfen und die Neiibilduno der Cuticularorgane. Niemand wird diese Die Enlw'icklimg des Dytiscus margioalis L. vom Ei bis zur Imago. 7 Häutungen sekundär nennen wollen, weil mit ihnen keine Umwälzungen in der Muscularis und im Nervensystem verbunden sind. Wenn somit diese Wandlungen auch bei dem Übergang von der Puppe zur Image zurücktreten, so läßt sich darin kaum ein Beweis für das Sekundäre der imaginalen Häutung finden. Noch ein anderer Umstand spricht gegen die Auffassung des russi- schen Autors, nämlich das Auftreten sog. »nymphaler Organe«, d. h, solcher Bildungen, die die Puppe sowohl gegen die Larve, wie gegen die Imago auszeichnen. Die Puppe besitzt ein spezifisch differenziertes Hautkleid mit ihr eigentümlichen Haarbildungen, mit eigenen Häutungs- drüsen, zuweilen auch mit spezifischen Duftapparaten (Dytiscus) und besitzt nach Deegener (1911, S. 495 — 505) ein ihr eigentümliches Darmepithel. Poyarkofp sucht die in der Existenz dieser Organe gegen seine Auffassung sich erhebenden Einwände dadurcn abzu- schwächen, daß er sie als durch die neuerworbenen Häutungen bedingt hinstellt. Die sekundäre Häutung kann aber wohl kaum bedingen, daß, wie Deegener beobachtet hat, die Entwicklung nach der Aus- bildung des pupalen Darmepithels bei Gyhister eine Zeitlang ruht, daß der Puppendarm auf der erreichten Stufe eine Zeitlang beharrt und dann erst zur Ausbildung des imaginalen Darmes übergeht. Diese Ruheperiode macht es doch sehr wahrscheinlich, daß das pupale Epithel zu irgend einer Zeit einmarl funktioniert hat, daß also die Puppe aus fressenden, frei beweglichen ancestralen Stadien hervorgegangen ist. Selbst dann aber, wenn man Poyarkoff noch einen Schritt weiter entgegenkommt und die Existenz eines eigenen, ruhenden Puppen- darmepithels für noch nicht sichergestellt hält, so spricht noch ein anderer Umstand sehr gegen die Auffassung des russischen Autors, daß das Imagostadium sekundär durch eine accessorische Häutung in ein nymphales und ein imaginales Stadium aufgeteilt ist. Wir meinen die gestaltliche und physiologische Verschiedenheit der Insektenpuppen, die auf ihre Phylogenie einiges Licht wirft. Wir können die Puppen der Holometabola ungezwungen in eine Reihe ordnen, die zu den Nym- phen der Aphiden zurückführt. Diese Nymphe wird aber auch Poyar- koff kaum für sekundär erworben, sondern für durchaus ursprünglich ansehen, und darum ist nicht einzusehen, weshalb sich die Nymphen der höheren Insekten anders verhalten sollen. Wir bekennen uns, solange die Hypothese Poyarkoffs nicht durch ein größeres Tatsachenmaterial gestützt ist, zu der Auffassung, daß die Puppe der Holometabola zwar in den Eigenschaften, die sie zur Nymphe stempeln^ durchaus sekundär ist, daß sie 8 Hans Blunck. aber insofern phylogenetisch zu verstehen ist, als sie sich aus einem oder mehreren präimaginalen oder imaginiformen nichtruhenden Stadien entwickelt hat. Diese wurden zu- nächst infolge des Wechsels der Mundwerkzeuge unfähig zur Nahrungsaufnahme (vgl. die Puppen der Culiciden) und später durch die Metamorphose der Muskulatur mehr oder weniger unbeweglich (echte Puppen der Insekten). Ohne auf andere Eigenschaften der Puppe (Gestalt, Beschränkung der Lokomotionsfähigkeit) hier einzugehen, sei darauf hingewiesen, daß die Einlegung des Puppenstadiums der Larve und der Imago gestattete, nun viel ungehinderter ihre eigenen Wege zu gehen als vorher. Die beiden ontogenetischen Stadien wurden unabhängiger voneinander. Sowohl bei den Imagines wie bei den Larven stieg die Zahl der ohne Nachteile für das Individuum möglichen Variationen. In dieser Möglichkeit scheint mir eine der Hauptursaehen für den un- geheuren Formenreichtum der Holometabola gegenüber den Hemimetabola zu liegen. Wir zählen 10 — 20 mal mehr Insekten mit vollkommener als mit unvollkommener Verwandlung! Für die Larve wird das Auftreten eines Puppenstadiums in ver- schiedener Hinsicht fruchtbar. Sie erlaubt ihr eine rückhaltslosere An- passung an ihre Aufgabe möglichst intensiver Nahrungsaufnahme zur Aufstapelung von Bildungsmaterial für die Imago. Die Larve wird zu einem reinen >>Wachstumsstadium<<. Zunächst wird die Ausbildung aller spezifisch imaginaler Charaktere stärker retardiert als bei den Hemimetabolen. Ferner werden die für die Aufgabe der Jugendform überflüssigen und für subterrestrische und aquatile Larven sogar hinderlichen Flügel während des Larvenlebens äußerlich gar nicht mehr zur Ausbildung gebracht und mit gleichwertigen Organen nur in Form embryonaler Anlagen (»Imaginalscheiben«) verwahrt, um erst auf dem Puppenstadium sichtbar zu werden. Gleichzeitig werden andere ima- ginale Organe für die Zwecke der Larve umgeformt (vgl. das weiter unten über die Mandibel des Dytiscus Gesagte!). Bei weiterer Ent- fernung der larvalen von der imaginalen Lebensweise kommt es zur Ausbildung von spezifischen Larvenorganen, d. h. solcher Apparate, welche die Imago weder in dieser noch in anderer Form jemals besessen hat. Während des Puppenstadiums werden diese Neuerwerbungen wieder abgeworfen, während der larvalen Periode aber — und auch darin liegt ein bedeutsamer Unterschied gegenüber den Hemimeta- bolen — bleibt sich der Habitus der Jugendform im wesentlichen gleich. ])ie vollständige Umschnielzung des ganzen Baumaterials im Puppen- Die Entwicklung des Dytiscus maiginalis L. vom Ei bis zur Imago. 9 leben erlaubt dem liolometabülen Insekt diese denkbar intensivste Ausnut;5ung der Wachstunisperiode. Mit der Nymphose hört die Nahrunssauinalime auf. Das »Waclistumsstadium<< ist beendet. Die auf die Erhaltung der Art gerichtete Tätigkeit beginnt. Die Scheidung der beiden auf das Individuum und auf die Spezies abzielenden Perioden ist sogar zuweilen so scharf, daß die Imago ebensowenig zur Nahrungs- aufnahme wie die Larve zur Fortpflanzung imstande ist. In allen Fällen ist aber das Wachstum mit dem Abschluß der larvalen Periode beendet. Wie die Larve, so entfernt sich auch die Puppe im Laufe der fort- schreitenden Entwicklung von der Ahnenform. In diesem Sinne stellen die freibeweglichen Nymphen der Neuropteren, die Pupae liberae, obtectae und coarctatae eine phylogenetische Reihe dar. Die Inten- sität des Umschmelzungsprozesses steigert sich, die Lokomotionsfähig- keit wird vermindert und schließlich ganz eingestellt. Immer voll- kommener werden die larvalen Organe zu imaginalen umgegossen. Neuerwerbungen während des Puppenstadiums sind selten. Immerhin müssen o;ewisse Bildunoen, wie die Dornen auf dem Prothorax der Hydrophilus-Ija.vve, als nymphale Organe angesprochen werden. Wir sind auf die Phylogenie der Insektenmetamorphose hier ein- leitend deshalb etwas näher eingegangen, weil gerade die Dytisciden- larven verschiedentlich zu descendenztheoretischen Spekulationen heran- gezogen sind. Man glaubte, in ihnen den Campodea-CliSirSbkteT der hypothetischen Urform der Insekten im Sinne des biogenetischen Grund- gesetzes wiederholt zu sehen. Nun dürfte aus dem Gesagten indessen hervorgehen, daß uns das Studium der Jugendformen unserer Holo- metabolen nicht nur niemals retrospectiv über die Reihen der Insekten hinaus in der Geschichte des Organischen rückwärts führen kann, sondern daß die Larventypen auch zur Aufdeckung der verwandtschaft- lichen Beziehmigen der einzelnen Insektengruppen untereinander ver- hältnismäßig wenig beitragen können. Bei der fortschreitenden Ent- wicklung entfernten sich . nicht nur die Imagines, sondern auch die Larven von der Stammform. Bei der starken Anpassungsfähigkeit der Larven kann also der Fall eintreten, daß bei zwei von einer Urform ab- zuleitenden Spezies schließlich die Jugendformen mehr trennende Charaktere aufweisen, als die Imagines. Als Beispiel unter den Käfern seien die Genera Omophron (Fig. 1) und Halvplus (Fig. 2) ang-eführt. Sie vertreten zwei im System einander nahestehende Familien. Die Imagines besitzen auch unverkennbar verwandte Züge, die Larven (siehe Fig. 3 und 4) sind aber differenter als irgend zwei andere adephage Jugendformen. Es läßt sich von vornherein erwarten, daß die Differenz 10 Hans Bliinck, Fig. i. Omophron Hmbatus Fbr. Nach Reitter. Fig. 2. Haliplus fi'.h'KS. F Nach Beittek. von der Stammform um so bedeutender sein wird, je mehr die Larve in den Lebensgewohnheiten von dieser abweicht. Wenn anderer- —^^ seits zwei Insektenlarven einen ähnlichen Habitus besitzen, so wird man daraus nur sehr vorsichtig ^ auf verwandtschaftliche Bezie- jHÜk \ 'Hfm Y hungen schließen. Man wird nie vergessen dürfen, daß bei der großen Anpassungsfähigkeit der Insektenlarven leicht durch Kon- vergenz ähnliche Jugendformen geschaffen werden können. Wir brauchen nur an die raupenähn- liche Gestalt mancher Blattwes- pen zu erinnern, oder an extremi- tätenlose Maden der Coleopteren, die niemand bestimmen werden, die Hymenopteren von den Lepidopteren und die (/oleopteren von den Hymen- opteren abzuleiten. Es soll hier nrui ganz dahin- gestellt bleiben, ob man wirklich die Insekten von campodeoiden Urformen ab- zuleiten hat oder ob man sich den Auffassungen Hand- LiRSCHs (1904) und anderer (vgl. Börner) anschheßen muß — ■ der campodeoide C'harakter der Dytiscus-hsiTve ist so oberflächlicher Natur, daß man es hier sicherlich mit sekundären Neuerwer- bungen zu tun hat. Aufgabe des morphologischen Ab- schnitts der vorliegenden Untersuchung ist es, dafür im einzelnen den Beweis zu erbringen. Hier sei nur kurz eine Überlegung angestellt, die unseres Er- achtens allein genügt, die Auf fassung von der Primitivität des Baues dieser Larve zu erschüttern. Fig. 4. Larve v. Haliplus fulvus V. Nach Reitter. Fig. 3. Jyarve von Omophron limba- (us Fbr. Nach JvEITTEK. Die Entwicklung des Dytiscus maiginalis L. vom Ei bis zur Iniago. 11 Wenn wirklich die Stanirnesgeschichte der Larven in ihrem Bau zum Ausdruck kommt, dann müssen die Dytiscidenlarven in erster Linie den C'arabiden als ihren nächsten Verwandten und Vorfahren gleichen {v. 1. Teil, Histo- risches, 1913, eingegangen. Die Entwicklung des Dytisciis niarginalis L. vom Ei bis zur Imago. 13 Eigentümlichkeiten der Gelbrandlarve. Seine Abbildungen (1864 Tai. III Fig. 6 — -14) genügen allen modernen Anforderungen in syste- matischer Richtung, und es ist nur zu bedauern, daß sie in den Arbeiten neuerer Autoren durch ungleichwertige Zeichnungen ersetzt werden. Meinert (1879 — 1880 und 1883) machte sich das Studium der larvalen Mundwerkzeuge zur speziellen Aufgabe. Seine Darstellung der Nahrungs- aufnahme wird durch Buegess (1881) glückhch ergänzt und durch gute Abbildungen anschaulicher gestaltet. 1901 vermittelte Meinert in seiner Monographie der »Vandkalvelaverne<<, die unter den systema- tischen Arbeiten über Insektenlarven trotz einiger Ungenauigkeiten mit an erster Stelle steht, die Kenntnis der Jugendstadien einiger seltener Spezies von Dytiscus {circumflexus Fabr., circumcinctus Ahr. und dimi- diatus Bergstr.). die sich von der bis dahin allein bekannten marginalis- Larve zum Teil nur schwierig unterscheiden lassen. Die von Meinert als latissnrius L. beschriebene Larve wurde später als die Jugendform von semisulcatus Müller ( = punctulatus Fabr.) erkannt. Die Jugend- stände unseres größten Dytisciden sind noch immer nicht aufgefunden, während die Larve der zweiten deutschen noch ausstehenden Form, Dytiscus lapponicus Gyllh. wiederholt gefangen (vgl. Balfour-Browne 1911 imd 1913) aber bislang nicht näher charakterisiert ist. Ganz kürzlich (1913) machte uns Balfour-Browne mit der vollständigen Entwicklungsgeschichte dieser in Deutschland sehr seltenen Form bekannt. Leider sind der Arbeit keine Abbildungen beigegeben. Wesenberg-Lund widmet in seinen »Biologischen Studien über Dytis- ciden << (1912) auch dem Gelbrand seine Aufmerksamkeit und teilt einen reichen Schatz an eigenen Beobachtungen über die Metamorphose dieser und der vei' wandten Formen mit. Umfassendere Arbeiten über die Entwicklung von Dytiscus hegen bislang nicht vor — die kleinen, z. T. recht gediegenen Gelegenheits- aufsätze von Herrmann (1902), Bade (1900 u. 1902), Ulmer (1903), Haupt (1905), Burgess-Sopp (1905), Reuss (1906) und anderer Autoren werden weiter unten im Text ihre Berücksichtigung finden — dagegen haben einzelne Kapitel aus der Larvenphysiologie und aus der Anatomie in den letzten Jahren ausgedehnte Arbeiten aussjelöst. Rungius studierte Morphologie und Histologie des Darmtractus (1910 u. 1911), Alt (1912) das Respirationssystem und Günther (1912) die Sehorgane. Die drei genannten Arbeiten wurden auf Anregung von Professor Korschelt im zoologischen Institut in Marburg angefertigt und stellen anatomische Fragen in den Vordergrund. Die französischen Arbeiten von Portier und Brocher zielen auf physiologische Probleme ab. 14 Hans Blunck, Portier (1911 und 1912) naliin Nagels (1894) Experimente über die Physiologie des Verdauimgsapparates wieder auf und bearbeitete gleichzeitig sehr eingehend den Atmungsprozeß. Brocher (1910) be- handelte die Beziehungen der capillaren Erscheinungen zum Tierleben des Süßwassers und widmete dabei auch den Dytiscidenlarven ein Kapitel. Unter den morphologisch-anatomischen Hauptaufgaben fehlt uns bislang noch eine Bearbeitung des Skeletts, der Muskulatur, des Nervensystems, des Blutgefäßsystems, der Leibeshöhle einschließlich Corpus adiposum und verwandter Gewebe. Auch die Organe der niederen Sinne harren noch des Studiums. Unsere, vornehmlich bio- logische Ziele verfolgende Arbeit streift diese Aufgaben nur gelegent- lich; sie sind uns Mittel zum Zweck. Dagegen soll die Gestalt der Larve als zum Verständnis der Lebensgewohnheiten des Tieres uner- läßlich hier eine eingehende Darstellung erfahren. C. Die Gestalt der Larve von Dytiscus niarginalis L. Der allgemeine Habitus einer Dvtiscuslarve bleibt sich während der ganzen Dauer der larvalen Periode im wesentlichen gleich (vgl. Fig. 57a, b, c). Im einzelnen erfährt das Tier während des Larven- lebens indessen allerlei Umformungen derart, daß man die drei durch Häutungen voneinander abgegrenzten Larvenstadien nicht nur nach den Dimensionen des Körpers, sondern auch nach baulichen Eigentüm- lichkeiten charakterisieren kann. Da die für die Kennzeichnung der iVrten wichtigen Charaktere fast ausnahmslos erst ziemlich spät in der Metamorphose auftreten, da ferner manche Eigenarten im Habitus sich an der erwachsenen Larve anschaulicher demonstrieren lassen, als bei den jungen Tieren, ist der nachstehenden Darstellung das dritte larvale Stadium zugrunde gelegt worden. Die Kennzeichen der jüngeren For- men finden im Anschluß daran ihre Behandlung. I. Die erwachsene Larve (drittes larvales Stadium). «. Allgemeiner Habitus. Die erwachsene Larve besitzt die für die Dytisciden charakte- ristische langgestreckte Spindelform (Fig. 6 — 9 und 57c). Der spatei- förmige Kopf ist durch eine halsförmige Einschnürung gegen den Thorax abgesetzt. Dieser geht unmerklich in das Abdomen über. Die Larve erreicht die stattliche Länge von 5 — 6 cm und über- trifft somit beträchthch die Imago (3,4 cm). 53—55 mm, gemessen vom vorderen Stirnrand bis zum After, dürfte die Durchschnittslänge normal genährter verpuppungsreifer Lidividuen sein (vgl. Fig. 57 c, die Die Entwicklung des Dytiscus marginalis Ij. vom Ei bis zur Imago. 15 eine erwachsene Larve in Atemstellnng Mäedergibt). dieses Maß auf 47 mm hinuntergehen oder auf 60 mm steigen. Bei einem konservierten Exemplar mit stark gespannten Gelenkhäuten wurde die Cresamtlänge auf 65 mm festgestellt. Herrmann (1902 S. 12) berichtet von 10 cm haltenden Larven, doch düifte es sich dabei meines Erachtens um tote Individuen mit unnatür- lich stark ausgespannten Gelenkhäuten handeln. Bei einer Durchschnitts- larve kommen auf den Kopf 7,2 (7,6)1, auf den Prothorax 6,8-7 (7,6) mm, auf den Meso- und Meta- thorax zusammengenom- men genähert ebensoviel 'SL (8,7 mm) und auf das Ab- domen 34 (43,6) mm. Die größte Leibes- breite (vgl. Fig. 6, 7, 9) fällt in das zweite bis vierte Abdominalsesment 8elten sah ich 1 Die in Klammern ge setzten Zahlen bezeichnen hier und weiter unten die von ScHiöDTE (1840, S. 304 —308) mitgeteilten Werte. ZoU und Linien wurden zur Erleichterung des Vergleichs in IVIillimeter umgerechnet. ScHiöDTEs Zahlen sind mei- nen mit Meinerts (1901) übereinstimmenden Angaben nach etwas zu hoch gegriffen. 'CjS. >ib. \abd y Fig. 6. Aufsichtsbild einer erwachsenen Larve von Dytiscus margina- lis L. zur Illustrierung der Körperzeiclmuiig. cp, Kopf (Caput); th, Brust (thorax); ahd, Hinterleib (abdomen): st, Stigma; cc, Cerci. Vergr. 3nial. 16 prth. mtth Suh ^_ Anf8icl.t8bild eiaer erwachsenen Larve von B^c^. n>amnaUs L. prtn 17«thorax ; ^.tÄ Mesot^ nUlh, Metathorax; 2. (1.) bis 9. (8 ), 2. bis 0. abdon.n.alcs Segment; a + pt, f^-^« +/Xj, 'g^^j. Mesötergif. mit. Metetergit; i, IntersegmentaU.aut; svt, Sutura nietopica; cc, Cerc.. vergr. ^m Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 17 und ist auf 8 — 9 (9,8) mm (Imago: 15 — 18 mm) anzuge- ben. Von hier aus verjüngt sich der Körper in beiden Richtungen, stärker nach hin- ten zu, so daß die Leibes- spitze nur gut 1 1/2 mm (2,2 mm) hält, schwächer nach vorn bis zum Vorderrand des Prothorax, der 4 (mehr als 4.4) mm breit ist. Der nach beiden Seiten breit ausladende Kopf mißt über den Augen als seiner breitesten Stelle 7 (8,ß) mm. Die größte Höhe des Tieres fällt mit der breitesten Partie des Hinterleibes zu- sammen (vgl. Fig. 8), nicht in den Thorax, wie bei Schiödte zu lesen ist. Sie beträgt bei gut genährten Tieren 6 mm. Von der Mitte des Leibes ab fällt die Körperhöhe in bei- den Richtungen gleichmäßig. Nach Messungen an einer größeren Individuenzahl hält die Leibesspitze im Mittel 1,6 (mehr als 1,6) mm, der Pro- thorax an der Basis 5,2 (etwa 6.5) mm, an der Spitze 4 (3,3) mm,derHals3,8 (2,9) mm, das Hinterhaupt 3,1 (2,7) mm. Vorne läuft der Kopf schaufei- förmig aus und endet in einer scharfen Kante (Fig. 8 u. 9). Über Färbung und Fig. 8. Erwachsene Larve von Dytiscus marginalis L., von der Seite gesehen, pt, Protergit: Acro + Prosternit; m, Mesosternit; mt, Metasternit; v, morphologisch nicht sicher gestellte m^st, Stigma des Mesothorax; mtst, Stigma des Metathorax; S.stg, achtes abdominales Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 7. Vergr. 3nial. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 2 a + p, Region; Stigma. 18 Hans Eliinck, Fig. i». Erwachsene l>arve von D/jiisciis mari/inalis L., von unten geöelieu. a, Acrosternit ; 7. st., siubeiitcs abdominales Stigma; die übrigen Bczeiclmungwi wie in l'ig. 7 und 8. Vergr. ymal. Zeichnung der Larven sei folgendes bemerkt. Alle häutigen Teile erscheinen weiß mit schwach gelbli- chem Ton, die Gelenkhäute z. T. reinweiß, zwischen den Rückenschildern leicht gebräunt; die Unterseite des Kopfes und des letzten Segments, Fühler, Maxil- len, Unterlippe, Acroster- nit des Prothorax, Beine und Cerci gelbbraun, an der Spitze alleGheder etwas dunkler, besonders die di- stalen ; die Krallen und die Mandibeln dunkelbraun mit rötlichem Ton, letz- tere besonders an der Spitze; ein Fleck zwischen den Trochantini und Epi- meren, ein weiterer außen an der Basis der Coxae, sowie der Hof der ersten 8 Stigmenpaare fast schwarz ; Augen schwarz. Die Ober- seite des Körpers trägt auf dunklerem oder helle- rem glänzend - kaffeebrau- nen Grund eine den gan- zen Leib entlangziehende breite, gelbbraune Mittel- linie, die von dunkelka- stanienbraunen Bändern eingefaßt wird, und durch Verschmälerung an den Segmentgrenzen gegliedert erscheint (s. Fig. 6). Diese Bänder, die auf der Stirn und im 8. Segment schwin- Die Eiitmcklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur luiago. 19 den, sind gegen den hellen Mittelstreif scharf abgesetzt und verlieren sich nach den Seiten zu allmählich. Die sechs letzten Leibesringe weisen zuweilen in der hellen Mittellinie und den benachbarten Partien ganz unregelmäßige und auffallende, rostrote Flecke auf, die möglicherweise pathologischer Art sind. Die Mitte der Präfrons, deutlicher das Hinter- haupt und die Schläfen, sind mit zahlreichen kleinen, in Form und Zahl nicht genau begrenzten gelbbraunen Tropfmakeln bedeckt (vgl, Fig. 6). ÄhnUche Flecke, aber weniger zahlreich, bedeutend größer und ziemlich unregelmäßig gestaltet, finden sich auf den Seiten aller folgenden Segmente, vorn zahlreicher als hinten. Jeder Fleck ist weitei: durch die strahlige Struktur des von ihm bedeckten Chitinfeldes charak- terisiert. Im allgemeinen sollen bei den Käfern dunkle Flecke auf hellem Grund stark chitinisiert sein und den Ansatzstellen von Mus- keln entsprechen. Im vorliegenden Fall scheint sich diese Regel nicht zu bestätigen. Für die ausdrucksvolle Zeichnung der Dytiscus-ljSiiYe, die sich vorteilhaft abhebt von der einförmigen Färbung des Gros der Käferlarven, fehlt vorläufig die Erklärung. Trotz der geringen Sonderung zwischen Brust und Hinterleib halten wir bei der Betrachtungsweise aus Gründen der Zweckmäßigkeit an der üblichen Einteilung nach Kopf (caput), Brust (thorax) und Hinterleib (abdomen) fest. ß. Der Kopf (caput). (Fig. 10—34.) ' Der vorgestreckt getragene Kopf der Larve zeichnet sich durch ansehnliche Größe aus. Er ist dorso-ventral stark abgeplattet, hinten höher als vorn, läuft im Stirnrand (Fig. 10, 11 und 12) in eine scharfe Kante aus, ist etwas breiter als der Prothorax und kann im ganzen als spateiförmig bezeichnet werden. Die Seitenkanten sind fast parallel (siehe Fig. 10 und 11) und konvergieren bis zu den breit abgerundeten Schläfen wenig. Hinter diesen ist der Kopf durch eine Cervicalfurche z (Fig. 10, 11, 12) zur Bildung eines Halsabschnittes eingeschnürt, der etwa dem Spatelstiel zu vergleichen wäre. Nach unserer heutigen Auffassung baut sich der Insektenkopf aus 6 bzw. 7 Segmenten und ihren Anhängen auf, je nachdem, ob ein be- sonderes Maxillularsegment vorhanden ist oder nicht. Es wäre natürlich wünschenswert, auch den Kopf der Dytiscus -Laive hier in diese Seg- mente aufzulösen und sie dann im, einzelnen zu studieren. Wenn dieser Weg indessen schon bei der Imago auf Schwierigkeiten stößt, weil die 9* 20 Hans Blunck, Segmentgrenzen durch sekundäre Umlagerungen und Verschmelzungen sich verwischen, so ist er bei der Larve noch viel gewagter, weil bei ihr, wie wir sehen werden, die Verhältnisse noch viel kompüzierter liegen, als beim Käfer. Wir werden daher zwar versuchen, die Skeletteile des Larvenkopfes mit denen der Imago zu homologisieren, und werden gelegenthch die hypothetische segmentale Zugehörigkeit streifen, wollen aber nicht ihren morphologischen Wert unserer Beschreibung zugrunde legen, sondern bei der Disposition der faktischen Lagebeziehung der cephalen Skelettelemente folgen. Wir gehen davon aus, daß ein Teil dieser Elemente zur Bildung einer Kapsel, dem Cranium, zusammenge- schlossen ist und daß die übrigen als Anhänge an diese Kapsel fungieren. Wir studieren also zuerst von hinten nach vorn fortschreitend die Schädel- kapsel einschließhch ihrer Sinnesorgane, dann die Fühler und schheßhch die Mundteile. Die wenigen endoskelettalen Bildungen kommen bei den Teilen des Exoskeletts zur Erwähnung, denen sie aufsitzen. 1. Die Kopfkapsel. Der Hals (s. Fig. G — 12) bildet ein kurzes, nach hinten zu etwas verengtes, zylindrisches, stark chitinisiertes Eohr, das in seinem ven- tralen Teil etwas nach vorn gezogen erscheint. Hier ist der Chitinring wegen einer dazwischenliegenden tiefen, runden und weichhäutigen Grube nicht ganz geschlossen (s. Fig. 11). Der Hinterrand des Halses ist scharf abgesetzt und springt dorsal wenig, ventral stark nach vorn ein. In dem hier gebildeten Winkel liegen zwei kleine, kurze, nach hinten etwas divergierende Chitinstäbchen, die Jugulae oder Kehlstäbchen. Die ganze Halspartie kann in den Prothorax versenkt werden und bildet physiologisch einen wichtigen Bestandteil des Kopf mid Thorax ver- bindenden Gelenks. Morphologisch ist die eigentümhche mid auf die Dytisciden-, Staphyliniden- und einige andere Coleopterenlarven be- schränkte Bildung nach Berlese (1909 S. 100 — 101) als das 5. und 6. Kopfsegment aufzufassen, und auch Everts (1905 Suppl., S. 112) möchte sie zu der von ihr abgetrennten und nach vorn geschobenen Unterhppe rechnen. Das eigentliche Halsrohr wäre als das 5., sein schmal abgesetzter Hinterrand als sechstes, das Foramen occipitale be- grenzende Segment aufzufassen. Rechnet man wie Börner(1914,S. 691) bei den Hexapoden mit 7 Kopfsegmenten, so würde man im Larvenhals anstatt des 5. und 6. folgerichtig das 6. und 7. Segment zu suchen haben. Jedenfalls ist der Hals der Dytiscus-haTve unbedingt dem Kopf und nicht dem Thorax zuzurechnen. Ein »Mikrothorax << im Sinne von Verhoeff, d. h. ein zwischen Praethorax und Kopf sich einschiebendes Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 21 praethoracales Segment ist bei Dytiscus weder im imaginalen noch im Jugendzustand vorhanden. Man könnte versucht sein, die beiden Kopf einer erwachsenen Larve von Dytiscus marginalis 1., von oben gesehen, h, Hals; z, Cervi- kalfurche; t, Schläfe (tenipus); v, Scheitel (vertex); sm, Sutura metopica; Psf, Postfrons; prf, Praefrons; s.prfa, Sutura praefronteantennalis; A, Augenfeld; ia, Augenfleck; a, Stimecken; F, Fühler (antenna); Md, Oberkiefer (niandibula) ; 3/a-j, erste Maxillen (Unterkiefer); li, Taster der Unterlippe (palpi labialis); ih, ruderförmige Stirnrandhaare. Vergr. 12mal. Jugularstückchen als die Eudimente eines Mikrothorax zu deuten, nach Berlese (1909 S. 169ff.) lassen sich die »pezzi jugulari« aber, wenn sie überhaupt auftreten, stets als Apophysen des Prothorax oder des Kopfes, 22 Hans Blunck, niemals als selbständige Segmente deuten. Die Theorie des Mikro- thorax sclieint dadurch überhaupt stark an Wahrscheinhchkeit zu ver- lieren. An den Hals schließt sich nach vorn zu die eigentliche Schädel - kapsei, das Epicranium an. Dieses wird dorsal durch eine über den Mandibeln entspringende, in nach vorn offenem Bogen gezogene Naht, die Sutura praef ronte - antennalis (Fig. 10 u. 12 s.prfa)^, in eine präfron- tale und eine postfrontale Region aufgeteilt. Die Pos'tf rons (Fig. 10 u. 12, psf) wird von den beiden im Scheitel v (Fig. 10 u. 12) durch die Sutura metopica (Fig. 10 u. 12, s.m) zusammen- geschweißten Hälften des Epicraniums gebildet, das morphologisch nach Berlese als Verschmelzungsprodukt des ersten, zweiten, dritten und vierten Kopfsegments aufzufassen ist. Bei der Häutung spaltet der Kopf in der Sutura metopica und gleichzeitig in der Sutura praefronte- antennalis auf, so daß sich die Epicraniumhälften leicht isolieren lassen. Sie bilden die ganzen hinteren Kopfpartien bis zum Halse, dringen seitlich bis zum Vorderrand des Kopfes vor, umgreifen von drei Seiten das querübergestreckte Frontalschild (Fig. 10 u. 12 frf) und beziehen also die Augen- und Antennalregionen, sowie die Einlenkungsstelle der Mandibeln noch in sich ein. Chitinanhänge der postfrontalen Region. Die hinteren Regionen des Epicraniums sind kahl, vorn stehen regelmäßig angeordnet, einzeln oder zu Gruppen vereinigt (s. Fig. 10), mehrere lange und kräftige Borsten, die in großen, flachen Gruben eingelenkt sind. Besonders scharf ausgeprägt ist ein hinter den Augen nach unten und vorn ziehender Borstenbogen (s. Fig. 10). Nicht zu verwechseln mit diesen Gruben- haaren sind über das ganze Gebiet verstreute und etwas versteckt stehende winzige Borsten. Die Praefrons wird von einem einheitlichen, querübergestreckten und verhältnismäßig schmalen Chitinschild (Fig. 10 u. 12, prf) gebildet. Eine zuweilen auftretende, das Frontalschild querteilende zarte Sutur (s. Fig. 12) deutet auf eine ursprüngliche Ghederung der Praefrons hin. Wir sprechen aus unten näher zu bringenden Gründen den vorderen Abschnitt als Clypeus (Fig. 12, d), den hinteren als Frons an. Berlese gibt an, daß bei der Dytiscus-Lsuve sich die Sutura metopica ausnahms- weise bis in die Stirn hinein fortsetzen kann, daß sie hier mit einer schwach leistenförmigen Erhebung des Endoskeletts korrespondiert, und 1 Zur Terminologie sei bemerkt, daß in der Regel die Bezeichnungen Ber- LESES (1909) zur Anwendung kommen. Wo der italienische Autor eine Sonder- stellung einnimmt, ist dies zum Ausdruck gebracht. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 23 daß diese Naht auf die Verschmekung der Frons aus zwei ursprünglich getrennten Halbseiten hindeutet. Hinten wird die Praefrons durch die Sutura praefronte-antennalis, vorn durch den leicht konvex vorgebuchteten Stirnrand begrenzt. An den Seiten springen zwei kräftig entwickelte Zacken, die anguli frontales ScHiÖDTEs (= Mandibularsclerite, Böving) vor (Fig. 10, a). Chitinanhänge der Praefrons. Der Vorderrand des Clypeus ist in seinem ganzen Verlauf in zwei bis dreifacher Reihe kammartig mit sehr auffallenden und großen Haarbildungen besetzt (Fig. 10 ih, Fig. 12 u. Fig. 13 h.str). Über Bau und Funktion dieser Organe er- Fig. 11. Kopfkaijsel einer erwachsenen T.arVe von Dytiscv.s marginalis L., von unten gesehen, ep, Epi- craniura; g, Kehle (gula); s, ventrale Längssutur der Schädelkapse! ; e, Insertionspunkte des Ten- toiiums; si, Drüsenfeld der Überlippe /. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 10. Vergr. 5mal. mittelte ich das Folgende. Jedes Haar ist dorso- ventral abgeplattet, distal nach beiden Seiten fast flügelartig ausgezogen (Fig. 13a), also ruderförmig, und nahezu massiv. Auf dem Sagittalschnitt Fig. 13 b erkennt man im Zentrum der Borste einen sehr engen Kanal, der indessen weder die Basis noch die Spitze der cuticularen Bildung zu erreichen scheint. Eingelenkt ist jedes Haar in einer schüsselartigen Grube, deren Boden sich kuppeiförmig der Haarbasis entgegenwölbt (s. Fig. 13a und b). Während die Grubenwand sich in Y* ihres Umkreises wenig über das Chitin der Umgebung erhebt, springt sie auf der Dorsalseite wallartig auf und erscheint im Längsschnitt (Fig. 13 b, hz) als eine zapfe n- ähnUche Bildmig, die sich über die Basis des Haares legt. Dadurch wird die Beweo-unosfreiheit der in der Grube eingelenkten Stirnrandborste 24 Hans Blunck, stark eingeengt. Sie kann zwar einem von oben kommenden Druck nach imten hin ausweichen, nicht aber umgekehrt einer Kraft, die sie von imten nach oben drückt. Der dorsale Grubenwall wirkt wie ein Hemmschuh, und darin liegt ein Hinweis auf die Funktion der eigen- tümlichen Haargebilde, die in dieser Form sonst nirgends am Larven- körper auftreten. Die nach unten und vorn gerichteten Borsten könn- ten als Widerhaken auf die von den Mandibeln gegen den Stirnrand gedrückte Beute wirken, also das Festhalten derselben erleichtern. Sie wären funktionell also etwa den Zähnen des Haies und der Schlangen zu vergleichen. Ob sie außerdem noch Sinnesfunktion besitzen, ist zweifelhaft. Vermuthch dienen sie nicht in letzter Linie als Tast- oder Gleichgewichtsorgane, sicherlich aber nicht dem chemischen Sinn. Fig. Seitenansicht der Kopfkapsel einer erwaclisenen Larve von Dytiscus marginalis L. cl, Clypeus; h.ttr, ruderförmige Stirnrandborsten. Die übrigen Bezeielinungen wie in Fig. 5. Vergr. 8mal. Das dicke Chitin gestattet nirgends Duft- und Geschmacksstoffen den Durchtritt. Eine Untersuchung des nervösen Apparats nahm ich nicht vor. Ich bemerke, daß sich ähnliche ruderförmige Haare wie bei der erwachsenen Larve auch bei den jmigen Stadien finden, die ruderförmige Abplattung an der Spitze ist hier aber geringer imd die Haare nähern sich mehr oder weniger den über den ganzen Körper der Larve und Imago verstreuten typischen Tastborsten (»Sinnesborsten«, »Sinnes- haare«, HocHREUTHER 1912, S. 10 — 28). Das gleiche gilt übrigens bei der erwachsenen Larve für die am weitesten von der Mitte der Stirn ent- fernten Randborsten. Stirnrandhaare, wie sie hier beschrieben wurden, finden sich bei allen Species des Genus Dytiscus mid bei den meisten übrigen Dytis- ciden. Bei Äcilius ist der dorsale Hemm wall fast noch besser ausge- bildet als bei Dytiscus. Bei Hydaticus scheint nach den Abbildungen Die Entwicklung des Dytiscns marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 25 ; -bslr. c Meinerts (1901, Taf. V, Fig. 109 u. 110) zu urteilen, die ruderförmige Gestalt ganz besonders typisch ausgeprägt zu sein. Bei den Carabiden suchte ich die beschriebenen Gebilde vergeblich, dagegen scheinen sie nach Nagel (1894) sich an den Fühlerhaaren von Perla und Chloroperla wiederzufinden. Die übrigen über die Vorderstirn der Dytiscus-lja,rve verstreuten Haut- sinnesorgane (s. Fig. 10) bieten keine Besonderheiten. Wir finden hinter den Widerhaken des Stirnrandes in einer weitläufigen Reihe und weiter zurück mitten auf der Praefrons einige in Zahl imd Stellung ziemlich kon- stante Tasthaare, außerdem neben und zwischen ihnen zahlreiche über das ganze Gebiet verteilte kurze Bor- sten, die in Fig. 10 nicht eingezeich- net sind. Die Cuticularanhänge des Kör- pers finden hier und weiter unten vornehmlich wegen ihres systemati- schen Interesses Erwähnung. Manche der in Betracht kommenden Bildun- gen sind in ihrem Vorkommen auf die Dytisciden beschränJvt und als Neuerwerbungen während des Wasser- lebens anzusprechen. Eine Anzahl von ihnen findet sich auch bei den Imagines und ist kürzlich von Hoch- REUTHER (1912) beschrieben, auf dessen Arbeit gegebenenfalls verwie- sen ist Fig. 13 a. Rudert" örmiges Haar (b.sfr) vom Stirnrand einer erwachsenen Larve von Dytiscus marginalis L. Stark vergrößert. bs Fig. 13 &. Sagittalsclmitt durch den Stirnrand einer Die der Larve eicentüm- ^"^'^c^ ^i"! zweiten Stadium gehäuteten Larve -. A T_ • von Dytiscus marginalis Ij. ö.sir, Borsten des liehen Anhänge kommen ihrem Bau Stimrandes im Längsschnitt; hz, Hemm- Und ihrer Funktion nach hier ZUl- zapfen; ^i/p, Hypodermis;&s, Basalmembran. . Stark vergrößert. Besprechung, ohne daß indessen, dem Charakter der Arbeit entsprechend, auf histologische Feinheiten ein- gegangen werden kann. Die ventralen Partien der Kopfkapsel setzen der morpho- logischen Deutung ihrer Elemente besondere Schwierigkeiten entgegen, weil die Art der Nahrungsaufnahme nicht nur die Mundwerkzeuge, ^6 Hans Biunck, sondern auch das Kopfskelett erheblich beeinflußt und zu einer teil- weisen Umformung imd Verlagerung seiner Bestandteile geführt hat. -Die wesentlichsten Umgestaltungen werden dadurch veranlaßt, daß das Epicranium — wahrscheinlich in seiner Eigenschaft als Träger des Mandibularmuskels — eine ungewöhnlich große Ausdehnung gewinnt. Seine von der Postfrons herabkomraenden Hälften bilden zunächst die ganzen Seitenteile des Kopfes (Fig. 12 ep), greifen dann weit über die Schläfen (Fig. 11 u. 12 t) hinaus ventral herum und stoßen schließlich in der ventralen Mittellinie (vgl. Fig. 11) zusammen, wo sie in der Naht s innig verschmelzen. Die hinter den Maxillen gelegene Partie der Kopfkapsel pflegt allgemein als Kehle (gula) bezeichnet zu werden. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß diese Region bei der Larve und Imago von Dytiscus von ganz verschiedenem morphologischen Wert ist. Bei der Imago finden wir hinter der Unterlippe (s. Euscher 1910, S. 11, Fig. 7) ein nach beiden Seiten zu scharf abgegrenztes Chitinstück, das das Mentum mit dem Foramen occipitale verbindet und sich zwischen die beiden von den Seiten herabkommenden und zur Mitte strebenden Hälften des Epicraniums einschiebt. Es ist in der Höhe der Vorder- ecken des Craniums durch eine leichte, von Euscher übersehene Sutur quergeteilt, und es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß wir in dieser Naht die Grenze zwischen dem Submentum und dem letzten (6.) Kopf Segment zu suchen haben. Das Submentum ist nicht, wie Euscher annimmt, mit dem Mentum untrennbar verschmolzen, sondern hat seine Selbständigkeit bewahrt (vgl. Berlese, Fig. 51). Bei der Imago von Dytiscus steht somit das letzte cephale Segment in direkter Ver- bindung mit seinem Anhang, der Unterlippe. Die bei der Larve als Kehle zu bezeichnende Partie stellt ein trianguläres, nach hinten spitz zulaufendes, etwas eingesenktes Feld dar, das vom Vorderrand des Halses bis zur Basis der Unterlippe sich er- streckt (vgl. Fig. 11, g). Dieses Feld ist indessen in keiner Weise scharf gegen die Umgebung abgesetzt und somit kein selbständiges Skelett- stück. Gularnähte fehlen. Bei der Häutung kann die Schädelkapsel in der ventralen Mittelsutur s aufplatzen, im übrigen stellen die ven- tralen Partien aber ein einheitliches Stück dar. Die Kehle der Dytiscus- Larve wird einfach von den nach vorn zu ausgezogenen und in der medianen Sutur s (Fig. 10) verschmelzenden Vorder- ecken der Epicrauiumhälften gebildet. Durch diese Ver- schmelzung seiner Seitenteile bewirkt das Cranium eine Abtrennung der beiden letzten Kopfsegmente von ihren Anhängen. Der fünfte und Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 27 sechste bzw. fünfte bis siebente Kopfring rücken zur Bildung des Halses h (Fig. 10, 11 u. 12) nach hinten zu, während ihre Gliedmaßen, die erste und zweite Maxille, nach vorn vorgetrieben werden und in eine Linie mit den Mandibeln zu liegen kommen. Diese Verhältnisse sind sicher sekundärer Natur, und wir haben hier erneut die Tatsache zu konsta- tieren, daß die Imagines ursprünglichere Charaktere bewahrt haben als ihre Larven. Ganz entsprechend liegen übrigens, A\ie aus Meinerts (1901) Figuren hervorgeht, die Verhältnisse bei allen anderen Dytiscidenlarven und, wie Kemner (1913) kürzlich feststellen konnte, auch bei den Jugendstadien von Amara und Feronia und somit wohl bei allen Cara- bidenlarven. Mit Ausnahme der Kehlpartie ist die Schädelkapsel auf der Unter- seite ziemlich oleichmäßis; flach aewölbt und in der Struktur wenis: Fig. 14. Sagittalschnitt durch di3 Drüsenfeld si (Fig. 11) der Oberlippe einer ausgewachsenen Larve von Dytiscits m%r(jinalis L. z, Chitindifferenzierungen der äußersten Lage der C'uticula (= Epi- dermis, Ip); d, Pernia; hyp, Hypodermis. Starlc vergrößert. differenziert. Zwei durch dunklere Tönung ausgezeichnete Flecke e (Fig. 11) in der Nähe der Mittelnaht bezeichnen die ventralen Ansatz- stellen des bei der Dytiscus-harve w^enig entwickelten Tentoriums (Endocranium). Der Borstenbesatz (Fig. 11) ist spärlich. Je vier Grubenhaare stehen zu einer Gruppe vereinigt zwischen Her Ansatzstelle des Tento- riums und der Maxillarbasis auf der Grenze des Gularfeldes, eine weitere Gruppe hinter dem bereits erwähnten, das Augenfeld begrenzenden Haarkranze, und wiederum jederseits etwa 4 verteilen sich über die Fläche des Craniums. 2. Die Aug'en. Die Augen (Fig. 10, 11, 12, A) sind als typische Larvenstemmata (= oculi discreti, Berlese, S. 114, zum Unterschied von den echten stirnständigen Ocellen der Imagines) ausgebildet und in der für Ade- phagenlarven normalen Zwölfzahl vorhanden. Die sechs Augen jeder 28 Hans Blunck, Seite stellen zu der Figur der Würfelsechs vereinigt (Fig. 12) als zwei Senkstriche hinter der Fühlerwurzel au den Seiten des Kopfes. Jede Reihe beschreibt einen gegen den anderen zu offenen flachen Bogen. Vier Stemmata jederseits beherrschen das dorsale (s. Fig. 10) und late- rale, je zwei das ventrale Gesichtsfeld (s. Fig. 11). Da das ganze Augenfeld, und auf diesem wiederum jede Ocelle, sich etwas über die Umgebung erhebt, ist es dem Tiere möglich, auch die von vorn kommenden Lichtstrahlen aufzufangen. Die einzelnen Augen sind untereinander ziemlich gleichgroß, aber verschieden gestaltet. Während die unteren Linsen eine ziemlich kreis- runde Form besitzen (s. Fig. 12) sind die oberen stark quer oval, fast strichförmig, und die seit- lichen nehmen auch gestaltlich eine Mittelstellung zwischen beiden ein. Geringe individuelle Unter- schiede in der Gestalt und Lagerung der Augen j^^ kommen vor (vgl. Günther 1912), die ellipsoide A Form des Augenhügels bleibt aber wohl immer er- Fig. 15. halten und findet sich auch bei den übrigen Spezies Seitenansicht der Augen- ^gj. Qattung, soo'ar bei der in mancher Hinsicht region einer frisch zum . n ^ ■ i i t t\ ■ dritten Stadium gebaute- eine Sonderstellung einnehmenden Larve von Dytis- ten Larve von ötfusc«« ^^^ semisulcütus Müll. (= puHctulatus Fabr., siehe semisulcatus L. (= punc- ttclatusFahv.). ,1, Augen- Fig. 15). feid; i?, Fühler; AW. Man- Wegen ihrer ansehnhchen Größe bilden die dibel. Vergrößert. . . Augen der Dytiscus-hsiVYe ein sehr geeignetes Unter- suchungsobjekt und sind durch die Arbeiten Grenachers (1879, S. 26/37) und Pattens (1887, S. 163—226) neben den Sehorganen der Äcilius-Lar\e zum klassischen Studienobjekt der Coleopterenstemmata geworden (vgl. Hesse 1900 u. 1901). - Kürzlich legte Günther (1912) in seiner Dissertation unsere Kenntnisse über die Sehorgane der Larve und Imago von Di/iiscus piargmalis L. nieder, so daß wir hier auf diese Arbeit verweisen können. 3. Der Augeufleck. Nach innen und vorn zu von der ersten Ocelle des vorderen Augen- ßtrichs liegt jederseits auf der Stirn ein eigentümhches Gebilde (s. Fig. 10 u. 12 ia), das, lange bekannt (vgl. Schiödte S. 396), bereits mehr- fach auf seinen Bau hin untersucht wurde, seiner physiologischen Be- deutung nach aber ganz rätselhaft geblieben ist. Es sei im folgenden nach dem Vorgange Günthers (1912) als Augenfleck bezeichnet und einer Betrachtunii unterzogen. Die Entwickhing des Dyti&'cus niarginalis L. vom Ei bis zur Imago. 29 In der Aufsicht stellt sich der Augenfleck als ein kreisrunder, heller Fleck im Chitin dar, der, die Randzone des vorderen der beiden dorsalen Einzelaugen noch etwas übergreifend, bis an die Pigmentschicht heranreicht und die Linse des Larvenauges um das Dreifache an Grröße übertrifft. Das Chitin ist im Bereich des Fleckes buckelartig etwas vorgewölbt und gewinnt dadurch mit einer Augenhnse eine gewisse Ähnlichkeit, die durch seine Durchsichtigkeit noch verstärkt wird. Durch die Untersuchungen Geenachers (1878 S. 37), Pattens (1889 S. 127) und Günthers (1912 S. 76—82) ist festgestellt, daß die Augen- flecke der Dytisciden auch anatomisch sehr innige Beziehungen zu den Sehorganen verraten und in mancher Hinsicht den Stemmata der Larven nahestehen. Wie in diesen, so lassen sich im Augenfleck außer der wenig ausgesprochenen Linse noch Glaskörper, Sehzellen mit Stäbchen und ein kräftiger, zum Ganglion opticum ziehender Nerv nachweisen. Bei ganz jungen Larven stellt der nur undeutlich abgesetzte Stirnfleck im wesentlichen nur eine hypodermoidale Verdickung dar. Erst im Laufe der larvalen Entwicklung differenzieren sich Glaskörper und lichtperzi- pierende Elemente heraus. Bei verpuppungsi^eifen Individuen tritt auch etwas Pigment auf. Auch dann noch macht aber das ganze Organ einen unentwickelten^ halb embryonalen Ein- druck. Es ist nicht anzunehmen, daß der larvale Augenfleck Bilder auf- nimmt, wenn er auch zur Unterscheidung von Licht und Dunkelheit geeignet sein mag (Günther 1912, S. 80). So drängte sich denn bereits Grenacher die Vermutung auf, daß wir es in dem eigentlichen Gebilde vielleicht mit der ersten Anlage eines Organs zu tun haben, das erst in der weiteren Entwicklung des Individuums zur Ausbildung kommt, und auch Günther kommt zu dem Schluß, »daß es sich um ein Organ handelt, das erst für ältere Entwicklungsstadien von physiologischer Bedeutung ist« (S. 80). Eine Vermutung über das spätere Schicksal des Augenflecks findet sich indessen weder bei Grenacher noch bei Patten und auch Günther ist leider diesem Problem nicht weiter nachgegangen. Ich sehe mich daher veranlaßt, hier meine eigenen Beobachtungen und Vermutungen zu wiederholen, die ich bereits 1909 niederlegte, aber von der Publikation zurückstellte, als Herr Dr. Günther im hiesigen In- stitut seine Untersuchung des Augenflecks vornahm. Ich spreche den Stirnfleck der Dytiscus-La.vve als, einen Teil der Imaginal- scheibe des Käferauges an, der bereits während der larvalen Entwicklung des Tieres den embryonalen Zustand verläßt und eine gewisse Funktionsfähigkeit erlangt, aber erst 30 Hans Blunck, während der Nymphose sich zum Komplexauge umdiffe- renziert. Diese Auffassung basiert auf den nachstehenden Beobach- tungen. Kurz bevor die reife Larve die Nahrungsaufnahme einstellt, um sich zur Verpuppung in die Erde zu begeben, tritt vor und über dem Augenfeld der Larve eine gewinkelte rotbraune Linie auf, die ihren Ur- sprung kleinen, in der Hypodermis sich ablagernden Pigmentteilchen verdankt. Ich konnte feststellen, daß die pigmentierte Zone sich während der Metamorphose langsam verbreitert, bald die Gestalt eines nach hinten zu offenen Mondviertels annimmt, während der Puppen- ruhe die fehlenden Viertel unter gleichzeitiger Überwachsung der an- fangs freigelassenen Larvenaugen zu einem vollen Kreise ergänzt und schließlich das Imagoauge aus sich hervorgehen läßt. Die ersten Pigmentpartikelchen treten nun gerade im Bereich des larvalen Äugenflecks und zwar an seiner Peripherie auf. Diese Beobachtungen legte ich bereits 1909 im Manuskript nieder. In- zwischen kam Günther zu dem gleichen Resultat. Er gibt in seiner Fig. 10 ein Stadium wieder, bei dem die pigmentierte Zone den Augen- fleck ungefähr tangiert. Im Laufe der weiteren Entwicklung wird der Augenfleck ganz in die pigmentierte Zone einverleibt und geht restlos in ihr auf, während die Larvenaugen während des ganzen imaginalen Lebens in rudimentärem Zustand unter dem Imagoauge erhalten blei- ben. Merkwürdigerweise sind Günther die Beziehungen zwischen Augen- fleck und Imagoauge nicht aufgefallen, und in seiner Studie über die Entwicklung des Komplexauges (1912 S. 92/104) findet der Augenfleck keine Erwähnung. Die histologische Umdifferenzierung der so lange rätselhaften Stirnflecke der Dytiscus-Laive während der Metamorphose bleibt also noch immer ungeklärt, als festgestellt darf aber nach dem Gesagten wohl gelten, daß die larvalen Augenflecke einen wesent- lichen Anteil an der Bildung des Komplexauges nehmen und als seine modifizierte Imagi na Ischeibe angesprochen werden dürfen. Ähnliche Stirnflecke, wie sie hier von Dytiscus marginalis L. be- schrieben wurden, kommen allen Arten der Gattung, sowie ihren näch- sten Verwandten auf allen drei Larvenstadien (Fig. 53a, b, c) in wenig wechselnder Ausbildung zu. Bei Acilius sind sie neben der Linse des hinteren Hauptauges zu suchen, ziemlich hoch differenziert und von Gren ACHER und Patten eingehend studiert worden (siehe oben). Bei Agabus und anderen kleinen Dytisciden suchte ich sie bislang vergeb- lich, ebenso bei den Carabidenlarven. Bei der Gattung Carabus traf ich Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Inoago. 31 bei einem sehr großen Exoten (Algier)' &tirnwärts von den beiden Augenrändern einen ziemlich hohen chitinösen Hügel, der vielleicht den Augenflecken der Dytiscidenlarven gleichzustellen ist, von mir aber nicht näher untersucht werden konnte. Das Chitin war in dieser Region nicht farblos wie bei Dytiscus. 4, Die Fühler (antennae.) Dem Augenfelde der Dijtiscus-LaiVYe genähert sind die Fühler eingelenkt. Sie stehen als schlanke Geiseln (s. Fig. 10, 11, 12, 15 jF und Fig. 16) an den Seiten des Kopfes zwischen den Augen und dem Fuß der Mandibeln, sind bei der ruhenden Larve schräg nach außen und vorn gerichtet, dank ihrer freien Einlenkung aber in alle Richtungen des vorderen, äußeren Raumquadranten einstellbar. An Länge und Ghederzahl werden die Antennen derDytisciden larven meines Wissens^ in keiner Coleopterenfamilie übertroffen, erreichen aber auch hier bei weitem nicht die hohe Ausbildung, welche die Imagines auszeichnet. Die Fühler der erwachsenen Larve von Dytiscus marginalis L. bleiben nur wenig hinter der Kopflänge zurück und messen 5,5 mm, die sich auf sieben Gheder verteilen. Das erste, dritte und fünfte Glied ist kurz, das siebente außerordentlich klein und pfriemförmig. Die zweiten, vierten und sechsten Gheder sind normal ausgebildet, lang, schlank und walzig, an Länge und Stärke in der natürlichen Reihenfolge abnehmend. Wenn man die kurzen den längeren als accessorische Grundabschnitte zuzählt, reduziert sich die Zahl der Fühlerglieder auf 4, und damit auf den bei Käferlarven normalen, auch für die kleineren Dytisciden gültigen Wert. Diese Auffassung verliert alles Gezwungene durch die Beobach- tung, daß die accessorischen Glieder auf dem ersten Larvenstadium noch gar nicht, auf dem zweiten nur unvollkommen abgegüedert sind und erst bei den erwachsenen Larven ihre volle Ausbildung erlangen. Fig. 16a, b, c veranschaulicht das Gesagte durch Gegenüberstellung der Fühler auf allen drei Stadien. Die folgende Tabelle, S. 32 oben, gibt die Längen- verhältnisse in Minimetern: Die Einschiebung von Grundgliedern wurde auch an den älteren Larven von Acilius und Cybister beobachtet. Bei der letztgenannten Form sind sogar 8 untereinander gleichwertige Fühlerglieder beobachtet, denen ein kleiner, von Meinert (1901 S. 404) als selbständiges Ghed 1 Die liier mitgeteilten Beobachtungen über morphologische Verhältnisse der Carabidenlarven wurden an dem reichhaltigen Material des Hamburger Natur- historischen Museums angestellt, dem ich für die Ermöglichung dieser Studieu auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. 32 Hans Blunck, 1 . S t a cl i u ni 'I. Stadiuiii 3. Stad i um Länge des ganzen Fühlers . . . . 1. Glied 2. Glied 3. Glied 4. Glied 3,25 1,15 1,0 1,0 0,1 4,09 5,5 0,2 +1,3 = 1,5 0,3 +2 =2,3(15+100=115)1 0,2 + 1,1 = 1,3 'o,27+ 1,43 = 1,7 (18 + 81=99) 0.19+ 1,1 = 1,2 0,25+ 1,18=4,43(16 + 65 = 81) 0,09 0,07 (5) gezählter Enddorn aufsitzt (s. Fig. 35a, ^4). Die Grundglieder scheinen ein Neuerwerb dieser Gattungen und dem Bedürfnis nach größerer Be- weglichkeit der langen Fühler entsprungen zu sein. An Sinnesorganen sind die Fühler relativ arm. Zu spärlichen kurzen abei; schlanken Tasthär- chen kommen ein paar massive Grubenkegel und an der glashellen, dünnchitinisierten Spitze des Endgliedes mehrere zartwandige Kegel, die nach Nagel (1894, S. 84, 85, 87) dem -Geschmackssinn die- nen. Mehr in die Augen fällt eine andere Kategorie von Sinnesorganen, die Nagel als »Gruben ohne Kegel << beschrieben hat. Sie sind größer als die er- wähnten Grubenkegel, aber ebenfalls an Zahl nur ge- ring. Äußerst konstant finden sie sich an den in Fig. 16a angekreuzten Stel- len auf allen drei Larven- stadien. An Totalpräpara- ten repräsentieren sie sich als glashelle Flecke im Chitin, die durch einen weiten Porenkanal mit dem Lumen des Fühlers in Verbindung stehen. Eine feinere Untersuchung nahm ich nicht vor, möchte aber nach einem Vergleich meiner Präparate mit den Abbil- dungen HocHREUTHERs (1912) die Vermutung äußern, daß Nagel die 16 a — c. Linker Fühler der Larve von Dytiscus marginalis L., von oben gesehen, a. Drittes Larvenstadium, b. Zweites Sta- dium, c. Erstes Stadium. Die angekreuzten Stellen ( x ) bezeichnen die Lage der »Gruben ohne Kegel«. Yergr. lömal. 1 Die in Klammern gesetzten Zahlen geben die von Meinert gefundenen Verhältniszahlen wieder. Sie lassen sich mit meinen Werten nicht recht zur Deckung bringen. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 33 in Rede stehenden Organe irrtümlich, zu den »Gruben ohne Kegel« gestellt hat, und daß es sich hier uin »kelchförmige Organe« handelt. Über die Funktion sind wir weder bei der einen noch bei der anderen dieser beiden Gruppen orientiert. Wahrscheinhch dienen sie dem mechanischen Sinn, vielleicht zur Wahrnehmung des Wasserwiderstan- des und somit zur Orientierung beim Schwimmen (Hochreuther S. 55 u. 63). 5. Die Mundteile. Wir wenden uns nunmehr dem Studium der Mund teile zu, die wohl in erster Linie bestimmend gewesen sind für die aberrante Gestalt des Larvenkopfes oder, um mit Swammerdam (Bibel der Natur, S. 135) zu reden: »Um derentwillen der Kopf wohl mag so groß gebildet seyn, damit nemhch Platz vor ihre Muskeln wäre. << Sowohl in der Anordnung wie gestaltlich und funktioDell weichen die in den Dienst der Nahrungs- aufnahme getretenen Kopfanhänge der Dytiscus-IuSiVve in hohem Maße von dem ursprünglichen Typus ab, den wir bei der Imago noch geradezu klassisch ausgebildet finden (vgl. Euscher 1910, S. 12 ff.). Das Ver- ständnis der Larve wird erst ermöglicht durch die Kenntnis der beim geschlechtsreifen Tier obwaltenden Verhältnisse. Der Gelbrandkäfer besitzt beißende Mundwerkzeuge: Kurze, mit starken Zähnen ausgerüstete Oberkiefer (Mandibeln) (Fig. 25a), welche die Nahrung zerfleischen; hochdifferenzierte Unterkiefer (erste Maxillen, Fig. 26a), welche mit ihren beiden Tastern (Palpus maxillaris P.m und Lobus externus L.e.) die Nahrung prüfen und mit der beborste- ten, mächtigen inneren Lade (Lobus internus L.i.) die von den Mandibeln abgerissenen Fleischstücke in den Schlund schieben; eine in Submentum {sbm), Mentum {m), Glossen {par) und Taster (Palpi labiales P.l.) ge- gliederte Unterhppe (Labium, Fig. 27 a), welche im Verein mit der dem Clypeus frei angehängten Oberhppe (Labrum, l) den Abschluß des Mun- des nach oben und unten zu gewährleistet (s. Fig. 33a). Die räumliche Anordnung von Labrum, Mandibeln, Maxillen und Labium bei der Imago von Dytiscus ist aus dem umstehenden Schema (Fig. 17 a) zu ersehen, das ein Diagramm der Mundteile darstellt. Man wolle be- sonders beachten, daß die ersten Maxillen {Mxj) unter den Mandibeln [Md) inserieren und über der Unterlippe {MX2) liegen. Das Foramen F bezeichnet den Eingang zum Munde, der bei geöffneten Kiefern weit offen steht und sich erst dann schheßt, wenn die Kiefer wie die vier Flügel eines zweigeteilten Fensters nach innen schlagen. Ganz andere Verhältnisse finden wir bei der Larve. Zeitschrift f. wisscnscli. Zoologie. CXVII. Bd. 3 34 Hans Blunck, Es sei zunächst die räumliche Anordnung der Elemente (Fig. 17 c) betrachtet und festgestellt, daß die Mundteile nicht in einem Fig. IIa. Diagramm der Mundwerkzeuge einer Dytiscus-lnmgo. c, Umrißlinie des Kopfes; A, Antennen; ibr, Oberlippe; Md, Mandibel; 31xi, erste Maxille; P.m, Palpus maxillaris; L.e, Lobus externus; L.i, Lobus internus; Mx2, Labium; P.l, palpus labialis; gl, Glossa; F, Mundloch. Fig. 17 6. Diagramm der Mundwerkzeuge einer Carabidenlarve. Bezeichnungen wie bei Fig. 17a. Fig. 17.. Diagramm der Mundteile einer D]/tiscus-LaT\e. Bezeichnungen wie bei Fig. 17a. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Tu\ago. 35 Kreise angeordnet sind, sondern eine sehr langgestreckte Ellipse bilden. Die Unterkiefer Mx^ liegen nicht unter, sondern neben den Mandibeln Md und inserieren nicht über, sondern seitlich von der Unterhppe Mx2. Mandibeln Md, Maxillen Mx^ und Unterlippe M-Xg liegen nicht mehr zum Halbkreis geordnet, sondern bilden eine horizontale Gerade. Der Mund selbst ist bis auf 2 kleine, im Bereich der Mandibeln ge- legene Poren F geschlossen. Es liegt auf der Hand, daß die Lagebeziehungen bei der Larve als sekundär aufzufassen sind und von den recht ursprünglichen Verhält- nissen abgeleitet werden müssen, die bei der Imago vorhegen. Kein mechanisch kann das Diagramm Fig. 17a dadurch in die Fig. 17c um- gewandelt werden, daß man die Mundteile durch einen Faden unter- einander verbunden, aber im übrigen gegeneinander verschiebbar an- nimmt und auf die Mandibeln einen Zug nach den Kopfseiten hin wirken denkt. Dann werden die Mandibeln Md so weit, wie es der Faden gestattet, seitlich auseinanderweichen, sie werden die Maxillen mitziehen, und die von beiden Seiten gezogene Unterlippe Mxo gegen die Oberlippe Ibr drücken, den Mund also zuklemmen. Gleichzeitig wird sich das ganze Diagramm dorsoventral abplatten. Ein hypothetisches Zwischenstadium aus der Umformungsperiode des Diagramms Fig. l'a in Fig. 17 c ist in Fig. 17 b festgehalten worden. Es spricht nun sehr für die Auffassung, die Umgestaltung habe sich wirklich in analoger Weise, wie hier angenommen ist, vollzogen, daß wir die Phase 17 b in der Natur verwirklicht finden und zwar, was mir besonders bemerkens- wert zu sein scheint, bei den Carabidenlarven, die wir auch phylogenetisch zwischen die Dytiscidenlarven und imaginale Adephagen einzu- schalten geneigt sind. Bei den Imagines ist der Mund ein weites, etwa kreisrundes Loch, bei den Carabidenlarven ein langgestrecktes Oval, ein schmaler Spalt, bei den Larven der Dytisciden ist die eigentliche Mundöffnung ganz geschwunden. Nur an den Seitenenden der zu- geklemmten Mundrinne steht die Mundhöhle noch durch zwei feine Poren (Fig. 17 c, F) mit der Außenwelt in Verbindung. Nicht weniger einschneidend als in der räumlichen Gruppierung sind die morphologischen Wandlungen, welche die Mundteile als solche bei der Dytiscus-hsaYe erfahren haben. a. Die Oberlippe (labrum). Die Oberlippe der Larve ist bisher unerwähnt gebheben. Sie scheint bei oberflächlicher Betrachtung ebenso wie der Clypeus ganz zu fehlen, und Eeichson (1841 S. 74) sowie Chapuis und Candeze (1853 3* 36 Hans Blunck, cl- labr- S. 380/82) geben in der Tat an, daß das Labrum der Dytiscus-L&iYe rückgebildet ist. Nacb Meinert (1901) ist die Oberlippe nicht rück- gebildet, sondern ventralwärts umgeschlagen, so daß also der vordere Stirnrand vom Clypeus ge- bildet wäre. Dieser geht ohne scharfe Grenze in die Stirn über. Berlese (1909, S. 84 Anm.) vertritt die Auffassung, daß nicht nur das Labrum, sondern auch der Clypeus an der ventra- len Verlagerung beteiligt ist, so daß also der vordere Stirnrand noch zur Prae- frons zu rechnen wäre. Die gleiche Deutung findet sich bei EvERTS (Supplement S. llOff.). Wir möchten uns dieser Auffassung nicht anschließen, weil im all- gemeinen das Kopfschild eher zu einer innigen Ver- bindung mit der Stirn als mit der Oberlippe neigt, und weil der Clypeus auch bei der Imago mit der Kopf kapsei fest verschmol- zen, von der Oberlippe aber durch eine Gelenk- haut getrennt ist. Wir bekennen uns zu der von Meinert gegebe- nen Deutung, fassen also Fig. 18 a~c. die Praefrons als Ver- Schematische sasittale Längsschnitte durch das Kopfskelett. gchmelzunffSprodukt VOn a. Imago von Dytiscus; ?*, ein lionstruiertes Zwisclienglied ; _, . j t^ * i,"ll i c, Larve von Dytiscus. Nach Rungius. Stirn- und KopiSChud aui und nehmen an, daß die Oberlippe ventral um 180° herumgeklappt ist. Wir glauben, diesen Bauplan auch bei anderen carnivoren Käferlarven wiederzufinden (s. Fig. 33 b) und verweisen zur Stütze unserer Auffassung auf die c/ - /abr ~ - labr - Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago, 37 Arbeiten Bövings (Nye Bidrag tili Carabernes Udviklingshistorie I) und Kemners (Beiträge zur Kenntnis einiger schwedischer Coleopteren- laryen in: Archiv för Zoologi, Bd. 7 Nr. 31 S. 1—31, 1913). Wir treffen hier erneut auf ein Beispiel für unseren Satz, daß die Imago oft viel primitivere Verhältnisse aufweist, als die Jugendform des Insekts. Eungius hat in seiner Dissertation (1911) schematisch ab- zubilden gesucht (s. Fig. 18), wie sich ungezwungen die Stellung der Ober- lippe bei der Larve von der Imago ableiten läßt, und auf welchem Wege sich die Umwandlung wahrscheinlich vollzogen hat (S. 218 ff.). Auch RuNGius kommt zu dem Resultat, daß der Stirnrand der Larve vom Clypeus gebildet wird, und daß das Labrum ventral umgeschlagen ist. Wir dürfen demnach die von uns vertretene Auffassung für die heute best fundierte halten. Die endgültige Bestätigung unserer Deutung der morphologischen Verhältnisse ist durch eine von anderer Seite in Angriff genommene Bearbeitung der Embryonalentwicklung zu erwarten. Der von uns als verlagerte Oberlippe angesprochene Abschnitt des Exoskeletts stellt eine rückläufig unter der Stirn von ihrem Vorderrand bis zur Mundrinne ziehende, quere, langovale Chitinplatte dar (Fig. 11, l). Sie wird der Länge nach von einem schmalen, etwas vertieften, teilweise dunkel gerandeten Feld durchquert, das nach der Auffassung Berleses als Grenze zwischen Labrum und Clypeus anzusprechen wäre. "Chitindifferenzierungen der Oberlippe. In den erweiterten Seitenteilen des die Oberlippe der Quere nach halbierenden Feldes ist jederseits ein kurzovaler, mit einem dünnen Chitinhäutchen bespannter Raum (Fig. 11 si) abgegrenzt, der, vornehmlich in den Randpartien, mit zahlreichen äußerst kleinen Papillen, Häkchen und Zähnen besetzt ist. Ein Sagittalschnitt durch diese Zone (Fig. 14) lehrt, daß in ihrem Bereich die äußerste Chitinlage Ip (Epidermis, Berlese) zur Bildung der genann- ten Zähnchen zerklüftet und aufgeteilt ist, daß darunter eine ziemUch dicke, weichere Chitinlage d (Derma, Berlese) sich ausbreitet und daß die Hypodermis (hyp) im ganzen Bereich des bedornten Feldes besser entwickelt ist als in der Nachbarschaft. Die großen Pallisadenzellen besitzen kugelige, umfangreiche Kerne, die der Intima genähert liegen. Das reichlich entwickelte Plasma erscheint, nach der Cuticula zu, fein granuliert. Die funktionelle Deutung des Apparates begegnet Schwierigkeiten. In der Literatur finde ich ihn als »Sinnesfeld«, »Organa sensoria« (Meinert) bezeichnet. Schiödte gibt an, daß das bedornte Feld vom Frontalganglion innerviert wird. Die bislang unbekannte Histologie des Apparates scheint mir indessen zur Stütze der Auffassung Schiödtes 38 Hans Blunck, und Meinerts durchaus nicht geeignet zu sein, denn der Aufbau der Cuticula und ihrer Hypodermis erinnert in keiner Weise an die bei typischen Sinnesorganen vorHegenden Verhältnisse (vgl. Berlese 1909). Bei allen uns durch Hoohreuther (1912) bekannt gewordenen Haut- sinnesorganen des Dytiscus treten in bestimmter Weise differenzierte Zellen, die sich von den Nachbarzellen der Hypodermis leicht unter- scheiden lassen, durch einen weiten Porenkanal mit einer in der Regel haarförmigen epidermoidalen Bildung in Beziehung. Stets läßt sich bei den typischen Organen des Gefühls, Geruchs und Geschmacks eine direkte Beziehung des Zellplasmas zu dem cuticularen Anhang nach- weisen. Insbesondere scheint über der Sinneszelle kein oder sehr wenig Derma abgeschieden zu werden, so daß das Plasma direkt in das hohle Haargebilde eintreten kann. Alle diese Bedingungen sind bei dem »Sinnesfeld << des Labrums der Dytiscus-hsivve nicht erfüllt. Berück- sichtigt man ferner, daß es mir nicht gelungen ist, den von Schiödte beschriebenen Nerven aufzufinden, so wird man die sensorische Natur des Apparats für höchst zweifelhaft erklären müssen. Bau und Lagebeziehungen machen es dagegen in hohem Grade wahrscheinlich, daß wir in der differenzierten Region der Oberlippe einen drüsigen Apparat zu erblicken haben. Die einzelligen Haut- drüsen der Dytiscus-harve sind noch nicht näher untersucht. Soweit ich feststellen konnte, sind sie durchweg viel weniger hoch differenziert, als die kürzlich von Casper (1913) bearbeiteten Drüsen der Imago. Insbesondere fehlt ihnen der komphzierte Ausführungskanal. Das Secret scheint auf dem Wege der Diffusion sich aus der Zelle durch die Chitinschicht nach der Körperoberfläche zu bewegen. Die Hautdrüsen der Larve nähern sich damit dem primitivsten Typus der Drüsenzellen überhaupt, wie er von Berlese (1909 S. 492 ff. und Fig. 551) charak- terisiert ist. Sie unterscheiden sich also vornehmlich nur durch die Größe, den Plasmareichtum und zuweilen durch die Gestalt des Kernes von den gewöhnlichen Hypodermiszellen. Der Bau der Hjrpodermis- zellen im Bereich des bedornten Feldes spricht also zum mindesten nicht gegen unsere Auffassung von ihrer physiologischen Natur. Wichtiger erscheint mir die Beobachtung, daß man fast stets über dem Drüsenfelde eine klebrige Masse vorfindet, in der sich beim Kon- servieren Schmutzteilchen aller Art festsetzen, und die sich wohl nur von den darunterliegenden Hypodermiszellen ableiten läßt. Über die biologische Aufgabe dieses Secrets kann ich nur eine Vermutung äußern, die sich auf folgende Beobachtung gründet. Wenn das Tier ruht und seine Mandibeln schließt (vgl. Fig. 21), kommen die Mandibel- Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 39 spitzen genau auf den bedornten Bezirk des Labrums zu liegen und pressen sich diesem fest an. Sie kommen also in direkten Contact mit dem hier angesammelten Secret und werden gleichzeitig sowohl ab- gebürstet als auch geschmiert. Auf diese Weise werden die für den ßeuteerwerb wichtigsten Organe der Larve ständig sauber und ge- brauchsfertig gehalten. Die Zähnchen und Haken des Feldes dürften dabei ebenso sehr als mechanische Reinigungsinstrumente wirken, als das unzeitige Abfließen des Schmiersecrets verhindern. Ganz ähnliche Drüsenfelder wie bei Dytiscus finden sich auch bei anderen Dytisciden, z. B. bei Cybister, Thermonectes und Hydaticus. Meinerts Abbildung von der letztgenannten Art (Fig. 101) zeigt, daß auch hier sich die Mandibeln in der Ruhe mit der Spitze genau auf die Region der Drüsenzellen legen. Bei Cybister treten nach Meinert (S. 404) an die Stelle der winzigen Papillen im Bereich des Drüsenfeldes, lange, dünne, zu einem Pinsel zusammengeschlossene Haare (Fig. 131), die als mechanische Bürsten gegen die Mandibeln wirken dürften. Unter der Oberlippe sind die eigentlichen Mundwerkzeuge, die Oberkiefer (mandibulae), Unterkiefer (maxillae I) und Unterlippe (labium, maxillae II) eingelenkt. Unter diesen spielen die Mandibeln ihrer Fimktion nach bei weitem die wichtigste Rolle und sind dementsprechend hochdiffe- renziert, während die Maxillen mehr zurücktreten. b. Die Oberkiefer (mandibulae). Die Oberkiefer (mandibulae) (Fig. 10, 11, 12, 15, 17 Md, 19, 25/ und 30) der Dytiscus-liSiwe vertreten sowohl anatomisch wie physiologisch einen Sondertypus in dem Formenreichtum der Insektenmundwerk- zeuge, einen Typus, der unter den Insekten in seiner Art einzig ist und höchstens gewisse Beziehungen zu den Mandibeln einiger Canthariden- und Neuropterenlarven erkennen läßt. Die Oberkiefer der Dytis- cidenlarven dienen gleichzeitig zum Beutefang und zur Überführung der flüssigen Nahrung in den Verdauungs- tractus. Sie ergreifen die lebende Beute, besorgen ihre Lähmung bzw. Tötung, entleeren durch einen an ihrer Spitze mündenden Kanal Secrete, welche das Opfertier präoral auflösen, und leiten die verflüssigte Nahrimg durch denselben Kanal in den Darm über. Der Bau entspricht der vielseitigen Funktion. Die Mandibeln 40 Hans Blunck, sind es in erster Linie, welche durch ihre Größe, durch ihre Form und ihre Stellung dem Larvenkopfe sein charakteristisches Gepräge geben. Sie stehen als zwei lange, schlanke Sicheln an den Vorderecken des Kopfes vor den Fühlern, sind also durch die volle Breite der Stirn getrennt und liegen durchaus frei (Fig. 10, 11, 12). Nur dorsal schiebt sich der zugehörige Angulus frontalis (Fig. 10 a) über die Basis des Oberkiefers. ^6. Fig. 19. Aufsichtsbild der rechten Mandibel einer erwachsenen Larve von D>/tiscus circumcindiis Ahr. cd, dorsaler Gelenkknopf; «i u. Sj, die Sehnen des Mandibelbeugers und ihres Streckers; E, Ein- gang zum Mandibelkanal M.R; B, basale Öffnung des Mandibularkanals; H, Borstenbesatz zur Abdichtung des Mandibularkanals; O, »Grube ohne Kegel«; G. ff, kleine Grubenkegel. Stark vergrößert. Der Oberkiefer erhält im übrigen seinen Halt durch einen, seine Basis umschließenden und in den Kopf eingebauten chitinösen Ver- stärkungsring und dadurch, daß er an zwei Gelenkknöpfen, einem dorsalen (Fig. 19 und 20 cd) und einem ähnlich gestalteten ventralen Condylus (Fig. 20, 21 und 30 cv) aufgehängt ist. Die beiden Gelenkknöpfe bewegen sich ihrerseits in je einer Angel, die als stark chitinisierte Gruben in der Kopfkapsel aufgelassen sind. Die Art der Einlenkung erlaubt der Mandibel nur eine Bewegung in der Horizontalen. Diese wird bewirkt durch zwei mächtige Muskeln, welche einander gegenüber an den beiden Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom. Ei bis zur Imago. 41 starken Sehnen Sj und «2 (Fig. 19 und 20) am Hinterrand der Mandibel- basis angreifen. Besonders der nach der Innenseite der Mandibel ziehende Beugemuskel erreicht kollossale Mächtigkeit und füllt den größten Teil der Schädelkapsel aus. In die aus zähem aber farblosem Chitin bestehenden Sehnen des Mandibelbeugers und Streckers ist in der Nähe des Insertionspunktes (s. Fig. 25/) je ein dunkel gefärbtes Chi- tinstück eil eingelassen, das an abgestreiften Larvenhäuten sichtbar wird. Fig. 20. Aufsichtsbild der linken Mandibel und ihrer Gelenkverbindung mit der Kopfkapsel (Dytiscus mar- ginalis L.). r, Retinaculum; h, basale Öffnung des Mandibularkanals; cd und c.v, dorsaler und ventraler Gelenkknopf; Si und Sz, Sehnen des Beugers und Streckers; A, Antenne; au, Augenfeld; sA, Augenfleck; a, Angulus frontalis; /, Vorderrand der Stirn. Schematisiert. Es sei bemerkt, daß es sich hier wahrscheinlich um sekundär eingebaute Verstärkungsleisten der Sehnen und nicht um in die Schädelkapsel ver- lagerte basale Elemente der ursprünglich gegliederten Mandibel handelt. Der Oberkiefer selbst ist bei der Dytiscus-Jja,Tve durchaus un- gegliedert und bildet einen einheitlichen, sichelförmig gekrümmten und in eine nadelscharfe Spitze ausgezogenen, äußerst stark chitini- sierten Anhang des Kopfes. An keiner anderen Stelle erreicht die Körperdecke auch nur annähernd eine Mächtigkeit wie an den Man- dibeln. Diese sind an der Spitze ganz massiv, und selbst an der Basis 42 Hans Blunck, tritt das Lumen gegenüber den von ihm ausgeschiedenen Chitinmassen zurück (s. Fig. 22). Die Länge der Mandibel, gemessen als innere Sehne, beträgt an 4 mm, die Stärke am Grund fast 1 mm. Von der Basis ab verjüngt sich der Kiefer ganz gleichmäßig bis zur Spitze. Zahnartige Vorsprünge fehlen. Auch der die Carabidenlarven auszeichnende Innen- zahn vor der Spitze (retinaculum) ist rückgebildet. Die Mandibeln lassen sich ihrer äußeren Form nach demnach mit den spitzen, haken- artig einwärts gekrümmten Giftzähnen der Schlangen vergleichen, zu denen sie auch noch eine weitere Analogie aufweisen, nämlich einen dem Giftgang zu vergleichenden Kanal auf der Innenseite, Dieser bereits von Swammerdam (1669) entdeckte Kanal ist der vom morpho- logischen und physiologischen Gesichtspunkt aus bemerkenswerteste Charakter der Dytiscus-M&ndihel, die nach dem bisher Gesagten nur als ausgezeichnetes Instrument zum Ergreifen und Durchbohren der Beute, nicht aber in ihren Beziehungen zur Überführung der Nahrung in den Darmtractus verständlich ist. Bei schwacher Vergrößerung wird an der Innenseite der Mandibel, kurz hinter ihrer Spitze ein lang ovaler Spalt sichtbar (Fig. 19 E), der die Eingangsöffnung zu einem am Mandibelrand entlangziehenden Kanal M.R. bildet. Dieser Kanal wurde von den älteren Autoren als ein im Innern der Mandibel gelegenes, also die Tracheen und das Binde- gewebe durchsetzendes Rohr aufgefaßt. Westwood (1839) machte indessen darauf aufmerksam, daß es sich nicht um ein eigentliches Rohr, sondern um eine Doppelfalte in der chitinösen Wandung des Kiefers handelt, und Meinert (1879 S. 71) bestätigte diesen Befund durch ein hübsches, leicht nachzuahmendes Experiment. Er führte in den hinter der Spitze gelegenen Kanaleingang ein feines Haar ein und sah dieses vor der Mandibel würz el wieder an die Oberfläche treten. Querschnitte erklären das Zustandekommen dieser Erscheinung. Sie lehren (Fig. 22), daß der obere und untere Innenrand o und u leisten- artig ausgezogen ist. Beide Leisten sind bis zur Berührung einander crenähert, aber nicht miteinander verschmolzen. Der scharfe Rand der oberen Leiste greift vielmehr in einen Falz der unteren ein und ist mit ihm verhakt. Die Nuhtlinie wird noch durch eine Reihe kurzer aber dichtgestellter Borsten (Fig. 19 und 22 H) überdeckt. Es kommt auf diese Weise zur Bildung eines Kanals {M.R.), der seiner" Wirksamkeit nach -ein Rohr genannt werden darf, vom anatomischen Gesichtspunkt aus aber als Rinne bezeichnet werden muß. Bei der nach einer abge- streiften Larvenhaut gefertigten Fig. 22 klafft der Spalt der Rinne stär- ker, als dies beim lebenden Tier der Fall sein dürfte. Wenn man einen Die Entwicklung des Dytiscus nxarginalis L. vom. Ei bis zur Imago. 43 oben angezogenen Vergleich weiter durchführen will, so wären die Mandi- beln der Dytiscus -hsuve demnach im Typus den proteroglyphen und nicht den solenoglyphen Schlangenzähnen gleichzusetzen. Das Lumen der Mandibelrinne ist in ihrem ganzen Verlauf ziemlich gleichstark, nur kurz vor dem hinter der »Spitze gelegenen Eingang etwas weiter. Ich bemerke, daß die letztere Angabe mit Notizen von Linstows und PoKTiERS (1911 S. 101) in Widerspruch steht, von Linstow (1898 S. 755) berechnet die Weite an der Spitze auf 0,118 mm, weiter nach der Basis hin auf 0,316 mm. Der Autor gibt nicht an, wie diese feinen Messungen ausgeführt sind. Portier äußert sich dem Sinne nach Eig. 21. Vorderkopf der Larve von Dytiscus marginalis L., von unten gesehen. Au, Auge; A, Antenne; Md, Mandibel; c und s, Cardo und Stipes der ersten Maxille; Mx^, zweite Maxille (Unterlippe); si, Drüsenfeld der Oberlippe. Schematisiert. ähnlich und sieht in diesei' Organisation eine Einrichtung zur Verhinde- rung der Verstopfung des Kanals. >>Toute particule qui a franchi l'entree parvient sans difficulte aucune ä l'autre extremite ! << Dieser Gedanke ist bestechend, ich muß aber daran festhalten, daß der Kanal nach meinen Befunden an der Basis nicht weiter ist als an der Spitze (vgl. Fig. 19). In der Nähe der Basis verflacht sich das Rohr, ist etwas nach der Ober- seite der Mandibel zu heraufgerückt und mündet hier so, daß der Eohreingang (Fig. 195 und Fig. 206) am Fuße der aufgesperrten Man- dibel auch am Totalpräparat sichtbar ist. An Haarbildungen findet sich an der Mandibel außer den das 44 Hans Blunck, Rohr abdichtenden Borsten H (Fig. 19 und 22) ein am Eingang E zu diesem aufgestellter Reusenapparat, der von ziemlich kräftigen Haaren gebildet wird. Diese dürften Fremdkörpern den Eintritt in den Kanal verwehren, so daß sie an ihnen hängen bleiben und von dem Borsten- besatz der Oberhppe (siehe oben) abgebürstet werden können. Kleine, an der hinteren Wand des Rinneneinganges angebrachte, nach vorn gerichtete Zacken (Fig. 19) dürften ebenfalls zur Reinhaltung des Saug- kanals beitragen. An eigentlichen Sinnesorganen ist die Mandibel ziemUch arm. In der Nähe der Spitze stehen winzige Grubenkegel (Fig. 19 G.K), die alle nach vorn gerichtet sind und möglicherweise dem Geschmackssinn dienen. Sie sind leicht mit den zahlreichen, die Mandibelwand durchsetzenden Drüsen- kanälen Dr (Fig. 22) zu verwechseln. An der äußeren Beugeseite liegt dem Kanaleingang gegenüber eine der rätselhaften »Gruben ohne Kegel« (Fig. 19 6^). ^^ Dr. Gegenüber den Mandibeln treten ^" ' die Maxillen funktionell und dem- Querschnitt durch eine Mandibel einer ab- i, j u " ^ A ■<- 1 gestreiften Larvenhaut des dritten Stadiums entsprechend aUCh m der AuSgestai- von Dytiscus marginaiis L. (Der Schnitt tung ihrer Elemente Weit zurück. Sie wurde auf halber Höhe der Mandibel ge- . ^ , -,. .^ 1 1- i . • i führt. Das Chitin ch ist dorsal und ven- smd durch die Doppclfunktiou der tral auf der Innenseite der Mandibel in die Mandibeln entlastet WOrdcU, Spielen beidenLeisteno und 7t ausgezogen, welche die .... i -n . Mandibeirinne M.R. einschließen; H, Bor- Weder bei der Zerkleinerung der Beute stenzurAbdichtungderRinne;i>r, Drüsen- noch bei ihrer Überführung in den kanal: Ma, Lumen der Mandibel. Stark -^ . _, ,, . ^ vergrößert.) Darm eine Rolle und smd zu reinen Organen des chemischen Sinnes um- gestaltet. Die Laden sind dementsprechend reduziert, die Taster stark entwickelt. c. Die Unterkiefer (maxillae I). Die ersten Maxillen (Unterkiefer) (Fig. 10, 11, 12, 17 M^i, 23, 26 f und 34 Mx-^) sitzen zwischen den Mandibeln und der Unterlippe und in gleicher Höhe wie diese (s. Fig. 10, 17c und 21). Sie inserieren unter der Oberhppe am Vorderrande der ventralen Mundrinnenhälfte, sind ganz frei eingelenkt und drehen sich um einen kleinen Chitinhöcker des Epicraniums (Maxillarsklerit?), der von innen her in ihre Basis als Gelenkknopf hineingreift. Gestaltlich ähneln die Maxillen lebhaft den Fühlern des Tieres. Sie bauen sich aus einer Anzahl untereinander ziem- Pie Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Image, 45 lieh gleichartiger, langzyhndrischer Glieder auf. Die Homologisierung ihrer Elemente mit den Bestandteilen typisch gebauter Maxillen hat den Autoren dementsprechende Schwierigkeiten gemacht. Ich glaube indessen festgestellt zu haben, daß in der Maxille der Di/tiscus-Lavve fast alle Elemente eines normal gebauten Unterkiefers, wenn auch in stark modifizierter Form sich nachweisen lassen. Es sind an ihr zu unterschei- den: Angelglied (cardo), Stamm (stipes), Tasterträger (palparium), Taster (palpus maxillaris) und äußere Lade (lobus externus). In der Bezeichnung der Einzel- abschnitte ist hier im Interesse der Einheitlichkeit aller in Marburg zurzeit in Arbeit befindlichen Dytiscusarbei- ten der Nomenclatur Euschers (1910) gefolgt, so daß homologe Elemente bei Imago und Larve gleichbezeichnet sind. Ob Euscher in der Deutung der morphologischen Natur der Organe stets das Richtige getroffen hat, ist ^^ allerdings zweifelhaft. Wo seine Auf- fassung mit neueren Arbeiten nicht - l^^-b.m. in Einklang zu bringen ist, wurde im Text hier darauf hingewiesen (s. bei j^ig, 23. Palparium) . Rechte Maxille einer ausgewachsenen Larve Das Angelglied (cardo) (Fig. 21 ^°° ^^'^'^"«^ mar» L. von unten ge- ö o \ / \ o sehen, s.m. und ö.m., Sehnendes Streck- und und 23c) ist äußerst klein und wurde Beugenmskels des Unterkiefers; c, Cardo; von allen Autoren mit Ausnahme von ^,stipes;Pp Palparium; p^.p.Ps, erstes, zweites und drittes Glied des Palpus maxil- ErICHSON (8.75) übersehen. Es sitzt larls; m, Mala externa. Die angekreuzten als ein SchuppenförmigeS Plättchen an Stellen(x) bezeichnen die Lage der .Gruben ^^ ° _ _ ohne Kegel". Vergrößert. der Außenseite der Maxillenbasis und artikuhert einerseits mit dem Gelenkkopf des Epicraniums, anderer- seits mit dem Stipes, hat also seine ursprünghche Bedeutung als Ge- lenkstück zwischen Kopfkapsel und Maxillarschaft beibehalten. An seiner Außenkante inseriert die den Streckmuskel des Unterkiefers tragende Sehne s.m. (Fig. 23). 46 Hans Bhinck, Das Stammglied (stipes) (Fig. 21 und 23s) ist lang, schlank und walzenförmig, leicht einwärts gebogen, besitzt wenig erweiterte Enden, ist etwas länger als das zweite Antennenglied und doppelt so dick. Seine Wandung erscheint durchaus glatt, nur die Innenseite ist mit wenigen kurzen Grubenkegeln bestanden und außen finden sich in der distalen Hälfte ein bis zwei lange Tasthaare vor. Seine Basis läuft auf der Innenseite in die Sehne b.m. (Fig. 23) des Unterkieferbeugers aus. Der Tasterträger (palparium) (Fig. 23 Pp) ist dem Stipes gerade aufgesetzt. Er ist nur wenig schwächer als dieser, doppelt so lang wie breit, glattwandig, aber mit ein paar Grubenkegeln besetzt. Es sei darauf hingewiesen, daß der hier als palparium bezeichnete Abschnitt vielleicht richtiger als Grundglied des somit viergliedrigen Tasters zu deuten ist. Die Nomenclatur Euschers ist hier indessen aus den schon genannten Gründen beibehalten (s. a. Berlese, Fig. 108). Der Taster (palpus ^axillaris) (Fig. 23 P^, 2, 3) bildet die direkte Fortsetzung des Palpariums, ist gegen dieses nur wenig verjüngt, lang und schlank, und baut sich aus drei, an Länge und Stärke progressiv abnehmenden Gliedern (P^, 2, 3) suxi. Von jedem Schaftglied schnürt sich noch ein kurzzylindrisches Basalstück ab, das aus demselben Grunde wie die entsprechenden Gebilde der Fühler nicht als echtes Glied gezählt werden kann. Das Endglied der Taster läuft spitz aus. Ein Enddorn wie am Fühler ist entgegen Schiödtes Angaben (S. 304 — 308) nicht .vorhanden. Dagegen ist die Tasterspitze auch hier in ein durchsichtiges, dünn chitinisiertes Sinnesfeld umgewandelt, auf dem sich eine Reihe kristallklarer Zapfen von verschiedener Länge erheben. Sie dürften Geschmacksreize vermitteln (s. Nagel a. a. 0. S. 87 und HocHREUTHER S. 34 — 39, 42 — 48). Die wenigen, aber in Stellung und Zahl recht konstanten und sehr langen Borsten, die sich über den Taster verteilen, werden mechanischen Sinnen dienen. Ihre Anordnung ergibt sich aus der Fig. 23. Jedes Schaftglied trägt an den angekreuzten Stellen die eigentümlichen »Gruben ohne Kegel«. Gegen den Taster treten die Laden (mala externa) (Fig. 23 m) an Masse so sehr zurück, daß sie den alten Autoren zu fehlen schienen. Erichson (1841 S. 75) entdeckte ihr Rudiment in einem kleinen, nur 0,2 mm langen zylindrischen bis ellipsoidischen Dorn (m), der neben dem Palpus am Stipes nach innen zu eingelenkt ist, und deckte damit die Morphologie der Maxille auf. Dieser Dorn ist aus unten näher zu bringen- den Gründen als Mala externa zu deuten, während die innere Lade fehlt oder vollständig in den Stipes aufgegangen ist. An der Basis der dornförmigen äußeren Lade steht eine »Grube ohne Kegel«, auf der Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 47 dünn cliitinisierten Endfläche erheben sich einige zartwandige Kegel. Bei der Nahrungsaufnahme wird der Dorn nach Nagel (a. a. 0. S. 86/87) in die Beute eingedrückt und dadurch die Bedeutung seiner Sinneszapfen als Geschmacksorgane wahrscheinlich gemacht. In der folgenden Tabelle habe ich zum Vergleich die Längen der Maxillen und ihrer Elemente auf den drei Larvenstadien zusammen- gestellt. Die letzte Rubrik enthält die von Meinert (S. 193) mit- geteilten Werte. 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium 3. Stadium nach Meinert Gesamtlänge Cardo .... Stipes .... Palparium. . 1. Tasterglied 2. Tasterglied 3. TastergHed Mala 3,2 1 0,85 0,2 0,65 0,65 0,7 0,15 4,35 1 1,3 0,35 0,8 0,2 + 0,7=0,9 0,2 + 0,6=0,8 0,2 5,8 0,2 2 0,5 0,2+ 1,1 = 1,3 0,25 + 0,95 = 1,2 0,25 + 0,55 = 0,8 0,2 5,5 1 15 7,5 31 + 24 = 32 + 18 = 26 8 d. Die Unterlippe (labium). Die Unterlippe (labium) (Fig. 10, 11, 12 li, 17, 21 Mx^, 24, 27/ u. 34 MX2) ist am wenigsten durch den Wechsel in der Art der Ernährung beeinflußt. Zwischen den ersten Maxillen erhebt sich frei unter der Mitte der Mundrinne ein querrechteckiges, vorn nur " schwach eingebuchtetes Basal- stück, das unterseits hornige, oben aber häutige, fleischige Palparium (Fig. 24 Plpr), das durch Verschmelzung der bei- den Tasterträger entstanden ist. Das Mentum ist rudimentär Fig. 24. Unterlippe einer ausgewaclisenen Larve von Dytiscus marginalis L., von unten gesehen. Plpr, Palparium; (Fig. 27 f, in). Das Submentum P^ Palpus labialis. Die angekreuzten Stellen (x)be- j. 1 1, -, ^ • , zeichnen die Lage der »Gruben ohne Kegel«. Ver- fehlt ganz, und ebenso ist größert. die Ligula vollständig rück- gebildet. Unter den scharfen und überstehenden Vorderecken des Palpariums erheben sich auf stark gewölbten Hügeln, die mit mehreren kurzen aber starken und einer langen Borste besetzt sind, die schlanken, 1 Nicht meßbar. 48 Hans Blunck, zweigliedrigen Taster {PI), die durch die Abschnürung von accessorischen Basalgelenken (vgl. oben die Fühler und die erste Maxille!) viergliedrig erscheinen. Das erste Grlied ist walzenförmig, doppelt so lang als das zweite und distal außen mit einer »Grube ohne Kegel« besetzt (Fig. 24 x), im übrigen kahl. Das zweite Glied ist pfriemenförmig, trägt auf der Innenseite im ersten Dritteleine kurze, starke Borste und auf dem dünnchitinisierten Endfeld wenige, wie es scheint immer vier, gleich- große Geschmackskegel von der an den Fühlern und Maxillartastern angetroffenen Form. Die accessorischen Tastergheder sind auf dem zweiten Stadium nur angedeutet und fehlen dem ersten Stadium ganz. Die folgende Tabelle bedarf keiner Erläuterung. mm 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium S.Stadium nacli Meinert Palpus Gesamtlänge . . labia-^1. Glied .... lis 2. Glied .... 1 1,4 1,9 97 0,6 0,8 0,2 + 1,05=1,25 10 + 50 = 60 0,4 0,6 0,25 + 0,4 = 0,65 15 + 22 = 37 Länge in der Men- < tum Mitte .... Länge an den 0,2 0,3 0,5 35 Seiten .... 0,3 0,4 0,6 Breite 0,5 0,7 1,25 70 e. Vergleich der Mundwerkzeuge bei Dytisciden, Carabiden und ihren Larven. Daß die larvalen Mundwerkzeuge in Gestalt und Funktion durchaus sekundäre Bildungen sind, kann wohl ebensowenig einem Zweifel unter- liegen wie die Erscheinung, daß sich die Mundteile der Imago wenig von dem ursprünghchen Typus entfernt haben. Dieses Verhältnis ist für die phylogenetischen Beziehungen zwischen Jugendform und Ge- schlechtstier wiederum überaus bezeichnend. AVenn wir beide Organ- systeme einem Vergleich unterziehen, so gelingt eine direkte Zurück- führung der larvalen auf die imaginalen Mundwerkzeuge im Reiche der Dytisciden nicht. Die Carabiden und ihre Larven liefern aber auch hier, ihrer stammesgeschichtlichen Stellung entsprechend, die fehlenden Zwischengheder. In Fig. 25, 26 und 27 ist eine Serie zusammengestellt, die von den Mundteilen der Dytiscus-Imago ohne Sprung zu denen seiner Larve führt. Die Organe sind alle gleich orientiert, nämlich von der Unterseite gesehen. Wir betrachten zunächst die Oberkiefer (Fig. 25). Daß die Mandibeln bei den Insekten heute ziemlich allgemein als bis auf die Coxae reduzierte Extremitäten aufgefaßt werden, sei kurz Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Inxago. 49 vorweg bemerkt. Im übrigen bieten die Oberkiefer zwar gestaltlicb weitgehende Unterschiede, besitzen aber fast durchweg die gleiche dicondyhsche Scharnier-Gelenkverbindung mit dem Cranium. So auch hier. Stets findet sich der ventrale Condylus c.v, um den sich die von Fig. 25«—/. Linke Mandibeln, von unten gesehen, a) Dytiscus maroinalis L., Iniago; b) Carabus cwiaceuH, Imago; c) Carabidenlarve; d) Nebria, Larve; e) Colymbetes fusctis Jj., Larve; f) Dytiscus margi- nilis L., Larve, cd und c.v, dorsaler und ventraler Gelenkknopf der Mandibel; s.b. und ss, die Sehnen des Mandibelbeugers und ihres Streckers mit den ciiitinösen Verstärkungslelsten ch: k, Haarbesatz der Mandibel; z, Kanzahn; r, Hetinaculum; kx und A;2, äußere und innere Begrenzungs- linie des Kanallumens der Mandibel. Schematisiert. den Sehnen s.h (Flexor mandibulae) und s.s (Extensor mandibulae) bewegten Kiefer drehen. Durchweg sind diese Sehnen durch ein- gelagerte, dicke Chitinleisten ch verstärkt. Die dorsale Gelenkver- bindung der Mandibeln, d. h. der in den vorderen Stirnrand eingreifende Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 4 50 Hans Blunck, Condylus cd, ist nur in den Figuren 25a und 25b gezeichnet, bei den übrigen verdeckt, stets aber vorhanden. Demnach bewegen sich die Mandibeha der Dytisciden, der Carabiden und der Larven beider Familien in der gleichen Weise: sie drehen sich in der Frontalebene und -'^ Fig. 26 a—/. Linke Maxillen, von unten gesehen, a) Dijtiscus marginalis L., Imago; b) Jiroscm cephalotes L.; c) CaraÖMS-Larve (Algier); d) Nehria, Larve; e) Colymhetes fiiscus, Larve; f) Dytiscus marginalis 1^„ Larve, c, Cardo; s, Stipes; LA, Innenlade; L.e, Außenlade; Pp, Palpariuni; Pm, Palpus maxillaris; sec.G, sekundäre Basalglicder. Schematisiert. nur in dieser. Eine ziemlich allgemeingültige Kegel: Muskulatur und Gelenke zeigen sich den formwandelnden Einflüssen der Umwelt gegen- über resistenter als die Organe, die sie bewegen. Hinsichtlich der Gestalt differieren die Mandibeln des Gelbrands (Fig. 25a) und eines Laufkäfers (Fig. 25b) nur wenig. Beide zeigen Die Entwicklung des IJyti.seus luarginali.s \oin Ei bis zur liiiago. 51 auf der Kauf lache starke Zähne z uud einen reichhchen Borsten- besatz Ä. Sie zerfleischen die lebende Beute und übergeben die ab- gerissenen Fleischstücke den Unterkiefern (Fig. 26a und b). Im ganzen macht der langgestreckte Oberkiefer von Carabus einen etwas ursprüng- licheren Eindruck als das plumpe Beil von Dytiscus. An den Unterkiefern (Fig. 26a und b) der beiden Käfer lassen sich keine wesentlichen Differenzen nachweisen. Sie bewegen sicli Fig. 27 a—/. Unterlippen, von unten gesehen, a) Dytiscus marginalis I«., Image; b) Broscus eepfialutcs L., Imago; c) Calosoma sycophanta L., Larve; d) Nebria, Larve; e) Colymbetes fuscus L., Larve; i) Dytiscus viargiiialis L., Larve, sbm, Submentum; m, Mentum; par, Paraglossen; lig, Ligula; Plpr, Palpariuni; sec.G, sekundäre Grimdglieder des Palpns labialis P.l. Schematisiert. durch Vermittlung des Angelgliedes c in der Frontalebene, kauen und befördern mit der wohl ausgebildeten, dem, Stamm s aufsitzenden inneren Lade Li, die grob zerkleinerte Nahrung in das weite Mundloch (Fig. 17a F), und kontrollieren sie mit den Tastern L.e und P.m. Der Grund- typus der Insektenmaxillen ist hier in Gestalt und Gliederung noch ziemlich rein erhalten, so daß die Auflösung in die Elemente cardo c, sti- pes s, palpus maxillaris {P.m), lobus externus {L.e) und Lobus internus 4* 52 Hans Blunck, (L.i) keine Schwierigkeiten macht. Daß man darüber hinaus Homo- logien zur Krebsmaxille und zur Locomotionsextreniität gesucht hat, z. B. den Cardo als Subcoxa, den Stipes nebst Laden als Coxalia und die 4 Glieder des Tasters als Trochanter, Femur, Tibia und Tarsus gedeutet hat (vgl. Börner 1914, S. 682) kann hier nur angedeutet werden. Die Unterlippe (Fig. 27a und b) bildet den Abschluß des Mundes nach miten zu (Fig. 17a MX2) und unterstützt mit den Tastern P.l die Nahrungsprüfung durch die Maxillatpalpen. Die Glossen ( = innere Laden) sind zum Kauen gänzlich ungeeignet und zur Ligula lig. ver- schmolzen. Im übrigen besitzt die Unterhppe einen im Vergleich zu anderen Käfern ursprünglich zu nennenden Bau. Die Paraglossen ( == äußere Laden) par sind noch gegen die Ligula deutlich abgesetzt, die Palparien PZ^?/" haben ihre Selbständigkeit bewahrt, wenn sie auch eine unverkennbare Tendenz zur Verschmelzung; mit der Ligula auf- weisen. Das Mentum m ist von dem Submentum sbtn durch eine tief eingerissene Sutur getrennt. Das Unterkinn shn ist bei dem Carabiden scharf gegen die Schädelkapsel abgesetzt, neigt aber bei Dytiscus bereits so innig zur Verbindung mit den hinteren Kopfsegmenten, daß Euscher seine Begrenzimgslinien übersah. Im ganzen zeigen also die Mundwerkzeuge des Lauf- käfers einen etwas ursprünglicheren Bau als die des Gelb- rands. Die Abbildungen c der Serien Fig. 25 — 27 geben die Mundwerk- zeuge einer Carabidenlarve wieder. Sie sind im ganzen denen der Imago ähnlich, zeigen aber im einzelnen doch nicht unbedeutende Ab- weichungen. Der Oberkiefer der Carabidenlarve (Fig. 25c) ist gegen den der Imago (Fig. 25b) insofern different gestaltet, als die Zahl der Zähne auf einen {r, Retinaculum) und die Borsten auf ein kleines Büschel h an der Basis reduf^iert sind. Die hakenförmig gekrümmte Spitze des Kiefers durchbohrt das Opfer. Das Eetinaculum r ergreift die zer- malmten, durch ausgebrochenen Magensaft halb verdauten Beute- stücke und drückt sie in die spaltförmige Mundöffnung (Fig. 17 b F) hinein, welche den halbflüssigen Nahrungsbrei dem Schlünde zuführt. Das Retinaculum nimmt also den Unterkiefern hier einen Teil ihrer Aufgabe ab. Es entlastet insbesondere die Kauladen, die dement- sprechend eine Reduktion erfahren. Die innere Lade der Maxillen (Fig. 26c L.i) ist bis auf ein mit einem kleinen Sinnesdorri ausgerüstetes Ghed obliteriert oder in den Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Jmago. 53 Stipes aufgegangen. Der Lobus externus L.e, welcher bereits bei der Imago mehr ein Sinnesorgan als eine Kaulade darstellt, hat seine Gestalt ziemlich bewahrt. Der Palpus maxillaris P.m ist unbeeinflußt, und auch der Stipes s hat sich wenig verändert. Der Cardo c ist verkürzt, die Beweglichkeit somit etwas eingeschränkt. Die Maxillen sind zur Zerkleinerung der Nahrung nicht mehr geeignet. Sie tragen auch zum Transport der präoral aufgeweichten Stoffe nur noch wenig bei, ver- sperren vielmehr durch ihren Haarbesatz ungelösten Fartikehi den Übertritt in den Saugmund und beginnen, sich zu Greschmacksorganen auszugestalten. Die Unterlippe (Fig. 27c Mx^) ist gegen die der Imago wenig ver- ändert, wenn man von der fortschrei- tenden Reduktion der Laden absieht. Die Paraglossen lassen sich nicht mehr nachweisen. Die Zunge lig ist durch- aus unpaar und klein. Das beim ge- schlechtsreifen Tier gegen das Mentum m noch gut abgegrenzte Sub mentum shm zeigt die Tendenz zu obliterieren und läßt sich kaum noch sicher nach- weisen. Die Skizzen d der Serie Fig. 25/27 geben die Mundwerkzeuge einer ande- ren Carabidenlarve (Nebria) wieder. . , l ^ , , ^ ' Ijinke Mandibel der Larve von Colymhetes Sie sind den besprochenen der Larve fuscus l., schräg von oben von der innen- VOn CarahuS COriaceUS und BrOSCUS ^eite gesehen e.(i und «..dorsaler und ventraler Gelenkknopt der Mandibel; s.s Cephalotes ähnlich, vertreten aber doch und s.b, Selmen des Streckers und des Beu- im ganzen einen etwas abgeleiteteren "«'^^' '' Lvimen der Mandibel; a, «; & lu- ° " men der Mandibelrinne fcj — i-g; c, Ptetuia- TypuS. culum. Schematisiert. An den Mandibeln (Fig. 25d) ist das Haarbüschel h und damit der letzte Kest des dichten Haarbesatzes, den wir bei der Imago von Carabus antrafen, geschwunden. Das Organ ist, im ganzen genommen, schlanker als das der Fig. 25c, im Querschnitt mehr kreisförmig und stärker gekrümmt. Funktionell unterscheidet es sich von dem Kiefer der Carabinenlarve wenig. Auch hier durch- bohrt die Spitze die Beute und das Retinaculum r schiebt die Nahrung dem kleinen Munde zu. Bei den Maxillen (Fig. 26d) hat die bereits bei der 6Wa6ws-Laive angedeutete Tendenz, dieses Extremitätenpaar zu einem reinen Sinnes- 54 Hans Blnnck, orgau iiuizugestalteii, große Fortschritte gemacht. Die innere Lade ist bis auf einen starken Dorn LA in den Stipes s eingeschmplzen. Die äußere Lade L.e ist ein typischer Taster gebheben, der dem wohlgeghederten Palpus maxillaris P.m funktionell gleichwertig zu sein scheint. Der Stipes s zeigt nur noch spärlichen Borstenbesatz, ist schlanker als bei der Cl3diane Längsschnitte duroh den Vorderkopf einer a) Dyti8Ct(sIma.go; h) Carabidenlarve (Exo- tische Form, Port Elizabeth); c) Di/tiscus-harve. F, Frons; cl, Clypens, l; Labrum; Eph, Epipha- rynx; Eph (0), Gaumenwillst; Bph, tJypopharj^nx; Hph {G), Zungenwulst; Sb, Schlundbügel; Ibi, Lainum; l'.l, Palpus labialis; gr, Gula; M, Mund; Mh, Mundhöhle; Ph, Pharynx; Vh, Vorhot der Jlundhöhle; Mv, Mundverschluß; x, chitinöae Verstärkungsleiste im Dache der Mundhöhle. Schematisiert. ist also der Larvenmund offen (s. Rungius Fig. 33) und erlaubt der mit der alten Cuticula verbundenen Intima des Vorderdarms den 62 Hans Blunck, Austritt. Die Larve zieht nach hinten zu den weichen Kopf aus der alten Haut heraus, diese selbst verändert aber in' keiner Weise ihre Gestalt: der Mundverschluß bleibt in der alten Cuticula er- halten, "während er sich in der jungen erst erneut bilden muß. Er vollzieht sich gleichzeitig mit der Abplattung des Kopfes mid ist bereits nach einigen Minuten wieder hergestellt. In der Zwischenzeit frißt das Tier aber nachweislich niemals. Die Larve des Gel br and s ist also im Gegensatz zu anderen Dytiscidenlarven zur selbsttätigen Öffnung des Mundes und zur Aufnahme fester Nahrung nicht befähigt. Der Verschluß des Mundes, mehr noch aber die exzentrische Ein- lenkung der Mandibeln haben die Mundhöhle in Mitleidenschaft gezogen. Die Mundhöhle tritt mis bei der Iniago der Dytisciden (Fig. 33a) in der Normalform, d. h. als kurzes, nach vorn und hinten offenes Kohr entgegen, dessen Lumen durch dorsal (Gaumenwulst Fig. 33a Eph \^G'^ und ventral (Lingua Hph [(r]) vorspringende Falten stark eingeengt wird, bei der Nahrungsaufnahme aber einer bedeutenden Erweiterung fähig ist, so daß auch grobe Brocken den Schlund passieren können. Die gleichen Verhältnisse liegen bei den Laufkäfern vor. Bei den Larven der Carabiden (Fig. 33b) beobachten wir eine Abflachung der Mundhöhle unter gleichzeitiger Verbreiterung: ihre Seitenteile sind den auseinander weichenden Mandibeln gefolgt und etwas zipfelförmig ausgezogen, Epipharynx Eph und Hypopharynx Hph sind einander genähert. Das Lumen der dadurch zu einem breiten Querspalt abgeflachten Mundhöhle Mh wird durch dorsal und ventral aufgestellte, nach vorn gerichtete Reusenhaare (vgl. Fig. 33b) w^eiter verengt, so daß festen Nahrungsteilen der Eintritt erschwert wird. Die dünne und daher nachgiebige Intima des Epipharynx und des Hypo- pharynx dürfte indessen unter Umständen auch das Verschlucken gröberer Nahrungsbrocken gestatten. Die Mundhöhle derZ)?/iiscws-Larve (s. Fig. 33c) bereitet, für sich betrachtet, der Deutung einige Schwierigkeiten, läßt sich aber ziemhch leicht verstehen, wenn man sie mit den bei den Carabiden vorhegenden Verhältnissen vergleicht und annimmt, daß die bei diesen Larven ein- geleitete Umformung der imaginalen Mundhöhle in der gleichen Rich- tung weitere Fortschritte gemacht hat. Die lateralen Zipfel der Mund- höhle sind noch stärker ausgezogen, etwas naeh vorn vorgezogen (s. Fig. 34) und erreichen die seitlichen Vorderecken des Kopfes da, wo die Mandibeln eingelenkt sind. Epipharynx E'ph und Hypopharynx Hfh Die Entwicklung des Dytiscus niaiginalis L. vom Ei bis znr Iniago. 63 (Fig. 33 c) sind einander fast zur Berührung genähert, so daß die Mund- höhle zu einem sehr breiten, aber gleichzeitig sehr niedrigen Querspalt reduziert wird. Die wichtigste Neuerwerbung besteht aber in der durch den Mundverschluß Mv vollzogenen Absperrung der Mundhöhle Mh nach vorn zu. Streng genommen liegt dieser Verschluß nicht an der Stelle des primären Mundes (M), sondern etwas hinter diesem, so daß (vgl. Fig. 33b mit 33c) durch den sogenannten >>Mundverschluß << die Mundhöhle in einen vorderen, physiologisch damit bedeutungslos werdenden Vorhof Vh und einen hinteren Abschnitt Mh aufgeteilt wird. Nur den letzteren werden wir im folgenden weiter als Mundhöhle be- zeichnen. Vorn ist die Mundhöhle durch den Mundverschluß somit gerade abgeschnitten (s. Fig. 34). An der Rückwand trägt sie zwei dorso- ventral stark abgeflachte, fast blattförmige Aussackungen Mpr (Fig. 34), die nach oben zu in die Schädelhöhle zurückspringen. Zwischen und an diesen beiden Anhängen inseriert der Pharynx Ph, der somit auf der langen Querachse der Mundhöhle senkrecht steht. Das Dach der Mundhöhle wird in ihrem ganzen Bereich von dem Epipharynx Eph gebildet. Dieser ist im Vergleich zu den Nachbar- bezirken dünnhäutig und membranös zu nennen. Nur der First des Daches wird von einer festen Chitinleiste {x in Fig. 33c) gebildet, an der ein die Mundhöhle öffnender mächtiger Frontalmuskel inseriert. Der Boden der Mundhöhle ist dem Hypopharynx Hph zuzu- rechnen, der in diesem Bezirk sehr stark chitinisiert ist, während er im Bereich des Vorhofes Vh nur eine dünne, leicht zerreißende Membran vorstellt. Diese Verteilung des Chitins und die innige Verhakung des Mundverschlusses erklärt es, daß bei der Aufspaltung abgestreifter Häute stets die ganzen ectodermalen Vorderdarmpartien an dem Frontalschild mit dem ihm angehängten Labrum fixiert bleiben, während die Mundwerkzeuge an der unteren Hälfte der Kopfkapsel haften. Die Rückwand der seitUchen Mundhöhlenzipfel wird in den medianen Regionen vom Epipharynx und Hypopharynx gemeinsam bestritten, in der Nähe der Mandibeln findet sich aber ein eigentüm- liches Chitinstück in das Mundrohr eingebaut, auf das kürzlich Mangan (1912) aufmerksam gemacht hat. Es tritt ims entgegen als ein blatt- förmiges Plättchen (Fig. 34 spl), das sich von oben ein wenig über das Dach des Mundrohrs legt, dann nach unten zu umbiegt, um den rück- wärtigen Abschluß der Mundhöhle zu bilden und schließhch nach unten zu frei ausläuft, um sich an der Gelenkbildung für die Mandibel zu be- teiligen. Während die nach den Seiten des Kopfes zu gerichteten Teile 64 Hans Blunck, dieses Stückes frei auslaufen und etwas nach hinten und unten zurück- springen (vgl. Fig. 34), sind die mittleren Partien irinig mit dem Hypo- /»- SMh ^' - ärL ~~ SMh - Mpp Fig. 34. Kopf'einer'er\vachsenen*Larve"von" D^iisfws niars/inalis L.'ff Der Schädel ist von oben her aufprä- pariert, die Weiditeile sind bis auf den Darm 'entfernt. Der Nahrungsweg ist schwarz gehalten. 4, "Antennen; Md, Mandibeln, an ihrer Spitze der Eingang x zum ölandibularkanal il/rfr; Mh Mundhöhle mit ihren Seitenteilen SMh; Mpr, 'dorsale, blattförmige Ausstülpungen der Mund- höhle; PA, PharjTix; spZ, Maxilhilae(Superlinguac). Die unter dem fast ganz wegpräparierten Cl> peu3 gelegene Oberlippe ist durchscheinend gezeichnet, so daß die Basalteile der Mandibeln Mc/. der_Unterkiefer Mxi und der Unterlippe il/^g sichtbar werden. Zwischen der Unterlippe und dein Älundrohr Mh liegt der Vorhof der Mundhölile. Schematisiert. », • pharynx und den beiden mittleren Fortsätzen Mpr der Mundhöhle verschmolzen. Diese recht fest chitinisierten und gut abgegrenzten Elemente des Mundrohrs machen durcliaus den Eindruck selbständiger Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 65 Skelettelemente des Kopfes. Da sie außerdem topographisch dem Hypopharynx zuzurechnen sind, wurden sie von Mangan (1912) als Maxillulae gedeutet. Berücksichtigt man, daß kürzlich auch bei Dascilliden- und Scarabaeidenlarven Maxillulae aufgefunden sein sollen (Carpenter und Dowell 1912), so erschien es allerdings naheliegend, auch bei den übrigen Coleopterenfamilien nach diesen morphologisch interessanten Anhängen zu suchen. Mangan macht neben Dytiscus auch bereits bei Jhjhim auf kleine Anhänge aufmerksam, die denen der Gelbrandlarve nicht unähnUch sind. Am auffälligsten scheinen mir die sogenannten »Maxillulae« in dem von mir untersuchten Dytisciden- material aber bei Cyhister ausgebildet zu sein, wo die Organe zwischen Mandibeln und Maxillen etwas über diesen eingelenkt sind und in der Mitte einen zapfenartigen Vorsprung tragen. Dieser scheint an der Spitze mit zahbeichen sehr kleinen Sinneszäpfchen besetzt zu sein und erinnert in der Tat an die Terminalglieder der Maxillar- und Labial- palpen. Beobachtet wurden diese eigentümlichen Anhänge am Kopf der Cybister-LavYe bereits 1885 von Duges (S. 26) aber als Laden (>>lobules maxillaires«) und somit sicherlich falsch gedeutet. Meinert, der ebenfalls eine Beschreibung der tasterartigen Gebilde gibt (1901 S. 403), spricht sie als Anhänge des Mandibularsklerits an, eine Auf- fassung, die indessen nicht weiter gestützt wird. Mangan (1912 S. 5) macht mit Recht auf die homologe Lage mit den von ihm bei Dytiscus als Maxillulae beschriebenen Chitinstücke aufmerksam und deutet den Anhang bei Cyhister als >>a palp-like projection of a still larger process, indikating, perhaps, the occurence of a more primitively constituted maxillular rudiment in the larva of Cyhister«. Diese Auffassung fand ich bestätigt. Da eine genaue Abbildung der Maxillulae von Cyhister bislang fehlt, ist hier eine Figur (Fig. 35a u. b) beigegeben. Fig. 35a zeigt den Vorderteil des von oben her aufpräparierten Kopfes. Die Weichteile und das Dach der Mundhöhle sind mit der Schädeldecke und der Ober- lippe entfernt, so daß der vom Hypopharynx gebildete Boden Hph der Mundhöhle frei zutage liegt. Das Lageverhältnis der Mundteile zu einander ist, wie ein Vergleich mit Fig. 34 erkennen läßt, ganz ähnlich wie bei Dytiscus. Die Nahrung nimmt den durch die eingezeichneten Pfeile markierten Weg. Die sogenannten Maxillulen — sie sind in der Figur auspunktiert — erscheinen bei dieser Orientierung des Kopfes als schmale, nach den Seiten zu dolchförmig auslaufende Leisten, die in der Mitte den bereits länger bekannten tasterförmigen Anhang tragen. Sie begrenzen mit ihrem Basalstück unten und vorn das Mund- rohr, während der Taster zwischen Maxillarbasis s und OberUppe frei Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 5 66 Hans Blunck, Fig. 35 o und b. Fig. 35a. Vorderkopf der J.arve von Cybislcr, von oben her aufprapaiicit. Hph, HMiopharynx; Plpr, Palparium der Unterlippe Mx^; s, Stipcs des Unterkiefers Mx^; Md, Mandibel; A, Antenne; Ph, Pharynx. IJer Weg, den die durch die Jlandibeln aufgenommene Nahrung nimmt, ist durch Pfeile gekennzeichnet. Sclicmatisiert. — Fig. 35b. Unterlippe und Ma.\ilhilae der erwachsenen Larve von C'i//ns> keulenförmigen Zapfen« ein weites Lumen besitzen, Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 71 welches sich, an der Basis des Haares zu einem feinen Kanal verengt, und durch eben diesen Kanal mit einer durch starke Färbbarkeit des Plas- mas und chromatinreichen Kern ausgezeichneten Hypodermiszelle kom- muniziert. HocHREUTHER glaubt, den Scheitel der Keule zuweilen von einem engen Kanal durchbohrt gesehen zu haben, und vermutet, daß dem Zapfen eine sezernierende Aufgabe zukommt. Als Organe des chemi- schen Sinnes dürften die Keulenhaare nach Hochreuther nicht an- zusprechen sein, da ihre Basalzelle keinen proximalen nervösen Fort- satz zu besitzen scheint und auch in ihrer ^ Färbbarkeit und der Chromatinverteilung mehr an eine Drüsenzelle als an eine Sinnes- zelle erinnert. Gegen die secretorische Funk- tionsfähigkeit des Apparats spricht ander- seits die Feinheit der zu- und abführenden Kanäle, die dem grobgranulierten Inhalt des Haarlumens kaum den Durchtritt gestatten dürften. Die Frage nach der Funktion der bei den Larven und Imagines des Dytiscus in gleicher Weise ausgebilde- ten keulenförmigen Zapfen muß dem- nach noch offen bleiben. Weitere Haarbildungen traf ich auf dem Pronotum nicht an. Meinerts An- gabe (1901 S. 389): »Pronotum ... in scuto iMä Fig. 37. Die vier ersten Leibessegmente der Dytiscus-ljATve, von unten ge- sehen. Die Beine sind bis auf das dorsali SeriebuS duabus tranSVersis, integris ^nke Vorderbein fortpräpariert. l.th., 2.th., S.tli, Protiiorax, Meso- thorax u. Metathorax; l.abd, erstes abdominales Segment; ms.S und mt.S, mesothoracales und meta- thoracales Stigma; a, Acrosternit; p, Prosternit; m, Mesosternit; m(, Metasternit. Schematisiert unter Benutzung einer Figur Berleses. vel in medio interruptis squamarum pedi- culatarum<< ist mir unverständlich geblieben. Die vom Pronotum freigelassenen ven- tralen Partien des Prothorax (Fig. 9 und 37) sind häutig aber durch eingelagerte Chitinplatten verstärkt. Auf Grund dieser Chitinplatten und einiger, die Ventralseite aufteilender Querfalten (Fig. 9 und 37) unterscheidet Berlese (1909 S. 199) die vier Regionen: Acrosternit, Prosternit, Mesosternit und Metasternit, die dem Acro-, Pro-, Meso- und Metatergit entsprechen sollen. Im vorderen Drittel der Ventralseite ist ein querüber etwas ge- strecktes, rechteckiges Schild (Fig. 9 und 37 a) abgegrenzt, das sich direkt an den Hals anschheßt und seithch fast die herabgeschlagenen Notuniränder erreicht. Auf diese Weise wird der Prothorax vorn zu einem Chitinring vervollständigt, in dem die in ihn eingelassene Basis 72 Hans Blunck, des Schädels einen festen Halt findet, ohne daß die Bewegungsfreiheit des Kopfes, die der der Imago fast gleichkommt, wesentlich eingeschränkt wird (s. Bauer 1910 S. 608). — Die Gestalt des »Brustschildes«, das Berlese als Acrosternit anspricht, wechselt von Spezies zu Spezies und kann daher zur systematischen Charakterisierung der im übrigen unter- einander sehr ähnlichen Arten der Gattung herangezogen werden. Im vorliegenden Falle [Dijtiscus marginalis L.) ist das Chitinschild (s. Fig. 38) rechteckig und etwa IV2 ^^^ ^o breit als lang (2,7 + 1,7 mm). Seine mäßigstark gerundeten Seiten stoßen mit dem konkav ausgebuchteten Vorderrande in nahezu rechten Winkeln zusammen und gehen in den schwach konvexen Hinterrand im Bogen über. Hier und an den Seiten ist das Acrosternit undeutlich und sehr schmal gerandet. In der Nähe der Hinterecken (s. Fig. 38 j:) bemerkt man zwei dunkle Flecke im Chitin, die wahrscheinUch Muskelinsertionspunkte bezeichnen. Wenige- kurze, in Gruben einge- lenkte Borsten sind die einzigen Sinnesorgane dieses Feldes. Seine weichhäutige Umgebung ist durch ei- nige schlanke Tasthaare ausgezeichnet. Nach hinten zu schheßt sich dem '' ' ~x ~ Acrosternit, durch das häutige, nicht Fig. 38. weiter differenzierte Prosternit (Fig. Acrosternit des Prothorax der erwachsenen 37 ^j) getrennt, daS VOn BeRLESE als Larve von DyMsCMs »mrfl'mah's L. ar, dunkle, -.^ , ■.■/\i ■ \ • n \^- i. stärker chitinisierte Flecke im Chitin. Mesosternit (m) bezeichnete Gebiet an, das gegen seine Umgebung allsei- tig durch eine tiefe Furche abgesetzt ist und die Vorderbeine trägt. Diese erheben sich in gut 2 mm Entfermmg voneinander auf zwei, durch eine Querbrücke verbundenen Eollhügeln, den Subcoxen, die außen und vorn von den messerförmigen Trocantini tk, den Kesten der Basalglieder, außen und hinten von denEpimeren em begrenzt werden. Erstere sind etwas stärker chitinisiert als ihre Umgebung, von letzteren konnte ich dies nicht nachweisen und ihre Form daher nicht begrenzen, verweise aber auf die von Berlese gegebene Abbil- dung. Das Mesosternit wird von dem Mesothorax durch das schmale, häutige Metasternit mt getrennt. 2. Die Mittelbrust (mesotliorax) und die Hiuterbrust (metathorax). Die Mittelbrust (mesothorax) (Fig. 7 und 9, msth) und die H i n t e r- brust (metathorax) (Fig. 7 und 9, mtth) sind zusammen nur etwa halb so lang, aber etwas breiter als das erste Thoraxsegment; die Breite ver- Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 73 hält sich somit zur Länge wie 2:1. Beide Abschnitte sind in der Form untereinander so ähnUch, daß sie zusammen behandelt werden können. Sie halten im Bauplan die Mitte zwischen dem Prothorax und den Abdominalsegmenten und haben mit ersteren den Besitz der Extremi- täten, mit letzteren die relativ schwache Chitinisierung gemeinsam. Den Rücken bedecken nach den Seiten zu tief herabziehende Chitinschilde, die im Querschnitt annähernd halbkreisförmig sind und von der Sutura metopica längsgeteilt werden. Beide sind in der vorderen Hälfte etwas eingezogen und niedergedrückt, so daß der Meso- z. T. in den Prothorax und der Meta- in den Mesothorax eingeschachtelt werden kann (vgl. Fig. 8 und 57). Vorder- und Hinterrand der Chitinplatten (vgl. Fig. 6 und 7) sind ziemlich gerade abgeschnitten, die Seiten gerundet. Die spitzwinkeUgen Vorderecken (Fig. 8) liegen etwas stärker ventral als die gerundeten Hinterecken. Alle Ränder sind scharf gerandet, die seitlichen sehr schmal (Fig. 8), die vorderen breiter, besonders in der Mitte (Fig. 6 — 8), die hinteren hier, besonders beim Metathorax, sogar winkelig einspringend (Fig. 6 — 8), so daß ein vorderes und ein hinteres Randfeld von einem Mittelfeld unterschieden werden kann. Berlese (1909 S. 166, 198—199 und Fig. 162) faßt das vordere Randfeld (Fig. 7 und 8 a + pt) als Arco- + Protergit auf und spricht das Mittelfeld mst als Meso-, das hintere Randfeld mtt als Metatergit an. Die Trennungs- linien sind durch erhabene Chitinleisten markiert, welche auch nach dem Körperinnern zu etwas vorspringen. Die Oberfläche aller Felder ist schwach gerunzelt, am ausgeprägtesten noch im Mesotergit. Ich nehme vorweg, daß diese Oberflächenstruktur auch an den Tergiten des Hinterleibes nachzuweisen ist, nach hinten zu sich aber mehr und mehr verliert. Das Mittelfeld des Meso- und Metathorax trägt, be- sonders in seinen Hinterecken lange Tasthaare und über die ganze Fläche verstreute keulenförmige Zapfen neben einzelnen kleinen Gruben- kegeln. Auf den Randfeldern fand ich nur wenige, lange Tast- und ein paar kurze Keulenhaare. Die ventralen Partien (Fig. 9 und 37) sind am Meso- und Meta- thorax denen des Prothorax ähnhch gebildet, aber bis auf die bogen- förmigen und verhältnismäßig großen Chitinplättchen am Fuß der Rollhügel weichhäutig. Acro- und Prosternit sind verschmolzen (Fig. 37 a + p)- Die Beine stehen im Mesothorax 4, im Metathorax 5 mm, also weiter auseinander als im Prothorax. Vor den Rollhügeln ist den Vorderecken des Notum genähert im Mesothorax ein großes, scharf konturiertes Stigma (Fig. 8 und 9, msst) abgegrenzt, das bisher für das einzige thoracale Stigma galt und auch 74 Hans Blunck, funktionell allein als solches in Frage kommt. i Eine Stigmenanlage ist aber auch amMetathorax vorhanden und als kleiner schwar- zer Punkt (Fig. 8, mtst) an derselben Stelle wie am Mesothorax mit bloßem Auge sichtbar. Ich überzeugte mich, daß dieses Stigma ge- schlossen ist, daß es mit den Haupttracheenstämmen durch einen soliden Strang verbunden ist, und daß ein Verschlußappparat fehlt. Die Anlage ist also nach demselben Prinzip gebaut, wie alle Stigmenpaare auf dem ersten Larvenstadium mit Ausnahme des letzten. Die Stigmenanlagc kann ebenso wie die Stigmen der jungen Larven nur als Aufhängepunkt der Tracheen dienen und bei der Häutung für das Abstreifen der alten Spiralfäden von Bedeutung sein. — Ich suchte und fand das Stigma, weil am Thorax der Imago zwei Paare von Atemöffnungen vorhanden sind. Brocher wirft kürzlich (1913) die Frage auf, warum wohl bei der erwachsenen Larve gerade dieses Stigma geschlossen bleibt, während alle übrigen sich nach der 2. Häutung öffnen. Die Antwort scheint mir nicht schwierig zu sein. Alt hat festgestellt, daß das metathoracale Stigma bei der Imago einen mächtigen Luftsack im Thorax und außer- dem die Elytren versorgt, im übrigen aber zum Tracheensystem nur in untergeordneten Beziehungen steht. Bei der Larve sind weder die Flügeldecken noch der thoracale Luftsack vorhanden. Das Stigma wäre also funktionslos und wurde dementsprechend rückgebildet. Alt hat 1912 auf Gi'Vind seiner Befunde an der Imago das lange strittige Thema nach der seg mentalen Zugehörigkeit der Stigmen (vgl. die Arbeiten von Kolbe 1892, Sörensen 1895, Verhoeff 1903 und 1904 und de Bormans 1900) erneut diskutiert. Er rechnet das erste Stigma zum Prothorax und ist geneigt, das zweite thoracale Stigma der Mittelbrust zuzuteilen. Nach meinen Befunden an der Larve war es indessen wahrscheinlicher, daß der Meso- und der Metathorax ein Stigma besitzen, während dem Prothorax Atemöffnungen fehlen. Kürz- lich (1912) hat Korschelts Untersuchung der Embryonalentwicklung des Käfers die Frage einwandfrei in diesem Sinne bejaht. »Nach dem Verhalten der Embryonen kann es gar nicht zweifelhaft sein, daß die beiden Thoraxstigmenpaare dem Meso- und Metathorax angehören.« Diese Feststellung gilt natürlich nur für Dytiscus und seine Verwandten. 1 Diese Zeilen wurden bereits 1909 niedergeschrieben. Inzwischen (1912) liat Herr Dr. Alt unter Berücksichtigung meiner Befunde eine monographische Untersuchung der Stigmen und Tracheen von Dijtiscvs marginalis L. vorgenommen und seine Resultate veröffentlicht (1912). Wir stimmen fast in allen Punkten völlig übercin. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 75 Zu der Frage, ob die Atemöffnungen der Insekten primär wirklich intra segmental oder int er segmental gelagert waren, sollte damit keine Stellung genommen werden. In der Tat scheint ja die auffallend schwankende Verteilung der beiden thoracalen »Stigmenpaare auf die drei Leibesringe der Brust — bei der Larve der LameUicornia ist das erste Stigma weit auf den Prothorax he rauf gerückt! — für die bereits 1892 von KoLBE vertretene Auffassung zu sprechen, daß die Atemöffnungen der Insekten ursprünglich in den Intersegmentalhäuten gelagert waren (s. Berlese 1909 S. 812). 3. Das Endoskelett des Thorax. Das Endoskelett des Thorax (Fig. 39) ist verhältnismäßig schwach entwickelt und läßt sich mit dem hochdifferenzierten Binnenskelett der imaginalen Brustabschnitte (s. Euscher 1910 S. 27/30) nicht in Vergleich setzen. Am Notum treten — augenscheinlich in- folge des Fehlens der Flügel — die endo- skelettalen Bildungen ganz zurück, nvir an der Ventralseite erlangen sie als Apophysen eine gewisse Ausbildung und scheinen vor- ne hmhch der Extremitätenmuskulatur als Stützpunkte zu dienen. Nach Berlese (1909 S. 358 ff.) lassen sich die Apophysen von eingefalteten, verhärteten Intersegmen- talhäuten ableiten und weisen dementspre- chend bei ursprünglichen Formen auch eine segmentale Anordnung auf. Es schieben sich die Apophysen also einmal zwischen die Hauptsegmente, am Thorax zwischen Vorder-, Mittel- und Hinterbrust ein, treten Fig. 39. dann aber auch auf der Grenze der von nieSternitedesThorax und des ersten Berlese unterschiedenen Unterabteilungen der Einzelsegmente, also am Thorax zwi- schen Arco- und Pro-, Pro- und Meso-, Meso- Und Metasternit auf. In der Eegel ist durch der Beine; H, Acrosternit; J, Proster- -,.. T-wTc • T • -j^- ii't; L + M, Meso- + Metasternit; sekundäre Differenzierungen diese primitive ^^ Antecosta; 6, Praecosta; c, mter- Anordnung der endoskelettalen Stücke ver- costa; a;, Praeforca; y.Forca; z.For- . 1,1-1 T-> , • T n 1 cella, si; Stigma. Nacli Berlese. Wischt, bei der JJytiscus - Lsuve soll das Binnenskelett die ursprünghche Lagerung verhältnismäßig gut bewahrt haben. Ich konnte Berleses Befunde nur unvollkommen nachprüfen abdominalen Segments einer Dytiscus- Larve von innen gesellen. I, Protlio- rax; II, Mesothorax; ///, Jletatlio- rax; Adi, erstes abdominales Seg- ment; Zi, Z2, Z3, die Gelenkhöhlen 76 Hans Blunck, und bescliränke mich daher auf die Wiedergabe der von ihm geheferten Figur (s. Fig. 39) und ihre Erklärung. Die ApophySen sind in der Figur fein punktiert. Im Prothorax finden sich hinter dem Brustschild H-^ (Acro- sternit) und vor der Einlenkungsstelle der Beine zwei, mit den Trocan- tinen fest verbundene Apophysen (praeforca, Xy), welche der Grenze a (phragma) zwischen Pro- und Mesosternit entsprechen. Nur diese Apophysen erlangen eine so bemerkenswerte Ausbildung, daß mir ihre Auffindung an abgestreiften Häuten ohne weiteres gelang. Ob sie den beiden Proapophysen des Prothorax zu homologisieren sind, die Euscher (1910 S. 28) von der Imago des Dytiscus beschreibt, lasse ich dahin- gestellt. — Zwischen den Beinen erheben sich auf der Grenze von Meso- und Metasternit zwei weitere Chitinfortsätze y (forca), die durch eine feste Brücke h (praecosta) miteinander verbunden sind. Auf der Grenze von Pro- zum Mesothorax ist die Apophyse Cj (intercosta) mit den Gabelfortsätzen z (forcella) eingebaut. Im Meso- und Metathorax wiederholen sich die im Prothorax auftretenden Apophysen a und b mit den Gabelfortsätzen Praeforca {x) und Forca {y), während den Intercosten die paarigen Anhänge fehlen. 4. Die Beiue. (Fig. 6, 7, 8, 9, 37, 40, 41, 43 d, 54c und 57.) Die im Vergleich mit anderen Coleopterenlarven bedeutend zu nennende Entwicklung des Thorax der Dytiscus -Lsivve ist raitbedingt Fig. 40. Bein einer erwachseueii Larve von Dytiscus. Nach SOHIÖDTE. durch die kräftige Ausbildung seiner Extremitäten. Jeder Brust- abschnitt ist mit einem gut entwickelten Beinpaar ausgerüstet. Die Beine sind lang, schlank, aber kräftig und mit Schwimmhaaren besetzt. Alle erreichen V4 der Körperlänge. Das erste Paar ist etwas kürzer als das zweite, und dieses wird wieder durch das dritte an Länge über- Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 77 troffen. — Die im Wasser schwebende Larve trägt die Beine seitlich und ziemlich horizontal ausgestreckt. Diese Haltung ist der Lage- bezeichnung ihrer Flächen und Kanten im folgenden zugrunde gelegt. Die drei Paare stimmen im Bauplan im wesentlichen überein und lassen die typischen Elemente der Hexapodenbeine erkennen. Jede Extre- mität gliedert sich also in Hüfte (coxa), Schenkelring (trochanter), Schenkel (femur), Schiene (tibia), Fuß (tarsus) und Krallenglied (praetarsus). Die Hüften (coxen) (Fig. 41 c und 54c, c) erheben sich als lange, schlanke, schenkelähnliche, distal etwas verjüngte CyHnder auf den Fig. 41. Hechtes Hinterbein einer erwachsenen Larve von Dytiscus marginalis 1., von hinten gesehen. c, Coxa; tr, Trochanter; /, Femur; ti, Tibia; ta, Tarsus; u, Krallen; o, »Gruben ohne Kegel«; &, starke Tastborste des Trochanters; e, Empodium; m, Remotor femoris. Vergrößert. von den subcoxalen Resten (Epimeren und Trocantinen) begrenzten Rollhügeln (Fig. 37). Sie sind auf diesen nach allen Seiten hin drehbar, bewegen sich also in einer Art Kugelgelenk. Die Hüften werden im Leben gewöhnhch nach außen geschlagen getragen und unterscheiden sich somit von der gewöhnüchen Haltung der Coxen, die (vgl. Erichson. a. a. 0. S. 75) und Everts (a. a. 0. S. 110 ff.) bei den Käferlarven ge- 78 Hans Blunck, meinhin nach hinten zu convergieren. Die Behaarung ist, verghchen mit den übrigen Ghedern, spärhch zu nennen. Da die Verteilung der Chitinanhänge der Extremitäten sowohl für die Beurteilung der Alters- stadien der Larven wie auch systematisch wichtig ist, wird ihre An- ordnung hier mitdiskutiert. An der Außenseite läuft hinten (s. Fig. 41 u. 54c) eine sehr weitläufige, vorn eine etwas dichtere Keihe mittel- langer Schwimmhaare herab. Die Innenseite ist ganz kahl. Das nach außen stark abgeschrägte distale Ende ist mit sehr wenigen, innen etwas reichlicher mit kräftigen, kurzen Borsten besetzt. Kleine Grubenkegel und Keulenhaare verteilen sich über die ganze Oberfläche, besonders im proximalen Teil. »Gruben ohne Kegel << konnte ich nicht sicher nach- weisen. Der zwischen Hüfte und Oberschenkel eingeschobene kleine Schenkelring (trochanter, tr) ist in einem Charniergelenk beweglich und bildet in der Kühe mit der Coxa einen nach außen zu offenen rechten Winkel. Einer Annäherung des Trochanters gegen die Coxa entspricht somit eine Hebung des ersteren, während alle übrigen Beingheder so gegeneinander artikulieren, daß sie bei der Beugung nach unten schlagen. Der Trochanter scheint mit der Coxa in einer weniger engen Verbindung zu stehen, als mit dem Femur, der seinem oben stark abgeschrägten Ende in einem Rollgelenk angefügt ist, das keine Beugung gegen den Träger, aber eine Rollbewegung um die beiderseitige Längsachse er- möglicht. Die Rückrollung ist eine passive, die VorwärtsroUung eine aktive Bewegung, die durch den kleinen, aber sehr kräftigen, in der Fig. 41 angedeuteten Muskel m bewirkt wird, und dadurch, daß sie Femur, Tibia und Tarsus in Bewegung setzt, für das Schwimmen von hervorragender Bedeutung ist. Den Trochanter teilt in der Mitte eine durch eine Chitinleiste ver- stärkte Einschnürung in einen proximalen kleineren und einen distalen größeren, den Rollmuskel führenden Abschnitt. Diese Einschnürung, die sich auch bei einigen anderen Insekten (Odonaten, Trichopteren) findet und an die Ditrocha der Hymenopteren erinnert, sollte nach Verhoeff (1903 S. 205 — 214) die Grenze zwischen zwei erst sekundär verschmolzenen Gliedern bilden, von denen nur das proximale dem Trochanter der Chilopoden homolog, das distale aber ein besonderes Glied, ein >>Präfemur<< wäre. Spätere Autoren sind Verhoeff nicht gefolgt. Grünberg (1903 S. 79) meint, die Einschnürung sei durch die erwähnte Chitinleiste bedingt, und diese diene zur Befestigung und Versteifung des Ghedes. Meinert (1901 S. 324— 431 ff.) hebt hervor, daß es sich nicht um eine »Separation proprement dite en Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 79 deux articles avec modifications correspondantes de la musculature« handelt. Der vor der Einschnürung gelegene Abschnitt des Trochanters ist bis auf eine kleine Borste vorn oben, sowie wenige Schwimmhaare und Borsten auf dem Unterrande kahl. Hinter der Emschnürung ist der Unterrand mit einer Reihe von etwa 20 Schwimmhaaren und diesen parallel etwas weiter nach vorn zu mit ebenso viel kräftigen, kurzen Borsten besetzt. Auf den Seitenflächen steht dem Unterrande genähert je eine sehr kräftig chitinisierte Borste (b), zu der auf der Vorderseite noch zwei schwächere kommen. In der Nähe der beide Trochanterstücke trennenden Chitinleiste trifft man mehrere »Gruben ohne Kegel« (Fig. 41 o), mindestens eine stets der Leiste direkt einge- baut i. Der Oberschenkel (femur, /) ist das größte Ghed des Beines, schwächer als die Coxa aber etwas länger. Er kann als ein in allen Teilen ziemlich gleichstarker, seitlich etwas abgeplatteter Cylinder be- zeichnet werden. Seine schräg abgeschnittene Basis ist dem Trochanter eingefügt, der distale Abschnitt endet ziemlich gerade abgestutzt. Zwei Reihen langer, sehr dicht gestellter Schwimmhaare ziehen auf der Rückseite entlang, eine in der unteren KielUnie, die andere dem Rücken genähert. Jedes einzelne Schwimmhaar ist außerordentlich fein, aber stark und erreicht die Länge des ersten Fühlerghedes, mißt also fast 2 mm! Auf dem Femurrücken sieht man weitläufig starke Borsten verteilt. Eine weitere Borstenreihe begleitet vorn in sehr geringem Abstand die untere Schwimmhaarreihe. Zerstreute, kräftige Borsten verteilen sich beiderseits über die untere Femurhälfte imd seinen Spitzen- rand. Eine Anzahl »Gruben ohne Kegel« steht unter der oberen Schwimmhaarreihe. Der Unterschenkel (tibia, ti) ist nur etwa V4 so lang wie der Oberschenkel, in allen wesentlichen Punkten aber gleich gebaut. In der Behaarung finden sich keine Unterschiede. Die Basis ist schräg abgeschnitten und artikuhert im Kniegelenk mit dem Oberschenkel. Die Spitze verbindet sich auf gleiche Weise mit dem Fuß. Der Fuß (tarsus, tr) ist, wie bei allen Larven der Metabola, ein- gliedrig. Das restierende Glied ist gut ausgebildet, der Form nach der Tibia ähnlich, jedoch schwächer und nur 2/3 so lang. In der Behaarung ergeben sich einige Abweichungen. Die Schwimmhaare der Kielreihe 1 Die Gruben sind auf diesem Stadium wegen der Ungunst des Objekts nur schwer aufzufinden und konnten nicht alle aufgezählt werden. 80 Hans Blunck, sind in der distalen Hälfte durch kleine, kurze Borsten ersetzt. Alle ' größeren Borsten sind der Zahl nach reduziert, auf den Seitenflächen fehlen sie ganz. Unter den oberen Schwimmhaaren steht auf halber Höhe des Ghedes eine »Grube ohne Kegel <<, zwischen dieser und der Spitze ein langes nach oben gerichtetes Tasthaar. Die Krallen (ungulae, u) sind in der für alle Dytisciden-, Gyriniden- und die meisten Carabidenlarven gültigen Zweizahl vorhanden. Sie sitzen dem kleinen Krallen glied (Praetarsus) auf, von dem nur der mediane Fortsatz, die »Streckplatte« (empodium, e) sichtbar ist. Das Empodium trägt an der Spitze zwei Borsten, die sich hier vor den übrigen Borstenhaaren nicht auszeichnen, aber bei anderen Dytiscidenlarven (vgl. de Meijere 1901 S. 432 und Taf. XXXII, Fig. 52) durch ihre Größe auffallen. Die unbezahnten kräftigen und spitzen, nur schwach gekrümmten Krallen sind bis Y3 so lang wie der Tarsus. Die Längenverhältnisse der drei Beinpaare und ihrer Glieder untereinander werden durch die nachstehende Tabelle veranschaulicht. Zur Erleichterung des Vergleichs sind die entsprechenden Maße auf dem ersten und zweiten Larvenstadium schon hier daneben gestellt. Die Maße sind als relative Werte aufzufassen, da sie naturgemäß mit der Größe des Individuums variieren. Die Gesamtlänge der Beine erscheint kleiner als die Summe seiner Teile, weil die Gheder teilweise etwas ineinandergeschachtelt sind. Es muß auffallen, daß die Beine der er- wachsenen Larve verhältnismäßig viel kürzer sind, als die der jüngeren Stadien, eine Erscheinung, die, wie es scheint, für alle wasserbewohnen- den Coleopterenlarven gilt. Sie wurde z. B. von Balfour-Browne (1910 S. 335) auch bei Hydrohius fuscipes beobachtet. Längenverhältnisse der Beine in Millimetern 1. Vorderbeine 1. Stadium 2. Stadium 3 Stadium Coxa 1,9 2,9 3,9 Trochanter 1 1.1 1,5 Feniur 2 2,8 4 Tibia 1,8 2,1 2,8 Tarsus 1,1 1,5 1,8 Krallen 0,8 0,9 0,8 Gesamtlänge 6,9 10,0 12,9 1 Bei allen Gliedern ist die obere, nur beim Trochanter die untere Seite ge- messen. Die Entwcklung des ])ytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 81 Mittelbeine. 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium Coxa 1,9 3 4,3 Trochanter 1 1,2 1,7 Femur 2,5 3,3 4,9 Tibia 2 2,9 3,3 Tarsus 1,5 2 2,2 Krallen 0,8 0,9 0,9 Gesaratlänge 8,6 11,8 15,7 Hinterbeine. 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium Coxa 1,9 3 4,3 Trochanter 1 1,3 1,9 Femur 2,5 3,7 4,9 Tibia 2,2 3,1 3,8 Tarsus 1,7 2,1 2,7 Krallen 0,8 0,9 0,9 Gesamtlänge 8,9 12,6 16,4 5. Bemerkungen zur Tergleiehenden Morphologie des Thorax der Dytiscideu- und Carabidenlarven. Verglichen mit den Abweichungen im Bau der Kopfregion sind die am Thorax zwischen den Dytisciden- und Carabidenlarven obwaltenden Unterschiede geringfügig zu nen- nen. Speziell der Rumpf selbst stimmt in beiden Famihen im Bauplan im wesentlichen über- ein. Im ganzen hat der Pro- thorax parallel mit der Ausge- staltung des Kopfes bei den Schwimmern eine stärkere Ent- wicklung genommen und ist schlanker gebaut (s. Wesenbekg- LuND 1912, Taf. IX, Fig. 48) als bei den Larven der Laufkäfer, während die hinteren Brustab- Fig. 42. Die vier ersten Rumpfsegmente der Larve von Calo- 1 •,, 1,-ij. • -o' 1 soma. Linlcs die Sternite, reclits die entsprectienden Schmtte verhältnismäßig mehr Tergite. l^ Prothorax; 2°. Mesothoraxf 3°, Meta- zurücktreten. In der Chitinver- tliorax; ^rfi°, erstes Abdominalsegment. Linlcs: i •! -i^j. • 1. • r • ffl und h, Acro- und Prosternit (punktiert) ; »2, Meso- teilung ergibt sich insofern ein stemit (weiß, im ersten Abdominalsegmen^ schwarz); Unterschied, als die bei den Cara- »«'. Metasternlt (scliwarz) ; ep, Episternen (punlitiert) ; U4^^„ \^ A^^ -D^ ^1 ,„1,1 „ *"*> Epimeren (Icariert); tt, Trocliantini (senkrecht biden in der Kegel wohl ausge- „„„t^^if^ , ^ , , . . , , , „ . , ^^. o o gestreift); /er, Gelenldioiilen der Beme; s<, Stigmen. bildeten Episternite, PrOSternite Recht s:a+p, Acro- + Protergit; »i.Mesoterglt; mt, Metatergit ; al, die den Flügelanlagen entsprechen- den Skelettstücke. Nach Berlese. und Metasternite (Fig. 42 ep, p Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, CXVII. Bd. 82 Hans Blunck, und mt) auf der Bauchseite in Wegfall kommen. ])ieser Ausfall in der Panzerung des Körpers wird aber durch eine um so stärkere Entwick- lung des Notums reichlich wett gemacht. Das bei den Laufkäfern auf den Schutz der Dorsalseite sich beschränkende Rückenschild ist bei den Dytiscidenlarven seitlich tief herabgezogen und bezieht die bei den Carabiden zumeist wohl abgesetzten Alarplatten (Fig. 42 a^) restlos in sich ein. Im ganzen genommen dürfte der thoracale Chitin- panzer der Dytiscidenlarven dem der Laufkäferlarven an Stärke, nur wenig nachstehen. Bedeutendere Unterschiede ergeben sich in der Ausbildung der thoracalen Extremitäten. Die Beine sind bei den Jugendformen der Carabiden der Fortbewegung auf dem Lande, bei den Dytisciden dem Aufenthalt im Wasser angepaßt. Die Carabiden larven kriechen, die Dytisciden sind geschickte Schwimmer. Dementsprechend sind die Beine der Carabiden kurz, gedrungen und mit starken Borsten besetzt, die Beine der Schwimmer lang, schlank und mit dichtgestellten Schwimm- haaren ausgerüstet, während der Borstenbesatz zurücktritt. Selbst die besten Läufer vmter den Larven der Cicindeliden, Carabiden und Cocci- nelliden erreichen nur ausnahmsweise {Leistus und Lorocera) in der Beinlänge die Maße der Dytiscidenlarven. Ich möchte aber an dieser Stelle die Aufmerksamkeit auf eine sehr eigenartige Käferlarve aus China (Prov. Fo-Kien, G. Siemssen vend. 9. 9. 1904) lenken, die sich im Hamburger Naturhistorischen Museum befindet und trotz ihrer abnorm langen und kräftigen Beine von F. Eichelbaum den Carabiden nahegestellt wird. Die Hinterbeine messen 14 mm, das ganze Abdomen nur 9 mm. Leider ist über die Lebensweise des Tieres nichts bekannt. Nach dem ganzen Habitus, der an die flügel- losen Stabheuschrecken imd an Perlidenlarven erinnert, zu urteilen, handelt es sich um einen flinken Räuber, über dessen Aufenthalt die Gestalt aber nichts Näheres aussagt. Landkäferlarven mit so hoch differenzierten Extremitäten sind nicht bekannt. Bei einigen Dytis- ciden sind Larven mit Beinen, welche die Länge des Abdomens über- treffen, indessen wohl beobachtet worden {Laccophüus). Unter den einheimischen Carabiden steht das Tier der Gattung Leistus wohl am nächsten. Die Species dieser Gattung bewohnen feuchte örtlichkeiten, Teichränder usw. und zeigen eine gewisse Ähnüchkeit mit Dytisciden- larven, eine Analogie, auf die bereits Reitter (1908 S. 90) aufmerksam {jemacht hat. Vielleicht lebt die chinesische Larve ebenfalls in feuchter Umgebung und bewegt sich kletternd zwischen Sumpfpflanzen. Zum längeren Aufenthalt unter Wasser und zum freien Schwimmen läßt sie Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 83 P^ so fk d ■"' h i a q 6* 84 Hans Blunck, ihr Habitus und der Bau der großen offenen Stigmen nicht geeignet erscheinen. Die hier angeführten Differenzen im Bau der Beine zwischen Cara- biden- imd Dytiscidenlarven kommen in der Fig. 43 zum Ausdruck, in der die erste Skizze das rechte, von hinten gesehene Hinterbein einer Laufkäferlarve, die letzte Skizze die entsprechende Extremität einer Dytiscus-luSiTve darstellt. Die Gliederung in Coxa, Trochanter, Femur, Tibia und einen einghedrigen Tarsus ist, wie aus Fig. 43 zu ersehen, bei Carabiden imd Dytisciden die gleiche. Wesenberg -Lund hat kürzlich eine Serie von Abbildungen der Beine verschiedener Dytis- cidenlarven zusammengestellt, die den allmählichen Übergang von sehr mi vollkommenen Ruderbeinen, wie wir sie z. B. bei Jlyhius mid Agahus antreffen, zu den ausgesprochenen Schwimmbeinen der Dytis- cus-, Äcilius- und Cyhister-lt&rye veranschaulicht (1912 Taf. IX, Fig. 47 a— k). Ein Vergleich der Skizzen a und b läßt erkennen, daß die Extremität von Jlyhius ohne weiteres die Brücke von den Dytisciden zurück zu den Carabiden schlägt. Bei beiden fehlen die echten Schwimmhaare; die sie vertretenden Borsten sind relativ kräftig. Die JZ?/&ms-Larve ist ebenso wie die meisten hierher gehörigen Agabus-hsiTven zum freien Schwimmen nicht befähigt. Sie bewegt sich kriechend auf dem Boden oder an Pflanzen, hat also trotz des Miheuwechsels die Fortbewegungs- art der Carabiden durchaus beibehalten. Wesenbeeg-Lund hat be- obachtet, daß die Larven von Agahus ebenso wie die sich in dieser Hin- sicht gleich verhaltenden Hydroporus-hawen außerhalb des Wassers mit hoch über dem Boden getragenen Körper geschickt wandern, den Carabidenlarven also nicht nachstehen. Im einzelnen sei noch auf die sowohl bei Jlyhius wie bei den Carabiden mächtig entwickelte Coxa, auf die kräftigen Krallen mid darauf aufmerksam gemacht, daß der stark entwickelte Borstenbesatz an der Beugeseite der Beine stärker ist als auf der Streckseite. Schwimm- oder Ruderhaare fehlen bei beiden Formen ganz. Die Agahus-LsiTven bewohnen den dichten Pflanzenwald der Uferzone, einige Jlyhius-hsLVveii kommen auch weiter entfernt vom Lande in der Potamogetonregion vor. Gegenüber dei Jlyhius -Tusivve zeigt dieLarve von Colymhetes (Fig. 43c) insofern einen Fortschritt in der Anpassung an das Wasserleben, als Tibia und Tarsus, spärlich auch bereits der Femur, auf der Streckseite mit mäßig langen Schwinmihaaren besetzt sind, während der Borsten- besatz etwas mehr zurücktritt. Auf der Beugeseite fehlen die Schwimm haare noch ganz. Die Larven von Colmnhetes — hierher Die Entwicklung des Dytiscus maiginalis L. vom Ei bis zur Iinago. 85 biologisch auch Rhantus, nach Wesenberg-Lund auch einige Species von Jlybius und Hyphydrus — bewegen sich noch vornehmlich kriechend, sind aber, besonders nach der zweiten Häutung, bereits imstande, sich schwimmend im freien Wasser aufzuhalten, und entfernen sich weiter als Ägahus von dem Pflanzenrasen der Uferzone, können sich aber nicht schwebend im Wasser erhalten. Dieser vollkommenste Entwicklungsgrad wird unter den Dytisciden nur von relativ wenigen Formen, die allerdings zu den bestbekannten gehören, erreicht, nämlich von Dytiscus, Acilius, Cybister, Graphoderes und Hydaticus. Unsere Serie Fig. 43 schheßt mit der Extremität des Dytiscus ab (Fig. 43 d). Sie unterscheidet sich von Colymhetes durch den schlankeren Bau, die relativ größere Länge von Tibia und Tarsus, duich die Länge der Schwimmhaare und vor allen Dingen durch den Haarbesatz auf der Beugeseite des Beines. Femur, Tibia und weniger vollkommen auch der Tarsus sind beiderseits mit einem dichten Kamm langer Schwimm- haare besetzt. Auch an der Coxa treten wenigstens auf der Außenseite Schwimmhaare auf. Der Trochanter trägt solche auf der Beugeseite. Die bei Jlybius so mächtig entwickelten Borsten treten bei Dytiscus ganz zurück. Die Krallen sind relativ kurz. Dank der starken Ver- breiterung der Extremitäten durch den beiderseitigen Schwimmhaar- besatz ist die Dytiscus -Larve befähigt, sich von dem Boden und den Wasserpflanzen fast ganz zu emanzipieren und frei im Wasser zu schwe- ben. An Land bewegen sich die Tiere dagegen sehr ungeschickt und schleppen den Hinterleib nach. Junge Larven gehen, ihrem natür- lichen Element entzogen, schnell zugrunde. Unsere Befunde lassen sich dahin zusammenfassen: Die thoracalen Extremitäten der Dytiscus-Lawe haben die Gliederung des Carabidenbeines und im wesentlichen auch dieGestalt derEinzelglieder bewahrt. DieUnterschiede liegen in der relativen Länge der Extremität und in der Art seines Haarbesatzes. Die Längsstreckung der Einzelglieder, die Keduktion des Stachelbesatzes und vorzüglich die Aus- bildung eines doppelten Saumes langer Schwimmhaare sind als Anpassungen der Pytisciden an das Wasserleben auf- zufassen. Zwischen dem Schwimmbein der Dytiscus -Law c und der Kriechextremität der Carabidenlarven liefern die Larven der Schwimmkäfer, sowohl in biologischer wie in morphologischer Hinsicht alle denkbaren Übergänge. Es wurde davon abgesehen, hier ebenso wie bei den Anhängen des 86 Hans Blimck, Kopies die Extremitäten der Imagines mit zum Vergleich heran- zuziehen, da die Diskussion sich nicht so lohnend gestalten würde, wie bei den Mundwerkzeugen. Es sei nur bemerkt, daß die Extremitäten der Di/tiscus-JjSirve insofern einen primitiveren Charakter als die Beine des Käfers aufweisen, als sie untereinander weniger gestalthch diffe- rieren und in allen ihren Elementen frei gegen den Körper bewegbar sind. Bei der Imago ist die C^oxa des dritten Paares fest in die Brustregion eingeschmolzen. Die Beine des Käfers sind im Gegensatz zu denen der Larve verhältnismäßig kürzer als die der terrestrischen Vorfahren. Da in beiden Fällen Gehwerkzeuge zu Schwimmorganen umgestaltet sind, muß dieser Umstand zunächst auffallen. Er findet aber dadurch seine Erklärung, daß die Beine der Larve und der Imago des Dytiscus in ver- schiedener Weise die Fortbewegung im Wasser vermitteln. Die Extre- mitäten des Käfers sind echte Schwimmbeine. Homologe Gheder werden gleichzeitig und gleichsinnig bewegt. Die Larven sind Wasser- treter: die Beine eines Paares arbeiten abwechselnd. W. Roth (1909 Diss.) hat festgestellt, daß bei allen Schwimmern unter den Insekten — bei den Hemipteren ebenso wie bei den Coleo- pteren — die relative Beinlänge geringer ist als bei den terrestrischen Verwandten. Die Hydrophihden wollten sich diesem Gesetz nicht fügen. Zu ihnen würden sich jetzt die Larven der Dytisciden gesellen. Die Erklärung für dieses Verhalten dürfte einfach darin liegen, daß die Dytiscidenlarven und Hydrophihden sich »paddelnd« im Wasser be- wegen, während alle übrigen Gruppen, die von Roth untersucht wurden, die Extremitäten synchron gebrauchen. Die abweichende Funktion bedingt einen abweichenden Bau. Im einzehien kann hier auf dieses physikalisch-mathematische Problem nicht weiter eingegangen werden. d. Der Hinterleib (abdomen). (Fig. 6 abd, 7—9, 37, 44 und 49.) 1. Allg'emeines. Die Brust geht ohne scharfe Grenze (vgl. Fig. 6 — 9 und 57) in den langgestreckten, gegen den Jhorax in den ersten Segmenten etwas verbreiterten, nach hinten zu sich verjüngenden Hinterleib über, der sich aus 8 gleichmäßig gut ausgebildeten Segmenten und einem rudi- mentären 9. Segment aufbaut. Die Leibesringe sind voneinander und gegen den Thorax ebenso wie die Brustsegmente durch tiefe ringförmige Einschnürungen geschieden und wie diese dorsal stark chitinisiert, so daß das Tier, von oben gesehen, am ganzen Körper gepanzert erscheint. »Es ist ein schuppig Thier, auf die Art wie ein Granat« heißt es bei Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 87 SwAMMERDAM (S. 135 — Granat = Garneele). Die Unterseite des Ab- domens ist mit Ausnahme der letzten Segmente durchaus weichhäutig und verleiht im Zusammenwirken mit den ebenfalls schwach chitini- sierten Intersegmentalhäuten dem Abdomen eine große Beweglichkeit, die der Ortsbewegung im Wasser zugute kommt. Die durchweg cylin- drischen Segmente sind nach vorn zu etwas verjüngt und dorsal etwas abgeflacht, so daß die einzelnen Glieder ein wenig ineinander ge- schachtelt werden können. Das lebende Tier trägt das Abdomen auf- wärts gekrümmt und macht dabei von dieser MögUchkeit Gebrauch. Ihrem morphologischen Wert nach sind die 9 den Hinterleib zu- sanmiensetzenden Gheder als das 2. bis 10. Segment (Fig. 7: 2. (1.) bis 9. (8.) u. Fig. 49: 10. (9.)) aufzufassen, da das primäre erste Segment nach Berlese bei fast allen Coleopteren obliteriert oder doch mit dem zweiten Segment völUg verschmilzt. Beobachtungen, die ich am Embryo von Dytiscus anstellen konnte (1914), scheinen diese Auffassung z\i bestätigen. ä. Das ä. bis 1. (1. bis 6.) Abdominalsegment. Die sechs ersten Abdominal Segmente — morphologisch gesprochen das zweite bis siebente — zeigen untereinander den gleichen Bau und sind dem Meso- und Metathorax ähnlich gebildet. Sie nehmen (vgl. Fig. 6 — 9 u. Fig. 57 c) an Länge vom 4. (3.) Segment ab auf Kosten der Breite zu, so daß das 2. (1.) bis 4. (3.) Segment im Durchmesser den Metathorax übertreffen, ihm aber an Länge nach- stehen, während das 7. "(6.) Segment an Breite die Hinterbrust nur halb erreicht, sie aber an Länge um die Hälfte übertrifft. Die Dorsalseite der Segmente wird fast ganz von den mächtig entwickelten Tergi ten (Fig. 7 und 8 « -1- pt, mst und mtt und Fig. 49 tg) eingenommen. Die trapezförmigen Chitinschilde sind vorn und hinten gerade abgeschnitten, an den Seiten etwas gerundet und, besonders in den drei letzten Eingen, nach hinten verjüngt. Die nur unbestimmt begrenzten Eandpartien werden durch eine allseitig erhabene Kante von einem durch diese markierten Mittelfeld scharf geschieden. Dieses besonders stark chitinisierte mittlere Feld hat die Form eines in der Mitte verschmälerten Rechtecks mit abgerundeten Ecken. Berlese löst jedes Tergit in dieselben Abschnitte wie die Nota auf und trennt auch hier vom vorderen Randfeld, als dem Protergit, noch ein kaum angedeutetes Acrotergit ab (s. Fig. 44). Die Abgrenzung dieses Acro- tergits gelang mir nicht. Es sind daher in den Fig. 8 und 7 Acrotergit und Protergit ebenso wie am Thorax zusammengezogen gezeichnet 88 Hans Blunck, (a + pt). Die Mittelfelder oder Mesotergite sind, wenigstens in den fünf ersten Segmenten, vorn etwas niedergedrückt und von der Siitura metopica (Fig. 7 sut) längsgeteilt. Diese platzt bei der Häutung im ersten, zuweilen in den beiden ersten Segmenten auf. Neben dem Seitenrande trägt jedes Mittelfeld einen ziemlich tiefen Längsein druck, der einem Längskiel des Endoskeletts entspricht. Starke Vergrößerung zerlegt die ganze Oberfläche in sechsseitige, nicht ganz regelmäßige Feldchen. Die Sinnesorgane der Tergite bieten gegenüber dem Thorax wenig Besonderheiten. In den Randfeldern traf ich auf sehr wenig kleine Tasthaare, das Mittelfeld ist an Sinnesapparaten reicher. Eine Reihe langer Borsten begleitet im Bogen die Hinterecken, eine größere Anzahl verteilt sich über die Fläche, besonders in den der Mittelnaht benachbarten Partien. Kleinere Tasthaare sind fast überall anzutreffen. Keulenhaare konnte ich nicht sicher nachweisen. »Gruben ohne Kegel« er- kannte ich nur an der zweiten Larven- haut von Dytiscus semisulcatus Müll. -pia, 44. {punctulatus Fabr.) einwandfrei als sol- Abdominaitergit der Larve von Dytiscus. che, dort aber auf allen sechs Segmenten, rr.sutura metopica. Die übrigen Bezeich- jjj^ Stigmen. Im Gegensatz ZU der nungen wie in Fig. 42. Nach }5erlese. . .. , . beim Thorax sich findenden Verteilung besitzen die Atemöffnungen am Abdomen eine dorsale Lage und sind in den Bereich der Tergite einbezogen (s. Fig. 49 stg). Den Vorderecken des Mittelfeldes genähert hegt in den ersten sechs Ab- dominalsegmenten unmittelbar neben dem Seitenrande je ein deut- lich sichtbares, schwarz konturiertes und kreisrundes Stigma (Fig. 6, 7, 8 st und die Figuren Alts 1912), dessen breite Ränder etwas gegen ihre Umgebung aufgeworfen sind. Die Öffnimg ist ein wenig nach hinten gerichtet und dadurch besser gegen das Eindringen von Wasser beim Vorwärtsschwimmen der Larven geschützt. Die sieben ersten abdominalen Stigmen sind untereinander im wesentlichen gleich- mid ebenso gebaut wie das mesothoracale. Die Existenz der Stigmenöffnung und einer offenen Verbindung mit dem Tracheensystem ist des öfteren bezweifelt worden, und in den meisten, gerade in modernen Arbeiten (vgl. Lampert 1899 S. 98, Bade 1902 S. 5, EvERTS 1903 Suppl. S. 94 u. folg., Bade 1909 S. 662) wird angegeben, das Stigma sei durch eine Membran verschlossen. Richtig ist, daß sich über den durch einen dunklen Chitinring bezeichneten äußeren Stigmenrand eine zarte Lamelle kuppelförnüg vorwölbt. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur iniago. 89 ^cut Dieses Häutclien ist jedoch in der Mitte von einem schon unterm Binocular deutlich sichtbaren Porus mit unregel- mäßig gezackter Peripherie durchsetzt (s. Fig. 4:5a, o). Lacor- DAiRE (1838 Bd. II, S. 102), Erichson (1841, Bern. 4 und Gen. et Spec. Staphyl. 1839) mid Schiödte (1841 S. 507) geben auch bereits an, daU die Stigmen »nicht geschlossen« sind. Krancher (1881 S. 557) Ueferte eine anschauliche Beschrei- bung und Abbildung, aber selbst die scharfe Polemik Meinerts (1901, S. 349) hat bis heute die herrschende Auffassung nicht er- schüttern können. An den äußeren Chitinring des Stigma schließt sich nach innen zu die in ein langes und weites Rohr ausgezogene Stigmengrube (Fig. 45a, stg\ Stigmenhals) an, deren Wandung eine sehr unregel- mäßige Spiralzeichnung und einen dichten Besatz sehr feiner Haare erkennen läßt (vgl. Krancher, 1881 S.557 und Alt, 1912 Fig. 2a). Ich lasse es dahingestellt, ob diese Härchen den in den Tracheen zahl- reicher Insekten, z. B. der Imago von Hydwphilus (Berlese, 1909 S. 820 und Fig. 522), Procrustes (Leydig) und Lampyris (Ger- staecker, 1874 S. 129), aufgefun- denen Hohlhaaren identisch sind. Eine etwas eingehendere Beschrei- bung dieser Verhältnisse findet sich in der inzwischen erschienenen Arbeit Alts (1912), auf die hier ver- wiesen werden kann. Die Stigmengrube geht direkt in einen Zweig der Seitenhaupt- trachee tr über. Die Grenze wird durch den Beginn des Spiralfadens und außerdem durch einen gut ausgebildeten Vers chlußäp parat va charakterisiert, der von Alt näher untersucht wurde. Ich konnte bei einer Nachprüfung Alts Befunde im wesentUchen bestätigen, bemerke Fig. 4,5 a. Abdominales Seiteustigma der crwacliseaen J^irve von Dytiscus marginalis L. mit einem Teil seiner Tiachee tr und der Körpercuticula cut ; o, Eingang zur Stigmengrube stg; va, Versclilußapparat. Etwas scliematisiert. 90 Han.s Blunck, aber, daß das von Alt als >> Verschlußhügel << bezeichnete Element etwas anders ausgebildet ist, als Alts Figuren yermuten lassen (s. Fig. 7 a und b). Die Klemmvorrichtung besteht, wie das nebenstehende Schema (Fig. 45 b) illustrieren möge, aus der die Trachee zur Hälfte um- spannenden Chitinspange /, dem Verschlußhebel vh und dem Muskel vm. der die beiden einander gegenüberhegenden Chitinvorsprünge vk und uvm miteinander verbindet; bei seiner Contraction drückt er den stark hakenförmig gekrümmten Verschlußhebel mit seinem einwärts ge- bogenen, freien und zu dem Hebel vhl ausgezogenen Schenkel gegen die weichhäutige Tracheenwand, klemmt also das Lumen der Trachee ab. I u vm Fig. 45 6. Schema des Verschlußapparats des letzten Stigma einer Larve von Dytiscits murginalis L. 3. Sta- tliiini. /, Verschlußfalte; vh, Verschlußhebel mit dem Verschlußbügel vhl; vm, der die Chitiuzapfen rk und uvm verbindende Verschlnßmuskel. Alt rechnet den Verschlußhebel vbl mit Recht der Trachee zu und faßt ihn als eine Verstärkungsleiste ihrer Wandung auf. Meine Prä- parate drängen ohne weiteres zu der Annahme, daß der Verschlußbügel durch Zusammentreten und Verschmelzung mehrerer Windungen des Spiralfadens entstanden ist (vgl. auch Poetier 1911 S. 236). Dem- entsprechend ist der Verschlußbügel gegen den Hebel scharf abgesetzt, gegen die Tracheenwand aber so undeuthch abgegrenzt, daß er sich nur an abgestreiften Larvenhäuten und auch dann nur nach geeigneter Behandlung des Objekts nachweisen läßt. Besser als an den Seiten- stigmen sind alle Elemente des Verschlußapparats und somit auch der in Rede stehende Bügel am letzten Stigmenpaar des Körpers aus- Die Entwicklung des Dytiscus ruarginalii^ L. vom Ei bis zur Imago. 91 gebildet (s. u.). Kann ich somit Alts i\jigaben über die Zalil der Ele- mente des Verschlußapparats durchaus bestätigen, so weichen meine Resultate über ihre Anordnimg doch in einem Punkte von seinen Be- funden ab. Ich bemerke indessen, daß diese Differenz Alts Angaben über die Mechanik des Apparats kaum berührt. In dieser Hinsicht kann ich mich seiner Auffassung durchaus anschheßen. Alt läßt in seinem Schema Fig. 26 den Verschlußhebel vh mit dem Verschlußbügel vbl eine rf^^m) — — — ' bfshj) i'bl — n(n --r[fr) Fig. 45 f. Hegion des Veischlußapparats des linken letzten Stigmas. Von der rechten Seite gesehen. Nach einer abgestreiften 3. Larvenhaiit von Dytiscus marginalis L. bistg), Stigniengrube; r(.tr), Tra- chee; f(vm), der den Verschlußhebel j{vh) mit dem Chitiuzapfen giicvm) verbindende Verschluß- muskel. Bei seiner Contraction wird der Verschlußbügel vbl gegen die Chitinfalte ü (/) auf der Rückwand der Trachea gepreßt, das Lumen der Trachee also abgeklemmt. Stark vergrößert. allseitig geschlossene Kurve bilden. Ich stelltfe indessen fest, daß diese Kurve (s. Fig. 45a) offen ist, daß der Apparat also bis ins Kleinste ebenso organisiert ist wie bei den Imagines, bei denen Alt den Ver- scblußapparat richtig darstellt. Ich bemerke, daß Alts Fig. 26 sich in das hier gegebene Schema (Fig. 45b) ohne weiteres umwandelt, wenn man den vom Verschlußbügel und seinem Hebel umschriebenen Halb- kreis mit Chitin ausgefüllt denkt. So unbedeutend die sich hier er- gebende Abweichung in der Anordnung der Elemente für die Mechanik 92 . Hans Blunck, des Apparats ist, so bedeutsam ist sie für das Verständnis der Häutung. Ein Verschlußapparat, wie Alt ihn beschreibt, würde dem Hautwech- sel unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen. Bei der Häutung wird bekannthch auch die Chitinauskleidung der Tracheen und ihres Ver- schlußapparats abgestoßen. Bei der von Alt angenommenen chitinösen Verbindung zwischen Trachee und Verschlußbügel wäre das Abstreifen des Chitins ohne Verletzung der Weichteile des Tieres ausgeschlossen. Die wirklich vorhandene Anordnung setzt, wie ein Blick auf die Fig. 39 b dartun dürfte, keine Hindernisse entgegen. Das Vorhandensein eines Verschlußapparats macht es von vorn- herein wahrscheinlich, daß Stigmengrube und Trachee miteinander in einer offenen Verbindung stehen, die durch das Eingreifen der Klemm- vorrichtung unterbrochen werden kann. Diese Annahme wird weiter gestützt durch die Gegenwart von Luft in der Stigmengrube. Ein- wandfrei bewiesen wird sie durch die Beobachtung gelegentlichen und künstlich herbeiführbaren Austritts von Luftblasen aus den Stigmen (kürzlich (1913) bestätigt von Brocher!). Dadurch ist gleichzeitig der interessante Nachweis erbracht, daß die in den Tracheen einge- schlossenen Gase durch die Seitenstigmen mit der Luft der Außenwelt in offener Verbindung stehen. Auf die Wichtigkeit dieses Momentes für die Physiologie der Atmung sei bereits an dieser Stelle hingewiesen. Nicht selten erscheint die Stigmengrube z. T. mit einer Flüssigkeit gefüllt, über deren Natur und Herkunft ich mir noch keine Klarheit verschaffen konnte. Die Annahme Hegt nahe, sie für infolge der Capillar- wirkung eingedrungenes Wasser zu erklären, das mit der ersten Luft- blase wieder aus dem Körper herausgetrieben wird. Dann wäre die Flüssigkeit natürhch gasdurchlässig, und in diesem Sinne hat sich be- reits vor langer Zeit Sprengel geäußert (1815). Ähnhche Verhältnisse sollen auch beim Gabelschwanz obwalten. Für gewöhnlich enthält die Stigmengrube indessen kein Wasser. Die Tracheenluft füllt den Stigmenapparat vollständig aus. Die biologische Bedeutung dieser abdominalen Stigmen der Dijtiscus-hsivve ist bislang nur von Alt gestreift worden, der annimmt, daß sie für die Atmung nicht in Betracht kommen, so lange sich die Larve im Wasser befinde (1912 S. 420), aber funktionsfähig werden, sobald das Tier sich zur Verpuppmig an Land begibt. Portier, der sich außerordenthch eingehend mit der Physiologie der Larvenatmung befaßt hat, ohne indessen der Morphologie die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, spricht den Seitenstigmen jegliche respiratorische Be- Die Entwicklung des Dytiscus nxarginalis L. vom Ei bis zur Iiuago. 93 deutung ab und bezeichnet sie als »faux stigmates« (1911 — 1912 S. 229) >>qui restent inperfores pendant la duree de la vie larvaire<<. Diese Auffassung ist nach dem Gesagten wohl unhaltbar. Man muß Alt imbedingt zustimmen, daß die 8eitenstigmen der Larve imLager während der Vorbereitung zur Puppenruhe die gesteigerte Respirationstätigkeit erleichtern heKen. Es bleibt aber fraghch, ob sie während des Wasser- lebens wirklich bedeutungslos sind. Wenn sie schon für die Inspiration kaum in Betracht kommen dürften, so bliebe doch zu prüfen, ob sie nicht bei der Abgabe der verbrauchten Atemluft eine Rolle spielen. Brocher (1913) steht in seiner soeben erschienenen Arbeit auf dem Standpunkt, daß die Seitenstigmen unter normalen Bedingungen funktionslos sind (»sont inutilises<<), dagegen unter gewissen Umständen in Funktion treten. Brocher beobachtete Luftaustritt aus den Seiten- stigmen bei halberstickten Larven, als sie sich in Atemstellung befan- den. Das gleiche Phänomen begleitete die Atembewegungen einer dem Puppenlager entnommenen und wieder ins Wasser gesetzten Larve. Ich füge hinzu, daß man bei verpuppungsreifen Larven jederzeit dem Abdomen leicht Luftblasen entlocken kann durch leichtes Aufstoßen des Wohnbehälters auf seine Unterlage. Für mich war diese Er- scheinung sogar jahrelang das wichtigste Kriterium für die Feststellung des Entwicklungsstadiums meiner Zuchtlarven. Wenn sich die Ex- spiration durch die Seitenstigmen bei der Larve unter Umständen in so auffallender Weise vollzieht, darf man wohl mit Recht annehmen, daß diese Stigmen bei älteren Larven jederzeit bei der Abgabe der verbrauchten Atemluft mitwirken. Dieser Prozeß braucht sich durch- aus nicht, wie Brocher anzmiehmen scheint, durch die Abgabe sicht- barer Luftblasen zu dokumentieren. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die aus den Stigmen austretende Kohlensäure in gelöstem Zustande im Wasser festgehalten wird. Die Tracheen erstickter Larven sind, wie Brocher ebenfalls festgestellt hat, frei von Luft. Wo bheb die Kohlen- säure? Ich muß es mir indessen versagen, hier auf dieses physiologisch interessante Gebiet mich näher einzulassen. Die Ventraiseite der 6 ersten Hinterleibsegmente besitzt einen weniger komplizierten Bau als die Rückenfläche. Ihre Sternite sind durchaus weichhäutig, wenn auch durch Quer- und Längsfalten in be- stimmter Weise gegliedert (s. Fig. 8, 9 und 37). Die vielleicht noch den Pleuren zuzurechnenden Seitenteile (s. Fig. 8 und 9) sind durch tiefe Längsfurchen von dem eigentlichen sternalen Felde abgetrennt, das seinerseits wieder durch zwei Querfurchen in drei Unterfelder zerlegt wird. Berlese (s. Fig. 3) spricht diese, der am Thorax getroffenen Ein- 94 Hans Blunck, teilung entsprechend, als Acio- + Prosternit {a + p), Mesosternit (w) und Metasternit (mt) an. Ohne diese Einteilung kritisieren zu wollen, möchte ich mir den Hinweis erlauben, daß sich vor dem als Acro- + Prosternit aufgefaßten Feld noch ein vierter Bezirk (Fig. 8 und 9 v) abgrenzt, der etwas geringer an Umfang und tiefer gelegen ist als die drei genannten, ihnen aber im übrigen gleichwertig zu sein scheint. Jedenfalls dürfte er kaum der intersegmentalen Region zuzurechnen sein. Die Sinnesorgane der Ventralseite. Das Metasternit und die zentralen Partien des Mittelfeldes sind neben einigen normalen, langen Tastborsten und >> Keulenhaaren << mit nach hinten gerichteten, kurzen, kräftigen Haaren (Fig. 46) besetzt, über deren eigenartigen Bau ich mir bis zur Stunde keine Klarheit verschaf- fen konnte. Sie sind in kleinen, halbkugeligen Gruben eingelenkt, verjüngen sich zur Spitze ^. ,„ hin nicht und scheinen von oben nach unten Flg. 46. Sinneshaare vom 7. (6.) sternit abgeplattet ZU sem. Ob sich der Inhalt ihres der Larve von Dytimts margi- Porenkanals in das Haar fortsetzt, oder ob die nalis "L. Stark vergrößert. ht-j^j. iüv i, o i ^t i i-- • j. Mitteltlache ganz außerordentlich dünn ist, kann ich ebensowenig beantworten, wie die Frage nach der Funktion der Gebilde. Einmal scheinen sich Übergänge zu den >>Keiilenhaaren« ZU finden, dann aber ist auch ihre Ähnlichkeit mit den ruderförmigen Haaren am Stirnrand unverkennbar. Bei der Imago scheinen, so weit ich aus HocHREUTHERS Arbeit (1912) ersehe, keine Haargebilde vorzu- kommen, die sich mit den in Rede stehenden vergleichen lassen. 3. Das 8. (7.) Abdominalsegmeut. Das siebente Segment, morphologisch gesprochen das achte (Fig. 7: 8. (7.)) ist etwa so lang wie das 7. (6.), aber nur 2/3 so stark und hinten noch etwas schwächer als vorn. Dem Rückenschild fehlen die beiden Längseindrücke. Seine Seiten sind weiter nach unten gezogen und setzen sich in die Bauchfläche ein Stück fort (Fig. 9), so daß das Tergit im Querschnitt einen V4 Kreis beschreibt. Die schwach ge- rundeten Seiten bilden mit den geraden Vorder- und Hinterrändern ziemlich scharfe Winkel. Die Ränder sind fast gar nicht abgesetzt und nicht gekantet. Die Grenze zwischen den Rücken- und den Seitenteilen der Chitinplatte wird durch einen Saum sehr dicht gestellter, nach hinten gerichteter Schwimmhaare (s. Fig. 6, 7, 8, 9 und 49) bezeichnet, der zwei bis drei Haarreihen stark ist. Zwischen diesem und dem Seitenrand des Schildes liegt kurz vor der Mitte des Segments das Die Entwicklung des Dytiscu.'' n^arginalis L. ^oni Ei bis zur Imago. 95 siebente Stigma des Hinterleibs (Fig. 9: 7 st und Fig. 49: 7. Htigma), das sich nicht von den beschriebenen unterscheidet. Das ganze Tergit ist fein gerunzelt und in derselben Weise, nur etwas dichter mit Haut- sinnesorganen besetzt wie die vorhergehenden. Das häutige Sternit ist nur sehr undeutlich gegliedert und ganz mit mittellangen, stumpfen bis spitzen Kegeln oder Zapfen (s. Fig. 47) besetzt, von denen sich die meisten auf einem kleinen, dunkel getönten Hügel erheben und nach hinten gerichtet sind. Diese Kegel bilden den Übergang zwischen den kurzen, abgestumpften, flachen Haaren des 4. (3.) bis 7. (6.) Segments / Fig. 47. Fig. 48. Sinueshaaie vom 8. (7.) i^ternit. Sinneshaare vom 9. (8.) Stcmit. Stark Stark vergrößert. vergrößert. ZU den längeren, in eine scharfe Spitze ausgezogenen Borsten mit kreis- rundem Querschnitt des 9. (8.) Segments (Fig. 48). 4. Das 9. (8.) Abdominalsegment. Das achte, morphologisch gesprochen das neunte Segment^ (Fig. 7 und 49: 9. (8.)) bildet den letzten von oben sichtbaren Leibesring. Es ist im Gregensatz zu allen übrigen durchaus hornig, röhrenförmig, nach hinten etwas verjüngt, nur halb so stark wie das 8. (7.), aber um die Hälfte länger und bietet in mehrfacher Hinsicht anatomische Be- sonderheiten. Es mißt 7 mm und mehr. Tergit und Sternit sind nicht gegeneinander abgesetzt. Die Seiten sind dicht mit Schwimmhaaren besäumt (Fig. 6 — 9 und 49), die mit denen des 7. Segments in einer Flucht stehen. Der quergerunzelte Rücken ist mit wenigen großen, reichlicher mit kleinen, schlanken Tasthaaren besetzt. Kleine Keulen- haare sind zahlreich, »Gruben ohne Kegel«, wie es scheint, gar nicht 1 Die besonders bei älteren Autoren zu findenden Angaben von 8, 9, 11, 12 und 13 »Leibesringen« beruhen teilweise darauf, daß bei den einen der Kopf, bei anderen der Thorax, bei den meisten das 9. Abdominalsegment nicht mit- gezählt wurde, oder auf Irrtümern, wie die Figuren Rösels (Ins. aquat. 1. CL tab. I, Fig. 2—7), Sturms (1834, Bd. 8, Taf. 186v.) und Reitters (1908, Bd. 1, tab. 39, Fig. 6a) zeigen. 90 Hans Blunck, vorhanden. Ventral stehen sehr dicht die in Fig. 48 skizzierten mittel- langen Borsten. Ihre Bas's ist in die Fläche ni^r wenig eingelassen. Der noch ein Stück ins Körperinnere hinein von einer dicken Chitin- wand umkleidete Porenkanal setzt sich in das Haar fort. Das achte Segment zeigt ventral am Ende einen halbkreisförmigen Ausschnitt (s. Fig. 9 und 49) und ist oben in eine kleine Spitze ausge- zogen, unter der die achten, einander stark genäherten Stigmen liegen. Das achte und letzte Stigmenpaar des Körpers (Fig. 8 und 49: 8. Stigma) ist bei weitem das größte der 10 vorhandenen Paare und physiologisch das wichtigste. Es deckt den ganzen Inspirationsprozeß während des Wasserlebens der Larve und besitzt einen dementsprechend komplizierten, von der Organisation der abdominalen Seitenstigmen in mancher Hinsicht abweichenden Bau, der erst kürzlich von Alt eine einoehende Würdiguno; erfahren hat. Alt hebt als besonders bemerkens- wert hervor, daß das 8. abdominale Stigmenpaar zwar in mancher Be- ziehung bedeutend höher ausgestaltet ist als die übrigen, mit ihnen aber im Bauplan des Verschlußapparats völlig übereinstimmt. Ich konnte mich von der Berechtigung dieses Ausspruchs überzeugen und möchte auf diese Feststellung besonderes Gewicht legen, weil kürzlich Brocher (1913) in einer an feinen und exakten Beobachtungen reichen Arbeit Alts Studien einer Kritik unterzieht und einleitend seine Dar- stellung der Anatomie des Tracheensystems abfällig und wohl unbeab- sichtigt hart beurteilt. Im Text finde ich indessen nur an einer Stelle eine Ausstellung über die Arbeit Alts und diese betrifft seine Dar- stellung des Verschlußapparats. Brocher vermißt in seinen Präparaten den von Alt und auch von Portier (1911) beschriebenen Verschluß- bügel. Er gibt an, daß dort, wo der Chitinhebel bei der Contraction des Verschlußmuskels gegen die Trachee drückt, um diese abzuklemmen, das Chitin nicht nur keine Verstärkung aufweist, sondern im Gegenteil bemerkenswert weich und dünn ist. Ich nahm daraufhin eine erneute Untersuchung des Verschlußapparats vor und legte meine Befunde in den beiden Fig. 45b und 45c nieder. Die beiden Abbildungen lehnen sich möghchst eng an Brochers Skizzen Fig. IVA und C an, d. h. ich gab meinen der Figur zugrunde gelegten Präparaten zur Erleichterung eines Vergleichs die von Brocher gewählte Orientierung. Fig. 45c gibt den mit dem Zeichenapparat aufgenommenen Verschlußbezirk des linken Stigmas von der rechten Seite gesehen wieder. Die Bezeich- nungen decken sich mit denen Brochers. Die entsprechenden Ab- kürzungen Alts sind in Klammern beigefügt. Ein Vergleich der Figur Brochers mit der hier gegebenen Abbildung dürfte ohne umständliche Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 97 Erklärung ergeben, daß die Elemente beider sich zur Deckung bringen lassen bis auf ein am Fuße des Verschlußhebels j (vh) entspringendes, in meiner Figur schwarz gehaltenes Chitinstück vhl, das in die Wandung der Trachee an der Stelle eingelassen ist, wo der Spiralfaden der Trachee endet und die zarte Wand der Stigmengrube beginnt. Dieses Stück ist als eine Differenzierung des Spiralfadens aufzufassen, entspricht also in Bau, Lagerung und Funktion durchaus dem Ver- schlußbügel der übrigen Stigmen der Larve und denen der Imago. Es erscheint demnach angebracht, ihm auch die gleiche Be- zeichnung zu geben, wie Alt vorschlug. Daß Brocher diese Chitin- spange übersah, darf wegen der Kleinheit des Objekts nicht wunder- nehmen. Der Verschlußbügel wird deutlich erst an abgestreiften Larven- häuten des 3. Stadiums sichtbar, ist dann allerdings ziemlich scharf ausgeprägt und deutlicher gegen die Trachee abgegrenzt als bei den Seitenstigmen. Die Mechanik des Apparats dürfte sich so vollziehen, wie Alt vermutet. Wenn sich der Verschlußmuskel / (vm) kontrahiert, wird der Verschlußbügel gegen die Tracheenwand gedrückt, nimmt diese mit sich, und preßt sie so gegen die Chitinfalte ii (/) der gegenüber- liegenden Seite, daß das Lumen der Trachee abgeklemmt wird. Ein Blick auf das Schema Fig. 45b dürfte diesen Mechanismus ohne weitere Erklärung erläutern. Die Abklemmung der Trachee wird dadurch wesentlich erleichtert, daß die dem Verschlußbügel benachbarten Teile der Tracheenwand nur sehr dünn chitinisiert sind und somit dem Drucke des Verschlußhebels keinen Widerstand entgegensetzen. In dieser Be- ziehung stimme ich mit Brocher durchaus überein. Bemerkt sei noch, daß der Verschlußhebel, wie Brochers Figur wohl andeuten soll, noch in besonderer Weise an der Wandung der Stigmengrube fixiert ist. Man bemerkt in der Wand über dem Hebel ein stark chitinisiertes Chitin- stück ab, an dem der Verschlußhebel mit Hilfe einer dünnen Chitinhaut aufgehängt ist. Eine homologe Bildung traf ich auch bei den Stigmen von Cybister. Ich lasse es dahingestellt, ob zwischen diesem wohl zweckmäßig als »Angel« zu bezeichnenden Chitinplättchen und dem Verschlußhebel auch contractile Elemente eingebaut sind. Da in allen übrigen Fragen sich die Angaben Brochers und Alts in keiner Weise widersprechen, hatte ich keine Veranlassung, in das Studium der Stigmen näher einzugehen. Ebensowenig ist hier der Ort, die Physiologie des Atemprozesses zu erläutern. Ich nehme indessen zu der Bemerkung Gelegenheit, daß unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet durch die Arbeiten Brochers eine erfreuliche Bereicherung erfahren haben, und füge hinzu, daß die Resultate meine eigenen Untersuchungen Zeitschrift f. wisBensch. Zoologie. CXVII. Bd. 7 98 Hans Blunck, der einschlägigen Fragen sich mit den Befunden Brochers in weit- gehender Übereinstimmung befinden, sich aber gleichzeitig mit diesen in vielen Punkten in Gegensatz zu den Angaben Portiers (1910 — 1911) stellen. Beiläufig sei erwähnt, daß Portiers Darstellung von Bau und Wirkungsweise des Verschlußapparats (vgl. seine Fig. 31, 32, 33 mid Text S. 234ff.) bei Dytiscus und Cyhister einer Nachprüfung nicht standhält. Das gleiche gilt für zahlreiche Einzelangaben des französischen Autors in seinem großangelegten Werk über die Atmung und Verdauung der Wasserinsekten, so daß der Wert dieser im ganzen viel neue und prak- tisch wichtige Beobachtungen bringenden Arbeit durch Ungenauig- keiten in den Einzelheiten leider stark verhert. 5. Das 10. (9.) Abdominalsegrmeiit. Mehr als 8 Leibessegmente sind bei oberflächhcher Untersuchung an der Dytiscus-Lsiiye nicht zu bemerken. Das Abdomen scheint mit dem 9. (8.) Segment nach hinten zu abzuschUeßen. Bei der Sektion abgestreifter Larvenhäute trifft man indessen unter dem 8. Stigmen- paar in dem ventralen Ausschnitt des vorletzten Leibesringes ein kleines Chitinplättchen an (Fig. 49: 10. (9.)), das seithch die beiden Cerci trägt, und unter dem der Darm in einem kleinen Porus am Körperende mündet. Zweifellos^ handelt es sich hier um das im Tergit ausgebildete zehnte (9.) Segment, das beim Embryo, wie bereits Korschelt (1912) fest- gestellt hat und kürzHch von mir bestätigt wurde, normal angelegt, später aber teilweise rückgebildet wird und erst bei der Puppe bzw. bei der Imago wieder mehr hervortritt. Bei einem Teil der Larven fand ich das 10. (9.) Segment deutlich zweilappig, bei anderen schien es mir aus einem Stück zu bestehen. Da bei den Imagines das 10. (9.) Segment des Männchens ungeteilt, das des Weibchens aber längsgeteilt ist, wäre hier vielleicht ein Geschlechts- kennzeichen der Larven gegeben, das einzige, das ich anzugeben ver- möchte. 6. Die Cerci. Das 10. (9.) Segment trägt als gelenkig mit ihm verbundene An- hänge die beiden Cerci (Fig. 6 — 9cc, 49, 51 f und 56). Diese repräsen- tieren sich als schlanke, nur an der Basis etwas einwärts gebogene, von oben nach unten ein wenig abgeplattete Griffel und sind in eine sehr feine Spitze ausgezogen. Eine Ghederung fehlt. Sie messen an 4 mm, 1 Gegen Meinert, der die Auffassung vertritt: »Le neuvieme segment ab- dominal manque comme tel . . . « (1901, S. 430 u. ff.). Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 99 sind also reichlich halb so lang wie das 9. (8.) Segment, aber im Ver- gleich zu den homologen Organen anderer Dytiscidenlarven kurz. Beiderseits sind sie von der Basis bis zur Spitze gefiedert, d. h. mit einer 7. Stigma Tergih S.Shffma 19. ?ra. Fig. 49. Das 7. (6.) bis 10. (9.) abdominale Segment einer erwachsenen Larve von Dytiscus marginalis L, tg, Tergit; stg, 6. Seitenstigma. Vergrößert. ß Sh'gma 11 {10) ^ (Jnalrohre-) ^■'*'^ Fig. 50. Das 8. (7.) bis 11. (10.) Abdominalsegment einer erwachsenen Larve von Broscus cephalotes F. A, After; epm, Epimeren; eps, Episternen; st, Sternum. Vergrößert. dichten Reihe von Schwimmhaaren besetzt. Einige wenige lange Borsten verteilen sich auch über die Rückenfläche. Ebendort stehen an der Basis ein paar »Gruben ohne Kegel«, eine auch an der Spitze. Die Spitze selbst ist bei der Gattung Dytiscus nicht weiter ausgezeichnet. 7* 100 Hans Blunck, Die morphologische Natur dieser Anhänge ist bislang nicht recht geklärt. Taschenberg (1892 S. 48) benennt sie »Tracheen- kiemen«. Da die in Rede stehenden Gebilde aber mit dem Tracheen- netz in gar keiner Verbindung stehen, bedarf diese Auffassung wohl keiner Diskussion. Im allgemeinen pflegen die Anhänge der letzten Abdominalsegmente der Insektenlarven als Cerci und Styh bezeichnet zu werden. Beide Namen sind nicht gleichwertig, aber trotzdem oft für dasselbe Organ im Gebrauch, da in den Definitionen bislang keine Übereinstimmung erzielt werden konnte. Nach Börner (1914 S. 686), dessen Definition ich denen von Verhoepf (1895 8. 166—168) und Ziegler (1911 S. 111) vorziehe, sind als Cerci die Pleopodien des praetelsonalen Körperseg- ments, als Styü die Exopodite der Gonopodien zu bezeichnen. Beides sind also Extremitäten und somit ventrale Bildungen. Bei Dytiscus inserieren die Abdominalanhänge ausgesprochen ventral und zwar am 10. (9.) Segment, d. h. am Genitalsegment. Da ich außerdem entwick- lungsgeschichtlich feststellen konnte, daß die Cerci der Dytiscuslarve denen der Puppe homolog sind und daß in ihnen die Parameren des Männchens angelegt werden, dürfte die Bezeichnung »Styh« dem mor- phologischen Charakter der genannten Abdominalanhänge mehr gerecht werden als der Ausdruck Ceici. Wenn trotzdem an dem letzteren in dieser monographischen Arbeit festgehalten ist, so geschah dies ledig- lich deshalb, weil der Name »Cerci« für die Schwanzborsten der Dytis- cuslarve allgemein übhch ist. Bekannthch sind auch die Carabidenlarven mit sogenannten »Cerci « ausgerüstet, die am gleichen Segment wie bei Di/tiscus auftreten, aber dorsal hegen und mit dem Körper nicht artikulieren, so daß eine Homo- logisierung sich nicht ohne weiteres rechtfertigen läßt. Berlese (1909 S. 334) bezeichnet die in Rede stehenden Gebilde als »CornicuH« und stellt sie in Gegensatz zu den echten Cerci. Auf seine Begründung kann hier nicht eingegangen werden. Ich sehe daher auch von einer Kritik der Auffassung ab und bemerke nur, daß der Name »Corniculi« zwar für die hornähnhchen Anhänge der Carabiden und ihre näheren Verwandten paßt, der Gestalt der entsprechenden Organe bei anderen Carabiden {Lorocera, Ahax usw.) und vieler Dytisciden {Laccophilus, Jlyhius, Platamhus) aber keine Rechnung trägt. Die fühler artigen, reich geghederten, zuweilen den Körper der Tiere an Länge erreichenden Anhänge dieser Formen — mir liegt eine 11 mm lange, nicht näher bestimmte Carabidenlarve aus dem Kapland vor mit 9 mm langen, in reichlich hundert Segmente aufgeteilten Cerci! (s. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 101 102 Hans Blunck, Fig. 51b) — erinnern wenigstens gestaltlicli sehr an die Eeife der niederen Insekten. Die biologische Bedeutung der Cerci für die Dytiscidenlarve ist umstritten. Die Cerci der Carabidenlarven sind ihrer Haupt- funktion nach als Organe des Tastsinns anzusprechen. Sie repräsen- tieren sich entweder als kurze, beborstete Fortsätze, die dem 10. (9.) Tergit starr aufsitzen (s. Fig. 51a), oder erscheinen in einer höheren Form der Ausbildung als reichgeghederte Anhänge, welche die klein- bleibenden Antennen an Funktionswert weit zurücktreten lassen (Fig. 51b). Bei den Dj^isciden besitzen die gleichgenannten Organe bei den primitivsten Formen der Famihe (s. Fig. 51c und d) einen ähnlichen Bau. Bereits bei den Hydroporinen findet sich aber die wichtige morphologische Abweichung gegenüber den Carabiden, daß die Cerci gelenkig mit dem Körper verbunden sind und ventral inserieren. Ihre ursprüngliche Funktion haben sie indessen beibehalten. Es sind Organe des mechanischen Sinns. Zumeist {Agabus, Jlyhius, Colymhetes, Rhantus, Laccophilus, Hydaticus) ist die Spitze zu diesem Zweck be- sonders ausgestaltet (Fig. 51 e), während der Borstenbesatz der Fläche mehr zurücktritt. Da die zum Atmen aufsteigenden Larven die Cerci aufwärts ge- richtet tragen, ist anzunehmen, daß sie die Perception des Wasser- spiegels vermitteln helfen, also zum Prozeß des Luftschöpfens in Be- ziehung treten. In dieser Richtung haben sich die Cerci bei den höher stehenden Dytisciden vervollkommnet. Sie verlieren die Ghederung und fixieren das Tier in der Atemstellung am Wasserspiegel (vgl. Fig. 57 a u. c). In der Literatur wird dieser Vorgang in der Regel so gedeutet, daß die Cerci unbenetzbar sind mid daher am Wasserspiegel infolge der Ober- flächenspannung festgehalten werden. Die Larve soll sich mit den Cerci an der Oberfläche aufhängen und dadurch die Stigmen in Contact mit der Atmosphäre bringen. Brocher (1910 S. 34 ff.) hat indessen fest- gestellt, daß diese Auffassung auf falschen Voraussetzungen beruht. Die Stigmen und ihre nächste Umgebung sind zwar vom Wasser un- benetzbar, die Cerci selbst aber sind in keiner Weise gegen die Benetzung geschützt. Brocher deutet die Mechanik ihrer Wirkungsweise beim Luftschöpfen daher in anderer Weise. Wenn eine Dytiscus-Lsiive zum Atmen aufsteigt, so berühren zunächst die Cerci die Oberfläche und drücken, da sie benetzbar sind, den Wasserspiegel nach oben (s. Fig. 52). Sie stützen sich von unten gegen die Oberfläche, bleiben aber selbst unter Wasser. Sie bilden einen Winkel, an dessen Schenkelspitzcn (vgl. Fig. 52) die Abstoßung von der Oberfläche als Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 103 nach iinten ziehende Kraft angreifend zu denken ist. Im Scheitelpunkt des Winkels hegen die Stigmen. Diese selbst sind unbenetzbar. An diesem Pimkte findet also dank der Oberflächenspannung eine An- ziehung statt. An den Stigmen ist die Larve am Wasserspiegel aufgehängt. Hier ist also im Gegensatz zu der an den Cerci wirkenden Kraft eine nach oben ziehende Kraft zu denken, die durch den Auftrieb der beim Atmen stets unterkompensierten Larve verstärkt wird (s. Fig. 52). Die atmende Larve ist somit an drei Punkten ausreichend fixiert. Will die Larve die Oberfläche verlassen, so wirken die mecha- nisch unter der Oberfläche festgehaltenen Cerci als Hebel, welche die Loslösung vom Wasserspiegel der fortstrebenden Larve erleichtern. — Der Cerci beraubte Larven sind anfangs nicht imstande, sich in normaler Atemstellung zu fixieren. Sie stellen sich mit der Körperachse nicht vertical zum Wasserspiegel ein, sondern legen sich — eine Erscheinung, die ich Brocher bestätigen kann — mit der ganzen Ventralseite ' ' ' " • ■ ' • der Oberfläche an. Sie sind mit den Cerci Fig. 52. zweier der drei Stützpunkte beraubt, die ihnen Leibesende einer am wasserspie- . gel atmenden Dytiscus -Jj&v\q, die für die Atmung günstigste Einstellung er- zur Demonstration der Capillar- möslichen. In analoger Weise sind die Cerci i^äfte. Erklärung siehe Text. .° ^. . Nach Brochek. bei allen höheren Dytisciden zu Hilfsappara- ten der Luftversorgung umgestaltet worden. Sie haben also, weim sie den gleichgenannten Organen der Carabidenlarven homolog sind, einen Funktions Wechsel durchgemacht. Bei einigen wenigen Formen ist die Umgestaltung noch einen Schritt weiter gegangen. Bei einigen Species von Jlybius und Rhantus und bei allen Arten der Gattimg Dytiscus (s. Fig. 51 f) sind die Cerci mit einem reichen, beiderseitigen Besatz von Schwimmhaaren versehen, während die ursprünglichen Tastborsten zurücktreten oder ganz fehlen. Es ist leicht einzusehen, daß die mit diesem Haarbesatz ausgerüsteten Larven sich stabiler an der Oberfläche fixieren können als jene Formen, denen diese Differenzierung der Cerci fehlt. Brocher (1910 S. 35 Anna.) macht aber mit Recht darauf aufmerksam, daß dem Haarkleid der Cerci noch eine andereBedeutung zukommt. Die mitSchwimmhaarenaus- gerüstetenCerci unterstützen, wie bereitsSw ammerd am (Bibel der Natur S. 135) durch die Bezeichnung »Floßriemen << andeuten wollte, die Schwimmbewegungen der Larve und werden wahrscheinlich auch beim Steuern verwendet. Sicherlich treten diese Aufgaben aber hinter ihrer Bedeutung für den Lufterneuerungsprozeß zurück. 104 Hans Blunck, Somit ist die Funktion der Cerci der Dytiscus-haiYe eine dreifache: 1) die Cerci dienen beim Aufsteigen an die Oberfläclie als Tastwerkzeuge, 2) sie fixieren die Larve in der Atemstellung, sind also Equiliberorgane und 3) sie unterstützen die Fortbewegung im Wasser. 7. Bemerkuug'eu zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Dytisciden- und CarabidenlarTcn. Ein Vergleich des Abdomens der Dytiscus-h&ive mit dem Hinter- leib carabider Jugendformen gestaltet sich in mancher Hinsicht inter- essant und scheint mir geeignet, weiteres Material für die hier des öfteren vertretene These zu liefern, daß die Carabidenlarven in vieler Beziehung primitivere Verhältnisse aufweisen als ihre Verwandten unter den Wasserkäfern. Bei einer typischen Carabidenlarve sind 10 Abdo- minalsegmente ausgebildet, die wir morphologisch als den 2. bis 11. Hinterleibsring zu deuten haben. Von diesen 10 Segmenten besitzen die 8 ersten untereinander nahezu den gleichen und, vom Fehlen der Extremitäten abgesehen, einen sehr ähnlichen Bau wie die Segmente des Thorax. Sie unter- scheiden sich also von den Leibesringen der Dytiscus-ha.Tye vornehmhch dadurch, daß die Körperdecke auch ventral durch Einlagerung von Chitinplatten verstärkt ist (s. Fig. 50). Zu den von Berlese als Acro-, Pro-, Meso- und Metasternit bezeichneten Verstärkungsstücken (s. Fig. 42 Ad 1° a, p, m, mt und Fig. 50 st) gesellen sich seithch noch die Epimeren (Fig. 42 em und 50 epm) und Episternen {ep bzw. eps), die ebenfalls ihre Selbständigkeit bewahrt haben und nicht, wie bei Dytiscus, in die kräftig ausgebildeten Tergite mit eingeschmolzen sind. Das Abdomen der Carabidenlarven ist somit ventral viel kräf- tiger chitinisiert als der Hinterleib der Dytiscidenlarven. In der Erhaltung der pleuralen (Epimeren und Episternen) und der sternalen Skelettstücke spricht sich unbedingt ein primitiverer Charakter aus. Die Stigmen sind an allen 8 Segmenten wohl ausgebildet und zwischen Tergit und Epimerit in der weich chitinisierten Körperhaut gelegen (Fig. 42 st und 50, 8. Stigma). Alle Atemöffnungen besitzen untereinander im wesentüchen gleichen Bau und gleiche Größe, nur das Paar des ersten Segments ist in seinen Dimensionen etwas bevorzugt. Jedes Stigma kommuniziert offen mit der Außenwelt. Das Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 105 achte Paar ist in keiner Weise vor den übrigen bevorzugt, so daß die physiologische Gleichwertigkeit aller mit Sicher- heit angenommen werden darf. Das 10. (9.) Körpersegment (s. Fig. 50) ist zwar kleiner als die vorhergehenden, aber im übrigen wohl ausgebildet. Gegen ein kräftiges Tergit sind die chitinösen Episternen (Fig. 50 eps) und zuweilen auch die Epimeren scharf abgesetzt. Ventral zeigen sich die sternalen Partien zu einem ungeteilten Schild st verschmolzen. Als dorsale Anhänge fungieren die beiden Corniculi oder Cerci, die in der Regel weder in sich gegliedert, noch gegen den Körper gelenkig abgesetzt sind. Sie tragen ebenso wie die Tergite, Pleurite und Sternite einen Besatz kräftiger Borsten. Ein Stigmenpaar fehlt dem 10. (9.) Segment. Das 11. (10.) Segment ist in Gestalt einer Afterröhre ausgebildet, die terminal den Anus Ä trägt und als Ganzes bei der Fortbewegung des Tieres als Nachschieber tätig ist. Eine heller chitinisierte, seithche Längsnaht erlaubt, das Tergit vom Sternit zu trennen. Weitere Suturen innerhalb der Afterröhre fehlen. Ein Stigmenpaar ist auch an diesem letzten Körpersegment nicht ausgebildet. Beim Vergleich mit den Dytiscidenlarven ergibt sich somit der bedeutsame Unterschied, daß bei den Jugendformen der Lauf- käfer 10, bei den Schwimmern nur 9 Hinterleibssegmente vorhanden sind und daß von diesen 9 das letzte bis auf die stark reduzierten sternalen Partien rudimentär ist, während es bei den Läufern eine normale Ausbildung besitzt. Es ergibt sich weiter der Unterschied, daß bei den Carabiden die Cerci dorsal^ bei den Dytisciden dagegen ventral inse- rieren, daß sie nur bei den letzteren mit dem Körper in ge- lenkiger Verbindung stehen und ebenso wie das 8. (7.) und 9. (8.) Segment mit Schwimmhaaren ausgerüstet sind. Zu diesen Differenzen gesellt sich die abweichende Ausbildung der Stigmen. Diese sind zwar in beiden Familien in der gleichen Zahl vorhanden (8 Paare), besitzen aber bei den Carabiden an allen Segmenten gleichen Bau und gleiche Lagerung, während bei den Dytisciden das 8. Stigmenpaar vor den anderen eine Ausnahmestellung einnimmt. Bei den Larven der Schwimmkäfer sind die sieben ersten Paare nur unvollkommen ausgebildet, das letzte dagegen ist hoch- differenziert, sekundär stark umgestaltet und von der Mitte des Segments an das Hinterende gerückt und dadurch 106 Hans Blunck, gleichzeitig an das Leibesende, weil das 9. (8.) Segment den Abschluß des Körpers nach hinten zu bildet. Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß auch hier wieder die Verhältnisse bei den Dytisciden gegenüber den Carabidenlarven den Stempel des Sekundären tragen, Sie sind ebenso sekundär wie die Lebensweise der Dytiscidenlarven und finden durch diese ihre unge- zwungene Erklärung. Die baulichen Verhältnisse des Leibes - endes bei der Dytiscuslarve stellen eine Anpassung an den Atmungsprozeß des Tieres dar. Die Carabidenlarven leben an der Luft, können also sämthche Stigmen zur Regelung des Gasaus- tausches heranziehen. Die Dytiscidenlarven halten sich unter Wasser auf und müssen in Ermangelung von Kiemenapparaten ebenso wie weitaus die Mehrzahl der sekundär wasserlebenden Insekten ihren Sauerstoffbedarf dadurch decken, daß sie von Zeit zu Zeit an die Ober- fläche steigen und ihre Atemöffnungen in direkten Connex mit der Atmosphäre bringen (s. Fig. 57 a und c). Diese Aufgabe wird in den ver- schiedenen Famihen verschieden gelöst und bei den Imagines in der Regel mit anderen Mitteln als bei der Larve. Es sei erinnert an das den ganzen Körper bekleidende Luftkleid der Wasserwanzen, an die Atemröhren am Thorax der Culicidenpvippen, an den unter Zuhilfenahme der Fühler sich vollziehenden Luftschöpfprozeß der Hydrophilidenima- gines und an die Luftkammer, welche die Dytiscidenimagines unter den Elytren tragen. Diese Käfer steigen mit der Leibesspitze voran zum Atmen auf, bringen die Luft der Atemkammer mit der Atmosphäre in Kommunikation und nehmen die so erneuerte Reserveluft nach imd nach durch die unter den Elytren in der Rückendecke gelegenen 8 offe- nen Stigmenpaare in den Körper auf (gegen Wesenberg-Lund 1912). Ihre Larven bringen ebenfalls die Leibesspitze zur Erneuerung der Atemluft in Berührung mit der über dem Wasserspiegel stehenden Luft- schicht, besitzen aber keine Mittel, wie ihre Imagines die Atemluft zu den Stigmen hinzuleiten, und sind gezwungen, diese selbst in direkte Berührung mit der Atmosphäre zu bringen (s. Fig. 57 a und c). Sie beschränken sich indessen darauf, diesen Connex beim letzten Stigmen- paare des Hinterleibs herzustellen und versorgen von diesem aus den ganzen Körper, so daß die übrigen Stigmen für die Inspiration be- deutungslos werden imd dementsprechend der Rückbildung verfallen. Das 8. Stigmenpaar wird dagegen entsprechend ausgestaltet und in Bau und Lagerung seiner Aufgabe angepaßt. Es wandert an den Hinterrand seines Segments, während gleichzeitig die beiden hinter ihm gelegenen Leibesringe soweit rückgebildet werden, daß sie bei der an der Ober- Die Ent\dcklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 107 fläche hängenden Larve die Kommunikation des Stigmenlumens mit der Atmosphäre nicht mehr stören. Die CornicuU werden, wenn sie nicht rückgebildet werden, zu Stützapparaten ausgestaltet, welche die sichere Einstellung der atmenden Larve an der Oberfläche gewährleisten (s. Brocher 1910). Ähnliche Verhältnisse treffen wir außer bei den Dytisciden meines Wissens unter den Käfern nur noch bei den Hydro- philidenlarven an. Es liegt auf der Hand, daß es sich hier nicht um Homologie — sondern um Analogieerscheinungen handeln kann. Durch Erwerbung eines lateralen Schwimmhaarbesatzes sind die Cerci ebenso wie das 8. (7.) und 9. (8.) Hinterleibsegment außerdem in den Dienst der Schwimmbewegung getreten. Eine von Wesenberg- LuND (1912) zusammengestellte Eeihe zeigt, wie sich der Schwimm- apparat des Hinterleibs bei den Dytiscidenlarven langsam von den primitiven Ruderbeinen {Agabus, Jlijhius) mehr und mehr komphziert, bis er bei den schwebenden Formen (Dytiscus) schheßhch seine höchste Ausbildung erreicht. Es darf wohl mit Sicherheit angenommen werden, daß die Schwimmhaare der Dytiscidenlarven von dem Borstenbesatz der letzten Leibessegmente der Carabidenlarven (s. Fig. 50) abzu- leiten sind. Zusammenfassend stellen wir also fest, daß der Bau des Hinterleibes der Dytiscidenlarven, besonders in seinen hinteren Partien, ebenso wie die anatomischen Verhältnisse am Kopf, Thorax und seinen Anhängen in mannigfacher Be- ziehung abgeleitetere Züge aufweist als die betreffenden Körperabschnitte der Laufkäferlarven, daß die Dytisciden- larven somit phylogenetisch jüngere Formen sind als die Carabidenlarven und daß ihre Eigentümlichkeiten als An- passungen an den Übergang vom Land- zum Wasserleben aufzufassen sind. II. Die junge Larve (das 1. und 2. larvale Stadium). Die Behandlung der erwachsenen Larve wurde bei der Darstellung hier vorweggenommen, weil eine ganze Reihe morphologischer Einzel- heiten und in erster Linie gerade systematisch wichtige Charaktere sich erst auf dem 3. mid letzten Stadium ausdifferenzieren. Im ganzen betrachtet sind, abgesehen von den recht beträchtlichen Größenunterschieden, die jüngeren Larven den erwachsenen indessen ziemlich ähnlich (vgl. Fig. 57a, b, c). Die Abweichungen liegen in wenig in die Augen fallenden, zumeist negativen Eigen- schaften, die den Beobachtern bisher größtenteils entgangen sind. 108 Hans Blunck, a. Allgemeines. Allgemein läßt sicli sagen, daß die Länge der Mundwerkzeuge und Beine im Verhältnis zur Körperlänge mit wachsendem Alter der Larven abnimmt^ daß der Hals bei den jungen Larven stärker eingeschnürt erscheint, und daß bei ihnen die Kopfseiten nach hinten zu stärker konvergieren, die Hinter- hauptsecken also weniger vortreten. Die Verhältnisse sind in den Figuren 53 a — c und 57 a — c im Bilde veranschauhcht und lauten in Zahlen wiedergegeben: 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium Größte Kopf- : Hals- breite Kopflänge : Fühler- länge: 1. Maxille: 2. Maxille 3 : 1,4 = 2,14 : 1 1 1 3,4 : 3,25 : 3,2 : 1 = 1 : 0,96 : 0,94 : 0,29 4,8:2,4=2:1 7 : 3,8 = 1,84 : 1 5,1:4,1:4,35:1,4 = 1:0,8:0,85:0,27 7,2 : 5,5 : 5,5 : 1,9 = 1:0,76:0,76:0,26 Gesamtlänge : Hinter- beinlänge 22 : 8,9 = 1 : 0,4 33 : 12,2 = 1 : 0,37 55:16,4 = 1 :0,3 Die Gesamtlänge schwankt am Ende des ersten Stadiums von 20 bis 22, am Ende des 2. Stadiums von 32,5 bis 36, am Ende des 3. Sta- diums von 47 bis 60 mm. Die entsprechenden Larvenhäute messen 22 bis 26, 37 bis 41 und 55 bis 65 mni; was mit der mit der Häutung verbundenen Streckung der Gelenkhäute zu erklären ist. Die Längen der lebenden Larven stehen wie die ihrer 3 Häute im Verhältnis 2 :3 : 5, die Größenzunahme ist somit nach der 2. Häutung weit bedeutender als nach der ersten. Die seitüchen Quer- furchen des Prothorax sind auf dem 2. Stadium kräftiger ausgeprägt als auf dem dritten, noch besser jedoch auf dem ersten, so daß bei ganz jungen Larven der erste Brustabschnitt in der Mitte deuthch einge- schnürt erscheint. Das Acrosternit des Prothorax ist auf dem 1. Stadium gar nicht, auf dem zweiten nur schwach abge- grenzt. Im einzelnen ist über die beiden Jugendstadien folgendes zu sagen. 1 Die Zahlen vor den Gleichheitszeichen nennen die absoluten Längen in Milümetem. Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 109 ß. 1. Stadium. Habitus und Haltung der lebenden Larve veranschaulicht Fig. 57 a. Das Tier wurde in Atemstellung photographiert und nach der Photo- graphie gezeichnet. Die Junglarve ist besonders charakterisiert durch den Besitz von Eizähnen. Diese stehen auf der Praefrons, ihrem hinteren Rande ge- nähert (s. Fig. 53a, Eiz), so daß sie den Raum zwischen den Augen in drei annähernd gleiche Teile zerlegen. Anatomisch handelt es sich um zwei kleine, dunkelgetönte und stark chitinisierte Dornen, die sich auf breiter Basis über einem von der Umgebung etwas abgesetzten ovalen Feld erheben und mit ihrer scharfen Spitze nach vorn und etwas nach außen gerichtet sind. Am Grmide steht außen vorn von jedem Dorn ein Sinnesorgan, das Nagels »Gruben ohne Kegel« zuzurechnen sein dürfte. Eizähne sind aus verschiedenen Arthropodenfamilien bekannt gewor- den, meines Wissens jedoch nicht aus den Reihen der Coleoptereni. Ich glaubte, die beschriebenen Gebilde trotzdem so bezeichnen zu müssen, weil ihr Bau und ihre Stellung sie zum Sprengen der Eihülle vorzügüch geeignet erscheinen lassen. Daß sie im Leben der ausgeschlüpften Larve eine Rolle spielen könnten, wird durch ihre Beschränkung auf das 1. Stadium höchst unwahrscheinlich. Auf keinen Fall hat man es hier natürlich mit Stirnaugen zu tun, denen sie durch Farbe und Stellung bei oberflächUcher Betrachtung ähneln. Tatsächhch wurden sie von Erichson (1832 S. 14) zeitweilig so gedeutet. Meine Vermutung, daß die Eizähne bei den Käfern bisher nur übersehen und keineswegs etwa auf Dytiscus marginalis L. beschränkt sind, sah ich an den anderen Arten der Gattung und auch an Acilius sulcatus bestätigt. Bei letzterem treten sie aus dem Borstenkleid des Kopfes indessen nur wenig hervor. — Den Fühlern sowie den Maxillar- und Labialtastern fehlen auf dem ersten Stadium die sekundären Grundglieder (s. Fig. 16c und 53 a). Die Cerci (Fig. 56a) sind nur einzeilig, und zwar auf der Außenseite, mit Schwimmhaaren besetzt. Auf der Innenseite finden sich nur 2 Haare in der Nähe der Spitze. Dazu gesellt sich dorsal ein langes, nach hinten gerichtetes Haar, ein weiteres in der Mitte, dem Außenrand genähert und ein letztes in der Nähe des Grundes, nach innen und schwach nach hinten gerichtet. 1 Inzwischen hat auch Wesenberg-Lxjnd (1912) die Eizähne der Dytiscvs- Larve beobachtet. Die Entwicklung des Dy tiscus marginalis L, vom Ei bis zur Imago. 111 Am Abdomen ist der seitliche Schwimmhaarsaum auf das 9. (8.) Segment beschränkt (vgl. Fig. 57a). Gegenüber den bisher genannten Charakteren treten alle weiteren, durch die sich das erste Larvenstadium vor den folgenden auszeichnet, sehr zurück. Morphologisch am interessantesten ist die Ausbildung der Stigmen. Flg. 53 c. Kopfform des Larvenstadiums von Dytisctis marginalis L. c) drittes Stadium. Die Bezeichnungen wie bei Fig. 10, S. 21. Schematisiert. Am Leibesende hegen über der Einlenkungsstelle der Cerci 2 große, verschließbare Atemlöcher, die nach dem gleichen Plan gebaut sind wie bei den älteren Larven imd hier wie dort die beiden kräftigen Seiten- hauptstämme der Tracheen, die bis in den Kopf hinein zu verfolgen sind, mit Luft versorgen. Weitere Stigmen scheinen diesem Stadium ganz zu fehlen. Man findet zwar bei der anatomischen Untersuchung, und noch besser bei der Präparation abgestreifter Häute, die der Lage 112 Hans Blunck, nach den Stigmen der erwachsenen Larve entsprechenden Stellen der Cuticula durch einen dünnen Strang mit dem Tracheensystem verbunden, die Körperwand zeigt indessen keinerlei Differenzierungen, die auf den Atemapparat hindeuten, vor allem keine Perforation (vgl. Fig. 55). Ein eigentliches Stigma ist also außer den beiden Atemöff- uungen des 9. (8.) Segments nicht vorhanden. Die jmigen Dijtiscus-JjUiven zeigen die gleichen Verhältnisse wie Donacia und Hydrophilm: sie sind wie diese im Gegensatz zu den Erwachsenen wahrhaft metapneustisch. Die erwähnten Aufhängestränge, welche Körperwand und Tracheen verbinden, werde ich im folgenden als Stigmenhals (Fig. 55 St-H) bezeichnen. Sie sind in allen Teilen gleich stark, unpigmentiert, solid und von unregelmäßig längsfaseriger Struktur. Auf der einen Seite sind sie mit der Cuticula sehr fest verlötet, auf der anderen, etwa 0,5 mm vom Anfangspunkt entfernt, gehen sie allmählich in eine kurze Trachee über, die in die seitlichen Hauptstämme HTr. mündet. Der Besinn der echten Trachee ist durch das Auftreten des schwarzen Spiralfadens und ein deutliches Lvimen bezeichnet. Der an der Grenze von Stigmenhals und Trachee aus vergleichend anatomischen Gründen zu erwartende Verschlußapparat fehlt. Er dürfte als überflüssig fort- gefallen sein, also aus denselben Gründen, die nach Sörensen zu seiner Reduktion bei den Scarabaeidenlarven geführt haben. Die gegebene Beschreibung gilt für die beiden thoracalen wie die 7 ersten abdominalen Stigmenanlagen in gleicher Weise. Es ist selbst- verständhch, daß diese Apparate nicht der Respiration dienen können. Ich möchte ihre Bedeutung vielmehr mit Bade (1902 S. 5) darin sehen, daß sie bei der Häutung den neugebildeten Tracheen das Abstreifen der alten Intima erleichtern. Tatsächhch zerfallen beim Häutungsprozeß die abzustoßenden Spiralfäden in ebenso viel Stücke, wie Körpersegmente vorhanden sind, und jedes Teilstück bleibt durch den beschriebenen Stigmenhals der Körperwand angeheftet. Während die Larve aus der alten Haut herausgleitet, entweichen gleichzeitig die mit ihr fest ver- bundenen Tracheenreste aus den dann noch offenen Stigmen des näch- sten Stadiums. Alle weiteren Eigentümlichkeiten des ersten Stadiums beziehen sich auf die Ausbildung der Körperhaut und des Haarkleides. Die Cuticula gewinnt von der Geburt bis zur 1. Häutung nur eine sehr geringe Dicke und Festigkeit. D a s T i e r bleibt während dieser ganzen Lebensperiode fast weichhäutig, so daß die abgestreifte Haut ganz zusammenfällt und nur im Kopf mit seinen Anhangsorganen Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 113 und den ebenfalls etwas kräftiger chitinisierten Beinen ihre Form be- wahrt. Alle Skulpturen sind dementsprechend unscharf. Die Zeichnung ist stark vereinfacht (vgl. Fig. 57a). Die Tropfmakeln auf dem Kopf und die entsprechenden Flecke auf den Tergiten fehlen ganz. Kopf und Rücken sind einheitlich hellbraun imd durchscheinend, so daß die innere Organisation des Tieres sich auch bei mehrtägigen Individuen am lebenden Objekt studieren läßt. In den letzten Tagen vor der Häutung färben sich die Acro- sowie die Meta- tergite auf der Höhe des Rückens etwas dunkler grau, lassen aber in der Mitte eine blasse Partie frei, die erste Andeutung des hellen Rückenstreifs. An Hautsinnesorganen ist das erste Stadium qualitativ und quantitativ ärmer als die folgenden. Am Kopfe sind die langen, kräftigen Tasthaare weniger zahbeich, die winzigen, zerstreuten Borsten scheinen ganz zu fehlen. Außer der »Grube ohne Kegel« am Fuße der Eizähne steht auf dem Schädeldach in der Regel noch je ein gleiches Gebilde rechts und hnks auf dem Halse und ersetzt dann das vorderste der 4 in Fig. 53 a gezeichneten Tasthaare. Auch an den Mundwerkzeugen ist eine Reduktion in der Zahl der Tast- haare bemerkbar. Eigentümlich für dieses Stadium sind sehr zahlreiche Cuticulagebilde, die dichtgedrängt die ganze Schädelkapsel wie ein Schuppenkleid bedecken und die Form breiter, flacher, nach vorn gerichteter Plättchen mit gerundetem Vorderrand be- sitzen. Sie sind bedeutend kleiner als die echten Haarbildungen des Kopfes und sitzen im Gegensatz zu diesen nicht in Gelenkgruben, sondern starr auf der Unterlage. ÄhnUche, aber in eine scharfe Spitze ausge- zogene Schuppen oder Dornen finden sich auf der Oberseite des Mentum, auf der Außenseite und an der Spitze der beiden Labialtaster, sowie an der Innenseite des Stipes, dagegen nicht an den Fühlern. Die physio- logische Natur dieser Gebilde bheb mir zweifelhaft. Alle Tergite, sowie die seithchen Partien der Abdominalsternite sind weitläufig mit den normalen großen Tast haaren besetzt, die sich aber durch auffallende Länge auszeichnen und nur wenig hinter den eigenthchen Schwimmhaaren zurückbleiben (vgl, Fig. 57 a). Sie ver- leihen den jungen Larven ein fast struppiges Aussehen, und lassen sie viel stärker behaart erscheinen als die alten. Wahrscheinhch spielt dieser Haarbesatz beim Schwimmen eine Rolle. »Gruben ohne Kegel« finden sich in den Randpartien der Mittel- zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 8 114 Hans Bluuck, felder aller Tergite. Die Randfelder tragen im Abdomen ein paar kurze Tastborsten. Fig. 54 a — c. Linke Mlttelbeine der Larve von Dytiscus marginalis L., von hinten gesellen, a) erstes Stadium, h) zweites Stadium, c) drittes Stadium, c, Coca; tr, Trochanter; fe, Femur; «.Tibia; t, Tarsus; k, Krallen. Die Entwickliiug des Dytiscus luaiginalis L. voiu Ei bis zur iinago. 115 In den seitlichen Partien aller Rückenschilde, mit Ausnahme des Prothorax, trifft man die am Kopf als »Schuppen nnd Dornen bezeich- neten Gebilde wieder, die hier jedoch alle nach hinten gerichtet sind und durchweg in eine Spitze auslaufen. Am Mesothorax sind sie sehr schwach ausgebildet, werden aber nach hinten zu zahlreicher auch größer, und bedecken schließhch das ganze 9. (8.) Segment sowie die Cerci. Die Verteilung der Schwimmhaare auf diesen Organen wurde bereits oben erwähnt. Weitere Hautsinnesorgane scheinen dem Rumpf auf diesem Stadium zu fehlen. Auch an den Beinen fällt die quantitative Reduktion der Haar- gebilde gegenüber den älteren Larvenstadien auf. Dagegen kommen die bereits an Kopf und Rumpf erwähnten kleinen starren Borsten als neu hinzu. Sie bedecken die Vorderseite aller BeingHeder in den dor- salen Partien und greifen beim Tarsus auch auf die Rückseite über (s. Fig. 54a, t). (Die Borsten sind punktiert angegeben.) Distal stehen sie dichter als proximal. Die Coxa (c) ist fast kahl. Die Schwimmhaare fallen ganz fort. An der Basis und am Spitzenrand stehen ein paar starke Borsten, zwei ziemlich lange auf der Rückenfläche. Dazu kommen einige »Gruben ohne Kegel«, 2 — 3 mitten auf den Seitenflächen und eine in der Nähe der Spitze auf der Vorderseite. Der Trochanter {tr) ist im proximalen Teil ganz kahl. Der distale Abschnitt trägt in der unteren KielHnie zwei weit auseinander stehende Schwimmhaare und außer der sehr kräftigen Borste auf den Seitenflächen nur eine, die Grenzlinie gegen den Femur halbierende und 1 bis 2 weitere kleine Borsten. Mehrere »Gruben ohne Kegel << stehen in der die beiden Trochanterhälften trennenden Leiste oder in ihrer unmittelbaren Nähe. Dem Femur (/e) fehlt die die untere Schwimmhaarreihe auf der Vorderseite begleitende Borstenlinie. Alle Schwimmhaare und Borsten sind viel weitläufiger gestellt als bei der erwachsenen Larve. Zu den Schwimmhaaren des Rückens gesellen sich nur etwa 3 »Gruben ohne Kegel«. Die Tibia (ti) verhält sich in allen Punkten wie der Femur. Der Tarsus (t) ist besonders charakterisiert durch das gänzliche Fehlen der Schwimmhaare. Die untere Kiellinie ist proximal kahl, distal mit zahlreichen kurzen und kräftigen, vielleicht starren Borsten besetzt. Die großen Borsten der Seitenflächen und des Rückens fehlen bis auf 4 am Spitzenrand, 2 davon seitlich und 2 dorsal etwas weiter zurückhegend und auf die Krallen zu gerichtet. Zwischen diesen und der mit einer »Grube ohne Kegel« besetzten Tarsusmitte 8* 110 Hans Blunck, ist die unpaare, schlanke und selir lange Borste schon ausgebildet, die sich auf allen 3 Stadien findet. Die Krallen (Ä;) sind relativ groß. /. 2. Stadium. Das zweite larvale Stadium weist im Gegensatz zu dem ersten keine absolute morphologische Eigentümlichkeiten vor dem dritten auf. Die Larve ist in diesem Alter der erwachsenen bereits sehr ähnhch ge- w^orden, und alle Charaktere, die sie von dieser unterscheiden, sind nur gradueller Natur. Außer der geringeren Größe imd den bereits erwähnten Besonder- heiten in der Kopfform (s. Fig. 53b), der Länge der Extremitäten (s. Fig. 57 b, die eine frisch gehäutete, nach einer Photographie ge- zeichnete Larve zur Darstellung bringt), der relativ deutlichen Ein- schnürung des Prothorax und der wenig scharfen Abgrenzung des Acrosternits im Prothorax fielen mir die folgenden Abweichungen vom 3. Stadium auf. Die accessorischen Basalglieder sind an den Fühlern (Fig. 16 b), am Maxillarpalpus (Fig. 53 b) imd am letzten Ghed des Labialtasters weniger deutlich abgesetzt, am Grundgüed des letzteren kaum angedeutet. Der Bau der Stigmen nimmt eine Mittelstellung zwischen dem ersten und dritten Stadium ein. Nur das 8. Stigmenpaar des Hinterleibes bleibt dauernd geöffnet wie bei den jüngsten Larven. Hier wie dort verbindet bei den übrigen 9 Paaren ein solider Stigmenhals von längsfaseriger Struktur das Tracheensystem mit der Körperwand, auch hier sind die Stigmen physiologisch geschlossen und ein Verschluß- apparat fehlt. Eine Annähermig an die Verhältnisse bei den erwach- senen Larven liegt darin, daß die Stigmen äußerhch abgegrenzt sind als kleine, dunkelgerandete Kreise, die aber hier nicht in den Bereich des festen Rückenpanzers fallen, sondern getrennt von diesem in der weichen Pleuralhaut hegen. Nur im 7. Segment übergreifen die Ränder des tief an den Seiten herabziehenden Chitinschildes das Stigma. Dieses letzte der lateralen Atemlöcher ist weithin durch seine Größe und dadurch vor allen übrigen ausgezeichnet, daß es sich verhältnismäßig deuthch als ein helles, dunkelgerandetes und zum Segment quergestelltes Oval von dem hellbraunen Grunde abhebt. Das Stigma ist zur Körperober- fläche schräg gestellt und weist nach hinten, hat also die für das 3. Sta- dium gültige Form und Lagerung schon fast erreicht. Alle übrigen Stigmen sind undeuthcher abgegrenzt, die ersten abdominalen am leben- Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Iniago. 117 den Objekt kaum als blasse Kreise, das 2. thoracale überhaupt nicht erkennbar. Untersucht man den Kespirationsapparat an abgestreiften 2. Larven- häuten, so wird man nie eine Kommunikation des Tracheenlumens mit der Außenwelt durch die seitlichen Stigmen feststellen können. Theore- tische Erwägimgen zwingen indessen zu der Annahme, daß diese Ver- bindung zu Beginn der 2. Periode des Larvenlebens existiert hat. Ich wies bereits weiter oben darauf hin, daß an der abgeworfenen ersten Larvenhaut die beiden Tracheenhauptstämme oder richtiger gesagt, ihre Intinia in der Anzahl der Stigmen entsprechende Abschnitte zer- fallen ist, mid daß jedes Stück mit seinem Stigma, und dadurch auch mit der Körperwand, durch einen soliden Chitinstrang, den Stigmenhals, fest verbunden ist. Die abgestoßene Tracheenmasse muß durch eine öffnmig in der Cuticula des neuen Kleides den Körper der Larve ver- lassen haben. Die natürlichen Öffnungen sind bei allen Insekten die Stigmen. Es wäre von vornherein sehr unwahrscheinüch, daß sich der Austritt bei Dytiscus auf einem anderen Wege vollziehen sollte. Tat- sächlich konnte ich nun beobachten, wie bei der Häutung die zurück- gleitende alte Haut aus jedem der 20 Stigmen des weichen Larvenleibes einen Tracheenpfropf herauszog. Unmittelbar nach der Häutung sind demnach alle 10 Stigmenpaare auf dem 2. Stadium offen und erlauben der Atmosphäre eine direkte Kommunikation mit der Tracheenluft. Nur einmal ist es ]nir gelungen, unmittelbar nach der Häutimg miter der Doppellupe die Öffnung des 7. abdominalen Stigmas sowie die Wandung des Stigmenhalses mid sein weites Lumen zu sehen. Wenige Minuten später war das Stigma schon geschlossen. Ob dieser Verschluß durch Verkittung mit frisch abgeschiedenem Chitin ein abso- luter wird, oder ob ein schmaler Spalt zurückbleibt, konnte ich nicht feststellen. Es schien mir, als ob ein bei der Häutung nach außen vor- tretender Deckel nach dieser wieder auf das Stigma zurückfiel und es verschloß. In diesem Falle lägen die Verhältnisse ganz ähnlich wie bei Melolontha, wo nach Boas (1893 S. 389 — 391) das eigenthche Stigma durch eine vom Stigmenrand in den Eingang vorspringende Hautfalte verschlossen ist. Der gebliebene Spalt öffnet sich hier nur bei der Häu- timg, um die abgestoßenen Tracheen zu entlassen. Der Gasaustausch erfolgt durch eine Siebplatte in dem das Stigma begrenzenden Chitin- ling. Das Lumen des Luftzuleitungsapparates bleibt hier dauernd erhalten (s. auch Meinert 1895). Bei Dytiscus wird der Schwund des Lumens im Stigmenhals durch Zusammenfallen seiner Wände und nachträo'hche Chitinabscheidung nach innen zu erreicht. An den abae- 118 Hans Blunck, streiften Häuten glaubt man zuweilen noch Reste eines Hohlraums zu erkennen. Die durchaus schematisch gehaltene Figur 55 soll die etwas ver- wdclvelten Verhältnisse der Tracheenhäutimg vom 1. zum 2. Stadium dem Verständnis näher bringen. Hypodermis {H) und Tracheen- matrix [M) haben sich bereits von den abzustoßenden Chitinteilen abgehoben. Bei der nun folgenden Häutung würden 8tigmenhals ( St.H) und Trachee (H.Tr). der zurückweichenden Cuticula (C) folgend, bei S, dem jetzt noch offenen Stigma des 2. Stadiums, aus dem Körper heraus- treten. Unsere Ergebnisse über den Bau der Larvenstigmen sind in der umstehenden Tabelle noch einmal zusammengestellt, um die 3 Ent- N.Tn M Fig. 55. Abdominales Seitenstigiua und seine Verbindung mit dem Tiaclieeusysteni bei einer kurz vor der eräteu Häutung stellenden Dytiseus-Laiyc. C, Cuticula; H, Hypodermis; St-II, Stigmenhals; H.Tr, Hauptstanim der Trachee; ^[, Matrix; S, Stigma. Wicklungsstadien der Abschnitte des Atemapparates untereinander imd auf ihren morphologischen Wert hin vergleichen zu können. Allgemein wird der vor dem Verschlußapparat und dem Beginn des Spiralfadens gelegene Abschnitt der Luftbahnen bei den Coleopteren mit zum Stigma gerechnet und nach dem Vorgange Verhoeffs (1895 S. 11) als »Stigmengrube« bezeichnet. Diese Grube ist bei den meisten Coleopteren wie auch bei der Imago des Byiiscus Aveitbauchig und flach, bei der Larve jedoch mit Ausnahme des normalen 8. abdominalen Stigmas außerordentlich vertieft und bei den ersten Stadien wie auch bei dem Metathoraxstigma der erwachsenen Larve außerdem sekundär ohne Lumen. Ich habe weiter oben die Bezeichnung »Stigmenhals« gebraucht. Es ist nach dem Gesagten der »Stigmenhals« des 1. und 2. Stadiums selbstverständlich der »Stigmengrube« des 3. und all- Die Entwicklung des Dytiscus marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 119 c8 h5 -i C3 cS -3 3« § § g 1^ ^ •3 ^ ä - =ö i>2 °4H Cä F^ « , 05 -*^ 0 g 4^ ■»:> ■to 2 03 1 0) 1 «M «M «M a> ^ >► o — s * M "3 3 ^ rS ö 0^ ^ S o 0 0 P s oo oa 03 bß -^ ■? M t» — -tä ^ _o g Ä +i '3 ^H 5 ^ 3 ^ ce !«3 0) © aj ^ cc «*H «M 0 GQ i rt 4:9 4^ 1 1 1 ä ^ ^ 2 1 0 ^ 'S t> 0 g 3 'S 03 1 ^ § S a OD H^ 03 5P 0) ä -ti Sl i 2 CS 1 Ph 0 TS 3 h ® © i cö •1 -2 -1-3 CS fi 'Sc T3 . •S s H ?H -»^ OQ P< CO 5 (0 ^ ^ g 4^ 'S fl ^ S 'S 2 3 1^ . 2 [«5 0 . © -2 0 CC Ä Ö Ol 'S 0 «« S © ;^ 0 ^H 'ö 45 -2 © S ^ « Ö ^ r^ 02 © d TS 0 ^ § P ä3 .S a a a a 3 2 s ^ ^ ^ cä cö ce -tS -f^ +2 02 CQ m r-H (N ai gemein der >>8tigmengrube<< Ver- HOEFFs morphologisch gleichwer- tig. Krancher irrt (1881 S. 557), wenn er diesen Abschnitt mit zur Trachee rechnet. Das Resultat meiner Unter- suchung über den Respirations- apparat läßt sich in dem Satze festhalten : Die Dytiscus -IjdüTYen sind auf dem 1. und 2. Stadium metapneustisch und werden auf dem3. Stadium peripneu- s tisch, erreichen also erst dann den Zustand, den die weitaus meisten übrigen Käferlarven wäh- rend der ganzen larvalen Ent- wicklung einnehmen. Ein ganz ähnhcher Übergang vom geschlossenen zum teilweise offenen Tracheensystem während des Larvenstadiums findet sich nach Dewitz auch bei Odonaten und Ephemeriden (1890 S. 530— 531). Zur äußeren Morphologie der Larve des 2. Stadiums zurückkeh- rend, fahre ich mit der Beschrei- bung der Körperdecke fort. Die Cuticula erreicht bereits einen ziemhch hohen Grad von Festig- keit. Kopf und Thorax sowie die letzten Abdominalsegmente und alle Extremitäten bewahren auch an der abgestreiften Haut ihre Form. Nur in den mittleren Par- tien des Körpers fällt die Haut noch ganz in sich zusammen. Die Zeichnung wird bei einigen Exemplaren der des 3. Stadiums 120 Hans Blunck, bereits sehr ähnlich, tritt aber aus der blassen Grundfärbung nur un- deutHch hervor, am wenigsten gut der helle Rückenstreif, dem seine dimkle Einfassung noch fehlt. Sehr deuthch kommt die Mittelstellung des zweiten zwischen dem Fig. 56 a — c. Spitze des rechten Cercus der Lai-ve von Dytücus marginalis L., vou oben gesehen, a) erstes Stadium, b) zweites Stadium, c) drittes Stadium. ersten und dritten Stadium bei der Ausbildung und Verteilung der Haargebilde zum Ausdruck. Die für die jüngsten Larven charakte- ristischen Cuticularschuppen sind noch vorhanden, aber an Zahl redu- ziert, die eigentümUchen »Keulenhaare << und stumpfspitzigen Kegel oder Die Entwicklung des Dytiscns marginalis L. vom Ei bis zur Imago. 121 Zapfen der erwachsenen Larven sind bereits angelegt. Schwimmhaare, lange Tasthaare, kurze Tastborsten, Grubenkegel und »Gruben ohne Kegel« zeigen dieselbe Ausbildung und Verteilung wie auf dem dritten Stadium, sind jedoch weniger dicht gestellt. Einige Abweichungen finden sich an den Beinen (s. Fig. 54b). An Trochanter {tr), Femur (/e) und Tibia (ti) fehlt noch die Keihe kräftiger Borsten, welche die Schwimm- haarreihe in der Kiellinie begleitet. Die Zahl der »Gruben ohne Kegel« unterhalb der oberen Schwimmhaarreihe ist ziemlich hoch und beläuft a ö Fig. 57 a und b. ti Larven von Dytiscus marginalis L., nach dem Leben, a) 1. Stadium, kurz vor der Häutung; b) 2. Stadium, einige Stunden nach der Häutung. Vergrößert. sich am Femur auf 15, an der Tibia auf etwas weniger, zu einer Reihe geordneter Gruben von ungleicher Größe. Die obere Schwimmhaarreihe der Tibia wird von rund 40 kleinen Grubenkegeln begleitet. Im proxi- malen Teil des Trochanters sind die Schwimmhaare durch wenige schlanke Borsten ersetzt. Die Cerci (Fig. 56b) sind beiderseits mit Schwimmhaaren ausgerüstet. Diese sind auf der Innenseite ebenso zahlreich wie auf der Außenseite. Auf dem 3. Stadium überragen die nach außen gerichteten die der Innenseite an Zahl (s. Fig. 56c). In der folgenden Tabelle ist die Verteilung der systematisch wichtigen Chitin- anhänge während der 3 Larvenstadien zusammengestellt. 122 Hans Blunck, Verteiluns; der Haargebilde. 1. Stadium 2. Stadium 3. Stadium Schuppen Auf der ganzen Schädel- Sehr klein und wenig kapsei zahlreich auf der Post- : frons — Dornen 1 Oberseite des Mentum, Außenseite und Spitze der Labialtaster, Innen- seite des Stipes, seitüclie Randpartien der Tergite des Mesothorax bis zum 7. Abdominalsegment, das ganze 8. Segment und die Cerci, obere Hälfte der Vorderseite von Coxa, Trochanter, Femur und Tibia, sowie die Rücken- seite des Tarsus Oberseite des Mentum, Außenseite der Labial- taster, sehr wenige auf der Innenseite des Sti- pes, seitliche Randpar- tien der Tergite des 1. bis 8. abdominalen Seg- ments (excl. ) und Unter- seite der Cerci Keulenhaare Alle Tergite. Auf den Sterniten Übergangs- stadien zu den kräftigen Zapfen des 8. Segments Wie auf dem 2. Stadium, aber bedeu- tend zahl- reicher In Reihen geordnete Schwimm- haare 8. Segment. Außenseite der Styli, Femur und Tibia 7. und 8. Segment. Außen- und Innenkante der Cerci, Coxa, Trochan- ter, Femur, Tibia und Tarsus Wie auf dem 2. Stadium, aber dichter gestellt Schlußbemerkung. Abschließend ist zu wiederholen, daß sich phylogenetisch die 3 Larvenstadien gegeneinander nur unvollkommen verwerten lassen. Der biogenetischen Grundregel zufolge ist zu erwarten, daß die jungen Larven primitivere Charaktere aufweisen als die erwachsenen. In der Tat sind ja auch die in Anpassung an das Wasserleben erworbenen Schwimmhaare bei den jungen Stadien geringer ausgebildet als bei den alten und die accessorischen Glieder der Fühler und Taster treten erst auf dem letzten larvalen Stadium auf. Andererseits sind aber die zur Unterstützung der Schwimmbewegungen ausgestalteten Extremitäten des Thorax bei jungen Tieren verhältnismäßig größer und kräftiger als Die Entwickliuig des Dytiscus margiiialis L. \om Ei bis zur Iiiiago. 123 bei erwachsenen Larven, und die 8eitenstignien des Abdomens sind bei den frisch, geschlüpften Tieren im Gegensatz zum Embryo voll- ständig rückgebildet, bei den Verpuppungsreifen aber normal ent- wickelt. Die typischen Larvenorgane erlangen somit im Laufe der Fig. 57 f. Lan'e von Dytiscus marginalis L., nach dem Leben, c) 3. Stadium, erwachsen. Vergrößert. Metamorphose bis zur Verpuppung enie wachsende Ausgestaltmig, während andere Organe zu Beginn der Metamorphose rückgebildet oder stark modifiziert werden, um erst gegen Schluß der larvalen Periode wieder aufzutreten mid eine höhere Ausoestaltunü zu erfahren. Der 124 Hans Blunck, letzte Fall betrifft ausschließlich solche Organe, welche auch während des Puppen- und Imagolebens tätig sind, z. B. die abdominalen Seiten- stigmen, ferner die Flügel und die Geschlechtsorgane. Wir sehen somit die Larve zu Beginn ihrer Entwicklung sich langsam von ursprünglichen Charakteren abkehren und einer extrem larvalen Gestaltung zustreben, später jedoch anfangs re- tardierte Organsysteme in die fortschreitende Entwick- lung mit einbeziehen (Respirationsorgane) und dadurch die Abkehr von der larvalen Gestalt und die Vorbereitung des imaginalen Typus vollziehen. Marburg, am 9. Januar 1914. Literaturverzeichnis, Alt, W., Über das Respirationssystem von Dytiscus marginalis L. 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In den Jahren 1893—1896 veröffentlichte ich eine Eeihe von Schriften über die Abdominalringe, Copulationsorgane, Lege- apparate und einige andre Organe der Coleopteren, durch welche ich 1. die Kenntnis dieser Körperteile an sich zu fördern suchte, 2. neue phylogenetische Gesichtspunkte eröffnet, 3. der Systematik neue Handhaben geliefert habe. Meine damaligen Arbeiten zerfallen ganz natürlich in zwei Gruppen, nämlich a) diejenigen, welche der ersten mehr allgemeinen Orientierung dienen, auf feinere Einzelheiten nicht eingehen, aber unterstützt von Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 131 mehr oder weniger schematischen Abbildungen gewisse Grundzüge herauszuschälen suchten. Hierher gehören folgende Schriften: 1. Vergl. Untersuchungen über die Abdominalsegmente und die Copulationsorgane der männlichen Coleoptera^ ein Beitrag zur Kenntnis der natürlichen Verwandtschaft derselben. Deutsche entom. Zeitschr. Berlin 1893. S. 113—170, 4 Taf. 2. Vergl. Untersuchungen über die Abdominalsegmente, ins- besondere die Legeapparate der weiblichen Coleoptera, ein Beitrag zur Phylogenie derselben. Deutsche entom. Zeitschr. 1893. S. 209— 260. 2 Taf. 3. Zur Kenntnis der vergleichenden Morphologie des Abdomens der weiblichen Coleoptera. Daselbst 1894. S. 177—188. b) In den weiteren Abhandlungen habe ich eine Reihe beson- derer Familien eingehender untersucht, wobei ich zum Teil darauf Wert legte, ursprüngliche Gruppen genauer zu behandeln, zum Teil eigenartige sekundäre Verhältnisse klarzustellen. Die Abbildungen der beigegebenen Tafeln wurden mikroskopischen Präparaten ent- nommen, also im Gegensatz zu den Abbildungen der Schriften Nr. 1 vmd 2 möglichst naturgetreu gehalten, womit jedoch lediglich gesagt sein soll, daß sie durchschnittlich genauer sind als die meistens mit der Lupe aufgenommenen Zeichnungen in Nr. 1 und 2. Es gehören hier- her folgende Schriften: 4. Vergl. Morphologie des Abdomens der männlichen und weib- lichen Lampyriden, Canthariden und Malachiiden, untersucht auf Grund der Abdominalsegmente, Copulationsorgane, Legeapparate und Dorsaldrüsen, ein Beitrag zur Kenntnis der Phylogenie der Co- leopteren. Archiv f. Nat. 1894. Bd. I. Hft. 2. S. 129—210. 4 Taf. 5. Beiträge zur vergl. Morphologie des Abdomens der Coccinel- liden und über die Hinterleibsmuskulatur von Coccinella usw. Aichiv f. Nat. 1895. Bd. I. Hft. 1. S. 1—80. 6 Taf. 6. Vergl. morphologische Untersuchungen über das Abdomen dei Endomychiden, Erotyliden und Languriiden (im alten Sinne) und über die Muskulatur des Copulationsapparates von Triplax. Archiv f. Nat. 1895. Bd. I. Hft. 2. S. 213— 287. 2 Taf. 7. Über das Abdomen der Scolytiden, ein Beitrag zur vergl. Morphologie des Hinterleibes der Coleopteren. Archiv f. Nat. 1896. Bd. I. Hft. 2. S. 109—144. 2 Taf. In sämtlichen Aufsätzen bin ich bestrebt gewesen, vorwiegend die- jenigen Organe darzustellen, deren Auffassung oder Beobachtung schwieriger ist, während ich auf die Darstellung von Körperteilen, 9* 132 Karl W. Verhoeff, welche schon der Anfänger leicht erkennen kann, meistens verzichtet habe. Meine Arbeiten müssen ferner aus ihrer Zeit verstanden werden, d.h. aus einem Zustande größter Verworrenheit der abdo- minalen vergleichenden Morphologie, worauf ich hier nicht näher eingehen will, wovon man sich aber an zahlreichen Schriften überzeugen kann, welche den meinigen vorangingen. Aus den zahlreichen Ergebnissen meiner Studien seien hier nur ganz wenige allgemeinste hervorgehoben, nämlich: 1. die Erkenntnis, daß das Abdomen der Coleopteren primär allgemein, d. h. bei allen mehr ursprünglichen Abdominalbau be- wahrenden Familien aus zehn Kingen besteht, 2. die Durchführung einer einheitlichen Nomenklatur bzw. Zählung und Erklärung der Dorsal- und Ventralplatten, die wir jetzt Tergite und Sternite nennen. 3. habe ich die Verschiedenheit der Ausprägung der abdominalen Stigmen dargelegt und die sich daraus ergebende phylogene- tische Bedeutung derselben. 4. sind Parameren und Penis in ihren mannigfaltigen Prägun- gen einheitlich dargestellt worden und auf Grund von Punkt eins wurde gezeigt, daß sie mit den Stammteilen der Ringe, d. h. Sterniten und Tergiten nichts zu tun haben, sondern auf umgewandelte Seg- mentanhänge zurückzuführen sind. 5. habe ich den wesentlichen Unterschied betont, welcher besteht zwischen den äußerlich gelegenen und mit Haaren, Tastborsten, Poren- kanälen und Drüsen ausgerüsteten Sterniten und Tergiten einer- seits und ihren ins Körperinnere versenkten, jener Auszeichnungen entbehrenden Skleritderivaten, den Bögen und Spicula anderseits (Spiculum ventrale und gastrale, Radii u. a.). Man kann aus einer ganzen Reihe späterer Schriften ersehen, daß meine vorgenannten Arbeiten nützlich gewesen sind, indem meine abdominale Morphologie benutzt und bestätigt wurde. So, um nur zwei Beispiele anzuführen, von K. Escherich in seiner Anatomie und Biologie von Paussus turcicus, Dissertation in Karlsruhe 1898, wo eine richtige Auffassung des Abdomens auf der beigegebenen Tafel in Fig. 2 bis 9 zum Ausdruck gebracht wurde, und von H. J. Kolbe in seinen vergleichenden morphologischen Untersuchungen von Coleopteren^ Festschrift für E. v. Marxens, Archiv f. Nat., Beiheft 1901, welcher auf Taf. III in Fig. 25 und 26 durch Zahlen einen nützlichen Vergleich Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 133 gibt über meine neue Zählung der Tergite und Sternite und die alte oberflächliche, rein deskriptive. Trotzdem bin ich von der Folgezeit insofern enttäuscht worden, als sich niemand gefunden hat, welcher die Bearbeitung des Coleo- pteren-Abdomens in dem 1893 — 96 von mir verfolgten Sinne weiter fortgesetzt hätte. Ich selbst stellte meine Untersuchungen in dieser Hinsicht seit fast zwei Jahrzehnten ein, da ich durch andre zoologische Arbeiten in Anspruch genommen wurde. 1905 veröffentlichte B. Wandolleck eine Arbeit »Zur vergleichen- den Morphologie des Abdomens der weiblichen Käfer«, Zool. Jahr- bücher. Bd. XXII. Heft 3. S. 477—576, mit einer Tafel. Sein Thema umschreibt er selbst auf S. 483, wo es heißt: >>Es werden mich nur die letzten Segmente des weiblichen Abdomens beschäftigen, das 8., 9., 10. Tergit und das 8. und 9. Sternit.« Er untersuchte außer Cerambyciden Vertreter der Elateriden, Buprestiden, Chry- someliden, Lagriiden und Cisteliden. S. 484 erklärt er aus- drücklich : »Durch eine Anzahl von Arbeiten früherer Autoren und vor allem durch die Arbeiten Verhoefps ist jetzt endgültig festgestellt worden, daß das Abdomen der weiblichen Coleopteren aus zehn Tergiten und neun Sterniten zusammengesetzt wird.« Wandollecks Untersuchimgen sind dankenswert als ein Beitrag zur Kenntnis der Legeapparate der genannten Famihen und zugleich eine ausführliche Bestätigung meiner einschlägigen Mitteilungen in den Arbeiten Nr. 4 und 6. Nicht mit Unrecht tadelt Wandolleck die mangelnde Übersicht- lichkeit meiner Abbildungen in den Arbeiten Nr. 1 und 2. Leider kann ich ihm erst jetzt verraten, daß ich mich damals in einer Zwangslage befand, d. h. ich mußte mit dem spärlichen Tafelraum hausL alten und hatte ohnehin Mühe, Dr. Kraatz zur Bewilhgung der betreffenden Tafeln zu bewegen. Im übrigen aber bin ich nicht der Ansicht, daß man alles und jedes Beobachtete darstellen kann und soll, vielmehr muß vom Leser verlangt werden, daß er den einfacheren Verhältnissen auch ohne Abbildungen folgen kann und für Leute, welche überhaupt keine Objekte selbst in die Hand nehmen wollen, schrieb und schreibe ich nicht, für solche kommen nur die allgemeinsten Ergebnisse in Betracht. Neue Gesichtspmikte hat die Arbeit Wandollecks nicht erbracht. Um so fruchtbarer scheint hinsichtlich derselben eine soeben in der Zeitschrift f. wiss. Zoologie, Bd. CXIV, Hft. 1 S. 1894 (mit Abbildungen 134 Karl W. Verhoeff, und einer Tafel) erschienene Abhandlung von W. Harnisch zu sein: »Über den männlichen Begattimgsapparat einiger Chrysomelidenj ein Beitrag zur Phylogenie des Copulationsapparates der Käfer«. Man hat an dieser Schrift scharf den physiologisch-anatomischen Teil einerseits und den vergleichend-morphologisch-phylogenetischen ander- seits zu unterscheiden. Die physiologischen Untersuchungen sind entschieden verdienst- voll, auch befinde ich mich mit Harnisch hinsichtlich seiner Aus- führungen über die »biologische Bedeutung der Komplikation des Copulationsapparates« (S. 63) im wesentlichen in Übereinstimmung. Was er S. 65 über »Kreuzungsverhinderung« und über die biologische Bedeutung der »Rutenblase « sagt, ist entschieden der wertvollste Teil seiner Arbeit. Hinsichtlich der Auffassung der Rutenblase als »se- kundär eingestülpten Teil der Körperfläche« und des »Präpenis« (S. 81) als »eine spezielle Neubildung« kann ich Harnisch ebenfalls bei- stimmen. Letzteres ist freilich längst von mir erwiesen worden. Der vergleichend-morphologisch-phylogenetischeHaupt- teil der Arbeit aber ist dermaßen verfehlt, daß er nur als ein bedauerlicher wissenschaftlicher Rückschritt bezeichnet werden kann. Da ich im folgenden zum Teil auf frühere Studien zurückkomme, zum Teil neue Befunde auseinanderzusetzen habe, ergibt sich von selbst Gelegenheit, die Irrtümer von Harnisch im einzelnen zu be- sprechen. Es muß jedoch schon im allgemeinen folgendes voraus- geschickt werden: Wer immer sich mit irgend einer Gruppe von Gliedertieren wissenschaftlich beschäftigen will, muß aus Kolleg oder Handbuch lernen, daß sich der Körper der Gliedertiere aus Segmenten oder Ringen zusammensetzt und daß die einzelnen Ringe eine gewisse Selb- ständigkeit aufweisen. Wenn wir die Zellen der Lebewesen mit den Backsteinen eines Hauses vergleichen können, so lassen sich die Ringe eines Gliedertieres mit den Wagen eines Eisenbahnzuges oder mit den in linearer Folge hintereinander befindlichen Zellenkammern von Orthöcien-Bauten solitärer Hymenopteren in Rubus- und andern Zweigen veroleichen. Gegen diese Erkenntnis der Selbständigkeit der ein- zelnen Ringe ist in ungezählten Fällen gefehlt worden^. So habe ich schon vor 20 Jahren gegen diejenigen (nicht nur Dilettanten, 1 Hierzu hat zweifellos F. Stbens klassisches Werk über » Die weiblichen Ge- schlechtsorgane der Käfer«, Berlin 1847, wesentlich beigetragen, denn in ihm wird ständig von »Rücken- und Banchsegmenten « gesprochen. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 135 sondern auch Zoologen !) angekämpft, welche fälschhch von »Dorsal- segnienten« und »Ventralsegmenten« sprechen, ohne zu wissen, daß der einzelne Ring eine Einheit vorstellt. Aber trotz dieser Be- kämpfung ist das Falsche wieder aufgetaucht, im neuen Jahrhundert neben den alten »Ventralsegmenten << sogar »Halbsegmente <<, statt der richtigen Bezeichnungen Dorsal- und Ventralplatten oder Tergit und Sternit. Letztere sind absolut keine »Halbsegmente«, nur für den- jenigen, welcher sich das Segment fälschlich vorstellt als allein aus Terdt und Sternit bestehend. I Wie verhängnisvoll das Verkennen der Einheitlichkeit der Rinoe, im besonderen Falle der Abdominalsegmente der Insekten, werden kann, beweist in überaus lehrreicher Weise die Arbeit von Harnisch, in welcher dieser Kardinal mangel auf S. 71 in folgender Weise zum Ausdruck gebracht worden ist. ! Nachdem er nämlich die hauptsächlich von mir begründete Zehn- ringeligkeit des Käferabdomens bemängeln zu müssen geglaubt hat, insbesondere sich das Verschwinden der »beiden Sternite vorn« nicht hat vorstellen können (obwohl er im Widerspruch damit in der Fig. 61 für Lina fopuli selbst ein schmales »1.« Sternit angegeben hat), fährt auf S. 71 Harnisch also fort: »Diesen Sternitenausfall brauchen wir aber nicht anzunehmen, wenn es uns gelingen sollte, die beiden feh- lenden Sternite im Copulationsapparat wiederzufinden. Dann hätten wir also tatsächlich in dem ersten versteckten. Sternit das wahre erste, in dem folgenden sichtbaren das zweite. Wie nun aus Textfig. 14 ersicht- lich (Seitenansicht von Lina 'populi (^ und $), liegt dieses aber unter dem 4. Tergit; es muß also (!) eine Verschiebung der Rücken- und Bauchplatten gegeneinander stattgefunden habend.« i ;S. 72 oben fährt Harnisch also fort: »Für meine Beweisführung, daß wir diese ausgefallenen Sternite tatsächlich im Copulationsapparat wiederfinden, werde ich zuerst bei Lina fOfuli und einigen andern Käfern die neun Dorsal- und sechs Ventralplatten nachweisen, also 1 Diese Idee stammt übrigens keineswegs von Haenisch, sondern ist bereits 1847 von F. Stein in seinem genannten Werk auf S. 11 also ausgedrückt: »Sämt- liche Bauchsegmente der Käfer sind gegen die Rückensegmente mehr oder weniger weit nach hinten verschoben, und daher berechtigt die gleiche Lage eines Rücken- und Bauchsegmentes durchaus nicht, diese für gleichnamig zu halten. « — Stein betrachtete jedoch das Käferabdomen als aus neun Ringen zusammen- gesetzt und glaubte nur an eine Verschiebung um einen Ring, ihm fehlte zur richtigen Auffassung nur noch das 1. Sternit und 10. Tergit. Harnisch dagegen will eine Verschiebung um zwei Ringe vertreten und bleibt damit noch hinter Stein zurück, d. h. vertritt einen Rückschritt um 66 Jahre! — 136 Karl W. Verhoeff, die Differenz von drei Platten zeigen, zweitens den segmentalen Cha- rakter der drei Stücke des Copulationsapparates feststellen.« Für die ganz ungeheuerliche Behauptung einer Verschiebung der Tergite und Sternite^ (und zwar wie aus seinen Ausführungen her- vorgeht in dem Sinne, daß die ventralen Sklerite um zwei Segmente oegen die dorsalen nach hinten verrückt seien) ist auch nicht eine einzige begründende Tatsache beigebracht wor- den ! Dagegen kann sich jeder Anfänger auf diesem Gebiete an Lar- ven, Nymphen und I magine s davon überzeugen (und dazu genügt schon eine gute Lupe), daß der Zusammenhang der einzelnen Ringe und zwar insbesondere des 3. bis 8. Abdominalringes auf das strengste gewahrt wird. Es muß ferner an die abdominale Longitudinalmuskula- tur erinnert werden, welche ich übrigens für Coccinella im Aufsatz Nr. 5 behandelt habe. Auch diese Muskulatur tritt dorsal und ventral in einem strengen segmentalen Zusammenhang auf und ver- hindert, da sie mit den Skleriten in Wechselwirkung steht, vollständig die behaupteten Verschiebungen. Ferner kommt das abdominale Tracheensystem in Betracht, dessen Stigmen streng seg mental angeordnet sind^, während die von ihnen ausgehenden Tracheen, welche jene Muskulatur sov/ie ihre Tergite und Sternite (Hypodermis) versorgen, ebenfalls die Ver- schiebungen unmöglich machen. Der Kardinal fehler^ von Haenisch ergibt sich also L aus der Verkennung der elementaren Eigenart der Seg- mente, II. folgt er auch aus andern unrichtigen Beobachtungen, unter denen an erster Stelle die Tatsache zu nennen ist, daß Harnisch Metanotum 1 S. 71 gibt Harnisch für Lina populi die beistehende,! 8 völlig verfehlte Abdominalformel, auf welche wir weiterhin)- ilijlA£_!^ Z^. zurückkommen. | (.1; ^s o 4 ö 2 Den eegmentalen strengen Zusammenhang zwischen Stigmenpaaren und abdominalen Tergiten hat Stehst zuerst erkannt, aber seine (man kann jetzt noch sagen) goldenen Worte sind von Harnisch ebenfalls mißachtet worden, sonst hätte er unmöglich seine Abb. 60 liefern können, d. h. die Erklärung Steens 1847 auf S. 10 seiner Abhandlung gegenüber Schiödte und Heer — »das sehr ansehnlich entwickelte 1. Rückensegment (recte Tergit) haben beide Forscher übersehen, was nicht hätte geschehen können, wenn sie die Relation, in der die Stigmen zu den Rückensegmenten (recte Tergiten) stehen, beobachtet hätten« — gilt 1915 wiederum für Harnisch. •' Diese Bezeichnung ist notwendig, weil ein ganzes darauf aufgebautes wissenschaftliches Kartenbaus in sich selbst zusammenstürzt! Zur vergleichenden Morphologie dcj Abdomens der Coleopteren usw. 137 und 1. Tergit des Abdomens verwechselt hat^! Ich verweise auf seine Fig. 60, S. 71, wo das Metanotum mit >>1. "Tergit« bezeichnet worden ist, obwohl schon die spitzen Seitenzipfel das Metanotum an- zeigen. Außerdem liegen die fünf abdominalen Stigmenpaare neben dem 1. bis 5. Tergit, die hier fälschlich mit »2. << bis >>6. << bezeichnet sind. In Harnischs Fig. 60 sind aber die großen 1. Stigmen zu weit nach vorn gezeichnet, eben infolge jenes Irrtums. Daraus erklärt sich dann weiter die Behauptung, »die 1. Platte liegt vollkommen im Körperinnern ver- borgen <<, was übrigens selbst auf das Metanotum nur halbwegs zutrifft. Die Verkennung des Metanotum zeugt flugs eine neue Hypothese (8. 72), »daß das 1. Stigma die doppelte Größe der beiden folgenden hat mid es daher nicht ausgeschlossen ist, daß es aus der Verwachsung zweier Stigmen (!), des der ersten und des der zweiten Dorsalplatte, entstanden ist<< usw. — Ich habe schon Tausende von Käferstigmen beobachtet, aber noch niemals eine Verwachsung von zweien, die ebenfalls der segmentalen Einheitlichkeit zuwiderläuft. III. hat sich Harnisch in gänzlicher Verkennung der phylo- genetischen Verhältnisse der Coleopteren in den Chrysomeliden eine der für die Beurteilung der vergleichenden Morphologie des Ab- domens ungeeignetsten, weil am meisten abgeleiteten Fa- milien ausgesucht, worauf ich im folgenden noch näher eingehen will. Hier sei nur der abdominalen Stigmenpaare gedacht, weil gerade bei der von H. am meisten berücksichtigten Gattung Lina in diesen die derivate Natur dieser Gattung besonders deutlich zutage tritt. Innerhalb der Insekten haben die ursprünglichen und zugleich gestreckteren Formen höchstens 3 -f- 8 (4 -f 8) Stigmenpaare, während bei den abgeleiteten Formen sich diese Zahl vermindert. Bei den meisten Chrysomeliden ist die Zahl der abdominalen Stigmen- paare auf sieben zurückgegangen, nämlich sechs Paare in den Pleural- häuten, während das siebente in die Seiten des 7. Tergites gerückt ist. Bei Lina dagegen fehlt nicht nur das 7. Stigmenpaar vollständig, son- dern es ist auch das 6. Paar zu einem rudimentären geworden und daher von Harnisch ganz übersehen. In einem guten Präparat kann man es jedoch schon mit der Lupe leicht erkennen. IV. hat Harnisch die einschlägige Literatur in seiner Arbeit zwar zusammengestellt, aber trotzdem die Arbeiten über primitivere Familien nicht nur, sondern überhaupt über alle nicht be- sonders abgeleiteten dermaßen mißachtet, daß er die zahl- 1 Schon ein Blick auf Abb. 151 und 152 in H. J. Kolbes » Einführung in die Kenntnis der Insekten« hätte vor diesem groben Irrtum bewahren sollen. 138 Karl W. Verhoeff, reichen Beobaclitimgen, die ich in den angegebenen Schriften nament- lich über das 2., 8. und 9. Sternit, sowie 10. Tergit gemacht habe, ein- fach übersah. — Weil nun die vermutete Verschiebung der Abdominalsklerite eine Unmöglichkeit ist, vielmehr Ster- nit und Tergit eines bestimmten Ringes in strengem Ver- band bleiben, da ich außerdem in Dutzenden von Fällen das wirk- liche 8. und 9. männliche Sternit längst nachgewiesen habe, so ist die Zurückführung des Penis und der Parameren auf diese ein gänzlich haltloser Versuch. Das wirkliche 2. Abdominalsternit fehlt bei primitiveren Coleopteren-FamiUen übrigens durchaus nicht, worauf ich noch zurückkomme, es ist vielmehr bei zahlreichen Formen sehr deut- lich ausgebildeti. Daß aber das 1. Abdominalsternit der Ima- aines bis auf Rudimente fast immer wirklich fehlt, ist durchaus nichts Merkwürdiges, vielmehr eine natürliche Folge des physiologischen Verhältnisses von Thorax und Abdomen. Der Thorax ist nämlich nach vorn oben infolge des Halsschildes mid nach unten hinten infolge der großen Hüften der Hinterbeine ausgedehnt. An diese Dehnung hat sich das Abdomen einfach angepaßt^ d. h. es war oben genug Platz vorhanden, um allen Tergiten Spielraum zu gewähren. Unten dagegen drängten die Hüften so sehr nach hinten,, daß das 1. Sternit verschwin- den mußte, aber auch dies zum Teil deshalb, weil die folgenden Ringe so energisch ihren bestimmten Platz innehielten. Wenn auch bei fast allen Coleopteren-Imagines das 1. Sternit des Abdomens verloren gegangen oder nur noch in Rudimenten an- gedeutet ist, so gibt es doch noch einige Formen, bei welchen es sich erhalten hat und zwar bei den pseudolarvalen Weibchen von Lam'pyris noctiluca mid Homalisus suturalis. Das weibliche Homci- lisus - Ah dornen ist vom schw^achen 10. Tergit abgesehen das pri- mitivste, welches ich unter den Coleopteren überhaupt kenne, denn das 1. und 2. Sternit sind vollkommen typisch ausge- bildet und gleichen durchaus den weiter folgenden Sterniten. Die ursprünghche Beschaffenheit der Beine, insbesondere der hinteren, hat noch keinerlei Einfluß auf das 1. und 2. Sternit gewonnen. Das 1. abdominale Stigmenpaar gleicht noch vollkommen seinen Nachfolgern. Da nun von der Verkümmerung des 1. Sternites abge- sehen das 1. bis 8. Abdominalsegment der Männchen von Homalisus 1 Verwiesen sei hier auf meinen Aufsatz in Nr. 9 und 10 des Zool. Anzeigers 1916: »Vergl. Morph, des 1. — 4. Abdonünalsternites der Coleopteren und Be- ziehungen des Metathorax zu denselben <<. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 139 und Lampyris im wesentlichen denen der Weibchen entsprechen und jede Spur irgend einer Verschiebung völlig fehlt, so kann man sich schon an jeder dieser Gattungen allein davon überzeugen, daß das 8. und 9. Sternit in beiden Geschlechtern als solche unverkennbar ausgeprägt sind und mit den Copulationsorganen ver- gleichend-morphologisch gar nichts zu tun haben. I Übrigens ist das 1. Sternit des Abdomens auch bei den weiblichen Lampyris recht deutlich erkennbar, wenn auch nicht so scharf aus- geprägt wie bei Homalisus, da es an Größe dem 2. Sternit nachsteht und die abdominalen Sklerite bei Lampyris überhaupt verhältlich zart ausgeprägt sind. Hiermit verbessere ich meine Angabe über das 1. Ster- nit in meinem Aufsatz Nr. 4 (1894), wo ich auf S. 144 dasselbe als fehlend angab. Damals stand mir nur ein Lampyris-W eihchen zur Ver- fügung, Homalisus-Weihchen überhaupt nicht, auch war die Aufmerk- samkeit noch nicht in dem Maße auf das 1. Sternit gelenkt, wie es sich später als erforderlich erwies. — I KoLBE hat 1901 a. a. O. S. 117 ebenfalls hervorgehoben: »Bei den ungeflügelten Weibchen von Lampyris, Lamprorhiza und Drilus ist sogar das ventrale Halbsegment (recte Sternit) des 1. Abdominalringes vorhanden und an den Seiten äußerlich sichtbar.« Hierzu sei jedoch bemerkt, daß dieses 1. Sternit von unten frei sichtbar ist, während die >>an den Seiten« befindlichen Teile nicht zum Sternit gehören, son- dern Pleurite vorstellen. Lamprorhiza ist wegen der äußerst zarten Haut zur Beobachtung weniger geeignet als Lampyris und Homalisus. Die Unmöglichkeit einer Zurückführung des Penis und der Parameren auf Stemite geht zwar aus dem Gesagten schon zur Genüge hervor, ich möchte aber doch noch betonen, daß auch der rein morphologische Bau dieser Organe, insbesondere ihre glied maßen - artige und hohlkörpermäßige Beschaffenheit eine Beziehung auf Segmentsklerite von vornherein äußerst gewagt erscheinen läßt. Dazu kommt ferner der Umstand, daß Harnisch die Parameren in ihrer ausgesprochen extremitätenartigen Beschaffenheit, z. B. bei den Coccinelliden, entweder ignoriert oder überhaupt nicht kennt. Endlich geht aus der von mir erwiesenen und im folgenden nochmals berührten phylogenetischen Folge die Gliedmaßennatur der Parameren mit aller nur wünschenswerten Klarheit hervor. HinsichtHch der Zahl der Abdominalringe beruft sich Harnisch (S. 68) auf die veralteten Anschauungen Schaums von 1863, statt neuere, gründlichere Untersuchungen zu berücksichtigen. Er rügt es, 140 Karl W. Verhoeff, daß ich den »sogenannten Nachschieber der Käferlarven für ein Seg- ment << erkläre, obwohl das bei nur kurzer Prüfun'g einiger geeigneter Objekte leicht einzusehen ist. Gerade zur rechten Zeit erschien jedoch die hübsche Doktordissertation von P. Brass, »Das 10. Abdominal- segment der Käferlarven als Bewegungsorgan«, Greifswald 1914, in welcher mit aller Deutlichkeit diese Frage zur Entscheidung gebracht wird. Auf S. 44 betont Brass mit Recht hinsichtlich der Larven der- jenigen Familien, welche das 10. Abdominalsegment nicht in einen Nachschieber umgewandelt zeigen, daß auch »alle diese wohl zehn typische Abdominalsegmente besitzen, wenn auch häufig die Grenze zwischen 9. und 10. Segment sehr verwischt ist<<. Ich möchte daran anschließend nur noch erwähnen, daß bei den Larven der Lamellicornia das 10. Abdominalsegment sogar oft besonders stark entwickelt ist. Schließlich bleibt auch Harnisch nichts andres übrig, als das 10. Abdo- minalsegment anzuerkennen, wenn auch nur »bei einigen Käferlarven«. In den oben angeführten Arbeiten sind zwar schon genug Formen von mir beschrieben worden, deren primitives Abdomen zehn Ab- dominalringe erkennen läßt, insbesondere auch ein 8. und 9. männ- liches Sternit — ich erinnere z. B. an Fig. 2 Lygistopterus, Fig. 5 Eros, 14 Danacaea, 48 und 49 Dasytes und 85 Cantharis ( = Telejjhorus) im Aufsatz Nr. 4 — , aber ich will im folgenden doch abermals und noch genauer auf diese Verhältnisse eingehen. Vorweg sei aber schließlich noch auf eine wichtige Tatsache hin- gewiesen, welche ebenfalls die Anschauungen von Harnisch als un- mögliche bezeichnet, nämlich die durch eine tiefe segmentale Spalte voneinander getrennten, echten männlichen Sternite des 8. und 9. Ringes, während im Gegensatz dazu Parameren und Penis stets zusammenhängen und oft mehr oder weniger ver- wachsen sind. Außerdem befindet sich das 8. und 9. Sternit, auch wenn dieselben mehr oder weniger versteckt liegen, doch stets an der Ober- fläche des Abdomens, wie das von Skleriten erwartet werden muß, während sich die Copulationsorgane in der Ruhelage stets in einer tiefen Tasche eingesenkt finden. Eine andere, nicht minder wichtige Tatsache ist die Zweigliedrig - keit vieler Parameren, die sich nur verstehen läßt, wenn man diese als Gliedmaßen betrachtet. Harnisch hat auch dies wie vieles andre ignoriert, wo er aber wie auf S. 78 an der Hand des »Copulations- apparates des Maikäfers« von meinem »kapseligen Paramerentypus ^< spricht, zeigt er lediglich, daß er meine Ausführungen nicht ver- standen hat. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 141 Die Grundglieder der Parameren sind von mir für zahl- reiche Gattungen verschiedenster Familien als Basalplatten be- schrieben worden, d. h. sie erfuhren durch ihre Anpassung an und Verbindung mit dem Penis die verschiedensten Modifikationen. Die Endglieder der Parameren aber haben ihre ghedmaßen- artige Natur in zahllosen Fällen beibehalten, ich erinnere nur an S. 266 in meiner Endomychiden- usw. Arbeit, wo es heißt: »Bei Eroty- liden sind stets getrennte und bewegliche Paramerenendteile von stylusartiger Form vorhanden, "welche in einer häutigen Grube auf dem Ende der Basalplattenmulde sitzen. << Die Zweigliedrigkeit der Parameren kommt hier wie in zahlreichen andern Fällen, z.B. noch deutlicher bei den Coccinel- liden, in der Tatsache zum Ausdruck, daß die Endglieder gegen die Grundglieder beweglich sind,. Da die im vorigen berührten Anschauungen von Haenisch sich auf unrichtige Unterlagen aufbauen, fallen natürlich zahlreiche pole- mische Bemerkungen (z. B. auf S. 4), welche er gegen Wandolleck und besonders gegen mich gerichtet hat, als haltlos zusammen. Es muß aber doch dagegen Protest erhoben werden, daß ein mit der vergleichenden Morphologie der Insekten und den Familien der Coleopteren so wenig vertrauter Autor nicht nur die vorhandene Literatur so ungenügend benutzt hat, sondern auch andern in über- stürzter Weise Vorwürfe macht. Wenn es S. 21 oben heißt, »daß man das 7. Sternit selten, das 8. überhaupt nichts als solches erkannt hat« (!), dann bedarf es nach dem Vorigen keines weiteren Zusatzes. Harnisch findet S. 22 oben die »Veröffentlichungen . . .<< »über den Copulations- apparat . . . << »so widersprechend <<, daß » ein Eingehen auf die bisherige Literatur das Verständnis nur erschweren würde«. Auch dieses Ge- ständnisist vollkommen natürlich und begreiflich. Weniger ver- ständlich finde ich den Satz (S. 23) : »Das Atrium genitale ist eine feine, durchsichtige Chitinhaut <<. — »A tr i u m << heißt doch Saal, Halle oder auch Höhle, wie aber ein Eaum eine Haut sein kann, begreife ich nicht! Ausblick auf andere Gliedertierklassen. In verschiedenen Schriften über andre Insektenordnungen habe ich gezeigt, daß Genitalanhänge beider Geschlechter auch bei Thy- sanuren, Dermapteren^ Rhynchoten u. a. als Gliedmaßen zu 1 Es ist unglaublich, daß trotz Steens prächtiger Abhandlung von 1847 so etwas 1915 gedruckt wird ! 142 Karl W. Verhoeff,. betrachten sind. Auf Sternite können sie in diesen Ordnungen ebenso- wenig zurückgeführt werden wie bei Coleopteren. Werfen wir aber einen Blick auf andre GHedertierklassen, dann sprechen auch diese die unzweideutigste Sprache dafür, daß die Ausführwege der Geschlechts- zellen mit Gliedmaßen in Zusammenhang treten: Allbekannt sind die Verhältnisse beim Flußkrebs, dessen Samen- leiter an den letzten thorakalen Coxopoditen münden, während das zugehörige Sternit als eine kleine Platte davon getrennt ist. Bei den Isopoden verbindet sich der Penis mit den 1. und 2. Pleopodenin einer Weise, daß man unwillkürlich an das Verhältnis von Penis und Parameren bei den Käfern erinnert wird. Nicht nur in morpho- logischer, sondern auch in physiologischer Hinsicht besteht eine gewisse Ähnlichkeit, wenigstens soweit das bei sonst so abweichenden Tieren möglich ist. Bei Pantopoden münden die Geschlechtswege beider Geschlechter sogar in den GHedmaßen selbst weit hinter den Grund- gliedern. Unter den Chilopoden zeigen uns besonders die die Eier haltenden Genitalgliedmaßen weiblicher Lithobiiden sehr deutlich die Verbindung von Genitalöffnung und Extremitäten. Die durch besonders charakteristische Sternite ausgezeichneten Diplopoden besitzen im männhchen Geschlecht in zahlreichen Formen zweite Hüften, welche von den Vasa deferentia durchbohrt werden, aber niemals werden von den Geschlechtswegen die Sternite durchbohrt. Wenn sich sonst außerhalb der Geschlechtsmündimgen Spermabehäl- ter vorfinden, dann liegen dieselben wie bei den A r a n e e n und Diplopo- den wiederum stets in bestimmten Gliedmaßen, aber nicht in Sterniten. Den Penis der Coleopteren stellte sich Harnisch als ein zusam- mengerolltes Sternit vor und mußte nun demgemäß an ihm eine Ver- wachsungsnaht auffinden. Angenommen, eine solche wäre vor- handen, dann wäre das noch gar kein Beweis für die sternale Natur des Penis. Es müßte vielmehr mit einer Verwachsung des- selben aus ursprünglichen zwei getrennten Penes gerechnet werden, zumal solche nicht nur bei Diplopoden häufig vorkommen, sondern auch unter den Insekten. Ich verweise z. B. auf meinen Derma- p t er en -Aufsatz in Nr. 665 des Zoolog. Anzeiger 1902, wo das Vor- kommen von »zwei Ductus ejaculatorii, zwei Penes und zwei Prä- putialsäcken, meist auch zwei Virgae« für die Unterordnung Eu- dermaptera von Wichtigkeit ist^. 1 Hinsichtlich Paramcrengliederung und Penisduplizität nach Bau und Anlage sei auch verwiesen auf meinen Aufsatz in Nr. 682 des Zool. Anz. 1903: Zur vergl. Morph, d. Coxalorgane u. Genitalanhänge der Tracheaten, S. 60 — 77. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 143 Tatsächlich kann aber von einer »Naht, die auf eine Verwachsuno- schließen läßt«, wie es Haenisch 8. 79 behauptet, gar nicht die Rede sein. Es handelt sich lediglich um Gegensätze, welche durch größere oder geringere Dicke der Peniswandung hervorgerufen werden und diese entsprechen physiologischen Erfordernissen. Wie wirk- liche Nähte aussehen, ersieht man ja zur Genüge in zahlreichen Fällen an verwachsenen Skleriten der Abdominalringe, z. B. an der noch zu besprechenden Abgrenzung des 2. und 3. Sternites. Hinsichtlich der Zurückführung der Parameren auf ein Sternit hat es sich Harnisch noch bequemer gemacht, d. h. die wirklichen Parameren ignorierte er größtenteils und bezog sich vorwiegend auf solche Formen, bei welchen (wie bei den S. 76 und 77 besprochenen Scolytiden) sie nur noch in Rudimenten erhalten gebheben sind. (Auf die falschen Behauptungen S. 76 gehe ich nicht weiter ein.) II. Das primitive Abdomen von Silpha und seine Bedeutung für die Auffassung des Hinterleibes der Käfer. Die Gattimg Silpha ist schon in meiner Arbeit Nr. 1 ganz kurz und vorläufig besprochen worden. Eine eingehendere Untersuchung ist aber um so dankenswerter, als diese Gattung zu denjenigen gehört, welche als Grundlage für eine vergleichende Untersuchung des Co- leopteren-Abdomens ganz besonders geeignet sind. Ich möchte gleich hervorheben, daß das männliche Abdomen nach folgender Formel gebaut ist: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10. (1) 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9. — An primitiven Charakteren seien folgende hervorgehoben: 1. Die primitivste Zahl von acht abdominalen Stigmenpaaren, am 1. bis 8. Ring, ist vorhanden. 2. Die primitivste, d.h. höchste Zahl von Tergiten und Ster- niten ist gegeben, die überhaupt bei Coleopteren vorkommt^ also 10 Tergite und 8 Sternite, außerdeui noch deutliche Rudimente eines weiteren Sternites am 1. Ring. 3. Eine Übereinstimmung beider Geschlechter im Bau des 1. bis 8. Abdominalringes und eine große, wenigstens habituelle Ahn- Uchkeit in der Beschaffenheit des 9. Ringes und 10. Tergites. 4. Die starke Entwiklung des außerdem vollkommen einheit- lich gebauten zweiten Sternites (Taf. I, Fig. 1 — 3). 5. Die starke Entwicklung des bei gewöhnlicher Haltung das Ab- 144 Karl W. Verhoeff, dornen äußerlich abschließenden S.Ringes, der also das primäre Pygidium besitzti. 6. kommt vorn am Abdomen mid zwar im Bereich des 2. und 3. Sternites, welche das unvollkommene Ventralphragma hinter den Hüften III bilden, kein intercoxaler Fortsatz* zustande, obwohl durch Einsenkung nach unten eine Andeutung desselben gegeben ist (Taf. I, Fig. 1 h). (Bei den meisten Coleopteren-Familien, z. B. den Chrysomeliden, ist der intercoxale Fortsatz als ein derivates Zeug- nis mehr oder weniger breit entwickelt.) 7. haben die männhchen Copulationsorgane noch einen fast voll- ständig" symmetrischen Bau bewahrt und halten auch eine sym- metrische Lage ein, sowohl im ein- als auch ausgestülpten Zustand. 8. sind die Parg^meren kräftig entwickelt und ihre End- oder Hauptgheder haben ein entschieden hohlkörper- imd gliedmaßen- artiges Gepräge. 9. findet sich am 8. Sternit in beiden Geschlechtern keine Spur eines endoskelettalen Derivates, d. h. ein Bogen oder ein Spiculum ventrale fehlt vollständig. Über das 2. Sternit der Coleopteren liegen zwar schon zahl- reiche Mitteilimgen vor, doch sind dieselben alle nur mehr oder weniger knapp gehalten. Silpha ist für dieses 2. Sternit ein vortreffliches Objekt. Die Naht zwischen dem 2. und 3. Sternit ist nicht nur durch eine Unterbrechung in der Beborstung, sondern auch durch einen doppelten Nahtstreifen angezeigt (Taf. I, Fig. 1 ix), einen schwarzen vorn und einen braunen dahinter. Dazwischen aber befindet sich ein, als um- gewandelte, näniHch verdickte Zwischenhaut zu betrachtender, inter- sternaler Streifen. Besonders deutlich ist diese Grenze im Bereich des intercoxalen Höckers {h), indem sie dort das Aussehen eines unvollkommenen, von zwei schwarzen Rändern begleiteten Gelenkes zeigt. Das Verhalten des 2. Sternites von Silpha ist überaus primitiv, denn es verläuft, namentlich auch mit dem Vorderrand, nicht nur ein- fach quer und ohne jede Einbuchtung für Acetabula der Hüften III, sondern zeigt überhaupt eine schwache Beteiligung am Ven- tralphragma^ d. h. an der vorderen Einsenkung unter die Basis der Hinterhüften. Das 2. Sternit ist bis über die Mitte dicht und ziemlich 1 Meine zuerst auf S. 134 der Arbeit Nr. 1 betonte Unterscheidung von Pygidium und Pseudopygidium ist von späteren Autoren meines Wissens niemals gebührend berücksichtigt worden. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 145 lang beborstet, in der Mitte, d. h. am intercoxalen Höcker reicht die Beborstung sogar bis zum Vorderrand. Die Anpassung des 2. und 3. Sternites an die Hinterhüften be- schränkt sich also auf die namentlich in der Vorderhälfte merkliche Verdünnung des 2. Sternites, den intercoxalen Höcker und seine seit- lichen Abdachungen. Stärker kommt der Höcker zum Ausdruck, wenn man von innen her in seine ziemüch tiefe Höhlung blickt. Die Naht zwischen dem 2. und 3. Sternit gestattet eine nur geringe und mehr federnde Bewegung beider gegeneinander, während die übrigen Sternite durch breite, typische Intersegmentalhäute getrennt werden, die eine beträchtliche Ausdehnung und Zusammenziehung des Hinter- leibes ermöglichen. Hinter dem 3. — 6. Sternit ist die' Zwischenhaut durch ein pracht- volles, in vorwiegend regelmäßige Reihen gestelltes Mosaik verziert, dessen einzelne Zellen stark pigmentiert sind (Taf. I, Fig. 14). Hinter dem 7. und 8. Sternit dagegen ist die Zwischenhaut glasig und "von einfacher Beschaffenheit, ohne Mosaikreihen. Vor dem 2. Sternit liegt jederseits im Bereich des Ventralphragmas ein dunkles queres Plättchen (Taf. I, Fig. 1), welches den Überrest eines 1. Sternites darstellt, zumal es, wie Taf. I, Fig. 2 anzeigt, durch eine schmale aber unzweideutige Zwischenhaut (i) vom 2. Ster- nit getrennt wird. Die mit zahllosen Zäpfchen gezierten Pleuralhäute sind neben dem 1. biso. Tergit sehr breit, zugleich sind diese Tergite nur seitlich schwach beborstet, im Gegensatz zum 6. bis 8. Tergit, welche bei S. ohscura L. reichlich beborstet sind. Während am 1. bis 5. Ring die Stigmen mitten in der Pleuralhaut münden, sind sie am 6 . bis 8. Tergit in die Seiten dieser selbst gerückt. Neben dem 6. Tergit findet sich noch eine sihmale Pleuralhaut, das 7. dagegen ist an das 7. Sternit angepaßt, während der 8. Ring durch eine Verdickungsleiste am Vorderrand von Sternit und Tergit ringartig federnd zusammenhängt und einem abgeplatteten Cylinder vergleichbar ist, welcher durch einen durch die Längsachse gelegten horizontalen Schnitt in zwei gleiche Hälften so weit zerschnitten wurde, daß er nur noch am Vorderrande zusammen- hängt. Die Cylinderhälften (oben und unten) sind dann als nach hinten halbmondförmig abgerundete Muscheln vorzustellen. Sie drehen sich von oben nach unten und umgekehrt beim öffnen des abdominalen Hinterendes angelartig gegeneinander um ihre Vorderecken. Zwischen dem 1. bis 8. Tergit sind breite, sehr ausdehnungsfähige Zwischenhäute ausgespannt, dicht mit Mosaik verziert, das namentlich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. GXVII. Bd. 10 146 Karl W. Verhoeff, hinter dem 5. und 6. Tergit kräftig entwickelt ist. Im Gegensatz zu den sternalen Zwischenliäuten sind aber hier die, einzehien Feldchen in scharfe Spitzen ausgezogen. Die für die Longitudinalmuskulatur wichtigen Vorderränder der Tergite bilden verdickte Leisten, die am 2. b!s 5. Tergit in der Mitte ausgebuchtet sind. Im Gegensatz zum strukturarmen 1. Tergit tragen das 2. bis 5. jederseits eine gedrehte Härchenflur, über deren Bedeutung für die Zusammenfaltung der Flügel ich bereits 1895 auf S. 57 meiner Coccinelli den- Arbeit mich ausgesprochen habe. (Man vgl. auch die beiden folgenden Ab- schnitte.) Bei Silpha ohscura lassen die Elytren zwar nur das 8. oder aucli noch 7. Tergit frei. Wenn aber trotzdem auch das 6. Tergit verdickt ist und an sein Sternit gedrängt, so liegt das daran, daß das Abdomen durch verschiedene Umstände w^eiter vorgetrieben werden kann. Die Sklerite des 8. Ringes sind in beiden Geschlechtern ziemlich ähnhch, jedoch beim Weibchen mehr abgerundet, beim Männchen breiter mid hinten mehr abgestutzt. Ein Spiculum ventrale, also Derivat des 8. Sternites, fehlt beiden Geschlechtern vollständig. Der Bau des 1. bis 8. Abdominalringes ist in allen Einzelheiten vor- trefflich den physiologischen Erfordernissen angepaßt. Der 8. Ring bildet sozusagen einen Engpaß, durch Avelchen der 9. Ring und das 10. Tergit und mit ihnen Enddarm, Geschlechtswege und Copulations- organe vermittelst des Blutdruckes hervorgepreßt werden. Der 1. bis 6. Abdominalring aber bilden einen Blasebalg, dessen Ausdehnungsfähigkeit einerseits der AI ar räum zwischen Elytren imd Tergiten garantiert^ anderseits die breiten Pleural- und inter- tergalen Häute. Zieht sich dieser Blasebalg zusammen, dann preßt er eben die genannten Organe durch den Engpaß des 8. Ringes. Die geschilderten Zwischenhäute gestatten ferner eine Ausdehnung des abdominalen Rückens bei der Eireifung oder nach starker Nahrungs- aufnahme, besonders aber bei der Atembewegung. Die versteckt liegenden Teile der Abdominalringe bestehen in beiden Geschlechtern aus dem 9. Ring und dem 10. Tergit. A. Eine eigentliche Legeröhre, wie ich sie für die Vertreter mehrerer Familien, namentlich in den Arbeiten Nr. 4 und 6 nachgewiesen habe, kommt bei den weiblichen Silphen nicht vor. Der 9. Ring ist vollkommen in zwei Hälften zergliedert, eine bei Coleopteren überaus häufige Erscheinung und Anpassung an die legereifen Eier, welche diesen engen Ring zu durchwandern haben. Die Hälften des 9. Tergites, den Hälften halbierter Muschelschalen vergleichbar, Zur vergleichenden, Morphologie des Abdomens der Coleoj)teren usw. 147 aber noch stärker gekrümmt, drängen sich oben zwischen das rund- liche 10. Tergit und den Hinterrand des 8., ohne aber in der Mediane zusammenzustoßen. Jede der Hälften des 9. Tergites (Taf. I, Fig. 4 und 5) bildet innen eine fast halbkreisförmige Höhlung, in welcher die »Vaginalpalpen«. d. h. die Hälften des 9. Sternites mit den 8tyli eingefügt sind. Der breite Vordergrund der Hälften des 9. Sternites, die wiederum in zwei hintereinander liegende Abschnitte zerfallen, also der basale untere Vorderrand des Vorderabschnittes bildet eine Leiste welche sich an das 9. Tergit anlegt und mit diesem ein Gelenk bildet (Taf. I, Fig. 5 g). Im unteren Teil der 9. Tergithälfte zieht sich zur Verstärkung der Gelenkstelle ebenfalls eine Leiste nach vorn aus. Außen ragt jede Hälfte des 9. Tergites etwas deckelartig schützend über den Vorderabschnitt des 9. Sternites hinaus. Der Hinter abschnitt sitzt auf dem Vorderabschnitt und ist durch tiefen Einschnitt stark gegen ihn abgesetzt, außerdem wird seine Basis mit den Seiten des 10. Tergites verbunden. Während sich der gedrungene Vorderabschnitt (Taf. I, Fig. 5, 9.s«) des 9. Sternites in das 10. Tergit einsenkt, ragt der Hinterabschnitt fingerartig und die Genitalöffnung flankierend nach hinten heraus. Auf seinem Ende sitzt der reichbeborstete und einige sehr lange Tastborsten tragende Stylus. Erzeugt man durch Druck auf das Abdomen an einem frisch konservierten Weibchen etwa von Silpha atrata eine künstliche Ausstülpung des abdominalen Hinterendes, dann gewinnt man un- mittelbar die Überzeugung, daß eine Legeröhre, zu welcher nicht nur Versteifungsstäbe, sondern auch eine Verlängerung der Intersegmental- haut zwischen 8. und 9. Eing gehören, nicht gegeben ist. Der 9. Eing nebst 10. Tergit kann im äußersten Falle nur so weit ausgestülpt wer- den, daß sein Grund bis zum äußersten Ende des 8. Einges reicht. Jedoch wird diese Ausstülpung dadurch verstärkt, daß auch der 8. Eing, dessen Tergit und Sternit sich wie Ober- und Unterkiefer eines Wirbeltierrachens öffnen, gewöhnlich aber zur Hälfte im 7. Eing geborgen sind, ganz aus dem 7. Eing hervorgedrängt werden kann. Mit Eücksicht auf angeblich zweigliedrige Styli, welche Wan- dolleck bei einigen Käferweibchen beobachtet zu haben glaubte, besprach ich im Zool. Anz. 1902, Nr. 687, S. 74 in einem Aufsatz »Zur vergleichenden Morphologie der Coxalorgane und Genitalanhänge der Tracheaten« diese Frage und stellte fest, daß das orrundwärtige der 10* 148 Karl W. Verhoeff, beiden vermeintlichen Stylusglieder »eine sekundäre Abschnürung des Endteiles des StylusträgeiS« vorstellt, welche ich als Pseudo- stylus hervorgehoben habe. Die beiden Abschnitte der Hälften des 9. Sternites der Sil])ha- Weibchen sind zweifellos eine sekundäre Erscheinung. Ob aber der Hinterabschnitt als Pseudostylus bezeichnet werden kann, ver- mag ich nach Silpha allein nicht zu entscheiden. Indessen sei auf S. 541 in Wandollecks Arbeit von 1905 a. a. 0. verwäesen, indem seine Ab- bildmigen von Lagria hirta bei dieser nicht nur zwei Abschnitte der Hälften des 9. Sternites erkennen lassen, sondern außerdem noch Pseudostylus und Stylus hintereinander. Dies spricht dafür, daß bei Silfha von einem Pseudostylus nicht die Rede sein kann. B. Der 9. Ring der männlichen Silphen, welcher oberflächlich dem der weiblichen ähnelt, zeigt sich bei genauerer Prüfung sehr ab- weichend gebaut und zwar vor allem durch das vollkommen ein- heitliche 9. Sternit (Taf. I, Fig. 7 und 8), dessen Verbindung mit den Hälften des 9. Tergites eine nur lose ist, so daß es also nicht zu Gelenkbildungen kommt. Die Beschaffenheit des 9. Tergites und Sternites zeigt aber auch innerhalb der Silphen, d. h. bei verschie- denen Arten, namhafte Unterschiede, die ich wenigstens an zwei Bei- spielen hervorheben will. Bei Silpha obscura (Taf. I, Fig. 7) ist das 9. Sternit stärker entwickelt und reicht nach vorn imgefähr so weit wie die Hälften des 9. Tergites. Es trermt diese vollkommen von- einander, so daß sie also nirgends zur Berührimg kommen. Gegen das 10. Tergit sind die Hälften des 9. deutlich abgesetzt. Bei Silpha sinuata dagegen (Taf. I, Fig. 8) ist das 9. Sternit (9.s) viel kleiner, die Hälften des 9. Tergites kommen in der Mediane nicht nur zur Berührung, sondern greifen vor jenem sogar etwas überein- ander. Das 10. Tergit ist mit den Hälften des 9. Tergites verwachsen, doch wird diese Verwachsung durch einen tiefen Einschnitt jederseits deutlich bekundet. Vor dem 9. Sternit hegt bei allen Silphen eine endoskelettale Gabel (Taf. I, Fig. 7 und 8bo), welche man nach ihrer ventralen Lage auf das 9. Sternit zu beziehen geneigt sein könnte. Da es bei diesen endoskelettalen Stäben jedoch weniger auf die Lage als auf den Ausgangspunkt, als Zeugen der Entstehungsweise, an- kommt, dieser Ausgangspunkt sich aber stets am Vorderrand der Hälften des 9. Tergites befindet, so muß auch die Gabel als ein Derivat des 9. Tergites betrachtet werden. Hiermit hängt auch die Zweir teilung der Gabel zusammen, welche ebenfalls je nach den Arten mehr oder weniger zum Ausdruck kommt, d. h. vorn berühren sich die Gabel- Zxir vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 149 hälften entweder nur mit den Enden (Taf. I, Fig. 8) oder sie sind bis zur Mitte zusammengepreßt (Taf. I, Fig. 7). C. Die männlichen Copulationsorgane der Silplien lassen die beiden Hauptbestandteile derselben, deren durchgreifende Unter- scheidung wegen der außerordentlich mannigfaltigen Ausprägung er- hebliche Schwierigkeiten verursachte, sehr deutlich hervortreten, also die Parameren und den Penis. Durch meine in den oben zitierten Arbeiten durchgeführten vergleichenden Untersuchungen habe ich den Beweis erbracht, daß die Parameren in zahlreichen Familien aus zwei, durch Gelenke oder Nähte, oder beides gegeneinander abgesetzten Abschnitten bestehen, die ich als Basalplatten und Parameren im engeren Sinne unterschieden habe. Da es durchaus notwendig ist die ganzen Parameren von ihren Endabschnitten, welche zugleich meistens die hauptsächlichen Teile derselben vorstellen, zu unter- scheiden, so bezeichne ich letztere nunmehr als Paramerite. Parameren = Basalplatten + Paramerite (Grund- und End- glieder). Taf. I, Fig. 6, welche uns den von oben her dargestellten Copulationsapparat von Silpha obscura vorführt, zeigt zugleich, daB derselbe im wesentlichen symmetrisch gebaut ist. Dieser Silphen- Apparat gibt ferner ein ziemlich gutes Bild für dasjenige Verhältnis von Penis und Parameren, was ich auf Grund meiner vergleichenden Studien als primär -primitives betrachten muß, wobei nur hin- sichtlich der Schwäche der Basalplatte eine Einschränkung zu machen ist. Wie in Taf. I, Fig. 3 angedeutet wurde, ist der Copulationsapparat gerade nach hinten gestreckt, krümmt sich aber mit seinen Hinter- enden etwas nach unten. Der Penis wird von den Parameriten flankiert und zwar teils seitlich teils unten umfaßt. Durch Präparation mit leiner Nadel kann man sich leicht überzeugen, daß der Penis zwar an seinem Grunde mit den Parameren verwachsen ist, daß diese Verwachsung aber nur häutiger Natur ist, so daß man ihn aus jenen wie aus einer Rinne herausheben kann. Taf. I, Fig. 10 zeigt uns die also isolier- ten Parameren von oben her. Erst an ihnen wird die «rößtenteils vom Penis bedeckte (und daher auch 1893 in meiner kurzen vorläufigen Beschreibung nicht erwähnte) mondsich eiförmige und einheitliche Basalplatte sichtbar (6a), welche wie eine kurze, krumme Feder die beiden Paramerite verbindet. An diesen lassen sich wieder zwei .Abschnitte unterscheiden, welche jedoch nicht als Glieder betrachtet werden können, sondern durch die Anpassung des Penis an die Paramerite hervorgerufen werden. Der Hinter - abschnitt (Taf. I, Fig. 6, 9 und 10 ^^a 2) ist vollkommen hohlkörper- 150 Karl W. Verhoeff, artig-gliedlörniig und ragt als leicht gebogener Finger jederseits weit über den Penis hinaus. Die Absetzung des Hiiiterabschnittes gegen den Vorderabschnitt ist eine doppelte, eine innere und äußere, beide schräg verlaufend. Die innere Absetzung (Taf. I, Fig. 10 a) wird erzeugt durch das Hinterende der rinnenartigen Einsenkung des Penis in die Para- merite, während die äußere durch eine schräge Furche gebildet wird. In Taf. I, Fig. 6 sehen wir noch eine hufeisenförmige Spange (ar), welche gelenkig gegen das Vorderende der Parameren abgesetzt ist, im übrigen aber den Penis oder vielmehr seine vordere Fortsetzung' dorsal umfaßt. 8ie liegt in der Genitalhaut, d. h. in jener Haut, welche als Einstülpung in das Hinterende des Abdomens, den 9. Ring mit den Copulationsorganen verbindet. Diese als Paramerenbogen zu bezeichnende Versteifung der Genitalhaut ist auch im aus- gestülpten Zustande (Taf. I, Fig. 3 ar) zu erkennen, übrigens schon 1893 in meiner Fig. 147 {VR) für Silpha thoracica angegeben worden. Die Verbindung mit dem Basalplattenbogen liegt ventro -lateral, wäh- rend sich der eigentliche Bogen dorsal über dem Präputialsack erstreckt. Während er bei SilpJia thoracica und ohscura gut entwickelt ist, habe ich ihn bei der kleineren Silfha sinuata vermißt. Die Copulations- organe besitzen ein kräftiges Tracheensystem, d. h. starke Stämme versorgen nicht nur den Penis, sondern es verlaufen auch zwei kräftige Rohre in jedem Paramerit. Der Penis reicht in seiner natürlichen Lage zwischen den Para- ineriten nach vorn ungefähr bis zur Basalplatte, ist hinten stärker und vorn schwächer verjüngt, seine AVandung von zahlreichen Poren- kanälen durchsetzt und zwar einer Gruppe größerer mit sehr kurzen Sinnesbörstchen besetzter neben der Präputialsackmündung (Taf. I, Fig. 9 y), während dorso-lateral sich jederseits eine lange Bahn von Poren hinzieht, welche wahrscheinlich Drüsen angehören, die einen öligen Stoff absondern. Die Präputialsackmündung bemerkt man dorsal vor dem Penisende als einen länglichen Schlitz. Bei Silpha sinuata ist der hinterste, zwischen den Parameritenenden frei vcyschauende Penis- abschnitt (Taf. I, Fig. 9 y/) durch eine deutliche Naht {x) abgesetzt, aber nur dorsal. Der sich hieraus ergebende Vorteil liegt offenbar darin, daß sich die Endläppchen des Penis neben der Präputialsack- mündung leichter drehen bei dessen Ausstülpung und bei der Ein- stülpung sich über den Spalt etwas wegschieben und die Mündung dadurch besser schützen. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 151 In eingestülptem Zustande reicht der Präputialsack von Silfha nach vorn etwas über den Paramerenbogen hinaus. Man bemerkt aber noch eine große glasige, ein wenig unsymmetrische Platte, welche nach vorn weit über den Paramerenbogen herausreicht. Da sie für Rückzieher des Präputialsackvorderendes bestimmt ist, nenne ich sie Ketractorenplatte. Erst nach Trennung von Parameren und Penis erkennt man einen Penisfortsatz (Taf. I, Fig. 6 pf), welcher ventral von den Parameren sich nach vorn erstreckt (Taf. I, Fig. 13 fr) und zur Versteifung der Retractorenplatte dient, die an ihm wie der Löffel an seinem Stiel befestigt ist (?o). In den lan2;ö,estreckten. noch weit nach vorn über Penis und Parameren hinausreichenden Präputialsack tritt vorn der Ductus ejaculatorius ein (Taf. I, Fig. 6 und 12d!e). Schon an der Färbung kann man zwei bis drei Abschnitte des Präputialsackes leicht unterscheiden. Bei Silpha sinuata handelt es sich um zwei Abschnitte, einen länjreren und blasseren Vorder- und einen kürzeren, dunkleren Hinterabschnitt. Die Wand ist überall im Vorderabschnitt mit kleinen Erhebungen in dichter Anordnung besetzt (Taf. I, Fig. 12) und zwar sind sie bald knötchen-, bald Zäpfchen-, bald spitzenförmig. Die Größe der Erhebungen nimmt im Hinterabschnitt bedeutend zu und zwar sind es besonders zwei durch ihre dunkle Färbung auffallende Längs - f eider, welche aus einer dicht gedrängten Masse dünnerer oder dickerer und mehr oder weniger gebogener Stachelspitzen bestehen (Taf. I, Fig. 12 6). Bei Silpha obscura dagegen sind deutlich drei Abschnitte des Präputialsackes unterscheidbar, und zwar ist hier umgekehrt der helle Vorderabschnitt viel kürzer als der dunklere. Der Gegensatz in kürzeren und längeren Spitzen ist übrigens derselbe. Als dritter, hin- terster Abschnitt aber kommt ein un paar er Wulst (Taf. I, Fig. 6 prp) dicht vor der Präputialsackmündung in Betracht, welcher aus un- regelmäßig gereihten, haifischzahnartigen Spitzen besteht und ziem- lich scharf abgesetzt ist (Taf. I. Fig. 11). Von einer Virgabildung ist nichts zu sehen. III. Über das Abdomen einiger Carabiden (Cicindeliden). Zur ersten Orientierung über diese Familie und ihre nächsten Ver- wandten verweise ich wieder auf meine Aufsätze Nr. 1 — 3. Im Ver- gleich mit der soeben besprochenen Gattung Silpha gelangen wir in der phylogenetischen Folge auf eine höhere Stufe, d. h. die Carabiden 152 Karl W. Verhoeff, sind im Vergleich mit jenen erheblich mehr abgeleitet, wie schon folgende Formel für beide Geschlechter andeutet:, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, (10) —2, 3, 4, 5,6, 7, 8, 9. — An derivaten Charakteren gegenüber Silpha nenne ich folgende: 1. Das 2. bis 4. Öternit sind in einen festen Verband getreten. 2. Die abdominale Basis hat sich unten stark an den Metathorax angepaßt, indem ein intercoxaler Fortsatz zwischen den Hinterhüften herausragt imd das 2. sowie 3. Sternit an der Bildung von Acetabula für jene teilnehmen. 3. Der 8. Abdominalring hat seine primäre Rolle aufgegeben, was ganz besonders in der Bergung des 8. Sternites zum Ausdruck kommt, während das 7. Sternit als eine große Halbschüssel entwickelt ist. 4. ist am 8. Sternit der Männchen ein Bogen als inneres Derivat desselben entwickelt, w^ährend dieses Sternit selbst in beiden Geschlech- tern in zwei Hälften abgesetzt wurde. 5. sind die weibHchen Styli in Graborgane umgewandelt. 6. haben die männhchen Copulationsorgane eine stark asym- metrische Verlagerung erfahren, wodurch namenthch die Parameren auch gestaltUch asymmetrisch geworden sind, nach rechts herüber- seneigt, während das Penisende nach links gekrümmt ist. 7. Infolge der Asymmetrie der Copulationsorgane hat dieselbe sich auch an dem vom 9. Tergit aus entstandenen hinteren Bogen und dem von diesem umfaßten 9. Sternit eingestellt. Das 2. und 3. Abdominalsternit. (Abdominale Drehung und Atembewegung.) Einer der hervorragendsten Charaktere der Adephagen (oder Camhoidea) betrifft die Verwachsung des 2. bis 4. Abdominalsternites zu einer großen muscheligen Mulde. Man sollte meinen, daß über einen so wichtigen Charakter besondere Klarheit herrschte, aber das ist durch- aus nicht der Fall. In seinem Handbuch »Die Käfer von Mitteleuropa «, Wien 1892, Bd. I, sagt Ganglbauer auf S. 9: »Das erste Ventralsegment (gemeint ist das 2. Sternit!) ist von den Hinterhüften völlig durch- setzt und in zwei seitliche Abschnitte geteilt.« H. J. Kolbe schreibt in seinen vergl. morphologischen Untersuchungen an Coleopteren, Festschrift für v. Marxens, April 1901, S. 117: »In der Abteilung der Adephagen ist das 1. ventrale Halbsegment, also das zum 2. Abdo- minalringe gehörige, äußerhch sichtbar und nur durch die Hinter- Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 153 hüften imterbrochen, es entspricht in seinem Aussehen vollkommen (!) den folgenden Ventralsegmenten.« Irgend etwas Genaueres habe ich in der Literatur weder über das 2. Sternit, noch über den intercoxalen Fortsatz der Adephagen finden können, daher über diese wichtigen Verhältnisse noch die größte Unklarheit herrscht. In seinem Handbuche »Einführmig in die Kenntnis der Insekten «, Berhn 1891, S. 309, sagt Kolbe: >>Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß der dreieckig zwischen die Hinterhüften vorgeschobene erste sicht- bare Bauchhalbring (gemeint ist das 3. Sternit) mancher Käfer z. B. Cerambyciden ursprünglich nicht zu diesem Segment gehörte. ^^ Wie die beigegebenen Fig. 202 und 203 Kolbes (nach einer Plocaederus sp.) vermuten lassen, hat er mit diesen Worten, in denen es statt »erster sichtbarer Bauchhalbring« hätte heißen sollen — Fortsatz des 3. Ster- nites, — offenbar gemeint, daß dieser Fortsatz nicht vom 3., sondern vom 1. und 2. Sternit gebildet werde. Der betreffende Ceramby- cide ist mir unbekannt und Kolbes Fig. 203 zu schematisch, um mir ein Urteil bilden zu können. Das Gesagte bezeugt aber zur Genüge, daß es nach dieser Richtung weiterer Forschunoen bedarf. Die Verwachsung des 2. bis 4. Sternites der Adephagen ist also längst allgemein bekannt geworden, nicht bekannt ist dagegen, daß 1. das äußerUch zweiteilige 2. Sternit in Wirklichkeit doch ent- schieden einheitlich geblieben ist und 2. die Grenze zwischen dem 2. und 3. Sternit viel stärker ausgeprägt ist als diejenige zwischen dem 3. imd 4. Sternit und zwar namentlich dadurch, daß sich hinter dem 2. Sternit eine Muskel - leiste für die Longitudinalmuskulatur vorfindet, während hinter dem 3. Sternit dieselbe überflüssig geworden und daher erloschen ist. — Man kann sich an vielen Carabiden mit der Lupe leicht davon überzeugen, daß die Verwachsung des 2. bis 4. Sternites in der Mitte am vollkommensten durchgeführt ist, die Nähte daher äußerhch mehr oder weniger vollständig verschwunden sind. Dies erklärt sich daraus, daß das Gewicht des Abdomens dieses herabzieht und mithin um seine Basis nach unten bis zur Unterlage drehen würde, wenn nicht durch die Verdickung des 2. bis 7. Sternites das Abdomen eine Verfestigung erhalten hätte, die es ihm ermöglicht mit der ünterf lache hinten sogar nach oben anzusteigen. Die Last des Hinterleibes drückt aber am meisten auf den Vorderrand der an den Thorax angrenzenden Sternite und hat dieselben also schon aus mechanischen Gründen zur Anpassung an Metasternum und Hinter- hüften gezwimgen. Ventralphragma und intercoxaler Fort- 154 Karl W. Verhoeff, satz sind der Ausdruck dieser Anpassung. Durch beide Ein- richtungen preßt sich das Abdomen so genau an Metasternum und Hinterhüften an, daß eine Verschiebung der abdominalen Basis nach den Seiten unmöglich geworden ist. Da nun die Sternite stets gewölbt sind, erfährt die Mitte des dritten den stärksten Druck, bedarf also der höchsten Festigkeit, die eben neben der Dicke der Wan- dmig in dem äußerlichen Erlöschen der Nähte zum Ausdruck kommt. Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Einheitlichkeit des 2. Ster- nites und zugleich für die Zusammensetzung des intercoxalen Fortsatzes (processus abdominalis) aus Bestandteilen zweier Sternite ist Äptinus bombarda (Taf. I, Fig. 15). Diese Form bietet ferner dadurch einen primitiven Zustand, daß der vordere Ab- schnitt des intercoxalen Fortsatzes, welcher durch den mittleren Teil der Muskelleiste (Taf. I, Fig. 16 mix) scharf abgesetzt wird und von innen (oben) als ein fast gleichseitiges Dreieck erscheint, mit der Leibeshöhle in weitem Zusammenhang steht {tri). Von außen betrachtet ist die Absetzung des vorderen Abschnittes des intercoxalen Fortsatzes nur als eine schwache Querfurche zu erkennen, die überhaupt nicht immer deutlich wird, wie auch der mittlere Teil der Grenze zwischen 3. und 4. Sternit durch Querfurche nur undeutlich angezeigt ist, obwohl auch diese Grenze im Innern in ganzer Breite deutlich sichtbar wird (Taf. I, Fig. 15). Die Sternite sind jedoch so weit durchsichtig, daß man, wie in Taf. I, Fig. 15 und 19 pr durch dunkle Felder angezeigt wurde, den breiten Außenlappen des vorderen Abschnittes durchschimmern sieht. Die großen Seiten- teile des 2. Sternites, durch die tiefe Hinterhüftenbucht getrennt, sind durch einen noch ziemlich breiten, dem Ventralphragraa zugehörigen Mittelstreifen verbunden. Das Ventral phragma besteht im wesentlichen aus dem ster- nalen Anteil der beiden Acetabula und dem sie verbindenden Mittel- streifen. Entsprechend dem weit nach unten herausragenden Processus intercoxalis sind die nach oben gewölbten Acetabula ins Innere ge- buchtet. Die Muskelleiste teilt nicht nur das Innere des intercoxalen Fortsatzes, sondern auch die sternalen Hüftpfannen in zwei Ab- schnitte, deren vorderer (Taf. I, Fig. 1>6 ac 1) dem 2. und deren hinterer (rtc 2) dem 3. Sternit angehört. Die beiden Hinterhüften drücken von außen auf den intercoxalen Fortsatz, namentlich aber das Abdomen selbst, weniger durch seine Last als durch den Zug der großen Längs - muskeln. Der intercoxale Fortsatz bedarf daher einer besonderen Verfestigung, die ihm geboten wird teils durch seitliche, leistenartige Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 155 Verdickvmgen {l), kurz 8eitenleisten zu nennen, die vorn unter einem rechten Winkel zusammenstoßen, teils dadurch, daß die Muskel- leiste im Bereich des inneren intercoxalen Dreiecks besonders verbreitert ist und z\\ischen den 8eitenleisten quer ausgespannt. Die Muskel- leiste von Aptinus homharda streicht also in ziemlicher Stärke quer über die Acetabula weg, senkt sich dann aber beträchtlich herab in die Höhlung des intercoxalen Fortsatzes. Außerhalb der Gelenkpfannen nimmt die Mus kelleiste schnell an »Stärke ab und hört hinter der Mitte der Seitenteile des 2. Sternites vollständig auf. Interessant ist ein Vergleich der geschilderten Verhältnisse mit solchen bei andern Carabiden, z. B. bei Platynus dorsalis (Taf. I, Fig. 18). Hier ist das 2. Sternit wirkhch »von den Hinterhüften völHg durchsetzt <<, wie Ganglbauer sich ausdrückte, d. h. aber, daß der die Seitenteile bei Aptinus verbindende Mittelstreifen bei Platynus erloschen ist, so daß die Hüftpfannen nur noch durch phragmatische Teile des 3. Sternites gebildet werden. Die Muskelleiste dasecren ist im ganzen stärker ausgebildet und reicht bis zu den äußersten Sternit- seiten in ziemlich gleichmäßiger Stärke. Durch diese Muskelleiste (Taf. I, Fig. 18 ml) bleiben also die Seitenteile des 2. Sternites immer noch verbunden, abgesehen von der zarten Zw^ischenhaut. Am bemerkenswertesten ist das wesentlich abweichende Verhalten des Processus intercoxalis. Auch hier gehört das vorderste Stück desselben zum 2. Sternit, so daß dieses also aus drei, nur mittelst der Muskelleiste zusammenhängenden Teilen besteht. Das Vorderstück des intercoxalen Fortsatzes ist hier er- heblich kleiner und knopfartig, aber trotzdem auch außen durch eine deutliche Quer naht abgesetzt. Innen dagegen ist dieser Knopf völlig geschlossen, indem sich die Muskelleiste über ihn hinzieht und keine Verbindung mit der Leibeshöhle mehr zu erkennen ist (Taf. I, Fig. 19 ml). Eine Verfestigung erhält der Bauchfortsatz auch bei Platynus dorsalis durch Seitenleisten (l), die wieder vorn im Winkel zusammenstoßen und sich durch ihre dunkle Pigmentierung abheben. Da die Muskelleiste gleich oberhalb des Knopfes des Bauch- fortsatzes vorbeistreicht, ohne sich in die Höhlung des letzteren einzu- senken, so streicht in derselben eine kleine Querleiste (Taf. I, Fig. 19 c/) zwischen den Seitenleisten und hinter der Muskelleiste. Als einen dritten Fall der Ausprägimg des Bauchfortsatzes nenne ich Carabus cancellatus 111. Im ganzen genommen schließt sich diese Form mehr an Platynus an, so namentlich in der äußerlich deutlich erkennbaren Naht des Knopfes (Taf. II, Fig. 23 su), der Verbindung 156 Karl W. Verhoeff, der Querleiste mit ihm und besonders darin, daß der Knopf oben ge- schlossen ist. Der Knopf des Bauchfortsatzes von Carahus ist jedoch nicht nur verhältnismäßig kräftiger, sondern auch von abweichender C4estalt, indem er vorn eine tiefe Einsattelung besitzt, durch welche zwei seitliche, abgerundete Höcker gebildet werden. Sowohl diese Höcker an sich als auch die feine in Taf. II, Fig. 24 angedeutete war - zige Struktur der Oberfläche derselben zeigt ims an, daß das Vor- derende des Knopfes am Bauchfortsatz die EoUe eines Ge- lenkes spielt. Oben betonte ich bereits, daß der feste Anschluß de^ Abdomens an den Thorax seitliche Drehungen der vordersten Sternite ausschließt, auch sitzt die untere Abdominalbasis bei den einzelnen Coleopteren-Arten hinter dem Metasternum mehr oder weniger fest eingefügt, wie man durch den Versuch leicht feststellen kann. Drückt man von unten so gegen das Abdomen, daß es sich nach oben drehen muß, dann drehen sich bei den Carabiciden oft nur die hinteren Sternite, während in andern Fällen das ganze Abdomen gedreht wird, so daß also der Processus intercoxalis aus seinem Lagei heraustritt. Niemals habe ich eine eigentliche Anwachsung desselben an das Metasternum beobachtet, vielmehr kann man bei stärkerem Druck den Bauchfortsatz immer zwischen den Hinterhüften hervortreten lassen, auch wenn das bei schwachem Druck nicht einzutreten schien. Mag er aber nun sich leichter oder schwerei herausdrehen lassen, immer kommt eine wenn auch gering- fügige Verschiebung des Processus intercoxalis in Betracht, wenn durch die Kumpflängsmuskulatur die erforderliche Zugkraft ausgeübt wird. Höchst bedeutsam für die Beurteilung des Bauchfortsatze- imd seiner Drehbarkeit um den vorn abgesetzten Knopf ist die abdominale Atembewegung. Aus meinen schon seit längerer Zeit auf diese Frage gerichteten Beobachtimgen sei folgendes erwähnt: Bei einem Cerambyciden, Prionus coriarius, welcher mit dem ganzen Abdomen Atembewegungen ausführt, sah ich deutlich, daß auch da^ 3. Sternit bewegt wird und mit ihm der Processus intercoxalis sich zwischen den Hüften III hin und her bewegt. Unter den Carabiden kommt abdominale Atembewegunu sowohl bei geflügelten als auch ungeflügelten Arten vor. Bei Pterostichus obhngojmnctatus werden die Atembewegungen hauptsächlich von den Tergiten, aber in geringerem Grade auch von den Sterniten ausgeführt, Avobei die Hinterhälfte des Abdomens nacli unten nickende Bewegungen vollführt. Die eigentliche pumpende Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 157 Atniungsbewegung geschieht dadurch, daß zuerst die vorderen und dann die hinteren Tergite kräftig nach unten pressen. Da aber die gesamte abdominale Atembewegung eine leichte Drehung des Ab- domens gegen den Thorax bewirkt, so folgt, daß der Bauch fort- satz mit seinem Knopf den Zapfen bildet, um welchen sich die untere Abdominalbasis gelenkig bewegt. Zwar konnte ich unmittelbar nur an den oberen seitlichen Teilen des 2. und 3. Ster- nites, welche der Zug der Tergite trifft, die Beteiligung an der Atem- bewegung wahrnehmen; da aber das 2. und 3. Sternit ein einheitliches (xebilde vorstellen, muß diese Bewegung auch den Processus inter- coxalis treffen. — Bei Carahus bildet das 2. bis 7. Sternit einen besonders kräftigen Bauchnapf und dementsprechend sind auch die Seitenleisten {l) der Höhlung des Bauchfortsatzes (/o) stark entwickelt und bilden einen kräftigen Knoten {k), welcher sie mit dem Knopf und der Mitte der Muskelleiste verbindet. Letztere enthält jederseits einige säulchen- artige Verstärkungen. Die Seitenteile des 2. Sternites werden bei Carahus durch einen schmalen, gegen den Knopf breiter werdenden Mittelstreifen (Taf. II, Fig. 23acl) verbunden. Eine der beiden Seitenleisten (und zwar sah ich es an der rechten) ist nach hinten ver- längert, entweder bis zum Hinterrand des 3. oder noch ins Gebiet des 4. Sternites. Von sonstigen Carabiden möge noch folgendes erwähnt werden: Chlaenius spoliatus Rossi schließt sich in der Hauptsache an Carahus an, aber der Knopf besitzt drei Zäpfchen, nämlich außer den seitlichen noch einen mittleren und alle ohne Wärzchenstruktur. Der Mittel- streifen ist sehr schmal. Eine der Seitenleisten (und zwar entweder links oder rechts) ist nach hinten über das 3. und 4. Sternit bis gegen den Hinterrand des letzteren fortgesetzt, auch ein Ausdruck der Ver- bindimg des 2. bis 4. Sternites. Mohps elatus F. verhält sich Platynus ähnlich, doch führt von oben vor der Muskelleiste im Bereich des hier verbreiterten, aber im übrigen recht schmalen Mittelstreifens eine große rundliche Öff- nung ins Innere des Knopfes, welcher vorn abgerundet, seitlich durch Einbuchtungen und äußerlich durch Naht deuthch abgesetzt ist. Eine kurze Querleiste ist zwischen der Muskelleiste und zwischen den Längs- leisten ausgespannt. t Pterostichus metallicus F. schließt sich Mohps an, aber der Mittel- streifen ist breiter und in der Mitte an den Knopf ohne besondere Auszeichnung angeschlossen. Vor der Mitte der Muskelleiste führt 158 Karl W. Verhoeff, in den äußerlich nur undeutlich abgesetzten Knopf eine schlitz - artige, cpiere Öffnung. Bei dem sonst ähnlichen Pterostichus ohlongo- punctatus F. ist der schmale Mittelstreifen auch in der Mitte nicht verbreitert. Trotzdem führt vor der Mitte der Muskelleiste ein schmaler Querschlitz nach miten, welcher in die längliche Höhlung des Knopfes übergeht, was aber nicht bei allen Individuen leicht zu erkennen ist. Das Vorkommen einer Öffnung oder eines Querschlitzes vor der Mitte der Muskelleiste bei Molops und Pterostichus ist ein wich- tiges weiteres Zeugnis für die Zusammensetzung des Bauch - fortsatzes aus Abschnitten des 2. und 3. .Sternites. Gleich- zeitig haben wir hier eine interessante Vermittelung zwischen Aptinus {Tai. I, Fig. 15 und 16) einerseits, wo der vordere Abschnitt des Bauch- fortsatzes breit mit der Leibeshöhle zusammenhängt, und mit Platynus anderseits, wo dieser Zusammenhang erloschen ist. Bei Molops und Pterostichus ist der Zusammenhang auch schon stark eingeengt oder undeutlich geworden, aber der phylogenetische Zusammenhang wird gerade durch diese Fälle verdeutlicht. Es besteht die Neigung zu einer allmählichen Unterdrückung des vorderen, dem 2. Sternit angehörigen Abschnittes des Bauchfortsatzes. Als Beispiel einer abgeleiteteren Adephagen -Gattung erwähne ich Paussus, von welchem Escherich (Zur Anatomie und Biologie des Paussus turcicus) 1898 (Habilitationsschrift) »bezüglich der 1. Ven- tralplatte<< (womit das Synsternit 2 — 4 gemeint ist) angibt, >>daß die Verschmelzung der sie bildenden Sterniten vollkommener als bei den übrigen Familien der Caraboidea ist«. Im allgemeinen kann ich das bestätigen; wenn er jedoch hinzufügt, daß bei Paussus »jede Sutur geschwunden ist«, so muß ich demgegenüber feststellen, daß der große Bauchfortsatz in seinem spitzdreieckigen Vorderteil auch bei Paussus als aus Bestandteilen des 2. und 3. Sternites zusammen- gesetztj leicht erweislich ist. Die Spitze des Processus abdomi- nalis ist nämlich nicht nur äußerlich durch Quer furche abgesetzt, sondern es findet sich ihr entsprechend auch innen die quere Mus- kelleistCj welche den vordersten Teil des Bauchfortsatzes als ein gegen die Leibeshöhle völlig offenes Dreieck abgrenzt. Eine feine Naht- fortsetzung der Leiste zieht über die Acetabula und teilt diese in zwei Abschnitte; weiter nach außen hin verliert sich diese Naht. Beziehungen zwischen Flügeln und ^ergiten. Im Abschnitt über Silpha ist oben bereits kurz der bei dieser Gat- tung am 2. bis 5. Tergit auftretenden Härchenfluren gedacht worden. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 159 Im Gegensatz dazu kommen diese Haarfelder bei zahlreichen Carabiden am 1., 6. und 7. Tergit vor, was wenigstens teilweise mit der verschiedenen Länge der Elytren zusammenhängt. Die Haar fei der besprach ich in meiner Coccinelliden -Arbeit 1895, S. 57, und wies auf ihre physiologische Bedeutung hin für die Zusammenfaltung der Flügel. Desgleichen erwähnte ich sie auf S. 258 meiner Endomychiden-Arbeit und im Scolytiden-Aufsatz auf S. 135. Meines Wissens sind weder vor noch nach meinen Untersuchun- gen von 1893—96 die Haarfelder berücksichtigt worden, was um so bedauerhcher ist, als wir hier ein Gebiet interessanter Beziehungen zwischen Bau und Leben vor uns haben. Bekanntlich verhalten sich die Carabiden hinsichtlich der Aus- bildung ihrer Flügel außerordentUch verschieden, d. h. es gibt einer- seits zahlreiche Formen mit wohlausgebildeten Flügeln, die sich auch als Flieger erwiesen haben, anderseits Arten, welche kaum noch eine Spur von Flügeln erkennen lassen, dazwischen andre mit mehr oder weniger verkürzten Flügeln. Die Carabiden sind also vortreffHch dazu geeignet, um eine Probe darauf zu machen, ob meine Erklä- rung der Haarfelder als für die Zusammenlegung der Flügel be- deutsam, richtig ist. — Es wurden aber von mir mikroskopisch genau untersucht a) an geflügelten Formen: Chlaenius sfoliatus, Platynus dor- salis und Pterostichus oblongopunctatus, außerdem Paussus turcicus, b) an ungeflügelten Formen: Carabus granuhtus und cancel- latus, Ä'ptinus bomharda, Molops elatus, Pterostichus metallicus. Das Ergebnis ist die vollkommenste Bestätigung meiner An- schauimg, d. h. alle geflügelten Formen besitzen am 1., 6. und 7. Tergit Haarfelder (areae pilosae), während sie sämtlichen ungeflügelten Formen vollkommen fehlen. Wir müssen aber bei Carabiden zwischen zweierlöi Haar- feldern unterscheiden, nämlich 1. den als Antagonisten der Elytrenspitze wirkenden Haar- feldern des 7. Tergites, welche man schon mit der Lupe bei Chlaenius sfoliatus als zwei samtschwarze, von dem übrigen glänzenden Tergit durch ihren matt seidigen Schiller sich auffallend absetzende Bezirke leicht erkennen kann. Sie bestehen ausschließlich aus Härchen, welche mit der Spitze nach hinten gerichtet sind. Zieht der Chlaenius seine Flügel ein, dann drückt er mit dem Hinterleibsende nach oben, und diese Haarfelder den Hinterenden der Elvtren entgegenwirkend drehen 160 Karl W. Verhoeff, die Flügel um ihr Gelenk^ so daß sie dann unter die Decken ge- langen. 2. haben die Haarfelder am 1. und 6. Tergit mitzuwirken, daß die also eingedrehten Flügel vollkommen zur erforderlichen Faltung gelangen, und zwar miterstützen die Haar f eider des 1. Tergites Fig. 1. Fig. 2. Chlaenius spoliatus Rossi. Fig. 1 das 6. Tergit (linke Hälfte) von oben gesehen. — Fig. 2 das 1. Tergit (linke H.älfte) ebenso, x 56. md, Medianlinie; v, Vorder-, h, Hinter-, o, Außenrand; p, pismentiertes Gebiet. Die Pfeile geben die Kiclitung an, in welcher sich die Haarspitz.chen erstrecken. das Einfalten der Analfelder, während die Haarfelder des 6. Tergites, welche den großen Flügelgelenken benachbart liegen, das Einlegen der Spitzenteile der Flügel fördern. Höchst charakteristisch ist in den Haarfeldern des 1. und 6. Tergites die Anordnung der Härchen. Ich habe dieselben in Textfig. 1 und 2 \ Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 161 durch Pfeile kenntlich gemacht, da es unmöglich ist, die zahllosen Härchen genau bildlich darzustellen. Bei Chlaenius spoliatus ist die Anordnung der Härchen, welche sich größtenteils in unpigmentierten und daher schon für das unbewaffnete Auge vom übrigen pigmen- tierten Tergit (Textfig. 1 'pp) lebhaft abstechenden, hellen Haarfeldern befinden, am 6. Tergit besonders bezeichnend. Während nämlich die Härchen in der Tergitmitte nach hinten und am Eande des pigmen- tierten Gebietes radial gegen die Mitte des unpigmentierten, aber auch vorwiegend nach hinten gerichtet sind, wenden sie sich im unpigmen- tierten Gebiet vorwiegend nach innen, bis im innersten Teil desselben eine wirbelartige Drehungsstelle zustande kommt. ^ Daher be- merkt man hier im inneren Teile zahlreiche Härchen entgegenge- setzter Richtung, nämlich schräg von hinten nach vorn und von vorn nach hinten. Solche entgegengesetzte Richtung von Härchen- gruppen habe ich schon von den Coccinelliden nachgewiesen, wo sie noch schärfer zutage tritt, indem sich dort am 5. und 6. Tergit »jeder- seits zwei Haarfelder« vorfinden, welche »infolge ihrer entgegengesetzt gerichteten Stachelhaare auch entgegengesetzt wirken«. In beiden Familien drücken also die zahllosen Härchen verschiedener Richtung der Spitzen, zwei entgegengesetzt streichenden Bürsten ver- gleichbar, den eingedrehten und zwischen Hinterleib und Elytren gefaßten Spitzenteil der Flügel vollkommen in die Ruhelage nach oben. Die Haarfelder des 1. Tergites sind insofern einfacher als ent- gegengesetzte Gruppen nicht vorhanden; vielmehr sind, wie Textfig. 2 andeutet, alle Härchen teils nach hinten, teils nach außen gerichtet. In der Mediane stoßen die beiden Haarfelder zusammen, und hier sind alle paramedianen Härchen entgegengesetzt gerichtet. Bei Platynus dorsalis fand ich im wesentlichen dasselbe, nur sind am 1. und 6. Tergit die Haarfelder weniger ausgedehnt, am 1. fast alle nach außen, am 6 . alle nach innen gerichtet. Bei Pterostichus ohlongopunctatus, dessen Flügel im Vergleich mit den Vorigen ein wenig schwächer ausgeprägt sind, erscheinen auch die Haarfelder etwas weniger ausgedehnt; namentlich macht sich das am 6. Tergit bemerklich, wo die Härchen schräg von hinten außen nach vorn innen, im ganzen aber doch vorwiegend nach innen gerichtet sind. Es fehlen hier (wie auch bei Platynus dorsalis) die hellen Fenster des 6. Tergites. Während bei Chlaenius spoliatus die Haarfelder mehr als die halbe Länge des 6. Tergites einnehmen und fast bis zur Pleural- haut reichen, sind sie bei Pter. oblongopunctatus entschieden kürzer und bleiben von den Seiten ein beträchtliches Stück entfernt. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 11 162 Karl W. Verhoeff, Bei den genannten ungeflügelten Formen kommen zwar zahllose winzige Haarspitzchen an den Tergiten vor, jedocli sind sie schwächlich im Vergleich mit denen der Geflügelten und nirgends zu dichten Haarfeldern gruppiert. Hinsichtlich Aptinus sei nur noch bemerkt, daß in Anpassung an die kurzen Elytren dieser Gattung das 6. und 7. Tergit reichlich und stark beborstet sind, während das 5. eine un- gewöhnliche Verdickung erfuhr. Das 8. bis 10. Abdominalsegment. Ehe ich näher auf diese eingehe, sei kurz der acht bei Carabiden anscheinend allgemein erhalten gebhebenen abdominalen Stigmen- paare gedacht, deren erstes Paar insofern ein besonderes Interesse bietet, als es in physiologischem Zusammenhang steht mit der Ausbildung der Flügel, d.h. bei geflügelten Arten, z.B. Chlaenius spoliatus ist das 1. Stigmenpaar sehr groß, so daß seine Längsachse mehr als die doppelte Länge der Längsachse des 2. Stigmas erreicht, während bei ungeflügelten Arten, z. B. Aptinus hombarda das 1. Stigmenpaar die folgenden nur noch wenig an Größe übertrifft. In den Fällen seiner starken Ausdehnung liegt es dicht an das Metanotimi angeschmiegt. Am 1. — 7. Abdominalringe hegt das Stigmenpaar in der Pleural- haut, nur bei Carabus nähert sich das 7. Paar seinem Tergit. Das 8. Stigmenpaar ist meistens in die Seiten des 8. Tergites ge- rückt, nur bei weiblichen Chlaenius spoliatus ist es in der Pleuralhaut geblieben, während es bei Carabus granulatus zwar in den Seiten des 8. Tergites eingefügt ist, diese aber als schmale Paratergite durch Nath vom. Tergit sehr deutlich abgesetzt sind. Verhältlich am schwächsten fand ich die 8. Stigmen bei Dromius agilis, wo sie infolge der eigentümUchen Bildung des 8. Tergites in der Haut neben demselben leicht übersehen werden können. A. Die weiblichen Carabiden sind am 8. Tergit und Sternit meistens durch je zwei mehr oder weniger starke ins Körperinnere eingesenkte Muskellappen ausgezeichnet (Taf. II, Fig. 25 lo), so z. B. bei Platynus, Chlaenius und Pterostichus. Bei Molo'ps elatus dagegen fehlen solche Lappen am 8. Sternit, während sie am 8. Tergit nur schwach entwickelt sind. Diesem Gegensatz entspricht in bemerkens- werter Weise auch eine verschiedene Ausprägung des weibhchen Genital- segmentes : Ich bespreche des Näheren Platynus dorsalis mid bemerke nur, daß Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 163 sich Ch^/ienius spoliatus und Pterostichus oblongopunctatus im wesent- lichen ebenso verhalten. Das breite 10. Tergit (Taf. II, Fig. 21) springt jederseits in einen Fortsatz vor und dieser bildet mit den annähernd rhombischen Hälften des 9. Tergites ein Gelenk {g 1). Diese Hälften des 9. Tergites sind ausgestaltet in einen Muskellappen (c) unten vorn, einen stark behaarten Tastlappen (b) hinten oben und einen Gelenkfortsatz {g 2) hinten miten. Letzterer ist durch eine nach dem Gelenk ziehende Leiste verstärkt. Er bildet ein sehr ausgeprägtes Gelenk mit der nach hinten unten anschheßenden Hälfte des 9. Ster- nites (9.5). Auch diese ist gegen die Gelenkstelle verstärkt. Hinten sitzt auf ihr, abermals durch ein gut erkennbares Gelenk geschieden, der etwas nach oben gebogene Stylus. Sowohl das 9. Sternit als auch der Stylus besitzen verschiedene kräftige Tastborsten (Taf. II, Fig. 22). Unter der Genitalöffnung verläuft quer ein reichlich bebor- stetes Band (Taf. II, Fig. 21 a), welches eine Duplikatur des 8. Sternites darstellt. Von dieser Genitalsegmenteinrichtung des Platynus dorsalis u. a. weicht nun diejenige des Molops elatus in namhafter Weise ab. Zu- nächst ist das ganze Genitalsegment und 10. Tergit schwächer aus- gebildet als bei typischen Car ab i den -Weibchen, sodann hängt das 9. Tergit zwar unter einem recht winkeHg geknickten Band mit den Seiten des 10. zusammen, aber es besteht kein Gelenk. Das ganze Genitalsegment ist (abgesehen von ein bis zwei Borsten auf dem Ende des Stylus) nackt. Die StyH sind klein und kaum gebogen, von den Hälften des 9. Sternites zwar deutlich abgesetzt, bilden aber mit ihnen ebenfalls kein eigentliches Gelenk. Ein solches besteht nur zwischen 9. Tergit und Sternit. Das 9. Tergit ist durch seine Einfachheit be- sonders bemerkenswert, denn es bildet nur einen länglichen Verbin- dungslappen zwischen 9. Sternit und 10. Tergit. Die Bildung der Hälften des 9. Abdominalsegmentes der weib- lichen Carabiden (Taf. II, Fig. 21) läßt sich mit zwei menschlichen Armen vergleichen, das obere Gelenk {g 1) mit dem Schultergelenk, das mittlere {g 2) mit dem Ellbogengelenk und das hintere am Stylus - grund mit der Handwurzel. So wie zwei menschliche Arme mit geballten Fäusten abwechselnd nach vorn oder außen stoßend Hindernisse zu beseitigen vermögen, stoßen die beiden Hälften des Genitalsegmentes nach hinten und außen, um eine grabende Tätigkeit auszuüben, d. h. einen Ort vorzubereiten, welcher zur Eiablage geeignet ist. Das 10. Tergit ist der Aufhängeträger für die Genitalsegment- hälften. Die geschilderten 2 -f- 2 Muskellappen aber am 8. Segment 11* 164 Karl W. Verhoeff, dienen den Retractoren, welche den ausgestülpten Grab- und Legeapparat in seine Ruhelage befördern. Wenn nun bei Molops sowohl die Muskellappen des 8. Ringes fehlen, als auch das Genitalsegment sehr schwach gebaut ist, dann läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß diese Tiere bei der Eiablage keinen be- sonderen Widerstand zu überwinden haben. Da wr nun aus zahl- reichen Beobachtungen wissen, daß die Molops- Arten sich , gerne im Walde unter Laublagen aufhalten, so ist anzunehmen, daß sie daselbst auch im weichen Humus ihre Eier ablegen. Ihr Genitalsegment bedarf also im Vergleich mit andern Carabiden einer geringeren Heraus- pressung. Während das weibliche Genitalsegment von Platynus und Ver- wandten als Typus der Carabiden gelten kann, zeigt die Gattung Carabus ein Verhalten, welches dem von Molops insofern gerade ent- gegengesetzt ist, als es sich bei ihr im Vergleich mit den typischen Fällen nicht um eine Abschwächung, sondern im Gegenteil um eine Verstärkung aller Bestandteile des Genitalsegmentes han- delt. Als Ausgangsformen für eine Betrachtung des Carabiden- Abdomens sind daher die PlatTjnus \i. a. viel geeigneter als die sekundär mehr ausgestalteten Carabus, welche, wenn man sie allein betrachtet, leicht irgend eine irrige Deutung hervorrufen können, wie mir das 1893 in meinem ersten Aufsatz selbst passierte, dessen Mängel ich aller- dings bereits 1894 in der Schrift Nr. 3 berichtigt habe, insbesondere auf S. 181. Schon am 8. Abdominalsegment zeigen die Carahus in3ofern eine auffallende Besonderheit, als das 8. Sternit, welches durch eine häutige Mittelpartie fast zweiteilig geworden ist, jederseits in einen starken Muskelstab ausoezogen ist, welcher die Länge dieses Sternites erreicht oder noch übertrifft, wie ich im ersten Aufsatz 1893 schon in Fig. 32 dargestellt habe. Das 8. Tergit dagegen ist einfach geblieben. Bei C. cancellatus z. B. ist das 8. Sternit etwa 3 mm, jeder Muskelstab fast 4 mm lang. Die am 9. Tergit an der Hand der Taf. II, Fig. 21 für Platynus dorsalis unterschiedenen und als Muskellappen, Tastlappen und Gelenkfortsatz bezeichneten Abschnitte treffen wir bei Carabus in wesentlich kräftigerer Ausgestaltung. An den Seiten des 10. Tergites ragt nicht ein Fortsatz nach außen heraus, sondern eine starke Leiste ist jederseits in das 10. Tergit fest eingesenkt. Diese Leiste bildet mit dem 9. Tergit wieder ein Gelenk, setzt sich aber am Vorderrand desselben als dicke, umgeschlagene Randleiste fort, bis sie schließ- Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 165 lieh im Ende des Muskellappens, welcher dreieckig vorragt, ausläuft. Ein fernerer Unterschied liegt in einer sehr deutlichen, die Hälften des 9. Tergites wieder in zwei Viertel absetzenden Naht^ welche den Tastlappen von dem übrigen 9. Tergit scheidet. Diese Naht zieht, hinten innen vom Gelenkknopf mit dem 9. Sternit beginnend, nach vorn bis zum Vorderrand und durchsetzt auch die Eandleiste, indem sie in ihr eine Knickungsstelle erzeugt. In dieser Naht sehe ich eine Anpassung an die grabende Tätigkeit des Genitalsegmentes, indem sie die Nachgiebigkeit der Hälften des 9. Tergites bei seitKchen Be- wegungen erhöht. Das 9. Sternit bietet nichts Besonderes, auch die Styli entsprechen dem Zustand von Platynus, sind nur entsprechend kräftiger. Die weiblichen Cychrus, bei welchen auch ein Ovipositorenrudi- ment, homolog demjenigen der Dytiscus vorkommt, schließt sich an Garabus an. Die Cicindeliden sind in vielfacher Hinsicht eine sekundäre Weiterbildung der Carabiden, was auch im Bau des Abdomens entschieden zum Ausdruck kommt. Unter Berücksichtigung von Cicindela campestris und hyhrida sei folgendes hervorgehoben: Das 8. Segment ähnelt dem von Carabus insofern, als nur am Ster- nit zwei Muskelstäbe auftreten. Das 8. Tergit ist wichtig dadurch, daß eine Dreiteilung angebahnt ist und zwar in einen mittleren und zwei seitliche Abschnitte. Teils geschieht die Dreiteilung durch zwei pigmentlose Längsfelder, teils durch Nähte. Es zieht knapp vor dem Hinterrand eine Quer naht vollständig durch. Von dieser geht aber jederseits eine Längs naht nach vorn bis zum abgerundeten Vorderrand ab und zwar so, daß der mittlere Abschnitt ungefähr so groß ist wie die beiden seitlichen zusammen. Die beiden Längsnähte verlaufen ungefähr parallel. Die beiden Seitenabschnitte, in deren Rand die 8. Stigmen ausmünden, sind hinter demselben etwas nach unten umgeschlagen. Die Bedeutung der Dreiteilung dieses 8. Tergites liegt aber darin, daß sie uns eine Vorstufe vorführt für das 10. Tergit, welches bei Cicindela durch zwei Längs streifen vollkommen in drei Teile zerspaltenist und zwar in einen mittleren, unter welchem das Rectum mündet, zu dessen Seiten sich nur wenige Borsten finden, und zwei seitliche, deren Hinterhälfte zum Teil Stachelborsten trägt, die am Hinterrand besenartig angeordnet sind. Hinten innen springen die seitlichen Abschnitte des 10, Tergites gegen den After etwas vor. Das 9. Tergit ist zwar sonst dem von Platynus ziemlich ähnlich 166 Karl W. Verhoeff, aber mit dem Vorderende der Seitenteile des 10. Tergites besteht ein viel deutlicheres Gelenk. Die Selbständigkeit der Seitenteile des 10. Tergites ist eine Anpassung an diese besonders star- ken Gelenke mit dem 9. Tergit. Von dem Gelenk aus erstreckt sich eine längere Leiste am Vorder- rand und eine kürzere am Innenrand des 9. Tergites. Eine starke Außenrandleiste erstreckt sich von dem ebenfalls kräftigen Gelenk mit dem 9. Sternit zum vorderen Muskellappen. Im 9. Sternit findet sich eine an dieses Gelenk mit dem 9. Tergit streichende V-förmige Leiste zur Verstärkung, außen ferner eine Längsnaht, während sich innen ein großes dreieckiges Hautfeld erstreckt zur Vermeidung einer Keibung. Außen treten bei ca^npestris am 9. Sternit noch einige Höckerchen auf, welche mit kurzen, dicken Zapfenborsten besetzt sind, die sich in großer Zahl auch am Hinterrand des 7. Tergites vor- finden. Der sehr kräftige Grabstylus ist tief zerspalten in zwei Klauen. Im ersten Aufsatz (Fig. 34) findet man für Tricondyla aptera sogar eine drei- bis vierspitzige Grabklaue. Die weiblichen Genitalsegmente der Carabiden und Cicinde- liden zeigen somit eine von Stufe zu Stufe mehr und mehr ver- vollkommnete Anpassung an eine grabende Tätigkeit zur Unterbringung der Eier. Die beiden gelenkigen Stoßarme, in welche das 9. Segment ver- wandelt ist, besitzt schon Molops. Bei den meisten Carabiden sind sie aber viel stärker und namentlich die Styli zum Aufwühlen der Erde kräftiger gebaut. Carabus zeigt uns dann vervollkommnete Gelenkleisten und Zerklüftung der Hälften des 9. Tergites, während schließhch bei Cicindela auch das 10. Tergit und die Styli zerspalten werden. Dromius agilis ist merkwürdig durch sein 8. Tergit, welches in beiden Geschlechtern in zwei Hälften stark auseinander gewichen ist, wobei von jeder Hälfte ein langer Muskelstab ausgeht. In beiden Geschlechtern ragen beim Vorstülpen des Hinterleibsendes die Hälften des 8. Tergites ohr artig nach außen vor, indem sie abgerundet, aber leicht nach außen gebogen sind. Diese ungewöhnliche Beschaffen- heit hängt damit zusammen, daß in den Hälften des 8. Tergites Wehr- drüsen ausmünden, deren flüchtiger Saft durch die seitlich vorwie- gende Haltung dieser Tergithälften befähigt wird, in den engen Eäumen unter Baumrinden leichter sich auszubreiten. Die Ausführungsgänge dieser Drüsen münden in ein sehr zartes Sammelbläschcn. In der Zwi- Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 167 schenhaut vor dem 8. Tergit, außerhalb der Miiskelstäbe desselben liegen die kleinen S.Stigmen. Das zweiteilige weibliche Sternit ent- behrt der MuskeKortsätze. B. Das männliche Abdomen der Carabiden führt uns ebenfalls interessante Abstufungen vor, welche sich sowohl in morphologisch- physiologischer als auch phylogenetischer Hinsicht zum Ausdruck bringen lassen. Eine primitive »Stellung, welche wir für Äptmus schon oben hin- sichtUch des Bauchfortsatzes kennen lernten, kommt auch am 8. bis 10. Segment zur Geltung. Das 8. Tergit der meisten Carabiden ist mit zwei Muskellappen ausgerüstet (Textfig. 4), die bei Aptinus jedoch besonders schwach entwickelt sind, bei Carabus übrigens vollständig fehlen. Schon im ersten Aufsatz habe ich am Hinterleib der männlichen Carabiden einen vorderen (zum 8.) und einen hinteren (zum Fig. 3. Kg. 4. Platynus darsalis Pont. ö- x 56. Fig. 3 das 8. Sternit, Fig. 4 das 8. Tergit nebst Stigmen. 9. Ring gehörigen) Bogen unterschieden. Diese kommen allgemein allen Carabiden (aber auch Cicindeliden und Dytisciden) zu. Bei Aptinus habe ich den vorderen, mit dem 8. Sternit verbundenen Bogen am schwächsten gefunden, auch ist er hier nicht gleichmäßig bogig, sondern besteht aus zwei sehr blassen, in der Mediane gegen- einander abgesetzten Lappen. Bei Platynus (Textfig. 3), Chhenius und Pterostichus zeigt der vordere Bogen ein typisches Verhalten, d. h. er ist wirklich bogig und vorn abgestutzt, während er sich hinten in den getrennten Hälften des 8. Sternites gabelt und zwar mehr oder weniger deutlich in zwei kurze Leistenäste. Durchgehends ist der hintere Bogen größer mid kräftiger als der vordere. Im Gegensatz zu jenem hängt er nicht mit dem Sternit, son- dern mit dem Tergit zusammen, so daß man auch den vorderen Bogen als ventralen vom hinteren dorsalen unterscheiden kann. Trotz- dem wird das 9. Sternit stets vom hintern Bogen umfaßt (Textfig. 5). 168 Karl W. Verhoeff, -9. fe Ber hintere Bogen ist eben trotz seines Zusammenhanges mit dem 9. Tergit, dessen inneres Derivat er vorstellt, und trotz seines somit dorsalen Charakters tatsächlich größtenteils ventral gelegen. Das 9. Sternit bildet eine längliche Tragmulde für die Copula- tionsorgane, und der hintere Bogen liefert für diese Trag- mulde den Versteifungsrand. In ihrer Ruhelage sind die Copu- lationsorgane der Carabiden stets sowohl asymmetrisch gelagert als auch asymmetrisch gebaut. An den asymmetrischen Bau der Copulationsorgane aber ha- -dp ben sich das9. Sternit und der hintere Bogen ange- paßt^ d. h. beide sind eben- falls allgemein asymme- trisch geworden. Wieder zeigt sich Aptinus als besonders ursprünglich organisiert, indem sein 9. Ster- nit den einfachsten Zustand vorführt, der mir unter den Carabiden bekannt gewor- . den ist, was sich darin zeigt, daß a) das 9. Sternit noch breit, kräftig und dunkel pig- mentiert geblieben ist, b) die Asymmetrie nur schwach hervortritt und c) noch eine kräftige Be- borstung erhalten ist. Im Gegensatz hierzu fin- den wir bei Chlaenius, Platynus, Pterostichus und Dromius das 9. Ster- nit mehr abgeschwächt, die Beborstung ist verschwunden und die Asymmetrie sehr auffallend, indem es ganz nach rechts verschöben und dort auch nach hinten mehr, oder weniger in Lappen oder Fort- satz ausgezogen ist. Die Schiebung des 9. »Sternites nach rechts ent- spricht den nach links gekrümmten und nach rechts herübergeneigten Copulati onsorganen. Der hintere Bogen ist stets mit dem 9. Tergit verwachsen, während er vom 9. Sternit durch Haut abgesetzt ist. Bei Aftinus fand ich wieder das 9. Tergit am stärksten entwickelt, nämlich cj^uer halbmondförmig, -höo Fig. 5. Carabus granulatus (5, x 10. Der hintere Bogcu (hbo)^ das 9. sternit (9.s, 9.sx) und das 10. Tergit nebst Kec- tum von oben gesellen, während das 9. Tergit mit den Drüsenplättchen (dp) zurückgesclilagen ist. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 169 nackt, aber von zahlreichen Poren durchsetzt. Vom ist es mit einer queren Platte ins Körperinnere eingesenkt. Diese Platte ist median vorn eingeschnitten-eingeknickt und nach oben gedrückt, während seitlich die Hinterenden des hinteren Bogens in sie übergehen. Zwischen dieser endoskelettalen Platte und den hinteren Enden des hinteren Bogens ist jederseits die große, dicht mit meist geteilten Haaren erfüllte Sammelblase der Bombardierdrüsen eingefügt. Das 10. Tergit ist kleiner als das 9. und liegt imter ihm ver- steckt, ist ihm aber sonst in Gestalt und Struktur bei Aftinus höchst ähnlich. Bei Platynus erscheint das 9. Tergit nur als eine hintere Fort- setzimg des hinteren Bogens, d. h. es bildet eine spangenartige Bogen- leiste, während der eigentlich tergale Teil, welcher in der Mitte gespalten, nackt und fast porenlos, sehr abgeschwächt ist und als rudimentär zu bezeichnen. Die tergale Bogenleiste ist bei Chlaenius spoliatus weiter verstärkt und das eigentliche 9. Tergit als solches nicht mehr deut- lich erkennbar. So ist aus dem hinteren Bogen nebst Bogen- leiste (des 9. Tergites) eine geschlossene Ellipse entstanden. Für Pterostichus oblongopunctatus gilt dasselbe, doch sind Bogen und tergale Bogenleiste deutlich gegeneinander abgesetzt geblieben. Diesen Verhältnissen, d. h. namentlich der Verkümmerung des 9. Ter- gites entsprechend ist bei Chlaenius, Platynus, Pterostichus und Dromius das 10. Tergit erloschen. Anders steht es mit Carabus. — Dadurch, daß er rechts plattig erweitert wurde (Textfig. 5 v), hat bei Carabus (jranulatus auch der hintere Bogen eine starke Asymmetrie erfahren. Hinten geht dieser Bogen nicht sofort in das 9. Tergit über, sondern er verschmälert sich und dami folgt eine kleine, etwas muschelig aus- gehöhlte Platte, welche ich als Drüsenplatte hervorheben will, da miter ihrem Schutze die durch ihr ätzendes Secret bekannten und jedem Cam6 W5-Sammler durch scharfen unangenehmen Geruch ein- geprägten Wehrdrüsen ausmünden (Taf. I, Fig. 17 dr). Das Ende des Drüsenschlauches erweitert sich muldenartig und die weite Öff- nung mit bogigen Rändern paßt gut in die Aushöhlung der Drüsen- platte (dpa). Unter einem winkeligen Knick (v) verbindet sich die Drüsenplatte jederseits mit den Seiten des 9. Tergites (Textfig. 5); dieses ist von Poren durchsetzt und besitzt vorn einen dreilappigen Muskelrand. Unter dem 9. findet man das mondsichelförmige, poren- reiche 10. Tergit. Auffallend unregelmäßig gelappt erscheint das nach hinten in zwei bis drei Fortsätze ausgezogene 9. Sternit (9.s), von welchem links noch ein kleineres Stück {9.sx) sich losgelöst hat. Der vordere Bogen des 8. Sternites ist bei Carabus besonders groß und 170 Karl W. Verhoeff, hufeisenförmig, die Hälften des 8. Sternites selbst sind auffallend klein und weit auseinander gerückt, dicht angeschlossen dagegen an die schon genannten, stigmenhaltenden Paratergite des 8. Tergites. Penis und Parameren. Soweit bekannt sind die männhchen Copulationsorgane aller Carabiden asymmetrisch gebaut, und zwar ist diese Asymmetrie offenbar eine Folge davon, daß der Penis hör nartig gekrümmt ist, nämlich mit der Spitze nach unten gebogen. Da nun das Abdomen von oben nach unten zusammengedrückt ist, so würde ein symmetrisch, im Sinne von Süpha, getragener Penis eine Vorragung einiger Tergite verursachen. Um dies zu vermeiden und den Penis auf möglichst fester Unterlage ruhen zu lassen, ist die Seitenlage zu einer ständigen Ein- richtung geworden und zwar so, daß er immer nach rechts hin- übergeneigt liegt (Taf. II, Fig. 20 und 31). Daher kommt es, daß er von oben betrachtet links ausgehöhlt und rechts erhaben erscheint, während Vorder- und Hinterende nach links vorragen. Es gibt aller- dings auch Carabiden mit ziemlich geradem Penis, z. B. Dromius agilis, aber auch in diesem Falle ist die Asymmetrie in Penis und Präputium deutlich ausgeprägt. Wichtige Übereinstimmungen in den Copulationsorganen von Silpha und den Carabiden sind darin gegeben, daß: a) die Parameren selbständig geblieben sind, b) ihre Basen sich ventral vom Penis mit ihm verbinden und c) häufig eine kleine unpaare Basalplatte den Grimd der Para- merite verknüpft. Bei einigen Formen, z. B. Carabus granulatus (Taf. I, Fig. 26) wird die Ähnlichkeit mit Süpha in den Parameren noch viel deutlicher als bei der Mehrzahl der übrigen Carabiden. Die Asymmetrie der Paramerite ist auch bei diesem Carabus deutlich genug ausgeprägt. Die kurze Basalplatte (Taf. II, Fig. 26 und 28 6a) bildet nur eine dicke federnde Verbindung zwischen den beiden Parameriten. Ihre Leistung als Druck und Zug überwindendes Band macht sich deuthch genug bemerkbar im faserigen Bau und den kleinen Randfältchen (Taf. II, Fig. 28 &a). Die Paramerite des Carabus granulatus zerfallen in drei Abschnitte, und zwar ist der hinterste derselben sehr schmal und ragt als fingerförmiges Tastorgan weit nach hinten heraus, bleibt aber doch etwas hinter der Penisspitze zurück. Der 1, und 2. Ab- schnitt kommen dadurch zustande, daß sich eine Leiste schräg dem Paramerit entlang zielit (Taf. IT, Fig. 29 l). Sie veiläuft so, daß der Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 171 mittlere, von vielen Poren durchsetzte Abschnitt vorn spitz endigt, während der vordere, porenlose Abschnitt nach vorn, also gegen die Basalplatte breit ausläuft. Die Genitaltaschenhaut ist der Länge nach mit der Grundhälfte der Parameriten verwachsen, endigt aber knapp vor dem Grund der Fingerfortsätze (Taf. II, Fig. 26, 27, 29 h). In den Poren der Para- meriten sitzen sehr kurze und zum Teil leicht übersehbare Tastbörstchen. In der Genitaltaschenhaut tritt bei Carahus eine Doppelplatte auf, welche ich im Aufsatz Nr. 1 bereits 1893 beschrieben habe und zwar in Taf. II, Fig. 57 und 63 (für Procrustes coreaceus und Anthia sex- maculata) abgebildet habe. Bei Carahus granulatus tritt diese Doppel - platte, welche lediglich eine dorsale, den Parameriten gegenüberliegende, aber den meisten Carabiden fehlende Versteifung der Genitalhaut vorstellt^, als zwei längliche, bräunlich pigmentierte und wenig asymmetrische Felder auf, welche durch einen häutigen vorn schmaler werdenden Mittelstreifen größten- teils voneinander getrennt sind, vorn aber verwachsen, während sie hinten von zahlreichen, sehr dünnen und zum Teil in Gruppen an- geordneten Kanälchen durchsetzt werden, die bei oberflächlicher Betrachtung Härchen vortäuschen. Die Verbindung der Parameren mit dem Penis erfolgt also ventral und zwar im vordersten Drittel des letzteren mittels eines starken Vorsprunges, den ich Paramerenhöcker nennen will. Die Parameren können sich gegen den Penis um diesen Höcker drehen. Er ist auch bei Platynus (Taf. II, Fig. 20) und Chlaenius (Taf. II, Fig. 31) vorhanden, tritt aber bei Carabus viel deutlicher in die Erscheinung. Als Penisfortsätze kommen zwei große, ziemlich symmetrisch an- geordnete Muskelplatten am Vorderrande des Penis in Betracht (Taf. II, 1 Auf S. 77 a. a. 0. hat Harnisch die Doppelplatte von Carahus nemo- ralis abgebildet und ein »achtes Sternit« daraus gemacht, eine Konsequenz der einleitenrl besprochenen verschiedenen Irrtümer. Was er S. 77 unten sagt, ist einfach unverständlich, zumal die »Caraben« fälschlich als »niedrigste Käfer- formen« angesprochen wei-den. Da Harnisch in seiner Tabelle S. 83 meine Para- meren als »8. Sternit« bezeichnet, S. 77 aber ebenso die Cara6«s-Dopj)elplatte, so müßte man annehmen, daß ihm die Parameren der Carabiden gänzlich un- bekannt geblieben seien, wenn er nicht S. 80 selbst geschrieben hätte, es »bieten aber gerade die Caraben einen Anhalt für den Plattencharakter des Penis, da bei diesen ein Paar eingelenkter Gonapophysen daran sitzen«. Wohlgemerkt bei den Caraben anerkennt Harnisch die Parameren als »Gonapophysen« und auf S. 83 und an andern Stellen erklärt er dieselben Parameren der Coccinelli- den u. a. für ein »8. Sternit« ! Größer kann die Konfusion nicht mehr werden ! — 172 Karl W. Verhoeff, Fig. 20 frä, prs), welche stark abgerundet und etwas nach unten ge- krümmt sind. Isohert man diese Penisfortsätze' so, daß sie gemein- sam mit dem angrenzenden Teil des Penis gerade von oben^ gesehen werden, dann überzeugt man sich, daß sie gemeinsam mit dem ver- bindenden Penisstück durch eine verdickte innere Randleiste ein Hufeisen darstellen. Während die Peniswandung unten fest und geschlossen ist, besitzt sie oben einen häutigen Bezirk, welcher hinter der Mitte beginnt und fast bis zur Spitze reicht. Dieses Gebiet stellt die Mündungszone des bei der Copula umzustülpenden Präputial- sackes vor. Man kann an ihr bei Carabus leicht zwei Unterabteilungen unterscheiden, indem sich hinten ein von wulstigen Rändern begleiteter Längsspalt vorfindet, während vor ihm ein runzeliges Feld liegt, welches dadurch entsteht, daß die Falten des Präputialsackes im Ruhezustand dicht zusammengedrängt liegen. Da das runzelige Feld vorn im Halbkreis von dem festwandigen Penis umschlossen wird, nenne ich es den Müiidungshof. Der ganze Hauptabschnitt des Penis zwischen den Penisfortsätzen vorn und dem Mün- dungshof hinten ist nicht nur festwandig oben und unten, sondern auch von durchaus einheitlichem Gepräge, d. h. es fehlt jede Spur einer Nahtbildung^. Die Wand des Penis wird von zweierlei Porenkanälen durchsetzt, indem die einen derselben außen offen bleiben, während die andern sehr kurze Sinneszäpfchen tragen; offenbar dienen die ersteren chemischen und die letzteren mechani- schen Reizübertragungen. An der nach den Arten verschieden gestal- teten Penisspitze ist die Zahl der Porenkanäle am größten. Auf den verwickelt gebauten Präputialsack von Carabus, dessen Teile zum Teil eine prachtvolle Struktur darbieten, gehe ich nur ganz kurz ein. Es findet sich eine große Anzahl von Wülsten und Längsfalten, welche mit Haaren, Spitzchen, AVärzchen und Schuppen verziert sind, doch haben diese Bildungen eine so unregelmäßige Anordnung, daß sie nur durch eine sehr eingehende Beschreibung erschöpfend klargestellt werden können. Der Ductus ejaculatorius, soweit er sich innerhalb des Penis befindet, besitzt für die sich anheftenden Muskeln eine über- aus dicke Wandung (Taf. II, Fig. 30 de), erst außerhalb des Penis wird 1 Oben und unten sind hier natürlich so gemeint, daß die Copula tions- organc in ihre theoretische primäre Lage zurückgedreht zu denken sind. 2 Die Behauptung von Harnisch (S. 80), »daß gerade bei diesem Caraben - Penis eine sehr deutliche Verwachsungsnaht vorhanden« sei, entspricht also nicht der Wirklichkeit. Wäre sie aber vorhanden, dann käme eine gänzhch andre Erklärung in Betrao'.it. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 173 er plötzlich sehr dünn. Hinter der Einmündimgsstelle des Ductus ejaculatorius in den Präputialsack bemerkt man dicht mit feinen Härchen besetzte Lappen {h) und hinter diesen dicke warzige Wülste (w), auf welche weiterhin Wülste und Längsfalten folgen. Hinsichthch andrer Carabiden sei noch folgendes hervorgehoben: Die bei Carabus noch gut entwickelten Fingerfortsätze der Parameriten fehlen den meisten Carabiden vollständig, so bei Platynus dorsalis (Taf. II, Fig. 20) bei Chlaeniiis sfoliatus (Taf. II, Fig. 31), bei Aptinus, Pterostichus und Dromius. Gleichzeitig hat sich die Asymmetrie noch erhöht. Die Paramerite sind also sekundär zu kurzen gedrungenen Gebilden geworden, welche als Tastorgane keine Bedeutimg mehr haben, trotzdem aber nicht belanglos sind, weil sie dem Penis als Stütze dienen und mit Muskeln verbunden sind. Bei Pterostichus oblongopunctatus ist die Asymmetrie so gesteigert, daß der linke Paramerit ungefähr die dreifache Größe des rechten erreicht hat. Pterostichus metallicus ist insofern von Bedeutung, als die Penis- spitze sekundär nach unten gebogen ist, also sich der Seitenlage des Penis durch Krümmung nach unten im wahren Sinne, nicht im Sinne der Längsebene des Penis angepaßt hat. Taf. II, Fig. 20 zeigt uns den ausgestülpten, gleichzeitig durch seine Einfachheit bemerkenswerten Präputialsack von Platynus dorsalis, welcher also im ausgestülpten Zustand ungefähr zwei Drittel der Penislänge erreicht. Im Gegensatz zu Platynus besitzt Chlaenius spoliatu^s nicht nur eine auffallend knopfartig abgesetzte Penisspitze, sondern der Präputialsack enthält auch gleichzeitig eine Virga (Taf II, Fig. 31 vi), d. h. eine dünne Fortsetzung des Ductus ejaculatorius über dessen Ausmündungsstelle hinaus in das Innere des Präputial- sackes. Diese Virga (und damit der Präputialsack selbst) beginnt ungefähr in der Mitte des Penis und zieht sich unter doppelt S-förmiger Krümmung und langsamer Verdünnung bis zum Mündungshof. Neben dem Beginn der Virga liegen zu dessen Verstärkung zwei kleine Plättchen. Sehr große Stacheln in mehreren, asymmetrisch angeordneten Gruppen bilden eine Bewaffnung des Präputialsackes von Dromius agilis, ohne daß deshalb die gewöhnliche Wärzchenstruktur fehlte. Ahnliche Stachelbildungen beschrieb auch K. Holdhaus in seiner aus- gezeichneten Monographie der Coleopteren-Gattung Microlestes, also einer mit Dromius nahe verwandten Gruppe, innerhalb welcher sie jedoch den primitiveren Arten fehlen. (Kais. Akad. d. Wiss. Wien 1912, Bd. LXXXVIII d. math.-nat. Kl, S. 477.) 174 Karl W. Verhoeff, IV. Zur Kenntnis des Chrysomelidenabdomens. ' Clirysomeliden und Cerambyciden sind so nahe miteinander verwandt, daß man lange Zeit überhaupt keinen durchgreifenden Unterschied anzugeben vermochte. In meiner Arbeit Nr. 1 habe ich auf S. 151 einige Unterschiede mitgeteilt, welche sich auf Grund des Abdomenstudiums herausgestellt hatten. Insbesondere ist zu l)e- tonen, daß a) bei den Chrysomelideu »die Parameren im dorsalen Teile nie zwei voneinander getrennte Fortsätze bilden, sondern stets ganz verwachsen sind, mit oder ohne Naht, und bilden dorsal entweder eine gerundete Platte oder einen mehr oder weniger langen Fortsatz. Der ventrale Teil, die Paramerenschenkel, stellen bisweilen ein Ellip- soid, meistens aber einen Ring dar (Ringschenkel). Nicht selten sind die Parameren nur ventral noch erhalten und zu einem Gabelstück verkümmert«. b) Bei den Cerambyciden dagegen »stellen die Parameren im dorsalen Teile stets zwei mehr oder weniger lange, nur an der Basis verwachsene, im übrigen voneinander getrennte, fingerförmige Fortsätze vor. Der ventrale Teil, die Paramerenschenkel, stellen inuner ein Ellipsoid dar (Ellipsoidschenkel)«. In diesem Paramerenunterschied ergeben sich die Cerambyciden als die primitivere Familie, weil die Trennung der beiden Paramerite durch die fingerförmigen Fortsätze noch angezeigt ist. Es harmoniert aber hiermit einerseits die im allgemeinen schlankere Körper- form der Cerambyciden, insbesondere der weniger zusammen- gedrängte Hinterleib, anderseits die Tatsache, daß der 8. Abdominalring, insbesondere das 8. Sternit keine Rückbildung erfahren hat, sondern stets deutlich ausgebildet ist und vorn ein Spiculum ventrale trägt. Wenn auch im folgenden die Cerambyciden keine Berücksich- tigung finden, so muß doch eine phylogenetische Beurteilung der Chrysomelideu auch auf jene als die nächsten Verwandten Rück- sicht nehmen. Im Vergleich mit den Silphiden und Carabiden führen uns die Chrysomelideu auf eine dritte phylogenetische Stufe, welche dadurch charakterisiert ist, daß 1. das 2. Sternit an der Bildung des Bauchfortsatzes nicht mehr beteiligt, 2. das 8. Stigmenpaar erloschen ist, Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 175 3. das 9. Sternit der Männchen vollkommen fehlt, 4. das 8. Sternit und 9. Tergit der Männchen mehr oder weniger verschwunden sind, 5. die laterale Trennung der Paramerite nicht mehr zur Geltung kommt, diese Organe vielmehr dorsal entweder vollkommen verwuchsen oder verkümmerten. Dem im Vergleich mit primitiver organisierten Coleopteren - Familien gedrungen gebauten Chrysomeliden -Körper und ihrem verhältlich kurzen Abdomen entspricht also auch eine teilweise Ver- kümmerung der hintersten Elemente des Abdomens. Innerhalb der Chrysomeliden selbst gibt es wichtige phylogene- tische Abstufungen^ die ich zum Teil schon 1893 angegeben habe. 1. Timarcha. Als eine der ursprünglicheren Formen innerhalb dieser Familie betrachten wir zmiächst Timarcha 'pratensis Duft. Wie die Silphen einen Schlüssel abgeben zum Verständnis des Abdomens der Staphyliniden und Carabiden, so dient uns wieder das Abdomen der Carabiden zur Erleichterung des Verständnisses des Abdomens der Cerambo-Chrysomelidea. Unter den Chry- someliden wüßte ich aber als Ausgangspunkt der Betrachtung keine geeignetere Gattmig als die schon 1893 in dieser Hinsicht von mir her- vorgehobenen Timarchen und zwar besonders die weiblichen^ für welche folgende Abdominalformel gilt: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 -(2)3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 (StyH) ' Hierzu sei folgendes hervorgehoben: Das 1. bis 6. Tergit sind bei den Timarcha- Arten sehr zart, weil die Flügel fehlen und die Elytren verwachsen sind. Das 7. Tergit dagegen bildet den hinteren äußeren Abdominalschluß und spielt die Eolle eines Pseudopygidium. Es enthält zwei auffallende paramediane Längsleisten und zwischen denselben ein vertieftes Feld, welches eine Längsrinne darstellt, deren gerade Seiten nach hinten langsam zusammenneigen. Das vertiefte Feld dient zur Aufnahme der hintersten Strecken der verwachsenen Elytren, also zum Festhalten der Flügeldecken- spitzen, ein Erfordernis, welches durch die Eauheiten der Längsleisten und ihrer äußeren Nachbarschaft begünstigt wird. [Diese Beschaffen- heit des 7. Tergites gilt übrigens für beide Geschlechter.] Das vertiefte Feld erstreckt sich nur über die vorderen zwei Drittel des 7. Tergites, 176 Karl W. Verhoeff, das hintere Drittel entbehrt desselben, weil dieses unter den Elytren frei hervorschaut. Mit dem 7. Sternit ist das 7. Tergit an den Seiten unmittelbar gelenkig verbunden, so daß beide zusammen eine Klappe bilden, aus welcher die versteckten Abdominalteile mehr oder weniger heraus- ragen. Trennende Zwischenhäute, welche sich zu selten des 1. bis 6. Tergites befinden und in sich die Stigmen tragen, hören also im Bereich des 7. Einges auf. Dementsprechend hegt nur das 7. und letzte Stigmenpaar in den Seiten des 7. Tergites. Dem Flügel- mangel entsprechend ist wieder das 1. Stigmenpaar nur wenig größer als die folgenden. P'^ y Das sehr dicke 3. bis 7. : Sternit bilden den Bauch - napf. Die Chrysomeliden sind durch einen sehr kräfti- gen und breiten Bauchfortsatz ausgezeichnet, der vorn mei- stens breit abgestutzt ist (Textfig. 6 fr) und die Hüf- ten trennt. Trotz der Größe des Processus intercoxalis hat das 2. Sternit an ihm Fig. 6. keinen Anteil mehr. Das Lina populi L. Q. Das 2. bis 7. Abdominalsternit von 2. Stcmit ist bei den ChrySO- oben her dargestellt, ac, Acetabula : pr, Bauchfortsatz. , . -, . , -, ^^Q meliden zu emem mehr oder weniger schmalen Streifen verkümmert, den Harnisch in seiner Fig. 61 (auf S. 73) unrichtig dargestellt hat, weshalb ich anbei in Textfig. 6 die äußerhch sicht- baren Sternite und die Ventralphragmen von Lina populi erneut zur Anschauung bringe. Bei dieser Gattung bildet also das 2. Sternit einen durch Zwischenhaut sehr deutUch abgegrenzten und vollkommen von einer zur andern Seite durchziehenden Streifen, der sich nicht (wie das von Harnisch dargestellt wird) mit den Seiten des Vorder- randes des Bauchfortsatzes verbindet, sondern oberhalb desselben, also im Innern versteckt, quer über ihn hinwegstreicht. Die Acetabula werden außer diesem Streifen des 2. Sternites hauptsäch- lich von eingesenkten Teilen des 3. Sternites gebildet, und zwar sind die eingesenkten Teile gegen das übrige 3. Sternit sehr deutlich ab- gesetzt. — Zurückkehrend zur besonderen Betrachtung der weiblichen Ti- Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 177 marcha pratensis kommt der 8. Ring in Betracht, welcher aus kräftigem Tergit und Sternit besteht, die gemeinsam in eine ebenfalls klappen- artige Verbindung getreten sind und mehr oder weniger verborgen liegen. Diese innere Klappe des 8. Ringes steckt fernrohrartig in der größeren des 7. Ringes. Das mondsichelförraige 8. Sternit springt in der Mitte des Vorderrandes vor und ist hier in ein es an Länge noch übertreffendes, völlig unpaares, also ganz typisches Spiculum ven- trale ausgezogen. Das halbkreis- förmige, vorn in der Mitte einge- buchtete 8. Tergit tritt hinten mit einer bögigen, oben und unten kurz beborsteten DupUkatur heraus. Das Genitalsegment der weibUchen Timarchen ist, verglichen mit dem der Silphen und Carabiden, ohne weiteres verständlich (Taf. II, Fig. 32). Das 9. Tergit ist meder in zwei in die Seiten gerückte Hälften von halb muschelartiger Gestalt auseinander- gewichen. In Anpassung an diese Zweiteilung des 9. Tergifces ist aber auch das 10. Tergit zweiteilig ge- worden. Seine Teilhälften (Taf. II, Fig. 32, lO.t) werden von dem nach oben umgeschlagenen oberen Lappen der Hälften des 9. Tergites umfaßt rmd sind an deren abgerundete, obere innere Zipfel mit einer feinen, dunkeln Spange (6) befestigt. Die Ausdehnungsfähigkeit der jederseits miteinander verbundenen Hälften des 9. und 10. Tergites gestattet den Hälften des 9. oder Genitalster- nites, dicht aneinander gedrängt sich ein beträchthches Stück vorzu- stülpen, auch ohne daß eine eigenthche Legeröhre vorhanden ist. Das Vorstrecken der Genitalsternithälften wird aber auch durch den Bau dieser selbst erleichtert, denn sie sind recht lang gestreckt und der vordere für den Ansatz der Retractoren bestimmte Teil ist Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 12 Fig. 7. Timarcha pratensis, (5 Synparamerit. Ä, Stück der bei a angewachsenen Haut der Genital- tasche; b, zusammengowaclisenes ventrales Ende der Paramerenschenkel (a,b). x 56. 178 Karl W. Verhoeff, fortsatzartig (Taf. II, Fig. 32 pr) in die Leibeshöhle eingesenkt. Längs- leisten (l) dienen dem Muskelansatz. Normalerweise sind die Hälften des 9. Sternites durch eine gelenkige Einschnürung (Taf. II, Fig. 33 9) in zwei Abschnitte sehr deutlich abgesetzt, einen kurzen Hinter - abschnitt, auf dessen Hinterende der Stylus in einer Grube eingefügt ist, und einen viel längeren Vorderabschnitt. Während der Hinter- abschnitt {d.sp) wie eine gliedartige Abschnürung erscheint, hat der Vorderabschnitt mehr seine eigentlich sternale Gestalt bewahrt, d. h. er ist nur im hintersten Drittel im Anschluß an den Hinterabschnitt auch oben ausgedehnt, weiter vorn dagegen auf die Ventralfläche be- schränkt. Von diesem typischen TimarcÄa-Genitalsternit weicht eine inter- essante Abnormität der T. pratensis (Taf. II, Fig. 32) insofern ab, als einerseits nur rechts ein Stylus entwickelt ist, links dagegen dem fehlenden Stylus entsprechend auch der Hinterabschnitt hinten schmäler ausläuft, anderseits zwischen Vorder- und Hinterabschnitt die gelenkige Einschnürimg fehlt und nur eine schwache Andeutung derselben zum Teil durch verschiedene Pigmentierung (y) gegeben ist. Diese Abnormität ist aber deshalb besonders beachtenswert, weil sie sich in der Richtung auf die noch zu besprechenden Verhältnisse von Lina geltend macht. Die Männchen der Timarcha pratensis, welche im 1. bis 7. Seg- ment mit den Weibchen übereinstimmen, weichen bereits im 8. Ringe bedeutend von diesem ab. Das große, fast halbkreisförmige 8. Tergit (Taf. II, Fig. 34, 8.>7. Sternit« und zwar bei Donacia, Lina und Clytra. Daß diese große Gabel, welche bei Lina als ein Bogen (Taf. II, Fig. 37 &o) ausgeprägt ist, tatsächlich ein Derivat des 9. Ter- gites vorstellt, beweisen einerseits die für Silpha und die Carabiden auseinandergesetzten Verhältnisse (vgl. Taf. I, Fig. 7 und 8, sowie Textfg. 5 hbo), anderseits die namentlich bei Timarcha noch sehr gut ausgeprägten Überreste der Hälften des 9. Tergites, an welche Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren iiuvr. 179 die hinteren Enden der Gabel genau ange.sclilo.s.sen sind (Taf. II, Fig. 34, 9.te). Gabel und Bogen sind nur nach Arten verschiedene Ausprägungen ein- und desselben vergleichend-morphologischen Derivates des 9. Ter- gites. Da nun der vordere Teil dieses Gebildes mehr oder weniger spießartig werden, auch am 9. männlichen Sternit ein Spiculum entwickelt sein kann, insbesondere unter den Malacodermafn, woiür Taf. I, Fig. 14 von Danacaea pallipes ein gutes Beispiel abgibt (in meiner Arbeit Nr. 4), so folgt, daß bisher als Spiculum gastrale zwei ihrer Entstehimg nach verschiedene Gebilde bezeichnet worden sind und mithin ein neuer Begriff begründet werden nniß. Daher unterscheide ich: a) als Spiculum ventrale {wie bisher) das unpaare Derivat des 8. Sternites, b) als Spiculum gastrale das wie bei den männlichen Coccinel- liden einfache, oder aber aus einem Bogen hervorgegangene Derivat des 9. Sternit es, aber als c) Spiculum dorsale das meistens ebenfalls aus einem Bogen oder auch zwei getrennten Leisten hervorgegangene, spießartige Derivat des 9. Tergites. Dabei ist es vergleichend-morpho- logisch nebensächlich, ob dieses Gebilde eine vollkommen dorsale Lage beibehält, oder, wie es meistens der Fall ist, von seinen Ursprungsstellen fort ventralwärts sich gekrümmt hat. Eine wichtige positive gemeinsame Eigentümlichkeit aller endo- skelettalen Bögen und Spicula ist die, daß sie für verschiedene Muskeln Ansatzstellen abgeben, während als negative Eigentümlich- keit das völlige Fehlen von Porenkanäle n vmd daher auch Drüsen, Haaren iind Borsten zu gelten hat, also der wichtigsten Charaktere der Tergite und Sternite. Man kann daher alle diese Innenstützen nur als Derivate jener bezeichnen, nicht aber als Tergite oder Sternite selbst, wie es von mir teilweise vor 20 Jahren geschah und neuerdings wieder von Harnisch, welcher z. B. den Bogen von Lina als »7. Ster- nit« benannte. Bei Tiniarcha ist das Derivat des 9. Tergites, also der Bogen in seiner Vorderhälfte zu einem dorsalen Spiculum (Taf. II, Fig. 34 sd) zusammengedrängt. Da das 10. Tergit vollständig fehlt, zeigt sich also das männliche Abdomen in seinen hintersten Segmentteilen weit mehr zurückgebildet als das weibliche. Das männliche Abdomen läßt sich durch folgende Formel zum Ausdruck bringen: 12* 180 Karl W. Verhoeff, 1. 2, 3, 4, 5, 6, T, 8, (9), (2), 3, 4, 5, 6, 7, (8) — Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die stark abgeschwächten Sklerite. Was die männhchen Copulationsorgane von Timarclm betrifft, so Avird der Penis im folgenden bei der Gattung Lirui besprochen werden, hier gehe ich nur auf die Parameren ein, welche in Textfig. 7 dar- gestellt wurden. Käme nur die Gattung Timarcha für sich in Betracht, dann könnte man über die morphologische Bedeutung dieses Gebildes sehr zweifelhaft sein. Vergleicht man es jedoch einerseits mit Silpha und den Carabiden, anderseits mit den früher von mir besprochenen Parameren der Cerambyciden und denen der Donacien, dann unter- liegt es keinem Zweifel, daß wir es mit einem Synparamerit wie bei den letzteren zu tun haben. Es handelt sich also um ein Organ, welches den Penis ringartig umgibt, aber in der Richtung einer senkrecht durch die Penisachse gelegten Ebene ellipsoidisch ausgezogen ist und zwar so, daß der dorsale Teil sich nach hinten über den Penis neigt und frei in die Genitaltasche ragt, während der ventrale Teil nach vorn sich unter die vorderen Penisfortsätze schiebt und ins Innere des Leibes geschoben ist. (Man vgl. auch in meinem Aufsatz Nr. 1 Fig. 120, in welcher jedoch das Synparamerit steiler gezeichnet ist, als es in der natürhchen Lage vorkommt.) Wir haben an diesen T^marcAa-Parameren also zu unterscheiden: a) das dorsale eigentliche Synparamerit (Textfig. 7) und b) die ventralen Paramerenschenkel {ab). Das dorsale Synparamerit bildet eine muschelartig ausgehöhlte, der oberen Wölbung des Penis angepaßte, vollkommen einheithche, d. h. in der Mediane nahtlose und am abgerundeten Endrand bürsten - artig beborstete Decke, die jedoch jederseits grundwärts in einen Fort- satz ausgezogen ist, welcher die Verbindung mit den Paramerenschen- keln herstellt. An den beiden Stellen, wo Fortsätze und Parameren- schenkel zusammengewachsen sind, findet sich nicht nur eine deutliche Absetzung, sondern hier grenzt auch zugleich die Haut der Genital- tasche an {a, h), in welche ein stützender Streifen abgeht. Der asym- metrischen Lage des Penis entsprechend ist auch das ParamereneUipsoid etwas asymmetrisch verschoben. Die Paramerenschenkel vereinigen sich an ihrem Ende vorn unterhalb des Penis und ragen an der Verwachsungsstelle zur Verbreiterung des Ansatzes der Muskeln nach unten leistenartig vor. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleoptereu usw. 181 Wenn auch im ersten Abschnitt der Versuch, die Parameren als ein Sternit aufzufassen (und zwar als >>8. Sternit«, wie es Haknisch meinte), schon genügend widerlegt worden ist, so will ich doch, da gerade Timarcha für einen solchen Gedanken besonders verführerisch erscheint, noch darauf hinweisen, welcher Widerspruch aus der Auffassung des Synparamerit als eines »8. 8ternites<< und des Penis als eines >>9. Sternites« notwendig entsteht. Wäre nämlich diese An- nahme richtig, dann müßte sich der Penis oberhalb der Parameren befinden, so wie jedes weiter nach hinten folgende Sternit vorn ober- halb des vorhergehenden, dem Fernrohr System gemäß, eingefügt ist. Wir haben aber tatsächhch das Gegenteil vor ims, d. h. das Synpara- merit befindet sich oberhalb des Penis. An und für sich ist das zwar für die vergleichend-morphologische Auffassung der Parameren im allgemeinen nebensächlich, weil nur ein Spezialfall, es ist jedoch wichtig für denjenigen, der etwa einen solchen Fall im genannten Sinne ver- werten will. 2. Lina = Melasoma. Der ßauchfortsatz dieser Gattung wurde schon oben an der Hand der Textfig. 6 zur Sprache gebracht, auch erw^ähnte ich bereits ein- gangs, daß bei Lina in dem Vorkommen von nur fünf abdominalen Stigmenpaaren am 1. bis 5. Ring ein sehr derivates Merkmal gegeben ist, durch welches im Verein mit andern, z. B. dem breiten und einheitlichen i Processus intercoxahs, es von vornherein sehr verfehlt erscheint, diese Gattung zum Ausgang für phylogenetische Untersuchungen zu machen. Ein 6. Stigmenpaar ist noch durch kleine, kegelige, einen feinen Strang enthaltende Rudimente angezeigt (Textfig. 8 rst), funktionsfähig sind dieselben jedoch nicht mehr. Diese Reste der 6. Stigmen beobachtete ich sowohl bei Lina populi als auch bei L. tremulae und aenea. Auf Grund der Gattung Lina kehre ich nochmals, zu den schon für Carabiden oben besprochenen Haarfeldern (Areae pilosae) zurück und betone, daß sich bei Chrysomeliden derselbe Gegensatz wiederholt, den ich oben auseinandergesetzt habe, nämlich völliges Fehlen der Haarfelder bei ungeflügelten Formen wie Ti- marcha, während sie bei Geflügelten stark entwickelt sind, .so z. B. auch bei Lina. Die Ausbildimg der Haarfelder bei diesen und andern Chryso- meliden weicht jedoch in ihrer genaueren Beschaffenheit von denen der oben geschilderten Carabiden erheblich ab, denn 182 Karl W. Verhoeff, a) Die Haarfelder am 1. Tergit sind überhaupt nicht vorhanden, während b) die Haarfelder am 6. und 7. Tergit im Gegenteil noch erheblich stärker, weil ausgedehnter sind. (Kleinere Haarfelder finden sich auch am 5. Tergit.) Ferner macht sich K ■ -. :.%: mcf Fig. 8. Lina populi, ß. Die linke Hälfte des 6. und 7. Abdomiualtergites vou uutsü lier geseheu, die Pfeile zeigen die Kichtung der Haarspitzchen in den Haarfeldem an. stv, umgeschlagener Seiten- wulst; md, Medianlinie; rst, rudimentäres Stigma, x 56. c) im Bereich des 6. Tergites (Textfig. 8) insofern eine abweichende Anordnung der Härchen bemerklich, als dieselben nicht wie bei den obigen Carabiden(vgl.8. 160) fast alle nach hinten und innen gerichtet sind, sondern eine ausgedehnte Gegensätzlich- keit zur Geltung kommt, indem sich (wie in Textfig. 8 wieder durch Pfeile angedeutet wurde) in jeder Hälfte des 6. (und in geringerem Grade auch des 7.) Tergites eine starke äußere Zur vergleicheiuien Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 183 Häicheuflur nach innen und eine innere Härchenflut nach außen richtet. Übrigens stimmen alle Härchen mit denen der Carabiden darin überein, daß sie niemals eine Flur bilden, deren Spitzen nach vorn gerichtet wären. Die angegebenen Unterschiede in der Anordnung der Haar- felder harmonieren in wundervoller Weise mit dem verschie- denen Bau der Flügeldecken bei Carabiden einerseits und Chrysomeliden anderseits, im besonderen bei Chlaenius und Lina. Es ergibt sich das aus folgenden Überlegungen: Die Elytren von Chlaenius sind schmal und lang und liegen dem Rücken ziemlich flach auf, während die Deckenspitze nur mäßig her- abgekrümmt ist und das Hinterleibsende unbedeckt läßt. Bei Lina dagegen sind die Elytren nicht nur verhältlich breiter und hinten mehr erweitert, sondern auch viel gewölbter, hinten viel mehr herabgekrümmt und umfassen das Hinterleibsende vollständig. Aus der hohen Wölbung der Elytren wird zunächst das Fehlen der Haarfelder am 1. Tergit begreif Uch, denn sie verhindert, daß dieses Tergit als Antagonist der Decken wirken könnte, d. h. wenn die Flügel wieder unter die Decken eingezogen sind, reicht das 1. Tergit nicht so hoch herauf, um die Flügel pressen zu körmen. Desto energischer ge- schieht das durch die Haarfelder des 6. und 7. Tergites, welche voll- ständig und dicht unter dem letzten Teil der El}'tren ausgedehnt sind und daher diesem gegenüber auf die Flügel als antagonistische Bürsten wirken können. Die Flügel werden eingezogen und dann ihr Spitzenteil umgebogen schon dadurch, daß sie zwischen Decken mid Hinterleibsrücken geraten, aber sorgfältig und vollständig eingelegt werden sie erst durch den Druck der Haarfelderbürsten. Die Haarfelder am 5., 6. und 7. Tergit wirken in gleichem Sinne, ihre Ausdehnung ent- spricht der Breite der Elytren. Am 6. Tergit lassen die ausgedehnten Haarfelder seitwärts die Vorderhälfte frei, während sie innen fast zum Vorderrand reichen. Am 7. Tergit werden umgekehrt die Seiten fast ganz von den Haarfeldern eingenommen, während sie die Mitte (vom Vorderrand abgesehen) größtenteils frei lassen. Die kleinen und in der Mitte durch eine ziemlich breite Strecke getrennten, auch von den Seiten entfernt bleibenden Haarfelder des 5. Tergites sind auf dessen Hinterhälfte beschränkt und ihre Spitzen sind nicht gegen- sätzlich, sondern alle nach hinten und außen gerichtet. Pen Grund für die Gegensätzlichkeit der Haarfelder des 6. imd 7. Tergites erblicke ich darin, daß die hauptsächlich in den 184 Karl W. Verhoeff, Kandgebieten befindlichen nach hinten und innen gerichteten Haare den Rand der Flügel nach innen drängen in Übereinstimmung mit der äußeren Abschüssigkeit der Elytren, während umgekehrt die nach hinten und außen gerichteten Haare den Spitzenteil der Flügel nach außen drängen zu möglichst vollständiger Einfaltimg. Dem- gemäß enthalten auch die den Rand nicht erreichenden Haarfelder des 5. Tergites vorwiegend nach außen gewendete Härchen. Daß sich, wie Textfig. 8 anzeigt, am 6. Tergit auch paramedian noch eine kleine Flur von schräg nach hinten imd innen gewendeten Härchen vorfindet, erkläre ich mir dadurch, daß beim Einklappen der Flügel ein kleiner Teil derselben nicht miter der zugehörigen Decke Platz findet, sondern ins Bereich der andern überzugreifen bestrebt ist. Dieser Übergriff wird durch die Schräghärchen der Innenfluren möglichst verhindert. Vergleichen wir schließlich nochmals die Haarfelder von Lina mit denen von Chlaenius, dann fällt hinsichtlich der Härchenrichtung auf, daß dieselben bei letzteren am 6. Tergit vorwiegend nach innen gerichtet sind, während umgekehrt bei Lina am 5. und 6, Tergit die Richtmig nach außen entschieden überwiegt. Letzteres ergibt sich daraus, daß der hohen Wölbung der Elytren entsprechend dieselben nach außen desto stärker abfallen. Dieser äußere Abfall der Lina- Elytren drängt aber desto energischer die Flügel beim Einziehen nach innen. Diesem Drängen nach innen durch die Elytren müssen sich die Härchen der Haarfelder desto entschiedener durch ihre Stellimg nach außen entgegensperren. Auf die Haarfelder andrer Chrysomeliden will ich nicht näher eingehen, ich erwähne nur kurz, daß sich bei Chnjsomela menthastn ebenfalls am 5. bis 7. Tergit Haarfelder finden, am 6. die GegensätzHch- keit kaum zum Ausdruck kommt, während die Haarfelder am 7. sehr ausgedehnt sind. Bei Agelastica alni dagegen sind die Haarfelder auf das 5. vmd 6. Tergit beschränkt, wobei am 6. (in geringerem Grade am 5.) die für Lina beschriebene GegensätzUchkeit der Haarspitzen sehr deut- lich ausgeprägt ist. Das vollständige Fehlen der Haarfelder am 7. Tergit entspricht dem Umstände, daß dieses von den Deckenspitzen weniger vollständig umfaßt wird. Für das Abdomen von Lina 'populi hat Harnisch a. a. 0. auf 8. 71 folgende Formel aufgestellt: (1), 2, 3, 4, 5, "6, 7, 8 9 (1), 2, 3, 4, 5, 6 ■' Zur vergleicht nden Morphologie des Abdomens der Coleopterea usw. 185 die hauptsächlichsten Fehler sind schon im vorigen besprochen worden. Die richtige Formel für das männliche Abdomen ist folgende: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, (9) (2), 3, 4, 5, 6, 7, ■ (Man vgl. oben Timarcha.) Hierzu sei noch des weiteren als Erklärung gegeben : Die Tergite 1 — 8 entsprechen Harnischs Tergiten 2 — 9, weil sein angeblich >>1.« Tergit zum Thorax gehört. Das wirkliche 9. Tergit ist ihm unbekannt geblieben. Tatsächlich ist es auch ein recht zartes, aber jederseits noch mit einigen Tastborsten besetztes, in zwei quere Streifen zerfallenes Plättchen (Taf. II, Fig. 37, 9.te). Daß es sich wirklich um Eeste eines 9. Tergites handelt, geht sowohl aus der Lage dieser Gebilde neben dem After und unter dem 8. Tergit hervor, als auch aus dem Umstand, daß uns andre Formen wie z. B. Timarcha (Taf. II, Fig. 34) den Übergang zeigen zu deutlicheren Prägungen dieses Tergites. Bei Timarcha wies ich schon auf den Zusammenhang hin zwischen der Gabel (Spiculum dorsale) und dem 9. Tergit. Lina besitzt statt der Gabel einen von Harnisch richtig beschriebenen, hufeisenförmigen Bogen (Taf. 11, Fig. 37 bo), dessen Hinterenden auch hier durch einen feinen Strang mit den Resten des 9. Tergites verbunden sind. Freilich wurde dieser Bogen durch Harnisch fälschlich als >>7. Sternit<< be- zeichnet. Das wirkliche 7. Sternit ist natürhch das letzte der großen Sternite, welche den Bauchnapf bilden (Textfig. 6). Das 8. und 9. männliche Sternit fehlen vollständig, was eben der Aus- gangspunkt für die unglücklichen Betrachtungen von Harnisch ge- worden ist. Da aber, wie wir oben gesehen haben, das 8. Sternit bei den Titnarcha-Männchen noch gut ausgeprägt, wenn auch schon ab- geschwächst ist, so läßt es sich leichter verstehen, weshalb bei der noch weiter abgeleiteten Gattung Lina die Reduktion der hinteren Abdomi- nalteile noch weiter gediehen ist. Was nun das weibliche Abdomen von Lina populi betrifft, so zeigt auch dieses wieder ein etwas konservativeres Verhalten, soweit man von den fehlenden Resten eines 9. Tergites absieht: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, — (2), 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 ' das 8. Tergit ist einheitlich und sichelförmig gekrümmt. Wandolleck hat diese letzten Abdominalteile a. a. 0. auf S. 552 im wesentlichen 186 Karl W. Verhoeff, richtig beschrieben und abgebildet, auch das 8. Sternit, welches ich in Taf. II, Fig. 35 nochmals zur Darstellung brachte, weil der mittlere Lappen (ml) von Harnisch in seiner Fig. 40 fälschlich zu einem beson- deren Sternit gemacht worden ist. Tatsächlich geht aber dieser übrigens borstenlose Lappen ohne jede Grenze in das übrige Sternit über. Diese imrichtige Angabe H.s ist auch eine der vielen Konsequenzen falscher Grundanschauungen . Das zweiteihge 9. Sternit besteht aus einheitlichen, aber nach vorn in einen langen Muskelstab ausgezogenen Hälften. Wenn Wan- dolleck die Styli als fehlend bezeichnet, so ist das zwar insofern richtig, als sich eigentliche abgesetzte Glieder nicht mehr vorfinden; trotzdem darf ein runder, heller Hof (Taf. II, Fig. 36 x) am Ende der Teilhälften um so eher als ein Überrest von Griffeln betrachtet wer- den, als in ihm einige Borsten eingefügt sind. Die Parameren sind bei allen ima-Arten in ihrem dorsalen Abschnitte verkümmert; d.h. ein Synparamerit ist gänzlich in Wegfall gekommen (Taf. II, Fig. 36 2?«), eine Erscheinung, die sich in verschiedenen Coleopteren-Familien wiederholt, aber immer nur bei derivaten Formen. Es sind also nur die Paramerenschenkel übrig geblieben und diese sind, da ihnen der dorsale Anhalt fehlt, verbreitert mid median wärts zusammengedrängt. Sie dienen nur noch dem Muskelansatz. Der Penis der Chrysomeliden zeigt im allgemeinen bei den von mir untersuchten Gattungen meistens eine Gestalt, welche an den der Carabiden erinnert, er ist also zur Seite herübergeneigt, stark ventralwärts einoekrümmt und zeigt eine leichte Asvmmetrie. Am Vorderende treten auch wieder zwei Fortsätze auf für die Retrac- toren des Präputialsackes. -:j Bei TimarcJia, wo ein Sattelwulst fehlt, sind die beiden Penis- fortsätze, welche fast ein Drittel des mondsichelförmig gebogenen Penis ausmachen, lang und verschmälern sich nach vorn hin schnell. Bei Lina dagegen sind die schon von Harnisch treffend geschilderten Penisfortsätze kurz und abgerundet (Taf. II, Fig. 38 mg), ein Umstand, welcher damit zusammenhängt, daß sich bei dieser Gattung dorsal und quer über ihre Mitte eine Verdickung ausspannt, welche dorsal am breitesten ist, nach den Seiten mid imten aber sich verschmälert (Taf. II, Fig. 38 w). Harnisch beschrieb sie als »Ring Versteifung« und wies einen sie umfassenden, sehr starken »Ringmuskel << nach. Ich nenne diese Verdickung Sattelwulst, weil es sich nicht um einen Ring, sondern um einen sattelartigen, unten weit klaffenden Zur vergleichenden Morjiliologie des Abdomens der Coleopteren usw. 187 Bogen handelt. Harnischs Angabe, daß »es mitunter gelingt, die Eingversteifung mit abzuziehen« und »daß der Wulst eigentheh eine Verstärkung des Atriums ist«, kann ich nicht bestätigen. Der Sattel- wulst ist lediglich die verstärkte Unterlage des sehr kräftigen Sattel- rauskels. Ein »Abziehen« kann nur mit Gewalt geschehen, denn der Sattelwulst ist ein Bestandteil der Peniswandung und seine Abgrenzung gegen dieselbe keineswegs so scharf, wie das nach der Fig. 19 und 20 von Harnisch scheinen könnte. Besonders deutlich begrenzt fand ich ihn bei Lina tremulae. Übrigens zeigt der Sattel- wulst eine sehr feine Struktur aus zahllosen Fasern, welche alle der Zugrichtung des Sattelmuskels entsprechend quer verlaufen. Daß sich der Sattelwulst nicht isolieren läßt, sondern mit dem übrigen Penis fest verwachsen ist, konnte ich mit aller Deutlichkeit an durch Längsschnitte zerlegten und vom Präputialsack isolierten Penis- streifen feststellen. Wie bei Silpha und den Carabiden mündet auch bei den Chry- someliden der Präputialsack oben vor der Penisspitze (Taf. II, Fig. 38 prp). Oben vor dieser Mündung gibt es eine besondere Aus- zeichnung, über welche Harnisch auf S. 26 folgendes schreibt: »Die Öffnung ist mit einer besonderen Verschlußklappe versehen, die dadurch entsteht, daß die Chitinwand des Penis von der Öffnung her rechts und hnks geschlitzt ist, so daß eine Zunge stehen bleibt. Diese ist wieder in der Mitte gespalten und ihre beiden Zipfel schlagen sich nach innen ein und berühren die gegenüberliegende Seite des Penis, 80 daß auf diese Weise ein Abschluß erreicht wird. Zwischen beiden Zipfeln spannt sich eine Zwischenhaut, die sich ins Innere des Penis fortsetzt.« Nach meinen Beobachtungen sowohl an Lina als auch an mehreren andern Chrysomeliden-Gattungen kann von einer »Verschluß- klappe« nicht die Rede sein. Zwar ist das Ende der »gespaltenen Zunge« tatsächlich mehr oder weniger nach unten eingekrümmt, ohne daß dadurch aber ein wirklicher Verschluß zustande käme. Diese Ein- krümmung hängt lediglich mit dem größeren oder geringeren Zug des Präputialsackes zusammen. Die von Harnisch beigegebene Tafel zeigt an der »Verschlußklappe« ein noch künstlich gesteigertes Maximum der Einkrümmung, während seine Fig. 21 meinen Beobachtungen in- sofern nicht entspricht, als die mediane Zwischenhaut der »Zunge« ebenso weit nach vorn reicht wie der »Schlitz« jederseits, dessen Länge einseitig beträchtlicher sein kann. Die größere Endhälfte des Penis erscheint oben (ähnlich dem schon besprochenen Platynus dorsalis, 188 Karl W. Verhoeff, Tai. II , Fig. 2ü) insofern rinnenartig ausgehöhlt, als die festere Wandung mit deutlich abgesetzten Eändern (Taf. II, Fig. 38) aufhört und das dorsale Zwischengebiet teilweise häutiger Natur ist und mehr ein- gesenkt liegt. In diesem dorsalen Hautfeld befinden sich jedoch zwei länghche festere Streifen (die »gespaltene Zunge«), welche ich Schutz - läppchen nennen will. Die Schutzläppchen entsprechen aber der »Verschlußklappe << im Sinne von Harnisch. Der von ihm gebrauchte Ausdruck »Schlitz« kann leicht zur Vorstellung führen, als ragten die Schutz läppchen (»Verschlußklappe«) frei nach hinten heraus. Dies ist durchaus nicht der Fall, vielmehr sind beide Schutzläppchen sowohl miteinander, als auch mit der festen Peniswandung durch häutige Felder verbunden, deren Dehnbarkeit schon durch die Runzeln oder Falten derselben bezeugt wird. Wie bei zahlreichen andern Coleopteren so ist auch bei Lina eine besondere »Verschlußklappe« ganz überflüssig, weil der erforderliche Verschluß schon durch die Falten des Präputialsackes bewirkt wird. Ein dorsaler Schutz dagegen ist notwendig, weil der Penis oben hinten eine zartere Wandung besitzt. Diese zartere dorsale Wandung aber ist eine Anpassung an den auszustülpenden Präputialsack. Der Blutdruck drängt denselben nicht nur nach hinten, sondern auch nach oben. Diesem Druck nach oben muß aber ein gewisser Widerstand entgegengesetzt werden. Durch die Einschaltung von zwei längUchen Schutzläpp- chen, die nur vorn mit der festeren Peniswandung; zusammenhänoen, wird bewirkt, daß je weiter nach hinten desto mehr der Pi äputialsack nach hinten und oben gedrängt wird. Diese Ausstülpung geht doch nur allmählich vor sich, beginnt aber mit dem in der Ruhelage hintersten Gebiet. Mit Rücksicht auf die Falten des Präputialsackes würde aber bei der Ausstülpung nicht der nötige Raum zur Verfügiuig stehen, wenn nicht ein Teil der Nachbarschaft der Mündung nach- «riebig wäre. Bei verschiedenen Carabiden mrd diese Nachgiebig- keit durch den oben besprochenen Mündungshof, bei Silpha (Taf. I, Fig. 9) durch die flankierenden Endlappen bewirkt, während bei Lina die Schutzläppchen wie zwei Flügeltüren nach oben und außen auseinander weichen (Taf. II, Fig. 38 lo). Der von ihnen als obere Deckplättchen gewährte Schutz muß also mit leichter Be- weglichkeit verbunden sein, was nicht möglich wäre, wenn sie so kurz wären wie es in Harnischs Fig. 21 angegeben wurde. Auch könnten sie sich nicht auseinander biegen, wenn sie in der Mediane durch »Naht« verwachsen wären. Die federnde Spannung der Schutzläppchen erleichtert übrigens auch die Wiedereinziehung des Präputialsackes. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleop eren usw. 189 Bei Lina longicolle Suffr. (neuerdings tremulae F. genannt) kommt die Natur der Schutzläppclien als federnde Flügeltüren noch deutlicher wie bei populi zum Ausdruck, weil sie in zwei Abschnitte abgesetzt sind, zartere hinten, welche an die joo^^M^^-Schutzläppchen erinnern und stärkere vordere, welche wulstig verdickte Innenränder besitzen, fast wie zwei abgerundete Trapeze gestaltet sind und in der Ruhelage sich in der Mediane berühren. Interessant ist ein Vergleich mit TimarcJia, zumal sich aus dem- selben mit noch größerer Bestimmtheit ergibt, daß eine »Verschluß- klappe« nicht vorhanden ist. Timarclia 'pratensis besitzt nämlich ein Fig. 10. Timarcha pratensis, (5. i'ig. 9. Das von Haut umgebene, isolierte Schutzläppchen (sl) hinter der Mündung des Präputialsackes (prp)- x 56. — Fig. 10. Das vorderste Stück des Präputialsackes (pr?))jiiit._demi^ einmünden den Ductus ejaculatorius (de), der Virga (vi), dem Virgaschlauch (vis) und. dessen Fenster '(fe). x 122. unpaares Schutzläppchen, welches sich zudem noch nach hinten schnell verschmälert und spitz ausläuft. Textfig. 9 zeigt uns dieses dreieckige, jederseits von einem Hautfelde begleitete Schutzläppchen isoüert, während pry den Beginn des Präputialsackes anzeigt. Die Haut- felder werden von zahlreichen Poren verschiedener Größe durchsetzt. Es liegt aber auf der Hand, daß eine nach hinten so schmal auslaufende Zunge zu einer »Verschlußklappe« gänzlich ungeeignet ist. Der Präputialsack der Chrysomeliden ist von sehr mannig- faltiger Gestaltung und in einigen Gruppen, besonders den Crypto- cephalinen so verwickelt gebaut, daß es einer eigenen umfangreichen 190 Karl W. Verhoeff, Abhandlung bedürfte, nm die wichtigsten Verhältnisse klarzustellen. In dieser Arbeit beschränke ich mich auf die Virga und die mit ihr zusammenhängenden Verhältnisse. In meiner Arbeit Nr. 6 über Bndomychiden usw. 1895 habe ich auf S. 222 zunächst für LycD- perdina bovistae folgendes mitgeteilt: »Mit dem Eintritt in den Prä- putialsack hört der Ductus ejaculatorius als solcher auf. Es findet sich aber als seine Fortsetzung ein . . . Rohr, das bis fast zur Mündung ienes vor dem Penisende reicht. . . . Ich bezeichne diese Fortsetzung des Ductus ejaculatorius als Gerte oder Virga«. Im allgemeinen Teil heißt es ferner auf S. 267: »Um die Eintrittsstelle des Ductus eja- culatorius in den Präputialsack bemerkt man meistens eine stärkere oder schwächere, bald knotige, bald gabelige Verdickung, an welche sich der Präputialsackretractor ansetzt. Eine Virga -Bildung geht immer von der Eintrittsstelle des Ductus ejaculatorius aus. Es ist entweder ein Virgastab oder eine Virgaröhre. In letzterem Falle stellt die Virga eine Verlängerung des Ductus ejaculatorius über seine Mündungsstelle hinaus im Innern des Präputiakackes vor.« Die Virgabildungen sind aber keineswegs auf die Coleopteren beschränkt, vielmehr habe ich sie als bei Dermapteren weit ver- breitet erwiesen und verweise z. B. auf meinen 1. Aufsatz über diese Ordnung in Nr. 665 des Zoolog. Anzeigers 1902. Innerhalb anderer Käfergruppen nenne ich die Gattung Paussus, für welche Escherich 1898 eine Virga angegeben und abgebildet hat und zw^ar in seinem Aufsatz »Zur Anatomie und Biologie von Paussus turcicus<<, Habilitationsschrift, bei Fischer in Jena 1898. Ob es sich hier wirklich um eine Virga handelt, kann ich allerdings nicht ent- scheiden, da ich PaM.ss WS -Männchen selbst noch nicht untersucht habe. Obwohl nun die Chrysomeliden für das Studium von Virga - Bildungen recht geeignete Objekte sind, hat sich Haenisch um meine einschlägigen Mitteilungen wiederum nicht gekümmert, sondern den ebenso überflüssigen wie unzweckmäß^'gen Ausdruck »Präpenis« ein- geführt und zwar auf Grund der Gattungen Lina, Plateumeris und. Clytra. Bei Besprechung von Lina sagt Harnisch auf S. 31 folgendes: »Im Grunde der nicht ausgestülpten Blase ist ein S-förmiges Chitinstück angebracht, dessen breite Basis ein Stück der Wand selbst bildet, während die Spitze hakenfönnig frei in das Lumen hineinragt. Dieser Haken aber ist durchbohrt und bildet das Mundstück des Ductus ejaculatorius, der an seiner Basis in das Chitinstück eindringt.« . . . »Da ich dieses Organ bei allen von mir untersuchten Käfern konstatieren konnte, die Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 191 I keine Spermatophoren bilden, aber auch nur bei solchen und zwar immer an dem äußersten Ende des Copulationsapparates, so habe ich es als Präpenis bezeichnet.« Letzteres gilt natürlich nur für den ausgestülpten Zustand. Aber auch in diesem Falle müßte es richtiger »Postpenis« heißen, wenn nicht überhaupt ein mit Penis zusammengesetzter Terminus zu Ver- wirrungen führte und auf Teile des eigentlichen Penis hätte Anwendung finden sollen, nicht aber auf einen Bestandteil des Präputialsackes. Für ein gewöhnlich im Penis lagerndes Organ die Bezeichnung »Prä- penis« zu wählen, ist höchst imzweckmäßig. Daß nun aber Harnisch tatsächhch mit dem »Präpenis« die von mir als Virgae beschriebenen Bildungen gemeint hat. Vorderstes Stück de Fig. 11. Linu tremulae Sul'l'r., (5 {salieeti Ws.). Präpufialsackes ijprp) mit der Pseudovirga (avi) und dem sie diirchzielienden Endstüclv des Ductus ejaculatorius ide). X 125. geht aus seiner Bespre- chung von Plateumeris und Clytra zweifelsfrei hervor. Das erneute Studium der Virga -Bildungen hat mir die Einsicht ge- bracht, daß sich hier recht verschiedenartige Organausprägungen un- terscheiden lassen, auf welche ich etwas näher eingehen will. a) Die eigenthche echte Virga kommt dadurch zustande, daß sich der Ductus ejacula- torius, welcher am Vorderende des Präpufialsackes eintritt, über die Einmündungsstelle hinaus als einfaches Rohr mehr oder weniger weit in demselben fortsetzt und frei in ihn hineinragt. Hierbei treten ge- wöhnlich an oder neben der Eintrittsstelle zum Ansatz der Retractoren dienliche, knoten- oder plattenartige Verdickungen auf, welche ich als Virgasockel (Podium virgae) hervorheben will. — Ein Beispiel für diese typische Virga liefert uns der im vorigen besprochene CA?ae- nius spoliaius (Taf. II, Fig. 31 vi), bei welchem sie doppelt S-förmig gewunden ist und mit einem kleinen Sockel beginnt. Typische Virga- bildungen finden wir ferner bei verschiedenen Erotyliden. b) Dagegen bezeichne ich als Pseudovirga den Zustand, für wel- chen uns Lina tremulae Suffr. ( = salieeti Ws.) (Textfig. 11) ein Beispiel vorführt. Hier setzt sich nicht der Ductus ejaculatorius für sich allein 192 Karl W. Verhoeff, in den Präputialsack fort, sondern das ganze vorderste Gebiet des Präputialsackes ist nach hinten zurückgestülpt in den Präputialsack und erhält dadurch ein etwas trichterartiges Aus- sehen. Der Ductus ejaculatorius durchläuft das Innere dieser Pseudo- virga und mündet an ihrem Ende. Während das weite Vorragen bei der echten Virga allein durch die Fortsetzung des Ductus ej. bewirkt wird, ist es hier ein Teil der Präputialsackwandung selbst, welche vorragt. Um die. er Pseudovirga die erforderl'che Festigkeit zu geben, muß ihre Wandung natürlich eine Verdickung erfahren und so sticht sie durch ihre gelbliche Farbe lebhaft von dem hellen übrigen Präputialsack ab und dient gleichzeitig als Trageplatte für Retractoren. Diese plattenartige Verstärkung findet sich aber nur an einer Seite {f), während sich an der anderen schon in der Mitte (g) der Über- gang in die Haut des Präputialsackes bemerklich macht i. c) Ein Virga schlauch kommt zustande, wenn die Erscheinungen, welche ich unter a) und b) aufgeführt habe, vereinigt werden und zwar so, daß sich sowohl der Ductus ejaculatorius über seine Eintritts- stelle in den Präputialsack rohrartig in ihn hinein verlängert, als auch eine Einstülpung des Präputialsackes selbst erfolgt und zwar dicht neben der Ductus-Eintrittsstelle und diese begleitend. Als Beispiel für diese Vereinigung von Virga und Virgaschlauch nenne ich TimarcJia pratensis (Texlfig. 10). Der Beginn des Virgaschlauches wird durch ein von etwas verdicktem Rande umgebenes dreieckiges Fenster {fa) bezeichnet, der Beginn der Virga aber durch emen kleinen Zapfen, welcher die Eintrittsstelle des Ductus ej. in den Prä- putialsack verstärlvt. Virga und der sie umgebende Virgaschlauch ragen aber gemeinsam ins Innere des Präputialsackes {vis). Man kann deutlich das Ende (e) der eigentlichen Virga erkennen, welches sich weit vor dem Ende des Virgaschlauches befindet, so daß also dieser eine Fortsetzung der eigentlichen Virga enthält. — AVas Harnisch auf seiner Tafel und in Abb. 27 (S. 32) als >>Präpenis« von Lina fOfuli beschrieben hat, gehört weder zu a), noch zu b) oder c), d. h. diese Art besitzt überhaupt keine Virgabildung, vielmehr ist das S-förmig gekrümmte Gebilde, welches H. in Abb. 27 zu stark herausragend zeichnete, led'ghch eine sockelartige, aus parallelen Schichten be- stehende, dem Retractorenansatz dienliche Verdickung, neben * Auf S. 06 gab Harnisch eine Abbildung des ausgestülpten, anscheinend übermäßig durch künstlichen Druck aufgetriebenen Präputialsackes, an welchem die Pseudovirga wie ei v kleiner, nach meiner Beobachtung viel zu dünn ge- zeichneter Haken erscheint. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 193 welcher der Ductus ejaculatorius ausmündet. — Die Verscliieden- heiten im Bau des Präputialsackes sind also bei den Lina- Arten in der Tat ganz beträchtliche und betreffen namentlich das Einmündungsgebiet des Ductus ejaculatcrius und dessen Nach- barschaft. Zwischen diesen drei hauptsächlichsten Typen der Virga -Bil- dungen gibt es vermittelnde Gestaltungen, die man erst ver. teht, wenn man sich über die vorgenannten Gegensätze Klarheit verschafft hat. Einen Übergang von a) zu c), d. h. von reiner Virga zu einer solchen mit Virgaschlauch haben wir z. B. bei der Gattung Clytra. Den >>Präpenis<< von Clytra guadripunctata beschrieb Harnisch auf S. 60 und gab dazu 2 Abbildungen. Ich habe die sehr nahe verwandte Clytra laevius- cula untersucht, deren Virga sich nur durch das hakig umgebogene Ende imter- scheidet. Harnisch schreibt von Clytra, daß der >>Präpenis<< — »einen überaus zarten, elastischen Stachel bildet mit mikroskopisch feiner Spitze, der beinahe dieselbe Länge wie der Penis hat. Seine Basis ist in zwei Wurzeln gespalten. << Diese »Wurzelfortsätze << stellen den Vi r ga s o ck el (Textfig. 12, s) dar. Derselbe ist jedoch nicht »gespalten«, sondern bildet eine einheitliche, aber muldenartig ausge- höhlte Platte (/o), durch deren Höhlung vom Ductus ejaculatorius durchzo. sich der Ductus ejaculatorius erstreckt, welcher vor seinem Eintritt in den Prä- putialsack bereits eine etwas verdickte Wandung aufweist (sl). Diese von Har- nisch als »Stachel« beschriebene Virga ist nun so aufzufassen, daß sich im Anschluß an den Sockel eine sehr schmale Einstülpung in den Präputialsack gebildet hat und die eigentliche Virga in derselben verläuft und an ihrem Ende als sehr feine aber deutliche Öffnung mündet. Daß dieser C??/ira-» Stachel« wirklich eine von schwachem Virgaschlauch begleitete Virga vorstellt, kann man daran erkennen, daß sich neben der Virgaröhre noch ein schmaler Raum vorfindet {vis), welcher ganz allmählich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 13 --V/ Fig. 12. Clytra laeviuscula Ktz. (5- Virga- sockel mit Seline (s, sl) und einer genen Mulde (/o), an weichte sich der Anfang der Virga (vi) und des Virga- schlauches (vis) ansclüießt, umgeben vom vordersten Stück des Präputial- sackes (prp); l, die beiden Seiten- lappen des Sockels, x 125. 194 Karl W. Verhoeff, gegen das Hinterende verschwindet, vorn aber zwischen der Sockel- mulde und der Eintrittsstelle des Ductus ejaculatorius endigt i. Bei Lachnaea sexpunctata Scop. sind sowohl die Virga, als auch der Ductus ej. sehr verlängert, erstere ist recht fein, aber in der Hauptsache von typischer Bildung, nur im Anfang wird sie auf kurzer Strecke von einem Virgaschlauch begleitet, welcher von dem kleinen, muscheligen Sockel aus seinen Anfang nimmt. In Taf. II, Fig. 38 habe ich die Copulationsorgane von Lma aenea zur Darstellung gebracht, um zu zeigen, wie sehr der Präputialsack von dem bei L. populi, longicollis und tremulae vorkommenden abweicht. Die fast halbkreisförmig gebogene Virga nebst Virgaschlauch (vi) reicht bei dieser Art fast bis zur Mündung des Präputialsackes und sitzt auf einer recht eigentümhchen Sockelbildung. Im vordersten Präputial- sack erstreckt sich nämlich eine V-förmige Verdickung (/), deren Spitze einen Drehungspunkt für den Grund der Virga bildet. Als Gegen- stück zu dieser V-förmigen Verdickung bemerlct man nämlich auf der anderen Seite des Präputialsackes, dicht neben der Eintrittsstelle des Ductus einen lappenartigen Anhang, an welchen ein Ketraktormuskel angreift. Durch dessen Zug wird aber die Virga um die V-förmige Verdickung gedreht. Schließlich sei noch kurz des sehr merkwürdigen Verhaltens der Gattung Lahidostomis gedacht, indem sich sowohl bei humeralis als auch ojanicornis eine den ziemlich kurzen Penis ungefähr um das Vierfache an Länge übertreffende Virga vorfindet, welche eine vollständige Spiraldrehung in ihrem mittleren Abschnitt durchmacht. Diese Spiraldrehung beginnt erst außerhalb des Penis, wie denn überhaupt die längste Strecke dieser bis in denMesothorax reichenden Virga außerhalb des Penis liegt. Merkwürdiger noch als diese extremen Längenverhältnisse ist der Umstand, daß der ganze Präputial- sack in einen die Virga der ganzen Länge nach begleitenden Virgaschlauch umgewandelt ist, ^velcher deshalb auch hier besser als Präputialschlauch bezeichnet wird. Um die Mün- dung der Virga sind verschiedene verwickelt gestaltete Differenzierungen des Penis verteilt, welche ebenso wie der Präputialschlauch einer Führung der Virga dienlich sind. Übrigens untersuchte ich noch mehrere andere Dowamnew -Arten, 1 In seiner Fig. 53 hat es Harnisch so dargestellt, als wenn der Ductus ej. die Virga ganz ausfüllen würde. Demgegenüber vei-weise ich ausdrücklich auf Textfig. 12, aus welcher sich ergibt, daß sich neben der Virga {vi) noch ein schmaler Virgaschlauch (vis) hinzieht. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Goleopteren usw. 195 ohne bei einer derselben etwas zu finden, was Harnischs Fig. 47 und 49 entsprechen würde. Zum Vergleich wurde von Harnisch ferner auf S. 56 Plateumeris sericea L. herangezogen. Seine Fig. 47 und 49 entsprechen aber weder der Wirklichkeit, noch gehören sie überhaupt zu sericea. Da es jedoch nur eine sericea gibt, liegt eine falsche Bestimmung vor. An anderer Stelle hoffe ich auf die Dona- ciinen zurückzukommen. Hinsichtlich der Terminologie der Copulationsorgane sei kurz gedacht der Arbeit von Th. Kerschner über »Die Entwicklimgs- geschichte des männlichen Copulationsapparates von Tenebrio molifor<<, Zool. Jahrbücher 1913, S. 337, weil in derselben auf S. 339 eine Über- sichtstabelle gegeben wurde, in welcher auch ein Teil meiner Unter- suchungen berücksichtigt worden ist. Der Verf. dieses Aufsatzes scheint nur Tenebrio untersucht zu haben, so daß ihm eigene vergleichend morphologische Gesichtspunkte fehlten. Aus seiner Fig. 31 geht hervor, daß er eine Virgabildung als Penis betrachtet hat, noch deut- licher bezeugt das ein Längsschnitt-Schema auf S. 364. Daher kann ich auch Kerschners Homologisierung in seiner Tabelle, soweit es sich um Penis und Virga handelt, nicht zustimmen. Es ist bedauerlich, daß er in seiner sonst verdienstlichen und sorgfältigen Arbeit ein Ob- jekt wie Tenebrio gewählt hat, welches doch vor seiner entwicklungs- geschichtlichen Benutzung erst einmal vergleichend -morphologisch hätte studiert werden müssen. V. Über den Sipho der Coccinelliden und seine vergleichend- morphologische Auffassung (Siphonophora). In der Arbeit Nr. 5 über das Abdomen der Coccinelliden habe ich u. a. den Beweis erbracht, daß sich innerhalb dieser Gruppe ein höchst eigenartiger Copulationsapparat vorfindet, welcher von dem aller übrigen Coleopteren ganz auffallend stark abweicht, während er innerhalb der Coccinelliden selbst einen im wesentlichen sehr einheitlichen Typus darstellt. Das Abdomen der Coccinelliden besitzt verschiedene wichtige Eigentümlichkeiten, keine derselben ist jedoch so merkwürdig, wie dasjenige den Ductus ejaculatorius umschließende Organ, welches ich als Sipho beschrieben habe. Auf S. 60 meiner Coccinelliden-Arbeit (1895) heißt es: »Alle männlichen Coccinelliden besitzen einen Sipho. Derselbe ist anderen Coleopteren gegenüber ein neues Organ und zwar eine sehr kräftige, elastische Röhre und Körperausstülpung von größerer 13* 196 Karl W. Verhoeff, oder geringerer Krümmung, entstanden von der Stelle aus, wo sonst der Ductus ejaculatorius in den Präputialsack ein- mündet. Natürlich ist der Ductus ejac. von dieser Stelle aus um ebenso viel verlängert als die Länge des Sipho selbst beträgt, denn der Ductus ejaculatorius durchzieht ihn seiner ganzen Länge nach und mündet an seinem Ende.« »Der Sipho ist stets asymmetrisch gelagert, die Konkavität seiner Krümmung ist immer nach rechts gewendet. Von derselben Stelle, von wo nach außen hin der Sipho seine Entstehvmg genommen hat, ist nach innen die Siphonalkapsel ausgebildet worden, welche eben- falls vom Ductus ejaculatorius durchzogen wird.« »Die Hautröhre, welche bei anderen Coleopteren als Präputial- sack bezeichnet wird, nenne ich hier, ihrer veränderten Funktion ent- sprechend, Siphonalhaut. Siphonalhaut und Präputialsack sind homolog. Die Siphonalhaut trennt durch ihre ringartige Verwach- sungsstelle mit dem Sipho diesen (im engeren Sinne) von der Siphonal- kapsel«. . . »Durch die Siphonalhaut, welche als Homologon des Präputiums auch den Penis innen auskleidet, wird dieser mit dem Sipho verbunden. Die Siphonalhautröhre ist ein Futteral für den Sipho und bis zu einer gewissen Grenze aus- und einstülpbar, um das Vor- und Rückziehen des Sipho zu gestatten.« Trotz dieser und zahlreicher anderer Mitteilungen über den Sipho, für den ich auch genug erläuternde Abbildmigen beigebracht habe, be- hauptet Harnisch fälschlich auf S. 32 a. a. 0., daß die von ihm als »Präpenis « bezeichnete Virgabildung » mit dem Stück i d e n t i s c h «(! ) sei, welches »Verhoeff (1895) bei den Coccinelliden als Sipho« be- schrieben hat. Dem entspricht auch die S. 83 beigebrachte unrichtige Tabelle von Harnisch. Im Anschluß an die im vorigen Abschnitt über Chrysomeliden besprochenen verschiedenen Typen der Virgabildungen möchte ich, um Verwechselungen von Virga (s. lat.) ( = »Präpenis«) und Sipho in Zukunft möglichst zu verhindern, folgendes hervorheben: Stellen wir uns vor, daß sich der Sipho, die Siphonalkapsel und Siphonalhaut so weit verkleinern, daß sie vollständig im Penis Platz finden und gleichzeitig dieser, welcher bekanntlich bei den Coccinel- liden dorsal vollkommen aufgespaltet ist, daselbst wieder abgeschlossen wird in der bei den meisten andern Käfern übUchen Weise, dann kommen wir schließlich auf einen Zustand, welcher dem der im vorigen besprochenenen Pseudovirga ähnlich wird. Umgekehrt Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 197 betrachtet heißt das also, daß wir uns den Sipho primär als aus einer vergrößerten Pseudovirga hervorgegangen vorstellen können. Da der Ductus ejaculatorius im Innern des Sipho frei ent- lang läuft, kann eine Homologisierung mit der echten Virga überhaupt nicht in Betracht kommen. Wenn es nun auch vorstellbar ist, daß der primäre Vorläufer - zustand des Sipho und seiner Korrelationen im wesentlichen einer Pseudovirga entsprochen hat, so ist er doch sekundär von diesem morphologischen und phylogenetischen Ausgangspunkt so w'eit abgekommen, daß der tatsächliche Zustand des Coccinelliden- Sipho eine einfache Homologisierung nicht mehr gestattet, noch viel weniger kann von einem »identisch« die Kede sein. Wir haben näm- Hch zu berücksichtigen, daß 1. der Sipho nach Gestalt, Lage und Beziehungen zu den Nachbarorganen vergleichend-morphologisch innerhalb der Coleo- pteren ein Novum darstellt und zwar a) der Gestalt nach, weil er das Aussehen eines Penis angenommen hat und auch physiologisch ein solcher ist, ohne es vergleichend-morpho- logisch zu sein, b) der Lage nach, weil er mit der Siphonalkapsel ganz aus dem Bereich des Penis und der Parameren herausgerückt ist nach vorn in die Leibeshöhle, c) der Beziehungen zu den Nachbarorganen nach, die sich ins- besondere in der von mir 1895 besprochenen Muskulatur zeigen, welche zwischen Siphonalkapsel, Basalplatten, Trabes und Spiculum ausgespannt ist. 2. hat der Penis sein typisches Inneres ganz eingebüßt, ist dorsal aufgespalten und der sonst mit verschiedenen Auszeichnungen, wie Höckerchen, Wärzchen, Haaren, Zähnchen u. a. ausgestattete Prä- putialsack hat den Charakter einer einfachen, strukturlosen Ver- bindungshaut angenommen. Der Penis hat überhaupt einen voll- ständigen Funktions Wechsel erfahren, d. h. er ist in eine Füh- rungsrinne für den Sipho umgewandelt worden. 3. Die Trabes ist als ein Penisfortsatz zu betrachten, stellt aber ebenfalls insofern ein Novum dar, als sie nicht nur eine außerordent- Hche Größe, sondern auch vor allem dadurch eine Selbständigkeit erhalten hat, daß sie sich leicht um ihre Ansatzstelle zu dr ehe n vermag. 4. kommt die originelle und von den Virgabildungen abweichende Natur des Sipho dadurch besonders auffallend zum Ausdruck, daß an seinem Ende ein sekundärer Präputialsack auftreten kann, wie 198 Karl W. Verhoeff, z. B. bei Coccinella seftempv/nctata oder bisweilen auch ein Fla gell um, wie bei Hahjzia octodecimguttata. 5. verdient der Sipho auch insofern als ein ganz eigenartiger Be- standteil der Copulationsorgane hervorgehoben zu werden, als er in seiner natürUchen Lage einerseits vorn weit über Penis und Para- meren hinausgreift, anderseits aber doch in der Penisrinne einge- lagert ist. — In meiner Coccinelliden -Arbeit 1895 habe ich für diese Gruppe die höhere systematische Kategoie der Coleoptera-Siphonophora aufgestellt, welche Kolbe in seinen vergleichend-morphologischen Untersuchungen an Coleopteren a. a. 0. 1901 nicht anerkannt hat, und zwar schreibt er auf S. 141 folgendes »Verhoeff stellt, die Cocci - nelliden als Siphonophora, weil sie einen Sipho, d.h. ein rohr- förmiges, vom Ductus ejaculatorius durchzogenes und hinten in den Penis übertretendes Gebilde besitzen, allen übrigen Coleopteren, die er als Asiphona bezeichnet, da ihnen dieses siphoartige Gebilde nicht zukommt, gegenüber. Wie mir nach diesem Vorgange scheint, bilden die Coccinelliden eine terminale Gruppe am Ende einer großen Abteilung zahlreicher Coleopterenfamilien. Aus andern Gründen habe ich sie bereits an das Ende der Anchistopoden gestellt. Als terminale Gruppe hat sich die eigenartige Famihe selbständig ent- wickelt, aber dennoch Berührungspunkte mit vorhergehenden Familien nicht verloren.« Zu seinen Anchistopoden stellt aber Kolbe i, ohne meine ein- schlägigen Arbeiten, namenthch Nr. 6, zu berücksichtigen, A. die Languriiden, Erotyliden, Phalacriden, Prioniden, Cerambyciden, Bruchiden und Chrysomeliden, B. die Endomychiden und Coccinelliden. Diese Gruppenauffassung muß ich auf Grund meiner Studien, bei welchen gerade die Endomychiden eingehend berücksichtigt wurden, als unhaltbar verwerfen. In Kolbes Gruppierung wirkt noch immer das alte künstliche Tarsensystem nach, wie denn auch die 1 In seinem teilweise veränderten System von 1908 (Zeitschr. f. wiss. In- sektenbiologie, Bd. XIII, S. 391) findet sieb als »Anchistopoda « eine nocb ge- miscbtere Gesellschaft wie 1901 und zwar die Familienreiben Clavicornia und Phytophaga, von denen ich nur die letzteren für eine natürliche Einheit halte. Übrigens unterliegt es lieinem Zweifel, daß Kolbe verschiedene neue und wert- volle Gesichtspunkte für die schwierige Gruppensystematik der Coleopteren beigebracht hat. Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Coleopteren usw. 199 vorgenannten Familienreihen A und B ganz künstlich nur nach den Tarsen unterschieden wurden i. Was sind aber diese einfachen Tarsen- merkmale gegenüber den zahlreichen und meistens viel verwickeiteren Organisationsverhältnissen der Abdomina! Fraglos stellen Penis und Sipho der Coc eine lliden ausgesprochen derivate Organe vor. Da sie aber in dieser Gruppe so einheithch auftreten und weit von allen andern Coleopteren abweichen, müssen sie schon sehr frühzeitig einen eigenen Entwicklungsweg ein- geschlagen haben. Wichtige Tatsachen aber, welche mit jenen originellen Merkmalen verbunden auftreten, sind 1. der primitive Bau der zweigliedrigen, stark entwickelten Parameren, 2. aber besonders die ursprüngliche Gliederung des Abdo- mens, für welches bei den Weibchen folgende Formel gilt^, die übri- gens bei einigen Formen auch für die Männchen zutrifft: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 — 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, — ' Die Gliederung des Coc cinelliden -Abdomens ist mithin so primitiv, daß sie hierin nur noch von wenigen Familien (z. B. den Silphiden) übertroffen werden. Dieser Umstand verdient aber um so mehr Beachtung, als er in Verbindung mit einem ungewöhn- lich gedrungenen Körper, daher auch kräftig ausgebildeten Pro- cessus abdominalis auftritt. 3. fehlt dem Weibchen (mit Ausnahme der abgeleiteteren Gattung Lithophilus) nicht nur ein ausgesprochener Legeapparat, sondern sie haben sich auch die einfachsten Genitalsternithälften er- halten. 4. weise ich besonders auf das 2. Abdominalsternit hin, welches mehr oder weniger in zwei dreieckige Hälften zerfallen ist und an der äußerlichen Abdominalwand Anteil hat. Hierin zei>celle des matieres animales brülees<<) wahrgenommen haben. Meine eigenen Beobachtungen lassen mich alle hier mitgeteilten Auffassungen ablehnen. Das frische Secret duftet stark aro- matisch und nicht unangenehm. Der Geruch erinnert an den bitterer Mandeln, vielleicht auch an den des Lakritzens. Ich vermutete, die Widersprüche aller hier mitgeteilten Angaben durch die Fest- stellung lösen zu können, daß die Natur der Flüssigkeit zeitlich und individuell wechsele. Auf Grund mehrjähriger, an über 500 Käfern vorgenommenen Untersuchungen l)in ich indessen zu der Überzeugung gelangt, daß das Secret der Prothoracaldrüsen sich chemisch-physikalisch zu allen Jahreszeiten und bei sämtlichen Individuen von Dytiscus 'marginalis L. gleich verhält. Der von dem Secret andrer Dytisciden aus- gehende Geruch weicht von dem des Gelbrands allerdings zum Teil erheblich ab. Er variiert schon etwas bei den verschiedenen Arten der Gattung Dytiscus, ist bei Cyhister konzentriert käseartig und verdünnt süßlich. Ahnlich duften die Agabinen, soweit ich sie untersuchen konnte. Ein stinicender oder fauliger Geruch war bei keinem Käfer zu bemerlcen. Der Grund für die abweichende Auffassung der Autoren scheint vielmehr in einer Verwechselung des prothoracalen Secrets mit dem Inhalt der Kectalampulle zu suchen zu sein. Dieser wird von dem Käfer in den gleichen Fällen wie der Inhalt der Komplexdrüsen mit großer Vehemenz sehr reichlich abgegeben und stinkt dank seines Gehalts an Harnsäure selir intensiv nach faulem Harn. Da diese flüssigen Excremente zumeist farblos sind untl sich leicht über den ganzen Körper verbreiten, da außerdem der Käfer auch nach mehrmaligem Abwaschen den Geruch des einmal ausgetie- tenen Blinddarminhalts nicht verliert, liegt eine Verwechselung der Eigenschaften der beiden Flüssigkeiten sehr nahe. Auf die Notwendigkeit ihrer Isolierung zu analytischen Zwecken wurde daher bereits oben hingewiesen. Der Geschmack des Secrets ist ausgeprägt bitter und adstrin- gicrend, kann mit Schiödte (1841, S. 412) auch wohl als »ätzend« bezeichnet werden und erinnerte mich an Wachholder. Plateaus Angabe (1. c. S. 5) : »Lc liquide n'a pas de saveur. II m'a semble quelque- fois percevoir une legere saveur urineuse, mais si faible que je l'attribue plutöt a \\w illusion« kann ich nur durcli eine Verwechselung (h^s pro- Die Sclireckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 209 thoracalen Secrets mit dem Inhalt der Eectalampulle erklären. Ich füge hinzu, daß auch bei allen übrigen Dytisciden, die ich daraufhin untersuchen konnte, das weiße Secret der Vorderbrust durchaus nicht geschmacklos, in der Regel {Cybister und verschiedene Species von Agahus) aber etwas süßer als bei Dytiscus ist. Das bisher über das physikalische Verhalten Mitgeteilte gilt für das frische, soeben gewonnene Secret. In diesem fällt an der Luft bald ein dicker käsiger Niederschlag aus einer farblosen bis schwach- gelblichen Lösung aus. Bei längerem Stehen trocknet das Secret ein. Es verliert seine weiße Farbe und erstarrt ziemlich schnell zu einer durchsichtigen Masse, ohne Geruch und Geschmack zu ändern. Der Farbumschlag "wird dadurch bedingt, daß das Secret seinen emulsionsartigen Charakter aufgibt: die zahllosen, stark licht- brechenden Tröpfchen sind in dem erstarrten Rückstand nicht mehr nachzuweisen. Läßt man einen Secrettropfen auf dem Objektträger eintrocknen, so tritt zuerst an der Peripherie eine farblose Zone auf, die stetig auf Kosten des weißen Centrums wächst. In der Grenzzone beobachtet man unterm Mikroskop eine schnelle Größenzunahme der weißen Tröpfchen, die schließlich ineinander fließen und gleichzeitig mit der weißen Farbe des Secrets verschwinden. Zurück bleibt nach dem Abdunsten eine amorphe, vaselinartige bis lackartige Masse von ziemlich fester Konsistenz und gelblicher Farbe. Der beim Abdunsten erhaltene Rückstand behält jahrelang gleiche Struktur, Geruch und Geschmack. Die Konsistenzänderung des Secrets l)eini Stehen an der Luft ist kein Agoreoatwechsel im eigentlichen Sirine. Die Substanz verliert bei ihrer [Jmwandlung aus einer Flüssigkeit in eine lackartige Masse einen beträchtlichen Teil ihres Gewichts: sie gibt flüchtige Bestand- teile an die Luft ab. In einem speziellen Falle lieferten mir 0,3213 g hochkonzentrierte Secretlösung 0,0079 g Trockensubstanz = 2,46%. Ein einzelner Käfer liefert 0,0004—0,00085 g, im Durchschnitt 0,0005 g oder 5 mg lufttrockenes Secret. Da die von einem Käfer produzierte flüssige Secretmenge durchschnittlich 0,0134 g ausmacht, beträgt ihr Gehalt an Trockensubstanz somit 3,73%. Demnach bestehen rund 96% des Secrets aus Wasser und bei gewöhnlicher Temperatur leicht flüssigen Stoffen. Bei Wasserzusatz nimmt das an der Luft getrocknete Secret an- nähernd seinen ursprünglichen Charakter wieder an. Das Secret ist in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Aus der wässerigen Lösung scheidet sich ebenso vne bei der unverdünnten Flüssigkeit nach län- 210 Hans Blunck, D-erem Stehen ein weißer, käsiger Niederschlag ab, der sich abfiltrieren läßt und im wesentlichen dem durch Abdunsten erhaltenen Secret- rückstand gleichzusetzen ist. Das Filtrat riecht leicht aromatisch, verdunstet aber bei längerem Stehen restlos. Erwärmt man frisches Secret mäßig auf dem Wasserbade, so gibt es zunächst sein Wasser ab und liefert den bekannten lackartigen Kückstand. Bei längerem Erwärmen auf 100° verliert dieser Rück- stand seinen aromatischen Geruch und läßt sich nicht mehr mit Wasser aufnehmen. Bei stärkerem Erhitzen tritt Verkohlung ein unter Auf- treten übelriechender Dämpfe. Der Rückstand verglüht schließlich fast restlos. Wird die wässerige Secretlösung längere Zeit auf dem Wasserbade gekocht, so verliert sie ihren spezifischen Geruch. Der Duftträger ist also flüchtig oder leicht zersetzlich. Chemisches Verhalten. Die relativ geringen Mengen, in denen sich das Secret selbst bei reichlichem Käfermaterial beschaffen läßt, schlössen eine Analyse aus. Ich beschränkte mich auf den Versuch, die Substanz auf ihre chemische Einheitlichkeit, insbesondere auf das Vorhandensein von freien Säuren, Basen, Zuckern, Fetten und Eiweißen zu untersuchen. Bereits Plateau hat das Secret mit unsern gebräuchlichsten Reagenzien geprüft und ausführlich darüber berichtet (1876, S. 5 — 7). Seinen Angaben kommt aber nur untergeordnete Bedeutung zu, da ihm aus Materialmangel sehr wenig positive Beobachtungen gelangen. Aus dem gleichen Grunde sind dem Autor Beobachtungsfehler unterlaufen, die weiter unten hier richtiggestellt sind. Als Ausgangsmaterial diente mir frisches Secret, das zum Teil direkt verwendet, zum andern Teil im Vacuumexsiccator über Schwefel- säure wasserfrei gemacht und dort bis zum Gebrauch aufbewahrt wurde. Chemisch verhielt sich die eingetrocknete ebenso wie die frische Substanz. Mit Wasser läßt sich das Secret in jedem Verhältnis aufnehmen und mischen, dagegen nicht im chemischen Sinn in Lösung bringen. Man erhält stets eine Art Emulsion. Löslich im eigentlichen Sinne ist dagegen die Substanz restlos in verdünnter und konzentrierter Essigsäure. Die Lösung ist farb- los. Beim Abdunsten bleibt ein weißer Rückstand, der jetzt mit Wasser nicht mehr aufgenommen werden kann. Das Secret wird also durch Essigsäure chemisch verändert. Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 211 Äthylalkohol und Methvlalkoliol bringen ebenfalls das Secret in Lösung. Beim Versetzen frischen Secrets mit Alkohol klärt sich dieses auf: der emulsionsartige Charakter schwindet. Teilweise löslich zeigte sich die eingetrocknete Substanz in Salzsäure, Salpetersäure (1,40), Kalilauge (okergelber, gummi- artiger Rückstand), Schwefelkohlenstoff und Schwefeläther. Unlöslich ist das Secret in 1% Ameisensäure, Chromsäure, Ammoniak, Xylol, Nelkenöl und Chloroform. Mit dem mit etwas Aqua destillata verdünnten Secret wurden einige Reaktionen angesetzt. Auf rotes und blaues Lackmuspapier, ebenso auf Kongopapier reagiert das Secret neutral. Freie anorganische Säuren und Basen sind demnach nicht vorhanden. Mineralsäuren ergeben durchweg keine Fällung. Ammoniak ver- stärkt die weiße Farbe des Secrets, doch konnte ich eine echte Fällung nicht sicherstellen. Silbernitrat liefert einen weißen, käsigen, im Ammoniak leicht, in Salpetersäure unlöslichen Niederschlag (deutet auf Chlor). Die Phosphorprobe mit Ammoniummolvbdat versagt. Phosphor kann also höchstens in organischer Bindung vorhanden sein. Kupfersulfat + Kalilauge ergibt keine Reaktion. Zucker scheint also zu fehlen. Osmiumsäure führt intensive Schwärzung herbei. Das Secret enthält also Fette. Die Biuretreaktion ergibt schwache blauviolette Verfärbung. MiLLONs Reagenz führt eine leichte Rotfärbung herbei. Pettenkofers Reagenz versagt nach Plateau. Die Xantoproteinreaktion bleibt so gut wie negativ. Eiweiß ist also, wenn überhaupt, so nur in sehr geringer Menge vorhanden. Da das Secret in einigen Reagenzien teilweise löslich ist, ist es chemisch nicht als Verbindung, sondern, Avie schon seine physikalischen Eigenschaften erwarten lassen, als Gemisch anzusprechen. Bei der Trennung der Elemente hätte die Analyse einzusetzen. Ich selbst konnte nur einige Stichproben machen, die auf die Isolierung der physio- logisch wirksamen Bestandteile hinausliefen. Ich schüttelte das frische Secret nacheinander mit Schwefeläther, Petroläther und Schwefelkohlenstoff aus. Aus dem Schwefeläther scheidet sich nach dem Abdunsten ein farbloser, nicht kristallinischer Rückstand aus. Dieser besitzt in verstärktem Maße den aromatischen Geruch der Muttersubstanz, während diese selbst ihn nahezu verloren 212 Hans Bliinck, hat. Der Duftträger ist also in Äther löslich. Osmiumsäure schwärzt intensiv die aus dem Äther sich abscheidende Masse. Diese enthält also Fette^ die mit dem Duftträger natürlich nicht identisch zu sein brauchen. — Der in den drei Lösungsmitteln nicht lösliche Secretrest bildet eine milchige, schnell eintrocknende Flüssigkeit. Der Rückstand ist nicht kristaüinisch. Er läßt sich leicht \\ieder mit Wasser aufnehmen. Die Lösung besitzt dann die Farbe des ursprüng- lichen Secrets, hat aber den aromatischen Geruch nahezu verloren und liefert mit Osmiumsäure keine Fettreaktion mehr. Dagegen besitzt sie alle pharmakologischen Eigenschaften der Muttersub- stanz, wirkt auch nach längerem Erhitzen auf 100° physio- logisch in der gleichen Weise wie diese und birgt somit die eigentlich giftige Substanz des »Schrecksecrets. Über das GeAvichtsverhältnis der ätherlöslichen zu den äther- unlöslichen Stoffen ermittelte ich folgendes. Von 0,0079 g lufttrockener Secretsubstanz löste sich im Äther 0,003 g = 42%, in einem andern Fall von 0,0048 g Trockensubstanz 0,002 g = 38%. Im Mittel sind also 40 Gewichtsprozent der Trockensubstanz in Äther löslich. In bezug auf die reine, frischgewonnene Secretflüssigkeit er- gibt sich also folgende Zusammensetzung: b Wasser (+ leichtflüchtige Duftstoffe) 9G % in Schwefeläther lösliche Stoffe ^j^% in Schwefeläther unlösliche Stoffe 2,4%. Die Frage nach der näheren chemischen Natur des Giftstoffes nuiß leider offen bleiben. Ich beschränke mich auf die Darstellung seiner Wirkungsweise, die ich eingehender untersuchte. Zuvor sei noch darauf hingewiesen, daß in bezug auf unsere Kennt- nisse von der chemischen Natur des Giftes die Verhältnisse bei Dytiscus ganz ähnlich liegen wie für die übrigen Gliederfüßler (vgl. Skorpion, Spinnen, Bienen und unter den Käfern Lytta vesicatoria L., Cantharis vittata, Zonahris Chichorii, Mylahris pustulata, Epicauta adsfersa, Mehe majalis L., Melolontha vulgaris Fab., Cetonia aurata L., Agelastica alni, Ghrysomela populi, Brachinus crepilans, Cerapterus quatuor macidatus, Paussus, sowie die Larve von DiampJiidia locusta (Pfeilgift der Kalachari). Es steht bislang nur für das Cantharidin die Formel fest (CioHi2^4)- Es sei ausdrücklich bemerkt, daß das Dytiscus-G:'\it mit diesem ziemlich weit verbreiteten Giftstoff (s. o. von Lytta bis Cetonia) nicht identisch ist. Das Cantharidin verhält sich sowohl chemisch-physikalisch wie physiologisch ganz anders als das Gift des Gelbrands. Cantharidin ist Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Seoret. 213 ein Blutgift, reagiert sauer und ist löslich in Alkohol, Schwefelkohlen- stoff, Äther, Benzol, Chloroform, Essigäther und fetten Ölen. Ebenso- wenig läßt sich das Df/tiscus-Giit mit den weitaus meisten übrigen Käfergiften in Übereinstimmung bringen. Berührungspunkte finden sich nur zu den Absonderungen von Chrysoniela 'pojndi. Die Larven dieses Käfers produzieren wie Dytiscus ein weißliches Secret von inten- sivem Bittermandelölgeruch. Die ausgeschwitzte Flüssigkeit zeigt unterm Mikroskop Emulsionscharakter und besteht chemisch nach Claus (1862, S. 309) höchstwahrscheinlich zur Hauptsache aus salicyhger Säure. Salicylige Säure, richtiger Ortho-Oxj^benzaldehyd (CßH...^^' , I, ist eine auch bei Pflanzen {Spiraea ulmaria und Grepis foetida) vor- kommende, in reinem Zustand farblose, aromatisch, bittermandelöl- artig riechende, brennend schmeckende, ölige Flüssigkeit mit dem spezifischen Gewicht 1,172. Sie ist in Wasser in beträchtlicher Menge mit neutraler Reaktion löslich. Da diese Eigenschaften auch dem Dytiscus-^ecTct zukommen, lag eine Prüfung auf Ortho-Oxybenzaldehyd nahe, sie fiel indessen negativ aus. Das Secret gab im Gegensatz zum Salicylaldehyd in wässeriger Lösung mit Eisenchlorid keine Fällung. Weitere analytische Versuche in dieser Richtung konnten aus Material- mangel leider nicht auso;eführt werden. ^Ö^ Physiologische Experimente. Experimentell gearbeitet ist mit dem Prothoracalsecret des Dy- tiscus bislang nur von Plateau (1876), dessen Resultate indessen trotz mehrjähriger Beschäftigung mit dem Gegenstand ausschließlich negativ blieben. Insbesondere glaubt der Autor festgestellt zu haben: »le liquide laiteux des Dytiscides n'est point veneneux«. Demgegenüber machte ich 1908 gelegentlich die Beobachtung, daß das einem Hyla arhorea L. per os applizierte Secret bei dem Frosch eigentümliche Ver- giftungserscheinungen auslöste, die mich zu weiteren Experimenten in dieser Richtung anregten. Ich dehnte später meine Versuche auch auf andre Tierklassen aus und gebe nachstehend eine Übersicht über die Resultate. Die Versuchstiere sind im wesentlichen systematisch geordnet : A. Säugetiere. I. Versuchstier: Mus Musculus L. (Maus). 1. Versuch: Einer erwachsenen männlichen weißen Maus wird per os das mit etwas Wasser aufgenommene Secret eines Dytiscus 214 Hans Blunck, marginalis ^ eingegeben. Das Tier wird unruhig, zeigt aber weiter keine Krankheitserscheinungen. Nach 1/2 Stunde wird derselben Maus per os das in 20 cmm Wasser gelöste Secret mehrerer Käfer appliziert. Der vor der Behandlung auf 100 zu veranschlagende Herzschlag geht innerhalb 5 Minuten auf 68 zu- rück, um dann wieder langsam zu steigen. Gleichzeitig ermattet das Tier, kriecht nicht mehr und ist nach 15 Minuten nicht mehr imstande, sich selbständig aus der Rücken- in die Bauchlage zu bringen. Auf mechanische Reize reagiert es lebhaft durch Zucken mit den Extremi- täten. Nach Yd Stunden ist der Herzschlag auf 190 gestiegen, das Tier beginnt sich zu erholen, kann aber noch nicht wieder kriechen. Nach 12 Stunden ist der Herzschlag wieder auf 100 gefallen. Die Maus ist immer noch ziemlich matt imd ist erst nach 18 Stunden so gut wie vollständig gesundet (Herzschlag 80). Kontroll versuch: Einer jungen weißen Maus (Länge von Schnauze bis After 5 cm) werden 60 cmm Wasser per os eingegeben. Das Tier wird unruhig, zeigt aber im übrigen keine auffälligen Krank- heit ssymptome. II. Versuchstier: Cavia cobaya Marcgr. (Meerschweinchen). 2. Versuch: Es wird von 36 Stück Dytiscus tnarginalis L. das Secret gesammelt ( = etwa 18 mg lufttrockenes Secret) und mit Wasser auf 3,6 ccm Flüssigkeit gebracht, die mit der Pipette in drei Portionen einem alten Meerschweinchenweibchen per os eingegeben wird. Norma- ler Herzschlag: etwa 135. Bereits 4 Minuten nach der ersten Applika- tion tritt starker Schüttelfrost auf (Temperatur im After 34 Vs" C.) und der Puls steigt auf 188. Nach der 40 Minuten auf die erste folgenden zweiten Secreteingabe steigt der Puls bald auf 240, während der Schüt- telfrost unverändert fortbesteht. Nach der 20 Minuten später erfol- genden dritten Einspritzung "svird der Puls matt und sinkt auf rund 200. Der Atem bleibt normal, der Pupillarreflex aber setzt längere Zeit aus. 4 Stunden nach der ersten Vergiftung werden die Schüttelfrostanfälle schwächer und seltener, der Puls kräftigt sich und sinkt auf das Nor- male. Nach 12 Stunden hat sich das Tier wieder völhg erholt. Kontrollversuch: Ein zweites altes Weibchen wird wie das erste, aber statt mit DytiscusSeciet mit reinem Wasser behandelt. Auch bei diesem Tier steigt der vor dem Versuch rund 140 betragende Herz- schlag, aber nicht über 200. Der Pupillarreflex bleibt dauernd normal. Das Tier zittert beim Einführen des Wassers, von einem eigentlichen Schüttelfrost kann indessen keine Rede sein. Temperatur wie beim Die Schreck drüsen des Dytiscus und ihr Secret. 215 Versuclistier 34,8 ° C. Die Atmimg bleibt normal. Das Tier erkrankt nicht. III. Versuchstier: Cunicuhis cuniculus L. (Kaninchen). 3. Versuch: Einem erwachsenen Kaninchen wird die Vena jugu- laris externa freigelegt und in diese zunächst das Secret von zwölf Käfern, 5 Minuten später dazu das Secret von 9 Käfern injiziert, d. h. insgesamt etwa 0,28 g Secretflüssigkeit. Die Atmung ist sofort stark beschleimigt. Der Blutdruck bleibt dauernd nahezu normal. B. Vögel. IV. Versuchstier: Gallus domesticus L. (Haushuhn). 4. Versuch: Einer erwachsenen Henne wird das vor 12 Stunden von etwa 30 frisch gefangenen Käfern {Dytiscus marginalis und andre Species) gewonnene (etwa 0,4 g Flüssigkeit) und mit wenig Wasser versetzte Secret durch den Schnabel eingegeben. Die Henne zeigt weder sogleich noch später irgend welches Unbehagen und bleibt dauernd gesund. C. Eeptilien. V. Versuchstier: Lacerta agilis L. (Eidechse). 5. Versuch: Dem vor dem Experiment äußerst munteren Ver- suchstier (Herzschlag 72) wird durch den Schlund das Secret mehrerer Käfer eingegeben. Das Tier ermüdet langsam, bleibt still in einer Ecke sitzen und ist nach 45 Minuten nicht mehr imstande, sich von der Stelle zu bewegen. Die Augen sind geschlossen. Auf starke mechanische Reize antwortet die Eidechse durch schwache Abwehrbewegungen. Der Herzschlag ist völhg erholt. Herzschlag ist auf 19 gefallen. Nach 12 Stunden hat sich das Tier wieder Va. Versuchstier: Tropidonotus natrix L. (Ringelnatter). 5a. Versuch: Das von 25 frisch gefangenen Dytiscus marginalis L., D. semisulcatus Müller und D. circumcinctus Ahrens gewonnene Secret (etwa 0,33 g) wird mit Wasser auf 5 ccm Flüssigkeit gebracht, zweimal kurz aufgekocht und dreimal 24 Stunden stehen gelassen, sodann erneut 5 Minuten gekocht. Dabei verliert das Secret seinen aromatischen Geruch (Entweichen der aromatischen Substanz). In der nach dem Kochen mit Wasser wieder auf 5 ccm aufgefüllten Flüssigkeit werden zunächst ein Fisch und eine Tritonlarve vergiftet. Sodann wird die ganze Flüssigkeit einer erwachsenen Ringelnatter durch den Mund in 216 Hans Blunck, den Darmtractiis gebracht. Nach 15 Minuten beginnt das Tier zu er- müden, kann nach I1/2 Stunden nicht mehr kriechen und bleibt, auf den Eücken gelegt, regungslos liegen. Auf Beklopfen des Kopfes rea- giert es durch Umdrehen in die Normallage und antwortet auf stärkere Reize mit Fauchen und Züngeln, schläft aber immer sehr bald wieder ein. Dieser Zustand bleibt mehrere Stunden hindurch unverändert. Nach 21: Stunden hat sich das Tier erholt. D. Amphibien. VI. Versuchstier: Triton taenialus Schneid. 6. Versuch: Einem erwachsenen Weibchen wird eine reichliche Secretmenge per os beigebracht. Bereits nach 3 Minuten treten Er- müdungserscheinungen auf. Die Augen sind halb geschlossen und der Gang ist träge. Der Herzschlag fällt von 80 auf 70, nach 25 Minuten auf 38. Das Tier erscheint völlig narkotisiert. Der Pupillarreflex bleibt aus. Nach 3 Stunden 15 Minuten reagiert der Molch selbst auf die stärksten mechanischen Reize nicht mehr. Herzschlag 20. 51/2 Stunden nach der Einführung des Giftes tritt zuerst wieder Reaktion auf starke Reize ein. Der Pupillarreflex fehlt aber noch. Herzschlag 18. Nach 7 Stunden zähle ich 22 Herzschläge. Das Tier beginnt zu er- wachen. 6a. Versuch: Einem 70 nmi langen Weibchen wird eine o;rößerc. von 6 — 8 Käfern gewonnene Dosis Secretlösung per os appliziert. Nach 3 Minuten sinkt der Herzschlag von 80 auf 70. Das Tier ermattet. 25 Minuten. Herzschlag 38. Bild völliger Narkose. 45 Minuten. Herzschlag 28. 3 Stunden. Herzschlag 20. 5 Stunden. Herzschlag 18. 6^/2 Stunden. Herzschlag so schwach, daß sich die einzelnen Schläge nicht mehr zählen lassen. Der Molch stirbt. 7. Versuch: Das von 25 Käfern verschiedener Species gewonnene Secret ( = etwa 0,33 g Giftflüssigkeit) wird mit Wasser auf 5 ccm Lösung gebracht, zweimal kurz aufgekocht und nach dreimal 24 Stunden noch einmal 5 Minuten gekocht, dann abgekühlt. Das verkochte Wasser wird ersetzt. Die Flüssigkeit ist jetzt nahezu geruchlos. Sie wird zu- sammen mit einer 5 cm langen Tritonlarve in eine Petrischale gebracht. Das Versuchstier ist bereits nach 7 Minuten völlig apathisch und reagiert nur noch auf sehr starke Reize. In frisches Wasser zurückgebracht, beginnt es anfangs sicli zu crliolen, stirbt aber dann. Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ilir Secret. 217 VII. Versucli.stier: Molge alpestris Laur. $ (Alpenmolch)'. 8. Versuch: Das Secret mehrerer Käfer wrd dem Tier per os apphziert. Im Laufe einer Stunde ermattet der Molch sichtlich, bleibt aber imstande, sich kriechend fortzubeweuxMi und hat sich nacli 2 Stun- den bereits ziemlicli vollständig erholt. VIII. Vei'suchstier: Mühje cristala Laur. (Kammolch). 9. Versuch: Einem kräftigen Männchen wird durch den Schlund das Secret von ungefähr sechs Käfern {Dytiscus, var. species) ein- gegeben (= etwa 0,08 g reine Giftflüssigkeit). Das Tier taumelt, sucht sich das Maul abzuwschen und zeigt lebhaftes Unbehagen, aber im übrigen keine Vergiftungserscheinungen. Diese bleiben auch an den folgenden Tagen aus. Hier vergleiche auch Versuch 12 ! IX. Versuchstier: Larve von Salamandra maculosa Laur. (Gefleckter Erdsalamander). 10. Versuch: Die 3 cm lange Larve wird mit 5 ccm Wasser in eine Petrischale gebracht. Sodann wird in das Wasser das Secret eines Dytiscus marginalis L. ( = etwa 0,0134 g reine Secretflüssigkeit) ge- träufelt. Die Larve wird sofort sehr unruhig, ermattet dann aber schnell. Bereits nach 5 Minuten schwinunt sie auf dem Rücken und hat nur noch 28 Herzschläge. Nach 25 Minuten reagiert das Tier noch schwach auf sehr starke mechanische Reize, nach 30 Minuten nicht mehr. Der Herzschlag fällt langsam, aber stetig. 2 Stunden nach Beginn des Versuchs zähle ich nur noch vier Schläge in der Minute. Nach 2 1/2 »Stunden ist die Larve noch elektrisch schwach reizbar, nach 4 Stunden tot. X. Versuchstier: Bujo spec. (Kröte). 11. Versuch: Einer jungen Kröte (Länge 1,8 cm) wird per os die auf 100° C. erhitzte und dann abgekühlte wässerige Lösung des Secrets mehrerer Käfer eingegeben. Nach 15 Minuten beginnt das Tier zu er- matten, kann nach 1 Stunde nicht mehr kriechen und reagiert nach 2 Stunden auf keinerlei Reize mehr. Herzschlag und Atem sind nicht mehr wahrnehmbar. Dieser Zustand bleibt 7 Stunden erhalten. Dann kehrt der Pupillarreflex zurück und nach 24 Stunden hat sich das Tier völlig erholt. 12. Versuch: Eine ausgewachsene neotänische Krötenlarve wird 218 Hans Blunck, mit einer Larve von Triton cristatus, die ihre Kiemen bereits abgeworfen hat, in eine Petrischale mit etwas Wasser gebracht., Auf beide Tiere wird das mit etwa 1/2 ccm Wasser aufgenommene Secret (etwa 0,067 g reines, flüssiges Secret) von fünf Stück frisch gefangenen Dytiscus semi- sulcatus Müller geträufelt. Bereits nach 2 Minuten sind die Tiere deut- lich vergiftet. Die Reizbarkeit ist herabgesetzt. Nach 10 Minuten steht bei der Krötenlarve bereits das Herz still. Sie reagiert nur noch auf sehr starke Reize, Der Molch zeigt sich etwas widerstandsfähiger als die Kröte. Beide Tiere sind aber nach 12 Stunden tot, obgleich sie bereits 20 Minuten nach der Vergiftung mit frischem Wasser abge- waschen wurden. XI. Versuchstier: Hyla arhorea L. (Laubfrosch). 13. Versuch: a) Ein mittelgroßer Frosch (4 cm lang) mrd in ein Gefäß mit etwa 30 ccm Wasser gesetzt, in dem zuvor mehrere Käfer kräftig geschüttelt sind. Das Wasser ist trübe und riecht stark nach Pro- thoracal- und Rectalampullensecret. Der Frosch zeigt sich in keiner Weise beunruhigt und wird nach einigen Minuten herausgenommen. b) Demselben Tier wird darauf die Zunge mit dem vergifteten Wasser bestrichen. Der Frosch gerät in lebhafte Aufregung, sperrt den Mund auf, schiebt die Zunge heraus und versucht zu brechen. Vor den Mund treten große Schaumblasen. Die Schleimhäute des Maules sind stark gerötet. c) Ein Teil des giftigen Wassers wird dem Frosch mit der Pipette in den Mund gespritzt. Das Tier ermüdet bald und verfärbt sich von hellgrün in schwarzgrün. Nach 31/2 Stunden ist der Herzschlag von 90 auf 48 gefallen. Das Tier bewegt sich nur, wenn es gereizt wird. Nach 24 Stunden hat der Frosch sich erholt. XIL und Xin. Versuchstier: Rana temporaria L. und R. escuhnta L. (Grasfrosch und Wasserfrosch). Mit diesen Versuchstieren wurden die meisten Experimente an- gestellt, nicht nur, weil sie so bequem zu beschaffen und zu halten sind, sondern weil sie die physiologischen Wirkungen des Dytisciis-Giites am auffälligsten in Erscheinung treten lassen. Nur die Experimente, welche besonders typische Bilder lieferten, sind nachstehend wieder- gegeben. 14. Versuch: 8. April 1911. — Einem reichlich 3 cm langen Gras- frosch wird per os das mit etwas Wasser aufgenommene Secret eines Dytiscus marginalis (^ ( = etwa 0,0134 g unverdünnte Flüssigkeit) ein- Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 219 gegeben. Bald beginnt das Tier zu ermüden und schlapp zu springen. Der Herzschlag sinkt. Die Ermättungserscheinungen werden ständig deutlicher. Der Frosch scheint einzuschlafen. Nach 31/2 Stunden ist er zur Ortsbewegung nicht mehr imstande, nach 6 Stunden gelingt es ihm nicht mehr, sich aus der Rücken- in die Bauchlage zurückzu- drehen. Auf Reize reagiert er durch Zucken der Extremitäten. Nach 12 Stunden hat das Tier sich wieder erholt. 15. Versuch: 28. Februar 1911. — Einem zweijährigen Rana tempomria L., der ziemlich schlecht genährt ist, wird die wässerige Lösung des frisch gewonnenen Secrets eines Dytiscus marginalis $ per OS appliziert ( = etwa 0,013 g unverdünnte Flüssigkeit). Nach 9 Minuten ist der Herzschlag mit 38 noch unverändert, die Bewegungen des Frosches verlieren aber bereits an Elastizität. Nach 15 Minuten ist der Herzschlag auf 32, nach 20 Minuten auf 30 gefallen. Der Frosch kann sich noch aus der Rückenlage in die Bauchlage helfen, aber weder springen noch kriechen. Nach 41/2 Stunden ist das Tier völlig apathisch Und reagiert auf keinen mechanischen Reiz mehr. Das Herz pulsiert so schwach, daß sich die Schläge nicht mehr zählen lassen. Nach 6 Stun- den ist der Herzschlag nicht mehr feststellbar. Der Frosch wird seziert. Dabei zeigt sich, daß das Herz noch etwa sieben sehr matte Schläge in der Minute ausführt. Das Tier ist sehr blutarm, die Blutbeschaffenheit scheint aber normal zu sein. Blutgerinnsel und Hämolyse ist nicht nach- zuweisen. Die Organe sind nicht verändert, die Muskeln schlaff, nicht krampfhaft kontrahiert. Das Sperma im Hoden lebt, ebenso die Darm- parasiten. 16. Versuch: 27. Februar bis 12. März 1911. Mehrfach wieder- holte Vergiftung per OS eines 45 mm langen Äawa^empomrm L. $. 27. Februar 1911. 1. Vergiftung, mit dem vor einem Monat von etwa sieben Käfern gewonnenen Secret ( = etwa 0,09 g unverdünnte Flüssigkeit). Der Frosch erkrankt schwer, erholt sich aber innerhalb 24 Stunden. 3. März 1911. 2. Vergiftung, mit dem Secret von zwei Stück Dytiscus marginalis L. ( = etwa 0,027 g Flüssigkeit). Vor dem Versuch macht der Frosch 134 Atemzüge und hat 56 Herzschläge 1 in der Minute. Die Einführung des Giftes wird mit lebhafter Unruhe beant- wortet. Die Schleimhäute des Mundes erscheinen gerötet. Nach 7 Minuten. Herzschlag 52. Der Puls ist kräftiger als vor dem Versuch, der Atem setzt zeitweilig aus. 1 Der Durchschnittswert der Pulszahl gesunder Frösche bei Zimmertempe- ratur ist 60. 220 Hans Bliinck, 10 Minuten. Herzschlag 48. Die Bewegungen des Frosches ver- lieren an Elastizität. 38 Minuten. Beschleunigte unregelmäßige Atemzüge. 20 Minuten. Herzschlag 42. 30 Minuten. Herzschlag 38. 40 Minuten. Herzschlag 34. Atem 40. Der Frosch schleicht müde umher und kann nicht mehr springen. 50 Minuten. Herzsclilag 34. Atem beschleunigt (6G), tief und regelmäßiger. Der Frosch ist nicht mehr imstande, zu kriechen, kann sich aber noch aus der Eücken- in die Bauch- lage drehen. 55 Minuten. 58 schwere, keuchende Atemzüge. 1 Stunde. Herzschlag 38. — 44 unregelmäßige Atemzüge. Der Frosch bewegt sich nur selten. Die Augen bleiben geöffnet. 1 »Stunde, 10 Minuten. Herzschlag 36. Atem oft aussetzend. 1 Stunde 50 Minuten. Herzschlag 40. Atmung sehr unregel- mäßig. Der Frosch kann sich nicht umdrehen. 3 Stunden. Der Frosch hat sich bereits bedeutend erholt. Fr kriecht und springt fast normal. - 4 Stunden. Frosch völlig wiederhergestellt. 4. März 1911. 3. Vergiftung, mit dem Secret von drei frisch gefangenen Käfern ( = etwa 0,04 g Flüssigkeit). 0 Minuten. Herzschlag 04, Atmung 140. 10 Minuten. Herzschlag 06, Atmung 80, schwer und stoßweise. Die noch am Tage vorher gereizten Mundschleiinhäute w^er- den blutigrot. 20 Minuten. Herzschlag 50, Atmung 54. Der Frosch springt müde, die Reizbarkeit ist herabgesetzt. 35 Minuten. Herzschlag 44. Atmung stockend (4). Unfähigkeit zur Ortsbewegung und zur Rückkehr aus der Rücken- in die Bauchlage. 55 Minuten. Herzschlag 42. Atnning stockend (4). 1 Stunde 10 Minuten. Atmung 40. Gliederzucken. 1 Stunde 35 Minuten. Herzschlag 30. Atmung sehr unregel- mäßig. 12 Stunden. Herzsclilag 02. Atmung 140. Der Frosch hat sich vollständig erholt. Die Schleimhäute sind nicht mehr so stark gerötet. 5. März 1911. 4. Vergiftung, mit dem Secret zweier Dytiscus marginalis L. (= etwa 0,027 g imverdünnte Flüssigkeit). Die KSchreckdrÜBeu des Dytiscus und ihr Secret. 221 0 Mimiteii. Herzschlag 62, Atmung 140. ^ 15 Minuten. Frosch noch ganz nmnter. 45 Minuten. Frosch springt müde und unsicher. 1 Stunde 15 Minuten. Herzschlag 36, Atem schwach. 1 Stunde 50 Minuten. Herzschlag 36. Frosch kann nicht mehr springen, kriechen oder sich umdrehen. Reizbarkeit sehr stark herabgesetzt. 14 Stunden. Herzschlag 36. Reizbarkeit teilweise zurückgekehrt. Zustand im übrigen unverändert. 19 Stunden. Herzschlag 44. Der Frosch beginnt zu kriechen. 22 Stunden. Herzschlag 44. Der Frosch hat sich ziemlich voll- ständig erholt. 40 Stunden. Herzschlag 44, Atem 120. 49 Stunden. Herzschlag 50. Atem 142. Die Mundschleimhäute sind nicht mehr gerötet. Der Frosch wird gefüttert. S.März 1911. 5. Vergiftung, mit dem nicht reichlichen Secret eines Dytiscus marginalis (^ ( = 0,013 g Secretflüssigkeit). 0 Minuten. Herzschlag 46, Atmung 152. 2 Stunden 20 Minuten. Herzschlag 48, Atem 128. Der Frosch hat nahezu seine volle Elastizität bewahrt. 9. März 1911. 6. Vergiftung, mit dem Secret zweier Käfer. 0 Minuten. Herzschlag 56. 20 Minuten. Herzschlag 50. Der Frosch ermattet. 30 Minuten. Herzschlag 54. 2 Stunden 30 Minuten. Herzschlag 56. Der Frosch ist nicht mehr imstande zu springen. 3 Stunden 50 Minuten. Herzschlag 44, Atmung 112. Der Frosch beginnt sich zu erholen. 14 Stunden. Herzschlag 36, Atem 120. Der Frosch hat sich im übrigen völlig erholt. 10. März 1911. 7. Vergiftung, mit dem sehr reichlichen Secret eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis $ ( = 0,0134 g Secret). 0 Minuten. Herzschlag 44. 1 Stunde 20 Minuten. Herzschlag 44. Der Frosch ermüdet und kann nicht mehr springen. 3 Stunden. Der Frosch ist unfähig zu jeglicher Ortsbewc- gung. 6 Stunden. Der Frosch hat sich ziemlich vollständig erholt. 12. März 1911. Der Frosch ist gesundet, Herzschlag 40. 17. Versuch: Einem 3,5 cm langen Rana temforaria L. wird das Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 15 222 Hans Blunck, vorher auf 100° C. erhitzte Beeret mehrerer Käfer per os appliziert. Nach 0 Minuten. Herzschlag 92 (62?). 10 Mimiten. Der Frosch beginnt zu ermatten. 20 Minuten. Herzschlag 36. Verstärkte Lethargie. Unfähig- keit zum Ortswechsel und zu Körperdrehungen. Leichtes Zucken der Extremitäten. 55 Minuten. Herztätigkeit matt, Herzschläge nicht zählbar. Atem hastig und unregelmäßig. Reizbarkeit stark herabgesetzt. 1 Stunde 55 Minuten. Atem steht. Bild völliger Narkose, Keinerlei Reaktion auf die stärksten mechanischen Reize. 2 »Stunden 40 Minuten. Herzschlag 20. Bild völliger Narkose. 4 Stunden 25 Minuten. Heizschlag 19. Bild völliger Narkose. 6 Stunden 50 Minuten. Herzschlag 22. Bild völliger Narkose. 10 Stunden 45 Minuten. Atmung unregelmäßig. Der Pupillar- reflex kehrt zurück. Das Tier reagiert schwach auf Hautreize. 24 Stunden. Der Frosch hat sich vollständig erholt. 18. Versuch: Einem dem Winterlager entnommenen, ziemlich mageren aber gesunden 45 mm langen Rana temporaria L. wird per os das von etwa zwölf Käfern gewonnene, nahezu unverdünnte, 10 Mi - nuten lang gekochte Secret ( = etwa 6 mg Trockensubstanz) per OS beigebracht. Nach 0 Minuten. Herzschlag 53. 5 Minuten. Herzschlag 52, sehr kräftig. Der Atem setzt aus. 10 Minuten. Herzschlag 42. Den Frosch befällt eine schnell wachsende Lethargie. : 12 Mimiten. Herzschlag 24. Völlige Narkose. Ausbleiben des Pupillarreflexes. 16 Minuten. Herzschlag 16, matt. 26 Minuten. Herzschlag 9. 35 Minuten. Herzschlag 8. 44 Minuten. Herzschlag 7, sehr matt. 53 Minuten. Das Herz steht. Der Frosch ist vollständig leblos. Er erwacht nicht wieder. Am folgenden Tage wird der eingetretene Tod sichergestellt. Der Herzschlag dieses Frosches ist in Textfig. 1 graphisch dar- gestellt, wobei die verstrichenen Zeiten als Abscissen, die Herzschläge als Ordinaten eingetragen sind. Der Moment der vollzogenen Ver- giftung ist durch das Zeichen x markiert. 19. Versuch: 30 Gelbrandkäfern wird am 3. März 1911 das Pro- Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 223 thoracalsecret abgezapft und in wässeriger Lösung aufbewahrt unter Korkverschluß. Es setzt sich bakl ein weißer, käsiger Niederschlag ab, von dem sicli die darüberstehende, schwach gelbliche Lösung abgießen läßt. Nach 14 Tagen riecht das Filtrat wenig aromatisch, eher faulig und scheint Bakterien in großer Zahl zu enthalten. Der Niederschlag hat den ursprünglichen Secretgeruch bewahrt. Am 19. Juli 1911 wird -liO Seit cfe -30 -zo 7tung -10 'x) yef 0 f/osse 10 ne Ze> 20 ■/ irr A 30 kO n . 50 60 60 50 ^ hO ^ 30 1 20 V W \ 0 ~"~~- -^ \ Fig. 1. Graphische Darstellung des Herzschlags bei dein ia Versuch 18 per os vergifteten Rana tetn\wraria L. der mit etwas Wasser aufgenommene Niederschlag einem mittelgroßen Uana esculenta, das Filtrat einem gleichgroßen Rcnm temporaria per os beigebracht. Nach Rana esculenta L. 4 Stunden. Herzschlag 40. Frosch be- täubt. Atmung steht, nur der Pupillarreflex noch be- stehend. 8 Stunden. Keizbarkeit etwas gesteigert, sonst Zustand unverändert. 11 Stunden. Der Atem kehrt zurück. Der Frosch reagiert auch be- reits wieder auf schwächere Reize, ist aber noch sehr matt und zu einem Orts- wechsel nicht imstande. 15* Rana temporaria L. Herzschlag 26, Frosch betäubt, nur der Pupil- larreflex besteht. Der Frosch hat sich völ- hg erholt. Frosch völlig munter. 224 Hans Blunck, Rana escidenta L. Bona temporarta L. 24 Stunden. Frosch immer noch unfähig Frosch völlig munter. zur Ortsbewegung. 31 Stunden. Der Frosch hat sich nahezu Frosch völlig munter. erholt. 20. Versuch: Am 29. Januar 1911 wird 15 Käfern das Secret abgezapft, mit etwas Wasser aufgenommen und in einem Glasröhrchen unter Verschluß aufbewahrt. Es sondert sich ein weißer Niederschlag von einer klaren, gelblichen Lösung. Lösung und Niederschlag be- wahren länger als 4 Wochen den angenehmen, ursprünglichen Secret- geruch. Am 27. Februar 1911 \\ard die klare Lösung einem Rana temporaria L. (1), der Niederschlag zu gleichen Teilen zwei weiteren Fröschen (2 und 3) der gleichen Art per os appliziert. Nach Rana ß. Munter Rana 1 . Rana 2. 0 Min. Munter Munter 20 Min. >> >> 1 Stunde >> >> 5 Stunden >) Herzschlag 30. Frosch deut- lich vergiftet, zu Ortsbewe- gungen außerstande, aber auf mechanische Reize noch lebhaft reagierend durch Zuk- kungen der Extremitäten. 6 Stunden >> Unverändert. Herzschlag 24. Im übrigen vne Rana 2. 22 Stunden » 2G Stunden >> Herzschlag 44. Der Frosch kann sich bereits wieder um- drehen, aber noch nicht krie- chen. Herzschlag 54. Frosch völlig erholt. Herzschlag 3G. S onst unverändert. Hcrzschl. 52. Frosch völlig munter. Munter. 20a. Versuch: Am 14. März 1911 wird fünf Stück Dytiscus mar- ginalis das Secret abgezapft, und dieses, ohne mit Wasser in Berührung zu kommen, in den Vacuumexsiccator über Schwefelsäure gebracht, wo 63 zu 2,5 mg Substanz eintrocknet. Am 23. Februar 191 G wird das im Geruch unveränderte Secret mit Wasser aufgenommen und einem 5 cm langen Rana temporaria $ per os appliziert. Der Frosch ist vor dem Versuch sehr nmnter. Herzschlag 4G. Beim Einbringen des Giftes Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 225 röten sich die Schleimhäute des Mundes sofort sehr stark. bricht einen Teil der Flüssigkeit wieder aus. Nach Der Frosch 7 Minuten. 9 Minuten. 15 Minuten. 20 Minuten. 45 Minuten. 55 Minuten. Herzschlag 46. Allgenieinverhalten unverändert. Leichte Ermüdung des Tieres. Der Frosch springt unsicher. Der Atem setzt zuweilen aus. 40. 33. 34. 1 Stunde. >> 1 Stunde 10 Min. » 26. 28. Der Frosch ist nicht mehr imstande zu springen. Narkose weit fortgeschritten. Der Frosch kann sich nicht mehr zweok- tätig bewegen. 1 Stunde 20 Min. >> 1 Stunde 35 Min. » 5 Stunden 15 Min. » 9 Stunden 15 Min. >> 18 Stunden. >> 32. 30. 30. 34. 24. 24 Stunden. 36. Der Frosch reagiert auf keinerlei mechanische Reize. Keinerlei Reflexe auslösbar. Der Pupillarref lex bleibt noch aus, der Frosch reagiert aber bereits auf starke mechanische Reize durch Zusammenzucken. Der Pupillarreflex ist zurückgekehrt ; der Frosch erholt sich jetzt rasch, kann sich bereits wieder umdrehen, und hat die Augen geöffnet. Frosch ziemlich lebhaft. Der Frosch hat sich völlig erholt. Allgemeinverhalten unverändert. Die Schwankungen in der Zahl der Herzschläge sind in der Text- fig. 2 graphisch wiedergegeben, wobei die verstrichenen Zeiten als Abscissen, die Herzschläge als Ordinaten eingetragen sind. Der Mo- ment der vollzogenen Vergiftung ist durch das Zeichen x mar- kiert. 21. Versuch: Am 26. November (1908?) wird einem erwachsenen Rana esculenta L. etwas frisches Prothoracalsecret in den Rücken- lymphsack injiziert. Der Frosch erkrankt innerhalb 24 Stunden nicht. Am 1. Dezember erhält der Frosch an derselben Stelle eine etwas größere Giftdosis injiziert. Auch diese führt nicht zu Krankheitserscheinungen. 26 Stunden. 36 31 Stunden. 46 39 Stunden. 45. 226 Hans Blunck, 'S ■t- Z«?A/ «ycr t\) r\! iaj Cj ^- 0 Ol 0 Ol 0 Cn 0 0, D Ol Herzschlage 1 0 ö 3; ^ ►A <>> 0 b 3 \ 5 \ Ja \ ^ c \ <\ \ i3 \ ^ S ^ n> l C8 B to :i a 1 \ a ^^ \ s V ■5 Vi 0 •^ a" ■^^ 1, t^ 1 \ 1 Co .... . ^ 1 ) Die Schreckdrüßen des Dytiecus und ihr Secret. 227 Am 2. Dezember verläuft eine dritte Injektion mit noch stärkerer Dosis ebenfalls resultatlos. 22. Versuch: Einem 4 cm langen Rana esculenta wird das mit wenig Wasser aufgenommene, von sechs Stück Dytiscus marginalis $ frisch gewoimene »Secret ( = etwa 0,07 g reine Flüssigkeit) in den Rücken- lymphsack injiziert. Nach einer halben Stunde erschlafft der Frosch, kann bald nicht mehr springen und nach 2 Stunden nicht mehr kriechen. Er zeigt dieselben Krankheitssymptome wie die per os vergifteten Frösche, aber viel weniger deutlich. Die Fähigkeit, sich aus der Dorsal- in die Bauchlage zu wenden, verliert er überhaupt nicht. Nach 24 Stun- den ist der Frosch wieder gesund. 23. Versuch: 50 ccm Wasser werden mit dem frisch gewonnenen Secret von neun Stück Dytiscus marginalis ^ versetzt. In das so ver- giftete Wasser wird ein 4 cm langer, also beinahe erwachsener Rana esculenta in toto eingebracht. Nach 1 Stunde beginnt der Frosch zu er- müden, bewegt sich nach 2 Stunden nur noch auf stärkere Reize hin und ist nach 3 1/2 Stunden gegen mechanische Reize völlig unempfind- lich geworden. Der Frosch wird jetzt an Land gebracht. Nach 24 Stun- den treten bei starker Reizung die ersten Reflexbewegungen wieder auf. Nach 48 Stunden hat sich der Frosch vollständig erholt. Es ist anzunehmen, daß bei diesem Versuch das Gift nicht durch die Haut ,in den Frosch eingedrungen ist, sondern bei Schluckbewegungen durch den Mund. 24. Versuch: Einem jüngeren Weibchen von Rana tempomria wird der Ischiaticus eines Hinterbeins freigelegt, mit Prothoracal- secret befeuchtet und die Wunde dann vernäht. Das Bein ist zunächst gelähmt, erholt sich aber innerhalb 15 Minuten und gewinnt seine Be- weglichkeit vollständig zurück, reagiert auch normal auf mechanische Reize. Nach 20 Minuten treten die Reizreflexe am operierten Bein später auf als am gesunden, und von der Wunde ausgehend teilt sich allmählich dem ganzen Froschkörper eine wachsende Müdigkeit mit. Der Frosch schläft ein und liegt nach 25 Minuten in vollständiger Nar- kose. Nur der Pupillarreflex erfolgt noch normal. Der Herzschlag sinkt langsam von 65 auf 54 und nach 1 Stunde 25 Minuten auf 48, um dann innerhalb 7 Stunden nach Versuchsbeginn auf 68 zu steigen. Der Pupillarreflex ist nach 1 Stunde 25 Minuten schwach und undeut- lich, wird dann aber wieder prompt und scharf. 5 Stunden bleibt der Frosch im übrigen in Narkose liegen. Dann erfolgt langsames Erwachen. Nach 7 Stunden beginnt das Tier zu kriechen, und 8V2 Stunden nach erfolgter Vergiftung hat der Frosch sich völlig 228 Hans Blunck, erholt. Er springt und bewegt dabei das operierte Bein vollkommen normal. 25. Versuch: Einem geschlechtsreifen Weibchen von Rona tem- 2)oraria L. \vird das Hirn ausgebohrt und die Arteria hypogastrica des linken Beines vom Rücken her abgebunden. Der so vorbereitete Frosch wird an den Hinterextremitäten auf die Geschwindigkeit der Reiz- reaktion geprüft. Es reagiert auf das linke Hinterbchi das rechte Hinterbein nach Sek. nach Sek. n/100 normal HCl 18 » 19 » n/50 » » 14,2 » 11,6 » n/20 » » 3,4 » 4,8 » n/10 » » 1,4 » 2 » Der Frosch erhält nunmehr eine 0,006 g große Dosis lufttrockenes Secret (gewonnen von 12 Stück Dytiscus marginalis), das mit Wasser aufgenommen und dem Tier per os appliziert wird. Dann wird von 10 zu 10 Minuten wie oben die Reaktionsgeschwindigkeit geprüft. Die erhaltenen Daten sind in der nebenstehenden Tabelle nieder- gelegt. 31/2 Stunden nach der Vergiftung führt das Herz nur noch 16 Schläge pro Minute aus. Der Frosch ist somit sehr schwer vergiftet. Nach 24 Stunden tritt eine gewisse Erholung ein. Die Reflexerregbar- keit ist etwas gesteigert. Der Frosch stirbt dann aber einige Stunden später. 26. Versuch: Einem erwachsenen Männchen von Rana iemporaria L. wird das Herz freigelegt und in den Ventrikel das Secret mehrerer Käfer injiziert. Nach Der Frosch reagiert nur noch auf starke Reize. Pupillarreflex normal. Der Pupillarreflex blpibt aus. sehr matt. 0 Minuten. Herzschlaf •58. 5 Minuten. » 34. 17 Minuten. >> 38. 36 Minuten. )> 40. 1 Stunde. » 38, 1 Stunde 15 Min. » 36. 1 Stunde 35 Min. » 31. 5 Stunden. >> 44. 7 Stunden 30 xM in. » 34. 9 Stunden. >> 46, Keinerlei Reaktion auf mechanische Reize. Der Pupillarreflex ist zurückgekehrt. 46, kräftiger. Die bislang unterbrochenen Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 229 Atemzüge setzen ^vieder ein. Die Augen sind wieder geöffnet. Außer dem Pu- pillarreflex ist der Brunstreflex zu- rückgekehrt. Der Frosch erholt sich. 27. Versuch: Bei diesem und den Versuchen 28 — 31 wurde mit einem aus dem dekapitierten Frosch nach Abbindung der Arterien herauspräpa- rierten Herzen experimentiert. Das überlebende Herz wurde in LocKEsche Lösung, bzw. in vergiftete Lösung ge- bracht und in der üblichen Weise am Hebelstativ so suspendiert, daß es seine Bewegungen am Kinographion auf- zeichnete. Bei Versuch 27 wird mit dem Herzen eines Rana temporaria $ gear- beitet. Das Herz bleibt zunächst 5 Minuten in LocKEScher Lösung und kommt dann in 5 ccm LocKEsche Lö- sung, die mit dem frisch gewonnenen Secret von vier Stück Dytiscus margi- nalis L. versetzt ist. Aus der vom Herzen gezeichneten Kurve Nr. I, Taf. III ist ersichtlich, daß die vor — der Vergiftung mit 34 konstante Zahl der Pulsationen nach dem Einbringen in die vergiftete Lösung ständig fällt und zwar von Minute zu Minute auf 31, 24, 20, 19, 18, 16, 15, 14, 14, 14, 14, 14, 14, 14, 13, 11, 11, 11, 11, G und 3, bis das Herz 21 Minuten nach der Vergiftung zum Stillstand kommt. - Während dann anfangs mechanische und elektrische Reizungen noch ver- einzelte Ausschläge auslösen, reagiert das Herz nach 33 Minuten überhaupt nicht mehr. Es ist tot. Die Kurve lehrt weiter, daß die Intensität der Ausschläge sehr bald nach Beginn der 1 i 8 8 8 8 8 8 8 8 190 8 8 8 8 8 ^ ?, - o 8 8 8 8 8 ^ Tfi flw. o 8 8 tH Oi UO o 8 LO o ^ CO 1—1 s o lO CO '^ CO -* 1—1 ^ 1—1 CO -1 ■* (M lO 00 rj C<3 CO CO 05 o 00 CO C5 CO Ttf rtH o o^ O QO --1 IM 'S* o 1—1 00 -l -* CO o ■* ,_ Ol fO Tt< o C5 r^ 00 (M CO o '^ t-. CO CO o o ■■o o CO ■* o l> U5 (T^ Tj* o lO »10 ■* w -* o o CO Tj* TJH o (N CO CO CO o C OJ V 4) (D ® 43 4) »H Ü -O JD ^ -O -TJ J2 .J2 -O (-1 ;-i (>4 ;h M s-i ;h «-I — H ffl 1— H - c a a 230 Hans Blunck, Vergiftung bis auf das Doppelte steigt, daß dann die Höhe ziemlich konstant bleibt, bis das Herz in Diastole stirbt. 28. Versuch: Die zweite Kurve, Taf. III, veranschaulicht die Wirkung des am 4. März 1 91 1 gewonnenen und in wässeriger Lösung aufbe- wahrten Secrets von 14 Stück Dytiscus marghialis (var. semistriatus 0) auf das Herz eines geschlechtsreif en Ra7ia temporar ia $. Am 16. März 1911 wird das Secret aufgekocht, mit etwa 5 ccm LocKEscher Lösung versetzt und zum Versuch benutzt. Das Herz führt vor der Verüiftunii 25 Schläge pro Minute aus, nach der Vergiftung 23, 23, 23, 22, 21, 18, 12, 11, 10, 10, ?, ?, 11, 12, 12, 11, 9, 8, 5 (und 2 Vorhof schlage), 4 (und 1 Vorhofschlag), 1, 5, und 2. Nach 23 Minuten steht das Herz. Mecha- nische Heize setzen es noch weitere 12 Minuten in unregelmäßigen Gang, dann löst Kampfer noch einige Kontraktionen aus, nach 40 Mi- nuten ist das Herz aber tot und bleibt in Diastole stehen. Wie bei Versuch 25 ist auch hier die Intensität der iVusschläge nach der Ver- aiftuno- zunächst «-ewachsen. Sie nimmt erst nach 13 Minuten wieder ab, bleibt aber bis zum Absterben des Herzens über normal. Es werden also nicht der Herzmuskel als solcher, sondern die cytomotorischen Centren der autonomen Bewegimg durch das Gift angegriffen. 29. Versuch: Im Anschluß an den Versuch 28 wird mit demselben Secret am 16. März 1911 das Herz eines ungarischen Rana esculenta $ gelähmt. Vor der Vergiftung werden in je einer Minute 24, 22, 23, 24, 23, 23, 23, 21, 19, 19, 18, 17, 17, 17, 17, 17, 17, 17 etwas unregelmäßige und ungleiche Schläge gezählt. Nach der Vergiftung (siehe Kurve III, Taf . IV) beträgt die Zahl der Pulsationen in der gleichen Zeiteinheit: 17, 20, 21, 22, 23, 23, 22, 22, 22, 21, 20, 18, 18, 18, 17, 17, 17, 16, 15, 15, 15, 15, 15, 15, 15, 15, 14, 13, 12, 12, 12, 11, 11, 10, 10, 10, 9, 9, 9, 7, 7, 8, 8, 9, 8, 8, 7, 7, 7, 7, 6, 3. 53 Minuten nach Beginn der Vergiftung steht das Herz in Diastole. In frische LocKEsche Lösung gebracht {Lockes), nnt Kampfer behandelt (K) und der Luft (Luft) ausgesetzt, sowie mechanisch gereizt (1. R., 2. R.) erholt es sich indessen langsam wieder und führt, in LocKEsche Lösung zurückgebracht {Lockes), IY4 Stunden nach der ersten Vergiftung wieder durchschnittlich neun Schläge in der Minute aus. Die Intensität der Schläge ist fast wieder normal, nachdem sie bei Beginn der Vergiftung auf kurze Zeit (8 Minuten) gefallen, dann 5 Minuten auf normal gestiegen und nachher wieder bis zur Entgiftung stetig gefallen war. '' i' " ! 30. Versuch: Am 18. März 1911 wird das mit 5 ccm LocKEscher Lösung gemischte Secret mehrerer Käfer auf das isolierte Herz eines geschlechtsroifen Raiia temporaria $ wirken gelassen, nachdem mit Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 231 derselben Lösung bereits ein andres Froschherz vergiftet ist. Aus der Kurve IV, Taf. V ist abzulesen, daß das unvergiftete Herz 31 Schläge in der Minute ausführt, nach der Vergiftung in der gleichen Zeiteinheit: 27, 25, 20, 17, 16, 15, 15, 14, 14, 13, 12, 12, 13, 14, 13, 13, 13, 12, 13, 12, 13, 12, 12, 10, 8, 6, 6, G, 5, 5, 4, 3, 5, 3, 3, 1. 36 Minuten nach Be- ginn der Vergiftung bleibt das Herz in Diastole stehen, läßt sich aber durch verschiedene Reizmittel (Lockes, Luft, Kampfer) noch wieder beleben und bis zu sieben kräftigen Kontraktionen in der Minute brin- gen, ist indessen nach 75 Minuten tot. Man beachte, daß ebenso wie bei den Kurven I — III auch hier wieder die Intensität der Kontraktionen nach der Vergiftung zeitweilig über normal gesteigert ist (2. — 19. Mi- nute). 31. Versuch: Am 13. März 1911 wird das Herz eines Rana teni- poraria $ in 5 ccm Lockes Lösung gebracht, die mit dem 48 Stunden zuvor von vier Stück Dijtiscus nuirginalis gewonnenen Secret versetzt ist. Das Herz führt vor der Vergiftung 54 Schläge in der Minute aus, nach Beginn der Vergiftung (s. Kurve V, Taf. VI) 37, 37, 35, 35, 26 und 15. Bereits nach 6 Minuten stockt der Herzschlag. In LocKEscher Lösung erholt sich das Herz bis zu 20 Schlägen in der Minute. 30 Minuten nach der ersten Vergiftung wird das Herz in das Gift zurückgebracht. Bereits nach wenigen Stunden kommt es wieder zum Stillstand. Es erholt sich dann wieder in der physiologischen Lösung, wird 46 Minuten nach Versuchsbeginn erneut vergiftet, steht fast momentan, erholt sich aber in LocKEscher Lösung wieder innerhalb 15 Minuten bis zu zehn Schlägen pro Minute. Diese Ver- und Entgiftung läßt sich noch zweimal wiederholen. 1 Stunde 25 Minuten nach der Vergiftung ist das Herz aber nur noch elektrisch reizbar und nach 1 Stunde 45 Minuten tot. Man beachte, daß auch bei dieser Kurve sich die Tendenz des Giftes, die Intensität der Herzschläge zu verstärken, bemerkbar macht. Der Effekt wird wegen der chokartigen Wirkung der Giftlösung erst im Laufe der ersten Entgiftung sichtbar. Der Herzschlag ist in Textfig. 3 graphisch dargestellt. Die Mo- mente, in denen das Herz in die Giftlösung gebracht wird, sind durch f , die Entgiftungen mit LocKEscher Lösung durch f gekennzeichnet. E. Fische. XIV. Versuchstier: Leuciscus erythropJtthalmus (Rotauge). 32. Versuch: 11. Juli 1911. — 50 ccm Leitungswasser werden mit dem frisch gewonnenen Secret von neun Stück Dytiscus margmalis ^ 232 Hans Blunck, to o o 'S) Q ^ § _y- — 1- ^ ^ > Cd > i S) > h — * 3 o k ■> ß CD c !§ j S o Q Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 233 versetzt (Secretkonzentratlon^: etwa 0,01%). In die so bereitete Lö- sung wird ein 35 mm langer Cyprinide {Leuciscusl) gebracht. Der Fiscb gerät sogleich in lebhafteste Unruhe, ermattet aber dann sehr schnell. Nach einer Minute liegt das Tier bereits auf der Seite. Nach 12 Minuten steht der Atem und einige Minuten später setzt auch das Herz aus, obgleich der Fisch bereits 12 Minuten nach Versuchsbeginn in reines Wasser zurückgebracht wurde. Das Tier ist tot. 33. Versuch: 11. JuH 1911. — 15 ccm Leitungswasser werden mit dem frisch von drei Stück Dytiscus semisulcatus Müller gewonnenen Secret versetzt. Ein in die somit 0,01%ige Lösung gebrachter Cypri- nide gleicher Species und Größe wie in Versuch 32 wird bald unruhig, erjiiattet dann und liegt nach 5 Minuten auf der Seite. Nach 10 Minuten wird der Atem unregelmäßig und steht nach 25 Minuten, während das Herz noch pulsiert. Obgleich der Fisch jetzt in frisches Wasser gebracht wird, erholt er sich nicht wieder. Nach 3 Stunden wird der inzwischen eingetretene Tod sichergestellt. 34. Versuch: Zwei Petrischalen A und B werden mit je etwa 30 ccm Wasser gefüllt, mit Elodea densa und mit je einem 30 mm langen Cypriniden {Leuciscusl) besetzt. Eine halbe Stunde nach Versuchs- beginn wird in das Gefäß B das Secret eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis L. geträufelt. Der Fisch fHeht das Secret, das sich indessen infolge der Aufregung des Tieres schnell im Wasser verteilt (Secret- konzentration 0,0017%). 7 Minuten nach der Vergiftung des Wassers wird der Atem des Fisches mühsam und stoßweise. In der Kiemen- region treten schleimige Absonderungen auf. Nach 10 Minuten beginnt das Tier zu taumeln und fällt nach 12 Minuten auf die Seite. Ich zähle jetzt 125 Atemzüge. Der Fisch wird zur Entgiftung in das Gefäß A gebracht, erholt sich aber nicht wieder. Der Atem geht mehr und mehr zurück und steht 30 Minuten nach Beginn der Vergiftung ganz. 11 Minuten später steht auch das Herz. Der Fisch ist tot. Inzwischen wurde der bis dahin muntere Bewohner des Gefäßes A in das vergiftete Wasser der Schale B gebracht. 15 Minuten später legt er sich auf die Seite und wird jetzt sogleich in das unvergiftete Wasser zurückversetzt. Trotzdem erholt er sich nicht wieder und stirbt 3—4 Stunden nach der erfolgten Vergiftung. 35. Versuch: Ein größerer Glascylinder wird mit 500 ccm Leitungs- wasser gefüllt, mit einem frischen Trieb von Elodea densa und mit einem 30 cm langen Cypriniden {Leuciscus erythrophthalnms) besetzt. Am 22. ^ Die Angaben über Secretkonzentration beziehen sich auf lufttrockenef Secret. 234 Hans Blunck, September 1913 6 Uhr 35 Minuten wird in das Gefäß das reichliche Secret (etwa 0,0005 g Trockensubstanz auf 500 g Wasser = 0,0001 %) ei nes frisch gefangenen Dijtiscus marginalis (^ geträufelt. Das Wasser ni mint schwach den Secretgeruch an. Der Fisch zeigt keine Unruhe, ermattet aber allmählich. Die Zahl der Atemzüge geht von 100 nach 5 zu 5 Minuten auf 95, 90, 85 und 80 zurück, bleibt von 7 Uhr 15 Minuten bis 8 Uhr 35 Minuten mit 85 konstant und sinkt bis 10 Uhr weiter auf 70. Am 23. September morgens um 8 Uhr sind die SchAvimmbewegungen des Tieres noch sehr müde. Gegen Mittag erholt es sich aber und ist abends ganz munter, desgleichen an den folgenden Tagen. Am 1. Oktober hat das Wasser den Secretgeruch völlig verloren. Das Gift dürfte sich zersetzt haben. Der Fisch ist munter. Der Versuch wird abgebrochen. 36. Versuch: In das von 25 Käfern gesammelte, mit Wasser auf 5 ccm verdünnte, zweimal kurz aufgekochte und dann dreimal 24 Stun- den sich selbst überlassene Secret wird nach nochmaligem 5 Minuten lang-em Kochen und erneuter Verdünnung auf 5 ccm Flüssigkeit ein 30 mm langer Cyprinide {Leuciscusi) gebracht. Die Konzentration der Lösung in bezug auf lufttrockenes Secret beträgt etwa 0,25%. Bereits nach 10 — 15 Sekunden ist der Fisch tödlich vergiftet. 37. Versuch: Das von vier frisch gefangenen Dytiscus marginalis ^ reichlich abgegebene Secret (etwa 0,002 g Trockensubstanz) wird in konzentrierter wässeriger Lösung auf dem Wasserbade langsam auf 100° erhitzt und 5 Minuten in langsamem Sieden gelassen. Dann wird das Secret mit Leitungswasser stark verdünnt und in die so be- reitete Lösung ein 35 mm langer Cyprinide gesetzt. Nach 2 Stunden liest der Fisch auf der Seite und reagiert auf mechanische Keize nicht mehr. Das Herz pulsiert noch. Die 62 Schläge pro Minute sind regel- mäßig und kräftig. Der Fisch wird in frisches Wasser gebracht, erholt sich indessen nicht wieder. Ein zweiter in dieselbe Versuchsflüssigkeit gebrachter Fisch der gleichen Art und Größe zeigt zunächst lebhafte Beschleunigung der Kiemenatmung, liegt nach einer halben Stunde erschöpft auf der Seite, während die Kiemenatmung stockt, und reagiert bereits nach einer Stunde auf keinerlei Reize mehr. Das Herz steht. Der Fisch wird in frisches Wasser gebracht, stirbt aber wie der erste, obgleich er nur halb so lange in dem vergifteten Wasser geweilt hat. 38. Versuch: Die Petrischalen I, II und III werden je mit 30 ccm Wasser gefüllt und je mit einem ^loffei-Trieb und einem Cypriniden {Leuciscus'^) besetzt. Alle drei Fische sind gleich groß und gleich kräftig. Eine Stunde späte]' wird das Wasser der Schalen I und II je mit einer Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 235 gleichgroßen Secretmenge versetzt, von denen die der Schale I frisch gewonnen, die der Schale II aber vorher mit Schwefeläther, Schwefel- kohlenstoff und Petroläther ausgeschüttelt und bei 100° zur Trockene eingedampft ist. Das Verhalten der Fische zeigt die nachstehende Übersicht. Die Wasser Vergiftung wird 10 Uhr 11 Minuten vorge- nommen. Fisch I Fisch II. Fisch III 9 Uhr 15 Min. Munter. JMunter. Munter 10 Uhr 10 Min. >> >> >> 10 Uhr 15 Min. Sehr unruhig. Sehr unruhig. >> 10 Uhr 30 Min. Taumelt. Sehr unruhig. >> 10 Uhr 33 Min. Schwimmt auf dem Rücken, sehr matt. Taumelt. » 10 Uhr 45 Min. Atmet mühsam. Taumelt. » 11 Uhr 50 Min. Der Atem stockt. Atmet mühsam. >> 12 Uhr. Noch mechanisch reiz- Noch mechanisch >> , bar. reizbar. 2 Uhr 40 Min. Nur noch elektrisch Nur noch elektrisch >> reizbar. reizbar. 4 Uhr. Tot. Tot. » XV. Versuchstier: Phoximis laevis L. (Elritze). 39. Versuch: Einem 60 mm langen Fisch wird etwas wässerige Secretlösung per os eingegeben. Der anfangs durch den Chok be- täubte Fisch erholt sich innerhalb 12 Minuten und schwimmt normal. Nach weiteren 10 Minuten erkrankt das Tier unter Vergiftungserschei- nungen. Es liegt auf der Seite am Gefäßboden und atmet hastig. Nach 1 Stunde 15 Minuten liegt der Fisch regungslos am Grund. Auf mechanische Beize reagiert er durch schwache Bew^egungen des Schwan- zes. Nach 3 Stunden beginnt das Tier sich zu erholen und ist am fol- genden Tage wieder völlig gesundet. 40. Versuch: Das von 24 Käfern frisch gewonnene Secret wird zweimal aufgekocht, abgekühlt und mit Wasser auf 5 ccm Flüssigkeit gebracht. In diese 0,24 %ige Lösung kommt auf 15 Sekunden ein 25 mm langer Cyprinide {Phoxinusi). Nach 20 Sekunden steht das Herz: der Fisch ist tot. 41. Versuch: Ein 20 mm langer Fisch der gleichen Art wird in ein Gefäß mit 15 ccm Wasser gebracht, in dem das Secret eines Käfers gelöst ist (Konzentration der Lösung 0,01%). Bereits nach 15 Se- kunden schwimmt der Fisch auf dem Rücken, nach 5 Minuten kommen 236 Hans Blunck, die Atembewegiingen zum 8tillstand, während das Herz nach 9 Minuten noch schwach pulsiert. Der Fiscli stirbt. 42. Versuch: Zwei Wassergläser I und II werden mit Elodea densa besetzt und mit je 100 ccm Leitungswasser gefüllt. In jedes Glas wird ein 25 mm langer Fisch (Elritze?) gebracht. Am 22. September 1913 5 Uhr 35 Minuten wird das Wasser in Glas I mit dem Beeret eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis (^ vei'setzt und somit eine 0,0005%ige öecretlösung bereitet. Fisch in Glas I. Fisch in Glas IL 5 Uhr 35 Min. Munter. Munter 5 Uhr 40 Min. Der Fisch wird unruhig. Er atmet mit aufgesperrten Kiemendeckeln >> kräftig und beschleunigt. 5 Uhr 55 Min, Das Tier ermattet. Das Spiel der Brustflossen setzt zeitweilig aus. (i Uhr 5 Min. Der Atem ist beschleunigt aber matt. Das Spiel der Brustflossen ist ein- gestellt. Das Tier taumelt beim Schwimmen. 6 Uhr 50 Min. Der Atem ist stark verlangsamt. Der Fisch schwimmt zumeist auf der » Seite. 7 Uhr 20 Min. Der Fisch ist tot. » 43. Versuch: In die beim 35. Versuch benutzte 0,0001 %ige Lösung wird gleichzeitig mit dem Leuciscus eine kleine Elritze gebracht. Des Tieres bemächtigt sich bald eine steigende Unruhe, die erst nach 1^/2 Stunden in Ermattung umschlägt. Der Fisch macht jetzt 60 Atemzüge, 1 1/2 Stunden später nur noch 45 Atemzüge in der Minute. Nach 12 Stun- den liegt das Tier schwerkrank auf der Seite, erholt sich dann aber langsam und ist nach 24 Stunden wieder ganz munter, ohne inzwischen in frisches Wasser gebracht zu sein. XVI. Versuchstier: Gasterosteus fungitius L. (Kleiner Stichling). 44. Versuch: In das 24 Käfern abgezapfte, kurz aufgekochte und auf 5 ccm Flüssigkeit verdünnte Secret, d. h. in eine 0,24%ige Secretlösung wird ein 25 mm langer Stichling gebracht. Der Fisch ist bereits nach 20 Sekunden unfähig zu jeglicher Reizreaktion und kann nicht mehr zum Leben erweckt werden. Ein zweiter, 40 mm langer Stichling, der in dieselbe Giftflüssigkeit gebracht wird, stirbt ebenfalls, Die Schreckdrüsen des Dytiecus und ihr Secret. 237 obgleich er bereits nach wenigen Minuten wieder in frisches AVasser zurückversetzt wird, 45. Versuch: In die 0,0005 %ige Lösung I des 42. Versuches wird auch ein Gasterosteus pungitius von 20 mm Länge gebracht. Das Tier verhält sich ganz ähnlich wie die Elritze, erkrankt aber später und nicht so schwer wie diese. Nach 2 Stunden liegt der Fisch auf der Seite. Während die Elritze innerhalb 12 Stunden stirbt, überwindet der Stichling die Krisis und hat sich nach 12 Stunden bereits nahezu vollständig erholt. Das im Wasser gelöste Gift dürfte sich inzwischen zersetzt haben, da der aromatische Geruch geschwunden ist. XVII. Versuchstier: Cypri?ius carassius L. (Karausche). 46. Versuch: Am 31. März 1913 wird das Secret eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis (^ einer 40 mm langen Karausche per OS appliziert. Obgleich ein Teil gleich wieder durch die Kiemen abfheßt und ein Kontrollversuch die Unschädlichkeit der Applikation von giftfreiem Wasser zeigt, erkrankt der Fisch fast momentan. Das Tier hegt sogleich auf der Seite und schwimmt nur, wenn es aufgestört wrd. Nach 12 Stunden beginnt der Fisch sich zu erholen. 47. Versuch: Am 31. März wird in 5 ccm Wasser, das mit dem Gift eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis ^ (Konzentration der Lösung 0,001%) versetzt ist, eine 30 mm lange Karausche eingebracht. Der Fisch gerät sogleich in große Erregung. Er atmet schwer und hastig und versucht zu fliehen. Nach 20 Minuten liegt das Tier auf der Seite und schwimmt nur, wenn es aufgestört wird. Nach 30 Minuten steht der Atem. Nach 2 Stunden reagiert der Fisch nur noch auf starke Reize. Er wi^'d jetzt in frisches Wasser zurückgebracht und erholt sich hier langsam, ist aber noch nach 12 Stunden ziemlich krank. 48. Versuch: 100 ccm Wasser werden mit dem frisch gewonnenen Secret von zwei Stück Dytiscus diynidiatus versetzt. In die somit 0,001 %ige Lösung kommt eine 50 mm lange Karausche. Der Fisch wird anfangs unruhig, ermattet aber nach einer halben Stunde, beginnt nach einer Stunde zu taumeln und liegt nach 2 Stunden auf der Seite. Auf mechanische Reize reagiert das Tier noch ziemlich lebhaft. Es wird jetzt in frisches Wasser gebracht. Nach weiteren 7 Stunden liegt der Fisch noch auf der Seite am Grunde, erholt sich dann aber inner- halb 12 Stunden vollkommen. Eine etwas größere Karausche, die ebenfalls in das vergiftete Wasser gebracht wird, erkrankt in der gleichen Weise, liegt nach 2 Stun- Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CXVII. Bd. 16 238 Hans Blunck, den ebenfalls auf der Seite am Gefäßgriind, erholt sich, in frisches Wasser zurückversetzt, dann aber ebenfalls innerhalb 12 Stunden. XVIII. Versuchstier: Lota vulgaris Cuc. (Quappe). 49. Versuch: Einer 130 mm langen und 50 g schweren Aakjuappe wird per os das in 1 ccm Wasser gelöste Secret von 5 Stück Dytiscus circumcinetus ( = etwa 0,067 g reine Giftflüssigkeit) appliziert. Der Fisch ist einige Stunden hindurch etwas träge, erholt sich aber voll- ständig. XIX. Versuchstier: Esox lucius L. (Hecht). 50. Versuch: Einem 100 g schweren Hecht wird das frische Secret ( = etwa 0,16 g) von 12 Stück Dytiscus dimidiatus per os eingegeben. Der Hecht erkrankt fast momentan, verhält sich 40 Minuten wie ge- lähmt, erholt sich dann aber langsam bis zur völligen Wiederherstellung. XX. Versuchstier: Misgurnus fossilis L. (Schlammpeitzger). 51. Versuch: Ein einige Tage zuvor gefangener Schlammpeitzger wird in ein Gefäß mit 100 ccm Wasser gebracht, das mit dem Secret eines Dytiscus inarginalis (^ ( = etwa 0,013 g Secretflüssigkeit) ver- setzt ist. Nach einer Stunde ist der Fisch tot, während ein gleich- großes, derweilen in 100 ccm iinvergifteten Wassers gehaltenes Exem- plar durchaus munter bleibt. F. Niedere Tiere. XXI. — XXIII. Versuchstier: Nyctotherus cordiformis, Opalina ranarum F. St. und Nematoden. 52. Versuch: Die überlebenden Darmparasiten eines tödhch ver- gifteten Rana temporaria werden mit konzentriertem Schrecksecret versetzt. Während die Ciliaten Nyctotherus cordiformis und Opalina ranarum innerhalb einer Minute absterben, bewegen sich die durch die dicke Cuticula geschützten parasitären Nematoden noch nach 10 Minuten sehr lebhaft. XXIV. Versuchstier: Ephemeridenlarven. 53. Versuch: Etwa 30 ccm Wasser werden mit dem Secret eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis L. versetzt. Die so entstandene Lösung ist etwa 0,0017 %ig bezogen auf lufttrockenes Seeret. In diese Flüssigkeit kommen zwei kleine Eintagsfliegenlarven. Sie werden durch das Gift, das hinreicht, mehrere junge Rotaugen innerhalb einer Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 239 stunde zu töten, nicht angegriffen. Die Tiere bleiben 4 Tage in der Flüssigkeit, ohne zu erkranken. XXV. Versuchstier: Larve von Aeschna (Libelle). 54. Versuch: Das Beeret zweier Di/tiscus marginalis L. ( = etwa 0,001 g lufttrockene Substanz) wird mit physiologischer Kochsalz- lösung aufgenommen und einer ^lesc/ma-Larve in die abdominale Leibes- höhle injiziert. Nach einer Stunde ist die Larve schwer erkrankt, reagiert nur auf sehr starke Reize, und die Muskulatur ist vollständig erschlafft. Nach 12 Stunden hat sich das Tier aber wieder etwas er- holt und ist nach 24 Stunden ziemlich munter. Nach 36 Stunden stirbt die Larve, wahrscheinlich an Sepsis. 55. Versuch: Das von 24 frisch gefangenen Käfern gewonnene Secret ( = etwa 0,32 g Flüssigkeit, 0,012 g lufttrockene Substanz) wird zweimal aufgekocht und dann abgekühlt. In die nahezu 100%ige Lösung wird auf eine Stunde eine Larve von Aeschna (spec. depressal) gebracht. Das dann an Land gebrachte Tier ist völlig leblos und erholt sich nicht wieder. XXVI . Versuchstier: Phryganidenlarve. 56. Versuch: In eine mit vorher 5 Minuten gekochtem Secret angesetzte Lösung, in der zwei junge Rotaugen innerhalb einer Stunde tödUch vergiftet sind, wird eine große Phryganidenlarve gebracht. Diese zeigt weder sogleich noch später irgend welche Krankheits- erscheinungen. Sie ist am 4. ebenso lebhaft wie am 1. Versuchstag. XXVII. Versuchstier: Notonecta glauca L. (Rückenschwimmer). 57. Versuch: In die Versuchsflüssigkeit des 55. Versuchs wird eine Notonecta aui 10, eine zweite auf 60 Minuten gebracht. Beide sind nach 10 Minuten vollständig erschlafft und unfähig zu jeglicher Bewegung. Während aber der zweite Rückenschwimmer nicht wieder erwacht, erholt sich der erste innerhalb 20 Minuten vollständig. Zu bemerken ist, daß dieses Tier sich nicht etwa tot gestellt hatte, sondern langsam erschlafft war. XXVIII. — XXX. Versuchstier: Laccophilus spec, Ägahus spec, Ilybius spec. 58. Versuch: In die Versuchsflüssigkeit des 55. Versuchs werden nacheinander ein Laccophiliis, ein junger Ilyhius und ein Ägahus ge- bracht. Der Lacophilus ist auch nach einer Stunde nur wenig ermattet; 16* 240 Hans Blunck, die beiden andern Käfer aber bewegen sich nach der gleichen Zeit fast gar nicht mehr und leiden an starker Ateninot. XXXI. Versuchstier: Dijtiscus manjinalis L. (Gelbrand). 59. Versuch: Am 28. Februar 1911 wird einem Gelbrandmännchen das von einem andern Individuum der gleichen Art gewonnene Secret in die abdominale Leibeshöhle gespritzt. Der Käfer zeigt in seinem Verhalten weder sogleich noch später irgend eine Veränderung gegen- über der Zeit vor der Operation. Auch am 1, März ist das Tier noch durchaus munter, am 2. März erkrankt es unter Lähmungserscheinungen, die am 3. März zum Tode führen und wahrscheinlich auf eine Infektion zurückzuführen sind. XXXII. Versuchstier: Dytiscus circumcinclus Ahr. 60. Versuch: Am 5. März 1911 wird einem li/2iährigen Dytiscus circumcinctus $ das mit physiologischer Kochsalzlösung aufgenommene Secret eines Dytiscus marginalis L. durch die Tergite in die Leibes- höhle gespritzt. Das Tier erkrankt weder sogleich noch innerhalb der nächsten 48 Stunden, geht aber dann innerhalb 12 Stunden ein, wahrscheinlich an Sepsis. 61. Versuch: Das von zehn Gelbrändern gewonnene Secret (= etwa 0,13 g unverdünnte Substanz) wird 4 Uhr 35 Minuten einem Dytiscus circumcinctus $ durch die Tergite in das Abdomen injiziert. Der Käfer wird dann ins Wasser zurückversetzt. Das Tier schwimmt zunächst aufgeregt umher, beruhigt sich aber nach 2 Minuten vollständig. Xach 25 Minuten beginnt es zu ermüden, reagiert selbst auf starke Reize ziemlich träge, führt aufgestört aber normale Schwinnnbewegungen aus. 5 Uhr 15 Minuten reagiert das Tier selbst auf starke mechanische Reize nur schwach, 6 Uhr 30 Minuten fast gar nicht mehr. Da zu befürchten ist, daß das Tier im Wasser erstickt, wird es ans Land gebracht. Um 7 Uhr 30 Minuten ist der Käfer noch sehr matt, beginnt aber langsam sich zu erholen und sucht, gereizt, sich kriechend fortzubewegen, »schläft« aber immer sogleich wieder ein. Am andern Morgen um 10 Uhr, das heißt nach 17V2 Stunden, ist das Tier wieder völlig munter. Kontrollversuch: Einem zweiten Käfer wird die gleiche Flüssig- keitsmenge wie oben, aber unvergiftetes Wasser injiziert. Das Tier erkrankt nicht. Zusammenfassung der experimentellen Resultate. Alle vorstehend mitgeteilten Versuche ergeben übereinstimmend, daß das in den prothoracalen Komplexdrüsen des Dytiscus gebildete Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secrefc. 241 Beeret unabhängig von der Species, sowie dem Geschlecht des Käfers und unabhängig von der Jahreszeit auf andre Tiere schädhch Avirkt. Das (Secret ist giftig. Der Grad der Giftigkeit hängt von der Ap- plikationsmethode und von der systematischen Stellung des Versuchs- tieres ab. Die Vergiftung erfolgt im allgemeinen am schnellsten und intensivsten bei intravasculärer oder in den Verdauungstractus er- folgter Einführung des Secrets und ist am schwächsten bei subcutaner Injektion (Versuch 21 und 22). Werden die Versuchstiere in toto in die Secretflüssigkeit gebracht, so nimmt das Gift durch den Mund seinen Weg in den Körper (Versuch 7, 10, 12, 13, 23, 32—38, 40—45, 47, 48, 51, 57 und 58). Schädliche Beeinflussung des Tierkörpers wurde in allen eingehender untersuchten Tierklassen festgestellt, doch wech- selte die Anfälligkeit mit den Versuchstieren. Am stärksten reagierten auf das Gift die Fische (Versuch 32 — 51) und Amphibien (Versuch 6 — 31), weniger stark die Insekten (Versuch 53 — 61) und Reptilien (Versuch 5 und 6), am schwächsten die Warmblüter (Versuch 1 — 4). Unter den Würmern wurden nur die sehr widerstandsfähigen para- sitären Nematoden untersucht, unter den Protozoen nur die ebenfalls ziemlich resistenten Ciliaten Opolina ranarum und Nyctotherus cordi- hrmis (Versuch 52). Innerhalb der Tierklassen verhielten sich die Versuchstiere ziemlich gleichartig, doch ergaben sich auch liier im einzelnen Unterschiede in bezug auf die Anfälligkeit, abgesehen da- von, daß große Tiere sich im allgemeinen widerstandsfähiger erwiesen als kleine. ^esc/ma-Larven und Notonecta fallen dem Gift leichter zum Opfer als Phryganidenlarven (Versuch 56), Ephemeridenlarven (Versuch 53) und die kleinen Käfer Laccophüus, Agabus und Ilybms (Versuche 55, 57, 58). Unter den Fischen ist Gasterosteus zäher als Leuciscus und dieser seinerseits zäher als Phoxinus (Versuche 42, 45, 51). Die untersuchten Amphibien lassen sich nach steigender Anfälligkeit in die Reihe Triton cristatus, T. alpestris, T. taeniatus, Rmia, Bufo und Hyla arhorea ordnen (Versuch 6 — 31). Die minimale toxische Dosis wurde für kein Versuchstier sicher ermittelt, liegt aber für ein erwachsenes Rana temporaria $ niedriger als 1/2 mg lufttrockene Substanz. Das Secret eines Käfers kann einen erwachsenen Frosch bis zum Bild vollständiger Narkose ver- giften. Ein 30 mm langer Leuciscus erkrankt in einer 0,0001 %igen Secretlösung unter leichten, eine gleich große Elritze dagegen unter sehr schweren Erscheinungen (Versuch 35 und 43). AVenigcr als 0,0005 g reichen per os appliziert aus, eine 60 mm lange Elritze nachhaltig zu vergiften (Versuch 39). Eine 40 mm lange Karausche wird durch 242 Hans Blunck, dieselbe Giftmenge deutlich geschädigt (Versuch 46). Ephemeriden- larven können, ohne Schaden zu nehmen, stundenlang in einer 0,0017- prozentigen Secretlösung verweilen (Versuch 53). 0,001 g Secretlösung bewirken bei abdominaler Injektion bei AescJma-'Ld.Yyen schwere Er- krankungen (Versuch 54). Als tödliche Dosis wurden für einen erwachsenen Rana tem- poraria 6 mg Trockensecret ermittelt (Versuch 18). In einer 0,0005%igen wässerigen Secretlösung gehen 30 mm lange Elritzen und ein erwachsener Schlammpeitzger innerhalb 2 Stunden ein (Versuch 42 und 51). 30 und 50 mm lange Karauschen sterben in 0,001 %iger Lösung langsam ab (Versuch 47 und 48). Der Aufenthalt in einer 0,01%igen Lösung ver- giftet 35 mm große Rotaugen und 20 mm lange Elritzen innerhalb 12—25 Minuten tödlich (Versuch 32 und 41). Eine 0,25 %ige Lösung zeitigt für diese Fische und für Gasterosteus schon innerhalb 10 — 20 Se- kunden denselben Effekt (Versuch 40 und 44). Der Aufenthalt in einer absoluten Giftlösung tötet Libellenlarven und Rückenschwimmer inner- halb einer Stunde (Versuch 55 und 57). Bytiscus selbst ist gegen das von ihm produzierte Gift keineswegs immun. Zum mindesten wirken die Secrete auf art- fremde Species schädlich. Wenn auch das Secret eines Käfers einen andern nicht nachweislich zu schädigen vermag (Versuch 60), so bewirkt doch zum Beispiel die Injektion des von zehn ilfar^fmaZis-Individuen gewonnenen Secrets in die Leibeshöhle eines Dytiscus circumcinctus eine schwere Vergiftung des Versuchstiers (Versuch 61). Das Krankheitsbild ist unabhängig vom Versuchstier und der Art der Beibringung des Giftes im wesentlichen immer das gleiche oder doch sehr ähnlich. ;- Lokale Erscheinungen treten im Vergiftungsbild sehr zurück. Auf ein einfaches Bestreichen der Körperhaut mit Secret reagierte kein Versuchstier. Bei den Wirbeltieren trat Reaktion ein, wenn das Gift auf die Schleimhäute des Auges und des Mundes gebracht wurde. Die mit dem Secret in Berührung gekommenen Partien, insbesondere die Zunge, röteten sich und schienen die Tiere zu schmerzen. Die Kiemen der Fische bedeckten sich mit dickem Schleim und die ^rösche und Molche suchten sich durch Aufsperren des Maules, Herausklappen der Zange und zuweilen (Hyla) durch Abwischen dieses Organs mit den Vorderextremitäten oder am Gras von den Reizstoffen zu befreien. Zuweilen beobachtete ich auch Schaumaustritt aus dem Maul. — ört- liche Schwellungen und Entzündungen bei subcutaner Injektion, wie sie das Spinnen- und Bienengift auslöst, blieben aus. Die Schreck drüsen des Dytiscus und ihr Secrefc. 243 Das allgemeine Krankheitsbild läßt sich in seiner stufen- weisen Entwicklung am besten bei der Vergiftung per os verfolgen, weil durch diese Art der Applikation die Versuchstiere am wenigsten mechanisch beunruhigt werden. Alle Tiere verraten sogleich nach Aufnahme der Flüssigkeit lebhaftes Übelbefinden und geraten in mehr oder minder starke Aufregung. Herzschlag und Atmung sind bei Warm- blütern (Versuch 2 und 3), Fröschen (Versuch 16) und Fischen (Ver- such 37, 42, 47) auf kurze Zeit oft beschleunigt. Nach einiger Zeit weicht diese Steigerung der Reizbarkeit einer Herabsetzung aller Lebensäußerungen. Die Tiere rühren sich nur ungern und zeigen bei allen Bewegungen eine wachsende Müdigkeit und Unsicherheit. Der Gleichgewichtssinn scheint getrübt. Die Frösche schlagen beim Springen mit der Schnauze auf den Boden auf, und die Fische taumeln im Wasser wie trunken. Die Herzpulsationen nehmen bei anfangs gesteigerter Intensität (Kurve I — V) an Zahl sehr bald ab und gehen weit unter normal zurück. Gleichzeitig wird der anfangs beschleunigte Atem langsam, mühsam, keuchend und endlich stockend. Allmählich ver- lieren die Tiere jegliche Fähigkeit zu selbständiger Ortsbewegung. Sie scheinen >> einzuschlafen« . Schließlich bleiben auch die Reflexbewe- gungen aus, bei den Fröschen zuletzt sogar der Pupillarreflex. Die Vergiftung bietet das Bild einer vollständigen Narkose. Bei den Wirbeltieren scheint die Lungenatmung sistiert zu sein, das Herz aber pulsiert noch, wenn auch mit stark herabgesetzter Schlagzahl und verminderter Intensität (Versuch 16, 17, 18 und in Kurve I — ^V). Alle Muskeln scheinen zu erschlaffen. Krampfartige Erscheinungen Avurden in keinem Falle beobachtet. Bei Cavia cohaya trat vorübergehend Schüttelfrost auf. In dem Zustande völliger Ohnmacht liegen die Tiere mehrere Stunden, bis durch Stillstand des Herzens der Tod eintritt (Versuch 6a, 10, 12, 18) oder die Vergifteten sich langsam erholen. Im letzteren Falle kehren zunächst die Reflexbewegungen (Pupillar- reflex, ßrunstreflex usw.) zurück. Während die Tiere dann langsam erwachen (Versuche 17, 19, 20, 20a), steigt auch der Herzschlag und die Lungenatmung setzt wieder ein. Innerhalb 24 Stunden ist in den weitaus meisten Fällen die Krisis über^vunden (Versuche 16, 17, 20a). Vom physiologischen Standpunkt aus ist das Secret seiner Wir- kungsweise nach als Nervengift anzusprechen. Dafür sprechen ein- mal das allgemeine Krankheitsbild und im einzelnen die Versuche an Fröschen (Versuche 15 — ^20). Die Herzkurven (Kurve I — ^V) lehren •im besonderen, daß die Vergiftung sich nicht auf das Centralnerven- system beschränkt. Am Herzen selbst scheinen die cytomotorischen 244 Hans Blunck, Centren der autonomen Bewegung zu erkranken. Diese Kurven lehren gleichzeitig, daß das Secret kein Muskelgift ist r der HerznuLskel selbst bleibt gesund (Taf. III — VI). Auffällig ist, daß das Herz stets in Diastole stirbt. Gelegentliche Prüfungen auf hämolytische Eigenschaften des Se- crets führten zum mindesten für das Blut des Menschen zu einem negati- ven Resultat, während beim Frosch die Resultate unsicher waren. Das Blut behielt seine Farbe und Konsistenz (vgl. Versuch 15). Ein ausgespro- chenes Blutgi f t enthält das Secret des Dytiscus demnach wahrscheinlich nicht. Dem widerspricht nicht, daß die Blut bahnen die Vergiftung der Tiere vermitteln. Nicht durchgeblutete Körperteile erkranken später als jene, in denen das Blut ungestört circuliert (Versuch 25). Intravasculär vergiftete Tiere erkranken schneller als alle andern (Versuch 26). Die weiter oben analytisch angebahnte Kenntnis von der che- mischen Natur des Giftes konnte durch die physiologischen Ex- perimente in einigen Punkten erweitert werden. Bei längerem Stehen in wässeriger Lösung sammelt sich das Gift zum größten Teil in dem ausfallenden weißen Niederschlag (Versuch 19 und 20). Exakter gelingt die Isolierung des Giftstoffes durch Aus- schütteln mit Schwefeläther. Das Gift ist im Äther unlöslich (Versuch 38). In stark verdünnter wässeriger Lösung tritt Zersetzung des Secrets ein, wobei auch der Giftstoff zerstört zu werden scheint (Versuch 34, 43 und 45 und Acilius, Versuch 7). In konzentrierter Lösung ist das Gift länger und in eingetrocknetem Zustande im Va- cuumexsiccator über Schwefelsäure unbegrenzt lange halt- bar (Versuch 19, 20, 20a). Gegen Hitze ist die giftige Substanz beständig. 5 — 10 Minuten langes Kochen vertreibt oder zerstört wohl die Duftstoffe des Secrets, setzt seine Giftigkeit aber nicht merk- lich herab (Versuch 5a, 7, 11, 17, 18, 28, 29, 36, 37, 38, 40, 44, 55, 56, 57, 58). Ein fermentativer Charakter des Giftes scheint somit ausgeschlossen zu sein. Experimente zur Immunisierung der Versuchstiere durch mehr- fach wiederholte Vergiftung mit Prothoracalsecret scheiterten. Ein per OS behandelter Frosch zeigte sich auch nach der 7. Dosis noch sehr anfällig gegen die Giftsubstanz des Dytiscus (Versuch 16). Das Gift ist demnach kein Toxin im eigentlichen Sinn. Das Prothoracalsecret von Cybister und Acilius. Im ersten Teil dieser Arbeit ist 1912 (S. 502) bereits darauf hin- gewiesen, daß außer Dytiscus auch zahlreiche andre, wemi nicht alle Dytisciden »milchige« Scorete aus der Vorderbrust absondern. Seither Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 245 hatte ich Gelegenheit, das Drüsensecret einiger dieser Käfer etwas näher zu untersuchen und gebe nachstehend das an Cj/hister und Acilius gesammelte Beobachtungsmaterial wieder. Cyhistcr laterimarginalis Deg. Das in den verhältnismäßig großen, ebenso wie bei Dijtiscus ge- lagerten Drüsensäcken zu allen Jahreszeiten und während der ganzen mehrjährigen Lebenszeit reichlich produzierte Secret des Cyhister gleicht in seinen physikalischen Eigenschaften im wesentlichen dem des Gelbrands und ist von diesem doch wieder durch gewisse, schwer zu präzisierende Eigentümlichkeiten leicht zu unterscheiden. Das frische Secret ist konzentriert weiß, verdünnt blauweiß und stärker blau als bei D>jtiscns. Im durchfallenden Licht erscheint es gelbbraun. Es duftet intensiv und unangenehm süßlich, entfernt an den Geruch der Stinkmorchel erinnernd. Im Geschmack ist die Flüssigkeit widerlich bittersüß, opiumartig. Bei längerem Stehen trocknet die Substanz zu einer lackartigen, durchsichtigen, schwach gelblichen Masse ein, die sich jederzeit mit Wasser wieder zu einer Flüssigkeit von den ursprüng- lichen Eigenschaften aufnehmen läßt. Chemisch konnte das Secret aus Materialmangel nicht unter- sucht werden, dagegen bot sich Gelegenheit zu einigen pharmako- logischen Experimenten. 1. Versuch: Drei längere Zeit in Gefangenschaft gehaltene Weib- chen von Cybister laterimarginalis Deg. wird das Secret abgezapft und in eine Petrischale mit etwa 50 ccm Wasser geträufelt zu einem 60 mm langen Gasterosteus pimgitius. Das Gift mischt sich langsam mit dem Wasser. Sobald der Fisch mit dem Ateinwasser Secret ein- zieht, gerät er in lebhafte Aufregung und sucht die Flüssigkeit wieder auszustoßen. Nach 4 Stunden beginnt das Tier zu ermatten. Die anfangs gesteigerte Atnmng ist nach 10 Minuten beträchtlich herab- gesetzt und setzt nach 20 Minuten ganz aus. Gleichzeitig ruhen alle Schwimmbewegungen: Das Tier ist vollständig gelähmt. In frisches Wasser versetzt, gewinnt der Stichling anfangs einen Teil seiner Be- wegungsfähigkeit zurück, erlahmt dann aber vollständig und ist nach 4 Stunden tot. 2. Versuch: In die bei Versuch 1 verwendete wässerige Secret- lösung wird auf 7 Minuten ein etwas kleinerer Stichling derselben Art gebracht. Er erkrankt bis zum Bild allgemeiner Lähmung, erholt sich dann aber in frischem AVasser innerhalb 24 Stunden vollständig. 3. Versuch: Die frisch gewonnene wässerige Secretlösung eines 246 Hans Blunck, Cybister laterimarginalis $ wird einem erwachsenen Rana temforaria per OS appliziert. Nach 2 Stunden ist der Frosch teilweise gelähmt, hat die Fähigkeit zu springen verloren, erholt sich aber innerhalb 4 Stunden restlos. 4. Versuch: Drei Stück 2i/23ährigen Cyhister laterimarginalis wird das Prothoracalsecret abgezapft. Die Flüssigkeit trocknet inner- halb einiger Stunden ein, wird dann wieder mit Wasser aufgenommen und einem erwachsenen Rana temporaria (^ per os eingegeben, der vor dem Versuch 120 Atemzüge in der Minute und etwa 60 Herzschläge macht. Der Frosch verrät sofort nach der Beibringung des Giftes lebhaftes Mißbehagen, schluckt krampfhaft und sperrt das Maul auf. Die Lungenatmung ist zeitweilig sistiert. Nach 7 Minuten ist die Reizbarkeit des Tieres bereits etwas herab- gesetzt. Der Frosch springt un- sicher. 10 Minuten. Herzschlag. 30. Der Brunstreflex bleibt aus. Nur bei starker mechanischer Reizung reißt der Frosch die zugefalle- nen Augen auf und versucht zu springen. 24 Minuten. 33 Minuten. 1 Stunde. 1 Stunde 5 Min. >> 3 Stunden 35 Min. » 8 Stunden 20 Min. » 14 Stunden 20 Min. >> 16 Stunden. >> 17 Stunden. » 20 Stunden. >> 21 Stunden. 22 Stunden. 24 Stunden. » 20. » 19. >> 10. Der Frosch reagiert nur noch auf die stärksten mechanischen Reize. 9. 9. 13. 18. Reizbarkeit noch unverändert, 20. Reizbarkeit etwas gesteigert. 22. Der Brunstreflex kehrt zurück. 23. Die Lungenatnmng setzt mit großen Pausen und sehr unregelmäßig wie- der ein. 20. Etwa 24, ziemlich regelmäßige Atem- züge per Minute. Der Frosch be- ginnt, auch ungereizt zuweilen eine Extremität zu beugen oder zu strecken. 24. 23. 36 Stunden. >> 39 Stunden. >> 41 Stunden. >> 46 Stunden. >> 48 Stunden. >> 89 Stunden. Atmn Die Schreckdrüseü des Dytiscus und ihr Secret. 247 28 Stunden. Herzschlag. 26. 80 regelmäßige Atemzüge. Die bisher geschlossenen Augen sind geöffnet. Der Frosch kann sich selbständig aus der Rücken- in die Bauchlage helfen. 26. Atmung 60. Der Frosch beginnt um- herzukriechen und zu springen. 26. Atmung 120. 30. Eine gewisse Mattigkeit und Schläf- rigkeit ist immer noch unver- kennbar. 34. 36. Atmung 140. Der Frosch hat sich völlig erholt. Acilius sulcatus L. Das Prothoracalsecret des Furchenschwimmers unterscheidet sich physikalisch nur durch seinen etwas schwächeren Geruch und den reinbitteren Geschmack von dem des Gelbrands. Die Knappheit des Materials verbot eine chemische Untersuchung, dagegen konnten einige biologische Experimente durchgeführt werden. 1. Versuch: 20 frisch sefangenen Käfern wird das Secret ab- gezapft und mit 10 — 15 ccm Wasser gemischt. In diese Lösung wird eine 45 mm lange Karausche gebracht. Das Secret scheint sofort auf die Schleimhäute des Mundes zu wirken, denn der Fisch stößt die in das Maul gelangenden Secretwolken hastig von sich und gerät in große Unruhe. Der Atem wird hastig, unregelmäßig und stoßweise. Schon nach 5 Minuten beginnt der Fisch zu ermatten, nach 10 Minuten taumelt das Tier und kann sich nicht mehr im Gleichgewicht halten. Nach 20 Minuten bleibt der Fisch auf der Seite liegen und stellt die Schwimm- bewegungen ganz ein. Die stoßweisen, allmählich seltener werdenden Atemzüge erschüttern den ganzen Körper. Nach 35 Minuten reagiert der Fisch selbst auf starke Reize nur noch sehr matt. Die Atembewegun- gen dokumentieren sich nur noch durch ein leichtes Zucken der Lippen. Die Kiemendeckel stehen weit abgeklappt. Nach 45 Minuten steht der Atem ganz. Der Fisch wird jetzt in frisches Wasser gebracht, erholt sich aber nicht wieder. 2. Versuch: In dieselbe Versuchsflüssigkeit wird nach der ersten eine zweite, etwas größere Karausche gebracht. Nach 45 Minuten ist auch diese schwer erkrankt, liegt auf der Seite, atmet aber noch 248 Hans Blunck, und reagiert auf stärkere Reize hin durch Schwanzschläge. In frisches Wasser gebracht stirbt das Tier. 3. Versuch: Anschließend an den 2. Versuch wird in dieselbe Giftlösung auf 15 Minuten eine dritte, 40 mm lange Karausche ge- bracht. Als das Tier in frisches Wasser überführt wird, liegt es schwer atmend auf der vSeite, erholt sich aber nach einiger Zeit voll- ständig. 4. Versuch: Eine vierte, 45 mm lange Karausche bleibt 45 Minuten in der Versuchsflüssigkeit, ist dann schwer erkrankt, liegt auf der Seite und atmet mühsam, erholt sich aber, in frisches Wasser zurück- versetzt, innerhalb einiger Stunden restlos. 5. Versuch: Nach dem 4. Versuch wird eine nur 40 nun lange Karausche in die Lösung gebracht. Diese verliert erst nach IV4 Stun- den das Gleichgewicht, kann aber noch auf der Seite liegend schwim- men. In frischem Wasser gesundet der Fisch innerhalb 12 Stunden. 6. Versuch: In die bereits zu fünf Versuchen benutzte Secret- lösung wird auf l-y^ Stunden eine 25 mm lange Karausche gebracht. Das Tier ist dann sehr matt, erholt sich aber innerhalb 12 Stunden. 7. Versuch: 18 Stunden nach dem ersten Versuch wird in die offen verwahrte Versuchsflüssigkeit eine neue 30 mm lange Karausche ge- bracht. Nach 1 Stunde ist der Fisch sichtlich ermattet, aber noch im- stande, das Gleichgewicht zu halten und normale SchNnnnnbcwegungen auszuführen. Er stirbt in der Lösung erst nach mehreren Stunden. Das Gift hat sich offenbar bereits teilweise zersetzt, 8. Versuch: Das von sechs Käfern erhaltene Secret wird in einer wenige Kubikzentimeter Wasser fassenden Petrischale zu einem 35 mm langen Gasterosteus gebracht. Der Fisch ermattet bald und ist nach 3 Stunden tot. 9. Versuch: Am 21. Dezember 1910 werden einem mittelgroßen Rana temporaria ^ per os nacheinander ein lebendes Acilius sulcaius $ und ein A. fasciutus $ eingegeben. Beide Käfer entleeren reichlich Prothoracalsecret und werden von dem Frosch alsbald wieder aus- gebrochen. Der Frosch ermattet später etwas, erkrankt aber im übrigen nicht weiter. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Protho- racalsecret von Cybister und Acilius sich pharmakologisch von dem Gift des Dytiscus nicht wesentlich unterscheidet. Es vergiftet und tötet Aiiiplul)icn und Fisclic unter ähn- lichen Erscheinungen wie das Secret des Gclbrauds. Die Schreckdrüßen des Dytlscus und ihr Secret. 249 Vergleich des i)y^*scMS-Giftes mit anderen tierischen Giften. Beim Vergleicli des Dijtiscus-Giites mit andern tierischen Giften fielen mir in pharmakologischer Hinsicht Beziehungen zum Schlanoen- und Eidechsengift auf. Ohne daraus auf eine chemische Verwandt- schaft der Giftstoffe Schlüsse ziehen zu wollen., seien die chemisch- physiologischen Analogien hier kurz besprochen. Das Schlangengift ist eine viskose Substanz von specifischem Gewicht 1,03, die sich in Wasser zu einer opahsierenden Flüssigkeit löst und beim Stehen einen mehr oder minder voluminösen Niederschlag fallen läßt. (Faust, Tierische Gifte. Aus: Abderhaldens Handbuch.) Die wässerige Lösung zersetzt sich beim Stehen langsam und wird ungiftig. Beim Eintrocknen im Vacuumexsiccator über Schwefelsäure hinterbleibt ein Rückstand, der, ohne an Wirksamkeit einzubüßen, unbegrenzt lange haltbar ist. Dieser Trockenrückstand ist lichtgelb, eine kristallinische Natur vortäuschend. Gegen Hitze sind die meisten Schlangengifte ziemlich beständig. So wird das Gift der Colubriden durch kurzes Kochen bei 100° nicht vernichtet. ■ — Die Kenntnis von der chemischen Natur der giftigen Substanzen ist noch, sehr lückenhaft. Durch Sättigung mit Ammoniumsulphat und Magnesiumsulphat wer- den sie aus ihren Lösungen abgeschieden. Das Gift selbst scheint eiweißfrei zu sein. Seine Wirkuns,' ist sicherlich nicht fermentartiü'. Es wirkt lähmend auf das Nervensystem und ist intravenös appliziert viel gefährlicher als subcutan. 0,05 mg lähmen einen Frosch inner- halb 10 Minuten. Der Tod erfolgt erst nach 12 — 16 Stunden. Das Herz schlägt noch kräftig, wenn die vollständige Lähmung des Tieres bereits eingetreten ist. Der Tod wird bedingt durch die allgemeine Lähmung des Centralnervensystems, die mit einer curarinartigen Läh- mung der motorischen Endapparate einhergeht. Die Vergiftungs- erscheinungen gleichen denjenigen einer fortschreitenden Parese und schließlicher allgemeiner Paralyse. i ; Die Wirkung des Eidechsengiftes {Hehderma) besteht in einer sich schnell entwickelnden, wahrscheinlich centralen Lähmung, die anfänglich den Charakter einer Narkose zeigt. Die Ursache der Läh- mung ist nicht eine Folge daniederliegender Circulation : beim Frosch beobachtet man totale Lähmung, während das Herz noch schlägt. Zur Lähmung des Centralnervensystems gesellt sich später Läh- mung der motorischen Nervenendigungen, also eine curarinartige Wirkuno;. 250 Hans Bhinck, Die biologische Bedeutung des Protlio]:acalsecretes. Die älteren Autoren waren durchweg der Meinung, daß das >> mil- chige Secret« dem Gelbrand zur Verteidigung dient, ohne daß ihnen die Giftigkeit des Stoffes bekannt gewesen wäre. Frisch drückt schon 1721 (S. 33 ff.) eine dahingehende Vermutung aus, und gleichsinnige Äußerungen finden sich bei Schiödte (1841, S. 412), Harting (1870, S. 84), Leydig (1876, S. 325 Anm. 1), Zacharias (1891, Bd. II, S. 60 Anra.) und in neuerer Zeit bei Everts (1903, Suppl. S. 106), Keuss (1906, S. 264), Haupt (1907, S. 35), Kuhnt (1908, S. 141—142) und ScHMEiL (1910, S. 372). Auffallenderweise glauben gerade diejenigen Autoren, welche sich etwas näher mit dem Studium des Secrets befaßt haben, seine Bedeutung als Verteidigungsmittel leugnen und nach andern Erklärungen suchen zu müssen, Plateau (1876) schheßt auf Grund physikalisch-chemischer Studien: >>ce ne peut etre non plus un moyen de defense, car il n'est ni acide, ni fortement odorant; et, de plus la quantite secretee est trop peu abondante pour remplir un but de cette nature«. Ebensowenig kommt nach demselben Autor das Secret für den Angriff in Betracht, >>I1 est . . . impossible d'admettre que le liquide secrete par les Dytiscides soit un poison pour les autres insectes . . . le liquide laiteux des Dytiscides n'est point veneneux, il ne peut donc etre utile pour la capture de la proie.<< Zu positiven Feststelkmgen über die biologischen Aufgaben des Secrets gelangt Plateau nicht. >>I1 n'appartient probablement pas ä cet ordre d'ema- nations qui determinent la rencontre des sexes, puisqu'il ne luit pas dans l'obscurite, n'a pas d'odeur prononcee et est insoluble dans l'eau.« TöRNE (1910, S. 439) schließt sich Plateau insofern an, als er eben- falls die Bedeutung des Secrets als Verteidigungsmittel weit zurück- weist. Er vermutet: »Das in winzigen Tropfen austretende Secret niag normalerweise eine Art Firnis abgeben, die die Cuticula überzieht und sie unbenetzbar macht«. Ähnlicher Auffassung scheint, zum mindesten für Acilius, Wesenberg -Lund (1912, S. 84) zu sein, wenn ich die nachstehende Auslassung richtig deute. »Hält man Acilim einige Tage im Trockenen und legt ihn dann vorsichtig auf die Ober- fläche des Wassers, sieht man die bekannte milchige Flüssigkeit aus dem Prothorax treten. Sie fließt aus und folgt besonders den haar- bekleideten Furchen, die nun, wenn das Tier untergetaucht ist, silber- glänzend schimmern. Gleichzeitig wird die ganze Oberfläche des Wassers rings um das Tier ölartig irrisierend.<< Die eigenen Untersuchungen zwingen mich zur Ablehnung Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 251 des TÖRNE-WESENBEERG-LuNDschen Erklärungsversuches. Wie bereits Plateau (I.e.) festgestellt hat, mischt sich das Secret leicht mit Wasser und ist daher als Einfettungsmittel ganz ungeeignet. Ebensowenig kommt es — darin stinmie ich Plateau bei — als Duftstoff, als sexuelles Reizmittel oder als Angriffswaffe in Betracht. Seine physikalischen, chemischen und pharmakologischen Eigenschaften führen vielmehr mit zwingender Notwendigkeit zu der Auffassung der älteren Autoren zurück, die in dem Secret ein Verteidigungsmittel des Käfers sehen. Insbesondere die starke Giftigkeit des Secrets scheint mir kaum eine andre Deutung zuzulassen. Dazu kommt, daß das Gift sich bei beiden Geschlechtern findet, daß die Drüsen zu allen Jahreszeiten gefüllt sind und daß die Käfer während ihrer ganzen Lebensdauer Secret abscheiden. Meine frisch geschlüpften, kaum ausgefärbten Käfer lieferten ebensoviel Giftflüssigkeit wie die Zweijährigen Individuen. Erst wenn im hohen Alter ein allgemeiner Marasmus die Tiere ergreift, erlischt die secre- torische Tätigkeit der Prothoracaldrüsen. Ein aus dem Ei gezogener Dytiscus 7na,rginalis ^ lebte 2 Jahre und 5 Monate und besaß bis zu einem Vierteljahr vor seinem Tode prall gefüllte Drüsensäcke, Ein etwa gleichaltriges Weibchen, das schlecht genährt wurde, produzierte in- dessen kein Secret mehr. Gebrauch machen die Käfer von ihrem Gift ausschließlich in Fällen von Gefahr. Auch dieser Umstand spricht für unsere Auffassung von seiner Funktion. Das Secret wird nicht, wie TÖRNE (1. c.) glaubt, >>auch dann entleert, wenn der Käfer ungestört im Wasser ist«, sondern nur, wenn das Tier angegriffen, z. B, von der Hand des Menschen gefaßt wird. Der Schnabelhieb eines Huhnes oder einer Ente zeitigt den gleichen Effekt. Offenbar sucht der Käfer durch das Gift seinen Feind zu schrecken und zu verscheuchen. Frisch (1721 1. c.) vermutet bereits, daß Di/tiscus >> mit diesem garstigen Tropfen einen Hecht oder ein andres Tier innen cjuälen könnte, das ihn ver- schluckt und es dadurch zwingen, ihn wieder auszuspeyen<< . Für Frösche konnte ich diese Auffassung mit Acilius bestätigen. Ein- geführte Käfer wurden wieder ausgebrochen {Acilius, Versuch 9). Trotzdem erkrankte der Frosch nachträglich unter der Einwirkung des von den Käfern im Oesophagus entleerten Secrets. Dauernd geschädigt werden die Angreifer wohl selten, in den weitaus meisten Fällen aber verscheucht. Herr Prof. Degeener war so liebenswürdig, mir brieflich mitzuteilen, daß er im Magen großer Frösche Dytiscus- Reste gefunden hat. So leicht ist nun ein Frosch nicht imstande, einen Dytiscus zu bewältigen. Der Bissen ist zu groß und der Käfer zu fUnk. Jahrelang; habe ich Käfer und Frösche nebeneinander im 252 Hans Blunck, Aquarium gehalten, ohne dadurch einen einzigen Gelbrand zu verlieren. Wenn es wirklich einem großen Wasserfrosch gelingt, einen Gelbrand zu verschlingen, so muß es sich schon um ein geschwächtes Individuum handeln, das bei einem früheren Überfall seine flüssige Waffe bereits verbraucht hat. Daß mehrmals nacheinander angegriffene Käfer in der Tat ihren Feinden zum Opfer fallen können, habe ich selbst ])eob- achtet, zwar nicht an Fröschen, aber an unsern Wasservögeln. Am 24. Dezember 1910 setzte ich einer erwachsenen Hausente {Anas do- mestica L.) in einer Schale mit AVasser ein frisch gefangenes Weibchen von Di/tiscus marginalis L. vor. Die Ente haschte nach dem Käfer sofort mit dem Schnabel und packte ihn glücklich nach einigen Fehl- griffen. Sie suchte ihn zu verschlingen, spie ihn aber bald wieder aus. Der unverletzt gebliebene Dytiscus hatte viel Secret abgegeben und wurde von der Ente vom Boden nicht wieder aufgenommen. Der Versuch wurde mit einem zweiten Gelbrandweibchen wiederholt, dem aber vor dem Experiment das Prothoracalsecret abgezapft war. Die Ente griff auch nach diesem Tier und würgte es nach mehreren ver- geblichen Versuchen glücklich hinab. Dasselbe spielte sich mit zwei weiteren Käfern ab, die auch wiederholt ergriffen und wieder frei- oelassen wurden, bis sie ihr ganzes Secret verbraucht hatten, um dann verschlungen zu werden. Ein Haushuhn ( Gallus domesticus) sah ich einen Dytiscus dimidiatus Bergstr. erst zerhacken und dann ohne Be- schwerden verspeisen. In der Freiheit dürfte Dytiscus indessen wenig Gefahr zu derlei Abenteuern laufen. Das Haushuhn gehört nicht zu seinen natürlichen Feinden, und Enten und Frösche dürften im Schlamm des Tümpels einen einmal wieder freigegebenen Dytiscus lange suchen müssen, ehe sie ihm erneut begegnen. Fische dürften nach der ersten Bekanntschaft mit dem für sie besonders giftigen Secret von weiteren Jagden auf Dytiscus absehen. Daraufhin beobachtete Hechte nahmen den Käfer gar nicht erst an. Weitere Süßwassevbewohner, die dem Gelbrand gefährlich werden könnten, sind mir nicht bekannt. Der Kuriosität halber sei hier mitgeteilt, daß das Prothoracal- secret die Dytisciden nach dem Gesagten zwar vor der Gier ihrer tie- rischen Feinde, aber nicht immer vor dem Appetit des Menschen zu schützen weiß. Bei einigen Naturvölkern scheinen größere Dytisciden als Delikatesse zu gelten. Die Nordländer halten Dytiscus allerdings für einen gefährlichen Bissen, bei Fabricius (1780, S. 190) lesen wir über Dytiscus marginalis: >>A Grönlandis noxius pronunciatur : illo enim cum aqua ab homine inhausto, dicunt ventrem inflari et mortem praesa- gire, dum intestina omnia corrumpat morsu suo<< und bei Olafsen Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 253 (1792, S. 319) heißt es schon früher: >yDytiscus . . . wird überhaupt für ein schädliches Insekt, ja für tötend gehalten, wenn man es in sich schkickt und nicht wieder durch Erbrechen aufbringen kann.« Die Eingeborenen am oberen Bramaputra in Indien scheinen andrer An- sicht zu sein. Eye (1878, S. 232) teilt mit, daß die in ungeheuren Massen »in the dry shingle bed of Upper Bramaputra« gefundenen Wasserkäfer von den Anwohnern gekocht und als Delikatesse ver- speist werden. Die sonderbaren Feinschmecker lieben den durch das Prothoracalsecret den Käfern mitgeteilten Geschmack und nehmen schließlich >>to their intense satisfaction« selbst den Duft der Tiere an. Daß Insekten durch Secrete sich ihrer Feinde zu erwehren suchen, steht ja keineswegs vereinzelt da und ist auch unter den Käfern gar nicht so selten. Fast immer sind die ausgeschiedenen Substanzen stark riechend oder auffallend gefärbt. Es sei erinnert an den Butter- säuregeruch einiger Carabiden, an den Duft der Moschusböcke, an den Bisamgeruch von Geotrupes vernalis L., den Opiumduft der Coccinel- liden und einiger Hister- Acten (nach Weber, 1899, S. 42, Hister sinuatus und terricola), an den Gestank von Lacon murinus L., an den Duft- stoff von Ocypus olens, an die Jodabscheidung bei Paussiden und an die Gasbomben der Brachininen. Zu dem so geschützten Formenkreis gesellen sich die im eigentlichen Sinne giftigen Käfer. Lokalisiert ist der Giftstoff zumeist im Blut. Hierher gehören: Lytta vesicatoria L., C. vittata, Zonabris Cichorii, Mylabris pustulata, Epicauta adspersa, Meloe majalis L., Melolontha vulgaris Fab., die alle Cantharidin pro- duzieren, und Dimnphidia locusta, deren Larve das ungemein gefähr- liche Pfeilgift der Kalachari liefert. Zusammenfassend und abschließend kommen wir zu folgendem Resultat : Dytiscus gehört zu den passiv giftigen Tieren. Das Gift des Käfers ist in den prothoracalen Komplexdrüsen lokalisiert und wird bei Gefahr nach außen entleert. Die Angreifer werden nur ausnahmsweise dauernd geschädigt, aber in den weitaus meisten Fällen verscheucht. Der se- zernierende Apparat ist funktionell als Schreckdrüse zu bezeichnen. Neustadt i. Meckl., 21. Februar 1916. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 17 254 Hans Bhmck, Literaturverzeichnis. C. AcKBBMANN, Die Käfer. Zum Gebrauche beim Unterricht und zum Selbst- bestimmen. Hersfeld 1871. H. Bltjnck, Zur Kenntnis der Natur und Herkunft des »milchigen Secrets« am Prothorax des Dytiscus marginalis L. In: Zool. Anz. Bd. XXXVII. S. 112—113. Leipzig 1911. — Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. 1. Teil. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. C. Heft 3. S. 493—508. Leipzig 1912. — Das Leben des Gelbrands (Dytiscus L.) (ohne die Metamorphose). Vorläufige Zusammenstellung. In: Zool. Anz. Bd. XLVI. S. 271 — 296. Leipzig 1916. H. BuBMEiSTEB, Handbuch der Entomologie. Bd. I. Berlin 1832. A. Caspee, Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus marginalis L. Ein Beitrag zum feineren Bau des Insektenkörpers. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. CVII. Heft 3. S. 387—508. Leipzig 1913. C. Claus, Über die Seitendrüsen der Larve von Chrysomela popuü. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XL S. 309—314. Taf. XXV. Leipzig 1861. J. EvERTS, Coleoptera Neerlandica. Suppl. : Lichaamsbouw, ontwikkeling en verbHjf. 's Gravenhage 1903. O. FABRicnJS, Fauna Grönlandica. Hafniae et Lipsiae 1780. E. S. Faust, Tierische Gifte. In: Die Wissenschaft. 9. Heft. Braunschweig 1906. W. V. Feickbn, Die Käfer des Wassers. In: Natur und Offenbarung. Bd. XVI. S. 470—480 und 498—504. Münster 1870. — Naturgeschichte der in Deutschland einheimischen Käfer. 4. Aufl. Werl 1885. J. Frisch, Beschreibung von aUerley Insekten in Teutsch-Land.- IL Teil. Berlin 1721. P. Harting, Leerboek van de grondbeginselen der Dierkunde. 3. Deel. 1. Afd. Tiel 1870. H. Haupt, Zur Biologie des Gelbrandes (Dytiscus). 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Tage zuvor von 14 Stück Dytiscvs marinalis var. semistriatus $ gewoimenen Secret versetzten Lösung. Das Secret wurde vor dem Versuch auf etwa 100° erhitzt. I Tafel IV. Kurve III. (S.230.) Die Kurve ist aufgezeichnet von dem überlebenden Herzen eines ungarischen Rana esculenta $. Das Herz pulsiert anfangs in reiner LocKE- scher Lösung (LocKES), dann (Gift) in derselben Giftlösung wie das Herz in Kurve IL Das nach 53 Min. stehende Herz wird mit LocKEscher Lösung (Lockes) und durch Sauerstoffzufuhr wieder entgiftet (Luft) und mit Kampher (K) sowie mechanisch (1. E. u. 2. R.) gereizt. 17* 256 Hans Bhinck, Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Secret. Tafel V. Kurve IV. (S. 231.) Aufgezeichnet von einem geschlechtsreif en Rana tempo- raria $. Das Herz pulsiert anfangs (Lockes) in reiner, dann (Gift) in vergifteter LocKEScher Lösung. Es kommt nach 35 Min. zum Stillstand und wird dann durch Entgiftung (Lockes, Luft) und Reizmittel (Kampher, 1. — 5. mechanische Reizung) erneut in Tätigkeit gesetzt, bis es nach 64 Min. stirbt. Mit derselben Giftlösung ist vor diesem bereits ein andres Herz vergiftet worden. Tafel VI. Kurve V. (S. 231.) Die Kurve ist aufgezeichnet vom überlebenden Herzen eines Rana temporaria $. Das Herz pulsiert zunächst 5 Min. m 5 ccm reiner Locke- scher Lösung (Lockes), dann (Gift) in derselben Lösung nach Zusatz des 48 Stunden zuvor gewonnenen Secrets von 4 Stück Dytiscus marginalis. 6 Min. nach Beginn der Vergiftung steht das Herz, erholt sich aber in LocKEScher Lösung wieder, wird erneut vergiftet und so fort, bis es nach fünfmahger Vergiftung 105 Min. nach der ersten Vergiftung stirbt. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas (Col., Staphylinidae). [218, Beitrag zur Kenntnis der Myrmekophilen.] Von E. Wasmann, S. J. (Valkenburg, L. Holland.) Mit Tafeln VII— X. ~ Inhaltsverzeichnis. se^e Übersicht der Kapitel und Einleitung 259 1. Myrmechusa Kolili n. sp., ein neuer Vertreter des Symphilentypus der Anommagäste (Taf. VII, Fig. 1—7) 262 Beschreibung von Myrmecliusa Kohli (Taf. VII, Fig. 1 und 2) und Ver- gleich mit M. mirabilis Wasm. (Taf. VII, Fig. 3) 262 Zur Gattungsdiagnose von Myrmecluisa (Taf. VII, Fig. 4 — 7). . . . 263 Verwandtschaftsbeziehungen von Myrmechusa 265 - Myrmedonia scorpio n. sp 269 2. Zwei neue Gattungen der Myrmedoniini und ihre Beziehungen zu Myr- mecJmsa (Taf. VII, Fig. 8— 11). 269 Trichodonia n. gen. Aleocharinarum (Taf. VII, Fig. 8 und 9) . . . . 269 Trichodonia setigera, laticollis und Schwabi nn. spsp 270 271 AcantJionia n. gen. Aleocharinarum (Taf. VII, Fig. 10 und 11) . . . 272 Acanthonia gigantea n. sp 274 3. Dromanomma, ein neuer Vertreter des Mimikrytypus der Dorylinengäste 275 Dromanomma n. gen. Aleocharinarum (Myrmedoniinorum) (Taf. VII, Fig. 12 und 13) 275 Dromanomma hirtum n. sp 276 Verwandtschaftsbeziehungen von Dromanomma 278 4. Dorylocratus rex, ein neuer, aus dem Mimikrytypus von Dorylomimus her- vorgegangener hochentwickelter Symphilentypus (Taf. VIII, Fig. 14 — 23) 279 Theoretische Fragestellung bezügUch dieses Entwicklungsganges . . 280 Dorylocratus n. gen. Aleocharinarum 281 Dorylocratus rex n. sp. (Taf. VIII, Fig. 14—20) 281 Nähere Beschreibung von Dorylocratus 282 Kopf, Fühler, Mundteüe 283 Prothorax und Flügeldecken 284 285 Hinterleib und Exsudatbüschel desselben 285 Beine 287 258 E. Wasmann, Seite Von Trichomen abgeleitete membranose Haftapparate an den Beinen dorylophiler Staphyliniden Afrikas. Hafthaare, Haftlappen, Haft- polster (Taf. VIII, Fig. 21—23) ' 288 5. DieZwevgg&ttungDort/lonannusund dorTribus derDorylomimini (Taf. VIII, Fig. 14—25) 290 Dorylonannus n. gen. Aleochariaarum (Taf. VIII, Fig. 24 u. 24a) . . . 290 Der Tribus der Dorylomimini und Übersicht der Gattungen 292 Die stammesgeschichtUchen Beziehungen zwischen Z>ori/Zo«itmM5, Dorylo- cratns und Dorylonannus 294 6. Übersicht der Dorylomimvs-Arten (Taf. VIII, Fig. 25, Taf. IX, Fig. 26) . 296 Dorylomirmis Eolili Wasra., Form vestitus und nudus (Taf. VIII, Fig. 25, Taf. IX, Fig. 26); D. hrevicornis, laticeps, hreviceps nn. spsp. . . . 296 Bemerkungen zu den einzelnen Arten 298 7. Dorylobadrus, eine neue Aleocharinengattung des Mimikrytypus und ihre Beziehungen zu Dorylostethus und Mimanomma (Taf. IX, Fig. 27 und 28) 301 Dichotomische Übersicht der Gattungen Mimanomma, Dorylohactrus, Dorylostethus und ihrer Arten 302 Dorylobadrus Schwabi n. sp. (Taf. IX, Fig. 28) 304 Die stammesgeschichtUchen Beziehungen von Dorylobadrus zu Dory- lostetMis und Mimanomma 305 8. Eupygostenus, eine neue Gattung des Trutztypus der Pygosteninae (Taf. IX, Fig. 29) 308 Ewpygostenus E scher ichi n. sp 309 Nähere Beschreibung der Gattung und Art 310 9. Zur Gattung Sympolemon und ihrem Symphüentypus (Taf. IX, Fig. 30) 311 Verbreitung und Konstanz von Sympolemon anommatis Wasm. . .313 10. Neue Verwandte von Sympolemon und ihre Beziehungen zu Anommato- philus und Pygostenus (Taf. IX, Fig. 30—34) 314 Übersichtstabelle der Gattungen und Untergattungen 315 Eupolemon n. gen. costatus n. sp. (Taf. IX, Fig. 31) und hospes n. s^). 317 Micropolemon n. gen., subgenera 3Iicropolemon, Anapolemon und Hemipolemon 318 Zu Micropolemon tiro ( »Sympolemon tiro « 1904) Wasm. (Taf. IX, Fig. 32) 319 Micropolemon (Anapolemon) cornutus n. sp. (Taf. IX, Fig. 33) .... 320 Micropolemon {Hemipolemon) planicollis n. sp. (Taf, IX, Fig. 34) und var. Schwabi n. var 321 Nannostenus n. gen. pusillus W&sm. {»Pygostenus pusillus« W&sm. 1904) 321 Zusammenfassung über den Verwandtschaf tskrei ; von Sjmpolemon . 322 11. Die verschiedenen Entwicklungswege der Symphiüe unter den dorylopbilen Staphyliniden 323 I. Vom Mimikrytypus ausgehend 324 II. Vom Trutztypus ausgehend 326 III. Vom indifferenten Typus ausgehend 327 Zusammenfassung 327 12. Phyllodinarda, ein neuer Vertreter des extremsten Trutztypus unter den dorylopbilen Aleocharinen 328 Phyllodinarda n. gen 329 Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 259 Seite Ph. xenocephala n. sp. (Taf. IX, Fig. 35, 36) und Kohli n. sp. (Taf. IX, Fig. 37—44; Taf. X, Fig. 45—51) 330 13. Näheres zur Morphologie von Phyllodinarda (Taf. IX, Fig. 35 — 44; Taf. X, Fig. 45—51) 331 a) Kopf, Fühler, Mundteile 331 b) Halsschild, Flügeldecken, Flügel 334 c) Hinterleib, Oberflächenskulptur, Beine 336 d) Die Keulenborsten auf Kopf, Halsschild und Flügeldecken . . . 337 e) Die Drüsenzellen an der Basis der Keulenborsten 339 14. Vergleich der Gattung Phyllodinarda mit andern Gattungen und Gruppen der Staphyliniden, speziell des Trutztypus 341 a) Vergleich mit Trilobitideus Raffr. und der Unterfamilie der Trilobi- tideinae {Trilobitideidae Fauv.) 341 b) Mit der Unterfamilie der Aleocharüiae. Phyllodinarda muß einen eigenen Tribus derselben (Phyllodinardini) bUden 343 c) Mit dem »Tribus« der Dinardini unter den Aleocharinae .... 343 d) Mit den CepJmloplectinae Sharp {Xenocephalinae Wasm.) .... 346 e) Mit den Termitodiscinae 346 f ) Mit den Trichopsenini und den Termitopsenini 347 15. Übersicht über die verschiedenen Entwicklungswege und Entwicklungsfor- men des Trutztypus bei den myrmekophUen u. termitophilen Staphyliniden 349 Zusammenfassung und Vergleich mit dem Mimikry typus 351 16. Übersicht der Trilobitideus-Arten mit Beschreibung einer neuen Art . . 351 Trilobitideus singularis n. sp. (Taf. X, Fig. 52) 353 Literaturverzeichnis 353 Erklärung der Abbildungen 357 Einleitung. Die Gäste der afrikamschen Wanderameisen aus den Gattungen Dorylus F. und Aenictus Shuck., namentlich aber jene der oberirdisch wandernden Treiberameisen {Dorylus subgen. Anomma Shuck.) stehen sowohl hinsichtlich ihrer Zahl als auch in bezug auf den Keichtum und die Mannigfaltigkeit ihrer Anpassungsformen, die insbesondere in der Käferfamilie der Kurzf lügler (Staphylinidae) vertreten sind, obenan nicht bloß unter allen afrikanischen Ameisengästen, sondern unter allen Myrmekophilen schlecht hin^. Den .4nomma-Gästen zunächst kommen hierin die Gäste der neotropischen Wanderameisengattung Eciton Latr. und ihrer Untergattungen Lahidus Jur. und Acamatus Em. Die paradoxe Erscheinung, daß gerade die räuberischen Wander- 1 Zur Orientierung über meine Arbeiten über Dorylinengäste s. das Lite- raturverzeichnis am Schlüsse dieser Arbeit. Die Arbeiten andrer Autoron sind an den betreffenden Stellen des Textes zitiert. 260 E. Wasmann, ameisen auf ihren Jagdzügen, die unter der ganzen übrigen Kleintier- welt Tod und Verderben verbreiten, eine so große Menge von »Jagd- gästen <>Siafu<<, Anomma Burmeisteri molesta Gerst. Am Seitenrand des Halsschildes von Myrmechusa Kohli stehen jederseits zehn der nach außen gerichteten langen schwarzen Rand- borsten (Taf . VII, Fig. 1 a); jederseits von der gewölbten Scheibe steht außerdem noch eine. Zur Grattungsbeschreibung von Myrmechusa (Nr. 165, 1908) seien hier noch einige Ergäruzungen gegeben auf Grund der Untersuchun- gen an M. Kohli. Die äußerst schlanken, weit vorragenden Kiefer- taster sind schon in der Ganzansicht des Tieres Taf. VII, Fig. 1 sicht- bar. Später wurden von der bereits getrockneten (montierten) Type die unteren Mundteile abpräpariert, in Alaunkarmin-Eosin gefärbt und photographiert. Das nükroskopische Präparat der Unterkiefer (Taf. VII, Fig. 5) zeigt, daß die äußere Lade fast linienförmig schmal und in der oberen Hälfte ziemlich dünn bewimpert ist; die innere Lade ist nur wenig kürzer und breiter, mit namentlich gegen die Spitze hin sehr dicht bewimpertem, aber nicht bedorntem Innenrande. An 1 Wahrscheinlich gehört zur Gattung Myrmechusa auch Myrmedonia Brunni Eiche Ib. vom Kilimandjaro (Wissensch. Ergebnisse der schwedischen zool. Expedi- tion nach dem Kilimandjaro usw., 7. Coleoptera, 8. Staphylinidae, von Fe. Eichel- BAUM, Upsala 1908, S. 92). Nach der Beschreibung unterscheidet sie sich von den beiden obigen Arten durch nach hinten verengten Hinterleib und schmalere Ge- stalt. Nach Sjöstedts Mitteilung über die Maße der Type im Riksmuseum zu Stockholm ist sie 8 mm lang und nur 2,6 mm breit. Wirtsangabe fehlt. 264 E. Wasmann, den viergliedrigen Kiefertastern (Taf. VII, Fig. 5 mj)) fällt die außer- ordentliche Länge des 3. Gliedes auf, sowie je zwei sehr lange schwarze Borsten oberhalb der Mitte der Außenseite desselben, die von der übrigen gewöhnlichen Beborstung der Taster, die hier gelb ist, scharf sich ab- heben; vier ebensolche lange Borsten stehen auch auf dem Stipes der Unterkiefer. Die Unterlippe (Taf. VII, Fig. 6 und?) zeigt neben dem schmalen, konischen, an der Spitze gespaltenen (zweilappigen) Mittel- stück der Zunge (2;) je ein scheibenförmiges, dünnhäutigeres Seitenstück (s), das auf dem Präpai^at (wegen der früheren Eintrocknung) teilweise verbogen und geschrumpft ist. Die Nebenzungen (Paraglossen, f) sind kaum kürzer als das Mittelstück der Zunge, nach innen lappig erweitert, an der Spitze und am umgeschlagenen Außenrande (der den scheinbaren Innenrand der eigentlichen Paraglossen bildet) nur sehr kurz und fein bewimpert. Um die auf der Photographie des Präparates (Taf. VII, Fig. 6) durch die Eintrocknung etwas unklar gewordenen Verhältnisse der Teile des Vorderrandes der Unterhppe, namentlich die Seitenlappen der Zunge, deutlicher zu machen, habe ich dieselben durch eine Zeichnung mit der AsBEschen Kamera zu rekonstruieren gesucht (Taf. VII, Fig. 7). Hoffentlich wird es später an frischen Exem- plaren möglich sein, vollkomm.en unversehrte Präparate der Unter- lippe zu erhalten. Jedenfalls weist die Bildung der seitlichen Zungen- teile und die nach innen erweiterten Nebenzungen auf symphile Er- nährungsweise, d. h. auf Fütterung der Käfer aus dem Munde der Ameisen hin, wenn auch nicht in so hohem Grade wie bei Sympolemon^ , der ebenfalls zu den echten ^womwa-Gästen gehört. Die Lippen - taster sind zwar viel schlanker als bei Sympolemon, aber immerhin kürzer als bei Myrmedonia und der unten folgenden neuen Gattung Trichodonia (Taf. VII, Fig. 8). Die außerordentliche Länge der Kiefer taster geht aus den Photo- graphien zur Genüge hervor. Man vergleiche die Kiefertaster (Taf. VII, Fig. 5 mp) mit den in derselben Vergrößerung aufgenommenen Lippen- tastern von Myrmechusa (Taf. VII, Fig. 6 Ip) sowie mit den Verhält- nissen bei Trichodonia (Taf. VII, Fig. 9) und Amntlionia (Taf. VII, Fig. 11). Vielleicht hat bei Myrmechusa die Länge der Maxillarpalpen eine Beziehung zur Fütterung durch die Ameisen, indem sie zur Auf- forderung zur Fütterung durch Streicheln des Mundes der Wirte dienen, ähnlich wie ich es 1896 für die starke Entwicklung der Kiefertaster bei termitophilen physogastren Aleocharinen annahm (Nr. 51, S. 421). 1 Vgl. die Unterüppe von Sympolemon in Nr. 114 (1900) Taf. XIV, Fig. 18a öiehe ferner unten, Kap. 9. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 265 Die Vorder- und Hinterliüften von Myrmechusa berühren ein- ander, die Mittelhüften sind voneinander schwach getrennt. Die Hinterleibs form gleicht zwar in der starken Breitenentwicklung und in den sehr breiten, aufgebogenen Seitenrändern der Gattung Lomechusa, ist aber insofern ganz verschieden, als gelbe Haarbüschel an den Seitenzipfeln der Segmente völlig fehlen. Ferner wird der Hinterleib, wie auch P. Kohl mir mündlich mitteilte, nicht aufgerollt getragen wie bei Lomechusa, sondern fast gerade ausgestreckt. Die Seitenecken des 6. freien Dorsalsegments sind bei Myrmechusa in einen langen, horizontalen Dorn ausgezogen (Taf. VII, Fig. 4:d). Dadurch erinnert die Hinterleibsbildung an manche männliche Myrmedonien; da jedoch derselbe Dorn bei M. Kohli und mirahilis sich findet und zwar an der nämlichen Stelle (vgl. Taf. VII, Fig. 1 und 2 mit 3), handelt es sich hier um ein gener isches Merkmal (siehe unten). Sehr merk- würdig ist das in dem Präparate etwas eingezogene und schräg ver- schobene 7. Dorsalsegment bei M. Kohli. Dasselbe endet in einen dreilappigen, stark chitinisierten, rauh längsgestreiften Vorsprung (Taf. VII, Fig. 4 an); der mittlere Lappen ist etwas länger als die beiden seitlichen, und alle drei Lappen sind mit sehr dicken, aber kurzen, schwarzen Borsten besetzt, ähnhch wie sie am Analsegment vieler Pygosteninae (am stärksten bei Boryloxenus) sich finden. Die Lappen selber erinnern an die Bildung des letzten Dorsalsegments bei manchen Tachyforinae (z. B. Tachmus). Bei Myrmechusa mirahilis dagegen ist das 7. Dorsalsegment hinten einfach, flach bogenförmig, wie auch aus den drei Abbildungen der Type, nämlich aus der kolorierten Original- zeichnung d'Aprevals 1881 (von mir 1908, Nr. 165, S. 38 unkoloriert wiedergegeben), aus meiner Originalzeichnung von 1909 (Nr. 164, Taf. V, Fig. 2) und aus meiner Photographie von 1908 (siehe Taf. VII, Fig. 3) hervorgeht. Wahrscheinhch ist die Type von Myrmechusa Kohli ein Männchen, jene von mirahilis ein Weibchen, wodurch die verschiedene Bildung des letzten Dorsalsegments nach der Analogie mancher Myrmedonien sich erklären ließe. Dann ist aber der oben- erwähnte Dorn an der Seite des Hinterrandes des 6. Tergits sicher nicht als sexuelles, sondern als generisches Merkmal aufzufassen, da er bei der Type beider Arten sich findet. Die Verwandtschaftsbeziehungen von Myrmechusa. Daß diese Gattung zum Tribus der Myrmedoniini gehört, steht außer Zweifel. Aber als eine reelle Übergangsform, als ein phy- logenetisches Zwischenglied zwischen Myrmedonia und Lome- 266 E. Wasmann, chusa, wie ich 1908 und 1909^ zu glauben geneigt war, kann sie nicht gelten. Schon damals äußerte ich Zweifel darüber, ob diese Gattung »direkt stammesverwandt ist mit den Lomechusini, oder ob sie bloß eine analoge Anpassungsform darstellt, die auf einer niedrigeren Stufe des echten Gastverhältnisses stehen blieb«. Damals hielt ich ersteres für wahrscheinlicher, heute ist mir letzteres zur Gewißheit geworden. Wäre Myrmechusa ein stammesgschichtliches Übergangs- glied zwischen Myrmedonia und den Lomechusini, so müßte man we- nigstens eine der drei Gattungen Lomechusa, Atemeies und Xenodusa (einschließlich des Subgenus Pseudolomechusa Mann) direkt von Myr- mechusa ableiten können. Dies ist jedoch ausgeschlossen wegen der vorliegenden Spezialisationskreuzungen. Die Längenentwicklung der Fühler ist bei Myrmechusa weiter fortgeschritten als selbst bei Xeno- dusa, von der querelliptischen Halsschildform von Myrmechusa läßt sich die quertrapezförmige bis fast halbkreisförmige der Lomechusini nicht ableiten, da die vortretenden Hinterecken der letzteren einer ganz andern Entwicklungsrichtung angehören^. Die Aushöhlung der Hals- schildseiten bei beiden Gruppen ist ein mit dem echten Gastverhältnis zusammenhängender Anpassungscharakter, der auch bei Symphilen aus ganz andern Käferfamilien (bei vielen Pleurofterus unter den Paussiden, bei Lomechon unter den Silphiden usw.) sich findet. Die Breitenentwicklung des Hinterleibes und der Seitenränder desselben ist bei Myrmechusa ebenso wie bei den Lomechusini gleichfalls ein An- passungscharakter an das echte Gastverhältnis ; die Entwicklungs- richtung in bezug auf die Trichombildungen ist jedoch bei beiden eine ganz verschiedene, indem gelbe Haarbüschel an den Seitenzipfeln der Abdominalsegmente vollständig fehlen und dafür der ganze Körper seitlich mit sehr langen schwarzen Borsten besetzt ist. Während ferner die eigentümlichen Trichombüschel der Lomechusini zu den symphilen Exsudatorganen gehören^, an denen die Käfer von ihren Wirten beleckt werden, findet sich bei Myrmechusa nur in den anliegenden gelben Börstchen der Flügeldecken und des Hinterleibs eine schwache Andeutung von Exsudattrichomen, während die langen schwarzen Borsten, die den ganzen Körper gleichsam umrahmen, wahrscheinlich Tastborsten sind, welche dem Käfer im Verkehr mit seinen wilden 1 Nr. 165, S. 41 und Nr. 164, S. 179. 2 Vgl. hierzu die Pliotographien in Nr. 184, pl. XIII, fig. 16 und pl. XIV, fig. 13 und 15; Nr. 205, Taf. IX, Fig. 5—8. 3 Als Reizorgane und Verdunstungsorgane des Sekrets. Vgl. Nr. 134, S. 69ff., 169ff. Neue Anpa ssiingstypen bei Dorylinengästen Afrikas U8w. 267 Wirten als aktive und passive Schutzorgane dienen; da diese Borsten sehr leicht abbrechen, wie ich an den Typen beider Arten erfuhr, bleiben sie bei einem gelegentlichen feindhchen Angriffe zwischen den Kiefern der Ameise, während der Käfer unversehrt entkommen kann. Das breit ausgehöhlte Halsschild und die Form des Hinterleibes deuten allerdings auf die Beleckung des Käfers durch seine "Wirte einiger- maßen hin, ebenso wie die sehr schlanke Fühlerbildung auf einen ak- tiven Fühlerverkehr und die Form der Mundteile auf eine Fütterung aus dem Munde der Ameisen hindeuten. Aber die Spezialisierung der Mundteile ist eine ganz andre als bei den Lomechusini, wo die Taster viel kürzer sind und das Mittelstück der Zunge verbreitert ist auf Kosten der Seitenteile, bei Myrmechusa dagegen umgekehrt. Mit Myrmedonia ist Myrmechusa wohl sicher stammesverwandt, aber nicht unmittelbar von ihr abzuleiten. Wir müssen unter der großen Mannigfaltigkeit der Myrmedonia-Y eiw&ndten Zwischenglieder suchen, welche uns wenigstens andeuten, auf welchem Wege der Myr- mechusa-Tj^us sich entwickelt hat. Zuerst dachte ich an die Gattung Adda'¥8i\w. (Kev. d'Entomol. 1900, p. 74), welche eine kurze, gedrun- gene Körpergestalt und ein sehr breites Halsschild besitzt i. Aber die Fühler und Beine sind bei dieser Gattung sehr kurz, das Hals- schild nicht querelhptisch und seitlich nicht ausgehöhlt, auch fehlen die langen Seitenborsten des Körpers. Der Anschluß an Myrmechusa muß wohl durch andre Formen vermittelt werden, und zwar wahr- scheinlich durch solche Myrmedoniini, die als Anommu-Gäste in Afrika leben und auf einer tieferen Stufe einer ähnlichen Anpassungsrichtung stehen geblieben sind. Die neuen, im zweiten Kapitel der vorhegenden Arbeit beschriebenen Gattungen Trichodonia (Taf. VII, Fig. 8) und Acanthonia (Taf. VII, Fig. 10) scheinen mir einer Entwicklungsbahn anzugehören, welche Myrmechusa früher in ähnlicher Richtung durch- laufen hat. Ich sehe also diese Gattungen nicht als >> Ahnen << von Myrmechusa an, sondern nur als Vertreter von Entwicklungsstuf en, welche von dem bereits sehr alten, schon im unteren Oligocän des bal- tischen Bernsteins vorkommenden Myrrnedonia-Hy^us, ausgehend, im Laufe der Stammesentwicklung durch Anpassung an die dorylophile Lebensweise zu Formen geführt haben, die gleichsam »Vorläufer« von Myrmechusa genannt werden können. Bei Trichodonia (Taf. VII, Fig. 8) finden wir zwar einen sehr schlanken Hinterleib, der in starkem Gegensatz zu dem kurzen und 1 Nahe Verwandte derselben sind auch unter den .4»omma-Gästen von P. Kohl vertreten. 268 E. Wasmann, breiten Abdomen von Myrmechusa steht. Aber eine Umbildung der Hinterleibsform infolge biologischer Anpassung ist bei der freien Be- weglichkeit der Hinterleibsringe leichter möglich als eine Umbildung andrer Körperteile. Das Halsschild ist ähnlich Myrmechusa in der breit querelliptischen Gestalt, aber seitlich nicht ausgehöhlt, sondern nur schwach aufgebogen, gewissermaßen eine beginnende Aushöhlung andeutend. Die Fühler sind viel kürzer als bei Myrmechusa und schwach gekniet, aber die außergewöhnliche Länge des Endgliedes deutet gleich- sam eine Tendenz zur Verlängerung der Fühler an. Der ganze Körper ist ringsum mit langen schwarzen Borsten besetzt, ähnlich wie Myr- mechusa. Die Beine sind ebenfalls ähnlich jener Gattung, aber nicht so schlank. Die Form der Unterkiefer und Kiefertaster ist gleichfalls ähnlich, die äußere Unterkieferlade und die Lippentaster jedoch viel schlanker, die Zunge, fast wie bei Myrmedonia gebildet (Taf. Vn,Fig. 9 z). Die Umbildung der Unterlippe in symphiler Eichtung hat hier noch nicht begonnen. Bei Acanthonia (Taf. VII, Fig. 10) finden wir einige weitere Ähnlichkeiten mit Myrmechusa. Der Hinterleib ist kürzer und mehr parallel als bei Trichodonia, das querelliptische Hals- schild seitlich deutlich ausgehöhlt. Die schwarzen Randborsten des ganzen Körpers sind auch hier zahlreich vorhanden, aber im Verhältnis zur Körpergröße des Tieres (11 mm) relativ kürzer und deshalb auf der Photographie (Taf. VII, Fig. 10) wenig sichtbar. Am 5. freien Dorsal- segment steht an den Hinterecken ein kurzer Dorn. Die Fühler scheinen sehr schlank zu sein, was man allerdings nur aus den ersten sechs Gliedern schließen kann, da die vordere Fühlerhälfte bei beiden Exemplaren fehlt (durch die Ameisen verstümmelt?); jedenfalls sind sie stärker verlängert als bei Trichodonia. An der Unterlippe (Taf. VII, Fig. 11) ist der mittlere Zungenlappen ähnlich wie bei Myrmechusa, die Seitenlappen jedoch nicht entwickelt. Die Lippentaster sind kürzer als bei Trichodonia, ähnlich jenen von Myrmechusa. Die Verstümm- lung der Fühler und zum Teil auch der Tarsen von Acanthonia macht den Eindruck, als ob die symphile AYeiterentwicklung dieser Gattung durch die unverhältnismäßige Steigerung der Körpergröße, welche die feindliche Aufmerksamkeit der Ameisen zu sehr erregte, auf ein totes Geleise geraten sei. Die Diagnosen von Trichodonia und Acan- thonia und ihrer Arten folgen im zweiten Kapitel. Ein Vergleich des Symphilentypus von Myrmechusa mit den übrigen Symphilentypen unter den dorylophilen Staphyhniden wird im 11. Kapitel der vorliegenden Arbeit gegeben werden. Es sei noch bemerkt, daß die einzige Type von Myrmechusa Kohli zwar in einem Nene Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 269 Zuge von Anomma WilverfJti gefangen wurde; aber es stellt nicht fest, ob dieser Zug ein Jagdzug der Treiberameise war oder ein Umzug, auf dem auch die Brut mitgetragen wird von einem temporären Neste zum andern, und auf dem auch die Nestgäste von Anomma ihre Wirte begleiten. Die Länge der Fühler und Beine von Myrmechusa und die starke Entwicklung der Kandborsten des Körpers spricht eher dafür, daß sie zu den Jagdgästen von Anomma gehöre. Dagegen hat sie in Größe und Färbung einige Ähnlichkeit mit Myrmeäonia scorpio'^, die von E. LujA 1906 am unteren Kongo (Kondue, Bez. Kassai) in größerer Anzahl in einem Neste von Ano7nma Wilverthi Em. gefunden wurde. 2. Zwei neue Gattungen der Myrmedoniini und ihre Beziehungen zu Myrmechusa. Dieselben vermitteln in mancher Beziehung zwischen Myrmedonia und Myrmechusa und geben uns einige Anhaltspunkte dafür, wie aus dem indifferenten Typus von Myrmedonia der Symphilentypus von Myrmechusa sich entwickelt haben kann. (Siehe oben S. 267 ff.) Trichodonia^, n. gen. Aleocharmarum (Tribus Myrmedoniini). (Taf. VII, Fig. 8 und 9.) Corporis forma elongata, capite transverso, postice haud angustato;, oculis permagnis. Antennae 11-articulatae, subfractae, articulo ultimo perlongo. Prothorax capite multo latior, valde transversus, angulis Omnibus rotundatis (transversim ellipticus), in medio convexus, 1 Myrmedonia scorpio (Fauv. i, I.) n. sp. Lata, rufotestacea, subopaea, capite et thoracis disco nigris, abdomine medio paulo infuscato, antennis pedibusque brunneis; dense coriaceoiiunctata. Caput transversum, grossius dense punctatum, fronte tota in medio longitudinaliter eanaliculata. Protliorax capite plus duplo latior, valde convexus, longitudine fere duplo latior, angulis anticis subobtusis, posticis omnino obtusis, lateribus basin versus paulo dilatatis. Elytra thorace paulo angustiora et breviora. Abdomen obconicum, late marginatum. Antennae pedesque breves; tibiae spi- nulosae. Antennarum artic. 2° et 3° latitudine duplo longioribus, 4° latitudine sesqui longiore, sequentibus sensim brevioribus, 8 — 10 transversis, 12° brevi, conico. Long. 7,5 — 9 mm, lat. 2 — 2,5 mm. mm, lat. 1,5 mm. Ein Exemplar, mit teilweise defekten Seitenborsten, in einem Zuge ^on Anomma Sjöstedti Em. 8. Mai 1913, Groß-Batanga, Kamerun, ron Geo Schwab gefangen. Ich benenne die Art zu Ehren des Ent- leckers. ^ Eines deraelben noch völlig unausgefärbt. 2 Siehe S. 270 Anmerkung 1. 18* 272 E. Wasmann, Zur leichteren Unterscheidung der drei sehr ähnlichen Arten diene folgende Übersicht: 1. Trichodonia setigera. Vorderkörper etwas schmaler, Färbung dunkelpechbraun, mit erzglänzenden Flügeldecken, schwarzem Kopf, rotgelben Halsschildseiten und rötlicher Basis der ersten drei bis vier freien Dorsalsegmente, die zweite Hälfte des Hinterleibs ganz schwarz- braun oder pechbraun. Vorletztes Fühlerglied quadratisch, nicht länger als breit. Seitenborsten der Flügeldecken je vier; diese stark glänzend wegen der spärlichen Pubescenz. 2. Trichodonia hticollis. Vorderkörper etwas breiter, Färbung heller, dunkelgelbbraun, mit schwarzem Kopf und braunen, nicht erz- glänzenden Flügeldecken, Halsschild ringsum gelbbraun, Basalhälfte des Hinterleibs ganz gelbbraun, die Kinge der ßpitzenhälfte mit gelb- braunem Basalrand. Vorletztes Fühlerglied ein wenig länger als breit. Seitenborsten der Flügeldecken je sechs, diese wegen der dichteren anliegenden Behaarung schwächer glänzend. 3. Trichodonia Schwabi. Etwas größer und namentlich in den Flügeldecken breiter als die vorhergehenden, Kopf schwarz, Flügel- decken erzglänzend schwarz, Halsschild und Hinterleib einfarbig dunkelgelbbraun. Anhegende Behaarung der Flügeldecken ziemlich lang, aber nicht dicht; diese daher stark glänzend. Fühler länger, auch das 9. Glied noch doppelt so lang wie breit, das 10. um die Hälfte länger als breit, das 11. daher nur so lang wie die drei (nicht wie die vier) vor- hergehenden zusammen. Auch durch die Färbung von Halsschild und Flügeldecken (einfarbig gelbbraun) von den vorigen Arten verschieden. Acanfhonin'^ n. g. AJeocharinaruyn (Tribus Myrmedoniini). {Tai. VII, Fig. 10 und 11.) Generi Trichodonia Wasm. vicina, sed corporis forma magis parallela, plana, Myrmedoniae latae et quasi depressae similis. Caput transversum, breve, postice haud angustatum, fronte depressa, oculis permagnis. Antennae vix fractae, graciles. Prothorax capite multo latior, transversim elhpticus, margine antico recto, lateribus late elevatis et excavatis. Scutellum parvum, trianguläre. Elytra tho- race vix latiora, sed paulo longiora, margine postico recto. Abdomen parallelum, planum, marginatum. Totum corpus setis longis \ nigris circumcinctum. Pedes longi, femora compressa et curvata, tibiae dense setosae (setis flavis, l)revibus), apice bispinosae. Tarsi 1 (''.x((i''d('., der Dorn, wegen der staclieligen Beliaarung. Neue x-lnpassungstypen bei D orylinengästeu Afrikas usw. 273 antici 4-, medii et postici 5-ai'ticuIati, posteriorum art. 1 ° elongato. tribus sequentibus unitis longiore. Oris partes: Mandibulae validae, aciitae. Labnini latum, apice haiid emarginatum. Maxillae (Taf. VII, Fig. 11) longae et aiigustae, exterior triente longior interiore; exterior apice breviter barbata, in- terior intus tota flavociliata, ciliis in parte apicali densibus et bre- vibus, in parte basali rarioribiis sed perlongis; palpi maxillares 4- articulati, graciles, art. 3° paiilo tantum longiore 2°, 4° brevi, conico. Labium (Taf. VII, Fig. 11) ligiila sat lata, apice rotundata et breviter incisa; paraglossae ligiila paulo breviores, apice parce flavosetosae, intus dilatatae, sed a ligula distantes (vgl. dagegen die Bildung der Unterlippe von Myrmechusa Taf. VII, Fig. 6 und 7 und S. 264); palpi labiales 3-articulati, breves et crassi, art. 3° dimidio breviore 2°. 1 Von der Gattung Diflopleurus Bernhauer i, welcher sie durch das ausgehöhlte Halsschild ein wenig gleicht, durch das viel breitere Hals- schild und die normal gebildeten Epipleuren desselben verschieden. Auch mit Mynnedonia [Zyras) lomechusina Bernh. ^ hat sie eine gewisse Ähnlich- keit, unterscheidet sich jedoch durch die von Mynnedonia abweichende Bildung der Zunge und der Nebenzungen, durch das vollkommen quer- elliptische Halsschild, die stark entwickelten Randborsten des ganzen Körpers und die verschiedene Bildung der letzten Hintcrleibstergite. • ' Diese Gattung steht wahrscheinlich der vorigen nahe, ist aber durch die parallele, flache Körperform, das beiderseits breit ausgehöhlte Halsschild, die Bildung der Mundteile (der Oberhppe, Unterkiefer und Unterhppe mit ihren Tastern), sowie durch die Form der Schenkel, durch die zwei Enddornen der Tibien und die dichte kurze Beborstun«- derselben ganz verschieden. Ganz eigentümlich ist die lange gelbe Be- wlmperung des Basalteils der inneren Maxillenlade. Die beiden Tibial- dornen stehen an der Spitze der Schienen, ähnlich wie bei Dorylomimus \ und Dorylocratus Wasm. (siehe unten im 4. und 5. Kapitel dieser Arbeit), j nicht einer derselben oberhalb der Spitze wie bei Mucracanthacneme jEichelb. Die langen schwarzen Borsten, welche ähnlich wie bei Tricho- donia den ganzen Körper umgeben, treten auf der PhotogTaphie(Taf. VII, Fig. 10), da sie im Verhältnis zur Größe des Tieres kürzer sind als bei Trichodonia, viel weniger hervor. Auf der Hinterleibsf lache konnte ich nur eine schwächere schwarze Borstenreihe am Hintenande des 4. und 1 Zur Stapliyliiiidenfauua dos tropischen Afrika (Ann. Mus. Nat. Hung. XIIL 1915), S. 160. Der Habitus deutet auf myrmekopliile Lebensweise hin. 2 A. a. 0., S. 173. Leider fehlt auch hier eine biologische Fuudangabe; viel- leicht ist die Art dorylophil. 274 E. Wasmaiin, 5. freien Tergits finden, dagegen stehen gelbe Wimperhaare an den Seiten der Tergite innerhalb des flach aufgebogenen öeitenrandes. Diese letzteren Trichome ebenso wie die kleinen gelben Haarbüschel an der ' äußersten Spitze des Hinterleibs weisen gleich der Zungenbildung, der Erweiterung der Nebenzungen und der Aushöhlung der Halsschild- seiten auf ein echtes Gastverhältnis hin, das allerdings auf einer nie- drigen Stufe zu stehen scheint, nach der Verstümmelung der Fühler und zum Teil auch der Tarsen zu urteilen. AVahrscheinlich zieht die relativ sehr bedeutende Körpergröße dieses Gastes die feindliche Auf- merksamkeit der Ameisen in einem hohen Grade auf sich. Über den Vergleich mit Myrmechusa siehe oben S. 268. Die Fühlerbildung konnte ich überhaupt nur nach den schlanken ersten sechs Gliedern beurteilen, da das eine Exemplar nur noch sechs, bzw. drei, das andre sechs, bzw. vier Fühlerglieder hat. Das erste Glied ist walzenförmig, kürzer als der Kopf; das zweite bis vierte lang kegel- förmig, mehr als doppelt so lang wie breit, das dritte etwas länger als das zweite oder vierte. AcantJionia (/igantea n. sp. (Taf. VII, Fig. 10 und 11.) Magna, castanea, capite nigro, thorace rufo, nitida. Caput sub- tiliter parce punctatum, pimctis setigeris. Prothorax capite duplo latior, dense grosseque punctatus, setis magnis nigris erectis 8 — 10 utrimque in lateribus et aliquibus in disco. Elytra thorace vix latiora sed paulo longiora, dense coriaceopunctata, utrimque lateraliter setis longis nigris 10 — 12 munita. Abdomen praeter duü ultima tergita punctatum, basi densius, in medio parcius; tergita singula libera praeter 1""^ et duo ultima prope basin arcuatim impressa; tergitu]n 3""" in medio fovea ovali, lata, parum profunda instructum; margo lateralis segmenti 5' in dentem brevem, obliquum productus. Latera abdominis dense longeque nigrosetosa, apex breviter flavofasciculatus. (Die übrigen Details der Hinterleibsbehaarung siehe oben S. 273.) — Long. 11 mm, lat. 3,4 mm. (^. Abdomine nitido, fronte excavata; $ Abdominc opaco, fronte deplanata. Wenn die ebenerwähnten Unterschiede Geschlechtsauszeich- nungen sind, dann ist der kurze Seitendorn an der Hintcrecke des 5. freien ]Iinter]cibsscgments als spezifisches, vielleicht sogar (wie der Seitendorn des (i. Segments bei Myrmechusa) als generisches Merkmal zu deuten. Neue Anpassungstyioen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 275 Zwei Exemplare lagen vor. Das ,^ wurde von P. Kohl gefangen in e"nem Zuge von Anomma Wilverthi Em. 30. Mai 1910, das $ in einem Zuge von Anomma Burmeisteri ruhella Sav., ohne Datum (wahr- scheinlich auch 1910), 8t. C4abriel bei Stanley ville. Diese Art ist unter den Jagdgästen von Anomma aus der Familie der Staphyliniden weit- aus die größte. 3. Dromanomma, ein neuer Vertreter des Mimikrytypus der Dorylinengäste. Dromanomma'^ n. gen. Aleocharmarum (Tribus Myrmedoniini). (Taf. VII, Fig. 12 und 13.) Corpus robustum, formiciforme, antennis pedibusque perlongis et robustis, a genere Dromeciton Fauv. capite haud libei'o, articulo 3° antennarum multo brcviore 1°, coxis mediis late distantibus, tibiis apice bispinosis distinctum. Totum corpus pilis flavis erectis.. apice curvatis hirsutum. C*aput transversim ovatum fronte depressa, ore propter mandibu- las validas paulo producto, oculis permagnis prominent] bus, capitis latera fere omnino occupantibus, post oculos oblique angustatum. sed thoraci contiguum, haud liberum. Antennae vahdae, 11-articulatae, subfractae, elytrorum apicem superantes, art. 1° longo, cylindrico, crasso, scapiformi, sequentibus multo brevioribus, sed omnibus latitudine saltem duplo longioribus, 3° haud longiore 2"^ vel 4°, 11° modice elongato, acute conico; antennarum forma apicem versus sen- sim attenuata. Prothorax capite cum oculis vix latior, subglobosus. Elytra duplo latiora thorace et duplo longiora, subcpiadrata et trans- versa, convexa, humeris rotundatis, margine postico recto, angulis posticis rotundatis. Abdomen elytrorum latitudine, brevc et latum, alte curvatum, marginatum, in medio paulo dilatatum, dein sensim angustatum, supra fere planum. Pedes perlongi, robusti, postici toto corpore longiores. Coxae anticae et posticae contiguae, mediae late separatae. Femora longa, cylindrica, media et postica paulo curvata. Tibiae longae, apice breviter bispinosae, mediae et posticae femoribus longiores et paulo curvatae. Tarsi longi, antici 4-, medii et postici 5-articulati, posteriorum art. 1° valde elongato, sequentibus 4 unitis longitudine fere aequali, mcdiorum art. 4° parvo. Ungues bini validi et longi, simplices. 1 ÖQo/ii(üt', der Läufer, wegen der langen Beine, analog zu DrumecUon ge- bildet. 276 E. Wasmann, Dromanomma hirtum n. sp.' (Taf. VII, Fig. 12 und 13.) Piceuni, siibopacum, toto corpore densissime et siibtilissime alu- taceum, dense flavohirtum, antennis pedibusque rufopiceis. — Long. corporis (bei aufgebogenem Hinterleib) 5 mm; latit. abdominis feie 2 mm; long, antennarum 4 mm; long, pedum posticorum 6,5 mm. Antennarum articulus 1"^ capite longior, scapiformis, longe cy- lindricus, duplo latior2°; art. 2'^^ — 10"™ latitudine diiplo longioribus, sensim angustioribiis et propterea sensim absolute brevioribus; art. 11° anguste conico, latitudine plus triplo longiore, duobus praeceden- tibus unitis fere aequali. Ein Exemplar, von P. Kohl in einem Zuge von Änomma Wü- verthi Em. zugleicb mit Trichodonia setigera im Mai 1910 gefangen, St. Gabriel bei Stanley ville. ic Die Pliotograpliien der Ober- und Seitenansicht der Type (Taf. VII, Fig. 12 und 13) geben ein gutes Bild von den Formverhältnissen des Rumpfes und der Extremitäten und von der dichten, feinen Be- haarung. Die Mundteile konnte ich an der trocken präparierten Type nur mit dem Binocular von Zeiss (System Greenough) untersuchen. Die Oberkiefer sind kräftig, breit hakenförmig, einfach. Die Unter- kiefer konnte ich nicht hinreichend sehen. Die Kiefertaster sind kräftig, mehr durch ihre Dicke als durch ihre Länge auffallend. Das 3. Glied ist kaum dreimal länger als breit, das 4. kurz kegelförmig, fast halb so lang wie das 3. Die Zunge ist auffallend breit zweilappig, mit gerun- deten Lappen, ähnlich jener von Lomechusa, die Nebenzungen ragen jedoch weiter vor. Die dreigliedrigen Lippentaster sind verhältnis- mäßig kurz und dick. I Die sehr großen halbkugelförmigen Augen nehmen fast drei Viertel der Kopfseiten ein; sie beginnen hinter den Fühlerwurzeln und reichen bis zur Stelle, wo der verengte Hinterkopf beginnt. Die Breite der zwischen den Augen liegenden flachen Stirn ist gleich der Breite beider Augen zusammen; auf letztere fällt somit die Hälfte der ganzen Kopf- breite. Der Hinterrand des Kopfes ist halb so breit wie der Prothorax und schließt sich an den Vorderrand desselben unmittelbar an. Der Prothorax ist fast kugelförmig, so lang wie breit, nach vorn etwas stärker verengt als nach hinten. Der Seitenrand desselben ist völlig auf die Unterseite umgeschlagen, die Vorderhüften berührend. Die Behaarung des Körpers ist einesehr eigentümliche, doppelte. Neue Anpassungstypeii bei Dorylinengästen Afrikas usw. 277 Der ganze Körper ist oben und unten und ringsum mit einem dichten Kleide dünner, ziemlich langer, abstehender, gelber, an der Spitze gekrümmter Börstchen bedeckt; auf der Unterseite stehen zwischen diesen Trichomen zahlreiche kürzere (weniger als halb so lange) schwarze, vor der »Spitze verdickte, fast spindelförmige Borsten; auf der Oberseite fehlen sie gänzhch. Die Schenkel und Schienen sind kurz, abstehend, nicht dicht behaart, die Tarsen sehr dicht mit dickeren, dornartigen Börstchen besetzt. Die zwei Enddornen der Schienen sind kurz, fast parallel. Die Körperform hat eine ausgesprochene Ameisenähnhchkeit, welche wie bei den übrigen Doryhnengästen des Mimikrytypus als Tastmimikry aufzufassen ist^; eine besondere ^nomwa-Ähnlichkeit hegt jedoch nicht vor. Überhaupt ist die Tastmimikry, die in der Ähn- lichkeit der Form der einzelnen Körperabschnitte mit jenen der Wirts- ameise Ijesteht und in der Ähnlichkeit der Fühlerbildung beider gipfelt, bei Dromanomma keineswegs hochentwickelt. Sie ist gar nicht zu vergleichen mit jener von Mimanomma (Nr. 194), welche den Gipfel- punkt des Mimikrytypus unter den dorylophilen Staphyliniden bildet. Sie steht auch weit zurück hinter jener von Dorylomimus AVasm. und Donjlostethus Brauns, ja sogar hinter jener von Ocyplanus Fauv. {Dory- lonia Wasm.). Dagegen scheinen bei Dromanomma Elemente des Sym- philentypus mit jenen des Mimikrytypus gemischt zu sein. Die breite, kurz zweilappige Zunge hat große Ähnlichkeit mit jener von Lomechuaa und deutet auf Fütterung durch die Ameisen hin. Die sehr dichte Behaarung des ganzen Körpers mit langen gelben, gekrümmten Börst- chen hängt vielleicht mit Beleckung durch die Ameisen zusannnen, obwohl keine konzentrierten gelben Haarbüschel vorhanden sind. Die Hinterleibsform gleicht ebenfalls etwas jener von Lomechusa durch die kurze, breite, aufgebogene Gestalt und die starke Wölbung der Unter- seite. Die Funktion der kürzeren, schwarzen spindelförmigen Trichome, (Ue nur auf der Unterseite des Körpers stehen, ist rätselhaft; sie haben am ehesten Ähnlichkeit mit den später (im 13. Kapitel) zu erwähnenden keulenförmigen Borsten von Phyllodinarda, die als Drüsenhaare anzu- sprechen sind. Daß bei manchen andern Dorylinengästen des Mimikry- typus, die auf einer höheren Stufe des letzteren stehen {Dorylomimus, Mtmeciton, Ecitophya) die Mimikry mit Symphilie sich verbindet, habe ich schon früher erwähnt (z. B. 1904, Nr. 138) und werde unten (im 11. Kapitel) eine Übersicht dieser Entwicklungswege geben. 1 Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen (Zoologica. Heft 2G). 2. Aufl. 1909 (Nr. 164). Kap. VI, 2: Die Mimikry bei Doryünongästeu, S. 52— üö. 278 E. Wasmann, A¥elches sind die Veiwandtschaftsbezieliungen von Drom- unommal Merkwürdigerweise gibt es unter dei] ' Myrmedonimi , Avelche als Dorylus-Anomma-Q'Asie in Afrika leben, keine mit Dronumomma im Habitus besonders ähnliche Gattung, wohl aber unter den Eciton- Gästen Brasiliens ! Hier gleichen die ebenfalls zum Mimikrvtypus ge- hörigen Gattungen Tetradonia und Scotodo7iia Wasm. und Dromeciton Fauv, in Gestalt des Rumpfes und der Extremitäten in auffallender Weise Bromanomma. Namentlich mit der Gattung Dromeciton Fauv.i ist bei oberflächlicher Betrachtung die Ähnlichkeit so groß, daß man geneigt sein könnte, in der afrikanischen Form nur eine neue Art dieser nämlichen Gattung zu sehen. Bei näherer Vergleichung stellt sich jedoch heraus, daß die vermeintliche Verwandtschaft von Dromeciton mit Bromanomma eine Täuschung ist. Bei Dromeciton ist der Kopf durch einen kurzen, schmalen Stil mit dem Halsschild verbunden, bei Brom- anomma schließt sich der Hinterrand des Kopfes unmittelbar an den Vorderrand des Halsschildes an und ist ebenso breit wie letzterer; bei Bromeciton ist das 3. Fühlerglied ebenso lang wie das 1., bei Brom- anomma ist es dreimal kürzer und schmaler als das 1., das hier einen dicken, langen Fühlerschaft bildet; bei Bromeciton sind sämtliche Hüften einander genähert, bei Bromanomma die Mittelhüften weit von- einander abstehend, usw. Die Ähnlichkeit des Habitus beider Gat- tungen beruht somit bloß auf Konvergenz infolge ähnhcher An- passungsverhältnisse des Mimikrvtypus, durch welche die außerordent- liche Länge der Fühler und Beine und die Ameisenähnlichkeit der Form von Kopf, Halsschild und Hinterleib bedingt wird. Bromeciton und Bromanomma sind ein hervorragendes neues Beispiel für Konvergenz- erscheinungen^ zwischen neotropische]i Eciton-iVäi&iQn und afrikanischen .4nowma-Gästen innerhalb desselben Anpassungstypus. Die wirklichen Vei-wandten von Bromanomma sind unter den dorylophilcn Myrmcdo- niini des afrikanischen Faunengebietes zu suchen. Eine wenngleich ziemlich entfernte Verwandtschaft besteht wohl mit Ocyplanus Fauv. {Borylonia Wasm.)^, welche ebenfalls getrennte Mittelhüften und ein sehr kleines 4. Glied der Mitteltarsen hat, al)er eine viel schlankere I 1 Rcvuo d'Enloinol. 1901. p. 282 und pl. I, fig. 4. 2 Si-he Nr, 130 (1902). •^ Dorylonia laticeps Wasm. ist. beschrieben in Nr. 138, Ö. G35 und Taf. XXXII, Fig. 8. Nacli Fauvel, dem ich sie zur Ansicht sandte, ist sie synonym mit Ocy- planus formimrius Fauv. (Ecv. d'Entomol. 1899. \\ 43). Die Synonymie beider (Jattungon is' sicher, jedoch niclit jene der beiden Arien, zumal fnrmicarivs am oberen Senegal und in Abcssiniin vorkommt, Idliceps dagegen am Kongo. |^Eine Revision der mir bekannten Arten dieser (Jattung ist in Nr. 217, 8. 130 ff, gegeben. Neue Anpassungstyjjen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 279 Körpergestalt, ein hinten eingeschnürtes Halsschild und viel düinierc Fülller und Beine besitzt. Beide Gattungen stellen verschiedene Ent- wicklungsrichtungen des Mimikrytypus der Anomma-G'ä,?>te dar, können also nur seitlich miteinander verwandt sein. Die Konvergenz zwischen dem brasilianischen Dromeciton und dem centralafrikanischen Dronumomma hat auch mannigfache Paral- lelen unter andern myrmekophilen und termitophilen Staphyliniden. Öo z. B. unter den Myrmekophilen in der Konvergenz zwischen der paläarktischen Gattung Dinarda Mannerh. und der centralafrikanischen Gattung AUodinarda Wasm.i, unter den Termitophilen in der Kon- vergenz zwischen der neotropischen Gattung Perinthus Gas. und der indomalaiischen Gattung Pseudoperinthus Wasm.^, zwischen der neo- tropischen Gattung Termitopsenius Wasm. und der indomalaiischen Gattung Hamitopsenius Wasm.^, zwischen der nordamerikanischen Gattung Phüotermes Kr. und der südafrikanischen Gattung Philoter- mimus Beichensp.* usw. Zwischen verschiedenen Gattungen physo- gastrer termitophiler Aleocharinen kommen Konvergenzen sehr häufig vor^. 4. Dorylocratus, ein neuer, aus dem Mimikrytypus von Dorylomimus hervorgegangener, hochentwickelter Symphilentypus. (Hierzu Taf. VIII, Fig. 14—23.) Die Aleocharinengattung Dorylomimus Wasm. wurde 1904*' be- schrieben mit D. Kohli vom oberen Kongo als typischer Art. 1909' kam noch D. Lujie vom unteren Kongo hinzu, von Luja bei Dorylus {Ano7mna) Kohli Wasm. entdeckt, während Dorylomimus Kohli bei Anomma Wilverthi Em. gefunden worden war. Aus den Beobach- tungen von P. H. Kohl über die Lebensweise von Dorylomimus Kohli (Nr. 138, S. GGO— 664) geht hervor, daß dieser Gast des Mimikrytypus zugleich auf einer gewissen Stufe der Symphilie steht, indem er mit 1 Vgl. Nr. 164, S. 175—178. 2 Nr. 207, S. 189—195. 3 Nr. 207, S. 198 ff. * A. Reichensperger, Myrmekophilen und Termitophilen aus Natal und Zululand, gesammelt von J. Trägardh (Medd'?l. Göteborgs Mus. Zool. Afd. 5. 1915), S. 4 «epa''. 6 Nr. 207, >S. 188—189. 6 Nr. 138, S. 6213—025 und Taf. XXXI, Fig. 3, a—c; Lebensweise S. 6G0— 664. ' Nr. 164, S. 180 und Taf. V, Fig. 4. — D. Liijae muß übrigens wegen der verschiedenen Bildung der Fühler und Beine zur neuen Gattung Doiylonannns erhoben werden. Siehe unten im 5. Kapitel. 280 E. Wasmann, Vorliebe auf den Treiberameisen in der Kopfgegend derselben sitzt und sie sogar durch Fühlerscliläge zur Fütterung auffordert. Seine Beleckung durch die Ameisen konnte P. Kohl nicht beobachten, wohl aber umgekehrt, daß nämlich der kleine Käfer die Körperoberfläche der Ameise eifrig beleckt; dies erinnert an Escherichs i Beobachtungen über die Beleckung von Myrmecocystus viaticus durch Piochardia {Oxy- soma) Oherthüri Fauv. Die Bildung der Unterlippe von Dorylonmnus Kohli (Nr. 138, Taf. XXXI, Fig. 3 d) steht durch die sehr breiten löff eiförmigen Nebenzungen und die kurzen Lippentaster in gutem Einklang mit seiner Fütterung durch die Wirte. Äußere Exsudat- organe sind bei Dorylomimus kaum spurenhaft angedeutet (je nach den Arten), die Exsudatgruben höchstens durch schwache Halsschild- furchen, die Exsudattrichome durch einzelstehende gelbe Börstchen; der hoch eiförmige, schmal gerandete Hinterleib zeigt keine Spur einer Aushöhlung (vgl. Taf. VIII, Fig. 25 und Taf. IX, Fig. 26). Würde man nun rein theoretisch die Frage stellen: Wie kann aus einer Dorylomimus-F oi in durch Steigerung der symphilen Anpassungscharakterc eine möglichst hohe Stufe des echten Gastverhältnisses hervorgehen, so müßte die Antwort lauten: 1. Die Körpergröße muß zunehmen, damit die Keize des Gastes die Aufmerksamkeit der Wirte mehr auf sich ziehen. 2. Es müssen sich zugleich Exsudatgruben und konzentrierte Exsudattrichome als Anziehungsmittel für die Ameisen entwickeln. Am vollkonnnensten wäre es, wenn sich der ganze Hinterleib in einen breit ausgehöhlten, ringsum mit symphilen Exsudatbüscheln reich besetzten Exsudat - becher umwandeln und überdies auf Kopf und Halsschild eigene Exsudatgruben auftreten würden. 3. Die symphile Umbildung der Unterlippe müßte in der bei Dorylondnms bereits eingeschlagenen Richtung weiter fortschreiten durch Verbreiterung der Zunge bzw. der Nebenzungen. Diese theoretischen Postulate sind tatsächlich in über- raschender Weise erfüllt in der neuen Gattung DurylocratuSy welche namentlicli in bezug auf die Entwicklung der Ex- sudatorganc unter allen bisher bekannten Staphylinidcn auf der höclistcn Stufe der symphilen Anpassung steht. Zur Veranschaulichung gebe ich, zum Teil mit demselben Objektiv vind in derselben Vergrößerung aufiienonnuen, die Ober- und Seiten- 1 Biologische Studien au algoriöcliou Myriuckophilen (Biol. Centralbl. XXII. 19 2. Nr. 20—22), Ö. ü40ff. Nene Anpassungsty]»en l)ei Dnrylinen^ästen Afrikas usw. 281 aiisiclit von Dorylocmtus rex n. sp. (Taf. VIII, Fig. 14 — 18) und Dorij- lomimus Kohli Wasin.i (Taf. VIII, Fig. 25 nnd Taf. IX, Fig. 26). Dorylocratus ^ n. g. Aleocharinarum. (lieneii Dorylomimus Wasm. affinis et ah eo derivandns. Diffeit sfatuia longe majore et latiore, capite breviore, postice bifoveolato, thorace transverso, antice bifoveolato, abdomine latiore, supra band convexo sed excavato, in medio longitudinaliter carinato, marginibns abdominis circumcirca dense lateque albidofasciculatis, ligula la- tiore, band parallela sed apicem versus dilatata et apice incisa. Scntel- luni magnum, semilnnare. Alae nullae. Antennae ll-articnlatae, scapo longo, curvato, flagello gracili. Pedes longi, graciles, tibiis apice bispinosis, 'tarsis omnibus 4-articulatis, art 1° et ultimo elongatis, tarsis anticis et mediis infra albosetosis (diclit mit weißen Haftbaaren besetzt); coxae anticae et posticae separatae, mediae contiguae; femora et tibiae media et postica curvata. Dorylocmtus rex n. sp. (Taf. VIII, Fig. 14—20.) Rufoferrugineus^, capite magis rnfopiceo, abdomine supra piceo vel nigropiceo (praeter carinam longitudinalem rufam), infra dilntiore, antennis pedibusque rufoferrugineis. Caput, prothorax (praeter foveas binas in margine antico opacas) et elytra nitida; caput subtiliter rngoso- punctatum, prothorax et elytra suhtilissime alutacea; abdomen supra opacum, dense rauceque granulosmn, infra subnitidum, subtiliter alu- taceum. Segmenta singula abdominis (praeter ultimum) in margine postico lateraliter et ventraliter albidosetosa, supra in margine laterali late albidofasciculata. Long, corporis G mm, lat. abdominis 3 mm. Long, antennarum 3.5 mm (scapi 1,4 mm, flagelH 2,1 mm). Long, pedum posticorum 8 mm : femorum postic. 3 mm, tibiarum postic. 2,4 mm, tarsorum postic. 2.6 nun (Maßangaben der Mundteile folgen unten). 1 Die Photogramme in Nr. 138, Taf. XXXI, Fig. 3 und 3a waren mit Zeiss Objektiv ag aufgenommen, das keine Tiefenzeichnung geben kann. Die obigen neuen Photogramme sind mit Leitz Micros. 42 mm bei fast geschlossener Blende aufgenommen. 2 -/.näio^-, Herrschaft, Sieg (Dorylusbeherrscher). 3 An den in BoLLES-LEEscher Lösung konservierten Exemplaren sind die beiden Gruben am Vorderrand des Halsschildes durch hellere Färbung hervortretend und auf den Flügeldecken steht jederseits eine dunkle, schrcäge Längslinie. An dem trocken präparierten Exemplar sind diese Färbungsunterschiede verschwunden. 282 ^- Wasinann, P. TTekmann Kohl fino; drei Exemplare dieses merkwürdigen Uastos in drei verschiedenen Zügen von Anonima Wiherthi Em., St. Ga- briel bei Stanleyville (oberer Kongo), 7. Oktober 1909 nsw. Zwei derselben wurden mir vom Finder gütigst überlassen; davon wurde eines trocken präpariert und nnißte zu diesem Zwecke sukzessiv in Alcoli. absol., Alcoh. x Xylol und Xylol x Paraffin gehärtet werden, da nach bloßer Behandlung mit Alkohol der Hinterleib wie ein dürres Blatt einschrumpfte, in der Konservierungsflüssigkeit sich jedoch wiederum vollkonnnen ausdelmte; bei dem erwähnten Härtungsver- fahren trat dagegen keine Schrumpfung ein. Von diesem Exemplare sind die Photographien Taf. VTII, Fig. 14—16 und 18 genommen. Das andre Exemplar blieb in BoLLES-LEEScher Lösung aufbewahrt und wurde in feuchter Kammer photographiert (Taf. VIII, Fig. 17). Von diesem zweiten Exemplare wurden die Präparate der Mundteile genom- iuen (Taf. VIII, Fig. 19 und 20), welche mit Alaunkarmin (Grenacher) oefärbt und mit Eosin nachgefärbt wurden. Diese langsame Färbungs- methode gibt, wie die Abbildung von Unterkiefer und Unterlippe (Taf. VIII, Fig. 20) zeigt, in denen die Muskeln und Nerven schön sicht- bar wurden, ausgezeichnete Resultate, namentlich für mikrophotogra- phische Aufnahme der so gefärbten Kanadabalsampräparate bei An- wendung von Obernetter-Silber-Eosinplatten mit Gelbgrünscheibe ZeissI. 2u Schnittserien konnte leider einstweilen kein Exemplar vorwandt werden, um die Exsudatorgane näher zu untersuchen. Äußere Geschlechtsunterschiede konnte ich an den vorliegenden drei Exemplaren nicht finden. Ich lasse nun die nähere Beschreibung folgen. Abge^^ehen von jenen Charakteren, welche auf die Steigerung der Symphilie sich beziehen, bekundet sich bei Dorylocmtus nicht nur im allgemeinen Habitus, sondern auch in den Einzelheiten der äußeren Morphologie — Gestalt von Kopf, Halsschild, Flügeldecken, Fühler und ßeinen — eine ganz unverkennbare und sehr nahe Vcrwandt- fjchaf t mit Dorylomimus; die abweichenden Charaktere sind ferner durch Umbildung von Dorylomimus -Mevkmsden verständlich. Zwischen diesen beiden Gattungen besteht also nicht Konvergenz — wie zwischen Lomcrhusa und Myrmechusa, Dromanomma und Dromecifon — sondern Descendenz, und zwar ist Dorylocmtus als die in symphiler Eichtung i Es wurden Vergleichsaufnahmen gemacht von GOfacher bis 400faohcr Vergrößerung mit Zeiss AA und D. Die besten Details der Bilder zeigten sich bei 70- bis IGOfacber Vergrößerung. Zur Reproduktion in dieser Arbeit wurde nur die OOfaclio Vergrößerung ausgewählt (Taf. VIII, Fig. 20). Nene Anpassungstyiiea bei Dorylinengästen Afrikas usw. 283 weiter spezialisieite Form von dem mehr indifferenten Dorylomimus- Typus abzuleiten. Diese Verwandtschaft ist jedoch, wie im folgenden Kapitel bei den Gattungen der Dorylomimini gezeigt werden wird, nicht so zu verstehen, als ob Dorylocratus rex aus Dorylomimus Kohli oder aus einer andern heute lebenden Dorylomimus-Avt sich stammes- geschichtlich entwickelt habe, zumal >> Übergänge << zwischen beiden Gattungen uns vollständig fehlen. Kopf. — vVhnlich jenem von Dorylomimus KoJiU, aber viel küi'zer und breiter, nicht lang oval, sondern kreisförmig, mit größeren und stärker vorspringenden Augen und mit zwei tiefen, breiten Exsudat- gruben auf dem Hinterkopf, durch die derselbe beiderseits beulig er- haben und in der Mitte stumpf gekielt erscheint (Taf. VIII, Fig. 18). Die Schläfen sind um die Hälfte kürzer als die Augen. Der Hinterrand des Kopfes ist gerundet und schließt sich durch einen sehr kurzen Hals an den Prothorax an. Die Skulptur des Kopfes ist schwach glänzend, bei scliwacher Vergrößerung fein lederartig, bei stärkerer feinkörnig punktiert, und zwar etwas rauher als auf Halsschild und Flügeldecken. Am Hinterrand des Kopfes steht beiderseits eine Anzahl kurzer weißer Borsten. Fühler (Taf. VIII, Fig. 14—18). — Ähnlich jenen \oi\ Dorylomimus, elfgliedrig, etwas mehr als halb so lang wie der Rumpf (Maße siehe oben S. 281), mit schaftförmigem ersten Gliede und schlanker, nicht verdickter Geißel. Der Schaft ist jedoch nicht fast gerade, wie bei Dorylomimus, sondern nahe der Basis knieförmig gebogen; er ist etwas mehr als halb so lang wie die Fühlergeißel und nur wenig dicker als die Basis der letzteren. Das 2. Fühlerglied (das 1. der Geißel) ist fast dreimal so lang wie breit, das 3. doppelt so lang wie breit, die fol- genden Glieder nehmen an Länge allmählich ab, an Dicke dagegen kaum zu; das 8. — 10. Glied sind quadratisch, das 11. lang kegelförinig, etwas kürzer als die drei vorhergehenden zusammen. Die Behaarung der Fühler ist kurz und fein. Mundteile (Taf. VIII, Fig. 19—20). — Die Oberlippe ist breit zweilappig, in der Mitte tief eingeschnitten, die Lappen gerundet. Die Oberkiefer (Taf. VIII, Fig. 19) sind kurz und kräftig, breit hakenför- mig, der linke in der Mitte mit zwei zalmartigen, seichten Kerben, der rechte ungezähnt. Die Unterkiefer (m in Taf. VIII, Fig. 20) sind relativ kurz und breit, beide Laden von gleicher Länge, beide dicht und lang bewimpert, die sehr feinen Wimpern der Außenlade erstrecken sich rings um die Spitze bis zur Mitte des Außenrandes. Die Kiefertaster (mp in Taf. VIII, Fig. 20) sind viergliedrig, das 2. Glied dick keulen- 284 K. W.asmann, förmig, das 3. kürzer iiiul schmaler als das 2., walzenförmifr, das 4. etwas weniger als halb so lang wie das 3.,,kegelf(")rmig. An der Unterlippe (Taf. VIII, Fig. 20) ist die Znnge (2) schmal, gegen die Spitze geradlinig erweitert und daselbst dreieckig eingeschnitten. Die Nebenzungen {p) sind breit scheibenförmig, so lang wie die Zunge, fast ohne Wimpern, in häutige Löffel iimgewandelt. Die Lippen- taster (Ip) sind dreigliedrig, kurz, das 2. Glied schmaler und um die Hälfte länger als das L, das 3. Glied nur halb so breit wie das 2. und nur ein Drittel von der Länge desselben. Die Maße der Mundteile sind^: Länge der Oberkiefer 594 //; Breite des Stammes der Unterkiefer + Unterlippe (an der Basis) 6GG //; Länge des 2. Kiefertastergliedes 250 //; Länge des 2. Lippentaster- gliedes 126 jli; Länge der Zunge 72 fi. Im Vergleich zu Dorylomimus ergeben sich folgende LTnterschiede: Bei D. Kohli ist die Oberhppe nur flach ausgerandet, die Zunge viel schmaler linienförmig, gegen die Spitze nicht erweitert und daselbst nicht eingeschnitten, sondern schmal zugerundet (vgl. Nr. 138, Taf. XXXI, Fig. ^ d); die zwei ersten Lippentasterglieder sind viel stärker verdickt und das 3. Glied nur wenig kürzer als das 2. Die Lippentaster sind somit bei Dorylocratus stärker reduziert als bei Dorylomimus, die Zunge dagegen vergrößert; die scheibenförmigen Nebenzungen sind bei beiden Gattungen ähnlich. Ferner sind die Unterkiefer bei Dorjjlo- cratus relativ kürzer und breiter, und die Kiefertaster kürzer, nament- lich im 3. Gliede. Prothorax (Taf. VIII, Fig. 18). — Von herzförmiger Grundform wie bei Dorylomimus, aber viel breiter, um ein Drittel breiter als lang, der Vorderrand kaum breiter als der Kopf samt den Augen, fast gerade, mit zwei sehr kleinen Zähnchen in der Mitte, die an den Hals des Kopfes sich anlegen. Die Vorderecken sind stumpf gerundet, die Seiten bis liinter der Mitte stark und fast geradlinig verengt, von da bis zu de?i Hinterecken parallel; die Hinterecken sind nicht vorspringend wie bei Dorylomimus, sondern rechtwinklig, der Hinterrand gerade. Die Seiten- randlinien des Prothorax sind wie bei Dorylomimus vollkommen auf flie Unterseite herabgebogen und berühren die Vorderhüften. Die Oberfläche ist flach kissenförmig gewölbt, die Vorderecken stärker gew()lbt. In der Mitte zieht eine feine schwarze Längslinie von der Spitze bis zur Basis. Am Vorderrand des Prothorax steht jederseits von der MittelHnie eine tiefe, hufeisenförmige, nach vorn offene Exsu- datgrube (Taf. VIII, Fig. 18), jede von einem Viertel der Prothorax- 1 Mit dem Ocularmikromoter gemessen. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 285 breite; die Mitte des Vordeirandes l^ildet einen flachen, breiten Kiel, der die lieiden Gruben voneinander trennt. Dieselben sind vollkommen glanzlos nnd ranh punktiert und. machen den Eindruck eines Cribellums, Die übrige Oberfläche des Prothorax ist glänzend, bei stärkerer Ver- größerung fein lederartig punktiert. Das Schildchen ist quer dreieckig, ziemlich groß, viel stärker entwickelt als bei Donjlomimus, wo es fast punktförmig ist. Flügeldecken (Taf. VIII, Fig. 14 und 16—17). — Vom Dory- lomimus-Ty^iis durch ihre nach hinten erweiterte Form und die gerun- det abgestutzten inneren Nahtränder, aber viel breiter. Sie sind quer, an der Basis fast so breit wie der Vorderrand des Halsschildes, die Seiten gegen die Spitze fast geradlinig erweitert, an der Spitze zusammen fast doppelt so breit wne in der Mitte lang. Sie sind flach gewölbt, mit vertiefter Nahtgegend. Die Nahtränder sind (wie bei Dorylomimus) kürzer als die Seitenränder, hinten gerundet abgestutzt, so daß das Mesonotum zwischen ihnen sichtbar ist; der Hinterrand jeder Flügeldecke ist daher bogenförmig gerundet vom Nahtzwischen- t-aum gegen die stumpfen Außenecken hin. Die Flügeldecken sind glän- ?:end, ihre Skulptur fein lederartig. Beiderseits auf der Scheibe steht ?ine kurze, schräge, dunkel gefärbte Längshnie (Taf. VIII, Fig. IG, 17), lie an dem trocken präparierten Exemplar nicht mehr sichtbar ist. Flügel fehlen (wie auch bei Dorylomimus). Hinterleib (Taf. VIII, Fig. 14—17). — Sehr breit eiförmig, unten gewölbt und oben schalenförmig ausgehöhlt, in seiner größten Breite ungefähr viermal so breit wie der Vorderrand des Halsschildes and mehr als doppelt so breit wie der Hinteri-and der Flügeldecken, bie Grestalt geht aus den Photographien klar hervor, wobei die Auf- lahmen des trocken präparierten Exemplars (Taf. VIII, Fig. 14 und l-")) nit derjenigen der in BoLLES-LEEscher Lösung konservierten (Taf. VIII, l'ig. 16 und 17) zu vergleichen sind. Das erstere Exemplar war vor ler Trockenpräparation ein wenig breiter als das letztere ; es ist somit ie muschelförmige Aushöhlung der Oberseite durch das Härtungs- erfahren etwas stärker geworden. Die Zahl der auf der Oberseite des Hinterleibs sichtbaren Seo-mente ;t sieben. Sie sind auf der ganzen ausgehöhlten Fläche sehr dicht nd grob rauhkörnig punktiert, mit einem durchgehenden Längskiel :i der Mitte. Das erste Segment ist über die Flügeldeckenbasis seitlich ufgebogen. Die Seitenzipfel sämthcher Segmente sind — mit Aus- ahme des siebenten — weit vorgezogen und nach innen umgeschlagen ber den Muschelrand. Sie endigen in einen breiten, weißen, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 19 286 E. Wasmann, membranösen, an den Rändern fein weiß gefransten End- zipfel, der das hauptsäcliliclie Exsudatorgali zu sein scheint. Un- mittelbar an di esen Endzipfel schließt sich e i n e R e i h e k a m ni f ö r nii g er weißer Zipfel an, die ebenfalls an der »Spitze feine weiße Fransen tragen, und an dem betreffenden Segmentrand über die ganze Ventral- seite des Hinterleibes hin ziehen, von der Seitenlinie der Ventralseg- mente an jedoch bedeutend kürzer werden. Diese weißen Zipfel, die den gegen die Basis allmählich erweiterten, lang und spitz dreieckigen Zinken eines Kammes gleichen, entsprechen in ihrer Lage den gelben Börstchen, die sich an den Segmenträndern von Dorylomimus Kolili (vgl. Taf. VIII, Fig. 25 und 25 a) seithch und ventral vorfinden. Sie unterscheiden sich von den ganz weißen Endzipfeln dadurch, daß sie nur an der Spitze weiß sind, gegen die Basis erst gelb und dann bräun- lich werden. Jeder dieser Exsudatkämme zählt an dem aufgebo- genen Seitenrande des Segments bis zur ventralen Seitenlinie sechs bis acht langer Zinken, worauf dann am Ventralrand noch — je nach der Breite des Segments — 10 — 20 kürzere Zinken folgen. Auf der Dorsal- fläche des Hinterleibs finden diese Kämme eine kurze Fortsetzung in drei bis vier schmalen, etwas dunkleren Zinken an jeder Seite des 2. — 6. Segments^. Zwischen den obenerwähnten breit membranös endigenden Seitenzipfeln der Segmente steht am 3. — 6. Segment noch in der Mitte des Segmentrandes ein mehr senkrecht aufgerichteter Zwischen zip fei, der in einen kürzeren membranösen Anhang endigt. AVir haben somit dreierlei Modifikationen von Exsudat- büscheln hier vereinigt: die in einen breiten membranösen Endzipfel endigenden Seitenzipfel der Segmente; die einen schmalen membra- nösen Anhang tragenden Zwischenzipfel, und endlich die membranös endigenden R a n d k ä m m e der Segmente. Da kein Exemplar zu Schnitt- serien verwandt werden konnte, läßt sich über die Art und Weise der Exsudat funktion einstweilen nichts aussagen; wahrscheinlich handelt es sich um Verdunstungsorgane eines adipoiden Drüsensekrets^. Als Exsudattrichome im eigentlichen Sinne kann man weder die moni- branösen Zipfel noch die Zinken der Kämme selber bezeichnen, sondern nur deren äußerst zarte Endfasern. Wahrscheinlich stellen jedoch diese eigentümlichen membranösen Exsudatbüschel umgewandelte Trichome dar, ähnUch wie die membranösen Hafthaare an den Taisen umgewandelte Trichome sind. 1 Bei dem trocken präparierten Exemplar sind sie durch den aufgebogenen und überragenden Seitcnrand verdeckt, bei den beiden in BoLLES-LEEsclier Lösung konservierten Exemplaren jedoch deutlich sichtbar. 2 Siehe Nr. 134. Neue Anpassuiigstypon bei Doi^linensäafen Afrikas usw. 287 Durch die außerordentliche Breite des Hinterleibes und die auffal- lenden weißen Exsudatorgane an den SeitenJ^ipfeln und den Segment- rändern evliiilt Dar ylocratus eine oberflächliclie Ähnlichkeit mit manchen physogastren termitophilen Aleocharinen, namentUch mit Termitohia Wasm. Bei letzterer Gattung beruht jedoch die weiße Zeichnung des Hinterleibes direkt auf den membranösen Zwischenbändern der Seg- mente, nicht auf anhängenden Exsudatbüscheln. Die Färbung von Dorfjlocratus ist am Vorderkörper rostrot, meist mit etwas dunklerem Kopf und etwas helleren Exsudatgruben des Prothorax. Außerdem zeigt sich an den frischen (bzw. in Bolle.s- LEEscher Lösung konservierten) Exemplaren eine kurze dunkle Schräg- linie auf der Scheibe jeder Flügeldecke. Der Hinterleib ist heller oder dunkler pechbraun, die Oberseite viel dunkler als die Unterseite; auf der Oberseite ist die gekielte Mittellinie stets heller, Fühler und Beine sind gelbbraun. Beine (Taf. VIII, Fig. 14 und 15). — Ähnlich wie bei Dorylomimns gebildet und die nahe Verwandtschaft beider Gattungen bestätigend. Sie sind lang und schlank, relativ kaum kürzer als bei Dorylomimus, obwohl der Rumpf von Dorylocratus viel breiter ist. Die 8 mm langen Hinterbeine übertreffen den Körper erheblich an Länge. Die Hüften sind sehr lang und etwas plattgedrückt, besonders die hinteren. Die Vorderhüften stehen sehr weit auseinander wie zwei Stelzen, viel weiter als bei Dorylomimus, weil das Prosternum, an dessen Seiten sie ein- gefügt sind, viel breiter ist. Das Prosternum springt zwischen den Vorderhüften breit kielförmig vor. Die Mittelhüften sind einander genähert, die Hinterhüften voneinander entfernt, aber nicht so weit wie die Vorderhüften. Die Schenkel sind dünn, seithch etwas zu- sammengedrückt, die vorderen gerade, die mittleren und hinteren mäßig gekrümmt. Die Schienen sind schmal, wenig kürzer als die Schenkel, die vorderen gerade, die mittleren und hinteren schwach gekrümmt, alle mit zwei Dornen an der Spitze (s. Taf. VIII, Fig. 14) und mit kurzen gelben Börstchen dicht besetzt, besonders die vorderen gegen die Spitze hin. Die Tarsen sind sämtlich viergliedrig, mit stark verlängertem 1. und 4. Glied. Besonders die Hintertarsen sind sehr lang, wenig kürzer als die Schenkel (Maße oben S. 281); das 1. Glied ist so lang wie die drei folgenden zusammen, das 4. so lang wie die zwei vorhergehenden zusammen, die ungefähr dreimal so laug wie breit und unter sich gleich lang sind. An den Mitteltarsen ist das 1. Glied so lang wie die drei folgenden zusammen, das 4. doppelt so lang wie die zwei vorhergehenden zusanimen, die wenig länger als breit 19* 288 E. Wasmann, sind. All den Vordertarsen ist das 1. Glied so lanc; wie das 4., doppelt so lang wie das 2. und 3. zusammen, die niclit länger als breit sind. Die zwei Klauen aller Tarsen sind einfacli, kräftig, scliwach gekrümmt. Die Unterseite der Vorder- und Mitteltarsen ist, namentlich an den Vordertarsen, sehr dicht mit äußerst feinen^ weißen, membra- nösen Hafthaaren besetzt, die jenen von Dor^ilomimus (Taf. VITI, Fig. 21 und 22) gleichen. An den Hintertarsen konnte ich sie nur spärhch bemerken auf der Unterseite des Klauengliedes. Im übrigen sind die Tarsen dicht mit gelben Börstchen besetzt. Im Vergleich mit Dorylomimus ergeben sich folgende Unterschiede. Die Beine von Dorylomimus sind dünner, die Vorderhüften nur schmal getrennt, die Schenkel und Schienen mit Ausnahme der sehr schwach gekrümmten Hinterschenkel gerade; die Schienen haben ebenfalls zwei Enddornen. Die Tarsen zeigen ganz andre Größenverhältnisse, indem das 1. Glied viel stärker verlängert ist als das 4. An den sehr schlanken Hintertarsen ist das 1. Glieds kürzer als die drei folgenden zu- sammen, deren jedes etwa fünfmal so lang wie breit ist; das 4. Glied ist von der Länge des 2. und nur sehr wenig länger als das 3. (vgl. Taf. VIII, Fig. 22). Auch an den Vorder- und Mitteltarsen^ ist das 1. GHed viel stärker verlängert als das 4., und das 2. und 3. Glied sind hier erheb- lich länger als breit. Membranöse Hafthaare finden sich bei Dory- lomimus Kohli auf der Unterseite des 1. und 3. Gliedes der Vordertar- sen (vgl. Nr. 138, Taf. XXXI, Fig. 3c), sowie auf der Unterseite der drei ersten Glieder der Mitteltarsen (siehe in vorliegender Arbeit Taf. VIII, Fig. 21); außerdem auch auf der Unterseite der drei letzten Glieder der Hintertarsen (Taf. VIII, Fig. 22) ; hier sind sie jedoch schmäler und gehen auf dem 2. Ghede in gewöhnliche Börstchen fast allmählich über. Sie dienen dem Käfer zum leichteren Festhalten an seinem Wirt beim Um- lierklettern auf demselben (vgl. Nr. 138, S. 621 und 664). Auch die mit Dorylomimus verwandte Zwerggattung Dorylonannus, die im 5. Kapitel beschrieben Averden wird, hat mit Hafthaaren dicht besetzte Tarsen. Von Trichomen abgeleitete membranitse Haftapparat-C an den Beinen dorylophiler Staphyliniden Afrikas. (Hierzu Taf. VIII, Fig. 21—23.) Dieselben lassen sich unterscheiden in schmaler oder breiter lanzett- förmige Hafthaare, in Haftlappen und Haftpolster. Die primi- 1 Dasselbe mißt an dem in Taf. VIII, Fig. 22 photographiorten Präparat von D. Kohli 522 /i (mit Ocularmikrometcr gemessen). 2 Das erste Glied der Mittcltarsen mißt an dem in Taf. VIII, Fig. 21 plioto- graphierten Präparat von D. Kohli 210 ^. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 289 tivste und häufigste Form sind die Hafthaare. Schon 1904 (Nr. 138) habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß sie bei vielen Gattungen dorylophiler StaphyHniden Afrikas vorkommen, nämhch außer bei den obenerwähnten Aleocharinengattungen Dorylomimus > Dorylocratus und Dorylonannus auch bei Dorylogaster AVasm. In der UnterfamiUe der Pi/gostminae scheinen die Hafthaare noch häufiger zu sein. Vor allem sind die rudimentären, einghedrigen Tarsen der Gattungen Sympo- lemon, Micropolemon (mit den Untergattungen Micro jwlemon, Anapo- lemon und Hemipolemon) und Nannostenus Wasm. (siehe unten im 9. und 10. Kapitel) dicht mit Hafthaaren besetzt. Aber auch die nor- mal gebildeten Tarsen von Ewpolemon, Ewpygostenus, Anommatophilus und Anommatoxenus Wasm. weisen zahlreiche membranöse Hafthaare auf, spärlicher und in geringerem Grade sogar jene von Pygo- stenus Kr. Besonders zahlreich und lang sind die weißen, schmal lanzett- förmigen Hafthaare an den eingliedrigen Tarsen der kleinen, äußerst langbeinigen Aleocharinengattung Dorylogaster (Mimikrytypus) i, die in noch höherem Grade ein Klettertier zu sein scheint als Doryhmimus. Bei den gleichfalls sehr kleinen, aber kurzbeinigen Pygosteninen der Gattung Doryloxeniis (Trutztypus), die als Eeiter ihre Wirte begleiten, sind die rudimentären Tarsen mit trichterförmigen Haftlappen be- setzt (vgl. Nr. 145, Taf. Fig. 3), die aus einer Verbreiterung der mem- branösen Hafthaare hervorgegangen sind. Die auf dem Höhepunkt des Mimikrytypus der dorylophilen Btaphyliniden stehende Gattung Mimanomma Wasm. (Nr. 194) besitzt keine lanzettförmigen Hafthaare an den Tarsen, sondern nur kurze Haftlappen zwischen den Klauen aller Tarsen, überdies aber eigentümliche Haftpolster (Pulvillen), breite, ziemlich dicke membranöse Ballen oder Scheiben, die mit sehr kleinen Papillen besetzt sind. Ich finde sie an meinen neuen Präparaten von Mimanomma auf der Unterseite des Klauengliedes der Vorder- tarsen, auf der Unterseite der zwei ersten Glieder der Hintertarsen, an der Mitte des Außenrandes der Vorderschienen und an der Spitze der Mittelschienen. Zum Vergleich mit den Hafthaaren von Dorylo- mimus (Taf. VIII,. Fig. 21 und 22) gebe ich die Photographie des Haft- polsters der Vordertarse von Mimanomma spectrum Wasm. (Taf. VIII, Fig. 23, hp = Haftpolster). Wahrscheinlich hängt die weite und mannigfaltige Verbreitung membranöser Haftapparate an den Beinen afrikanischer .4nomma-Gäste 1 Siehe Nr. 217, S. 102—105. 290 E. Wasmann, mit dem raschen Laufe der Treiberameisen zusammen, welche nicht bloß die gewöhnlich auf ihren Wirten reitenden odet kletternden kleinen, kurz- oder langbeinigen Gattungen, sondern auch manche der größeren, welche zu Fuß ihre Wirte zu begleiten pflegen, nötigt, sich gelegenthch an die Ameisen anzuklammern. Für Sym.'polemon miommatis Wasm., der sich für gewöhnlich springend fortschnellt (Nr. 138, S. 640 f. und 665 und Taf. XXXIII, Fig. 11c), haben die durch zahlreiche Haft- haare pantofffelförmig verbreiterten Tarsen wahrscheinlich noch eine andre biologische Bedeutung, daß nämlich der Käfer nach dem Sprunge mit seinen Tarsen nicht im Sande versinkt (Nr. 184, S. 228), ein Ana- logen zu Syrrha'ptes faradoxus. Bei denjenigen Myrmedoniini, Avelche wie Myrmedonia Er,, Aenic- tonia Wasm.i und Ocyplanus Fauv, {Dorylonia Wasm.) nach den Beob- achtungen von P. Kohl die Anomma-Züge raschen Laufes umschwär- men oder ihren Nachtrab bilden, fand ich keine Hafthaare oder andre Haftapparate an den Beinen. 5. Die Zwerggattung Dorylonannus und der Tribus der Dorylomimini. (Hierzu Taf. VIII, Fig. 14—25 und Taf. IX, Fig. 2G.) Dorylonannus^ n. g. Aleocharinarum. (Taf. VIII, Fig. 24 und 24«.) Generi Dorylomimus affinis, sed statura perparva et relative multo latiore, capite magno, transverso-globoso^ antennis bre- vioribus et multo crassioribus, flagello antennarum ab art. 3° — 11"™ clavam crassam, solidam formante, thorace transverso-cordiformi, antice bicanaliculato, elytrorum sutura depressa sed integra, apice haud abbreviata; abdomine subgloboso, latius marginato, pedibus nmlto brevioribus, coxis anticis contiguis, tibiis anticis apicem versus dilatatis, infra dense longeque albosetosis, tibiis et tarsis posticis valdc incrassatis, tarsis posticis pervalide unguiculatis. Typus (einzige Art): Dorylomimus Lujae (Nr. 164, 1909, S, 180 bis 181): Flavotestaceus, capite et abdominis facie superiore nigro- piceis, sub nitidus, breviter et parcc flavopubescens. Long. 1,8 mm, lat. abdominis 0,8 nun. — Sankuru, Bezirk Kassai am unteren Kongo, 1906 in einem Zuge von Dorylus (Anomma) Kohli Wasm. von Herrn E. LujA entdeckt. Nur ein Exemplar bisher bekannt (in meiner Samm- 1 Vgl. dio Roviaiuu der (JaUuug Acnictonia iu Nr. ZU, 213, 214. a t'('>Übcrgangsglied<< von Dorylostethus zu Mimanomma darstellte. Bei näherer Betrachtung zeigt sich vielmehr, daß sie in wichtigen Merk- malen minder spezialisiert und daher »primitiver« ist als beide. Wenn man die Form des Vorderkörpers von Dorylobactrus als Aus- gangspunkt nimmt, so entfernt sich Mimanomma von ihr durch viel 306 E. Wasmann, stärkere Verlängerung von Kopf und Prothorax, DorylostetJms da- gegen durch die Quereinschnürung dieser beiden Körperabschnitte. NamentKch die Quernaht des Halsschildes von Donjlostethus ist ein Merkmal, das auf eine höhere Spezialisierung der Anpassung (Nach- ahmung der Thoraxform der Ameise) hinweist, als sie bei Dorylobactrus vorhanden ist. In der Fühlerbildung weicht Mimanomma von Dorylo- bactrus ab durch Verkürzung dieser Organe und insbesondere ihres End- gliedes, Dorylostethus umgekehrt durch Verlängerung derselben und insbesondere ihres Endgliedes. In der Bildung der Beine weicht Mim- miomma durch Keduktion der Tarsenglieder von Dorylohactrus ab, Dorylostethus dagegen durch Verlängerung der Beine und Verdickung und Zähnung der Vorderschenkel. Wengleich bei Dorylohactrus die Form der Fühler und Beine mit Mimanomma ähnlicher ist als mit Dorylostethus, so ist sie doch primitiver als bei beiden i. In der Umbildung des Mittelkörpers und der GHederung des Hinter- leibes ist Dorylohactrus jedenfalls kein »Mittelglied« zwischen Dorylo- stethus und Mimanomma; denn letztere Gattung weicht hierin von den beiden andern im wesentlichen gleich weit und zwar ganz ex- trem ab. Bei Mimanomma ist das Meso- und Metanotum vollko m men frei, Flügeldecken fehlen gänzlich; die ursprünglichen Abdominal- segmente haben sich in einen langen zweigliedrigen Hinterleibs- stiel und einen geschlossen eiförmigen vierghedrigen eigentlichen Hinterleib differenziert. Bei Dorylohactrus und Dorylostethus da- gegen sind Meso- und Metanotum in normaler Weise von Flügeldecken bedeckt, und der kurzgestielte Hinterleib weist sechs freie Dorsal- segmente auf. Mimanomma ist somit in der Mimikryrichtung (Nach- ahmung der Körperform einer Ameise) unvergleichlich weiter entwickelt als jene beiden andern Genera. Betrachtet man die Form des Hinterleibes von Dorylohactrus näher, so findet man jedoch auch hier ebenso wie in der Form des Vorder- körpers einen primitiveren Charakter nicht bloß im Vergleich zu Mim- anomma, sondern auch zu Dorylostethus. Bei letzterer Gattung ist der Hinterleib von geschlossen eiförmiger Gestalt, nicht bloß unten, sondern auch oben gleichmäßig gewölbt und nur fein gerandet, während Dorylo- hactrus einen durch die Querwölbung der vier ersten einzelnen Segmente gleichsam geringelten Hinterleib besitzt, der überdies mit einem breiten, 1 Membranöso Hafthaare konnte ich an den Tarsen dieser drei Gattungen nicht finden. Die stärkere Entwickhing des Klaucngliedcs scheint dieselben zu ersetzen. Über die eigentümlichen llaftpolster an den Tarsen und Schienen von Mimanomma eiche oben S. 289 und Taf. VIII, Mg. 23. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 307 tief abgesetzten Seitenrande versehen ist. Aus dieser Hinterleibsform läßt sich nun einerseits jene von Dorylostetlms ableiten durch engere Verbindung der Segmente untereinander und gleichmäßige Wölbung des gesamten Hinterleibsprofils, anderseits aber auch jene von Mim- anomma durch Abtrennung der vordersten zwei Segmente von den übrigen (zweigliedriger Hinterleibsstiel) und engeren Zusammenschluß der vier letzten Segmente zu einem eiförmig gewölbten Ameisenhinter- leib, dessen erstes Glied am längsten ist. Dori/lobactrus stellt also, vergleichend-morphologisch betrachtet, kein Bindeghed zwischen Dorylostetlms und Mimanomma dar, sondern eine entschieden primitivere Form als beide. Das neue Genus deutet uns somit eine Entwicklungsstufe an, welche die beiden andern Gattungen wahrscheinlich stammesgeschichtlich durchlaufen haben, und von welcher sie dann in verschiedenen Richtungen abwichen. Selbstverständlich kann die rezente Gattung Dorylohactrus nicht als »gemeinsame Stammform« der beiden andern rezenten Gattungen in Betracht kommen; alle drei Genera stellen vielmehr die Endpunkte verschiedener, ähnlicher Entwicklungsrichtungen dar, welche vielleicht von einer gemeinsamen Stammform am Ende des Tertiärs ihren Ausgang genommen haben, aber in der Weiterentwicklung ihres dorylophilen Mimikrytypus sich voneinander abzweigten. Im Stamm- baum der heutigen Aleocharinenformen steht Dorylohactrus der mut- maßlichen Stammform der beiden andern Gattungen wegen seines primitiveren Charakters wohl näher als eine von diesen beiden. Wir können uns deshalb die hypothetische Stammesentwicklung der drei Gattungen durch folgendes Schema veranschaulichen, das ihren Ver- waudtschaftsbeziehungen gerecht zu werden sucht: Tertiäre Stamuiiorm Dorylostetlms Dorylohactrus Mimanomma In bezug auf die Entwicklung der Mimikry der dorylophilen Aleo- charinen (Nr. 164, S. 52 ff.), die als Tastmimikry auf passive und aktive 308 E, Wasmami, Täuschung des Fühlertastsinnes der bHnden Wirte berechnet ist^, stellt Miinanomma ein ganz exzessives, hypertelisches Extrem dar, das von keinem andern Vertreter des Mimikrytypus erreicht wird (Nr. 194, besonders S. 481); dieser Kurzflügler hat eine ganz über- triebene, übermäßig in die Länge gezogene Ameisengestalt (Taf. IX, Fig. 27). Die lebhaft rote Symphilenfärbung seines Körpers (mit Aus- nahme des Hinterleibes) legt die Vermutung nahe, daß er auf Grund seiner Mimikry zugleich auch ein echter Gast (Symphile) seiner Wirte geworden ist. Bei Dorylostethus ist die Kopierung der wirklichen Körperumrisse der gleichgroßen Arbeiterform von Dorylus trotz der vorhandenen Flügeldecken getreuer als bei Mimünomma und auch in seinem Verhalten gleicht Dorylostethus Wasmanni nach den Beob- achtungen von Dr. Brauns (1898) ganz täuschend den kleinsten Ar- beiterinnen seiner Wirtsameise. Bei Dorylobactrus ist die Mimikry entschieden minder vollkommen als bei Dorylostethus, wie nament- lich aus der Bildung des Halsschildes und des Hinterleibes hervorgeht. 8. Eupygostenus, eine neue Gattung des Trutztypus der Pygosteninae. (Hierzu Taf. IX, Fig. 29.) Der von Fauvel in der Revue d'Entomologie 1899 p, 5 aufgestellte Tribus der Pygostenini scheint mir den Wert einer Unterfamilie zu besitzen, da er weder unter die Aleocharinae noch unter die Tachy- porinae, von denen er wahrscheinlich stammesgeschichthch abzu- leiten ist, sich einreihen läßt. Die bisher beschriebenen Gattungen sind fast alle aus Afrika, nur wenige aus Indien und dem indomalaiischen Gebiet. Sie sind sämthch der dorylophilen Lebensweise angepaßt, und zwar als Gäste des Trutztypus, mit Ausnahme von Sympolcmon und der mit ihm verwandten neuen Gattungen (s. im 9. und 10. Kapitel S. 315 ff.), die auf der Grundlage des Trutztypus zum Symphilent}q)us übergegangen sind. In Vorderindien und Ceylon sind merkwürdiger- weise bisher nur termitophile Arten innerhalb der Gattung Dory- loxenus gefunden worden, obwohl sie ihren generischen Merkmalen nach ohne Zweifel ursprünglich zum Trutztypus der Dorylinengäste gehciren, und die afrikanischen Arten derselben Gattung heute noch sämtlich als Reiter auf Wanderameisen leben. Wir müssen daher annehmen, daß die indisch-ceylonischen Doryloxenus-Aiten erst nachträglich zur termitophilcn Lebensweise übergegangen sind. Im tropischen West- 1 Bozüglicli der Hckundäroii (Jcöichtsmiinikry, die bei Gästen aoloher Ecifon sich fiudot, dio gutentwickolto Ocollen liabon, vcrwoise ich auf Nr. Iü4, S 55ff. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 309 afrika sind dagegen einige kleine Arten der im übrigen dorylophilen Gattung Pygosterms zu Terniitengästen geworden^. Ewpygostenus n. gen. (Taf. IX, Fig. 29.) Geueri Pygostenus Kr. affinis, sed differt capite valde cnnvexo; prothorace latissimo, profunde bipartito per sulcam longitudinalem niediam, niargine antico concavo, postico convexo. angulis oninibus cum lateribus omnino rotundatis, margine ejus laterali perfecte infra deflexo; elytris thorace duplo longioribus, margine postico profunde emarginato; abdomine conico, convexo, vix marginato; femoribus posticis longioribus, curvatis et compressis; antennis denique basi cras- sioribuS; apice magis acuminatis. Ewpygostenus E scher ichi n. sp. (Taf. IX, Fig. 29.) Late cuneiformis, piceus, nitidus, capite nigro^ prothorace rufo. Capite thoraceque quasi politis, subtilissime punctatis; elytris et ab- domine subtiliter denseque alutaceis, elytris insuper seriebus punc- torum obsoletorum instructis. Abdominis lateribus flavosetosis, apice breviter nigrosetoso. Antennae capite thoraceque paulo longiores. — Long. 3 nun, lat. elytrorum 1,2 mm. Ein Exemplar lag vor, bei dem unterirdisch lebenden Dorylus affinis tShuck. var. aegyjHiaca Mayr zu Nefassit in Erythraea im März 1906 von K. Escherich gefangen. Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers, welcher in seinem Fundbericht schreibt: »Die Kolonie befand sich in engsten Spalten sehr weichen Gesteins. Es waren zwei Exemplare des Eupygostenus da; das eine wollte ich im künstlichen Nest beobachten, ist mir aber leider entkommen.« Von den zahlreichen bisher bekannten Arten der Gattung Py- gostenus leben weitaus die meisten bei oberirdisch wandernden Dorylus aus dem Subgenus Anomma^. 8ie sind nach den Beobachtungen von P. H. Kohl die häufigsten Jagdgäste dieser Treiberameisen am Kongo, und eine Reihe derselben harrt noch der Bearbeitung. Bei unterirdisch lebenden Dorylus sind bisher folgende Arten gefunden worden: Py- gostenus (Typhloponemys) hypogaeus Rey bei Dorylus juvenculus Shuck. 1 Über diese Umwandlung von Dorylinengästen in Termitongästo siehe Nr. 138, S. 651—655; Nr. 145; Nr. 154, S. 49—55 (571—577); Nr. 157, S. 355—365; Nr. 188, S. 109 und 160—161; Nr. 199; Nr. 207, S. 170— 176. a Vgl. Nr. 138, S. 646£f. 310 E. Wasmann, {Typhlopone oraniensis Luc.) in Syrien; Pygostenus Raffrayi Wasm. und rufus Raffr. bei Dorylus hclvolus L. in der Kapkoloniei. Bei Ter- miten {Cuhitermes fungifaber Öiöst.) lebt Pygostenus tcrmito'phüus Wasin. vom unteren Kongo und wahrscheinlich auch P. infimus Wasm. aus Gabun. Die neue Gattung Eupygosfenus ist durch Verbreiterung der Körper- forni und Verdickung der Fühler in der Richtung des Trutztypus der Pygosteninae weiter entwickelt als Pygostenus, dem sie übrigens nahe steht. Die Verbreiterung und Querteilung des Halsschildes und die Ver- dickung seiner Seiten ist wohl ebenfalls eine dem Trutztypus dienende Anpassung, welche überdies zeigt, wie bei Symfoleynon, der zum Sym- philentypus fortgeschritten ist, die Jjängsfurchen des Halsschildes ur- sprünglich entstanden sein können. Der Kopf von Eujyygostenus ist stark cpier, ähnlich wie bei Py- gostenus, aber hoch gewölbt und hinten steil abfallend. Die Fühler- wurzeln sind einander noch näher gerückt als bei Pygostenus, nur tlurch einen linienförmig schmalen Zwischenraum getrennt. Oberhalb der Fülllerwurzeln ist die Stirn beulenförmig vorgezogen und schützt dadurch die Fühlerbasis. Die elfgliedrigen Fühler erreichen den Hinter- rand des Halsschildes, sind also trotz ihrer Dicke ziemHch lang; wegen der Kürze des 2. Gliedes erscheinen sie bei schwacher Vergrößerung nur zehngliedrig; das 1. Glied ist kurz walzenförmig, relativ breiter als bei Pygostenus, aber vorn weniger stark ausgehöhlt; das 2. Glied ist sehr kurz cpier, nur von vorne und unten sichtbar, das 3. etwas länger als breit, walzenförmig, die folgenden allmählich ein wenig kürzer und schmaler, aber alle etwas länger als breit, einschließlich des 10.; das 11. ist doppelt so lang wie das 10., spitz kegelförmig- die Glieder sind sehr eng aneinander geschlossen, und da sie zur Spitze hin schmaler werden, sind die Fühler fast hornförmig. Die Augen sind sehr groß, stark halbkugelförmig, gewölbter als bei Pygostenus, die ganzen Kopf- seiten einnehmend. Bei stärkerer Vergrößerung ist der Kopf äußerst fein und dicht punktiert, bei schwacher erscheint er glatt. Das Hals Schild ist breiter als der Kopf, sehr stark cpier, fast viermal so breit wie lang und von ganz cigentüjiiliclier Gestalt. Der Vorderi'and ist ausgerandet, concav, der Hinterrand gerundet, convex, so daß das Halsschild fast halbmondförmig erscheint; die Vorder- und Hintcrecken sind mit den Seiten vollkommen verrundet; durch eine tiefe, breite Längsfurche in der Mitte zerfällt das Halsschild in zwei 1 Pygostenus fusillus Wasm. (Nr. i;)8, S. 646) b. Anomma Kohli ist kein Pi/goatemia, sondorn Nannoslcnus n. gen. (siolio unton S. 322). Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 311 kissenförmig gewölbte Querhälften. Die Halsschildseiten sind sehr dick und gewölbt, vollkommen ungerandet, indem die Seitenränder ganz auf die Unterseite umgeschlagen sind, während Pygostenus normal gebildete, horizontal vortretende Seiten des Halsschildes hat. Die Skulptur erscheint bei schwacher Vergrößerung ganz glatt, bei stärkerer sehr fein punktiert. Jederseits von der Mittelfurche stehen drei Börst- chen. Das Schildchen ist sehr klein, dreieckig. Die Flügeldecken sind quer viereckig, schwach gewölbt, von der doppelten Länge des Halsschildes und fast doppelt so breit wie lan«'-. Der Hinterrand ist tiefer gemeinschaftlich ausgerandet als bei Py- gostenus und die Hinterecken deshalb stärker vorgezogen. Die Skulptur ist sehr fein und dicht lederartig, daher schwächer glänzend als das Halsschild; auf der Scheibe finden sich überdies Längsreihen größerer, sehr seichter Punkte. Der Hinterleib ist kurz kegelförmig, gewölbt, nur sehr schmal und fein gerandet, während Pygostenus einen flacheren, breiter gerandeten Hinterleib hat. Der Seitenrand ist nur im ersten Drittel des Hinterleibes deutlich, bei Pygostenus dagegen bis zum vorletzten (dem 6.) Segment. Dieses ist wie bei Pygostenus das längste von allen freien sieben Dorsalsegmenten. Der Hinterleib ist seitlich und ventral mit ziemlich langen, gelben Borsten besetzt, die auch am Hinterrande der Tergite sich finden. Das Analsegment trägt einen kurzen schwarzen Borstenkranz, der kürzer und feiner ist als bei Pygostenus. Die Beine sind ähnlich wie bei Pygostenus, die hinteren jedoch länger, mit etwas gebogenen, flachgedrückten Schenkeln; auch die Hinterschienen sind schwach gebogen. Die Vordertarsen sind kurz, das Klauenglied fast so lang wie die übrigen Glieder zusammen; an den Hintertarsen ist das 1. Glied verlängert. Die Schienen sämtlicher Beine sind innen dicht mit langen, weißlichen Haaren besetzt, welche Hafthaare zu sein scheinen; auch die Unterseite der Tarsen zeigt ähn- liche weiße Hafthaare. Die Mundteile konnte ich an dem einzigen Exemplar nur mit dem Binocularmikroskop untersuchen. Die Kiefer- taster sind kürzer als bei Pygostenus, mit kaum sichtbarem, sehr kleinem Endglied. Die Oberlippe ist breit, vorne nicht ausgerandet. 9. Zur Gattung Sympolemon Wasm. und ihrem Symphilentypus. (Taf. IX, Fig. 30.) Die Gattung Sympolemo7i, mit S. anommatis als typischer Art, wurde von mir 1900 (Nr. 114, S. 258 [44 Separ.] ff.) beschrieben. Sie gehört jedoch nicht zur Unterfamilie der Aleocharinae, zu der ich sie damals stellte, sondern zu derjenigen der Pygosteninae, wie aus 312 E. Wasmann, ihrer Fühlerbildung, aus der Verlängerung des vorletzten freien Hinter- leibssegments, aus dem (allerdings rudimentären) schwarzen Borsten- kranze an der Hinterleibsspitze und andern Merkmalen mit Sicherheit hervorgeht. Daß er zu den Symphilen gehört und aus dem Munde seiner Wirte sich füttern läßt, schloß ich aus der Bildung seiner Unter- lippe (Nr. 114, S. 259 [45], 261 [47] und Tai XIV (IL), Fig. 18a). Seine eigentümlichen, rudimentären, äußerlich nur eingliedrigen, dicht mit Hafthaaren besetzten Tarsen wurden damals schon beschrieben und abgebildet (Nr. 114, S. 262 [48] und Taf. XIV (IL), Fig. 18b). Die biologische Bedeutung dieser Tarsenf orm wurde jedoch erst durch die späteren Beobachtungen von P. Kohl allseitiger aufgeklärt. Der Käfer reitet nämlich für gewöhnlich nicht auf den Ameisen, wie ich nach seiner Tarsenbildung ursprünglich annahm, sondern er springt pfeilschnell über die Ameisen dahin (Nr. 138, S. 638, 640 und 665). Das Kätsel dieser Bewegungsweise wurde durch Schnittserien des Hinterleibes gelöst, indem der schlanke, spitze Hinterleib eine musku- löse Springfeder darstellt; w^enn der Käfer mit der Hinterleibsspitze auf den Boden schlägt, vermag er sich mit einem Satze fortzuschnellen (Nr. 138, S. 638 ff . undTaf.XXXIII, Fig. 11c). Seine durch die Haftbaare pantoffelförmig verbreiterten Tarsen verhindern wahrscheinlich, daß er nach dem Sprunge mit den Füßen im Sande einsinkt und bieten somit eine entfernte Analogie mit den befiederten Füßen des Steppenhuhns {Sijrrhaptes paradoxits) (s. Nr. 184, S; 228). Die anatomische Struktur der Tarsen erweist sich mikroskopisch als innerlich dreigliedrig, wäh- rend man sie äußerlich nur als eingliedrig bezeichnen kann (Nr. 138, S. 639). Daß die rudimentären, so reich mit Hafthaaren ausgestatteten Tarsen zugleich aber auch die Bedeutung haben, dem Käfer das An- klammern an seine Wirte zu ermöglichen und daß hierin ihr ursprüng- licher Ausbildungszweck liegt, scheint mir nach der Analogie mit den Hafthaaren der Tarsen von Dorylomimus und andern Gattungen sicher (s. oben S. 289). Daß Sympolemon miomtnatis in einem echten Gastverhältnis zu seinen Wirten steht, wird nicht nur durch die Bildung seiner Mund- teile nahegelegt, sondern auch durch die schlanken, geschmeidigen Fühler, die den Verkehr mit den Ameisen ermöglichen, durch die tiefen Furchen zwschen den gewölbten (nicht scharfkantigen) Längskiclen des Halsscliildes und die mit einer tiefen Nahtfurche und tiefen Basal- grulieii (wahrscheinlich Kxsudatgruben) versehenen Flügeldecken sowie durch die gelbe P>cborstung des Hinterleibes, welche 1)ei reinen Stücken eine sehr dichte ist und dem Hinterleib einen goldgelben Schimmer Nene Anpaesnngstypen hei Dorylinengästen Afrikas usw. 313 verleiht. Unter dem Binocnlarmikroskop zeigt sich diese Behaarung als eine doppelte, eine kurze, dichte, anliegende und eine lange, aus stark nach hinten geneigten Borsten bestehende. Die gelbe Grundbehaarung bedeckt die ganze Oberseite des Hinterleibes und seine Seitenränder ziemlich gleichmäßig dicht. Die langen gelben Borsten sind auf der Basalhälfte des Hinterleibes in mehrfachen Querreihen auf den einzelnen Seo-menten geordnet und stehen auch an den Seitenrändern der Seg- mente; gegen die Hinterleibsspitze zu ist die ganze Oberfläche fast gleich- förmig dicht mit diesen gelben Borsten besetzt, die den Eindruck von Exsudattrichomen machen. Die gesamte Körperform, die Fühlerbildung, Skulptur und Behaarung von Synifolemon befestigt mich in der schon früher ausgesprochenen und auch von P. Kohl (Nr. 138, S. 667) geteilten Ansicht, daß dieser Käfer sicher zu. den Symphilen der Wanderameisen zu zählen ist. Der schwarze Stachelkranz an der Hinterleibsspitze, der bei den Pygosteninae gewöhnlich vorkommt, ist bei Syoyifo- lemon auf drei kurze, dünne Börstchen reduziert, die zudem häufig zu- rückgezoo-en und dann nicht oder kaum sichtbar sind. Wenn man ienen Stachelkranz ursprünglich als ein defensives Merkmal des Trutztypus der Pygosteninae auffaßt, so ist seine Rückbildung bei Sympokmon eine Bestätigung für dessen symphile Entwicklungsrichtung. Auf eine unter dem Binocularmikroskop schön sichtbare Skulptur- eigentümlichkeit von Sympolemon anommatis sei hier aufmerksam gemacht, da sie wahrscheinlich auch von biologischer Bedeutung ist. Die Oberseite des Kopfes, des Halsschildes, ferner die Seiten, die Naht- furche und die Basalgruben der Flügeldecken sind auf glattem Grunde dicht mit äußerst feinen Punktstreifen bedeckt, welche auf dem Kopf nach vorne konvergieren, auf dem Halsschild, auf den Seiten und der Naht der Flügeldecken parallel längsgerichtet sind und an den Schulter- gruben bogenförmig verlaufen. Der Hinterleib zeigt keine Punkt- streifen, sondern ist dicht und fein schwach rauh punktiert wie häufig bei den Pygosteninae. Vielleicht ist die feine punktstreifige Skulptur des Vorderkörpers (mit Ausnahme der Flügeldeckenscheibe, die nur äußerst fein lederartig punktiert ist) als der Rest einer ehemaligen rauhen Skulptur aufzufassen, wie sie die nahe verwandte Gattujig Anommatophilus besitzt. Sympolemon anommatis ist einer der häufigsten Jagdbegleiter der central- und westafrikanischen Treiberameisen. Er kommt ferner bei mehreren verschiedenen ^nomma-Arten und -Rassen vor am unteren und oberen Kongo und in Kamerun. Ursprünghch von E. Luja bei Anomma Wilverthi Em. bei Sankuru (Bezirk Kassai) am unteren Kongo 314 K. Wasmann, entdeckt, wurde er bald darauf von P. H. KoiiL bei ^tanleyville (Sta- tion »St. Gabriel) am oberen Kongo bei derselben Treiberameise ge- f unden. Wie häufio- er daselbst ist, geht daraus hervor, daß aus P.Kohls Funden (einschheßlich der neuen von ]909 — 1914) über 100 Exemplare allein aus den Zügen jener Anotrwia mir vorlagen, obwohl der Fang dieser Gäste aus der Mitte der Treiberameisen eine schwierige Arljeit ist. Ferner traf P. Kohl denselben Sym,folemon 1909 und 1910 bei Stanle}^- ville auch wiederholt in den Zügen von Anomma Burmeisteri Shuck. var. ruhella Sav., wenn auch nicht so häufig wie bei A. Wüverthi. Ich finde keinen Unterschied zwischen den bei diesen beiden verschiedenen Anomma lebenden Exemplaren von Sym/polemon. Sein Vorkommen bei A. Sjöüedti Em. in Süd-Kamerun ist bereits von A. ReichenspergerI gemeldet worden nach den Funden von W. Funk. Auch bei Groß - Batanga wurde Syrnfolemon von Geo Schwab am 12. Juni 1912 in einem Zvige von A. Sjöstedti gefangen (in meiner Sammlung). Ich sehe keinen Unterschied zwischen diesem Exemplar und den bei den andern am Kongo lebenden ^4 nomma -Arten. Auch Reichensperger fand die FuNKschen Exemplare von S. anommatis »genau übereinstimmend mit den Stücken, die am Kongo bei A. Wüverthi Em. gefunden wurden«. Bei einem näheren "Vergleich des reichen Materials, das mir von Sympolemon anommatis vorliegt, ergab sich, daß die Körperfo.rm, Skulptur und Färbung dieser Art außerordentlich konstant sind; desgleichen die Körpergröße, die zwischen 6 und 7 mm Rumpflänge sich bewegt. Die Behaarung ist nicht selten etwas abgerieben, aber an reinen Stücken ebenfalls übereinstimmend. Symfolemon anommatis stellt somit eine ebenso häufige und weitverbreitete wie kon- stante Anpassungsform dar, die auf dem Optimum ihrer An- ]iassungsbedingungen an die Lebensweise bei Anomma steht. 1904 beschrieb ich eine zweite Art derselben Gattung als Sym- polemon tiro. Diese muß jedoch von Sympolemon getrennt und zu einer neuen Gattung {Micropolemofi) ei'hoben werden. Ich gehe jetzt zu den mit Sym.folemon verwandten neuen Gattungen über. 10. Neue Verwandte von Sympolemon und ihre Beziehungen zu Anommatophilus und Pygostenus. (Hierzu Taf. IX, Fig. 30—34.) Der hiei' zu behandelnde Verwandtschaftskreis von Sympolemon umfaßt Formen der Pygosteninae, die in ihrer Eutwicklnngs- 1 Zur Kenntnis afrikanischer Myrmekophilen (Entomol. Mitteilungen, IV. Nr. 4— 6. 1915. S. 124.) Neue Anpaasungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 315 richtung mit ßtjmpolemon ähnlich sind, indem sie vom Trutztypus au.sgehend dem Symphilentypus sich nähern, während sie sj^stematisch teils an S>/mpolemon, teils an Anonimatophilus, teils an Pygostenus sich anschließen. Ich gebe zuerst eine Übersicht derselben (mit Ein- schluß von Siimfolemon), dann die Diagnosen der neuen Gattungen, Untergattungen und Arten, endlich einige zusammenfassende Anhalts- punkte für ihre natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen zu den Cjat- tungen Ä?iommato'philus Wasm. und Pygosteyms Kr. Übersichtstabelle. a. Tarsen normal, Vordertarsen viergüedrig, Mittel- und Hinter- tarsen fünfgliedrig, mit Hafthaaren besetzt. Körperform ähnlich Anomtnatophilus, aber breiter und flacher. Kopf gewölbt, stark quer, nur halb so lang wie das Halsschild. Halsschild stark quer, niit drei Längsfurchen und vier Längskielen, der Vorderrand desselben concav, der Hinterrand convex. Körperlänge 2,7 bis 4 mm: Eupolemon n. gen. (Taf, IX, Fig. .31). (Zwei Arten, Ewpolemon costatus n. sp. [Typus der Gattung] und hospes n. sp. s. unten S. 317.) a' Tarsen rudimentär, kurz stummeiförmig, äußerhch nur einglied- rig, dicht mit Hafthaaren besetzt. Kopf flach, niemals stark c[uer, so lang oder wenig kürzer als das Halsschild. Halsschild quadra- tisch bis stark quer, mit oder ohne Längsfurchen und Längskiele, Vorderrand stark concav, Hinterrand convex. Körperlänge 2 — 7 mm ^ b b. Körpergestalt groß (6 — 7 mm), sehr schlank, mit gewölbten Flügeldecken und Hinterleib und sehr schlanken Fühlern und Beinen. Sämtliche Fühlerglieder mit Ausnahme des sehr kurzen zweiten viel länger als breit; drittes GHed stark verlängert, länger als das Endglied. Kopf etwas länger als breit, so lang wie das Halsschild. Halsschild so lang wie breit, quadratisch mit voll- kommen parallelen Seitenrändern, mit zwei tiefen Längsfurchen Tind drei gewölbten Längskielen. Flügeldecken so lang wie breit, mit zwei tiefen, dreieckigen Basalgruben und stark vertiefter Naht. Die ganze Oberseite Von Kopf und Halsschild, die Basis und die Seitenränder der Flügeldecken dicht mit äußerst feinen Punktstreifen besetzt. Der schwarze Borstenkranz der Hinter- leibsspitze rudimentär : Sympohmon Wasm. 1900 (s. obenS. 311 und Taf. IX, Fig. 30). (Typus und einzige Art: Sympolemon anommatis Wasm. 1900.) 316 E. Wagjnann, b'. Körpergestalt klein (2 — 2,8 mm), minder schlank, mit flachen Flügeldecken und Hinterleib und mäßig schlanken Fühlern und Beinen. Fühlerglieder mit Ausnahme des Endgliedes nie doppelt so lang wie breit; drittes Glied nicht verlängert. Kopf schwach quer, kaum so lang wie das Halsschild oder etwas kürzer. Hals- schild stark quer, fast doppelt so breit wie lang, mit oder ohne Längsfurchen und Längskiele. Flügeldecken stark quer, um die Hälfte bis doppelt so breit wie lang, ohne Basalgruben und ohne Nahtfurche. Neben dem Seitenrand von Halsschild und Flügel- decken steht eine erhabene Längsliniei. Der schwarze Borsten- kranz an der Hinterleibsspitze normal entwickelt c c. Halsschild mit Längsfurchen und Längskielen. Körperlänge 2,5—2,8 mm d c'. Halsschild ganz flach, ohne Längsfurchen oder Längskiele. Körper- länge 2 — 2,5 mm e d. Halsschild mit drei vollständigen Längsfurchen und vier voll- ständigen Längskielen, sein Vorderrand einfach ausgeschnitten und die Vorderecken daher nur nach vorne vorspringend. Kopf, Halsschild und Flügeldecken matt, dicht körnig punktiert: Micropolemon n. gen. subgen. Micro'polemon s. str. (Taf. IX, Fig. 32). (Typus und einzige Art: Micropolemon {>> SympoJemon<<) iiro Wasm. 1904 [Nr. 138, ,S. G41]; s. unten B. 319.) d'. Halsschild mit zwei breiten Längsfurchen, zwei vollständigen Kandkielen und einem breiten, vorne und hinten abgeküizten Mittelkiel, hinter dem jederseits ein kleiner Basalkiel steht: Vor- derrand des Halsschildes nicht nur ausgeschnitten, sondern aucli in seiner ganzen Breite tief quer eingedrückt, so daß die Vorder- ecken stark hornartig nach oben vorspringen. Kopf, Halsschild und Flügeldecken glänzend, nur äußerst fein gestrichelt: Micropolemon subgen. Anapolemon n. subg. (Taf. IX, Fig. 33). (Typus und einzige Art: Anapolemon cornutus n. sp.; s.u.B.320.) e. Reitenränder von Halsschild und Flügeldecken nur schwach ge- bogen, fast parallel. Kopf querrechteckig. Flügeldecken um die Hälfte breiter als das Halsschild. Körperlänge 2,5 mm: Micropolemon subgen. Hemipolemon n. subg. (Taf. IX, Fig. 34). 1 Nur diese Längslinie ist von oben sichtbar. Bei seitlicher (schräger) Be- trachtung unter dem Binocular zeigen sich noch mehrere, feinere, erhabene Längs- linien auf dem Seitenrande selbst, außerhalb der obenerwähnten stärker er- habenen Längslinie. Neue Anpassnngstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 317 (Typus und einzige Art: Hemipolemon 'pldnicollis n. sp.; s. unten 8. 321. ) e'. Heitenrändei; des Halsschildes mit dem Hinterrand in einem Bogen stark gerundet, auch die Seiten der Flügeldecken gebogen. Kopf queroval. • Flügeldecken nicht breiter als das Halsschild: Körperforni Pygostenus ähnlich, aber flacher. Körperlänge 2 mm. Nannostenus n. gen. (Typus und einzige Art: Nannostenus {>> Pygostenus«) 'pusillus Wasm. 1904 [Nr. 138, S. 646]; s. unten 8. 322). Eupolemon n. gen. Pygosteninarum. (s. die TabeUe S. 315 und Taf. IX, Fig. 31.) C4eneri Anominatophilus Wasm. (1904, Nr. 138, S. 642) affinis forma corporis et tarsorum, sed latior et planior, praesertim thoracis forma diversus, quae ad genus Sympolemon accedit. Caput longitudine duplo latius, convexum. Antennae dimidia corporis longitudine, valde acu- minatae. Prothorax transversus, lateribus antice rotundatis et pauIo dilatatis, basin versus angustatis, profunde trisulcatus et alte quadri- costatüs (in genere Anommatophilus thorax. angustior, convexus, sub- pai'allelus. haud sulcatus). Elytra thorace duplo latiora, subplana^ margine postico profunde emarginato et angulis posticis acute pro- minentibus (in Anommatophilo elytra angustiora et convexa, postice vix emarginata). Abdomen elongatum, conicum, anguste marginatum, segmentis 7 liberis, quorum sextum elongatum. Corpus opacum, capite, thorace et elytris dense coriaceopunctatis, abdomine dense subtiliter punctato, dense flavosetoso, apice brevissime nigrosetoso. Durch die hier und in der Tabelle (oben S. 315) angegebenen Unter- schiede läßt sich die neue Gattung leicht sowohl von AnommatopJiilus wie von Sympolemon unterscheiden, zwischen denen sie eine Mittel- stellung einnimmt, jedoch näher mit ersterer verwandt ist. Die Stirn ist wie bei jenen zwischen den Fühlerwurzeln dreieckig vorgezogen, mit gerundeter Spitze. Die normal gebildeten Tarsen besitzen zahlreiche Hafthaare. Die beiden Arten lassen sich folgendermaßen übersehen: 1. Eupolemon costatus n. sp. (Typus der Gattung). (Taf. IX, Fig. 31.) Alle drei Längsfurchen des Halsschildes durchgehend, die Seiten- furchen nur wenig breiter als die Mittelfurche. Halsschild stark quer, vorn doppelt so breit wie lang. Fühler gedrungen, das 3. — 5. Glied nicht, das 6. — 9. nur wenig länger als breit, das 10. fast doppelt so lang Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 21 318 E. Wasmann, wie breit, das 11. etwas länger als die zwei vorhergehenden zusammen. Die ganze Körperform etwas kürzer und in der Mitte breiter. Dunkel rotbraun, mit pechbraunem Kopf und schwarzbraunen Flügeldecken. 2,7 mm. Ein Exemplar wurde von Geo Schwab in einem Zuge von Anomma Burmeister i Shuck. zu Groß-Batanga, Kamerun, am 25. April 1911 gefangen. ! 2. Eupolemon Jiospes n. sp. Nur die Mittelfurche des Halsschildes durchgehend, die Beiten- furchen vorn und hinten abgekürzt, viel breiter als die Mittelfurche. Halsschild schwächer quer, vorn nicht doppelt so breit wie lang. Fühler schlanker, das 3. — 9. Glied ungefähr um die Hälfte länger als breit, das 10. fast doppelt so lang wie breit, das 11. ein wenig kürzer als die beiden vorhergehenden zusammen. Die ganze Körperform etwas schma- ler und länger. Kotbraun mit dunklerem Kopf und schwarzen oder schwarzbraunen Flügeldecken. 3 — 4 mm. Zwei Exemplare lagen vor, von P. H. Kohl in Zügen von Anomma Wiherthi Em. zu St. Gabriel (Stanleyville, oberer Kongo) 1906 und 1910 gefangen. Als Type der Art betrachte ich das größere der beiden Exemplare vom Jahre 1906. Micropolemon n. gen. Pygosteninarum. (s. Tabelle S. 316.) Generi Sympolemon Wasm. affinis, sed statura multo minore (2,5 — 2,8 mm), minus elongäta et magis plana. Antennae pedesque minus graciles; antennae dimidia corporis longitudine, art. 3° haud elongato. Caput subtransversum, thorace paulo brevius, planum. Prothorax valde transversus, lateribus plus minusve parallelis, sulcatus et costatus vel planus. Elytra transversa, plana, thorace multo latiora sine fovea humerali, sutura haud impressa. Abdomen planum, ni,ar- ginatum, acuminatum, flavosetosum, apice nigrosetoso; 7 segmenta libera conspiciuntur. Prope marginem lateralem elytrorum prothoracis linea longitudinalis elevata adest^. Tarsi brevissimi, uniarticulati, dense setosi (mit Hafthaaren besetzt). Die in den obigen Merkmalen übereinstimmenden und dadurch von Sympolemon sich unterscheidenden Formen sind namentlich in der Halsschildbildung so verschiedenartig, daß sie in drei Untergattungen geteilt werden müssen, von denen die erste mehr an Symfoletnon, die 1 Siehe die Anmerkung 1 auf S. 310 der Tabelle. Nene Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas nsw. 319 dritte sm Nannostenus (n. gen. ^voi^e Pygostenus, s. unten) sich annähert, während die i^weite eine Mittelstellung, aber doch näher Sympolemon, einninmit. 1. Subgenus Micropolemon s. str. (Taf, IX, Fig. 32.) Prothorax profunde trisulcatus et alte quadricostatus; margo an- ticus excisus, angulis anticis antrorsum tantura prominentibus. Caput, prothorax et elytra opaca, dense coriaceopunctata. Tergitum paermlti- mum abdominale (6""^ liberum) elongatum. Der schwarze Borstenkranz an der Hinterleibsspitze ist mir wenig stark entwickelt. 2. Subgenus Anapolemon n. subgen. (Taf. IX, Fig. 33.) Prothorax late bisulcatus, costis lateralibus integris, costa media lata, antice et postice abbreviata, carina basali parva utrimque pone costam mediam sita; margo antieus prothoracis excisus et totus pro- funde impressus, angulis anticis sursum elevatis, cornutis. Caput, prothorax et elytra nitida, vix subtilissime striata. Tergita duo ultima abdominalia (6^'" et 7""^ liberum) elongata. Der schwarze Borstenkranz an der Hinterleibsspitze ist stärker entwickelt als bei Micropolemon s. str. 3. Subgenus Hemipolemon n. subgen. (Taf. IX, Fig. 34.) Prothorax omnino planus (neque sulcatus neque costatus), mar- gine antico exciso. Caput, prothorax et elytra subopaca, densissime subtihter punctata. Tergitum paenultimum abdominale (6""^ liberum) elongatum. Der schwarze Borstenkranz an der Hinterleibsspitze ist schwach entwickelt wie bei Micropolemon s. str. Zu Micropolemon Uro Wasm. (Nr. 138, S. 641). (s. die Tabelle S. 316 und Taf. IX. Fig. 32.) Diese daselbst 1904 als Sympolemon tiro beschriebene Art bildet den Typus der neuen Gattung und Untergattung Micropolemon sensu stricto. Das erste Exemplar wurde von P. H. Kohl 1902 in einem Zuge von Anomma Wilverthi Em. zu St. Gabriel (bei Stanley ville, oberer Kongo) entdeckt. 1909 — 1910 fand er sie ebendort bei A. Wilverthi mehrmals wieder, außerdem aber auch bei A. Burmeisieri ruhella Sav. 21* 320 E. Wasmann, Die letzteren Exemplare sind meist, aber nicht ausnahmslos, liellei gefärbt als die bei Ä. Wilverthi gefangenen. Die Färbung der Art variiert von rotbraun oder pechbraun mit schwarzem Kopf und Flügel- decken — nach dieser Färbung wurde die Art 1904 beschrieben — 1)1 s gelbbraun mit etwas dunklerem Kopf und Flügeldecken; die Köi per- länge mißt 2,5 — 2,8 mm. Auch die relative Breite des Kopfes im Vergleich zum Halsschild schwankt ein wenig; gewöhnlich ist der Kopf fast genau so breit wie das Halsschild, manchmal aber etwas schmaler; er ist stets ein wenig kürzer als letzteres. Die Seiten des Halsschildes, das fast doppelt so breit wie lang ist, sind nach hinten schwach bogig verengt. Die Skulptur des Vorderkörpers, namentlich jene des Hals- schildes und der Flügeldecken, variiert inerklich, indem gewöhnlich (typische Skulptur) Halsschild und Flügeldecken durch sehr dichte, unter dem Binocular körnige Punktierung ganz matt sind, manchmal jedoch durch feinere Punktierung einen schwachen Glanz zeigen. Micropolemon Uro erweist sich somit weniger konstant in Färbung und Skulptur als Sijmpole'mo7i anommatis, obwohl von letzterem ein viel größeres Vergleichsmaterial vorlag (s. oben S. 314). Micropolemon [Anapolemon) cornutus n. sp. (s. oben S. 31G luid 319 und Taf. IX, Fig. 33.) Rufotestaceus, capite elytrisque nigris. Caput fere thoracis longi- tudine, sed paulo angustius, vix transversum, fronte plana. Anten- narum art. 1"^ latitudine vix longior, 2"^ transversus, 3"'' — 10"'" la- titudine parum longiores, 11"^ acuminatus, duobus praecedentibiis unitis longior. Prothorax (s, S. 316) lateribus subparallehs, longitudine plus sesqui latior. Elytra thorace paulo longiora, longitudine sesqui latiora, plana, lateribus parallehs. Abdomen basi elytris angustius, planum, marginatum, valde acuminatum, dense subtiliter punctatuni, subopacum, flavopubescens et flavosetosum. Long. 2,8 mm. Die Skulptur des glänzenden Vorderkörpers erscheint bei schwächerer Vergrößerung äußerst fein punktiert. Unter dem Binocular zeigt sich, daß die Skulptur aus sehr feinen Strichen besteht, die auf dem Kopf rings um die flache Stirn konzentrisch, auf Halsschild und Flügeldecken teils längs teils quer verlaufen. Durch die Verlängerung der zwei letzten freien Hinterleibetergite und die starke Entwicklung des Borsteu- kranzes an der Hinterleibsspitzc unterscheidet sich Anapolemon ebenso sehr wie durch die gehörnten Vorderecken des Halsschildes von Micro- polemon und Ilemipolemon. Die Strichelung des Vorderkörpers und die schlanke Gestalt zeigt eine entfernte Ähnlichkeit mit Sympolemon. Neue Änpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 321 Ein Exemplar wurde in einem Zuge von Anormmi Sjöstedti Em. bei Groß-Batanga (Kamerun) von Geo Schwab 21. Juni 1912 gefangen. Micropolemon {Hemi'polemon) phnicollis n. sp. (s. oben S. 316 und 319 und Taf. IX, Fig. 34.) Flavotestaceusi, capite elytrisque brunneis, dense subtilis.sime alutaceus, abdomine subtilissime aciculato, parum nitidus. Caput thorace paulo angustius sed vix brevius. Antennarum art. 1"^ latitu- dine vix longior, 2"^ transversus, 3^ — 9"™ latitudine liaud longiores, 10"^ latitudine parum longior, 11"^ acuminatus, tribus praecedentibus unitis longitudine fere aequalis. Prothorax (s. S. 319) longitudine fere duplo latior, lateribus distincte sed leviter curvatis, angulis anticis acutis, posticis obtusis. Elytra thorace sesqui longiora et latioja, late- ribus paulo curvatis. Abdomen acuminatum, marginatum, planum, flavopubescens et flavosetosum. Long. 2,2 — 2,4 mm. Obwohl die Art durch das vollkommen flache Halsschild weit von den Untergattungen Micropolemon und Änapolemon abweicht, ist sie doch durch die oben (S. 316 und 318) erwähnten gemeinschaftlichen Merkmale mit ihnen so nahe verwandt, daß ich sie nicht als Vertreter eines eigenen Genus auffassen zu können glaubte. Hemipolemon planicollis liegt von drei verschiedenen Anomma- Arten bzw. -Rassen aus zwei verschiedenen Gebieten vor. Zwei Exem- plare wurden von P. Herm. Kohl am oberen Kongo (St. Gabriel bei Stanleyville) gefangen, und zwar das erste 1906 im Zuge von Änomma Burmeisteri ruhella Sav., das zweite 1910 im Zuge von A. Wilverthi Em. Diese beiden sind die typischen Exemplare {H. planicollis in specie). Zwei andre Exemplare wurden von Geo Schwab in Kamerun (Groß-Batanga) in einem Zuge von Anomma Sjöstedti Em. var, Sjö- stedti-Wilverthi Wasm. (s. oben S. 305) 8. Mai 1913 gefunden. Sie unterscheiden sich von den typischen Exemplaren durch viel dunklere ; Färbung. Ich bezeichne sie daher, zumal sie aus einem andern Gebiete 'stammen, als: 1 var. Schwahi n. var.: Brunnea, capite elytrisque nigricantibus, antennis pedibusque piceis, abdominis apice fortius nigrosetoso. Nannostenus n. gen. Pygosteninarum. (s. oben S. 317.) Inter genus Micropolemon subgen. Hemipolemon Wasm. et genus Pygostenus Kr. quasi intermedium. A genere Pygostenus differt: tarsis * Die dunkler gefärbte var. Schivabi siehe unten. 322 E. Wasmann, brevissimis, iiniarticulatis, dense setosis; capite multo longiore, thoracis fere longitudine, subplano; prothorace fere semilunari, margine antico profunde exciso; lineis longitudinalibus elevatis in margine elytrorum et prothoracis (s. oben S. 316), denique abdoinine minus convexo, fere jilano. — A genere Micwpolemon subgen. Hemipolemon differt: antennis crassioribus, subito acuminatis; prothoracis lateribus cum margine postico omnino rotundatis, angulis posticis nullis; elytris de- nique multo angustioribus, thorace haud latioribus. — Ab utroque genere differt: scutello permagno, triangulari (in generibus Micwpolemon et Pygostenus minimo, vix visibili). Daher mußte ich Nannostenus als eigene Gattung aufstellen. Der Hinterleib zeigt sieben freie Tergite, von denen der vorletzte verlängert ist. Der schwarze Borstenkranz an der Hinterleibsspitze ist nur sehr schwach entAvickelt im Gegensatz zu Pygostenus. Den T}^us dieser neuen Gattung bildet Pygostenus pusillus Wasni. 1904 (Nr. 138, S. 646), den ich damals irrtümlich zu Pygostenus stellte. Die einzige Art ist nur 0,8 — 2 mm lang, gelbbraun bis rostrot mit braunen Fühlern und Kopf, der Hinterleib gelb anhegend und abstehend behaart. Nur zwei Exemplare lagen vor, bei Dorylus {Anomma) KoJüi Wasm., einer nur selten oberirdisch AA^andernden Treiberameise, von P. Kohl bei St. Gabriel (Stanleyville) gefangen. Zusammenfassung. Der VerAvandtschaftskreis von Sympolemon ist dadurch charakteri- siert, daß hier der Trutztypus der Pygosteninae dem Symphilentypus sich nähert durch Verlängerung der Fühler, schlankere und meist flachere Körpergestalt, EntAvicklung von Längsfurchen und gcAvölbten Längskielen auf dem Halsschild (bei Sym.polemon auch von Furchen und Gruben auf den Flügeldecken), sowie durch dichtere gelbe Behaarung des Hinterleibes, wobei (mit Ausnahme von Eupolemon) auch die Tarsen rudimentär gcAvorden sind (Haftapparate). Den Höhepunkt dieser Entwicklungsrichtung hat Sympolenion erreicht, ihm zunächst stehen in der Ausbildung von symphilen Charakteren Micropokmon s. str., Änapolemon und Eupolemon. Auf den niedrigsten Stufen stehen Hcmi- polemon und Nannostenus. Als Ausgangspunkte dieser EntAvicklungsrichtung sind in syste- matischer Beziehung ZAvei verschiedene deutlich erkennbar; der eine liegt bei Anommato p]iilus-'ä\\\\\\c\\Q\\ Formen, der andre bei Pygostenus- ähnlichen, die beide in konvergenter Richtung zum Symphilentypus hin sich entwickelt haben. Eupolemon gehört sicher in die natürhchc Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 323 Verwandtschaft von AnotnmatopJiilus, Nannostenus sehr wahrscheinlich in jene von Pygostenus. Von iVanwosf ewws-ähnlichen Formen aus scheint — nach der Skulptur des Seitenrandes von Flügeldecken und Hals- scliild zu urteilen — die Entwicklung der Hemipolemon-Yoira auszu- gehen, welche ihrerseits zu Aviapolemon und Micropolemon s. str. über- leitet. Selbst verständHch handelt es sich hier nicht um »Ahnenreihen«, sondern um Entwicklungsstufen eines morphologischen Typus. Sympolemon endlich steht wegen der hohen Entwicklung seiner An- passung so isoliert da, daß es kaum möglich ist, anzugeben, ob er ursprünglich von einer AnommatopMlus- oder einer Pygostenus-älin- hchen Form ausging, obwohl ersteres wahrscheinlicher ist. Er scheint jedenfalls einer eigenen, relativ sehr alten Entwicklungsreihe anzuge- hören. Wir haben somit in der Sympolemon-Gva^-pe wenigstens drei verschiedene, analog gerichtete Entwicklungsreihen anzunehmen, die durch Konvergenz von verschiedenen Ausgangspunkten aus zu ver- schiedenen Zeiten zu einem ähnlichen morphologisch-biologischen An- passungstypus, dem >>Sympolemon-T!jp-aB<< geführt haben. 11. Die verschiedenen Entwicklungswege der Sympliilie unter den dorylophilen Staphyliniden. Das echte Gastverhältnis (Symphilie) tritt bei den myrmeko- philen und termitophilen Coleopteren in den verschiedensten Formen und Stufen auf und hat sich bei verschiedenen Gattungen und Gattungs- gruppen, Unterfamilien und Familien derselben in selbständiger Weise polyphyletisch entwickelt. Vgl. besonders Nr. 51, 60, 85, 134, 173, 184. Am eingehendsten ist die Symphilie bei den Staphyliniden aus der Gruppe der Lomechusini (Unterfamilie Aleocharinae), besonders bei den Gattungen Lomechusa Grav. und Atemeies Steph. bisher erforscht; siehe Nr. 205, wo auch die betreffende Literatur (S. 391 ff.) ange- geben ist. Bei den Dorylinengästen aus der Famihe der Staphyliniden ist die Symphilie, entsprechend der großen Mannigfaltigkeit der hier vorliegenden Anpassungen, in verschiedenartiger Weise und zwar manchmal sehr hoch ausgebildet. Die früher hierüber gegebenen Au- deutungen (Nr. 114, 130, 138, 164) will ich im folgenden zu vervoll- ständigen suchen. Direkte Beobachtungen über ein echtes Gast- verhältnis liegen zwar bisher nur für Dorylomimus Kohli von P. Herm. Kohl vor (Nr. 138, S. 663). In den übrigen Fällen sind wir einstweilen darauf angewiesen, aus den betreffenden Anpassungscharakteren, 324 E. Wasmann, z. B. aus der Form der Unterlippe von Sympoleinon anommatis (Nr. 114, S. 261 [47 Öepar.] und Taf. XIV [II. Öepar.], Fig. 18a), aus der starken Entwicklung der Exsudatbüschel und Exsudatgruben bei Dorylo- cratus rex (s. oben S. 284 ff. und Taf. VIII, Fig. 14 — 18) usw. auf 8ym- philie zu scbließen. Selbstverständlich kann hier nur eine gedrängte Übersicht gegeben werden, mit Verweisung auf die Literatur. I. Vom Mimikrytypus ausgehend. A. Bei afrikanischen Dorylinengästen. (Gästen von Dorylus und subgen. Anomma.) Unterfamilie AI e o c h a r i n a e. 1. Der Ent-\\äcklungsweg der Dorylomimini: Gattungen Dorylo- mimus, Dorylonannus und Dorylocmtus Wasm. In Dorylocratus hat die »Symphihe überhaupt den höchsten bisher bekannten, aus den Anpassungscharakteren zu erschließenden Grad unter allen myrmekophilen Staphyhniden erreicht (s. oben Kap. 4 und 5). 2. Der Entwicklungsweg der Dorylogastrini: Gattung Dorylogaster Wasm. 1 . Wir können mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß diese ameisenähnlichen Aleocharinen mit eingliedrigen Klettcrtarsen (Ilafttarsen) echte Gäste ihrer Wirte sind ähnhch wie Dorylo- mimus. 3. Der Entwicklungsweg der Gattungen Dorylobactrus Wasm., Dory- lostethus Brauns und Mimanomtna Wasm. (s. oben Kap. 7). In Mimanomma, dem Vertreter der auf diesem Entwicklungswege hervorgegangenen Unterfamilie der Mimanommatinae, bat der Mimikrytypus der dorylophilen Staphyhniden die höchste Stufe erreicht und ist sehr wahrscheinlich mit einem echten Gastver- hältnis biologisch verbunden. 4. Anfänge einer ähnlichen Entwicklungsrichtung wie jene von Dorylostethus und Dorylobactrus finden sich auch bei den Gat- tungen Dorylocerus Wasm. und Dorylohius Kaffr. (Nr. 138, S. 627). 5. Vielleicht hat auch der Entwicklungsweg von Dromanotmrui Wasm. zur Symphilie geführt (s. oben Kap. 3), ausgehend von einem mit Ocyplamis Fauv. {Doryhnia Wasm.) ähnlichen Typus. 1 1 Bisher bind drei Arten bekannt: D. longipes, Kohli uud clavicurnis Wasm. Vgl Nr. 138, S. G2() uud Nr. 217, S. 102— lüö. Neue Anpassungfetypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 325 B. Bei neotropischen Dorylinengästen. (Gasten von Eciton und dessen Untergattungen i.) a. Unterfamilie Aleocharinae. G. Der Entwicklungsweg der Gattung Mimeciton Wasni., dem höch- sten Vertreter des Mmikrytypus unter den neuweltlichen Dory- linengästen. Derselbe scheint von einer mit Ecitonilla Wasm. ähnlichen Form über den Typus von Mimonilla Wasm. (Nr. 202) zu Mimeciton zu führen. Letztere Gattung muß wegen des untci den knotenförmig verwachsenen, unten ausgehöhlten Flügeldecken stielförmig frei vortretenden Metanotums einen eigenen Tribus der Aleocharinen bilden, die Mimecitonini'^. 7. Der Entwicklungsweg von Ecitophya Wasm., der von Ecito- morflia Wasm. ausgeht. Ecitophya ist nach der Bildung der Mund- teile usw. sehr wahrscheinlich zu den^ymphilen zu zählen (Nr. 114, 8.229 [löSepar.]). Vielleicht hängt auch der Entwicklungsweg von Ecitochara Wasm. (Nr. 4) mit jenem von Ecitomorpha an der Basis zusammen. Die kleine Ecitochara führt wahrscheinlich eine mit Dorylomimus analoge Lebensweise als Klettertier auf ihren Wirten. 8. Vielleicht ist auch der Ent\\dcklungsweg der Gattungen Ecitoxenia und Ecitoxenidia Wasm. (Nr. 114, S. 231 [17 Separ.] und Nr. 164, tS. 179) auf ein echtes Gastverhältnis gerichtet, da sie den Mimikry- typus mit dem Symphilentypus (Ausbildung von Exsudatfurchen und -Gruben) zu verbinden scheinen. 9. Die E ntwicklungswege von Ecitodulus Wasm. und Ecitonidia Wasm. (Nr. 114, S. 234 [20 Separ.] und S. 283 [69 Separ.]) gehören viel- leicht auch der Entwicklungsrichtung eines vom Mimikrytypus ausgehenden Symphilentypus an. b. Unterfamilie Paederinae. 1(». Hierher gehört wahrscheinlich der Entwicklungsweg der Gattung Eciionides Wasm. (Nr. 114, S. 247 [33 8epar.] und Nr. 164, S. 182 und Taf. II). Die sonderbaren Höckerbildungen der Oberflächen- skulptur hängen vielleicht mit einer symphilen Exsudatfunktion zusammen. Die Körpergestalt folgt namentlich in der Kopf- und Fühlerform dem Mimikrytypus. 1 Leptanillophilus similis Hulmgr. (Zool. Anz. XXXIII. Nr. 11, 1908. S. 338) führe ich hier nicht an, da es vielleicht um einen Pselaphiden sich handelt. Wirt ißt Eciton (nicht »Leptanilla«) Nordenskiöldii Holmgr. 2 Eine eigene Unterfamilie wie für Mimanomma kann für Mimeciton nicht gegründet werden. Vgl. Nr. 164, S. 55, Anm. 2. 326 E. Wasmann, II. Vom Trutztypus ausgehend. A. Bei neotropischen Dorylinengästen» (Unterf aniilie AI e o c h a r i n a e.) 11. Der Entwicklungsweg der Gattung Ecitogaster Wasm. (Nr. 114, S. 218 [4 Separ.]). Besonders aus der Bildung der Unterlippe geht das echte Gastverhältnis dieses Käfers mit großer Wahrscheinlich- keit hervor, ebenso wie aus seinen Skulptureigentünilichkeiten. B. Bei afrikanischen Dorylinengästen. (UnterfamiUe Pygosteninae.) 12. Die Entwicklungswege der Sympolemon-Gvn])T^e, einerseits von Anommatophilus -ähnMchen, anderseits von Pygostenus -Ähnlichen Formen ausgehend. Hierher gehören die Gattungen Sympolemon, Eupolew,on, Micropolemon (Untergattungen Micropolemon, Ana- polemon und Hemipolemon) und Nannostenus Wasm. (s. oben Kap. 10). Bei Nannostenus und Hemipolemon sind die symphilen Charaktere am schwächsten entwickelt, bei Sympolemon am stärksten. Es sei noch die auf Konvergenz beruhende Analogie in der Körperform und Skulptur betont, die zwischen der neotropischen Aleocharinengattung Ecitogaster einerseits und den afrikanischen Pygosteninengattungen Sympolemon, Micropolemon s. str. und Änapolemon anderseits besteht. Bemerkungen. Eine Beimischung vonElementen des Trutz- typus zeigt auch die Skulptur der neuweltlichen Aleocharinengat- tuugen Ecitoxenia und Ecitoxenidia W^asm., sowie der neu welt- lichen Paeder] nengattung Ecitonides, obwohl bei ihnen der Mimi- krytypus überwiegt. Bei den extremsten Vertretern des Trutztypus unter den alt- weltlichen dorylophilen Myrmedonia-Yevwsindten aus der Unter- familie der Aleocharinen, nämlich in der Gattung Aenictonia'W asm. und ihren Untergattungen (Nr. 211 und unten S. 350) ist es nicht ausgeschlossen, daß die Gruben-, Höckei- und Rippenskulptur dieser Käfer auch Anknüpfungspunkte für die Entwicklung einer Symphilie enthält. Die AVahrscheinlichkeit ist jedoch hier nur gering, zumal wegen der Lebensweise dieser Käfer, welche nach. P, Kohls Beobachtungen nicht mitten in den Zügen der Wander- ameisen laufen, sondern dieselben seitlich und in der Nachhut zu begleiten pflegen. Neue Anpassungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 327 r III. Vom indifferenten Typus ^ ausgehend. 13. Der Entwicklungsgang von Myrmechusa Wasm. unter den dory- lopliilen Aleocharinen Afrikas, der, vielleicht durch TricJiodonia- und Acanthonia-3i}in\ich.e Formen hindurchgehend, von einer ter- tiären Myrrnedonia-YoTin zur Entwicklung des Symphilentypus von Myrmechusa geführt hat und in bezug auf die Ausbildung der Körperform konvergent mit dem Entwicklungsweg der Lomc- chusini verläuft (s. oben S. 265 ff. und 269). i Zusammenfassung. Bei den dorylophilen Ötaphyhniden geht somit die Entwicklung der Symphilie viel häufiger und in viel mannigfaltigerer Weise vom Mimikrytypus aus als vom Trutztypus. Der Grund hierfür hegt wohl darin, daß die ohnehin schon ziemlich ameisenähnliche Körpergestalt der StaphyUniden besonders günstige Anhaltspunkte bietet für die Entwicklung einer auf Täuschung des Fühlertastsinnes der blinden oder sehr schwachsichtigen Dorylinen gerichtete Nachahmung der Körper- gestalt der Wirte. (Bei jenen Eciton- Arten, welche an Stelle der Ketz- augen, die bei allen Dorylinen fehlen, gut entwickelte Ocellen haben^, tritt zur Tastmimikry der Gäste noch eine Färbungsnachahmung hinzu, s. Nr. 164, 8. 55ff.) Auf ihren niederen Stufen dient die Mimikry der dorylophilen Staphyliniden wohl nur der indifferenten Duldung der Gäste durch ihre Wirte; auf ihren höheren Stufen ermöglicht sie jedoch die Aus- bildung eines echten Gastverhältnisses, wie ich schon früher (Nr. 130) bemerkte und hier durch neue Beispiele, namentlich durch jenes von Dorylocratus bestätigen konnte. Was für die Entwicklungswege der Symphilie bei den dorylophilen Staphyliniden hier ausgeführt wurde, läßt sich natürlich nicht für andre Käferfamilien verallgemeinern, wo die Ausbildung symphiler Charaktere auf Grund eines ererbten oder erworbenen Trutztypus viel häufiger ist. 1 Als indifferenten Typus bezeichnete ich (Nr. 164, S. 54) jene Körper- formeii, welche von denjenigen der betreffenden selbständig lebenden Verwandten nicht oder nur wenig abweichen, obwohl manche seiner Vertreter, z. B. viele unserer 3Ii/nnedonia- Avtcn, tatsächlich Öynechthren der Ameisen sind. 2 Diese Ocellen von Eciton sind eine schöne Bestätigung des DoLLOschen fjresetzes, nach welchem ein in der Pliylogcnese verloren gegangenes Organ nicht wiederkehrt, sondern durch ein analoges ersetzt wird, falls das biologische Be- dürfnis hierfür vorliegt. 328 E. Wasmann, In der Familie der Paussiden gehen beispielsweise sämtliche Ent- wicklungswege der Symphilie vom Trutztypus aus. Eine Übersicht über die verschiedenen Entwicklungsformen und Entwicklungswege des Trutztypus bei den dor3dophilen und andern uiyrmekophilen Staphyliniden wird unten (im 15. Kapitel S. 349) ge- geben werden. 12. Phyllodinarda, ein neuer Vertreter des extremsten Trutztypus unter den dorylophilen Aleocharinenverwandten. (Hierzu Taf. IX, Fig. 35—44 und Taf. X, Fig. 45—51.) 1899 beschrieb A. Kaffray ^ eine höchst merkwürdige, blattförmig abgeflachte Staphylinidengattung des Trutztypus, Trüobitideus, welche einer Silphidenlarve ähnlicher sieht als einem Käfer aus der Familie der Kurzflügier. Fauvel gründete ebendort (p.3) auf diese Gattung eine neue UnterfamiHe der Staphyliniden, die Trilobitideidae. Außer der von Raffray bei Dorylus helvolus L. in der Kapkolonie entdeckten Art, Triloh. mirabilis Raffr., sind seither noch zwei Arten beschrieben worden, Triloh. paradoxus AVasm., ebenfalls bei Dorylus helvolus in der Kapkolonie (Dr. Brauns !) und Triloh. insignis Wasm. bei Ä7tomma Wilverthi Em, am oberen Kongo (P. H. Kohl!) 2. Hierzu kommt noch eine neue, 1910 von P. Kohl bei Änomma Wilverthi entdeckte Art. Die Beschreibung und Abbildung (Taf. X, Fig. 52) derselben folgt in der Übersicht der Trilobitideus- Arten im 16. Kapitel. Die Gattung Trilohitideus (Taf. X, Fig. 52) stand bisher so isoliert da, daß es schwer möglich war, festzustellen, von welcher UnterfamiHe der Staphyhniden sie ihren Ausgang genommen habe. Ich hatte aller- dings bereits 1904 (Nr. 138, S. 618) die Hypothese aufgestellt, daß Trilohitideus ein völlig aberrantes Aleocharinengenus sei, das durch extreme Anpassung an den Trutztypus der Dorylinengäste sich ent- wickelt habe, während die Gattungen Mimeciton und Mimanomma Wasm. (Nr. 194) durch extreme Anpassung an den diametral entgegen- gesetzten biologischen Typus, den Mimikrytypus, von den Aleocharinen s'ch abgezweigt haben. Nun ist neuerdings in Kamerun und am oberen Kongo eine andre Gattung des Trutztypus der afrikanischen Doryhnen- gaste, Phyllodinarda, entdeckt worden, welche einen neuen Tribus der Aleocharinen bildet, der diese Unterfamihe mit den Trilobitideidae I 1 Räffräy et Fauvel, Genres et especes de Staphylinides nouveaux d'Afrique (Revue d'Entomol. XVIII. p. 1—44. Mit 1 Taf.), p. Iff. 2 Siehe Wasmann, Nr. 138 (1904), S. 619 ff. und Taf. XXXI, Fig. 1 und 2. Neue AnjiaflPiingsty 11011 hei l)(MyIiiieii<.'ä^>Dinarda4 chvigera Fauv. hielt ich damals sogar unbedenklich für eine echte Dinarda. Seitdem jedoch am oberen Kongo die mit Dinarda äußerst ähnliche Gattung Allodinarda Wasm. entdeckt worden ist, welche eine von Dinarda abweichende Zahl der Vordertarsenglieder besitzt (bei Dinarda fünf, bei ÄUodinarda vier), wurde es mir immer wahrscheinlicher, daß die auf verschiedene geographische Gebiete verteilten Gattungen der Dinardini durch Konvergenz, nicht durch unmittelbare Verwandtschaft einander habituell ähnlich geworden sind. 1909 bei der Beschreibung der Gattung Allodinarda (Nr. 164, S. 175 ff. und Taf. IV) schwankte ich noch zwi- schen beiden Auffassungen. Neuerdings ist eine zweite Art der Gattung Allodinarda {All. myrmicariae Brauns i) im südlichen Rhodesia ent- deckt worden. Bei der Verschiedenheit der Tarsengliederzahl gegen- über Dinarda ist anzunehmen, daß Allodinarda keinen direkten stam- mesgeschichtlichen Zusammenhang mit Dinarda hat, sondern daß die Ähnlichkeiten beider Gattungen in Körperform und Skulptur eine Folge ähnlicher Anpassungsbedingungen, also durch Konvergenz ent- standen sind. Diese Annahme gilt wahrscheinlich auch für die kürz- lich beschriebene Gattung RJioptrodinarda^ Brauns {Rh. Arnoldi Brauns aus Rhodesia), die mir vorlag, und die nicht bloß durch keulenförmig verdickte Fühler, sondern auch in der Tarsengliederzahl (4, 5, 5) von Dinarda abweicht, anderseits aber auch manche Strukturunterschiede gegenüber Allodinarda zeigt (z. B. die Verlängerung des letzten Tarsen- ghedes). Es liegt sehr nahe, auch bei Rhoptrodinarda die mit Dinarda über- einstimmende Körperform und Skulptur durch Konvergenz zu erklären, während Allodinarda und Rhoptrodinarda dem nämlichen geographischen Faunengebiet angehören und demnach leichter als Anpassungen der nämlichen Stammform an verschiedene AVirtsgattungen {Myrmicaria und Megaponera) aufgefaßt werden können als z. B. Dinarda und Fauvelia. Übrigens fehlen bei Allodinarda die als Merkmal der Dinar- 1 H. Brauns, Descriptions of new species of myrmecophilous beetles from Southern IUiode8ia(Proceed. IJhodes. Scientif. Aesoc. Xlll. pt. 111. 1915. p. 32 — 42. Mit 1 Taf.), p. 34. 2 Siehe Brauns p. 32. Diwirda clavlg'ra Fauv. (Rcv. d'Entom 1899, S. 33) ist ebenfalls eine Rhoptrodinarda. Neue Anpaßsnngstypen bei D< irylinengästen Afrikas usw. 345 dini geltenden gekielten Seitenränder der Flügeldecken, während Kcirpergestalt nnd Skulptur jenem >>Tribus<< entsprechen. Anderseits fiiideiv sich scharf gekielte Seitenränder der Flügeldecken auch bei ganz andersgestalteten Aleocharinengattungen, z. B. bei Aenictonia Kubg. Anommatochara Wasra.'^ unter den Myrmeäoniini. Dinarda- ähnliche Körperumrisse kommen ferner auch bei Aleocharinen vor, die in Oberflächenbildung und Skulptur des Körpers gänzlich ver- schieden sind von Dinarda, z. B. bei der Gattung Dinardilla Wasm. aus Colorado (Nr. 116), bei der paläarktisch-indischen Gattung Pio- chardia Heyd. {Oxysoma Kr.) 2, bei der australischen Gattung Dahra 011 iff usw. Wenden wir uns nun zu Phyllodinardn. Nach ihren Körperumrissen, der Form der Hinterecken von Halsschild und Flügeldecken und den scharfrandigen Seiten der letzteren müßte sie zu den »Dinardinu ge- rechnet werden, während die Kopfbildung völlig verschieden ist, und die Bildung der Unterseite von Halsschild und Flügeldecken eher mit Trilohitideus übereinstimmt als mit Dinarda. Auch die Mundteile sind ganz abweichend (vgl. Taf. IX, Fig. 42— 44 mit Nr. 164, Taf.IV, Fig. 3). Die Ähnlichkeiten mit Dinarda sind somit entweder als bloße Konver- genzen zu deuten, oder es liegt im günstigsten Falle eine nur entfernte Verwandtschaft vor. An die neotropische Gattung Fauvelia erinnert Phyllodinarda durch die beiderseits gerundet-verengte Basis des Hinter- leibes, was sicher nur eine auf Anpassung beruhende Konvergenz- erscheinung ist. Näher sind vielleicht ihre Beziehungen zu den afri- kanischen Gattungen Allodinarda bzw. Rhoptrodinarda. Mit beiden hat sie auffallende Ähnlichkeit in der Tarsenf orm und der Zahl der Tarsenglieder (4, 5, 5) ; dies deutet noch am ehesten auf nähere Stammes- verwandtschaft hin. Die Schenkel, die bei Phyllodinarda zur Aufnahme der Schienen tief gerinnt sind, haben hier wohl eine Änderung ihrer Gestalt durch Anpassung an den extremsten Trutztypus erfahren. Die stark verdickte Fühlerkeide von Phyllodinarda gleicht entfernt jener von Rhoftrodinarda, während der Schaft ganz anders gebildet ist; aber die in Abhängigkeit von der veränderten Kopf Stellung durch An- passung stark modifizierte Fühlerbildung kann uns hier überhaupt keineii Anhaltspunkt für Stammesverwandtschaft geben. Die Mundteile von Rhoprodinarda sind mir nicht näher bekannt; jene von Allodinarda sind denjenigen von Phyllodinarda wenigstens insoweit ähnlich, daß 1 Siehe Nr. 211. 2 Eine neue indische Art, Pioch. Donisthorpei werde ich demnächst be- schreiben. 346 E. Wasmann, letztere von ersteren abgeleitet werden können (vgl. Taf. TX, Fig. 42 bis 44 mit Nr. 164, Taf. IV, Fig. 2 h). Es ist also möglich, daß die Entwickhing von Phyllodinarda durch eine mit Allodinarda oder EJwjytrodinarda ähnliche Form ehemals hin- durchgegangen ist und auf eine mit diesen Gattungen nahe verwandte Stammform zurückführt. Aber die Umbildungen von Kopf und Thorax sind im Vergleich zu jenen Gattungen so groß, daß Phyllodinarda nicht zu den yyDinardinu gestellt werden kann, sondern einen eigor. on Ti'ibus der Aleocharinen bildet. d. Vergleich von Phyllodinarda mit den Cephaloplectinae Sharp (Xenocefhalinae Wasm.). Mit dieser Unterfamilie, die den hauptsächlichen Trutztypus (»Schutzdachtypus«) der neo tropischen ecitophilen Staphy- liniden bildet, hat Phyllodinarda eine auffallende Ähnlichkeit in der Kopfbildung, indem nur der Hinterkopf von oben sichtbar ist, während der ganze Vorderkopf nach unten umgeschlagen und schnauzenförmig gegen die Vorderhüften hin gerichtet ist; infolgedessen ist auch die Fühlerstellung und Fühlerbildung eine ähnliche. Diese Ähnlichkeiten zwischen den Cephaloplectinae und den Phylodinardini sind jedoch keine Homologien, sondern bloße, auf Konvergenz infolge ähnlicher Anpassungsbedingungen beruhende Analogien. Der Schutzdach- typus der Cephaloplectinae (Xenocephalinae) besitzt eine stark gewölbte, fast glatte Oberseite, einen kegelförmigen Hinterleib, lang bestachelte Beine usw. und überhaupt eine ganz verschiedene Körper- bildung, die wahrscheinlich von den Tachyporinae abzuleiten ist (siehe Nr. 114, S. 241 [27 Separ.]). Von einer Verwandtschaft mit den Phyllodinardini kann deshalb keine Kede sein. Die Analogie beider in der Kopfbildung zeigt nur, wie zwei, durch Anpassung an einen ähn- lichen biologischen Trutztypus entstandene, ganz verschiedene natür- liche Gruppen der nämlichen Familie einander in einem Anpassungs- charakter" auffallend ähnlich werden können. e. Vergleich von Phyllodinarda mit den Termitodiscinae Wasm. Diese seit 1912 (Nr. 192, S. 91 ff.; Nr. 207, S. 176 ff.) von mir auf- gestellte Unterfamilie, die Gattungen Termitodiscus und Discoxenus Wasm. umfassend, stellt den vollkommensten Trutztypits der alt- weltlichen termitophilen Staphyliniden namentlich in der fast scheibenförmig flachen Gattung Termitodiscus dar. Die 1912 auf- geworfene Frage, ob zwischen dem Trutztypus der Cephaloplec- Neue AnpaasntigstypiMi bei Ddrylinenaäwten Afrikas usw. 347 tinae und jenem der Terniitodiscinae mehr als bloße Konvergenz bestehe, scheint mir heute insofern zu verneinen zu sein, als verschie- dene Ausgangspunkte für die Entwicklung jener beiden Unter- familien anzunehmen sind, indem die Ceplialoplectinae ursprüng- lich aus Tachyporinen, die Terniitodiscinae dagegen aus Pygoste- ninen hervorgegangen sein dürften. Da innerhalb der letzteren Unter- familie relativ rezente Übergänge von der dorylophilen zur termito- philen Lebensweise in den zum Trutztypus gehörigen Gattungen Dory- loxenus Wasm. und Pygostenus Kr. stattgefunden haben^, ist auf Grund eines ähnlichen, aber viel älteren biologischen Wirts wechseis auch die Entwicklung der Ter mitodiscinae aus ehemaligen Pygosteninae einigermaßen wahrscheinlich. Wenn diese Annahme sich bestätigt, sind die Ter mitodiscinae m\sprünglich nicht von den Aleocharinen ab- zuleiten, zu denen ich die Gattung Termitodiscus 1899 (Nr. 99, S. 147) gestellt hatte. Zwischen dem Trutztypus der Terniitodiscinae und jenem der PhylJodinnrdini besteht jedenfalls bloße Konvergenz. Während letztere an /)('^iarf7a-ähnliche Formen wie Allodinarda sich anschließen lassen (siehe oben unter c, S. 345), sind erstere von einem ganz andern Aus- gangspunkt abzuleiten. Bei den Termitodiscini ist der Kopf ganz auf die Unterseite des Halsschildes gerückt und vom Vorderrande desselben getrennt, bei Phyllodinarda ist der Scheitel des Kopfes noch von oben sichtbar. Überdies ist die ganze Körperbildung beider eine so w^eit verschiedene, daß schließlich nur die flachgedrückte, vorn verbreiterte und hinten zugespitzte Körpergestalt und die Behaarung der Oberseite mit abstehenden Borsten als gemeinschaftliche Anpassungsmerkmale von Termitodiscus und Phyllodinarda übrig bleiben. Beim Vergleich der letzteren Gattung mit Discoxenus wird es noch klarer, daß von einer näheren Btammesverwancltschaft nicht die Rede sein kann. f. Vergleich von Phyllodinarda mit den Trichopsenini und den Termitopsenini. Diese beiden Gruppen stellen den Trutztypus der neuwelthchen termitophilen Tachyporinenverwandten dar. Zu den » Trichopsenii<< von Leconte und Hörn gehören die Gattungen Trichopsenius Hörn und Xenistusa Lee, beide aus den Südstaaten Nordamerikas. 1902 (Nr. 128) glaubte ich diese beiden Gattungen ebenso wie die neubeschrie- benen südamerkanischen Genera Termitopsenius Wasm. und Callopse- nius {Eupsenius ohm) mit den Cephaloplectinae vereinigen zu 1 Siehe oben im 8. Kapitel, S. 308 f. 348 E. Wasjnaim, raüsseni. 1904 (Nr. 138, i^. 050) war ich dagegen geneigt, sie zu den Termitodiscini zu stellen. 1915 (Nr. 207, B. 196) erkannte ich beide Auffassungen als irrtümlich und ließ die Trichopsenini als eigenen Tribus der Tachyporinae gelten. Aber ich unterschied den dort von mir auf- gestellten neuen Tribus der Termitoj)senini nicht klar von den Tricho- psenini und gebrauchte irrtümlich beide Namen für denselben Tribus. AVenn man die Genera Trichopsenius Hörn und Xenistusa Lee, die auch faunistisch zusammengehören, zum Tribus der Tridiopsenini erhebt, so müssen die Termüopsenini wohl als eigener systematischer Q^ibus der Tachyporinae betrachtet werden. Er unterscheidet sich von den Trichopsenini durch ganz plattgedrückte, vorn breit bogen- förmig erweiterte, hinten stark zugespitzte Körpergestalt, sowie durcli bloß zehngliedrige Fühler mit scharf abgesetzter, plattgedrückter Keule. Der Kopf ist w^eiter auf die Unterseite gerückt als bei den Trichopsenini und überhaupt der termitophile Trutztypus extremer entwickelt. Bei Callopsenius ist noch der Hinterrand des Kopfes von oben sichtbar, bei Termitopsenius liegt der Kopf bereits ganz auf der Unterseite, sein Hinterrand berührt jedoch noch den Vorderrand des Halsschildes. Bei Hamitopsenius endlich ist der Kopf vom Vorderrand des Halsschildes abgerückt, ähnlich wie bei Termitodiscus. Die Termitopsenini um- fassen außer den beiden südamerikanischen Genera Termitopsenius und Callopsenius Wasm. auch das indomalaiische Genus Hamitopsenius Wasni. aus 0. -Sumatra (Nr. 207, S. 198ff.). Wie ich an letzterer Stelle (Nr. 207, S. 195ff.) ausführte, ist diese Gattung wahrscheinlich nicht direkt stainmesverwandt mit einer der neotropischen, sondern durch konvergente Anpassung als extreme Form des termitophilen Trutz- typus ihnen ähnlich geworden bis zur systematischen Zugehörigkeit zu dem nämlichen >> Tribus«. Die Termitopsenini bilden hiernach nur eine systematische, keine stammesgeschichtliche Einheit, (ähnlich wie der Tribus der Dinardini, s. oben S. 343 ff.). Auch zwischen den Trichopsenini und den Termitopsenini Amerikas besteht wahischeinlich keine direkte Verwandtschaft, obwohl beide von ähnlichen Tachyporinenformen ursprünglich ausgegangen sein dürften. Zwischen den Termitopsenini und den Termitodiscinae ist jedenfalls kein stammesgeschichtliches Verwandtschaftsverhältnis anzunehmen. Beide sind extreme Anpassungen ganz verschiedener Entwicklungsreihen an ähnliche Bedingungen des termitophilen Trutz- 1 Die Gattung Ecitoxenus, die ich 1900 (Nr, 114, S. 245) beschrieb und zu den CepJuiloplectinae stellte, ist identisch mit Limulodes Matth. und gehört zu den TricJtopterygidae (s. Nr. 1(»4, S. 182). Kcwp Aiijiawiingntypfn lifü r)oryliiu')io;is> Tribus« der Dinardini, bzw. die Gruppe der Dmar<^a-ähnlichen Formen (Aleocharinae). Besteht aus genetisch verschiedenen, in verschiedenen Weltteilen und bei verschiedenen 1 Die indisch-afrikanisclie Gattung Tertnitodiscus ist monophyletisch. Die indische Gattung Discoxenus ist jedoch wahrscheinUch der Endpunkt einer jünge- ren Entwicklungsreihe (Nr. 145). Zeitschrift f. wisseiisch. Zoologie. CXVII. Bd. 23 350 F- WäRmniin. Anicisengattiingcn lebenden Grnppen. Hieran schließen sich in der Form des Körpers noch zahlreiche andre myrmekophile und termito- phile Aleocharinengattungen der verschiedenen Weltteile durch Kon- vergenz an. e) Körperform geschlossen, aber sehr verschieden, flach dreieckig l)i,s fast walzenförmig; die extremsten Trutzformen gewölbt keilförmig bis dick spindelförmig {Doryloxenus und Anommatoxenus Wasm.): Unterfamihe der Pygosteninae (wahrscheinhch monophyletisch), afri- kanisch-indisch. Ursprünglich nur Doryl ine ngäste; einige derselben aus den Gattungen Doryloxenus in Indien und Pygostenus in Afrika sind relativ rezent zur termitophilen Lebensweise übergegangen (s. oben im 8. Kapitel S. 308). Von den schlanker gebauten Formen {Anommatophikis und Pygostenus) führen mehrere Seitenzweige vom Trutztypus zur Symphilie in der Sympoletnon-(aivo^'^Q (s. oben im 10. Ka- pitel). f) Sehr schlanke, ilfi/rme(?om"a-ähnliche Formen mit stark längs- gerippter und längsgekielter Oberseite: die dorylophile Gattung Aenic- tonia mit ihren Untergattungen (Nr. 211, 213, 214). Dieser Tnitz- typus ist morphologisch scheinbar das gerade Gegenteil des unter a erwähnten, und doch einem analogen biologischen Zwecke dienend: bei a keine Angriffspunkte für die Kiefer der Wirte, bei f zahlreiclic aber unschädliche, an denen die Kiefer abgleiten. Übrigens bietet auch die Oberflächenskulptur des blattförmigen Tfüohitideus (a) solclio illusorische Angriffspunkte. Das Prinzip ist also das nämliche. Ähnliche Kiel- und Rippenbildungen konmien auch bei zahl- reichen andern myrmekophilen Staphylinidengattungen aus verschie- denen Unterfamilien vor und dienen auch hier meist dem Trutztypus. Die Rippenbildung darf trotzdem nur unter gewissen Bedingungen als Trutzanpassung gedeutet werden, da sie auch bei nicht myrmekophilen Staphyliniden (Oxytelinae^ Micropeplidae usw.) vorkommt. Um zu entscheiden, ob es sich im vorliegenden Falle um ein ererbtes Organi- sationsmerkmal oder um ein durch die myrmekophile (termitophile) Lebensweise erstorbenes Anpassungsmerkmal handelt, muß man stets die selbständig lebenden Verwandten der betreffenden Formen zum Vergleich heranziehen. Das näniHche gilt selbstverständlich auch für Mitgheder andrer Käferfamilien (Histeridae, Aphodiinae usw.). Es sei noch bemerkt, daß die scharfe Kielbildung des Trutztypus von der gewölbten Höckerbildung zu unterscheiden ist, welche häufig mit der Entwicklung von Exsudatgruben parallel geht und der Symphilie dient (bei vielen Paussiden usw. Vgl. Nr. 134, S. 65). Neue AnpaSsungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 351 Zusammenfassung. Aus diesem Überblick geht hervor, daß der Zweck des Trutz- typus, den Gast vor den Angriffen seiner Wirte zu schützen, auf mannigfach verschiedene und zum Teil sogar auf scheinbar ent- gegengesetzte Weise (bezüglich der Angriffspunkte für die Kiefer der Wirte) erreicht werden kann. Allerdings überwiegen unter den Trutz- typen der myrmekophilen und termitophilen StaphyHniden weitaus die Formen mit ringsum geschlossener, vorne breiter, entweder flach- gedrückter oder gewölbter, hinten zugespitzter Körpergestalt. Vergleicht man ferner die Gäste des Mimikrytypus (s. oben im 11. Kapitel S. 323 ff.) mit jenen des Trutztypus unter den dorylophilen StaphyHniden, so zeigt sich ein auffallender Unterschied, auf den ich schon früher! aufmerksam gemacht habe, und der durch die Ergeb- nisse der vorliegenden Arbeit bestätigt wird. Der Mimikrytj^pus um- schheßt eine viel größere Mannigfaltigkeit der Formen als der Trutz- typus, weil die Nachahmung der Körpergestalt und der Fühlerbildung der Wirte naturgemäß einen viel weiteren und von zahlreicheren Fak- toren beeinflußten Spielraum gestattet als die Ausbildung einer Schutz- gestalt. Man kann deshalb sagen, daß der Mimikrytypus auf Zer- splitterung der ihm zugehörigen Formen gerichtet sei, der Trutz- typus dagegen auf Einförmigkeit derselben. Mit andern Worten: Die Gäste des Mimikrytypus entwickelten eine große Zahl von eigenen, unter sich sehr verschiedenen, artenarmen Gattungen, die nicht bloß einer einzigen Wirtsgattung angepaßt sind, sondern auch bei sehr ähn- lichen Wirtsarten oft verschiedene Gastgattungen bilden. Die Gäste des Trutztypus dagegen entwickelten eine relativ geringe Zahl von eigenen Gattungen, die dafür aber oft um so artenreicher sind, und deren Arten untereinander bei verschiedenen Wirtsarten sehr ähnlich sind (vgl. die Gattungen XenocepJialus, Pt/gostenus, Doryloxenm). Selbstverständ- lich lassen sich diese Tatsachen nur auf Grund der Anpassungsgesetze der Entwicklungstheorie verstehen^. 16. Übersicht der Trilobitideus- Arten mit Beschreibun^einer neuen Art. (Hierzu Taf. X, Fig. 52.) Zur Gattung Trilohilideus Kaffr. siehe oben inj 12. Kapitel S. 328 und 14. Kapitel S. 311 ff. Die 1901 (Nr. 138, S. 619) gegebene Über- sieht der Ai'ten bedarf einer Umarbeitung uiul Vcrvollstäjidigung, die 1 Nr. 157, S. 34G— 351. 2 Siehe oben, Einleitung, S. 260. 23* 352 E. Wasmann, hier gegeben wird. Es sei noch bemerkt, daß nur eines oder wenige Exemplare von den betreffenden Arten bisher gefunden wurden ; daher haben ^\^r noch keine genauere Kenntnis von der Variabihtät der so charakteristisch erscheinenden Höckerskulptur der Oberseite dieser Käfer, auf welche die Artverschiedenheiten der folgenden Tabelle sich gründen. Die Färbung aller Arten ist gelbbraun bis hell rotbraun, glänzend. a. Kopf mit vier Querreihen von Höckern, deren vierte zu einer Querleiste verschmolzen ist, die vom Hinterrand getrennt bleibt. Scheibe des Prothorax mit drei oder zwei Querreihen von Höckern. Vorderste Höckerreihe des Kopfes aus drei oder vier Höckern bestehend b a'. Kopf nur mit drei Querreihen von Höckern; die Querleiste vor der Basis fehlt. Dafür ist der Hinterrand selbst in seiner ganzen Breite leistenförmig aufgebogen. Scheibe des Prothorax nur mit zwei Querreihen von Höckern, außerdem zwei rudimentäre Höcker auf der Mitte des Hinterrandes. Erste Querreihe des Kopfes aus drei Höckern bestehend, zweite aus vier, dritte aus sechs. Erste Querreihe des Prothorax aus fünf, zweite aus vier Höckern bestehend. Höcker auf Kopf und Prothorax groß, mit Ausnahme des rundhchen Mittelhöckers der ersten Querreihe des Kopfes und der lang leistenförmigen zwei äußeren Höcker der ersten Querreihe des Prothorax sämtlich querelliptisch oder kurz leistenförmig. Längskiele des Hinterleibes lang und breit, stachel- förmig. 2,8 mm. Kapkolonie (Port Elizabeth, Dr. Brauns !). Bei Dorylus Jielvolus L. 1. Trilohitideus paradoxus Wasm. 1909 (Nr, 138, S. üi9 und Taf. XXXI, Fig. 2), b. Scheibe des Prothorax mit drei Querreihen von Höckern, die äußeren der zwei ersten Reihen lang leistenförmig. Erste Quer- reihe des Kopfes mit vier rundlichen Höckern, zweite mit sechs, deren äußerste querelliptisch sind, dritte mit acht, deren äußerste kurz leistenförmig sind. Die beiden ersten Querreihen des Pro- thorax mit sechs Höckern; die dritte mit vier, von denen die inneren queroval, die äußeren kurz leistenförmig sind. Längskiele des Hinterleibes stark entwickelt, stachelförmig. 2,6 — 2,9 mm. Kapkolonie (Kapstadt, Rafpray !). Bei Dorylus helvolus L.: 2. Trilohitideus 7mrahilis Raffr. 1899 (Rov. d'Entoju, XVni, p. 3 u. Taf. 1, Fig. 1—7). (Typus der f ^attimg.) Neue Anpaßßungstypen bei Dorylinengästen Afrikas usw. 353 b'. Scheibe des Prothorax nur mit zwei Querreihe'n von Höckern^, nur die äußeren der ersten Reihe lang leistenförmig . . . . c c. Erste Querreihe des Kopfes mit drei Höckern, zweite mit vier, dritte mit sechs. Höcker auf Kopf und Prothorax klein, mit Ausnahme der lang leistenförmigen äußeren Höcker der ersten Querreihe des Prothorax sämtlich punktförmig. Erste Querreihe des Prothorax mit drei kleinen Mittelhöckern, deren seitliche jedoch von den leistenförmigen Seitenhöckern nur schwach ab- gesetzt sind; zweite Querreihe mit vier kleinen Höckern. Längs- kiele des Hinterleibes kurz und schmal, fast borstenförmig, 2,8 imn. Oberer Kongo (St. Gabriel bei Stanley ville, P. H. Kohl !). Bei Anomma Wüverthi Em.: 3. Trilobitideus insignis Wasm. 1904 (Nr. 138, S. 620 und Taf. XXXI, Fig. 1). c'. Erste Querreihe des Kopfes mit vier, zweite mit acht pmiktför- migen Höckern; dritte mit sechs, von denen die vier mittleien querelliptisch, die beiden äußeren lang leistenförmig sind. Erste Querreihe des Prothorax mit einem kleinen Mittelhöcker zwischen den leistenförmigen Seitenhöckern, zweite mit vier querellip- tischen Höckern. Die Höcker auf Kopf und Prothorax relativ höher und größer als bei der vorigen Art; die Längskiele des Hinterleibes breiter, stachelförmig. 2,2 mm. Oberer Kongo (St. Gabriel bei Stanleyville, P. H. Kohl ! 1910). Bei Anomma Wilverthi Em.: 4. Trilobitideus singularis Wasm. n. sp. (Taf. X, Fig. 52). Literaturverzeichnis, Ich gebe hier in chronologischer Reihenfolge ein Verzeichnis jener meiner Arbeiten, welche Beiträge zur Kenntnis der Doiylinengäste enthalten oder sonst in vorliegender Arbeit zitiert worden sind. Da die Liste meiner sämtlichen Bei- träge zur Kenntns der Myrmekophilen und Termitophilen bis 1908 in Nr. 164 (S. 183—188) und von 1908—1913 in Nr. 205 (S. 394—396) gegeben wurde, führe ich dieselbe von Nr. 205 an hier weiter, so daß also dieser letzte Teil des vorlie- genden Verzeichnisses alle meine seitherigen Arbeiten über individuelle und soziale Symbiose bei Ameisen und Termiten enthält. Die einschlägigen Ai-beiten andrer Autoren sind in Anmerkungen auf den betreffenden Seiten des Textes zitiert. 1 Und zwei rudimentären, sehr kleineu Höckern auf der Mitte dos lliuter- randes, ähnlich wie bei Trilob. paradoxus. 354 E. Wasmann, Jene meiner Arbeiten, welche sich mit Dorylinengästen befassen, sind im folgenden Verzeichnis mit einem Sternchen (*) verseh.en. 1887—1913. *4-. Neue brasilianische StaphyUniden, bei Eciton ForeH Mayr. (hamatum autor.) gesammelt von Dr. W. Müller. — Deutsche Ent. Ztschr. 1887. II. S. 403—416 und Taf. V. *0. Neue Ecitongäste aus Südbrasilien. — Deutsche Ent. Ztschr. 1889. I. S. 185 —190 und Taf. Ii. *8. Nachträghche Bemerkungen zu Ecitochara und Ecitomorpha. — Deutsch"' Ent. Ztschr. 1889. II. S. 414. *11. Vergleichende Studien über Ameisengäste und Termitengäste. Haag 1890. — Sep. aus Tijdschr. v. Entom. XXXIII. S. 27—97 und Taf. I. *16. Neue myrmekophile StaphyUniden aus Brasilien. — Deutsche Ent. Ztschr. 1890. II. S. 305—318 und Taf. II. *26. Neue Myrmekophilen. — Deutsche Ent. Ztschr. 1893. I. S. 97—112 und Taf. V. *38. Kritisches Verzeichnis der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. Älit Angabe der Lebensweise und Beschreibung neuer Arten. XVI und 231 S. Berlin 1894. *42. Die Ameisen- und Termitengäste von Brasilien. I. Tl. — Verh. Zool. Bot. Ges. Wien 1895. 4. Heft. S. 137—179. *51. Die Myrmekophilen und Termitophilen. Leiden 1896. — Sep. aus Compt. Rend. IIL Congr. Intern.^ Zool. S. 410— 440. 60« Zur Entwicklung der Instinkte (Entwicklung der Symphilie). — Verh. Zool. Bot. Ges. AVien 1897. 3. Hft. S. 168—183. *7l. Ein neuer DoryHdengast aus Südafrika. — Deutsche Ent. Ztschr. 1897. IL S. 278 und Taf. II, Fig. 6. *7'i. Ein neuer Ecitongast aus Nord- Carolina. — Deutsche Ent. Ztschr. 1897. II. S. 280—282 und Taf. II, Fig. 4. *80. Eine neue dorylophile Tachyporinengattung^ aus Südafrika. — Wien. Ent. Ztg. 1898. 3. Hft. S. 101—103 und Fig. 1—4. *85. Die Gäste der Ameisen und der Termiten. — Illustr. Ztschr. f. Ent. 1898. Hft. 10—16. Mit 1 Taf. *95. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. — Zoologica. Hft. 26. Stuttgart 1899. S. 1—133 und Taf. I— IIL (S. 49—53!) 99. Neue Termitophilen und Myrmekophilen aus Indien. — Deutsche Ent. Ztschr. 1899. I. S. 145—169 und Taf. I— IL *102. Eine neue dorylophile Myrmedonia aus der Kaijkolonic, mit einigen andern Notizen über Dorylinengäste. — Deutsche Ent. Ztschr. 1899. I. S. 174 bis 177. *1JI 0. Ein neuer Gast von Eciton carolinenae (Ecitonusa). — Deutsche Ent. Ztscbr. 1899. II. S. 409—410. 1 Wirt derselben ist Eciton Burchelli Westw. (Forcli Mayr), nicht Jil. Hetachkoi Mayr. 2 Üiü GuttiDig JJo)\i/lo.ixnu.)s gehört zu deu Pygosleninae, die erst 1899 auf- gestellt wurden. Neue Anpassungstypeu bei Doiylinengästen Afrikas usw. 355 *114i Neue Doryltnengäste aus dem neotropischen und dem äthiopischen Faunen- gebiet. — Zool. Jahrb. System. XIV. 3. 1900. S. 215—289 (Separ. 1—75) und Taf. XIII und XIV (Separ. I und II). ll(». Zwei neue Liometopumgäste aus Colorado. — Wien. Ent. Ztg. 1901. 7. Hft. S. 145—147. 118. Gibt es tatsächlich Arten, die noch in der Stammesentwicklung begriffen sind? Zugleich mit allgememeren Bemerkungen über die Entwick- lung der Myrmekoj)hilie und Termitophilie. — Biol. Centralbl. XXI. 1901. Nr. 22 und 23. S. 689—711 und 737—752. 128. Species novae Insectorum termitophilorum a D. F. Silvestri in America meridionali inventae. — Bull. Mus. Torino. XVII. Nr. 427. 1902. S. 1—6. *i;iü. Biologische und phylogenetische Bemerkungen über die Dorylinengästo der alten und der neuen Welt, mit spezieller Berücksichtigung ihrer Konve genzerscheinungen. — Verh. Deutsche Zool. Ges. 1902. S. 86 — 98 und Taf. I. *1S3. Konstanztheorie oder Deszendenztheorie? — Stimmen a. Maria-Laach. LXIV. 1903. Hft. 1, 2 und 5. Mit 1 Taf. Vii, Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhältnisses (Symphilie) bei den Ameisen- und Termitengästen. — Biol. Centralbl. XXIII. 1903. Nr. 2, 5, 6, 7, 8. Mit 24 Fig. (Exsudatorgane und Exsudatgewebe.) *135. Zum Mimikrytypus der Dorylinengäste. — Zool. Anz. XXVI. 1903. Nr. 704. S. 581—690. *138. Zur Kenntnis der Gäste der Treiberani eisen und ihrer Wirte am oberen Kongo, nach den Sammlungen und Beobachtungen von P. H. Kohi, bearbeitet. — Zool. Jahrb. Supplem. VII. (Festschr. f. Wbismann) 1904. S. 611—682. Mit 3 Taf. *143. Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie. 2. Aufl. Freiburg i. B. 1904 (IX. Kap., S. 231— 238!) *14.5. Die phylogenetische Umbildung ostindischer Ameisengäste in Termiten- gäste. — Compt. Rend. VI. Congr. Intern. Zool. Bern 1904. S. 436—448. Mit 1 Taf. 154. Beispiele rezenter Artenbildung bei Ameisengästen und Termitengästen. — Festschr. f. Rosenthal, Leipzig 1906. S. 43—58; Biol. Centralbl, XXVI. Nr. 17—18. S. 565—580. ♦157. Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie. 3. Aufl. Frei bürg i. ß. 1906. (X. Kap. S. 346— 365!) *158. SiU' les nids des fourmis migrantes (Eciton et Auomma). — Atti Pontif. Acoad. NuoviLincei. LX. Sess.VII. 1907. S. 224 — 229. (Nestgäste von Anomma!) *164. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Mit einem Ausbhck auf die ver- gleichende Tierpsychologie. 2. Aufl. Stuttgart 1909. Mit 5 Taf. (Zoologica. Heft 2Q. 2. Aufl.) (Kap. VI. S. 52—66 und Anhang IL S. 179—182!) *165. Myrmechusa, eine neue Gattung zwischen Myrmedonia und Lomechusa. — Ann. Mus. Civ. Genova XLIV. Nov. 1908. S. 38—42 mit 5 Fig. 170. Über den Ursprung des sozialen Parasitismus, der Sklaverei und der Myrmekophilie bei den Ameisen. — Biol. Centralbl. XXIX. 1909. Nr. 19—22. 173. Über das Wesen und don Ursprung der SymiAilie. — Biol. Centrabl. XXX. 1910. Nr. 3—5. 356 E. Wasinann, *184. Die Ameisen und ihre Gäste. — Extr. d. I. Congr. Internat. d'Entom. 1910. S. 209—234 lind Taf. XII— XVII. 187. Ein neuer Paussus aus Ceylon, mit einer Übersicht über die Paussidon- wirte. — Tijdschr. v. Entom. LIV. 1911. 3. und 4. Lief. S. 195—207. Rlit 1 Taf. 188. Zur Kenntnis der Termiten und Termitengäste vom belg. Kongo. — Rev. Zool. Afric. (BruxeUes) I. 1911. Fase. 1—2. S. 91—117 und 145—176 und Taf. III— VIII. 192. Neue Beiträge zur Kenntnis der Termitophilen und Myrmekophilen. — Ztschr. f. wiss. Zool. CI. 1912. Hft. 1—2. S. 70—115 und Taf. V— VII. *193. Neue Anommagäste aus Deutsch- Ostafrika. — Entom. Rundschau. XXIX. 1912. Nr. 6. S. 41—43. *194. Älimanomma spectrum, ein neuer Dorylinengast des extremsten Mimikry- typus. — Zool. Anz. XXXIX. Nr. 15— 16. 1912. S. 473— 481. Mit 8 Fig. 195. Zwei neue Paussiden und ein neuer Rhysopaussine aus Niederl. Indien. — Tijdschr. v. Entom. LV. 1912. 4. Lief. S. 255—262, Mit 1 Taf. *199. Neue Beispiele der Umbildung von Dorylinengästen zu Termitengästen. — Verh. Ges. Deutscher Naturf. u. Ärzte. 1912. IL 1. Hälfte. S. 254— 257. *202. Gäste von Eciton praedator Sm. aus dem Staate Espirito Santo (Süd- brasilien.)—Entom. Mitteilungen (BerUn) IL 1913. Nr. 12. S. 376— 380. 203. Ein neuer Paussus aus Südindien, mit Bemerkungen zur Stammesgeschichte der Paussiden. — Entom. Mitteilungen (Berlin) IL 1913. Nr. 12. S. 381 bis 383. *204. The Ants and their guests. — Smithson. Report f. 1912. S. 455—474. Mit 10 Taf. Publication 2210. Washington 1913. 1915—1916. 205. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atcmeles, mit kritischen Bemerkungen über das echte Gastverhältnis. — ■ Zeitschr. f. wiss. Zool. CXIV. 1915. 2. Heft. S. 233—402. Mit 2 Taf. und einer statist. Karte. 206. Zwei für Holland neue Ameisen, mit andern Bemerkungen über Ameisen und deren Gäste aus Süd-Limburg. — Tijdschr. v. Entom. LVIII. 1915. L und 2. Lief. S. 150—162. *207i. Wissenschaftliche Ergebnisse einer Forschungsreise nach Ostindien. V. Termitophile und myrmekophile Coleoi^teren, gesammelt von Prof. Dr. V. Büttel-Reepen 1911 — 1912. — Zool. Jahrb. System. XXXIX. Hft. 2. 1916. S. 169—210. Mit 2 Taf. 208. Über Ameisenkolonien mit MENDELscher ]\Iischung. — Biol. Centralbl. XXXV. 1915. Nr. 3. S. 113—127. 209. Luxemburger Ameisenkolonien mit MENDELscher Mischung. Luxemburg 1915. — Separ. aus Festschr. z. Feier d. 25jährig. Bestehens d. Vereins Luxemburger Naturfreunde. S. 87 — 101. ^ Da diese Arbeit bereits im Juli 1914 au die Redaktion abgesandt wurde, trägt sie eine frühere Nummer als tlie folgenden, ilie ,s[i;itcr eingesandt, aber raecLer gedruckt wurden. Daüsulbe gilt auch lUr Nr. 217 und 218. Keue AupaBöungstypeu bei Dorylinengästen Afrikas usw. 357 210. Da« Gesellschaitsleben der Ameisen. Das Zusammenleben von Ameisen verschiedener Arten und »von Ameisen und Termiten. Gesammelte Beiträge zur sozialen Symbiose bei den Ameisen. I. Bd. Münster i. W. 1915. 413 und XVIII S. mit 7 Taf. und 16 Fig. im Text. (Kap. 15 enthält eine Übersicht über die Erscheinungen der Myrmekophilie und Termitophilie bei den Arthropoden.) *211. Revision der Gattung Aenictonia Wasm. — Entom. Mitteilungen (Berlin). IV. 1915. Nr. 1—3. S. 26—35. Mit 1 Taf. 212. Eine neue Pseudomyrma aus der Üchsenliorndornakazie in Mexiko, mit Bemerkungen über Ameisen in Akaziendornen und ihre Gäste. Ein kritischer Beitrag zur Pflanzenmyrmekophilie. — Tijdschr. v. Entom. LVIII. 1915. Lief. 3—4. S. 296—325. Mit 4 Taf. *2Vi. Erster Nachtrag zur Revision der Gattung Aenictonia Wasm., nebst einer Revision der Gattung Dorylopora Wasm. — Entom. Mitteilungen (BerHn). IV. 1915. Nr. 7—9. S. 202—205. *214. Zweiter Nachtrag zur Revision der Gattung Aenictonia Wasm. — Entom. Mitteilungen (Berlin). IV. 1915. Nr. 10—12. S. 289—290. 215. Anergatides Kohli, eine neue arbeiterlose Schmarotzerameise vom oberen Kongo. - Entom. Mitteilungen (Berlin). IV. 1915. Nr. 10—12. S. 279 bis 288. Mit 2 Tat. 216. Viviparität und Entwicklung von Lomechusa und Atemeies. — Wien. Ent. Ztg. XXXIV. 1915. Hft. VIII— X (Festschrift f. Reitter). S. 382 bis 393. (Nachtrag zu Nr. 20.5.) *217. Neue dorylophile Staphyliniden Afrikas. — Entom. Mitteilungen (Berlin). V. 1916. Nr. 1—4 und 5—8. S. 92—109 und 134—147. Mit 1 Taf. *218. Neue Anpassungstypen bei Doryünengästen Afrikas (Staphylinidae).. (Ist che vorliegende Arbeit.) 219. Nachtrag zum Mendelismus bei Ameisen. — • Biol. Centralbl. XXXV. 1915. Nr. 12. S. 561—564. (Nachtrag zu Nr. 208.) 220. Nachtrag zu »Eine neue Pseudomyrma aus der Uchsenhorndornakazie in Mexiko«. — Tijdschr. v. Entom. LVIIi. 1915. Supplement. S. 125 — 131. (Nachtrag zu Nr. 212.) Erklärung der Abbildungen. [Alle Photogramme shul mit Vogel- Obernbtter Silber- Eosin- Platten (Perutz) aufgenommen. Bei allen Aufnahmen mit durchfallendem Licht (Fig. 5, (5, 9, 11, 19 — 23, 37, 39 — 51) wurde die Gelbgrünscheibe von Zbiss venvandt und als Licht- quelle die Halbwatt-Projectionslampe Wotan 1250 K.] Tafel VII. Fig. 1. Myrnm-Jmm Kohli Wasm. n. sp. (Tyi)e). 6,8 : 1. (Leitz Mikros. 35 mm, Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 262ff.) 1,«, Raiidborste des Halsscliildes. 47 : 1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 266.) Fig. 2. Dasselbe Individuum. 4,5 : 1. (Zaiss Tessar 1 : 6,3.) (Zu Text ö. 2ba.) 358 E. Wasmann, Fig. 3. Myrmechusa mirabilis Wasm. (Type). (Wie Fig. 2.) Fig. 4. Hinterleibsspitze von Myrmeclmsa Kohli- (Type). 16 : 1. (Leitz Mikros. 24 mm, Projektoc. 2*.) (Zu Test S. 265.) d, Seitendorn des 6. freien Abdominaltergites; an, dreilappiges Analsegment. Fig. 5. Unterkiefer von Myrmeclmsa Kohli. 50 : 1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Mit Alaimkarmin- Eosin gefärbtes Kanadabalsampräparat.) (Zu Text S. 263ff.) //j.!, innere, m% äußere Maxillarlade; mp, Maxillarpalpen. Fig. 6. \Jn.tev]i])]}e von MyrmecJmsa Kohli. 50:1. (Wie Fig. 5.) z, Zunge; /), Paraglossen; Ip, Labialpalpen. Fig. 7. Rekonstruktion des Vorderrandes der Unterlipiie von M. Kohli. Ü7 : 1. (Zeiss AA, Oc. 4, Camera Abbe.) s, Seitenlappen der Zunge; die übrigen Buchstaben wie in Fig. 6. Fig. 8. Trichodonia setigera Wasm. n. gen. n. sp. (Type). 7 : 1. (Leitz Mikros. 42 mm, ohne Ocular.) (Zu Text S. 267 und 269ff.) Fig. 9. Unterkiefer und Unterlippe von Trichod. setigera. 50 : 1. (Zeiss AA. Projektoc, 2*.) (Mit Alaunkarmin gefärbtes Kanadabalsampräparat.) (Zu Text S. 268 u. 270.) ml, innere; m'^, äußere Maxillarlade; 7np, Maxillarpalpen; z, Zunge; Ip, Labialpalpen. Fig. 10. Acanthonia gigantea Wasm. n. gen. n. sp. (Type). 5 : 1. (Wie Fig. 8.) (Zu Text S. 268 u. 272 ff.) Fig. 11. JJnterkieier und'üiitevU.])])evoi\Acanth. gigantea. 34:1. (Wie Fig. 9.) (Zu Text S. 208 u. 273.) p, Paraglossen; die übrigen Buchstaben wie in Fig. 9. Fig. 12. Dromanomma hirtum Wasm. n. gen. u. sp. (Type). 7 : 1. (Wie Fig. 8.) (Zu Text S. 275ff.) Fig. 13. Dasselbe Individuum, Seitenansicht. 7 : 1. (Wie Fig. 8.) Tafel VIII. Fig. 14. Dorylocratus rex Wasm. n. gen. n. sp. (Type). 8 : 1. (Trocken- auf nähme des gehärteten Individuums Nr. I.) (Leitz Älikros. 42 mm, ohne Ocular.) (Zu Text S. 279—288 u. 324.) Fig. 15. Seitenansicht desselben Individuums (Trockenaufnahme). 0,5 : 1. (Leitz Mikros. 35 mm, Projektoc. 2*.) Fig. 16. Dasselbe Individuum, Aufnahme in feuchter Kammer. 0,5 : 1. (Leitz Mkros. 35, Projektoc. 2*, mit Gelbgrünscheibe, um auf dem roten Vorder- körpor die hellen Flecke am Vorderrand des Halsschildes [Exsudatgruben] und die dunkle Schräghnie auf der Scheibe der Flügeldecken zu zeigen.) (Zu Text S. 281, 285, 287.) Fig. 17. Individuum Nr. II, Aufnahme in feuchter Kammer. 6,5 : 1. (Wie Fig. 16.) Fig. 18. Vorderkörper von Individuum Nr. I (Trockenaufnahme). 12 : 1. (Leitz Mikros. 24 mm, Projektoc. 2*.) (Zeigt die beiden Exsudatgruben am Vorderrand des Halsschildes und die Seitenbeulen und den Mittelkiel des Hinter- kopfes.) (Zu Text S. 281—284.) Fig. 19. Oberkiefer von Dorylocratus rex. 46 : 1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Mit Alaunkarmin gefärbtes Kanadabalsampräx^arat. ) (Zu Text S. 283.) Fig. 20. Unterkiefer und Unterlippe von -Dorz/focra^Ms rex. 90:1. (Zeiss AA, HuYUBNs Oc. 3.) (Mit Alaunkaruiin-Eoöin gefärbtes Kanadabalsampräparat.) Neiic Anpassnngstypon bei Dorvlinongästen Afrikas usw. 359 (Zu Text S. 284.) w^, innere; m^, äußere Maxillarlade; mj), Maxillarpalpeii ; z, Zunge; p, seheil )onf (innig ei-weiterte Paraglossen; Ip, Labialpalpen. Fig. 21. JVrittoltai'se und Schienenspitze von Dorylowimus Kohli Wasm. 140 : ]. (Wie Fig. 20.) (Zu Text S. 288.) d, die zwcn Dornen der Schienenspitze; k, Hafthaare. Fig. 22. Hintertarse und Schienenspitze von Durylnmimvs Kohli. 11 : 1. (Das übrige wie in Fig. 21.) Fig. 23. Vordertarse von Mimanom.ma spechimi Wasm. mit Haftpolster {hji) auf der Unterseite des Klauengliedes. 250 : ]. (Zeiss D, Projektoc. 2*.) (Mit Alaunkarmin gefärbtes Kauadabalsampräparat. ) (Die Basis des Tarsus ist nicht mehr auf dem Bilde.) (Zu Text S. 289 und 30(i.) Fig. 24. Dorylonannus Lujae Wasm. n. gen. (Type). 12:1. (IjEITz Mikros. 12 mm, ohne Ocular.) (Zu Text S. 290 ff. und 324.) Fig. 24a. Seitenansicht desselben Individuums. (Wie Fig. 24.) Fig. 25. Doryloniimus Kohli Wasm., Form vestitus. 8:1. (Wie Fig. 24.) (Zu Text S. 29Gf. und 324.) Fig. 25a. Seitenansicht desselben Individuums. Tafel IX. Fig. 26. Dorylomimus Kohli Wasm., Form nudus. 8:1. (Wie Fig. 24.) (Zu Text S. 29fi u. 324.) Fig. 27. Mimanomma spedrum Wasm. (Type). 12 : 1. (Lkitz ]\Iiki'os. 24 mm, Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 301 ff. u. 324.) Fig. 28. Dorylohactnis Schwahi Wasm. n. gen. n. sp. (Type). 12:1. (Wie Fig. 27.) (Zu Text S. 301 ff. u. 324.) Fig. 29. Eupygostenus Escherichi Wasm. n. gen. n. sp. (Type). 14 : 1. (Wie Fig. 27.) (Zu Text S. 308 ff.) Fig. 30. Sympolemon anomniatis Wasm. (Type). 8:1. (Leitz JMikros. 42 mm, ohne Ocular.) (Zu Text S. 311ff. und 314ff.) Fig. 31. Eupolemon costatus Wasm., n. gen. n. sp. (Type). 12 : 1. (Leitz Mikros. 24 mm., Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 315ff.) Fig. 32. Micropolemon (olim Sympolemon.) Uro Wasm., n. gen. (Type). 12 : 1. (Wie Fig. 31.) (Zu Text S. 31Gff.) Fig. 33. Micropolemon (subgen. Anapolemon) cormitus Wasm., n. subg. n. sp. (Type). (Wie Fig. 31.) (Zu Text S. 316ff.) Fig. 34. Micropolemon (subgen. Hemipolemon) planicollis Wasm., n. subgen. n. sp. (Type). (Wie Fig. 31.) (Zu Text S. SKiff.) Fig. 35. Phyllodinarda xenocephala Wasm., n. gen. n. sp. (Type). 8 : 1. (Leitz Mikros. 24 mm, Projektoc, 2*, mit Gelbgrünscheibe, um die Zweifarbig- keit des Vorderkörpers zu zeigen.) (Zu Text S. 328—349.) Unter der rechten Flügeldecke ragt ein Flügel vor bis zur Spitze des Hinterleibes. Fig. 36. Dasselbe Individuum, Unteransicht. 8:1. (Wie Fig. 35, aber ohne Gelbgrünscheibe.) Fig. 37. Kopf lind Halsschild von Phyllodinarda Kohli Wasm. n. sp. 30 : 1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Mit Alaunkarmin gefärbtes Kanadabalsampräparat.) (Zu Text S. 331 ff.) au, Augenausschnitt am Seitenrand des Kopfes; at, An- tennen; hr, Halsschildrand. Vgl. Fig. 38. Fig. 38. Kopf und Vorderrand des Halsschildes von Ph. Kohli, an dem- 360 E. Wnsmann, Neue Anpassiingstypen bei Porylinengästen Afrikas usw. selben Präparate wie Fig. 37 bei durchfallendem Lichte mit Camera Abbe (Zeiss AA, Oc. 1) gezeichnet zur näheren Erklärung der Photographie Fig. 37. 34 : 1, (Zu Text S. 331 ff.) au, Augen und Augenausschnitte; at, Antemien; i, Insertions- stellen der Fühler; g, Gehini; no, optische Ganglien; s, Schnauze; vp, Voi-platte des Pronotums; kr, Hinterrand des Kopfes; hr. Vorder- luid Seitenrand des Hals- sohildes. Fig. 39. ¥ühler von PL Kohli. 35:1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Mit Alnunkarmin gefärbtes Kanadabalsampräparat.) (Zu Text S. 332.) Fig. 40. Oberkiefer von Pfi. Kohli. 58 : 1. (Zeiss AA, Huygens Oc. 3.) (Zu Text S. 333.) m, Muskelbündel an der Kieferbasis. Fig. 41. Oberüppe von Ph. Kohli. 58 : 1. (Wie Fig. 40.) Fig. 42. Unterkiefer von Ph. Kohli. 58 : 1. (Wie Fig. 40.) m^, innere, ni^, äußere Unterkieferlade, m^, Kiefertaster. Fig. 43. UnterUppe von Ph. Kohli. Normales Präparat. 120 : 1. (Wie Fig. 40.) (Zu Text S. 333 ff.) ~, Zunge; p, Paraglossen; Ip, Labialpalpen. Fig. 44. UnterUppe von Ph. Kohli mit bogenförmiger Hautvorstülpung. 160 : 1. (Wie Fig. 40.) (Zu Text S. 333.) m, Maxillen; Ip, Labialpalpen; l, vor- gestülpter Hautlappen der Unterlippe. Tafel X. Fig. 45. Flügel von Phyllodinarda Kohli. 12 : 1. (Zeiss ag, Projektoc. 2*.) (Ungefärbtes Präparat, trocken unter Deckglas.) (Zu Text S. 335.) Fig. 46. Vorderbein von Ph. Kohli 28 : 1. (Zeiss AA, Projectoc. 2*.) (Mit Alaunkarmin gefärbtes Kanadabalsampräparat. ) (Zu Text S. 336.) r, Riime an der Unterseite des Schenkels zur Aufnahme der Schiene. Fig. 47. Hinterbein von Ph. Kohli. 28 : 1. (Wie Fig. 46.) r, wie in Fig. 46. Fig. 48. Keulenborsten am Vorderrand des Kopfes von Ph. Kohli in dem Präparat Fig. 37. 156 : 1. (Zeiss D, Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 331 und 337 ff.) Fig. 49. Flügeldecke von Ph. Kohli, ausgefärbtes Exemplar. 24 : 1. (Zeiss AA, Projektoc. 2*.) (Mit Hämatoxylin [Gkenacher] gefärbtes Kanadabalsam- präparat.) (Zu Text S. 335 und 337 ff.) Fig. 50. Drüsenzellengruppen an der Borstenbasis der Flügeldecke im Präparat Fig. 49. 166 : 1. (Zeiss AA, Huygens Oc. 3.) (Zu Text S. 339.) Fig. 51. Einzelne Drüsenzellengruppe in der Flügeldecke eines frisch- entwickelten Exemplars von Ph. Kohli. 800 : 1. (Zeiss homog. Imm. Apochr. 2,0 mm, Ap. 1,30, Kompensatoc. 6.) (Mit Hämalaun-Eosin gefärb tos Kanada- balsampräparat.) (Zu Text S. 341.) Fig. 52. Trilobüideus singularis Wasm. n. sp. (Type.) 15 : 1. (Leitz Mikros. 24 mm, Projektoc. 2*.) (Zu Text S. 353.) Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, nebst Bemerkungen über ihre Beziehungen zur geschlechtlichen Fortpflanzung. Von E. Korscheit. Mit 25 Figuren im Text. Inhalt. Seite Einleitung 361 1. Verbreitung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei den Metazoen und ihre Beziehungen zu deren Organisation 363 2. Monogonie und Regeneration 367 3. Fortpflanzung durch kleinere Teilstücke 375 4. Vegetative Fortpflanzung 378 5. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Protozoen und Metazoen . . . 386 6. Knospenbildung und Keimzellen 389 7. Ungeschlechtliche und geschlechtliche Fortpflanzung, Generationswechsel 398 8. Wiederauftreten der Keimzellen 403 9. Teilung und Knospung in ihren Beziehungen zueinander 407 10. Teilung in frühen Entwicklungsstadien 415 11. Teilung und Knospung der Protozoen; Beziehungen zwischen ihrer unge- schlechtüchen und geschlechtlichen Fortpflanzung 417 12. Ungeschlechtliche Fortpflanzung und Lebensweise der Tiere 427 Literatur 454 Ungeschlechtliche Fortpflanzung nennen wir die ohne Verwen- dung von Geschlechtszellen (Eiern und Spermatozoen) erfolgende Art der Fortpflanzung ein- und vielzelliger Tiere. Bei den letzteren i.'t sie noch dadurch ausgezeichnet, daß vielzellige Körperteile, die sich voni Muttertier loslösen oder in welche dieses zerfällt, die Grundlage des neuentstehenden Individuums darstellen. Darin besteht eine ge- wisse Ähnlichkeit mit den vom Pflanzenkörper isolierten Teilen, die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. . 24 362 E. Korscheit, von ihm unabhängig weiter wachsen und sich zu einem mit allen wesent- lichen Bestandteilen versehenen Individuum ausbilden, weshalb man diese Art der Vermehrung auch als vegetative Fortpflanzung bezeichnet. Das Kennzeichen der Mehrzelligkeit des zur Bildung des neuen Individuums führenden Körperteilstücks würde bei den Metazoen zur Charakterisierung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung genügen, wenn nicht ausnahmsweise wie bei den Dicyemiden eine Vermehrung durch ungeschlechtliche Binzelzellen (»nicht befruchtungsfähige Keimzellen«, Agamocyten) angenommen würde. Die letztere und noch einige andre, später zu erwähnende Fortpflanzungsarten würden, wenn sich die Richtigkeit der betreffenden Auffassungen erweist, aus dem Bild der gevvöhnUchen vegetativen (ungeschlechtlichen) Fortpflanzung bei den Metazoen herausfallen. Diese stände sonst in sehr bezeichnender Weise der cytogenen Fortpflanzung^ d. h. der durch (befruch- tungsbedürftige oder parthenogenetische) Eier gegenüber. Bei ihr er- folgt die Fortpflanzung durch Keimzellen, und wenn nicht Partheno- genese eingetreten ist oder der seltene Fall von Hermaphroditismus mit Selbstbefruchtung obwaltet, sind zwei Individuen der betreffenden Tierart an der Erzeugung des "neu entstehenden Organismus beteiligt - (Amphigonie), während die ungeschlechtliche Fortpflanzung nur von einem Individuum ausgeht (Monogonie). Wie die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich diese ein- leitenden Bemerkungen in der Hauptsache auf die vielzelligen Tiere. Dies entspricht der Entstehung dieser kleinen Arbeit, welche sich an die Darlegungen des Kapitels Ungeschlechtliche Fortpflanzung in dem Lehrbuch der Vergl. Entwicklungsgeschichte (Korschelt und Heider, ' AUg. Teil 4, 1910) anschließt und durch das Erscheinen einiger neuer zusammenfassenden Darstellungen dieses Gegenstandes veranlaßt wurde, auf die späterhin noch einzugehen sein wird. Daraus erklärt sich auch die Art der Behandlung, welche sich auf dort nicht eingehender herangezogene oder solche Punkte bezieht, die durch neu erschienene Arbeiten allgemeiner oder spezieller Natur eine andre Beleuchtung erfuhren. — Wenn die Metazoen dabei durchaus in den Vordergrund gestellt wurden, so durften die Protozoen doch nicht ganz außer acht gelassen werden, da sie, wie kaum erwähnt zu werden braucht, für das Verständnis dieser Vorgänge auch bei den Metazoen gar nicht zu ent- behren sind. Deshalb sollen sie denn auch im folgenden so weit als nötig zum Vergleich und zur Erläuterung der bei den Metazoen ob- waltenden Verhältnisse herangezogen werden. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 363 1. Verbreitung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei den Metazoen und ihre Beziehungen zu deren Organisation. Beide Hauptformeii der Fortpflanzung sind bei den Tieren sehr verbreitet, doch tritt in dieser Beziehung die ungeschlechthche hinter der geschlechtlichen Fortpflanzung zurück, denn sie fehlt bei einigen größeren Tierstämmen vollständig, wie bei den Arthropoden, Mollusken und Vertebraten und zeigt sich auch bei den verhältnismäßig nieder- stehenden Echinodermen in einer Weise, bei der man zweifelhaft sein kann, ob es sich um ungeschlechtliche Fortpflanzung im eigenthchen Sinne handelt. Obgleich die ungeschlechtliche Fortpflanzung sich noch bei so hoch stehenden Tieren wie bei den Tunicaten findet, bei denen sie sogar eine recht wichtige Kolle spielt und eine weite Verbreitung hat, erscheint es dennoch ihrer ganzen Natur nach sehr naheliegend, daß sie vor allen Dingen den einfach gebauten, weniger hoch differen- zierten Tierformen zukommt. Bei den niedersten Metazoen (Coelen- teraten und Poriferen) sehen wir sie daher in weiter Verbreitung, indem sie bei deren Stockbildung, Generationswechsel und Polymorphismus unerläßlich ist, bzw. diese Erscheinungen erst ermöglicht. Die verhält- nismäßig einfache Organisation dieser Tiere erleichtert offenbar die bloße Durchteilung ihres Körpers oder die Anlage der als Knospen auftretenden Teilstücke. Freilich ist hier zu bemerken, daß die letzteren Vorgänge auch bei viel höher stehenden Formen (Bryozoen, Tunicaten) in einer, soweit es die andersartige Organisation zuläßt, immerhin ähn- lichen Weise auftreten. Es ist anzunehmen, daß die Art der fortschrei- tenden Körperdifferenzierung die Sonderung von Teilstücken zu selb- ständiger Existenz ie nachdem beoünstigt oder verhindert. Bei den Arthropoden, Mollusken und wohl auch bei den Echiiiodermen ist letzteres der Fall, von den Wirbeltieren nicht zu reden. Ahnhches gilt offenbar auch innerhalb einzelner Gruppen des Tierreichs für deren verschiedene Abteilungen. Auch da scheinen ein- 2ielne Stämme Differenzierungen zu erlangen, welche das Auftreten der Teilung und Knospenbildung an ihrem Körper nicht mehr erlauben. Beispiele hierfür bieten die Würmer. Wenn auch diese Abteilung des Tierreichs nichts weniger als einheitlich und die Herkimft der einzelnen Stämme möglicherweise eine recht verschiedenartige ist, so weisen sie ■doch immerhin eine Anzahl gemeinsamer Züge auf, welche ihre Zusam- menfassung zu einer größeren Gruppe rechtfertigten und die weitgehende Verschiedenheit hinsichtUch ihrer Fortpflanzung wohl kaum erwarten ließen. Unter ihnen zeigen die Anneliden, die wegen ihrer Körper- 24* 364 E. KorscheJt, gliederung, der Ausbildungsstufe der Locomotionsorgane, des Circula- tions- undExcretionssystems, der Leibeshöhle usw. als die höchststehen- den Vertreter der ganzen Gruppe anzusehen sind, die Fähigkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung oft in recht weitgehendem Maße. Das- selbe gilt für die zweifellos weit niederstehenden Plathelminthen. Die- Organisation der Turbellarien erlaubt ihren immerhin recht verschieden gebauten Vertretern, wie den Rhabdocölen und Tricladen, eine auf verschiedenem Wege, durch Architomie wie Paratomie sich vollziehende und mehrfach nacheinander sich wiederholende Körperteilung, wie ja auch den parasitischen Plattwürmern wenigstens in ihren Jugend- zuständen die Fälligkeit der ungeschlechtlichen Vermehrung erhalten geblieben ist. Dagegen ist diese in andern Gruppen der Würmer gar nicht vorhanden, so vermögen sich auffallenderweise die Rotatorien ebensowenig wie die Nematoden auf ungeschlechtlichem Wege fortzu- pflanzen. Man sieht nicht recht ein, weshalb gerade ihre Organisation die Möghchkeit hierzu nicht gestattet, denn die weitgehende Differen- zierung des Vorderendes bei den Vertretern der einen oder die ver- hältnismäßig feste Beschaffenheit der Körperdecke bei denen der andern Gruppe, könnte wohl kaum als hinreichende Begründung dieses- Mangels angesehen werden, zumal wenn man diese Züge der Organisa- tion mit derjenigen andrer höher stehender Tierformen vergleicht, welche zur Monogonie befähigt sind. Es müssen ako andre Faktoren hinzukommen; welche das sind, wird schwer zu entscheiden sein. Ahnliche Verhältnisse treten uns in dem großen Stamm der Cölen- teraten entgegen, dessen einzelne Vertreter sowohl in der Klasse der Hydrozoen wie Scyphozoen in hervorragendem Maße durch die Fähig- keit der Fortpflanzung sowohl auf dem Wege der Teilung wie Knospung ausgezeichnet sind, während die Ctenophoren diese Eigenschaft über- haupt nicht besitzen. Nun ließe sich dem allerdings entgegenhalten, daß die Ctenophoren keine echten Cölenteraten, jedenfalls im Gegen- satz zu den andern keine Cnidarien sind. Das ist gewnß richtig, aber immerhin stehen sie diesen unter allen Tieren am nächsten und haben sicher verwandtschaftliche Beziehungen zu ihnen, wenn sie sich auch nach einer anderen, recht abweichenden Richtung entwickelten. Die Art und Weise, in der dies geschah, brachte offenbar eine Änderung in der Organisation, eine gewisse Art der Differenzierung mit sich, welche die Durchteilung des Körpers oder die Sonderung einzelner Körperpartien zu Knospenanlagen nicht mehr erlaubte. Wenigstens- ist meines Wissens über das Vorkommen ungeschlechtlicher Ver- mehrung bei den Ctenophoren bis jetzt nichts bekannt geworden. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 365 Möglicherweise könnte neben der Abänderung der Organisation auch die Größenzunahme eine Rolle spielen, die überdies mit jener gewiß im engen Zusammenhang steht. Auffallend ist es jedenfalls, daß die Fähigkeit zur Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege in der Hauptsache bei verhältnismäßig kleinen Tieren angetroffen wird, abgesehen allerdings von den Spongien auf der einen und den Tunicaten auf der andern Seite. Aber auch bei den ersteren könnte man sagen, daß mit der Größenzunahme der Individuen deren Befähigung zur Monogonie zurücktritt, wofür unter den Schwämmen die Hexactinel- liden, unter den Cölenteraten die Actinien geeignete Beispiele bieten. Übrigens scheinen auch die Bcyphomedusen einem derartigen Verhalten zuzustreben. Während sie im Jugendzustand, d. h. im Scy- phistoma- und Strobilastadium die Fähigkeit der Teilung besitzen, geht diese bei den ausgebildeten Medusen gänzlich zurück. Das ist insofern recht bemerkenswert, als die Hydromedusen die Eigenschaft der Knospenbildung auch im geschlechtsreifen Zustand beibehalten können. Zwar tritt diese Eigentümlichkeit auch bei ihnen zurück, denn knospende Medusen sind nicht gerade häufig, aber immerhin kennt man doch eine ganze Anzahl. Jedenfalls aber hat man auch hier den Eindruck, daß mit der Größenzunahme und der Annahme der frei schwimmenden Lebensweise die Fähigkeit oder Nötigung zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung vermindert wird. Das ist bei den Scyphomedusen, besonders aber bei den Ctenophoren im hohen Maße der Fall. Daß innerhalb kleinerer Gruppen des Tierreichs, bei denen die ungeschlechtliche Fortpflanzung verbreitet ist, diese in einzelnen Untergruppen nicht gefunden wird, ist eine bekannte Erscheinung. Als Beispiel dafür seien die Polycladen angeführt, von denen Teilungs- vorgänge meines Wissens bisher nicht beschrieben wurden, obwohl sie sowohl den Tricladen wie den Rhabdocölen unter den im Süß- wasser lebenden Turbellarien zukommen. Übrigens liegen die Ver- hältnisse im Bereich der letztgenannten beiden Gruppen der Platt- würmer ganz ähnlich, indem in einzelnen Familien oder Gattungen Monogonie auftritt, in andern aber gänzlich zu fehlen scheint; so sind ■es bei den Rhabdocölen die Angehörigen der Catenulidenfamilie {Mi- crostoma, Stenostoma, Älaurina, Catcnida), welche sich durch Quer- teilung vermehren, während dieses Teilungsvermögen andern Familien der Rhabdocöliden offenbar fehlt. Ebensowenig pflegen sich d"e Nemertinen auf ungeschlechtlichem Wege fortzupflanzen, obwohl sie in hohem Maße die Fähigkeit zum 366 E. Ivorschelt, Ersatz verloren gegangener Teile sowohl am Vorder- wie am Hinter- ende des Körpers besitzen, wie aus den älteren Beobachtungen von McIntosh, sowie aus den neueren Untersuchungen von Nusbaum und OxNER hervorgeht. Ähnlich liegen die Verhältnisse innerhalb des Annelidenstammes. Wir wissen, daß Teilungsvorgänge bei den Polychäten nicht selten und zuweilen, wie z. B. bei den Sylliden, recht weitgehende sind, wäh- rend sie von manchen andern Polychäten bisher nicht bekannt wur- den und wohl auch nicht vorhanden sind. Ebenfalls in recht weit- gehendem Maße treten Teilungsvorgänge bei den limicolen Oligochäten auf; für die erdbewohnenden Anneliden hingegen scheint diese Art der Fortpflanzung nicht mehr durchführbar zu sein, obwohl die Lumbriciden ein großes Regenerationsvermögen besitzen und die Beziehungen zwischen letzterem und den Teilungsvorgängen gerade bei diesen Tieren als recht enge erscheinen; es sei nur an die Autotomie zumal der limicolen Oligochäten erinnert. — In andern Abteilungen der Anneliden ist von Teilungsvorgängen gar nicht mehr die Rede; so scheint die Differenzierung des Körpers bei den Echiuriden und Hiru- dineen in einer Weise vorgeschritten zu sein, daß sich keiner ihrer Ver- treter noch durch ungeschlechtliche Fortpflanzung vermehrt. Dem- entsprechende Beispiele ließen sich noch aus einer Reihe anderer Ab- teilungen des Tierreichs vorbringen. Wenn im vorstehenden wiederholt davon die Rede war, daß eine zu weit oder in bestimmter Richtung vorgeschrittene Differenzierung in der Organisation der betreffenden Tiere ihre Fähigkeit zur unge- schlechthchen Fortpflanzung verringert oder aufgehoben habe, so muß man sich dabei bewußt sein, daß es sich mehr um eine Umschreibung als um eine wirkliche Erklärung dieser Tatsache handelt und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sich ein tatsächlicher Beweis dafür, daß die Organisation jener Tiere für die Ausführung von Teilungs- und Knospenvorgängen ungeeignet sei, kaum erbringen läßt. Vergleicht man die Organisation eines der Monotonie entbehrenden rhabdocölen Turbellars auf das genaueste mit derjenigen eines andern, bei welchem sie vorhanden ist, so wird man nicht in der Lage sein, mit irgendwelcher »Sicherheit anzugeben, ob es bestimmte Züge im Bau der betreffenden Tiere sind, welche das Auftreten der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ermöglichen oder verhindern. Ganz so verhält es sich bei den Anne- liden oder andern mehr oder weniger verwandten Tieren nnt und ohne Monogonie. Desgleichen dürfte es schwierig sein, bei den der Teilung und Knospung in besonders hohem Maße zuneigenden, höher stehenden Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 367 Tieren, wie Bryozoen und Tnnicaten, die Ursachen für die Ermög- lichung dieser oft auf recht komphzierte Weise verlaufenden Fortpflan- zungsarten aus der Organisation der betreffenden Tiere abzuleiten, auch wenn äußere Faktoren, die dazu drängten, wie die Annahme einer festsitzenden Lebensweise, ziemlich klar zutage liegen. 2. Monogonie und Regeneration. Ohne auf diese ^bereits wiederholt und von den verschiedensten Seiten behandelte wichtige Frage auch nur einigermaßen erschöpfend eingehen zu wollen, sei hier im Anschluß an das Vorhergehende nur festgestellt, daß man hinsichtlich der Fortpflanzung durch Teilung und ihrer Herleitung trotz aller in dieser Richtung bestehenden Wider- sprüche doch immer Mieder auf das bei den in Frage kommenden Tieren besonders starke Regenerationsvermögen hingeführt wird. Tiere, die in der Lage sind, auf höchst geringfügige Anlässe hin, in Teilstücke zu zerfallen und aus diesen vollständige Individuen hervorgehen lassen, Avelche in jeder Beziehung den alten gleich sind, dürften der Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung (auf dem AVege der Teilung) doch zum mindesten sehr nahe stehen. Die Einwände, welche oeoen die besonders von Kennel, Lang und M^eismann vertretene Her- leitung der Teilungs Vorgänge von solchen regeneratorigcher Natur von Seeliger, Morgan, Przibram und andern geltend gemacht wurden, sind bekannt. Im Vordergrund steht dabei die Auffassung; der Reg-eneration als Anpa-ssungserscheinung, die durch Selection gesteigert bei Ablösung lebensfähiger Teilstücke und dem Ersatz der ihnen fehlenden Körper- teile zu einem wirkhchen Fortpflanzungsakt werden konnte. Dagegen wandten sich die genannten und andre Autoren, welche in der Regene- ration eine den Organismen ursprünglich zukommende Eigenschaft sahen. Mit deren weiterer Ausbildung hätten Anpassungserscheinungen insofern kaum etwas zu tun, als darauf hinzielende Beobachtungen und Versuche ergaben, daß etwaigen Verletzungen stark ausgesetzte Körper- teile nicht besonders regenerationsfähig und anderseits ganz geschützt liegende Partien mit Regenerationsvermögen ausgestattet sind. Eine Steigerung des Regenerationsvermögens und immer weiter zunehmende AVirkung bis zum Ersatz so wesentlicher Teile, wie ihn die Wiederher- stellung des ganzen Individuums aus einem verhältnismäßig unvoll- ständigen Teilstück nötig macht, wurde unter diesen Umständen für sehr unwahrscheinlich gehalten. Neuerdings sagt Deegkner: >>Die Regeneration als solche schafft 368 E. Korsclielt, niemals spontan ein neues Individuunu« (S. 580, 1915). Gewiß nicht, denn es muß die Fähigkeit zum Zerfall des Körpers in Teilstücke oder zur Ablösung solcher vorhanden sein, aber wenn dies der Fall ist, und wir kennen doch eine ganze Anzahl solcher Fälle, spielt dann in der Tat die Regeneration die Hauptrolle und führt ohne Zweifel zur Heran- bildung neuer, vollständiger Individuen. Und dies nicht nur nach künstlicher Teilung, was insofern erwähnenswert ist, weil Deegener in dem obenerwähnten iSatz fortfährt: »vielmehr kann ein solches (neues Individuum) nach künstlicher Halbierung oder Teilung in un- gleiche Stücke höchstens dadurch entstehen, daß die Teilstücke sich auf Grund ihres Regenerationsvermögens wieder zu vollständigen Tieren ergänzen«. Letzteres ist eine recht verbreitete, unter den Metazoen von nicht wenigen Cölenteraten, Plattwürmern, Anneliden und Echinodermen bekannte Erscheinung. Sie kann sogar recht weit gehen und sich auf sehr kleine Teilstücke der betreffenden Tiere er- strecken, so daß bei be:ionders regenerationsfähigen Tieren wie Pla- narien und Hydren Stücke von ^/loo i^^rid ^/2oo ^^^3 Körpervolumens noch zu vollständigen Individuen auswachsen können. Auch bei andern Cölenteraten (Hydroidpolypen und Actinien), sowie bei manchen Anne- liden können die vom Körper abgelösten Stücke, welche dessen Haupt- teile ^^ieder zu ersetzen vermögen, ihm gegenüber von geradezu ver- schwindendem Umfang sein und brauchen von dessen Organisation, anscheinend nur recht wenig wesentliche Teile aufzuweisen. Es wäre recht auffällig, wenn eine derartige Einrichtung in der Natur unbenutzt bleiben sollte. Halten wir uns an einen besonderen Fall, z. B. den hinsichtlich seiner Autotomie und Wiederherstellung der Teilstücke schon so lange bekannten Lumhrmdus. Neue experi- mentelle Untersuchungen (von Morgulis und C. Müller) haben ge- zeigt, daß der 200 und mehr Segmente zählende Wurm in nicht weniger als 23 Teilstücke zerlegt werden kann, die unter gewissen Be- dingungen in der Lage sind, Kopf und Schwänzende neu zu bilden, vermutlich auch die übrigen Körperteile zu ersetzen und schließlich zu einem vollständigen Wurm heranzuwachsen. Daß einzelne Körper- regionen sich in dieser Beziehung eigenartig verhalten und Kopf- wie Schwanzstücke, die aus weniger als neun bis zehn Körperringen be- stehen, zum Ersatz des Verlorenen nicht befähigt sind, braucht hier nicht besonders in Betracht gezogen werden. Anderseits vermögen recht kleine Teilstücke bis zu drei und zwei Segmenten hinunter sowohl ein neues Kopf- wie Schwanzende zu liefern, ja sogar einsegmentige Stücke besitzen noch die Fähiokeit dazu. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 369 Bei diesen Beobachtungen handelt es sich um Versuche mit Teil- stücken, die auf experimentellem Wege erzielt und, um sie weiter beob- achten zu können, unter Anwendung besonderer Vorsichtsmaßregeln gehalten werden mußten. Es ist nun die Frage, wie diese Vorgänge sich in der freien Natur abspielen würden und ob Teilstücke des Lum- briculus von größerem oder geringerem Umfang unter natürlichen sowie unter künstlich geschaffenen Verhältnissen die verlorenen Körper- teile regenerieren und zu vollständigen Würmern heranwachsen können. Einer der genannten Experimentatoren (Mobgulis) hält dies für un- wahrscheinlich, und ein so genauer Kenner der Frage wie F. V. Wagner steht den Angaben über den spontanen Zerfall des Lumhriculus in Teil- stücke und deren Heranwachsen zu ganzen Würmern, d. h. einer auf diesem Wege sich vollziehenden ungeschlechtlichen Fortpflanzung zum mindesten mit recht lebhaftem Zweifel gegenüber, wenigstens insofern der Zerfall leicht und häufig (»bei den geringfügigsten Störungen <<) eintreten solle, um damit zu einem Fortpflanzungsakt zu führen. An- derseits stellt aber v. Wagner selbst nicht in Abrede, daß Lumhriculus die Fähigkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Querteilung besitzt, wie denn bei diesem mit einem außerordentlichen Regenerations- vermögen ausgestatteten Wurm »fast jeder Selbstverstümmelungsakt im Effekt zu einem Propagationsakt wird<<. Ob dann die bisherige, in der Literatur wiederholt geäußerte Annahme von dem weitgehenden Zerfall- und Wiederherstellungsvermögen des Lumhriculus nicht doch der Wirldichkeit ziemlich nahe kommt! Was ich selbst bei eigenen und bei den von andern hier im Institut angestellten Versuchen sah, schien mir recht sehr für eine solche Annahme zu sprechen. Letztere Auffassung finde ich bestätigt durch die neuere Be- handlung dieser Frage von selten eines ebenfalls ausgezeichneten Kenners, nämlich durch A. Mräzek (1913). Hauptsächlich auf Grund der Angaben von Morgulis und F. v. Wagner, sowie seiner eigenen früheren Beobachtungen über die geschlechtliche und ungeschlecht- liche Fortpflanzung des Lumhriculus und andrer Limicolen unterzog €r die Frage einer nochmaligen genaueji Durcharbeitung. Diese be- ruht zum Teil auf Beobachtung von künstlichen Teilstücken, haupt- sächlich aber auf derjenigen der im Freien gesammelten Lumbrikulen. In ersterer Beziehung erscheint mir die von Mräzek mehr zufällig ge- machte Beobachtung von Interesse, wonach bei dem (zu Fütterungs- zwecken) vorgenommenen Zerschneiden 1 — 2 cm langer Teilstücke von Lumhriculus zu »einem förmlichen Brei<' kleiner Stücke, einige Zeit nachher in den betreffenden Zuchtoefäßen »winzige, größtenteils 370 E. Korscheit, aus Eegeneraten bestehende Würmer sich fanden <<, denn >>die nur einige Segmente enthaltenden Fragmente haben neue Individuen ge- liefert«. »Wenn dies im Laboratorium geschieht,« sagt Mpazek weiter, >>so ist es wohl möglich, daß z. B. die beim räuberischen Überfall eines Lumhriculus seitens der Ijarve eines Wasserkäfers die dieser Larve entfallenden Brocken sich ebenfalls komplettieren können.« Zu diesem letzteren Satz möchte ich insofern mein volles Einverständnis erklären, als ich ihn, durch die obenerwähnten Untersuchungen von C. Müller veranlaßt, schon vor längerer Zeit in ungefähr derselben Fassung niederschrieb. Es käme nun darauf an, zu erweisen, ob Teilstücke der Lumbrikulen auch in der freien Natur zu vollständigen Würmern heranwachsen können, und Mbazeks neue Bearbeitung der Frage ist diesem für die Beurteilung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung recht bedeutungsvol- len, aber nicht ganz leicht zu lösenden Teil des Problems gewidmet. Auf Grund seiner früheren langjährigen Erfahrungen und neu angestellten Beobachtungen konnte Mpazek die Entwicklung der Teilstücke zu ganzen Würmern zum mindesten sehr wahrscheinlich machen. Einen tatsächlichen, völlig einwandfreien Beweis zu führen, wird deshalb kaum möglich sein, weil sich ein bestimmtes Stück eben in der freien Natur nicht dauernd verfolgen läßt. Man kann also nur Schlüsse aus möghchst zahlreichen, an der Stätte ihres natürlichen Vorkommens gesammelten Würmern ziehen. Wenn sich dort auffallend viele, be- sonders kurze Individuen finden, so liegt der Schluß nahe, daß es sich um solche Würmer handelt, die aus Teilstücken entstanden und im Heranwachsen zu vollständigen Würmern begriffen sind. Das Fehlen kleinerer AVürmer (sogenannter Zwergformen) ist gerade mit ein Haupt- grund gegen das Vorhandensein der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei Lumbricidus (Morgulis). Dagegen vermochte Mrazek in seinem großen, an verschiedenen örtlichkeiten gesammelten Material außer den zahlreichen mit zweifellosen Kopf- und Schwanzregeneraten ver- sehenen Würmern sehr viele unverhältnismäßig kurze, aus einer relativ geringen Segmentzahl besteheade Würmer festzustellen, von denen nicht wenige am Vorder- oder Hinterende, bzw. an beiden Enden, die Ver- vollständigung durch Reoeneration mit oenüjiender Deutlichkeit auf- wiesen. Mrazek stallt diese Würmer zu Reihen zusammen, welche meines Erachtens keinen Zweifel an ihrem Zustandekommen auf dem Wege des Zerfalls und der Regeneration aufkommen lassen. So gelangt denn auch Mpazek zu der Annahme, daß »ein zwar wechselnder aber doch oft beträchtlicher Teil der Lumhriculus-In(\Wii\üQn nicht aus Zum Wesen der ungescli locht liehen Fortpflanzung usav. 371 Eiern, sondern auf regenerativem Wege aus Teilstücken entsteht«, wobei der spontane Zerfall der Würmer ohne äußere Ursache nach MrÄZEKs Annahme ebenfalls eine gewisse Eolle spielt. Ein spontaner Zerfall des Körpers, welcher nach Ersatz der feh- lenden Teile zur Wiederherstellung des Ganzen führt, ist zwar bei einer ganzen Anzahl von Tieren, z. B. bei Hydroiden, Actinien, Plathel- niinthen, Anneliden, Echinodermen beschrieben worden (Riggenbach 1902), aber es ist nicht zu leugnen, daß die unbedingte Sicherheit des Vorgangs in den meisten dieser Fälle zu wünschen übrig läßt. Es ist eben auch sehr schwer, den Zerfallsakt in der Natur zu beobachten und seine Ursachen einwandfrei festzustellen. Der Kritik, auch über die Berechtigung der zusammengestellten Reihen, wird gewöhnhch ein weiter Spielraum bleiben. Welche Gründe für die Ablösung von Fußstücken bei Actinien oder der Seesternarme von der Scheibe maß- gebend waren, ob dieses Loslösen wirklich freiwillig erfolgte, ob ein und welcher äußere Anlaß vorhanden war, dürfte sich nur in den sel- tensten Fällen feststellen lassen. Insofern pflegt die Frage, ob man es nur mit dem Ersatz verloren gegangener Teile nach Abtrennung infolge mehr oder weniger gew^altsamer Eingriffe oder mit wirk- Hcher Fortpflanzung zu tun hat, offen zu bleiben. Nichtsdestoweniger möchte man sie bejahen, wenn man etwa bei Linchia äußerst zahl- reiche Einzelarme in den verschiedensten Stadien der Scheibenregene- ration oder in Meno;e Lumhriculus-lQW^tüokQ mit mehr oder weniser fortgeschrittenen Kopf- und Schwanzregeneraten findet, wie dies nach Mbazeks Darstellung der Fall ist. Das letztere Objekt wurde hier deshalb bevorzugt, weil es die experimentelle Behandlung gestattet und sowohl dieser, wie der Untersuchung im natürhchen Zustand seitens einer ganzen Anzahl Beobachter wiederholt gedient hat. Ein der Beobachtung leider weniger leicht zu^gängliches, aber für die Beurteilung der Zerfalls-, Regenerati ons- und monogenetischen Zu- stände sehr geeignetes Objekt dürfte ein andrer Annehd, nänüich Cteno- dilus sein, und zwar schon deshalb, weil bei ihm, d. h. bei den einzelnen Arten der Gattung, die Zerlegung des Körpers zur Ausführung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung in verschiedener, zum Teil völlig ein- wandfreier Weise erfolgt. Einige Ctenodüus-ÄTten bringen nämlich vor dem Zerfall in Teilstücke an den Stellen, wo die Durchtrennung er- folgen soll, Regenerationszonen (sogenannte Knospungszonen) zur Aus- bildung, während dies bei andern nicht geschieht. Bei Ct. monostylos wird der Körper anscheinend ohne besondere Vorbereitung, nur durch Auftreten einer immer tiefer werdenden Einschnüruno; in zwei odei- 372 E. Korscheit, mehr Teilstücke zerlegt und zwar kann dieser Zerfall so weit gehen, daß die Teilstücke nur aus ganz w^enigen Segmenten bestehen, bis zw zwei oder gar nur einem Körperring hinab. Letzteres gilt übrigens auch für Ct. serratus, ja sogar in ganz besonderem Maße, indem die >>Knospungs- zonen<< hinter den Segmentgrenzen auftretend sich in aufeinander folgenden Körperringen wiederholen, so daß die Teilstücke zweifellos nur aus einem Segment bestehen. Dieser Zerfall erscheint immerhin bemerkenswert wegen der hier und da zur Erläuterung des Zustande- kommens der Metamerie geäußerten Auffassung des Annelidenkörpers ah einer Kette von Individuen, welche ihre Selbständigkeit zugunsten des dadurch entstehenden einheitlichen Organismus allmählich aufgaben. Die geringsegmentigen Teilstücke des Ctenodilus sind befähigt, ein neues Vorder- oder Hinterende zu regenerieren, wie ich aus eigener Wahrnehmung bestätigen kann. Man findet sie in dem von dem Wurm bewohnten Aquarium in Menge, wo die noch nicht wieder hergestellten, begreiflicherweise recht plumpen, aber immerhin über Erwarten beweg- lichen Stücke in dem aus allen möglichen Pflanzenresten und dergleichen gebildeten Bodenschlamm nicht einmal ganz ruhig liegen, sondern (wenigstens zeitweise) langsam herumkriechen. Welches die Ursachen sind, die den Wurm zum Zerfall seines Körpers in Teilstücke veranlassen, ward auch bei Ctenodilus schwer festzustellen sein. So lange ich diesen Anneliden beobachtete, zeigte er stets die Zerfallserscheinungen, und das war auch bei den damals vom Grafen M. Zeppelin fortgesetzten Beobachtungen, d. h. etwa im Verlauf zweier Jahre, ständig der Fall. Während dieser Beobachtungszeit war der Wurm in dem großen Aquarium, aus dem er stammte, sowie in den kleineren Gefäßen, in die er übertragen wurde, immer in großer An- zahl vorhanden. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Teilstücke zu größeren Würmern heranwachsen, wie dies auch aus der ZEPPELiNschen Darstellung hervorgeht. Nach meinen eigenen Wahrnehmungen mußte ich den Zerfall und die Wiederherstellung der Teilstücke für einen Fortpflanzungsakt halten. Für die Annahme, daß die Ursache in besonderen Verhält- nissen der betreffenden Aquarien zu suchen, also künstlich gesetzt und den natürlichen Lebensverhältnissen des Wurmes nicht ent- sprechend sei, liegt keine Veranlassung vor. Man sieht keinen Grund ein, weshalb die Teilstücke des Ctenodilus nicht auch im Freien an gBichützteren örtlichkeiten ebenso wie in den Aquarien zu vollstän- digen Würmern heranwachsen sollten. Insofern dürfte das Verhalten des Ctenodilus, bei welchem das Teilungsvermögen offenbar noch viel Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 373 weiter geht als bei Lmnhriculus, die oben im Anfchluß an Mrazeks Beobachtungen vorgetragene Auffassung von der ungeschlechtlichen Fortpflanzung dieses limicolen Oligochäten unteistützen. Es besteht zwischen den beiden Anneliden noch eine weitere Parallele. Bekanntermaßen sind die Geschlechtstiere von Lumhriculus nicht ganz leicht aufzufinden und wenn es sich auch damit nicht lo verhält, daß sie, wie vielfach geglaubt wurde, nicht vorhanden wären, son- dern nach MrlzEKs Beobachtungen (1906 und 1913) in Wirkhchkeit jedes Jahr auftreten, so darf nach dessen neueren Untersuchungen, wie nach älteren Angaben doch w^ohl angenommen werden, daß die enorme Häufigkeit des Lumhriculus an manchen örtlichkeiten mit durch &ein Teilungsvermögen veranlaßt ^^nrd. Bei Ctenodilus monosiylos kann dies nach meinen eigenen (gewiß durch die ZEPPELiNschen Angaben bestätigten) Beobachtungen schon deshalb keinem Zweifel unterHegen, weil Geschlechtstiere während der ganzen Beobachtungszeit nicht vor- handen waren. Sie wurden auch von Zeppelin nicht gefunden in d ebensowenig von Kennel bei Ct. serratus, welcher Wurm trotzdem in großer Menge (>>zu Tausenden in allen Größen und den verschiedensten Stadien der Teilung und Knospung«) in den Aquarien anzutreffen war. Dies läßt doch wohl keine andre Erklärung zu, als daß die große Indi- viduenzahl beim Fehlen der geschlechtlichen Fortpflanzung durch die Fortpflanzung auf ungeschlechtlichem Wege zustande kam. Früher oder später würden die aus irgend einem Grund im Er- scheinen verhinderten Geschlechtstiere gewiß wieder aufgetreten sein, woran nach dem Verhalten andrer, sich auf ungeschlechtlichem Wege vermehrenden Tiere kaum zu zweifeln ist^. Übrigens sind auch nach dieser Richtung die von Mräzek an Lumhriculus gemachten Beobach- tungen insofern von Interesse, als er am Geschlechtsapparat der von ihm untersuchten Würmer gewisse Abnormitäten fand, welche mit den unregelmäßigen Bildungen übereinstimmen, wie sie an Regene- raten andrer Oligochäten beobachtet wurden. Daraus ist zu schließen,^ daß sie wie bei diesen auf dem Wege der Regeneration entstanden und 1 Durch das Bekanntwerden der Geschlechtstiere von Ct. serratus und nema- soma {Ct. hranchiatus, Monticelli und Sokolow, vgl. unten S. 399) wird diese^ Auffassung nicht irgendwie geändert, sondern nur bestätigt, RapTiidrilus {Zeppe- linia s. Ctenodrilus) nemasoma (Monticelli) hat eine ähnliche primitive un- geschlechtliche Fortpflanzungsweise wie Ct. monostylos, von der man wohl an- nehmen darf, daß sie unter Umständen (in Übereinstimmung mit dem letzteren Anneliden) sehr lange andauern könnte. Ähnliches würde für den von Sokolow beschriebenen und mit Baphidrilus nemasoma identisch gehaltenen Wurm {Zep' pelinia hrandiiata) gelten. 473 ^ E. Korscheit, die betreffenden Individuen aus Teilstücken hervorgegangen waren. Bis vor kurzem wäre allerdings ein solcher Schluß nicht möglich ge- wesen, da man w^ohl das weitgehende Regenerationsvermögen der Ohgochäten bzw. Annehden, nicht aber ihre Fähigkeit kannte, in den neu gebildeten Körperpartien den mit den früher entfernten Teilen verlorenen Geschlechtsapparat zu ersetzen. Wegen des Verhaltens der Keimzellen und der Möglichkeit ihres Wiederauftretens war dies eine empfindliche Lücke in unsrer Kenntnis der Regenerationserschei- nungen dieser Tiere, die aber nun durch die Untersuchungen von Janda und TiRALA ausgefüllt wurde. Die Versuche wurden an Criodrüus. einem für die Entscheidung dieser Frage offenbar günstigeren Objekt vorgenommen, als es die eigentlichen Lumbriciden sind, mit denen ich selbst experimentierte, und wenn auch mehr nebenbei, auf diesen Punkt achtete. Jedenfalls ließ sich an den von mir erzielten Vorderrregeneraten das Auftreten von irgendwelchen Teilen des Genitalapparates nicht feststellen, was allerdings wohl auf das recht mangelhafte Regenerationsvermögen am Vorderende der Lumbriciden und die infolgedessen verhältnismäßig beschränkte Zahl der wirklich gewonnenen, genügend langen Vorder- regenerate zurückzuführen sein mag. Bei Criodrüus liegen diese Ver- hältnisse offenbar weit günstiger. Im Gegensatz zu dem gewöhnlichen A^er halten der Lumbriciden regeneriert Criodrüus nach Verlust der vorderen 17 — 30 Körperringe eine genügende Anzahl davon, um den im 9. — 15. Segment liegenden Geschlechtsapparat mehr oder weniger vollständig zu ersetzen. Infolge dieses Verhaltens konnte durch Janda und Tirala in einer Reihe ganz unabhängig voneinander ausgeführten Versuche fest- gestellt werden, daß bei Verwendung einer genügenden Anzahl von Tieren (Janda operierte 300 Würmer auf die angegebene Weise, doch erzielte Tirala mit einer weit geringeren Anzahl ähnliche Ergebnisse) iji zahlreichen Fällen nicht nur die Gonaden (Ovarien und Hoden), was von besonderem Interesse ist, sondern auch die übrigen Geschlechts- teile (Ei und Samenleiter, Atrien, Eier- und Samensäcke usw.) neu gebildet wurden. Daß dies in einer gewissen Unregelmäßigkeit ge- schieht, kommt hier für die Beurteilung weniger in Betracht, ist aber, wie schon oben bemerkt wurde, von entschiedener Bedeutung wegen des ähnlichen Verhaltens der in freier Natur gefundenen Lurabrikulen und der größeren Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens ihres Genitalapparats auf dieselbe (regenerative) Weise. Hier interessiert die Tatsache der Wiederherstellung des Geschlechtsapparates in den Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 375 regenerierten Teilen deshalb, weil sie das an sich vermutete Her- anwachsen und die vollständige Ausbildung der Teilstücke der vorher behandelten und andrer Anneliden zu Geschlechts- individuen wahrscheinlich macht. Die besonders interessante und wichtige Frage, wie das Auftreten der Keimzellen in den neu gebildeten Körperteilen nach Verlust derjenigen, welche die Anlagen dazu von der Embryonalentwicklung her enthalten sollten, zu erklären ist, kann hier nicht behandelt werden, da sie zu weit in das Gebiet der Determinations- und Vererbungslehre hineinführen würde, doch wird noch Gelegenheit sein, in andrer Verbindung kurz darauf zurückzukommen (vgl. S. 403). 3. Fortpflanzung durch kleinere Teilstücke. Wenn bei Ctenodrilus und, wie man aus diesem Verhalten sowie aus den künstlichen Teilungsversuchen schließen darf, wohl auch bei andern Anneliden, einzelne Körperringe zur Ablösung und weiteren Ausbildung gelangen, so hat man es schon mit verhältnismäßig gering- wertigen Teilstücken zutun, welche wesentliche Teile des Körpers neu zu bilden vermögen und, indem sie ihn gänzlich vervollständigen, zu einem tatsächlichen Fortpflanzungsakt führen. Letzteres ist in noch höherem Maße der Fall "bei jenen Fortpflanzungserscheinungen, welche in der Ablösung sehr unbedeutender, unscheinbarer Teilstücke und deren Heranwachsen zu vollständigen Individuen bestehen. Derartige Vor- gänge treten uns bei der Fragmentation, Laceration, Frustulation usw. der Actinien und Hydroidpolypen entgegen. Abgesehen von der schon weiter oben erwähnten Abspaltung kleiner Teilstücke auf dem Wege der Autotomie können sich bei Actinien kleine, gegenüber dem Körperumfang recht unbeträchtliche Teilstücke von der Fußscheibe sondern und sich nach völliger Ablösung zu neuen Actinien heranbilden. Eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem Vorgang hat die Ablösung kleiner Teilstücke vom Fuß mancher Hydroidpolypen, die sich dann ebenfalls zu vollständigen Polypen ent^\ackeln. Desgleichen können sich auch bei den Hydroiden an schlauchförmigen Seitenzweigen innerhalb des Perisarks kleine, ebenfalls gegenüber dem ganzen Tier höchst unansehnliche Stücke des Weichkörpers isolieren, um später nach Verlassen der Perisarkhülle einen Hydranthen zu bilden und nach Festsetzen an geeignetem Ort zu einem neuen Hydroidenstöckchen aus- zuwachsen i. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß bei der Her- 1 Eine eingehende Darstellung der hier behandelten Vorgänge wurde im Kapitel »Ungeschlechtliche Fortpflanzung« unsres Lehrbuchs d. vgl. Entwick- lungsgeschichte (Allg. Teil, Lief. 4) gegeben, worauf auch im Hinbhck auf die von den Autoren darüber geäußerten Anschauungen verwiesen sei. 376 E. Korscheit, ausbildiing des vollständigen Tieres aus solchen unbedeutenden Teil- stücken zumal dann, wenn diese wde bei den Actinien und einigen Hydroidpolypen nicht alsbald zur Knospung übergehen, Regenerations- vorgänge eine wichtige Rolle spielen und somit bei dieser eigenartigen Fortpflanzungsweise die Verhältnisse recht ähnlich liegen wie bei den durch Autotomie oder durch künstliche Abtrennung erzielten Teil- stücken, von denen weiter oben (S. 368 ff.) die Rede war. Als kleine Teilstücke des Körpers, die sich von ihm ablösen und selbständig werden können, erscheinen schließlich auch die Knospen, deren Ablösung freilich mehr oder weniger komplizierte Entwicklungs- vorgänge vorauszugehen pflegen. Wenn letzteres in geringerem Maße der Fall ist, wie etwa bei den sogenannten Brutknospen der Schwämme, tritt die Ähnlichkeit mit der Ablösung bloßer Körperteilstücke noch mehr hervor. Die Auffassung der im. Körperinnern zur Sonderung ge- langenden Teilstücke, wie etwa der Sorite und Gemmulae der Schwämme, dürfte wegen deren geringer Differenzierung auf Schwierigkeiten stoßen. Gerade auf das letztere Verhalten wird noch mehrfach zurückzukommen sein (vgl. S. 381 und 396). Der Isolierung von Teilen des Organismus ist nach den neueren experimentellen Untersuchungen insofern eine höhere Bedeutung zu- zuschreiben, als mit den zur Wiederherstellung des Ganzen führenden N.eubildungsvorgängen eine größere Energie des Lebensprozesses ein- setzt, als sie vorher vorhanden war. Nach der Ablösung pflegen zu- nächst Rückbildungsvorgänge einzutreten, wie sie bei der Trennung vom übrigen Körper und der Überführung des Teilst ückes in ein wer- dendes Ganze unvermeidlich sind, indem geschädigte Teile oder solche, die in der ihnen eigenen und für das Ganze berechneten Organisation bei der Neubildung nicht verwendbar sind, allmählicher Auflösung und Umarbeitung entgegengeführt werden. Auch hierzu bedarf es einer gewissen Energie des Organismus, die dann im erhöhten Maße mit den nunmehr beginnenden Neubildungsprozessen eintritt. Es kann eine Art Auffrischung einzelner Partien oder wenn nötig des gesamten Teilstücks stattfinden. Schon darin kommt eine Erhöhung der Lebensenergie zum Ausdruck, die sich im Verlauf der weiteren Umbildungs- und Neubildungsvorgänge noch steigern kann. Es scheint, daß, je geringer das Teilstück ist und je mehr ihm also vom Ganzen fehlt, desto stärker die Energie sein kann, mit welcher die Regulations- und Restitutionsprozesse verlaufen. In dieser Be- ziehung wurde gerade für Anneliden {Lwnhriculus, Pod( rke) von MoRGULis festgestellt, daß >> isolierte Segmente verhältnismäßig mehr Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 377 ! als 8egnientgruppen [Podarke) regenerieren und daß, je kleiner das I Wurmstück, desto schneller das Regenerationsterapo ist ( Lumbnculus)<< . Dementsprechende Beobachtungen lassen sich auch bei andern Tieren ; machen und für Teilstücke von Planarien konnte Child eine mehr ' oder weniger weit gehende »Verjüngung« feststellen. Sie ist auch den aus solchen Teilstücken durch Regeneration entstandenen Indivi- duen eigen und daraus ist zu erkennen, daß sich diese gegen äußere Einwirkungen widerstandsfähiger erweisen als diejenigen Individuen, vo)i denen sie herstammen. Da bei den auf ungeschlechtlichem Wege (durch Teilung) entstehen- den Individuen die zu ihrer Ausbildung führenden Um- und Ntubildungs- vorgänge mit den bei künstlicher Abtrennung von Teilstücken und ihrer Wiederherstellung sich abspielenden Erscheinungen viel Überein- stimmendes zeigen, konnte bei ihnen ähnliches vorausgesetzt werden, und diese Erwartung bestätigte sich nach den Angaben von Child (1911 und 1912). Für die von ihm darauf untersuchten Planarien und I Cölenteraten kommt er zu dem Ergebnis, daß bei ihnen die ungeschlecht- I üche Fortpflanzung ebenfalls mit einer Auffrischung der Organisation verbunden ist, also eine Verjüngung des Körpers zur Folge hat. Wenn das richtig ist, der Nachweis dürfte freilich nicht ganz leicht zu führen sein, so ergäbe sich daraus eine weitere wichtige Bedeutung der un- geschlechtlichen Fortpflanzung. Öchließhch wird es kaum anders sein können, zumal bei solchen Tierformen, die sich durch viele Generationen und lange Zeiträume ausschließlich auf ungeschlechtlichem Wege fort- pflanzen. Ein gewisser Aufschwung und eine Erneuerung, die man sonst dem Befruchtungsakt zuzuschreiben pflegt, müßte dann allerdings an- genommen werden und dürfte mit Child am ehesten in die Zeit der De- und Redifferenzierungsprozesse zu verlegen sein. Ähnliches gilt gewiß auch für die Knospungsvorgänge, bei denen aus verschiedenen Gründen auf das Stattfinden derartiger Verjüngungsprozesse zu schließen ist; es i wird darauf in andrer Verbindung zurückzukommen sein (vgl. S. 382). Mit derartigen Betrachtungen lassen sich bis zu einem gewissen Grade die von Montgomery (1906) über die Aufgabe der ungeschlechtUchen Fortpflanzung geäußerten Anschauungen vereinigen; allerdings sind sie von denen über die Amphigonie kaum zu trennen. Insofern sich nach seiner Annahme bei der Fortpflanzung gewisse Teile (im allgemeinen wohl die Keimzellen) von dem einem allmählichen Untergang geweihten Körper frei machen, stehen diese, auch wenn es sich um monogonetische Vorgänge handelt, als jugendliche, entwicklungsfähige Teile dem altern- den Organismus gegenüber, von welchem sie abstammen. Da sie dann, Zeitsclirift f. wissenscli. Zoologie. OXVTI. Bd. 25 378 E. Korschelt, wenn es sich um wirkliche Teilungs- (nicht Knospungs- oder geschlecht- hche) Vorgänge handelt, einen meist sehr beträchtlichen Bestandteil des Körpers bildeten, so ist zumal bei der Weiterführung desselben Fortpflanzungsmodus das Eintreten eines Verjüngungsprozesses in der oben angedeuteten Weise als wahrscheinlich anzunehmen. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, erscheint es unerläßlich, mit diesen Betrachtungen solche über die geschlechtliche Fortpflanzung zu verbinden, zumal sie sich doch früher oder später an die Mono- gonie anzuschließen pflegt. Insofern wird darauf weiter unten (S. 398) noch einzugehen sein, wenn es auch allerdings in dem Rahmen dieser Betrachtung nur kurz geschehen kann. 4. Vegetative Fortpflanzung. Wenn bei den Tieren von »vegetativer Fortpflanzung« gesprochen wurde, geschah dies im Hinblick auf die bei den Pflanzen obwaltenden Fortpflanzungsverhältnisse. Als kennzeichnend für die Vermehrungen auf vegetativem Wege wird dabei betrachtet, daß »ganze vielzellige Stücke eines Muttertiers, die sich zuvor durch lebhaftes Wachstum vergrößert haben, sich ablösen und zu selbständigen Organismen aus- wachsen<< (R. Hertwig 1899). Etwa in diesem Sinne hat sich der Be- griff in neuerer Zeit eingebürgert (Hesse-Doflein, Häcker,Godlewski u. a.). Dabei wird auf die zu dieser Art der Fortpflanzung führen- den Wachstums- und Entwicklungsvorgänge mit Recht besonderes Gewicht gelegt. Der Vergleich allerdings mit den Pflanzen stößt auf gewisse Schwierigkeiten, da bei ihnen weit mehr als bloßer Wachstiims- vorgang erscheint, was wir bei den Tieren unter den Begriff der Fortpflan- zung zu stellen haben. Es hängt dies einfach mit dem Individualitäts- begriff zusammen, der bei den Tieren ein viel schärfer umschriebener ist als bei den Pflanzen. Irgendwelche Reiser oder sonstige, geringfügigere Teile wie Blätter, Stengel-, Blattstücke usf. können vom übrigen Körper der Pflanze losgelöst werden und sich bewurzeln, um zu einer Pflanze heranzuwachsen, die sich in nichts von derjenigen unterscheidet, welcher das betreffende Teilstück entstammte. Dies ist ein Vorgang, der sich gewiß mit der bei einer Anzahl, immerhin bei nicht sehr vielen Tieren vorkommenden Autotomie vergleichen läßt, der aber bei diesen nicht im entferntesten den Umfang und die Bedeutung erlangt, die ihm für die Pflanzen zukommt. Löst sich bei einem Tier ein mehr oder weniger umfangreiches Stück vom Körper ab, und ist dieses imstande, sich zu einem vollständigen Tier zu vervollkommnen, so dürfte zumal dann, wenn dieser Vorgang Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 379 sich beliebig oft und regelmäßig wiederholt, kaum etwas dagegen ein- zuwenden sein, ihn als Fortpflanzungsakt anzusprechen. Bei den Pflanzen ist man zum mindesten zweifelhaft und jedenfalls recht be- denkUch. ob man dies tun soll, aus dem einfachen Grunde, Aveil zwischen Wachstum und Fortpflanzung häufig kaum ein rechter Unterschied zu machen ist. »Wenn an einer Weide ein Seitenzweig entsteht, der ganz die gleichen Eigenschaften hat, wie der Hauptzweig, so wird niemand von einer Fortpflanzung reden, da ja der Zweig nur zur Ver- größerung des Baumes beigetragen hat. Wird aber derselbe Zweig vom Winde abgerissen, so kann er sich bewurzeln und den Ausgang eines neuen Baumes bilden; dann hat -also eine Fortpflanzung stattgeffunden« (JosT 1908) 1. Letzteres hat man jedoch vielfach nicht anerkennen wollen, sondern betrachtete den abgelösten Zweig auch weiterhin als einen bloßen Teil des betreffenden Individuums. Dies führt aber bei den durch Stecklinge sich fortpflanzenden Arten zu unhaltbaren Wider- sprüchen, und schon vor langen Jahren ist von Schleiden darauf hin- gewiesen worden, daß die 20()() Pappeln einer meilenlangen Chaussee unmöglich als ein einziges Individuum angesehen werden könnten. Dem ist hinzuzufügen, daß eine ganze Anzahl Kulturpflanzen, wie der AVein- stock, der Feigenbaum, die Banane und manche andre seit Jahrhun- derten und Jahrtausenden ganz oder so gut wie ausschließlich auf nicht geschlechtlichem Wege vermehrt wurden, ohne daß eine Verminderung ihrer Lebensfähigkeit zu bemerken ist; denn wo man eine solche, wie bei der Pyramidenpappel, beim Weinstock u. a. feststellen zu können glaubte, ist dieser vermutliche Nachweis anscheinend immer recht zweifelhaft geblieben. Wenn man also schließlich nicht umhin kann, diese mehr zufällige oder auf künstlichem Wege erfolgende Art der Fortpflanzung tat- sächlich für eine splche zu erklären, so dürfte dies um so berechtigter er- scheinen, als auch davon Übergänge zu gewissen Erscheinungen führen, die kaum anders denn als Fortpflanzungsakte zu bewerten sind. Das gilt z. B. für die Ausbildung von Seitenzweigen in Form knospen- tragender Ausläufer. Wie in dem allbekannten Fall der Erdbeere treiben diese in einiger Entfernung vom Stock Wurzeln, und indem sie an 1 Auch E. Baue betont in seiner soeben erschienenen Physiologie der Fort- pflanzung im Pflanzenreich (Kultur der Gegenwart, IV, 3, 1917), daß bei vielen Pflanzen Fortpflanzung und Wachstum kaum zu unterscheiden und nur ganz künstlich gegeneinander abzutrennen sind. Die Fortpflanzung definiert er ein- fach als » die Erzeugung neuer Individuen gleicher Art aus Teilstücken einer oder mehrerer Individuen«. (Anmerkung bei der Korrektur.) 25* 380 E. Korscheit, dieser Stelle neue Triebe bilden, entstellt eine durch Schwinden des Ausläufers selbständig werdende Pflanze (Fig. 1), wie auch eine ganze Anzahl solcher dadurch geliefert werden kann, daß sich der Vorgang sowohl an der Mutterpflanze wie' an den Tochterpflanzen mehrfach wiederholt. Mit dieser Art der vegetativen Fortpflanzung zeigt eine gewisse Ähnlichkeit die Stolonenbildung bei Hydrozoen, Scyphozoen, Pterobranchiern und Ascidien. Strangartige Fortsätze werden auch bei den genannten Tieren in mehr oder weniger weite Entfernung vom Muttertier ausgesandt, um an ihnen durch Knospung neue Individuen entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann sowohl bei den Pflanzen wie bei den Tieren die Bewertung des .Vorgangs als Fortpflanzungsakt jedenfalls keinem Zweifel unterliegen. Fig. 1. Erdbeerstock mit Ausläufer und daran entstellenden neuen Pflanzen (aus Mömrs). Ebensowenig dürfte letzteres bei der Ausnützung von Dauer- zuständen zu Vermehrungszwecken der Fall sein, wie sie bei manchen Pflanzen gefunden werden und ebenfalls mit gewissen Vorgängen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei den Tieren vergleichbar sind. Gemeint sind die Knollen oder zwiebelähnlichen Gebilde, welche unter- und oberirdisch an Seitenwurzeln, in Blattachseln usw. auftreten. In ihnen pflegen Reservestoffe angesammelt zu werden, die ein längeres Überdauern dieser Gebilde und ein Ausharren bis zum Eintritt geeig- neter Entwicklungsbedingungen gestatten, worauf dann die neue Pflanze aus ihnen hervorgeht. Es sei nur auf die landläufigen Beispiele der Kartoffel und Topinambur, sowie auf das Verhalten einiger Gräser, Orchideen und Ranunculaceen von neuem aufmerksam gemacht. Zum Wesen der iiugeschleclitlichen Fortpflanzung usw. 381 welche derartige Fortpflanzungskörper an den oberirdischen Teilen hervorbringen und insofern von besonderem Interesse sind, als sie durch lange Zeiträume ausschließlich auf diese vegetative Fortpflan- zungsweise angewiesen sein können (Möbius 1897). Diese Fortpflanzungskörper, bei denen es sich um Isolierung von knospentragenden Wurzel- oder Ötammteilen handelt, erinnern in ge- wisser Weise an die, ähnlichen Zwecken dienenden Dauerzustände bei einigen, besonders stockbildenden Tieren. »Solche eigenartige Fort- pflanzungskörper treten in verschiedenen Formen an den Bryozoen- stöcken auf, sei es als irgendwie modifizierte Knospen des Stockes selbst oder seiner Ausläufer, die sich in einem Kückbildungs- und Dauer- zustand befinden. Zumeist sind sie von schützenden Hüllen umgeben, nach deren Sprengung sie unter geeigneten äußeren Verhältnissen zu neuem Leben und weiterer Entwicklung erwachen. Derartige Hiber- nacula oder Winterknospen finden sich als mit Nährstoffen an- gefüllte, von der Hülle umkapselte sterile Knospen in einigermaßen ähnlicher Weise bei Rhabdopleura. Als Dauer knospen sieht man auch die aus mehreren Zellschichten bestehenden und ebenfalls von einer (Cellulose-)Hülle umschlossenen stolonialen Knospen der Ascidien {Cla- vellina) an, die bei dem mit Eintritt der ungünstigen Jahreszeit statt- findenden Rückbildungsprozeß des Körpers aus dessen Zellenmaterial ge- rettet werden, wahrscheinlich um später ein neues Individuum zu liefern. Eine den letzteren Einrichtungen vergleichbare Sonderung wenig differenzierten Zellenmaterials findet offenbar auch bei der Erzeugung; der Statoblasten und Gemmulae statt. Zu den Statoblasten der Bryo- zoen leiten bereits die vorher erwähnten Winter- oder Dauerknospen hinüber. Allerdings besteht ein Unterschied darin, daß die Stato- blastenanlagen ganz im Innern des Körpers in CTCstalt kleiner, nur aus wenigen Zellen bestehenden Komplexe auftreten. Diese werden dann erst durch rege, fortschreitende Zellteilungen und weitere Entwäck- lungsvorgänge zu den zellenreichen, von einer kunstreich aufgebauten Chitinhülle umgebenen Fortpflanzungskörpern. Als solche kennt man die Statoblasten schon lange und so erscheinen sie auch wieder durch die von Buddenbrook zur Nachprüfung ihrer Entstehungsweise vor- genommenen neueren Untersuchungen. Ähnlich dürfte es sich mit den freiüch einer ganz andern und weit nieder stehenden Gruppe des Tierreichs angehörenden Gemmulis der Poriferen verhalten. Auch bei ihnen handelt es sich um die Sonderung anfangs kleinerer, später an Umfang zunehmender Zellenkomplexe im Körperinnern, welche wie die Statoblasten von mehr oder weniger kom- 382 E. Korscheit, plizi erteil Hüllen umgeben sind und von diesen so lange gut geschützt werden, bis sie beim Eintritt günstiger Lebensverhältnisse den in ihnen ausgebildeten Keim zu weiterer Entwicklung entlassen. In den zuletzt besprochenen Fällen gehen dem Selbständigwerden des Körperteilstücks bzw. der Knospe Umwandlungsprozesse voraus, die nicht eigentlich und jedenfalls nicht direkt zur Ausbildung des neuen Organismus gehören. Entweder handelt es sich dabei um Rück- bildungs- bzw. Dedifferenzierungsvorgänge oder aber um die Verwendung noch indifferenten Materials, was sich im einzelnen kaum mit einiger Sicherheit entscheiden läßt. Jedenfalls aber liegen alle Anzeichen vor, daß eine »Verjüngung« von Teilen des Körpers in dem weiter oben (S. 377) besprochenen Sinn als Ausgangspunkt für die auf ungeschlecht- lichem Wege erfolgende Bildung neuer Individuen stattgefunden hat. Wie verschiedenartig die betreffenden Vorgänge in ihrem Vollzug auch sind, so führen sie in dieser Beziehung doch zu einander entsprechen- den Endwirkungen. Mit den bei den Pflanzen obwaltenden Verhält- nissen kann eine Übereinstimmung darin gefunden werden, daß un- differenziertes oder wenig differenziertes Material zum Ausgangspunkt der Neubildung dient. Das Zurückgehen auf nur wenige Zellen, die den Anlaß zur Bildung des neuen Individuums geben, ist bei der ungeschlechtlichen Fort- pflanzung der Tiere verhältnismäßig selten. Wenigstens ist vorläufig anzunehmen, daß ein solches Verhalten bei der Knospenbildung im Gegensatz zu den für einige Formen mit Bestimmtheit gemachten und für andre gelegentlich wiederkehrenden Angaben nicht als eine weiter verbreitete Erscheinung anzusehen ist. Von einem dieser Fälle, der allerdings besonders eigenartig ist, wird in andrer Verbindung nocli weiter zu sprechen sein (S. 389). Einstweilen muß man annehmen und man ist immer Avieder darauf zurückgekommen, daß die Knospung bei denjenigen Tieren, bei welchen sie wie bei den Cölenteraten und Bryozoen eine besonders wichtige Kolle spielt, zwar an einem recht beschränkten Bezirk des Körpers, aber immerhin unter Beteiligung eines aus ver- schiedenartigen Zellenelementen bestehenden, d. h. im allgemeinen aus verschiedenen Keimblättern stammenden Zellenkomplexes erfolgt. Inwiefern es sich dabei um indifferente oder durch Rückdifferenzierung gewonnene Elemente handelt, soll hier nicht untersucht werden. Eine »Verjüngung« wird so oder so mit dem Vorgang verbunden und bei der großen Zahl der auf diesem Wege einander folgenden Generationen und Individuen auch kaum zu entbehren sein. Die Beurteilung der Knospenvorgänge in letzterer Hinsicht wird Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 388 durch die zumeist ungenügende Kenntnis ihres Beginns außerordent- Uch erschwert. Dies gilt z. B. für die eigenartigen Podocysten des Scyphistoma von Chrysaora. Sie wären den Statoblasten der Bryozoen und den Gemmulis der Poriferen anzuschließen, wenn ihre Anlage im Körperinnern erfolgt, wie dies aus Hjerouards Darstellung hervorzu- gehen scheint. Es mag allerdings sein, daß sich die letztere mit Hadzis Anschauung vereinigen läßt, wonach die Podocyste eher als modifizierte Knospe des Scyphistoma, nicht unähnlich den vorher erwähnten Winter- knospen verschiedener Tiere erscheinen würde. Danach entstände sie unter Beteiligung der verschiedenen Körperschichten an der Basis des Polypen, wohin sie offenbar aus praktischen Gründen, wahrschein- lich des besseren Schutzes wegen, verlegt wäre. Kückdifferenzierungen dürften auch dabei eine Rolle spielen und entsprechen anscheinend den Auffassungen der genannten beiden Autoren. Es ist anzunehmen, daß solche Vorgänge auch bei der obenerwähn- ten Abtrennung kleinerer Stücke (Fragmentation, Lazeration, Frustulation usw.) eine Rolle spielen, abgesehen davon, daß zwischen diesen Erscheinungen und der Podocystenbildung möglicherweise eine gewisse Übereinstimmung besteht. Abgetrennte Teile des Hydroiden- körpers, zumal wenn sie noch von der Perisarkhülle umgeben sind, zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen Dauerknospen. Im Hinblick auf ihre Zusammensetzung wie ihr späteres Schicksal wäre es von ent- schiedenem Interesse, noch genaueres darüber zu erfahren, abgesehen von der uns bekannten Tatsache, daß aus ihnen ähnlich wie aus der Planula-hawe nach der Festsetzung ein neuer Polyp hervorgeht. Auf die besondere Art der Abschnürung kleiner Teilstücke vom Hydroidenkörper wurde nochmals zurückgekommen, weil sie sich mit jener Art vegetativer Fortpflanzung der Pflanzen in Parallele bringen läßt, bei welcher ebenfalls unbedeutende, wenig differenzierte Stücke vom Pflanzenkörper abgetrennt werden, um sich später weiter auszu- bilden und eine neue Pflanze zu liefern. Auch rein äußerlich kann eine, allerdings recht entfernte Ähnlichkeit vorhanden sein, wenn man z. B. an die infolge reger Zellteilungen und gesteigerten Wachstums der Pflanze entstandenen Fadenstücke (Hör mogonien) der Cyano- phyceen denkt, welche sich als von einer Hülle umgebene Zellkomplexe von dem Algenkörper ablösen. Dem Begriff einer vegetativen Fortpflanzung bei Tieren in besonders starker Weise dürften Teilungsvorgänge entsprechen, wie sie in ziem- lich regelloser Weise sowohl bei stockbildenden Formen wie an Einzel- tieren vorkommen. Abgesehen von der schon erwähnten Ablösung 384 E. Korscheit, kleinerer Teile des Hydroidenstockes wurde an den freibevveglichen; bandförmigen Stöcken der Cristatella beobaclitet, wo sich infolge des Auftretens von Einschnürungen und lappenförniigen Ausbuchtungen schUeßlich Teile des »Stockes abtrennten und für sich weiterlebten (Braem, Wesenberg -Lund). Es scheint, daß der Vorgang zeitweise zu einer starken Vermehrung der Kolonien führt. Abtrennung einzelner Körperteile bewirkt auch bei den Schwämmen die Bildung neuer Individuen, wofür das schon vor langen Jahren von F. B. Schulze beobachtete eigenartige Verhalten der Oscarella lobular is ein sehr geeignetes Beispiel bildet. Papillenartige Erhebungen des Schwammes, in welche sich dessen Hohlraum fortsetzt und die den Bau der Schwammwand zeigen, lösen sich als kugelförmige Körper von der Schwammoberfläche ab, um einige Tage frei herum zu schmmmen, sich dann festzusetzen und zu einer neuen Schwammkruste auszuwachsen. Wenig fest umschrieben erscheinen die sogenannten Brutknospen der Kiesel schwämme (Donatien, Hexactinelliden), wenn auch zu ihrer Ausbildung immerhin eine weitergehende Vorbereitung als bei jenen ge- troffen wird (F. E. Schulze, 0. Maas, Eichenauer). An ein Nadelbündel geheftet, das der Knospe als Stiel dient, rückt sie allmählich von dei: Schwammoberfläche ab, um dadurch zu selbständiger Existenz zu ge- langen. Es ist hauptsächhch die mit dem Bau des Muttertiers bereits mehr oder weniger übereinstimmende Beschaffenheit des Teilstücks (der Knospe usw.), welche zu dem Vergleich mit der vegetativen Vermehrung der Pflanzen herausfordert. Obwohl dies auch für die sich vom Körper ablösenden und sich wieder ergänzenden Teile bereits höherstehenden Tierformen, wie Echinodermen und Anneliden zutrifft, tritt es in beson- ders auffallender Weise bei einfacher gebauten Tieren, wie etwa bei den sich auf ungeschlechtlichem Wege vermehrenden Medusenlarven hervor. Der Vorgang vollzieht sich in ungemein einfacher Weise dadurch, daß lappenförmige Ausbuchtungen an der bewimperten {Planula-)La,Tye auf- treten und durch immer tiefer vordringende Einschnürungen vom übri- gen Körper abgeschnürt werden. So verhält es sich auch ungefähr beim Trichoylax, wobei die Frage, ob er wirklich eine Medusen(£'?et(fÄ.em)- Larve ist oder nicht, unberührt bleiben kann. Die bewimperte Platte schnürt sich biskuitförmig ein, worauf beide Teile voneinander abrücken und die zunächst noch zwischen ihnen bestehende Verbindungsbrücke schheßhch einreißt, ganz ähnlich wie bei der Amöbenteilung. Zwei gleich- wertige Hälften und damit also zwei neue Individuen des so ungemein einfach gebauten Tieres sind auf diese Weise entstanden (Fig. 2). Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 385 In den verschiedenen hier herangezogenen Fällen der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung handelt es sich stets um eine solche durch mehr oder weniger umfangreiche Zellenkomplexe. Diese können sich auf der Ausbildungsstufe des Mutterorganismus befinden oder aber be- trächtlich hinter ihr zurückstehen, um sie erst in kürzerer oder längerer Zeit nach der Ablösung wieder zu vollständiger Entwicklung zu bringen. In beiden Fällen ist der Vergleich mit der vegetativen Vermehrung der Pflanzen möglich, wenn er auch vielleicht im ersteren Fall mehr auf der Hand liegt. Insofern aber auch bei der Pflanze die von ihr ab- a d B/ C D ■^^ Fig. 2. Trichoplax adhaerens. Ä in verschiedenen Fornizuständcn (« — e) und in Vorbereitung zur Tei- lung (/), B — D die späteren Stadien des Teilungsvorgangs (nach F. E. Schulze). getrennten, zur Lieferung eines neuen Organismus befähigten Teile, nur erst wenig differenziert, d. h. im Knospenzustand befindlich sein können, trifft der Vergleich auch dafür zu. Die Botaniker freilich tragen, wie erwähnt, vielfach Bedenken, für ihr Gebiet das als »Fortpflanzung« zu bezeichnen, was sich von den sonst an der Pflanze wahrnehmbaren Wachstumsvorgängen kaum unterscheidet und neigen mehr dahin, von Fortpflanzung im eigentlichen Sinne erst dann zu sprechen, wenn von der Pflanze besondere, der Erzeugung neuer Individuen dienende Organe hervorgebracht werden. Dies würde schließlich auf eine Be- schränkung des Begriffs Fortpflanzung auf eine solche durch Einzel- 386 E. Korschelt, Zellen hinauskommen, bei welcher die Botaniker dann eine ungeschlecht- liche und geschlechtliche Fortpflanzung unterscheiden. Daß dies auch für die Tiere gelte, wird zwar in einzelnen Fällen behauptet, dürfte aber kaum unbedingt sicher sein. Jedenfalls zeigt die cytogene Fort- pflanzung der Tiere einen weit geschlosseneren Charakter, so daß es nahe lag, sie mit der geschlechtlichen Fortpflanzung zu identifizieren und sie der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, d. h. der durch Zellenkomplexe gegenüberzustellen. Gegen die Bezeichnung der letzteren als »vegeta- tive Fortpflanzung« ist kaum etwas einzuwenden, nur ist im Gegensatz zu den im Pflanzenreich obwaltenden Verhältnissen festzustellen, daß es sich bei den Tieren entsprechend deren enger begrenzten Körperindi- vidualität immer um einen ausgesprochenen Fortpflanzungsakt handelt. 5. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Protozoen und Metazoen, Die für die Metazoen gegebene Kennzeichnung der »vegetativen Fortpflanzung« als eine solche durch Zellenkomplexe fällt für die Protozoen von vornherein aus. Nichtsdestoweniger kann auch nach dieser Richtung eine gCAvisse Übereinstimmung vorhanden sein. Wenn die Kolonien der Radiolarien (Polycyttarien) sich durch Teilung zer- legen, so erinnert das gewiß an die Zerteilung des Cristatellenstockes. Vielkernige Amöben und Heliozoen, Trichosphaerium, ja sogar Infu- sorien {Opalina, Fig. 3a) können sich in zwei oder mehr Stücke teilen, von denen jedes zahlreiche Kerne enthält. Die unregelmäßige Art, wie diese Teilung bei den Amöben und Trichosphaerium (Fig. 3 b) ebenso wie bei Opalina erfolgt, zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen vorher besprochenen Vorgängen der vegetativen Fortpflanzung etwa bei Trichoplax oder den Medusenlarven. Der Vergleich liegt nahe, weil es sich um vielkernige Teilstücke handelt. So zeigt überhaupt die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Proto- zoen in ihrem Verlauf eine große Übereinstimmung mit derjenigen der Metazoen. Wie bei diesen findet man eine Quer- und Längsteilung, eine Teilung mit und ohne vorhergehende Anlage der neu zu bildenden Körperteile (Para- und Architomie), sowie Knospungsvorgänge, die in ihrem Vollzug wie im Ergebnis (Ablösung oder Vereinigtbleiben der Teilstücke, Koloniebildung) denen der Metazoen außerordentlich gleichen. Man pflegte sie deshalb ohne weitere Bedenken zusammen zu behandeln und untereinander zu vergleichen, als ob sie voneinander herzuleiten seien. Daß letzteres unmöglich der Fall sein kann, hat besonders R. Hertwig in eingehender und überzeugender Weise dar- gelegt, nachdem schon frülier gelegentlicli darauf hingewiesen worden Zinn Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 387 war, daß die Knospungs- und Teilungserscheinungen der Metazoen keinesfalls ein von den Protozoen übernommenes Erbstück darstellten (v. Kennel, A. Lang). Insofern sich die Monogonie der Metazoen Fig. 3 a und b. Fig. a. Verschiedene Teilungszuständc von Opalina ranarum. A — C, Teilung in schräger lUchtuug; D, Längstellung; E und F, Abschnürung kleinerer TcUstückc, die auch an anderen Stellen und in anderer Richtung (A) erfolgen kann (nach C. Tönniges). — Flg. b. Trichosphaeriuni Sieboldi In verschiedenen Zuständen der Abschnürung von TcUstücken (Vielteilung) und Zweiteilung, nach SCHAUDINN. an ihrem vielzeUigen Körper unter Beteiligung zumeist mehrerer Kör- perschichten vollzieht, bei den Protozoen aber an die eine Zelle gebunden ist, mit deren Teilung diejenige der Eizelle vergleichbar wäre, können 388 E. Korscheit, jene Vorgänge nicht aufeinander zurückgeführt werden. Trotz der rein äußerhchen Übereinstimmung erscheinen sie viehuehr bei den Metazoen als Neuerwerbungen, während die Zurückführung der geschlechthchen Fortpflanzung der Metazoen auf diejenige der Protozoen einer solchen Schwierigkeit nicht begegnet, sondern im Gegenteil die äußere wie innere Übereinstimmung zwischen diesen an Einzelzellen sich abspielenden Vorgängen eine sehr große ist. Unter diesen Umständen ist es nicht angängig, bei einer Durch- arbeitung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung der Tiere und bei dem Versuch, die äußerst mannigfaltigen Erscheinungen in ein System zu bringen, Protozoen und Metazoen zusammen zu behandeln und sie allenthalben miteinander in Beziehung zu setzen, wie es in der kürz- lich erschienenen Arbeit Deegeners geschieht. Zur Erläuterung der verschiedenen Teilungs- und Knospungsvorgänge werden innerhalb der neu aufgestellten Kategorien sowohl Beispiele aus dem Proto- zoen- wie Metazoenreich aufgeführt, miteinander verglichen und die einen zur Erklärung des Verhaltens der andern benützt. So wird die Knospung der Hydra zur Klärung der Knospungserscheinungen einiger Suctorien herangezogen und die Betrachtung der Teilung von Äutolytus führt zu demselben Ergebnis wie der entsprechende Vor- gang bei einer Euglypha (S. 603 und 604). Nachdem die Teilung von Paramecmm behandelt wurde, werden >>als Beispiele für denselben Teilungsmodus aus den Metazoen noch folgende herausgegriffen: Proto- hydra, Gonactinia, Lumhriculus <<^ und es heißt bei dieser Gelegenheit, daß bei Protoliydra »der Teilungsmodus noch einfacher ist als bei Para- maecium (S. 609 und 610). Von der unvollständigen Längsteilung wird gesagt, daß sie »nicht auf die Protozoen beschränkt ist, sondern auch bei manchen Metazoen beobachtet wird, z. B. bei den Anthozoen« (S- 616) und nach Besprechung der heterogenen (epigenen) Hete o- tomie eines Hydroidpolypen, des Hypolitus peregrifius, wird bemerkt, daß »auch bei den Protozoen die epigene Heterotomie vorkommt, z. B. bei AcantJwcystis aculeata<< (S, 626). Ebenfalls bei einem Hydroid- polypen {Haleremita cumulans) wird dessen Art der ungeschlechtlichen Foitpflanzung in bestimmter Weise gekennzeichnet. Wegen des Ver- haltens der Tochter gegenüber dem Muttertier »kann man von einer epigenen Knospung sprechen (Haleremita usw.), besitzt die Tochter jedoch (wie bei Ephelota) der Mutter gegenüber positive Merkmale (Cilien), so kann diese Form vorübergehend heterogener (metabologener) Knospung als metagene von der epigenen unterschieden werden« (S. 645). Zum Wesen der nngeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 389 Bei der weiteren Behandlung der Knospimgserscheinungen kommt Deegener auch auf die sogenannte unvollständige Knospung (imper- fekte Astologonie) zu sprechen, bei der verschiedene Formen zu unter- scheiden sind. »Als endogene begegnet uns die homogene unvollstän- dige Knospung bei Sphaerozoen (?) und Cestoden« (S. 650). So werden fortgesetzt Dinge ganz heterogener Natur zueinander in Beziehung gesetzt, was der Sache selbst nicht dienUch, sondern eher geeignet ist, in ihr, nachdem sie so weit geklärt war, von neuem Verwirrung zii stiften. Das erscheint insofern bedauerlich, weil es im übrigen ein verdienst- liches Unternehmen war, die Fülle der verschiedenartigen Erschei- nungen zu ordnen und in ein gewisses System zu bringen. Aus diesem müssen notgedrungen die Protozoen wegbleiben, so groß auch die äußere Übereinstimmung der Erscheinungen sein mag, denn immer handelt es sich bei ihnen nur um den, allerdings in recht verschieden- artiger Weise erfolgenden Ablauf einer Zellteilung, während bei den Metazoen selbst dann, wenn der Ausgangspunkt ausnahmsweise nur eine Zelle zu sein scheint, die Teilprodukte sich alsbald aus Zellen- gruppen und Zellenschichten zusammengesetzt erweisen. 6. Knospenbildung und Keimzellen. Wiederholt wurde der Versuch gemacht, gewisse Formen der un- geschlechtlichen Fortpflanzung, denn nur bei w^enigen erweist sich ein derartiger Versuch überhaupt als durchführbar, dadurch dem Ver- ständnis näher zu bringen, daß man die Entstehung der Teilprodukte auf wenige und womöglich nur auf eine Zelle zurückzuführen suchte. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, wie bedeutungsvoll es für die Auffassung der Monogonie sein müßte, wenn dieser Versuch gelänge, weil dadurch die »vegetative Fortpflanzung« der Metazoen in die durch Einzelzellen (cytogene Fortpflanzung) hinübergeleitet werden könnte. Seit der Bearbeitung des betreffenden Kapitels in unserm Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte ist auch diese Frage von neuem in Angriff genommen worden. Im Anschluß an die von Chun aufgefundene und von Trinci bestätigte, höchst eigenartige Knospung der Margeliden wurde dort bereits über eine zwar nur kurze, aber sehr bemerkensw^erte und inhaltsreiche Arbeit von F. Braem berichtet, wonach die Knospen der Margeliden nicht nur aus dem äußeren Keimblatt (allein ohne Be- teiligung des inneren Blattes) entstehen, sondern sogar die engste Be- ziehung zu den an derselben Stelle liegenden Keimzellen haben, d. h. aus ihnen hervorgehen sollen. In einer späteren Mitteilung hielt Braem diese Auffassung aufrecht, indem er von einer Knospung durch Keim- 390 E. Korschelt, Zellen (Gonoblastie) sprach und hervorhob, daß »die knospenbildenden Zellen den jungen Keimzellen vollständig gleichen, daß beide in der- selben Keimschicht, dem Hautblatt gelegen sind, daß Knospen- und Geschlechtszellen an denselben Punkten der Körperoberfläche auf- treten und daß die Knospung erlischt, wenn die Keimzellen sich zu Eiern und >Samenkörpern umwandeln und so ihrem eigentlichen Beruf zu dienen beginnen. Das Ergebnis der ßRAEMschen Untersuchungen erschien von so allgemeiner prinzipieller Bedeutung, besonders auch im Hinbhck auf die früher (von Weismann u. a.) über den Ursprung der Knospung ausgesprochenen, von Braem selbst heftig bekämpften Vermutungen, daß eine Prüfuno; und Bestätiouno- der neuen, weit ausschauenden An- gaben sehr erwünscht sein müßte. 8ie wurde denn auch bald von Nekrassofp vorgenommen, aber leider nicht an denselben oder nächst verwandten, sondern an immerhin etwas ferner stehenden Medusen, nämhch-an Eleutheria. Nekrassoffs Studien führten zu dem Ergebnis, daß bei dieser Meduse von einer Herkunft der Knospen aus Keimzellen oder keimzellenähnlichen Elementen gar nicht die Eede sein könne, ihre Bildun"' sich vielmehr auf die oewöhnliche Weise unter Beteiligung beider Keimblätter vollzöge. ;^ An letzterer Tatsache wird nach der von NekrAvSSOFF gegebenen eingehenden Darstellung kaum zu zweifeln sein, wie dies auch Braem (1912) anerkennt, aber man wird diesem Autor ohne weiteres darin recht geben müssen, daß er für eine wirkliche Widerlegung seiner Er- gebnisse eine Nachuntersuchung an dem von ihm selbst bearbeiteten und nicht an andern Objekten verlangt, bei denen ganz andre Verhältnisse obwalten können. Obwohl nun auch Nekrassoff bei Eleutheria Bilder erhielt, welche mit den von Chun gegebenen eine große Ähnhchkeit zeigten und von ihm durch die Art der »Schnittführung erklärt werden, kann nach den übereinstimmenden Beobachtungen von Chun, Trinci und Braem kein Zweifel darüber obwalten, daß die Knospen der von ihnen untersuchten Margeliden wirklich nur vom äußeren Keimblatt geliefert werden. Es muß dies insofern noch besonders bemerkt werden, als hinsichtlich der Knospenbildung gerade bei den Hydrozoen immer wieder Zweifel und abweichende Angaben darüber auftauchen, ob die Knospen tatsächlich von beiden Keimblättern und in der angenom- menen typischen Weise einer Faltung (Ausstülpung) dieser beiden Schichten geliefert werden. Nach den neueren Untersuchungen von Hadzi, deren Richtigkeit freilich von Braem auf Grund seiner eigenen Erfahrungen und wieder- Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 391 holten Studien an denselben Objekten in Abrede gestellt wird, kommen die Knospen von Hydra nicht durch einfache Ausfaltung des äußeren und inneren Blattes, sondern durch starke Beteiligung der sogenannten subepithelialen Zellen zustande. Diese letzteren treten infolge reger Teilungen in eine gewisse Aktivität, welche sich durch ihren Übertritt sowohl in das äußere wie innere Blatt zu erkennen gibt. Da dies an den Bildungsstellen der Knospen geschieht, wird dort neues Material für sie geliefert. Demnach würden die Knospen weniger aus dem alten Zellenmaterial der beiden Keimblätter, sondern vielmehr aus neu- gebildetem, den subepithelialen Zellen entstammenden Material hervor- gehen. Ob letzteres wirklich in diesem Umfang der Fall ist, muß wohl zunächst dahingestellt bleiben, aber bezüglich der starken Ver- mehrung der su.bepitheljalen Zellen am Ort der Knospenbildung und ihrer Auswanderung zur Verstärkung des Keimblattmaterials vermag ich nach meinen eigenen Wahrnehmungen den Angaben von Hadzi nicht so skeptisch wie Braem gegenüber zu stehen, glaube mich viel- inehr bei Gelegenheit von Untersuchungen, die hier im Institut aus- geführt wurden, mit völliger Sicherheit von dem wirkhchen Statt- finden dieser Vorgänge überzeugt zu haben, wie gern ich auch Braems Meinun«;; von der «roßen Schwierigkeit in der Beurteilung der betreffen- den Bildungsvorgänge beipflichte. Die Frage ist nicht ohne Bedeutung, da die subepithehalen Zellen für indifferente Elemente gelten und ihre starke Beteiligung an der Knospenbildung diese insofern in ein andres Licht rücken würde. Wenn auch nicht in dem neuerdings von B"raem in so entschiedener Weise vertretenen Sinne würden es doch immerhin nicht differenzierte, von der Embryonalentwicklung her aufbewahrte Zellen sein, welche die Knospe zu liefern haben oder doch zum mindesten den Anstoß zu ihrer Bildung geben. Freilich würde dies nach Braems eigener für Lizzia gegebenen Darstellung dort in noch weit augenscheinlicherer Weise der Fall sein, aber dies Verhalten gilt eben für Margeliden und ist bisher bei andern sich durch Knospung vermehrenden Tieren nicht angetroffen worden. Hinsichthch der Beziehung von Knospenbildung und Keimzellen ist jedenfalls das mehrfach wiederkehrende Zu-sammentreffen in der Lage recht auffälhg. Dies betrifft nicht nur die knospenden Medusen, sondern wie Braem angibt und wie ich aus eigner Erfahrung bestätigen kann, auch die Polypen. In bezug darauf teilt Braem mit, daß nach seiner Beobachtung an Hydra das zum Ovarium umgebildete Ectoderm des Muttertiers ohne Unterbrechung, nur unter allmähhcher Ver- 392 E. Korscheit, iünai^n?, cl^i' Eizellenreoion. in das Ectoderm der Knospe überoinc und oanz Entsprechendes konnte ich ebenfalls feststellen. Die letzteren Angaben dürften sich übrigens mit den von R. Hert- wig(1906) gemachten Beobachtungen vereinigen lassen, wenn diese auch seinerseits anders aufgefaßt werden. Jedenfalls findet er selbst die Ähn- lichkeit zwischen Eibildung und Knospenbildung überraschend. Beim Über<2;ang der Hydra von der Knospung zur geschlechtlichen Fortpflan- zuno- treten die Eier in einer Reihenfolge auf, welche sich zu der bei den Knospen zu beobachtenden mindestens in Beziehung setzen läßt und jedenfalls den Eindruck ai'weckt, als ob die Eier dort lägen, wo das Auftreten der Knospen zu erwarten gewesen wäre. Kehrte der Polyp aber zur Knospenbildung zurück, dann trat die neue Knospe an der Stelle aaf, wo das nächste Ei gelegen hätte. >>Knospen und Eier würden somit eine fortlaufende Reihe von Fortpflanzungskörpern darstellen, welche mit Knospen beginnt, zu Eiern übergeht und wieder zu Knospen zurückkehrt. <- Trotzdem ist Hertwig nicht geneigt, die Knospen auf Eier zurückzuführen und den Vorgang vom phylogenetischen Stand- punkt (unter Berücksichtigung einer etwaigen Umbildung von Gono- phoren) aufzufassen, sondern er glaubt das Auftreten von Knospen und Eiern an entsprechenden Stellen als die Folge ähnlicher Ernäh- rungsbedingungen ansehen zu sollen. Gewiß wird eine solche MögUch- keit nicht von der Hand zu weisen sein, aber der Vergleich mit dem schon besprochenen und noch darzulegenden Verhalten der Medusen scheint doch auf tiefer liegende Beziehungen hinzuweisen. Für die Medusen wurden solche nahe Lagebeziehungen schon vor- her (bei den Margeliden) besprochen, doch sind jene Angaben nicht die einzigen darauf bezüghchen, wie aus A. Kuhns Zusammenstellung (1913) zu entnehmen ist. Danach hatte die Gemeinsamkeit des Ortes, sowie das gleichzeitige Auftreten von Eiern und Knospen an dem- selben Individuum bereits Clapareüe (1860) zu der Meinung geführt, daß er es mit aus den Eiern hervorgehenden Medusensprößhngen zu tun hatte. Es handelte sich dabei wohl ebenfalls um eine zur Gattung Lizzia gehörige Meduse. Auf andre Medusen beziehen sich die nach dieser Richtung beson- ders bemerkenswerten Angaben von A. G. Mayer (1900 — 1910). Ab- gesehen davon, daß er übereinstinnnend mit Ghuns Angaben an Margeliden die rein ectodermale Knospung feststellen und ähnliche Ver- hältnisse auch für Bouyainvillia niobe (1904 — 1910) beobachten konnte, beschrieb er das höchst instruktive Verhalten von Phialidium {Oceania, Epenthesis) Mo Cradyi, bei welcher Meduse nach der schon früher Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 393 i Ton W. K. Bkooks gegebenen, von Chun allerdings abweichend auf- ; gefaßten Darstellung aus den (freilich männlichen) Gonaden eine Art j von Blastostylen hervorknospt (Fig. 4). Fig. 4:A und B. Phialidium (Ocania) Mc Cradyi, von der Seite und von unten gesehen, mit Knospen und »Blasto- stylen « an den Gonaden (nach A. G. Mayer, 1900—1901), Wenn dies richtig ist, würde es sich also um die Knospung eines polypenähnlichen Individuums an einer Meduse handeln, d. h. also um ein ganz ungewöhnhches Verhalten, weshalb es begre*iflich ist, daß Chun daran zweifelte und den höchst eigenartigen Vorgang auf Para- sitismus zurückführen wollte (1889, S. 228). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 26 394 E. Korschelt, Nach unsrer heutigen Kenntnis der Dinge erscheint das Ganze nicht mehr so unmögUch. Die Schwaerigkeit des Hervorknospens eines polypenähnhchen Zustandes aus einer Meduse bUebe allerdings be- stehen, doch hat in dieser Beziehung Kühn darauf hingewiesen, daß es sich nicht eigentlich um einen Polypen handelt, sondern um einen Blastostyl, einen Teil des Gonosoms, der bei den Thecaphoren aufs engste mit der Gonophorenbildung verknüpft ist. Vielleicht läßt sich trotz der morphologischen Beschaffenheit der betreffenden Gebilde und ihrer entschiedenen Blastostylähnlichkeit die Vermutung nicht völlig von der Hand weisen, daß man es gar nicht mit wärkhchen ßlasto- stylen, sondern eher mit modifizierten Medusen zu tun hat, welche durch Knospung \\'ieder neue Medusen an sich entstehen lassen. Jedenfalls scheint nach der von Bkooks gegebenen Darstellung eine enge orga- nische Verbindung zwischen Blastostylen und Meduse vorhanden zu sein, wie auch A. G. Mayer, der sie später weder auffand und von neuem beschrieb (1900 und 1910) an der wärklichen Zugehörigkeit zur Meduse nicht im geringsten zweifelt. Was die Beziehungen zu den Gonaden anbelangt, so würden sie sich vielleicht durch die früher besprochenen neueren Angaben erklären. Allerdings' scheinen die Blastostylknospen nach der Schilderung der beiden genannten Autoren an den Gonaden durch Beteiligung beider Keimblätter in einer Weise zu entstehen, die ungefähr der sonst bekann- ten Medusenknospung entspricht. Daß die Knospen auch aus männ- lichen Gonaden hervorgehen, ließe sich durch das Vorkommen weib- licher Keimzellen in ihnen erklären, wie es auch bei andern Tieren gelegentlich beobachtet wird. Auffallenderweise ist übrigens von großen (anscheinend indifferenten) Zellen in den männlichen Gonaden die Kede, die aber nur dem Entoderm der Knospe den Ursprung geben sollen. Einstweilen läßt sich dazu wenig sagen; vielmehr wird man ge- naue Angaben über dieses jedenfalls sehr bemerkenswerte Verhalten ab- warten müssen und zunächst, wie es hier geschieht, die enge Beziehung der Knospen zu den Gonaden feststellen können. Die letztere gilt auch für die ebenfalls von G. A. Mayer beschrie- bsne Euchcilota faradoxica, worauf ebenfalls bereits von Braem und Kühn hingewiesen wurde. Bei der genannten Meduse entstehen die Medusenknospen in der Mitte der Kadiärkanäle (Fig. 5) von den Go- naden, wie A. G. Mayer sagt. Freihch haben die letzteren selbst hier nicht ihre Ursprungsstätte, sondern sind erst vom Manubrium, an welchem sie bei den jungen Medusen liegen, hierher verlegt worden. Ob dieses weniger ursprüngliche Verhalten für die Beurteilung der Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 395 Knospenbildung von Bedeutung ist, läßt sich einstweilen kaum beurtei- len, jedenfalls gibt A. G. Mayer auch für diese Meduse an, daß Ectoderm und Entoderm der Mutter wie bei der gewöhnlichen Knospung an der Entstehung der Knospe beteihgt seien. Gewiß müssen in bezug hierauf, wie über diese Vorgänge über- haupt, noch genauere Angaben abgewartet werden. Daß es sich aber um ein wachtiges, ungemein aussichtsreiches Gebiet handelt, läßt sich ohnedies schon erken- nen, nach welcher Richtung ge- wiß auch die Untersuchung an- drer Medusen w^eitere Erfolge verspricht. Es wäre überhaupt sehr wünschenswert, über die Ent- stehung der Knospen aus eini- gen wenigen, nur einem Keim- blatt angehörigen Zellen, also vermutlich Keimzellen, noch Ge- naueres als bisher zu erfahren, abgesehen von der prinzipiellen Bedeutung auch schon deshalb, weil derartige Angaben immer wieder von neuem auftauchten. So hielt es Weismann auf Grund seiner Determinanten- lehre für unwahrscheinlich, daß das »Knospungsplasma << auf beide Keimblätter verteilt sein solle; er nahm an, daß es nur in einem und zwar in demjeni- gen Keimblatt auftrete, welches die Keimzellen liefert. Bei den Hydroiden, welche dieser Be- trachtung zugrunde gelegt wair- den, ist dies das äußere Blatt, und in diesem würde eine die betreffen- den Determinanten enthaltende Zelle durch Teilung jenen Zellkomplex liefern, von welchem die Knospe ihren Ursprung nimmt. Gewiß waren das rein theoretische, aber jedenfalls sehr beachtenswerte Erwägungen, 26* Fig. 5A und B A) Eiieheilotha duodecimalis, reifes Weibchen mit Gonaden an den vier Radiärkanälen, ß) Eucheüotha paradoxica mit jüngeren und älteren Medusenknos- pen an den Gonaden über den Radiärkanälen (nach A. G. Mayer). 396 ' E. Korscheit, die einer Prüfung an den betreffenden Objekten sicher bedurften. Wenn die Weismanns Anschauung anscheinend bestätigenden Untersuchungs- ergebnisse der genaueren Nachprüfung nicht standhielten, so ist damit noch nicht gesagt, daß sie nicht doch für andre Objekte, wenn auch nicht gerade in der speziellen, durch die Ausarbeitung seiner Theorie geforder- ten Weise Geltung haben können. Braems weiter oben besprochene Angaben über die Gonoblastie der Margeliden scheinen den Anfang hierzu zu bilden und daß die andern angeführten Medusen sich entsprechend verhalten, ist jedenfalls möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich. Erwägungen ähnlicher Art wurden begreiflicherweise schon früher angestellt (man denke nur an die Medusenknospen, die aus Eiern hervorgehen sollten) und wiederholten sich begreiflicherweise auch später. Besonders naheliegend erschienen sie bei den im Innern des Körpers, durch einen schwer verständlichen Bildungsmodus entstehen- den Fortpflanzungskörpern wie den Gemmulis und Statoblasten, welche durch die frühzeitige Isolierung vom Mutterkörper und ihre morpho- logische Beschaffenheit eine gewisse Eiähnlichkeit zeigen. Für den Statoblastenkeim war freilich die wiederholt versuchte und mit Be- stimmtheit angegebene Zurückführung auf eine Zelle nicht zu halten, Sie erschien, ähnlich jener Entstehung der Knospen bei den Medusen, deshalb besonders verführerisch, weil der Funiculus, von dem die Statoblasten ihren Ausgang nehmen, (zwar nicht die weiblichen, wohl aber) die männlichen Geschlechtsprodukte liefert und somit also auch hier eine Beziehimg zwischen »inneren Knospen« und Keimzellen vor- handen zu sein schien. Schon nach Braems neuerdings durch v. Bud - DENBROCK in sclir entschiedener Weise bestätigten Angaben bewahr- heitete sich jene Annahme, leider, möchte man sagen, nicht, sondern danach entstehen die Statoblasten aus Zellengruppen des Funiculus, deren Zurückführung auf eine etwa besonders ausgezeichnete Zelle nicht in Frage kommt. Wenn bei den Statoblasten der Bryozoen die Herleitung von Keimzellen trotz aller darauf gerichteten Bemühungen nicht gelang, so war dies bei so ungünstigen Objekten wie den Gemmulis der Spongien noch weniger zu erwarten. Die Gemmulae lassen sich nur bis zu einer verhältnismäßig umfangreichen Zellengruppe zurückverfolgen, deren ziemHch einheitliche Zusammensetzung aus Archaeocyten (Evans, K. Müller) von andrer Seite (Wierzejski 1915) sogar in Abrede gestellt wird. Somit kommt man wohl für die Statoblasten der Bryo- zoen wie für die Gemmulae und Sorite der Spongien vorläufig immer wieder zu der älteren Auffassung einer ungeschlechtlichen Fortpflan- Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 397 zang (durch sogenannte innere Knospung) zurück, als welche wir sie in unserm Lehrbuch ebenso wie Deegener (1915) behandehi mußten. Bei Betrachtung des Zustandekommens der zuletzt besprochenen Fortpflanzungskörper drängt sich unwillkürlich der Vergleich mit den bei den Trematoden obwaltenden Verhältnissen auf, wenn man diese auch heute von einem andern Gesichtspunkte aus beurteilen muß. Bis in die neueste Zeit war man ja zweifelhaft, ob die gewöhnlich als Keimballen bezeichneten Zellengiuppen, welche in den Sporocysten oder Hedien die Redien und Cercarien aus sich hervoroehen lassen, als unse- schlechtliche oder geschlechtliche Fortpflanzungskörper aufzufassen seien. Infolge der Untersuchungen von Reuss, Tennent und Ssinitzin iat man sich dafür entschieden, die Ausgangszellen der Keimballen als parthenogenetische Eier der stark reduzierten, zu bloßen Keimschläuchen (Sporocysten, Redien) gewordenen Weibchen anzusehen. Das ist gewiß als die bei weitem wahrscheinlichste Auffassung zu betrachten, wenn auch die mit Recht aus den Reifungserscheinungen der vermutlichen Keim- zellen abgeleiteten Beweise vorläufig nicht gerade erdrückend sind. Angenommen, man hätte es in den Keimzellen der Trematoden- keimschläuche mit parthenogenetischen Eiern zu tun, was auch schon vor jenem Nachweis zum Teil derartig aufgefaßt wurde (Korschelt- Heider, Entwicklungsgeschichte, Spez. Teil, S. 119, 1890), so bleibt doch die kaum minder bemerkenswerte Tatsache einer ganz ungemein weitgehenden Modifikation dieser Fortpflanzungsverhältnisse bestehen. Unter dem Einfluß der andersartigen biologischen Verhältnisse erfuhr die ganze Organisation eine w^eitgehende Abänderung und von dem gesamten, gerade bei den Trematoden äußerst umfangreichen, kom- plizierten Genitalapparat blieb nicht das geringste, überhaupt noch Erkennbare übrig. Der männliche Apparat ging sogar völlig verloren, die Keimzellen mit einbegriffen, wenn man in Übereinstimmung mit dem sonstigen Verhalten der Trematoden die Zwittrigkeit als Ausgangs- punkt für die in ihrer Organisation abgeänderten Tiere annimmt. Aber auch vom weiblichen Apparat sind als solche erkennbare Teile nicht mehr festzustellen, nicht einmal die Keimstöcke (Ovarien) lassen sich als fest umschriebene Organe auffinden, sondern >> die Geschlechts- zellen bilden neben den andern, somatisciien Zellen einen Bestandteil der. Körperwand der Sporocysten oder Redien und es hält manchmal schwer, sie von jenen zu unterscheiden << (Ssinitzin, S. 667). Dieses Ver- halten ist insofern von besonderem Interesse, weil es zeigt, wae irgend- welche äußere oder innere Geschlechtsausprägung völlig zurücktreten und die eigentliche Fortpflanzung davon gmz unabhängig werden kann. 398 E. Korscheit, "Wenn eine Sexualität vortier vorhanden war, so ist sie gänzlich verloren gegangen, ohne daß die Fähigkeit zur Fortpflanzung darunter gelitten hätte. Die angegebene Art des Auftretens der Keimzellen ist bei den Trema- toden die verbreit etste, wenn auch neben der diffusen Form von Ova- rien und zwar bei denselben Individuen gedrängtere Ansammlungen von Geschlechtszellen an verschiedenen Stellen der Wand vorkommen,, die dann als eine lokalisierte Form der Fiibildung und als fester um- schriebene Ovarien aufgefaßt werden können, wie dies von selten -SsiNiTZiNS unter Kennzeichnung der betreffenden Distomeen geschieht. Hier wurden die Trematoden deshalb herangezogen, um zu zeigen, in welchem weitgehenden Maße die geschlechtliche Fortpflanzung im all- gemeinen \ne auch hinsichtlich der Entstehung der Keimzellen und ihres Verhaltens zu den Körperzellen modifiziert werden kann. Infolgedessen war man lange Zeit hindurch zweifelhaft, ob es sich wirklich um eine abgeänderte Form der geschlechtlichen Fortpflanzung und nicht viel- mehr um eine besondere Art der Monogonie, vergleichbar derjenigen der Bryozoen oder Schwämme bei der Bildung ihrer inneren, auf un- geschlechtlichem Wege erzeugten Fortpflanzungskörper handelte. Die letztere Annahme war sogar früher die herrschende und ließ den Gene- rationswechsel der Trematoden als Metagenesis und nicht, wie er jetzt aufgefaßt Avird, als Heterogonie ansehen. 7. Ungeschlechtliche und geschlechtliche Fortpflanzung, Generationswechsel. Die zuletzt angestellten Betrachtungen ließen bereits erkennen, einen wie weitgehenden Einfluß die Lebensverhältnisse der Tiere auf die Art ihrer Fortpflanzung ausüben können. Dort war es die schma- rotzende Lebensweise, w^elche mit den starken Veränderungen in der Or- ganisation auch diejenigen in der Art der Fortpflanzung mit sich brachte. Die Parasiten sind zur Erläuterung derartiger Erscheinungen über- haupt sehr geeignet. Es braucht nur an die Nematoden, besonders aber an die Cestoden mit ihrer ungeheuren Vergrößerung des Geschlechts- apparates bei den ausgebildeten Tieren und an die Knospungsvorgänge ihrer Z\vischenstadien erinnert zu werden. Dies sind besonders lehrreiche Beispiele, bei denen der Einfluß der Lebensweise stark in die Augen fällt. Zumal ist dies dann der Fall, wenn die Fähigkeit zur (geschlecht- lichen oder ungeschlechtlichen) Fortpflanzung auf frühere Entwcklungs- stufen verlegt wird, was sowohl bei der Metagenesis wie bei der Hetero- gonie der Fall sein kann und durch die genannten wie durch andre Zum AVesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 399 Beispiele erläutert wird (Cestoden, Trematoden, Hydroiden, Tunicaten, Aphiden u. a.). Bei den betreffenden Tieren ist es dann nicht allein die parasitische, sondern sind es alle möglichen andern Formen der Lebens- weise, welche einen mehr oder weniger weitgehenden Einfluß auf die Art ihrer Fortpflanzung ausüben. Wie es für manche Tiere geboten erscheint, zur Zweigeschlechtlich - keit überzugehen, ist es offenbar für andre irgendwie günstig, auf kürzere oder längere Zeit die geschlechtliche Fortpflanzung zurücktreten zu lassen und in einzelnen Fällen sogar auf lange Zeiträume hinaus, durch viele Generationen anscheinend völlig zu unterdrücken. Geeignete Bei- spiele dafür bieten die Anneliden, von deren darauf bezüglichem Verhal- ten schon vorher (S. 369ff .) in etwas andrer Verbindung die Rede war. Während die meisten Ohgochäten sich regelmäßig auf geschlecht- lichem Wege fortpflanzen, zeigen manche limicole Ohgochäten die Neigung zur ungeschlechtHchen Fortpflanzung in größerem oder ge- ringerem Grade, zuweilen wie bei Lumbriculus und andern Limicolen sogar in so weitgehendem Maße, daß Individuen nüt geschlechtlicher Fortpflanzung nur zeitweise auftreten. Infolgedessen sind sie schwer aufzufinden und wurden lange Zeit ganz vermißt. Während dieser Zeit- räume vermehren sich die Würmer reichlich auf ungeschlechtlichem Wege, bis dann und zwar jedenfalls unter dem Einfluß bestimmter Lebensverhältnisse eine Geschlechtsgeneration auftritt. Letzteres gilt auch für die Polychäten, bei denen die Geschlechtstiere sogar durch beson- dere morphologische Eigentümlichkeiten ausgezeichnet zu sein pflegen. Dadurch treten die Beziehungen zu den verschiedenen Lebensverhältnis- sen besonders deutlich hervor, indem z. B. die Geschlechtsindividuen pelagisch leben und dementsprechend mit Schwimmvorrichtungen ver- sehen sind, während die sich durch Teilung vermehrenden Tiere am Bo- den kriechen oder in Gängen leben und infolgedessen hinsichtlich ihrer Locomotion und Bewegungsorgane ganz andre Bedürfnisse haben. Die Zahl der aufeinander folgenden geschlechtslosen Generationen ist auch bei den meeresbewohnenden AnneKden eine recht verschie- dene; bei einigen ist sie nur gering, bei andern anscheinend recht be- deutend. So ^\'^^rden, wie schon vorher (S. 373) erwähnt, bei Ctenodrüus serratus und monostylus während einer langen Beobachtungsdauer Würmer mit Geschlechtsorganen niemals angetroffen, jedoch fand während dieser Zeit eine ungemein rege Vermehrung der Würmer durch Teilung statt. Spätere Beobachter stellten dann das Auftreten von Geschlechtstieren für Ctenodrüus serratus (Monticelli 1893 — 1907, Ct. iKirdalis bei Kennel) fest und solche fanden sich auch bei dem 400 E. Korsclielt, unlängst von Monticelli beschriebenen Raphidrilus nemasoma, der von SoKOLOW für übereinstimmend mit seiner Zeppelinia brandiiata angesehen wird. Jedenfalls treten auch bei dem letztgenannten Anneli- den Geschlechtstiere auf und das erscheint für die hier behandelte Frage insofern von besonderem Interesse, als Sokolow eine atoke Form unterscheidet, die sich später durch gewisse Veränderungen in der Organisation und Entwicklung von Geschlechtsorganen zur epitoken Form umwandelt. Das gleiche nimmt er für Ct. serratus an. Wie sich nun bei Ct. serratus und hranchiatus Geschlechtstiere fanden, werden sie gewiß auch bei den andern Arten [Ct. monostylos und parvulus) nicht fehlen und unter andern Verhältnissen aufzufinden sein. Immerhin ist es sehr bemerkenswert, daß diese Würmer sich auf lange Zeit und durch recht zahlreiche Generationen ausschließlich auf ungeschlechtlichem Wege fortpflanzen. Das gilt in ganz ähnlicher Weise für Protohydra, jenen schon vor langen Jahren von Greeff (1870) aufgefundenen Hydroidpolypen, von dem bis jetzt nur die auf ungemein einfache Weise, durch bloße Querteilung des schlauchförmigen Körpers sich vollziehende unge- schlechtliche Fortpflanzung bekannt ist (Aders 1903, Kühn 1913). Ob und in welcher Weise Protohydra sich geschlechtlich fortpflanzt, ist bisher dunkel geblieben. Nach dem Verhalten der übrigen Metazoen wird man nun zwar kaum annehmen wollen, daß bei diesem im übrigen anscheinend höchst primitiven Tier die Fähigkeit zur geschlechtlichen Fortpflanzung gänzlich fehle, aber es ist immerhin auffäUig, daß es bis jetzt nur in Teilung gefunden wurde, woraus jedenfalls zu schließen ist, daß es sich durch lange Zeiträume nur auf diesem Wege, und zwar offenbar recht lebhaft vermehrt, da es in erheblichen Mengen auftrat i. Derartig einfach organisierte und anscheinend recht primitive Tierformen wie Protohydra erscheinen für die hier behandelten Fragen 1 Diese Angaben kann ich außer nach Gbeeffs eigenen Mitteilungen auf Grund des nicht lange vor seinem Tod (1892) von Ostende hierher geschickten und im konservierten Zustand aufbewahrten Materials machen, worin sich die Protohydra in Menge vorfand. Davon war noch ein Teil an Prof. Chun abgegeben worden, der keine Schwierigkeiten hatte, die Teilungsstadien aufzufinden, wie diese auch von Adees aus demselben Material beschrieben wurden. Leider blieben meine eigenen, allerdings erst 9 Jahre s]3äter aufgenommenen Bemühxmgen, das merkwürdige Tier an Ort und Stelle aufzusuchen, trotz der Begleitung des betr. Fischers, gänzlich ohne Erfolg und zwar anscheinend deshalb, weil der Austern- park, in welchem die Protohydra vorwiegend gefunden sein sollte und der angeb- lich an der Stelle lag, wo sich jetzt der königliche Palast erhebt, durch dessen Errichtung emgegangen war. In den Teichen andrer Austernparks, in denen sich Protohydra ebenfalls gefunden haben sollte, suchte ich lange vergeblich danach. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 401 deshalb von besonderem Interesse, weil man geneigt ist, ihnen auch hinsichtlich ihrer Fortpflanzung ein besonders ursprüngliches Verhalten zuzuschreiben. Tiere wie Protohydra sind wiv genötigt, in Ermangelung wirklicher Übergangsformen zwischen Ein- und VielzeUigen ungefähr an die Wurzel des Metazoenreiches zu stellen. Sehen ^^iT nun dieses Tier sich auf höchst pämitive Weise durch Querteilung vermehren, so liegt der Schluß in der Tat sehr nahe, daß es sich hierbei um ein ur- sprünghches Verhalten handeln möchte. Doch fragt es sich weiter, wie dieses zustande gekommen ist. Nimmt man an, daß die geschlechtliche Fortpflanzung von den Protozoen auf die Metazoen übertragen wurde, was nach der weit- gehenden Übereinstimmung der damit verbundenen Vorgänge (Re- duktion, Reifung, Richtungskörperbildung, Befruchtung, Kernver- schmelzung, Spindelbildung) wohl kaum einem Zweifel unterliegen kann, so fragt es sich, wie sich die ungeschlechtliche Fortpflanzving dazu verhält, bzw. wie sich ihr Vorhandensein erklären läßt. Daß sie, insoweit sie aus einer Sonderung von Zellenkomplexen besteht, nicht von den Protozoen her übernommen worden sein kann, wurde bereits weiter oben (S. 386) auseinandergesetzt. Also muß sie von neuem entstanden sein und zwar aus dem Bedürfnis hervorgehend, neben der vorhandenen Form der (geschlechtlichen)- Fortpflanzung eine andre weniger spezialisierte und vielleicht rascher zu bewerkstelligende Art der Vermehrung einzuschieben, welche unter besonderen Lebensver- hältnissen die Erzielung einer größeren Zahl von Individuen möglicher- weise sicherer als die andre gewährleistet. Vielleicht wird die Weiter- führung solcher Versuche, wie sie seinerzeit von M. Nussbaum und in neuerer Zeit besonders von R. Hertwig und seinen Schülern (Krapfen- Bauer, Frischholz und Koch 1911) mit Hydra angestellt wurden, auch über die hier behandelte Frage der Ursachen des Auftretens von Monogonie bzw. ihres Abwechseins mit der Amphigonie Aufschlüsse geben. Diese Versuche zeigten jedenfalls, daß die Knospung der Hydra und ihre Geschlechtsentwicklung in einer gewissen Abhängigkeit von den äußeren Lebensverhältnissen (Temperatur und Ernährung) stehen und daß sie durch deren Änderung beeinflußt werden können. Daß ein Bedürfnis nach der Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege sich bei den Metazoen bereits sehr früh geltend machte, zeigt das Auftreten der Monogonie bei der Protohydra wie bei andern Cölenteraten (Hydra, Hydroidpolypen, Medusen, Scyphopolypen, Anthozoen), Cölen- teratenlarven, TricJioplax und andern >>Mesozoen>Gonozoid<<, welches sie aufnehmen und zur Reife bringen soll, entwickelt ist. Ist letzteres geschehen, so treten die Geschlechtszellen hinein und erst da- durch erhält das betreffende Individuum des Stockes seinen Charakter als Geschlechtstier (Oöcium, Ovicelle). Damit vergleichbar, wenn auch freilich in ganz andrer Weise verlaufend, ist der Übergang der Keim- zellen und Keimorgane vom Stammtier auf die durch Knospung von ihm aus entstehenden Individuen bei den Ascidien und Salpen, In allen diesen Fällen sind also die Grenzen zwischen den un- geschlechtlichen Generationen und der Geschlechtsgeneration ver- 406 E. Korscheit, wischt. Insofern die Generation, welche die Knospen hervorbringt, auch die Keimzellen in sich erzeugt, welche dann von den auf un- geschlechtlichem Wege entstandenen Individuen übernommen werden, ist man zweifelhaft geworden, ob hier wirklich ein Generationswechsel vorliege. Die Gonozoide sind nur scheinbar solche und bringen die Keimzellen nur zu weiterer Ausbildung oder Entwicklung, haben also mehr die Bedeutung von Pflegetieren, während das durch Knospung sich vermehrende Individuum die Keimzellen an sie abgibt und somit als das eigentliche Geschlechtstier erscheint. Die auf ungeschlecht- lichem Wege entstandenen Individuen wären dann in Wirklichkeit steril; ein Generationswechsel ist zwar vorhanden, aber in umgekehrter Anordnung bzw. Bedeutung der Generationen als sonst angenommen wird. So erscheint das Bild des Generationswechsels auf diese oder andre Weise in einzelnen Zügen beeinflußt und abgeändert. Dies gilt auch für das wieder andersartige Verhalten, bei welchem das durch Monogonie sich fortpflanzende Stammtier nachträglich zur Amphigonie übergeht, wie es bei einzelnen Anneliden beobachtet wurde {Autolytus, Proceraea). Hierbei ist ge\^iß mit ziemlicher Sicherheit an- zunehmen, daß die Anlage zur Ausbildung der Keimdrüsen schon früher vorhanden war und die Keimzellen, wenn auch nicht in ausgebildeter Form, vom Stammtier auf die ungeschlechtlich erzeugten Abkömmlinge übertragen wurden. Auf die hinsichtlich der Körperregionen bei der Ausbildung der monogonetisch erzeugten Individuen und der Verwen- dung der Keimzellen bestehenden etwaigen Schwierigkeiten, die schon vorher (S. 403) besprochen wurden, braucht nicht wieder eingegangen zu werden. Man gelangt damit bei Tierformen, denen gewöhnlich ohne Bedenken ein echter allen Anforderungen entsprechender Generations- wechsel zugeschrieben wird, zu ganz ähnlichen Schlüssen, wie sie vor- her bei den Tieren mit einer gelegentlich auftretenden ungeschlecht- lichen Fortpflanzung gezogen wurden. Wenn es infolge der Erzeugung von Keimzellen in den sich an- scheinend auf ungeschlechtlichem Wege vermehrenden Stammtieren mit dem Generationswechsel der dabei in Frage kommenden Tiere etwas bedenklich steht und weiter reichende Schlüsse in dieser Beziehung fast geboten erscheinen, \vird man doch anderseits zu berücksich- tigen haben, daß bei anderen, jenen nahestehenden Tieren die eigent- liche Erzeugung der Geschlechtsprodukte wirklich in den auf unge- 1 schlechtlichem Wege entstandenen Individuen vor sich geht und auch j bei jenen die Übertragung der Keimzellen auf sehr früher Ent- Wicklungsstufe zu erfolgen pflegt. Insofern wird man auch bei ihnen Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 407 noch aus Analogie von Geschlechtstieren sprechen dürfen und der Be- griff der Metagenesis kann schHeßlich auch für sie dem bisherigen Gebrauch entsprechend aufrecht erhalten werden. 9. Teilung und Knospung in ihren Beziehungen zueinander. Das Wiederauftreten der Keimzellen nach Monogonie und ihre Übertragung vom Stammtier auf die durch Teilung oder Knospung entstehenden Individuen lenkte die Aufmerksamkeit wdederholt auf diese beiden Formen der Monogonie. Dadurch drängt sich von neuem die Frage auf, ob zwischen den beiden anscheinend so verschiedenen Arten der Fortpflanzung Beziehungen vorhanden und welcher Natur > von vielen Formen ganz unabhängig auf die eine oder andre Weise erworben wurden«. Von den Knospungsweisen der Medusen war weiter oben (S. 389 u. 392) schon ausführlich die Rede, auf die Teilungser- scheinungen hingegen muß noch etwas genauer einge- gangen werden ; sie sind be- sonders von Gastroblasta recht gut bekannt und wie- derholt dargestellt worden. Übrigens vollziehen sie sich auch bei dieser Meduse durchaus nicht immer in derselben, übereinstimmen- den Weise. Als gewöhnliche Längsteilung stellt sich der Vorgang dar, wenn zuerst der Magenstiel gespalten und dadurch verdoppelt wird {Mesone?na, Phiali- dium), worauf vom Rande 'jher eine Furche einschnei- «det (Fig. 7 A), die sich gegen die Mitte fortsetzt und zwischen den ; beiden Magenstielen ^durchschneidend die Meduse in zwei Hälften zer- legt (Fig. 6 und 7). In ganz entsprechender Weise kann sich der Vor- gang wiederholen, so daß aus der einen bald vier kleinere Medusen entstehen (Fig. 6). Insofern nicht eine eigentliche Spaltung des Magenstiels zu er- folgen braucht, sondern ein neuer Magenstiel am Grunde des ersten, aber auch unabhängig von ihm an einem Radiärkanal auftreten kann {Gastroblasta), hat man hierbei an einen Knospungsprozeß gedacht und Chun sprach direkt von einer Kombination der Teihmg und Zeitscliiift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 27 Fig. 6A—E, Gastroblasta raffaeli, schcinatisclie ])arstelliing des Tcilungs- vorgangfis A u. B, Vcrdojjpching des Magenstiels, B ii. C, Tei- lung in zwei StüclvC, D u. E, Wiederholung des Teiluugsvor- ganges an den beiden ersten Teilstüclven in gleicher Weise. 410 E. Korschelt, Knospung. Dieses Verhalten wird dadurch noch auffälliger, daß mehr als die für die nächste Teilung erforderliche Zahl von Magenschläuchen (bis zu neun) an der Meduse angelegt werden und diese somit nach A. Längs Ausdruck als eine durch unvollständige Teilung entstandene »Medusenkolonie« erscheint. Ähnliches würde etwa bei einer mit Knospen besetzten Hydra der Fall sein, ehe diese zur Ablösung ge- langen. Auch dieser Zustand könnte länger andauern und schließlich zur Bildung einer klei- nen Kolonie führen, wie dies in ganz entsprechen- der Weise bei andernHy- droidpolypen geschieht. Noch mehr erinnert das Verhalten der Magen- schläuche an das Auftre- ten der Nährpolypen ir den späteren Entwick lungsstadien der Sipho nophorenkolonie. S( können auch hier ahn liehe Ergebnisse au recht verschiedene Weist- erzielt werden. Die Umwandlung von Teilen des Schirmei zur Anlage der neuei Meduse kann in eine; Weise geschehen, bei welcher der ganze An lagebezirk so verkleinen wird, daß der Ursprung; liehe Teil ungs Vorgang auch hier stark modifi' ziert und nach der Kichtuiig eines Knospungsprozesses verschobei erscheint. Derartig vollzieht sich die UDgeschlechtliche Vermehrung nach der von A. G. Mayer gegebenen Darstellung bei Niohw dendrotentaculata, einer von ihm bei den Tortugas (Florida) gefundene» craspedotcn Meduse, deren Tentakel durch verschiedene Länge auS' gezeichnet sind, weil sie erst nacheinander zur Ausbildung gelangen Dementspri'cluMid sind sie au(;h verschieden bei der Neubildung von Fig. 7 A, ai 02- Oastroblasta raffaeli. A, Vüidoppelung des Magensticls und Einschnürung vom Schirmrand her; «j und «o die beiden Teil- stückc, die nelien dem Magenstiel bereits die Anlage eines neuen Magenstiels (m) aufweisen (nach A. Lang, 1886). Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 411 Medusen beteiligt. Diese geht vom Schinnrand und zwar von der Tentakelbasis aus, indem die Randbulben unter Mitverwendung des Tentakels geradezu in die jungen Medusen umgeformt werden (Fig. 8 und 9). Der Prozeß setzt zunächst an dem ältesten Tentakel ein, worauf die andern jüngeren allmählich nachfolgen, bis aus allen Randbulben Medusen hervorgegangen sind (Fig. 9). Die Umwandlung der Rand- bulben beginnt mit einem Anschwellen und kegelförmigen Erheben der Tentakelbasis (Fig. 8 ^) ; an ihr dringt bruchsackartig eine vom Ectoderm überkleidete Ausstülpung des Ring- oder Radiärkanals nach der Umbrellarseite vor, die Anlage des Manu- briums der jungen Me- duse. Zwei neben dem unverändert in die neue Meduse übergehenden Tentakel auftretende konische Erhebungen liefern zwei - neue Ten- takel (Fig. 8 B und 9). Diese wachsen heran und weitere Tentakel treten auf, wobei die Anschwellung ihrer Ba- sis schon bald beginnt. Eine zipfelförmige Aus- biegung des Ringkanals hatte sich schon früh in die Tentakelbasis erstreckt, welcher Vorgang sich dann bei jedem neuen Tentakel wiederholt. Mit der zunehmenden Vergrößerung der Meduse und weiteren Ausbildung ihres Schirmrandes schheßt sich der Ringkanal an der Ver- bindungsstelle mit dem Muttertier ; der Zusammenhang mit dem Magen- stiel war durch die Ausgestaltung des Radiärkanalsystems schon früher hergestellt worden (Fig. 8 B und 9). Auch das Manubrium hat seine vierkantige Form angenommen und die Ecken ziehen sich in der be- kannten Weise zipfelförmig aus, wobei es erheblich an Länge zuninmit. 27* Fig. 8^ und B. Niobia dendrotentactdata. A) junge eben abgelöste Meduse mit verschieden langen Tentakeln und verdickten Randbulben. B) etwas ältere Meduse mit in Ausbildung begriffenen Medusen verschiedener Stadien (nach A. G. Mayer, 1910). 412 E. Korscheit, "Wenn die junge Meduse so in der Hauptsache ihre endgültige Form angenommen liat, denn auch der »Schirm scheint bereits gewölbt (Fig. 8 B), dann wird ihre und die Verbindung ihrer Organe mit dem Muttertier allmählich gelöst ; von ihm befreit, schwimmt sie alsbald gewandt davon. Die an der Ablösungsstelle am Schirmrand, sowie sonst noch nötigen Restitutions- und Entwicklungsvorgänge werden während des freien Lebens bald noch bewerksteUigt. Fig. 9. Niobia demlrotentaculata, Oralansicht, mit jungen jNiedusen in verschiedenen Altersstadien an den Randbulben (nach A. G. Maykr, 1910). Wie man sieht, handelt es sich hierbei um einen höchst eigen- artigen Verlauf der ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Da der Vor- gang noch wenig bekannt sein dürfte, wurde er etwas eingehender ge- schildert, um diese sonderbare Modifikation des Teilungsvorgangs besser hervortreten zu lassen. Denn mit einer solchen hat man es gewiß zu tun, wenn auch Chuns Auffassung einer Kombination von Teilung und Knospung hier nocli mehr am Platze wäre, wie denn auch A. Gr. Mayer von einer Knospung der Meduse spricht. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 413 Wie die Medusen zeigen auch die Polypen recht weitgehende Ver- schiedenheiten ihrer ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Abgesehen von den Knospungserscheinungen, die hier nicht weiter herangezogen wer- den sollen, sei nur an die schon früher erwähnte Querteilung der Protohydra und Hydra (Fig. 10 A und 5), sowie an deren Längsteilung (Fig. 10 C) erinnert; ferner an die Teilungsfähigkeit des höchst merk- würdigen, in den Eiern des Sterlets lebenden Polypodium hydriforme (Fig. UA—C), auf A Li dessen Fortpflanzung sicher die ungewöhn- lichenLebensverhält- nisse eingewirkt ha- ben. Nehmen wir dann die schon früher behandelte Teilung des Hypolytus in un- gleiche Stücke und die Frustulationspro- zesse der Hydroid- polypen hinzu (vgl. S. 375), so ist dies in der Tat eine Summe verschieden- artig verlaufender Fortpflanzungsvor- gänge, die nicht im- mer ganz leicht auf- einander zurückzu- "• führen sein werden und sicher der An- passung an beson- dere Lebensverhältnisse ihre Entstehung verdanken. Doch ist auch damit die reiche Fülle dieser Erscheinungen noch nicht erschöpft, insofern die Teilungs- und Knospungserscheinungen an den Larven der Cölenteraten dabei keine Berücksichtigung fanden. Auf sie einzugehen, ist hier nicht meine Absicht, doch muß wegen der Vollständigkeit des Bildes immerhin auf die Fähigkeit einer ganzen Reihe von Larvenformen von Polypen und Medusen hingewiesen wer- den, sich in recht verschiedenen Altersstadien und auf recht verschie- dene Weise ungeschlechtlich zu vermeliren. Dabei bleibt es nicht selten Fig. 10^— a Je drei Stadien der Querteilung von Protohydra (Ä), der Querteilung von Eydra{B) u. der Längsteilung von Bydra( C) , zum Teil nach KÖLITZ. 414 E. Korscbelt, zweifelhaft, ob man die betreffende Fortpflanzungsai't der Teilung oder Knospung zurechnen soUi. Hierunter befinden sich Formen wie Haleremita, Gonionemns, Microhydra, der knospende Poli/podium- Schlauch, die Cuninen u. a., für v^^lche man ohne weiteres, besonders bei den parasitischen Formen die Einflußnahme der Lebensweise auf die Art der Fortpflanzung annehmen möchte. Es wurde hier eine recht einheitliche Abteilung des Tierreichs ausgewählt, um an ihr die Verschiedenartigkeit der bei ihren Vertre- tern vorkommenden Fortpflan- Ä \ 11 /J ^ zungsarten zwar längst nicht erschöpfend, sondern nur an- deutungsweise und in den hauptsächlichsten Formen zu erläutern. Der Versuch, sie auf eine möglichst einheitliche Wur- zel zurückzuleiten, läßt sich in der Weise durchführen, daß die verschiedenen Fortpflanzungs- arten dann als Modifikationen der typischen Teilung oder Knospung erscheinen. Dage- gen läßt sich vielleicht inso- fern nicht viel einwenden, als die Fähigkeit zu einer derarti- gen Form der Monogonie vor- handen war, verbunden mit einem weitgehenden Regenera- tionsvermögen. In Besitz die- ser Eigenschaft vermochten die , Tiere dann unter dem Einfluß besonderer Lebensverhältnisse jene verschiedenartigen Formen der Fortpflanzung zu erwerben, die späterhin sicher noch eine weitere Ausgestaltung erfuhren. In ähnlicher Weise, wenn auch vielleicht nicht in so großer Mannig- faltigkeit wie bei den Cölenteraten, treten auch bei andern Gruppen des Tierreichs recht verschiedenartige Formen der ungeschlechtlichen Fort- pflanzung auf; es sei nur an die Tunicaten und Würmer erinnert, inner- halb deren einzelnen Abteilungen (Ascidien, Salpen, Anneliden, Plathel- AUg. Fig. \\A—G. Folypodium hydriforme. A die mit 24 Tentakeln aus- gestattete, 12 Tentakle tragende und C die dieser entstammende Form mit nur 6 Tentakeln (nach Ussow, 1887). Teil. 1 Vgl. KonsoHELT-HEiDBR, Vergleichende Entwicklungsgeschichte. S. 612—532. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 415 minthen) man ebenfalls zweifelhaft sein kann, ob die verschiedenen Formen der Monogonie aufeinander zm'ückzuführen oder unabhängig voneinander entstanden sind. Insofern zumeist die phylogenetischen Bindeglieder fehlen, erscheint es im allgemeinen nicht sehr erfolgreich, sich in weitgehende Erwägungen über diese Frage einzulassen, wenn sie auch bei einer Vergleichung der verschiedenen Fortpflanzungsarten nicht ganz zu entbehren sind. Jedenfalls haben die Versuche der ein- zelnen Autoren auf diesem Gebiet (Leuckart, Haeckel, Lang, V. Kennel, Chun, V. Wagner, Weismann, Seeliger, B.. Hertwig, Hartmann, Haecker, Deegener u. a.) zu recht abweichenden Ergeb- nissen geführt. So steht der zuletzt Genannte und Neueste von ihnen (Deegener 1915) auf dem Standpunkt, daß »Teilung und Knospung wesensverschieden sind und keine als die Vorstufe der andern angesehen werden kann<<. Beide Formen der Monogonie sind also nach dieser Anschauung heterogener Natur und höchstens kommen Kombinationen beider vor. Ob sich der Satz in dieser entschiedenen Fassung wenigstens des ersten Teils halten lassen wird, erscheint fraglich; schon der zweite Teil stimmt bedenklich. Daß Teilung und Knospung unter Umständen, verschiedener Herkunft sein mögen und auch innerhalb derselben Ab- teilung unabhängig voneinander entstanden sein können, ist sehr wahrscheinUch und geht aus den vielen oben angestellten Erörterungen hervor. Dies braucht aber kaum zu hindern, daß nicht unter andern Umständen etwa Teilungs- in Knospungsvorgänge übergeführt werden können, wofür mancherlei spricht. Da diese Dinge zum Teil schon vor- her berührt und in der noch nicht lange zurückliegenden Darstellung unsres Lehrbuchs behandelt wurden, soll hier nicht weiter darauf ein- gegangen werden. 10. Teilung in frühen Entwicklungsstadien. Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung, daß die Fähigkeit der un- geschlechtlichen Fortpflanzung nicht nur den ausgebildeten Tieren zukommt, sondern bereits auf recht frühen Stadien der Entwicklung eintreten kann. Dabei sei die Frage außer acht gelassen, inwiefern man bei nicht geschlechtsreifen Tieren von einem Erlangen der end- gültigen Ausbildung sprechen darf. Man wird es im allgemeinen tun, wenn die Organisation der zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung über- gehenden Tiere mit derjenigen im geschlechtsreifen Zustand (abgesehen von den zum Geschlechtsapparat gehörigen und andern nicht sehr be- trächtlichen, damit mehr oder weniger im Zusammenhang stehenden Einrichtungen) ziemlich übereinstimmt. Eine Hydra, die sich durch 416 E. Korscheit, Knospiing vermehrt, gleicht ungefähr dem mit Hoden und Ovarien versehenen Tier, wie auch das Microstomum oder die sich teilende Nais in ihrer Organisation im ganzen mit den Geschlechtstieren übereinstim- men. Jedenfalls können die vorhandenen Unterschiede nicht als sehr beträchthch angesehen werden und ähnhch verhält es sich bei andern Tieren, die sich auf dem Wege der Monogonie fortpflanzen. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei einer Anzahl von Tieren, die schon im Larven- oder Embryonalzustand zur ungeschlechtUchen Fortpflanzung übergehen. Von derartigen Erscheinungen nmßte schon vorher mehrfach gesprochen werden. Es handelte sich dabei haupt- sächlich um die an Jugendformen und Larven der Cölenteraten auf- tretenden Knospungs- und Teilungsvorgänge, von denen die ersteren bereits im vorhergehenden Abschnitt kurz erwähnt und die letzteren bei Besprechung der »vegetativen Fortpflanzung« deshalb heran- gezogen wurden, weil sich der Vorgang in recht unregelmäßiger Weise vollziehen und zur Abschnürung kleinerer Teilstücke an verschiedenen Stellen des Körpers führen kann. Als eine Teilung im Jugendzustand erscheint auch diejenige der Keimschläuche bei den Trematoden und ebenso die gelegenthch zu be- obachtende Teilung der Cysticercen bei den Cestoden, auf welche Vor- gänge noch zurückzukommen sein wird (S. 440 ff.). Derartige, freilich gesetzmäßiger verlaufende Teilungen in jugend- lichem Zustand sind bei den Turdcaten nicht selten. Abgesehen von dem ungemein frühen Auftreten der Knospungs- und Teilungs Vorgänge bei Ascidien- und Pyrosomenlarven bzw. Embryonen, sei nur an die tatsächlichen Teilungen der auf ganz niederer Entwicklungsstufe stehenden, einfachgebauten Blastzoid- und Wanderknospen der Asci- dien (Distaplia) und Salpen {Doliolwn) erinnert. Um die Zahl der Knospen zu vermehren, können diese bald nach ihrer Entstehung durcli queres Zerschnüren in je zwei neue Knospen geteilt werden. Die Möglichkeit der Teilung von Embryonen ist auch bei andern Tierformen eine häufig besprochene, teils vermutete, teils bewiesene Erscheinung, wie das allbekannte Beispiel des Lumbricus trapezoides zeigt, dessen Embryonen sich im Gastrulastadium in zwei getrennt von- einander zur Entwicklung gelangende Hälften zerschnüren. Daß die Fähigkeit zu solchen und früheren Teilungen im Embryonalzustand auch sonst noch vorhanden und weiter verbreitet sein mag, als sich beob- achten läßt, dafür sprechen die mit recht verschiedenartigen Tierformen (Cölenteraten, Echinodermen, Chordaten) erfolgreich ausgeführten Ver- suche, die Eier auf frühen Furchungsstadicn in die entsprechenden Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 417 Tcilstücke zu zerlegen und deren AVeiterentwicklung (unter Umständen zu vollständigen Tieren) dadurch zu veranlassen. Im Anschluß daran dürfen die ebenfalls häufig erwähnten Bei- spiele embryonaler Teilung bei einigen parasitischen Hymenopteren und Gürteltieren, also recht verschiedenen Tierformen, nicht unerwähnt bleiben. Bei den ersteren, Vertretern der Gattungen Encyrtus, Pohj- gonatus und Litonmstix, welche ihre Eier in Schmetterlings- und Dipteren- eier ablegen, vollziehen sich während der frühen Embryonalentwick- lung sehr eigentümliche Vorgänge, die z\ir Bildung in sich abgeschlossener Morula-ähnlicher Zellenkomplexe und durcli deren Teilung zur Ent- stehung einer großen Zahl von Embryonen führen. Diese liegen in einer gemeinsamen Hülle, innerhalb deren sich jeder für sich weiter entwickelt. Bezüglich der dabei wie vorher sich abspielenden höchst merkwürdigen und weiterer Aufklärung bedürftigen Entwicklungser- scheinungen, die bei den genannten Formen etwas verschiedene sind, sei auf die von M archal und Silvestri gegebenen Darstellungen verwiesen. Mit der hier nur flüchtig gekennzeichneten, bei Insekten beob- achteten Polyembryologie wird diejenige der Gürteltiere verglichen, obwohl naturgemäß die zu ihr hinführenden Vorgänge ganz andre sein müssen. Bei Tatusia hyhrida und andern Gürteltieren liegt für gewöhn- lich eine Anzahl Embryonen innerhalb desselben Chorions, die durch Teilung des Embryos zu einer Zeit entstanden, als die beiden primären Keimblätter an ihm bereits ausgebildet waren. Übrigens bleibt auch dann noch ein Zusammenhang der Embryonen erhalten, deren ver- hältnismäßige Unabhängigkeit gegeneinander erst bei der Abhebung der Embryonen vom Dottersack beginnt (Fernandez). ' Als durch Teilung aus einem Ei entstanden faßt man bekanntlich auch die bei andern Säugetieren und beim Menschen innerhalb des- selben Chorions liegenden Embryonen (Zwillings-, Drillingsbildungen usw.) auf und wie schon oben bemerkt wurde, mag es sein, daß derartige Teilungen auf sehr früher oder etwas späterer Embryonalstufe häufiger als bisher angenommen vorkommen. Ihren Ursachen nachzugehen, die in Ernährung-, osmotischen, Druck- und andern mechanischen Verhält- nissen liegen können, würde von großem Interesse, freilich auch schwer ausführbar sein. 11. Teilung und Knospung der Protozoen; Beziehungen zwischen ihrer ungeschlechtlichen und geschlechtlichen Fortpflanzung. Obwohl die Protozoen wegen ihrer völhg andersartigen ungeschlecht- lichen Fortpflanzung so wenig wie möglich in den Kreis dieser Betrach- 418 E. Korscheit, tiingen gezogen werden sollen, läßt sich dies doch nicht ganz nnigehen, wie schon der Vergleich zwischen der bei ihnen und den Metazoen ob- waltenden ungeschlechtlichen Fortpflanzung erkennen heß (vgl. S. 386). Wie dort auseinandergesetzt wurde, ist es nicht die Monogonie, sondern die Amphigonie der Protozoen, welche in die entsprechende Fortpflan- zungsart der Metazoen übergeht, so daß deren Monogonie eine Neu- erwerbung darstellt. Insofern diese somit bei den Metazoen als sekun- där, die Amphigonie jedoch als der für sie ursprünglichere Vorgang erscheint, ist es für dessen Beurteilung auch bei den Metazoen von Be- deutung, ob und wie er bei den Protisten auf die ungeschlechtliche Fortpflanzung zu beziehen und aus ihr herzuleiten ist. Bei den Protozoen ist jedenfalls die einfachste und ursprüng- lichste Form der Fortpflanzung die mit einer Kernteilung verbundene Durchteilung des Körpers, wie man sie bei den Amöben und von ihnen aufwärts bis zu den höchststehenden und differenziertesten Einzelligen findet. Während bei den weniger differenzierten, niedriger stehenden Protozoen, abgesehen von dem allerdings sehr wichtigen Verhalten des Kernes und seiner Bestandteile (Amitose und Mitose, Chromosomen- zahl und Reduktion, Vorhandensein und Fehlen der Centrosomen usf.) wegen der Unregelmäßigkeit ihrer Körpergestalt besondere Formen des Teilungsvorgangs kaum festzustellen sind, lassen sich mit weiter fortschreitender Differenzierung und regelmäßiger Ausbildung des Kör- pers, durch den nunmehr bestimmte Achsen gelegt werden können, Quer- und Längsteilungen unterscheiden. Ohne daß darauf großes Gewicht gelegt werden soll, ist diese Tatsache doch insofern bemer- kenswert, weil sie einmal gewisse Unterschiede im Verlauf dieser ein- fachen Fortpflanzungsart zu erkennen gibt und anderseits den Über- gang zu jener andern, als Knospung bezeichneten Form der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung erleichtert. In letzterer Beziehung kommt besonders die Längsteilung in Betracht, wie sie bei Flagellaten und Infusorien gefunden wird. Bei ihr kann die Teilungsebene ungefähr in die Längsachse fallen, so daß etwa gleich große Teilhälften entstehen, aber sie kann auch aus der Längsachse herausrücken, wodurch ein größeres oder kleineres Teil- stück zustande kommt. Bildet die Teilungsebene noch dazu mit der Hauptachse einen spitzen AVinkel, denn auch Schrägteilungen sind nicht selten zu beobachten, so gelangt in mehr oder weniger unregel- mäßiger Lagerung zum größeren (Haupt-)Stück ein entsprechend kleines Teilstück zur Ablösung. Dann wird also ähnhch wie bei der Knospung der Metazoen die Individualität des sich fortpflanzenden Zum Wesen der ungcsclileolitlichen Fortpflanzung usw. 419 Tieres nicht aufgelöst, sondern es bleibt gewissermaßen als Muttertier erhalten und läßt ein bzw., wenn der Vorgang sich wiederholt, mehrere Tochtertiere von sich aus entstehen. Diesen (wie die Teilung ebenfalls mit Kernteilungen verbundenen) Vorgang nannte man Knospung und eine Verschiedenheit von jener wird eben nur im Größenunterschied der beiden Teilstücke gefunden (BtJTSCHLi 1889, Doflein 1912 u. a.). So nennt BtJTSCHLi die Knospung der Ciliaten nur eine Modifikation der Teilung und Doflein spricht von Übergängen zwischen beiden Arten der Monogonie. Weitere Abänderungen des Teilungs- bzw. Knospungsvorganges können jedenfalls darin gefunden wei'den, daß die Bildung kleiner Teil- stücke sich rasch nacheinander wiederholt, um zu einer vollkommen räumlichen Trennung und längerem Vereinigtbleiben innerhalb einer Hülle zu führen. Dies ist bei der multiplen Teilung, Sporenbildung usw. der Fall, wobei freilich ebenfalls gewisse, hier nicht zu berücksichtigende Verschiedenheiten der Kernteilung in Betracht kommen. Von der Knospung pflegen sich diese Arten der ungeschlechtlichen Fortpflanzung dann doch wieder dadurch zu unterscheiden, daß die IndividuaHtät des Muttertiers, wenn sie auch zunächst erhalten bleibt, im Verlauf der weiteren Teilungen schUeßlich aufgelöst wird. Die letzteren Vorgänge, bei denen eine größere Zahl von Teil- stücken gebildet wird, können zur geschlechtlichen Fortpflanzung hin- überführen, doch braucht dies nicht der Fall zu sein, denn wir kennen anderseits auch genügend Fälle aus den verschiedenen Abteilungen des Protozoenreichs, bis hinauf zu den Infusorien, in welchen durch der- artige multiple Teilungen keine Gameten, sondern mit oder ohne Ver- mittelung von Schwärmern, auf ungeschlechtlichem Wege neue Indi- viduen gebildet werden. Insofern der (multiple) Teilungs Vorgang zur Bildung von Gameten führt, welche später kopulieren, hat man bereits den Übergang zur geschlechtlichen Fortpflanzung vor sich, aber da es sich hierbei um weniger einfache Verhältnisse handelt, bleibt die Frage zu erwägen, ob nicht auch primitivere Formen der Teilung zur Bildung geschlechtlicher Fortpflanzungskörper führen können. Das ist in der Tat der Fall. Das einfachste wäre jedenfalls, wenn die durch jene obenerwähnten Teilungsvorgänge zustande gekommenen, ungefähr gleich großen Teil- stücke etwa infolge besonderer Beschaffenheit ihrer Kerne in der Lage wären, miteinander zu kopulieren und eine dauernde oder vorüber- gehende Vereinigung ihrer Kerne herbeizuführen. Derartige primitive Verhältnisse sind schon lange von den niederen Pflanzen bekannt; 420 E. Korschelt, es braucht nur an das lehrreiche, häufig angeführte Beispiel der Spiro- gyra erinnert zu werden (Fig. 12). Bei ihr treten zwei aufeinander folgende Zellen desselben Fadens oder zwei Zellen verschiedener, neben- einander liegender Fäden durch Fortsätze miteinander in Verbindung (Fig. 12), worauf der Plasmakörper der einen Zelle in die andre Zelle hinübertritt und mit ihrem Protoplasmaleib verschmilzt, um dadurch eine Zygote zu bilden (Fig. 12). Die Kerne beider Zellen sind haploid; es bildet sich ein diploides iSyncarion, worauf früher oder später durch zweimalige Kernteilung eine Zahlenre- diiktion der Chromosomen herbeigeführt wird. Von den durch diese Teilunceji gebildeten vier Kernen gehen drei zu- grunde und nur einer wird zum Kern des Keimhngs, welcher schlauchförmig auswächst und durch bald folgende Zell- teilungen den neuen Algenfaden ent- stehen läßt. Die mit der Reduktion zusammen- hängenden Erscheinungen wurden nur deshalb erwähnt, weil sie eine weit- gehende Übereinstimmung mit den be- treffenden Vorgängen bei der geschlecht- lichen Fortpflanzung der Protozoen und Metazoen erkennen lassen und dadurch die Bedeutung der Zellenverschmelzung als Geschlechtsakt außer Zweifel setzen. Er erscheint deshalb von besonderem Interesse, weil er sich an Zellen voll- zieht, die anscheinend von den übrigen Zellen des Algenfadens nicht unterscheid- bar sind. Die mit dem Geschlechtsakt verbundenen Reduktionsteilungen tre- ten erst nach der Kernverschmelzuno; ein. Die Beziehungen der Fort- Pflanzung nicht nur, sondern auch der geschlechtlichen Fortpflanzung zu den anscheinend nur vegetativen Zellen, also zu den bloßen Wachs- tumsvorgängen liegen hier deutlich zutage. Unter besonderen äußeren oder inneren Verhältnissen treten gewisse Zellen dieser niederen Orga- nismen, welche sich andernfalls weiter durch Teilung vermehrt haben würden, in einen Geschlechtsakt ein. Das Beispiel der conjugierenden Algenfäden wurde deshalb her- Fig. 12 A und B. Copulation zweier Fäden von Spirogijra quinina {A) und Sp. neglecia {B) mit den Verbindungsbrücken, Übertritt des Protoplasmakörpers in die andere Zelle (A) und Zygoten (A und B); in B haben sich zwei kopulierende Fäden in steilen Windungen umschlungen (nach Stras- BURaER und Tröndle). Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 421 angezogen, weil es die hier zu erläuternden Erscheinungen besonders klar hervortreten läßt, aber auch bei den Protozoen und sogar bei den höchststehenden unter ihnen können die "Verhältnisse noch ganz ähn- lich liegen. Bei den Infusorien würden sich die Individuen, welche mit- einander conjugieren, unter Umständen noch fortgesetzt weiter durch Teilung haben vermehren können, wenn nicht besondere Verhältnisse auf sie eingewirkt hätten, die sie zur Copulation veranlaßten. Die Tatsache, daß Infusorien dazu gebracht werden können, sich jahrelang durch Tausende von Generationen nur auf dem Wege der Teilung zu vermehren, bestätigt diese Annahme. Welcher Art die Einflüsse sind, wodurch die Infusorien zur Con- jugation getrieben werden, dürfte mit einiger Sicherheit schwer zu entscheiden sein. Man hat eine feststehende Einrichtung darin ge- sehen, welche das Altern verhindern und die sich damit einstellenden Mängel beheben soll; freilich erfuhr diese Annahme durch das Er- gebnis jener bis zu mehreren Tausend ausschließlich auf dem Wege der Teilung fortgeführten Generationen eine gewisse Erschütterung. Jeden- falls dürften von außen kommende Einflüsse mitwirken, indem sie gewisse Änderungen der inneren Organisation, besonders des Kern- apparates hervorrufen, die dann ihrerseits das Bedürfnis zur Kern- vereinigung mit sich bringen und dadurch die Conjugation herbei- führen. Solche Einflüsse sind in allen möglichen Lebensbedingungen in Ernährungsverhältnissen, Beschaffenheit des umgebenden Mediums, Temperatur, Licht und anderen Faktoren zu suchen, denen man zumal in den neueren Untersuchungen eine größere Aufmerksamkeit ge- schenkt hat. Als ein Ergebnis jener Einwirkungen wäre z. B. das Verhältnis des Kernes zum Zellplasma zu betrachten (E. Hertwigs Kernplasma- I relation), wonach das Volumverhältnis zwischen Kern- und Proto- . plasnia unter dem Einfluß der Ernährungsbedingungen (infolge Größen- i zu- und Abnahme des Kernumfangs) schwankt und nach der Eichtung beeinflußt werden kann, daß die Neigung zur Fortpflanzung (durch Teilung) verstärkt oder vermindert wird. Es ist anzunehmen, daß durch solche und ähnliche Einwirkungen auch die Hinneigung zur Conjugation ausgelöst und diese bewirkt wird. Die dabei stattfindende Kern Verschmelzung bringt naturgemäß eine Änderung in der Be- schaffenheit der Kerne mit sich, von der anzunehmen ist, daß sie für den weiteren Vollzug der Lebens Vorgänge vorteilhaft sein nmß. Die älteren Beobachtungen von Bütschli, Maupas, E. Hertwig u. a., sowie die neueren von Calkins, E. Hertwig, Woodruff, Erdmann u. a. 422 E. Korscheit, lassen sich jedenfalls im Sinn einer derartigen Herbeiführung und Aufgabe der Conjugation deuten, wie sie auch mit den von Weismann, BüTSCHLi, R. Hertwig, Schaudinn, Hartmann, Doflein und andern Protozoenforschern geäußerten Anschauungen zu vereinigen sind. . Wegen der übereinstimmenden Volumen- und Organisations- verhältnisse der beiden in die Conjugation eintretenden Individuen wurden diese hochstehenden, sehr spezialisierten Einzelligen als Bei- spiel gewählt, jedoch ist dabei zu berücksichtigen, daß sie im übrigen keinerlei ursprünghche Verhältnisse aufweisen, vielmehr ihr Kern- apparat eine hohe Spezialisierung erlangt hat. Das zeigt jedenfalls die Ausbildung des Macro- und Micronucleus, welchen beiden Kernen ver- schiedene Aufgaben zukommen und von denen der letztere als >>Ge- schlechtskern<< verwendet wird. Demgegenüber wäre das einfachste Verhalten, wenn in zwei mit- einander copulierenden Protozoenindividuen, die sich in Größe und Organisation von den übrigen nicht unterscheiden und deren Kerne ebenfalls keinerlei Eigenart erkennen lassen, die Kernverschmelzung eintreten würde, ohne daß irgendwelche Besonderheiten dabei wahrzu- nehmen wären. Derartig muß der Vorgang sich gewiß zuerst vollzogen haben, doch nötigte die durch die Kernverteilung herbeigeführte Ände- rung in der Größe und Organisation des Kernes, welche eine für die Species bestimmte und für die vereinigten Protoplasmakörper nun nicht mehr geeignet ist, zu einer nachträglichen Regulierung der Kern- struktur und Wiederherstellung des richtigen Verhältnisses zwischen Kern und Plasma. Es traten also jene Reduktionserscheinungen ein, wie sie weiter oben für den anscheinend recht primitiven Fall der SfirO' gyra angegeben und auch sonst (als nach der Kernverschmelzung auf- tretende Reduktionsteilungen) bekannt geworden sind. Derartige Einrichtungen befestigten sich offenbar mit der regel- mäßig eintretenden Befruchtung, jedoch erfidiren sie mancherlei Modi- fikationen, wie dies aus den veränderten Lebensverhältnissen der be- treffenden Pflanzen und Tiere, ihrer sich fortschreitend ändernden Organisation und allen möglichen andern Einwirkungen durchaus er- klärlich ist. So kam es denn auch, daß die Reductionsteilungen vor die Kernverschmelzung der beiden Copulanten, d. h. vor den eigentlichen Befruchtungsakt gelegt wurden. Wie das Verhalten der Protozoen zeigt, juuß dies übrigens schon recht früh geschehen sein; überhaupt geht (li(^ Einrichtung der Befruchtung und der mit ihr zusammen- hängenden Reductionsvorgänge sehr weit zurück, denn schon die Rhizo- poden, z. B. Heliozoen, lassen sie in ziemlich lioher Differenzierung Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 423 erkennen oder weisen sie zum mindesten bei ihren einfachsten Ver- tretern, den Amöben, auf. Wo sie nicht beschrieben oder nicht gefun- den wurden, sondern wo nur von einer Kernvereinigung und dem Wiedereinsetzen der gewöhnhchen TeiUmgen die Kede ist, hat man den Eindruck, daß die betreffenden Beobachtungen nicht einwandfrei sind, zumal wenn sie nicht unter Berücksichtigung der durch die Er- gebnisse der neueren Protozoenforschung erzielten Gesichtspunkte an- gestellt wurden oder, weil schon weiter zurückliegend, nicht angestellt werden konnten. Hier sollen übrigens diese hauptsächlich auf die Teilungsvorgänge an den Kernen bezüglichen Erscheinungen nicht weiter behandelt werden, doch konnten sie als für die Beurteilung der Beziehungen der geschlechtlichen zur ungeschlechtlichen Fortpflan- zung unerläßlich, nicht ganz außer Betracht gelassen werden. In den neueren zusammenfassenden Darstellungen von R. Hertwig, Doflein und Hartmann finden sie eingehende Berücksichtigung. Wegen Feststellung von Beziehungen zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung wurde ein besonderes Gewicht auf diejenigen Copulations- oder Conjugationsakte gelegt, bei welchen Paarhnge von gleicher Größe und anscheinend gleicher Organisation zusarnmenkommen und zu dauernder oder vorübergehender Ver- einigung gelangen. Aber schon bei recht niederstehenden Protozoen, nämhch unter den Rhizopoden bei den Foraminiferen und auch bereits bei den Amöben, tritt die Bildung und spätere Vereinigung von Sjiröß- lingen auf, welche in Organisation und Größe von den Ausgangstieren recht verschieden' sind. Durch rasch aufeinander folgende Teilungen entweder der ganzen Zelle (bei vorläufigem Vereinigtbleiben der Teil- stücke) oder aber nur der Kerne mit nachfolgender Sonderung der zu- gehörigen Protoplasmakörper (multiple Teilung) kommt es zur Bildung einer größeren oder geringeren Zahl von Schwärmlingen (Gameten); die zunächst viel kleiner als das Ausgangstier sind. Im einfacheren Fall sijid die Schwärmer einander an Größe gleich (Isogameten), Nachdem sie zur Abtrennung und völligen Ausbildung gelangt sind und in vielen Fällen Geißeln erhalten haben, kommen je zwei von ihnen zur Verschmelzung. Gegenüber jenem früher be- sprochenen, offenbar ursprünglicheren Verschmelzungsakt der niederen Protisten, den man als Hologamie bezeichnet, spricht man nun von einer Merogamie. Ein sehr gutes Beispiel dafür bildet der von ScHAUDiNN genau beschriebene Entwicklungsgang des Tricho- sphaerium Siehuldi. jenes den Foraminiferen zugerechneten, mit Gallert- hülle und Stachelbesatz ausgestatteten eigenartigen Protozons(Fig. V^Ä). 424 E. Korscheit, Bei ihm erfolgt freilich zunächst (durch multiple Teilung) eine Zerlegung in zahlreiche amöboide Agameten und erst nach deren Heranwachsen und abermaliger Zerlegung in zahlreiche kleinere Teilstücke die Aus- bildung der geißeltragenden Isogameten (Fig. 13). Diese copulieren, ihre Kerne verschmelzen und aus der Zygote entwickelt sich wieder das mit Hülle und 8tachelbesatz versehene Ausgangstier (Fig. 13). Fig. 13. Entwlckliinsskreis von Trichosphaeriiim fiieboldi. 1—3 agame iiuütiple TeiluDg, 4—7 (..amcto- gonie, S — 10 Copulation, 11 — 13 Zygote und deren weitere Ausbildung (nacii SCHAUDINN aus Hartjunn 1914). Der Generationswechsel erscheint also hier ausgeprägter und tritt deut- licher hervor als bei jenen primitiven Formen mit Hologamie. Eine weitere Differenzierung erlangt der Befruchtungsvorgang mit der Ausbildung von Anisogameten, aber auch diese bahnt sich ganz allmählich an. Sie kann von der Hologamie ausgehen und darin bestehen, daß zwar beide Zellen an Organisation ziemlich gleich, an Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ut~\v. 425 Umfang jedoch etwas verschieden sind, wie dies bei Flagellaten beob- achtet wird. Es mag sein, daß das kleinere Individuum dabei eine etwas größere Beweglichkeit erlangt. Bei andern, allerdings weit höher differenzierten Einzeüigen, nämlich bei den CiHaten, kann ebenfalls ein recht beträchtlicher Größenunterschied der Paarhnge eintreten, wie dies besonders gut von den Vorticellen bekannt ist. Wenn auch der Ausgangspunkt in diesem Fall ein andrer und der Vorgang auf dem Wege der vorübergehenden Vereinigung (Conjugation) zustande gekommen ist, so bleibt doch die Verschmelzung eine dauernde. Ebenso 1 , Fig. 14. A Chloroijonium euchlorum, B — jD Teilung zur Bildung der Macroganieten, die in D von der Hülle befreit sind, ß — K Teilung zur Bildung der Microgameten, die in K aus der an dieser Stelle platzenden Hülle austreten (nach Stein). I erfuhr das Verhalten des Kernapparates eine Modifikation in dieser Richtung, d. h. es tritt eine Befruchtung des größeren durch den kleineren Paarling ein, im Gegensatz zu dem sonst bei der Conjugation erfolgenden Kernaustausch und der gegenseitigen Befruchtung. Mehr noch und in weit ausgesprochenerem Maße tritt die Anise - gamie in Verbindung mit der Merogamie hervor. Auch hier sind die Unterschiede im Umfang und Organisation zwischen den copulie- renden Anisogameten unter Umständen nur recht geringfügig, so daß der betreffende Vorgang auf eine frühere Isogamie zurückzuführen sein dürfte. Wenn wie bei manchen Flagellaten die rasch aufeinander Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. liS 426 E. Korscheit, fokenden Teilungen des Tieres weiter fortgesetzt werden, so entsteht eine recht große Anzahl kleiner Schwärmer (Microgameten, Fig. 14 E — K), während bei früherem Aufhören der Teilungen eine geringere Zahl größerer Schwärmer zustande kommt (Macrogameten, Fig. 14 Jß — J)Y Wesenthche Unterschiede zwischen ihnen brauchen im übrigen nicht vorhanden zu sein, so daß sie in dieser Beziehung den Isogameten andrer Flagellaten recht ähnhch sind. A B Fig. 15. Pandorina morum nach PRINQSHEIm. A eine schwärmende »Familie«, B in 16 Tochterfamilien geteilt, C drei Familien, von denen eine sich in die Gameten auflöst, D und E deren Conjugation, F und G eben entstandene ausgewachsene Zygote, H deren Umbildung in dem Scliwärmling (J), K die aus eben diesen entstandene junge Familie, die später wieder heranwächst. Derartige Verschiedenheiten finden sich bei recht nahe stehenden Formen. So sind die Microgameten der Pandorina von deren Macro- gameten recht wenig verschieden (Fig. 15). Bei Eudorina hingegen setzt sich in den weiblichen Kolonien die Teilung nur bis zur Bildung von 16 oder 32 Zellen fort, während in den männlichen Kolonien die Teilung viel weiter geht und dadurch Bündel von schlanken, spindelförmigca Microgameten entstehen, welche von jenen zwar auch noch geißel- tragenden und mit Augenflecken versehenen, aber verhältnismäßig Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortj^flanzung usw. 427 großen und plumpen Macrogameten recht verschieden sind (Fig. 16). Bei Volvox erstreckt sich dies noch weiter, indem bei ihm die Macro- gameten zu großen, geißellosen Zellen, wirklichen »Eiern« werden, während die (in der Kolonie wie bei Eud-orina ihrer Entstehuno- ent- sprechend) in Bündel angeordneten Microgameten als schlanke, spindel- förmige Geißelschwärmer spermatozoidenähnlich sind (Fig. 17). Eine derartige Diffe- lenzierung in unbeweg- liche, plumpe, mehr oder ^veniger mit Nährstoffen angefüllte Macrogameten und geißeltragende, sper- matozoide Microgameten kommt nun bei den Sporo- zoen zu besonders deut- licher Ausprägung; es braucht nur an die Gre- garinen, vor allem aber an die Coccidien und Hämosporiden erinnert 7A\ werden (Fig. 18). Hier , . •• o r 1 • Weibliehe Kolonie von £(«rfonMa rfei/aws. An den Geißeln eines ist auch rem auJoerllCnm Individuums Imt sich ein nocli vollständiges Bündel von Mlcro- Fig. 16. der Ausgestaltung der gameten verfangen, ein anderes in Auflösung begriffen, ein drittes bereits aufgelöst; im Innern eingedrungene und kopu- lierende Microgameten (nach GÖBEt). Fortpflanzungszellen eine ; recht weitgehende Über- leinstimmung mit den bei den Metazoen obwaltenden Verhältnissen erreicht. Die Befruchtungsvorgänge und die mit ihnen zusammen- hängenden Erscheinungen, wie Vvir sie bei den Metazoen und in einer damit ziemlich übereinstimmenden A¥eise bei den Protozoen finden, .lassen sich also mit deren ungeschlechtlicher Fortpflanzung in Verbin- uuiig bringen und dürften schließhch auf sie zurückzuführen sein. 12. Ungeschlechtliche Fortpflanzung und Lebensweise der Tiere. Wiederholt mußte in den vorstehenden Betrachtungen die Frage aufgeworfen werden, in welchen Beziehungen die verschiedenen Formen der Fortpflanzung zu den Lebensverhältnissen der betreffenden Tiere •itehen und sie drängt sich, bei den Einzelligen wie bei den Mehrzelligen, immer wieder von neuem auf. Bei gevässen Arten der Fortpflanzung ist die Frage leicht zu beantworten. Dies gilt besonders für die Bildung 5olclier Fortpflanzungskürper, welche dazu dienen, irgendwelche un- 28* 428 E. Korschelt, Fig. 17. Herinaphroditische Kolonie von Volvox globator, links drei Macrogameten (Eizellen), rechts Tei- lunjsstadien der die Microgameten liefernden (männlichen) Zellen und Bündel von Blicrogameten (Spermatozoiden) in verschiedenen Ausbildungszuständen, sowie reife Spermatozoidenbündel (nach Stein und Bütschli). A B Fig. 18. Ausbildung der Microgameten (A—0) und Conjugation mit den Macrogameten (Befruchtung D) von Coccidiutii Schubergi nach Sciiaudi.vn. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 429 günstige Lebensverhältnisse zu überstehen. In ihrer Entstehung und Bedeutung schwer za beurteilende Teile des Körpers, die zumeist anfangs aus wenigen, später aus vielen Zellen bestehen, sondern sich am oder im Körper von dessen übrigen Geweben ab und umgeben sich gewöhn- lich mit einer, oft sehr festen und kompliziert gebauten, schützenden Hülle, um in diesem Zustand längere Zeit ziemlich unverändert zu ver- bringen und die für die betreffende Tierart ungeeigneten Lebensverhält- nisse zu überdauern, bis wieder eintretende günstigere Umstände die Weiterentwicklung des Zellinhalts und sein Hervordringen aus der von ihm gesprengten Hülle zur Ausbildung eines neuen Individuums gestatten. Dies trifft im allgemeinen für die Dauer- und Winter - knospen (Hibernacula) der Ascidien und Bryozoen, für die K^tatoblasten der letzteren, die Podocyten der Soyphomedusen und die Gemmiilae der Spongien zu. Hier liegen also die Verhält- nisse sehr einfach, wenigstens was die biologische Bedeutung anbelangt; es sind Dauerzustände, durch eine besondere Art Knospung unter der Einwirkung äußerer Lebensverhältnisse entstanden und dazu bestimmt, die Erhaltung der Art zu sichern, wenn diese durch den Eintritt schäd- licher Umstände gefährdet ist und die gewöhnlichen Fortpflanzungs- arten (auf ungeschlechtlichem und geschlechtlichem Wege) anscheinend nicht ausreichen. Das zeitweise Umgeben mit einer Schutzhülle ist bei ausgebildeten Tieren oder Entwicklungszuständen keine seltene Erscheinung und kann außer dem Schutz noch andern Zwecken, z. B. bei Parasiten der Übertragung in das nächste Wirtstier dienen, es sei nur an die Cercarien der Trematoden oder an die jungen Trichinen und andre Nematoden erinnert. Mit der eigentlichen Fortpflanzung pflegen diese Einkapse- lungen allerdings weniger zu tun zu haben, doch kann auch dies, freilich in etwas anderm als dem hier behandelten Sinn der Fall sein, indem sich ein Fortpflanzungsakt der Encystierung anschließt. Letzteres geschieht nach Mräzeks Darstellung bei einem der Gattung Clapa- redeilla angehörigen limicolen Oligochäten, der sich zum Schutz gegen Austrocknen einzukapseln pflegt, um innerhalb der Cyste regelmäßig in Teilung überzugehen, so daß sich dann mehrere Würmer in der Cystenhülle finden. Dieses letztere Verhalten erinnert an dasjenige mancher Proto- zoen, besonders holotricher Infusorien, wie Ophryoglena, Leitcophrys, Colfoda, Ichthyophthirius u. a., bei denen sich ein Individuum en- cystiert, um innerhalb der Cyste in eine Anzahl Teilstücke zu zerfallen. Die Zahl der Teilstücke ist bei den erstgenannten Infusorien weniger 430 E. Korschelt, groß (4 — 8, 16 und 32), während sie bei IchthyopJithirius bis zu 250 und 512 ansteigt (Fig. 19, Bütschli, NereshEimer, Buschkiel). Die "Vermehrung wird bei den genannten und andern Infusorien in den Schutz einer Einrichtung gestellt, die sonst andern Zwecken, besonders dem besseren Überdauern unter ungünstigen äußeren Ver- hältnissen dient. Innerhalb der schützenden Hülle kann die Fort- pflanzung offenbar ungestörter vor sich gehen und führt unter Um- ständen (so bei Ichthyophthirius) durch sehr schnelles Aufeinanderfolgen der einzelnen Teilungsakte zu starker Verkleinerung der Teilproduktc und damit zu einer Art multipler Teilung (Fig. 19), wie sie in dieser B E A — C Colpoda eucullus, B Cyste mit 4 Teilsprößlingen, C Cyste mit 2 Teilsprößlingen, von denen der eine gerade ausschlüpft. D Cyste von Ichthyophthirius mit zahlreichen Teilsprößlingen, von denen einige im Ausschlüpfen begriffen sind, E einer dieser Sprößlinge stärker vergrößert, nach BtJTSOHLI. Form bei einem freilebenden Infusor wohl kaum durchführbar wäre. Allerdings handelt es sich um einen Parasiten, der jedoch die Haut des von ihm befallenen Fisches verläßt und zu Boden fällt, uirw hier die Cyste auszuscheiden, in welcher dann der Zerfall in die Menge kleiner Sprößlinge erfolgt. Die Höhlung der Fischhaut, worin das In- fusor zu liegen pflegt, scheint hierfür noch nicht zu genügen und nicht den rechten Schutz zu bieten. Encystierung mit nachfolgender Teilung des Cysteninhalts ist auch sonst recht verbreitet bei den Protozoen, denn man findet diese Ein- richtung außer bei den Ciliaten nicht nur bei den Flagellaten und Sporozoen, sondern auch bei den Ehizopoden. Die Encystierung der Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 431 Amöben und ihr Zerfall in eine geringere oder größere Zahl von Teil- stücken (multiple Teilujig) ist bei parasitischen und freilebenden Arten eine bekannte Erscheinung. Ähnliches gilt für die Heliozoen, sowie für die Foraminiferen und Radiolarien, wenn auch, bei ihnen Schale und Centralkapsel abweichende Verhcältnisse mit sich bringen und die Ruhezustände in etwas anderm Licht erscheinen lassen. Wie die ausgebildeten Tiere einen Ruhezustand zu erlangen suchen und sich mit einer Hülle umgeben, um unter deren Schutz zur Fortpflanzung zu schreiten, so tritt ähnliches auch auf gewissen Ent- wicklungszuständen ein, wobei gewöhnlich das Erlangen besserer Verbreitungsmöglichkeiten in Betracht kommt. Dafür bieten die ver- schiedenen Abteilungen der Sporozoen (Gregarinen, Coccidien, Cnido- sporidien) die besten Beispiele. Bei den Gregarinen wiederholt sich sogar die Einkapselung, indem nach dem Zusammenlegen der beiden Tiere eine Cystenhülle um sie gebildet wird und dann nach dem Zerfall in die beiderlei Gameten und deren Vereinigung die Zygote ebenfalls eine Hülle um sich aus- scheidet (Bildung der >>Pseudonavicelle<<), worin die Teilung in die Sporozoiten und deren weitere Ausgestaltung vor sich geht. Diese Fort- pflanzungskörper der Gregarinen sind somit doppelt geschützt, indem sie in den Pseudonavicellen und diese innerhalb der ganzen Pseudonavi- cellencyste liegen. Aber auch wenn sie durch deren Platzen oder durch besondere Sporoducte aus der Cyste entfernt werden, gewährt ihnen ihre eigene Hülle noch genügenden Schutz, damit sie unter weniger günstigen Verhältnissen bis zur Übertragung in ein neues Wirtstier im Freien überdauern können. Ebenfalls unter dem Schutz einer von der Zygote ausgeschiedenen Hülle erfolgt bei den Coccidien die Teilung in die »Sporoblasten <<, um welche abermals eine Hülle gebildet wird, worin dann ähnlich wie in der Pseudonavicelle der Gregarinen die Teilung in die Sporozoiten geschieht. Diese von ihren offenbar recht widerstandsfähigen Hüllen umgebenen Fortpflanzungskörper sind es, die nach außen gelangen, um in ein neues Wirtstier übertragen zu werden. Dazu bedarf es aber einer ge- wissen Zeit, da die encystierte Zygote als solche aus dem Wirtstier entfernt zu werden pflegt und die weiteren Entwicklungsvorgänge sich im Freien abspielen. Hierfür ist also ein möglichst guter Schutz er- forderhch, denn es scheint, daß die Entwicklung im Freien sich unter ungünstigen Verhältnissen Wochen und Monate hinziehen kann. Die Fortpflanzungskörper mancher Coccidien (z. B. die yoii Eimeria Stiedae) halten dies aus, ohne die Lebensfähigkeit und Infektionskraft zu ver- 432 E. Korscbelt, Heren, auch wenn sie anscheinend recht ungeeigneten Zuständen (nie- deren Temperaturen, starker zum Verschimmeln der Umgebung füh- renden Feuchtigkeit oder aber großer Trockenheit) ausgesetzt waren. Die doppelte Umhüllung muß jedenfalls sehr wirksam und dem Ablauf der darin sich vollziehenden Teilungen höchst förderhch sein. Außer den schützenden Hüllen kohimen noch andre zu den Lebens- verhältnissen in direkter Beziehung stehende Einrichtungen an den Fortpflanzungskörpern zur Ausbildung, wie dies bei den Cnidosporidien besonders deutlich hervortritt. Auch ihre Sporenkörper stellen eine Art von Cyste dar, welche durch den Besitz der beiden vor deren Amöboid- keim gelegenen Polkapseln ausgezeichnet sind (Fig. 20). Die darin Fig. 20. Sporen von Myxobolus von der Fläche {Ä und C) und von der Kante gesehen [B); vorn die Pol- kapseln mit aufgerollten {Ä und B) imd ausgestülpten Fäden (C), dahinter der Amöboidkeiin mit 2 Kernen und einer Vacuole. spiralig aufgerollten Fäden werden, wenn die »Spore« in den Darm- kanal eines neuen Wirtstieres gelangt, unter dem Einfluß der Darm- säfte ausgeschleudert, dringen in die Darmzellen ein und bewirken die Befestigung der Spore. Sodann platzt die Sporenhülle und gestattet dadurch dem Amöboidkeiin den Austritt, worauf nach seinem Ein- dringen in die Darmwand die Entwicklung des Myxosporidiums ein- geleitet wird. Aus den gewählten Beispielen ergibt sich bereits, daß die Ein- richtung des Einkapseins ausgebildeter, zur Fortpflanzung übergehender Tiere oder einzelner Fortpflanzungszustände für Parasiten beim Ver- lassen des Wirtstiers oder zum Wiedereintritt in den Wirtskörper beson- ders vorteilhaft sein muß. Nicht nur kann die Teilunft' und die Aus- Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 433 bildiing der Teilprodukte unter dem Schutz der Hülle ungestörter vor sich gehen, sondern auch der Weitertransport erscheint gesicherter und mit geringerer Gefährdung verbunden, als wenn die betreffenden Fort- pflanzungskörper hüllenlos wären. Allerdings ist dem Tier in diesem Zustand die Bewegungsfreiheit gänzlich genommen und seine Weiter- beförderung geschieht nur passiv, aber nichtsdestoweniger zeigt das Ergebnis, wie das angestrebte Ziel in genügender Weise erreicht wird. Wenn erst mehr auf die Beziehungen der verschiedenen Fort- pflanzungsarten zu den Lebensverhältnissen der betreffenden Tiere geachtet wird, werden sich deren gewiß noch viele finden, welche auf diese AVeise am besten zu verstehen sind. Lehrreiche Beispiele für das Fortschreiten der ungeschlechtlichen Fortpflanzung unter dem Schutz geeigneter Vorrichtungen bieten, um zunächst bei den Protozoen zu verweilen, die Kolonien bildenden Arten der Rhizopoden, Flagellaten und Ciliaten. Die zumeist in größerer Zahl aufeinander folgenden Teilungen führen hier nicht zu einer Tren- nung der neu gebildeten Individuen, sondern diese bleiben in kleineren euer größeren Gruppen vereinigt. Häufig sind sie dann von einer Hülle umgeben, die sich jedoch von dem vorher besprochenen Verhalten dadurch unterscheidet, daß sie ihnen und zwar bei Vertretern aller drei obengenannten Abteilungen der Einzelligen, die Benützung ihrer Loco- motionsorgane (Pseudopodien, Geißeln und Cilien) zur Fortbewegung der ganzen Kolonie gestattet, um sie dahin zu bringen, wo sie ge- eignete Ernährungsverhältnisse oder sonstige günstige Bedingungen finden. Erweist es sich als notwendig, so wird davon allerdings ab- gesehen und die ebenfalls auf dem Wege der Teilung oder durch Knos- pung zustande gekommene Kolonie wird auf geeignete Weise am Grunde verankert. Jedenfalls wäre es denkbar, daß bei den durch eine rasche Bewejj;- lichkeit ausgezeichneten Flagellaten die Koloniebildung auf solche Weise zustande kam, zumal die Geißeln dieser Einzelligen auch für die ganze, ungefähr kugelförmige Kolonie noch geeignete Locomotionsorgane dar- stellen. Wenn die Kolonie zu umfangreich oder aus irgend einem Grunde weniger leicht beweglich wurde, fand sie gewiß an freischwebenden Pflanzenteilen oder dergleichen aufgehängt, noch geeignete Lebens- bedingungen. Ganz sicher aber und wohl mehr als auf diese Weise kam es selbst bei den sehr beweglichen Flagellaten und Ciliaten dadurch zur Koloniebildung, daß sich die Tiere zeitweise mit dem Hinterende fest- setzten und die durch Teilung entstandenen Individuen miteinander vereinigt bheben. Dadurch entstanden dann die Stöckchen, wie sie 431 E. Korscheit, bei den Peritrichen, Suctorien und Flagellaten nicht selten sind und die dort, wo sie günstige Nalirungsverhältnisse vorfinden und nicht allzu starken Angriffen ausgesetzt sind, auf das beste gedeihen, um in der Erzeugung immer neuer Individuen auf ungeschlechtlichem Wege fortzufahren. Nicht selten sieht man sie als Raumparasiten auf allen möglichen andern Tieren sitzen, die sich ihrerseits frei bewegen un«l dadurch auch anscheinend ihren Gästen günstigere Bedingungen schaffen. Festsitzende Kolonien zeigen auch bei den Pro- tozoen die Neigung, sich recht weit auszubreiten, und so sieht man sie bei den Flagellaten und be- sonders bei den Cihaten seitliche Verzweigungen und lange Stiele bilden, wodurch die mehr oder we- niger verästelten Stöckchen der Spongo- und Dendro- monadinen (Fig. 21), Peri- trichen und Suctorien zu- stande kommen. Für den Nahrungserwerb wird es diesen sessilen Kolonien gewiß günstiger sein, die einzelnen Individuen etwas weiter entfernt voneinan- der anzubringen und ihnen innerhalb des Koloniebe- reichs nach Möghchkeit einen weiteren Spielraum zulassen. Anderseits macht sich bei den freibleibenden oder wieder frei werdenden Kolonien in dem Bestreben, die freie Beweglichkeit zu erhalten und nach Möglichkeit zu fördern, eine stärkere Konzentration der ganzen Kolonie geltend, die sich naturgemäß in einem Zusammendrängen der Individuen äußern muß. Dafür bietet im Gegensatz zu den verzweigten Stöckchen der Vorticelliden die kugelförmige Kolonie des Ophrydium Fig. 21. Ä und B junge Stöckchen, G ältere Kolonie von Dendro monas virgaria, D Stöckchen von Codonocladwm umbella tum nach Stein. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 435 (Fig. 22) ein gutes Beispiel oder unter den Flagellaten der Volvox (Fig. 17) gegenüber den auf langen Stielen sitzenden oder stark ver- zweigten Kolonien der Spongo- oder Dendromonadinen (Fig. 21). In- folge der freien Beweglichkeit der ganzen Kolonie leben auch die ein- ander stark genäherten Individuen unter Verhältnissen, in welchen Fig. 22. Ä — C Ophrydium versatile. A ein Stück der Kolonie, stärker vergrößert, B die ganze Kolonie in Vs natürlicher Größe, C ebenso, an einem Pflanzenstengel angeheftet. D Ophrydium Eich- homi, festsitzende Kolonie, E Ophrydium sessile, auf einer Unterlage festsitzend (nach Saviue Kent). ihnen Nahrungs«rwerb, Atmung und die sonstigen Bedürfnisse gewähr- leistet sind. Inwieweit die freischwimmenden Protozoenkolonien diese Lebens- weise als ursprünghche beibehalten oder nach vorherigem Festsitzen wieder erlangt haben, wird sich in den einzelnen Fällen kaum entscheiden lassen, daß sie aber zum mindesten teilweise von festsitzenden Formen 436 E. Korscheit, herstammen, ist niclit zu bezweifeln. Bei einigen liegt diese Herleitung auf der Hand, so bei Ophrydium versntile, dessen Individvien wie bei andern peritrichen Infusorien auf stark verzweigten Stielen sitzend über die Oberfläche der durch eine mächtige Gallertmasse zusammen- gehaltenen Kolonie hervorragen (Fig. 22). So werden diese kugel- förmigen oder unregelmäßig geformten, höchst umfangreichen Kolonien herumgetrieben, sitzen aber auch gelegentlich an Pflanzenteilen fest (Fig. 225 und C), während die halbkugelförmigen Kolonien andrer Ophrydien [0. Eichhonii und 0. sessile, Fig. 22 D und E) wie die Stöcke verwandter Peritrichen noch auf das Festsitzen eingerichtet sind. Hier . liegt also die Erlangung der freien Lebensweise seitens der Kolonie klar zutage, wie, übrigens gelegentlich auch die Stock chen andrer Peri- trichen, z. B. die stark verzweigten Kolonien von Zoothamnium von der Unterlage abgelöst in anscheinend selbständiger Bewegung frei schwimmend angetroffen werden. — Ganz ähnliche Verhältnisse des Übergangs zur festsitzenden Lebensweise und Koloniebildung auf un- geschlechtlichem Wege mit nachheriger Wiederannahme freier Beweg- lichkeit kommen auch bei den Metazoen vor und sollen weiter unten (S. 449) noch Berücksichtigung finden. Bei der Koloniebildung der Protozoen handelt es sich um die Beeinflussung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung in bestimmten "Richtungen, wie sie durch die Lebensverhältnisse gegeben und verhält- nismäßig leicht zu beurteilen sind. Die durch Teilung auseinander hervor- gegangenen Individuen bleiben infolge der nicht völlig durchgeführten Trennung in dauerndem organischen Zusammenhang oder durch ir- gendwie abgeschiedene Substanzen in einer mehr losen Vereinigung. Jedenfalls ordnen sich die einzelnen Individuen in größerer oder ge- ringerer Entfernung nebeneinander an. Wenn die neuen Individuen als kleine rundliche Vorsprünge am Mutterkörper gebildet werden, wie es bei den Suctorien geschieht, so ist es ein Knospungsprozeß, der zur Koloniebildung führt. Als solche Knos- pen entstehen auch bei den einzeln lebenden Suctorien die Sprößhnge, die sich dann vom Muttertier ablösen (Fig. 23 Ä und B) und nachdem sie die ihnen zukommende Bewimperung verloren, sowie Saugfüßchen ausgebildet haben, zu echten Suctorien werden. Hiei^bei ist nun von besonderem Interesse, daß es außer dieser äußeren noch eine innere Knospung gibt. Sie besteht darin, daß in einer durch Einstülpung von außen her entstandenen Höhlung des Körpers ein ebenfalls bewimperter Sprößling gebildet wird, der dann durch die Einstülpungsöffnung nach außen hervortritt (Fig. 23 C — E) und sich im übrigen so verhält, wie Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 437 jene äußeren Sprößlinge, die ebenfalls bewimpert sein können. Wie die äußere Knospung auf einen Teilungsvorgang, so ist die innere jeden- falls auf die äußere Knospung zurückzuführen, wie dies schon aus BüTSCHLis und R. Hertwigs älteren Darstellungen (1876) zu entnehmen ist. Unter dem Einfluß veränderter Lebensbedingungen wurden die sich bildenden Knospen allmählich etwas in die Tiefe versenkt und schließlich ganz ins Innere verlagert, wo ihre Ausbildung gewiß un- gestörter verlaufen kann. Dementsprechend ist auch die Verlageiung nach innen bei den einzelnen Formen keine gleich ausgeprägte, was Fig. 23. A Äußere Knospung von Euphelota {Podophrya) gemmipara nach E. Hertwig, B Sprößlinge da- von mit Saugfüßclien, C — D innere Kospung und E freigewordener, wimpernder Sprößling von Tocophrya quadripartita, hinter der Einstülpungs- und Ausgangsöffnung der Sprößlinge, in wel- chen sich ein Fortsatz des Kernes erstreckt (C) nach BütsChli. sich z. B. darin äußert, daß (bei Dendrocometes) die Knospe schon ziem- lich früh an die Oberfläche treten kann, wenn sie von ihrer Ausbildvmg noch recht w^eit entfernt ist. Dabei verstreicht die Einstülpung und die Knospe wird nachträglich zu einer äußeren, wie sie es bei andern Suctorien von Anfang an war. Welchen Einfluß die wechselnden Lebens- bedingungen auf diese Verhältnisse haben, dürfte daraus zu entnehmen sein, daß bei den Suctorien unter Umständen, so z. B. wenn dem auf den Kiemenblättchen des Gammarus sitzenden Dendrocometes infolge der eintretenden Häutung des Krebses der Unterpang droht, durch 438 E. Korscheit, Einziehen der Tentakel, Abrunden des Körpers und Loslösen von der Unterlage, sowie Ausbildung einer Bewimperung der Übertritt auf die Kiemenblättclien des gehäuteten oder eines andern Wirtstiers ermög- licht wurde. Dieses Verhalten erinnert an dasjenige der für gewöhnlich ebenfalls an die Unterlage gefesselten Vorticelliden, deren einzelne Individuen in der Lage sind, den ihnen früher zukommenden unteren Wimperkranz wieder zu entwickeln, um sich von ihrem Stiel loszulösen und frei schwimmend einen andern Wohnort aufzusuchen. Die Ablösung vom Stiel kommt bei den Vorticelliden noch in andrer Verbindung vor, nämlich beim Auftreten der geschlechtlichen Fort- pflanzung, von der schon vorher (S. 425) kurz die Rede war. Die Mlcro- conjuganten lösen sich ab und erlangen mit der Ausbildung des unteren Wimperkranzes freie Beweglichkeit zum Aufsuchen des Macroconju- ganten. Die kleinen als Microconjuganten zu bezeichnenden Individuen entstehen durch rasch aufeinander folgende Teilungen, bei denen der Ausgleich des Größenunterschiedes durch Wachstum unterbleibt: sie sind auch durch Modifikation des Peristomfeldes von den übrigen Individuen unterschieden, während dies für die Macroconjuganten, mit denen sie später verschmelzen, nicht zutrifft. Man erkennt also auch hier eine direkte Beeinflussung der Fortpflanzungszustände durch die Lebensverhältnisse, wie dies für den Wechsel zwischen Monogonie und Amphigonie im allgemeinen für die Protozoen gilt. Inwiefern sie für das Auftreten und die Ausbildung der geschlechtlichen Fortpflanzung in Betracht kommt, kann freilich hier nicht näher untersucht werden, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß sie eine wichtige Rolle dabei spielt. Von den Fortpflanzungskörpern ausgehend, welche in verschie- denen Metazoengruppen die Einflußnahme bestimmter Lebensverhält- nisse auf die Art der Fortpflanzung in besonders deutlicher Weise er- kennen lassen, kamen wir auf ähnliche Verhältnisse bei den Protozoen zu sprechen und stellten fest, daß auch bei ihnen eine Beeinflussung der Fortpflanzung durch die wechselnden Lebensumstände unschwer zu erkennen ist. Besonders ist es der Übergang zur festsitzenden und parasitischen Lebensweise, welcher zur Abänderung der vorhandenen oder Einführung neuer Fortpflanzungsarten nötigt. Darauf wurde schon vorher bei Behandlung andrer auf die ungeschlechthche Fort- pflanzung der Metazoen bezüglichen Punkte mehrfach hingewiesen. Von dem Parasitismus bei Metazoen und seinem Einfluß auf die Fortpflanzungswcise kann hier nur einiges Charakteteristische heraus- Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 439 gehoben werden. So bieten von den niederstellenden Metazoen (Cölen- teraten) das Polypodium und die Cuninen recht lehrreiche Beispiele. Die Fähigkeit zur Knospenbildung ist zwar sowohl bei den Polypen wie bei den Medusen vorhanden, nimmt aber bei dem genannten, unter sehr eigenartigen Verhältnissen, nämlich in den Eiern des Sterlets lebenden Polypen eine recht eigentümliche Form an, indem die Planula zu einem umfangreichen Schlauch auswächst, an welchem den be- schränkten Raumverhältnissen entsprechend die Polypen in einer vom gewöhnlichen Verlauf der Knospung stark abweichenden Weise ge- bildet werden. Ahnliches gilt für die in andern Medusen schmarotzenden Narcomedusen, bei welchen die Larve ebenfalls schlauchförmig aus- wächst und, ehe sie sich noch zur Meduse umwandeln kann, an diesem »Stolo« in zum Teil höchst eigenartiger Weise zahlreiche Medusen- knospen hervorbringt. In den angeführten beiden Fällen, die sich noch vermehren ließen, liegt die Einwirkung der parasitischen Lebensweise auf der Hand, ebenso wie dies für die Würmer eine bekannte Tatsache ist. Wenn sonst freilebende Plathelminthen ausnahmsweise zum Parasitismus übergehen, so treten an ihrem Körper dafür geeignete Um- und Rück- bildungen auf, z. B. bringt das dendrocöle Turbellar Bdelloura für seinen \ Aufenthalt am Körper des Limulus am Hinterende einen großen Saugnapf zur Ausbildung oder die Rhabdocölide Fecampia verliert infolge ihres entoparasitischen Lebens (in der Leibeshöhle von Krabben) Mund- und Darmkanal. Das sind Beeinflussungen der Körperorgani- sation, die bei den Trematoden noch weit größeren Umfang annehmen und bei den Cestoden ihren Höhepunkt erreichen. Zieht man diese sehr beträchtlichen Veränderungen der Körperorganisation durch die para- sitische Lebensweise in Betracht, so ist es begreiflich, daß auch die Art der Fortpflanzung dadurch mit betroffen wird. Die Trematoden kommen allerdings hier insofern weniger in Frage, als es sich bei ihnen augenscheinlich nur um die Überführung rein geschlechtlicher in partheno- genetische Fortpflanzung, also um eine Modifikation der ersteren han- delt (vgl. oben S. 397). Darüber, daß dies eine Folge des parasitischen Lebens ist, kann nach den außerordentlich weitgehenden Veränderungen in der Organisation der Geschlechtstiere in den aufeinander folgenden Generationen kein Zweifel obwalten. Dabei braucht noch nicht ein- mal an die geradezu ausschweifende Form der Keimschläuche eines Leucochloridium paradoxum [Distomum tnacrostomum) gedacht zu werden, die von der ursprünglich runden Form zur Bildung von Aus- läufern übergehen, um allmählich starke Verzweigungen zu bilden und i40 E. Korscheit. sich durch einen erheblichen Teil des Körpers ihres Wirtstiers {Succinea) zu erstrecken (Fig. 245). Die verschiedentHch angegebene Tatsache, daß die Sporocysten der Trematoden sich durch Teilung vermehren können, wird durch solche Ausläufer bildende Formen wie das Leucochloridium oder andre sich zwar weniger stark verzweigende, aber lang gestreckte, aus dün- nen Gewebssträngen mit knotigen Anschw^ellungen bestehende Keim- schläuche (Sporocyste von Distomum clavigerum, Fig. 2iA) recht wahr- scheinlich. Daß derartige Ge- B (7 o 4 (^ ^m^ •o Fig. 24. Ä Ein Stück des Keimschlauchs (Sporocyste) von Di- stomum clavigerum, B einige Ausbildungszustände des Leucochloridium von der runden Sporocyste bis zu der stark verzweigten Form (nacli Leuckart und Haecker). staltsveränderungen zur Ab- schnürung von Teilstücken führen könnte, liegt sehr nahe, doch Avird die Durch- schnürung der Keimschläuche zur Bildung selbständiger Teil- stücke auch von gewöhnlichen schlauchförmigen Sporocysten angegeben. Man wird kaum darüber im Zweifel sein, in dem auffallenden Verhalten dieser Keimschläuche eine Folge ihrer parasitischen Le- bensweise und der durch sie herbeigeführten starken Ver- einfachung der Organisation zu sehen. Die fertig ausgebildeten Trematoden, d. h. die zweigeschlechtigen Tiere, vermehren sich niemals auf ungeschlechtlichem Wege, dagegen kommt diese Fähigkeit bekanntermaßen den Turbellarien zu, so daß ihr Wiederauftreten in der Jugendperiode der Trematoden daraus immerhin erklärlich wäre. Den noch weit höher differenzierten Cestoden ist die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung keinesfalls abzusprechen, wenn sie auch bei ihnen allerdings nur in recht beschränktem Umfang auftritt. Die Ver- hältnisse liegen bei ihnen so, daß offenbar nur ein durch die Lebensweise der Jugendformen hervorgerufener Wiedererwerb dieser bis dahin zurück- getretenen Eigenschaft in Frage kommt. Die Cysticercen erlangen die Fähigkeit, nicht nur einen, sondern auf ganz dieselbe Weise einen zweiten und noch mehrere oder sogar viele Scoleces auszubilden. Da jeder dieser Scoleces später einen geschlechtsreifen Bandwurm, d. h. ein selbständiges Individuum liefern kann, so ist an ihrer Entstellung duich eine Art 2um Wesen der nngeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 441 Knospungsprozeß und also am Vorhandensein eines echten Generations- wechsels bei den betreffenden Cestoden nicht zu zweifeln, wenn auch die völlige Übereinstinnnung in der Entstehung der zahlreichen am Cysticercus auftretenden Scoleces mit dem einen der Metamorphose des Bandwurms angehörenden Scolex von jeher gewisse Bedenken erregte. Insofern ist die mit der Bildung neuer Scoleces verbundene Teilung des Blasen wurms (Fig. 26 B) oder die Abschnürung knospen- artig gebildeter Blasen vom Cysticercus (Fig. 25 A) noch überzeugender, wie man sie von einer Anzahl Bandwürmer kennt {Cysticercus longi- ^Gollis, C. 'pisiformis, C. botryoides u. a.). Ob die Tochterblasen dabei nach außen oder innen an der Wand der Mutterblase gebildet werden, wie dies von Taenia echinococcus und T. coeneurus bekannt ist, macht keinen grundlegen- den Unterschied. Die Haupt- sache ist, daß in den Blasen neue Scoleces entstehen, deren Zahl bei einigen von ihnen eine recht große wer- den und bei den genannten Cestoden in die Hunderte (Tausende und mehr beim Echinococcus) gehen kann. Die große Schwierig- keit in der Erlangung des geschlechtsreifen Zustandes wie des endgültigen Wohnortes machte in diesen Fällen offenbar die Vermehrung auf einem früheren Entwicklungszustand wünschens- i wert und führte zur Annahme der ungeschlechtlichen Fortpflanzung '' seitens des Blasenwurms. Dieser erlangte dann einen solchen außer- ordentlichen Umfang, nachdem für die in recht bedrängten Raum- verhältnissen innerhalb der Organe des Wirtstieres lebende Finne die Möglichkeit der Ausbildung von Tochterblasen und Scoleces in den Innenraum der Blase gegeben war. Die Einwirkung der Lebensverhältnisse des Parasiten auf die ganze Entwicklungs- und Fortpflanzungsweise liegt also bei den Cestoden besonders klar zutage und sie wird noch deuthcher, wenn man die hier allerdings nicht zu behandelnden morphologischen Abänderungen in Zeitsehrift f. wi^spiisch. Zoolosie. CXVIT. Bd. « 29 Fig. 25. Cysticercus longicoUis von Taenia crassiceps. A mit einer, B mit zalilreiohen größeren und Icleineren Anhangsblasen, in denen später Scoleces zur Ausbildung kommen, deren Anlage in den beiden Blasen von B vorhanden ist (nach BOTT). 442 1^- Korscheit, Betracht zieht, wie sie in der Ausbildung des Cysticercus gegeben und der Sporocystengeneration der Treniatoden nicht unähnhch sind. Der letztere Vergleich liegt abgesehen von der nahen Verwandtschaft beider Gruppen insofern nahe, als für die Ausbildung jener höchst einfach gestalteten Keirnschläuche ebenfalls die durch Raummangel beengte Lage in Geweben und Organen von andern Tieren in Betracht kommt. Dabei ist es von großem Interesse zu sehen, wie verschiedenartig bei diesen im System so wenig voneinander entfernten Gruppen die Fort- pflanzung beeinflußt wird, indem es bei den einen zu einer Abändenmg der ihnen eigenen geschlechtlichen Fortpflanzung, bei den andern jedoch zur Erzeugung einer größeren oder geringeren Anzahl von In- dividuen auf ungeschlechtlichem Wege kommt. Nach welcher Rich- tung die Beeinflussung eine stärkere ist, dürfte schwer zu entscheiden sein, denn wie schon bemerkt, erfolgt die Bildung der mehrfachen Scoleces ganz so wie diejenige des in der Einzahl vorhandenen, im Lauf der Metamorphose entstehenden, so daß dieser letzte Vorgang einfach eine Wiederholung erfährt und sein Zustandekommen wenigstens in dieser Hinsicht keine Besonderheit darstellt. Der Bandvvurmkörper zeigt sich so ziemlich in jeder Beziehung durch die parasitische Lebens\veise beeinflußt. Dies gilt sowohl für den Scolex mit seinen Haftapparaten, wie für die Fähigkeit zur Pro- glottidenbildung, ferner für die Beschaffenheit der Glieder selbst, d. h. die Eigentümlichkeiten ihres Baues, das Fehlen des Darmkanals usf. Dazu gehört auch die »Selbständigkeit des Genitalapparates in den ein- zelnen Proglottiden und ihre Fähigkeit, sich vom übrigen Körper ablösen und eine gewisse Zeit frei leben zu können. Die vielfach ge- machte Annahme, daß es sich hierbei nm eine tatsächliche Individualität der Glieder und somit um ihre Entstehung auf ungeschlechtlichem Wege handele, weshalb die Bandwurmkette als Tierstock und nicht als einheitliches Individuum aufzufassen sei, lag zum mindesten sehr nahe und ist ja auch bis in unsre Tage hinein immer wieder verfochten worden. Sie lag um so näher, als man die Entstehung mehrfacher Scoleces am Blasenwurm kennen lernte und für ungeschlechtliche Fort- pflanzung erklären mußte, was in Verbindung damit wieder dazu ver- anlaßte, den ganz entsprechenden Vorgang der einfachen Scolexentwick- lung am gewöhnlichen Cysticercus schließlich ebenfalls als einen Akt der ungeschlechtlichen Fortpflanzung anzusehen. Dann würde also in der Lebensgeschichte der eine Gliederkette bildenden Cestoden eine zweimalige Monogonie, die Entstehung des Scolex am Cysticercus und diejenige der Proglottiden am Scolex auftTcten, mit denen dann erst Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 443 die eigentliclie Gesclileclitsgcneratioii erreicht wäre. Wenn man sich auch dieser Auffassung aus verschiedenen, der Morpliologie und Ent- wickhingsgeschichte der Cestoden entnommenen, hier unmöghch näher zu behandelnden Glründen nicht anschließen kann, so läßt sie doch in besonders deutlicher Weise die Beeinflussung des gesamten Entwick- lungsganges durch die Lebensweise hervortreten und erkennen, wie der Schritt zur Hinüberleitung auf das Gebiet der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ohne große Schwierigkeit getan werden könnte und zum Teil bereits getan worden ist. Durch eine Anzahl von Beispielen aus verschiedenen Abteilungen des Tierreichs sollte gezeigt werden, wie infolge der parasitischen Lebens- weise die ungeschlechtliche Fortpflanzung verändert, in ihrem Auf- treten modifiziert, zu neuem Hervortreten veranlaßt oder überhaupt erst hervorgerufen werden kann. Freilich muß wohl die ererbte An- lage zur Ausführung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung vorhanden sein, denn wir kennen zahlreiche Parasiten aus einer Keihe andrer Abteilungen des Tierreichs, Mollusken und besonders Arthropoden, deren Organisation eine sehr starke Beeinflussung durch die schma- rotzende Lebensweise verrät und bei denen trotzdem von einem Über- gehen zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung nicht die Rede sein kann. Es sei nur an die zu bloßen Geschlechtssäcken gewordenen Lernaen oder an die parasitischen Cirripedien {Sacculina, Peltoyaster) und Iso- poden (Bopyriden und Entoniaciden) erinnert, bei denen trotz der weitgehenden Vereinfachung der Organisation ebensowenig wie bei vielen andern parasitischen Arthropoden irgendwelcher Versuch zur Abänderung der Fortpflanzungsart gemacht wird. Übrigens ge- schieht dies auch nicht nach der Richtung einer Modifikation der ge- schlechtlichen Fortpflanzung, obwohl die Parthenogenesis sonst keine gerade seltene Erscheinung bei den Arthropoden ist und ihnen also eine Hinneiguno; dazu von vornherein zugeschrieben werden darf. Ebensowenig zeigen die parasitischen Mollusken irgendwelche Abänderung der ihnen stets eigenen geschlechtlichen Fortpflanzung. Nun ist allerdings bei ihnen die schmarotzende Lebensweise überhaupt wenig verbreitet; immerhin erfahren einzelne parasitische Schnecken, wie Entocolax und besonders Entoconcha durch sie eine so weitgehende Abänderung ihrer ganzen Organisation, daß sie schließlich ebenfalls nur als bloße Geschlechtsschläuche erscheineni, in deren Beschaffenheit kaum noch etwas an die Zugehörigkeit zum Molluskenstamm erinnert und diese eigentlich nur noch durch die Entwicklungsgeschichte verraten wird. Auf die Art und Weise ihrer Fortpflanzung scheint dies alles, 29* 444 . E. Korschelt, soweit bekannt ist, keinerlei Einfluß auszuüben. Mollusken wie Arthro- poden haben offenbar die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fort- pflanzung gänzlich verloren, wie dies auch für die AVirbeltiere gilt, während die doch ebenfalls recht hochstehenden Tunicaten diese Fähig- keit nicht nur bewahrt, sondern sogar zu hoher Ausbildung gebracht haben und recht weitgehenden Gebrauch davon machen. Freilich dürften es bei ihnen ganz andre Ursachen sein, w^elche dazu führten, nämlich die mit der festsitzenden Lebensweise verbundenen Ein- wirkungen. Die letzteren ließen diese Art der Fortpflanzung von neuem aufleben und zu reicher Verwendung kommen, so daß sie auch dann noch eine wichtige Rolle spielte, als die festsitzende zugunsten der frei- schwimmenden Lebensw^eise aufgegeben wurde. Dabei konnte aber die Koloniebildung und somit schon deshalb die Monogonie festgehalten werden. Hiermit gelangen wir -freilich auf ein andres die Ai't der Fort- pflanzung stark beeinflussendes Gebiet, nämlich zur Annahme der fest- sitzenden Lebensweise. Das ist ein für die Auffassung des Ganzen ungemein wichtiger Punkt, der deshalb im vorhergehenden schon v/iederholt berührt werden mußte und von A. Lang in seiner bekannten Arbeit behandelt wurde, so daß er hier nur kurz und in einer seiner Bedeutung längst nicht entsprechenden Weise herangezogen werden soll. Festsitzende, sich durch Teilung oder Knospung vermehrende und infolgedessen zur Stockbildung neigende Formen finden wir wie in den verschiedenen Abteilungen der Protozoen (vgl. oben S. 434), bei den Poriferen, Cölen- teraten, Bryozoen, Pterobranchiern und Tunicaten. Was zur Annahme dieser von vornherein wenig günstig erscheinenden Lebens- und Fort- pflanzungsweise führte, war wohl in den meisten Fällen die Erlangung eines besseren Schutzes, sowie günstigerer Ernährungsverhältnisse. Wenn ein Tier an einem verhältnismäßig geschützten Ort sitzen bleiben kann, ohne daß ihm die Nahrung mangelt, diese ihm im Gegenteil reichlich zufließt, so ist es begreiflich, daß es am besten dort verharrt, bis es zur Fortpflanzung schreitet und danach trachtet, diese so zu ge- stalten, daß auch den Nachkommen die gleichen Vorteile zufallen. I^etzteres ist am ehesten auf dem Wege der ungeschlechtlichen Fortpflan- zung zu erreichen, und ist die Fähigkeit dazu vorhanden, so sieht man die betreffenden Tiere alsbald diesen Weg beschreiten und unter Be- nützung ihres Teilungs- oder Knospungsvermögens Kolonien bilden. Für einen schließlich wieder nötig werdenden Wechsel des Aufent- haltsortes sorgen dann die geschlechtlich erzeugten freisch-wimmenden Larven oder einzelne Lidividuen des Stockes, welche sich von ihm Zum Wesen der unge.^chleclitliclien Fortpflanzung usw. 445 loslösen und den in ihnen entstehenden Geschlechtszellen oder den aus ihren Eiern hervorgehenden Larven die nötige Verbreitung schaffen. Neben sessil gewordenen und knospenden Tieren sieht man nahe Ver- wandte frei leben; ihnen standen offenbar andre Hilfsmittel zu Gebote, welche die Annahme der festsitzenden Lebensweise und Stockbildung unnötig machten. Gewisse sich durch Monogonie fortpflanzende, aber keine oder doch keine eigentlichen Kolonien bildenden Tierformen leiten zu der echten Stockbildung hinüber. Wir denken dabei zunächst weniger an die größtenteils festsitzende, aber doch die Fähigkeit zur freien Orts- bewegung bewahrende Hydra, welche infolge der Knospenbildung vor- übergehend Stöckchen erzeugt. Gewiß wird der Übergang zur Ötock- bildung bei diesen Tieren ein ähnlicher gewesen sein, d. h. er war wohl mit der Ausbildung des Knospungsvermögens imd Erlangung eines basalen Haftapparates unter vorläufigem Bewahren der freien Beweg- lichkeit verbunden. — Anderseits geben dafür, me die Fähigkeit zur Stockbildung erlangt werden kann, ohne daß diese eigenthch erreicht Avird, die Anneliden ein anschauliches Beispiel. In Verbindung nüt dem Regenerationsvermögen und der ungeschlechtlichen Fortpflanzung kommt es bei ihnen zur Ablösung von Körperpartien oder durch Teilung entstandener neuer Individuen. Diese sind hinsichtlich ihres Be- wegungsapparates weit besser ausgerüstet als die übrigen Körper- strecken, weshalb sie weiter herumschwärmen und den in ihnen ent- haltenen Geschlechtsprodukten eine größere Verbreitung schaffen können. Die Euniciden, Eunice viridis, der samoanische Palolowurm, wie der japanische Palolo {Geratocephala osawai), aber auch andre Polychäten imd besonders die Syllideen bieten dafür ausgezeichnete Beispiele, zumal bei den letzteren das Teil ungs vermögen in eine Art (ventro-terminaler und lateraler) Knospung übergeht (Koeschelt- Heider, Entwicklungsgeschichte, Allg. Teil, S. 607 — 623). Im Zusammenhang damit interessiert hier besonders die Lebens- weise dieser Würmer, von denen einige unter sehr beengten Verhält- nissen leben und dadurch zum Aussenden jener »Schwimmknospen« geradezu genötigt werden. So wohnt der samoanische Palolowurm in den Kanälen der Korallenblöcke, Haplosyllis spongicola dagegen im Kanalsystem von Schwämmen, was auch für die sich in diesem ver- zweigende Syllis ramosa gilt. Die Geschlechtsknospen werden gewöhn- lich am Hinterende des Körpers, ausnahmsweise wie bei Syllis ramosa auch seitlich von ihm abgeschnürt. In beiden Fällen ist das Vorder- ende mit dem des Stammtiers gleich (also auf dessen Körper zu) ge- 446 E. Kovsclielt, richtet, woraus hervorgeht, daß diese Art der Teihmg oder Knospung ähnUch wie bei der sogenannten terminalen Knospung (Teilung) der Scyphopolypen zu einer dauernden Stockbildung nicht führen kann. Nun sind aber Anneliden mit zwei Köpfen bekannt, woraus zu schließen ist, daß nicht nur eine Verzweigung des hinteren Körperendes möglich ist, sondern daß auch eine solche des Vorderendes erzielt werden könnte, in welchem Fall der wirklichen, dauernden Stockbildung nichts mehr im Wege stände. Bemerkenswert ist, daß das besonders charakte- ristische Verhalten der Syllis ramosa durch den Aufenthalt in dem verzweigten Kanalsystem von Schwämmen (Hexactinelliden) hervor- gerufen wird, also durch eine Lebensweise, die zwar nicht eigentUch als parasitische zu bezeichnen ist, 'ihr aber jedenfalls sehr nahe kommt. Bei frei lebenden Tieren muß sich der Übergang zur Stockbildung natürlich in andrer Weise äußern. Während bei den Spongien die Knospung zur Herstellung massiger flächenhaft ausgebreiteter oder im besten Falle wenig verzweigter Kolonien führt und diese infolge der Wasserdurchleitung in dem weit verzweigten, durch den ganzen Körper ausgebreiteten Kanalsystem den an die Ernährung der Individuen zu stellenden Anforderungen völlig genügen und ähnliches auch für die wieder in ganz andrer Weise die Wasser- und Nahrungszufuhr besorgenden Ascidienstöcke gilt, herrscht bei den festsitzenden Stöcken der Hydroidpolypen, Anthozoen, Bryozoen und Pterobranchier die entschiedene Neigung zu weitgehender Ausbreitung vor, sei es, daß diese durch Verzweigung, Aussenden von Ausläufern oder auf welche Weise immer erreicht wird. Dem Schutz- bedürfnis wird dies freilich recht wenig entsprechen, denn eine der- artige stark verzweigte Kolonie ist sicher weit größeren Gefahren ausgesetzt als eine andre, die sich nicht beträchtlich oder jedenfalls nicht durch frei hervorragende Teile über ihre Unterlage erhebt. Aber der Vorteil eines besseren Nahrungserwerbs überwiegt hier jeden- falls die mit der weiteren Ausbreitung der Kolonie verbundenen Nach- teile, denn die reiche Verzweigung des Stockes, das Erheben über die Unterlage durch einen Stiel oder andre derartige Einrichtungen er- leichtern die Ausnützung der Strömungs- und Zufuhrverhältnisse. Dejn Wasserstrom wird eine möglichst große Fläche dargeboten und dadurch der Nahrungserwerb verbessert. Dies kommt dem Wachs- tum des Stockes zugute, die Individuenzahl vermehrt sich und mit dem Umfangreicherwerden der Kolonie können sich jene Vorteile nocli verstärken. Besonders günstig ist die in den Kolonien bestehende Einrichtung, Zum Wesen der imgpsrhlechtliclien Fortpflanzung usw. 447 daß die von den Einzeltieren erworbene Nalining nicht nur ihnen, sondern bis zu einem gewissen Grade auch den andern Individuen der Kolonie zugute kommt. Dazu ist in der Kolonie die Raumausnützung zweifellos eine weit bessere, als wenn zahlreiche Individuen derselben Art in demselben Bezirk frei nebeneinander lebten. In den meisten Fällen, zumal bei den verzweigten Stöcken, ist die Unterbringung der gleichen Anzahl frei lebender Individuen in dem Raum, welchen die Kolonie einnimmt, von vornherein unmöglich, da sie ohne die durch den Stock gewährte Stütze nicht in geeigneter Orientierung aufgestellt werden könnten und der durch die Unterlage gebotene Raum dafür längst nicht ausreichend wäre. Sind also an einer Ortlichkeit, die einiger- maßen Schlitz bietet, besonders günstige Ernährungsbedingungen vor- handen, so erscheint die Stockbildung sicher als eine für die Erhaltung der betreffenden Tierart recht vorteilhafte Einrichtung, w-elchen starken Gefahren auch im übrigen die festsitzenden gegenüber den frei schwim- menden Tieren ausgesetzt sein mögen. Eine weitgehende Anpassung an die festsitzende Lebensweise führt durch fortgesetzte Differenzierung der Individuen des Stockes zu dessen weiterem Ausbau und damit zu seinem besseren Gedeihen, wie die durch Umwandlung von Einzel- tieren entstandenen Einrichtungen für Ernährung, Bewegung, Festigung, Schutz, Verteidigung und Fortpflanzung des Stockes dies deutlich erkennen lassen. Auf diese sowohl bei den niederen (l-fydroiden, Si- phonophoren, Anthozoen) wie höheren stockbildenden Tieren (Bryozoen, Timicaten) vorhandenen Erscheinungen des Polymorphismus und der Arbeitsteilung soll hier nicht eingegangen, sondern nur darauf hinge- wiesen werden, daß auch sie die engen Beziehungen zwischen Fort- pflanzung und Lebensbedingungen deutlich hervortreten lassen. Die Fähigkeit zur Stockbildung ist nun aber nicht immer mit der festsitzenden Lebensweise verbunden, sondern wir kennen freibewegliche Stöcke von Hydroidpolypen, Bryozoen und Tunicaten, ganz abgesehen davon, daß gewisse Tiere, wie die Siphonophoren und Pyrosomen, sich ausschließlich nach dieser Richtung entwickelten. Die Frage nach dem Zustandekommen der freilebenden Stöcke ist nicht immer leicht zu beantworten, wie die durch Jahrzehnte sich hinziehenden Erörterungen über die Herkunft der hoch differenzierten und in so ausgezeichneter Weise polymorphen Siphonophorenstöcke, d. h. ihre Ableitung von knospenden Medusen oder Polypen gezeigt haben. Das Vorhandensein von beiderlei Individuen (Polypen und Medusen) an ihnen, die doch wohl mangelnde Fähigkeit der Hervorbringiing von Polypen durch Medusen auf dem Wege der Knospung, sov/ie das Auftreten frei schwim- 448 E. Korschelt, mender Hydroidenstöckchen {Margelopsis und Pelagohjdra) dürfte den Ausschlag nach der Seite geben, daß knospende Polypen den Aus- gangspunkt jener eigenartigen Organismen bildeten. In auffallender Weise zeigen die am freischwimmenden 8iphono- phorenstock auftretenden Differenzierungen eine gewisse Überein- stimmung mit denjenigen am festsitzenden Hydroidenstöckchen, woraus auf eine gemeinsame phylogenetische Entwicklung beider, d. li\ darauf geschlossen werden kann, daß Hydroidenstöcke als solche von ihrei festsitzenden zur freischwimmenden Lebensweise übergingen. Diesi,' Annahme wird jedenfalls durch die beiden vorerwähnten frei schwim- menden Hydroidenstöckchen bestätigt, während die (ob primär oder sekundär?) kaum differenzierte, vorübergehend Stöckchen bildende, nocli frei bewegliche, wenn auch für gewöhnlich festsitzende Hydra nach dieser Richtung kaum verwendbar wäre. Die größere Wahrscheinlich- keit spricht also bei den Siphonophoren wie bei den Cölenteraten über- haupt für die Entstehung auch der frei beweglichen Stöcke durch die festsitzende Lebensweise, unter deren Einfluß jene Differenzierung des Stockes hauptsächlich erzielt wird, um dann (bei den Siphonophoren) während des freien Lebens noch eine viel weitergehende Ausgestaltung zu erfahren. Die einigen Bryozoenstöckchen eigene verhältnismäßig geringe freie Beweglichkeit wird man ohne Bedenken darauf zurückführen, dal.J die Stöckchen, nachdem sie bereits ihre charakteristische Ausbildung als solche erlangten, die Fähigkeit zu der im ganzen recht bescheideneu Ortsbeweglichkeit wieder annahmen. So kommt den unlängst aus ck^i Statoblasten hervorgegangenen jungen Stöckchen von Lophopus und anscheinend auch denen von Pectinatelh eine gewisse, aber offenbar nur recht geringe Beweglichkeit zu (Kraepelin). Dies könnte der An- fang zur Erlangung jener Ortsbewegung sein, wie sie den band- oder wuj-mförmigen Kolonien der Cristatella zumal im jugendlichen Zustand eigen ist, aber mit dem Wachstum und Alter immer mehr zurücktritt. Bei den Tunicaten, deren Organisation vollständig unter dem Einfluß der festsitzenden Lebensweise steht, wird man kaum im Zweifel sein, daß auf diese auch die Stockbildung zurückzuführen ist und daß also die frei schwimmenden Kolonien der Pyrosomen und Salpen von festsitzenden Verwandten herzuleiten sind. ^Die Ascidien, welche sich ihres hauptsächlichsten Locomotionsorganes, des chordaführenden Schwanzanhangs, sehr bald entäußerten und dadurch an^die Untei- lage gebunden wurden, gingen zur Vermehrung auf ungeschlechtliche) u Wege über. Diese wurde bei ihnen eine ungemein vielseitige und führte Zum Wesen der iingeschleelitlielien Furtpflanzung usw. 449 oewiß schon sehr früh zur tStockbihlunt;'. Ähnlich wie bei den vorher erwähnten koloniebildenden Tieren ist anzunehmen, daß die festsitzend gewordenen zur Knospung und Stockbildung befähigten Manteltiere sich von neueui einem frei schwimmenden Leben zuwandten und die Fähigkeit zur Koloniebildung beibehielten, wenn es nicht die Stöcke selbst waren, welche sich aus irgendwelchen, jetzt kaum mehr fest- zustellenden Anlässen von der Unterlage lösten und zu einer anfangs kriechenden, später freier werdenden Art der Fortbewegung iiber- "ins-en. Gewisse, ihnen eigen gebliebene Einrichtunoen, welche sicher mit der Annahme der festsitzenden Lebensweise zur Ausbildung gelangt waren, wie die Art der Wasserzufuhr und -abgäbe, sprechen durchaus für eine derartige Auffassung ; sie erfuhren nur einige, mit der nun- mehrigen freien Beweglichkeit* der Kolonie in Beziehung stehende Abänderungen ^ . Bei den frei schwimmenden sowohl wie bei den festsitzenden Kolo- nien zeigt sich die Art der Fortpflanzung im engsten Zusammenhang mit der Lebensweise und es ist von ganz besonderem Interesse, daß sich diese Vorgänge bei Vertretern ganz verschiedener Abteilungen des Tierreichs in einer anscheinend recht übereinstimmenden Weise wieder- holen. Dies wurde hier für die Tunicaten, Bryozoen und Cölenteraten als recht wahrscheinlich erwiesen und dürfte sich bei einer Reihe von Protozoen ganz ähnlich verhalten, worauf schon früher hingewiesen wurde (S. 434 ff.). Erwähnenswert ist dabei, daß sich die auf ganz ab- weichende Weise zustande kommenden Kolonien andrer Tierformen offenbar entsprechend verhalten, v.'ie das Beispiel der Rädertiere zeigt. Viele Rotatorien heften sich bekanntermaßen mit ihrem Hinter- ende zeitweise oder dauernd fest und manche, wie Megalotrocha und Lacmularia socialis tun dies dicht nebeneinander, so daß die aus zahl- reichen Individuen bestehenden Gruppen gebildet und durch die aus- schlüpfenden, sich dazwischen hineindrängenden Jungen immer noch vergrößert werden. Es ist anzunehmen, daß solche an Pflanzenteilen oder derartigem festsitzende Rädertiergruppen zur Bildung der frei- schwimmenden kugligen Kolonien des Conochilus volvox führten, deren zahlreiche Individuen von einem gemeinsamen Mittelpunkt ausstrahlen, 1 Eingehenderes darüber findet sich im speziellen und allgemeinen Teil unsres Lehrbuches der Vergl. Entwicklungsgeschichte. Mit der Frage nach der Entstehung des Generationswechsels im Hinblick auf die festsitzende und frei- schwimmende Lebensweise beschäftigt sich außer A. Lang sowohl bei den Tuni- caten, wie bei andern Tierformen C. Gkobben in seiner Arbeit über Doliolum und dessen Generationswechsel, 450 E. Korscheit, WO sie durch Sekretmassen vereinigt, lose aneinander haften. Auch hier drängen sich die aus den Eiern hervorgehenden Jungen zwischen die älteren Individuen hinein zur Vergrößerung der Kolonie. Durch anfängliches gruppenweises Festhaften an einem im Wasser treibenden CTejj-enstand und schließliches Loslösen der nur noch durch die eioene Sekretmasse verbundenen Tiere dürften also diese »Kolonien« ent- standen sein. Sie zeigen eine entschiedene Ähnlichkeit mit manchen der früher besprochenen Protozoenkolonien, trotzdem diese letzteren wirk- liche »Tierstöcke« mit zusammenhängenden, untereinander organisch verbundenen Individuen sind, die auf ungeschlechtlichem Wege entstan- den, während man es hier nur mit einer losen Vereinigung geschlechtlich erzeugter Tiere zu tun hat. Aber gerade deshalb sind diese in biolo- gischer Hinsicht auf ähnliche Weise zustande kommenden frei beweg- lichen Kolonien im Vergleich mit den andern recht bemerkenswert. Alle die zuletzt besprochenen Vorgänge: die zur Stock bildung führende ungeschlechtliche Fortpflanzung, das nachträgliche Frei- werden dieser Kolonien und die an ihnen stattfindenden, eine reiche Vielgestaltigkeit der Stöcke bewirkenden Differenzierungen sind nur in Verbindung mit dem Wasserleben möglich. Zwar zeigen die oft reich verzweigten Stöcke in dieser Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Pflanzen und schließlich auch mit denen, die auf dem Lande wachsen, auch würde die ihnen zukommende Festigung für das Landleben genügen oder nach dieser Richtung zu entwickeln sein, aber die ganze sonstige Organisation dieser Tiere, ihre Ernährungsweise, die Art ihrer Fort- pflanzungs- und Verbreitungsmittel lassen ein Landleben der betreffen- den Tiere unmöglich erscheinen. Die uns bekannten Tierstöcke haben gerade in Verbindung mit dem Wasserleben ihre charakteristische Aus- bildung erlangt und sind ohne dieses kaum denkbar, wobei vor allen Dingen die auf dem Lande nicht in genügender Weise zu bewerkstel- ligende Nahrungszufuhr die Hauptrolle spielt. Aber vielleicht könnte diese ganze Fragestellung insofern müßig erscheinen, als derartige, durch die organische Verbindung ihrer Einzelindividuen ausgezeichnete Kolonien eben nur auf dem Wege der ungeschlechtlichen Fortpflanzung zustande kommen und diese fast ausschließlich bei Wassertieren ver- breitet ist. Hier drängt sich die weitere Frage auf, wne es kommt, daß nur die im Wasser (oder als Schmarotzer in einem feuchten Medium) lebenden nicht aber die Landtiere die Fähigkeit zu]' ungeschlechtlichen Fort- pflanzung besitzen. Dazu ist nun allerdings zu sagen, daß es zwar Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 451 recht viele landlebende und luftatniende Tiere gibt, daß diese jedoch, wenigstens ihrer großen Menge nach, nur einigen wenigen Abteilungen des Tierreichs angehören. Auf dem Lande leben in der Hauptsache von den Wirbeltieren die Reptilien, Vögel und Säugetiere, von den Arthropoden die sogenannten Tracheaten (Insekten, Myriapoden, Ony- chophoren und Arachnoiden), von den Mollusken ein Teil der Pulmo- naten, während aus den übrigen Abteilungen des Tierreichs nur ein- zelne Vertreter oder kleinere Gruppen sich dem Landleben anbequemen . Von den Crustaceen gilt dies für die Landkrabben und einige Isopoden (die Landasseln); von den zahlreichen und sehr verschiedenartig or- ganisierten Würmern leben ebenfalls nur verhältnismäßig wenige auf dem Lande, wie eine Anzahl Nematoden, die terrikolen Oligochäten, einige Hirudineen, Nemertinen und Turbellarien. Damit sind die Landtiere, einige unerhebliche Ausnahmen, wie gelegentlich ans Land gehende Fische, Krebse, Würmer und Protozoen abgerechnet, im ganzen aufgezählt. Es ergibt sich daraus, daß es in der Hauptsache solche Tiere sind, deren wasserlebende Verwandte ebenfalls keine ungeschlechtliche Fortpflanzung aufweisen, denn weder den Arthropoden und Mollusken, noch den Vertebraten kommt sie zu, obwohl man sich (zumal im Hinblick auf die Tunicaten) ganz gut denken könnte, daß der noch recht einfach organisierte Amphioxus die Fähigkeit zur Regeneration des Vorder- und Hinterendes im größeren Umfang besäße und in Verbindung damit zur Durchteilung des Körpers befähigt wäre. Wenn nun die im Wasser lebenden Verwandten sich nicht auf un- geschlechtlichem Wege fortpflanzen, so wird dies noch weniger von den landlebenden Tieren zu erwarten sein, denn die Bedingungen dafür sind bei ihnen weit ungünstiger. Gewiß ist dem größeren Schonungs- bedürfnis, dem Wiedererlangen der Bewegunsgfähigkeit und selbstän- digen Ernährung beim Leben im Wasser viel leichter als bei dem auf dem Lande Rechnung zu tragen. Immerhin brauchte das Landleben die ungeschlechtliche Fortpflanzung nicht auszuschheßen, wie sich aus gewissen biologischen Verhältnissen einiger landlebenden Würmer ergibt. So bewahren die Regenwürmer ihr Regenerationsvermögen in recht weitgehendem Maße, wenn auch freilich nicht in so großem Um- fang, wie es bei den limikolen Ohgochäten vorhanden ist. Es ließe sich denken, daß bei ihnen wie bei ihren im Süßwasser und im Meere leben- den nahen Verwandten auch die Fähigkeit zur Teilung erhalten bliebe und sie diesen Zustand in den gut geschützten Erdhöhlen, in welche sie sich zeitweise zurückziehen, gut überdauern könnten. 452 " E. Korscbelt, Jedenfalls wird von den ungemein regenerationsfähigen Erdpla- narien {Bipalitim, Dolichoplana u. a.*) mit Sicherheit angegeben (v. Graff, 8. 242, 1899), daß bei ihnen außer dem, durch die experimentellen Untersuchungen (Morgan 1900) wohlbekannten vollständigen Ersatz der verloren gegangenen Körperpartien wenig umfangreicher Teil- stücke eine spontane (mit der geschlechtlichen abwechselnde) un- geschlechtliche Fortpflanzung vorkommt. Diese Würmer finden also bei ihrem Leben auf der Erde zwischen Holzstücken, Blättern und sonstigen Pflanzenteilen, unter denen sie sich wie auch in kleinen Erdhöhlen verstecken, geeignete Bedingungen, um die durch den Tei- lungsvorgang ge\viß selu" empfindlichen Körperstellen zu scliützen und den Eintritt erneuter Ernährungsfähigkeit in Kühe abzuwarten. Die Möglichkeit eines derartigen Verhaltens erscheint gewiß auch bei den unter ganz ähnlichen äußeren Umständen lebenden Landnemertinen gegeben und dasselbe würde für die terrikolen Ohgochäten gelten. Das Auftreten recht beträchtlicher Regenerate bei den letzteren auch im freilebenden Zustand, sowie die ebenfalls sehr Aveitgehende Kegene- rati onsfähigkeit der ersteren ist sicher geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer solchen Annahme (bei überhaupt vorhandenem Vermögen un- geschlechtlicher Fortpflanzung) zu erhöhen. Auffallend bleibt aber dabei doch, daß die zum Landleben übergehenden Würmer, abgesehen von den Planarien und Oligochä.ten, solche sind, die sich nicht auf ungeschlechtlichem Wege fortzupflanzen pflegen, denn auch die Nemertinen tun dies trotz ihres großen Kegenerationsvermögens nicht und die Neinatoden wie die Hirudineen sind noch weniger dazu befähigt. Abgesehen von recht geringfügigen Ausnahmen kommt also den Landtieren die ungeschlechtliche Fortpflanzung nicht zu und sie fehlt auch bei den verhältnismäßig niederstehenden Tierformen, die ent- weder selbst oder deren nahe Verwandte ein beträchtliches Kegenera- tionsvermögen besitzen und bei denen man sie am ehesten erwarten sollte. Festzustellen ist dabei allerdings, daß die dem Landleben sich zuwendenden Tiere auch schon während ihres früheren Lebens im Wasser fast alle bereits keine ungeschlechtliche Fortpflanzung mehr aufwiesen, wie aus dem schon vorher erwähnten Verhalten der Wirbeltiere, Mol- lusken, Arthropoden, Hirudineen, Nematoden und Nemertinen hervor- geht. Daraus ist zu schließen, daß ihnen in Verbindung mit dem Fehlen dieser Eigenschaft andre zukommen, die sie für die Erwerbung des Landlebens befähigt erscheinen lassen. Welche Züge ihrer Or- ganisation dabei besonders in Betracht kommen, kann hier nicht unter- sucht werden, doch ist diese Frage eingehend von Simroth (1891) und Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 453 DöDERLEiN (1912) erörtert worden. Jedenfalls weist alles darauf hin, daß die ungeschlechtliche Fortpflanzung infolge der besseren Ernäh- rungs-, Bewegungs- und Verbreitungsmöglichkeit, wegen des Schutz- bedürfnisses der Tiere selbst und ihrer Fortpflanzungskörper, der leichteren Möglichkeit des Ausbildens von »Stützapparaten und aus noch andern Gründen bei den Wassertieren nicht nur ihre reichste Ent- faltung findet, sondern so gut wie auf sie beschränkt ist. i Davon scheinen die parasitisch lebenden Tiere eine Ausnahme zu machen, jedoch ist dies nur scheinbar der Fall, denn bei ihnen liegen ganz besondere, durch ihre höchst eigenartige Lebensweise bedingte Verhältnisse vor. Diese sind geregelt durch die mehr oder weniger engen Beziehungen zwischen Parasiten und Wirtstier, welches jenem vor allem Schutz und Nahrungserwerb gewährleistet. DadVirch wird die ganze Organisation des Parasiten häufig stark beeinflußt und er von der Außenwelt ziemlich unabhängig gemacht. Insofern sind die Schmarotzer, wgnn es sich nicht um temporäre Ectoparasiten handelt, weder als Wasser- noch als Landtiere zu bezeichnen, sondern sie finden ihre Wohnstätte und ihren Lebensunterhalt am oder im Träger. Frei- lich gilt dies nur für die dem Parasitismus am besten angepaßten Tiere für die ganze Dauer ihres Lebens, denn längst nicht alle sind in der Lage, die für die Erhaltung der Art nötige Übertragung in ein andres Wirtstier direkt oder durch Vermittelung ihrei- Fortpflanzungskörper zu bewerkstelligen. Wenn die unmittelbare, gewöhnlich in früheren Entwicklungs- zuständen bewirkte Übertragung oder diejenige durch Eier nicht mög- lich ist, so geschieht sie durch Vermittelung eines freilebenden Stadiums, wodurch der Parasit wieder in direkte Beziehung zur Außenwelt und in Abhängigkeit von ihr gerät. Zumeist kommt dafür das Wasserleben in Betracht; außer an die Protozoen sei in dieser Hinsicht an die frei- schwimmenden Larven oder Jugendformen der parasitischen Cölente- raten, Plathelminthen, Nematoden, Crustaceen, Mollusken u. a. er- innert, die längere oder kürzere Zeit frei leben, um dann ein neues Wirtstier aufzusuchen oder von einem solchen aufgenommen zu werden. Auf ungeschlechtlichem Wege erzeugte Fortpflanzungskörper fin- den bei dem Wirtswechsel, abgesehen von den Protozoen, weniger Ver- wendung, obwohl auch bei diesen die Neigung besteht, mit der Über- tragung auf das neue Wirtstier die geschlechtliche Fortpflanzung zu verbinden (Coccidien, Hämosporidien). Daß dagegen Parasitismus und ungeschlechtliche Fortpflanzung in engere Beziehung zueinander treten und letztere eine wichtige Rolle dabei übernehmen kann, mußte schon 454 E. Korscheit, weiter oben (S. 438 ff.) besprochen werden. Trotzdem läßt sich aber kaum sagen, daß die ungeschlechtliche Fortpflanzung bei parasitischen Tieren besonders stark verbreitet wäre oder durch ihr Schmarotzer- tum im hohen Maße befördert würde. Man liat den Eindruck, als oh sie dort, wo die Anlage dazu bei freilebenden Verwandten vorhanden ist, wieder aufgenommen wird, daß sie aber kaum eingerichtet werden kann, wenn diese Anlage fehlt. Dafür sprechen jene zahlreichen, durch die parasitische Lebensweise zu bloßen Säcken oder Schläuchen ge- wordenen Tiere aus den Abteilungen der Plathelminthen, Nemathel- niinthen, Crustaceen und Mollusken, für welche man eine Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege nach Analogie mit andern Tierformen als recht nützlich ansehen möchte, bei denen sie jedoch nicht auftritt. Wenn angegeben wird, daß sich die ungeschlechtliche Fortpflanzung außer bei Wassertieren noch bei Parasiten findet, so ist das oewil.! richtig. Es könnte sogar noch hinzugefügt werden, daß die schma- rotzende Lebensweise die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fortpflan- zung unter Umständen begünstigt und stärker hervortreten läßt, wenn die Art der Verbreitung dies nötig macht und die betreffenden Lebens- verhältnisse es gestatten. Insofern kann also das parasitische ähnlich wie das Leben im Wasser wirken, aber davon, daß sich dies im all- gemeinen so verhielte und die ungeschlechtliche Fortpflanzung im Zusammenhang mit dem Parasitismus eine weite Verbreitung und hohe Ausbildung erhielte, kann nicht die Rede sein. Am Ende sei nochmals hervorgehoben, daß im vorstehenden keine irgendwie erschöpfende Darstellung vom Wesen der vmgeschlechtlichen Fortpflanzung gegeben werden sollte, sondern daß es sich nur darum handelte, einige weniger beachtete und der Klärung bedürftige Punkte dieser etwas weiter entgegenzuführen. In der Hoffnung, daß die ge- gebenen Ausführungen im Anschluß an die früheren dazu einigermaßen beitragen konnten, seien sie hiermit abgeschlossen. Marburg, im Februar 1910. Literatur. Berenberq-Gossler, H. v., Geschlechtszellen und Körperzellen im Tierreich. Anat. u. Physiol. Vorträge. Jena 1912. Brae.m, f.. Die Knospung der Margeliden, ein Bindeglied zwischen geschlecht- licher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung. BioL Centralbl. Bd. XXVIII. 1908. Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung usw. 455 Braem, f., Die ungeschlechtliche Fortpflanzung als Vorläufer der geschlechtlichen. Ebenda. Bd. XXX. 1910. — Die Knospung von Eleutheria und den Margeliden. Ebenda. Bd. XXXII. 1912. 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Vesicula seminalis 4831 5. Pars prostatica 483 6. Ductus ejaculatorius 483j 7. Der Cirrus 484 8. Der Cirrusbeutel 484 C. Weibliche Genitalien 48" 1. Der Keimstock 4^i a) Vor der Gesclilechtsreife 480 b) Während der Geschlechtsreife 487 c) Nach der Geschlechtsreife 488 2. Der Keimgang 488 3. Die Dotterstöcke 489 4. Die Schalendrüse oder die MEHLisschen Drüsen !>ll I Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 461 Seite 5, Der Uterus . 492 6. Der LAURERsche Kanal 493 a) Jugendstadium 493 b) Geschlechtsstadium 493 I. Öffnung nach außen 493 II. Der Kanal 495 c) Verbreitungsstadium '. 496 D. Der Excretionsapparat 499 E. Terminales Körperende 500 F. Die Körperbedeckung 500 IV. Allgemeines 501 A. Zur Frage der Funktion des LAURERSchen Kanales 501 a) Geschlechtsstadium 503 b) Verbreitungsstadium 504 B. Über den sexuellen Dimorphismus 505 C. Zur Frage über den senilen Zustand im Leben des Parasiten . . . 510 V. Entwicklung 514 A. Begattung 514 B. Eibildung 516 C. Ablage der Eier 518 D. Embryonale und postembryonale Entwicklung und Übertragung auf neue Wirte 521 VI. Biologie • 526 A. Biologisches über Collyriclum faba 526 1. Bewegung 528 2. Nahrungsaufnahme 529 3. Licht- und Wärmereize 530 B. Über die Verbreitung des Parasiten unter den Vögeln 530 C. Lokale Verbreitung und Beeinflussung durch die Witterung . . . 533 ' VII. Zur systematischen Stellung von Collyriclum faba 537 Literaturverzeichnis 549 Erklärung der Abbildungen 552 K I. Einleitung. A. Vorwort. Die vorliegende Arbeit wurde im Zoologischen Institut der Uni- versität Basel unter Leitung von Herrn Prof. Dr. F. Zschokke aus- geführt. Den Anstoß, Collyriclum faba zum Ausgangspunkt einer selbständigen Arbeit zu wählen, gab Prof. Dr. Mieschers Abhandlung vom Jahre 1838, um so mehr, als alle Autoren, die sich mit dem gleichen Gegenstand beschäftigt haben, das relativ seltene Vorkommen des Para- siten betonen, während Prof. Miescher in Basel sechs mit Cysten behaftete Sperlinge zur Untersuchung bekommen konnte. Es war also 462 Georg Jegen, ZU erwarten, daß in derselben Stadt auch in unserer Zeit Material zu erreichen sei. In der Sammlung der Zoologischen Anstalt Basel befanden sich zwei Gläser mit je einem Sperling. Die Etikette trägt die Aufschrift Monostomum hijugum. Dieses Material wurde mir von Herrn Prof. Dr. ZscHOKKE bereitwilligst zur Bearbeitung überlassen. Dadurch wurde ich in den Stand gesetzt, mich im Herbst 1914 und im Winter 1914/15 über die anatomischen Verhältnisse zu orientieren. Das größte Interesse erregte ohne Zweifel die Frage nach der Entwicklung. Um in dieser Beziehung einige Resultate zu erreichen, mußte ich darauf bedacht sein, ein möglichst umfangreiches Material zu sammeln. Das war insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als in der Literatur nichts zu finden ist, das auf die lokale Verbreitung des Parasiten schließen läßt. Deshalb durfte ich es nicht unterlassen, dafür zu sorgen, aus allen Stadtquartieren Sperlinge zur Untersuchung zu bekommen. Ebenso mußte auch die Peripherie der Stadt in Berücksichtigung ge- zogen werden, um festzustellen, ob der Parasit in seinem Vorkommen hauptsächlich auf die Stadt beschränkt sei. Ich erlaubte mir, eine Eingabe an die hohe Polizeidirektion der Stadt Basel einzureichen, um den Abschuß von Sperlingen zu erwirken. Diesem Gesuche wurde von Seiten der Behörde mit aller Bereitwilligkeit entsprochen, so daß ich mich mit den verschiedenen Bannwarten der Stadt in Verbindung setzen konnte. "Ich möchte es nicht unterlassen, an dieser Stelle für diese dienstbereite Bewilligung meines Gesuches meinen besten Dank auszusprechen. Ebenso wurde mir Gelegenheit zur Beobachtung und zum Fang von jungen Sperlingen im Museumshof von der Direktion des Museums mit aller Zuvorkommenheit geo-eben. Da ich dort ein großes Material erhielt, möchte ich den Herren Dr. F. Sarasin und Dr. Roux meinen besten Dank aussprechen. Neben der Entwicklung soll die Arbeit sich auch auf anatomische und morphologische Veihältnisse beziehen. Ebenscj durfte gehofft werden, in systematischer Beziehung gewisse Fragen abzuklären. Erst im Verlaufe der Untersuchungen an dem umfangreichen lebenden und frisch fixierten Material (es kamen 83 mit Cysten behaftete Vögel zur Untersuchung) konnte ich den Gedanken fassen, mich mit gewissen in der Trematodenliteratur häufig diskutierten Fragen zu beschäftigen, so z. B. mit der Funktion des LAURERschen Kanales, dem sexuellen Dimorphismus und ebenso mit dem senilen Zustand. Die Methode der Untersuchungen gliedert sich naturgemäß in drei Teile; Collyricium faba (Bi'emser) Kossack usw. 463 1. Untersuchungen am lebenden Objekt. 2. Untersuchungen an den Schnitten. 3. Experimentelle Untersuchungen. Für die erste Form des Arbeitens erwies sich das Objekt als außer- ordentlich günstig, weil es im Leben vollständig durchsichtig ist. Wert- volle Eesidtate wurden dadurch namentlich in bezug auf die Geschlechts- tätigkeit der beiden Individuen erreicht. Ich kann noch beifügen, daß es sich als ganz zwecklos erwies, die Tiere etwa zu fixieren, um sie dann im ungefärbten Zustand zu untersuchen, indem der ganze Körper eine schmutzig gelbe Farbe annimmt, wodurch das Objekt von seiner Durchsichtigkeit bedeutend einbüßt. In gewisser Beziehung als vor- teilhaft erwies es sich, Totalpräparate herzustellen, die mit Alaun- carniin oder Boraxcarmin gefärbt wurden. Die Färbung mit der letzten Farbe war überaus günstig, Avenn man die Objekte einige Stunden im Thermostaten der Einwirkung der Farblösung aussetzte. Größere Schwierigkeiten bereitete das Objekt im allgemeinen beim Schneiden. Was zunächst die Fixationsmethode betrifft, so konnte ich die besten Resultate mit erwärmtem Sublimat unter Zusatz von Eisessig erreichen. Als Zwischenmedium gelang es mir, nach einer Reihe von Versuchen im Chloroform ein für dieses Objekt weitaus am besten passendes Mittel herauszufinden. Um dann schließlich bei 5 — 10 fi dicken Schnitten nicht ein Zerreißen des Parenchyms herbei- zuführen, mußte ich zum Einbetten weiches Paraffin (Schmelzpunkt 48° C) verwenden. Zur Untersuchung gewisser Verhältnisse ist es außerdem von Vorteil, wenn man die ganze Cyste schneidet. Dabei ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß die Cystenwandung enorm resistent ist gegen das Eindringen von Flüssigkeiten. Schon beim Fixieren müssen ganze Cysten sehr lange Zeit der Einwirkung der Reagentien ausgesetzt bleiben. Am besten ist es aber, wenn man die Cyste vorsichtig anschneidet. Bei noch prall gefüllten Cysten ist auf andern! Wege überhaupt nichts zu erreichen, da die Cystenflüssigkeit niemals vollständig entfernt werden kann. In bezug auf den experimentellen Teil meiner Untersuchungen konnte ich konstatieren, daß mit den für diesen Zweck eingefangenen Sperlingen nicht viel zu erreichen war, indem sie nach kürzerer oder längerer Zeit zugrunde gingen. Da aber Collyricium faba auch schon an Fringilla canariensis beobachtet war, so stellte ich mir einige Ka- narienvögel zur Verfügung, um sie als Versuchstiere zu benutzen. Wie im Laufe der Arbeit noch des nähern ausgeführt wird, er- streckt sich die Zeit der Entwicklung des Parasiten sowie des Lebens 464 Georg Jegen, des geschlechtsreifen Tieres über einen kleinen Teil des Jahres. 80 war die Zeit vom Mai bis September 1915 für meine Untersuchungen die fruchtbarste. Es bleibt mir zum Schlüsse dieser kurzen Ausführimg noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, allen denjenigen, die mich in der Aus- führung der Arbeit unterstützten, meinen wärmsten Dank auszu- sprechen. In erster Linie gilt dies meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. F. Zschokke, der durch seine reiche Erfahrung in diesem Gebiete mir immer bereitwilligst zur Seite stand. Ferner haben mich die Herren Dr. C. Janicki und Dr. R. Menzel als Assistenten der Anstalt zu Dank verpflichtet. B. Historischer Überblick. Der Parasit, von dem diese Arbeit handelt, tritt relativ früh in den Gesichtskreis der Forschung. Der erste mir bekannte Fund datiert aus dem Jahre 1819, indem Prof. Fe. Meissner, damals in Bern, der allgemeinen Schweiz. Gesell- schaft für die gesamten Naturwissenschaften einen Zeisig {Fringilla spinus) vorwies, der mit einer Anzahl kugelförmiger Auswüchse behaftet war. Soweit aus den Berichten hervorgeht, wurden diese Gebilde nicht weiter untersucht und einfach als von Cysticercus cellulosae herrührend bezeichnet. Ob S. Th. V. SoEMMERiNG den Parasiten schon vor obigem Datum gefunden hat, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls aber knüpft sich die erste Beschreibung an den Fund Soemmerings. Bremser hat ihn mit von Schmalz ausgeführten Abbildungen in den Tabulae ana- tomiam entozoorum illustrantes im Jahr 1831 veröffentlicht. Im Jahre 1838 erschien die Arbeit von Prof. Miescher unter dem Titel: »Beschreibung und Untersuchung des Monostommn biju- gum«. Diese Arbeit kann als die bis anhin eingehendste betrachtet werden, wenn auch verschiedenes durch spätere Untersuchungen be- i'ichtigt werden mußte. 1839 erscheint in Wiegmanns Archiv I eine Beschreibung des Parasiten von Creplin. Im gleichen Jahre schreibt auch v. Siebold über Monostomum hijugum. 1841 berichtet Rolando in »Atti Acad. d. Sc. Siena« über Globu- laria, womit ebenfalls derselbe Parasit bezeichnet wurde. 1845 wird er in >>Hist. nat. d. Helminthes<< von Duj ardin be- handelt. 1850 nimmt Diesing den Parasiten in sein Systema Helminth. I auf. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 465 1873 erscheint wieder eine vSpezialarbeit über Monostomum iaha von WiLLEMOES-SUHN. 1910 schreibt L. J. Cole über Collyriclum faba als Parasit beim Sperhng in den Vereinigten Staaten. Seine Angaben sind rein bio- logischer Natur. 1911 bildet Kossack eine besondere Gattung Collyriclum, und bestimmt als Typus unsern Sperlingsparasiten Collyriclum faba. 1914 erscheint von Th. Odhner eine Abhandlung, die namentlich in systematischer Beziehung von größerm Interesse ist. In den hier genannten Arbeiten ist ausschließlich die Morphologie und das Vorkommen behandelt, und zwar so, daß ein eingehen cleres Studium dieser Verhältnisse gerechtfertigt erschien. Die Entwicklung von Collyriclum faba ist bis dahin noch vollständig unbekannt. n. Morphologie. Da die morphologischen Verhältnisse von Collyriclum faba schon von verschiedenen früheren Autoren behandelt wurden, kann es nicht meine Aufgabe sein, eine vollständige Beschreibung in dieser Beziehung zu geben. Ich glaube eher das Richtige zu treffen, wenn ich mich in der Hauptsache auf die zum Teil noch nicht erledigten Fragen be- schränke, deren Lösung besonders durch das mir zur Verfügung stehende, reichhaltige Material ermöglicht wird. Die Autoren, die sich mit Collyriclum faba beschäftigten, wurden in der Einleitung in einem kurzen historischen Überblick bereits ge- nannt. Besonders hervorzuheben ist, daß bis jetzt einzig Miescher eine größere Zahl von lebenden Parasiten zur Bearbeitung zur Ver- fügung hatte. Daher ist auch seine Arbeit in mancher Beziehung die gründlichste. Collyriclum faba parasitiert, wie schon bekannt ist, auf verschie- denen Singvögeln und kommt zu zweien in Cysten vor. Die Diagnosen aller früheren Autoren lauten übereinstimmend in bezug auf die Körper- form: Körper halbkugehg, etwas breiter als lang. Aus diesen Angaben geht unzweideutig hervor, daß alle jene Forscher den Parasiten nur auf einer Entwicklungsstufe vor sich hatten, und zwar, wie noch später ausgeführt wird, auf d-^m Verbreitungsstadiuni. Ebenso stimmen die angegebenen Maße der Dimensionen mit mfeinen diesbezüglichen Beob- achtungen auf der dritten Entwicklungsstufe überein. Um einigermaßen einen Überblick über die Größenverhältnisse sowie überhaupt die Morphologie im allgemeinen zu erhalten, betrachte 466 Georg Jegen, ich es als wichtig, die Ergebnisse meiner Untersuchungen von dem Moment an, wo die Organisation zum ausgebildeten Trematoden ein- setzt, vergleichend zusammenzustellen . A. Jugendform. (Tafel XI, Fig. 1.) Als Jugendform fasse ich diejenige Stufe der Entwicklung auf, wo die Herausbildung der Organe im Innern deutlich begonnen hat. AVürde man den Parasiten in diesem Zeitpunkte isoliert von den andern Stadien auffinden, so glaube ich entschieden, daß es schAver wäre, ihn als CoUyriclum zu erkennen. In erster Linie fallen seine Dimensionen auf. Die Länge beträgt durchschnittlich 0,465 mm; seine Breite am vorderen Ende 0,105 mm; in der Mitte 0,165 mm und am Hinterende 0,06 mm. Es sind dies, verglichen mit den Maßen für das Endstadium, sehr kleine Zahlen. Als Form ergibt sich daraus eine längliche, und zwar ist sie spindelartig, da der Körper noch absolut keine Dorso- ventralität zeigt. In bezug auf die Haut ist zu sagen, daß sie überall in gleicher Dicke und Beschaffenheit den Körper bedeckt. Sie ist etwa 0,007 mm dick und besitzt eine regelmäßige, schräge Strichelung, die besonders am Vorder- körper stark hervortritt. Die Strichelung kommt durch Stachelplatten zustande, die sich noch nicht aufgelöst haben. Auf die Entwicklung dieser Gebilde wird im Abschnitt über Anatomie näher eingegangen. Der Mundsaugnapf steht vollständig terminal am vorderen Ende. Er erhebt sich gewöhnlich mehr oder weniger über die Oberfläche des Körpers. Im Verhältnis zur Größe des Individuums nimmt er einen bedeutend größeren Kaum ein als auf den späteren Stadien. Seine Länge beträgt 0,07 mm; seine Breite 0,056 mm. Er bildet in der Totalansicht ein kugeliges, stark muskulöses Organ, das genau an seinem Vorderende die Mundöffnung trägt. Direkt anschließend er- blickt man den bedeutend kleineren aber muskelreichen Pharynx. Länge = 0,035 mm; Breite == 0,0245 mm. Die Fortsetzung bildet ein sehr kurzer und dünner Oesophagus. Seine Länge beträgt 0,0105 mm, während seine Breite 0,0035 mm mißt. Er geht, ohne sich vorher merkbar zu erweitern, in den Darm über. Der Darm ist nun dasjenige Organ, das im allgemeinen die kleinsten Veränderungen in der Entwicklung durchmacht. Es besitzt schon früh vollkonvinen die Gestalt der späteren Stufen. Was npch besonders auffällt, ist die gewaltige Ausdehnung seiner beiden Schenkel. Hin- sichtlich ihrer Länge entsprechen sie den Verhältnissen des ausge- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 467 wachsenen Tieres. Hingegen zeigen sie eine auffallende Dicke, indem die beiden Sctenkel zusammen mehr als zweiDrittel des ganzen Durchmessers ausmachen. Eine weitere Eigentümlichkeit finden wir auch im Bau der Oberfläche der Darmschenkel. Sie besitzt nämlich wellige Erhebungen. Das Hinterende des Körpers verjüngt sich plötzlich zu einem kleinen Zapfen. Nur wenig vom terminalen Ende dieses Gebildes be- findet sich ventral der Excretionsporus, in Form einer feinen Öffnung von 0,005 mm Durchmesser. Von dieser zieht sich auf 0,014 nmi Länge ein schmaler Kanal von höchstens 0,0035 mm Durchmesser nach vorn. Seine Fortsetzung wird aus zwei zwischen die Darm- schenkel hineinziehenden Ästen gebildet (Taf. XI, Fig. 1 EG). Das Excretionssystem ist also bei jugendlichen Exemplaren von ganz anderni Aussehen als im erwachsenen Zustand. Hier sei nur bemerkt, daß diese Erscheinung ein wichtiges Beweisstück bildet für die syste- matische Stellung des Parasiten. Die Genitalpori lassen sich leicht auf einer kleinen Erhöhung auf der Ventralseite auffinden. Ihre Lage ist gleich w ie im späteren Stadium der Entwicklung. Unmittelbar hinter den Endigungen der Darmschenkel befinden sich zwei ovale Körper zu beiden Seiten der Excretionskanäle. Mit Sicherheit konnte erst auf Schnitten erkannt werden, daß es sich um die Hoden handle. Auffallend ist ihre Lage. Wenn man aber bedenkt, daß der Parasit von einem gewissen Moment an besonders stark seinen Breitendurchmesser vergrößert, so liegt es auf der Hand, daß dadurch die beiden Hoden nach den Seiten hin gezogen werden müssen, so daß sie schließlich ihre spätere Lage einnehmen. Von den andern Genitaldrüsen sind die seitlich und weit vorn im Körper angelegten Dotterstöcke auffallend. Sie besitzen noch keine Spur des späteren traubigen Baues; vielmehr bilden sie zwei Bänder, die in der Nähe des Mundsaugnapfes beiderseits beginnen und zwischen den Darmschenkeln und dem Körperrande nach rückwärts ziehen. Dabei werden sie immer schmaler. Auch ihre Anordnung wird, ähnhch wie bei den Hoden, durch das Aveitere Wachstum bestimmt. Der Keimstock stellt einen dorsal, etwas vor den Genitalpori gelegenen ovalen Körper dar. Seine spätere Gestalt ist durchaus noch nirgends angedeutet. B. Geschlechtsstadium. (Tafel XI, Fig. 3.) Nach Form und Größe, sowie in bezug auf die inneren Organe, soweit sei am Totalpräparat sichtbar sind, hat sich der Parasit stark 468 Georg Jcgen, verändert. Ich stelle in einer kleinen Tabelle der Übersicht halber die Maße für drei Paare von Tieren zusammen. Partner Länge in mm Breite in mm 1. Paar 1. 1,290 1,170 2. 1,355 1,245 2. Paar 1. 1,470 1,260 2. 1,875 1,575 3. Paar 1. 2,50 1,80 2. 2,55 1,95 Aus dieser Zusammenstellung geht hervor: 1. Das Wachstum des Parasiten hat namentlich nach einer Rich- tung, in der Breite, stark eingesetzt. Während auf dem Jugendstadium die Länge sich zur Breite verhält wie 4 : 1, so haben wir hier nur mehr ein Verhältnis von 9 : 7. Die Länge ist also noch etwas größer. Je älter der Parasit aber wird, um so mehr verschwindet dieser Unterschied; um, wie wir weiter unten erfahren werden, gerade in die umgekehrte Proportion überzugehen. 2. Das eine der beiden in eine Cyste eingeschlossenen Individuen ist durchwegs etwas kleiner, während im Jugendzustand eine solche Differenz nicht zu konstatieren war. Was die Form des Körpers betrifft, so hat sich die Dimension in dorso-ventraler Richtung im Verhältnis zu den andern Maßen etwas verschoben. Im Durchschnitt beträgt sie 0,825 mm. Die Ventralseite ist noch nicht flach geworden, vielmehr ist sie noch beträchtlich konvex. Die Hautstacheln treten in Form von kleinen, plattenförmigen Gebilden auf (Taf. XI, Fig. 8). Genauere Studien an Schnitten zeigen deutlich, daß diese später in vier bis acht Teile zerfallen, welche in Gruppen zusammenstehen (Taf. XI, Fig. 7). Der Mundsaugnapf hegt im allgemeinen noch terminal. Hingegen macht sich unverkennbar die Tendenz geltend, die Kante, welche sich bildet, wo Rücken- und Bauchfläche zusammenstoßen, nach einwärts zu ziehen (Taf. XI, Fig. 2). Das führt zur ventralen Abplattung und schließlichen Höhlung. Der Vorgang läßt sich an einem Gummiball veranschaulichen. Indem wir eine Seite des Balles einzudrücken be- ginnen, bildet sich eine Kante da, wo die beiden verschieden gewölbten Flächen zusammenstoßen. Je mehr man nun die ebenere Fläche ein- drückt, um so mehr wird jener Rand nach der Höhlung hineingezogen. Als Ursache der ganzen Erscheinung beim Parasiten ist unzweifelhaft CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 469 die starke Ausdehnung der dorsalen Fläche zu betrachten, die ihrer- seits ihre Erklärung in dem Bedürfnis nach Raumgewinnung für die heranwachsenden Geschlechtsdrüsen findet. Hinsichtlich der Größe des Mundsaugnapfes ist zu sagen, daß er proportional zu den übrigen Teilen eine starke Ausdehnung erfahren hat. Seine beiden Durchmesser betragen 0,225 mm und 0,180 tum. Die Mundhöhle selbst weist einen solchen von 0,075 mm auf. In demselben Maße hat auch der Pharynx an Größe zugenommen. Der Oesophagus hingegen bewahrt ziemlich die gleichen Dimensionen wie im Jugendstadium. Auch in bezug auf den Darm gilt das gleiche. Seine beiden Schenkel nehmen auch jetzt etwa zwei Drittel der Körperbreite ein. Die Oberfläche der Schenkel zeigt hingegen keine Ausbuchtungen mehr, und zudem werden die beiden Schenkelenden durch die sich vergrößernde Kxcretionsblase auseinander gedrückt . Eine relativ große Veränderung hat das Excretionssystem sowohl nach Größe als Form erfahren. Zunächst hat sich zwischen den beiden Darmschenkeln eine Blase gebildet, die nach vorn in eine Spitze aus- läuft und sich noch in einen dünnen Ast fortsetzt, der über die Stelle der Geschlechtsmündungen hinausreicht. Die auf dem Jugendstadium vorhandenen zwei Kanäle sind verschwunden. Bei größeren Individuen diese? Stufe beträgt die ganze Länge einschließlich der genannten Endi- gung 1,425 mm, während die größte Breite 0,45 mm mißt. Das ter- minale Hinterende des Tieres ist an den Präparaten nicht gut sichtbar. Hingegen konnte es am lebenden Tiere sehr gut in seiner Funktion beobachtet werden, was an andrer Stelle des nähern erörtert wird. Am auffallendsten gestalten sich im Geschlechtsstadium die Ge- nitaldrüsen und die Uteruswindungen. Der ganze Körper ist davon erfüllt. Einzig der Endsack des Uterus ist noch nirgends so stark entwickelt, daß er am Totalpräparat gesehen werden könnte. Es mag dies auch davon herrühren, weil er noch vollständig leer ist. Zu ganz enormer Ausdehnung sind die Dotterstöcke herangewachsen. Sie lassen bei ganz jungen Geschlechtsstadien noch die auf der früheren Stufe innegehabte Anordnung erkennen. Daß auf dieser Stufe die Geni- taldrüsen eine solche Ausdehnung gewinnen, kann doch nur in Zusam- menhang gebracht werden mit ihrer Funktion, d. h. mit der Produktion von Geschlechtsprodukten. Um einen Überblick über die Größen- verhältnisse der Organe zu gewinnen, stelle ich deren Flächenmaße in einer Tabelle zusammen und füge gleichzeitig das Verhältnis zur ganzen Körpergröße in Prozenten ausgedrückt bei. Da es mir hier hauptsächlich daran gelegen ist, die Entwicklung der Geschlechts- 470 Georg Jegen, drüsen zum Ausdruck zu bringen, so kann icli es nicht unterlassen, in einer zweiten Tabelle die entsprechenden Verhältnisse des Verbreitungs- stadiums zusammenzustellen. Die eingetragenen Maße beziehen sich auf ein Cystenpaar. I. Geschlechtsstadium. Uiicken- fläche min^ Fläche der Hoden Prozent der ges. Fläche Fläche dos Keim- Stockes Prozent Fläche der Dotter- stöcke mm 2 Prozent Fläche der Genital - drüsen in Prozent 4,229 4,382 0,235 0,253 5,5 5,8 0,720 0,.540 17,3 12,3 0,646 0,621 15,3 14,1 38,1 32,2 II. Verbreitungsstadium. Kücken- fläche Fläche der Hoden mm2 Prozent Flache des Kelui- stockes mm 2 Prozent Fläche der Dotter- stöcke mm 2 Prozent Fläche der (i enital- drüsen in Prozent 7,232 9,548 0,360 0,464 4,9 4,8 0,565 0,348 7,7 3,6 0,712 0,771 9,8 8,1 22,4 16,5 Ich bemerke ausdrücklich, daß die Zahlen auf mathematische Genauigkeit keinen Anspruch machen können. Gewonnen wurden sie auf doppeltem Wege. Einmal habe ich die Maße direkt am Total- präparat genommen, um dann annäherungsweise die Fläche auszu- rechnen. Dann wurde das ganze Tier mit dem Zeichnnngsapparat ge- zeichnet und die Fläche der Organe mit Pauspapier, das in Millimeter liniert war, gemessen. Die beiden Wege führten zu gut übereinstimmen- den Kesultaten, so daß diese Zahlen uns ein ziemlich zuverlässiges Bild der vorhandenen Flächenausdehnung der einzelnen Organe zu geben imstande sind. Es muß allerdings auch noch berücksichtigt werden, daß sich nicht alle Individuen gleich stark kontrahieren, und außerdem ist es namentlich auf der dritten EntAvicklungsstufe schwer, die Hoden genau zu messen, da sie gewöhnlich durch ihr lockeres Gefüge sehr un- deutliche Umrisse annehmen. Es wurden derartige Messungen und Berechnungen an mehreren Paaren von Tieren ausgeführt und in der Tabelle zu einem Mittelwert verrechnet. Die Tabelle 1, die uns die Werte auf dem Geschlechtsstadium dar- stellt, zeigt zunächst, daß die Geschlechtsdrüsen beim ersten Partner 38% von der (Jesamtrückenfläche des Tieres einnehmen. Daran be- CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 471 teiligen sich namentlich der Keimstock mit 17% und die Dotterstöcke mit 15%; während die Hoden nicht mehr als 5% einnehmen. Beim zweiten Partner gestalten sich die Verhältnisse insofern etwas anders, als die Hoden mit 5,8% relativ größer sind, während die weiblichen Drüsen mit 12% und 14% bedeutend hinter denen des ersten Exem- plares zurückstehen. Diese Erscheinung soll hier nicht weiter diskutiert werden; sie gehört in das Kapitel über den geschlechtlichen Dimor- phismus. Die Tabelle II bezieht sich auf das Verbreitungsstadium. Die Rückenfläche des Körpers hat sich verdoppelt. Dagegen nehmen die Geschlechtsdrüsen nur mehr 16 — 22% der Gesamtfläche ein. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu den entsprechenden Zahlen in der Ta- belle I. Prozentual nehmen auch die Hoden einen kleinern Raum ein, sind aber in Wirklichkeit stark gewachsen. Ich habe schon weiter oben angedeutet, Avoher dieses Verhältnis rührt. Es steht mit dem- jenigen der weiblichen Drüsen in starkem Widerspruch, läßt sich aber begreifen, wenn man die anatomische Beschaffenheit der männlichen Drüsen auf dieser Stufe in Betracht zieht. Die Fläche des Keimstocks ist prozentual bedeutend reduziert, und die entsprechenden Maße zeigen, daß er einen starken Rückgang erleidet; höchstens bleibt er auf demselben Stadium stehen. Ebenso zeigen die Dotterstöcke ähn- Uche Verhältnisse. Die ganze Zusammenstellung zeigt uns also: 1. Daß die Körperfläche sich stark vergrößert, nachdem der Parasit das Geschlechtsstadium verlassen hat. 2. Daß die Geschlechtsdrüsen von dem Momente an im allgemeinen sich nicht mehr vergrößern oder geradezu einem Rückgang anheim- fallen. Die hier in Zahlen dargestellten Verhältnisse zeigen sich schon bei der Betrachtung des Totalpräparates. AVährend das Individuum zur Zeit der Geschlechtstätigkeit von den Geschlechtsdrüsen ganz er- füllt erscheint, gewinnt man auf dem Verbreitungsstadium den Ein- drack vom Vorhandensein großer, freier Zwischenräume, die zwar durch spärliches Parenchym ausgefüllt werden. C. Verbreitungsstadium. Da sich die früheren Autoren ausschließlich mit dieser Altersstufe befassen, so werde ich nur solche Verhältnisse hier besprechen, die von den Ergebnissen jener Autoren mehr oder weniger abweichen. Die Größe der Individuen schwankt je nach dem Wirte. Die größten Parasiten fand ich auf Fringüla coelehs. Länge 6,3 — 7,2 mm, 472 Georg Jegen, Breite 6,8 — 8,5 mm. Auf Passer domesticus Avaren sie regelmäßig etwas kleiner. Länge 4,4 — 5,2 mm; Breite 4,6 — 5,4 mm. Die kleinsten Parasiten fand ich auf Muscicapa grisola. Länge 3,5 — 3,9 mm; Breite 3,8 — 4,3 mm. Es handelt sich dabei in jedem Falle um die gleiche Art, und ebenso wurden die Maße so genau als möglich auf der gleichen Entwicklungsstufe gewonnen, so daß die Ursache der Größenunter- schiede des Parasiten wahrscheinlich in irgendwelchen Verhältnissen des' Wirtes gesucht werden muß. Übrigens gibt Kossack S. 574 ähn- liche Unterschiede an bei den Parasiten von Sylvia simplex und Passer domestictis. Die Haut ist mit Stacheln besetzt, die im Gegensatz zum Jugend- stadium über die Oberfläche hervorragen. Am Totalpräparat gewinnt man den Eindruck, wie schon Miescher schreibt, als sei die Ober- fläche granuliert. Die Stacheln sind jetzt in Gruppen, die sich nicht immer in regelmäßigen Abständen folgen, angeordnet (Taf. XI, Fig. 7 StGr). liW einer Gruppe vereinigt sind vier bis acht Stück. Die Be- stachelung ist auf der dorsalen Fläche stärker als auf der ventralen. Namentlich bilden sich in der Umgebung des Mundsaugnapfes be- sonders dichte Stachelreihen, so daß man öfters geradezu von einem Stachelfelde sprechen könnte. Kossack erwähnt S. 574, daß die Stacheln in regelmäßigen Reihen angeordnet seien. Ich glaube nun: nicht, wie Odhner dies ausspricht, daß er die Stachelgruppen über- sehen hätte, wenn sie überhaupt in seinem Material vorhanden waren. Vielmehr liegt die Möglichkeit vor, daß er ein Entwicklungsstadiumn vor sich hatte, bei dem die Gruppen noch nicht vollständig gebildet' waren. Außerdem kann es auch vorkommen, daß bei schlecht kon- serviertem Material die Stacheln wie überhaupt die ganze Haut stark;] desorganisiert sind. Man sieht dann nur wenig Gruppen mehr undl dazmschen öfters Einzelstacheln. Ihre Größe ist etwas verschieden;, am häufigsten treten solche von 0,028 — 0,035 mm auf. Der Mundsaugnapf liegt mehr oder weniger auf der Ventralseite' (Taf. XI, Fig. 4). Ich habe weiter oben eine Erklärung dieser Lage ^ im Zusammenhang mit der vorhergehenden Stufe gegeben. Seine Größe beträgt 0,3 — 0,45 mm im Durchmesser. Die Maße des Pharynx \ entsprechen nach meinen Messungen denjenigen, die Odhner mit ' 0,113—0,145 mm angibt. Ich finde das Maß von Kossa.ck (0,19 mm) tatsächlich etwas zu groß. Ebenso scheint mir die Länge des Oeso- phagus mit 0,226 mm zu groß, indem ich niemals mehr als- 0,162 mm finden konnte. An der Einmündungssteile in den Darm wird er etwas breiter. Sein Durchmesser am Anfang mißt 0,032 mm; unten beträgt | Collyriclum faba (Bremser) Kossack. uaw. 473 er 0,081 mm. Das Volumen des Darmes ist proportional dem der vorigen Stufe, indem seine Schenkel auch jetzt, wo der Parasit ungefähr auf die doppelte Größe herangewachsen ist, zwei Drittel des Durch- messers einnehmen. In bezug auf den Abstand der Schenkelspitzen vom Hinterende habe ich nicht unerhebliche Schwankungen wahr- genommen. Viele Exemplare zeigen ganz runde Endigungen, und in diesem Falle reichen die Schenkel nicht so weit nach rückwärts. Sind die Enden mehr zugespitzt, so ziehen sie sich bis nahe an das Hinter- •ende. Ob es sich um Kontraktionserscheinungen handelt oder um Variationserscheinungen, kann ich nicht entscheiden. Jedoch sprechen verschiedene Gründe für das letztere. Über den Darminhalt hat sich Miescher S. 11 ausgesprochen. Er schreibt von einem schön gelben, körnigen >)Contentum«, das den Darm strotzend anfüllt. Meine Beobachtungen gehen nun dahin, daß am meisten Inhalt am Ende der ersten und auf der zweiten Entwick- lungsstufe vorhanden ist. Nachher wird er spärlicher, was allerdings teilweise der Vergrößerung des Darmlumens zuzuschreiben ist. So viel aber scheint sicher zu sein, daß der Parasit auf der dritten Stufe keine Stoffe mehr in den Darm aufnimmt. Bei Exemplaren, die dem Ende • der Entwicklung nahe sind, ist der Darm fast leer. Es ist anzunehmen, daß der Parasit frühzeitig einen Vorrat von Nahrungsstoffen zu sich nimmt, von dem er sich später nährt. Der Inhalt des Darmes besitzt ein körniges Aussehen und läßt sicher eine zellige Struktur erkennen. Daher ist es ausgeschlossen, daß die Nahrung dem Blute des Wirtes entnommen wird, da dem Parasiten zudem keinerlei Werkzeuge zur Verfügung stehen, um die Epidermis zu verletzen. Später bildet er eine eigene feste Umhüllung im Feder follikel. Darin sind naturgemäß keine Blutgefäße vorhanden. Die Cyste schließt die Bewohner ein und eine Nahrungszufuhr dürfte von da ab ausgeschlossen sein. So gewinnt die Auffassung, daß der Parasit die Nahrung frühzeitig aus den Bestandteilen der Federseele entnimmt, an Wahrscheinlichkeit. Das Excretionssystem beginnt am caudalen Zapfen mit einem ventral gelegenen Porus (Taf. XI, Fig. 4 EP). Das muskulöse Gewebe jener Endigun» wird von einem engen Kanal durchzogen (Taf. XI, Fig. 13). Sowie er das Körperparenchym erreicht, beginnt sich der Kanal zu einer Blase zu erweitern. Diese verlegt sich mehr nach der dorsalen Seite, wo sie den Raum zwischen den Darmschenkeln aus- füllt. Auf der Höhe der Genitalpori wird die Blase enger, und kurz vor jenen Öffnungen treten die Wände der Blase zusammen, ziehen indessen noch ein kurzes Stück als einziger Gefäßstamm weiter. Sehr Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 31 474 tJeorg Jegen, interessant gestaltet sich die Tätigkeit der Excretionsblase im Leben. Sie verengt und verlängert sich zugleich. In dieser Stellung kann sie sekundenlang verharren, um dann nieder langsam zur alten Form zu- rückzukehren. Diese Bewegung steht zweifellos im Zusammenhang mit der Funktion, indem man beim Zusammenziehen einen schwachen Strom nach dem Porus hin wahrnehmen kann. Die Excretionsstoffe selbst bilden eine helle Flüssigkeit, in welcher zahlreiche kleine, stark lichtbrechende Körnchen enthalten sind. Von ähnlicher Zusammen- setzung hat auch Willemoes-Suhn die Excretionsstoffe bei Colly- riclum faba erkannt. Wichtig ist nun der terminale Zapfen. Er besitzt im Leben eine große Bewegungsfähigkeit, indem er vorgestoßen und zurückgezogen werden kann. Damit aber ist seine Bewegungsmöglichkeit noch nicht erschöpft. Im vorgestülpten Zustande kann er sich tellerartig ver- breitern. Indem der Zapfen die ebene Fläche auf die Unterlage drückt, schiebt sich der Körper vorwärts. Über die Anwesenheit von Muskeln wird an andrer Stelle gesprochen. Besonders günstige Präparate lassen diesen Teil mit aller Deutlichkeit erkennen. Er macht vollständig den Eindruck von einem flachgedrückten Saugorgan, wobei allerdings gesagt werden muß, daß es ausgeschlossen ist, dasselbe als Saugorgan im morphologischen Sinne zu deuten. Von den Genitalien ist am Totalpräparat im allgemeinen nur die Lage genau zu erkennen. Namentlich schwierig ist es, die Mündungen der Leitungswege zu sehen. Man kann sich darüber noch am besten am lebenden Objekt ein klares Bild machen, indem durch die Bewegung die Genitalorgane hervortreten. Die beiden Genitalpori liegen etwas vor der Mitte mid sind regelmäßig aus der Medianlinie seitlich heraus- geschoben. Beide Fori liegen nebeneinander und befinden sich je auf einer papillenartigen Erhöhung. Die Lage der weiblichen Geschlechts- öffnung auf einer Vorstülpung bedingt die Bildung eines relativ langen mit vielen zellartigen Anhängen ausgekleideten Kanales. An die Öff- nung dieses Ganges legt sich von der Seite her der Girrusbeutel, der ebenfalls in einer Erhöhung endigt. Ich begreife ganz gut, wenn Kossack, S. 576, keine solchen Erhebungen geseh»n hat. Solange ich konserviertes Material untersuchte, konnte ich selbst auf Schnitten nichts Derartiges entdecken. Ebenso konnte ich am frischen Material feststellen, daß das von Kossack beschriebene und gezeichnete Genital- atrium nicht vorhanden ist. Durch Kontraktion der Mündungsteile aber kann ein solches vorgetäuscht werden. Mit besonderen Schwierig- keiten ist die Erkennung dieser Verhältnisse auf dem. dritten Ent- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 475 Wicklungsstadium verbunden. Der Endsack des Uterus, der beim einen Partner besonders mit Eiern vollgepfropft ist, macht das Objekt an dieser Stelle undurchsichtig. Die von den früheren Autoren im allgemeinen falsch gedeuteten Genitaldrüsen wurden von Kossack richtig erkannt und beschrieben. Dagegen ist seine Angabe in bezug auf die Hoden 8. 575 nicht ganz, genau. Ihre Lage ist nicht konstant, und zwar, wie ich durch Ver- gleichung sehr vieler Individuen herausgefunden habe, nach einem bestimmten Gesetz. Je mehr der Körper nämlich in die Breite aus- wächst, um so weiter werden die Hoden nach vorn gezogen und um so mehr nähern sie sich den Seitenrändern. Dieser Vorgang läßt sich ver- folgen von der Jugendform aus, wo die Hoden, wie es beschrieben wurde, unmittelbar hinter den Darmschenkelendigungen liegen. Ferner sind die Hoden am vorderen Ende etwas schmaler und gehen dort schließlich in die Samenleiter über, was schon am Totalpräparat zu sehen ist. Was den Keimstock betrifft, so ist zunächst über seine Lage zu sagen, daß er im vorderen Körperdritteil liegt. Die Medianlinie wird in der Regel vom Schalendrüsenkomplex innegehalten. Am häufigsten liegt der Keimstock unmittelbar rechts über der Schalendrüse. Hin- gegen kann er auch, zwar seltener, links davon liegen. Damit in Über- einstimmung ist auch eine gewisse Verschiedenheit in der Lage der Uterusschlingen. Liegt der Keimstock rechts von der Schalendrüse, so befinden sich die Uterusschlingen hauptsächlich auf der linken Seite und umgekehrt. Ob es sich hier um einen Situs inversus handelt, wie Looss ihn für die Formen mit median gelegenen Geschlechtsdrüsen be- schreibt, möchte ich noch nicht entscheiden. Eigenartig ist die Gestalt des Keimstockes insofern, als er sehr stark gelappt ist, viel stärker als bei irgend einer andern mir bekannten Trematodenform. Was Kossack über ihn in dieser Beziehung aussagt, stimmt; nur sind die einzelnen Follikel, die den Verzweigungen aufsitzen, nicht einfache, rundliche Körper. Sie sind vielmehr birnförmig und gehen mit ihrem Stiel direkt aus dem Hauptstamm hervor, so daß man diese Art der Verzweigung als Auswüchse des Stammes auffassen kann. An jedem der drei Aste sitzen fünf bis sieben solcher einzelner Knollen. Der Schalendrüsenkomplex liegt wie angedeutet in der Median- hnie und befindet sich tiefer im Körper als der Keimstock. Er liegt der Mitte des letzteren direkt an, so daß der von oben einmündende Keimgang ganz kurz ist. Der LAURERsche Kanal ist am gefärbten Präparat weniger gut 31* 476 Georg Jegen, zu sehen als am lebenden Objekt. Hier sieht man, wie er sich aus dem Schalendrüsenkomplex erhebt und zugleich nach rückwärts zieht; dabei aber immer mehr sich der Oberfläche nähert. Bei Individuen, die sich in der Zeit der geschlechtlichen Funktion befinden, ist er auf- fallend verschiebbar. Er ist sodann namentlich in seinem oberen Teile stark gewunden. Der Kanal hat in seinem ganzen Verlaufe ein milchig weißes Aussehen, das durch die im Innern vorhandenen Spermamassen verursacht wird. Er wird beständig vorwärts und rückwärts verschoben, wodurch die Samenfäden sich deutlich dem Centralraum zu bewegen. Die genauere Beschreibung dieses Organes wird im anatomischen Teile gegeben. Hingegen muß ich hier auf einen Umstand aufmerksam machen, der sich auf die KossACKsche Arbeit bezieht. Der Autor schreibt S. 576: »Receptaculum seminis und LAUREKScher Kanal sind vorhanden.« Dabei geht aber weder aus der Beschreibung noch aus der Zeichnung hervor, wo Kossack dieses Receptaculum sieht. Viel- fach wird das Receptaculum bei ähnlichen Verhältnissen als der sich später bildende Endkomplex des LAURERschen Kanales angesehen. Ich werde später nachweisen, daß für jenen Teil eine solche Deutung nicht zulässig ist und verweise auf das Kapitel über den LAURERschen Kanal. Der Uterus nimmt seinen Ursprung aus dem Centralraum der Schalendrüse und begibt sich, nachdem er zunächst nach vorn eine kleine Schlinge gebildet hat, in unbedeutenden Krümmungen direkt nach hinten bis dicht an den Hinterrand. Dieser Teil des Uterus liegt mehr ventral. Er erhebt sich von da an nach der dorsalen Fläche und bildet auf der rechten Körperseite zahlreiche Schlingen. Indem er sich nach der andern Seite hinüberwendet, senkt er sich wieder in die Tiefe des Körpers. Noch ganz seitlich beginnt er dicker zu werden und biegt schließlich unter dem linken Darmschenkel in den mittleren Raum ein, wo er sich gerade nach vorn zieht, dabei an Breite zuneh- mend. Diese Verhältnisse scheinen für die Art konstant zu sein, und die Zahl der Uterusschlingen wird kaum variieren, trotzdem es öfters» den Eindruck macht, als seien sie bei den einen Individuen viel zahl- reicher. Es ist dies aber nur eine Täuschung, indem im jüngeren Ge- schlechtsstadium die Windungen viel enger aneinander liegen, wäh- rend sie später auf größere Räume verteilt sind. Kossack schreibt S. 576; »Der Uterus öffnet sich nicht terminal zum Porus; sondern er reicht ein Stück über diesen hinaus, auf diese Weise einen weiten Blind- sack bildend.« Das ist nun vollständig richtig. Ich erwähne diese Erscheinung besonders deshalb, weil sie ein Licht wirft auf die Frage» der Entleerung der Eier. Sofern die gebildeten Eier in ununterbrochener ! CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 477 Heihenfolge den Uterus passieren würden, um nach außen zu gelangen. wäre eine derartige Einrichtung dem Zwecke nicht entsprechend, da in diesem Blindsack die Eier sicherlich sich stauen und dort verbleiben würden. Wenn man anderseits aber bedenkt, daß der Parasit geradezu bestrebt sein muß, die Eier nicht nach außen gelangen zu lassen, was im Abschnitt über Entwicklung noch näher ausgeführt wird, so ist die- Gegenwart einer Enderweiterung des Uterus sicher dazu angetan, die Eier zurückzuhalten. Die Bewegungen des Uterus sind nach Miescher (8. 16) äußerst auffällig, wobei Lageveränderungen des Organes erreicht werden. Durch diese Tätigkeit wird die Einlasse beständig bewegt. Sie wird bald da und bald dort zusammengedrängt und verursacht dann eine knollenartige Auftreibung des Uterus, so daß dieser in solchen Momen- ten ein sehr unregelmäßiges Aussehen besitzt. Die Eier bewegen sich deutlich dem Uterusende zu, wo sie sich ansammeln und die Erweiterung desselben zum eigentlichen Sacke bewirken. Solange man die Tiere nicht voneinander reißt, kann kein AusfUeßen der Eier beobachtet werden. Sobald sich die beiden Partner aber trennen, ergießen sich die Eimassen in Form eines bräunlichen oder weißlichen Bandes nach außen. Von einem Gefäßsystem, wie es Miescher S. 11 beschreibt, konnte ich nichts entdecken. Ich bin fast geneigt anzunehmen, daß es sich bei den von Miescher beschriebenen Hauptstäramen um die dorso- ventralen Muskelzüge handelt, die tatsächlich in der Umgebung der Darmschenkel besonders deutlich sich zeigen. Die vermeintlichen Hohl- räume, die Miescher als zum Gefäßsystem gehörend bezeichnet, sind wahrscheinlich *Parenchymlücken, die namentlich bei älteren Stadien groß werden können. Über die Dotterstöcke auf dem Verbreitungs- stadium kann ich auf die von Kossack gegebene Beschreibung ver- weisen. Hervorzuheben ist nur, daß die ViteUinen dorsal hart an der Oberfläche liegen. in. Anatomie. A. Beschaffenheit der Cyste. In der Literatur ist über diesen Gegenstand wenig zu finden, und doch ist eine genaue Kenntnis der Cystenbeschaffenheit von Wichtig- keit, weil sie uns über den Infektionsmodus Aufschluß zu geben im- stande ist. Miescher beschreibt S. 6 die Cyste als häutigen Balg, der unmittelbar unter der äußeren Haut liegt. Die Wandungen sind dick und derb. Die innere Oberfläche ist glatt, ähnlich der einer serösen 478 Georg Jegen, Haut. So viel läßt sich durch eine makroskopische Betrachtung er- mitteln. Um aber auch über den anatomischen Bau zu einem klaren Bilde zu gelangen, sind Schnitte notwendig. Taf. XU, Fig. 31 zeigt einen solchen durch eine noch relativ junge Cyste. Zunächst ist her- vorzuheben, daß die Vogelhaut die Cyste nach außen bedeckt. Durch Vergleichimg verschieden weit entwickelter Cysten wird es klar, daß die Haut in der Umgebung des Follikels durch das Wachstum des Para- siten, sowie durch die Bildung der Cystenwand, kugelförmig aufgetrieben wird. Auf der höchsten Erhebung befindet sich in jedem Fall eine Öffnung. Der Umstand, daß sie immer dieselbe Lage einnimmt, deutet darauf hin, daß sie nicht durch den Parasiten verursacht wurde, da sonst sicher eine gewisse Inkonstanz in bezug auf die genaue Lage entstehen würde. Wie aus dem Abschnitt über Entwicklung hervor- geht, sind es die Federfolhkel, die dem Parasiten als Wohnung dienen, und die Veränderungen, die letztere erleiden, nachdem die Infektion stattgefunden hat, können nur durch den Parasiten selbst verursacht werden. Der Eingang der Cystenöffnung ist ausgekleidet durch das Stratum corneum und das Stratum Malpighi der Vogelepidermis. Letzteres bildet am Eingang in die Cyste durch Verdickung einen ring- förmigen Wulst. Sobald sich die Öffnung zur Höhle zu erweitern be- ginnt, werden die genannten zwei Schichten auf minimale Dicke redu- ziert. Sie vereinigen sich schließlich zu einem die Innenfläche der Cyste auskleidenden sehr dünnen Belag. Dieser enthält eine einzige Zellschicht, die sich vom übrigen Gew^ebe noch deutlich abhebt, und deren Zellen eine länglich plattgedrückte Form besitzen. Auf diese dünne Schicht folgt ein dickes, zeUiges Gewebe, das prinzipiell sich von der Cutis nicht unterscheidet. Diese Schicht, die ihrer Beschaffen- heit nach offenbar ein verändertes Bindegewebe darstellt, bildet die eigentliche Cystenwand. Bei den Cysten jüngerer Entwicklungsstadien sieht man deutUch, wie nach außen das Gewebe lockerer wird und in die gewöhnliche Cutis übergeht. Auf Schnitten durch ältere Cysten hingegen findet der Übergang plötzlich statt. Solange die Vogelhaut noch nicht emporgewölbt wird, befindet sich rings um die Cysten- öffnung herum noch eine Schicht von Bindegewebe von beträchtUcher Stärke, Je älter aber die Cyste wird, um so mehr verschwindet es an den genannten Stellen bis zum völligen Schwund, so daß das dichtere Cystengewebe in größerer Dicke sich dem Stratum Malpighi anlegt. Bei älteren Cysten konnte ich meistens beobachten, daß der dünne innere Wandbelag gelockert und zottig erscheint. Diese Beschaffenheit ist aber erst nachträglich entstanden, und zwar sehr wahrscheinUch Collyricium faba (Bremser) Kossaok uaw. 479 durch den Reiz, den die Stacheln des Parasiten ausüben, indem sie direkt in diese Schicht eindringen. Wenn wir zum Schlüsse diese eben geschilderten Verhältnisse in Parallele mit den entsprechenden der Federfollikel ziehen, so zeigt sich eine überraschende Übereinstimmung. Di6 Auskleidung des Follikels ist durch den vom Parasiten verursachten Reiz zu abnormalem Wachstum angeregt worden und liefert schließlich die dicke und elastische Cystenwand. B. Männliche Genitalien. Bevor ich über die anatomische Beschaffenheit der männlichen Geschlechtsorgane spreche, möchte ich noch einige Bemerkungen all- gemeiner Natur einschalten. Es scheint bei den Trematoden häufig vorzukommen, daß die männliche Reife der weiblichen vorausgeht. Da ich im Laufe meiner Untersuchungen darauf hingeführt wurde, die einzelnen Stufen der Entwicklung des Parasiten scharf auseinander zu halten, so konnte ich ebenfalls über die bezüglichen Verhältnisse genauere Beobachtungen machen. Zunächst schien mir die männliche Reife tatsächhch der weib- lichen vorauszugehen. Ich konnte öfters auf dem Geschlechtsstadium feststellen, daß die Vesicula sem. mit Sperma angefüllt war, wäh- rend das Uterusende, das in diesem Moment zwar noch wenig ent- wickelt ist, gar keine Eier enthält. Ebensowenig konnte ich in den Endteilen der weiblichen Genitalien Sperma wahrnehmen. Es dürften übrigens zu dieser Zeit nicht einmal alle Uterusschlingen fertig aus- gebildet sein. Da nun Looss analoge Erscheinungen schon beschrieben hat, und die Entwicklung der Uterusschlingen durch den Einfluß der eindringenden Spermafäden sich erklärt, so könnte man auch im vor- liegenden Fall, wie schon angedeutet, zur Erklärung die zeitUch ver- schiedene Entwicklung der männlichen und weiblichen Keimdrüsen heranziehen. Nun hat mir aber die Untersuchung gezeigt, daß die weitere Entwicklung des Uterus von der Schalendrüse aus begonnen hat, ehe noch das Lumen der im hinteren Teil befindlichen Schlingen gebildet ist. Ja, es finden sich im Anfangsteil befruchtete Eier in einem Moment, wo der Endsack noch sehr klein und absolut leer ist. Die Befruchtung kann in diesem Fall nur durch den LAUKERschen Kanal sich vollziehen, und die weibhchen Geschlechtsprodukte werden in der Tat nicht merklich später reif als die männlichen. Solange man eine Befruchtung ausschließlich durch das Uterus- ende annimmt, wird man allerdings die früher eintretende männlich» 480 Georg Jegen, Reife als notAvendig ansehen müssen. Ist aber die Möglichkeit einer Befruchtung durch den LAUREKschen Kanal- bewiesen, so wird die Annahme einer Protandrie unnötig. Ich kann, gestützt auf eingehende Untersuchungen, in der zeitlichen Entwicklung der Anlage der Ge- schlechtsdrüsen keine Differenzen finden. Männliche und weibliche Drüsen entwickeln sich sozusagen miteinander, auf jeden Fall so, daR von einem zeitlichen Unterschied, der irgend eine Bedeutung in den Befruchtungsverhältnissen erlangen könnte, nicht zu sprechen ist. Daß das Sperma in den männlichen Leitungswegen bei einer Befruch- tung auf dem Wege des LAURERschen Kanales in einem Zeitpunkt auftritt, Avo die Endteile des weiblichen Organes noch vollständig leer sind, ist unter diesen Verhältnissen natürlich . (Vergleiche >>Zur Funktion des LAURERschen Kanales« S. 50L) Damit wende ich mich zur Besprechung der einzelnen Teile der mämilichen Genitalien. Es folgen sich von innen nach außen: Hoden, Vasa efferentia, Vas deferens, Vesicula seminalis, Ductus ejaculatorius, Cirrus und Cirrusbeutel. 1. Die Hoden. Die Größe der Hoden schwankt je nach der Größe des Individuums und je nach dem Alter. Auf dem Verbreitungsstadium kann man als mittlere Größe angeben: Länge = 0,6 mm. Breite = 0,315 mm. Im Geschlechtsstadium sind sie durchweg bedeutend kleiner. Länge = 0,31 mm. Breite = 0,245 mm. In der anatomischen Beschreibung müssen die einzelnen Altersstadien scharf auseinander gehalten werden. a) Geschlechtsstadium. Der ovale Hoden ist umschlossen von einer zarten, strukturlosen Membran, der Tunica propria. Sie ist vollständig durchsichtig und bildet sich erst, nachdem die Elemente des Hodens sich im Parenchym herauszuformen beginnen. Was die Herkunft des Bildungsmateriales der Tunica betrifft, bin ich zur Über- zeugung gelangt, daß sie durch Aneinanderlegen von feinen Parenchym- iasern entsteht. Auch später verschwindet die Verbindung mit dem umhegenden Gewebe nicht ganz. Looss spricht bei Bist, italicum von Parenchymfasern und Muskeln, die sich tief in die Oberfläche -der Hoden einsenken. Auf einem frühen Jugendstadium sind die Hoden sehr klein. Länge = 0,122 mm. Breite = 0,042 mm. Das Innere besteht aus einer Anzahl durchaus gleichartiger, runder Zellen, die nicht etwa dicht gedrängt, sondern mehr locker angeordnet sind. Der Durchmesser einer solchen Zelle mißt im Mittel 0,0035 mm. Zunächst iällt es auf, daß der Kern in den einzelnen Zellen ein abweichendes Ver- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 481 halten zeigt. Die einen besitzen einen großen Einzelkern und sind durch eine stark gefärbte, relativ dicke Schicht umschlossen. Die andern hingegen besitzen drei bis sechs kleinere Kerne. Zugleich hebt sich die ganze Zelle nicht mehr so scharf ab, und die Zwischensubstanz ist bedeutend heller, d. h. weniger stark gefärbt. Wenn es auch nicht möglich ist, darin Teilungslinien wahrzunehmen, so kann es sich doch nur um einen solchen Vorgang handeln. Der Kern hat in gewissen Zellen die Teilung schon vollzogen, und es ist anzunehmen, daß sich diese Teilprodukte im Laufe der Entwicklung zu je einer Samenmutter- zelle ausbilden, wodurch der Hoden als Ganzes eine bedeutende Aus- dehnung erfährt. Gleichzeitig mit dieser Veränderung im Innern erlangt auch die Tunica propria ihre vollständige Ausbildung als Membran. Mit der Vollendung des geschilderten Vorganges tritt der Hoden in eine Entwicklungsphase ein, die die Bildung der Spermatozoen herbei- führt. An der inneren Fläche der Tunica haben sich Zellen angeordnet, die sich von den übrigen im Centrum gelegenen deutlich abheben. Sie zeichnen sich durch intensivere Färbung, durch ihre scharfen Umrisse und endlich dadurch aus, daß sie im Innern eine gekörnelte Struktur erkennen lassen. Spermafäden sind noch nicht gebildet worden. Ein ganz andres Bild zeigt das Innere des Hodens. Hier haben sich die einzelnen Samenmutterzellen zu Gruppen von drei bis fünf zusammen- getan. Die Grundsubstanz ist schwach gefärbt und durchaus hyalin. Als Ganzes ist eine solche Gruppe nicht begrenzt; wohl aber ist jede einzelne Samenmutterzelle unschwer zu unterscheiden. Nach und nach verschwinden nun aber auch diese Zellumrisse, und wir finden in eine allgemeine Grundsubstanz eingebettet die Spermafäden. Diese letzteren bilden sich zuerst in Bündeln, die erst später in die einzelnen Fäden zerfallen. Man sieht nun im ganzen centralen Teil des Hodens die einzelnen Samenfäden oder ganze Bündel in der gleichmäßig ge- färbten, hyalinen Grundsubstanz eingebettet liegen. In diesem Zeit- punkte treten nun die ersten Samenfäden in den Leitungswegen und in der Vesicula seminalis auf, und damit beginnt, trotz des noch nicht fertig ausgebildeten Uterus, der Befruchtungsvorgang, und solange dieser dauert, dürfte die Beschaffenheit der Hoden auch nicht verändert werden, höchstens können sie noch eine gewisse Volumen Vergrößerung erfahren. b) Verbreitungsstadium. In einem bestimmten Momente, der für die Hoden früher als für die übrigen Genitaldrüsen eintritt, beginnt im anatomischen Bau sich eine Veränderung zu vollziehen. 482 Georg Jegen, Die Zellen und Spermamassen sind bedeutend spärlicher geworden. Die einzelnen Samenmutterzellen sind nicht mehr zu unterscheiden, und es darf angenommen werden, daß sie sich in der Spermaproduktion aufgebraucht haben. Das beweisen auch die vielen erst jetzt ent- standenen Hohlräume im Innern. Zwar sind dieselben vorderhand noch nicht vollständig leer, indem mehr oder weniger Samenfäden längs der Peripherie sichtbar sind. Später allerdings trifft man zum größten Teil nur mehr leere Hohlräume an. Was die Tunica propria betrifft, so ist sie zu einem äußerst dünnen Gebilde geworden, das stellenweise geradezu aufgelöst ist, wo die noch vorhandenen Reste des Innern ins umliegende Parenchym hinaustreten. Es dürfte dieser Umstand auch zur Erklärung der manchmal häufig vorkommenden männlichen Geschlechtszellen im Endkomplex des LAURERschen Ka- nales herangezogen werden. Solche Überreste lassen sich überhaupt an weit vorgeschrittenen Verbreitungsstadien im Körperparenchym häufig auffinden, was jedenfalls auf ein baldiges Auflösen des Körpers hindeutet. 2. Vasa efferentia. Auf dem Geschlechtsstadium sind die Hoden eher eiförmig, indem der nach vorn gerichtete Pol zugespitzt ist. Auf Schnitten und bei günstigen Totalpräparaten läßt sich nun konstatieren, daß dieser Teil allmählich in die Vasa efferentia übergeht. Unmittelbar nachdem sich der Übergang der Hoden in die Leitungswege vollzogen hat, biegen letztere in scharfer Krümmung nach der Medianlinie, um in geradem Verlaufe die Vereinigungsstelle zum Vas deferens zu erreichen. Die beiden Vasa efferentia sind außerordentlich zarte Kanäle, die nur w^ährend der Geschlechtstätigkeit persistieren. Im späteren Ent- wicklungsstadium sind sie entweder ganz verschwunden, oder es lassen sich nur mehr einzelne Teilstücke erkennen. Es geht daraus klar hervor, daß die Leitungswege eine Reduktion erleiden, nachdem der Parasit das Geschlechtsstadium verlassen hat. Diese Tatsache muß deshalb erwähnt werden, weil sie eine geschlechtliche Tätigkeit auf dem Verbreitungsstadium widerlegen, so daß die dauernde ventrale Lagerung kaum zum Zwecke der Begattung erfolgen wird, was weiter unten noch näher ausgeführt würd. Ich habe in der Vesicula seminalis allerdings häufig noch Sperma beobachtet, obwohl die Samenleiter schon voll- ständig zurückgebildet waren. Es kann dies aber nur solches Sperma sein, das zu einer Zeit eingewandert ist, wo der Zusammenhang mit den Hoden noch nicht unterbrochen war. Es ist nvm ganz wohl mög- CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 483 lieh, daß von dem hier vorhandenen Sperma bei der später folgenden ventralen Lagerung der beiden Individuen solches in den Uterussack des Partners gelangt. Für die Befruchtung aber dürften diese Sperma- reste kaum mehr eine Rolle spielen. 3. Vas deferens. Der gemeinsame Samenleiter ist wenig entwickelt. Seine Länge beträgt 0,12 mm, seine Breite = 0,0105 mm. Von der Vereinigungs- stelle der beiden Vasa efferentia aus beginnt er sich in schwache Krüm- mungen zu legen. In seinem Endteile, bevor er in die Vesicula semi- nalis eintritt, wird er von den sich hier schließenden Wänden des Cirrus- beutels eingefaßt. Zur Zeit der Geschlechtsreife ist er leichHch mit Sperma gefüllt. 4. Vesicula seminalis. Die Vesicula seminalis hat im allgemeinen Flaschenform mit stark erweitertem Halsteil. Das breitere Ende sitzt auf dem Grunde des Cirrusbeutels. Die Wand der Vesicula besitzt namentlich am hintern Teil eine kräftige Muskulatur. Ob die Innenfläche an Stelle der Cuticula ein Cylinderepithel, wie dies Leukart bei Bist, hepaticum beschrieben hat, trägt, kann ich mit Sicherheit nicht feststellen. Eine etwas ab- weichende Beschaffenheit fiel mir namentlich am vorderen Teil auf; ich schreibe diese aber den feinen Endigungen der Prostatadrüsen zu; denn Zellkerne konnte ich nicht entdecken, 5. Pars prostatica. Die einzelnen Prostatadrüsen erfüllen fast den ganzen Raum des Cirrusbeutels. Sie münden hauptsächhch in den Ductus ejaculatorius. Eine Ausweitung des Cirrusbeutels an dieser Stelle findet nicht statt. Die Drüse selbst besteht aus einem ovalen Drüsenteil und einem feinen Fortsatz, der die Wandungen der Vesicula und des Ductus ejaculatorius durchsetzt, um in deren Hohlräumen mit einer kleinen Hervorragung zu endigen. 6. Ductus ejaculatorius. Dieser Teil der männlichen Genitalien ist sehr kurz. Er besitzt eine Länge von 0,0175 mm und ist schwach gewunden und äußerst englumig. Vorn geht er über in die Samenrinne, und hinten er- weitert er sich plötzlich zum Halsteil der Vesicula. Auffällig sind die Wände des Kanales, insofern sie stark entwickelt sind und eine feine 484 Georg Jegen, quere Strichelung aufweisen. Bei genauerer Untersuchung stellte es sich heraus, daß es äußerst dünne Fäden sind, die die Wandung quer durchsetzen. Diese Fäden bilden wie schon angedeutet die Fortsätze der Prostatadrüsen. Nach der allgemeinen Auffassung sollen die ein- zelligen Drüsen ein Secret absondern, um die Samenfäden in eine flüssige Masse einzubetten. Nach den eben skizzierten Verhältnissen erscheint mir eine solche Erklärung vollständig ausreichend zu sein. 7. Der Cirrus. Der Cirrus ist nicht stark entwickelt. Es ist mir bei der Beob- achtung lebenden Materiales nie gelungen, ihn im vorgestülpten Zu- stande zu sehen. Von den \äelen Schnitten zeigen nur drei Individuen den Cirrus in der vorgestoßenen Lage. Auffallend ist es, daß er in den zwei Lagen nicht die gleiche Form zeigt. Im ersten Fall erscheint er langgestreckt mit einer ganz schwachen Verdickung am Vorderende. Seine zweite Form aber zeichnet sich besonders durch das keulenförmig verdickte Vorderende aus. Auf der Mitte der Fläche des verdickten Endes mündet der Samengang durch eine relativ weite Öffnung. Die Länge des eingezogenen Cirrus beträgt 0,122 — 0,235 mm, die Breite 0,021 — 0,032 mm. Die Cuticula hat, abgesehen von Stacheln, die gleiche Beschaffenheit wie die Körperbedeckung und ebenso der Muskelschlauch, wobei die Muskelzüge aber allgemein schwach ent- wickelt sind. Das Parenchym bildet, wie im übrigen Körper Maschen, die im Cirrus weiter sind. Bei ganz jugendlichen Exemplaren ist das Maschenwerk enslumig. Es verhält sich also ganz ähnlich wie das Körperparenchym, das bei zunehmendem Alter immer weitlumiger Avird. 8. Der Cirrusbeutel. (Tafel XII, Fig. 29 und 30.) Der Cirrusbeutel schließt wie schon bemerkt die Vesicula seminalis in sich. Es liegen in dieser Beziehung also analoge Verhältnisse vor^ wie sie Leukart S. 220 bei Dist. hepatic. beschreibt. Er bildet einen Sack, der sich unmittelbar am Grunde der Vesicula schUeßt. Sein Längsdurchmesser beträgt je nach der Größe der Individuen 0,357 bis 0,684 mm. Seine größte Breite bewegt sich zwischen 0,095 und 0,186 mm. Die Beutelwand ist relativ schwach entwickelt und ist von Längsmuskeln und ganz schwachen Radiärmuskelzügen gebildet. Dagegen gehen von der Wand sowohl nach außen als auch nach innen verhältnismäßig reiche Muskelzüge ab. Zunächst sehen wir in den beiden Winkeln, welche durch die Beutelwand und die Hautcuticula Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 485 gebildet werden, starke Muskelzüge von einer Wand zur andern ziehen. Nach außen scheinen sie an den Hautmuskelschlauch anzuschließen, und nach innen gehen sie über in die Beutelwand. Dieses Muskelwerk befindet sich im ganzen Bereich des Cirrusbeutels. Im Innern des Organes finden wir in bezug auf die Muskeln ungefähr das gleiche Bild. Hier lösen sich von der inneren Wandfläche einzelne Faserzüge, durch- setzen den von den Prostatadrüsen ausgefüllten Raum und schließen sich von außen an den Cirrus und die Vesicula. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß diese relativ reiche Muskulatur die Beweg- lichkeit des ganzen Organes bedingt. Dabei kann man infolge der bestimmten Anordnung der Muskeln annehmen, daß die äußeren zur Bewegung des Beutels dienen, während die inneren den Cirrus selbst bewegen. Was nun die Mündung der männlichen Geschlechtsorgane nach außen betrifft, so ist dieselbe am Totalpräparat schwer zu erkennen. Doch kommt es auch hier darauf an, ob man altes, konserviertes Material oder lebendes zur Verfügung hat. Dieser Umstand ist auch wichtig in der Beurteilung, ob ein Genitalatrium vorhanden sei oder nicht. Solange ich nur konserviertes Material zur Beobachtung besaß, erhielt ich den Eindruck von einer ganz kleinen Einsenkung an der Mündungs- stelle. Zum gleichen Resultat gelangte auch Kossack, wenn er S. 575 von einem kleinen Genitalatrium schreibt. Er gibt davon Taf. XV, Fig. 24 eine Abbildung. Doch muß ich gestehen, daß diese Figur von den tatsächlichen Verhältnissen nur ein unvollkommenes Bild gibt. Schon MiESCHEK, der seine Untersuchungsresultate noch auf keine Schnitte stützen konnte, dafür aber frisches Material bearbeitete, beschreibt die morphologischen Verhältnisse S. 44 eingehend und gibt davon auch eine sehr instruktive Abbildung in Fig. VII. Es ist durch- aus richtig, daß sich der Cirrusbeutel als rundlicher, undurchsichtiger Körper von der Seite her über den Endsack des Uterus herüberlegt. Ferner wurde vom gleichen Autor ganz richtig erkannt, daß die männ- lichen Genitalien in einer zitzenförmigen Hervorragung münden. Diese Hervorragung wird nun allerdings nicht durch den Cirrus gebildet, sondern durch eine muskulöse Anschwellung des Cirrusbeutels. Von einem Genitalatrium ist also wirklich keine Rede. C. Weibliche Genitalien. Der allgemeine Entwicklungsmodus dieser Organe ist an andrer Stelle schon erwähnt worden. Hier müssen die anatomischen Ver- hältnisse noch näher erörtert werden, um so mehr, als sich in gewissen 486 Georg Jegen, Teilen auf den verschiedenen Altersstufen ganz charakteristische Merk- male zeigen. 1. Der Keimstock. In der ersten Anlage erscheint der Keimstock eher etwas später als die Hoden. Dafür ist aber die Zeit der Entwicklung bis zur vollen Keife kürzer, so daß beim Freiwerden der Samenfäden die weiblichen Keimzellen bereits der Befruchtung harren. Da sich der Keimstock für die Untersuchung der einzelnen Entwäcklungsphasen als ganz be- sonders günstig erweist, werde ich drei Stadien aus der ganzen Ent- wicklung herausgreifen, nämlich: a) Vor der Geschlechtsreife. b) Während der Geschlechtsreife. c) Nach der Geschlechtsreife. a) Vor der Geschlechtsreife. In Taf. XII, Fig. 16 habe ich die anatomische Beschaffenheit des Organes auf dieser Stufe seiner Entwicklung dargestellt. Zunächst ist festzustellen, daß der Keim- stock noch relativ klein und unverzweigt ist. Er ist umkleidet von einer hyalinen Membran. Die äußere Partie dieser Membran ist sehr zart und wenig färbbar. Nach innen folgt eine stark gefärbte Lamelle, die sich von den anliegenden Keimzellen scharf abhebt. Die Wandungen des Keimganges bilden die direkte Fortsetzung dieser Membran. Was nun das Ovar selbst betrifft, so besteht es aus einer großen Zahl von gleichmäßig in eine besondere Grundsubstanz eingebetteten Keim- zellen. Diese heben sich noch nicht scharf ab; d. h. ihre Membranen sind noch nicht sichtbar. Indessen sind die sich später bildenden Zell- membranen schon jetzt in Form von hellen Umrissen erkenntlich. Der ganze, runde deutlich begrenzte Körper ist demnach als Kern aufzufassen. Er besitzt durchschnittlich einen Durchmesser voni 0,006 — 0,005 mm. Dabei sind sowohl die im Innern gelegenen wie diei wandständigen durchaus gleichartig; vielleicht, daß sie im allgemeinen i in der Mitte etwas größer sind. Unmittelbar um den Kern erscheint ^ immer eine dunklere Partie, so daß anzunehmen ist, daß sich hier diei Grundsubstanz zur Bildung der Zelle etwas verdichtet hat. Der Kern; selbst besitzt ein granuliertes Aussehen. Mehr oder weniger im Kreisöi angeordnet, befinden sich stark gefärbte Körnchen. Es dürften diesen Körnchen wahrscheinlich die chromatophile Substanz des Kernes dar- stellen. So wie sich die Erscheinung in den verschiedenen Stadial der Entwicklung verfolgen läßt, kann es sich nur um die Bildung^ Produkte des Kernes handeln. Diese schließen sich auf einer späterenl CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 487 Stufe zu einem einheitlichen Gebilde zusammen. Einen analogen Vor- gang beschreibt Leukart S. 372 bei Bist, hepaticum. Dabei handelt es sich dort allerdings um den Zerfall der kompakten Masse in eine Menge kleiner Körnchen. Ich werde im folgenden in der Weiterent- wicklung wieder darauf zu sprechen kommen, indem nämlich der auf dem Geschlechtsstadium kompakte Kern später wieder in viele kleine Teilstücke zerfällt. Ich habe weiter oben schon bemerkt, daß das Ovarium erst im Geschlechtsstadium seine volle Ausdehnung erreicht. Die einzelnen Keimzellen sind nun aber auf allen Entwicklungsstufen, wo sie überhaupt sich abgegrenzt zeigen, von gleicher Größe. Wenn nun das Ovarium selbst an Größe zunimmt, während die einzelnen Zellen gleich bleiben, so liegt es auf der Hand, daß eine Vermehrung der Zahl der Keimzellen eintritt. Es ist mir zwar auf dieser Stufe nicht gelungen, ein Keimlager oder ein Keimepithel festzustellen. Später hingegen erscheint ein Keimlager, von dem aus die Bildung neuer Keimzellen vollzogen wird. b) Während der Geschlechtsreife. Wie aus Fig. 17 ersichtlich ist, bietet der Keimstock während dieser Periode, abgesehen von seiner Größenzunahme, auch anatomisch ein bedeutend anderes Bild. Über die Membran kann weiter nicht viel gesagt werden, da sie die gleiche Beschaffenheit besitzt, wie sie oben geschildert wurde. Dafür haben sich aber im Innern auffälhge Veränderungen vollzogen. Die Grund- substanz ist bedeutend reduziert, d. h. die Keimzellen füllen den ganzen Raum aus. Die einzelnen Zellen sind jetzt deutlich umrandet; ob man es mit einer äußerst feinen Membran zu tun hat oder nicht, muß ich noch unentschieden lassen. Die gleichmäßige Verteilung der Zellen im Ovar ist aufgehoben, indem sich längs der Keimstockmembran eine Zellschicht in regelmäßigen Reihen angeordnet hat. Gewöhnlich kann man zwei solcher Reihen unterscheiden. Nach innen heben sie sich durch ihre stärkere Färbbarkeit ab, und zudem besitzen sie einen Kern, der ganz kompakt aussieht. Die Mitte des Keimstocks ist von Zellen eingenommen, die erstens die Farbe bedeutend weniger annehmen und zweitens einen Kern aufweisen, der weniger solid ist. In diesem Zell- komplex hebt sich nun eine Gruppe von Zellen ab, die durch eine äußerst feine Membran umkleidet ist. Jedenfalls haben wir es hier mit einem Keimlager zu tun, wie es bei verschiedenen Trematoden, namentlich Ectoparasiten, oft auftritt. Es liegt in unserm Fall mitten im Keim- stock in gerader Fortsetzung des Keimganges. In ähnlicher Form tritt nach Juel (S. 33) bei Apohlema ein Keimlager auf. Was der Ver- fasser über die Membran schreibt, konnte ich bei CoUyriclum nicht fest- 488 Georg Jegen, stellen. Sie wird nämlich in der Richtung des Keimganges immer schwächer und verliert sich schließlich, ohne zwischen den Keimzellen eine Gerüstsubstanz zu bilden. Ein in bezug auf die Struktur der inneren Zellen analoges Verhalten beschreibt Leukaet bei Dist. hepaticum, wo er ebenfalls konstatiert, daß die Zellkerne in diesem Räume bedeutend weniger solid aussehen, als dies bei den wandständigen der Fall ist. c) Nach der Geschlechtsreife. Die größte Veränderung hat der Keimstock mit dem Aufhören der Geschlechtstätigkeit erlitten (Taf. XII, Fig. 18). Die Membran ist offensichtlich in Auflösung be- griffen. Nach außen heben sich ganze Stränge ab, so daß an bestimmten Stellen der Zusammenhang ganz aufgelöst ist. Durch die so entstan- denen Lücken treten dann die Keimzellen in das umliegende Parenchym. Der Inhalt des Keimstockes ist dadurch ärmer geworden. Es sind größere und kleinere Hohlräume entstanden, und die noch vorhandenen Keimzellen bilden unregelmäßig angeordnete Gruppen. Was die Keim- zellen selbst betrifft, so erhält man entschieden den Eindruck von in Auflösung begriffenen Elementen. Ein solider Kern wie auf dem Geschlechtsstadium ist nicht mehr vorhanden, indem er sich in zahl- reiche kleine Körnchen aufgelöst hat. Derart degenerierte Keimzellen sind in diesem Moment im umliegenden Parenchym häufig anzutreffen tmd ebenso im Centralraum der Schalendrüse und im LAURERschen Kanal. Solche Veränderungen, w^ie ich sie eben dargelegt habe, lassen sich wohl kaum anders deuten, als daß der Parasit dadurch seiner Auflösung entgegengeführt wird. Indem ich aber immer wieder frisches Material aus Cysten von der gleichen Altersstufe zur Beobachtung herangezogen habe, kann ich feststellen, daß eine Bewegung des Uterus, ein Vorwärtsschieben der Eier, auch auf dieser Stufe stattfindet. Tut ist der Parasit noch nicht. 2. Der Keimgang. Wie in der Besprechung der Morphologie der einzelnen Organe dargetan wurde, besteht der Keimstock aus einer starken Achse, von der aus sich verschiedene runde bis ovale Aussackungen erheben. Un- gefähr in der Mitte der Achse geht der Keimgang ab. Er verläuft voll- ständig gerade und mündet in den Centralraum. Sein Volumen nimmt von der Ursprungsstelle bis zur Mündung beständig ab; so daß die Keimzellen schließlich den Kanal nur mehr einzeln passieren können. Die Membran verhält sich analog derjenigen des Keimstocks. Die Länge des Keimganges beträgt 0,05 — 0,1 mm; während die größte Breite 0,02 mm und die engste Stelle 0,01 mm mißt. Die Mündung Collyricium faba (Bremser) Kossack usw. , 489 des Ganges in den Centralraum liegt auf der gleichen Höhe mit der- jenigen des LAURERschen Kanales. 3. Die Dotterstöckd. Dieses Organ fällt bei einem Totalpräparat sowohl durch seine Lage als seine Ausdehnung auf. Wie an andrer Stelle näher erörtert wurde, besteht es jederseits gewöhnlich aus sieben Follikelgruppen, die unter sich eine vollständig gleichw^ertige anatomische Beschaffenheit aufweisen. Die- Entwicklung der Dotterstöcke fällt zeitlich mit der- jenigen des Keimstockes zusammen. Auch in bezug auf die Beschaffen- heit auf den einzelnen Stufen konnte ich durch vergleichende Unter- suchungen große Übereinstimmung zwischen den beiden Genitaldrüsen feststellen. Da über die Entwicklung der Dotterstöcke, soweit ich mich in der Literatur orientieren konnte, wenio; bekannt ist, so mag eine eingehendere Behandlung dieses Teiles gerechtfertigt sein. Wie schon bemerkt, fällt die erste Anlage des Organes in eine Zeit, wo auch der Keimstock sich herauszubilden beginnt. Diese erste An- lage ist zwar etwas schwierig zu erkennen, da von vornherein nicht leicht unterschieden werden kann, um was für Zellen es sich handelt. Einen ersten Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage bildet natürlich die Lage des Organes. Außerdem kann man bei genauerer Betrachtimg die gekörnelte Struktur des Zellprotoplasmas, wie sie in dem Maße nur bei den Dotterzellen zu finden ist, erkennen. Taf. XII, Fig. 19 stellt einen in Entwicklung begriffenen Dotterstock dar. Der innerste Teil des Gebildes ist ein außerordentlich feinmaschiges Netz. Darin eingebettet liegen die sich bildenden Dotterzellen. Sobald diese letzteren sich entwickelt haben, werden sie aus dem centralen Raum abaeschoben. um sich im Umkreise ihrer Bildunosstätte anzusammeln. Ebenso hat sich bereits eine zarte Membran als Umhüllung der ein- zelnen Dotterstockanlage gebildet. Offenbar handelt es sich hier um ein ähnliches Gebilde, wie es beim Keimstock im sogenannten Keini- lager auftritt. Man wird deshalb kaum fehlgehen, wenn man diesen centralen Teil des Dotterstockes mit »Keimballen << bezeichnet. Aller- dings läßt sich im Verhalten der beiden Zellgruppen ein bedeutender Unterschied konstatieren. Das Keimlager des Keimstockes läßt sich nämlich noch im vollständig entwickelten Organ feststellen, was nun beim Keimballen des Dotterstockes nicht zutrifft. Sobald nämlich die Abgrenzung in die einzelnen Foüikel stattgefunden hat, läßt sich die centrale Bildungsstätte nicht mehr auffinden. Der Keimballen ist also nur so lange tätig, als der Dotterstock die einheitliche Form Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd S2 490 Georg Jegen, des Jugendstadiums inne hat. Es geht also dieses abweichende Ver- halten direkt aus der eigenartigen Entwicklung des Dotterstockes hervor. Der Keimballen ist im Verhältnis zum Keimlager des Keim- stockes groß. Sein Längsdurchmesser beträgt 0,0245 mm; seine Breite O.OM mm. Was nun die einzelne Dotterzelle auf dieser Stufe betrifft, so zeichnet sie sich aus durch ihren rein zelhgen Charakter. Der Durchmesser be- trägt 0,0035 mm, wovon der Kern selbst etwa ein Drittel beansprucht. Der Kern ist also relativ groß und ist in ein körniges Plasma eingebettet. Diese Beschaffenheit weisen die Zellen noch auf, wenn sich die Follikel bereits gebildet haben. Sie sind dann in einer gleichmäßigen, stark färbbaren Grundsubstanz suspendiert. Die Membran der ganzen Dotterkugel ist fester geworden und ist von innen heraus einem starken Druck ausgesetzt. Taf. XII, Fig. 20 gibt ein Bild von der anatomischen Beschaffenheit eines Follikels auf dieser Entwicklungsstufe. Die nächstfolgende Veränderung bezieht sich hauptsächlich auf die einzelne Dotterzelle. Die Zellgrenzen sind aufgelöst, und die Kerne liegen frei im Plasma. Genauere Untersuchungen ergeben nun aber die Anwesenheit eines weiteren Elementes. Es sind dies kleine Körn- chen, die regellos zwischen den Zellkernen eingestreut liegen. Sie sind nicht gleichartig; vielmehr lassen sich zwei Gruppen feststellen. Die eine enthält Körnchen von blasigem Aussehen und großem Licht- brechungsvermögen. Es dürften dies jedenfalls Fetttröpfchen sein. Was nun die zweite Gruppe betrifft, so kann ich feststellen, daß sie aus kleinen stark gefärbten Körnchen besteht. Über ihre Bedeutung wage ich kein Urteil abzugeben. Die Vermutung aber liegt nahe, daß es sich um Teile von Zellkernen handelt. Der eben geschilderte Ent- wicklungszustand ist in Taf. XII, Fig. 21 skizziert. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung macht sich bemerkbar, indem die Grundsubstanz mit den eingestreuten Bläschen sich an einzelnen Stellen verdichtet, wie Taf. XII, Fig. 22 zeigt. In diesem Moment werden die Dottermasen in die Gänge abgeschoben. Der Inhalt der letzteren stimmt mit dem DotterfoUikel auf dieser Ent- wicklungsstufe vollständig überein (vergleiche Taf. XII, Fig. 23). Es ist anzunehmen, daß das Dottermaterial gerade in dieser Form bei der Eibildung zur Verwendung gelangt. Ich glaube in dieser eben be- schriebenen Erscheinung ein analoges Verhalten konstatiert zu haben, wie es z. B. Odhner bei Didi/mozoon scombri feststellt. Ich muß dabei allerdings annehmen, daß der Zerfall der Dotterzellen bei diesem Para- siten viel weiter fortschreitet; denn der Autor schreibt, daß in dem Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 491 gebildeten Dotterbrei weder Zellen noch Kerne mehr zu erkennen seien. In unserni Fall liegt die Sache etwas anders. Der Zerfall bezieht sich vornehmlich auf die Dotterzellen, während der Kern entweder unberührt bleibt oder doch nur teilweise zerfällt. Die Zellkerne sind längs des ganzen Dotterganges vorhanden; ebenso im Centralraum inid lassen sich noch im gebildeten Ei feststellen. Es ist daher anzu- nehmen, daß sie erst im Laufe der Entwicklung des Eies ihrer voll- ständigen Auflösung entgegengehen. In bezug auf die Ausführgänge gestalten sich die Verhältnisse so, daß jeder FoUikel einen Gang abgibt. Alle diese Gänge vereinigen sich zum Hauptgang. Die sieben FoUikel des Dotterstockes liegen in bezug auf die Vereinigmigsstelle ihrer Kanäle symmetrisch. Der Zusammen- fluß von sieben Gängen bedingt eine blasenförmige Erweiterung, von welcher beiderseits die zwei Hauptgänge in gerader Richtung nach der Mittellinie an den Rand des Schalendrüsenkomplexes ziehen. 4. Die Schalendrüse oder die Mehlisschen Drüsen. Dieser Teil des weiblichen Genitalapparates nimmt in der Median- linie einen großen Raum ein. Er besteht aus einzelligen Drüsen. Die Drüsenzelle selbst ist von ovaler Gestalt und läuft nach dem Centrum des Komplexes hin in einen Kanal aus, der in den Centralraum mündet. Man kann die Schalendrüse in bezug auf die Größe der Drüsen in zwei Teile trennen. Der peripher gelegene Teil besteht aus großen Drüsenzellen mit einem großen Kern, der meistens excentrisch gelegen ist. Der Längs- durchmesser der Zelle beträgt im Mittel 0,028 mm, während die Breite 0,018 mm mißt. Der Kern besitzt einen Durchmesser von 0,007 mm. Die ganze Zelle ist umschlossen von einer feinen Membran, die sich als Wandung des fortführenden Kanales fortsetzt. Der Inhalt der . Zelle besteht aus einer gleichmäßig feinkörnigen Substanz. Ebenso j kann festgestellt werden, daß die im Centralraum und im Uterusanfang I vorhandene Masse, in der die Eizellen zunächst eingebettet liegen, wie es Taf. XII, Fig. 25 darstellt, aus derselben Substanz besteht. Es ist also sicher, daß diese Drüsenzellen Material liefern, das in irgend einer Weise bei der Eibildung zur Verwendung gelangt. Nach den vor- läufigen Untersuchungen zu schließen, dürfte die Auffassung Gold- schmidts über das Secret der Drüsenzellen die größte Wahrscheinhch- keit beanspruchen. Der genannte Autor sagt S. 494: »Als das Wahr- scheinhchste möchte mir ersc*heinen, daß die Drüse einfach eine wässerige Flüssigkeit ausscheidet, die den Uterus erfüllt, und in der die Eier natür- 32* 492 Georg Jegen, lieh suspendiert sind.« Auffallend ist es indessen, daß, wie ich schon an andrer Stelle bemerkte und in Taf. XII; Fig. 26 skizziert habe, diese Masse nicht im ganzen Uterus vorhanden ist, sondern nur den Anfangsteil ausfüllt. Dies spricht allerdings eher dafür, daß das Secret der Schalendrüse bei der Eibildung verwendet wird. Zwischen den Drüsenzellen ist netzförmig angeordnete Bindesubstanz sichtbar, die nach außen in das Körperparenchym übergeht. Der centrale Teil der Schalendrüse imterscheidet sich von dem besprochenen peripheren durch die bedeutend kleineren Zellen, die zudem in geringerer Zahl vorhanden sind, so daß in den Zwischen- räumen ein feines Netz von Drüsenkanälen und Bindesubstanz sichtbar wird. Die Zellen messen in der Länge durchschnittlich 0,011 mm, iu der Breite 0,0078 mm. Sie stehen ebenfalls durch einen Kanal mit dem Centralraum in Verbindung. Im übrigen weisen sie die genau gleiche Beschaffenheit auf wie die peripheren Zellen. Der Centralraum. Als Centralraum bezeichne ich diejenige Stelle im Schalendrüsenkomplex, wo sich die verschiedenen Kanal«; der weiblichen Genitaldrüsen vereinigen und der Uterus seinen Ursprmii nimmt. Die Wandmig dieses Raumes ist analog gebaut wie diejenige der einmündenden Kanäle; nur mit dem Unterschiede, daß sie sieb artig durchbrochen ist. Durch diese Öffnungen ragen die Kanäle de Schalendrüsenzellen in das Innere des Raumes hinein. Im Central räum trifft man alle Elemente, die zur Eibildung verwendet werden Keimzellen, Dotterzellen und auch Spermatozoen. Diese Elementt sind umgeben von einer durchsichtigen, feinen Masse, die mit den Secrete der Schalendrüsenzellen große Ähnlichkeit aufweist. Die Ei schale wird aber erst im Anfang des Uterus gebildet. Der Centralraun mit den einmündenden Kanälen ist in Taf. XII, Fig. 27 dargestellt 5. Der Uterus. Der Uterus bietet in seiner anatomischen Beschaffenheit in seineu größten Teile das gleiche Bild wie bei den meisten Trematoden. Einzi' die Mündung scheint vom allgemeinen Verhalten etwas abzuweichen Daß der Endsack des Uterus sich nicht vmvermittelt nach außen öffnet wurde an andrer Stelle schon hervorgehoben und ist in Taf. XII Fig. 29 dargestellt. Der Ausmündungskanal ist 0,15 mm lang uuc am Ende 0,045 mm breit. Dieser Kanal ist morphologisch eine Vagina Die Wandung wird gebildet durch die Körperhaut, die sich an der Ein Senkungsstelle in das Innere fortsetzt. Sie trägt bis zum Überganj in den Uterussack Zellanhänge, die nach rückwärts gerichtet sind uuc CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 493 in das Lumen des Kanales vorspringen. Diese Anhänge bestehen aus einem ovalen, zellähnlichen Teil imd dem fadenförmigen Verbin- dungsstück mit der Uteruswand. Die gleichen Gebilde, nur etwas kleiner, befinden sich auch im Umkreis der pa pillenartigen Erhöhung^ auf welcher die weibhche Genitalöffnung liegt. Es scheint mir aus- geschlossen zu sein, daß es sich um sezernierende Drüsen handeln könnte. Ich vermag aber für die Funktion dieser Anhänge zurzeit noch keine Erklärung zu finden. 6. Der Laurersche Kanal. Das unter diesem Namen bekannte Organ ist in der Trematoden- literatur Gegenstand der weitläufigsten Auseinandersetzungen. So- wohl der Bau des Organes wie dessen Funktion sind gegenwärtig noch nicht eindeutig bestimmt. Ich muß zum voraus feststellen, daß es nicht leicht ist, sich vom Bau des LAURERschen Kanales ein klares Bild zu konstruieren, da er im Laufe der Entwicklung des Parasiten große Veränderungen erfährt. Oeshalb behalte ich die schon weiter oben festgesetzten drei Stadien auch hier bei und will versuchen, das Charakteristische derselben zur Darstellung zu bringen. a. Jugeiid«ta(liaiii. Auf dieser Stufe läßt sich eine Anlage des LAURERschen Kanales noch kaum erkennen. b. Geschlechtsstadinm. j^-i Sobald sich die übrigen Genitalien abzulösen beginnen, findet . man auch die ersten Anlagen des LAURERschen Kanales. Die Differen- zierung beginnt mit der Öffnung nach außen und schreitet sukzessive nach innen bis zur Einmündung in den Centralramn. Es ist von äußerster Wichtigkeit den Aufbau auf dieser Stufe zu kennen; denn nur dadurch wird man auch in bezug auf die Funktion des Organes zu einem klaren Urteil gelangen. Auf die Unterschiede bezüghch dem Vor- handensein des LAURERschen Kanales bei den beiden Partnern einer Cyste soll hier nicht eingegangen werden, weil diese Verhältnisse im Abschnitt über »Geschlechtlicher Dimorphismus« ihre Berücksichtigung finden. Der LAURERsche Kanal beginnt median auf der dorsalen Fläche. I. Öffnung nach außen. Die Mündung des LAURERschen Kanales nach außen unterhegt großen Schwankungen. Bei den einen Individuen entdeckte ich eine 494 Georg Jegen, deutliche median auf der Rückenfläche gelegene Öffnung (Taf. XI, Fig. 9). Bei andern aber fehlte sie, und an ihre Stelle tritt eine be- sondere Beschaffenheit des betreffenden Hautstückes, so als ob eine Anzahl feiner Poren von der Oberfläche in den darunter heranführenden LAURERschen Kanal führen (Taf. XI, Fig. 10). In noch andern Fällen vermochte ich auch eine solche Kommunikation nicht mehr zu sehen, so daß der Kanal nach außen blind endigt. In diesen Fällen tritt immer der nachher zu besprechende Endkomplex des LAURERschen Kanales auf. Wie man sieht, besteht eine ganz verfängliche Viel- gestaltigkeit der Ausmündungs Verhältnisse. Um die Ergebnisse der Untersuchungen übersichtlicher zu gestalten, führe ich sie an zwei Paaren in einer Tabelle aus. Entwickluiigs- stadium Einzelöif- nung Siebartige Öffnung Endkomplex Endsack de Uteniä 1. Paar 2. Paar ll.Partn. 2. Partn. 1. Partn. Geschlechts- stadium Verbreitungs- stadium vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden angelegt äußerst schwach sehr giot schwach ^ 2. Partn. Anmerkung: Die wagerechten Striche bedeuten: Nicht vorhanden. In gleicher Weise habe ich eine große Zahl von Cystenpartnern von beiden Stadien vergleichend zusammengestellt. Die Resultate sind mit relativ geringen Abweichungen dieselben, wie sie in der Tabelle zum Ausdruck gelangen. Hinsichtlich eines daraus abzuleitenden sexuellen Dimorphismus werde ich die Tabelle hier nicht diskutieren. Es soll nur bewiesen werden, daß das unkonstante Auftreten der Öff- nung des LAURERschen Kanales nach außen nicht als Resultat einer großen Variabilitätsfähigkeit aufzufassen ist. Es fällt nämlich sofort auf, daß eine Öffnung nach außen, sei es Einzelöffnung oder siebartige Öffnung, nur dem Geschlechtsstadium zukommt, also gerade in dem Moment auftritt, wo die größte Geschlechtstätigkeit der Individuen stattfindet. Auf dem Verbreitungsstadium fehlt eine Öffnung. Dafür aber tritt der sogenannte Endkomplex auf, jene Masse, für die im Abschnitt >>Zur Funktion des LAURERschen Kanales« unter diesen Gesichtspunkten eine Erklärung gefunden wurde. a) Einzelöffnung. Die Größe der Öffnung schwankt ganz er- heblich. In maximaler Ausdehnung sind die Maße für die beiden Durch- messer 21,6 // und 21.0 ji. Gewöhnlich ist die Ausmündung aber be- CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 493 deutend enger und mißt 10,8 /( und 6,5 [i. Es muß außerdem betpiijt werden, daß noch engere Öffnungen vorkommen, so klein, daß ich nicht imstande bin zu entscheiden, ob in solchen Fällen nicht etwa eine siebartige Durchlöcherung vorliegt. Ob damit überhaupt zwischen deu beiden Ausmündungsformen keine bestimmte Grenze vorhanden ist, muß vorderhand dahingestellt bleiben. Taf. XI, Fig. 9 stellt eine Einzelöffnung dar. Sie ist begrenzt durch die Fortsetzung der Körper- haut und auf genau gleichem Wege entstanden zu denken wie dife Genitalöffnungen. Eine weitere Analogie mit letzteren besteht in der Auskleidung des Anfangsteiles des Kanales mit in sein Lumen vor- springenden zellartigen Anhängen. Sie stehen denjenigen der weib- lichen Genitalöffnung an Größe bedeutend nach und unterscheiden sich zudem auch noch durch ihre Form. Die größte Breite besitzen sie beim LAURERschen Kanal da, wo sie der Wandung entspringen, während der nach innen vorspringende Teil sich zuspitzt. ß) Siebartige Durchlöcherung der Haut. Der LAURERsche Kanal zieht sich bis hart unter die Körperoberfläche, um hier scheinbar blind zu endigen. Auf günstigen Schnitten kann man aber an der Oberfläche eine Anzahl Fori auffinden, von denen feine Kanälchen nach dem Ende des LAURERßchen Kanales ziehen (Taf. XI, Fig. 10). II. Der Kanal. Der Durchmesser des LAURERschen Kanales beträgt in seinem Anfangsteil etwa 18 //. Bevor er in den Schalendrüsenkomplex eintritt, besitzt er eine Erweiterung. Sein Lumen beträgt an dieser Stelle 25 — 28^i Die Einmündung in den Centralraum vollzieht sich durch einen äußerst feinen Kanal, der kaum 1 — 2 // im Durchmesser mißt. Das Auffälligste auf dieser Entwicklungsstufe ist der Verlauf des Kanales. Von der Schalendrüse erhebt er sich zuerst in geradem Verlaufe gegen die dor- sale Fläche, um dann mehr oder weniger parallel zur Oberfläche nach rückwärts zu ziehen. Dieser letztere Teil des Kanales ist im Gegensatz zum tiefer gelegenen sehr stark gewunden (Taf. XI, Fig. 10). Die Wandung des Kanales ist 2 — ^3 /< dick; also etwas dünner als die Körperhaut. Nachdem ich am lebenden Tiere die ausgiebige Bewegung des Kanales beobachtet hatte, konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß die Wand entweder selbst muskulöser Natur sei, oder zum min- desten vom Parenchym her durch herantretende Muskelzüge umgeben sei. Das letztere läßt sich auf Schnitten leicht sehen. Von allen Seiten treten Muskelzüge an den Kanal, um sich eng an dessen Wandungen anzuschließen. Außerdem besitzt die Wand an bestimmten Stellen 496 Georg Jegen, relativ schwache Ringmuskeln. Es ist anzunehmen, daß diese letzteren das Lumen des Kanals imstande "sind zu verengern, während die Parenchymmuskeln durch ihre Tätigkeit kleine Lageverschiebungen herbeiführen können. c. Yerbreitungsstadium. Die auffallendsten Veränderungen haben sich im LAURERschen Kanal nach Abschluß der Geschlechtstätigkeit vollzogen. Sie beziehen sich: 1. Auf das Lumen des Kanales. 2. Auf die Bildung eines Endkomplexes in Verbindung mit der vollständigen Eiickbildung der Öffnung nach außen. Es ist für die Erklärung des ganzen Vorganges von Bedeutung zu erfahren, daß der LAURERsche Kanal auf dem Verbreitüngsstadium im allsemeinen bedeutend weiter wird. Zudem hat sich noch innerhalb des 8chalendrüsenkomplexes eine erhebliche Erweiterung gebildet. Letztere besitzt einen Durchmesser von 72 //, während der Kanal im Mittel 41 /,« breit ist. Was den Inhalt betrifft, kann konstatiert werden, daß er im Gegensatz zur Geschlechtsstufe nicht mehr ausschließlich aus Sperma besteht. Es treten vielmehr noch andre Elemente auf, wie Keimzellen und Dottermaterial. In bezug auf diese letzteren Be- standteile des Inhaltes auf dem Verbreitungsstadium steht außer Zweifel, daß es Elemente sind, die dem LAURERschen Kanal im nor- malen Zustand fremd sind. Sie haben sich beim beginnenden Zerfall der Keimdrüsen losgelöst und wurden vom Centralraum aus auch in den LAURERschen Kanal hineingedrängt, was die Annahme von Looss, Odhner u. a. m. bestätigt. Anders aber verhält es sich mit dem noch anwesenden Sperma. Es kann unmöglich durch den Uterus eingewan- dert sein, um als überschüssiges Geschlechtsprodukt in den LAURER- schen Kanal abgeschoben zu werden. Dieser Auffassung widerspricht: L Die Beschaffenheit des LAURERschen Kanales auf der Ge- schlechtsstufe. 2. Die Tatsache, daß der Uterus immer spermafrei ist und nur im Endsack sich nach der Geschlechtsreife solches zeigt. Die Bildung des Endkomplexes beginnt mit der Reduktion der nahe an der Oberfläche gelegenen Windungen. Es erscheint genau an der gleichen Stelle ein Gewebekomplex, der, wie Looss und Odhner bemerken, durchaus den Eindruck eines geplatzten Spermabehälters hervorruft, um so mehr im umliegenden Parenchym in Zerfall be- griffene Geschlechtsprodukte zu sehen sind. U^m der Bildung des Korn- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 497 plexes auf die Spur zu kommen, habe ich mir aus dem reichhaltigen Material Schnitte verfertigt, die in möglichst lückenloser Reihenfolge ■die Entwicklung des Parasiten enthielten. In erster Linie ist es sehr wichtig, daß der Komplex erst mit der Beendigung der Geschlechts- tätigkeit auftritt, wie dies aus der Tabelle S. 494 hervorgeht. Die ersten Anfänge sind schwer zu erkennen. Unmittelbar unter der Stelle, wo sich früher die Ausmündung befand, beginnen sich Hohlräume in weiterem Umkreis herauszubilden. Je nachdem die Schnitte das Reduktionsgebiet treffen und je nach dem weiter oder weniger weit vorgeschrittenen Rückbildungsprozeß, kann man zwischen den ein- zelnen Hohlräumen noch Verbindungsgänge feststellen (Taf. XI, Fig. 11). Auf einer weiteren Stufe des Prozesses sind auch diese Zwi- JBchenstücke verschwunden, und neben einer Anzahl von isolierten Hohlräumen ist einer da, der die Verbindung mit dem LAUKERschen Kanal bewahrt (Taf. XI, Fig. 12 und Taf. XII, Fig. 14). Endlich ge- lingt es bei schon stark vorgeschrittener Reduktion der Genitaldrüsen, die Einmündung des LAURERschen Kanales in einen von Parenchym- fasern durchsetzten Raum festzustellen. In diesem Gewebe eingelagert sieht man oft noch mehrere Hohlräume, die jeder Verbindung ent- behren, aber trotzdem noch Sperma und andre Keimprodukte ein- schließen. Die Frage ist nun, wie sich dies auf eine Reduktion des LAURERschen Kanales zurückführen läßt. Durch verschiedene Autoren (Looss, Odhner u. a. m.) ist bekannt geworden, daß das Parenchymgewebe im Trematodenkörper mit zu- nehmendem Alter immer weitmaschiger wird. Dieselbe Erscheinung kann ich auch bei Collyriclum faba konstatieren. Da nun, wie in diesem Abschnitt dargelegt wurde, die Parenchymmuskeln sich auch den Wan- dungen des LAURERschen Kanales anschließen, so ist es wohl möglich, daß mit den Veränderungen des Parenchyms die in Mitleidenschaft gezogenen Muskelzüge verschiedene Spannungen in den Wandungen des LAURERschen Kanales verursachen. Letztere werden naturgemäß in den Krümmungen des Kanales am stärksten wirken, da ihre An- griffspunkte dort am nächsten zusammenliegen. Es ist infolge der- artiger Zugdifferenzen anzunehmen, daß die Kurven vom übrigen Kanal getrennt werden und als verbindungslose Hohlräume noch weiter bestehen bleiben. In Taf. XII, Fig. 14 habe ich einen Schnitt durch den auf schon weit vorgerücktem Reduktionsstadium befind- lichen LAURERschen Kanal gezeichnet. Unten ist die Eintrittsstelle in den Endkomplex zu sehen. Sie besitzt noch deutlich die typische Beschaffenheit des LAURERschen Kanales. Am oberen Rande ist ein 498 Georg Jegen, Hohlraum mit Sperma sichtbar. Die Umrandung ist nur mehr schwach ; sie sieht ganz verschwommen aus und macht den Eindruck der im Zerfall begriffenen Wandung des LAURERSchen Kanales. Diese An- nahme wird zudem noch unterstützt durch das Vorhandensein von den Überresten der nach innen vorspringenden Zellen. Die Kerne des um- liegenden Parenchyms sind bis auf wenige kleine Teilstücke verschwun- den, imd statt der früher scharf sich abhebenden Parenchymmuskelu sieht man nur undeutliche Fasern. Das ganze Gewebe ist außerdem erfüllt mit unregelmäßig angehäuften Zerfallsprodukten des Para- sitenkörpers. Eine weitere Frage, die beim vorliegenden Parasiten noch nicht ge- löst ist, betrifft das Receptaculum seminis. Es wird heute durchwegs artr genommen, daß Collyriclum faha ein solches besitze. Ich habe weiter oben ausgeführt, daß auf dem Geschlechtsstadium kein Receptaculum vorhanden ist. Ferner wurde betont, daß im Laufe der Rückbildung in der Region der Schalendrüse eine Erweiterung entsteht. Für die Auffassung, daß diese Stelle das Receptaculum sem. bilden soll, kann ich mich vorläufig nicht entschließen, trotzdem ein temporäres Er- scheinen dieses Organes schon bei Liolope copulans von Cohn beob- achtet wurde. Die ersten vorläufigen Untersuchungen führten mich zur Ansicht, daß wir es bei Collyriclum faha mit einem analogen Ver- halten zu tun haben, wie es Odhner bei Didymozoon scomhri schildert. Dem ist aber in Wirklichkeit nicht so; denn es ist im ganzen Komplex kein Gebilde zu sehen, wie es der Autor in Fig. 1, S. 316 zeichnet, und außerdem zeigt der ganze Verlauf der Entwicklung bzw. Rückbildung, daß die Erscheinung in diesem Fall einen ganz andern Ursprung besitzt. Im Prinzip aber, daß es sich um in Zerfall begriffene Geschlechtsprodukte handelt, die unter Veränderimg des ursprüng- lichen Kanales ins umliegende Parenchym hinaustreten, stimmen die hier niedergelegten Ergebnisse mit denjenigen von Looss und Odhner überein. Zum Schlüsse möchte ich noch über eine Arbeit von Juel, die mit den vorliegenden Erörterungen in Parallele gezogen werden kann, einige Bemerkungen anfügen. In Fig. 12 und 13 stellt der Autor ganz ähnliche Gebilde dar, wie sie eben besprochen wurden. Juel faßt die ganze Anlage als Receptaculum seminis auf. Wie aus seiner Dar- stellung hervorgeht, handelt es sich ebenfalls um Hohlräume, die mit- einander kommunizieren. Von einem dieser Hohlräume sagt er, daß eine scharfe Umrandung vorhanden sei. Ich frage mich, ob es sich nicht auch um den Schnitt durch den in den Komplex mündenden Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 499 LAURERschen Kanal handelt. Die andern Hohlräume mit ihren noch teilweise erhaltenen Verbindungskanälen dürften vielleicht ebenso die abgeschnürten Krümmungen des LAURERschen Kanales sein. Ein LAURERscher Kanal soll nach dem Autor nicht vorhanden sein. Nun aber zeigt Fig. 12 einen Kanal, der in der Richtung nach der Schalen- drüse verläuft. Da ich aber über das Objekt nicht verfüge, so ist es mir unmöglich zu entscheiden, inwieweit die beiden Fälle in Überein- stimmung gesetzt werden können, D. Der Excretionsapparat. Die hauptsächUchsten Ergebnisse darüber wurden im Abschnitt über Morphologie bereits mitgeteilt. Wenn ich hier noch einmal darauf zurückkomme, so geschieht es nur, um die Entwicklung dieses Organes näher zu beleuchten. Schon auf ganz guten Totalpräparaten von jungen Entwicklungsstadien ist festzustellen, daß sich unmittelbar vor dem Excretionsporus eine kleine blasenförmige Auftreibung be- iindet. Von hier aus ziehen zwei doppelt konturierte Linien nach vorn in den Körper hinein. Besonders günstig sind diese Verhältnisse an Quetschpräparaten zu sehen. Der feinere Bau der Anlage des Orga- nes ist aber nur aus Schnitten zu ersehen. Die Fig. 24, Taf. XII gibt uns ein Bild des in Entwicklung begriffenen Excretionsorganes. Wir sehen, daß vom Excretionsporus ein kurzer Kanal in eine kleine Blase führt. Letztere ist zu beiden Seiten von je einer Wand begrenzt, während die vordere Körperwand noch fehlt. Das Parenchym ragt hier frei endigend in das Lumen der Blase hinein. Man sieht deutlich, wie das Gewebe, welches am weitesten in die Blase vorgeschoben ist, nach außen zu immer fester wird. Bei der Vergrößerung der Blase wird das innerste Parenchymgewebe offenbar aufgelöst. Einen weiteren Bestandteil des Excretionssystems dieser Stufe bilden feine Kanälchen, die sich einerseits in die Blase öffnen und anderseits nach vorn sich ein Stück in das Körperparenchym hinein fortsetzen. Ihre Endigungen sind so fein, daß man nicht entscheiden kann, ob ein Lumen noch an der Spitze vorhanden ist. Es ist aber naheliegend anzunehmen, daß es sich um Sammelröhrchen handelt, die die Excretionsstoffe der Blase zuführen. Je weiter sich aber die Blase ausdehnt, um so mehr redu- zieren sich die kleinen Leitungsröhrchen. Im vollständig entwickelten Zustand, wo sich eine geschlossene Blase gebildet hat, ist von ihnen scheinbar nichts mehr übrig geblieben. Die Excretionsblase ist vorn im Ruhezustand etwas zugespitzt. Von hier zieht nun, wie schon in der Morphologie angedeutet, noch ein Gefäß weiter nach vorn. Es 500 Georg Jegen, dürfte nach meiner Ansicht dieser impaare Gefäßstamm noch der letzte übriggebliebene Teil des früheren Röhrensystems darstellen. E. Terminales Körperende. Mit dem Excretionsporus in naher räumlicher Beziehmig steht das verjüngte Hinterende des Parasiten, indem er auf der ventralen Seite dieses Zapfens gelegen ist. Da letzterer im Leben eine große Be- weglichkeit besitzt, ist seine Gestalt sehr verschieden. Bald erscheint er in eine Spitze ausgezogen, bald zeigt er sich als keulenförmige Ver- dickung; dann wird er ganz in den Körper hineingezogen, so daß von einem zugespitzten Ende nichts mehr sichtbar ist. Ich habe an andrer Stelle ausgeführt, daß dieser Körperteil in seiner Fmiktion einem Saugorgan nahesteht und namentlich zur Fortbewegung benutzt wird. In Taf. XI, Fig. 13 habe ich einen Schnitt durch den Terminalanhang skizziert. Wie man daraus ersieht, ragt eine rimdliche verdickte Partie noch bedeutend über den Excretionsporus hinaus. Die Haut ist an dieser Stelle ziemlich intensiv bestachelt. Das Innere ist erfüllt von einem engmaschigen Parenchym. Besonders auffallend gestaltet sich die im Verhältnis zum übrigen Körper überaus reiche Muskulatur. In erster Linie ist hervorzuheben, daß die Hautmuskulatur an "dieser Stelle stark entwickelt ist. Außerdem lassen sich noch zwei Arten von Muskelzügen unterscheiden. Die einen sind quergerichtet und verbinden gegenüberliegende Hautstellen. Wo sie in die Nähe der Subcuticula gelangen, lösen sie sich in feine Fasern auf. Es bedarf aber noch eingehenderer Untersuchungen, um festzustellen, in welcher Art und Weise der Anschluß an die Haut erfolgt. Die andern Muskel- züge sind längsgerichtet und dürften eine verstärkte Parenchymmusku- latur darstellen. Auch sie scheinen in der Nähe der Haut ähnliche Verhältnisse aufzuweisen wie die quergerichteten Muskeln. F. Die Körperbedeckung. Es kann sich hier nicht um eine genaue Darstellung des Baues der Haut handeln, vielmehr möchte ich im folgenden etwas näher auf die Entwicklung der Stacheln eingehen. Der Körper ist nicht gleich- mäßig bestachelt. Am zahlreichsten sind sie in der Umgebung des Mundsaugnapfes und am terminalen Hinterende. Am wenigsten be- stachelt ist die Bauchseite, wo sie in der Umgebung der Genitalpori geradezu verschwinden. Auf Schnitten von ganz jugendUchen Exem- plaren bieten sie in ihrer Anlage ein Bild, das in Taf. XI, Fig. 8 dar- gestellt ist. Die Cuticula besitzt in größeren oder kleineren Abständen CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 501 relativ starke Verdickungen. Im Innern der letzteren lassen sich drei, vier oder fünf plattenartige Gebilde erkennen (Taf. XI, Fig. 8 PI). Sie ruhen mit ihrem etwas dickeren Uiiterende auf der Basalmembran. Die Hautverdickung mit den vier Platten im Innern wird durch das Wachstum des Körpers auseinander gezogen, imd aus jeder einzelnen Platte bildet sich durch Spaltung eine Stachelgruppe. Daher rührt es auch, daß man meistens zwischen je vier Gruppen einen etwas größeren Zwischenraum wahrnehmen kann. IV. Allgemeines. A. Zur Frage der Funktion des Laurerschen Kanales. Die Frage, welche Fimktion dem LAURERschen Kanal zukommt, wird in der Literatur öfters erörtert. Zu einem einheitlichen Ergebnis ist man aber trotz des reichen Untersuchungsmateriales der letzten Jahrzehnte nicht gekommen. Wohl nimmt man heute im allgemeinen an, es möchte der LAURERsche Kanal eine Art Sicherheitsventil sein, d. h., -er diene der Abfuhr von überschüssigen Geschlechtsprodukten. Daneben gibt es Autoren, die ihn heute noch als Kanal auffassen, der zur Befruchtung dient, sei es, daß sich eine direkte Begattung durch ihn vollzieht, sei es, daß das Sperma durch besonders beschaffene Hautstellen in den Kanal einwandert. Wie die Verhältnisse heute also liegen, darf von einer einheitlichen Auffassung des LAURERschen Kanales in funktioneller Beziehmig nicht gesprochen werden, vielmehr scheinen sich die einzelnen Trematoden sehr verschieden zu verhalten. Es liegt dieser Annahme auch durchaus nichts im Weg. Es mag daher nicht uninteressant sein, die Ansicht verschiedener Autoren zusammen- zustellen : 1. Stieda (Archiv f. Anat. u. Physiol. 1871). Faßt den LAURERschen Kanal als Homologon der vom Uterus getrennten Scheide der Bothriocephaliden auf. 2. Zeller bei Polystomum und Diplozooti (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVII und XLVI). Beobachtet eine Begattung durch die vom Uterus getrennte Scheide (Vagina). 3. Pnitner (Arbeiten aus d. Zool. Inst. Wien. Bd. IX. 1890). Sieht den LAURERschen Kanal als funktionierende Scheide an. 4. NiTSCH bei Holostomum ser^pens (Er seh. und Grubers En- cykl. Leipzig 1819). Beobachtet gegenseitige Begattung durch den Uterus. 502 Georg Jegen, 5. Molin bei Dist. clavigerum Kud. (Sitzungsbericht d. k. Akad. d. AViss. math.-naturw. Kl. Bd. XXXVII). Stellt gegenseitige Begattung durch den Uterus fest. 6. LiNSTOw bei Dist. cylindroceum. Die Begattung findet durch Einführung des Cirrus in den Endabschnitt des Uterus statt. 7. SsiNiTziN bei Phyllodistomum folium. Die Befruchtmig vollzieht sich durch freies Einwandern der Spermatozoen in den LAURERschen Kanal. 8. CoHN bei Liolope copulans. Stellt direkte Begattung durch den LAURERschen Kanal fest. 9. Looss: Nimmt als Kegel nicht die Wechselkreuzung, sondern die Selbstbefruchtung an. 10. Brandes: Als häufigere Befruchtungsform nimmt der Autor Selbstbefruchtmig an. 11. Odhner: Stellt die echte Vagina der Monogenea mit dem LAURERschen Kanal in Homologie. Zugleich tritt er für eine Homo- logie des Canalis genito -intestinalis mit dem LAURERschen Kanal ein, was auch mit der Ansicht von Looss und Goto übereinstimmen würde. Der Autor spricht die Ansicht aus, daß die Entscheidung dieser Frage am ehesten erledigt werden könnte durch Auffindung von Übergangs- typen zwischen den beiden Monogeneengruppen. Er zweifelt daran, daß die Kontroverse auf histologischen oder embryologischen Unter- suchungswegen gelöst werden könne. Es ließen sich noch manche Untersuchungsergebnisse aus der Literatur anführen. Ich glaube, daß schon die eben gegebene Zu- sammenstellung ganz deutlich zum Ausdruck bringt, daß eine einheit- liche Deutung des LAURERschen Kanales in funktioneller Hinsicht nicht möglich ist und daß mit Sicherheit anzunehmen ist, daß in der Gruppe der Trematoden der LAURERsche Kanal verschieden funktioniert. Im folgenden werde ich versuchen die Ergebnisse meiner Unter- suchungen zusammenzustellen, um ein Bild zu bekommen von der Bedeutung des LAURERschen Kanales bei Collyriclum faba. Die ana- tomischen Verhältnisse wurden oben klargelegt, und was die Begattung betrifft, verweise ich auf den entsprechenden Abschnitt über Ent- wicklung. Als wichtigstes Ergebnis nuiß an erste Stelle gesetzt werden, daß der LAURERsche Kanal auf den verschiedenen Altersstufen des Indivi- duums sich ganz verschieden verhält, wie aus den anatomischen Er- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 503 läuterungen hervorgeht. Damit im Zusammenhang steht eine Änderung der Funktion. a. Geschlechtsstadiam. Für eine Befruchtung auf dem Wege des LAURERSchen Kanales sprechen folgende Beobachtungen. 1. Die volle Ent^vicklung des LAURERschen Kanales. Zur Zeit der geschlechtlichen Tätigkeit ist der LAURERsche Kanal immer entwickelt. Ob nun eine einheitliche Öffnung nach außen zu konstatieren ist, oder ob die Kommunikation nach außen durch eine Anzahl feiner Poren zum Durchtritt des Spermas dargestellt ist, er- scheint für die Entscheidung der vorliegenden Frage nicht von Be- deutung. Übrigens will ich hier bemerken, daß mir eine Begattung durch den LAURERSchen Kanal als unwahrscheinlich vorkommt. Der Cirrus ist wohl etwas vorstülpbar. Er ist aber, wie aus den Figuren hervorgeht, vorn relativ dick und überhaupt kurz. Ich glaube, aus diesem Grunde wäre ein Einführen des Cirrus in die ohnehin sehr enge Ausgangsöffnung des Kanales nicht möglich. Zieht man zudem noch in Betracht, daß der LAURERSche Kanal häufig nicht eine einzelne Öffnung besitzt, sondern die Eintrittsstelle durch besondere siebartige Beschaffenheit der betreffenden Haut gekennzeichnet ist, so dürfte der wenig entwickelte Penis überhaupt nicht der Begattung dienen. 2. Die Anwesenheit von Sperma im LAURERschen Kanal. Dabei muß ich betonen, daß sich im Gegensatz zum Verbreitungs- stadium nur männliche Geschlechtsprodukte in vollständig intaktem Zustande im Kanal befinden. Es ist außerdem evident, daß der LAURER- sche Kanal nur zur Zeit der Geschlechtstätigkeit prall mit Sperma gefüllt ist. Da der größte Teil des Uterus während des ganzen Lebens des Parasiten spermafrei ist, so ist ein Einwandern auf diesem Wege aus- geschlossen, und es bleibt nur der LAURERsche Kanal dafür übrig. 3. Das Fehlen eines Receptaculum seminis. Daraus, daß verschiedene Autoren die Anwesenheit eines Recep- ' taculums erwähnen, geht hervor, daß sie das Verbreitungsstadium zur Untersuchung vor sich hatten; denn in diesem Moment könnte der Endkomplex als Receptaculum aufgefaßt werden. Sofern aber der genannte Endkomplex ein Receptaculum vorstellen würde, müßte nach den in unserm Fall vorliegenden Verhältnissen ein LAURERscher Kanal fehlen, was aber nicht stimmt. 4. Die Anwesenheit von Sperma im Centralraum, während der einmündende Uterus kein solches enthält. 5. Die Anwesenheit von Sperma in der Cystenflüssigkeit. 504 Georg Jegen, Die Cystenflüssigkeit besitzt die Temperatur des Wirtskörpers, und es dürfte der Aufenthalt des Spermas in diesem Medium seiner Lebenskraft keinen Eintrag tun. Damit ist die Möglichkeit für die Samenfäden vorhanden, auf passive oder aktive Weise an die Aus- niündungsstelle des LAURERschen Kanales zu gelangen. 6. Beobachtungen am lebenden Objekt. Es gelang mir in besonders günstigen Fällen, die Tätigkeit des LAURERschen Kanales zweifellos festzustellen. Die Bewegung ist eine doppelte. In erster Linie bezieht sie sich auf eine Veränderung der Länge, d. h. man bemerkt ein Hin- und Hergleiten des Kanales von der Oberfläche zum Centralraum. Dann findet gleichzeitig eine fort- währende Verengung und Erweiterung wechselweise statt. Dvu'ch diese zwei Bewegungen wird das Sperma im Innern bewegt, und es ist von entscheidender Bedeutung, daß das Sperma von außen nach innen getrieben wird. Aus diesen angeführten Beobachtungen bin ich zu folgendem Schlüsse gelangt: Der LAURERsche Kanal dient zur Zeit der geschlechtlichen Tätigkeit der Befruchtung. Eine Begattung durch den LAURERschen Kanal findet nicht statt. b. yerbreitnngsstadinm. Ich kann es nicht unterlassen, die Bedeutung des LAURERschen Kanales in funktioneller Beziehung auch auf dieser Stufe näher zu er- örtern, trotzdem von einer eigentlichen Funktion nicht mehr gesprochen werden kann. Für sich allein betrachtet, könnten diese Verhältnisse gerade das Gegenteil von dem, was ich soeben für das Geschlechts- stadium festgestellt habe, vermuten lassen. Mit Abschluß der Geschlechtstätigkeit treten im Aussehen und der Beschaffenheit des LAURERschen Kanales große Veränderungen ein, die ich weiter oben geschildert habe. Es geht weiter aus den dort angeführten Beobachtungen hervor, daß der Befruchtungsvorgang ein- gestellt wurde. Die Zellen der Keimdrüsen beginnen sich massenhaft von ihrem Mutterboden loszulösen und gelangen auf dem Wege der Drüsenkanäle in den Centralraum. Von hier aus werden sie in den Uterus und in den LAURERschen Kanal abgeschoben. So erklärt sich die Anwesenheit von diesem sonst nicht vorhandenen Keimmaterial aus dem allmählich beginnenden Zerfall der Genitaldrüsen. Die Erscheinung ist unter den Trematoden schon häufig beobachtet worden und dürfte jedenfalls allgemein verbreitet fiein. Hingegen ist man in der Auffassung über die Ursachen des Vor- Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 505 ganges noch nicht einig. Es wird heute vielfach angendtnmen, daß die Keimzellen und eventuell auch Dotterzellen zur Zeit der Geschlechts- tätigkeit in den LAURERschen Kanal gelangen und zwar als über- schüssige Geschlechtsprodukte. In allen Fällen, in denen die Erschei- nung beobachtet wurde, handelt es sich um einen Vorgang mit gleich- bleibendem Endziel. Der Ausgangspunkt scheint aber nicht in jedem Fall derselbe zu sein. B. Über den sexuellen Dimorphismus. Im allgemeinen sind die Trematoden Zwitter. Männliche und weibliche Genitalien funktionieren im gleichen Individuum. Es sind jedoch im Laufe der Zeit auch Abweichungen von diesem allgemeinen Verhalten bekannt geworden. Eine vollständige Trennung der Ge- schlechter ist in einer einzigen bis heute bekannten Gattung verwirk- licht, nämlich bei Schistosomum. Daneben sind eine Anzahl von Formen beschrieben worden, bei denen unverkennbar eine Tendenz vorhanden ist, sich vom Hermaphroditismus zum Gonochorismus zu entwickeln. Es ist freilich in manchen der in dieser Kichtung gedeute- ten Fälle schwer mit Sicherheit festzustellen, ob nicht etwa individuelle .Schwankungen im Trematodenkörper eine solche Erscheinung vor- täuschen. Eine gute Aufklärung brachte in dieser Beziehung die Er- forschung der cystenbewohnenden Trematoden. Bei ihnen spricht schon das Zusammenwohnen von zwei Individuen für eine getrennt- geschlechtliche Entwicklungstendenz. So kommt Odhner in seiner Arbeit »Zur Anatomie der Didymozoen« zum Schlüsse, daß es nach dem heutigen Stand der Kenntnisse als wahrscheinlich zu betrachten sei, daß sich die cystenbewohnenden Trematoden in der Entwicklung zur Trennung der Geschlechter befinden. Es handelt sich in seiner Arbeit speziell um WeclUa bipartita. Schon Wagner fand diesen Para- siten im Jahre 1858 in Cysten auf den Kiemen eines Tunfisches. Dabei fiel ihm der Größenunterschied der beiden je in eine Cyste eingeschlosse- nen Individuen auf. Ferner war der größere der beiden Partner mit Eiern gefüllt, während im kleineren keine zu finden waren. Diese Merk- male schienen dem Autor entschieden auf einen in gewissem Grad ] entwickelten geschlechtlichen Dimorphismus hinzudeuten. Andre Forscher, wie z. B. Ariola glauben, daß es sich um zwei verschiedene Entwicklungsstadien handle. Entschieden wurde die Frage endgültig durch die oben zitierte Arbeit Odhners. Der Verfasser weist nach, daß Wedlia hipartita wirklich sexuell dimorph ist. Das kleinere Indi- viduum ist das Männchen, während das größere das Weibchen darstellt, Zeitschiift f. wisseusch. Zoologie. CXVlI.Bd. 33 506 Georg Jegen, Die Trennung der Geschlechter ist jedoch nicht so weit vorgeschritten wie bei Schistosomum haematohiuyn, indem das Männchen noch einen ganz rudimentären weiblichen Genitalapparat besitzt. Beim Weibchen sind dagegen nur mehr die männlichen Leitungswege vorhanden. Eine weitere Form, die zu den bis zu einem bestimmten Grad getrennt - geschlechtlichen Trematoden zu zählen ist, ist KöUikeria. Ferner berichtet van Beneden über Nematohothrium filarina. Dieser Tre- matode kommt auch zu zweien in Cysten vor. Die beiden Individuen sind verschieden groß und nehmen eine ganz besondere gegenseitige Lage ein, indem das dickere Tier um das dünnere aufgerollt ist. Zudem enthält letzteres viel weniger Eier, die sich von denjenigen des Partners noch durch abweichende Farbe unterscheiden. Offenbar handelt es sich hier um einen Parasiten, der 'sich zum Gonochorismus entwickelt, bei dem indessen der Prozeß sich noch auf einem frühen Stadium be- findet. Auch Monostomum filicolle Kud. ist vielleicht der Gruppe der Trematoden, die in der Trennung der Geschlechter begriffen sind, zu- zuweisen. Allerdings beurteilt A. Mueller die Unterschiede der beiden Partner einer Cyste von ganz andern Gesichtspunkten aus. Der Ver- fasser glaubt zwei Individuen von verschiedener Entwicklungsstufe in einer Cyste vorzufinden. Das jüngere und kleinere enthält keine Eier, während der Partner einen durch die angehäuften Eimassen aufgetriebenen Hinterkörper besitzt. Es läßt sich in diesem Fall noch nicht entscheiden, ob nicht ein sexueller Dimorphismus vorliegt; die Vermutung liegt aber nahe. Die Begründung der immer auftretenden Unterschiede durch die verschiedene Entwicklungsstufe der Individuen ist nach meiner Auffassung bei cystenbewohnenden Trematoden nicht ganz einwandfrei, weil eine zeitlich getrennte Einwanderung an den definitiven Wohnort geradezu vorausgesetzt werden müßte. In diesem Fall aber müßte ein regelmäßiges Vorkommen von zwei Partnern in einer Cyste als zufällig erklärt werden. Bei Didymozoon scomhri, das ebenfalls meistens zu zweien in Cysten eingeschlossen ist, findet Odhner hingegen nicht die geringste Anbahnung einer Geschlechtertrennung. Ebenso ist in dieser Beziehung über Monostomum lacteum, der ebenfalls ein Cystenbewohner aus Cottus scorfius ist, nichts bekannt. Bei einer Anzahl andrer cystenbewohnender Trematoden, wie: Monost. hemifuscus, Dist. erinaceum, Balfouria monogama und Bist, cucu- merinum sind sexuelle Unterschiede bis jetzt nicht beobachtet worden. Wie man sieht, ist eine deutliche Anbahnung zur Geschlechts- trennung in relativ wenigen Fällen sicher festgestellt. Das kann uns aber nicht abhalten anzunehmen, daß, wie Odhner bemerkt, die Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 507 cystenbewohnenden Trematoden auf dem Wege zum Dimorphismus sich befinden; denn es ist natürhch, wenn wiv bei einem solchen Vor- gang alle möglichen Entwicklungsstufen, vom vollständig dimorphen bis zum hermaphroditen Parasiten, finden. Was nun Collyriclum faba betrifft, so sind genauere Untersuchungen über das geschlechtliche Verhalten der beiden Partner bis heute nicht oemacht worden. Von den früheren Autoren wurde der Größenunter- schied der beiden Individuen festgestellt, und ebenso machte Willemoes- SuHN auf den Umstand aufmerksam, daß der eine Partner gewöhnlich mehr Eier enthält. Ich habe an andrer Stelle ausgeführt, daß die ge- schlechtliche Tätigkeit des Parasiten nur einen Abschnitt in seinem Leben bildet, und daß er sich nachher andern Zwecken anpaßt. Zur Beurteilung der vorhegenden Frage kommt aus diesem Grunde nur das Geschlechtsstadium in Betracht. In den folgenden Tabellen wurden die Ergebnisse der Untersuchungen von Cystenpaaren auf dem Ge- schlechtsstadium zusammengestellt. 1. Cyste. Größe mm Hoden Uterussack Keimstock Eier LAUEEEscher Kanal 1. 6,1/4,8 klein und als stark ent- groß zahlreich Öffnung nach unkompakte wickelt braun außen: vor- Masse sicht- handen bar "2. 4,88/4,8 zwei vollent- sehr schwach kleiner wenig ohne sicht- wickelte entwickelt heller bare Öffnung ovale Hoden 2. Cyste. S S Größe mm Hoden Uterussack Keimstock Eier LAUEERscher Kanal ' 1. 4,63/5,4 hnks vorhan- groß stark ent- zahlreich Öffnung vor- den, rechts Breite: 162 /u wickelt handen fehlend 2. 4,39/5,0 normal ent- klein weniger stark wenig Öffnung nicht wickelt, hnks: Breite: 51 ^ entwickelt sichtbar 98,1/48,6 /ii 1 rechts: 81,0/48,6 fA 33* 508 Georg Jegen, 3. Cyste. Größe mm Hoden üterussack Keimstock Eier LAURERscher Kanal 1. 4,88/6,4 links: 49/32^ groß stark ent- sehr zahl- Öffnung vor- rechts: kaum Breite: 210^ wickelt und reich handen sichtbar rechts von der Schalen- drüse gelegen 2. 4,75/5,24 links: schwach weniger ent- wenig Öffnung 97/48,6 [X Breite: 81 w wickelt und nicht sicht- rechts: links von der bar 97/64,8 IX Schalendrüse gelegen 4. Cyste. -es Größe mm Hoden Uterussack Keimstock Eier LAURERsclier Kanal 1. 3,37/4,05 beiderseits sehr schwach Stark ent- wickelt groß zahlreich Öffnung vor- handen 2. 3,0/3,3 beiderseits stark klein weniger stark wenig Öffnung nicht sichtbar 5. Cyste. a g Größe mm Hoden Uterussack Keimstock Eier LAURERßclier Kanal 4,72/4,35 3,6/4,2 beiderseits sehr klein beiderseits groß stark sehr klein gut ent- wickelt schwach zahlreich wenig Öffnung vor- handen Öffnung nicht sichtbar Es ist zunächst festzustellen, daß sich an allen in den Tabelleo angeführten Paaren von Cystenbewohnern ein gewisser Größenunter schied bemerkbar macht, und zwar ist der größere Partner regelmäßig mit besser entwickelten weiblichen Genitalien ausgestattet. Der Unter- schied in der Größe ist auf der Stufe der Geschlechtstätigkeit noch re- lativ klein. Er bildet sich erst auf dem Verbreitungsstadium aus. Dies zeigen die beiden auf S. 470 angeführten Tabellen. Die Fläche der dort 11 CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 509 salen Seite beträgt im ersten Fall 4,22 und 4,38 qmm; während auf der späteren Stufe die entsprechenden Maße 7,23 und 9,54 qmm betragen. Es ist bezeichnend, daß immer das mehr weibliche Individuum größer ' ist. Der Größenunterschied ist also, wenn er auf dem Geschlechts- stadium auch noch nicht scharf hervortritt, begründet in der diffe- renten sexuellen Ausbildung der beiden Partnerg Die Hoden weisen in ihrer Entwicklung bei den beiden Individuen größere Schwankungen auf. In ganz wenigen Fällen waren sie bei beiden Partnern gleich stark. Die Mehrzahl der von mir untersuchten Paare aber zeigt deutliche Unterschiede. In einigen Fällen waren bei beiden Parasiten einer Cyste je zwei Hoden vorhanden; jedoch so, daß sie bei dem mit besser entwickelten weiblichen Genitalien be- deutend kleiner waren. Andre Paare unterscheiden sich in bezug auf die Ausbildung der Hoden insofern, als der eine Partner nur einen ein- zigen Hoden besitzt, während der andre ganz fehlt oder nur äußerst schwach entwickelt ist. Ferner kann es vorkommen, daß das eine Exemplar gar keinen ausgebildeten Hoden besitzt. Man kann in diesen Fällen nur mehr unregelmäßig zerstreute Zellkomplexe unterscheiden. Offenbar ist bei solchen Individuen die Reduktion am weitesten ge- l diehen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der mehr männliche Partner regelmäßig gut entwickelte Hoden besitzt; während sie beim mehr weiblichen in verschieden hohem Grade rückgebildet sind. I In bezug auf den Uterussack ist zu bemerken, daß die Differenzen > in seiner Ausbildung bei den beiden Partnern am auffälligsten sind. Die größten Unterschiede treten aber erst auf dem Verbreitungsstadium auf. Es beträgt jedoch schon auf dem Geschlechtsstadium die größte • Breite des Uterussackes bei den mehr weiblichen Partnern der Cysten 2 und 3 beinahe das Dreifache von derjenigen der mehr männlichen. Auch hinsichtlich des Inhaltes des Uterussackes unterscheiden sich die beiden Individuen einer Cyste, indem das eine regelmäßig zahlreiche Eier mit der typisch braunen Färbung besitzt; während das andre bedeutend ..weniger und hellere enthält. ■1 Der Keimstock zeigt die geringsten Differenzen, Er ist immer vorhanden und variiert nur in seiner Größe. Der ganze Keimstock besitzt bei den mehr männlichen Individuen ein mageres Aussehen. Aus den Tabellen geht endlich hervor, daß der mehr weibliche Partner eine sichtbare Öffnung des LAURERschen Kanales nach außen besitzt; während sie beim männlichen Individuum nicht sichtbar ist. Zudem muß^bemerkt werden, daß der LAURERsche Kanal der ersteren mehr Sperma enthält. Die Tabelle S. 494 gibt uns in bezug auf die Mün- II 510 Georg Jegen, dungsverhältnisse des LAüRERSchen Kanales nach außen näheren Auf- schluß. Danach besitzt der männhche Partiler eine siebartige Durch- brechung der Haut; während der weibliche eine Einzelöffnung hat. Es liegt nahe anzunehmen, daß im allgemeinen Verlaufe des Differen- zierungsprozesses der LAURERsche Kanal des mehr männlichen Indivi- duums in Reduktion begriffen ist, die sich in der Rückbildung der Aus- mündung kundgibt. Wenn ich zum Schlüsse die Ergebnisse noch zusammenfasse, so! kann folgendes festgestellt w^erden: Bei Collyndum faha besteht ein sexueller Dimorphismus. Der kleinere Partner ist mehr männlich, während der größere mehr weiblich ist. Der Pro- zeß der Geschlechtstrennung ist deutlich erkennbar, befindet sich aber noch auf einem frühen Stadium. C. Zur Frage über den senilen Zustand im Leben des Parasiten. Es kommt in der Gruppe der Trematoden häufig vor, daß mit dem Moment, wo die Geschlechtstätigkeit abschließt, die gesamten Geni- talien einer Rückbildung entgegengehen, währenddessen der Körpei' noch eines Wachstums fähig ist. Es ist nun die Frage aufgeworfenj worden, ob man darin ein allgemeines Verhalten des Parasitenkörpers' zu erblicken habe, oder ob es nur eine Folge von zufällig eintretendem wirksamen Faktoren sei. Im Sinne der ersten Auffassung Sprecher Walter, Ofenheim und Odhner, w^ährend Looss u. a. m. die zweite i Ansicht vertritt. Beim heutigen Stand unsrer Kenntnisse in diesej Frage darf nicht außer Betracht gelassen werden, daß noch eine größerf Zahl von sicheren Beobachtungen notwendig ist, um die Erscheinung; verallgemeinern zu können. Ich werde im folgenden in erster Linie die Resultate meiner Untersuchungen an Collyndum faha zusammen- stellen und dann diese vergleichen mit den an andern Trematodenartep gewonnenen Ergebnissen. Der erste Teil der hier gestellten Aufgabe ist schon in den voran- gegangenen Kapiteln über Morphologie und Anatomie enthalten. Von einer Darstellung des ganzen Reduktionsprozesses auf dem Verbreitungs- stadium darf ich hier aus diesem Grunde Umgang nehmen. Eine kurz« Zusammenstellung der dort geschilderten Veränderungen unter Berück-t sichtigung der speziellen Frage nach der Senilität wird dem Zwecke der Orientierung am besten entsprechen. Die Veränderungen des Parasitenkörpers auf dem Verbreitungs- stadium beziehen sich auf: Körperform, Körpergröße, Genitalien,; Parenchym und Bewegung. CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 511 1. Form. Während auf dem Geschlechtsstadium der Längsdurch- messer im allgemeinen noch größer ist, zeigt der Parasitenkörper auf der Verbreitungsstufe die umgekehrte Proportion, ■ 2. Größe. Aus der Tabelle S. 470 geht hervor, daß die dorsale Fläche auf dem Verbreitungsstadium doppelt so groß ist als auf der früheren Entwicklungsstufe. 3. Genitalien. Die Geschlechtsdrüsen nehmen an Ausdehnung nach der Tabelle S. 470 nicht mehr zu; sondern werden im allgemeinen kleiner. In bezug auf ihre anatomische Beschaffenheit im Zusammen- hang mit der genannten Größenabnahme habe ich namentlich die Hoden einer genaueren Untersuchung unterzogen. Dabei konnte ich fest- stellen, daß nach Abschluß der Geschlechtstätigkeit im Innern Hohl- räume entstehen. Die noch vorhandenen Zellen verlieren den Zu- sammenhang, so daß der Hoden häufig direkt aufgelöst erscheint. Die Samenleiter werden ebenfalls zurückgebildet. Über das Verhalten des LAURERschen Kanales gibt die Tabelle S. 494 Aufschluß. Daraus ist ersichtlich, daß auf dem Verbreitungsstadium der Endkomplex auftritt und die Öffnung nach außen aufgehoben wird. 4. Parenchym. Das Körperparenchym wird mit zunehmendem Alter des Parasiten weitmaschiger. .5. Bewegung. Das Geschlechtsstadium zeichnet sich aus durch seine relativ hohe Beweglichkeit. Auf dem Verbreitungsstadium hat der Parasit diese eingebüßt. Es läßt sich nur mehr ein Hin- und Her- schieben des Uterus feststellen. Alle diese im Parasitenkörper eingetretenen Veränderungen stehen in enger Beziehung zueinander. So wird z. B. die Bildung des End- komplexes hervorgerufen durch Veränderungen des Körperparenchyms, wie es S. 497 dargelegt wurde. Es dürften auch dieselben Vorgänge im Parenchym für die Auflösung der Hoden verantwortlich sein. Die ganze Erscheinung beschränkt sich nicht etwa nur auf einzelne In- dividuen, sondern hat für CoUyriclum faba allgemeine Geltung. Der Zeitpunkt, wo der Keduktionsprozeß einsetzt, ist bestimmt. Er be- ginnt allgemein mit dem Abschluß der Geschlechtstätigkeit. Der Zustand, in den der Parasit mit diesem Moment eintritt, ist haupt- sächlich gekennzeichnet durch seine reduzierte Bewegungsfähigkeit und seine Größenzunahme. Der Parasit ist aber noch nicht tot, was aus der Bewegung des Uterus hervorgeht. Damit steht also fest, daß die Reduktionsvorgänge nicht unmittelbar den Tod des Parasiten zur Folge haben. Daraus dürfte sich auch die Annahme rechtfertigen, daß der Parasit durch die eingetretenen Veränderungen sich nur andern 512 Georg Jegen, Zwecken anpaßt. Die Antwort auf die Frage nach diesen liegt in der besonderen Art der Entwicklung. Es wird im betreffenden Abschnitt ausgeführt, daß die Eier im Uterussack verweilen, bis sie samt dem mütterlichen Organismus vom Wirte ergriffen werden, um in den Darm befördert zu werden, wo sie die nötigen Entwicklungsbedingimgen fin- den. Es wird für den Parasiten aus diesem Grunde zur Notwendigkeit, für die produzierten Eier Raum zu schaffen. Das geschieht durch die Vergrößerung des Uterusendabschnittes, was anderseits wieder eine Größenzunahme des Körpers zur Folge hat. Die Frage der Senilität wird in der Literatur öfters behandelt. Sie besitzt offenbar für die Systematik eine besondere Bedeutung; denn es ist klar, daß durch eine weitgehende Umbildung des Parasiten- körpers, wie ich sie für Collynclum fdba festgestellt habe, die Gefahr naheliegt, die verschiedenen Entwicklimgsstufen eines Parasiten als selbständige Formen aufzufassen. Schon Walter hat versucht, bei augenfällig ähnlichen und zu derselben Zeit im gleichen Wirt auftreten- den Formen eine Erklärung zu geben imd kommt zum Schlüsse, daß es sich um Entwicklungszustände einer und derselben Art handle. So stellte er bei Monost. proteus fest, daß hie und da Individuen auftreten, die von den allgemeinen Verhältnissen, namentlich in bezug auf die innere Organisation, ganz bedeutend abweichen. Solche Parasiten zeigten stark vergrößerte Darmschenkel, eine ganz auffällige Degene- ration der Gewebe und der Organe. Im Parenchym fand er häufig Exeretionsstoffe. Die Hoden besaßen Hohlräume im Innern. Daraus zieht er den Schluß, daß die Tiere ihre Geschlechtsreife überschritten haben. Gegen diese Auffassung spricht sich namentlich Looss aus, indem er zum Schlüsse kommt, Walter hätte gerade junge Individuen, die zudem noch schlecht erhalten waren, vor sich gehabt. Vom rein theoretischen Standpunkt aus lehnt Looss die Annahme eines senilen Zustandes ab. Er schreibt S. 619: >>Es ist nicht einzusehen, warum die Parasiten nach Beendigung ihrer geschlechtüchen Tätigkeit noch auf unbestimmte Zeit weiterleben, und zwar allem Anschein nach gesetzmäßig usw. . . . Ein solches Verhalten würde in bemerkens- wertem Widerspruche zu demjenigen der übrigen wirbellosen Tiere stehen, die insgesamt dem Untergang anheimfallen, sobald sie ihre geschlechtliche Funktion definitiv erfüllt haben.« Ich kann dieser Erklärung vollständig beipflichten, sobald genauer präzisiert wird, wann beim Parasitenkörper der Moment eintritt, wo er seine geschlecht- liche Funktion definitiv erfüllt hat. Es ist oben ausgeführt worden, inwiefern der nicht mehr Geschlechtsprodukte liefernde Körper noch Collyricluin faba (Bremser) Kossack usw. 513 einen Zweck zu erfüllen hat. Es scheint mir, daß dieser Zweck, die Verbreitung der Art zu sichern, auch noch unter den Begriff der defi- nitiven Erfüllung der geschlechtlichen Funktion gehöre. Dann allerdings, wenn seine Lebensziele restlos erfüllt sind, muß der Para- sitenkörper zerfallen. Übrigens bemerkt Looss selbst S. 620, daß bei Cestoden mit der Geschlechtsreife häufig eine nachfolgende Reduktion der Keimdrüsen in gesetzmäßigem Zusammenhang stehe. Damit ist es notwendig geworden, sich auch bei den Trematoden mit derartigen Studien zu befassen, mn so nach und nach die ganze Erscheinung mit Sicherheit unter einem allgemeinen Gesichtspunkt betrachten zu können. Ausgeschlossen ist das ganze Phänomen bei den Trematoden doch nicht, um so mehr es bei den nahestehenden Cestoden mit Sicher- heit konstatiert ist. Weitere interessante Forschungen unternahm Ofenheim an Anaporrhutum albidum. Er unterstützt die Auffassung Walters und bezeichnet derart veränderte Tiere als senil. Dem Autor fällt auf, daß der histologische Bau der Organe stark verschwommen erscheint und zweitens, daß das Körperparenchym weitmaschig wird. Es könnte natürlich eine derartige, scheinbare Deformation der Organe begründet sein in einer schlechten Konservierung; hingegen scheint mir in diesen Fällen ein solcher Einwand nicht stichhaltig zu sein. v' Die von Looss an Microscaphidium sagitta gemachten Beobach- tungen über die Differenzen von Individuen aus dem Anfang und dem Ende des Dickdarmes von Chelone mydas zeigen überraschende Ähnlichkeit mit meinen Beobachtungen an jüngeren imd älteren Cysten- bewohnern. Der Unterschied besteht einzig darin, daß nach Looss die veränderten Tiere aus dem Ende des Dickdarms tot sind, während ich bei Collyriclum faha wohl eine äußere Bewegung vermisse, hingegen eine Tätigkeit des Uterus immer feststellen kann. Es scheint mir, die beiden Verhalten brauchen sich nicht auszuschließen. Der Endoparasit, der seine Eier entweder im Darm des Wohntieres zur Entwicklung ab- gibt, oder mit dem Kot nach außen entleert, wo sie passiv an den Ent- wicklungsort gelangen, ist nicht gezwungen, dieselben zusammenzu- halten wie der Ectoparasit Collyriclum faha. Welche Erklärung für das Verhalten der Microscaphiiden gegeben werden muß, kann ich nicht entscheiden. Ich möchte aber fast annehmen, daß die späteren Individuen, die Looss als in gewisser Beziehung von den früheren ver- schieden beschreibt, auf einem ähnlichen Stadium sich befinden, wie es von mir beschrieben wurde. Looss sieht sie zwar als Jugendstadien an, die aus irgend einem Grunde nicht zur Eiproduktion gelangt sind. 514 Georg Jegen, Dabei denkt der Verfasser an klimatische Faktoren. Auffällig ist aber, daß sich diese Erscheinung an den Individuen einer Art in demselben Wirt zeigt, also unter Verhältnissen, wo eine Begründung durch Ein- wirkung äußerer Einflüsse, wie das Klima, sich schwer durchführen läßt. T. Entwicklung. A. Begattung. Die Fälle, in denen eine Begattung bei Trematoden einwandfrei festgestellt ist, haben im Laufe der Zeit, nicht zum wenigsten infolge der besseren Hilfsmittel, bedeutenden Zuwachs erhalten. Als sicher in Copulation gefunden, können folgende Formen angeführt werden: 1. Distomum clavigerum (Looss). 2. Distomum cylindraceum (L instow). 3. Holostomum serpens (Nitzsch). 4. Synaptohothrium copulans. 5. Prosotocus confuscus (Looss). 6. Liolope copulans (Cohn). Über Synaptohthrium copulans schreibt Linstow, daß er neben einzelnen Individuen Pärchen fand, die sich mit den Bauchsaugnäpfen festhielten. Eine direkte Begattung konnte er indessen nicht fest- stellen, so daß in diesem Fall nur von einer Annahme gesprochen wer- den kann, wenn auch bei der gegenseitigen Lage der beiden Individuen der Vorgang der Copulation wahrscheinlich ist. Bei Collyriclum faha wird heute eine direkte gegenseitige Be- gattung angenommen. Es ist ohne weiteres klar, daß die gegenseitige Lagerung und das Zusammenwohnen in einer Cyste überaus günstige Voraussetzungen für die Begattung bilden. Ebenso wird die Annahme einer Copulation unterstützt durch das regelmäßige Vorkommen von zwei Individuen in einer Cyste. Ich untersuchte mehr als 100 Cysten, und in allen Fällen waren zwei Parasiten vorhanden, außer in einem Fall, wo ich nur ein Exemplar fand. Nun war aber diese Cyste oben aufgerissen, und die Lagerung des anwesenden Individuums sowie die deutlichen Abdrucksspuren eines zweiten Parasiten auf der Innenwand der Cyste lassen es außer Zweifel erscheinen, daß ursprünglich ebenfalls zwei Individuen vorhanden waren. Es hat sich zudem im Laufe der Untersuchungen heraiLsgestellt, daß der Träger des Parasiten die Cysten in einem gewissen Zeitpunkt selbst aufreißt, so daß man mit Sicherheit ein regelmäßiges Vorkommen von zwei Individuen in einer Cyste annehmen kann. Eine solche Gesetzmäßigkeit kann nicht zu^ Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 515 fällig sein, vielmehr muß sie in irgend einem Lebensvorgang des Tieres begründet sein. Ein Lebensprozeß, der gerade zwei Individuen ver- langt, kann allerdings nur in den Befruchtungsvorgängen gesucht werden. Die sicherste Lösung der Frage nach der Art der Befruchtung bietet natürlich eine direkte Beobachtung. Von den früheren Autoren ist es einzig Mieschee, der in seiner Arbeit im Abschnitt »Der Be- gattungsakt« S. 17 von solchen Beobachtmigen schreibt. Nach ihm vollzieht sich eine direkte gegenseitige Begattung durch den End- abschnitt des Uterus. Nachdem ich aber festgestellt hatte, daß die Produktion von Geschlechtsprodukten zeitlich begrenzt ist, schien mir eine Begattung zur Zeit, wo die beiden Individuen eine dauernde gegen- seitig ventrale Lage einnehmen, nicht recht verständlich; denn wie aus den Abschnitten über die Anatomie und Morphologie des Ver- breitungsstadiums hervorgeht, hat die Geschlechtstätigkeit zu dieser Zeit aufgehört. Es wurde durch jene Untersuchungen festgelegt, daß der Befruchtungs Vorgang sich nur auf dem Geschlechtsstadium vollzieht. Die Beobachtungen Mieschers sind damit aber nicht in Einklang zu bringen; denn der Autor spricht von einer dauernden gegenseitigen Lage und von dem vollständigen Mangel an äußerer Bewegung der beiden copulierenden Individuen. Daraus geht hervor, daß der Begattungs- akt nach MiESCHER sich auf dem Verbreitungsstadium vollzieht. Durch meine Untersuchungen an Cystenpaaren auf dem Verbreitungsstadium konnte ich die Anwesenheit von zwei Bändern feststellen, die genau von der Mündungsstelle der Genitalien aus von einem Individuum zum andern sich erstrecken. Sie bestehen aber bei genauerer Betrachtung aus einem Eistrome, der sich beim Trennen der beiden Individuen aus den Uteri der Tiere ergießt, öfters ist auch nur ein Band zu beobachten. Es rührt dies davon her, daß das mehr männliche Individuum häufig fast keine Eier enthält. Ich muß, von diesen Beobachtungen geleitet, fast annehmen, daß Miescher bei seinen Untersuchungen mit der Lupe diese Bänder für die Cirri hielt. Es ist mir bei keinem der unter- suchten Pärchen gelungen, eine Begattung durch den Endabschnitt des Uterus festzustellen. Zudem habe ich eine größere Zahl von Schnitten ganzer Cysten hergestellt, wobei es nur ausnahmsweise vorkam, daß der Cirrus schwach vorgestülpt, niemals aber in den Endteil des Uterus eingeführt war. Gegen eine Begattung im obigen Sinne spricht auch der Umstand, daß der größte Teil des Uterus spermafrei ist. Einem Einwandern der Samenfäden durch den Uterus müßte übrigens die Bewegung desselben, 516 Georg Jegen, die derart ist, daß sie die Eier nach dem Ausgange zu schiebt, ent- gegenwirken. Über die Art und Weise der Befruchtung, wie sie bei Collyriclum fdba in Wirklichkeit vollzogen wird, verweise ich auf die beiden Kapitel über den LAURERschen Kanal. Ich kann die Ergebnisse meiner Untersuchungen über den Vor- gang der Befruchtung folgendermaßen zusammenfassen: Eine Be- gattung im Sinne Mieschers halte ich für unwahrschein- lich. Die Erzeugung von Nachkommen vollzieht sich viel- mehr durch freies Einwandern der Spermatozoen in den LAURERschen Kanal und eine nachfolgende Befruchtung der Eizellen im Centralraum. Schon Leukart spricht sich S. 378 über Distomum lanceolatum dahin aus, daß eine Befruchtung auf dem Wege des LAURERschen Kanales durchaus in der Möglichkeit liege. Er hält sie für sehr wahr- scheinlich, da er im Innern des Uterus kein Sperma entdecken konnte, imd nur der Endteil enthielt zuweilen Samenfäden. Ihm erscheint es unwahrscheinlich, daß das Sperma den langen mit Eiern gefüllten Uterus zurücklegen kann, um im Centrum der Genitaldrüsen erst die Befruchtimg zu vollziehen. Interessante Beobachtungen über die Befruchtung bei Liolope copulans liefert Cohn. Er fand den Parasiten in Copulation und zwar unter Benutzung des LAURERschen Kanales. Er hat diesen Vorgang selbst noch auf Schnittserien feststellen können, so daß an diesen Ergebnissen nicht zu zweifeln ist, wenn sie auch der heute mehr oder weniger allgemeinen Annahme über die Funktion des LAURERschen Kanales zuwiderlaufen. B. Eibildung. Aus den hierüber gemachten Beobachtungen geht hervor, daß der Prozeß der Eibildung sich bis zu seinem Abschlüsse über einen ansehnlichen Teil des Uterus ausdehnt. Ich konnte im allgemeinen ganz ähnliche Verhältnisse feststellen, wie sie z. B. Leukart bei Bo- thriocephaliden S. 896 I. T. schildert. Die Befruchtung der Eizellen soll nach Looss u. a. m. sich im Anfangsteile des Uterus vollziehen. Es ist aber durchaus möglich, daß in bezug auf diesen Vorgang bei den Trematoden Verschiedenheiten zu finden sind. In allen jenen Fällen, wo eine Befruchtung im Uterus- anfang vor sich geht, finden war etwas andre Verhältnisse hinsichtlich des Zusammentrittes der verschiedenen Drüsenkanäle als bei Colly- riclum fdba, insofern nämlich als kein eigentlicher Centralraum besteht. CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 517 Es liegt auf der Hand, daß bei solchen Parasiten die Befruchtung im Uterusanfang stattfindet. Bei Colhjriclum faba tritt sie im Centr^l- raum ein. Die befruchtete Eizelle und das in ihrer Umgebung an- gesammelte D Otter material wird mit der sie umschließenden, durch- sichtigen und lichtbrechenden Substanz aus dem Centralraum in den Uterus abgeschoben. Hier bilden sich nach und nach die Umrisse der Eier in Form von zarten Linien heraus. Letztere werden immer kräf- tiger und stellen schließlich die Eischale dar. Taf. XII, Fig. 25 stellt einen Schnitt durch den Uterus nahe am Centralraum dar. Wichtig ist es, bei der Beurteilung der vorliegenden Verhältnisse festzustellen, daß die erwähnten Linien im Centralraum noch vollständig fehlen. Der Prozeß dpr Schalenbildung vollzieht sich also im Uterus. Das Schalen- material befindet sich offenbar in der Grundsubstanz und wird von letz- terer im Uterus ausgeschieden. Wie aus Taf. XII, Fig. 26 hervorgeht, wird die im vorderen Uterus anwesende Substanz bei der Eibildung restlos aufgebraucht. Mit der Bildung der Schale geht auch ein Farben- wechsel Hand in Hand. Die unfertige Schale ist noch farblos. Deshalb ist der Uterus in seinem Anfangsteil weiß. Die hinteren Uterusschlingen, namentlich der Endsack, wo sich fertig gebildete Eier befinden, sind braun bis dunkelbraun. Über die fertigen Eier von CoUyriclum faba finden sich in der Literatur einige wenige Angaben. So erwähnt Kossack in seiner Ai-beit ihre Größe. Sicherlich gehört auch diese zu den Erkennungszeichen der Trematodeneier. Das wichtigste Merkmal ist es indessen nicht. Vielmehr verdienen sowohl Form als besondere Eigentümlichkeiten in der Struktur der Oberfläche eine genauere Prüfung. Was zunächst die Größe betrifft, so ist dieselbe variabel. Sie ist schon beim gleichen Individuum etwas verschieden. Besonders aber konnte ich feststellen, daß sie mit dem Wirte sich bedeutend ändert. Die folgende Zusammenstellung zeigt uns, in welcher Weise das ge- schieht. Wirt Länge der Eier Diclie der Eier Fringilla coelebs Passer dorn. Muscicapa gris. 19,8 fji 14,4 <" 14,0 ^ 12,6 (j, 10,8 ^ 9,4^ Dadurch, daß die Länge zur Dicke nicht immer in der gleichen Pro- portion steht, kann auch eine gewisse Formveränderung eintreten, so daß man häufig im gleichen Individuum länglich ovale und fast runde 518 Georg Jegen, Eier findet. Von besonders charakteristischen Merkmalen sind zwei zu erwähnen. 1. Das dickere Ende des Eies besitzt seitlich einen kleinen Fortsatz. Er ist an seiner Basis relativ breit, und die Spitze ist stumpf. 2. Am vorderen dünneren Ende befindet sich der Deckel. Er ist flach und bildet da, wo er der Schale aufsitzt, einen erhöhten Rand, so daß an dieser Stelle auf dem Umfange des Eies eine deutlich sicht- bare Vorwölbung entsteht. Sie bildet sich dadurch, daß sowohl Deckel als Eischale sich an der Berührungsstelle nach außen umbiegen (Taf. XII, Fig. 34). C. Ablage der Eier. In bezug auf den Zeitpunkt der Eiablage zeigen die Trematoden ein verschiedenes Verhalten. Im allgemeinen scheinen die ectopara- sitischen Trematoden die Eier schon früh an den Entwicklungsort ab- zulegen, wo sie sich vermittels der Filamente anheften. Dies geschieht vor der beginnenden Embryonalentwicklung. Anders aber die Mehr- zahl der Endoparasiten. Hier wird die ganze oder doch der größte Teil der Embryonalentwicklung im mütterlichen Uterus vollzogen. Das Ei von Collyriclum faha hält ungefähr die Mitte. Der Embryo entwickelt sich bis zu einem bestimmten Grad im Uterussack. Zur definitiven Ausbildung aber gelangt er erst außerhalb des mütterlichen Organismus. Es war also zunächst zu mitersuchen, wohin die Eier nach dem Verlassen des Uterus gelangen. Die früheren Arbeiten über Collyriclum faha haben in dieser Richtung wenig Aufklärung gebracht. Die einzigen Beobachtungen stammen von Miescher. Er bekam nämlich im September einen Sperling mit gänzlich veränderten Cysten, Sie waren zusammengeschrumpft und teilweise hart geworden. Als er sie öffnete, konnte er nur noch einzelne Überreste der beiden Cysten- bewohner konstatieren. Eine andere Cyste enthielt Parasiten, die voll- ständig eingetrocknet waren. Miescher vermutet nun, die Eier könnten im nächsten Jahre beim Brüten direkt aus der Cyste in das warme Nest gelangen, um sich dort zu entwickeln. So erklärt er sich auch die Tatsache, daß der Parasit nur an jungen Vögeln auftritt. Es schien mir aber unwahrscheinlich, daß eingetrocknete Eier in das Nest gelangen, und wenn das auch geschehen würde, so würden sie sich in einem der- art trockenen Medium kaum entwickeln können. Ich glaube vielmehr, daß Miescher hier einen Fall vor sich gehabt hat, bei dem ein Weiter- entwickeln ausgeschlossen ist, was ich weiter unten im Zusammenhang mit dem Verbreitunosstadium noch näher beleuchten werde. CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 519 Die ersten Aufschlüsse über den Ort der Eiablage gaben mir die Untersuchungen an Sperlingen; später wurden jene Beobachtungen durch das Experiment bestätigt. Im Januar 1915 erhielt ich einen Sperling, der im Darm eine große Zahl von Colli/riclum-^ieYn enthielt. Ich muß hier noch bemerken, , daß bei diesen Untersuchungen sämtliche Leibesorgane in Betracht gezogen wurden; denn die Möglichkeit, den Parasiten in seiner Ent- wicklung im Innern des Wirtes zu finden, lag nahe. Die im Darm des erwähnten Sperlings gefundenen Eier enthielten durchwegs einen wohlausgebildeten Embryo. Zudem konnte ich feststellen, daß einzelne die Schalen schon verlassen hatten, indem der Deckel des Eies voll- ständig abgehoben wurde. Bei genauerer Untersuchung gelang es mir nun auch, im Darmbrei frei bewegliche Embryonen zu konstatieren. Es konnte offenbar kein Zufall sein und legte mir die Vermutung nahe, es möchten die Eier normalerweise in den Darm des die Cysten tragen- den Wirtes gelangen. Die Anwesenheit der Eier im Darminhalt konnte ich in der folgenden Zeit noch häufig feststellen und zugleich auch die Tatsache, daß die Embryonen in großer Zahl die Eier an diesem Ort verlassen. Vorläufig konnte ich aber die Frage nicht endgültig ent- scheiden; denn geschlechtsreife Parasiten waren noch keine erhältlich. Als dann aber im Juni die ersten cystentragenden Vögel verschafft werden konnten, schritt ich sofort zum Experiment. Ich versuchte zunächst durch irgend ein Mittel auch außerhalb des Darmes die Em- bryonen zum Ausschlüpfen zu bringen. Zu diesem Zwecke verbrachte ich die Eier in Wasser, das zuvor auf 35 — 40° C. erwärmt wurde. Die Schale mit den Versuchsobjekten verbrachte ich in den Thermostaten, um eine konstante Temperatur darauf einwirken zu lassen. In be- stimmten Zeitabständen wurden Proben entnommen und untersucht. Es gelang mir aber niemals ein Ausschlüpfen der Embryonen festzu- stellen. Nach einigen Tagen begann der angelegte Embryo meistens zu zerfallen. Damit ist erwiesen, daß im Wasser eine Weiterentwicklung nicht erfolgen kann. Das zweite Experiment bestand darin, daß ich Eier aus dem Uterus eines lebenden Parasiten auf ein Hautstück des Sperlings brachte und letzteres in den Thermostaten legte. Natürlich war dabei Erfordernis, das Präparat beständig feucht zu halten. Aber auch dieser Versuch brachte ein negatives Kesultat. Endlich nahm ich ein Stück vom Darm eines frisch getöteten Sperlings, brachte die Eier hinein und stellte das Ganze ebenfalls in den Thermostaten unter konstante Temperatur. Schon nach 12 Stunden konnte ich deutlich beobachten, daß die Deckel der Eier sich zu lösen begannen, und nach 520 Georg Jegen, 24 Stunden ließen sich die ausgeschlüpften Embryonen in größerer Zahl feststellen. Um jede im Experiment eventuell vorhandene Fehler- quelle auszuschalten, vermischte ich die Eier mit aufgeweichter Nah- rung, die ich den zu diesem Zwecke gehaltenen Kanarienvögeln verab- reichte. Nach 2 — 3 Tagen zeigten sich in den Excrementen der infi- zierten Vögel regelmäßig viele leere Eischalen und ebenso Embryonen, die sich relativ lebhaft bewegten. Damit glaube ich den Beweis erbracht zu haben, daß die Eier in den Darm des die Cysten tragenden Wirtes gelangen müssen, um dort ihre Entwicklung fort- zusetzen. Bei den endoparasitischen Trematoden werden die Em- bryonen in zahlreichen Fällen im Darm eines Wirtes frei. Der Unter- schied bei Collyridum faha zu jenen besteht nur darin, daß die Eier in den Darm des die geschlechtsreifen Parasiten tragenden Wirtes gelangen. Die weitere Frage, die hier behandelt werden muß, ist die, zu er- fahren, auf welchem Wege die Eier in den Darm des Sperlings gelangen. In erster Linie konnte man an die Aufnahme mit der Nahrung denken, in der Weise, daß die auf gewisse Nahrung der Sperlinge verbrachten Eier in den Darm übergeführt werden. Ich habe im biologischen Teil die Möglichkeit einer solchen Übertragimgsart näher erörtert und kam zum Schlüsse, daß sie nicht Avahrscheinlich ist. Man könnte allerdings auch annehmen, daß die Eier mit der Cystenflüssigkeit durch die Öff- nung den Ausgang finden imd ihren Bestimmungsort erreichen. Da- gegen aber spricht der Umstand, daß die Cystenflüssigkeit in der Regel keine Eier enthält, d. h. die Eier sammeln sich im Endsack des Uterus an. Auf den richtigen Weg über die Übertragungsweise der Eier von Collyridum faha in den Vogeldarm führte mich eine Beobachtung an einem Gartenrotschwänzchen. Dasselbe besaß einige Cysten, von denen zwei aufgerissen und zerfetzt waren. Es machte mir den Eindruck, als ob diese Risse durch den Vogelschnabel verursacht seien. Als ich im Innern der Cyste nachsah, konnte ich nur ein Exemplar von Colly- ridum faha entdecken, trotzdem die Spuren eines zweiten auf der Wandung deutlich vorhanden waren. Auch der übriggebliebene Parasit war an dem der Cystenöffnung zugekehrten Ende zerrissen. Die gleiche Erscheinung konnte ich später öfters feststellen, und zwar stellte es sich heraus, daß die aufgerissene Cyste immer Bewohner mit reifen Eiern im Uterus beherbergte. Dies verlangte eine Erklärung, indem ich einen Zusammenhang mit der Übertragungsweise der Eier bestimmt vermutete. Zunächst fiel mir auf, wie schon Miescher betonte, 4aß die Cyste äußerlich durchaus nicht immer den gleichen Eindruck macht. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 521 Nachdem sie bis zu ihrer maximalen Ausdehnmig herangewachsen ist, hat sie auch den größten Grad der Straffheit erlangt. Sie gleicht dann einem festen Gummiball. In diesem Zustand dürfte es für den^^Vogel- schnabel unmöglich sein, die Cyste aufzureißen. Nach einiger Zeit aber, sobald nämlich die reifen Eier der Parasiten sich im Uterussack an- gesammelt haben, beginnt sie zu schrumpfen. Im biologischen Teil dieser Arbeit ist auseinander gesetzt, wodurch dieser Prozeß hervor- gerufen wird. Die Cyste wird nicht kleiner; die Veränderung bezieht sich hauptsächlich auf ihre Oberfläche, so daß in diesem Moment dem Vogelschnabel genügend Angriffspunkte zum Aufreißen geboten sind. Ich suchte nun an lebenden Tieren Beobachtungen zu sammeln. In der Tat sah ich verschiedentlich cystentragende Sperlinge, wie sie mit dem Schnabel an den Cysten rissen. Dazu kommt noch ein weiterer Umstand. Vögel, die noch Cysten trugen oder bei denen noch deutliche Spuren von Cysten vorhanden waren, enthielten in der Regel die Para- siteneier im Darm. Ich glaube damit als sicher feststellen zu können, daß der Träger des Parasiten selbst die Cysten aufreißt, die Bewohner ver- schlingt und so dem Parasiten seine Fortentwicklung sichert. D. Embryonale und postembryonale Entwicklung und Übertragung auf neue Wirte. Der Prozeß der Eifurchung tritt schon im vorderen Uterusteil auf. Nach meinen dahingehenden Untersuchungen kann derselbe mit dem- jenigen von Dist. hepaticum nach Leukart verglichen werden. Nach- dem die Eizelle sich geteilt und vergrößert hat, tritt eine Abscheidung von Zellen nach der Oberfläche hin auf. Diese Oberflächenzellen platten sich immer mehr ab, verlieren ihren Kern und wandeln sich schließlich in das Epithel des inzwischen gebildeten Embryos um. Der Nahrungsdotter macht auch gewisse Veränderungen durch. Er wird bei der allmählichen Herausbildung des Embryos beiseite geschoben, so daß er am Ende des Prozesses in Form eines Bandes der einen Seite des Embryonalkürpers anliegt. Zudem geht die Dottermasse nach imd nach ihrer vollständigen Auflösuno- entgegen. Die Umrisse werden immer verschwommener, und die Masse selbst verliert ihre einstige körnige Beschaffenheit. Schließlich liegt der zum Ausschlüpfen bereite Embryo in einer gleichmäßig hyahnen Substanz. Die Gestalt des freien Embryo ist verschieden. Häufig trifft man ihn in der Form, wie sie Taf. XI, Fig. 5 skizziert wurde. Der Körper ist lanzettlich. Im vorderen Drittel bildet sich eine sanfte Einschnürung, Zeitschrift f. wisseiisch. Zoologie. CXVII. Bd. 34 522 Georg Jegen, so daß der Körper in zwei Teile zerfällt, einen, kleineren Kopfteil und den größeren Leib. Beide sind an den Polen zugespitzt. Die Bewe- gungen des Embryo sind langsam. Er kriecht über die Unterlage, indem er sich in der Längsachse ausdehnt und zusammenzieht. Es ist mit Eücksicht auf diese Veränderlichkeit der "Gestalt nicht gut mög- lich, ein genaues Größenmaß anzugeben. Solange er. sich im Ei befindet, beträgt seine Länge im Mittel 16,9 [.i bei einer Dicke von 6,5 [x. Nach dem Verlassen der Eihülle wächst er in kurzer Zeit auf das Drei- und Vierfache, sofern er sich nicht encystiert. Das Ausschlüpfen konnte ich öfters unter dem Mikroskope beobachten. Durch die Wirkung der Darmsäfte wird der Deckel des Eies gelockert, so daß er sich sofort abhebt, wenn der Embryo dagegen stößt. Die dem Embryo häufig noch anhaftende Eihaut bleibt infolge der kriechenden Bewegung schließlich an der Unterlage haften. Eine Bewimperung der Körper- haut ist, wie schon Willemoes-Suhn konstatierte, nicht vorhanden. Von einer inneren Organisation hat der erwähnte Autor nichts gesehen. Es ist in der Tat auch recht schwer, am freien Embryo davon etwas zu beobachten, was, wie ich vermute, mit einer besonderen Haut- beschaffenheit zusammenhängt. Viel günstiger gestalten sich diese Verhältnisse unmittelbar vor dem Ausschlüpfen. Von der vorderen Körperspitze zieht sich ein feiner Kanal in einen relativ weiten Hohl- raum. Es kann sich in diesem Gebilde nur um einen Darm handeln, der also beim Embryo unpaar ist (Taf. XII, Fig. 28 und Taf. XI, Fig. 5). Vom hinteren Pol führen zwei Linien in den Körper hinein, indem sie sich vorn mehr der Oberfläche nähern und auseinander treten, während sie hinten sich vereinigen. Ich kann noch nicht entscheiden, ob es sich um ein Excretionssystem handelt. Wichtig ist es nun zu konstatieren, daß der Embryo schon im mütterlichen Organismus, d. h. im Uterussack, die Anlage zu den zwei Individuen, die jeweilen in einer Cyste vorkommen, trägt. Auf den Prozeß der Bildung der zwei Individuen kann ich vorläufig nicht nälier eingehen. Nur so viel konnte ich feststellen, daß sich namentlich im hinteren Teil des Embryo mehrere größere Ballen befinden. NachJ den bisher sicher festgestellten entsprechenden Verhältnissen beij Distomum hepaticum u. a. m. kann es sich nur um Keimballen handeln. Ihre Zahl reduziert sich im Laufe der Entwicklung auf zwei, die sich« in kurzer Zeit stark vergrößern und schließlich den ganzen hinteren] Körper des Embryo einnehmen (Taf. XI, Fig. 5). Insofern als den Embryo von Collyriclum jaha schoji die folgende Generation bis zu einerJ gewissen Stufe entwickelt in sich trägt, läßt er sich mit demjenigenj CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 523 von Monostomum mutabile vergleichen. Ebenso sclieint mir auch Amphistomum suhdavatum ähnUclie Vci'liültnis.se aufzuweisen. In einiger Beziehung aber dürfte besonders das bekannte Verhalten von Gyrodactijlus zum Vergleich herangezogen werden. Ich habe schon oben angedeutet, daß es mir heute noch nicht möglich ist, genaueren Aufschluß über die Vorgänge bei der Bildung der zwei Individuen im Embryo zu geben. Aus diesem Grunde kann ich auch die Frage, ob der Embryonalkörper auf dieser Stufe einer Sporocyste gleichzustellen ist, nicht entscheiden. Es scheint mir dies allerdings nach den ent- sprechenden Verhältnissen, wie sie Looss bei Anifhistomum suhda- vatum und Leukart bei Distomum hepaticum dargelegt haben, nicht ausgeschlossen zu sein. Die Frage nach den weiteren Schicksalen des Parasiten schien nach den bisherigen Resultaten einfach zu lösen. Man konnte in An- betracht des Urastandes, daß die zwei Individuen einer Cyste schon im Embryo angelegt sind, annehmen, daß die Infektion in die Feder- füllikel sich auf diesem Stadium direkt vollziehe. Mit den Excrementen des Vogels verläßt der Embryo den Darm, indem im Kote der infizierten Kanarienvögel zuerst die leeren Eischalen, dann 2 — 3 Tage später die Embryonen konstatiert werden konnten. Nun aber stellte sich für die Beobachtung der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schwierig- keit ein, indem die Embryonen im feucht gehaltenen Vogelkot nach einigen Tagen regelmäßig zuorunde gingen. Daraus mußte ich schließen, daß der Embryo entweder aus dem frischen Kot direkt übertragen wird oder ein weiteres Stadium vorhanden ist, das nicht auf feuchte Medien berechnet ist. Die erstere Möglichkeit schien mir größer zu sein und bestätigte sich durch einen weiteren Fund. Als ich den Anus und dessen Umgebung eines infizierten Sperlings genauer untersuchte, konnte ich feststellen, daß die Embryonen in großer Zahl sich dort befanden und lebten. Wenn nun solche Vögel brüten, so gelangen sie mit den von den Entwicklungsformen des Parasiten besetzten Körper- teilen direkt in Berührung mit der jmigen eben ausgeschlüpften Brut. Ein Überkriechen der Embryonen auf die letzteren ist also sehr gut möglich. Außerdem gelangt der Kot der alten Vögel öfters in das Nest oder doch in unmittelbare Nähe desselben, so daß die Jungen, die sich auf solchen Unterlagen herumbewegen, leicht infiziert werden. Bei Vögeln, die wie die Sperlinge in einem Jahre mehreremal brüten und deren erste Brut im gleichen Jahr zum Brüten kommt, ist eine Massen- verbreitung des Parasiten möglich. Dieser Umstand bedingt es auch, daß der Parasit bei den Sperlingen weitaus am häufigsten vorkommt. 34* 524 Georg Jegeö, Daß eine Infektion im Nest oder wie oben erwähnt direkt durch den brütenden Vogel vor sich geht, wird auch bestätigt durch die Tat- sache, daß nur junge Vögel mit Cysten behaftet sind. Es hat sich durch meine Untersuchungen erwiesen, daß die Infektion sofort nach dem Ausschlüpfen einsetzt. Wenn die Entwicklvmg des Parasiten so weit vorgeschritten ist, daß die Cysten schon äußerlich sichtbar sind, ist die junge Vogelbrut bald flügge geworden. Es ist außerordentlich schwer, die ersten Infektionsstadien festzustellen, da die Anlagen der Federfollikel zunächst noch mit einer zelligen Masse gefüllt sind. Der Embryo bohrt sich in diese hinein bis auf den Grund des Follikels und ist dann meistens unsichtbar. Soweit wäre also der Infektionsweg für den Parasiten festgestellt. Es entsteht aber während des Winters eine längere Brutpause. Während dieser können die Embryonen unmöglich die ganze Zeit, sei es im Kot oder auf dem Vogel selbst überdauern. Um den Vorgängen dieser Zwischenzeit auf die Bpur zu kommen, stellte ich mir die Aufgabe, zu untersuchen, was mit den Embryonen geschieht, wenn der Vogelkot, in dem sie enthalten sind, eintrocknet. Zu diesem Zwecke nahm ich die Excremente eines infizierten Kanarienvogels und ließ sie einige Tage an der freien Luft liegen. Als ich sie nun untersuchte, konnte ich keine Embryonen mehr konstatieren. Statt dieser aber fand ich kugelige Cysten mit mehr oder weniger stacheliger Oberfläche. Zuerst hielt ich diese Cysten entschieden für pflanzliche Produkte. Das gleiche Ex- perijnent wurde nun noch mehrmals ausgeführt und zugleich dafür - gesorgt, daß der Kot die fraglichen Gebilde nicht etwa aus der Luft aufnehmen konnte. Es bestätigte sich jedesmal die Anwesenheit der Cysten, so daß es als sicher bezeichnet werden kann, daß sie mit der Entwicklung von Collyridum faha im Zusammenhang stehen. Eine genauere Betrachtung der Cyste ergab dann auch in schwachen Um- rissen die Anwesenheit des embryonalen Körpers im Innern. Die Cyste selbst ist auf ihrer Oberfläche aus polygonalen Teilen zusammen- gesetzt. Die Ecken, in denen die einzelnen Felder zusammenstoßen, sind in kleinere oder größere Spitzen verlängert, die über die Ober- fläche emporragen und der Cyste ein stacheliges Aussehen verleihen. Der Durchmesser beträgt 0,02—0,03 mm (Taf. XII, Fig. 32). Ich hatte die genau gleichen Gebilde schon mehrmals bei der Untersuchung des Nestinhaltes gesehen. Später, als ich die Haut von noch nicht flüggen Sperlingen untersuchte, fand ich die Cysten wieder und zwar an der Haut und in deren Rissen haftend. Ich vgr- suchte sie durch Feuchthalten zur Entwicklung zu bringen, was mir Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 525 leider nicht gelang. Dagegen konnte ich auf ganz jungen Sperlingen Cysten sehen, die der Länge nach geöffnet waren, und aus denen der embryonale Körper herauskroch. Ebenso gelang es nlir, in noch nicht zu stark eingetrocknetem Kot infizierter Vögel die Bildung der Cyste zu beobachten. Dabei tritt letztere zuerst am Hinterkörper auf, so daß der vordere schlankere Teil des Embryo noch frei aus der hinten gebildeten Hülle herausragt. Indem sich dieser noch freie Teil zurück- zieht, kann die Hülle dann vollständig geschlossen werden. Inwie- weit bei diesem Vorgang im Innern des embryonalen Körpers eine Veränderung vor sich geht, muß ich noch dahingestellt sein lassen. Für die Verbreitung des Parasiten spielt das Dauerstadium in Form einer Cyste sicher eine wichtige Rolle. Es ist ja von vornherein klar, daß ein großer Teil der mit den Excrementen nach außen ab- gegebenen Embryonen eine Infektionsgelegenheit nicht sofort findet, indem der Kot im Nest eintrocknet. Dasselbe geschieht, wenn die Excremente auf die Erde abgegeben werden. Es ist daher wohl mög- lich, daß im »Staub, der durch den Wind aufgewirbelt wird, die Cysten verbreitet werden und öfters auch die Infektion von andern Vögeln herbeiführen können. Eine solche zufällige Infektion von Singvögeln erklärt auch das sporadische Auftreten an allen Wirten mit Ausnahme vom Sperling. Die Einwanderung des Parasiten vollzieht sich wie schon angedeutet durch aktives Einbohren oder, sofern der Follikel schon eine Höhlung besitzt, durch Kriechbewegungen. Ganz auf dem Grunde des Follikels gelangt der embryonale Organismus zur Entwicklrmg. Es ist mir bis anhin noch nicht gelungen, den genaueren Vorgang festzustellen, wie die beiden Individuen frei werden. Hingegen deutet alles darauf hin, daß es durch Sprengung des mütterlichen Organismus geschieht, indem die beiden eingeschlossenen Individuen sich stark vergrößern. Ihre Form bleibt noch längere Zeit eine längliche, wie es in der Zeichnung der Jugendform zum Ausdruck kommt. In bezug auf die Herausbildung der einzelnen Organe der zwei in der Cyste eingeschlossenen Würmer konnte an Quetschpräparaten folgendes festgestellt werden: Die Haut erscheint doppelt konturiert und läßt die Anlagen der späteren Stachelgruppen deutlich erkennen. Das Innere des Körpers besteht noch aus einer zelligen Grundmasse, in welcher sich an verschiedenen Stellen die Umrisse von feinen Kanälen herausbilden. Das ist namentlich in der Mitte des Körpers der Fall. Es handelt sich in diesen Anlagen um den Uterus. Ich kann also fest- stellen, daß die Entwicklung der inneren Uterusteile derjenigen der 526 Georg Jegen, mehr caiidalwärts gelegenen vorausgeht. Die beiden Darmschenkel werden in Form von zwei schwachen Linien, die sich parallel den Seiten- rändern nach rückwärts ziehen, sichtbar. Vom terminalen Hinterende führen die beiden Excretionsgefäße nach vorn auseinander tretend in den Körper hinein. Während die meisten Organe des Parasiten auf dieser Stufe nur in der ersten Anlage erscheinen, ist der Mundsaugnapf vollständig entwickelt. Zusammenfassend ergibt sich: Die Eier von C ollyriclum faba werden durch den Wirt mit dem Parasiten aufgepickt und gelangen in den Vogel- darm^ wo die Embryonen ausschlüpfen. Mit den Excre- menten werden letztere ins Freie befördert, wo sie, sofern die Möglichkeit zur Infektion vorhanden ist, direkt in die Federfollikel der jungen Vögel einwandern. Im andern Fall bilden sich Dauercysten, die nach längerer Entwick- lungsruhe sich auflösen und den eingeschlossenen Orga- nismus frei lassen, so daß er ebenfalls in die Federfollikel einwandern kann. VI. Biologie. A. Biologisches über Collyriclum faba. Über das Leben von Collyriclum faba finden sich in der Literatur wenige Angaben. Das mag hauptsächlich darin begründet sein, weil die meisten Autoren, die sich mit dem Parasiten beschäftigten, aus- schließlich konserviertes Material zur Verfügung hatten. Die wenigen Beobachtungen an lebenden Tieren sind von Miescher gemacht wor- den, wurden aber öfters irrtümlich gedeutet. Die Cysten befinden sich größtenteils ringo um den After des Wirtes, sowie zu beiden Seiten der Bürzeldrüse. Dabei kommt es vor, daß sie gruppenweise vereinigt sind, öfters treten einzelne Cysten auch an den Oberschenkeln auf, und in seltenen Fällen konnte ich solche sogar auf dem Brustbein finden. Diese allgemeine Lage der Cysten ist leicht zu erklären, sobald man die Entwicklung des Para- siten kennt. Die Zahl der an einem Individuum vorhandenen Cysten ist nicht konstant. Ich habe Vögel gefunden, die mit einer einzigen behaftet waren", dann aber auch solche, die 12 — 16 Stück trugen. Miescher gibt S. 6 an, daß ein Zeisig sogar 21 Cysten besaß. Auch die von L. J. Cole abgebildeten Sperlinge tragen eine große Zahl von Cysten, die in Gruppen zusammenstehen. Im Zusammenhang 'mit der Collyriclum faba (Breriiser) Kossack usw. 527 Anzahl dei' auf dem Individuuin vorhandenen (Cysten steht offenbar die A¥irkiing, die der Parasit imstande ist auf das Flugvermögen der Träger auszuüben. Sperlinge, die viele Cysten tragen, sind im Fliegen ganz bedeutend behindert. Man trifft daher oft infizierte Tiere in Ge- büschen in unittelbarer Nähe der Nester. Die Öffnung befindet sich auf der höchsten Erhebung der Cyste und ist schon mit unbewaffnetem Auge zu erkennen. Da es sicher ist, daß sie nicht etwa durch den Parasiten selbst verursacht wurde, sondern einfach den Eingang des früheren Federfollikels darstellt, darf immerhin angenommen werden, daß sie für den Parasiten doch irgend eine bio- logische Bedeutung besitzt. Schon Miescher machte die Beobachtung, daß der Porus öfters verschlossen ist. Der Autor erkennt in diesem Verschluß die vertrocknete Flüssigkeit der Cystenhöhle. Er versuchte solche Cysten in lauwarmes Wasser zu legen, um festzustellen, welcher Natur das Verschlußmaterial sei. Nach einiger Zeit beobachtete er, daß die Öffnung frei wurde, und durch den engen Kanal drängte sich das zugespitzte Hinterende des einen Parasiten hervor. Ferner kon- statierte er am frischen Material häufig die Anwesenheit dieses Para- sitenteiles in der Öffnung. Daraus schließt er, daß die Cystenöffnung dazu diene, die im Parasitenkörper entstandenen Excretionsprodukte nach außen abzugeben. Mieschers Beobachtungen kann ich bestätigen, nur muß ich beifügen, daß dieses Verhalten im allgemeinen sich auf dem Verbreitungsstadium zeigt. Der Erklärung Mieschers aber kann ich, nachdem mir auch das Verhalten auf den übrigen Entwicklungs- stufen bekannt wurde, nicht ganz zustimmen. Auf dem Geschlechts- stadium konnte ich ein Hervorstrecken des Hinterendes des Parasiten durch die Cystenöffnung nicht beobachten. Der Verschluß wird erst gelöst, wenn die Bewohner der Cyste die Geschlechtstätigkeit beendet haben. Mit diesem Moment beginnt die Cyste eine ganz andre äußere Beschaffenheit anzunehmen. Die Flüssigkeit fließt größtenteils ab, und die Oberfläche wird runzelig. Wenn man weiter in Betracht zieht, daß in diesem Zeitpunkt die Cyste durch den Schnabel des Wirtes auf- gerissen wird, und die Parasiten samt den Eiern in seinen Darm be- fördert werden, so ist nicht mehr daran zu zweifeln, daß die ganze Verschlußeinrichtung einzig der Verbreitung der Art dient. Der Um- stand, daß im normalen Zustand die Cystenflüssigkeit absolut keine Eier enthält, spricht entschieden für diese Auffassung. Sämtliche Autoren melden übereinstimmend, daß im allgemeinen in jeder Cyste zwei Parasiten vorkommen. Willemoe s-Suhn und Kossack fanden in Ausnahmefällen auch nur ein Individuum. Eaillet 528 Georg Jegen, konstatiert einmal die Anwesenheit von drei Würmern. Ich habe, wie schon erwähnt, eine größere Zahl von Cysten untersucht und konnte konstatieren, daß jede ursprünglich zwei Parasiten enthielt. Die we- nigen Fälle, in denen nur ein Individuum vorhanden war, finden ihre Erklärung in der besonderen Art der Übertragung der Eier (siehe S. 520 u. 521). Wie es sich aber mit dem von Raillet gemeldeten Fall verhält, läßt sich nicht entscheiden. Vielleicht dürfte es sich um eine Abnor- mität handeln, insofern statt der gewöhnlich in der Zweizahl im Em- bryo gebildeten Individuen deren drei angelegt wurden. Hinsichtlich der gegenseitigen Lage von zwei Partnern wurde an andrer Stelle das Hauptsächlichste mitgeteilt. Alle früheren Autoren finden eine einzige bestinnnte Lage. Daraus geht unzweideutig hervor, daß sie nur das Verbreitungsstadium vor sich hatten, indem im früheren Alter der Parasit eine beliebige Lage einnehmen kann. Damit im Zu- sammenhang steht die Frage nach der Bewegmigsfähigkeit der Cysten- be wohner. Wir haben in bezug auf diesen letzten Punkt die Altersstadien auseinander zu halten. Das Jugend- sowie das Geschlechtsstadium zeichnet sich durch eine relativ große Beweglichkeit aus. Ich habe solche Individuen in einer Glasschale in lauwarmem Wasser beobachtet. Es zeigte sich, daß sie eine Strecke von 5 — 8 cm in wenigen Minuten zurückzulegen vermochten. Die Art der Bewegung ist eine äußerst interessante. Sie äußert sich einerseits amöbenhaft. Der Körper fUeßt beinahe, indem er sich abwechslungsweise in die Breite und Länge ausdehnt und zusammenzieht. Es liegt auf der Hand, daß dabei die Muskeln tätig sind und zwar dürften die Hautmuskeln weniger als die Parenchymmuskeln mitwrken. Anderseits aber beteiligt sich nament- lich das verjüngte Hinterende an der Bewegung. Es wird dabei aus dem vorgestülpten Zustand zurückgezogen. Gleichzeitig verbreitet es sich an der terminalen Spitze und preßt sich gegen die Unterlage. Der mittlere Teil, der auf diese Weise festgelegten Fläche, zieht sich zu- rück, so daß ein Hohlraum entsteht, der, weil als luftverdünnter Raum funktionierend, die Ränder an der Unterlage kleben macht. Wie man sieht, wirkt dieser Teil des Parasitenkörpers vollständig wie ein Saug- organ. In diesem eingestülpten Zustand beginnt sich das Hinterende zu verlängern, wodurch der Körper des Parasiten vorwärts geschoben wird. Wenn die Geschlechtstätigkeit beendet ist, stellen die zwei In- dividuen ihie Bewejj-unffen ein. Sie legen sich mit ihren Bauchseiten aneijiander. Zugleich beginnt der Rand, der durch den Zusammentritt CoUyricliim faba (Bremser) Kossack usw. 529 von Rücken- und Bauchf lache gebildet wird, sich nach einwärts zu krümmen. Die Saugnäpfe gelangen auf diese Weise auf die Ventral- seiten und legen sich eng an die Randflächen des Partners. Sie dienen in dieser Lage als Befestigungsorgan. Eine Nahrungsaufnahme ist dabei ausgeschlossen. Die ventrale Seite der beiden Individuen wird erst jetzt ausgehöhlt, so daß zwischen den beiden Individuen ein kleiner Hohlraum entsteht. Es kann in seltenen Fällen vorkommen, daß der kolbenförmige Cirrus des einen Individuums an die weibliche Ge- schlechtsöffnung des andern stößt. Im allgemeinen aber findet man keine solchen Beziehungen zwischen den männlichen und weiblichen Genitalien. Miescher beschreibt S. 15 und 16 den bewegungslosen Zustand der Parasiten. Er hat die allmähliche Aushöhlung der ventralen Seite, sowie die Einkrümnumg des Randes beobachtet. Die Erscheinung führt er zurück auf den Aufenthalt im eng begrenzten Raum, in dem es den Parasiten unmöglich gemacht wird, Bewegungen auszuführen. Jede Bewegung ist aber auf dieser Entwicklungsstufe nicht verschwun- den, was schon dem erwähnten Autor auffiel. Äußerlich vollständig regungslos, bietet der Parasit in seinem Innern noch ein Bild sehr in- tensiver Bewegung. Hauptsächlich ist es der Uterus, der in allen seinen AVindungen Leben zeigt. Er wird hin und her geschoben. Dann ver- engt und verbreitert er sich wieder an bestimmten Stellen zu för]u- lichen Wülsten. Die im Uterus enthaltenen Eier werden durch die Bewegungen dem Endsack zugeschoben. Die dem Schalendrüsen- komplex nächstliegenden Uterusteile sind am frühesten leer, und der Eireichtum des Uterus nimmt sukzessive nach außen zu ab. Allmäh- lich aber, nachdem die Eier größtenteils sich im Uterussack befinden, beginnen auch die Bewegungen im Innern abzunehmen, und der Parasit ist bereit, zum Zwecke der Verbreitung der Art, sein Leben aufzugeben. In diesem Zeitpunkt beginnt er, wie Miescher schon feststellt, sein Hinterende in die Cystenöffnung vorzustrecken, was ein Zerreißen des Verschlusses bewirkt, wodurch die Flüssigkeit frei wird und die Cyste sich derart verändert, daß der Vogelschnabel imstande ist, sie zu zer- reißen. Die Nahrungsaufnahme des Parasiten vollzieht sich, wie weiter oben bemerkt, nicht auf jeder Altersstufe. Sobald die beiden Individuen ihre gegenseitige konstante Lage eingenommen haben, wird der Saug- napf zum Festhalten verwendet, und es erscheint ausgeschlossen, daß in dieser Stellung eine Nahrungszufuhr durch denselben vor sich gehen kann. Zudem läßt sich deutlich verfolgen, wie der Darminhalt mit zunehmendem Alter immer spärlicher wird. Zur Zeit der freien Beweg- 530 Georg Jegen, lichkeit sind die beiden Schenkel noch prall mit einer hellgelben Masse gefüllt. Eine Untersuchung dieses Inhaltes hat ergeben, daß es sich wahrscheinlich um die Bestandteile der ursprünglich im Federfolhkel vorhandenen Federseele handelt. Demnach würde also der Parasit nur in frühen Stadien Nahrung zu sich nehmen, um dann später von den im Darm angehäuften Stoffen zu zehren. Eine solche Annahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, daß der Parasit selbst von jeder Nahrungszufuhr durch die Cyste vollkommen abge- schnitten ist. Interessant ist die Beobachtung, daß intensives Licht auf den Körper von Collyriclmn faba einen Reiz ausübt, der sich in ruckweisen Bewegunsen kundgibt. Es muß vorläufig dahingestellt bleiben, auf Avelche Weise solche Reize übermittelt werden. Auch für Temperatur- unterschiede sind die Parasiten sehr empfindlich. Bei weniger als 20° C. Wassertemperatur beginnen die Bewegungen zu erlahmen, und es genügen von da an geringe Abkühlungen, um die Würmer zu töten. Am lebhaftesten bewegen sie sich bei 30 — 38'" C. Bei weiterer Tem- peratursteigerung über 40" wird der Parasit ebenfalls getötet. B. Über die Verbreitung des Parasiten unter den Vögeln. MiESCHEK, der im ganzen bis dahin das zahlreichste Material fand, beschränkte sich, wie aus seiner Arbeit hervorgeht, bei seinen Untersuchungen auf die Sperlinge, und es ist anzunehmen, daß er an- dern Singvögeln diesbezüglich weniger Aufmerksamkeit schenkte. Das Bekanntwerden aller andern Wirte muß ohne Zweifel, wie aus ver- schiedenen Angaben der betreffenden Autoren hervorgeht, dem Zufall zugeschrieben werden. Da aber die Zahl der AVirte für den Parasiten eine erhebliche ist, so darf von vornherein auf seine weite Verbreitung geschlossen werden. Das Material für meine Arbeit glaubte ich anfänglich ausschheß- lich von Sperlingen gewinnen zu können, trotzdem ich mir nicht ver- hehlte, daß es sich lohnen würde, auch bei andern Singvögeln zu suchen. Im Laufe der Zeit der Materialbeschaffung erhielt ich nun auch solche Vögel zur Untersuchung. Wenn dieses mehr zufällig erhaltene Material nicht sehr umfangreich war, so rechtfertigte sich die Mühe der Unter- suchungen trotzdem; denn ich konnte auf diese Weise nicht weniger als drei neue Wirte feststellen. Das sind: L Fringilla coelehs. 2. Ruticilh flioenicura. • 3. Muscicapa grisola. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 531 Zum Zwecke nachfolgender Erwägungen halte ich es für ange- bracht, die Wirte in systematischer Eeihenfolge zusammenzustellen. Ich benutzte dabei das Werk von Naumann (Naturgeschichte der Vögel). Familie Turdidae SylA^iinae Paridae Sturmidae Corvidac M u s c i c a p i d a e Motacillidae Fringillidae Gattung und Spezies Ruticilla phoenicura Saxicola oenanthe Ph yllosco'pus trochilus Phylloscopus sibilator Silvia simplex Parus major Sturmus vulgaris Garruins glandarius Cyanocetha. cristata Muscicapa grisola Motacilla boarula Emheriza cirlus Fringilla coelebs Fringilla spinus Passer domesticus Serinus canarius. Wie aus der Tabelle hervorgeht, finden sich die Wirte ausschüeß- lich bei den Singvögeln, Passeres. Da erfahrungsgemäß die Entwick- lung eines Parasiten immer irgendwie mit den Lebensgewohnheiten der Wirte zusammenhängt, so ist es nicht ohne Wert, die hier angeführten Vögel auf ihre Biologie hin genauer zu betsachten. Vor allem sind die Nahruno- und die Nestoewohnheiten der Parasitenträger wichtig;. Ich folge bei dieser Veroleichiinu' den bioloo-ischen Angaben von Nau- MANN. Auf die ausführliche Darstellung der Biologie der einzelnen Wirte kann an dieser Stelle verzichtet werden. Es genügt in den fol- genden Zeilen die allgemeinen Resultate zusammenzufassen. 1. Nahrung: Die Wirte des Parasiten lassen sich in bezug auf die Nahrung in zwei Gruppen trennen. a) Solche mit fast oder ganz ausschließlicher Insektennahrung. b) Solche mit fast oder ganz ausschließlicher Körnernahrung. Zur Gruppe a gehören: Ruticilla phoenicura und Saxicola oenanthe. Diese beiden Vertreter ernähren sich ausschließlich A^on Insekten. Fast ausschließliche Insektennahrung haben: Phylloscopus trochilus, Phyl- loscopus sibilator, Silvia simplex, Sturmus vulr/., Muscicapa (jrisola, Motacilla hoarula. 532 Georg Jegen, Zur Gruppe b gehören: Parus major, Garrulm yJmid., Cyanocetha crlstafa, Emberiza cirlus, Fnmjilla coelebs, Frimjilla spinus, Serinus canarius und Passer domesticus. Es ist klar, daß sich keine vollständig getrennten Gruppen auf- stellen lassen; denn die Nahrung der einzelnen Vögel wechselt etwas mit der Jahreszeit. Hingegen ist meiner Ansicht nach eine Grup- pierung nach der Hauptnahrung möglich, und auf diese wird es in erster Linie ankommen, wenn irgendwelche Schlüsse auf die Übertragungs- weise eines Parasiten gezogen werden sollen. Die Körnernahrung kommt als Übertragungsmittel eines Parasiten nicht in Betracht, oder doch nur in untergeordnetem Maße. Demnach müßte sich die Tatsache herausstellen, daß die Infektionsmöglichkeit bei den insektenfressenden Wirten die größere wäre. Dem aber stellt nun die Erfahrung Ergebnisse gegenüber, die gerade das Gegenteil beweisen. Der Parasit ist nach meiner Erfahrung, und soweit die Literatur darüber Aufschluß gibt, am verbreitetsten bei Passer domesticus, also bei einem Vogel, der sich größtenteils von Körnern ernährt. 2. Nestgewohnheiten. In bezug auf die Übertragung des Para- siten glaubte man bis jetzt in den Nestinsekten Zwischenwirte suchen zu müssen. So, sind es nach Willemoes-Suhn namentHch die Mallo- phagen, die besonders in Betracht fielen. Diese Vermutung aber ließ sich in keiner Weise bestätigen. Doch sind die Nestgewohnheiten der AVirte von Collyridum faha in andrer Richtung mit der Infektions- geschichte in Beziehung zu bringen. Zunächst läßt sich der ganzen Zusammenstellung entnehmen, daß wir es mit Vögeln zu tun haben, deren Brut relativ lange im Nest ver- weilt und gefüttert wird. Das ist wichtig, weil dadurch eine Infektion aus dem Neste oder direkt von den Eltern leichter möglich ist. Ferner sind alle Wirte von Collyridum jaha sehr eifrige Brüter, Größtenteils besorgt das Weibchen das Brüten allein, währenddessen das Männchen die Nahrung besorgt. Dadurch, daß der Vogel das Nest nie oder nur selten verläßt, gelangt der Kot in oder in allernächste Nähe des Nestes, was für eine Infektion ebenfalls von Belang sein kann. Schließlich ist es sehr wesenthch, daß alle Wirte mit Vorliebe die alten Nester immer wieder benutzen, was namentlich für die Sper- linge zutrifft. Zusammenfassend ergibt sich aus den obigen Eiörterungen, daß die Infektion eher im Neste vor sich geht, als durch die Nahrung. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 533 C. Lokale Verbreitung und Beeinflussung durch die Witterung. Das Verbreitungsgebiet von Collyriclum faba ist ein recht großes. In Europa wurde der Parasit in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz gefunden. Aus Amerika wird er aus dem Staate Wisconsin gemeldet. Ebenso soll er längs der atlantischen Küste gefunden worden sein. Es ist wohl anzunehmen, daß Collyriclum faha auch in andern Ländern auf gewissen Singvögeln vorkommt. Während der Parasit also einerseits weit verbreitet ist, so scheinen in der Häufig- keit des Auftretens ganz besondere Verhältnisse vorzuliegen. In Europa wurde er bis jetzt nur von Miescher in Basel in größerer An- zahl angetroffen. L. J. Cole berichtet von einem massenhaften Auf- treten des Parasiten im Staate Wisconsin. Diese Epidemie an jungen Sperlingen wurde im Frühjahr 1910 in der Umgebung eines Geflügel- hofes beobachtet. Der Autor hebt als auffällig hervor, daß der Parasit erst lange Zeit nach den ersten europäischen Funden in Amerika kon- statiert wurde. Außer den obengenannten zwei Verbreitmigszentren wurde der Parasit nur vereinzelt gefunden. Man könnte sich diese Tatsache vielleicht erklären durch die Schwieligkeiten bei der Material- beschaffung. Wenn man aber aus der Arbeit von Willemoes-Suhn erfährt, daß er in München während 3 Jahren sich ohne Erfolg be- mühte, infizierte Vögel zu erhalten, so könnte man geneigt sein, anzu- nehmen, daß Collyriclum faha in seinem Vorkommen an gewisse Orte gebunden ist. Interessant dürfte also die Frage nach den Gründen des so differenten Auftretens des Parasiten in bezug auf die Individuen- zahl sein. Nebst der von L. J. Cole gemeldeten, durch den Parasiten verur- sachten Sperlingsepidemie erwähnt derselbe Autor in seiner Arbeit einen zweiten ähnlichen Fall. Danach berichtet Prof. AVakd in einer Zeitungs- notiz aus dem Osten (gemeint sind jedenfalls die östlichen Staaten Amerikas) von einer Epidemie unter den Sperlingen. Über die Einzel- heiten der Krankheit wurden von Prof. J. G. Halpin of the Poultry Departement Aufzeichnungen gemacht. Vom 15. Juni bis 24. Juli wurden 64 Sperlinge untersucht. Von diesen waren 20 Stück oder mehr als 31% mit dem Parasiten behaftet. Dabei waren bis auf 11 Stück alle so alt, daß sie fliegen konnten. Von den elf noch nicht flüggen Sperlingen waren vier infiziert, also mehr als 36%. Es wird ausdrück- lich hervorgehoben, daß alle untersuchten Tiere der diesjährigen Brut entstammten und ebenso, daß in keinem einzigen Fall der Parasit auf älteren Vöjieln konstatiert werden konnte. Die der Arbeit beiö-efü^te 534 Georg Jegen, Tabelle zeigt weiter, daß alle nach dem 14. Juli untersucliten Vögel von einer Infektion frei waren, obgleich junge Sperlinge noch im August auf dem Geflügelhof anwesend waren. Die sonderbare Ei'sclieinung wird in Zusammenhang gebracht mit den zu jener Zeit eingetretenen Witterungsverhältnissen. Im allgemeinen herrschte von der zweiten Juniwoche bis in die Mitte August trockenes Wetter. Regen trat ein vom 15. Mai bis 23. Mai, ebenso vom 2. — 6. Juni und am 18., 2G. und 27. Juni. Im Juli wurden Regenfälle gemeldet am IL, 12., 14., 17. und 24. Der Verfasser konstatiert, daß mit dem Aufhören der Funde eine allgemeine Trockenperiode eintrat. Daraus folgert er, daß der Übertritt des Parasiten auf seinen Endwirt in gewisser Hinsicht ab- hängig ist von Feuchtigkeit, und daß Trockenheit eine Lücke im Lebenszyklus des Parasiten eintreten läßt. Die Zusammenfassung aller der hier gemachten Beobachtungen lautet: 1. Nur junge Sperlinge werden vom Parasiten befallen. 2. Noch nicht flügge gewordene Vögel werden ebenfalls infiziert. 3. Infizierte Sperlinge wurden nur während und nach feuchtem Wetter gefunden. 4. Durch den Parasiten wird der Wirt im Fliegen gehindert, im allgemeinen aber nicht am Leben gefährdet. Diese hier rekapitulierten zusammenfassenden Sätze aus der be- treffenden Arbeit sind von besonderem Interesse, weil sie zum ersten- mal ausgesprochen werden und für einen Vergleich mit meinen Be- funden sehr wertvoll sind. Da ich von vornherein an die Möglichkeit eines Zusammenhanges der Infektion mit der Witterung dachte, so war es mir daran gelegen, in dieser Beziehung genauere Daten und Beobachtungen zu sammeln. Zunächst nmß festgestellt werden, daß in meinem Untersuchungs- material nach dem Vorkonmien zwei Gruppen vertreten sind: 1, Tiere aus der Stadt. 2. Tiere vom freien Lande. In bezug auf das Alter der Vögel sind ebenso zwei Hauptgruppen zu bilden : 1. Alte Vögel d. h. solche, die der letztjährigen oder einer früheren Brut entstammen. 2. Junge Vögel d. h. solche, die sich aus den diesjährigen Brüten rekrutieren. Die letzte Gruppe muß wieder in zwei Abteilungen getrennt werden: a) Junge, die ausgeflogen sind. b) Junge, die noch nicht flügge sind. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 535 Die letztere Einteilung bezieht sich nur auf das Material aus der Stadt. Vorkommen Anzahl Anzahl der Infi- zierten Anzahl der JVicht- Infizierten Vom Lande Aus der Stadt 480 240 0 83 480 157 Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurde der Parasit außerhalb der Stadt in keinem Fall beobachtet. Auf dem Lande wurden die Sper- linge vielfach auf Getreidefeldern geschossen ; ebenso erhielt ich Material aus der Umgebung von Gehöften. Von den in der Stadt erbeuteten Sperlingen waren von rund 240 Stück 83 infiziert, also fast 35%. Alter Anzahl Anzalü der Infi- zierten ^ Anzahl der Nicht- Infizierten Ein- bis mehrjährig Weniger als einjährig 560 160 0 83 560 77 Von den mehrjährigen Vögeln war also kein einziger infiziert, wiewohl ununterbrochen im ganzen Sommer solche untersucht wurden. Dagegen zeigt die Tabelle, daß unter den den diesjährigen Brüten ent- stammenden Vögeln rund 52% mit dem Parasiten behaftet waren. Es muß noch bemerkt werden, daß zwischen den einzelnen Stadt- quartieren ein großer Unterschied in der Häufigkeit der Infektion besteht; indem einzelne Ortlichkeiten fast vollkommen frei sind, wäh- rend andre wieder einen hohen Prozentsatz infizierter Tiere lieferten. Im allgemeinen konnte ich feststellen, daß in den neueren Stadtteilen, wo sich weniger Nestgelegenheiten bieten, der Parasit weniger vor- kommt. Am häufigsten fand ich ihn in Höfen, deren Wände mit Efeu überwachsen waren. Hier besaßen die Sperlinge zahllose Nester und zwar hauptsächlich solche, deren Aussehen darauf schUeßen ließ, daß sie schon jahrelang benutzt wurden. So konnte ich einen derart be- schaffenen Ort ausfindig machen, wo 75 — 80% der jungen Sperlinge mit dem Parasiten behaftet waren. Alter Anzahl Anzahl der In- Anzahl der Nicht- fektionen Infizierten Infektion in % Flügge Nicht flügge etwa 100 etwa 60 57 26 43 34 57 43 Was nun das Verhältnis der Anzalil der Infektionsfälle bei flüggen und noch nicht flüggen Sperlingen betrifft, so geht aus der Zusammen- 536 Georg Jegen, Stellung hervor, daß sie bei der ersten Grruppe zahlreicher ist. Man kann sich hier wirklich fragen, worin ein solcher Unterschied begründet ist. Wenn man bedenkt, daß die Infektion durch Vermittlung des Nestkotes entsteht, so ist eine derartige Differenz nicht wahrschein- lich. Der Fehler, der in dieser Zusammenstellung liegt, ist'in der Schwie- rigkeit der Untersuchungen der noch nicht flüggen Vögel zu suchen. Die Infektionsstadien sind erstens klein und zweitens von der gleichen Färbung wie die Haut des Wirtes, so daß es oft recht mühsam ist, eine Infektion konstatieren zu können. Daher mag wohl das kleine Minus an Infektionsfällen bei der zweiten Gruppe rühren. Obige Zusammenstellimgen zeigen also mit aller DeutUchkeit, daß eine Infektion ausschließlich bei jungen d. h. solchen Individuen auf- tritt, die einer diesjährigen Sperlingsbrut entstammen. Das ist ein Resultat, welches mit demjenigen von L. J. Cole aus Wisconsin voll- ständig übereinstimmt. Es bleibt mir noch übrig, die Einwirkung des Wetters auf die In- fektionshäufigkeit zu besprechen. Die zur Verwendung gelangenden meteorologischen Daten entstammen der meteorologischen Station in Basel. Die Zusammenstellung beginnt erst mit dem Moment, wo die erste Sperhngsbrut erscheint. Die Zeit vom 8. — 15. Juni ist eine Niederschlagsperiode und zeichnet sich zudem noch aus durch einen hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Vom 12. — 18. dieses Monats erhielt ich vier Stück infizierter Sperünge. Vom 20. Juni bis Ende des Monats fielen die Niederschläge häufig, und auch die relative Luft- feuchtigkeit ist im Mittel eine erhebliche. Wir haben es also mit einei' längeren Niederschlagszeit zu tun. Anfangs Juli konnte ich die In- fektion nun am häufigsten konstatieren. Ich untersuchte im Museuius- hof Sperhngsnester mit noch nicht flügger Brut und ebenfalls schon flügge Individuen. Dabei stellte ich am 3. und 4. Juli eine Infektions- häufigkeit von 70 und mehr Prozent bei jungen Sperlingen fest. Vom 2. — 12. JuH sind die Niederschläge gering. Die Häufigkeit der In- fektionsfunde nimmt vom 6. — 16. Juli bedeutend ab. Erst am 20. bis 25. Juli konnte ich wieder zahlreiche Sperlinge, die mit Parasiten l)ehaftet waren, bekommen, nachdem vom 15. — 18. Juli eine kleinere Niederschlagsperiode eingetreten war. Ebenso ging den Funden von Ende Juli eine Niederschlagszeit voraus. Im August fand ich den Parasiten noch hauptsächlich am 7., 8. und 9. des Monats. Voraus ging diesen Tagen vom 1. — 6. eine Zeit, in der alle Tage eine gewisse Regenmenge fiel. Von da ab werden die Funde infizierter Sperlinge seltener und hören anfangs September vollständig auf. Der Zeitpunkt CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 537 fällt zusammen mit der Zeit, wo die letzte Sperlingsbrut so weit her- "kngewachsen ist, daß sie die nähere Umgebung des Nestes verläßt. Junge Infektionsstadien waren keine mehr zu finden. In wenigen Fällen erhielt ich noch Sperlinge mit reifen Cysten; dann auch solche, bei denen nur mehr die Spuren der weggepickten Cysten vorhanden waren. Im letzteren Fall ließen sich im Darm des Trägers meistens Eier und Embryonen feststellen. Ich kann die obigen Ausführungen in folgende Sätze zusammen- fassen : 1. Die Anzahl der Infektionsfälle ist nach einer ausgie- bigen Regenzeit die größte. 2. Eine längere Trockenperiode bedingt eine Abnahme der Infektionshäufigkeit. 3. Die Infektionsmöglichkeit hört auf, sobald keine weitere Sperlingsbrut mehr folgt. Meine Untersuchungen in bezug auf den Einfluß der Witterung bilden in ihren Eesultaten eine vollständige Übereinstimmmig zu den von L. J. CoLE gemachten Mitteilungen. Die Ergebnisse sind inter- essant, wenn man die Entwicklungsgeschichte des Parasiten damit in Zusammenhang zu bringen sucht. Der embryonenhaltige Kot wird bei trockener Witterung sicher sehr schnell jede Feuchtigkeit verlieren, so daß die Embryonen gezwungen sind, sich zu encystieren. Das gilt ganz besonders für diejenigen, die in das Nest selbst oder dessen Um- gebung abgesetzt werden; denn das sind immer örtlichkeiten, die einigermaßen vor dem Regen geschützt sind. Längere und intensivere Niederschläge aber vermögen auch das Nest und dessen Umgebung zu befeuchten, und zudem tragen die brütenden Vögel mit deren Gefieder bei nassem Wetter sicher nicht wenig Feuchtigkeit ins Nest, so daß eine AVeiterentwicklimg der Dauerstadien ermöglicht wird. TU. Zur systematischeu Stellung: von CoUyriclum faba. Den verwandtschaftlichen Beziehungen von Collynclwn jnha wurde l)is in die neueste Zeit verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zugewendet. Bis zum Jahre 1910 wird der Parasit immer als Monosto- mum beschrieben. Diese Auffassung war insoweit vollkonnnen berech- tigt, als das Fehlen eines zweiten Saugnapfes das Hauptmerkmal der Monostomiden bildete. Seitdem man aber den Schwerpunkt in der systematischen Forschung auf das Auffinden der natürlichen Ver- Zeitsehrift f. wissenscli. Zoologie. CXVTI. Bd. 35 538 Georg Jegen, wandtschaft verlegt, hat sich die Überzeugung gebildet, daß Colly- riclmn faha ein Distomide mit gänzlich rück'gebildetem Bauchsaug- - napf ist. Zuerst hat Bkaun diese Auffassung ausgesprochen. Weniger bestimmt äußert sich Kossack darüber, wenn er auch die Möglichkeit der Distomidennatur anerkennt. In neuester Zeit hat nun Odhner den Parasiten mit andern Trematoden zu einer Familie vereinigt, \md zwar nüt solchen, die wohlausgebildete Bauchsaugnäpfe tragen. Bevor ich zur eigentlichen Behandlung der Frage übergehe, muß ich noch einige Punkte allgemeiner Natur erörtern. Durch die neueren systematischen Bestrebungen ist die Gattung Monostomum teilweise zerrissen worden. Man ist fast allgemein zur Ansicht gelangt, daß ein Auflösen dieser Gattung nach und nach zur Notwendigkeit werde. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, nachdem man Formen mit ganz rudimentärem Bauchsaugnapf aufgefunden hat, die Hauptstütze der früheren Einteilung wegfällt. So schreibt Cohn 1904 S. 229 bei Typhlo- coelum flavum (Mehlis) über einen rudimentären Bauchsaugnapf, der nur mehr auf Schnitten festgestellt werden konnte. Looss findet dieselbe Erscheinung bei Heterophyes- Arten. Er schreibt über seine Untersuchungen: Der Bauchsaugnapf kann bei diesen Formen relativ gut entwickelt sein. Dann aber wird er schwächer und schwächer, um nicht mehr fibrillär differenziert zu sein, und schließlich gelangt er gar nicht mehr zur Ausbildung. Ebenso macht Jägerskiöld bei Scci- 'phenocephalus ähnliche Beobachtungen. Renicola pinguis, das paar- weise vorkommt, besitzt einen Bauchsaugnapf von 0,073 mm Durch- messer. Auch der von Kudolfi beschriebene Parasit Fasciola nana weist einen rudimentären Bauchsaugnapf von 0,069 mm auf. Durch derartige Funde wird die Vermutung von einer Reduktion] des Bauchsaugnapfes zur Gewißheit, und man wird in Zukunft einer Parasiten mit nur einem Mundsaugnapf nicht einfach unter die Monosto- miden einreihen können. Odhner gelangt durch solche Erwägungei geleitet in seiner Arbeit »Zum natürlichen System der Trema- toden« S. 186, zu folgendem Schluß: »Überhaupt glaube ich nun-^ mehr nicht an eine primäre Monostomie unter den Digeneae; alles deutet darauf hin, daß der Bauchsaugnapf der Distomen ein für sämt-< liehe Digenea prosostomata grundlegendes Organ ist, und daß es siel überall, wo es fehlt, um eine Reduktion handelt. « Es ist sicher zu be-^ grüßen, wenn auch bei den Trematoden Wege eingeschlagen werdenij die zur Erkennung der natürlichen Verwandtschaft führen. In diesei Beziehung finden sich in den Arbeiten von Looss lehrreiche Ausfuhr] rungen. Es genügt nicht, wie er S. 547 ... in »Weitere Beitrag« Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 539 zur Kenntnis der Trematodenfauna Ägyptens« sagt, eine Gattung nur auf ein einziges charakteristisches Merkmal zu gründen; vielmehr entspricht es einem natürUchen System, wenn sämthche Organe in Berücksichtigung gezogen werden. Das gleiche verlangt auch MoNTiCELLi. Das alles ist sicher für die Systematik wichtig; daß es aber allein zum Ziele führen wird, ist sehr zu bezweifeln; denn die Formen, die sich in Organisation und Gestalt kaum durch auf- fallende Merkmale unterscheiden lassen, sind eben zahlreich. Wenn man aber in Betracht zieht, daß Formen, die heute als verschiedene Arten aufgefaßt werden müssen, auf eine gemeinsame Stammform sich zurückführen lassen, so liegt darin ohne Zweifel ein Moment, das dieser Unsicherheit abhelfen kann. Dabei ist nicht zu vergessen, daß man, um die phylogenetischen Beziehungen berücksichtigen zu können, namentlich die Jugendformen und die Entwicklungsgeschichte der ein- zelnen Parasiten kennen muß. Da das aber bis heute noch zu einem kleinen Teil erreichbar ist, so sollte das Hauptgewicht der Forschung gerade nach dieser Richtuno verlegt werden. Von besonderer Bedeutmig und in der Literatiu" öfters erörtert ist auch der durch die Konservieruno- hervorgerufene Kontraktions- zustand des Trematodenkörpers. Damit im engsten Zusammenhang stehen auch die Unterschiede in der Lagerung der einzelnen Organe je nach dem Altersstadium. Da beide Fragen hinsichtlich der Syste- matik von Wichtigkeit sind, so lasse ich hier meine sich darauf beziehen- den Erfahrungen folgen. 1. Über die Kontraktionserscheinungen am konservierten Material. Ich nmß zum voraus feststellen, daß eine Behandlung dieser Er- scheinung sehr erschwert wird durch den Umstand, daß beim Ver- gleichsmaterial (konserviertes — frisches) wohl selten genau das gleiche Altersstadium gefunden werden kann, so daß ich hier weniger genaue Maßdifferenzen als Lageverschiebungen im allgemeinen ins Auge fassen möchte. In dieser Beziehung habe ich durch meine Untersuchungen den Eindruck gewonnen, daß einer solchen Veränderung nicht alle Organe in gleich starkem Maße unterworfen sind. Man könnte also unter Berücksichtigung dieses Umstandes die Organe von Collyriclum faha in zwei Gruppen einteilen: 1. Solche, die sich mehr konstant verhalten. 2. Solche, die durch Kontraktion einer gewissen Veränderung unterworfen sind. 35* 540 Georg Jegen, Zur Gruppe 1 gehören: Darm, Mundsaugnapf, Pharynx, Dotter- stöcke, Excretionssystem und Schalendrüse. ' In die zweite Gruppe lassen sich folgende Organe einreihen: Hoden und ihre Leitungswege, Uterussack, Genitalpori, LAURERscher Kanal, Keimstück und Hautbestachelung. Ebenso wird Form und Größe der Individuen stark beeinflußt. Die Hoden unterliegen nach meinen Erfahrungen durch Kon- servieren einer bedeutenden Veränderung in ihrer Lage. Am frischen Material liegen sie seitlich auf der dorsalen Fläche der Darmschenkel, deren Spitzen genähert; in jedem Fall also hinter dem Keimstock und den Dotterstöcken. Am konservierten Material befinden sie sich häufig am Innenrande der Darmschenkel und nach vorn dem Keimstock genähert. Es gibt Fälle, wo sie direkt auf der Höhe des Keimstockes liegen. Was die männlichen Leitungswege betrifft, so ist klar, daß sie durch solche Lageverschiebungen der Hoden auch in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Uterussack verändert sich insofern seiner Form nach, als es öfters vorkommt, daß am konservierten Material die Eier ausgetreten sind. In solchen Fällen zieht sich der Endsack des Uterus sehr unregelmäßig zusammen. Damit im Zusammenhang kann auch die Lage der Genitalpori innerhalb gewisser Grenzen schwanken. Am lebenden Objekt und an frisch konservierten Tieren fand ich sie durch- wegs vor der Körpermitte und median oder ganz schwach seitlich. In Fällen aber, wo der Uterussack seine Gestalt verändert hatte, lagen sie häufig hinter der Mitte und seitUch stark verschoben. Der Laurer- sche Kanal ist beim konservierten Material im allgemeinen kürzer, d. h. die Windungen an der Oberfläche werden zusammengezogen. Der ganze Kanal macht den Eindruck eines gerade nach rückwärts und der Ober- fläche zu verlaufenden Gebildes. Die Haut erscheint öfters gelockert und kann geradezu ein zerrissenes Aussehen annehmen. Leuckart erwähnt S. 10, daß eine solche Erscheinung häufig zu beobachten ^ei. Ich führe die Veränderung aber lediglich auf den Einfluß der Kon- servierungsmittel zurück; da am frischen Material davon nichts zu bemerken ist. Es ist klar, daß eine Veränderung der Haut auch auf die Stacheln wirkt. Die einzelnen Gruppen werden aufgelöst; so daß es manchmal den Anschein erweckt, als sei der Parasit gleichmäßig bestachelt. Nach Form und Größe erleidet der Parasitenkörper durch das Konservieren naturgemäß größere Veränderungen. Häufig ist der Körper stark in die Breite gezogen. Dann kann er oft auch eine ganz unregelmäßige Gestalt annehmen; indem die Kontraktion sich offenbar nicht an jeder Körperstelle in gleicher Weise fühlbar macht. Am Collyricliim faba (Bremser) Kossack usw. 541 meisten werden jene Stellen davon betroffen, die niuskelreich sind, so z. B. die beiden Enden des Körpers. Da nun aber im Innern Muskel- züge als Diagonalfasern quer durch den Körper ziehen, und zudem die Parenchymmuskeln sich der Oberfläche der einzelnen Organe anlegen, so ist eine gewisse Lageverschiebung im Innern und eine Formverände- rung des ganzen Individuums erklärlich. Die Vergleichung von konserviertem und frischem Material scheint mir \\ichtig zu sein, indem man oft bei Diagnosen die genaue Lage der einzelnen Organe heranzieht, wie z. B. die Lage der Hoden, der Genitalpori usw. 2. Abhängigkeit der Topographie der Organe vom Alters - Stadium. Ich habe schon an andrer Stelle dargetan, welchen allgemeinen Unterschied im Gesamtaussehen die beiden Altersstadien bedingen (Geschlechts- und Verbreitungsstadium). Im ersteren erscheint der Körper gedrängt voll von den Genitalien. Die weiblichen Drüsen sind im noch relativ engen Räume voll entwickelt, so daß sie einander angenähert erscheinen. Die Hoden aber befinden sich noch weit rück- wärts fast auf den Darmschenkelspitzen. Der Uterussack ist noch nicht oder nur schwach ausgebildet und bedingt eine mediane Lage der Genitalpori. 80 ist man auch gezwungen bei der genauen Be- schreibung der Gattung das Altersstadium zu berücksichtigen. Es wird wohl das Richtige sein, das Geschlechtsstadium als Typus zu nehmen. Wenn ich nun die* geschilderten Faktoren zur Diagnose für Colly- riclum faba heranziehe, so ergibt sich folgendes: In Cysten zu zweien vorkommende Trematoden. Kör- perform annähernd rund. Dorsale Fläche stark gewölbt, ventrale weniger gewölbt bis flach. Haut mit Stacheln be- setzt, die in Gruppen von vier bis acht Einzelstacheln stehen. Mundsaugnapf endständig. Darmschenkel einfach und zwei Drittel der Breite des Körpers einnehmend. Bauch- saugnapf fehlt. Terminal am Hinterende eine muskelreiche Partie, die bei der Fortbewegung als Saugorgan wirkt. Ge- nitalpori auf einer papillenartigen Erhöhung, median etwas vor der Körpermitte gelegen. Excretionsblase birnförmig und bedeutend über die Mitte hinausreichend. Dotter- stöcke aus zwei seitlich gelegenen Follikelgruppen (7) be- stehend. Hoden dorsal den Darmschenkelspitzen genähert. Keimstock vor den Hoden, im ersten Körperdrittel, aus drei 542 Georg Jegen, lobösen Gruppenbestellend. Sclialendrüse unmittelbar neben und unter dem Keimstock. LAURERsclier Kanal vorhanden. Keceptaculum seminis fehlt. Uterusschlingen hauptsäch- lich im hinteren Körperteil. Eier ohne Filamente, mit scharf abgesetztem Deckel und einer kleinen, seitlichen Spitze am entgegengesetzten Pol, sehr zahlreich. Da wie schon bemerkt das Fehlen eines zweiten Saugnapfes als einziges Merkmal nicht ausreicht, um die systematische Stellung zu sichern, hat man die Entwicklungsgeschichte der Organe des Indivi- duums zu berücksichtigen. Schon Braun und Kossack haben Colly- riclum faha zu den Distomeen gestellt, indem sie zweifellos richtig er- kannten, daß die Organisation des Tieres mehrere Distomeenmerkmale trägt. Ferner erkennt Kossack S. 577 zwischen Distomum gastrophihim und Collyriclum faba eine nähere Verwandtschaft. Schließlich hat Odhner 1914 in »Die Verwandtschaftsbeziehungen der Trematoden- gattung Paragonimus << versucht, eine Familie, die Collyriclum ein- schließt, zu gründen. Vor allem verdient die letztgenannte Arbeit volle Beachtung, weil sie die Verwandtschaftsbeziehungen als Ganzes zu lösen sucht. Die neugegründete Familie nennt Odhner Troglotremidae, wozu er folgende vier Gattungen zählt: 1. Pholeter. 2. Collyriclum. 3. Troglotrema. 4. Paragonimus. Um eine klare Übersicht über die verwandtschaftlichen Beziehungen der drei Gattungen zu Collyriclum zu erhalten, werde ich die entschei- denden Merkmale in einer Tabelle zusammenstellen. Odhner hat ferner in der oben zitierten Arbeit in einem Nachtrag auf die Ähn- lichkeit von Collyriclum. faba mit Renicola ping^iis ((*rep.) aufmerksam gemacht. Dieser Parasit wurde in den Nieren von Podiceps cristatus in cystenähnlichen Auftreibungen zu zweien aufgefunden. Es wurde erst von Cohn ein rudimentärer Bauchsaugnapf aufgefunden. Odhner bezeichnet diesen Parasiten als den nächsten Verwandten von Colly- riclum,. Eine weitere Form, die bei der Bildung eines Verwandtschafts- kreises in Betracht fällt, ist Brandesia turgida (Brandes). Die Gattung Brandesia wurde von Stossich auf Distomum turgidum gegründet. Diese zwei genannten Forjnen stehen zu Colhjriclum in unverkennbarer Verwandtschaft. Ich werde sie deshalb ebenfalls in die Diskussion einbeziehen. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 543 Collyriclum Pamgonimus Gestalt . rund; Hinterende zugespitzt. eiförmig, länglich, Hinter- Rückenfläche gewölbt. ende zugespitzt Bauchfläche flach Haut . . Hautstacheln in Gruppen v. vier bis acht Hautstacheln in Grupj^en Mundsau gnapf .... Terminal am Vorderende Terminal wenig ventral Bauchsaugnapf .... fehlt in oder etwas vor d. Körper- Pharynx Oesophagus. . Darmschenkel Excretionssy stem . . . Genitalpori Copulationsorgan . . . Genitaldrüsen Hoden Keimstock Uterusschlingen . . . Laureb scher Kanal . Recej)taculum seminis Dotterstöcke Eier Wirt . . . . Vorkommen mittelmäßig. 1/2 ^"on M. S. N. kurz sehr weit, bis zum letzten Viertel des Körpers rei- chend birnförmig über die Mitte reichend fast median vor der Körper- mitte schwach S vor, c5 hinter Körper- mitte oval symmetrisch auf den Darmspitzen reich gelappt, seitlich hinter dem Keimstock zahl- reich vorhanden. Mündung: vor- handen, klein fehlt rosettenförmig seitlich und vorn zahlreich, klein, Deckel scharf abgesetzt Singvögel in Cysten zu zweien. Ecto- parasit mittelmäßig kurz mit Erweiterungen und Ein- schnürungen bis an das Hinterende reichend schlauchförmige Blase mit Gefäß Stämmen median in der Körpermitte schwach bis fehlend Q etwas vor, S hinter der Körpermitte gelappt zwischen den Darm- schenkelspitzen gelappt, fast in der Körper- mitte seitlich vom Ovar einen Knäuel bildend vorhanden. Mündung vor- handen schwach über die ganzen seitlichen Körperteile verbreitet zahlreich klein Säugetiere zu zweien in hornartigen Kapseln. Lungen Pholeter Troglotrema Gestalt Haut spindelförmig, Hinterende vorstülpbar; Rückenfläche gewölbt ; Bauchfläche flach Stacheln nicht in Gruppen eiförmig, mit terminaler Spitze, Rücken- u. Bauch- fläche ungleich gewölbt Stacheln sehr dicht, nicht in Gruppen 544 Georg Jegen, Pholeter Troglotrcnia Mundsaiignapi . Baut'lis;iiigna])f . Pharynx .... Oesophagus. . . Darnischeukel . Excretionssystcm. . . Geiiitalpori Copulatioiisorgane . . Genitaldrüsen Hoden Keimstock Uterusschlingen . . . LAURERscher Kanal . Recei)taculuni senüuis Dotterstöcke Eier Wirt VorkomiTocu Gestalt Haut Mundsaugnapf .... Bauchsaugnapf. . . . Subterminal größer als derMuiidsaugiiapf vor der Körpermitte mittelmäßig so lang als der Phaiynx kräftig. Auf der Höhe der Hoden endigend Y-förmig bis zum Bauch- saugnapf reichend vor der Körpermitte etwas seitlich schwach Q in der Körjiermitte (5 hinter der Körpermitte oval; zwischen den Darm- schenkeln reich gelappt in der Körper- mitte die Körpermitte einnehmend, sehr zahlreich vorhanden, lang; Mündung vorhanden ziemlich groß seitlich, der Darmschenkel die Köi-permitte einneh- mend klein, zahlreich, Deckel scharf abgesetzt Phocaena connnuuis zu zweien in Cysten, ]\lagen und Pvlorus Terminal oder schwach ven- tral in oder vor der Körperniitte 1/3 vom Mundsaugnapf luit- telmäßig li/2mal so lang als der PJia- rynx nahe an das Hinterende rei- chend mit Erweiterungen und Einschnürungen Y-förmig bis über den Baugh- saugnapf hinausreichend median in oder hinter der Körpermitte ziemlich stark entwickelt Q in der Körpermitte ^ hinter der Körpermitte oval, symmetrisch bimförmig; seitlich; etwas vor der Körpermitte im hinteren Körper eine me- diane Masse bildend vorhanden ; Mündung vor- handen sehr klein mächtig; die Seiten des Kör- pers ganz erfüllend ziemlich groß, weniger zahl reich Mustela putorius frei im Süms frontales Renicola pinguis Prandesia tttrgida länglich; Hinterende zuge- spitzt; Rückenfläche ge- wölbt; Bauchfläche flach subterminal, 0,21 mm hinter der Körpermitte, 0,073 mm fast rund; Hinterende zuge- spitzt. Rückenfläche ge- wölbt; Bauchfläche flach schwache Schuppen etwas ventral, 0,55 mm hinter der Körpermitte, 0,33 mm CoUyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 545 Renicola pinguis Brandesia turgida Pharynx Oesophagus Darmschenkcl .... mittelmäßig kurz sehr breit; kaum über die ziemlich kräftig kurz bis zur Mitte des Körpers Mitte reichend reichend, breit Excretionssysteiu . . . Y-förmig, Kanäle breit und bis an den Mundsaugnapf reichend V-förmig, bis zum Bauch- saugnapf reichend CJt'iiitalpori Genitalatrium in der Körper- flaches Genitalatrium etwas mitte seitlich und etwas hmter Copulationsorgane . . fehlen der Körpermitte kräftig Genitaldrüsen Hoden Keimstock Q in der Körpermitte, 6 in u. hinter der Körpermitte oval; asymmetrisch, zwischen den Darmschenkeln oval; median Körpermitte Q in der Körpermitte, d in der Körpermitte symmetrisch, schwach ge- kerbt; in der Körperraitte kurz gelappt; hinter der Uterusschlingen . . . hauptsächlich vor den Keim- Körpermitte zahlreich vor und hinter dem drüsen Keimstock LAUREBscher Kanal . ? vorhanden. Mündung vor- handen Reccptaculunx seminis Dotterstöcke ? seitlich die mittlere Region ziemlich groß einfach traubig; vor der Eier des Körpers einnehmend mittelgroß, zahlreich Körpermitte mittelgroß; zahlreich mit Deckel Wirt Vorkommen Podiceps cristatus zu zweien, cystenartige Auf- treibungen; Niere Frosch frei, LiEBBRKÜiiNsche Drü- sen Was in erster Linie die von Odhner vereinigten vier Gattungen Pholeter, CoUyriclum, Troglotrenui und Paragoninms betrifft, so gelit aus den Tabellen kurz zusammenfassend folgendes hervor: Körperform rund, bis eiförmig. Durch verschieden starke Wöl- bung deutlich abgegrenzte Rücken- und Bauchfläche. Hinterende in eine Spitze endigend. Haut mit Stachehi bedeckt, die in regel- mäßigen Abständen stehen oder zu Gruppen vereinigt sind. Mund- saugnapf terminal oder etwas ventral gelegen. Bauchsaugnapf vor- handen oder fehlend. Darmschenkel bis in die Nähe des Hinterendes reichend; häufig mit unregelmäßig großem Durchmesser. Es ist wichtig und spricht deutlich für die Zugehörigkeit von CoUyriclum in diese Gruppe, wenn durch meine Untersuchungen der Jugendform yon CoUyriclum faba es sich herausstellt, daß eine leicht welüge Ober- 546 Georg Jegen, fläche der Darmschenkel ebenfalls vorhanden ist. Das Excretionssystem weist zwei Formen auf. Entweder ist es einfach, d. h. aus einer kleineren oder größeren Blase bestehend, wie bei CoUyriclum und Paragonimus, oder es besteht aus einer kleinen Endblase, von der aus zwei Kanäle nach vorn auseinander treten. Das ist eine große Differenz im Bau eines Organes und könnte gegen eine Vereinigning dieser Formen zu einer Familie Bedenken entstehen lassen. Aber auch hier entscheidet die Entwicklungsgeschichte des Organes. Die Jugendform von Colly- riclum zeigt auf den verschiedenen Stadien deutlich, daß sich die Ex- cretionsblase von hinten aus in Form von mehreren in den Körper hin- einragenden Kanälen entwickelt. Damit dürfte bewiesen sein, daß CoUyriclum, auch in bezug auf das Excretionssystem in Verwandtschaft zu Pholeter und Troglotrema steht. Wie es in dieser Beziehung sich mit Paragonimus verhält, ist noch nicht zu entscheiden. Doch deuten die schlauchförmige Gestalt der Blase sowie die von hinten ausgehenden Gefäßstämme auf eine ähnliche Ausgangsform hin, wie sie bei CoUy- riclum zu finden ist. Die Genitalpori sind bei allen vier Formen im allgemeinen in oder etwas vor der Körpermitte gelegen und meistens seitlich verschoben. Daß die kleine Schwankung in der Lage der Genitalpori nicht von Be- deutung ist, geht aus meiner Erörterung S. 540 hervor. Die Copulations- organe zeigen bei allen vier Gattungen einen gemeinschaftlichen Zug, indem sie nur schwach entwickelt oder gar nicht vorhanden sind; offenbar eine Reduktionserscheinung, die gerade bei cystenbewohnenden Parasiten auffallend ist. Die Hoden liegen durchweg hinter der Körpermitte, symmetrisch mehr oder weniger seitlich. Bei der Jugendform von CoUyriclum liegen sie hinter den Darmspitzen. Ich habe S. 475 eine Erklärung für die spätere Lage der Hoden zu geben gesucht. Es geht aus jenen Befunden hervor, daß einer allzu genauen Bestimmung ihrer Lage nicht der AYert eines Familienmerkmals zukommt. Etwas große Differenzen scheint mir die Form der Hoden aufzuweisen, indem die Testikel bei Para- gonimus reich gelappt sind. Zwischen den zwei extremen Formen kann indessen eine Übergangsform leicht aufgefunden werden in der nachher zu besprechenden Gattung Brandesia. In bezug auf die Lage des Keimstocks bei den vier Gattungen gilt dasselbe, was ich oben über die Lage der Hoden gesagt habe. Auch die Form des Organes weist ähnhche Differenzen auf. Das Ovarium ist bei CoUyriclum, Pholeter und Paragonimus reich gelappt, während Troglotrema einen birnförnaigen Keimstock besitzt. Daß in Miesen Collyricluin faba (Bremser) Kossack usw. 54 < zwei Keimstockforinen aber nicht ein Merkmal liegt, welches eine Ver- einigung zu einer Familie ausschließt, beweist die Entwicklungsgeschichte des Ovars von Collyriclum. Es ist in der Jugend oval, ohne die geringste Differenzierung in Lappen. Die Uterusschlingen sind in allen Fällen zahlreich, teils mehr im hintern Körper (Co%ric?Mwi und Troglotremo), teils mehr in der Körper- mitte {Paragonimus und PJioleter) gelegen. Das Hauptmerkmal dürfte in der zahlreichen Schlingenbildimg liegen. Der LAUKERsche Kanal ist überall vorhanden, und was mir besonders auffallend erscheint, es kann eine Ausmündung auf der dorsalen Fläche in allen Fällen konstatiert werden. Collyriclum nimmt zwar in gewissem 8inn eine Sonderstellung ein, indem in späteren Altersstadien die Öffnung des Kanales eine Rückbildung erfährt. Das Receptaculum seminis ist schwach entwickelt und fehlt bei Collyriclum vollständig. Was die Dotterstöcke betrifft, so nehmen sie einen großen Raum ein und sind dorsal gelegen; bei Collyriclum und Pholeter mehr kon- zentriert und bei Paragonimus und Troglotrema die ganzen Seiten ein- nehmend. Es ist interessant zu konstatieren, daß sie bei Collyriclum in der Jugend vom Mundsaugnapf bis in die Mitte des Körpers sich hinziehen, also eine Gestaltung besitzen, die an diejenige von den andern drei Gattungen erinnert. Ihre dorsale Lage und relativ große Ausdehnung wird als ausschlaggebendes Merkmal herangezogen werden dürfen. Die Eier sind zahlreich, klein und meistens mit scharf ab- gesetztem Deckel versehen. Collyriclum, Paragonimus und PJioleter kommen in Cysten paarweise vor, während Troglotrema nicht ency- stiert ist. Aus den obigen Ausführungen geht sicher hervor, daß die Odhner- sche Auffassung über die Verwandtschaft der Trematodengattung Paragonimus ihre volle Berechtigung besitzt. Damit hat der Autor für die Schaffung eines natürlichen Systems der Trematoden ent- schieden einen glücklichen Schritt vorwärts getan. Die Tabelle S. 544 u. 545 enthält nun die Diagnosen der zwei weite- ren Formen, Renicola pinguis (Crepl.) und Brandesia turgida (Stss.). Die verwandtschaftliche Zugehörigkeit zur Familie der Tröglotremidae gibt sich in folgenden Merkmalen kund: Körper oval oder rund. Ter- minales Hinterende zugespitzt. Rücken- und Bauchfläche sind durch verschieden starke Wölbung gekennzeichnet. Die Lage des Mundsaug- napfes ist im allgemeinen terminal bis schwach ventral. Der Bauch- saugnapf ist bei beiden Formen vorhanden; im Gegensatz zu den Trö- glotremidae aber eher hinter der Körpermitte gelegen. Bei Renicola 548 Georg Jegen, weist er derart minimale Dimensionen auf, daß diese Form geradezu als Übergang von den bauchsaugnapftragenden zu den bauchsaugnapf- losen Troglotremidae hingestellt werden kann. Die Darmschenkel sind kräftig, im übrigen aber etwas kürzer als bei den andern Gattungen. Das Excretionssystem zeichnet sich bei Renicola durch die Länge der Gefäßstämme aus. Bei Brandesia ist nur der Blasenteil sehr klein; sonst aber sind die zwei nach vorn ziehenden Kanäle normal entwickelt. Die Mündung der Genitalien wird bei beiden Formen durch ein flaches Genitalatrium gebildet. Ich habe an andrer Seite ausgeführt, daß bei Colhjrichim ein solches am konservierten Material vorgetäuscht werden kann und glaube daher diese kleine Differenz unberücksichtigt lassen zu können. Die Hoden sind in beiden Fällen in oder wenig hinter der Körpermitte gelegen, bei Renicoh, allerdings unsymmetrisch. Auch bei Collyriclum kann mitunter eine unsymmetrische Lage beobachtet werden, was hier entschieden als individuelle Variation aufzufassen ist. Der Keimstock nimmt bei Renicola eine Ausnahmestellung ein, insofern er oval ist. Aus dem gleichen Grunde, der S. 547 angeführt wurde, erachte ich diese Differenz nicht als derart, um die Form von der Familie der Troglotremidae auszuschließen, um so mehr als bei Brandesia der Keimstock ganz schwache Einkerbungen zeigt und also von den stark lobösen Formen zu den einfachen hinüberführt. Die Lage des Ovars entspricht dem Familienmerkmal. Über den LAURERschen Kanal konnte ich bei Renicola den vorhandenen Arbeiten nichts ent- nehmen. Die Dotterstöcke nehmen bei Renicola ganz ähnlich wie bei Pholeter die Mitte des Körpers ein, während sie bei Brandesia sich mehr denjenigen von Collyriclum nähern. Die Uterusschlingen sind zahlreich, bei Renicola zum Teil vor dem Keimstock, bei Brandesia aber mehr hinter demselben, wodurch die letztere Form wieder Colly- riclum näher steht. Die Eier sind zahlreich und klein. Renicola kommt in cystenähnhchen Auftreibungen zu zweien vor, während Brandesia einzeln lebt. Wie man sieht, besitzen die zwei Gattungen Brandesia und Reni- cola die Merkmale der Familie der Troglotremidae. Einzig hinsicht- lich der Haut und der Lage des Bauchsaugnapfes muß der Familien- diagnose von Odhner noch hinzugefügt werden: Die Haut entweder mit spitzen Stacheln oder mit Schuppen durchsetzt. Bauchsaugnapf entweder unmittelbar vor oder hinter der Körpermitte. Da der An- gliederung der beiden Gattungen an die Familie der Troglotremidae kein Hindernis im Weg ist, so würde die Familie also statt vier in Zu- kunft sechs Gattungen umfassen, und zwar: Collyriclum faba (Bremser) Kossack iiaw. 549 1. Troglotrema. 2 . Paragonimus . 3. Brmidesia, 4. Pholeter. 5. Renicola. 6. Collyriclum. In dieser Keihenfolge aufgezählt, würden sie eine absteigende Stufen- leiter in bezug auf den allmählichen Verlust des Bauehsaugnapfes dar- stellen. Es ist wohl möglich, daß noch mehr Formen der Familie zu- gehören könnten; so vielleicht Phaneropsolus micrococcus (Kud.). Es ist aber vorläufig nur eine Vermutung, und da ich über das Objekt nicht verfüge, so dürfte diese Andeutung zui' Entscheidung der Frage anregen. Eine weitere Frage in der Systematik ist die, an welche Stelle des Systems die Familie der Troglotremidae einzureihen ist. Odhner möchte sie an die Familie der Heterophyidae anschließen. Ich bin nicht im Falle mich über diese Frage definitiv auszusprechen, möchte aber hinweisen auf die Unterfamilie der Brachycoelinae, deren Diagnose nach Looss S. 607 eine nähere Verwandtschaft mit den Troglotremidae vermuten läßt. Basel, im Juni 1916. Literaturverzeichnis. VAN Beneden, P. J., Memoire sur les vers intestinaux. Suppl. aux Compt. rend. de l'Acad. d. sc. Paris. T. III. 1858. Bettendobf, H., Über Muskulatur und Sinneszellen der Trematoden. Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. u. Ontog. Bd. X. Brandes, G., Revision der Monstomiden. Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. Bd. XII. — Zum feinem Bau der Trematoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LIII. 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MiESCHER, F., Beschreibung und Untersuchung d. Monostomum bijugum. Akad. Einladungsschrift v. Prof. Dr. Fischer, Basel. — Beobachtungen über Monostomum bijugum. Bericht ü. d. Verh. d. Schweiz. naturf. Gesellschaft Basel. 23. Vers. MiYAGARA, Y., über den Wanderungsweg des Schistosomum japonicum von der Haut bis zum Pfortadersystem. Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 1. Abt. Bd. LXVI. — Über den Wanderungsweg des Schistosomum japonicum durch Vermittlung des Lymphgefäßsystems des Wirtes. Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 1. Abt. Bd. LXVIII. MoNTiCEiiLi, F. S., Saggio di una morfologia dei Trematodi. Tesi p. ottenere la privata docenza in Zool. n. R. Univ. di Napoü. MuELLER, A., Die Wurmparasiten der Vögel. Verh. ornith. Ges. Bayern. Bd. IV. Odhner, T., Zur Anatomie der Didymozoen. Ein getrenntgeschlechtlicher Trema- tode mit rudimentärem Herjuaphroditismus. Zool. Stud. TuUberg Upsala. — Zum natürlichen System der Trematoden. I. II. III. IV. V. Zool. Anz. Bde. XXXVII, XXXVIII, XLI. — Synaptobothrium copulans. Zool. Anz. Bd. XXX. — Verwandtschaftliche Beziehungen der Trematoden- Gattung Paragonimus. Zool. Bidi-ag f. Upsala. III. 1914. — Über Distomeen, welche den Excretionsporus als Anus verwenden können, Zool. Anz. Bd. XXXV. — Über eine neue Distomidengattung. Zeitschr. Naturw. Bd. LXXIII. Pohl, J., Über das Vorkommen von Dist. acutum. Jena. Zeitschr. Naturw. Bd. XLVIII. Raillet, Al., Monost. faba Bremser chez le geai (Garrulus glandarius). Arch. de parasitol. Vol. I. 1898. ScHAUiNSLAND, H., Beitrag zur Kenntnis der Embryonalentwickluug der Trema- toden. Jena. Zeitschr. Naturw. Bd. XVI. Sommer, F., Zur Anatomie des Leberegels. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXIV. Senitzin, D. f., Beitr. zur Naturgeschichte der Trematoden. Die Dist. der Fische und Frösche der Umgebung Warschaus. Zool. Centralbl. XIII. ScHTJBMANN, W., Eibildung und Enbryonalentwicklung von Fasciola hepatica. Zool. Jahrb. Anat. Bd. XXI. TASCHENBERC4, 0., Didyuiozoon eine neue Gattung in Cysten lebender Trema- toden. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Berlin 1879. 552 Georg Jegen, Waltee, E., Über den Bau der Trematoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LVI. Wedl, C, Helminthologische Notizen. Sitzungsber. Akad. Wien math.-naturw. Kl. Bd. XVI. Willemoes-Stihn, R., Helminthologische Notizen III. Zeitschr. f, wiss. Zool. Bd. XXIII. Erklärung der Abbildungen. Zeichenerklärung; AM, Ausmündung des LAURERschen Kanals. B, Bindegewebe; C, Cuticula; CB, Cirru&beutel; Ci, CiiTus; CR, Centralraum; GW, Cystenwand; DE, Ductus ejaculatorius; DG, Dottergang; D8ch, Darmsclienkel; DSt, Dotterstock; DZ, Dotterzellen; EB, Excretionsblase; EG, Endkomplex; EG, Excretionsgef äß ; EK, Excretionskanal; EJ\I, Emmündung des L. K. in den Endkomplex. EML, Ein- mündung des L. K. in den Centralraum; EP, Excretionsporus; GM, Grundmasse; $ u. (^ GÖ, weibl. und männl. Genitalöffnung; GP, Genitalpori; H, Hoden; HR, Hohlraum im Endkomplex; HR', Hohlraum im Endkomplex mit dem L. K. noch in Verbindung; K, Keimstock; KB, Keimballen; KG, Keimgang; KL, Keim- lager; K W, Keimstockwand; Kl E, Kleine Erweiterung des L. K. im Schalen- drüsenkomplex; LG, LAURERScher Kanal; LM, Längsmuskeln; MSN, Mundsaug- napf; Oe, Oesophagus; P, Parenchym; P', Parenchym mit Genitalprodukten durchsetzt; Ph, Pharynx; PI, Platten; PM, Parenchymmuskeln von außen an den Cirrusbeutel schließend; PP, Pars prostatica; SchD, Schalendrüse; Sp, Sperma; StC, Stratum corneum; StG, Stachelgruppen; StC + AI, Stratum + Str Mal- pighi bilden die innere Auskleidung der Cyste: StM, Stratum malpighi; THE, Terminales Hinterende; U, Uterus; US, Uterussack; V, Vagina; VBK, Verbin- dungskanäle zwischen den einzelnen Hohlräumen des Endkomplexes. Vd, Vas deferens; Ve, Vasa efferentia; V S, Vesicula seminalis; W, Windungen des L. K, WstZ, wandständige Zellen im Keimstock; WZ, Wandzellen am Ende des L. K. und der Q Genitalöffnung; ZE, Zellen im Umkreis des Excretionsporus; ZK, Zellkern. Tafel XI. Fig. 1. Jugendform von Collyriclum faba. Fig. 2. Sagittalschnitt durch den Vorderkörper mit etwas eingekrümmtem Rande. Fig. 3. Collyriclum faba von der VentraKläche. Fig. 4. Sagittalschnitt auf dem Verbreitungsstadium mit besonders cha- rakteristisch gestaltetem Hinterendo. Fig. 5. In einen FederfoUikel eingewanderter Embryo. Fig. 6. Embryo im Begriffe eine Cyste zu bilden. Ch, die Cyste ist am Hinterende des Embryo entwickelt. Fig. 7. Schnitt durch die Haut im Verbreitungsstadium. Fig. 8. Schnitt durcli die Haut im Jugendstadium. Fig. 9. Schnitt durcli die Mündung des Laurersclien Kanals nacli außen. Collyriclum faba (Bremser) Kossack usw. 553 Fig. 10. Rekonstruktion des LAURERschen Kanales im Geschlechtsstadium. Fig. 11. LALiRERscher Kanal im Verbreitungsstadium. Erste Rückbildungs- stufe. Fig. 12. LAURERscher Kanal im Verbreitungsstadium. Zweite Rückbil- dungsstufe. Fig. 13. Terminales Körperhinterende. QM, quergerichtete Muskeln; LM, längsgerichtete Muskeln. Tafel XII. Fig. 14. Endkomplex des L. K. Die Verbindung mit dem L. K. ist noch vorhanden. Fig. 15. Querschnitt durch den L. K. im Schalendrüsenkomplex. Fig. 16. Schnitt durch den Keimstock vor der Geschlechtsreife. Fig. 17. Schnitt durch den Keimstock während der Geschlechtsreife. Fig. 18. Schnitt durch den Keimstock nach der Geschlechtsreife. Fig. 19. Schnitt durch die Anlage des Dotterstockes. Fig. 20. Schnitt durch den Dotterstock auf einem frühen Geschlechts. Stadium. Fig. 21. Schnitt durch den Dotterstock zur Zeit der Geschlechtstätigkeit. Fig. 22. Dotterstock mit reifem Dottermateiial, wie es zur Eibildung zur Verwendung gelangt. Fig. 23. Schnitt durch einen Dottergang mit reifem Dottermaterial. Fig. 24. Excretioussystem im Jugendstadium. Fig. 25. Querschnitt durch den Uterus nahe am Centrahaum. Fig. 26. Querschnitt durch den Uterus hinter der Körpermitte. Fig. 27. Rekonstruktion der Centralstelle der weiblichen Genitalien. Fig. 28. Embryo nach dem Leben. Fig. 29. Schnitt durch die männhche und weibliche Geschlechtsöffnung. Fig. 30. Schnitt durch die männliche Geschlechtsöffnung. Fig. 31. Schnitt durch die Cyste. Fig. 32. Dauercyste mit Embryo. Fig. 33. Ei aus dem Uterussack. Embryo mit zwei vorgebildeten Individuen. Ficf. 34. Ei nach dem Aufenthalt im Thermostaten. Zeitschrift f. wlsseiiscli. Zoologie. CXVll. ßd. 36 über das Verhalten des Chondrioms während der Eibiidung bei Dyiiscus marginalis L. Von t Prof. Dr. Jozef Nusbaum-Hilarowicz i (Dir. d. Zoolog. lustit. d. Univ. Lembers).* Mit Tafel XIII— XVI. I. Historisches. Über das Chondriom (Piastosomen, Chondriosomen, Mitoclion- drien, Chondriomiten) des Insekteneies, besonders aber über die Kolle desselben bei der Ovogenese besitzen wir bisher sehr wenige Beobach- tungen; die Frage ist aber besonders wichtig eben in bezug auf die In- sekten, wo so interessante Einrichtungen zur Ernährung der jungen Eizellen und zur Dotterbildung vorhanden sind. Meine Untersuchungen in dieser Richtung, die ich am Ei von Dijtiscus margmalis durchgeführt habe, haben mich zu sehr interessanten, ja, ich möchte sagen, zu ganz unerwarteten Resultaten geführt von allgemein biologischer Bedeu- tung. Es zeigte sich nämlich, daß im Stadium der bei der Eibiidung hervortretenden und von Giardina (10) beschriebenen »Rosette«, welche aus 16 Oogonien besteht und zwar einer Eizelle und 15 Nähr- zellen, wie auch später, wenn die Oocyten mit ihren weniger zahl- reichen Nährzellen (Dotterzellen) in den Eikammern der Ovarialröhren verbunden sind, in allen Nährzellen das Chondriom sehr üppig ent- wckelt ist und in das Eiplasma etwa in Gestalt von ganzen Strömen von Mitochondrien und Chondriomiten überwandert, wo es zur Bildung der Dotterelemente verwertet wird. Wir finden hier also eine biologisch höchst interessante Tatsache, daß man im Insektenei ein endogenes (im Eiplasma selbst gebildetes) und ein exogenes, oder, wie wir es auch nennen können, ein eigenes, autochtones und fremdes oder alloiochtones Chondriom unterscheiden können. 1 Der Verfasser benutzte bisher im größten Teil seiner wissenschaftlichen Arbeiten nicht diesen vollen Familiennamen, sondern den verkürzten Nüsbäum. über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 555 Der erste, der die Mitochondrien im Insektenei sehr wahrscheinlich vor Augen hatte, aber die Natur derselben nicht erkannt hat, war GiARDiNA. Man muß zu einem solchen Schluß gelangen, wenn man zahlreiche Abbildungen dieses Verfassers z. B. die Fig. 77, 78, 79, 80 seiner Arbeit über Dytiscus-Oogenese vom Jahre J901 betrachtet; sehr wahröcheinlich, da Giardina keine spezifischen Chondriomfär- bungen angewendet hat, übersah er das Vorhandensein von Mitochon- drien und nahm eine Netzstruktur des Plasmas an. In seinem so sehr inhaltsreichen und kritischen Berichte (6) über »Piastosomen, Apparato reticulare interno und Chromidialapparat << äußert sich J. Duesberg (1912) folgendermaßen und ganz richtig über die Beobachtungen von GiARDiNA (S. 727) : >>In einem 1902 veröffentlichten Aufsatz bildet Giardina einige Stadien der övogenese bei Insekten ab und zeigt in den Fig. 11 und 16 bei Mantis religiosa eine viel dunklere protoplasmatische Zone, welche sicher der schlecht konservierten oder unelektiv gefärbten vitellogenen Schicht entspricht. Derselbe Autor beschreibt (1904) bei mehreren Insekten {Mantis religiosa, Periplaneta orientalis, Stenobothrus hicolor, Gryllus arvensis — und auch bei Helix arvensis — ) unter dem Namen »Zona plasmatica perinucleare« eine spezielle Zone des Oocyten, welche in den frühen Stadien der Wachstumsperiode erscheint und ganz in der Nähe des Keimbläschens liegt. Diese Zone ist zuweilen halbmondförmig, umgibt aber am häufigsten den Kern vollständig. Ihre Struktur ist oft körnig (Fig. 13, 14). Sie ist vom übrigen Cytoplasma durch eine wirküche Membran deutlich abgegrenzt. In einem vorgeschritteneren Stadium der Wachstumsperiode verschwändet diese Membran, die perinucleäre Zone wird blasser und vermischt sich endlich mit dem übrigen Ovo- plasnaa. Giardina hält diese Zone für einen differenten Teil des Proto- plasmas und verwirft die Intervention des Kernes bei seiner Bildung. 'Die am natürlichsten scheinende Erklärung der Abbildungen von Giardina ist die, daß dieser Autor die spezifischen Microsomen des Eies vor Augen gehabt hat, im Stadium, in dem sie in einem kom- pakten Haufen zusammenliegen; jedoch waren sie ungenügend konser- viert; dies geht aus der Prüfung seiner Bilder und auch aus der Tat- sache hervor, daß er in einem weiteren Stadium diese Schicht sich mit dem übrigen Ovoplasma vermischen und verschwinden sieht, was wahrscheinhch dem Stadium der Auflösung der vitellogenen Schicht entspricht. << Diesen Ausführungen von Duesberg kann ich auf Grund meiner 3ü* 556 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, eio-enen Beobachtungen an Djjtiscus, die ich weiter unten anführen werde, beipfhchten, ich meine aber, daß die vitellogene perinucleäre Schicht bei den von Giardina untersuchten Insekten nicht verschwin- det, wie es Duesbeeg vermutet, viehnehr daß die Elemente dieser Schicht sehr wahrscheinlich sich im Plasma gleichmäßig verteilen und vielleicht später an der Peripherie sich verdichten, um hier die ersten Dotterelemente zu bilden, wie man es bei Dytiscus beobachten kann. Faure-Fremiet (7) erwähnt in seiner Arbeit (1909) über die Mitochondrien der Protozoen und der Geschlechtszellen (S. 585), daß »bei TijrrTiocoris apterus Henneguy die Mitochondrien des Eies ge- färbt hat; sie erscheinen im Cytoplasma, zwischen den Dotterkörnern, wenn dieselben anfangen sich zu entwickeln, entweder in Gestalt vor Granulationen, die in kleinen Massen zusammengehäuft sind, oder ir Gestalt von Filamenten; im »pedoncule« des Eies sind diese Element« in parallelen Reihen angeordnet, wie es Faure-Fremiet an den vor seinem Lehrer angefertigten Abbildungen sehen konnte; ebenfalls waren die Mitochondrien auch in den FoUikularzellen zu sehen. Bei Ä'pis mellifica hat Duesbeeg (5, 1908) sowohl in den ab gelegten Eiern, wie auch folghch den bei der Reif ungsperiode angelangter Eiern Körner beschrieben, welche die Farbereaktion der Plastosomei aufweisen und von den Dotterkörnern gut zu unterscheiden sind Diese Microsomen liegen zwischen den Dotterelementen und sind be sonders um die Teilungsfigur angehäuft. Dieser Beschreibung füg Duesberg (6, 1912) hinzu, daß diese Körner schon in den ersten Sta dien der Ovogenese vorkommen. Sie gehen in die Blastodermzellen übei Buchner (6, 1909) beobachtete in den Oogonien und Oocytei der Gryllus-E^ev Mitochondrien, die er »Chromidien« nennt und di er von dem Kern abstammen läßt (und zwar von dem accessorischej Chromosom, welches seine Substanz in das Ooplasma ergießt). Dies- Beobachtung von Buchner beruht möglicherweise auf' einem IrrtuE und hat ihren Grund in der überaus falschen, aprioristischen Fassim) der Chromidienfrage seitens mancher Münchener Zoologen der letztej Jahre. Duesberg (6, 1912) ist der Meinung, daß den Beobachtungei von Buchner auch schlecht konservierte Präparate vorlagen und e drückt sich u. a. über diese Arbeit Buchners folgendermaßen au (S. 728) : »Ich füge endlich noch hinzu, daß die sich auf die Plaste somen der Gryllus -Eier beziehenden Abbildungen nicht besser sin« als die, welche Buchner von den Samenzellen gibt und hinsichtlic] der Konservierung seines Materials kein größeres Vertrauen ein flößen wie die letzteren.« 1 I über das Verhalten des Chondrioras während der Eibildung usw. 557 Die Mitochondrien im Ei der Myriopoden, die so nahe den Insekten stehen, hat Faure-Fremiet (7, 1909) beschrieben und zwar bei Litho- hius forficatus, und was für uns besonders wichtig ist, hat er die Rolle I derselben als Bildner der Dotterelemente konstatiert, was, wie wir es unten darstellen werden, auch wir bei Dijtiscus marginalis ganz sicher feststellen konnten. Faurei-Fremiet (S. 585) beschreibt folgendermaßen den Mito- chondrialapparat im Ei von Lühobius forficatus. Das Protoplasma der jungen Oogonien enthält eine große Anzahl von Mitochondrien, die im frischen Zustand als reguläre, etwas lichtbrechende Körnchen hervortreten, manchmal verbunden zu kurzen Ketten von 4 /« Länge. Diese Mitochondrien, die sich durch die Methoden von Benda und Regaud färben, sind gleichmäßig verteilt im ganzen Plasma des jungen Oogonium. Wenn dieses sich entwickelt, wächst die Zahl der Mitochon- drien, was möglicherweise durch Wachstum und Fragmentation der I Filamente und der Ketten zustande kommt. Eine gewisse Anzahl dieser Mitochondrien verbindet sich zu dickeren, irregulären Massen, von verschiedener Größe, welche an Schnitten als intensiv gefärbte Flecken hervortreten. Diese Mitochondrienmassen scheinen einer che- mischen Umbildung zu unterliegen, indem sie mehr lichtbrechend werden und »fettige Massen« (»masses graisseuses <<) bilden, welche zu Bestandteilen des Dotters werden, wie auch Kügelchen von diffe- renter Färbbarkeit liefern, welche im Cytoplasma erscheinen. Derselbe Verfasser (8, 1908) beschreibt sehr interessante Ver- hältnisse in den jungen Oocyten von lulus. Hier sind die Mitochon- drien im ganzen Cytoplasma zuerst gleichmäßig verteilt; sie vermehren sich und bilden Kettchen. In etwas späteren Entwicklungsstadien umgeben die Mitochondrien den Kern, wo sie eine verdichtete peri- nucleäre Schicht bilden, um in noch späterem Entwicklungsstadium ( nach der Peripherie zu überwandern, wo die Schicht sich auflöst in dem I Moment, wo der Dotter zum Vorschein kommt. Diese Verhältnisse erinnern vollkommen an diejenigen, die ich bei Dytiscus beobachtet habe. Die Beobachtungen von Faure-Fremiet an Myriopoden anfüh- rend, bemerkt Duesberg (6, 1912), daß dieselben in gewisser Hinsicht an diejenigen von Nemec (21, 1897) über die Eier mehrerer Diplopoden und besonders von Polyzonium germayiicum Brdt. erinnern. Nemec beschreibt nämlich das Vorhandensein eines Käppchens, welches aus I feinen Körnchen besteht und dem Kern der mittelgroßen Eier aufliegt. In diesem Käppchen sieht nun Duesberg ganz richtig ein Homologen der vitellogenen perinucleären Schicht von Faure-Fremiet. 558 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, II. Eigene Untersuchungen an Dytiscus. A. Einleitende Bemerkungen. Indem ich zur Beschreibung der Verhältnisse beim Dytiscus mar- ginalis übergehe, muß ich zuerst mit einigen Worten an manche Tat- sachen, betreffend die Oogenese bei diesem Käfer nach den bekannten Untersuchungen von Andraea CtIardina (10, 1901) erinnern, Tat- sachen, die ich übrigens fast vollkommen bestätigen kann und deren Kenntnis uns zum Verständnis der von mir gefundenen Verhältnisse unentbehrlich ist. Die Ovarialröhre besteht beim Dytiscus aus: 1. einem langen ter- minalen Faden, 2. aus einer Terminalkammer und 3. aus einer Ovarial- röhre sensu strictori, in welcher eine Anzahl von Oocyten alternierend mit den Gruppen von Ernährungszellen (Dotterzellen) vorhanden sind. Gegen Will (1886), Korschelt (1886), Leydig (1888), Henking (1892), DE Bruyune (1898), nach welchen das Terminalfilamentum als ein Syncytium mit darin zerstreuten Kernen besteht, bin ich mit Giardina (1901) im Einklang, nach welchem die Zellen des größten Teiles des Terminalfadens faserförmig ausgezogen (in der Richtung der Längsachse des Fadens) sind. Nach Korschelt (16, 1886) »bleiben b*ei Dytiscus die indifferenten Kerne an der Spitze der Endkammer, welche denen des Endfadens entsprechen, in ihrer typischen Gestaltung erhalten und sich durch die Endkammer hindurch unmittelbar bis in die Kerne des Eiröhrenepithels verfolgen lassen; die indifferenten Kerne an der Spitze der Endkammer gehen durch Vergrößerung und durch Änderung ihrer Struktur in die Keimzellen über, aus denen sich weiter- hin die Eizellen einesteils und die Nährzellen andernteils entwickeln«. Nach Korschelt sind also die drei verschiedenen Zellenarten (Folhkel- epithel, Eizellen, Nährzellen) der Eiröhre von Dytiscus auf die indiffe- renten Zellelemente an der Spitze der Eiröhre zurückzuführen. Diese Beobachtungen von Korschelt wurden durch die Untersuchungen von Giardina als unrichtig erklärt. Giardina (10, 1901) zeigte nämlich, daß im Monate September und Dezember an der vorderen Spitze der Terminalkammer beim Dytiscus zwei Zellenarten sich befinden, die einen, kleinen, sind Epithelzellen, die andern, größeren, entsprechen den KoRSCHELTschen Keimzellen, aber dieselben differenzieren sich nicht teilweise zu definitiven Ei- zellen, teilweise zu Nährzellen, wie es Korschelt behauptete, sondern eine jede dieser Zellen d. h. ein jedes Oogonium wächst, und nachdem aus demselben durch vier Zellteilungen 16 Zellen entstehen, die rosetten- über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 559 artig miteinander verbunden sind, bildet eine dieser 16 Zellen einer jeden Kosette die Eizelle (Oocyt), während die übriggebliebenen 15 Zellen Nährzellen darstellen. Diese Beobachtungen von Giardina halte ich auf Grund meiner Untersuchungen, die ich in den Monaten Februar, März, April und Mai durchgeführt habe, für vollkommen richtig, da ich ebenfalls verschiedene Stadien der Teilungen der Oogonien und die Bildung von Zellenrosetten beobachtet habe, vv'obei ich auch die Richtigkeit der sehr interessanten Beobachtung von Giardina in betreff der »divisioni dif f erenziali << und des Vorhandenseins des »annello cro- matico« bestätige. Die vier erwähnten Zellteilungen erfolgen auf eine solche Art und Weise, daß die 15 Nährzellen einer Rosette vermittels kurzer Stiele, die gegen den Oocyten gerichtet sind, mit diesem letzteren verbunden bleiben. Von den Rosetten gehen nach Giardina diejenigen zugrunde, welche nicht so orientiert sind, wie die Oocyten nebst entsprechenden Nährzellen in den definitiven Ovarialröhren orientiert sein sollen. Giardina findet viele Rosetten, die nicht so orientiert sind, in ver- schiedenen Degenerationsstadien, was auch ich beobachtet habe. In den definitiven Ovarialröhren sind die Oocyten und Nährzellen so orien- tiert, daß jeder Oocyt hinten liegt und die Gruppe der Nährzellen vorne, vor ihm gelagert ist. Die Nährzellen sind dabei so gelagert, daß sie drei oder mehr Reihen bilden, und gewöhnhch vier Nährzellen der vorderen Fläche des Oocyten direkt «.nliegen; mitunter befindet sich zwischen dem Oocyten und den Nährzellen eine provisorische sehr dünne epithehale Scheidewand. Eine für uns wichtige Beobachtung Giardinas besteht darin, daß zwischen den vier direkt dem Oocyten anliegenden Nährzellen und dem Oocyten eine kontinuierliche, cytoplasmatische Verbindung vor- handen ist. Diese vier Nährzellen entsprechen den vier »divisioni dif f erenziali <<, wobei, nach Giardina, bei den differenzierenden Teilungen immer in den Rosetten ein »residuo fusoriale« (Spindelfaserrest) er- scheint, während bei den nicht differenzierenden (d. h. den Teilungen der künftigen Nährzellen) der Spindelrest nicht zu erscheinen scheint. Der plasmatische Verbindungsstrang zwischen den Nährzellen und dem Oocyt hat nach Giardina >>una struttura fibrillare eviden- tissima, quantunque sembri che le fibrille sono constituite da Serie di minutissimi granule^, e possede un aspetto da far credere che una corrente penetri della cellula nutrice nell'oocite, 1 Von mir gesperrt. 560 Jozef Nusbaura-Hilarowicz, con Uli leggero movimentoi vorticoso . . . Esistono percio 4 coni diretti verso la vesicola germinativa, concorrendo in quella regione che, in oociti meno avanzati di quello designato nella Fig. 99, e occnpata della massa di grasso<<. Ich habe diese Beobachtung von Giardina wörtUch angeführt, da sie sehr wichtig für uns erscheint und im allgemeinen richtig ist. Giardina hat aber die wahre Natur dieser wie ein Strom (corrente) von den Nährzellen gegen den Kern des Oocyten hineindringenden Masse nicht erkannt; er hat mitunter »serie di minutissimi granuli« gesehen, aber es war ihm die wichtige Tatsache unbekannt geblieben, daß es sich hier eben um ganze Reihen von Mitochondrien handelt, die im weiteren Entwicklungslauf des Eies zur Bildung des Dotters verwertet werden. B. Technisches. Zur Fixierung und Färbung des Chondrioms habe ich mich verschie- dener Methoden bedient. Einen Teil der Eierstöcke habe ich in Champys Flüssigkeit (Archiv d' Anatomie microscopique. T. 1911 — 12), die aus 7 Teilen 1% Chromsäurelösung, 7 Teilen 3% Kaliumbichromat und 4 Teilen 2% Osmiumsäure besteht, fixiert und zwar 24 Stunden. Nach dem Fixieren habe ich, dem Verfahren Champys folgend, die kleinen Teile der Ovarien mit Destillierwasser abgewaschen und auf 24 Stunden in eine Mischung von: 1 Tleil Acid. acet. pyrolignosum rectif. und 2 Teilen 1% Acid. chromic. hineingelegt. Dann, nach dem Abwaschen in Aqua destill, (i/g Stunde), gab ich die Präparate zum Nachchro- mieren auf drei Tage in 3% Kali bichromat. Endhch waschen (24 Stun- den) im fließenden Wasser und durch Alkohol und Xylol in Paraffin einbetten. Meine Schnitte (mit MiNOTschem Mikrotom ausgeführt) waren 5 [x oder 4 /t dick; dünnere Schnitte waren unzweckmäßig. Die so erhaltenen Schnitte habe ich sowohl mit der KuLLschen Methode (Anatom. Anzeiger Nr. 5 — 6.. Bd. XLV. 1913), wie auch mit dem HEiDENHAiNschen EisenhämatoxvHn mit bestem Erfolge gefärbt, wobei die Mitochondrien in schönster Weise und elektiv gefärbt wor- den sind. Die KuLLsche Färbungsmethode kann ich auf das wärmste allen denjenigen empfehlen, die sich mit den Piastosomen beschäftigen. Sie hat große Vorteile ; sie nimmt wenig Zeit in Anspruch, man bekommt in 10 Minuten das gefärbte Präparat, und bei einer gewissen Übung ist * Von mir gesperrt. über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 561 sie vollkommen sicher und äußerst elektiv. Wie bekannt, besteht diese Methode darin, daß man : 1 . zuerst die Präparate mit dem Alt- MANNschen Säurefuchsin färbt und zwar beim Erwärmen bis zur Er- scheinung der Dämpfe^; 2. man kühlt das Präparat ab (sehr wichtig !) und wäscht die Farbe mit Aqua destillata ab ; 3. man färbt 1 — 2 Minuten in gesättigter wässeriger Lösimg von Thionin oder Toluidinblau ; 4. man spült das Präparat mit Aqua destillata ab und 5. man differenziert mit einer 0,5% Lösung von Aurantia in 70% Alkohol, 20 — 40 Sekunden. Endhch entwässert man das Präparat mit 96% Alkohol und schließt durch Alcohol absolutus und Xylol im Kanadabalsam ein. Nun habe ich mich überzeugt, daß das Wichtigste ist, nicht zu lange das Präparat mit Aurantia zu differenzieren; 40 Se- kunden ist jedenfalls viel zu lang; in meinen Fällen entfärbten sich während 40 Sekunden die Mitochondrien viel zu stark. Am besten ist es, nach dem Abspülen des Präparates (Objektträgers) mit Aqua destillata auf ein Ende des Objektträgers Aurantialösung zu gießen und, sobald nur die Lösung die ganze Schnittserie überdeckt, fast gleich abzugießen und mit 96% Alkohol zu entwässern. In den meisten Fällen genügte vollkommen die Differenzierung mit Aurantia während 10—20 Sekunden. Mittels dieser Methode bekam ich wunderschöne Präparate, in welchen au.f einem leicht orange-gelblichen Tone (Aurantia) des Plasmas die Mitochondrien als sehr intensiv gefärbte, karminrote Körnchen, Körnchenreihen oder Fädchen (Chrodriomiten) und die chromatischen Kernelemente als rötlich-violette (Thionin) Bildungen erschienen. Präparate aus Champys Flüssigkeit ließen sich auch sehr gut mit Heidenhains Eisenhämatoxyhn färben, wobei das Chondriom intensiv schwarz auf einem blassen Ton des Plasmas erscheint. Viel schöner färben sich aber mit Eisenhämatoxyhn diejenigen Präparate, die nicht in Champys Flüssigkeit, sondern in einer Mischung von 1 Teil 2% Osmiumsäure und 3 Teilen wässeriger konzentrierter Lösung von Sublimat (NaCl-Lösung) fixiert wurden, wobei die Präpa- rate (kleine Stückchen) 5 — 6 Stunden in dieser Mischung verbHeben und nach der Waschung im fließenden Wasser weiter behandelt worden sind, bis zum Überführen in Paraffin. Bei diesem Verfahren bekommt man gewöhnlich nicht eine tiefschwarze, sondern eine tiefviolette Fär- 1 Mitunter ist es sehr nützlich nach meinen Erfahrungen, das Präparat etwas abkühlen zu lassen und bald zum zweitenmal zu erwärmen, bis zur Erscheinung der Dämpfe. 562 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, bung des C*hondrioms auf einem ganz blassen Plasmaton, was die Präparate besonders schön und elektiv macht (vgl. die Taf. XV, Fig. 13). Endhch habe ich die Präparate mit der KoPSCHschen Methode unter Modifikation, die von meinem Schüler und Assistenten, dem Herrn Doc. Dr. R. Weigl angegeben worden ist, behandelt und zwar zum Zwecke des Färbens des »Aparato reticolare« von Golgi oder wie wir ihn nennen (Nusbaum, Weigl und die Mitarbeiter des hiesigen Zoologischen Institutes), des »GoLGi-KoPSCHschen Apparates <<. Ich habe nämlich ganze Ovarien mitsamt den sie umgebenden Teilen des Fett- körpers zuerst in einer Mischung von 2% Acid. osmicum und Sublim, concetrat. (in Wasser mit NaCl) im Verhältnis 1 : 3 zwei Stunden lang fixiert und nach dem Abwaschen im Wasser in 2% Lösung von Acidum osmicum während 10 Tagen im Thermostat bei konstanter Temperatur + 23° C. gehalten. Nach einem kurzen Abwaschen in Aqua destillata wurden die Präparate durch Alkohol und Xylol in Paraffin über- geführt und eingebettet. An solchen Präparaten habe ich an Schnitten nicht nur die Golgi- KopscHschen Apparate, sondern auch Mitochondrien (Lipoide— Osmium- säure !) und Fetttropfen auf blassem Plasmaton intensiv geschwärzt erhalten. An Schnitten, die einige Tage in Terpentin (bei Lichteinwir- kung) verblieben, war das Fett zum größten Teil verschwunden. An solchen Schnitten treten besonders schön die Mitochondrien hervor, und zwar, wie ich meine, deshalb, weil sie etwas aufgequollen sind und daß die nebeneinander liegenden Körnchen oder Fädchen leicht zu längeren Einheiten zusammenschmelzen. C. Das Chondriom in den Oogonien und in den Rosetten. Schon in den jüngsten Oogonien sieht man die Chondriomelemente als winzige Körnchen oder kleine, sehr kurze Fädchen im ganzen Plasma zerstreut, aber rings um einen besonderen Körper an einem Pole des Kernes besonders zahlreich angehäuft, wie auch zwischen den feinen Plasmafasern gelegen, die strahlenartig von diesem Körper ausgehen und gegen die Peripherie der Zelle verlaufen. Der obenerwähnte Körper tritt als eine dichte Plasmaanhäufung hervor, von kugeliger oder kugelig abgeplatteter Gestalt, manchmal aber wie eine Kappe, die dem Kerne anhebt. Er tineiert sich rötlich bei der KuLLschen Methode, nimmt eine graue Farbe bei der KopscHschen und eine leicht violette nach Eisenhämatoxyhnfärbung an. An Präparaten, die mit gewöhn- lichen Methoden fixiert und mit Safranin'und Lichtgrün gefärbt worden sind, tingiert er sich ziemlich stark grün; in allen diesen Fällen ist er über das Verbaltcn des Chondrioms während der Eibildung usw. 563 ziemlich deutlich vom benachbarten Plasma abgegrenzt. Diesen Körper hat auch Giardina gesehen und an vielen Figuren abgebildet; er be- trachtet denselben für Spindelrestkörper (»residuo fusoriale«), gibt aber keine Beweise dafür, daß dieser Körper ausschließlich als ein Rest der Spindel übrigbleibt. Ich bin eher der Meinung, daß dieser Körper uns ein Idiozom und zwar einen sich vom Centrosom abtrennenden verdichteten Teil der cytoplasmatischen Substanz darstellt, die zuerst das Centrosom als »Sphäre <<, »Centrosomhülle <<, >>Archoplasma<< umgibt. Erst sekundär, bei der Zellteilung, gesellt sich diesem Idiozom auch ein Spindelrestkörper an, der die Masse desselben vergrößert. Nicht nur aus meinen eigenen Präparaten scheint dies zur Genüge hervor- zugehen, vielmehr auch aus manchen Abbildungen, die uns Giardina selbst gibt, wo dieser Körper rings um einen Pol der Spindelfigur liegt, wo Plasmastrahlungen auslaufen und wo das Centrosom seine gewöhn- liche Lage hat. Ich habe zwei Figuren (Fig. 44 und 43b) aus der Arbeit von Giardina reproduziert (meine Taf. XVI, Fig. 16 und 17) und zwar zwei Rosettenstadien, um zu beweisen, daß auch auf seinen Abbil- dungen die Lage des erwähnten Körpers dem Idiozom entspricht und daß das Körnchen, aus welchem die Plasmafasern ausstrahlen, der Lage eines der Centrosomen entspricht. Äußerst überzeugende Bilder sehen wir auch in meiner Taf. XIII, Fig. 1. Rechts oben und unten sehen wir hier zwei sich teilende Oogonien; die kolossalen Kerne sind schon rekonstruiert, aber die Spindelfasern gehen noch von einer Zelle in die andre hinüber, undandenPolenderSpindelfigur finden wir große, rötlich gefärbte, kugelige Plasmaanhäufungen und eine schöne Aus- strahlung von feinen Plasmafasern; die Plasmaanhäufungen ent- sprechen genau den »Centrosomhüllen << oder »Sphären << (Archoplasma«). An den mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten fand ich im Cen- trum einer jeden Plasmaanhäufung ein kleines helles Feld mit einem Centrosomakorn in der Mitte, was ich auch mitunter an Präparaten gesehen habe, die mit der KopscH-WEiGLschen Methode behandelt worden sind, wie wir es in Taf. XVI, Fig. 21 sehen; die feinen Plasma- strahlungen kann man hier bis zum hellen centralen Feld verfolgen, welches das Centrosomkorn umgibt. Auch aus der Arbeit von GüNTHERT (13) geht hervor, daß die erwähnten Plasmaanhäufungen zuerst rings um das CentralkÖrperchen Liegen (vgl. Fig. 13, 21, 24 u. a. in der Arbeit Günthers) und erst später frei werden, wobei sie bei der Zellteilung mit dem Spindelrestkörper ein Ganzes bilden. In allen meinen Präparaten dieses Stadiums sah ich im Cytoplasma der Oogonien das Chondriom zerstreut, welches, wie erwähnt, besonders 564 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, dicht das Idiozom umgibt und auch überall zwischen den faserigen Plasmastrahlungen zu sehen ist. Ich lege einen besonderen Nachdruck auf die Tatsache, daß die faserigen Plasmastrahlungen ganz und gar unabhängig von dem Chondriom sind und daß das letztere nur, sozusagen passiv, an der entsprechenden Stelle eine radiäre Anordnung annimmt, indem die Elemente desselben auch zwischen den benachbarten, strahligen Plasmafasern zu liegen kommen, wobei Reihen von Mitochondrien ent- stehen, deren lange Achsen denjenigen der Plasmafasern entsprechen, wie es besonders deutlich in Taf. XIII, Fig. 1 (rechts oben und unten) zu sehen ist; zwischen den Spindelfasern, die von einer Zelle zur andern verlaufen, sieht man gewöhnlich keine Mitochondrien; es färbt sich aber mit der KuLLschen Methode intensiv karminrot eine Reihe von Körnchen im Spindelrest an der Grenze zwischen den sich teilenden Zellen (Centralspindelkörperchen). An Präparaten, die mit der KuLL- schen Methode behandelt worden sind, sieht man schon in sehr jungen Oogonien besondere Flecke, die sich viel intensiver als das Idiozom rot färben, von kugeliger oder etwas langgestreckter Form sind und zwischen oder neben der Substanz des Idiozoms zu liegen kommen, wie wir es in Taf. XIII, Fig. 1 finden. Rechts oben sehen wir hier in den sich teilenden Zellen je drei solche intensiv gefärbte Flecke; in derselben Figur links unten sieht man an den Polen der benachbarten Zellen zwischen dem Chondriom auch einige solche größere Flecken liegen. Manchmal liegen solche Bildungen in einer gewissen, größeren oder kleineren Entfernung vom Idiozom. Endlich finden wir auch schon in älteren Oogonien einige wenige Fettkügelchen in der Nähe desselben Poles. Was sind die obenerwähnten Flecke? Darauf gibt uns eine Antwort die Analyse der Präparate, die nach der KopSCHSchen Methode angefertigt worden sind. Und zwar, wie wir es in Taf. XVI, Fig. 21 erblicken, hegen hier in der Nähe des Idiozoms unregelmäßig sphärische oder etwas lang gestreckte, oft bogenförmige Bildungen, die sich mit Osmiumsäure, gleich dem Chondriom, tingieren und zwar so, daß peripherisch eine tiefschwarze Rinde hervortritt, in der Mitte aber eine sich viel schwächer färbende und wahrscheinlich weniger verdickte Substanz zum Vor- schein kommt. Solche Bildungen sehen wir auch in Taf. XVI, Fig. 15. Ich bin der Meinung, daß diese Bildungen ohne Zweifel den Elementen des GoLGi-KopsCHschen Apparates entsprechen. Zwei wichtige Tat- sachen sprechen für die Richtigkeit dieser Auffassung. Erstens 'erinnern wir uns, daß auch in den somatischen Zellen der Insekten, nach den über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 565 Untersuchungen meiner Schülerin Fräulein Z. Kulikowska (17, 1911), z. B. in den Ganglienzellen, die Elemente des Apparates sehr oft in einer ganz ähnlichen Form auftreten, nämlich als verdickte kurze Fädchen, geradegestreckt oder bogenförmig. Zweitens habe ich im Follikelepithel (vgl. die Taf.XVI, Fig. 19) mit der KopscHschen Methode ähnliche Gebilde, wie in den Oogonien gefunden; sie liegen oberhalb des Kernes, weisen also eine Lage auf, die vollkommen derjenigen des GoLGi-KopscHschen Apparates im ZyUnderepithel überhaupt ent- spricht. AVenn infolge einer >> differenzierenden Teilung« die Oogonien sich endlich in eine Anzahl von Nährzellen und in einen Oocyten (welche mit dem letzteren in Gestalt einer Rosette verbunden bleiben) teilen, geht der meist größte Teil der Idiozomsubstanz und samt dieser letzteren auch der weit größte Teil der Elemente des Apparates eben in das Plasma des Oocyten hinüber, indem alle diese Teile, wie auch das Chondriom, sich hauptsächlich oder sogar ausschließlich an demjenigen Pol neben dem Keimbläschen anhäufen, welcher gegen die Nährzellen gerichtet ist. Eine solche Lage der Apparatelemente in dem Oocyten sehen wir z. B. in Taf. XVI, Fig. 15. Wir haben schon gesagt, daß in den jüngsten Oogonien das Chon- driom bereits vorhanden ist und daß es hauptsächlich an demjenigen Pol neben dem Kern angehäuft ist, wo das Idiozom sich befindet. Wie es schon aus den erwähnten Untersuchungen von Giardina bekannt ist, teilen sich die ausgcAvachsenen Oogonien viermal nacheinander so, daß 15 Nährzellen vermittels ihrer Stiele mit dem Oocyten rosetten- artig verbunden sind, wobei diejenigen Pole der Nährzellen, wo noch Keste der Idiozomen vorhanden sind (Taf. XVI, Fig. 16, 18) oder wo die Idiozome früher ihre Lage hatten, eben gegen den Stiel der Zelle, also gegen den Oocyten gerichtet sind. An diesem Pol liegt aber, wie wir schon oben gesehen haben, die größte Anhäufung von Mitochon- drien. Und nun ist es äußerst interessant, daß während aller vier nach- einander folgenden Teilungen die plasmatische Idiozomsubstanz von den Nährzellen durch die Stiele dem Oocyten zufheßt, wo sie allmählich un- sichtbar wird, aber noch interessanter erscheint mir die Tatsache, daß das Chondriom etwa wie zierliche Ströme aus parallelen Reihen von Mitochondrien bestehend, ebenfalls dem Oo- cyten zufließt und sich in nächster Nachbarschaft des Kernes an dem den Nährzellen zugekehrten Pole anhäuft. Das Ein- dringen des verdichteten Plasmas des Idiozoms von den Nährzellen in den Oocyten sieht man in Taf. XVI, Fig. 15, 16, 18. In Fig 15 und 18 566 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, sieht man neben der grau gefärbten in die »Stiele eindringenden Substanz der Idiozomen auch ganze Keihen von schwarz gefärbten Mitochondrien, die von den Nährzellen ebenfalls dem Oocyten durch die Stiele zufließen, aber die schönsten Bilder dieser Mitochondrien- wanderung fand ich an den mit der KuLLschen Methode angefertigten Präparaten. Im Vierzellenstadium und besonders im Achtzellen- stadium der Rosette bekommen wir die prächtigsten Bilder, da zu dieser Zeit der Übergang der in den Nährzellen gebildeten Mitochon- drien, vermittels der Stiele, in die mit denselben verbundene Eizelle den Höhepunkt erreicht. Wir haben dieses wunderschöne Bild in Taf. XIV, Fig. 8 dargestellt; man sieht hier, sozusagen, in flagranti die Tätigkeit der Nährzellen als Mitochondrienbildner oder, noch kräftiger gesagt, als Mitochon- drienlieferanten. Man sieht hier sieben Nährzellen mit der Eizelle (Oocyt) verbunden und zwar so, daß jede Nährzelle sich gegen diese letztere in einen dicken Stiel verlängert und alle diese Stiele vereinigen sich in einen gemeinschaftlichen basalen, viel dickeren Stiel, der schon direkt in die Eizelle übergeht. Dieses Stadium entspricht den Ab- bildungen Fig. 38, 39, besonders aber 57 — 60 in der- Arbeit von Giar- DiNA. Und nun sehen wir hier, daß in jeder Nährzelle die wie kurze, feine Fädchen aussehenden Mitochondrien schon hauptsächlich am unteren, gegen die Eizelle gerichteten Pol direkt unterhalb des Kernes angehäuft sind und von hier an in Gestalt von zierlichen, aus einzelnen Elementen bestehenden Reihen gegen den Stiel der entsprechenden Zelle und dann weiter durch den gemeinschaftlichen Stiel gegen den oberen Pol der Eizelle ihren Weg einschlagen, so daß das Ganze ein Bild etwa von kräftigen Mitochondrienströmen, die der Eizelle zu- fließen, darstellt. In dem basalen gemeinschaftlichen Stiel kann man, an einer Schnittserie, die einzelnen Ströme unterscheiden, die den entsprechenden Nährzellen angehören. Es ist auch interessant, daß in den Stielen der einzelnen Nährzellen noch ungefärbte parallele zarte Fasern als Reste der Spindelfasern zu sehen sind und die Mitochon- drienreihen zwischen diesen Fasern verlaufen, so daß die Plasmafasern in gewissem Sinne die Anordnung der Mitochondrienreihen bedingen. Nachdem fast die ganze Masse des Chondrioms der Nährzellen der Eizelle geliefert worden ist, so daß im Plasma der ersteren nur verhält- nismäßig sehr wenige Mitochondrien geblieben sind, erscheint ge- wissermaßen eine kurze Ruhej)eriode in der Lieferung des Chondrioms seitens der Nährzellen. Im Sechzehnzellenstadium sind, gemäß dem Obengesagten, nur sehr schwach ausgebildete Mitochondrienströme zu über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 567 sehen, da sich ein neues Chondriommaterial in den Nährzellen noch nicht in genügender Quantität ausgebildet hat. D. Das Chondriom in den jungen Eikammeranlagen. Bei dem Übergang der Rosetten in die in den Eikanimern der ^Eiröhren angeordneten Oocyten samt Nährzellen scheint immer eine gewisse Anzahl von den 15 Nährzellen der Rosette (Sechzehnzellen- stadium) zugrunde zu gehen, weil die Zahl der Nährzellen in den Eikanimern oft weniger als 15 auszumachen scheint. Nun habe ich mich überzeugt, auf Grund von Durchmusterung vieler Präparate, daß in erster Linie diejenigen Nährzellen der Rosetten zugrunde gehen, die ihr ganzes Chondriommaterial der Eizelle abgegeben und somit ihre wichtigste Rolle abgespielt haben. In diesen chondriomleeren Zellen sieht man verschiedene Bilder einer Degeneration, eine Schrump- fung der Kerne und eine Vakuolisation des Cytoplasmas. Sobald aber die Rosetten sich endlich entsprechend orientiert und sich zu jungen Eikammern verwandelt haben, die aus dem Oocyten und gewöhnlich aus drei Reihen von Nährzellen, von welchen die hintersten, größten der vordersten Fläche des Oocyten direkt anliegen, wie auch aus dem umgebenden Folhkelepithel bestehen, sobald sich also, ich wiederhole, solche junge Eikammeranlagen differenziert haben, erblickt man wieder eine äußerst lebhafte Produktion des Chondrioms in den Nährzellen und eine Abgabe desselben an das Ei. In diesem Stadium sind aber keine Stiele vorhanden; die hintersten, größten Nährzellen liegen direkt der vorderen Fläche des Oocyten an und eine vScheidewand (Zellmembran) tritt zwischen den ersteren und dem letzteren auf. Die mehr vorderen, kleineren Nährzellen der jungen Eikammer liegen gleicherweise direkt den vorderen Flächen der hinteren, größeren Nährzellen an und überall sieht man deutliche Zellorenzen. In diesem Stadium ergießt sich, sozusagen, das Chondriom der Nähr- zellen in das Cytoplasma des Oocyten durch eine besondere Öff- nung in der Zellmembran, die schon vouGiardina richtig gesehen und abgebildet worden ist, und gleicherweise ergießt sich auch das Chon- driom der mehr vorderen Nährzellen in das Plama der hinteren durch je eine Öffnung in der Zellmembran, was Giardina nicht beobachtet hat. Das ganze Chondriom der Nährzellen wird also endlich dem Oocyten direkt oder indirekt abgegeben, wo es sich mit dem endogenen, d. h. im Ooplasma selbst gebildeten Chondriom vermischt. Alle diese äußerst interessanten Prozesse haben wir in den Taf. XIV, Fig. 7, 9, Taf. XIII, Fig. 4, 5, 6, Taf. XV, Fig. 13 dargestellt. 568 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, Zuerst betrachten wir die Tai. XIV, Fig. 7 und 9. In Fig. 7 sehen wir ein vermittels der KuLLschen Methode gefärbtes (in Champys Flüssigkeit fixiertes) Präparat und zwar eine Eizelle (nicht im Ganzen abgebildet) mit den zwei direkt ihr anliegenden, d. h. hintersten Nähr- zellen. Die großen Kerne der beiden Nährzellen sind vorne abgerundet, hinten aber, in der Richtung gegen die Eizelle, etwas ausgezogen und abgespitzt, was wohl darauf hinweist, daß die hier in der lebenden Zelle vorhandenen starken Ströme auf den weichen bläschenförmigen Kern einen Druck ausgeübt haben. Die Verteilung der Chondriom- elemente im Plasma der Nährzelle ist eine durchaus interessante. Eine gewisse Anzahl von Chondriosomelementen sehen wir in dem ganzen Plasma zerstreut, aber in größerer Quantität sind sie rings um den großen Kern gelagert, wo sie eine »Schicht bilden, welche vorn und seitlich dünn ist, hinterwärts aber dicker wird, um endlich an dem gegen die Kommunikationsöffnung zwischen der Nährzelle und Eizelle gerichteten Pol eine mächtige Ansammlung von Mito- chondrien zu bilden, die nach hinten wie ein starker Strom durch die genannte Öffnung in das Ooplasma gelangt. Die Mitochondrien bilden in diesem Strome sehr lange Reihen von kurzen Fädchen, in der Mitte des Stromes sind sie am dichtesten angehäuft, peripherisch etwas lockerer. Es ist auch interessant, daß dem hintersten Abschnitte des Stromes auch vom Plasma aus Reihen von Mitochondrien sich gesellen und alles fließt durch die Kommunikationsöffnung dem Ooplasma hinzu. Nachdem der Strom die Öffnung passiert hat, verbreitet er sich strahlenartig im Ooplasma, wobei Durchkreuzungen von Mitochon- drienreihen zu beobachten sind, die von verschiedenen Nährzellen in das Ooplasma gelangen, um am vorderen Eipol, direkt neben dem Kern eine große Chondriomansammlung zu bilden. In derselben sehen wir in Taf . XIV, Fig. 7 (auch in Taf . XIV, Fig. 9) ovoide oder rundhche, größere Körper, die sich hier, bei der Anwendung der KuLLschen Methode, nicht karminrot, sondern etv/as mehr ziegelrot färben, wodurch sie sehr distinkt in der Chondriommasse hervortreten. Diese Plasma- massen sind, wie uns die mit andern Methoden (Kopsch) erhaltenen Präparate überzeugen, teilweise Reste des Idiozoms, teilweise vielleicht auch Überreste des GoLGi-KoPSCHSchen Apparates, dessen Elemente dem Idiozom anliegen, wie wir es schon oben gesehen haben. Was die erwähnte Kommunikationsöffnung anbelangt, so war die- selbe schon von Giardina beschrieben und abgebildet. Die ganze Scheidenmcmljran zwischen den Nährzellen und der Eizelle färbt sich karminrot mit der KuLLschcn Methode, aber rings um die Öffnung über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 569 treten ziemlich dicke fädchenartige Körperchen hervor, die, in einer dichten Reihe nebeneinander angeordnet, einen die Öffnung begrenzen- den Ring bilden. In Taf. XIV, Fig. 7 sehen wir jederseits an der Öffnung diese Köi^erchen; an mehr flächenartig ausgefallenen oder sehr dicken Schnitten sieht man ganz deutlich, daß es sich hier um eine Reihe von dicht nebeneinander gelagerten Körperchen handelt. Ganz ähnliche Öffnungen und Ringe habe ich zwischen den mehr vorderen und mehr hinteren aneinander grenzenden Nährzellen beobachtet, wie wir es in Taf. XIII, Fig. 4 erbhcken, wo die Ringe ebenfalls aus einer Reihe von erwähnten Körperchen bestehen. Solche Ringe hat schon GiARDiNA richtig beobachtet und abgebildet; er nennt sie >>anne]lo cromatico«, weil die Körperchen sich mit Safranin färben. >>Visto con piu forte ingrandimento — sagt der Verfasser — annello cromatico si mostra constituito da une serie di granuli cromatici, come e designato nella Fig. 83. Questo curioso annello molto verosimilimente e formato a spese di granuli cromatici del nucleo della cellula nutrice^ ...<< Was diese Deutung der Genese des Ringes anbelangt, so kann ich nicht dem italienischen Forscher beistimmen. Nicht absolut spricht dafür, daß die Elemente des Ringes dem Chromatin des Kernes der Nährzellen ihre Entstehung verdanken sollen. Ich bin eher der Meinung, daß die Elemente des Ringes differenzierte Bildungen des Chondrioms selbst darstellen, und zwar; I. deshalb, weil sie sich mit denselben Mitteln und auf ähnliche Weise färben lassen, wie das Chondriom selbst, z. B. karminrot mit der KuLLschen Methode, oder schwärzlich oder tiefviolett mit dem HEiDENHAiNschen Eisenhämatoxylin ; 2. weil sie eine dem Chondriom ähnliche Form aufweisen, und zwar als kleine, sehr kurze Fädchen hervortreten. In etwas jüngeren Stadien sehen wir an der Grenze zwischen den Nährzellen und der Eizelle oder zwischen den mehr I vorderen und hinteren Nährzellen, an Schnitten, eine Reihe von Körnchen .(karminrot gefärbt nach Kulls Methode), wie wir es in Fig. 9 erblicken; die Öffnung bildet sich erst etwas später, sekundär aus, wahrscheinlich infolge des Druckes seitens des Chondriomstromes, und wir können annehmen, daß ein Durchbruch in der Scheidewand entsteht, wobei aus der Verdichtung der die Öffnung direkt umgebenden Körnchen die Bildung eines Ringes erfolgt. Sei es, wie es sei, für uns ist die Tatsache wichtig, daß in das Cytoplasma des Eies kolossale Ströme des Chon- drioms aus den Nährzellen hineindringen. Ein ähnhches Bild wie in Taf. XIV, Fig. 7 sehen wir auch in Taf. XIVj I 1 Von mir gesperrt. Zeitscluiit f. wissenscli. Zoologie. CXVII. BJ. 37 570 Jozef Nusbaiim-Hilarowicz, Fig. 9. Hier aber, wie schon erwähnt, sind noch,keine großen Öffnungen an der Grenze zwischen Nährzellen und Eizelle sichtbar und wir müssen annehmen, daß hier die feinen Chondriomreihen die Grenzmembran einfach durchpassieren; da diese Membran aus feinen Körnchen gebaut ist, können wir annehmen, daß die Chondriomreihen in Lücken zwischen diesen Körnchen ihren Weg finden, bis endhch eine größere einheit- liche Öffnung entsteht und ein Teil der erwähnten Körnchen eine rino;- artige Umgrenzung dieser Öffnung bildet. Auch in Taf. XIV, E'ig. 9 erblicken wir die charakteristische Zuspitzung der Kerne der Nähr- zellen am hinteren Pol. In Taf. XIV, Fig. 9 sehen wir außerdem, daß von einer der mehr vorderen Nährzellen ein ähnlicher, aber natürhch etwas kleinerer Mitochondrienstrom ausfließt und in eine hinter ilu- folgende, größere Nährzelle hineindringt. In dieser Abbildung sehen wir auch einige größere und kleinere Fetttropfen, die sich durch die Osmiumsäure tiefschwarz tingiert haben; sie liegen bis jetzt an dem- jenigen vorderen Pol des Eies, in direkter Nachbarschaft des Kernes, wo sich auch das Chondriom hauptsächlich ansammelt. In Taf. XIII, Fig. 1, 5 und 6 finden wir (bei schwächerer Vergrößerung) dieselben Verhältnisse. Fig. 4 ist besonders interessant, da hier in dem- selben Präparate vier Chondriomströme zu sehen sind: zwei dünnere, die von den vorderen zu den hinteren Nährzellen verlaufen, und zwei dickere und ansehnlichere, die von den hinteren Nährzellen ausgehen und in das Ei hineindringen. Zwischen dem Paar vorderer und hinterer Nährzellen sieht man in der Grenzmembran zwei Penetrationsöffnungen. Es ist interessant, daß auch im Plasma der vorderen Nährzellen hier und da Reihen von Mitochondrien zu sehen sind, die gegen die Pene- trationsöffnung gerichtet, dem Hauptstrom sich gesellen. Es ist dies ein höchst interessantes Bild; man möchte sagen, daß die Natur im Momente ihrer feinsten biologischen Tätigkeit sich an .diesen Präpa- raten unsern Augen darstellt. In den beiden vorderen Nährzellen (Taf. XIII, Fig. 4) sieht man schon am vorderen Pole beider Zellen sehr wenige Mitochondrien; fast alles Material ist hier nach dem hinteren Pol überwandert, indem die Ströme rings um den Kern von vorne nach hinten zufließen. In den beiden hinteren Nährzellen sammelt sich das Chondriommaterial der vorderen Nährzellen in reicher Menge zuerst am vorderen Kernpol an, um von hier an, samt dem von den hinteren Nährzellen selbst abstammenden Chondriom den Kern dieser Nährzellen zu umgeben und dann als Hauptströme in die Eizelle einzudringen. Ähnhche, schöne Bilder zeigt auch Taf. XV, Fig. 13 (Eiscnhämatoxylinfärbung). über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 571 E. Weiteres Verhalten des Chondrioms im jungen Ei. Nachdem die Nährzellen ihi- ('hondriom der Eizelle abgegeben haben, verschwinden die Komniunikationsöffnungen und die aktive Eolle der ersteren kommt damit zu Ende. Die Nährzellen zeigen von nun an Bilder einer allmählichen Degeneration, was auch dadurch bedingt wird, daß die Eizelle bedeutend wächst und einen Druck auf die Nährzellen ausübt. Ich bin der Meinung, daß die Abgabe des Chon- drioms, eines so überaus wichtigen morphologischen Bestandteils des Protoplasmas vielleicht eben eine der Ursachen dieser allmählichen Involution der Nährzellen ist. Nach der Übergabe des Chondrioms an das Ei seitens der Nälir- zellen besitzt das Ooplasma zwei Chondriomarten, die wir als eigenes — endogenes oder autochthones — und ein fremdes — exogenes oder alloiochthones — Chondriom bezeichnen möchten. Es ist aber unmöglich, mit unsern Methoden die beiden Chondriomarten vonein- ander zu unterscheiden, da sie wirklich in keiner Weise strukturell differieren und als Körnchen, Körnchenreihen, kurze Fädchen und längere Fädchen erscheinen, mit verschiedensten Übergängen von einer Form zur andern. Nur topographisch sind die beiden Chondriom- arten teilweise abgegrenzt, indem das autochthone Chondriom im ganzen Ooplasma zerstreut, das alloiochthone aber anfangs haupt- sächlich (nicht ausschheßhch) rings um den Kern angehäuft liegt,. wo es eine ziemlich dicke »Schicht bildet, die wir perinukleäre Chondriomschicht nennen werden. Diese perinukleäre Chondriom- schicht bildet sich in der Weise, daß anfangs nur am vorderen Eipol neben dem Eikern eine xlnsammlung von Chondriomelementen zum Vorschein kommt, die von den Nährzellen abstammen, bald aber um- gibt diese Schicht den Kern auch seitlich vmd hinten, so daß sie eine überall gleichdicke perinukleäre Schicht bildet. Diese verschiedenen Stadien ihrer Bildung sehen wir in Taf. XIV, Fig. 7, 9; Taf. XIII, 4, 5, 6 und 3; in dieser letzteren Figur ist diese Schicht bereits überall gleichdick, w^ährend in Fig. 7 und 9 erst die ersten Anfänge ihrer Bil- dung am hinteren Kernpol zu sehen sind. Bald beginnt aber ein inter- essantes Stadium einer centrifugalen Wanderung der Ele- mente dieser Schicht. Schon in früheren Stadien, wie wir es in Taf. XV, Fig. 13 und be- sonders in Taf. XIV, Fig. 7 sehen, entspringen von der perinukleären Schicht Reihen von Mitochondrien, einzeln oder zu kleinen Bündeln verbunden und gegen die Eiperiplierie gerichtet; sie sehen wie kleine 37* 572 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, Zapfen ans, aus Reihen von Mitochondrien bestehend. Eine Anzahl solcher Chondrionireihen entspringt fächerartig schon direkt vom Hauptstrom, der von der Nährzelle in die Eizelle führt, wie dies schön in Taf. XIV, Fig. 7 und 9, wie auch in Taf. XV, Fig. 13 zu sehen ist. Diese Mitochondrienreihen, oder, wie wir sagen können, Mitochondrien- strahlen zerfallen bald in ihre Bestandteile, in einzelne fädchenförniige oder körnchenartige Elemente, die sich im Ooplasma zerstreuen. Bald beginnt ein ähnhcher Prozeß überall rings um den Kern sich zu vollziehen; es erscheinen an der ganzen Peripherie der peri- nukleären Schicht Züge von Chondriomreihen, die in das Ooplasma centrifugal ausstrahlen, wie wir dies sehr schön in Fig. 10 erblicken; man sieht dasselbe auch in Taf. XV, Fig. 12. In dem Maße, als diese C'hondriomreihenstrahlen peripherwärts in ihre Bestandteile zerfallen, die sich gleichmäßig im Ooplasma verteilen, wird allmählich die peri- nukleäre Schicht verbraucht und verschwindet endlich vollkommen. Bald aber, ohne jede bestimmte zeitliche Grenze, beginnt ein neues Stadium — und zwar folgt eine Verdichtung des Chondriom- materials an der Eiperipherie, eine Bildung einer peripheren Chon- driomschicht. Wir sehen dieselbe in Taf. XV, Fig. 11 {p), wo au der Eiperipherie direkt unter dem Follikelepithel eine Verdichtung des Chondriommaterials zustande kommt. Sehr früh läßt sich eine gewisse Differenz erblicken zwischen dem Chondriom der peripheren Schicht und demjenigen, welches im übrigen Teile des Ooplasmas zerstreut ist. Und zwar sieht man im ersteren in weit überwiegender Anzahl kurze Körnchenketten und einzelneKörnchen, während im letzteren zum größten Teil Fädchen und teilweise auch Körnchenketten hervortreten. Je größer das Ei, desto deutlicher diese Differenz, wobei die einzelnen Körnchen der peripheren Schicht etwas an Größe zuzunehmen beginnen. Diese Differenz läßt sich besonders in Taf. XV, Fig. 11 beobachten. Auch die Taf. XVI, Fig. 20, welche ein nach KopscHscher Methode (s. oben) erhaltenes Präparat darstellt, ist in dieser Hinsicht besonders interessant. Wir sehen hier einen Teil des Ooplasmas samt einer Schicht von Folhkelepithel. Während im tieferen Abschnitte des Ooplasmas hier besonders lange, gerade oder gebogene und wellenförmig verlaufende Fädchen, wie auch Fädchen- und Körn- chcnkettchen hervortreten, unter welchen hier und da je drei von einem gemeinsamen Punkte auslaufen, sieht man im Gegenteil in der peripherischen Chondriomschicht größtenteils schon bloß einzelne Körnchen oder kürzere und mehr lockere Körnchenkettchen ; die Fädchen treten hier aber in überaus kleiner Anzahl auf und sind im über das Verhalten des Cliondrioins während der Eibildung usw. 573 allgemeinen viel kürzer. In manchen Körnchenkettchen der peri- pheren Schicht sind die einzelnen Körnchen so weit voneinander ent- fernt, daß man hier schon von zerfallenden Körnchenkettchen sprechen kann. In dem Maße als einzelne Körnchen oder Körnchenkettchen des Chondrioms sich in größerer Anzahl in der peripheren Schicht an- häufen, unterliegen sie zweifachen Veränderungen und zwar: 1. sie wachsen, indem sie zu ansehnlichen Kügelchen werden; 2. sie verlieren allmählich die Fähigkeit, sich mit denjenigen Färbungs mittein zu tin- gieren, welche das unveränderte Chondriom färben. Die wachsenden K(')rnchen und Kügelchen verwandeln sich direkt zu Dotterkügelchen, welche durch das weitere Wachstum die großen Dotterkugeln bilden. Der Übergang von den Chondriomkörnchen zu den Dotterkügelchen ist ein so allmählicher und gradueller, daß es absolut keinem Zweifel unterliegen kann, daß wir es hier mit einer direkten Verwandlung der Chondriomelemente in Dotterelemente zu tun haben. Was die Färbung anbelangt, so tingieren sich die etwa doppelt so groß gewor- denen Chondriomelemente ganz ebenso intensiv wie die normalen, un- veränderten; wenn sie aber noch größer werden, beginnt schon die Mitte des Körnchens sich schwächer zu färben, während die kortikale Partie ihre Färbungsfähigkeit noch behält. Mit der KüLLschen Me- thode erhalten wir Kügelchen, die peripherisch intensiv karminrot, in der Mitte schwach röthch gefärbt sind, wie wir dies in Taf. XIII, Fig. 2 sehen. In noch größeren Dotterkügelchen färbt sich auch schon die kortikale Substanz nicht mehr. Der Übergano- von Chondriomelementen in die des Dotters ist ein so gradueller, daß hier und da in der peri- pheren Chondriomschicht noch lockere Chondriomkettchen vorhanden sind, deren Körnchen schon viel größer als die unveränderten sind und sogar auch schon in ihrer Färbungsfähigkeit in der oben beschrie- benen Art und Weise verändert erscheinen. Die Dotterbildung schreitet im Ei in centripetaler Richtung fort; sie beginnt, wie wir gesehen haben, in der peripheren Chondriomschicht, sehr bald aber erscheinen die Dotter- elemente in mehr centralen Partien des Ooplasmas, wo sie auf dieselbe Weise in situ durch direkte Umbildung der Chondriomelemente ent- stehen. Es ist aber besonders wichtig, daß überall, wo das Chondriom sich in den Dotter verwandelt, ein Teil des ersteren in unveränderter Gestalt als Körnchen und winzige Fädchen übrigbleibt, im Grund- plasma eingebettet. Im vollständig entwickelten Ei, welches eine kolossale Menge von Dotterschollen enthält, findet sich überall zwischen diesen Schollen, besonders aber um den central gelegenen Kern und 574 Jozcf Nusbaiim-Hilarowicz. an der Peripherie angehäuft ein unverändertes Protoplasma, welches eine Anzahl von unveränderten Chondriomelenienten enthält, die dann in Gewebe des sich entwickelnden Embryo übergehen. F. Fettbiidung. Außer den Dotterkugeln finden wir im Grundplasma des Eies Fettkugeln eingebettet. Das Fett erscheint sehr früh, viel früher als die Dotterelemente. Schon im Stadium, welches als Übergang von der Rosette zu jungen Eikammerstadien bezeichnet werdeii kann, bemerkt man am vorderen Eipol direkt neben dem Kern einige ziemlich ansehnliche Fetttropfen. In einem etwas älteren Stadium, wenn die Mitochondrienströme (die von den Nährzellen zu der Eizelle führen) schon sehr kräftig entwickelt sind, finden wir eine Anzalil größerer und kleiner Fettkugeln an dem vorderen Eipol, in direkter Nachbarschaft des Kernes, wie es in Taf. XIV, Fig. 9 zu sehen ist; das Präparat wurde in Champys Flüssigkeit fixiert; es schwärzten sich deshalb durch Osmiumsäure die Fettkugeln. Beim längeren Verbleiben des Präparates in Terpentin unter dem Einflüsse der Sonne verschwin- den diese letzteren. Das weitere topographische Verhalten des Fettes erinnert an dasjenige des Chondrioms, exogenen Ursprunges. Und zwar in dem Maße, als dieses Chondriom, vom vorderen Eipol be- ginnend, den Kern von allen Seiten umgibt, verteilen sich auch die Fettkugeln in der ganzen perinukleären Chondriomschicht (vgl. die Taf. XIII, Fig. 4, 5, 6 und auch die Taf. XVI, Fig. 14, die mit der Kopsch- schen Methode i erhalten worden ist, wobei aber das Chondriom sich nicht mitgefärbt hat, das Fett dagegen in großer Üppigkeit zum Vorschein kam). Sobald die Ausstrahlung des Chondrioms in der Richtung von der perinukleären Schicht gegen die Eiperipherie beginnt, werden auch die Fettkugeln mitgerissen, wie dies in Taf. XV, Fig. 10 zu sehen ist, und verteilen sich im ganzen Ooplasma. Über die Entstehung des Fettes im Ei kann ich nicht so sichere und unzweideutige Tatsachen mitteilen, wie in bezug auf die Genese 1 Dieses Präparat verblieb in der Mischung des Sublimats mit Osmiumsäure 5 — 6 Stunden, was vielleicht die Ursache war, daß das Chondriom sich nicht mitgefärbt hat. In Präparaten, die nur eine Stunde lang in dieser Mischung ver- blieben und dann nur nach kurzem Abwaschen mit destilliertem Wasser in 2% Oämiumsäure (Kopsch) eingelegt worden sind, tingierten sich die Chondriom- eleraente äußerst schön und vollkommen (Taf. XVI, Fig. 20), wie schon oben be- merkt wurde. über das Verhalten des Chondrioms Wcährend der Eibildung usw. 575 des Dotters. Es scheint mir aber sehr wahrscheinhch zu sein, daß das Fett in erster Linie aus den Zerfall produkten des Golgi-Kopsch- schen Apparates entsteht. Zugunsten dieser Annahme sprechen fol- gende zwei Tatsachen: 1. Das Fett erscheint nicht immer in Form zuerst sehr kleiner Tröpfchen (wie die kleinsten Elemente des Dotters), vielmehr erscheint es gewöhnlich in sehr frühen Stadien als ziemhch große Kugeln (vgl. die Taf. XIV, Fig. 9; auch Giardina gibt an, daß in sehr frühen Stadien am vorderen Eipol große Fettkugeln erscheinen); es geht daraus hervor, daß das Fett nicht durch allmähliches Wachstum von kleinsten Anlagen, vielmehr aus irgendwelchem vorgebildeten und in größeren Massen aufgespeicherten Material im Ooplasma entsteht. 2. Die Fettkugeln erscheinen immer zuerst an einer bestimmten Stelle und zwar am vorderen Eipol in direkter Nachbarschaft des Kernes. Wir sahen aber, daß eben an dieser Stelle in früheren Stadien beson- dere Körperchen von ziemlich bedeutender Größe auftreten, die sich mit Osmiumsäure schwärzen, in Terpentinöl nicht aufgelöst werden, also kein Fett darstellen, vielmehr als Bildungen betrachtet werden müssen, die dem GoLGi-KopscHschen Apparate entsprechen, wie wir es besonders schön in Taf. XVI, Fig. 15 erblicken (a). In den folgenden Stadien findet man schon keine Spuren des Apparates, aber in der- selben Stelle, topographisch genau bestimmt, erscheinen die ersten ziemlich großen Fettkugeln. Da aber auch auf Grund von chemischen Überlegungen die Umwandlung der Apparatbestandteile in Fett höchst plausibel ist, scheint mir die obige Annahme sehr wahrscheinlich zu sein. Was diese chemische Seite der Frage anbelangt, so wissen wir, daß vorwiegend das Lezithin die Substanz des Apparates bildet und daß anderseits zu den Spaltungsprodukten des Lezithins stickstoff- haltige Bestandteile und Fettsäuren gehören, indem die Glyzerin- phosphorsäure in allen Lezithinen auftritt (s. Ivar Bang, Chemie und Biochemie der Lipoide. Wiesbaden 1911, S. 48); nach Thudichum sind es vorwiegend die Fettsäuren, deren Individualität das betreffende Phosphatid charakterisiert. Das Lezithin enthält nach Thudichum Ölsäure, Stearin- oder Palmitinsäure, und aus den Beobachtungen von Henriques und Hansen folgt, daß dasselbe auch ungesättigte Fettsäuren mit mehr Doppelbildungen als die Ölsäure enthalten muß (IvAR Bang, 1. c. S. 49). G. Einige Nebenerscheinungen und Theoretisches. Ich muß noch einige Nebenerscheinungen betrachten, die mit der Bildung des Deutoplasmas innigst- verbunden sind. Und zwar habe 576 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, ich oft beobachtet an Präparaten, die in Champys Flüssigkeit fixiert worden sind, daß sowohl in den Nährzellen, wie auch in den jungen Eizellen ein Teil des Protoplasmas um den Kern mehr verdichtet erscheint, mit KuLLscher Tinktionsmethode sich mehr rötlich färbt und daß in diesem Plasma alle Mitochondrien und Fettkügelchen lieoen bleiben, während in dem umgebenden, peripheren Plasmateil, der sich mehr bläulich tingiert, fast keine mitochondfiale Bildungen, wie auch Fettkügelchen zurückbleiben. Diese Verhältnisse sehen wir schön ausgeprägt in Taf. XIII, Fig. 5 und 6. Auch in Fig. 3 erblicken wir ein etwas ähnliches Bild, das für die in der Entwicklung mehr vorgeschrit- tenen Eizellen charakteristisch ist; am hinteren Eipol sehen wir hier das mehr flüssige, bläulich tingierte Plasma, in welches mehrere Ausläufer aus dem das ganze Chondriom und Fettmaterial enthaltenden Ooplasma hineindringen. Alle diese Bilder halte ich für Artefacta. Es kommt immer, infolge der Wirkung von Reagentien, zu einem Zusammen- ziehen des Ooplasmas, wobei alle dichteren Teile und zwar die Filar- substanz nebst Chondriommaterial und Fett mit einem Teil der Inter- filarsubstanz sich centralwärts gegen den Kern zusammenzieht, wäh- rend mehr peripherisch nur die flüssigere Substanz ohne Chondriom- material übrigbleibt. Daß es Artefacta sind, dafür sprechen zwei wich- tige Tatsachen. Und zwar: erstens, daß das verdichtete centrale Plasma immer mehr oder weniger unregelmäßige, oft eckige Konturen zeigt (Taf. XIII, Fig. 5, 6), und zweitens, daß bei der Fixierung in einem sehr fein konservierenden Gemisch von Subhmat + Osmiumsäure solche Bilder nicht zum Vorschein kommen. Auf ganz ähnhche Weise entstehen auch Bilder, die wir im Eikern antreffen, wie es z. B. in Taf. XV, Fig. 12 zu sehen ist. Der Kern ist lappig (an einer Seite), wobei überall die Kernmembran, durch einen hellen Saum vom Kerninhalte abgegrenzt, ganz deuthch zu sehen ist. Zwischen der Kernmembran und der perinukleären Chondriomschicht sieht man an derjenigen Seite, wo die Kernlappen vorhanden sind, eine sehr breite, helle Plasmamasse, in welcher keine festeren Einschlüsse zu finden sind; die etwas zackige innere Grenze der perinukleären Chondriomschicht entspricht mehr oder weniger dem lappigen Rande des Eikernes. Alle diese Tatsachen sprechen ohne Zweifel dafür, daß wir es auch hier mit einem Ai'tefactum zu tun haben; infolge der Wirkung von Reagentien hat sich die festere Kernsubstanz centralwärts samt der Kernmembran zusammengezogen und ein Teil des flüssigen Kern- inhaltes (Kcrnsaftes) wurde nach außen ausgeschieden. Manche von den älteren Autoren gegebene Bilder (besonders von Will, 31, 1886, über das Verhalten des Chondrioras während der Eibildimg usw. 577 bei Cohjmbetes) entsprechen ohne Zweifel denjenigen, die wir oben angeführt und als Artefacta gedeutet haben. Mit obigen Fragen verbindet sich diejenige über den Bau des Ooplasmas und des Cytoplasmas im allgemeinen. Ich halte es für besonders wichtig, dieser Frage näherzutreten und zwar in Anbetracht dessen, daß, wie allgemein bekannt, Gustav Eetzius (1912) in letzteren Jahren gegen die Mitochondrienlehre hervorgetreten ist, indem er von dem Standpunkte ausging, daß diese Lehre nichts Neues enthält und daß der Mitochondrienbegriff in sehr vielen Fällen mit dem gekörnten Mitom Flemmings und den ÄLTMANNschen Granula übereinstimmt. »Daß solche Körner (d. h. Mitochondrienkörner) — sagt Retzius — sich hier und da zu Fäden, Chondriomiten, zusammenfügen können, ist ja schon seit lange bekannt. Ebenso daß bei manchen Zellarten im Zellkörper färbbare Fäden andrer und verschiedener Art auftreten, welche aber von verschiedener Natur und Bedeutung sein können. Die Tendenz der neueren Forschung auf diesem Gebiete ging mehr und mehr in der Richtung der genannten Anschauung, so daß diese Lehre von den Mitochondrien und Chondriomiten sich immer mehr erweiterte und das Gebiet des FLEMMiNGschen Mitoms erobern wollte, ja soweit, daß zuletzt fast alle fädigen und körnigen Bildungen von der Mito- chondrienlehre annektiert wurden. << Es unterliegt keinem Zweifel, daß sehr viele körnchenartige Bildungen^ die in letzteren Jahren als Chondriosomen, Piastosomen, Mitochondrien usw. von verschiedenen Autoren beschrieben worden sind, den ALTMANNSchen Granula oder Bioblasten entsprechen, und weiter unterliegt es auch keinem Zweifel, daß manche fadenför- mige Bildungen, die als Chondriomiten, Chondriokonten in letzteren Jahren beschrieben wurden, dem FLEMMiNGschen Mitom ent- sprechen. Es ist aber, meine ich, grundlos zu behaupten, daß alle als Chondriom bezeichnete Bildungen mit den obenerwähnten Struk- turen identsich sind. Meiner Meinung nach differieren die Chondriom- strukturen von den ALTMANNschen Granula im allgemeinen darin, daß sie: 1. Als Körnchen auftreten, die die Tendenz zeigen, in kurze Fäd- chen, in längere Fädchen, in Reihen von Körnchen und in Reihen von Fädchen, wie auch in Gestalt von dickeren Fädchen zu erscheinen oder vice versa; diese Tendenz ist so charakteristisch und so all- gemein verbreitet, daß sie als Unterscheidungsmerkmal von denjenigen ALTMANNschen Granula dienen kann, die eine solche Tendenz nicht aufweisen. Ich bin der Ansicht, daß der Granulabegriff ein viel breiterer 578 Jozef Nusbanra-Hilarowicz, ist, als der Chondriombegriff. Das Chondriom bildet also morpholo- gisch eine besondere Art von Granula im Sinne' Altmanns. 2. Das Chondriom unterscheidet sich von andern granulären (und auch fadenförmigen) Plasmabildungen auch in chemischer Hinsicht: die Chondriomelemente enthalten immer Lipoide und Eiweißsub- stanzen, weshalb sie sich charakteristisch gegen manche Keagentien und Tinktionsmittel verhalten, z. B. sie schwärzen sich mit Osmium- säure, wobei sie nach nachfolgender Behandlung des Präparates mit Terpentin nicht verschwinden. Nicht alle Granula und auch nicht alle Fila (im Sinne Flemmings) besitzen eine solche chemische Eigenschaft. Wir können also sagen, daß auch in bezug auf che- mische Eigenschaften die Chondriosomen oder Chondriomiten und Chondriokonten nur eine besondere Art von granulären und faden- förmigen Bildungen des Protoplasmas darstellen. Was speziell das Verhalten des Chondrioms zu dem Mitom oder den Fila Flemmings anbelangt, so läßt sich auch« hier dasselbe sagen. Der Mitombegriff Flemmings ist ein viel breiterer; die Chondriomfäden sind nur eine spezielle, äußerst verbreitete Art von Mitom oder vom Fadengerüst des Protoplasmas im allgemeinen, oder sie bilden nur besonders differenzierte Teile desselben. Hier läßt sich dasselbe bemerken, was wir oben ausgesprochen haben. Vom Mitom im allgemeinen unterscheidet sich nämlich das Chondriom in zweifacher Hinsicht: erstens morphologisch, d.h. daß es die Tendenz zeigt, in Körnchen oder Fädchen aufzutreten, zweitens chemisch, d. h. daß es immer Lipoide neben den Eiweißsubstanzen enthält. In vielen Fällen liegen ohne Zweifel die Chondriomelemente in dem FLEMMiNGschen Mitom, sie sind sozusagen eingebettet in der Substanz des allgemeinen Fadengerüstes, sie bilden differenzierte Ab- schnitte dieses letzteren, und dann bekommen wir Bilder, wie sie uns Retzius in Fig. 1 — 4 seiner obenerwähnten Arbeit (1912) »Zur Frage von dem Problem der Protoplasmastruktur« gibt. In solchen Fällen bekommen wir mit gewöhnlichen Methoden nur die Fila, mit speziellen — die in diesen Fila eingebetteten Chondriomelemente. Aber zu dem allgemeinen Begriff des Fadengerüstes des Protoplasmas, zum Begriff des Mitoms, als einer mehr verdickten fädigen Substanz, zwischen welcher das mehr flüssige Paramitom (Interfilarsubstanz) Flemmings liegt, gehören auch ja die plasmatischen fädigen Strahlungen, wie auch die zarten Fäden der Kernspindel im Stadium der Zellteilung. Flemming (1891) hat bereits nachgewiesen, daß die Polstrahlungen durch eine direkte Umwandlung und Umformung des Mitoms ent- über das Verhalten des Chondrioras während der Eibildung usw. 579 stehen und die überwiegende Zahl späterer Forscher (auch G. Ketzius) hat sich dieser Ansicht angeschlossen. Wenn aber Boveri (1895), Meves (1912 und in früheren Arbeiten) und manche andre Forscher die Strahlen als besondere Strukturen betrachten, die von den Centren auswachsen, so sind dieselben jedenfalls sehr feine fädige Plasma- strukturen, die morphologisch ganz dem Mitombegriff entsprechen. Nun hat bekanntlich Meves (1910) in den Zellen der lymphatischen Randschicht der Leber des Salamanders »die Chon- driosomen zwischen den Fäden der Strahlung gelegen« gesehen und deshalb die feinfädigen Strahlungen als etwas vom C^hondriom ganz Unabhängiges erklärt. Zu demselben Schluß gelangt er in seiner Arbeit (20) von 1915 »Was sind Piastosomen?« Daß die Mitochondrien ganz unabhängig von den Polstrahlungen sind^ das beweisen sehr deutlich auch meine Präparate^ und zwar sehen wir in jungen Oogonien (Taf. XIII, Fig. 1 und Taf. XVI, Fig. 21), daß sowohl bei der Anwendung der KuLLschen Methode, wie auch nach der Kopsch- schen, die Plasmastrahlungen absolut unabhängig von den Mitochon- drien sind; diese letzteren liegen zwischen den Polstrahlungen, bilden radiär angeordnete Reihen, aber sie sind sehr gut von den eigentlichen Plasmastrahlungen unterscheidbar, sie sind karminrot (Kull), oder schwarz (Osmiumsäure) gefärbt, während die feinen Plasmastrahlungen fast ungefärbt bleiben; sie können zwar stellenweise den Fäden der Polstrahlungen anliegen, aber immer sind sie von denselben vollkommen unterscheidbar. In dieser Hinsicht bin ich also mit Meves im Ein- klang, nicht aber mit Benda (1898), der zwar an ganz andern Objekten, nämlich beim Studium der Spermatogenese, die Zugehörigkeit der Mitochondrien zu den Fäden der Strahlungen und Gerüste annimmt. Anderseits aber, wie ich schon oben bemerkt habe, bin ich sicher, daß auch Benda (3, 1898), Retzius (25, 1914), Hirschler (15, 1913) u. a. vollkommen recht haben, wenn sie behaupten, daß die Chondriomele- mente in den Mitomfäden eingelagert sein können und vielfach auch eingelagert sind. Ich behaupte aber, indem ich mich u. a. auf meine, die Oogenese der Insekten betreffende Präparate stütze, daß in vielen Fällen die Chondriomelemente von den Polstrahlungsfäden und andern Gerüstfäden des Protoplasmas, die sich mit dem allgemeinen Mitom- begriff Flemmings decken, ganz unabhängig sind und in der Interfilar- substanz liegen. Für eine solche ilnnahme spricht in hohem Maße, meine ich, die von mir konstatierte wichtige Tatsache, daß das Chon- driom von einer Zelle in die andre überwandern kann; ein »Gerüst« könnte nicht von der Nährzelle in die Eizelle so leicht überwandern. 580 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, das können nur frei im Plasma eingebettete Körnchen oder Fädclien mitmachen, die dank besonderen Strömen des flüssigen Plasma oder besonderen Kontraktionen desselben von einem Ort nach einem andern, weit entfernten übertragen werden. Und auch im Bereiche derselben Zelle überwandern die Mitochondrien, wie wir gesehen haben, von einer Gegend in die andre, ganz bestimmte, was nur möglich wäre in solchem Falle, wenn sie frei im flüssigen Plasma eingebettet würden und wenn dasselbe ganz bestimmte Kontraktionen ausführe. Das Chon- driommaterial, wenigstens das alloiochthone, liegt nämlich zuerst an einem Pole des Eilcernes, dann umgibt es den ganzen Kern mit einer perinukleären Schicht, etwas später migriert es in centrifugaler Rich- tung, indem die Mehrzahl der Chondriomelemente eine besondere verdichtete periphere Schicht bildet und erst nachher verteilt es sich gleichmäßig im ganzen Ooplasma. Ich kann mir nicht vorstellen, wie alles dies möglich wäre, wenn das Chondriom ausschließlich in den Fäden des plasmatischen Gerüstes eingebettet sein würde, wie es Benda und Retzius annehmen, oder wenn das Chondriom das ganze Mitom selbst bilde, wie es z. B. Samsonow (27) annimmt. Ich bin also der Meinung, daß man einerseits ein 1. im Mitom eingelagertes und 2. ein außerhalb des Mitoms liegendes (im Paramitom eingebettetes) Chondriom unterscheiden kann, und daß man anderseits 1. von einem chondriomhaltigen Mitom und 2. von einem nicht chondriomhaltigen Mitom (zu welchem u. a. die Polstrahlungen in vielen Fällen gehören) sprechen kann. Was die biologische Bedeutung des Chondrioms anbetrifft, welches, wie viele neuere Arbeiten uns zu Genüge gezeigt haben, eine so ver- schiedenartige und äußerst wichtige Rolle in der Bildung zahlreicher Zellstrukturen, wie auch bei der Produktion der Dotterelemente, Fette, verschiedenartiger Secretgranula usw. spielt, wie das in äußerst über- sichtlicher Form u. a. aus den schönen Arbeiten von Duesberg (6, 1912) und J. Arnold (2, 1914) zu ersehen ist, so teile ich vollkommen die Ansicht derjenigen Forscher, welche das Chondriom als beson- ders differenzierte und zwar sowohl im morphologischen, wie auch chemischen und physiologischen Sinne^ Teile des Proto- plasmas betrachten, welche mit verschiedenartigen Bil düng s- und Umbildungspotenzen begabt sind. Sie sind gewissermaßen' eine Elite der Plasmabestandteile und sind auch mit regulato- rischen Eigenschaften begabt,'"da sie — worüber ich mit Regaud (1909) und Renaut übereinstimme — auch fähig sind, eine Auswahl zwischen verschiedenen Substanzen des Zellplasmas zu vollziehen und I über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 581 dieselben dann unter verschiedenartigen Formen auszulesen. Wenn wir den PRENNANTsclien Ausdruck >> protoplasme superieure« in dei: Biologie der Zelle behalten, so sollen wir mit demselben in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, das Chondrioni bezeichnen. Ich möchte noch bemerken, daß mein Begriff des chondriomhal- tigen Mitoms sehr wahrscheinlich dem Begriff der »quergegliederten fädigen Plasmaelemente« (in den Leukozyten) M. Heidenhains (1892), wie auch dem Begriff »der mit Körnchen (Mikrosonien) besetzten Fäden« W. Flemmings und den »gekörnten Fäden« von G. Retzius ent- spricht. Anderseits deckt sich mein Begriff des Chondrioms, welches außerhalb des Mitoms, also im Grundplasma (Paramitom) liegt, teil- weise mit dem Begriff von »Körnern, die zwischen den Fäden des Mitoms liegen und mit den Miki'osomen nicht verwechselt werden onögen« von G. Retzius (Archiv f. mikr. Anatomie, 1914, S. 212). Retzius zählt aber zu solchen Körnern schon fertige, stark differenzierte Elemente, wie Secretgranula der Drüsenzellen, Dotterkörner der Ei- zellen usw. Wir haben aber gesehen, daß solche Granula, Körnchen schon sehr früh in den Oogonien und in den Nährzellen hervortreten, ehe noch Dotterelemente vorhanden sind und daß diese Körnchen teilweise den Dotterelementen den Anfang geben, teilweise aber im Eiplasma unverändert bleiben, um das Chondriom des fertigen Eies zu bilden und dann in das Plasma der Blastomeren und des Blasto- derms überzugehen. Wir müssen also auch ein Vorhandensein von elementaren, im Grundplasma (außerhalb des Älitoms) liegenden Körnchen annehmen, denen die Fähigkeit zukommt, in Körnchen- reihen und Fädchen aufzutreten, sich spezifisch zu färben (z. B. mit Osmiumsäure sich schwiirzen) und manchen paraplastischen Bildungen den Anfang zu geben. Ich meine also, daß mein Begriff eines para- mitomischen Chondrioms nicht unbegründet erscheint. Ich fasse meine Ansichten in einer folgenden Übersicht zusammen: Als Chondriom bezeichne ich die elementaren Plasmastrukturen, die zum größten Teil, aber nicht in allen Fällen, dem Begriff der Altmann- schen Granula entsprechen und die 1. eine Tendenz haben, Körnchen- reihen, kurze und längere Fädchen zu bilden, 2. spezifisch sich färben lassen (sie enthalten Lipoidsubstanzen), und 3. zu verschiedenen Um- bildungen befähiot sind. Ich unterscheide ein in Flemmings Mitom eingebettetes und ein außerhalb des Mitoms, also im Grundplasma liegendes Chondriom, mit einem Worte: 1. ein niitomiales Chon- driom und 2. ein paramitomiales Chondriom. Es folgt daraus, daß wir auch von einem 1. chondriomhaltigen, sehr verbreiteten 582 Jozef Kusbaum-Hilarowicz, und 2. einem chonclriomlosen Mitom sprechen können, zu welch letzterem die Fädchen vieler Polstrahlungen (wahrscheinlich nicht aller), der Kernspindel und manche andre filamentöse Plasmabildungen gehören. In bezug auf die Bildungsstätte können wir ein 1. endoge- nes cder autochthones und ein 2. exogenes oder alloiochthones Chondriom unterscheiden. Noch eine Frage muß ich erörtern. Wir haben gesehen, daß in unserem Falle mitochondriale Strukturen den Dotterelementen ohne jeden Zweifel den Anfang geben. Nun gibt es aber Forscher, welche gerade die Bildung von paraplastischen Elementen, wie Dotter oder Secretgranula, aus den Mitochondrien nur schwer annehmen möchten. Van der Stricht (29, 30) und seine Schüler (Lams, Van Darme) haben die Bildung des Dotters aus den Mitochondrien bei manchen Säugetieren und Vögeln konstatiert, Faure-Fremiet bei den Myrio- poden. Hirschler in meinem Institute bei Ascaris usw. Nichtsdesto- weniger äußert sich darüber Benda (4) folgendermaßen (Seite 35): »Nach meinem Dafürhalten sind beide Behauptungen . . . angreifbar, wir können dagegen behaupten, daß die mikroskopischen Bilder ganz ebenso wären, wenn Mitochondrien . . . unbeteiligt wären und die Dotterkugeln und -plättchen aus einem . . . von diesen unabhängigen Element entständen ... Es wäre vorläufig die Hypothese zulässig, daß Dotterkugeln, genuine Leukozytengranulationen und Secretgranula dasselbe Strukturelement zum Substrat haben, welches dann in gleicher Weise für Fett- und Glykogenablageruugen und vitale Färbung in Frage käme ... Es ist daher anzunehmen, daß es dieses Struktur- element ist, welches den langjährigen und sorgfältigen Beobachtungen J. Arnolds vorgelegen hat. Ich hielt es deswegen für angemessen, es vorläufig auch mit dem von ihm gebrauchten Namen als Plasmo- somen zu bezeichnen. Die Identität der Plasmosomen mit den Mito- chondrien, der ich früher zugestimmt habe, würde dann fallen müssen.« Die Beobachtungen Van der Strichts, Faure-Fremiets u. a. und die oben beschriebenen meinigen Beobachtungen an Dytiscus über- zeugen uns jedoch ganz sicher, daß typische Mitochondrien direkt in Dotterkugeln übergehen können; beim Dytiscus entstehen sie ja im engsten Zusammenhange mit der Wanderung der Mitochondrien und wir sahen dort einen direkten Übergang derselben in die Dotter- elemente. Gleicherweise haben viele Forscher den Übergang der Mitochondrien in die Secretgranula bewiesen (Altmann, Eegaud, HovEN, Schultzr, neuerdings meine Schülerin Fräulein Bloch in den Hautdrüsen <\ov Planarien, Bullet, de l'Acad. d. Sc. Cracovie. Cl. uiat. über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 583 nat. Octobre 1913), wie es aus der schönen Zusammenstellung von DuESBERG (6) hervorgeht, was ich aber hier näher nicht erörtern kann. Wir müssen deshalb fragen, was eigentlich die >> Plasmosomen « im Sinne Arnolds und Bendas (1914) sind. In dieser Hinsicht stehe ich vollkommen auf Grand der Annahme von Arnold. Als >>Plasmosonien<< (Arnold, Benda) müssen wir bezeichnen nicht immer darstellbare, sehr elementare Plasmagranulationen, aus denen auch die Mitochondrien, d. h. bestimmte Strukturen, die als Fädchen, Granulakettchen oder freie Körnchen von spezifischer chemischer Natur und von spezifischer Färbungsfähigkeit uns er- scheinen, enstehen können. Ein großes Verdienst Arnolds (2) war es, daß er den Begriff der »int er granulären« Substanz näher analysiert hat. Nach Ajrnold befinden sich in dieser intergranülen, d. h. zwischen den gut darstellbaren Chondriomelementen sich befindenden Substanz ebenfalls noch äußerst feine Körnchen, welche Arnold als »Plasmo- somen« oder »Plasmomiten« bezeichnet; dieselben sind aber sehr schwer darstellbar mit unseren bisherigen Tinktionsmethoden. Arnold findet aber verschiedene »Übergangsformen« von diesen Elementen der intergranulären Substanz zu den »Mitochondrien« und nennt diese Übergangsformen »Mitosomen« ; sie sind größer als Plasmo- somen und Plasmomiten, aber färben sich noch nicht so wie die Mitochondrien. Arnold nimmt an, daß die intergranuläre Substanz gewissermaßen eine Matrix bildet, in welcher aus den Plasmosomen die Mitosomen entstehen und diese letzteren sich dann auch in Chondriosomen, Chondriomiten und Chondriokonten verwandeln können. Diese Hypothese Arnolds steht im Gegensatz zu der be- kannten Annahme von Meves, der eine Continuitas in der Ent- wicklung des Chondrioms (»kontinuierliche, plastochondrale Keim- bahn«) angenommen hat. Nach Arnold kann wenigstens ein Teil des Chondrioms direkt aus den Plasmosomen der intergranulären Substanz entstehen. Ich möchte annehmen, daß solche Plasmosomen fortwährend infolge der lokalen Verdichtungen und Umbildungen des flüssigen Plasmas entstehen können. Die ARNOLDsche Hypothese dient also unter andern zur Auf- klärung der Genese des Chondrioms. Meine Beobachtungen haben aber gezeigt, daß beim Dytiscus die paraplastischen Dotterelemente aus der Umbildung eines schon vorhandenen und ganz typischen Chondrioms entstehen, was in keinem Gegensatz zur Annahme des Plasmosenbeoriffes im Sinne Arnolds und Bendas steht. 584 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, Absichtlich erst am Ende meiner Betrachtung komme ich zur Be- sprechung der Arbeit von Th. Günthert »Über die Eibildung der Dytisciden« (Zoolog. Jahrbücher. Abt. f . Anat. u. Ontog. Bd. XXX. 1910) und zwar wegen der Sonderstellung derselben. Denn man kann darüber streiten, ob z. B. das Chondrioni etwas vom Plasmamitom Gesondertes ist, oder ob es ledighch die Mikrosomen desselben dar- stellt; aber das ganze Chondrioni der Oogonien, der Oocyten und der jungen Eier für ein Produkt des Kernchromatins und also folglich auch den ganzen Eidotter (als Produkt des Chondrioms) für eine Bildung des Kernchromatins (sie !), namentlich der »Chromidien << zu halten, das ist eine zu vage Annahme! Auf Grund dessen, was ich schon oben gesagt habe und was wir überhaupt über die Genese des Dotters in den dotterreichen Eiern wissen, hat das Chondrioni der Dytiscideneier genetisch absolut nichts mit dem Kernchromatin zu tun. Die betreffenden Beobachtungen Güntherts beruhen ohne Zwei- fel auf einem Irrtum und zwar infolge einer aprioristischen Idee unter dem Einflüsse mancher Münchener Zoologen. Denn, wie es schon Herbert Spencer ganz, richtig bemerkt hat, entstehen alle Irrtümer in der Wissenschaft aus zwei Hauptgründen: aus dem Vorhandensein von aprioristischen Ideen oder aus einem vollkommenen Mangel der- selben; die richtige Kritik ist hier dem Forscher unentbehrlich. Be- trachten wir nun die betreffende, sonst schöne Arbeit Güntherts näher. Er untersuchte die Eibildung bei verschiedenen Dytisciden, und was die frühen Stadien anbelangt, so bestätigte er im allgemeinen die oben- erwähnten Beobachtungen Giardinas über Rosettenbildungen. Er hat besonders bei Colymbetes Stränge von Nährsubstanz von den mehr vorderen Nährzellen in die mehr hinteren (was ich auch bei Dijtiscus beobachtet habe) und von den hintersten, also der Eizelle anliegenden Nährzellen der Ovarialkammer in die Eizelle sich hinziehen gesehen. Bei Colymbetes sah er eine daraus resultierende Anhäufung von Nähr- substanz im Plasma der Eizelle, beim Dytiscus hingegen hat er merk- würdigerweise »eine derartige Anhäufung von Nährmaterial i m Plasma der Eizelle niemals beobachtet«, was, wie wir aus dem Obengesagten wissen, ganz unrichtig ist, weil hier (beim Dytiscus) eben eine kolossale Anhäufung von erwähntem Material zum Vor- schein kommt. Ebenfalls ist nach ihm merkwürdigerweise »das Bild der Körnchenströmung bei Dytiscus sehr undeutlich«, nach meinen Beobaclitungen aber ist dieses Bild äußerst deutlich. Diese Differenz in unsern Beobachtungen ist aber leicht begreiflich, da Günthert nicht diejenigen Färbujigsmethoden gebraucht hat, die spezifisch für über das Verhalten des Chondrioms während der Eibildung usw. 585 das Chondriom sind. Den von mir beobacliteten Übertritt des Nähr- materials von den Nährzellen in die Eizelle schon im Stadium der Rosette hat Günthekt ebensowenig wie. Giardina gesehen. E. KoRSCHBLT (Zoolog. Jahrbücher. Bd. IV. 1889) hat bekannt- lich beim Dytiscus Körnchenstraßen von den Nährzellen nach dem Keimbläschen beobachtet, er sah aber solche Körnchenstraßen nicht nur von der vorderen Nährzellgruppe, sondern auch von der hinter dem Ei liegenden Nährzellgruppe nach dem Ei sich hinziehen. Das Vorhandensein solcher hinteren Körnchenstraßen, wie auch das Vor- handensein von pseudopodienartigen Fortsätzen des Keim- bläschens gegen die Nährzelle, die Korschelt beschrieben hat, lehnt GüNTHERT ab; er schreibt solche Fortsätze »mechanischen Insulten« zu. Diesen Beobachtungen und Bemerkungen Güntherts stimme ich auf Grund meiner Untersuchungen vollkommen bei. Die wichtigste Beobachtung Güntherts war aber die, daß das ganze Nährmaterial der Nährzellen, das später in das Ei gelangt, dem Chromatin des Kernes seinen Ursprung verdankt und zwar aus den Chromatinkörnchen, die aus dem Kern auswandern und in das Plasma gelangen, entstehen soll. In diesem Punkte war leider Günthert, wie ich annehmen darf, zu stark unter dem Einflüsse mancher Münchener Zoologen, die überall bei der Entwicklung der Geschlechtszellen den Austritt der Chromatin- eleniente und die Entstehung der »Chromidien « gesehen haben, was •sich aber in den meisten Fällen als eine Phantasie erwiesen hat, wie dies miter andern auch aus der kritikvollen und nüchternen Zu- sammenstellung Duesbergs (1912) hervorgeht. Die Fig. 75, Taf. XXII in der Arbeit Güntherts soll einen Beweis dafür liefern, daß die Körnchen der Nährzellen, die später in das Ei gelangen, infolge des Hinauswanderns der Chromatinkörnchen aus dem Kern entstehen. Ich halte es aber für ein Kunstprodukt. Günthert stützt sich hauptsächlich darauf, daß er Verlängerungen mancher Chromatinkörnchenreihen des Kernes hier und da in die Körnchen- reihen des Plasmas gesehen hat, was ein Beweis für den Austritt der Chromatinelemente sein soll! Bei gewisser aprioristischer Auffassung kann man aber solche Scheinverlängerungen oft sehen, weil im Kerne die Chromatinkörnchen überall der Kernmembran anliegen und im Plasma die Chondriomkörnchen und Körnchenreihen im gewissen Entwicklungsstadium ebenfalls dicht die Kernmembran umgeben und in verschiedenen Richtungen verlaufen. Die Auffassung Güntherts ist aber vollkommen verfehlt aus Zeitschritt f. wissensch. Zoologie. CXVIl. Bd. 38 ggß Jozef Nnsbaum-Hilarowicz, f Gierenden Gründen: 1. Günthert sieht die Bildung der »Chromidien« erst im Stadium, wo Körnclienströme zwischen dem jungen Ei und den Kährzellen hervortreten; in früheren Stadien, z. B. in den Zellen der Rosette oder noch früher, in den Oogonien, hat er dieselben mcht beobachtet; wir haben aber gesehen, daß das Chondriom schon m den Oooonien und in den Rosettenzellen auf das deutlichste hervortritt und erst sekundär häuft es sich in Gestalt einer Schicht, die den Kern umc^ibt. 2. Vom ersten Moment ihrer Erscheinung an, also schon in^'den Oogonien, färben sich die Chondriomkörnchen ganz spezifisch z. B. schwarz mit Osmiumsäure, karminrot mit der Kull- schen Methode, während die Chromatinelemente des Kernes sich ganz anders gegen diese Farbstoffe verhalten, sie bleiben fast ungefärbt nach Osmiumsäure, violett nach gelungener KuLLscher Färbung. Nur nach Heidenhains Eisenhämatoxyhn färben sich ziemhch gleich so- wohl die Chondriomelemente des Plasmas wie auch die Chromatm- elemente des Kernes, und da Güntheht keine spezifischen Farbungs- methoden für das Chondriom benutzt hat, konnte er auch deshalb leicht zu seiner irrtümhchen Annahme gelangen. 3. In allen Stadien der Oooenese bei den Dytisciden sieht man an gut konservierten Präparaten, daß die Kernmembran vollkommen unversehrt ist, während man auf Grund von schlecht konservierten und etwas ge- schrumpften Präparaten leicht zum irrtümhchen Schluß gelangen kann, daß die Kernmembran undeutlich ist oder sogar fehlt, was eben zur , Annahme der »Chromidien« den Anlaß geben kann. Lemberg, im Juni 1916. Literatur. 1. Altmann, R, Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. 2. Aufl. Leipzig 1894. „ t, j . 2. Abkold, J., Über Plasmastrukturen und ihre fimktionelle Bedeutung. 3 B^Jri!, Weitere Beobachtungen über die Mitoohondrien. Verhandl. d. pty. G;seUsch. zu Berlin. 1898, 1899, 1900 (und frühere Arbeiten). 4. - Die Bedeutung der Zeileibstruktur für die Pathologie. Verhandl. d. Deutsch, patholog. Gesellsch. Berlin 1914. 5. DUESBEEG, J., Sur l'existence de mitochondries dans 1 oeuf et lembryon d'Apis mellifica. Anat. Anz. Bd. XXXII. 1908. 6. - Piastosomen, »Apparat« rcticolare interno« und Chromidialapparat. Ergebnisse d. Anatomie u. Entw. Bd. XX. 1912. über das Verhalten des Chondrioins während der Eibildung usw. 587 7. Faure-Fbemiet, E., Etüde sur les mitochondries des Protozoaires et des celkiles sexuelles. Archives d' Anatomie Microscopique. T. XI. 1909. 8. — Evolution de l'appareil mitochondrial dans l'ceuf de Julus terrestris. Compt. Kend. Soc. Biolog. T. LXIV. 1908. 9. Flemäung, W., Zellsubstanz, Kern und Kernbildung. Leipzig 1882 und ZeUsubstanz. Verhandl. d. Anatom. Gesellsch. 1899. 10. GiABDiNA, A., Origine deiroocite e deUe ceUule nutrici nel Dytiscus. Intern. Monatsschrift f. Anatomie u. Physiologie. Bd. XVIII. Leipzig 1901. 11. — Sui primi stadii dell'oogenesi e principalemente suUe fasi di sinai^si. Anat. Anz. Bd. XXI. 1902. 12. — SuU'existenza di una zona plasmatica perinucleare nell'oocite et cet. Giornale Scienze nat. ed econom. Vol. XXIV. 1904 (im Original mir unbekannt). 13. GÜNTHEBT, Th., Über die Eibildung der Dytisciden. Zoolog. Jahrbücher, Abt. f. Anat. und Ontog. Bd. XXX. 1910. 14. Heibenhäik, M., Plasma und Zelle. 1907 und 1911 (zahlreiche Literatur- angaben); siehe auch dessen Arbeit »Über Kern und Protoplasma«. Festschrift für A. Kölliker. 1892. 15. Hirschleb, J., Über Plasmastrukturen (GoLGischer Apparat, Älitochondrien u. a.) in den Geschlechtszellen der Ascariden. Arch. f. Zellforschung. Bd. IX. 1913. 16. KOBSCHELT, E., Über die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen Zellelemente des Insektenovariums. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIII. 1886. 17. KuLiKOWSKA, S., Frl., 0 aparacie Golgi-Kopscha w komorkach nerwowych owadow (Insecta). Festschrift für Prof. Dr. J. Nusbaum-Hilarowioz (polnisch). Lemberg 1911. 18. Meves, Fb., Zur Einigung zwischen Faden- und Granulalehre des Proto- plasmas. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. LXXV. 1910. 19. — Verfolgung des sog. Mittelstückes des Echinidenspermiuma usw. Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXX. Abt. 2. 1912. 20. — Was sind Piastosomen? usw. Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXVH. 1915 (auch frühere PubHkationen. 1891—1914). 21. Nemec, B., Über die Struktur der Diplopodeneier. Anat. Anz. Bd. X III. 1897. 22. Xusbaum, J., Über den sog. inneren GoLGischen Apparat und sein Verhält- nis zu den Mitochondrien usw. Arch. f. Zellforschung. Bd. X. 1913. 23. Pbennant, A., Sur le protoplasma superieure. Etüde critique. Journal de l'Anat. et de Physiol. T. XXXV. 1898—1899. 24. Regaud, Gl., Attribution aux formations mitochondriales dans la fonction generale d'extraction et de fixation electives etc. Compt. Rend. Soc. Biol. T. LXVI. 1909. 25. Retzitjs, G., Zur Frage uon dem Problem der Protoplasmastruktur. Biol. Untersuchungen. Neue Folge. Bd. XVII 1912. 26. — Was smd Piastosomen? Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. LXXXIV. Abt. I. 1914. 27. Samssonow, N., Über die Beziehungen der Filarmasse Flemmings zu den Fäden und Körnern Altmanns usw. Arch. f. mikr. Anatomie u. Entw. Bd. LXXV. 1910. 38* 588 Jozef Nusbaum-Hilarowicz, 28. Van der Stricht, R., La stvucture de l'ceuf de Chauve-souris (V. noctula). Verh. d. Anat. Gesellsch. 1905. 29. — La structure de l'ceuf des Mammiferes (Chauve-souris). 3. Partie Mein. Acad. R. de Belgique, Col d. S. Ser. IL 1909. ^,-rimi 30 — Vitellogönese dans l'ovule de la chatte. Arch. de Biologie. T. XXVI 1911. 3l'. Will, L., Oogenetische Studien. I. Die Entstehung des Eies von Colymbetes fuscus L. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIIL 1886. Erklärung der Abbildungen. (Alle Abbildungen betreffen den DuHschs marginalis L. und wurden mit dem ZEissschea Zeichnungsprisma angefertigt.) Tafel XIII. (AUe Präparate A^rden in Champys Flüssigkeit fixiert und mit der KuLLSchen Methode gefärbt.) Fig 1 Oogonien; manche bald nach der Teilung, i, Idiozom; h, Kern. (Oc. comp.8. S. homog. Imm. 2 mm. Ap. L30. Zeiss. Tubuslänge 120.) Fig 2. Ein Stück eines Längsschnittes durch ein Ei samt Follikelepithel. /, Follikelepithel; d, Dotterkörner; /«, Fettkugehi; o.f, Ooplasma. (Oc. comp. 8. S hom. Imm. 2 mm. Ap. 1.30. Zeiss, Tubuslänge 120.) Fig 3. Ein Längsschnitt durch das junge Ei. m, perinukleäre Chondi-iom- schicht; h. Kern; o.p, Ooplasma. (Oc. 2. S. C. Zeiss, Tnbuslänge 120.) Fig. 4—6. Längsschnitte durch Teile von jungen Ovarialkammern. G», Oo- cyt; N, NährzeUen; K, Kern; m, perinukleäre Chondriomschicht. (Oc. 2. S. C. Zeiss, Tubuslänge 120.) Tafel XIV. (AUe Präparate wurden m Champys Flüssigkeit fixiert und mit der KuLLSchen Methode gefärbt.) Fig. 7 und 9. Längsschnitte durch einen jungen Oocyten mit anliegenden NährzeUen. 0, Oocyt; N, Nährzellen; w, Mitochondrien; i, Idiozomreste; ft, Fett- kugeln. (Oc.comp.8. S. homog. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss, Tubuslänge 120.) Fig 8. Längsschnitt durch eine Rosette. 0, Oocyt; N, Nährzellen; a.c, chromatischer Ring von Giardina. (Oc. comp. 8. S. homog. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss, Tubuslänge 120.) Tafel XV. (Präparate Fig. 10 und 11 wurden in Champys Flüssigkeit fixiert und mit der KüLLSchen Methode gefärbt; Präparat Fig. 13 wurde in SubUmat + Osmmm- Bäure fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt, Präparat 12 wurde mit der KopscHschen Methode angefertigt.) Fig. 10, 11, 12. TeUe der Längsschnitte durch das junge Ei (event. mit einem Teile des FoUikelepithels); /, Follikelepithel; k. Kern; m, perinukleäre Chondriomschicht; o.f, Ooplasma; f, peripherische Chondriomschicht. (Oc. comp. 8. S. hom. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss, Tubuslänge 120.) über das Verhallen des Chondrioms während der EibiJdung nsw. 589 Fig. 13. Längsschnitt durch einen Oocyten samt Nährzellen. 0, Oocyt; K, Kern; m, Mitochondrien; N, Nährzellen. (Dieselbe Vergrößerung wie Fig. 10—12.) Tafel XVI. (Präparate Fig. 14, 15, 18, 19, 20, 21 wurden mit der KopscHschen Methode angefertigt, Fig. 16 und 17 wurden aus der Arbeit von Giäedina reproduziert) Fig. 14. Ein Oocyt samt Nährzellen. 0, Oocyt; K, Kern; N, Nährzellen; /, Fett. (0. comp. 8. S. hom. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss Tubusiänge 120.) Fig. 15 und 18. Junge Oocyten samt Nährzellen (Fig. 18 Rosettenstadium). 0, Oocyt; N, NährzeUen; K, Kern; i, Idiozom; a.c, Chromatischer Ring von Giaedina; a GoLoi-KopscHscher Apparat. Fig. 16 und 17. Rosetten; 0, Oocyt; N, NährzeUen; ax. Chromatischer Ring; i, Idiozom (nach meiner Bezeichnung). Fig. 19. Zwei Follikelzeilen (Oc. comp. 8. S. homog. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss Tubuslänge 120.) Fig. 20. Ein Teil eines Längsschnittes durch das junge Ei nebst Follikel- epithel. /, Follikelepithel; »2, Mitochondrien im Ooplasma. (Oc. comp. 8. S. homog. Imm. 2 mm. Apert. 1.30. Zeiss, Tubuslänge 120.) Flg. 21. Schnitt durch zwei Oogonien bald nach der Teilung, a, Golgi- KopsCHscher Apparat; t, Idiozom; K, Kern. (Oc. comp. 8. S. homog. Imm. 2 mm. Apert, 130. Zeiss Tubuslänge 120.) - Zur gefl. Beachtung! Zu seinem großen Bedauern sieht sich der Verlag genötigt, infolge völligen Mangels an geeignetem Papier das Erscheinen der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie für eine hoffenthch nur kurze Zeit völlig einzustellen und ersucht Abonnenten tind Mitarbeiter, hiervon Kenntnis nehmen zu wollen. Die eingegangenen, be- reits abgesetzten Aufsätze weiden einstweilen zurückbehalten, die noch" nicht ge- setzten auf einen an mich zu richtenden Wunsch zurückgesandt. Wilhelm Engelmann, Verlagsbuchhandlung. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. Von Henrik Strindberg. (Aus dem Zootomischen Institut der Hochschule zu Stockholm.) Mit 35 Figuren im Text, In einer soeben erschienenen Arbeit: >>Zur Entwicklunosgeschichte und Anatomie der Mallophagen << (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CXV. 1916) habe ich u. a. Gelegenheit gehabt, die Geschlechtsorgane der auf dem Meerschweinchen schmarotzenden Mallophagen Gliricola gra- cilis N. und Gyropus ovalis N. sowohl entwicklungsgeschichtlich als anatomisch zu studieren i. Die in dieser Arbeit hervorgebrachten Re- sultate lehren, daß die betreffenden Organe speziell beim Männchen sehr viel komplizierter gebaut sind, als dies bisher angegeben ist, und daß frühere Beobachtungen über dasselbe Thema allzu mangelhaft und fehlerhaft sind, um sie mit den meinigen in Einklang bringen zu können. Ich wurde dadurch auch davon überzeugt, daß unsre bisherige Kenntnis über die Geschlechtsorgane der betreffenden Insektenord- nung sehr fragmentarisch ist und daß eine Revision mit Hilfe von Schnittstudien vielleicht etwas von Interesse bieten könnte. Dies gilt vor allem von den hinteren Teilen desselben, also denjenigen, die dem Ectoderni entstammen, da die mesodermalen Teile schon ziemlich gut bekannt sind und nichts Bemerkenswertes aufweisen. Bei meiner Arbeit standen mir Repräsentanten der Gattungen Menopon, Pseudomenopon, Nitzschia, Trichodectes, Lipeurus, Gonio- cotes, Docophorus und Nirmus zur Verfügung, was bedeutungsvoll ist, da ich dadurch einen guten Einblick hinsichtlich der allgemeinen Or- ganisationsverhältnisse der Geschlechtsorgane habe erhalten können. Wie ich schon hier hervorheben will, ist der Bauplan sowohl beim Männchen als beim Weibchen der verschiedenen Arten übereinstim- mend, so daß bedeutendere Variationen beim ersteren häuptsächlich 1 Die Embryologie wurde nur an Gyropus ovalis-Eiem studiert. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 39 592 Henrik Strindberg, nur niit dem Copulationsglied, beim letzteren nur mit dem Entbehren oder dem Vorhandensein einer Spermatheca und der ungleichartigen Beschaffenheit derselben in Verbindung stehen. Um längere Beschrei- bungen zu vermeiden, habe ich meine Darstellung daher auch an Ab- bildungen von Längs- und Querschnitten geknüpft und hier und da auch Rekonstruktionen gegeben, um die Verhältnisse genügend klar- zulegen. Die obenerwähnten Variationen führen aber mit sich, daß der Bau der hinteren Geschlechtsteile — sowohl beim Männchen als beim Weibchen — nicht immer für eine nähere Verwandtschaft der verschiedenen Arten innerhalb derselben Gattung spricht, d. h. daß bei den Mallophagen die Geschlechtsorgane nicht überall gut dazu dienen können, die Verwandtschaftsbeziehungen näher zu beleuchten. Die größten Variationen habe ich z. B. bei der Gattung Menopon ge- funden, von deren Repräsentanten Menopon pallidum und Menopon mesoleucum untersucht wurden. Hier sind es auch die Weibchen, die einer beträchtlichen Variation unterworfen sind, indem z. B. bei ersterem eine Spermatheca fehlt, bei letzterem dagegen als eine bedeutende Bildung uns entgegentritt und dadurch eher ihre Verwandtschaft mit Pseudomenopon dokumentiert. Nun will ich aber auch darauf aufmerk- sam machen, daß sicherlich Zwischenformen existieren, so daß die verschiedenen Arten oder Typen einer Gattung durch solche mitein- ander vereinigt werden können. Um dieses zu entscheiden, müssen natürhch sämthche Repräsentanten einer Gattung untersucht werden und unter gleichzeitiger Berücksichtigung andrer Organsysteme eine systematische Aufstellung erhalten. Der Zweck dieser Arbeit ist in- dessen nur ein Typstudium und meine Absicht nur, unsre Kenntnis einiger Mallophagentypen hinsichthch der Geschlechtsorgane zu be- fördern. Betreffs der technischen Behandlung der Tiere und des Verfahrens bei Zerlegung in Schnitte verweise ich auf meine vorläufige Mitteilung dieser Arbeit (Zool. Anz. Bd. XLVIII). Die von mir untersuchten Repräsentanten der obenerwähnten Gattungen sind folgende: Unterordnung Amblycera. Farn. Menoponidae: 1. Menopon pallidum N. 2. Menopon mesoleucum N. 3. Pseudomenopon tridens N. 4. NitzscJda tibialis Piag. {^). Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 593 Unterordnung Ischnocera. Farn. Trichodectidae: 5. Trichodectes climax N. 6. Trichodectes crassus N. Farn. Lipeuridae: 7. Lipeurus varidbilis N. Farn. Goniodidae; 8. Goniocotes hologaster N. ((^). 9. Goniocotes compar N. Farn. Docoplioridae: 10. DocopJiorus ocellatus N. * 11. Docophorus pertusus N. 12. Nirmus uncinosus N. Hinsichtlich der von mir verwandten Terminologie ist folgendes für das Männchen zu bemerken. 1. Mit Copulationsghed {cop), Penis, meine ich eine für gewöhnhch mächtig entwickelte Ringfalte, die in einer tiefen Einstülpung der Hypodermis, dem Genitalraum (gr), verborgen liegt. Vgl. Snodgrass, Fig. 9 (1899). 2. Das Innenblatt der Ringfalte stellt der Ductus ejaculatorius {de) dar, der also an der Spitze des Copulationsgliedes mit der Ge- schlechtsöffnung (^'ö) mündet, an der Innenseite mit Chitinzähnchen ausgerüstet ist und vorn die vier Ectadenien trägt i. 3. Bei der Begattung wird das Copulationsghed ausgestülpt und erscheint teilweise außerhalb des Genitalraumes. Gleichzeitig findet eine beträchtliche Längenzunahme auch in einer andern Weise statt, indem auch der distale Teil eine Ausstülpung erfährt und dann meistens bal- lonförmig und mit nach außen gew^andten Chitinzähnchen, falls solche vorhanden sind, an der Spitze des Copulationsgliedes erscheint. 4. Die Parameren (p) ist eine früher verwandte Bezeichnung zweier freier oder miteinander basal vereinigter Stäbchenbildungen an der Ventralwand des Copulationsgliedes. 5. Der Basalplattensack (bps) ist ein immer einheithches iver- tikel des Genitalraumes nach vorn und ventral vom Copulationsghed, der innen stark chitinisiert ist und schon früher als Basalplatte bezeich- net worden ist^. Für das Weibchen habe ich mit Snodgrass (1899) die Bezeichnung Genitalraum (gr), »genital Chamber«, für den distalen Teil der Vagina beibehalten, da er teilweise eine Neubildung repräsentiert, wie es meine Studien an den Larvenstadien bei Gyropus ovalis gelehrt haben. 1 Auch die primäre Geschlechtsöffnung bei den Larven habe ich mit gö bezeichnet. 2 Die Basalplatte ist natürlich die Chitinbekleidung des Divertikels. 39* ■394 Henrik Strindberg, Ambljcera. 1. Menopon pallidum N. a. Männchen. Die männlichen Geschlechtsorgane von Menopon 'pallidum habe ich auch entwicklungsgeschichtlich studiert und dabei meine Auf- merksamkeit nur den ectodermalen Teilen gewidmet. In Fig. 1 ist ein medianer Sagittalschnitt durch den Hinterkörper eines Menopon- Männchens in einem frühen Larvenstadium wiedergegeben. Wir finden hier noch die Tergite und Sternite in ihrer ursprünglichen Lage zueinander. Das letzte, d. h. zehnte, Tergit dehnt sich etwas nach hinten über die freie Spitze des entsprechenden Sternites aus und Fig. 11. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. Die Buchstabenbezeichnung für sämtliche Figuren befindet sich am Ende der Abhandlung S. 653. begrenzt mit diesem zusammen die schlitzförmige Analöffnung (a). Von hier geht nach vorn der ziemlich lange Enddarm {ed), der im Innern zwei besonders gut entwickelte und von einer kräftigen Kingmuskulatur {rm) gestützte Falten aufweist, um zuletzt in die große und wie gewöhn- lich mit sechs Analdrüsen (ad) versehene Analblase einzumünden. Noch mehr nach vorn erscheint der zweimal getroffene Mitteldarm {md) neben der Valvula cardiaca (vc) und dem Kaumagen (km) mit Chitinzähnchen sowie der Kropf (kr) mit Federresten. Ventral findet sich zuletzt die Anlage der ectodermalen Geschlechts- teile. Dieselbe entsteht hier wie gewöhnlich durch eine Einstülpung der Hypodermis und ist in diesem Stadium schon eine Strecke weit ^ Die Figuren sind alle mit Reicheets Mikroskop und Leitz' Zeichnungs- apparat gezeichnet. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 595 nach vorn gedrungen. Die Mündung (gö) der Einstülpung ist sehr schmal und befindet sich etwa in der Mitte im Sternite des VIII. Ab- dominalsegmentes. Dies ist bemerkenswert, denn bei GUricola finden wir dieselbe zwischen dem neunten und zehnten Abdominal- sternite, was mit den Verhältnissen bei den Termiten (Holmgren, 1908) übereinstimmt, während bei den Ischnoceren, Lipeurus und Gonio- cotes, die Mündung im vierten Abdominalsternite liegen soll (Nusbaum, 1882). Hinsichtlich der Lage der betreffenden Mündung scheint also eine große Variation zu herrschen. Die Differenzierung der eingestülpten Hypodermispartie in ver- schiedene Teile ist in dem betreffenden Stadium auch ziemlich weit vorgeschritten. Die Wände in der Nähe der Einstülpungsmündung sind dünn und weisen nichts Bemerkenswertes auf. Mehr nach vorn aber werden sie dicker und sind distal jederseits blasenförmig auf- Hm Fig. 2. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. getrieben. Die beiden Blasen sind in Längsschnitten dreieckig und treten besonders gut an lateral von der Medianlinie gelegenen Schnitten hervor. Sie stellen die Anlagen der beiden primären Ectadenien {ekd) dar, während der Kest der eingestülpten Partie den Ductus ejacula- torius, das Copulationsglied nebst den Wänden des Genital- raumes liefern wird. In dem etwas älteren Larvenstadium Fig. 2 finden wir obenerwähnte Verhältnisse noch wieder. Nur ist die eingestülpte Hypodermispartie mehr nach vorn gedrungen als vorher und besitzt eine rohrförmige Gestalt. Die beiden primären Ectadenien sind aber hier nicht getroffen, da sie sich lateralwärts entwickelt haben. In der dorsalen Wand der rohrförmigen Bildung ist eine unpaare, mediane Ausstülpung erschienen, deren Vorderwand die Anlage einer in späteren Stadien deuthch her- vortretenden Falte, die Dorsalfalte des Copulationsghedes, Hefert. Die betreffende Falte ist in dem noch älteren Larvenstadium Fig. 3 kräftig 596 Henrik Strindberg, entwickelt und schiebt sich als eine etwa horizontal gestellte Doppel- Lamelle eine Strecke weit nach hinten. Auch ventral ist hier eine ähn- liche Falte von derselben Größe erschienen. Die beiden Falten reprä- sentieren zusammen wie bei Gliricola und Gyrofus die Anlage des Copulationsghedes [co])) und stellen, wie es Querschnitte lehren, in der Tat auch bei Menopon eine Ringfalte dar. Zwischen den beiden Falten befindet sich in der Fig. 3 der nach vorn rohrförmig verlängerte Duc- tus ejaculatorius {de), der proximal die vier lateral gelegenen Ecta- denien trägt. Die Anlage des Copulationsgliedes ist stark in die Tiefe des Hinter- körpers versenkt, während gleichzeitig die Geschlechtsöffnung (gö) nach hinten gerückt ist und sich nunmehr in der Nähe der Analöffnung (fl) befindet. Dies bedeutet eine starke Verkürzung der zwischen den bei- Fig. 3. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. den Öffnungen gelegenen Sternite des IX. und X. Abdominalsegmentes, so daß die Segmentgrenzen jetzt nicht so deutlich wie früher hervor- treten, und weiter, daß die Geschlechtsöffnung mit der Anlage des Copulationsgliedes durch ein langes, dünnwandiges und nach hinten stark verschmälertes Rohr verbunden ist. Letzteres bildet den größten Teil des Genitalraumes (gr). Hier ist noch zu bemerken, daß der End- darm in diesem Stadium keine Falten mehr aufweist und ein schwach gekrümmtes Rohr bildet. Die Veränderungen von Stadium Fig. 1 bis zum Stadium Fig. 3 gehen sofort aus einem direkten Vergleich zwi- schen den erwähnten Figuren hervor. Bei der von mir in den Larvenstadien hinsichtlich der Entstehung der Ectodermteile der männlichen Geschlechtsorgane untersuchten Gliricola finden wir ebenfalls ähnliche Stadien wieder. So entspricht das Stadium Fig. 1 bei Menopon dem Stadium Fig. 21, Zeitschr. f. wiss. Typstudiea über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 597 Zool. CXV, S. 416, bei Gliricola, obschon, wie ich schon oben bemerkt habe, die Geschlechtsöffnung in dem Sternit des VIII. Abdominalseg- mentes bzw. zwischen den Sterniten des IX. und X. Abdominalsegmen- tes sich befindet. Eine noch deutlichere Übereinstimmung können wir zwischen Menopon und Gliricola in dem Stadium Fig. 3 bzw. Stadium Fig. 22 beobachten. Ein Unterschied liegt nur darin, daß bei Menopon ein Basalplattensack noch nicht entwickelt ist. Derselbe entsteht aber schon im nächsten Stadium, indem die Basalpartie der ventralen La- melle des Copulationsgliedes wie bei Gliricola rasch einen stark abge- platteten Divertikel nach vorn aussendet. Durch Chitinausscheidung an der Innenseite wird auch später die Basalplatte gebildet (vgl. Fig. 4, bps bzw. bp). Das definitive Aussehen der ectodermalen Geschlechtsteile des Menopon-Wännchens ist in dem medianen Längsschnitt Fig. 4 wieder- 3^ Fig. 4. Vergr. Oc. 1, Obj. 7 a. gegeben. In der ventralen Hälfte der betreffenden Figur finden wir das nunmehr ziemhch stark chitinisierte CopulationsgHed {cop). Speziell an der Ventralseite ist die Chitinisierung sehr stark; dies gilt auch für eine kleinere Dorsalpartie, wie es aus der Figur hervorgeht. Das Copu- lationsglied selbst ist nunmehr außerdem abgeplattet und etwas in die Länge gestreckt. Dies gilt vor allem von der ventralen Lamelle, die in ihrer hinteren Partie ein wenig nach oben gebogen ist, so daß die Mündung des Copulationsgliedes nach der Dorsalseite des Tieres schaut. Unterhalb des betreffenden Organs finden wir eine Strecke weit nach vorn den Basalplattensack {hps) nebst Basalplatte {bp), ohne daß wir eine Grenze zwischen dem Basalplattensack und dem nach hinten gelegenen Genitalraum {gr) beobachten können. Dies ist ja aber recht natürUch, da erstere als die direkte, allerdings divertikel- 598 Henrik Strindberg, artige Fortsetzung des letzteren betrachtet werden darf, wie ich schon früher bemerkt habe. Die beiden segmentgrenzenähnhchen kleinen Falten in der dorsalen Wand des gemeinsamen Hohlraumes sind ganz gewiß sekundäre Bildmigen. Die distale derselben tritt schon in dem Stadium Fig. 3 hervor, ist aber nur an Schnitten, die lateral von der Medianhnie geführt sind, ersichtlich. Auch dorsal in der Wand des Copulationsgiiedes finden ^\^r einige nacheinander gelegene Falten, die doch sicherlich beim Fixieren hervorgerufen sind. In demjenigen Teil des Genitalraumes, der dorsal vom Copulations- glied ersichtlich ist, finden wir zwei lamellenartige Bildungen, die in früheren Stadien nicht vorhanden waren. Die am meisten ventral gelegene ist sehr lang, an zwei Stellen dorsal stärker chitinisiert und dehnt sich nach hinten eine Strecke weit über die Mündung {gö) des Copulationsgiiedes aus, während die dorsale ver- hältnismäßig sehr kurz bleibt. Von den beiden Bildungen, die ebenfalls sicherlich sekundär ent- standen sind, ist erstere auch an Querschnitten kräftig entwickelt und be- sitzt eine bedeutende Breite (vgl. unten die Beschrei- bung über die Querschnitt- bilder, Fig. 5). An der betreffenden Fig. 4 ist weiter zu bemerken, daß die Mündung des Genitalraumes nunmehr dicht unterhalb der Analöffnung (a) liegt und daß letztere wie eine Strecke weit nach vorn gerückt ist und dadurch von dem letzten (X.) Abdominalsegment überdeckt wird. Dies bedeutet wahr- scheinUch, daß teils das letzte (X.) Abdominalsegment nach hinten, unten und vorn ausgedehnt ist, wodurch die Analöffnung eine mehr nach vorn geschobene Lage einnehmen muß, teils auch, daß die untere (ventrale) Wand der Geschlechtsöffnung in dem Stadium Fig. 3 nach hinten gerückt ist unter gleichzeitiger Verlängerung und Ver- größerung der hinteren Körpersegmente, ähnlich wie ich es für das GyropusAY eihchen beschrieben habe. Diesem Erklärungsversuch gemäß ist die dorsale Wand des gemeinsamen Genitalraumes, in dem das Copu- lationsglied verborgen liegt, von den Sterniten des X. und IX. sowe g^COp Fig. 5. Vergr. Oc. 4, Obj. 7a. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 599 von der Hinterpartie des Sternites des VIII. Abdominalsegmentes zu- sammengesetzt, während die ventrale Begrenzung der Mündung des Genitalraumes von der Vorderpartie des Sternites des letzteren Seg- mentes repräsentiert wird, ganz wie es bei dem Gi/ropusAYe\hch.en der Fall wari. Zuletzt ist in dem Stadium Fig. 4 noch zu bemerken, daß der End- darm im Innern wieder einige große Falten aufweist, obschon anders- artig gelegen als vorher. Die ringförmige Muskulatur desselben Darm- teiles ist wie früher sehr kräftig entwickelt. Um unsre Vorstellung über den Bau und die Beschaffenheit der ectodermalen Geschlechtsteile zu vervollständigen, ist es indessen not- wendig, auch Querschnitte, die durch verschiedene Zonen des Hinter- körpers gelegen sind, zu studieren. Wir beginnen mit dem Querschnitt Fig. 5, der durch die proxi- male Partie des Copulations- gliedes (cop) in Fig. 4 geführt ist, wo derselbe ventral den stärker chitinisierten Teil aufweist. Dorsal in dem betreffenden Querschnitt fin- den wir die Analblase {ab) nebst zwei MALPiGHischen Gefäßen {malp), während ventral eine Partie der Hypodermis {hyp) nebst Chi- tinschicht wiederoeoeben ist. In der Mitte beoegnen wir dem großen mit Chitin ausgekleideten Genitalraum {gr), der ventral zwei rundliche Ausstülpungen besitzt und dessen Lumen übrigens von einer dorsalen und einer ventralen Lamellenbildung stark eingeengt erscheint. Letztere stellt das Copulationsghed (cop) dar. In den beiden soeben erwähnten Ausstülpungen ist jederseits eine rundliche, stark chitinisierte Bildung (p) ersichtlich. Sie stellen die beiden Parameren dar, die ich für Gh'ricola und Gjjropus näher beschrieben habe, obschon sie bei diesen Mallophagen nicht wie bei Menopon in der Wand des Genitalraumes eingesenkt waren. Die Para- meren sind bei Menopon ziemlich langgestreckte Bildungen, die ventral vom Copulationsghed sich nach vorn strecken, um zuletzt an den Seiten- wänden derselben zu wurzeln. Ihre Basalpartie ist in dem Querschnitt ^ Der Genitalraum ist also gewissermaßen eine Neubildung. Vergr. Oc. 4, Obj. 7 a. 600 Henrik Strindberg, Fig. 7 (p) zu sehen. Hier liegen sie auch nicht länger in der Wand des Genitalraumes eingesenkt, wenigstens nicht in demselben Grade wie vorher. In dem Querschnitt Fig. 6, der zwischen dem Querschnitt Fig. 5 und 7 liegt, finden wir die Parameren in ihrer früheren Lage in der Tiefe; sie sind aber hier nicht länger rundhch, sondern etwas abgeplattet. Ein Vergleich mit den Parameren bei Gliricola und Gyropus lehrt, daß speziell erstere große Ähnlichkeiten mit Menopon aufweist. Dies gilt vor allem von der Art der Befestigung am Copulations- glied, indem die Parameren in beiden Fällen der ganzen Länge nach freie Bildungen sind, die nicht proximal wie bei Gyropus in einer ge- meinsamen Basalpartie vereinigt werden. Ihrer Lage gemäß am Copu- lationsglied gehören sie bei Menopon dem VIII. Abdominalsegmente an und sind wohl demgemäß nicht ganz mit den Parameren bei Gliricola und Gyropus vergleichbar. Wir kehren nun zu dem Querschnitt Fig. 5 zurück, um die beiden Lamellenbildungen zu besprechen, von denen ja die ventrale das Copu- lationsglied repräsentiert. Letzteres ist hier stark nach oben halbmond- förmig gebogen und zeigt in der ventralen Wand eine starke Chitini- sierung. Dies ist speziell lateral der Fall, wo die stärker chitinisierten Partien mit Tiefschwarz wiedergegeben sind, während der median gelegenen Chitinbekleidung ein grauer Ton gegeben ist. Die Chitinbe- kleidung an der Dorsalseite ist sehr viel dünner und deutlich gefaltet (vgl. den medianen Sagittalschnitt Fig. 4). In der Mitte der soeben besprochenen Bildung ist eine ziemlich breite und dorso-ventral stark abgeplattete Chitinschicht zu sehen, deren Matrixlager nach außen liegt. Diese repräsentiert natürlich das innere Blatt der Ringfalte des Copulationsgliedes und geht nach vorn unmittel- bar in die Wand des eigentlichen Ductus ejaculatorius über, ohne daß letzterer als eine kurze Ringfalte nach hinten in das Lumen des Copulationsgliedes wie bei Gliricola und Gyropus hervorspringt. Eine scharfe Grenze ist also hier nicht zu ziehen. Der Ductus ejacula- torius ist in den folgenden Querschnitten Fig. 6 — 8 bei de ersichtlich. In dem Querschnitt Fig. 6, der durch die Basalpartie des Copulations- gliedes gelegt ist, finden wir den Ductus ejaculatorius mit ziemlich stark erweitertem Lumen und nicht so breit wie vorher. Auch ist die Chitinisierung in der ventralen Medianlinie hier ziemlich kräftig und erscheint als eine dreieckige, tiefschwarze Partie, die höckerartig in das Lumen hervordringt. In den noch mehr nach vorn gelegenen Querschnitten Fig. 7 und 8 Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 601 ist der Ductus ejaculatorius in Fig. 7 etwas halbmondförmig nach unten gebogen, während in der Fig. 8 die früheren Verhältnisse wieder- kehren; in beiden ist die soeben erwähnte, stärker chitinisierte Stelle in der ventralen Medianlinie zu sehen, tritt aber nicht in demselben Maße wie früher hervor. Um unsre Darstellung zu vervollständigen, haben wir noch die dorsale Lamelle nebst Chitinstücken sowie den Basalplattensack mit Basalplatte zu besprechen. Wie oben erwähnt wurde, ist erstere in dem Querschnitt Fig. 5 zu sehen und stellt hier eine mächtig entwickelte Partie von bedeu- tender Breite dar, die durch die stark nach unten und innen gebogenen Seitenteile das Copulationsglied von oben her umfassen und durch Fig. 7. Vergr. Oc. 4, Obj. 7a. eine oder zwei nach hinten gerichtete Ausstülpungen von der dorsalen Vorderwand des das Copulationsglied beherbergenden Genitalraumes (gr) entstanden ist (vgl. Fig. 4). Wir sehen demgemäß auch in den late- ralen Teilen der einheitlichen Lamelle deutlich die in zwei Blätter ge- spaltene Matrixschicht, während dies dorso-median gar nicht in dem- selben Maße der Fall ist. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß es, wie ich soeben angedeutet habe, um zwei Ausstülpungen sich handelt, die miteinander median verschmolzen sind. Die Wand der Lamelle weist eine sehr starke Chitinisierung auf, was speziell für die nach außen gelegenen Seitenwände der Fall ist. Dies gilt ebenfalls für die nach oben gewandte Dorsalwand, nur aber in einigen wenigen Quer- schnitten, die demgemäß durch die proximale linsenförmige Chitin- verdickung; der betreffenden Lamelle in Fig. 4 geführt sind. 602 Henrik Strindberg, In dem folgenden Querschnitt Fig. 6 ist die Lamelle natürlich nicht mehr als eine selbständige Bildung ersichtlich, da hier die Basal- partie des Copulationsgliedes geschnitten ist. Demgemäß ist dorsal die Lamelle wie unterbrochen und nur die Seitenteile, d. h. vor allem die starken lateralen Chitinpartien, treten noch in Spuren als starke Chitinstützen von demselben Aussehen wie vorher in den Seitenteilen eines einheitlichen Organs hervor. Die Konturen des in dem Quer- schnitt Fig. 5 gemeinsamen Genitalraumes werden dadurch natürlich in dem Querschnitt Fig. 6 stark abgeändert und der Kaum deutlicher in eine dorsale und eine ventrale Partie zerlegt. Erstere ist zienihch stark erweitert, mit einer dünnen Chitinschicht ausgekleidet und ent- spricht dem kleinen Divertikel, das dorsal in dem Längsschnitt Fig. 4 zwischen dem Copulationsglied und der dasselbe überdeckenden Lamelle eine Strecke nach vorn hervordringt. Letztere ist ziemlich englumig, nach oben stark gekrümmt und besitzt in der dorsalen Wand die oben- erwähnten der dorsalen Lamelle zuzurechnenden C*hitinstützen. Dazu kommen hier zwei rundliche Chitinpartien jederseits in der Tiefe einer kleinen Einstülpung in der Dorsalwand des betreffenden Hohlraumes. Sie repräsentieren jederseits eine Fortsetzung nach vorn von den beiden stark chitinisierten Seitenteilen des Copulationsgliedes in dem Quer- schnitt Fig. 5 und sind in dem nächsten Querschnitt Fig. 7 nicht mehr ersichtlich. Hier können wir aber dorsal von den stark chitinisierten Basalpartien der beiden Parameren {f) zwei neue Chitinstützen in der Wand des gemeinsamen Organes beobachten. Sie gehören aber der Basalplatte, die in dem nächsten Querschnitt Fig. 8 (bp) hervortritt, an, und stellen die oberen kugelförmigen Chitinpartien derselben dar. In den beiden letzteren Querschnitten ist das dorsale Divertikel nicht mehr getroffen und nur die ventrale Hälfte des Genitalraumes erscheint, so daß wir in dem Querschnitt Fig. 8 die Einmündungsstelle des eigent- lichen Basalplattensackes {bps) vor uns haben. Die an der Innenseite desselben ausgeschiedene Basalplatte (bp) ist, wie es aus der Figur hervorgeht, nach oben stark gebogen und dorsal stark chitinisiert, während die Chitinschicht ventral wie gewöhnlich sehr viel dünner bleibt. Im Prinzip ist also der Basalplattensack nebst der Basal- platte ganz wie bei Gliricola und Gyropus gebaut. Im großen und ganzen können wir auch ähnliches hinsichtlich des allgemeinen Bauplans der ectodermalen, männlichen Geschlechts- teile, wenigstens bei Menopon und Gliricola, aussprechen. Dies gilt aber in ausgedehnterem Maße nur für die Larvenstadien der letzteren Mallophage, während die völUg geschlechtsreif en männlichen Tiere Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 603 einen komplizierteren Bau hinsicktlich der betreffenden Geschlechts- teile aufweisen. Wir können dies so ausdrücken, daß Menofon in dem Bau der fraglichen Organteile einem Larvenstadium bei Gliricola ent- spricht und dieses Larvenstadium ist in meiner früheren Arbeit über die Mallophagenanatomie etwa in der Fig. 22 repräsentiert. Ein Ver- gleich zwischen Menopon, Fig. 4 oder 3, und Gliricola, Fig. 22, zeigt, daß die Ähnlichkeit eine sehr große ist und daß diese erst später und zwar durch Ausbildung weiterer Falten bei Gliricola verloren geht, so daß hier zuletzt das in Fig. 24 und 25 der zitierten Arbeit wiedergegebene Endstadium erreicht wird. Bei Gliricola gehen jedoch die erwähnten neuen Falten aus den beiden in der Fig. 22 ersichtlichen hervor, so daß wohl die Copulationsgiieder bei Gliricola und Menopon direkt mit- einander vergleichbar sind. Demgemäß stellt bei Menopon die oben besprochene große Lamelle oberhalb des Copulationsgliedes eine Neu- bildung dar, die nichts mit der dorsalen Lamelle des Copulationsgliedes bei Gliricola in Fig. 22 zu tun hat. Der wichtigste Unterschied zwischen Menopon einerseits, Gliricola undGyropus anderseits scheint daher darin zu bestehen, daß der Ductus ejaculatorius beim ersteren keine Ringfalte bildet, die nach hinten in das Lumen des Copulationsgliedes, d. h. in das Lumen seiner Distal- partie, hervorspringt (vgl. Gliricola und Gyropus, Fig. 24, rde, bzw. 28), sondern direkt in das innere Blatt der Ringfalte des Copulationsghedes übergeht. Die vier Ectadenien sind bei Menopon ziemhch kurze Bil- dungen und weisen nichts Bemerkenswertes auf. 2. Menopon mesoleucum N. a. Männchen. Wie soeben hervorgehoben wurde, sind die männlichen Geschlechts- organe bei Menopon pallidum sehr einfach gebaut. Um so mehr muß es daher verwundern, daß wir bei einer andern Menopon-Axi, Menopon vnesoleucum, sehr viel komplizierteren und eigenartigeren Verhältnissen begegnen. Wie es sofort aus dem medianen Sagittalschnitt Fig. 9 her- vorgeht, ist die Ähnlichkeit mit Nifzschia tihialis (Fig. 11) eine sehr große. Das Copulationsglied {cop) ist außerordentlich kräftig ent- wickelt, stark chitinisiert und liegt in einem großen Genitalraum {gr) versteckt. In dem Längsschnitt besteht er aus einer dorsalen und einer ventralen Lamelle, von denen erstere mehr abgeplattet ist und nach hinten in einer langen, kräftig chitinisierten Spitze ausläuft, so daß die schmale Geschlechtsöffnung {gö) überdeckt wird. Die ventrale Lamelle besitzt unten eine wohlentwickelte Falte (p), die tatsächlich eine 604 Henrik Strindberg, gemeinsame Basalpartie der beiden lateral gelegenen, großen Para- meren bildet. Die Basalpartie der letzteren ist in dem Querschnitt Fig. 10 mit f bezeichnet. Die gegeneinander gerichteten Wände der beiden Lamellen bilden zahlreiche, gut chitinisierte und mit Chitin- zähnchen besetzte Falten, die ineinander greifen und mehr proximal immer größer und komplizierter werden. Eine derselben entspringt proximal und dehnt sich in horizontaler Kichtung nach hinten bogen- förmig aus, um zuletzt eine kräftig chitinisierte, freie Spitze zu bilden. Diese schmale, freie Partie der Falte ist in der Fig. 9 mit / bezeichnet. Ventral von der Basalpartie der betreffenden Faltenbildung bemerken wir den mit einer starken Ringmuskelschicht ausgerüsteten Teil de^ öd rm gr cop Im fe gr de Fig. 9. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. des eigentlichen Ductus ejaculatorius. Aus dem vorliegenden Schnittbild ist auch die sehr starke, stäbchenförmige Basalplatte (6p), sowie die kleine Falte /e zu bemerken (vgl. Lifeurus, Fig. 19). Eine noch bessere VorstellmiK über die hier geschilderten Verhältnisse erhalten wir durch den Querschnitt Fig. 10, der etwa durch die gemeinsame Basalpar- tie der beiden Parameren (p) geführt ist. Hier ist aber zu bemerken, daß in diesem Tierchen die Falte / in Fig. 9 mehr nach hinten gelegen sein muß, da sie gleichzeitig mit den betreffenden Paramerenteilen in demsel- ben Querschnitt erscheint. Wie es die Figur lehrt, sind auch die Seiten- wände des Copulationsgliedes stark chitinisiert und das stark eingeengte Lumen {de) des Ductus ejaculatorius hebt besser als eine Beschrei- bung die Menge der Faltenbildungen hervor. Lateral finden wir stärker Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 605 chitinisierte und daher mit schwarz ausgezeichnete Wandpartien, sowie etwa median die quer geschnittene, schräg gestellte Falte /. Mehr nach vorn gelegene Querschnitte derselben Serie zeigen, wie die freie Falten- spitze / in eine immer etwas lateral gelegene, schmale und stärker chitinisierte Wandpartie einer großen Falte übergeht, wie dies in Zu- sammenhang mit der früheren Figur beschrieben wurde. Ich ergreife hier die Gelegenheit, auch etwas über den proximalen Teil des Ductus ejaculatorius zu erwähnen, ehe er in die vier wohl- entwäckelten und lateral geschobenen Ectadenien übergeht. Dieser Teil ist stark erweitert, besitzt sehr viel dünnere Wände als der distale Teil und hat an der Innenseite eine stark lichtbrechende, dicke Schicht chitinöser Natur ausgeschieden. Wir haben es also hier mit einem der gan- zen Länge nach mit Chitin aus- gekleideten Ductus ejacula- torius zu tun. Nur die Ecta- denien sind chitinfrei. Ich will auch hier bemerken, daß die lichtbrechende Chitinschicht in meinen Präparaten durch einen ziemlich weiten Zwischenraum von einer zweiten, dicht an das Epithel gedrückten Chitin- schicht geschieden ist, so daß erstere wie eine cyhndrische und freie Kapsel die zahlreichen hier be- findlichen Spermatozoenbündel umgibt. Fig. 10. Vergr. Oc. 2, Obj. 7a. 3. Pseudomenopon tridens N. a. Männchen. Wir haben es hier mit einer Mallophage zu tun, deren männliche Geschlechtsorgane schon von Mjöberg (1910) kürzhch beschrieben wurden. Er sagt darüber u. a.. Die Vesicula seminalis ist von cha- rakteristischer Gestalt, deutlich durch eine Mittelfurche sowie auch durch eine tiefe Ausrandung an dem oberen Ende zweigeteilt; an dem unteren Ende bemerkt man zwei kleine, blasenförmige, accessorische Gebilde, die fast mit der Samenblase verwachsen sind, über deren Natur ich noch nicht im klaren bin . . .« Die Parameren sind lang und fast gleichbreit, ein wenig gebogen. »Der Präputialsack ist sehr gut entwickelt, mit feinen Chitinhöckerchen versehen. Der Penis ist breit keilförmig, gut chitinisiert. << 1. c. S. 242. 606 Henrik Strindberg, Nach meinen Untersuchimgen an Schnitten habe ich folgendes ermitteln können: Die Ectadenien (Vesicula seminalis, nach Mjöberg) sind wie gewöhnlich vier und liegen dicht aneinander gedrückt. Die beiden medianen sind groß, während die beiden lateralen wie ge- wöhnlich kleiner bleiben. Letztere entsprechen den beiden obenerwähnten »blasenförmigen, accessorischen Gebilden«. Das Copulationsghed ist mächtig entwckelt und erinnert sehr an dasjenige bei Menopon mesoleu- cum (vgl. Fig. 9), weshalb ich keine besondere Abbildung zu geben brauche. Wie bei letzterer Mallophage sind die Innenwände desselben dicht mit Chitinzähnchen besetzt und mit zahlreichen, mehr oder minder unregel- mäßig angeordneten Faltenbildungen versehen, die ineinander greifen und dadurch ein Studium beträchtlich erschweren. Speziell hervortre- tend sind aber vor allem dicke Chitinschienen, die proximal gelegen sind und stärker chitinisierte schmale Partien längslaufender Falten bildun- gen in der Nähe der Mündung des eigentlichen Ductus ejacula- torius repräsentieren (vgl. Menopon mesoleucum, Fig. 9 /bzw. Fig. 10/). Diese entsprechen sicherlich dem »breit keilförmigen, gut chitinisierten Penis« nach der Beschreibung Mjöbergs. Die Parameren sind ziemlich kurz, an den Außenwänden gut chitinisiert und gehen von den Seiten des Copulationsgliedes als zwei selbständige, schmale und abgeplattete Lamellbildungen aus. Sie stehen also nicht mit der Basalplatte in Ver- bindung wie es die Fig. 133 Mjöbergs veranschaulicht, sondern gehen von dem Copulationsghed nach hinten von dieser aus. Wahrscheinlich sind sie daher mit zwei ventralen, stäbchenförmigen Chitin verdickungen in den ventralen oder zwei breiteren Chitinverdickungen in den lateralen Teilen des Copulationsghedes verwechselt oder es handelt sich um die Seitenteile der dorsalen Lamelle des Copulationsgliedes, die median sehr dünn ist, lateral aber beträchtlich verdickt und ziemlich stark chitini- siert wird. Die Basalplatte ist hier ziemlich breit, wie es schon der erwähnte Verfasser abgebildet hat (vgl. Fig. 133, 1. c). 4. Nitzschia tibialis Piag. Von dieser sehr interessanten Art habe ich leider nur ein einziges Männchen zur Verfügung gehabt, von dem ich in der Fig. 11 einen medianen Längsschnitt wiedergebe. Die große Ähnlichkeit tritt in einigen Punkten klar zutage, und das ganze Bild spricht für eine nähere Verwandtschaft mit den Gattungen Menopon und Pseudomenopon. wenn wir uns der Verhältnisse bei Menopon mesoleucum und Pseudo- menopon tridens erinnern. Nur will ich darauf aufmerksam machen, daß bei dem betreffenden Exemplar von Nitzschia tibialis das Copu- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 607 lationsglied teilweise ausgestülpt ist, so daß eine Partie des mit Chitin- zähnchen besetzten, distalen Teils (de) des Ductus ejaculatorius nach außen schaut. Unter dem Mikroskope habe ich bei der Fixierung des Tieres den Ausstülpungsprozeß beobachtet und dann bemerkt, wie das Copulationsglied stark verlängert wurde und an der Spitze eine ballonförmige mit Chitinzähnchen ausgerüstete Bildung erhielt, während gleichzeitig die schmale und stäbchenförmige Basalplatte nach hinten rückte und eine streng mediane Lage einnahm^. Außer der stäbchenförmigen Basalplatte hat Nttzschia mit Menopon tnesoleucum die zahlreichen mit Chitinzähnchen versehenen Falten- malp Fig. 11. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. bildungen in dem distalen Teil des Ductus ejaculatorius gemeinsam. Diese sind auch hier sehr unregelmäßig und engen das Lumen stark ein. Einige derselben weisen eine kräftigere Chitinisierung auf und gehören der dorsalen Lamelle des Copulationsgliedes an. Letztere läuft auch bei Nitzschia an der Spitze fadenförmig aus und ist wie die ganze Dorsalseite stark chitinisiert. Mehr nach vorn verliert der Ductus ejaculatorius die Chitinzähnchen, bleibt aber immer mit Chitin ausgekleidet {de-^, was auch in dem mit einer Ringmuskulatur ver- sehenen Teil ((^63) der Fall ist. Letzterer ist in der Fig. 11 nur tangiert, 1 An dem Totalpräparat konnte ich auch unmittelbar nach der Fixierung die malpighischen Gefäße wegen einer reichlichen Einlagerung von gelblich - braunen Konkrementkörnchen in ihren Wänden sehr bequem studieren. liches habe ich auch bei einer Colpocephalum sp. beobachten können. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CXVII. Bd. 40 Ahn- 608 Henrik Strindberg, wodurch die Muskelfasern als dorso-ventral ziehende Fädchen hervor- treten. Etwas nach hinten befindet sich in (iem Lumen eine niit schwarz wiedergegebene Partie, die eine Samenpatrone {sp) repräsentiert und die mehr nach vorn mächtig anschwillt und dadurch eine ent- sprechende Erweiterung an dem Ductus ejaculatorius hervor- ruft. Die Ectadenien sind vier, wie bei allen, bisher untersuchten Mallo- phagen, und besitzen eine fast enorme Größe, so daß der Mitteldarm stark zusammengepreßt erscheint. Die beiden median gelegenen ent- halten neben einem Koagulat zahlreiche Bündel von Spermatozoon und sind am größten, während die kleineren lateralen nur das Koagulat aufweisen. Der ganze Ectadenieapparat ist stark lateral geschoben und wird daher an einem medianen Sagittalabschnitt nur tangiert. Andre Partien der Geschlechtsorgane, die an meinen Längsschnitten hervortreten, sind ventral am Copulationsglied eine kleine nach hinten gerichtete, mit p bezeichnete Falte sowie mehr ventral noch eine, aber längere Falte (/e). Beide Bildungen sind bei den Mallophagen allgemein und kommen auch bei Menopon mesoleucum und Pseudomenopon tridens vor. Erstere stellt die gemeinsame Basalpartie der beiden bei Nitzschia sehr langen und kräftig chitinisierten Parameren dar. Leider kann ich hier wegen Mangel an Material keine Quersclmitt- bilder wiedergeben; auch mviß ich auf eine Darstellung der weiblichen Geschlechtsorgane vorläufig verzichten, obschon letztere von großem Interesse hinsichtlich des Baues einer eventuellen Spermatheca wäre. Es bleibt uns zuletzt übrig, auch etwas über frühere Beobachtungen hinsichtlich der männlichen Geschlechtsorgane bei der Familie Meno- ponidae zu berichten, wobei diejenigen von Grosse (1885) für Menopon titan ( Tetrophthalmus chilensis, Grosse), von Snodgrass (1899) ebenfalls für Menopon titan N. und Menopon mesoleucum N., und Mjöberg (1910) für Menopon pici Den., Pseudomenopon tridens N. und Trinoton- conspurcatum N. in Betracht kommen können. Die Darstellung Grosses ist nicht auf Schnittstudien begründet, wenigstens nicht genügend. Aus seiner Arbeit können wir jedoch einiges von Interesse entnehmen. Die Testes sind jederseits drei und stehen durch sehr lange Vasa deferentia mit dem aus zwei blasenförmigen Erweiterungen des Ductus ejaculatorius entstandenen Organ, das von Grosse als Samenblase bezeichnet wird, in Verbindung. Tat- sächlich sind ja die beiden Ausstülpungen als Ectadenien zu bezeich- nen, obschon sie funktionell als Samenblasen dienen. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 609 Über den Begattungsapparat hat Grosse ziemlich genaue Beob- achtungen gemacht. Nach ihm ist das bei dem Männchen scheinbar fehlende Segment rohrförmig nach innen gestülpt und läuft als eine feine Chitinmembran nach vorn bis an die Grenze des letzten und zweit- letzten Segmentes, biegt dann nach hinten eine kurze Strecke um und setzt sich dann meder nach vorn rohrförmig fort. Wahrscheinhch handelt es sich in der Tat um eine Ringfalte, die sicherHch mit der Ring- falte des Copulationsghedes bei Menopon u. a. zu vergleichen ist. Dafür spricht die rohrförmige Fortsetzung nach vorn, die am oberen Ende nach Grosse ein kräftiges Bündel von Längsmuskeln besitzen soll und »welches ohne Zweifel dazu bestimmt ist, die ganze Röhre in das Innere des Körpers hineinzuziehen«, 1. c. S. 551. Diese rohrförmige Fortsetzung ist nichts andres als der Basalplattensack nebst Basalplatte. In dem Copulationsapparat integrieren nach Grosse zwei eigen- tümliche Bildungen. Die erste derselben besteht »aus einer an beiden Enden offenen Röhre, die nach dem Kopf zu in einen langen, allmäh- lich sich verjüngenden Chitinstab übergeht, der bis in das dritte Ab- dominalsegment reicht. In dieser ersten Röhre liegt eine zweite dünn- häutige. Sie geht nach vorn zu in eine mit vielen Stacheln oder Borsten besetzte Geißel über. Nach hinten zu ist sie rinnenförmig vertieft mid nimmt an dieser Stelle den Ductus ejaculatorius auf. Sie wird bei der Begattung vollständig ausgestülpt«, 1. c. S. 551. Diese beiden Bildungen habe ich bei den von mir untersuchten Repräsentanten der Familie Menoponidae nicht wiederfinden können und muß daher auf Homologisierungsversuche verzichten. Nun hat aber auch Snodgrass (1899) dieselbe Mallophage wie Grosse untersucht, ist aber mit seiner Auffassung nicht einverstanden. Nach Snodgrass ist »the intromittent apparatus« bei Menopon titan >> so very highly developed and so complicated, being much more so than in any other form known, that it is more easily understood after a study of the more typical structure found in other species«, 1. c. S. 204. Es ist hier zweckmäßig, die Darstellung von Snodgrass mit seiner Abbildung über einen Längsschnitt der sechs letzten Abdominalseg- mente von einem männhchen Menopon titan (Fig. 2, Taf. XV, 1. c.) zu verbinden. Die betreffende Abbildung ist hier in Fig. 12 schematisch wiedergegeben. Wir finden die mächtigste hervortretende Partie als eine große, ringförmige Muskulatur, die den Copulationsapparat um- gibt und die ihrerseits von einer dünnen Membran von nicht angegebener Natur und Beschaffenheit bekleidet ist. Die dorsalen Enden der ring- förmigen Muskeln befestigen sich an eine Lamelle, die von der Dorsal- 40* 610 Henrik Strindberg, Seite der betreffenden Membran in vertikaler Eichtung nach unten zieht und von Snodgrass in dem Querschnitt Fig. 3, Taf. XV wieder- gegeben ist Den ventralen Enden dient dagegen als Befestigungs- stelle eine ventrale Chitinlamelle von bedeutender Breite, die eine ver- dickte Partie der obenerwähnten dünnen Membran an der Ventralseite repräsentiert. Diese ist von Snodgrass als »ventral plate« {vp) bezeich- net kann aber sicherUch nicht mit einer »Basalplatte« homologisiert werden, da letztere Bildung bei den Mallophagen eine ganz andre ist, ia nach der Darstellung Snodgrass' zu urteilen, scheint zumal eine Basalplatte bei Menopon titan vermißt zu werden. Wie dies mit der Darstellung Grosses in Einklang gebracht werden kann, mu J eine Nachprüfung entscheiden. Hier glaube ich vorläufig auszusprechen zu waoen, daß Grosse eine Basalplatte, wenn auch nicht unter dieser Fig. 12 Bezeichnung, richtig angegeben hat, um so mehr, da Menopon pallidum und mesokucum eine solche, und zwar mächtig entwickelte, besitzt Eine wahre Basalplatte wäre bei Menopon titan m der Fig. 2, Taf. XY, Snodgrass, natürUch als ein vorderes Divertikel des von den Chitm- schichten t, und t, begrenzten, spaltenförmigen Hohlraumes zu suchen. Wie es die Querschnitte Snodgrass' lehren, steht letzterer nämhch mit dem entsprechenden dorsalen Raum lateral in unmittelbarer Verbm- duncT, ist also tatsächlich cylinderförmig und durch eine tiefe Falten- bilduncr entstanden, was durch seine schematisierte Abbildung über den Copulationsapparat der betreffenden Mallophage m Fig. 9, b. 209 l. c. eine Bestätigung findet. Innerhalb der Falte, deren Außen-, und Innenblatt m den Abbil- dungen Snodgrass' mit t^ und t^ bezeichnet sind, finden wir noch einen' mit «3 bezeichneten, rohrförmigen Apparat, der distal an der Innenseitei mit zahlreichen nach hinten gerichteten Zacken besetzt ist, wahrend Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 611 sie in der proximalen Partie vermißt werden. Die zackentragende Partie können wir als dem Copulationsapparat angehörig betrachten, ähnlich wie bei Gliricola und Gyropus, während die nicht zackentragende Partie dem vorderen Teil des Ductus ejaculatorius zuzurechnen ist. Tatsächlich ist aber letzterer von dem eigentlichen ringfaltenförmigen Copulationsglied hier ebensowenig wie bei Menopon pallidum und mesoleucimi scharf abgesetzt, da der Ductus ejaculatorius distal keine Kingfalte wie bei Gliricola und Gyropus bildet. Menopon palli- dum verhält sich insofern noch einfacher, indem ja hier an der Innen- wand des Copulationsghedes und des ganzen Ductus ejaculatorius keine Zackenbildungen vorhanden sind. Wir haben noch in dem Geschlechtsapparat bei Menopon titan eine sowohl von Grosse als Snodgrass beschriebene eigentümliche Bildung zu erwähnen, die vom letzteren als »chitinous rod<< bezeichnet ist. >>The chitinous rod (plate XV, figs. 2 — 5, r, and plate XIII, fig. 10, r) is attached to the fused part of the second and third tubes back of the posterior fold of the former. Only its anterior end is shown in median longitudinal sections. It is the homolog of the internal rods or plates of the chitinous genitalia already described«, 1. c. S. 208. Diese Homo- logisierung wird, glaube ich, ganz richtig sein, d. h. daß die betreffende Chitinbildung wenigstens nicht mit einer Basal platte verglichen wer- den kann, wie es sofort aus ihrer Lage an den von Snodgrass oben zi- tierten Querschnittbildern hervorgeht. Sie muß fast mehr als eine stark entwickelte und hoch spezialisierte Chitinstütze betrachtet werden, die Menopon titan mit andern Mallophagen gemeinsam hat. Eine solche ist dagegen weder bei Menopon pallidum noch bei Menopon mesoleucum vorhanden. Dies gilt ebenfalls für das von Grosse erwähnte, geißei- förmige Organ, von dem Snodgrass nichts erwähnt, wenn es sich nicht tatsächlich um die mit Zacken besetzte Partie des Ductus ejacula- torius handelt; denn auch das betreffende Organ ist ja mit solchen Zackenbildungen dicht versehen. Bis Nachprüfungen über die Ge- schlechtsorgane bei Menopon titan (u. a.) erschienen sind, können wir also mit Kecht der Meinung Snodgrass' beistimmen, daß die betreffen- den Organe sehr kompliziert und hochspeziahsiert sind, während dies bei andern Repräsentanten der Gattung Menopon (z. B. bei Menopcn pallidum) gar nicht der Fall ist. Wenn daher Mjöberg (1910) bei der Charakteristik der Familie Menoponidae sagt: >>Der männhche Copu- lationsapparat ist sehr einfach, eine breite Basalplatte kommt nicht vor, sondern nur ein einfacher Chitinstab ; die Parameren sind sehr schwach ausgebildet«, 1. c. S. 27, so ist dies vollkommen falsch, da ja in der Tat 612 Henrik Striadberg, die Variationen groß sind, wie dies meine oben gegebene Darstellung über die beiden Menopon- Aiten, Menopon 'pallidum und Menopcn mesoleucum, sowie über Pseudomenopon tridens und Nitzschia tihialis ohne weiteres lehrt. Auch scheint es, als ob hier der genannte Verfasser die Basalplatte mit dem bei Menopon titan vorkommenden Chitinstab (»chitinous rod<<, Snodgrass) verglichen hätte, was ja ebenfalls nicht richtig ist; wir finden auch ähnliche Inkonsequenzen bei seiner Be- schreibung der männlichen Geschlechtsorgane bei Menopon pici Den., Pseudomenopon tridens N. und Trinoton conspurcatum M. wieder i. So z. B. sagt er über Menopon pici, daß die Basalplatte in der Form von zwei schmalen lateralen Chitinstäbchen vorhanden ist, und hat diese auch in seiner Fig. 132 (1. c. S. 240) abgebildet. Wie ich schon in meiner früheren Arbeit über Mallophagenanatomie hervorgehoben habe, handelt es sich hier ganz gewiß um die Seitenränder einer ein- heitlichen Basalplatte, die bei oberflächlicher Beobachtung in oben- erwähnter Weise hervortreten können, da die Basalplatte, wie es z. B. meine Fig. 8 zeigt, erstens stark nach oben gekrümmt ist, zweitens die Ränder derselben eine stärkere Chitinisierung als die übrigen Teile aufweisen; daher zwei Chitinstäbchen! Von den obenerwähnten Arten scheint mir Trinoton conspurcatum am meisten interessant, denn hier ist eine Basalplatte nach Mjöberg kaum vorhanden; >>es findet sich hier ein schmales Chitinstäbchen, das sich nach hinten in zwei Teile spaltet und auf der linken Seite fast geradlinig, auf der rechten Seite aber in einem starken Bogen nach innen verläuft, um dann wieder auszubiegen. Freie Parameren kommen also hier nicht vor«, 1. c. S. 243 (vgl. Fig. 134). Wie diese Beschreibung Mjöbergs mit den tatsächhchen Verhältnissen übereinstimmt, kann ich natürhch hier nicht entscheiden. Es scheint mir jedoch nicht ganz unwahrscheinHch, daß das Chitinstäbchen dem >> chitinous rod<< (Snodgrass) entspricht und daß eine Basalplatte somit gar nicht zu finden ist, denn auch Snod- grass erwähnt bei Trinoton luridum N. eine ganz ähnhche Bildung: »The chitinous parts consists of a long, slender, tapering rod running forward within the body cavity from the base of the penis. Its posterior end is expanded and bifid ...<<, 1. c. S. 200, oder es handelt sich in der Tat um eine sehr schmale Basalplatte, wie mi sie bei Menopon mesoleucum und Nitzschia tihialis kennen gelernt haben. Auch findet sich dorsal vom Ductus ejaculatorius eine große Muskulatur, ähnlich wie bei Menopon titan (vgl. Fig. 12), wodurch die Ähnhchkeit 1 Hinsichtlich Pseudomenopon tridens verweise ich auf meine Darstellung S. G05. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 613 noch mehr erhöht wird. Zuletzt ist es nicht begreiflich, warum der genannte Verfasser das Fehlen von freien Parameren mit der Beschaffen- heit de;' »Basalplatte << bei Trinoton conspurcatum in Kausalzusammen- hano; setzt. b. Weibchen. 1. Menopon pallidum. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind hei -Menopon pallidum sehr einfach gebaut und bieten nichts Bemerkenswertes dar. An mehreren Querschnitten durch den Hinterkörper eines völlig geschlechtsreifen Mewo^jow- Weibchens erhalten wir ein Bild, das in Fig. 13 wiedergegeben ist. Wir finden hier also einen großen, weitlumigen Genitalraum (gr), dessen Wände größtenteils nur schwach chitinisiert sind und jederseits eine kurze, horizontal gestellte Falte bilden. Nach vorn vergrößern ed /} fh m ke fm Fig. 13. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. sich die beiden Falten ohne doch einander median zu begegnen, während gleichzeitig jederseits eine neue, mehr ventral und median gelegene erscheint, die hnks an der betreffenden Fig. 13 schon ein wenig hervortritt. Nur an zwei Stellen ist die Chitinisierung sehr stark, indem wir in der dorsalen Wand des Genitalraumes und an den lateralen Teilen derselben jederseits eine dicke Chitinplatte (Jie) beobachten können. Da sie in mehreren Schnitten in derselben Weise hervortritt, handelt es sich also tatsächlich um zwei ziemlich lange Bänder. Übrigens ist nur die sehr kräftige Längsmuskulatur (?m) zu bemerken. Eine An- hangsdrüse ist wie bei Gliricola und Gyrofus bei Menopon pallidum nicht vorhanden. Mehr nach vorn geht der Genitalraum in eine wie gewöhnhch mit Chitin ausgekleidete Vagina über, deren Lumen in dem Anfangsstück von mehreren kleinen Faltenbildungen ziemlich 614 Henrik Strindberg, stark eingeengt erscheint und deren ringförmige Muskulatur sehr kräf- tig ausgebildet ist. Durch die stark ventrale Lage der im Querschnitt rundhchen Vagina wird die Körperwand in der ventralen Median- linie halbkreisförmig hervorgetrieben. Die Vagina ist ein ziemlich kurzes Rohr, das bald etwas nach oben biegt und in das unpaare Stück des Eileiters übergeht. Die Übergangs- stelle ist bei Menopon sehr deutlich markiert, indem der Eileiter ein sehr weitlumiges Rohr, links vom Hinterdarm gelegen, bildet, dessen Wand beträchtlich dünner als diejenige der Vagina und von einem kubischen Epithel ohne Chitinbekleidung nebst einer wohlentwickelten Längsmuskelschicht aufgebaut ist. Die Erweiterung des unpaaren Endstückes des Eileiters ist bei gewissen Individuen durch das Vor- handensein einer großen Samenpatrone noch beträchtlicher. Die beiden paarigen Eileiter behalten dieselbe Beschaffenheit wie das unpaare Endstück, obschon die Zellschichten ihrer Wände sich bedeutend verdünnen. Auch nehmen sie eine mehr ventrale Lage ein und sind dorso-ventral abgeplattet, so daß ein Lumen stellenweise kaum ersichtlich ward. Sie stellen daher ziemlich lange Bänder dar, die nach einigen kvirzen Windungen sich in gewöhnlicher Weise mit den Ovarialröhren in Verbindung setzen. 2. Menopon mesoleucum. Wie oben hervorgehoben wurde, ist der Copulationsapparat oder besser die ectodermalen Geschlechtsteile der Gattung Menopon beim Männchen stark variabel. Dies gilt aber auch von den weiblichen, ectodermalen Geschlechtsteilen derselben Gattung und geht aus meiner Beschreibung von Menopon mesoleucum und einem Vergleich mit denselben Körperteilen bei Menopon pallidum ohne weiteres hervor. Ein medianer Sagittalschnitt durch den Hinterkörper eines Weibchens der ersteren Mallophage ist dem medianen Sagittalschnitt durch den Hinterkörper eines Weibchens von Goniocotes conipar N. sehr ähnlich i (Fig. 28) und erinnert in dem allgemeinen Aussehen gar nicht an Meno- pon pallidum. Im Prinzip finden wir aber dieselben Teile wieder, wie den Genitalraum (gr), die Vagina (wy) und den Eileiter (od). Die beiden letzteren Partien sind in gewöhnlicher Weise voneinander scharf ab- gegrenzt und mit einer Ring- (rm) bzw. Längsmuskulatur (Im) versehen. Einen Unterschied von prinzipieller Bedeutung finden wir jedoch beii Menopon mesoleucum in einer dem Genitalraum angehörigen Bildung.i Letztere ist, sow^eit ich es habe entscheiden können, durch eine sag- mentale Einstülpung der Dorsalwand des betreffenden Raumes ent- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 615 standen, hier mächtig entwickelt und stellt eine große Spermatheca dar, die also auch bei den Amblyceren vorkommen kann, obschon nicht bei allen (vgl. Mjöberg, 1910, S. 257). Um unsre Vorstellung über den Bau der Spermatheca klarzu- legen, habe ich in der Fig. 14 eine schematische Rekonstruktion der betreffenden Bildung von der Dorsalseite gesehen wiedergegeben. Ich sage ausdrückhch eine Schema tische, da das Organ, wie es von den Ischnoceren bekannt ist, bei verschiedenen Individuen hinsichtlich der Lage der verschiedenen Teile einer beträchtlichen Variation unterworfen ist. Wie es aus der Fig. 14 hervorgeht, besteht die Spermathecabildung aus zwei Partien, die mit weiß bzw. grau ausge- zeichnet sind. Erstere ist die weitaus größte und wird jederseits der Medianlinie des Tieres von einer kräftig entfalteten Blase (sb) nebst einem von derselben vorn y'is. 14. bzw. hinten ausgehenden Rohr, das sich mit seinem Vis-a-vis zu einem unpaaren kurzen Stück vereinigt, re- präsentiert. An der nach vorn gewandten Spitze des unpaaren Stückes beginnt die letztere, mit grau wiedergegebene Partie und stellt eine mehr ventral gelegene Rohrbildung (g) dar, die allmählich nach vorn biegt, dann in der Medianlinie des Tieres blasenförmig anschwillt, um zuletzt mit einem kurzen Gang, immer median, in der dorsalen Wand des Genitalraumes auszumünden. Die Mündung (mg) be- findet sich näher bestimmt basal und dorsal von einer nach vorn und unten von der Dorsalwand des Genitalraumes ausgehenden Falten- bildung, wie dies der mediane vSagittalschnitt von Goniocotes compar Fig. 28 weist. Wir müssen uns aber auch Schnittstudien zuwenden, um unsre Vorstellung über den Bau der Spermatheca he'i Menofon mesoleucum zu ergänzen. Ein lehrreicher Querschnitt ist in der Fig. 15 wieder- gegeben. Ventral finden wir den sehr breiten Genitalraum (gr) und in der Nähe der Dorsalwand desselben median eine 8-förmige, innen sehr stark chitinisierte Epithelblase {g), die zahlreiche Spermatozoenbündel enthält. Nach vorn und hinten befindliche Schnitte derselben Serie lehren außerdem, daß es sich um eine etwas abgeplattete Scheibe handelt, die vorn mit einem kurzen, ebenfalls stark chitinisierten Gang nach außen in den Genitalraum mündet und die dorsal einen zweiten, ebenfalls stark chitinisierten, aber sehr viel längeren Gang trägt. Dem- gemäß entspricht die Scheibe natürlich der Anschwellung des mit grau 616 Henrik Strindberg, ausgezeichneten Ganges (g) in Fig. 14. Das Rekonstruktionsbild in Fig. 14 ist nach derselben Querschnittserie wie die Fig. 15 zusammengestellt. Wenn daher in dem Querschnittbild Fig. 15 die Anschwellung {g) her- vortritt, muß also in demselben Schnittbild auch der obenerwähnte, lange Gang [g), sowie die beiden Blasen {sh) nebst ihren Ausführungs- gängen geschnitten sein und somit in der letzteren Figur wiedergegeben werden. Wir können auch, außer der zweimal getroffenen Vagina (vg), die hier eine scharfe Krümmung nach hinten beschreibt, links und etwas dorsal von dieser den betreffenden Gang (g) der Quere nach geschnitten erblicken. Die Epithelwand des Ganges ist mächtig entwickelt und malp 9r spg Fig. 15. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. hat auch eine dicke Chitinschicht ausgeschieden, hier wie gewöhnlich mit schwarz ausgezeichnet. Etwas dorsal, links und rechts von dem soeben besprochenen Gang, finden wir die kräftig entfalteten Blasen nebst ihren Ausführungsgängen, mit sb bezeichnet, wieder. Sie sind wie die Blasen alle mit einem blaß gefärbten Koagulat erfüllt, worin zahlreiche Spermatozoenbündel (sp) sich befinden. Die Wände der Blasen und deren Ausführungsgänge sind überall von einem sehr verdünnten Plattenepithel aufgebaut und an der Innenseite mit einer dünnen Chitinschicht ausgekleidet, was ja ihre ectodermale Herkunft beweist. Sie stellen wohl die eigentlichen Samenbehälter (.s6) der Sper- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger MaUophagengattungen. 617 mathecabildung dar, während der stark chitinisierte Gang nebst der Scheibe den wahren Ausführungsgang repräsentiert. Im großen und ganzen können wir also die Spermatheca bei Menopon mesoleucum als hochentwickelt und ziemlich stark spezialisiert betrachten. 3. Pseudoinenopon tridens. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind bei Pseudomenopon tridens in zwei Hinsichten von Interesse, erstens dadurch, daß dorsal und auch median im Genitalraum die Segmentgrenzen als deutliche, nach hinten gerichtete Faltenbildungen mit segmentalen Längsmuskeln auftreten, zweitens dadurch, daß eine mächtig entwickelte Spermatheca von neuem Typus vorhanden ist. Wir haben es also hier mit einer zweiten Amblycere zu tun, die eine solche Bildung besitzt. Sonst begegnen uns in der allge- , , , . meinen Organisation dieselben Verhältnisse wie bei andern weiblichen Mallophagen. Die Spermatheca habe ich hier in Fig. 16 schematisch wiedergegeben, da auch bei Pseudo- menopon die Lagevariationen der verschiedenen Teile beträchtlich sein können. Wie bei Menopon mesoleucum habe ich die als Behälter (sh) fungierende Partie mit weiß, den Ausführungsgang (g) nebst seinem blasenförmigen Divertikel mit grau wiedergegeben. Wir finden dann erstere als ein quer gestelltes Rohr, das lateral jederseits nach hinten umbiegt, um zuletzt ohne Anschwellung ziemlich weit nach hinten zu endigen. Von der Mitte des quergestellten Rohres geht ein kurzer Kanal nach vorn und etwas lateral, schwillt dann stark blasenförmig an und hat seine Mündung {mg) in der Dorsalwand des Genitalraumes. Die blasenförmige Anschwellung besitzt an der einen Seite einen fast ebenso großen Divertikel. In dem medianen Längsschnitt (Fig. 17) können wir, außer den oben- erwähnten Segmentgrenzen mit segmentalen Muskeln (sw), auch einige Einzelheitender Spermatheca(s^) ohne weiteres bemerken. Der Behäl- ter tritt hier quergeschnitten als eine rundhche, schwach chitinisierte und mit Spermatozoon {sp) gefüllte Epithelblase hervor. Von dieser scheint in der Figur ein kurzer, innen stark chitinisierter Kanal nach vorn und unten zu leiten, um dann in eine große, mit Koagulat {k) erfüllte und ebenfalls chitinisierte Erweiterung zu münden^. Eine direkte Ver- 1 Das Koagulat ist hier mit Schwarz wiedergegeben. 618 Henrik Strindberg, bindung existiert . aber in dem Schnitt nicht, indem der Kanal nichts andres Ist als der Ausführungsgang (g), der ja nicht überall eine me- diane Lage im Hinterkörper einnimmt (vgl. Fig. 16). In lateral ge- legenen Längsschnitten geht der Gang alsbald verloren, während der Querbalken des Behälters und das mit dem soeben erwähnten Koagulat versehene Gebilde oder sein blasenförmiger Divertikel immer erscheint. Die Mündung der Spermatheca ist sehr breit und wird ventral von einer wohlentwickelten, nach hinten gerichteten Falte der Dorsalwand des Genitalraumes (gr) begrenzt. Im allgemeinen können wir von der Spermatheca bei Pseudo- ' menofon behaupten, daß sie einfacher gebaut ist als dieselbe Bildung rm sp 5/ A Fig. 17. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. oä rm bei Uenofon mesoleucum, obschon sonst auch Ähnlichkeiten vorhanden sind, wie dies ein Vergleich zwischen den Fig. 14 und 16 lehrt. Es ist jedoch deutlich, daß sie eine neue Type repräsentiert. Nach der oben gegebenen' Beschreibung über die weiblichen Ge- schlechtsorgane der drei Kepräsentanten der Menoponidae sind die Variationen also nicht so scharf ausgeprägt wie bei den ManncheiL Nur hinsichtlich der Spermatheca sind solche bemerkbar, wenig- stens in prinzipiellem Sinne, indem sie entweder vermißt wird, oder, wenn vorhanden, nach zwei Eichtungen hin ausgebildet sein kann. Ihre Chitinisierung ist zwar stellenweise stark, wahrscheinhch aber Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 619 nicht stark genug, um sie ganz oder teilweise schon an Total- präparaten hervortreten zu lassen, wie dies z. B. bei den Gattungen DocopJiorus und Nirmus der Fall ist. Nach Angaben in der Litera- tur über die Sperma theca der Familie Menoponidae habe ich vergebens nachgeforscht. Nur Grosse (1885) erwähnt bei Menopon {Tetrophtalmus) titan die beiden kolbigen »beiderseits am Eiergang sich ansetzenden Eeceptacula seminis«. Es ist jedoch zu bemer- ken, daß Snodgrass (1899) letztere bei derselben Mallophage nicht \viederfinden konnte. Ischnocerai. 5. Trichodectes climax N. Die männlichen Geschlechtsorgane haben im Prinzip nichts von Interesse aufzuweisen. Dasselbe gilt auch von den Weibchen, wo keine Anhangsorgane, wie Anhangsdrüse oder Spermatheca^ vor- handen sind. 6. Trichodectes crassus N. a. Männchen. Wie ich für Trichodectes climax hervorgehoben habe, sind die Geschlechtsorgane prinzipiell in derselben Weise wie bei den übrigen bisher untersuchten Mallophagen gebaut. Da sie bei Trichodectes crassus jedoch sehr viel komplizierter sind, verdienen sie eine ein- gehendere Beschreibung, um zu zeigen, in welcher geringen Ausdehnung das beti:effende Organsystem bisweilen als Stütze für die Verwandt- schaftsbeziehungen der verschiedenen Arten zumal innerhalb derselben Gattung verwandt werden kann. In der Fig. 18 ist ein medianer Längsschnitt durch den Hinterkörper wiedergegeben. Wie daraus sogleich hervorgeht, ist das Copulations- glied {cop) mächtig entwickelt und besitzt im Innern mit Chitinzähnchen dicht besetzte Faltenbildungen. Dies ist wenigstens distal der Fall, während proximal eine deutliche Täfelung vorhanden ist, wo die ver- schiedenen Chitinplatten in ihren nach hinten gerichteten Rändern stärker chitinisiert sind und daher in Längsschnitten als zahntragende Bildungen hervortreten. Stellenweise sind die Chitinplatten gleich- förmig chitinisiert, w^odurch die schuppige Beschaffenheit der Chitin- bekleidung noch besser hervortritt. An dem medianen Längsschnitt 1 Bei den Ischnocera habe ich die Geschlechtsorgane des Weibchens unmittelbar nach derjenigen des Männchens behandelt. 620 Henrik Strindberg, können wir wieder die Länge des Ductus ejaculatorius beobachten. Er beginnt wie gewöhnlich bei der Geschlechtsöffnung (^ö), durchläuft etwas geschlängelt das Copulationsglied {cop), macht dann unmittelbar dorsal von der Basalplatte {hp) einige scharf ausgeprägte Windungen und geht zuletzt nach hinten und oben sowie, nach einer scharfen Um- biegung, nach vorn und unten, um in die Ectadenien (ekd) oder besser in die gemeinsame Basalpartie derselben einzumünden. Die verschie- denen Partien des Ductus ejaculatorius sind in der betreffenden Figur mit de, de^, de^ und de^ bezeichnet i. In de2 wird die Armatur von Chitinzähnchen vermißt, in de^ auch die Chitinbekleidung, wäh- rend gleichzeitig eine früher nicht vorhandene Ringmuskelschicht (rm) erscheint. In mehr lateral gelegenen Längsschnitten werden die Ver- hältnisse speziell in dem Copulationsghed noch komplizierter. Wie ich es unten bei der Besprechung der Querschnittbilder hervorgehoben habe, beruht dies auf zahlreichen hier auftretenden Faltenbildungen. Das Copulationsghed befindet sich in der Figur in der Kuhelage. Im ausgestülpten Zustand wrd es in gewöhnlicher Weise bedeutend verlängert und gleichzeitig nach oben und vorn geschlagen, wobei speziell der Ductus ejaculatorius durch seine beträchtliche Ausstülpung zu der Verlängerung beiträgt und außerdem distal am ausgestülpten Copulationsglied eine ballonförmige, mit C^hitinzähnchen besetzte Auf- treibung hervorruft. Ventral vom Copulationsghed befindet sich in der Figur die wohl- bekannte Faltenbildung (/e), die aber hier eine beträchtliche Größe besitzt und, wenn das Copulationsghed ausgestülpt ist, noch größer erscheint, während gleichzeitig die kleine dorsal und basal am Copu- lationsglied ersichtliche Falte dann ausgeglichen worden ist. In den Querschnittserien erscheint das Copulationsglied als eine ovale, dorso-ventral in die Länge gestreckte Bildung, die im Innern zahlreiche mit Zähnchen besetzte, unregelmäßig angeordnete Falten aufweist; mehr nach vorn werden sie aber ziemlich streng regel- mäßig, was ich bei andern Mallophagen nicht habe beobachten können. Parameren sind vorhanden, obschon in etwas andrer Weise als gewöhnlich ausgebildet. In Fig. 18 können wir von der ventralen La- melle des Copulationsgliedes nach hinten ausgehend eine schmale, stark chitinisierte, blattförmige Ausstülpung beobachten, die die ge- meinsame Basalpartie (p) der beiden Parameren repräsentiert. Diese 1 Die Variationen in der Lage der verschiedenen Teile des Ductus ejacu- latorius sind übrigens bei verschiedenen Individuen mannigfaltig. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen, 621 ist, wie ohne weiteres hervorgeht, ziemhch lang und überdeckt die Geschlechtsöffnung (gö). Da nun die beiden freien Paramerenteile sehr breit, flügelförraig und nach oben gerichtet sind, wird die distale Partie des Copulationsgliedes von diesen fast völlig eingeschlossen und liegt wie in einem Futteral eingesteckt, das nur dorso-median eine schmale, von den etwas verdickten und stärker chitinisierten Rändern der Parameren begrenzte Öffnung besitzt. Letztere wird in den Quer- schnittbildern übrigens von einer leistenförmigen, schmalen in der Fig. 18 "^^^ dcj öp Fig. 18. Vergr. Oc. 4, Obj. 3. Tubenlänge 170 mm. eKd in der Dorsalwand des Copulationsgliedes ersichtlichen Chitinverdickung zugeschlossen. Die Basalplatte ist sehr breit, wne gewöhnlich mit stärker chitini- sierten und nach oben gebogenen Rändern; mehr nach vorn wird sie überall abgeplattet und stellt zuletzt proximal im Querschnitt wie eine transversale Chitinspange mit gleichförmig verdickter Wand dari. Sie dient wie gewöhnlich als Ansatzstelle für zahlreiche kräftige Längs- muskeln, die sich dorsal und ventral befestigen. Die Ectadenien sind vier und zeigen nichts Bemerkenswertes auf. Neuerdings hat Cümmings (1916) einige Arten der Gattung Triclio- dectes und darunter auch Trichodectes crassus untersucht und auf die Ahnhchkeit mit den männlichen Geschlechtsorganen bei Trichodectes latus hingewiesen. Letztere besitzt Parameren, die sich wie bei Tri- 1 D. h. daß das Lumen kaum ersichtlich ist. 622 Henrik Strindberg, chodectes crassus verhalten: »Parameres: At the base these are broad and leaflike, folding around the mesosome so-as to form a sheath. The margins of the parameres ahnost meet each other over the dorsal surface at the base and similarly over the ventral surface<<, I.e. S.271. Auch wird ein »preputial sac<< beschrieben, der mit Chitinzähnchen dicht besetzt ist, von denen etwa achtzehn größer als die übrigen und in eine Querreihe gestellt sind. Ahnliches habe ich auch bei Trichodectes crassus beobachten können. Nur wäll ich hier auf die wenig befriedigende Bezeichnung »preputial sac<< (Präputialsack) für die mit Chitinzähnchen ausgerüstete Distalpartie des Ductus eja- culatorius aufmerksam machen. Die Arbeit Cümmings ist übrigens nur auf Studien an Totalpräpa raten begründet und daher für unsre nähere Kenntnis der Geschlechti Organe der Mallophagen wenig bedeutungsvoll i. ir i b. Weibchen. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind bei Trichodectes crassvs einfach gebaut und stimmen mit denjenigen bei Trichodectes climax überein, indem alle Anhangsorgane wie Anhangsdrüse und Sperma - theca vermißt werden. Sonst ist nur auf die gute Chitinisierung der Vagina, wo die dicke Chitinschicht im Querschnitt stark gezähnt her- vortritt sowie auf die sehr kräftige Rinomuskulatur derselben aufmerk- sam zu machen. Die Übereinstimmung zwischen den beiden Tricho- dectes-Avten ist somit für die w^eiblichen Tiere sehr viel größer als für die männlichen. 7. Lipeurus variahilis N. a. Männchen. Wie ich schon hier vorgreifend bemerken will, stellt der männhche Geschlechtsapparat bei Lipeurus variahilis eine mächtig entwickelte; und sehr komplizierte Bildung dar, deren niedere, ektodermale Teile sich durch eine sehr starke Chitinisierung und Bewaffnung, sowie auch durch Teile, die ich bei keinem andern Mallophagen habe wiederfinden können, auszeichnen. Um dies zu beleuchten, habe ich in der Fig. 19 einen medianen Sagittalschnitt durch den Hinterkörper eines völlig geschlechtsreifen Z-?'j^;eMrw.<;-Männchens abgebildet. Wir können hier dorsal die Analöffnung (a) beobachten, die wie gewöhnhch in dem letzten Abdominalsegment gelegen ist. Ventral schiebt sich eine ziem- Vgl. S. 651, Nachschrift. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 623 lieh kurze', aber hohe Lamelle etwas nach hinten hervor und besitzt im Innern einige schmale Muskeln, die in dorso-ventraler Richtung ziehen und zwischen den beiden Hypodermisschichten der betreffenden Lamelle ausgespannt sind. Die Lamelle stellt die ven- trale Begrenzung eines Hohlraumes dar, die ihrer Lage gemäß als Genital- raum {gr) bezeichnet wer- den muß, und dessen Lumen von dem mächtig entfalteten Copulations- glied (cop) so stark ein- geengt erscheint, daß nuy dorsal und ventral ein spaltenförmiger Teil des- selben übrigbleibt ; das Copulationsglied über- ragt hier außerdem eine Strecke weit die Spitze des Hinterkörpers und ist schon an Totalprä- paraten als eine zungen- förmige Bildung gut er- sichtlich. Bei andern Totalpräparaten ist dies nicht der Fall, da die zungenförmige Endpartie auch in eine Vertiefung der Dorsalwand der unter- halb liegenden Lamelle eingesenkt sein kann, da- durch ganz innerhalb des Hinterkörpers verborgen hegt und eine mehr senk- rechte Lage einnimmt. Die Wände der bei- den an dem medianen Längsschnitt hervortretenden Spalten des Genitalraumes sind ziemhch stark chitinisiert und stellenweise, so- wohl dorsal als ventral, mit nach hinten gerichteten Zackenbildungen Zeitschrift f. wissenscii. Zoologie. CXVII. Bd. 41 624 Henrik Strindberg, versehen (vgl. die Fig. 19). Die proximalen Teile der beiden Spal- ten weisen dagegen eine glatte Oberfläche auf. Ventral können wir außerdem die konstant vorhandene Falte /e mit verschmälerter Basal- partie beobachten, die nach hinten geschlagen, in einer Vertiefung der Ventralwand eingesenkt ist und deren ventrale Wand ebenfalls Zacken- bildungen trägt. AVie bei andern von mir untersuchten Mallophagen dringt die ventrale Spalte des Genitalraumes unter beträchtUcher Abplattung in horizontaler Eichtung nach vorn und bildet gleichzeitig ein ziemlich breites Divertikel mit stark chitinisierten Wänden. Das Divertikel nebst der Chitinauskleidung stellt natürlich den Basal- plattensack bzw. die Basalplatte (hp) dar. Wir gehen nun zur Besprechung des eigentlichen Copulations- gliedes über. Wir finden hier, daß dasselbe im Längsschnitt von zwei mächtig entfalteten Lamellen aufgebaut ist, von denen die dorsale eben in oben beschriebener Weise sich eine Strecke weit zungenförmig außerhalb des Hinterkörpers streckt und dadm'ch die kürzere, ventrale überdeckt. Erstere ist dorsal sehr stark chitinisiert. Ahnliches ist auch in der ventralen Wand derselben, aber nicht in demselben Grade und nur distal der Fall. In der ventralen Lamelle und näher bestimmt in der Ventral- wand derselben finden wir etwas nach vorn ebenfalls eine kräftige, halbmondförmige Chitinpartie {es), sowie nach hinten von dieser eine birnförmige, die ziemhch weit nach innen dringt und noch mehr nach hinten in eine gleich dicke Chitinplatte übergeht; letztere läuft frei in eine kurze Spitze aus. Die ventrale bzw. dorsale Wand der beiden betreffenden Lamellen begrenzen einen schmalen Hohlraum, der das Lumen (de) des Copulationsgliedes repräsentiert. Zackenförmige Chitin- bildungen sind hier ziemlich zahlreich und im allgemeinen nach hinten gerichtet. Daneben können wir einige von der Dorsalwand ausgehende Falten beobachten, von denen in der Figur nur eine geschnitten ist und übrigens als eine selbständige und immer zackentragende Bildung hervortritt. Wie ich z. B. für Menopon pallidum beschrieben habe, bildet sich dagegen auch hier keine Ringfalte, die bei Gliricola und Gyropus ein wenig in das Lumen des Copulationsgliedes hervordringt, sondern der Ductus ejaculatorius setzt sich unmittelbar bis an die Spitze des letzteren fort^. Das ganze Copulationsglied ist also ein- 1 Vielleicht repräsentiert die kleine stark chitinisierte und nach imten her- vordringende Falte an der Grenze zwischen dem Teil de xnid cki des Ductus ejaculatorius die erste Anlage einer solchen Ringfalte. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 625 facher als bei den beiden erwähnten Mallophagen gebaut und ent- spricht wie dasjenige bei Menopon etwa dem larvalen Zustand, der für Gliricola in Fig. 22 meiner früheren Mallophagenarbeit wiedergegeben ist und wo ebenfalls der Ductus ejaculatorius {de) direkt in die in dem Längsschnitt von zwei Lamellen aufgebaute Anlage des Copula- tionsgliedes übergeht. Wenn wir den Ductus ejaculatorius weiter nach vorn verfolgen, können 'wir bald bedeutende Veränderunoen desselben beobachten. Zuerst ist zu bemerken, daß eine beträchtliche Erweiterung stattfindet unter gleichzeitiger Verdickung der Wände, was nicht nur mit dem Epithel, sondern vor allem auch mit der von demselben abgeschiedenen Chitinschicht zu tun hat. Letztere ist so stark verdickt und in solche Falten gelegt, daß das Lumen eine beträchtliche Einengung erfährt und nur als eine stellenweise schwer zu verfolgende Spalte erscheint. In der Chitinauskleidung können wir zwei voneinander wohl abgegrenzte Schichten unterscheiden, die in der Fig. 19 mit grau bzw. schwarz wiedergegeben sind. Erstere erscheint wie aufgelockert, erreicht stellen- weise das Lumen, ist speziell dorsal sehr dick und weist an ihrer Ober- läche zahlreiche kleine Falten und Runzeln auf. Letztere ist ebenfalls dorsal am kräftigsten und stellt im Längsschnitt eine linsenförmige, der grauen Chitinschicht aufliegende Bildung mit nach hinten gerich- teten, groben Chitinzähnchen dar. Etwas mehr nach vorn finden wir an der Ventralseite eine ähnhche, aber mehr abgeplattete ChitinpartiC; die mit schmalen und langen Zackenbildungen dicht besetzt ist (vgl. Fig. 19(?ei). In der Fig. 19 stellt die proximale Partie {de-y) des Ductus eja- culatorius einen birnförmigen Blindsack dar, dessen angeschwol- lenes Ende nach vorn gerichtet ist. Wie es Längsschnitte lateral von der Medianebene lehren, bedeutet dies natürlich nur, daß die Fort- setzung lateral von der blindsackähnlichen Bildung ausgeht. Die Fort- setzung wird von einer sehr verschmälerten Partie repräsentiert, die jedoch immer denselben Bau wie vorher aufweist, obschon die Chitin- auskleidung nur eine dünne, schwach gefaltete Schicht von grauer Farbe bildet; sie stellt auch keine direkte Portsetzung nach vorn dar, sondern biegt scharf nach hinten um und verläuft lateral von der birn- förmigen Partie und an derselben dicht gedrückt (vgl. den Querschnitt Fig. 24 de-i und (^62) bis an den ein wenig angeschwollenen hinteren Teil des Ductus ejaculatorius, der in Fig. 19 mit de^ bezeichnet ist und in der Tat eben die neue Umbiegungsstelle desselben repräsen- tiert. Von hier aus läuft der Ductus ejaculatorius wieder nach vorn 41* 626 Henrik Strindberg, etwas unterhalb und median von dem soeben besprochenen Schenkel (vcrl. den Querschnitt Fig. 24 dez und des). Die Anfangspartie dieses Schenkels ist wie früher gebaut, und wir können immer die einschichtige Epithelwand und die dünne Chitin- auskleidung derselben in dem Längsschnitt Fig. 19 de^ beobachten. Nur dorsal sind einige wenige quergeschnittene Muskelbündel ersicht- lich, die mehr nach vorn an Größe und Anzahl zunehmen, um zuletzt eine wohlentwickelte Ringmuskelschicht um den Ductus ejacula- torius zu bilden (vgl. den Querschnitt Fig. 24 (^63, rm). Letzterer ist hier durch eine deutliche Erweiterung und durch das Entbehren einer Chitinauskleidung von der soeben besprochenen Partie des Ductus ejaculatorius deutlich geschieden. Die Erweiterung wird wahrscheinlich durch ein hier befindliches, spindelförmiges und schwarz gefärbtes Koagulat hervorgerufen. Ein Koagulat von derselben Natur habe ich bei Lipeurus auch in den Ectadenien und in anderen Teilen des Ductus ejaculatorius beobachten können und ebenfalls bei Gliricola in denselben Körperteilen beschrieben (1. c. Fig. 29). Sicher- lich ist es in beiden Fällen identisch und wird in den Ectadenien ge- bildet. Von der erweiterten Partie biegt der Ductus ejaculatorius nach oben und geht allmählich in die vier sehr langen und schmalen Ectadenien über. Die Übergangsstelle ist in der Fig. 19, wo dieselbe jedoch nur tangiert ist, mit (?% bezeichnet. Ehe ich mich den Querschnitten zuwende, ist noch auf einen eigentümlichen Teil des männhchen Geschlechtsapparates bei Lipeurus aufmerksam zu machen, den ich bei keiner von mir untersuchten Mallo- phage wiedergefunden habe. Der betreffende Teil stellt eine rohrförmige Bildung dar und ist in der Fig. 19 mit rb (rohrförmige Bildung) bezeichnet. Wir finden dieselbe hier zwischen der ventralen Wand der ventralen Lamelle des Copulationsgliedes, wo dieselbe die stark chitinisierte, obenerwähnte und nach innen hervordringende Partie besitzt, und der Umbiegungs- stelle der beiden mit de2 und de^ bezeichneten Teile des Ductus ejacu- latorius ausgespannt. Ihre Wand ist ganz wie diejenige des Teiles de2 aus einem einschichtigen kubischen Epithel, das an der Innenseite eine dünne Chitinauskleidung besitzt, aufgebaut. Das Lumen tritt speziell deutlich an Querschnitten hervor und ist, wie es aus dem Quer- schnitt Fig. 23 rh erscheint, von einer kleinen Dorsalfalte etwas ein- geengt. In dem medianen Sagittalschnitt Fig. 19 ist die rohrförmige Bildung der Länge nach nur tangiert, da sie nicht völlig median sich befindet (vgl. Fig. 23 rh). Daß die betreffende Bildung ectodermal ist, Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 627 geht aus der chitinösen Auskleidung derselben ohne weiteres hervor; dagegen ist es schwieriger zu entscheiden, ob sie von der Wand des CopulationsgUedes oder von der Wand des Ductus ejaculatorius durch eine rohrförmige Ausstülpung nach vorn bz.w. nach hinten ent- standen ist. Letzteres scheint mir am meisten plausibel, da das Lumen der betreffenden Bildung mit dem Lumen des Ductus ejaculatorius in unmittelbarer Verbindung steht, obschon dies wegen der nicht genau medianen Lage der rohrförmigen Bildung nur an etwas lateralen Längs- schnitten deutlich hervortritt. Dafür spricht auch die Übereinstimmung hinsichtlich des Baues mit dem mit de2 bezeichneten Schenkel des Ductus ejaculatorius, sowie der Umstand, daß die kleine Falte in dem Innern auch eine kurze Strecke in demselben Schenkel cZeg fort- gesetzt wird. Trotz sorgfältiger Untersuchung habe ich dagegen kerne Mündung in der ventralen Wand des CopulationsgUedes entdecken können. Die rohrförmige Bildung ist daher, wie ich glaube, als ein Divertikel des Ductus ejaculatorius aufzufassen, das von der Umbiegungsstelle seiner beiden Schenkel de2 und de^ nach hinten in horizontaler Eichtung ausgeht und sich an der erwähnten Stelle an der Hypodermis befestigt; vielleicht wird dadm:ch die eben hier befindliche, stärker chitinisierte Partie hervorgerufen. Die Bedeutung der soeben beschriebenen Bildung habe ich nicht ermitteln können. Am nächsten liegt es wohl, an ein Aufhängeband des Ductus ejaculatorius zu denken, da letzterer bei der Copulation ausgestülpt zu werden scheint. Wenigstens gibt Mjöberg (1910) für Lipeurus perspicillatus an, daß der ganze Präputialsack bei der Be- gattung offenbar ausgestülpt wird und dabei sehr weit in die Geschlechts- teile des Weibchens hineindringt. Der Präputialsack soll sehr gut ent- wickelt sein und aus einem schmaleren und einem breiteren Abschnitt ohne Penis bestehen, ist aber vielleicht mit dem Ductus ejacula- torius verwechselt, wie dies die zitierte Beschreibung wahrschein- lich macht. Aus der hier oben gegebenen Darstellung geht hervor, daß speziell der Ductus ejaculatorius bei Lipeurus eine stattliche Entfaltung erreicht, während das Copulationsglied selbst ziemlich einfach gebaut ist und im Prinzip große Ähnlichkeiten mit demjenigen bei andern Mallophagen aufweist. Eine ausreichende Vorstellung können wir aber nur durch Kombination mit den Querschnittbildern erhalten. Wir finden dann in dem Querschnitt Fig. 20 die Hinterkörperspitze geschnitten und dadurch die Dorsalpartie wie in zwei Hälften zerlegt; 628 Henrik Strindberg, denn das letzte Segment des Hinterkörpers ist hier wie bei der Familie Lipeuridae im allgemeinen ziemlich tief ausgeschnitten. Ventral findet sich die mit dorso-ventralen Muskeln versehene Lamelle in Fig. 19 ; sie ist median stark ausgehöhlt und enthält einen schwach nach unten gekrümmten, stark chitinisierten Körper (le), der der Lamellenbildung le in Fig. 19 entspricht. Wir haben es also hier mit einem Tierchen zu tun, wo das Copulationsglied ziemlich weit in dem Körperinnern gelegen ist und außerdem distal in früher beschriebener Weise eine nach unten gerichtete Lage einnimmt. Daher tritt auch der Genitalraum {gr) in dem Querschnittbild gut hervor. Der nächste Querschnitt, der hier Erwähnung finden soll, ist dm'ch die stark chitinisierte Partie in der Dorsalwand des Copulations- /t/p Fig. 20. Vergr. Oc. 1, Obj. 7 a. apparates in Fig. 19 geführt und in der Fig. 21 abgebildet. Der noch einheitliche Genitalraum ist durch das breite und ziemlich abgeplattete Copulationsglied (cop) wie in zwei Etagen, eine dorsale und eine ven- trale, die miteinander lateral in Verbindung stehen, zerlegt. Die Wände sind mit Chitinzacken, aber nur in der Medianpartie, dorsal und ventral ziemhch dicht besetzt. Lateral geht jederseits, etwas nach oben und innen eine Falte, die an ihrer Ventralseite ausgehöhlt ist und hier die stark chitinisierten Parameren (p) verbirgt. Das Copulationsglied (cop) selbst ist deutlich aus einer dorsalen und einer ventralen Lamelle zusammengesetzt, die das schmale Lumen de zwischen sich fassen. Speziell an der Dorsalseite ist die Chitinisierung sehr kräftig und nimmt fast völlig die ganze Breite des Copulationsgliedes ein. Ähnliches ist auch ventral dei; Fall, obschon Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 629 die Chitinschicht und zwar in der Medianlinie hier eine beträchtliche Verdünnung aufweist. Wenn wir nach vorn in der Querschnittserie fortschreiten, wird dasselbe Bild wie in dem Querschnitt Fig. 21 nur in einigen wenigen Schnitten beibehalten. Dann vereinigen sich die beiden obenerwähnten Lamellen lateral, neue stark chitinisierte Partien treten in der Wand des Copulationsgliedes auf, die beiden Parameren dehnen sich in dorso- ventraler Richtung etwas aus und erscheinen als Anhangsteile des Copulationsgliedes, an dem sie sich mit breiter Basis befestigen. Dies alles geht aus dem Querschnitt Fig. 22 gut hervor. Wie es durch das rm ed cop de gr Fig. 21. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. Vorhandensein der außerordentüch dicken Chitinpartie es begreifhch wird, ist der betreffende Querschnitt durch die in entsprechender Weise bezeichnete Chitinverdickung in der Ventralwand des Copulationsgliedes in Fig. 19 geführt. Demgemäß finden wir etwas dorsal die früher be- schriebene »rohrförmige Bildung« {rh) der Quere nach geschnitten und noch mehr dorsal im Lumen des Copulationsgliedes zwei rundliche freie Bildungen (/e), die ja tatsächlich von oben her in das betreffende Lumen eindringende Faltenbildungen repräsentieren (vgl. Fig. 19). Seitlich von den letzteren sehen wir noch einige Falten von derselben Natur, die mehr nach vorn kräftiger und mehr chitinisiert werden. In den lateralen Teilen des Copulationsgliedes treten auch die basal geschnittenen Parameren (p) als klauenförmige Bildungen hervor. 630 Henrik Strindberg, Nach oben und unten von den letzteren sind noch zwei stark chitini- sierte Partien zu sehen. Erstere können noch eine Strecke weit nach vorn verfolgt werden und gehen dann unmittelbar in die stärker chitini- sierten Eänder der Basalplatte (Fig. 23 hp) über, während letztere zwei nach hinten und median von den klauenförmigen Basalpartien der beiden Barameren gelegenen, ebenfalls klauenförmigen Äusstülpimgen der Ventralwand des Copulationsgliedes zuzurechnen sind. Das CopulationsgUed ist noch von der Wand des Genitakaumes (gr) völlig frei. Wir können jedoch schon hier jederseits ventro-lateral eine schmale, nach oben gerichtete Falte {fe) beobachten, die mit dem Fig. 22. Vergr. Oc. 1, Obj. 7 a. oberen Teil gegen die oberen lateralen Teile des Copulationsghedes biegt. Die bSden betreffenden Falten sind in mehreren Querschnitten ersi°chtlich und steUen tatsächlich zwei flügeiförmige, laterale Ausstül- pungen der in dem Längsschnitt Fig. 19 ersichtlichen Falte {fe) dar. Etwas mehr nach vorn werden sie mit den oberen Teilen mit der Ober- Seite des Copulationsgliedes vereinigt, das also wie zwei von unten her ausgehende Aufhängebänder erhält. In den folgenden Querschnitten werden die durch das soeben beschriebene Verhältnis entstandenen Etagen des Genitalraumes immer kleiner und mehr plattgedrückt, während gleichzeitig das Lumen des Copulationsghedes eine beträcht- liche Erweiterung erfährt, so daß zuletzt das in der Fig. 23 dargestellte Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 631 Bild in der Querschnittserie erscheint. Ein Blick auf die Fig. 19 lehrt, daß dieser Querschnitt ziemlich weit nach vorn, durch die Vorder- partie der »rohrförmigen Bildung« (rh), geführt sein muß. Dorsal finden wir demgemäß nur einen spaltenförmigen Rest (gr) des Genital- raumes, während ventral der Basalplattensack (bps) mit kaum ersicht- lichem Lumen hervortritt. Die Wände des letzteren sind stark chitini- siert, vor allem lateral und dorsal, ganz wie ich es für Gliricola, Gyropus, Menopon u. a. beschrieben habe, imd von einer außerordentlich kräftigen Längsmuskulatur (Im) umgeben. Zwischen dem Eest des Genital- derö Fig. 23. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. raumes (gr) und dem Basalplattensack (bps) erscheint das hier kräftig erweiterte Lumen des Copulationsgliedes {de) sowie ventral und etwas lateral die »rohrförmige Bildung« (rb). '^ Um meine Darstellung mit Hilfe von Querschnitten zu vervoll- ständigen, habe ich auch einen Querschnitt durch die stark chitinisierte Wandpartie des in dem Längsschnitt Fig. 19 mit dei bezeichneten Teils des Ductus ejaculatorius in Fig. 24 wiedergegeben (vgl. Fig. 19). Das Bild ist hier hinsichtlich der Geschlechtsteile vereinfacht, indem nur die drei früher erwähnten Teile, de^, de^ und de^, des Ductus ejaculatorius, sowie der Basalplattensack nebst Basalplatte (bp) 632 Henrik Strindberg, geschnitten worden sind. Die Einzelheiten gehen ohne weiteres hervor und sind übrigens schon früher für die Teile de2 und de^ des Ductus ejaculatorius näher beschrieben. Außerdem ist hier nur auf die etwas abgeänderte Beschaffenheit der Basalplatte (&p) aufmerksam zu machen (vgl. Fig. 23). Durch Kombination von Längs- und Querschnitten können wir zuletzt eine gute Vorstellung über die Konturen des Ductus ejacu- latorius sowie über diejenigen der Ectadenien erhalten. Eine solche Rekonstruktion ist in der Fig. 25 von der Dorsalseite gesehen sche- Fig. 24. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. ma tisch wiedergegeben. Das ziemlich breite Copulationsghed [co'p) schwillt nach vorn allmählich zu einer birnförmigen Erweiterung [de-^ an, die, wie schon erwähnt wurde, einen Teil des Ductus ejaculatorius repräsentiert. In der Vorderpartie derselben nach rechts geht sie in den schmalen, rohrförmigen zweiten Teil de2 des Ductus ejacula- torius scharf über, der nach hinten läuft, dann Nvieder nach vorn um- biegt und unter allmählicher Erweiterung des dritten Teiles, de^, den Ductus ejaculatorius liefert, der an seiner Vorderpartie die vier länglichen Ectadenien {ekt) trägt. An der Umbiegungsstelle zwischen den Teilen de^ und de^ besitzt ersterer den rohrförmigen, schmalen, Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 633 nach hinten ziehenden Divertikel (rb), den ich oben als »rohrförinige Bildung« bezeichnet habe. Auch die Ectadenien besitzen einen und zwar von ihrer gemein- samen Basalpartie ausgehenden Divertikel {ao). Derselbe ist ebenfalls unpaar und befindet sich größtenteils nach links von der Medianlinie des Hinterkörpers. Er ist weiter Avurstförmig gekrümmt und nach oben gerichtet; nur die etwas angeschwollene Vorderpartie desselben liegt median. Die Wand des Divertikels ist wie die- jenige des Ductus ejaculatorius und der Ectadenien von einer Epithel- und einer Muskelschicht aufgebaut, die hier aber beträchthch verdickt sind. Die Bedeutung des Divertikels habe ich nicht ermitteln können. Der Inhalt desselben besteht aus einem körnigen Koagulat, dagegen habe ich hier nie Spermatozoen gefimden. Die Ectadenien bestehen, wne es aus der Fig. 25 hervorgeht, aus zwei länglichen Ausstülpungen einer gemeinsamen Basal- partie, die eine Strecke nach vorn jeder- seits gefurcht werden und dadurch ein nach außen liegendes, kurzes Divertikel erhalten. Es sind also wie bei Gliricola, Gi/ropus u. a. vier, von denen die beiden lateralen kürzer sind als die beiden median gelegenen. Ahnlich wie bei Gliricola u. a. sind auch Spermatozoen nur in den bei- den letzteren zu beobachten. In allen können wir aber ein körniges, in Eisenhämatoxyhn tiefschwarz gefärbtes Koagulat erblicken, das von derselben Natur ist wie das in dem Ductus ejaculatorius befindliche (vgl. Fig. 19 des)- Auch im Epithel der Ectadenien finden wir ähnhche Körnchen zahlreich wieder, die vielleicht das soeben erwähnte Koagulat bilden. An Querschnitten können wir am besten beobachten, daß die Ectadenien nicht nebeneinander, sondern übereinander liegen, so daß sie in der Querschnittserie zuerst als zwei, dann als vier, dann wieder als zwei übereinander und etwas lateral von der Medianlinie liegende, rundliche Bildungen hervortreten i. 1 In der Fig. 25 sind jedoch die Ectadenien in der Horizontalebene wieder- gegeben- Fig. 25. 634 Henrik Strindberg, Die beiden medianen Ectadenien biegen mit ihren blinden Enden scharf nach rechts und werden daher in einigen wenigen Querschnitten der Länge nach geschnitten (vgl. Fig. 25). Nach dieser Beschreibung über die männlichen Geschlechtsorgane bei Lipeurus können wir also zusammenfassend hervorheben, daß der ganze Apparat in dem allgemeinen Bauplan komplizierter ist als bei andren Mallophagen, was natürlich speziell für das Copulationsglied zutrifft, gleichzeitig auch in komplizierterer Weise mit Chitinpartien u. a. ausgerüstet ist, obschon sich Lipeurus von andren Mallophagen im Prinzip nur durch das Vorhandensein der >>rohrförmigen Bildung« und das wurstförmige Divertikel der gemeinsamen Basalpartie der Ectadenien unterscheidet. Frühere, sehr spärliche und fragmentarische Angaben über dasselbe Thema bei den Lipeuridae verdanken wir Kramer (1869) und Snod- GRASS (1899). Die Darstellung Kramers über Lipeurus jejunus kann ich hier ganz unberücksichtigt lassen, da dieselbe schon von Snod- GRASS zitiert worden ist. Snodgrass' eigene Beschreibung über Li- peurus fuligiiiosus^major hat nur mit den Chitinstützen des Copulations- gliedes zu tun und verdient daher hier keine Erwähnung (vgl. 1. c. Taf. XIV, Fig. 1). Dasselbe gilt auch für die Erörterungen Mjöbergs (1910). Nach ihm soll der Begattungsapparat bei den Lipeuridae einfach sein. Seine Beschreibung über die hinteren Teile des Ge-. schlechtsapparates bei Lipeurus perspicillatus ist sehr oberflächlich und für meinen Zweck bedeutungslos. b. Weibchen. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind bei Lipeurus sehr einfach gebaut und entbehren der Lamellen- und Drüsenbildungen, die ich bei Gliricola und Gyropus beschrieben habe. Wir finden daher in dem medianen Sagittalschnitt Fig. 26 einen spaltenförmigen Genitalraum {gr)y der stark chitinisiert ist und in der Dorsalwand deutliche Segmentgrenzen aufweist (vgl. Pseudomenopon trideus, Fig. 17). Eine Strecke weit nach vorn biegt der Genitalraum als Vagina {vg) nach oben und erhält eine sehr kräftige, ringförmige Muskulatur {rm). Dann erfolgt wieder eine Umbiegung und die Vagina geht zuletzt in die unpaare Partie der Ovidukte {od) ohne scharfe äußere Ab- grenzung über. Die Grenze wird jedoch innerlich wie gewöhnlich durch das Fehlen einer Chitinbekleidung in den Ovidukten markiert. Die proximale Partie der Vagina enthält wie die unpaare Partie Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen- 635 der Ovidukte eine schwarze, koagulatenähnliche Substanz, die mit derjenigen in dem Ductus ejaculatorius des Männchens be- schriebenen identisch zu sein scheint. Nach vorn weitet sich die un- paare Partie der Ovidukte beträchthch aus und ist immer mit Koagulat ausgefüllt. Letzteres ist auch in den beiden paarigen Teilen der- selben zu beobachten. ad (3t> Fig. 26. Vergr. Oc. 4, Obj. 3. Querschnitte durch die soeben erwähnten Geschlechtsteile bieten nichts Bemerkenswertes dar. In dem Genitalraum finden wir eine kurze Strecke lateral und von der ventralen Wand ausgehend zwei sehr kurze Falten. Das Lumen der Hinterpartie der Vagina ward durch eine unpaare, dorsale Falte u-förmig. 8. Goniocotes hologaster N. a. Männchen. Die männlichen Geschlechtsorgane bei Goniocotes hologaster stellen hinsichthch des Baues des Copulationsgliedes einen neuen Typus dar, der sich topographisch am besten mit demjenigen bei Menopon fallidum vergleichen läßt. Um einen Vergleich zu erleichtern, ist in Fig. 27 ein medianer Sagittalschnitt durch den Hinterkörper eines völlig ge- schlechtsreif en 6^owioco^es-Männchens wiedergegeben. Wir können hier sogleich beobachten, daß der allgemeine Bauplan des Hinterkörpers derselbe ist wie bei der soeben erwähnten Mallophage. So ist dorsal die Analöffnung (a) ersichtlich, von der nach vorn ein ziemlich langer und mit starken Eingmuskeln (rm) versehener Enddarm leitet, der sich zuletzt zur Analblase {ah) mit Analdrüsen {ad) erweitert. Etwas ventral von der Analöffnung ist noch eine Öffnung zu sehen, die in einen ziemlich großen Genitalraum {gr) führt. Letzterer ent- spricht dem Genitalraum bei Menopon, Lipeurus u. a. und enthält 636 Henrik Strindberg, wie bei diesen das Copulationsglied (coj)). Der Genitalraum \vird auch hier von zwei dorsal vom Copulationsghed gelegenen Lamellenbildungen in Etagen zerlegt. Die am meisten dorsal gelegene Lamelle ist wie bei Menopon sehr viel kürzer als die mehr ventral gelegene, die sich ziemhch weit nach hinten und oben streckt, dorsal distal sowie ventral basal eine stärkere Chitinisierung aufweist und außerdem ventral einige nach hinten gerichtete Zacken trägt. Letztere Chitinpartie — hier wie an übrigen Körperteilen mit schwarz ausgezeichnet — dient als Ansatz- stelle für mehrere sehr kräftige und lange Längsmuskeln (Im), die nach vorn ziehen und sich an verschiedenen Stellen der Basalplatte (bp) befestigen. Diese ist wie gewöhnlich dorsal sehr viel dicker als ventral und streckt sich nach vorn in das fünfte Abdominalsegment hinein. Fig. 27. Vergr. Oc. 1, Obj. 7 a. Sie tritt jedoch bei Goniocotes nicht so gut wie bei andern von mir unter- suchten Mallophagen an Totalpräparaten hervor, da sie durch die un- gewöhnlich stark chitinisierten Sternite der -übrigen Abdominal- segmente überdeckt -wird (vgl. Fig. 27). Die Segmentgrenzen dieser letzteren sind außerdem an median gelegenen Schnitten nicht ersicht- hch, wodurch sie zusammen schon an Totalpräparaten als eine einheit- liche Partie erscheinen, die bogenförmig gekrümmt bis an die Hinter- körperspitze verfolgt werden kann, wie dies die Fig. 27 veranschaulicht (vgl. auch Lipeurus, Fig. 19). Die ventrale Wand des Genitalraumes {gr) wird von einer Lamelle gebildet, die distal sehr verdickt ist und dorsal nach hinten gerichtete Zacken, sowie etwa an der Mündungsstelle des Basalplattensackes, wie bei Lipeurus, eine hier allerdings sehr kurze und nach hinten gerichtete Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 637 Falte trägt. Im Innern der Lamelle befestigen sich an die breite distale Partie strahlförmig mehrere Längsmiiskeln (Im), die nach vorn kon- vergieren und sich an der Ventralseite der Basalplatte inserieren. Das Copulationsglied (cop) selbst ist hier ziemlich kurz und stellt eine schwach nach oben gekrümmte, rinnenförixiige Bildung mit stark chitinisierten Wänden dar. Daß es sich um eine Einne und nicht um ein Kohr handelt, machen vor allem Querschnitte sehr wahrscheinlich, dagegen nicht Längsschnitte, da die nach oben gewandte Mündung der Rinne außerordentlich schmal erscheint. Dasselbe gilt auch von dem Lumen des Copulationsgliedes, das übrigens durch keine Zacken oder Falten, wie z. B. bei Lipeurus, eingeengt wird. Das Copulationsghed ist daher auch sehr einfach gebaut und stellt überhaupt den einfachsten Typus unter den von mir bisher untersuchten Mallophagen dar. Ob ein rinnenförmiges Copulationsglied als eine primäre Eigenschaft auf- zufassen ist, von dem sich dann ein rohrförmiges sekundär entwickelt hat, muß noch dahingestellt werden. Der nach vorn ziehende Ductus ejaculatorius [de) ist wegen seiner fadenförmigen Beschaffenheit schwer zu entdecken und verliert sich nach einer kurzen Strecke zwischen den oberhalb der Basalplatte ziehenden Längsmuskeln, um dann wieder in der Fig. 27 de2 zwischen Analblase {ah) und Mitteldarm (md) quergeschnitten aufzutauchen. Er ist hier sehr viel dicker als vorher und besitzt eine deutliche Ring- muskulatur. Ein Vergleich mit Menopon (Fig. 4) zeigt also eine große Übereinstimmung, wie dies die soeben gegebene Beschreibung ohne weiteres lehrt. Nur ist bei Goniocotes vor allem .die Genitalmuskulatur sehr viel kräftiger als bei Menopon sowie die Chitinisierung überhaupt. Zuletzt ist hier auch etwas über die Querschnittbilder von den so- eben besprochenen Geschlechtsteilen sowie von den Ectadenien zu er- wähnen, da letztere nicht gut an Längsschnitten studiert werden können. Wir finden an Querschnitten durch den distalen Teil des Copula- tionsgliedes hier im Prinzip dieselben Teile wie in dem Querschnitt Fig. 5 bei Menopon wieder. Dorsal ist der Enddarm mit einigen radiä- ren Muskeln und ventral die Hypodermis mit einer dicken Chitin- schicht geschnitten. Der Genitalraum ist ebenfalls hier durch die dorsal von dem Copulationsglied liegende, breite und hohe Lamelle stark ein- geengt; letztere weist lateral und ventro-median eine stärkere Chitini- sierung auf und enthält außerdem im Innern lateral jederseits einen mächtigen, quergeschnittenen Längsmuskel. Das Copulationsghed selbst ist dagegen sehr klein, im Querschnitt etwa birnförmig und tritt, wie früher erwähnt, als eine Rinne hervor. 638 Henrik Strindberg, Parameren sind hier nicht vorhanden vind ,werden auch in den übrigen Schnitten vermißt, so daß wir es bei Goniocotes mit einer Mallo- phage zu tun haben, wo diese sonst allgemeinen Bildungen nicht vor- kommen. Lateral vom Copulationsglied finden wir jedoch an der Basalpartie desselben befestigt jederseits zwei übereinander gelegene, schwach nach oben gekrümmte, steife Haare, die mit der Basalpartie. des Copulationsghedes gelenkig verbunden sind. Die mehr nach vorn gelegenen Querschnitte, die durch die Basal- partie des Copulationsgliedes und dann durch den distalen Teil des Ductus ejaculatori US geführt worden sind, weisen nichts Bemerkens- wertes auf. Die Basalplatte ist ziemlich breit, stark chitinisiert und mit den verdickten Rändern nach oben und innen gekrümmt. Sie umfaßt teilweise die kräftige Genitalmuskulatur, wo der sehr schmale Ductus ejaculatorius eingebettet liegt. Noch mehr nach vorn wird die Basalplatte beträchtlich schmäler und dünner und stellt zuletzt eine horizontal gelegte, kurze Chitinspange ohne nach oben gebogene Ränder dar. Der Ductus ejaculatorius befindet sich in derselben Lage im Verhältnis zur Basalplatte fast über der ganzen Länge derselben, biegt dann seitwärts um und geht allmählich nach mehreren Windungen in die Ectadenien über. Diese sind in Vierzahl vorhanden und liegen neben- einander in der einen Hälfte des Hinterkörpers. Sie sind alle keulenförmig angeschwollen; die beiden median gelegenen sind wie gewöhnhch am größten, besitzen eine wohlentwickelte Epithel- und Muskelschicht und weisen im Innern ein plasmatisches Koagulat mit eingebetteten Sperma- tozoenbündeln auf. Die beiden in ähnlicher Weise gebauten lateralen sind dagegen dünnwandig und nur nüt Koagulat erfüllt. b. Weibchen. Wegen Mangel an Material habe ich hier leider keine Studien vor- nehmen können. 9. Goniocotes compar N. a. Männchen. Die männhchen Geschlechtsorgane sind bei Goniocotes compar wegen der Kleinheit der niederen Teile schwer klarzulegen, während die Testes und die Spermatozoon sich durch ihre Größe auszeichnen und den Hinterkörper fast völhg ausfüllen. Soweit ich zuerst an Total- präparaten habe beobachten können, ist das Copulationsghed sehr lang und schmal und entbehrt im Innern aller Falten- und Zähnchenbil- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 639 düngen. Auch Parameren werden hier wie bei Goniocotes hologaster vermißt. Basal am Copulationsghed finden sich jedoch zwei ziemHch stark chitinisierte, länghche Partien, die wenigstens distal voneinander frei sind und in scharfen, etwas nach innen gekrümmten Spitzen aus- laufen. Ob sie mit Parameren homologisiert werden können, muß dahingestellt werden; sie sind jedenfalls gar nicht paramerenähnHch. Eine lange, nicht allzu stark chitinisierte Basalplatte ist vorhanden und tritt wie gewöhnhch nur mit ihren verdickten, nach oben gebogenen Rändern hervor. Dies alles wird durch Schnittstudien bestätigt. Diese lehren auch, daß der Ductus ejaculatorius sehr lang und großlumig und innen von Chitin, wie es scheint, der ganzen Länge nach ausgekleidet ist. Er bildet mehrere Schlingen und besitzt proximal vier Ectadenien von gewöhnhcher Beschaffenheit. b. Weibchen. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind bei Goniocotes compar nach dem bei den Mallophagen bekannten Typus gebaut, wie dies ein Blick auf den medianen Längsschnitt Fig. 28 ohne weiteres lehrt. In der md ^P gr v3 iTig. 28. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. Dorsalwand des Genitabaumes können wir aber eine ziemlich kräftia; entwickelte Falte erblicken, die nach vorn und unten gerichtet ist und an ihrer freien Spitze einige kleinere Faltenbildungen aufweist. Die Basalparti e der Falte ist oben stärker chitinisiert und besitzt tatsäch- hch hier die Mündungsstelle einer Spermatheca. Von der median gelegenen Mündungsstelle geht ein sehr kurzer, aber ziemHch stark chitinisierter Ausführungsgang lateralwärts und kann daher nicht in dem medianen Sagittalschnitt Fig. 28 ersichtlich werden. Dasselbe Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 42 640 Henrik Strindberg, gilt ebenfalls für den größten Teil der Behälter (so) der Sper matlieca, die in dem erwähnten Medianschnitt nur tangiert ist und als zwei dicht nebeneinander hegende, mit Spermatozoenbündeln gefüllte Blasen- bildungen dorsal von dem Genitalraum {gr) hervortritt i. In der Tat handelt es sich aber um einen einheithchen, in der Mitte etwas ein- geschnürten Körper, der lateral von der Medianseite gelegen ist, wie dies der Querschnitt Fig. 29 {sh) veranschauhcht. Wir können hier den km-zen, ziemhch stark chitinisierten Ausführungsgang nebst seiner median gelegenen Mündungsstelle {mst) bemerken, die hier in der Dor- salwand eines kleinen, von dem Genitalraum {gr) durch eine Doppel- wand geschiedenen Kaumes sich befindet. Die Doppelwand repräsen- tiert natürlich die für den Längsschnitt erwähnte Dorsalfalte des Geni- y^ mst -sb gr Fig. 29. Vergr. Oc. 2, Obj. 7 a. talraumes. Dorsal von der Spermatheca ist die Vagina (vgr) mit ihrer kräftigen Kingmuskulatur {rm) und die Übergangsstelle zwischen der Vagina und dem Eileiter {vg, od) sowie die Analblase (ah) ersichthch. Meines Wissens sind Spermathecabildungen bei der Famihe Gonio- didae noch nicht nachgewiesen worden. Dies ist auch, wie ich es für die Familie Menoponidae hervorgehoben habe, recht natürhch, da die Chitinisierung der Spermatheca allzu schwach ist, um sie schon an Totalpräparaten hervortreten zu lassen. Die Spermatheca ist weiter sehr einfach gebaut und ähnelt hierdurch derselben von Holm- GREN (1908) beschriebenen Bildung bei Leucotermis tenuis. Wahrschem- Hch ist dies eine primäre Eigenschaft, wenn es natürhch auch nicht für eine nähere Verwandtschaft mit den Isoptera zu sprechen braucht. 1 Spermatozoenbündel finden sich auch im Genitakaum in der Nähe der dor- salen Falte desselben sowie in der Vagina (vgl Fig. 28 sp). Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger MaJIophagengattungen. 641 Spätere Untersuchungen über die verschiedenen Arten der FamiHe Goniodidae werden vielleicht lehren, daß wir ähnUchen Variationen wie bei der Familie Menoponidae hinsichtlich der Entwicklung der Spermatheca begegnen. . 10. Docophorus ocellatus N. a. Männchen. Hinsichthch der männhchen Geschlechtsorgane bei Docophorus ocellatm ist nicht viel zu sagen. Der Vollständigkeit wegen habe ich jedoch m der Fig. 30 einen medianen Sagittalschnitt durch ein vöUig geschlechtsreifes Tier wiedergegeben. Wir finden hier dieselben Teile öd 3^ Im md Fig. 30. Vergr. Oc. 4, Obj. 3. wie bei andern von mir untersuchten MaUophagen unter denselben Bezeichnungen wieder. Das Copulationsghed {cop) stellt eine kurze nn Querschmtt rundliche Eingfalte dar, die in dem kleinen Genital- laum {gr) verborgen Hegt. Die Wände der ersteren sind dorsal und ventral ziemlich stark chitinisiert und besitzen auch distal jederseits einen kurzen, nach vorn gerichteten Chitinzahn, zwischen denen die kleine Geschlechtsöffnung (grö) sich befindet. Die Innenwände der Ring- falte sind mit dünnem Chitin ausgekleidet und gehen nach vorn in den eigenthchen Ductus e jaculatorius {de) über, der anfangs sehr schmal ist und unter allmähhcher Erweiterung in die zienüich kurzen, aber dick- wandigen Ectadenien {eU) mündet. In seiner erweiterten Partie verhert der Ductus ejaculatorius die Chitinauskleidung, erhält dagegen eine kraftige Ringmuskulatur, die sich ebenfalls über die Ectadenien, ob- schon beträchtlich verdünnt, ausdehnt (vgl. Fig. 30 de). Parameren sind wie gewohnhch vorhanden, hier aber ziemlich weit distal geschoben. 42* g^2 Henrik Strindberg, Das Copulationsglied (cop) wird bei Docophorus von einer Basal- platte {hj>) gestützt. Sie ist hier aber verhältnismäßig sehr kurz und schmal und tritt an Querschnitten als eine kurze Querspange mit ver- dickter Dorsalwand ohne verdickte oder nach oben gebogene Ränder hervor. Sie dient wie gewöhnhch als Ansatzstelle für zahlreiche dorsale und ventrale Längsmuskeln {Im). Die letzteren befestigen sich distal an der unten mehrmals erwähnten, ventralen Lamellenbildung des Hinter- körpers, die dorsal wie bei Gyropus, Lipeurus, Goniocotes u. a., eine nach hinten gerichtete Falte trägt. Wie bei den beiden letztgenannten Mallophagen bilden die Sternite auch hier median durch Wegfall der Segmentgrenzen eine einheitliche, stark chitinisierte Partie, wodurch die Basalplatte an Totalpräparaten nicht ersichtlich wird, während die entsprechenden Tergite sich wie gewöhnhch verhalten (vgl. Fig. 19, 27 u. a.). Die Docophorus-Aiten sind hinsichthch der männhchen Geschlechts- organe sehr wenig bekannt und meines Wissens nur von Snodgrass (1899) und Mjöberg (1910) für Docophoms lari bzw. Docophorus melano- ceplialus fragmentarisch behandelt. Snodgrass hat nur die Chitin- partien des Copulationsghedes (»chitinous genitaha«) beschrieben und auf die Ähnlichkeit mit dem Copulationsglied bei ^Nirmus pacificus hingewiesen. Speziell hervortretend scheinen zwei bewegliche, an der Basis des Copulationsghedes befestigte Chitinstäbchen zu sein (vgl. Snodgrass, Taf.XIV,Fig.8,l.c.). Diese hat offenbar auch Mjöberg bei DocopJiorus mdanoceplialus beobachtet und als Parameren bezeichnet, was ich unzweifelhaft für richtig halte. Dagegen kann ich gar nicht für DocopJiorus ocellatm beistimmen, wenn der genannte Verfasser für Docophorus mdanoceplialus sagt: »Als den Präputialsack deute ich einen blasenförmigen, aufgetriebenen Sack, der den langen und schmalen Penis umgibt«, 1. c. S. 250, da ich bei meiner Docophorus- kxi some bei Docophorus pertusus solches nie habe beobachten können. Ich mW aber auch darauf aufmerksam machen, daß das Vorhandensein eines »Präputialsackes« und eines »Penis« bei einer andern Docophorus- Art sehr wohl denkbar ist, wenn wir nämlich mit ersterer die distale, oft mit Chitinzähnchen besetzte Partie des Ductus ejaculatorius, mit letzterem eine mehr proximal befindliche Ringfalte des Ductus ejaculatorius, die nach hinten in das Lumen des ersteren hervor- springt und also von dem »Präputialsack« »umgeben« wh:d, ver- stehen. Solches habe ich ja bei der Gattung Gliricola und Gyropus beobachtet. (Vgl. übrigens meine frühere Arbeit über die Mallo- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen- 643 phagenanatomie, Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. CXV, 1916, Fig. 24 u. 28.) b. Weibchen. In ihren Hauptzügen scheiden sich die weiblichen Geschlechtsor- gane heiDocofhorus ocellatus nicht prinzipiell von denjenigen andrer von niir untersuchter Mallophagen, wie es aus dem teilweise wiedergegebe- nen, medianen Längsschnitt Fig. 31 hervorgeht. Bei unsern Tieren bemer- ken wir aber noch eine Bildung, die wir schon früher bei den Gattun- gen Menopon, Pseudotnenopon und Goniocotes beobachtet haben und die auch hier eine Spermatheca von bedeutender Größe repräsentiert. Sie tritt bereits an Totalpräparaten von älteren Tieren gut hervor vg od Fig. 31. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. und ist schon von Mjöberg (1910) gesehen und für Nirmus lineolatus N. folgendermaßen beschrieben: »Sie hat hier ga-nz dieselbe Lage und Form, ist mehr oder weniger gerundet und trägt am Anfang des Aus- führungsganges eine kreisrunde Chitinscheibe, die wie konzentrisch ge- ringelt ist. Gerade von der Mitte dieser Scheibe geht der auch hier gut chitinisierte Ausführungsgang heraus und mündet in die Vaginal- wand«, 1. c. S. 255. Ähnliches soll auch für die DocojjJiorus- Alten gelten. Wir müssen uns nun aber auch Schnittstudien zuwenden, um eine vollständigere Vorstellung über die betreffende Sperma theca- bildung zu erhalten. Am meisten hervortretend in dem medianen Sagittalschnitt Fig. 31 ist der von einem kräftigen Epithel aufgebaute Ausführungsgang {g), der innen sehr stark chitinisiert ist und nach bogenförmigem Verlauf in die Dorsalwand des Genitalraumes (gr) 644 Henrik Strindberg, mündet. Der Ausführungsgang trägt an seiner proximalen Partie die eigentliche Spermatheca, d. h. den Behälter (sb) der Spermatozoen- bündel; sie ist ziemlich stark erweitert und an der Innenseite mit einer dünnen Chitinbekleidung versehen. Nur an zwei Stellen ist hier das Chitin beträchtlich verdickt, näher be- stimmt an dem kolbig angeschwollenen Boden zweier Divertikel, von denen das eine dorsal, das andre ventral von dem Ausführungsgang sich befindet. Auch die Epithel Schicht ist an diesen beiden Stellen mächtiger entwickelt ; sonst stellt sie ein Plattenepithel dar. Eine Aus- nahme finden wir aber proximal, wo eine Partie der Epithelwand der Spermatheca wie nach innen ge- stülpt ist ; hier ist, wie es aus der Figur hervorgeht, das Epithel kubisch. Die Spermatheca ist bei diesem jungen Tier ganz leer, d. h. enthält keine Spermatozoen. Bei älteren Tieren ist sie in ihrer proximalen Fig. 32. Vergr. Oc. 1, Obj. 7 a. /^d^ '^^ Fig. 33. Vergr. Oc. 18, Obj. 3. Partie außerordentlich stark erweitert und von Sperma nebst einem deutlichen Koagulat erfüllt. Dies geht aus dem Querschnitt Fig. 32, der einem alten Tierchen entstammt, teilweise ohne weiteres hervor; die Spermatozoen sind mit sp bezeichnet und liegen fast ausschheßhch Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 645 in zwei kolbigen und innen stark chitinisierten Partien des Sperma- thecabehälters (sh), die miteinander wie durch eine schmallumige Kohrbildimg kommunizieren. Ventral von letzterer finden wir den Ausführungsgang (g) sowie den Genitalraum (gr) geschnitten. Der Schnitt muß also etwas nach vorn von der kolbigen Anschwellung des dorsalen Divertikels in Fig. 31 geführt sein. Wenn vni also Längs- und Querschnittbilder kombinieren, finden wir, daß die kolbige An- schwelkmg tatsächlich eine ringförmige Gestalt besitzt und daß es sicherlich diese ist, die wegen ihrer stärkeren Chitinisierung schon an Totalpräparaten als ein >>Chitinring << hervortritt. Daß Mjöbeeg eine »Chitinscheibe« gesehen hat, ist wohl darin zu suchen, daß die ganze Ventralseite des Spermathecabehälters eine stärkere Chitinisierung aufweist als die Dorsalseite, obschon die weitaus kräftigste Chitin- bekleidung zu den Rändern lokalisiert ist. Dieser Beschreibung nach sitzt also der Behälter tütenförmig dem Ausführimgsgang auf, so daß die ganze Spermatheca etwa dasselbe Aussehen w-ie das eines Hut- pilzes mit verdickten Rändern des Hutes hat. 11. Docophorus pertusus N. Auch eine andre Docophorus- Avt, und zwar Docophorus pertusus N., wurde von mir untersucht; da aber diese Mallophage im Prinzip hin- sichtlich der Geschlechtsorgane mit Docophorus ocellatus übereinstimmt, brauche ich hier keine nähere Beschreibung zu geben. Beim Weibchen ist eine wohlentA\T ekelte Spermatheca von derselben Beschaffenheit wie bei Docophorus ocellatus vorhanden. 12. Nirmus uncinosus N. a. Männchen. Die männlichen Geschlechtsorgane bei Nirmus uncinosus sind denjenigen von Docophorus ocellatus sehr ähnlich, wie dies der mediane Sagittalschnitt Fig. 33 lehrt. Die verschiedenen Teile sind jedoch viel kräftiger ausgebildet, sowie die Chitinisierung überhaupt. Das Copu- lationsglied {cop) ist kurz, kegelförmig, ohne Armatur von Chitin- zähnchen und befindet sich wie gewöhnlich in einem hier allerdings großen Genitalraum {gr), der in seiner Ventralwand eine Falte trägt {je). Auch basal am Copulationsglied befestigt finden wir dorsal und ventral eine kurze Falte. Erstere wird bei einigen Exemplaren vermißt, wäh- rend letztere konstant erscheint und lateral jederseits eine sehr kurze Ausstülpung trägt. Die beiden Ausstülpungen müssen als Para- meren betrachtet w^erden, obschon sie nicht als solche in gewöhnlichem 646 Henrik Strindberg, Sinne hervortreten. Der Ductus ejaculatorius (de) ist kräftig ent- wickelt und beschreibt in seiner mit Ringmuskeln {rm) versehenen Partie (^^2) mehrere Windungen, ehe er in die vier kurzen, rundlichen Ectadenien {ekd) übergeht. Die Basalplatte (bp) ist kurz und breit und wird als Ansatzstelle für kräftige, dorsal und ventral gelegene Längsmuskeln in Anspruch genommen. Speziell stark entwickelt sind zwei große Muskelbündel, die jederseits des Ductus ejaculatorius ziehen. Die männhchen Geschlechtsorgane der Nirmus-Äiten sind eben- falls von Snodgrass (1899) und Mjöberg (1910) für Nirmus facificus gr g vg od Fig. 34. Vergr. Oc. 18, Ohj. 3. bzw. Nirmus pileus wie gewöhnlich sehr fragmentarisch behandelt. Snodgrass hat nur die Chitinpartien des Copulationsgliedes beschrie- ben und auf ihre Ahnhchkeit mit denjenigen von Docophorus lari hin- gewiesen. Speziell hervortretend scheinen zwei am Penis befindhche Chitinstäbchen zu sein, die mit einer medianen Chitinpartie beweghch verbunden sind; diese sind auch von Mjöberg beobachtet und als Parameren bezeichnet. Die Größe der Parameren scheint daher bei den Nirmus-Axten sehr variabel. Auch wird bei Nirmus pileus ein deutlich entwickelter, aus vier miteinander parallelseitigen Chitin- stückchen bestehender Penis angegeben; während dagegen der »Prä- Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 647 putialsack« klein und ohne Armatur von Chitinhöckerchen sein soll. Diese Beschreibung Mjöbergs scheint mir mehr als gewöhnlich fragliche, so daß wir hier notwendig eine Nachprüfung abwarten dürfen. b. Weibchen. Eine Vorstellung über den Bau der weiblichen Geschlechtsorgane bei Nirmus uncinosus erhalten wir durch den medianen Sagittalschnitt Fig. 34. Der Genitalraum {gr) ist schmal, gleichzeitig aber sehr breit, wie dies der Querschnitt Fig. 35 lehrt, und besitzt keine bedeutendere Faltenbildungen. In der Dorsalwand ist eine kurze, breite und nach vorn gerichtete Ausstülpung zu sehen. Diese ist mit dickem od dg sp Fig. 35. Vergr. Oc. 1, Obj. 7a. Chitin ausgekleidet und kann also nicht mit der bei Gliricola und Gyro'pus beschriebenen Anhangsdrüse ohne weiteres homologisiert werden. Sie ist außerdem sehr breit und stellt unzweifelhaft eine Segmentgrenze dar, ähnhch wie ich z. B. bei Gjjwpus und Pseudo- menopon dorsal im Genitalraum habe beobachten können. Dem- gemäß dient sie auch hier als Ansatzstelle für segmentale Längsmuskeln, obschon diese nicht an medianen Längsschnitten hervortreten. Etwas nach hinten von der betreffenden Segmentgrenze bemerken wir in der mit grauer Farbe wiedergegebenen Chitinschicht eine drei- eckige mit schwarz bezeichnete Partie, die nach hinten und oben in eine deutliche Rohrbildung {g) übergeht. Letztere besitzt ein sehr 648 Henrik Strindberg, schmales Lumen und ist von einer Epithelschicht, einer Fortsetzung der Hypodermis, ausgeschieden. Wir haben es hier mit dem bei Doco- fhorus ocellatus beschriebenen Ausführungsgang der Spermatheca zu tun. Dieser befindet sich hier aber nur in seinem Endstück genau median, beschreibt dann einige Windungen, von denen eine etwas nach vorn und oben von dem Endstück ebenfalls geschnitten ist, um zuletzt in den hier lateral gelegenen Spermathecabehälter (sh) einzumünden. Die Einmündungsstelle kann also nicht in der Fig. 34 hervortreten. Es handelt sich aber um ganz ähnliche Verhältnisse, die ich für Doco- phorus beschrieben habe. Die Spermatheca selbst ist ventral mit verdicktem und innerlich stärker chitinisiertem Eand versehen, mit Spermatozoenbündeln (sp) gefüllt und sitzt dem geringelten Gang auf, wie dies der Querschnitt Fig. 35 veranschaulicht. Unmittelbar dorsal von der ventralen Partie des Spermathecabehälters bemerken wir in der Fig. 34 einen abgeplatteten Gang (ag), der nach vorn zieht und zuletzt eine blasenförmige Auftreibung bildet, die wie die ventrale Partie des Spermathecabehälters mit zahlreichen Spermatozoen- bündeln (sp) erfüllt ist. Der betreffende Gang sowie die blasenförmige Erweiterung ist von einer dünnen Chitinschicht ausgekleidet, die ihre Entstehung einem Plattenepithel verdankt. Nur in der Hinterwand der erweiterten Partie ist das Epithel kubisch mit freien Zellspitzen, so daß die Chitinschicht zwischen den Zellen eine Strecke weit hinein- dringt und daher an dieser Stelle gerunzelt erscheint. Da die Er- weiterung jedoch lateral liegt, lehren aber Querschnitte, daß die soeben erwähnten, kubischen Epithelzellen die Seiten derselben bilden, während ihre mediane Partie wie der Gang (ag) von einem Plattenepithel auf- gebaut ist. In dem Querschnitt Fig. 35 finden wir den Gang {ag) in unmittel- barer und breiter Verbindung mit der ventralen Partie des Sperma- thecabehälters, so daß es tatsächlich sich um eine einheitliche und ganz ähnliche Bildung wie bei DocopJiorus handelt. Bei Docophorus und Nirmus begegnet uns also noch ein Typus einer Spermathecabildung, die einen bedeutenden Kaum in dem Hinterkörper einnimmt und als hochspezialisiert betrachtet werden muß ; bei den von mir bisher untersuchten Mallophagen kommen somit nicht weniger als vier verschiedenartig gestaltete Sperma thecae vor. Sicherlich werden spätere und ausgedehntere Untersuchungen über die Geschlechtsorgane der weiblichen Mallophagen noch neue Typen mit sich führen, die hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der Spermatheca- gestaltung vieles von Interesse bieten werden, während, wie ich glaube. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 649 die übrigen Geschlechtsteile prinzipiell in derselben Weise gebaut wiederkehren, die ich hier oben für meine Kepräsentanten einiger Mallophagengattungen näher beschrieben habe. Zusammenfassung der wichtigsten Resultate. a. Männchen. 1. Der Ductus ejaculatorius ist ein schmallumiges oder breit- lumiges Rohr, das nur distal oder, aber selten, auch proximal von Chitin ausgekleidet und proximal mit einer Ringmuskulatur versehen, oft wegen seiner Länge geschlängelt ist und bei allen von mir unter- suchten Mallophagen an dem proximalen Teil vier wohlentwickelte, selbständige Anhangsorgane oder Ectadenien trägt. Von diesen sind die beiden median gelegenen die weitaus größten und enthalten neben einem Koagulat zahlreiche Bündel von Spermatozoen, während die beiden lateralen viel kleiner sind und nur ein Koagulat im Innern aufweisen. Sie gehen von einer gemeinsamen, kurzen oder langen Basalpartie aus, sind aber sonst voneinander völlig geschieden, wie dies zur vollen Evidenz nur Querschnitte lehren können. 2. In seiner niederen, einer Muskelschicht entbehrenden Partie ist er, wie oben gesagt wurde, von Chitin ausgekleidet und oft an der Innenseite mit zähnchentragenden Faltenbildungen versehen. Solche können auch in demjenigen Teil beobachtet werden, wo der Ductus ejaculatorius die als Copulationsglied bezeichnete Ringfalte bil- det, die für gewöhnhch außen stark chitinisiert ist und in dem soge- nannten Genitalraum in der Ruhelage verborgen liegt. 3. Basal und lateral besitzt das Copulationsglied die beiden als Parameren bezeichneten, voneinander völlig freien oder miteinander in den vorderen Teilen verwachsenen, rohrförmigen Ausstülpungen, die jedoch ausnahmsweise fehlen können, wie ich z. B. bei Goniocotes hologaster beobachtet habe. Sie können stark chitinisiert sein und liegen bisweilen mit ihren distalen Partien in die Wand des Genital- raumes eingesenkt (Fig. 6 p). 4. Das Copulationsglied besitzt zuletzt bei einer einzigen der untersuchten Arten und zwar bei Lipeurus variabilis eine rohrförmige, innen chitinisierte Bildung, die sich zwischen der ventralen Wand des Ghedes und dem Ductus ejaculatorius ausspannt und allem An- schein nach durch Ausstülpung von letzterem entstanden ist (Fig. 19 r6). 5. Das Copulationsglied selbst liegt überall in der Ruhelage in dem sogenannten Genitalraum mehr oder minder vollständig verborgen. Letzterer kann dorsal und ventral mit Chitinzähnchen dicht besetzt 650 Henrik Stiindberg, sein und besitzt in den meisten Fällen ventral eine oft ebenfalls zähn- chentragende und nach hinten gerichtete Falte (/e). Sie wird bei Menopon pallidum vermißt. 6. Ventral vom Copulationsglied bildet der Genitalraum nach vorn eine für gewöhnlich breite aber sehr plattgedrückte Ausstülpung, die lang oder kurz sein kann und an der Innenseite stark chitinisiert ist. Die Chitinisierung ist dorsal und an den meistens nach oben ge- bogenen Rändern am kräftigsten. Die Chitinauskleidung wird als Basalplatte und die Ausstülpung als Basalplattensack genannt. Erstere dient als Ansatzstelle für zahlreiche Längsmuskeln, die an derselben dorsal und ventral befestigt sind. Sie kann auch sehr schmal sein und macht dabei bei gleichförmiger Dicke der Chitinschicht den Eindruck eines einfachen Chitinstabes, wie es z. B. bei Menopon mesoleucum der Fall ist. Sie ist aber immer eine einheitliche Bildung, wenn sie auch durch die stärker chitinisierten und nach oben gebogenen Ränder sowohl bei den Amblyceren als bei den Ischnoceren an Totalpräparaten nur als zwei freie Stäbchenbildungen erscheinen kann. b. Weibchen. 1. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind in ihren ectodermalen Teilen sehr gleichförmig gebaut, so daß die Verschiedenheiten nur hin- sichtlich des Baues der Spermatheca von prinzipieller Natur sind. 2. Der Genitalraum ist überall sehr gut entwickelt und besitzt eine in seiner Dorsalwand durch segmentale Ausstülpung entstandene Spermatheca, die ich sowohl bei den Amblyceren als bei den Ischnoceren nachgewiesen habe, obschon gar nicht bei allen. Wir wissen bis jetzt zumal nicht, ob sie als eine allgemein vorkommende Bildung aufzufassen ist oder nicht. 3. Wie bei andern Ordnungen der Insekten ist der Bau der Sper- matheca bei verschiedenen Arten der Mallophagen mehr oder minder ungleichartig, so daß ich bei den bisher untersuchten Arten vier ver- schiedene Typen gefunden habe. Bei allen bisher untersuchten besteht sie aus einem oft sehr großen Behälter für die Spermatozoen nebst einem kurzen oder langen für gewöhnlich stark chitinisierten Aus- führungsgang, der im ersteren Fall auch mit einer starken blasenför- migen Erweiterung und Divertikelbildung versehen sein kann (Fig. 14 mid 16). Der Behälter ist bei allen ebenfalls chitinisiert und besitzt eine mannigfaltige Gestalt, wie es scheint am meisten ausgeprägt bei den Amblyceren. Bei den Ischnoceren {Docophorus, Nirmus) ist der Behälter blasenförmig und basal in dem Rand stärker chitinisiert, Typstudiea über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 651 so daß die Sperma theo a hier als ein Chitinring schon an Totalpräpa- raten ihr Vorhandensein demonstriert. Da die ringförmige starke Chitinisiermig bei den Amblyceren vermißt wird, ist die Spermatheca bei diesen auch bisher übersehen worden, obschon sie hier als eine mäch- tige Bildimg vorkommen kann. Nachschrift. Als meine vorliegende Arbeit schon zum Druck abgeliefert war, erschien eine neue Arbeit von Cummings: »Studies on the Änoplura and Mallophaga usw. Part II, Proceed. of the Zool. Soc. of London (1916). Von seiner verdienstvollen Arbeit ist zunächst zu bemerken, daß Cummings auch Schnittstudien, und zwar an Lipeurus forficulatus {(^) vorgenommen hat, so daß ich diese Lipeurus- Avt mit meiner Lipeurus varidbilis direkt vergleichen kann. In der Textfig. 28 hat Cummings die männlichen Geschlechtsteile der erwähnten Mallophage in einem Totalbild wiedergegeben, so daß wir zwischen dieser Figur und meiner Fig. 25 Homologisierungs versuche anstellen können. Allem Anschein nach entspricht dann der >>end-sac<< und die beiden »reser- voirs« den beiden medianen bzw. den beiden lateralen Ectadenien, während der »middle sac<< in den beiden unpaaren Endstücken der Ectadenien ein Homologen findet; auch der Divertikel {ao) der bei Lipeurus variahilis von der gemeinsamen Basalpartie der Ectadenien als ein Anhangsorgan ausgeht, ist wahrscheinhch mit den paarigen »accessory glands« zu vergleichen, die wie das Divertikel und die Ecta- denien ein Koagulat enthalten. Darüber sagt Cummings wie folgt: Whereas the end-sac contains sperm, the two >>reservoirs<<, the middle sac, and the two minute vesicles, on each side at the lower end of the latter, contain a coagulable white secretion ....,<< 1. c. p. 685. Hin- sichtlich der Schnittstudien ist zu bemerken, daß sie allzu wenig aus- reichend sind, um einen eingehenden Vergleich mit den Verhältnissen bei Lipeurus variahilis zu erlauben. So viel können wir aber behaup- ten, daß der Bau der Ectadenien, des Ductus ejaculatorius und des Copulationsgliedes im Prinzip mit Lipeurus variahilis überein- zustimmen scheint. Dagegen ist eine »rohrförmige Bildung« (rh), die ich für Lipeurus variahilis beschrieben habe, nicht von Cummings beobachtet worden, so daß immer detailherte Untersuchungen an Schnitten sehr wünschenswert sind. Die weibhchen Geschlechtsorgane sind von Cummings nicht be- handelt worden; nur ist das Receptaculum seminis (Spermatheca) 652 Heni'ik Strindberg, bei der Familie Philopteridae (Docophori'dae), und zwar für Philopteriis (Docophorus) ceblebrachys N., und für die Repräsentanten Ihidaems plataleae Den. und Ihidaecus flavus n. sp. des neuen Genus Ibidaecus {DocojjJiorus) sowie für Neo'pJiilopterus incompletus N. beschrie- ben. Für Philopterus ceblebrachys heißt es: »The receptaculum consists of a small more or less circular sac of soft dehcate tissue carried by a dark-brown thickly — chitinised calyx at the end of a fine duct leading into the genital Chamber In P. ceblebrachys the calyx is a saucershaped piece of chitin with a rim. The duct enters through the centre of its membranous bottom and debouches at the tip of a large chitinous cone, which overtops the side of the calyx and at its base is continuous with the calyx, so that in optical section it looks as if the bottom has been pushed clean through the centre,« 1. c. p. 649. So liegen die Verhältnisse auch bei den von mir untersuchten Arten der Familie Docophoridae, was ich durch Studien an Schnitten habe bestätigen können. Zuletzt will ich noch bemerken, daß ich während des Druckes meiner Arbeit Gelegenheit gehabt habe, noch einige Mallophagen, und zwar Colpocephalum sp. von Haliaetus albicüla, Docophorus commu- nis N., von Emberiza citrinella, Docophorus asturinus Mjöb. von Astur palumbarius und zuletzt Nirmus sp. von Bolborhynchus sp. hinsichthch der Geschlechtsorgane zu untersuchen. Die männlichen Geschlechts- organe weisen nichts Bemerkenswertes auf, d. h. sind nicht scharf als Typen charakterisiert und dasselbe gilt ebenfalls von den Weibchen. Sowohl bei den Weibchen von Docophorus als von Nirmus findet sich eine gut entwickelte Spermatheca von dem gewöhnlichen Aussehen, während Colpocephalum eine solche Bildung entbehrt. Stockholm, im Juni 1916. Verzeichnis einiger speziell berücksichtigter Arbeiten. CuMMiNGS (1916), Studies on the Anoplura and Mallophaga. Proceed. of the ZooL Soc. of London. Part I, Geosse (1885), Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIL HoLMGREN (1908), Termitenstudien. 1. Anatomische Untersuchungen. KungL Svenska Vetenskapsakademiens Handlingar. Kramer (1869), Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gattimg Philopterus (NiTZSCH). Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XIX. Typstudien über die Geschlechtsorgane einiger Mallophagengattungen. 653 Mjöbebg (1910), Studien über Mallophagen und Anopluren. KungL Svenska Vetenskapsakademiens Handlingar. Bd. VI. NusBAUM (1882), Zur Entwicklungsgeschichte der Ausführungsgänge der Sexual- drüsen bei den Insekten, Zool. Anz. Bd. V. PiAGET (1871), Description de quelques parasites du genre Docophorus. Tijdschr. V. Entom. VoL XIV. Snodgbass (1899), The Anatomy of the Mallophaga. Contr. to Biol. fr. the Hopkins Seaside Laboratory; Stanford University. Steindberg (1916), Zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Mallophagen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CXV. Bedeutung der meisten für alle Figuren gültigen Bezeichnungen. o, Analöffnung; äbf Analblase; ad, Analdrüsen; bp, Basalplatte; phs, Basalplattensack; cop, Copulationsorgan (Penis); de, dci — dci, Ductus ejaculatorius; e, Ei; ed, Enddarm; ekd, Ectadenien; ep. Epithel; /, fe, Falte; fk, Fettkörpergewebe; g, Ausführungsgang der Spermatheca; gr, Genitalraum; gö, Geschlechtsöffnung; h, Herz; Jiyp, Hypodermis; k, Koagulat; km, Kaumagen; kr, Kropf; Im, Längsmuskeln; m, Muskelzellen oder Muskeln; malp, MALPiGHische Gefäße; md, Mitteldarm; od, Oviduct; p, Parameren; rb, »rohrförmige Bildung«; rm, Ringmuskeln; sb, Samenbehälter; sp, Spermatozoon oder Samenpatrone; st, Spermatheca; VC, Valvula cardiaca; J^y» Vagina. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. Eine Theorie der Flasmogeuese. Von F. K. Studnicka (Brunn). Inhalt. Seite Einleitung 654 L Die Reduktion und die Regeneration der Zellen embryonaler Gewebe 671 A. Die ZeUrudimente in einer schnell wachsenden Organanlage. — Extremitätanlage einer Froschlarve 672 B. Die Entstehung der Neuroblasten und der Ganglienzellen . . .674 IL Die » Zellrudimente « und die Zellregeneration bei der Bildung der Blut- körperchen 678 IIL Die Regeneration des Endoplasmas in Epidermis- und in Chorda dor- salis-Zellen 681 A. Die Epidermiszellen der Wirbeltiere 683 B. Epidermoide Zellen der Chorda dorsalis der Wirbeltiere .... 686 C. Der Chordaknorpel 687 IV. Die Reduktion und die Regeneration von »fixen« Zellen mesenchyma- tischen Ursprungs 689 A. Fixe Bindegewebszellen 693 B. Osteoblasten 693 C. Odontoblasten 695 D. Vesiculöse Zellen und Vorknorpelzellen 697 E. Knorpelzellen 699 V. Die Geschlechtszellen 703 A. Die Bildung der Oogonien und der Eizellen 703 B. Die Bildung der Spermatogonien und der Spermatozoiden. . . 708 VL Die Zellreduktion und die Zellregeneration imter pathologischen Um- ständen 713 Allgemeines; Klassifikation der Plasmaarten 715 Tabellarische Übersicht neuerer Klassifikationen tierischer Substanzen . . . 725 In der Biologie wird allgemein die Richtigkeit des Grundsatzes »omnis cellula e cellula« anerkannt, und in der Tat ist kein Fall be- kannt, in dem Zellen anders, als Avieder, wenigstens aus Teilen von Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 655 Zellen, die da früher waren, oder aus Massen, die einer Mehrzahl von Zellen entsprechen, entstehen würden. Der Zellkern, der das Cha- rakteristische einer Zelle ist, entsteht, wie wir wissen, immer wieder aus einem Zellkern, und man kann sich die Entstehung einer Metazoen- zelle — nur um solche handelt es sich ja in dieser Abhandlung — aus extracellulärem Protoplasma, jenem, das da außerhalb der die Zell- kerne enthaltenden Protoplasmaklümpchen und Massen vorhanden ist, nicht vorstellen. Beim Aussprechen des eben erwähnten Grundsatzes sollte man sich heute einige, bisher nicht genügend berücksichtigte Umstände vergegenwärtigen: Die Zellen entstehen aus Zellen — Syncytien und Symplasmen lasse ich da vorläufig beiseite — nicht immer so, wie sich das die zoologische Cytologie bisher allgemein vorgestellt hat, das ist, eine Metazoenzelle entsteht nicht in jedem Falle durch Teilung einer ganzen, früher da bestandenen Mutterzelle, durch Teilung ihres Centriols, des Zellkernes und des cytoplasmatischen Körpers. Es ist möglich, und darauf will ich — ■ neben anderm — hinweisen, daß sich von der Zelle bloß ein Teil erhält, ein Rudiment, sozusagen, welches das Wesentlichste der ehemaligen Zelle enthält, bzw. repräsentiert, den Namen »Zelle« jedoch kaum verdient. Ein solches Rudiment kann eine längere Zeit bestehen und als solches sich auch vermehren, und es kann aus ihm unter Umständen wieder eine vollwertige Zelle mit großem Cytoplasmateile, der doch das Wichtigste hier ist, entstehen, bzw. sich aus ihm »regenerieren«. Auch in diesem Falle stammt die neue Zelle selbstverständlich von einer Zelle, die früher da bestanden hat, doch die Maxime »oimiis cellula e cellula« hat in Anbetracht dieser Umstände jetzt eine etwas andre Bedeutung als früher; man darf sie, und das beweist übrigens auch das Vorhandensein der Syncytien und Symplasmen, nicht allzu wörtlich nehmen. Nur der Grundsatz »omnis nucleus e nucleo« bleibt in vollem Rechte. Das, worauf ich hingewiesen habe, kann sowohl bei normalen, wie bei pathologischen Prozessen vor sich gehen, und so gibt es eine viel größere Mannigfaltigkeit von Erscheinungen, als es die bloß auf volle, bzw. vollwertige Zellen Nachdruck legende Biologie voraus- setzte. Es handelt sich um Erscheinungen, die ziemlich an manche von jenen erinnern, welche die Protozoologie bei verschiedenen Arten der Sporenbildung kennt. Die neuere Metazoencytologie hat sie nicht beachtet, obzwar ihre Kenntnis bis auf Schwann ^ zurückgeht. Schwann 1 »Mikroskopische Untersuchungen usw.« 1839. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 43 656 F. K. Studnicka, zuerst hat in tierischen Geweben das Entstehen von Zellen aus Zell- kernen, bzw. wie ich es auffasse, aus Zellrudimenten, beobachtet, und seine Angaben darüber waren, wie ich mich an einem der von ihm untersuchten Objekte neuestens überzeugen konnte i, in der Haupt- sache ganz richtig. Seine Lehre von der Zellbildung im »Cytoblastem <<, in der er das in einigen Fällen richtig Beobachtete unrichtig verall- gemeinert hat, wurde erst Mitte der fünfziger Jahre von Remak und von ViRCHOW verdrängt, und der Grundsatz »Omnis cellula e cellula «^ kam zur Geltung. Nur die RoBiNsche Schule bekannte sich auch dann noch eine Zeitlang zu der Blastemlehre^, und einzelne auf Zellbildung auf der Grundlage von Zellkernen sich beziehende Angaben zeigten sich hier und da auch anderswo in der Literatur. So sagt z. B. 1875 GoETTE*, »daß die Embryonalzellen dem späteren Knorpelgewebe nur die Zellkerne unmittelbar überliefern, nicht aber zugleich die zugehörigen Zelleiber<<, und äußert auch sonst von der offiziellen Lehre sehr un- abhängige Ansichten. Seit 1896 entwickelte Retterer^ eine Theorie der Grundsubstanzbildung, nach der die Grundsubstanz aus einem Symplasma, und die Grundsubstanzzellen durch Differenzierung des Protoplasmas in der Umgebung der Zellkerne, also neu, entstehen sollten. Auf den Prozeß der Grundsubstanzbildung beziehen sich auch einige meiner eigenen Arbeiten aus den Jahren 1903 — 14, und da konnte ich z. B. schon 1903 beobachten, daß bei der Anlage der Knorpel bei Selachiern die Knorpelzellen nicht durch einfache Umbildung der älteren Mesenchymzellen entstehen, sondern in der Umgebung der Zellkerne eigentlich neugebildet werden. Auch anderswo, so bei der Bildung der Bindegewebszellen, kommt es zur Neubildung von Proto- plasma, wie es eigentlich schon frühere Untersucher dieses Gewebes geahnt haben. Neben andern macht auf diese und ähnliche Formen der Zellbildung Rohde aufmerksam, und in seinen zusammenfassenden Abhandlungen^ wird der Gedanke vertreten, daß die Zellen nicht von Anfang da sein müssen, sondern, daß sie vielfach >> sekundäre und ter- tiäre Bildungen« sind, die manchmal »auf eine Art freier Zellbildung 1 Vgl Sitzungsber. d. Kgl. Ges. d. Wiss. in Prag. 1907. Nr. XXIV. S. 9. Anatom. Anzeiger. Bd. XL. 1911. S. 59. 2 ViRCHOW im Arch. f. allg. Pathol. Bd. VII. 1855. ^ Vgl. RoBm, ^Anatomie et Physiologie cellulaires«. Paris 1873. * »Entwicklungsgeschichte der Unke. « Leipzig 1875. S. 367 — 9. 6 Journal de l'anat. et physiol. 189G, 98, 1900. ö »Histogcnetische Untersuchungen. « Breslau 1908. »Zelle und Gewebe in neuem Licht.« Leipzig 1914. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 657 aus vielkernigen Plasmamassen hervorgehen«. In den letzten Jahren mehren sich überhaupt die Angaben, die man in diesem Sinne ver- werten kann und es erscheinen jetzt auch Angaben über solche Er- scheinungen unter pathologischen Bedingungen. Ich verweise da auf die Angaben von Grawitz und auf eine Arbeit von Tryb, in der »nackte« Zellkerne als Reste von Zellen beschrieben werden^. Eine allgemeine Besprechung des Themas sei der Besprechung der einzelnen speziellen Fälle vorausgesendet: Die im vorangehenden erwähnten Prozesse — die Zellvermehrung, die sich mit ihnen kombinieren kann, lasse ich da vorläufig beiseite — • kann man vielleicht mit den Namen »Reduktion« und »Regene- ration« von Zellen bzw. des Cytoplasmas bezeichnen^. Es sind das Erscheinungen, bei denen sich die sogenannte »Kernplasma - relation« (R. Hertwig)^, soweit sie sich auf Kern-Endoplasma bezieht, auffallend ändert, doch geht die Reihe der Veränderungen noch viel weiter und sie betrifft auch Fälle, in denen von einer »Relation« eigent- lich keine Rede sein kann, bzw. in denen sie eine gar zu geringe Bedeu- tung hat. Sie beweist, und dies ist der hauptsächliche Inhalt der hier von mir entworfenen Theorie, daß der Zellkern eine größere Bedeutung hat, als es die bisherige, vor allem sein Zusammenwirken mit dem Cytoplasma berücksichtigende Lehre annimmt. Der Name »Reduktion« wird in der Biologie bekanntlich in ver- schiedenem Sinne angewendet. In unserm Falle handelt es sich um eine Verkleinerung der . Menge des um einen Zellkern vorhandenen Cytoplasmas aus verschiedenen Ursachen, bei normalen oder patho- logischen Wachstums- bzw. Entwicklungsprozessen, auf ein Minimum, eine minimal dünne den Zellkern allseitig umgebende, oder sich ihm von einer Seite anschheßende Cytoplasmaschicht, oder schließlich um eine wirkliche »Reduktion« der »Zelle« auf ein »Rudiment«, von dem ich annehme, daß es trotz seiner geringen Größe immer doch die Hauptorganoide der Zelle behält. Jene Bezeichmmg bezieht sich auf zweierlei, auf ganze Zellen, in andern Fällen — wie ich schon angedeu- tet habe — auf das Endoplasma oder die >> Endoplasmazellen «, die sich, 1 DermatoL Wochenschr. Bd. LXII. 1916. 2 Von »Regeneration« von Zellen spricht in diesem Sinne schon v. Korpf (Arch. f. mikr. Anat Bd. LXXXIV. 1914. S. 271) und eigentlich hat man den Namen schon früher hie und da in einem ähnlichen Sinne angewendet. ^ Vgl. darüber z. B. Erdmann, in: Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. XVIII. 1908. 43* e_o F. K. Studnicka, 658 «„wie die ganzen Zellen, inmitten von »Gesamtzellen«, in andern Fällen inmitten von Grnndsubstanz, »reduzieren« können. Zwischen den Fällen der einfachen Verkleinerung der Zellen bzw. Endoplasmazellen, der »Diminution«, «e man sagen kömrte, und der wirklichen -«eduk- tion« auf das Notwendigste, gibt es keine Grenze, und in zahlreichen Fällen läßt sich nicht entscheiden, was davon man eigenthch vor sich hat Eben deshalb wähle ich da den Namen »Eeduktion« - »der Zellen bzw. des Cytoplasmas« -, der für alle Fälle ausreichen muß. Der Name »Verkleinerung« würde die extremen Fälle wemg charakteri- sieren Den Terminus »Eedid^tion « benützt die Cytologie bereits in einem Falle,' den man ebenfalls hierher rechnen kann: sie spricht von emer »plasmatischen Reduktion« bei der Entwicklung der Spermatozoidem ^ Unter dem Namen »Regeneration« versteht man bekanntlich^ eine Neubildung verloren gegangener Teile des Körpers, bei Metazoen 7o der Zellen: der Zellgruppen, Zellschichten, Organe und ganzer Teile des Körpers. Dazu kommt es entweder nach Beseitigen von ienen Teilen, oder nachdem sie bei einem phrsiologischen Prozesse 'verbraucht bzw. abgestoßen wurden. In unserm Falle bände es s ch um »Regeneration« bzw. um »Neubildung«, die Namen sind da gleich bedeutend von Cytoplasma, oder von Zellen überhaupt, und zwar im VerlTu e der normalen oder pathologischen Histogenese, »Regeneration hl Hltogenese«, »Cytoregeneration«. Eine Verwechslung mit andeni Fällen, in denen es sich ebenfalls um Regeneration von Zellen, Regene- ration n am Protozoenkörper z.B. handelt, ist daher ausgeschlossen doch man muß auf der andern Seite auch den Begriff der Histogenese etwas weiter fassen. Auch bei der Funktion von Drüsen, bei der Sper- n loenese usw., werden Zellen »verbraucht«, und man kann bei ih em Ersat"; Erscheinungen eines »Funktionswachstums« des Cytoplasmas^ beichten, die ebenfalls hierher gehören. Schließhch ist Je^e derPro o- Plasmaregenerationen, von denen hier gesprochen wird, eme Art Fiink- piasmaieg Fimktionswachstum eine tionswachstnm, dagegen ist nicht jeaes ruuni. Regeneration. ■ Im allgemeinen handelt es sich da also um Regeneiat.on von »Biosystemen« bestimmten Grades, der Zellen (Caryoplasma - Cyto- plasniasysteme), die früher in den Furchungsstadier, in den Keim- blättern: in den Organanlagen, am Anfang der Histogenese us.. T^ROÜX, .Terminologie der Entwicklungsmectanik .. Leipzig 1912. "*■ ^'"i E. Heutwio spricht von einem .Eunktionswaohrtum. des Zellkernes (Bio log. Zeatralblatt. 1903). Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 659 da vorhanden waren, von denen jedoch aus verschiedenen Ursachen und auf verschiedene Weise bloß Reste übriggebHeben sind. Aus solchen Resten, vielfach sieht man da bloß die Zellkerne, können feei der Histogenese gleich anfangs wieder vollwertige große Zellen entstehen doch können sich solche/Reste auch länger erhalten, oder später ent' stehen, und es können später aus solchen Zellen regenerieren bzw das Cytoplasma neu entstehen. Die Osteoblasten, um ein bestimmtes Beispiel anzuführen, entstehen sowohl im embryonalen oder fötalen Gewebe, wie m dem des erwachsenen Tieres, bei der Anlage eines Kno- chens, wie bei der später erfolgenden Regeneration eines Teiles des- selben. Vielfach sind die »Zellrudimente« bzw. die »diminuierten« Zellen dieser oder jener Art im ganzen indifferent, auch dann, wenn sie in einem höher differenzierten Gewebe liegen, in dem sich das ehemals zu ihren Zellkernen zugehörige Cytoplasma auf diese oder jene Weise nutzlich gemacht hat, dagegen handelt es sich bei der Regeneration immer um die Schaffung von Zellen bzw. von Protoplasma, die dem Organismus in bestimmter Richtung nützlich sein sollen. Ich sprach im vorangehenden von Regeneration von Zellen aus Zell- rudimenten, doch man kann auch in andern Fällen von Regeneration sprechen. Erstens gehören hierher die oben schon erwähnten Fälle, in denen sich bloß das Endoplasma in Gesamtzellen oder in Grundsub- stanzen reduziert und dann, und dies ist wichtig, Fälle, in denen man überhaupt nicht von einer Reduktion und nur von einer Regeneration sprechen kann. Es kann, nach meiner Überzeugung, vorkommen, daß sich m einem Symplasma bzw. einem symplasmatischen Gewebe an der Oberfläche einzelner in ihm eingeschlossener Zellkerne, neues Proto- plasma bildet, so daß da inmitten des sonst unveränderten, frischen Symplasmas neue Zellen entstehen. Auch in diesem Falle kann man sagen, in dem Symplasma seien »Zellen« durch »Regeneration« des Plasmas entstanden. Hier könnte man ganz gut bloß von »Neubildung« der Zellen sprechen. — Die Prozesse können sich allem Anscheine nach ^\^ederholen, und man kann sogar von mehreren »Generationen« von Cytoplasma an der Oberfläche eines und desselben Zellkernes sprechen und vielleicht entwickelt sich das Cytoplasma im Metazoenkörper über- haupt auf diese Weise. Mit den Begriffen der »primären« und »sekundären« Zellen sind die Begriffe der »reduzierten« und »regenerierten« Zellen nicht iden- tisch. »Primäre« Zellen i sind embryonale, bisher nicht weiter diffe- 1 Die Unterschiede der »primären« und »sekundären« ZeUen werden z. B. in dem Lehrbuch der Anat. von Fübbringer-Gegenbauer (Bd. 1. 1909. S. 66) erklärt. 660 F. K. Studnii-ka, renzierte und nicht tätige Zellen überhaupt, also genau so Blastomeren, und Zellen der Keimblätter, wie noch indifferente Mesenchymzellen. »Sekundäre« Zellen sind dagegen Zellen fertiger Gewebe, ohne Rück- sicht auf ihre momentane Bedeutung, also genau so kleine, jetzt schon untätige, oder wenigstens minderwertige, in unserm Sinne »reduzierte« Bindegewebszellen, deren Plasma sich ehemals an der Mesostroma- und Grundsubstanzbildung beteiligte, wie z. B. Pigmentzellen, Clas- matocyten, Mastzellen, Osteoblasten, Odontoblasten usw., also »re- generierte << Zellen von bestimmter und größerer Bedeutung. Die »sekundären« Zellelemente, welche die fertigen Gewebe zu- sammensetzen bzw. in ihnen enthalten sind • — die Symplasmen und die Syncytien lasse ich da wieder absichtlich beiseite — , sind auch ab- gesehen davon, ob sie reduziert, oder regeneriert, also vollwertig sind, morphologisch von verschiedener Bedeutung, und auch dies darf man nicht übersehen. Die alte nach-ScHWANNsche Histologie hat sich gut vergeoen- wärtigt, daß eigentlich nicht alle Zellkern enthaltende Gebilde den von Schwann in die Histologie eingeführten Namen »Zellen« verdienen. Purkinje hat bekanntlich in seiner Kritik der ScHWANNschen Lehret dieser Ansicht am deutlichsten Ausdruck gegeben, und Koelliker hat später wiederholt den* Vorschlag gemacht, »Protoplasten«, das ist nackte Protoplasmaklümpchen und eigentliche »Zellen«, das ist die mit Zellmembran umgebenen, voneinander zu unterscheiden^. Neuestens nachdem F. C. Hansen^ auf die iVnalogie des Exoplasmas und der Grundsubstanz hingewiesen hat, muß man schließlich doch einsehen, daß ein »Protoplast« oder, \ne man jetzt in gewissen Fällen sagen kann, eine »Endoplasmazelle «, einen andern Wert hat, als eine mit dicker exoplasmatischer Wand versehene »Gesamtzelle«. Eine Binde- gewebs-, eine Knorpel- oder Knochenzelle, ein Leucocyt usw., einen andern, als z. B. eine Epidermiszelle oder eine epidermoide Chordazelle mit ihrer dicken Exoplasmaschicht*. Daneben muß man heute noch darauf Rücksicht nehmen, ob man vor sich einfache Zellen oder Zellen zusammen mit » extracellulärem Protoplasma«^, soweit sich solches 1 Jahrbücher f. wissensch. Kritik. 1840. S. 33. 2 »Handbuch der Gewebelehre. « 6. Aufl. 1889. S. 6, »Die Energiden von V. Sachs usw. « VerhandL d. phys. med. Ges. in Würzburg. Bd. XXXI. 1897. 3 Anatom. Anzeiger. Bd. XVI. 1899. * Auf diese Umstände habe ich schon vor Jahren hingewiesen (Anatom, Anzeiger. Bd. XXII. 1903. S. 556. Anatom. Hefte. Bd. XXI. 1903. S. 487). 6 Anatom. Anzeiger. Bd. XLIV. 1913. S. 561. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 661 nämlich als zu bestimmten Zellen gehörig präsentiert, vor sich hat. Eine derartige »Gesamtzelle << wäre z.B. das Neuron, während ein Leucocyt den Wert einer einfachen Zelle hat. Der Wert dessen, was man gewöhnlich in der Histologie mit dem Namen »Zelle << bezeichnet, kann, wie aus diesen Beispielen hervorgeht, ein sehr verschiedener sein, aber auch sonst haben die Zellen ein sehr verschiedenes iVussehen, und es fehlt bisher eine genauere Analyse dessen, was man »Zelle« nennt. Von einfachen Cytoplasmaanhäufungen in der Umgebung der Zellkerne, die in das extracelluläre Plasma der Zeilbrückennetze kon- tinuierhch übergehen, angefangen, bis zu scharf, durch gemeinschaft- liche Scheidewände oder, nach Spaltung von solchen, durch eigene Wände begrenzten »Zellen«, Zellen im wahren Sinne des Wortes, gibt es da alle Übergänge. Alles richtet sich da nach den Bedürfnissen des Gewebes. Die wirklichen »Zellen«, Turgorzellen mit »histologischer« Zellmembran, oder mit Scheidewänden, betätigen sich z. B. als mechanische Systeme bei der Entwicklung des Körpers und später vielfach in den Epithelien, ähnliche Zellen dienen als chemische Laboratorien und als Secret- behälter. Daher findet man Zellgewebe in der Eegel im Epithel und fast immer im Drüsengewebe. Im Mesenchymgewebe sieht man es nur stellen- weise wieder, da, wo es sich um stark secernierende oder um stützende Elemente handelt, von welchen letzteren jene des vesiculösen und des Knorpelgewebes wohl die charakteristischsten sind. Das Muskel- und das Nervengewebe brauchen keinen »Zellenaufbau«, und haben eigent- lich (meistens) auch keinen, wenn auch in ihnen »Zellen « verschiedener Bedeutung enthalten sind. Daß die »Zellen« wirklich eine sehr verschiedene Bedeutung haben können, beweist vielleicht auch der folgende Fall, der jedenfalls noch weiterer Untersuchungen und einer näheren Bestätigung bedarf. Wie es scheint, können sich »Zellen« auch als eine Begleiterscheinung bei Zell- kernteilungen zeigen und wieder schwinden. SchockaertI beschreibt, wie in dem bekanntlich ausgesprochen symplasmatischen Herzmuskel der Wirbeltiere, am Anfang der Karyokinese, das nach Schwund der Kernmembran stark anschwellende Kernplasma das benachbarte Plasma des Muskels verdrängt, und (vielleicht aus ihm oder mit ihm) in einer gewissen Entfernung eine Art von Zellmembran bildet. Die Mitose spielt sich dann inmitten dieser nevien Zelle ab und nach der- selben wird die Zelle ebenfalls in zwei Tochterzellen geteilt. Erst später schwindet, wenn ich richtig verstehe, diese »Zelle«, die dem Verfasser 1 Archives de biol. Bd. XXIV. 1908. 662 F. K. Studnicka, die Veranlassung zu der Annahme, der Herzmuskel sei ein Gewebe mit cellulärem Aufbau, gegeben hat. Vielleicht kommt es auch anders- wo zu etwas ähnlichem, und so könnten auch bei der Mitose »Zellen« entstehen. Bekannt sind z. B. die »Keimzellen« des im Entstehen be- griffenen Nervengewebes, die nichts andres sind, als Plasma mit sich teilenden Zellkernen usw. His faßt sie bekannthch als Anlasen von Neuroblasten auf. Schheßlich muß man, um den verschiedenen Wert von »Zellen« zu demonstrieren, noch folgende Umstände berücksichtigen: Die Zellen sind entweder ursprüngliche Elemente des Gewebes, in dem sie sich befinden, gewissermaßen dessen »fixe« Zellen, oder es handelt sich um Elemente, die aus dem Verbände des (ursprünglichen) Gewebes ausgetreten sind, und sich jetzt in dessen Lücken befinden, also »frei gewordene« Zellen, wie man sagen könnte. Solche Zellen können eventuell wieder ein Gewebe gründen, aus dem sich wieder eventuell Zellen loslösen. Ich nenne da Mesenchymzellen, Neuroblasten, sonst Blutkörperchen, Geschlechtszellen. Jetzt noch etwas über die Details: Die Lehre von den Zellen, wie sie, übertrieben schematisiert, auch die neuesten Lehrbücher enthalten, setzt als selbstverständlich voraus, daß sich um jeden Zellkern, den man nach einer Kernfärbung im Präparate sieht, auch ein aus Cyto- plasma bestehender Zellkörper befindet, abgesehen selbstverständhch von den sehr zahlreichen Fällen, in denen der Zellkern in einem Syn- cytium oder einem symplasmatischen Gewebe Uegt. Diese Ansicht ist, wie wir jetzt.wissen, unrichtig. Schon im Mesenchym, wo das Plasma jedenfalls noch primitiv ist, sucht man in dem manchmal sehr gleich- mäßig entwickelten Protoplasmagerüst vergebens besondere Proto- plasmaanhäufungen, die Zellen; doch hier kann man sich noch mit dem Begriffe des Symplasmas aushelfen. Ganz unmöghch ist es dagegen, um jeden in der Grundsubstanz eines fibrillären Bindegewebs z. B. eingeschlossenen Zellkern das zugehörige »Cytoplasma« (bzw. »Endo- plasma«) nachzuweisen. Gewiß gibt es auch in andern Geweben freie bzw. »nackte« Zellkerne, solche wenigstens, an denen sich das Cyto- plasma nicht nachweisen läßt. Da, wo man in fertigen Grundsubstanzen bloß die Zellkerne vorfand, hielt man sie früher immer für Reste von zugrunde gehenden Zellen, oder man vergegenwärtigte sich, und dies wohl meistens, nicht das Eigentümhche der Erscheinung. Heute, nach- dem man zu der Erkenntnis kam, daß auch die Grundsubstanz ihr eigenes Leben hat, kann man gegen das Vorhandensein von solchen »Grundsubstanzkernen« eigentlich nichts einwenden, und in der Tat Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 663 handelt es sich, da um Elemente, die nicht zugrunde gehen müssen, sondern bloß darauf warten, bis sie, als Centra von neuen Zellen, wieder zu neuem, d. i. regerem, Leben erwachen werden. Offenbar hat schon Grawitz solche Zellkerne in verschiedenen Grundsubstanzgeweben beobachtet und zu seiner Lehre von den »Schlummerzellen <>Grundsubstanzkerne <<. Durch keine Färbung läßt sich dann ein »Körper << der Zelle an dem Präparate deut- lich machen, und man sucht ihn auch dann vergebens, wenn man die Zellkerne an in verschiedenen Richtungen geführten Schnitten unter- sucht; man muß nämlich bedenken, daß der kleine Zellkörper eventuell bloß deshalb nicht zu sehen ist, da er, wie es z. B. an spindelförmigen Zellen leicht möglich wäre, durch den Schnitt nicht getroffen wurde. Es handelt sich jetzt um folgende, sehr wichtige Frage: Ist da, in einem solchen »Rudimente« wirklich bloß der Zellkern allein übrig- geblieben, oder hat sich da mit ihm, in seiner unmittelbaren Nähe, vielleicht in einer Vertiefung an seiner Oberfläche, das Centriol, even- tuell mit einer minimalen Partie des Cytoplasmas, dem Centroplasma, erhalten? Diese Frage ist wohl wichtiger als diejenige, ob sich da doch eine minimale, für uns unsichtbare Schicht des Cytoplasmas an der Oberfläche des Kernes erhalten hat. In Konsequenz jener Lehre, welche voraussetzt, daß sich die Cen- triolen in allen lebens- und entwicklungsfähigen Zellen befinden, und sich in der Reihe der nacheinander folgenden Zellgenerationen als »all- gemeine und dauernde Zellorgane <<2 erhalten, sollte man annehmen, daß diese Organoide auch da vorhanden sind, wo sich ihre Gegenwart mit der Hilfe der üblichen Methoden bisher nicht nachweisen läßt. Besonders die Untersuchungen von M. Heidenhain ^, die sich auf Hüh- nerembryonen, und jene von Boeke*, die sich auf Teleostierembryonen beziehen, beweisen, daß das Centriol in sämtlichen Zellen des Em- 1 Archiv f. aUg. Pathologie. Bd. CXXVII. 1892. 2 Meves, Verhandl. d. Anat. Gesellsch. 1902. — Über die Verbreitung der Centriolen vgl. sonst M. HEiDENHArNs »Plasma und Zelle«. Bd. I. 1907. S. 215. 3 Morpholog. Arbeiten. Bd. VII. 1897. * Petrus Camper. Bd. I. 1902. 664 F. K. Studnieka, bryonalkörpers, gegen das Ende des Embryonallebens zu, vorhanden war, und so hat man wirklich Grund, sein Vorhandensein in allen entwicklungsfähigen Elementen, auch der späteren Stadien, voraus- zusetzen. — Ist diese Voraussetzung richtig, der ganz genaue Beweis für alle älteren Gewebe wurde jedenfalls nicht durchgeführt, würde der Zellkern zusammen mit dem Centriol und offenbar auch einem Centro- plasma, ein wirkliches »Zellrudiment << vorstellen, zu dem sich die Zelle im wahren Sinne des Wortes »reduziert« hat, um sich dann von dieser »Anlage« aus im geeigneten Momente wieder zu einer vollwertigen Zelle zu entfalten. Auch den Namen »Energide«, der bekanntlich in dem ursprünglichen ihm ehemals von v. Sachs gegebenen Sinne für den Metazoenkörper unpassend ist, könnte man da vielleicht für die Gruppe der zusammenwirkenden Organoide, die sich in dem »Rudi- ment« befinden, anwenden. Es handelt sich da übrigens nicht um das Centriol bzw. das Centroplasma allein. Auch die Lehre von den »Piastosomen«, jene vom »apparato reticolare« würde verlangen, daß da etwas übrigbleibt, wo sich diese Organoide für die neue wieder vollwertige Zelle, mit regeneriertem Cytoplasma, erhalten können. Falls die Centriolen-Centroplasmatheorie — und auf diese lege ich, als auf die bestens begründete, besonders Nachdruck — nicht richtig sein sollte, müßte man jedenfalls annehmen, daß sich eine Zelle bis auf den Zellkern reduzieren kann, bzw. daß eine neue Zelle aus dem Zellkern allein entstehen kann. In diesem Falle wären sowohl das Cen- triol, wie das Centroplasma und das Cytoplasma überhaupt Neubil- dungen. — Dies sind die zwei Möglichkeiten. Ich selbst entscheide mich für die erstere, nicht bloß aus theoretischen Gründen, sondern deshalb, da ich wirklich Beweise für ihre Richtigkeit in gewissen Fällen, die unten zur Besprechung kommen sollen, zu finden glaube. Wie ich im vorangehenden sagte, geht die »Reduktion « einer Zelle verschieden weit, und so hat auch nicht alles, was ich unter dem Namen »Regeneration« von Zellen bzw. des »Cytoplasmas « zusammen- fasse, nicht denselben Wert, abgesehen davon, daß es zur »Regeneration« (Neubildung) des Plasmas auch da kommen kann, wo früher keine Re- duktion vorangegangen ist. • — Entweder handelt es sich einfach um das Auswachsen einer minimal dünnen, kaum sichtbaren Schicht des Cytoplasmas, die sich an der Oberfläche des Zellkernes erhalten hat, also eigentlich um das Wachstum einer Zelle, oder es handelt sich um Neubildung des Cytoplasmas auf der Grundlage des auf einer Seite des Zellkernes übriggebliebenen Centrioplasmas, unter dem ordnenden Einflüsse des Centriols, den man ja auch im vorangehenden Falle viel- Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 665 leicht voraussetzen kann, eventuell auch um eine derartioe Neubilduns; des Plasmas unter der zu einer Zellmembran werdenden minimalen Cytoplasmascliicht, wie wir sie ja aus dem ersteren Falle kennen. Falls der Kern da allein bleibt, müßte es sich jedenfalls um eine vollkommen neue Bildung des Cytoplasmas auf der Grundlage desselben handeln. In jedem dieser Fälle muß man unbedingt von einer »cytoplasmatischen Funktion« des Zellkernes i sprechen, weil die direkte Beteihgung des Zellkernes an dem Prozesse der Protoplasmabildung in allen diesen Fällen auf der Hand liegt. Außerdem läßt sie sich auch, wie ich in einem der von mir untersuchten Fälle beobachtete^, durch deutliche Verände- rungen in der Struktur und dem Habitus des Zellkernes dokumen- tieren. Solche deutliche Veränderungen muß man, Avie andre Fälle beweisen, jedenfalls nicht immer beobachten. AVährend ich auf die Tätigkeit des Zellkernes Nachdruck lege, legt die Cytologie seit langer Zeit immer auf das Zusammenwirken des Cytoplasmas und des Caryoplasmas bei Wachstums-, Ernährungs- und Eegenerationsprozessen in der Zelle Nachdruck, und ganz passend beruft sie sich dabei auf Versuche und Beobachtungen, die an Proto- zoen, an Algen und an pflanzlichen Zellen überhaupt angestellt wurden. In den extremen Fällen der von mir berücksichtigten Reihe von Er- scheinungen, ist der Zellkern, wenn nicht der allein vorhandene, so doch immer der weitaus überwiegende Teil, und so ist es nicht anders möglich, als anzunehmen, daß er selbst das Cytoplasma nach außen ausscheidet, wo es sich dann schon weiter verändert, und definitiv zu dem Körper der Zelle gestaltet. Die hier vorausgesetzten nahen Beziehungen des Zellkernes zu dem Cytoplasma sind gar nicht über- raschend. Bei jeder Mitose mischt sich nach Schwund der Kernmem- I bran das Caryoplasma mit dem Cytoplasma und die neuen Zellkerne werden, wie wir jetzt wissen, zum Teil wenigstens, von den Chromo- « somen angelegt. Die Frage, welche Substanzen des Zellkernes in das I Cytoplasma übergehen, will ich hier nicht berühren, da es eine Frage für sich ist 3, aber so viel ist sicher, daß man das Zusammenwirken des Kernplasmas mit dem Cytoplasma immer und besonders in der neueren Zeit angenommen hat. Man hat sogar die Wege, auf denen beide Plasma- 1 Vgl. meine Abhandl. im Anatom. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. S. 231 und Bd. XL. 1911. S. 58. 2 Anatom. Anzeiger. Bd. XLV. 1914. S. 454. 3 Ich gehe überhaupt auf die Frage der Kemsubstanzen, wie man sieht, nicht ein. Erstens ist da noch viel hypothetisch imd zweitens würde das Eingehen auf dieses Thema meine Theorie zu viel komplizieren. 666 F- K. Studnicka, arten in Zusammenhang stehen können, nachgewiesen, und auch die Kernmembran kann man heute nicht für hinderhch für den Stoffwechsel zwischen Kern und Cytoplasma halten. Holmgren hat^ in GangUen- zellen z. B. auf der gegen das Centroplasma zugewendeten Seite Lücken gefunden und den direkten Zusammenhang des Kernreticulums mit dem Centroplasma einer jungen Ganglienzelle beobachtet. Etwas sehr ähnliches zeichnet auch Munson^. Hier handelt es sich wohl um eine Ausnahmeerscheinung, doch man kann auf die neueren Beobachtungen von StauffacherS, von Knoll* und von Derschau^ hinweisen, in denen feine aus dem Zellkern auf alle Seiten ausgehenden Proto- plasmafäden, sowohl in tierischen, wie in pflanzlichen Zellen beschrie- ben werden, welche in der Umgebung des Zellkernes sogar einen engen Hof von feinerem Protoplasma (Derschau) bilden können. Munson^ sagt, daß aus dem Zellkern die Caryolymphe austreten kann und sich in seiner Umgebung mit Cytoplasma verbindet. Neuestens hat z. B. Oschmann'^ in Eizellen eines Oligochäten solche Höfe von neugebil- detem Protoplasma besonders deutlich gesehen und ihr Vergrößern, währenddem das alte Protoplasma zur Peripherie der Zelle verdrängt wird, beobachtet 8. Ich selbst sah solche früher in Epidermiszellen, in denen das alte Plasma jedenfalls in der Kichtung des Exoplasmas verän- dert wurde. Nicht immer muß sich jedenfalls das aus Zellkern austre- tende Plasma in der Gestalt von besonderen Schichten seiner Oberfläche auflagern, es ist auch mögüch, daß die aus dem Zellkern austretende Substanz gleich weiter im Cj^oplasma zur Ablagerung kommt« 9, oder sich überhaupt gleich anfangs mit .dem übrigen Plasma mischt. Nur so erkläre ich mir den Umtand, daß man deutliche Schichten des »Neocytoplasmas <<, um mit Vejdovsky zu sprechen, nur hie und da beobachtet. Die Beteiligung des Zellkernes am Ausbau des Zellkörpers be- weisen auch viele Arbeiten, in denen vom Austreten verschiedener spezieller Substanzen aus dem Zellkern berichtet wird; ich sprach bisher 1 Anatom. Hefte. Bd. XII. 1899. 2 Arch. f. Zellforsch. Bd. VIII. 1912. Taf. XXX. Fig. 15, 16, 23. 3 Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCV. 1910 — hier auch Literatur. * Daselbst. 6 Arch. f. ZeUforschung. Bd. VII. 1912. 6 Verhandl. VIII. int. zool. Kongreß, Graz 1910, S. 373. ' Arch. f. Zellforschung. Bd. XU. 1914. 8 L. c. S. 319, 340. » Ich verweise da auf die, jedenfalls auf die Bildung des Tigroids sich be- ziehende Abbildung von KRErBiCH im Anatom. Anzeiger. Bd. XLIX. 1916. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 667 bloß allgemein vom Cytoplasma und dachte dabei an eine Umwandlung des achromatischen Kerngerüstes zu demselben, es kann aber auch an- ders sein. So beweisen zahlreiche Arbeiten das Austreten von Chroma- tin, auch in der Form des Tigroids, andre von Dottersubstanz bzw. einer Vorstufe derselben, aus dem Zellkern, von Pigment usw.i. Der »ruhende« Zellkern, das »Chemocentrum« der Zelle, nach dem Ausdrucke von Zimmermann, ist offenbar immer als ein chemisches Laboratorium tätig, in dessen Wesen wir, trotz zahlreicher auf Chro- matin, Linin usw. sich beziehenden Arbeiten vorläufig keine Einsicht haben, eben deshalb spreche ich da, um die Sache nicht zu komplizieren, bloß vom Zellkern und von Kernplasma. Der Zellkern hefert, und das ist sicher, eine große Keihe von verschiedenen »Prosecreten << an das Cytoplasma, mit dem er beim Stoffwechsel der Zelle überhaupt zu- sammenwirkt, aber selbst das Cytoplasma, in seiner einfachsten Form, kann er, wie ich sagte, liefern. Selbstverständlich handelt es sich da, wenn wir von der »Regeneration« der Zellen oder des Cytoplasmas sprechen, bloß um die erste Menge des Cytoplasmas. Das in größerer Menge vorhandene Cytoplasma einer vollwertigen Zelle kann doch auch selbst weiterwachsen, wenigstens handelt es sich bei dem Wachs- tum des Cytoplasmas bloß um die Mithilfe des Zellkernes, und beim extracellulären Protoplasma, welches manchmal große, der Zellkerne überhaupt entbehrende Bezirke im Metazoenkörper bildet, müssen wir schließlich ein ganz selbständiges Wachstum, in jedem Falle ein Wachs- tum, das an bestimmte Zellkerne, zu denen das Plasma zugehören würde, nicht gebunden ist, und bei dem es vielleicht genügt, das im Metazoenkörper Zellkerne überhaupt vorhanden sind, annehmen. An der Verteilung der verschiedenen, aus dem Zellkerne heraus- tretenden Substanzen hat, wie schon Munson erkannte (1910 1. c.)2, einen großen Anteil, der, jedenfalls nicht in jedem Falle und zu jeder Zeit vollentwickelte und in Aktion tretende »Centriol-Centroplasma- apparat«, das »Kinocentrum« der Zelle, wie es — im engeren Sinne 1 Ich nenne da bloß die Arbeiten von van der Stricht (Verhandl. d. anatom. Gesellscliaft. 1898), van Bambeke (Archives de biologie. 1898), Munson (Ver- handL d. VIII. int. zool. Kongresses. 1910; Archiv f. Zellforschung. Bd. VIII. 1912), ScHÄXEL (Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXVI. 1911, und in seinem Buche über »Die Leistungen der Zellen usw. « Jena 1915). Das Thema wurde besonders im letzten Dezennium vielfach bearbeitet, die neueste hierher gehörende Arbeit stammt von Derschatt (Arch. f. ZeUforschung. Bd. XIV. 1915). Die ältere Literatur hat Munson (1912, L c. S. 698 — 702) zusammengestellt. 2 »The centrosome and aster form, what I have to call a »receptacle« into which the extruded substance (metaplasma) most readily flows . . . « (S. 374). 668 F. K. Studnicka, d.i. mit Kücksiclit auf das Centriol — Zimmermann nennt, oder der »Spliärenapparat «, im weiteren Sinne, nach WaldeyerI. Für die Wichtigkeit desselben in der »ruhenden«, das ist sich nicht teilenden Metazoenzelle, sprechen die obenerwähnten Untersuchungen von VAN DER Stricht, von Holmgren und von Munson und einige der Beobachtungen, von denen unten im speziellen Teile gesprochen wird. Eigentümlich ist, daß er nicht in jedem Falle in Tätigkeit tritt und die näheren Bedingungen, um die es sich da handelt, sind uns nicht bekannt. Während er sich in den einen Fällen an der Verteilung der Dottersubstanz, und offenbar auch des Plasmas, beteiligt, sieht man anderswo diese Prozesse ohne Mitwirkung des Centriols vor sich gehen^. In der Ganglienzelle beteiligt sich der Apparat vielleicht manchmal an der Verteilung des Tigroids, und neuestens betont z. B. Tschassow- NiKOw^ die Beteiligung der Centriolen an der Schleimbildung in Schleim- zellen, wo das Centriol, und zwar inmitten der Schleimanhäufung — so wie in einem Centroplasma — schon früher Zimmermann* und Joseph^ beobachtet haben. Das Centriol ist offenbar das sichtbare Centrum eines Protoplasma- systems, in dem sich das Protoplasma der »ruhenden«, oder im Funk- tionswachstum oder überhaupt in Funktion befindenden Zelle, auf alle Seiten verbreitet und sich dabei, wie es zuerst die (jedenfalls auf sich teilende Zellen beziehende) Untersuchungen von Vejdovsky-Mräzek* gezeigt haben, zyklisch erneuert. Die dabei durch excentrische Ver- breitung des Plasmas zustande kommende »Periplastbildungen << habe ich jetzt auch in Chordazellen von Belone, also in »somatischen« Zellen, gefunden, und da handelt es sich wirklich um Erscheinungen, die mit dem Zunehmen des Protoplasmas zusammenhängen. Solange sich das um das Centriol angeordnete, frische, feine Proto- plasma seitlich vom Zellkern befindet, kann man vom »Centroplasma« sprechen, und hier kann man die gerade erwähnten Periplastbildungen als eine Art vom Centrum ausgehenden Verdichtungswellen beobachten. 1 In 0. Hertwigs »Handbuch d. vergl. u. exp. Entwicklungslehre«. Bd. I. 1. 2 Vgl. ScHAXEL, 1. c, über die Ablagerung der Dottersubstanz und Osch- MANN, L c, über die Bildung neuer Protoplasmaschichten. 3 Archiv f. mikr. Anat. Bd. LXXXIV. 1914. S. 170. 4 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LH. 1898. 5 Arbeiten zoolog. Institut in Wien. 1901. 6 Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. LXII. 1903. Vgl. sonst: Lams, Comptes rend. de Tassoc. des anatomistes. XI. sess. 1909. Derselbe in M^moires acad. roy. belg. 1910. Joseph, Arbeiten zoolog. Inst. Wien. Bd. XVIII. 1909. JöR- OENSEN, Arch. f. Zellforschung. Bd. X. 1913. S. 147ff. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 669 Vergrößert sich, die Menge des auf diese Weise zunehmenden Cyto- plasmas, kann schließlich auch der Zellkern von dem so zuwachsenden Plasma eingeschlossen werden. In andern Fällen kann man sich jeden- falls vorstellen, daß der Zellkern auch unabhängig vom Centriolapparate, das ist direkt nach außen, auf alle Seiten Plasma abgibt, welches ihn schließlich von allen Seiten bedeckt i. Jetzt muß man vom »Endo- plasma<< sprechen, und zwar handelt es sich da um ein neu, sekundär entstandenes Endoplasma, >>Deutendoplasma « nach der Nomenklatur, die ich unlängst vorgeschlagen habe<<2. Es gibt da, wie wir sehen, gewisse Beziehungen zwischen der Centroplasmabildung und dem Vorhanden- sein eines Endoplasmas, gewiß kann das letztere aber auch selbständig an der Zelloberfläche entstehen, wie aus dem schon Gesagten hervor- geht. Da sich das neue und das alte Plasma leicht mischen und dann jede Grenze, wenn sie früher überhaupt vorhanden war, schwindet, sind die Beziehungen des Endoplasmas und des Centroplasmas sehr schwer zu verstehen. Meine Befunde an »epidermoiden Chordazellen << und an Epidermiszellen sind den obigen Deutungen sehr günstig, und überhaupt halte ich für die Beurteilung des Sachverhaltes jene Zellen für wichtig, in denen es zur Bildung eines festen Exoplasmas kommt, demgegenüber sich die später zugekommenen Protoplasmaschichten fremd verhalten — Epidermis und Chordazellen. In Zellen mit weich bleibendem Plasma, Ganglien- und Eizellen z. B., mischt sich offenbar das Plasma an der Grenze der alten und der neuen Partie, und beide bilden dann ein ziemlich einheitliches Ganze, in dem nur die ober- flächliche Plasmaschicht, die auch hier den Namen Exoplasma zu tragen pflegt, von etwas abweichendem Aussehen ist (manchmal sieht man auch diese Unterschiede nicht). Scharfe Grenzen des »Exo-« und des »Endoplasmas << fehlen da. In jedem Falle sollte man also auch die Reihenfolge: Centroplasma, Endoplasma, Exoplasma berücksichtigen. Noch von einem andern Standpunkte aus ist, nach meiner Über- zeugung, die Erscheinung der Zellregeneration wichtig: Man hat noch unlängst \äel von der Spezifizität der Zellen gesprochen, und man hat 1 Ich verweise da auf die Abbildungen von van der Stbicht, Verhandl. anat. Gesellschaft 1898. An seinem Objekt waren in dieser Schicht jedenfalls be- sondere Produkte, Dotterkömehen eingelagert. Vor allem auf die Angaben und Abbildungen von Munson (1. c. Vgl. z. B. Taf. I b, Fig. 28. 1910). 2 Vgl. Anatom. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. S. 232. Bd. XLV. 1914. Da ich unterdessen die Namen »Autexo-« und »Synexoplasma« vorgeschlagen habe, wird es vielleicht doch besser sein, einfach vom »primären« und vom »se- kundären« Endoplasma bzw. Exoplasma zu sprechen, damit sich die Namen kombinieren kömien. 670 F. K. Studnicka, sich, vorgestellt, daß Zellen bestimmter Natur immer nur aus solchen oder aus indifferenten Zellen, die sich da vom Anfang an als zu ihrer Entwicklung bestimmten Anlagen erhalten haben, entstehen können. Einige Autoren hielten die Zellen der Epithelien, vor allem die Basal- zellen geschichteter Epithelgewebe, für Elemente dieser Art, für in- differente Elemente, aus denen sich unter Umständen Zellen beson- derer Art hervorbilden können. Man hat auch in der Entwicklungs- geschichte der Gewebe, bei ihrer ersten Anlage, diese Umstände betont, und so dachte man z. B., daß sich die großen Zellen gewisser Stütz- gewebe vom embryonalen oder indifferent bleibenden Epithelgewebe ableiten lassen. Ich führe da einen bestimmten, wohl allgemein bekann- ten Fall an: Die Knorpelzellen der Skelettanlagen hat man seiner Zeit vom Ectoderm abgeleitet (Kupffer z. B.), und man nahm an^, daß sich im Bindegewebe und anderswo im wachsenden Körper des Tieres indifferente Zellen, »Chondroblasten <<, erhalten, die sich im gegebenen Augenblicke in Knorpelzellen umwandeln können, und so am Aufbau der einzelnen Partien des Skelettes beteiligen. Auch die Osteoblasten und. die Odontoblasten w^oUte man bekanntlich seinerzeit^ vom Ecto- derm ableiten, und wieder dachte man, daß es sich da um eine ganz spezielle Art von Zellen handelt, die mit den Mesenchymzellen, die sich ja überall in ihrer Nähe befinden, eigentlich nicht, bzw. sehr entfernt, verwandt wären. Man hat sie als »Skleroblasten << bezeichnet. Diese Beispiele mögen genügen, und ich brauche vielleicht nicht besonders zu beweisen, daß jene Ansichten unhaltbar sind. Es ist leicht erklärlich, daß man sie seinerzeit für richtig gehalten hat : Auf einmal sah man beim Verfolgen der EntA^äcklungsstadien in einem Embryonalgewebe, in dem sich bisher bloß ganz kleine Zellen befanden, auffallend große blasen- artige Zellen, die gegenüber den kleinen ganz fremde Elemente vorzu- stellen schienen. Ähnliche Zellen sah man in dem nahen Ectoderm des Embryo, und nichts war natürlicher, als daß man sie von diesem ableitete. Besonders bei den sogenannten Skleroblasten der Placoid- schuppen, von denen man damals viel gesprochen hat, war das mög- ich, da die betreffende Zellschicht wirklich ganz in der Nähe des Epi- thels entsteht und man konnte hie und da finden (auch an guten Prä- paraten !), daß es einzelne Zellen gibt, die so aussehen, als ob sie weder dem Epithel, noch dem darunter liegenden Gewebe angehören würden. Später hat man sich jedenfalls davon überzeugt, daß sich Knorpel und 1 ScuAFFER in Zeitschrift f. wiss. ZooL Bd. LXI. 1896. 2 Vgl z. B. Klaatsch, Morphol. Jahrbuch, XXI. 1894. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 671 Knochen aus verschiedenen Geweben bilden können, man sah deutlich die Übergänge zu Bindegewebszellen, und schließlich hat nian sich sogar auch davon überzeugt, daß es oft überhaupt nicht die Zellen sind, von denen die Grundsubstanzbildung ausgeht, sondern dasjenige, was sich da zwischen den Zellen befindet. Seit der Zeit hat man auch die Art und Weise kennen gelernt, auf die sich aus kleinen Zellen bzw. Zellrudimenten auf einmal sehr große Zellen dieser oder jener Art bilden, und man erkannte, daß es sich da auch um Plasmabildung handeln kann, bei der sich das alte Plasma zu einer Kapsel der neuen Zelle um- zuwandeln vermag. Ein im Gewebe — einem symplasmatischen oder einem Grundsubstanzgewebe — liegender Zellkern wäre demnach fähig, je nach den Bedürfnissen des Organismus, später ein Proto- plasma andrer Art und andrer Bedeutung zu bilden, als dasjenige, in dem er früher eingeschlossen war. Jetzt versteht man auch das fremde Aussehen der manchmal im Gewebe erscheinenden Zellen und man begreift, daß auch Zellen, bei denen sowohl die cytoplasmatischen Anteile, wie die Zellkerne, ein ganz verschiedenes Aussehen haben, den- noch voneinander abstammen können. Die Zellkerne sind dieselben und haben bloß bei der Bildung des Protoplasmas ihr Aussehen ver- ändert, das Protoplasma kann dagegen einer andern Periode der Plasmabildung angehören, als dasjenige, welches da früher war. Auch bei dem Besprechen der schwierigen Fragen der Metaplasie der Gewebe sollte man daher, nach meiner Überzeugung, auf die Er- scheinungen der Cytoregeneration bzw. der Zellneubildung Rück- sicht nehmen. I. Die Reduktion und die Regeneration der Zellen embryonaler Gewebe. Im embryonalen Körper, der Wirbeltiere z. B., und auf diese be- ziehen sich die hier angeführten Beispiele, können in den Anlagen ver- schiedener Organe, bei den schnell aufeinander folgenden Teilungen der Zellen 1, die cytoplasmatischen Anteile der Zellen so stark »redu- ziert« werden, daß von den Zellen fast nur die Zellkerne übrigbleiben. Es handelt sich da um mitotische Zellteilungen, und offenbar wird nach der Beendigung der Teilungen das gesamte Plasma, bis auf einen kleinen Rest, in das Bereich der Zellkerne einbezogen, und an der Oberfläche der Kerne bleibt dann schheßlich bloß eine minimale Cytoplasmaschicht übrig. Man kann da vielfach von Zellrudimenten, wenigstens von 1 Vgl. Anat. Anzeiger. Bd. XL. 1911. S. 59. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 44 672 F. K. Studnicka, stark verkleinerten Zellen, in den Anlagen verschiedener Organe und Gewebe sprechen, und das Vorhandensein von solchen ist sehr inter- essant. Überhaupt ist da die große Menge des in relativ großen schönen Zellkernen vorhandenen Kernplasmas, welches man in jungen Ent- wicklungsstadien überall beobachtet, sehr auffallend. In jenen Zell- kernen handelt es sich im wahren Sinne des Wortes um >>noyaux em- bryoplastiques <<, als welche sie seinerzeit Robin i bezeichnet hat, und die Kerne spielen da wohl bei der Plasmabildung eine große EoUe. In einzelnen Fällen gibt es in solchen Geweben so viele Zellkerne, daß da das Übrige vollkommen vor ihnen in den Hintergrund tritt. Ich führe zwei Fälle an, von denen jeder eine andre Bedeu- tung hat. A. Die Zellrudimente in einer schnell wachsenden Organanlage. Extremitätanlage einer Froschlarve. Es handelt sich um die Anlagen der hinteren paarigen Extremi- täten, die bei Froschlarven bekanntlich erst am Ende des Larvallebens auf einmal erscheinen, und schnell wachsend, sich zur definitiven Form entwickeln. Zuerst sind es kleine Knospen, in denen das Material, aus dem sich später die einzelnen Gewebe des Organes entwickeln sollen, wie im kondensierten Zustande vorhanden ist. Es besteht aus indiffe- renten, gewissermaßen embryonalen Elementen, die sich erst später zu differenzieren anfangen. An einem mit Hämatoxyhn oder mit einem andern Kernfarbstoffe gefärbten Schnitte durch die Extremitätenanlage, Stadium, in dem die allerersten Anfänge der Chondrogenese erkennbar sind, sieht man, daß das hier vorhandene Material, dasselbe, aus dem später sowohl das Binde- gewebe und die Knorpeln, wie auch die Muskeln und deren Sehnen ent- stehen sollen, nicht durch vollwertige Zellen, sondern fast nur durch Zell- kerne, eigenthch durch Zellrudimente, repräsentiert wird. Man sieht da, bei der Anwendung starker Vergrößerung, an dünnen, stark gefärbten Schnitten, fast nur die beinahe sich berührenden, großen, runden Zellkerne und kann an ihrer Oberfläche bloß einen minimal dünnen Saum von Cytoplasma, und diesen nicht einmal immer an allen Seiten der Kerne, ganz deutlich beobachten. Zwischen den Zellkernen befindet sich nir- gends kompaktes Protoplasma, — nur ein äußerst feines Protoplasma- reticulum ist da vorhanden, welches offenbar dem Zeilbrückennetz eines typisch ausgebildeten Mesenchymgewebes eines Froschembryo 1 »Anatomie et physiol. cellulaires«. Paris 1873. S. 384. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 673 entspricht, und dessen Trabekeln vielfach wie von der Oberfläche der Zellkerne entspringen. In jedem Falle ist es, wenn es sich da auch um einen Teil des Körpers einer älteren Larve handelt, ein ausgesprochen embryonales, indifferentes Crewebe, sozusagen ein Keim (>> Blastem«), aus dem ein Organ entstehen soll; interessant ist jedenfalls, daß der Keim größtenteils aus Kernsubstanz besteht i. Das Material, um welches es sich da handelt, stammt selbstver- ständhch aus dem Körper der Larve, und zwar stammen die Zellen bzw. die Zellrudimente, aus deren Mesenchym, die Anlagen der künf- tigen Myoblasten, die man jedenfalls von dem übrigen Material durch- aus nicht unterscheiden kann, nach einer allgemein verbreiteten Theorie von den nächsten Myomeren — nach meiner Ansicht vielleicht auch vom Mesenchym. Die Mutterzellen, von denen die stark und schnell sich vermehrenden Elemente der Extremitätenanlage abstammen, waren offenbar vollwertige Zellen, doch bei den schnell nacheinan- der folgenden Teilungen der Zellkerne in der schnell wachsenden Organanlage, ist das Cytoplasma so stark reduziert bzw. diminuiert w^orden, daß aus ihm nur ein dünner Überzug auf der Zellkernoberfläche übriggeblieben ist. Auf der andern Seite war da auch keine Zeit, und wohl auch keine Gelegenheit zur Bildung größerer Mengen von extra- cellulärem Protoplasma zwischen den dicht aneinander gehäuften Elementen. De facto handelt es sich da in der ersten Zeit nach dem Erscheinen der Extremitätenanlage bloß um Zellkernteilungen und nur im Stadium der Zellteilung, in dem die Kernmembran aufgelöst mrd, kann ntian da wieder die Umrisse und die Form von Zellen beobachten; später wird dabei das frei werdende Plasma wieder in den Zellkern einbezogen. Zum Nachwachsen der einzelnen Zellkörper ist da also erstens keine Zeit und zweitens ist es auch nicht nötig, daß da die Zellen nachwachsen; die Zellkerne sind da wohl viel wichtiger, als es das Cytoplasma sein mir de. Diese Zellrudimente, beinahe nackte Zellkerne, offenbar mit Cen- triolen (und anderen Organoiden) in ihrer Nähe, die alle gleiches Aus- sehen haben, regenerieren sich später, nachdem es in der etwas größer gewordenen Extremitätknospe zur Differenzierung der Gewebe kommen soll, wieder zu vollen Zellen. Jetzt kann man erst unterscheiden, ob es sich um Knorpelzellen — diese erkennt man zuerst — oder um Binde- gewebszellen oder um Myoblasten handelt. Die Zellen kommen weiter 1 Anderswo enthalten die Extremitätenanlagen bei Wirbeltieren nicht so viele Zellkerne, doch immerhin ist da viel Kemsubstanz vorhanden. Vgl. z. B. die Abbildungen von H. Rabl im Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXIX. 1907. Taf. XIII. 44* 674 F. K. Studnicka, von einander zu liegen, und jetzt erscheinen zwischen ihnen auch deut- liche Cytodesmen und zmschen den Knorpelzellen die Grundsubstanz. In diesem Stadium, in dem es sich um die histogenetische Differenzie- rung, um Bildung von Dauerstrukturen handelt, folgen die Zellteilungen nicht so schnell nacheinander, und so haben die Zellen wirkhch auch Zeit zu ihrer Entwicklung. Ich habe im vorangehenden den Fall der Froschlarvenextremität angeführt, doch ich könnte auch andre anführen, keinen jedoch, der so instruktiv wäre wie dieser. In diesem sieht man, daß es genügt, wenn sich in einer Organanlage die Zellkerne vermehren und die Kern- substanzen anhäufen und sogar eine gewisse Zeit hindurch so bleiben. Es wird so eine Anlage geschaffen, aus der wieder das für die Funktion der einzelnen Gewebe viel wichtigere Cytoplasma und das extracelluläre Plasma hervorgehen kann ; in fertigen Geweben treten dann die Zellkerne wieder in den Hintergrund. Man braucht jeden beliebigen Embryo an mit Rücksicht auf die Zellkerne gefärbten Schnitten zu untersuchen und man wird erkennen, daß da die Zellkerne eine unvergleichbar größere RoUe spielen, als in fertigen Geweben, und daß sich Zellkerne vor allem überall dort anhäufen bzw. durch Teilung vermehren, wo es zur An- lage eines Organes kommen soll. Überall handelt es sich wohl um dasselbe, es handelt sich um das Kernplasma, welches wieder das Cyto- plasma regeneriert. Es ist vorteilhaft, wenn sich da zuerst Rudimente bilden, die sich dann schnell zu vollen Zellen entfalten, und die Rudi- mente wären gewiß noch kleiner als sie sind, und würden sich fast nur auf den Zellkern beschränken, wenn es die Festigkeit des embryonalen Gewebes nicht verlangen würde, daß da neben den Kernen auch eine gewisse Menge des Cytoplasmas und auch die Cytodesmen übrigbleiben. Zu einer vollkommenen Reduktion kommt es also, wie ich sagte, nicht, und jene Form der Reduktion, um die es sich in den embryonalen Ge- weben handelt, könnte man richtig auch nur mit dem Namen »Diminu- tion<< des Cytoplasmas bei Zellteilungen bezeichnen. B. Die Entstehung der Neuroblasten und der Ganglienzellen. Wie darauf His, Schaper, Sterzi und andre, die sich mit der Histogenese des Nervensystems beschäftigt haben, hinweisen, besteht die Wand der Cerebrospinalröhre, nachdem das allererste Entwick- lungsstadium, in dem sie aus Zellen zusammengesetzt war, überwunden ist, aus einem Protoplasmagerüst mit eingelagerten Zellkernen i. Es 1 Vgl z. B. die Abbildungen von His: »Die Entwicklungsgesch. d. menschL Gehirns«. Leipzig 1904. Fig. 2, 4. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 675 handelt sich um reticuläres, richtiger gesagt, >> gerüstartiges << Symplasma, ein »Neiu'osymplasina <<, wie man es, den unrichtigen Namen »Neurosyn- cytium« korrigierend, nennen könnte. Dieses, faserige Strukturen bil- dende Gerüst wird später, wie es besonders HaedestyI beschrieben hat, als Ganzes zur Neuroglia ; aus seiner innersten Partie entsteht das Epen- dym, während sich außen die unter dem Namen »Kandstreif en << bekannte zellkernfreie Partie entwickelt. Die meisten Zellkerne des Gerüstes, die »Spongioblasten «-Zellkerne, wie es His nennt, werden zu Zell- kernen des späteren Neuroghagewebes, und nur einige Zellkerne, die sich von den vorangehenden anfangs gar nicht unterscheiden, treten aus dem Verbände des Gewebes heraus und liegen jetzt frei in dessen Lücken. Die allerersten davon treten an der inneren Oberfläche der Cerebrospinalröhre auf und sie teilen sich da gleich; das sind die Keimzellen, wie es His nennt, und aus ihnen entstehen die »Neuro- blasten«, künftige Ganghenzellen. Jetzt hat die Cerebrospinalröhre in ihrem Gewebe zweierlei Elemente: die im Symplasma gebhebenen »Zellen«, gewissermaßen »fixe« Zellen des Gewebes, und aus dem Ver- bände des Gewebes ausgetretene, die später ein andres Gewebe, das eigentliche Nervengewebe, produzieren. Nur in dem sogenannten Lumbarmark der Vögel bleibt, wie wir annehmen können^, das Neuroglia- gerüst rein und seine Lücken enthalten da keine Elemente andrer Art. Die Neuroblasten treten als »Zellrudimente« aus dem Verbände des Symplasmas heraus, und zwar handelt es sich da entweder um wirkhche Rudimente, das ist nackte Zellkerne, oder sind es gleich vom Anfang an »diminuierte« Zellen, also Zellkerne mit einer minimalen Cytoplasmaschicht, welch letztere aber auch im letzten Momente vor dem Loslösen der Zellkerne aus dem Symplasma entstanden sein konnte, oder welche da nach der letzten mitotischen Teilung der Zellkerne im Zustande der »Keimzellen« an der Zellkernoberfläche übriggeblieben ist. Was davon wahr ist, läßt sich unmöglich entscheiden. Faktum ist, daß die Neuroblasten^ eigentlich fast nur durch den Zellkern re- präsentiert werden, und jedem ist bekannt, daß die Wand der Cerebro- spinalröhre in jungen Entwicklungsstadien fast nur aus dicht an- einanderhegenden Zellkernen zusammengesetzt ist. Die bedeutende Menge der Zellkerne, bzw. der Neuroblasten, die man da sieht, läßt 1 Americ. Journal of anat. VoL III. 1904. 2 Vgl. Imhof, Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXV. 1904. 3 Vgl. Fig. 10, S. 19 bei His, 1. c. Ich selbst habe in dieser Beziehung Tor allem meine Sammlungen von Teleostier- und Amphibien-(^ana, Amblystoma)em.- bryonen durchgesehen. 676 F. K. Studnicka, sich jedenfalls nur durch das starke Vermehren der anfangs aus dem Neurosymplasma ausgetretenen Elemente erklären, obzwar einzelne Zellen gewiß auch jetzt aus ihm austreten und zu Neuroblasten werden. Das Aussehen des Gewebes ist ein ähnliches wie in dem vorangehenden Falle, und wieder hat die Erscheinung eine ähnliche Bedeutung. Der Hauptbestandteil der Neuroblasten ist, wie ich schon sagte, der große Zellkern. Vollkommen nackt ist derselbe wohl niemals; auf der einen, vom Centralkanal abgewendeten Seite sieht man immer einen Zipfel von Cytoplasma und vielfach auch auf der entgegengesetzten einen solchen, was einige als ein primitiveres Verhalten betrachten (Cajal), ich dagegen für einen späteren Zustand. Ich sagte oben, daß sich der Neuroblastenzellkern aus dem Svmplasma wahrscheinlich bereits mit einer Partie von Cytoplasma losgelöst hat, und offenbar hat sich da gerade jene Partie des Plasmas, in der vom Anfang an das Centriol vorhanden war, mit ihm von dem Symplasma getrennt. Auf den andern Seiten ist der Zellkern, wie auch vorzüglich fixierte Prä- parate beweisen, vielfach vollkommen nackt, in andern Fällen sieht man auf allen Seiten einen ganz engen Saum von Cytoplasma. In späteren Entwicklungsstadien ist dieser Saum immer sehr deutlich. Nach den Angaben von Held^ verbinden sich die stark sich ver- mehrenden Neuroblasten mittels feiner Protoplasmafädchen unter- einander zu einem Symplasma, es handelt sich da also um dieselbe Er- scheinung, die %Tir auch im vorangehenden Falle verzeichnet haben, wo auch die Zellrudimente untereinander mittels Cytodesmen im Zu- sammenhange standen. Wichtiger als diese Zellfortsätze ist jedenfalls derjenige des zipfelförmigen Körpers des Neuroblasten, der zum Neu- riten der künftigen Ganglienzelle wird. Ich erinnere hier kurz noch an Angaben, die sich auf Spinalganglien der AVirbeltiere beziehen: Nach Neumayer^ sollen in den Anlagen der- selben »Kerne ohne sichtbaren Zellkörper << vorhanden sein, und solche erwähnt aus ihnen jetzt auch Kohde^. Rohde macht da auf die Unter- suchungen von Mencl aufmerksam, der* bei Hirudineen in der An- lage der Ganglien zuerst bloß Zellkerne als Anlagen von Ganglienzellen gesehen hat. Auf die Anlage der Ganglien des Sympathicus der Wirbel- tiere (Frosch) beziehen sich die Angaben einer neueren Arbeit von 1 »Die Entwicklung des Nervensystems.« Leipzig 1909. 2 O. Hertwigs »Handbuch der vergl. u. exp, Entwicklungslehre«, Bd. IL T. 3. S. 531. * 3 »Zelle und Gewebe in neuem Liclit. « 1914. S. 80. 4 Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXXIX. 1909. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 677 Camus 1. Auch hier werden Zenrudimente erwähnt, die sich erst zu den eigentlichen Ganglienzellen entwackeln. Alle diese Angaben sprechen dafür, daß da nicht vom Anfang an vollwertige Zellen vorhanden sein müssen. Aus den bisherigen Zellrudimenten, oder wenigstens den stark » diminuierten << Zellen, den »Neuroblasten << der Cerebrospinalröhre z. B., um bei dieser zu bleiben, entwickeln sich die eigentlichen »Ganglien- zellen <<. Der peripherwärts gewendete Cytoplasmazipf el verlängert sich als »Neurit« und wächst, wie es ja auch in künstlichen Kulturen beob- achtet wurde (Harrison), zum Achsencylinder einer Nervenfaser heraus. Schließlich entstehen an der unterdessen stark anwachsenden Ganoiien- zelle auch die Dendriten, und die »Zelle« ist fertig. Interessant ist, daß sich auch im fertigen Gewebe der nervösen Centralorgane und der Re- tina Zellen befinden, deren »Körper << eigentlich fast nur durch den Zellkern repräsentiert wird, so daß die Zellausläufer wie aus dem Zellkern zu entspringen scheinen. Jedenfalls sind diese »Kernzellen«, wie es Levi^ nennt, keine nackten Zellkerne; der Cytoplasmaanteil, der in den »Somatozellen << groß ist, bleibt da nur auf einen ganz engen Saum auf der Zellkernoberfläche beschränkt. Die Persistenz der Centriolen, die in. dem embryonalen Gewebe, dem Neurosymplasma, und in den sich teilenden »Keimzellen« bestimmt enthalten waren, durch das Stadium der jungen Neuroblasten hindurch, bis in die fertigen Ganglienzellen hinein, ist nicht nachgewiesen, doch ist sie höchst wahrscheinlich. In jungen Ganghenzellen befindet sich das Centriol immer zwischen dem Zellkern und der Austrittstelle des Neuriten, also in der Gegend des ehemaligen Cytoplasmazipfels des »Neuroblastenstadiums <<. Hier sieht man vielfach eine umfangreiche Centroplasmakugel, in deren Centrum gerade die Centriolen liegen^. Diese Centroplasmakugeln erinnern auffallend an analoge Gebilde der Eizellen und auch in ihrem sonstigen Verhalten sind beide dieser Zell- arten einander sehr ähnhch. Offenbar beteiligt sich das Centroplasma in den Ganglienzellen an der Verteilung des Tigroids, in den Eizellen 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXI. 1913. 2 Riv. di patol. nerv, e mentale. Vol. II. 1897. 3 Vgl. meine Abliandl. in Sitzungsber. d. Kgl. Ges. d. Wiss. 1900. Nr. XVI., Textfig. und die bekannten Abbildungen von Holmgren, die sich auf Spinal- ganglienzellen von LopJiius beziehen (Anat. Hefte. Bd. XII. 1899). Jetzt finde ich an meinen Präparaten solche Centroplasmahöfe sehr deutlich in den Spinai- ganglienzellen junger Froschlarven. Erhard (Arch. f. Zellforschung. Bd. VIII. 1912. S. 473) bestreitet neuestens das Vorhandensein von Centriolen in Ganglien- zellen. 678 F. K. Studnicka, an der der Dottersubstanz, in beiden daneben an der Verteilung des vom Zellkern gelieferten frischen Cytoplasmas. Da das alte Cyto- plasma in den Ganglienzellen weich bleibt, und sich vielleicht dazu noch mit dem neu zugekommenen mischt, sieht man da keine scharfe Grenze zwischen den in Betracht kommenden Plasmaarten. Überall kommt diese Erscheinung nicht vor, und besonders in etwas älteren Zellen sind offenbar auch die Centriolen schon überflüssig i. 11. Die „Zellrudimente'^ und die Zellregeneration bei der Bildung der Blutkörperchen. Über die Bildung der Blutkörperchen verschiedener Art im em- bryonalen Gewebe und in verschiedenen Geweben des fertigen Wirbel- tierkörpers — wieder beziehen sich die folgenden Angaben bloß auf diesen — sind wir heute ziemlich genau unterrichtet 2, und mit den geformten Elementen des Blutes, den verschiedensten Formen der »weißen« und der »roten« Blutkörperchen und den Thrombocyten, beschäftigen sich ebenfalls viele Arbeiten aus den letzten Jahren^. Man kann somit sagen, daß wir die hier in Betracht kommenden Elemente ziemlich gut kennen. Soviel ich beurteilen kann, handelt es sich auch hier um Erschei- nungen, die man im Sinne der Lehre von der Eeduktion und der Re- generation des Plasmas deuten könnte. Es wird vielleicht nicht ohne Wert sein, wenn ich da auf einige Möglichkeiten hinweise, mit denen man bisher nicht gerechnet hat, und wenn ich das tatsächlich Vor- handene hervorhebe. Bei der ersten Anlage der Blutkörperchen, im embryonalen Mesen- chym z. B., handelt es sich nach der gewöhnlichen Auffassung um ein Funktionswachstum bestimmter Zellen, Mesenchynizellen und Intima- zellen, um ein Loslösen derselben, nachdem sie sich in ihrem Aussehen von den andern Elementen differenziert haben, aus dem Verbände des Gewebes. Man sollte jetzt darauf Rücksicht nehmen, ob es wirkhch dasselbe Protoplasma ist, wie dasjenige der in den im Verbände des Gewebes bleibenden Zellen, welches zu dem Cytoplasma der Lympho- ^ Man findet sie auch in solchen Zellen niclit. 2 Vgl. z. B. die Arbeiten von Maxemoff im Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIII. 1909. Bd. LXXIV. 1909. Bd. LXXIX. 1912. Bd. LXXX. 1912, jene von Dän- TSCHAKOFF daselbst. Bd. LXXIII. 1909 usw., von Weill in Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXIII. 1913 und viele andre. 3 Vor allem sei da auf die Arbeiten von Weidenreich, Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIII. 1909. Anat. Record. Bd. IV. 1910, Ergebnisse d. Anat. u. Ent- ■wicklungsgesch. Bd. XIX. 1912 u. a. hingewiesen. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 679 cyten und Erythrocyten wird, oder, was nach meiner Ansieht gut mög- lich ist, eine andre Generation von Plasma. Es sind da sehr genaue Untersuchungen notwendig, denn auf die bisherigen Angaben, bei denen diese Möghchkeit nicht erwogen wurde, kann man sich nicht, so genau sie auch sonst sind, vollkommen verlassen. Wie bei den Neuro- blasten ist jedenfalls auch hier möglich, daß sich das Protoplasma schon früher bildet und erst dann, als Cytoplasma, zusammen mit dem Zellkern aus dem Gewebs verbände loslöst. Was die auf diese oder jene Weise frei gewordenen Zellelemente betrifft, die man im Embryonnalkörper und in den blutbildenden Or- ganen des fertigen Körpers, dann jedenfalls auch in der Lymphe und im Blut, vorfindet, so handelt es sich da wieder um Zellrudimente bzw. Zellen am Anfange der »Zellregeneration <<. Nach den Untersuchungen von Weidenreich gibt es da an den blutbildenden Stellen und auch in der Lymphe »große« und »kleine« Lymphocyten, als Elemente, aus denen sich auf der einen Seite die weißen, auf der andern die roten Blutkörperchen bilden. Ihre Formen sind verschieden, doch lassen sie sich, wie Weidenreich ^ zeigt, in Reihen anordnen, die mit Zell- kernen anfangen, an deren Oberfläche sich eine minimal dünne Cyto- plasmaschicht befindet. Die ursprüngUchste Form sollen nach ihm die sogenannten »großen« Lymphocyten vorstellen, aus denen durch fortgesetzte Teilungen die »kleinen« entstehen. Sowohl bei den ersteren wie bei den andern sieht man charakteristische Formen mit einer minimalen Menge von Cytoplasma, also stark »reduzierte« Zellen, wenn nicht Zellrudimente. Der Grund dieser Erscheinung kann ver- schieden sein, und es ist schwierig, da etwas Bestimmtes zu sagen. Entweder lösen sich die Zellen in diesem Zustande aus dem Gewebe los, welche Möghchkeit wir ja schon oben angedeutet haben, oder, und dies würde aus den Angaben von Weidenreich hervorgehen, reduziert sich (daneben?) der cytoplasmatische Anteil bei den schnell nacheinander folgenden Teilungen der Elemente. Es würde sich da also, so wie in der oben besprochenen Anlage der Extremität, darum han- deln, daß da möglichst schnell viele Zellkerne geschaffen werden, da ja später schon Zeit genug zur Bildung der Cytoplasmaanteile sein wird. Das eine ist sicher : die Entwicklungsreihe beginnt mit ganz entschieden »reduzierten« Zellen und führt zu vollwertigen Zellen, wie es in diesem Falle die großen Leucocytenformen mit ihrem amöboiden Zellkörper sind, in dem es sogar auch zur Exoplasma- imd Endoplasmabildung, also zur Bildung einer neuen Generation von Cytoplasma kommt. 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIIL 1909. Taf. XXXI. 680 F. K. Studnicka, Auf solche Elemente, die »Lymphocyten <<, haben schon ältere Autoren hingewiesen, und es ist selbstverständHch, daß sie in den älteren Blastemtheorien eine wichtige Rolle spielten. Noch Robin verweist (1873) auf sie, als auf »freie« Zellkerne, »noyaux libres«. Die spätere Cytologie, die überall vollwertige Zellen voraussetzte, hatte für sie wenig Verständnis, und in keiner der neueren Theorien spielten sie eine besondere Rolle. — Es handelt sich jetzt noch um die Frage, ob es möglich ist, daß sich da von den Elementen in gewissen Fällen bloß die Zellkerne erhalten. Die sehr gewissenhaften Autoren, die sich jetzt mit modernen Methoden mit den Blutelementen beschäftigten, erwähnen keine »nackten« Zellkerne, sondern sie sagen, daß da überall ein, wenn manchmal auch etwas schwer nachweisbarer Cytoplasma- saum vorhanden ist. Demgegenüber kann man auf eine ältere Beob- achtung von Stricker 1 hinweisen, nach der im Blute des Frosches »nackte« Lymphocyten vorkommen sollten, die nach seiner Beob- achtung sogar das Cytoplasma bilden und wieder in ihr Inneres ein- ziehen könnten. Gegen die »in vivo «-Beobachtungen an Blutkörper- chen könnte man jedenfalls einwenden, daß bei ihnen das feine Cytoplasma leicht übersehen werden kann^, doch ein andrer Autor, jedenfalls wieder aus der Schule von Stricker^, behauptet, er habe solche nackte Zellkerne auch an fixierten Blutkörperchen von Säugern und von Amphibien beobachtet. Möglich ist es, daß solche wenig- stens hie und da vorkommen, eine allgemeine Erscheinung sind sie wohl nicht, immer sind jedoch stark reduzierte Zellen als ein wichtiges Entwicklungsstadium bei der Entwicklung des Blutes aufzu- fassen. Wenn nicht bei der Anlage der Elemente, im Sinne der Hypothese, die ich in diesem Kapitel anfangs aufgestellt habe, so hat bei der »Re- generation« aus den Rudimenten die »cy tobiastische Funktion« der Zellkerne eine besondere Bedeutung. Darauf, daß es in fertigen Ele- menten, in großen amöboiden Elementen — aber auch in kleineren Lymphocyten — auch später zu einer nochmaligen Protoplasmabildung auf Grundlage der Zellkerne kommen kann, die sich dann in der Endo- plasmabildung zeigt, haben wir schon hingewiesen. Solche Endo- plasmahöfe, dife sich zuerst in der Umgebung der Centriolen (als Centro- 1 Sitzungsberichte d. Akad. d. Wiss. in Wien. 1877. 2 Darauf macht z. B. v. Ebner in seiner Bearbeitung des III. Bandes der Gewebelehre von Kölliker, 1902, S. 71G, aufmerksam. Sonst auch Stöhr, Arch. £. mikr. Anat. XXXIII. 1889. 3 RuzicKA in der AUgem. Wiener mediz. Zeitung. Bd. XXXIX. 1894. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 681 plasma?) zeigen, beschreibt z. B. Weidenreich i, und auch auf die bekannten Untersuchungen von M. Heidenhain^ über Leucocyten und deren Sphärenbildungen kann man da hinweisen. Bei Evertebra- ten beschreibt neuestens Joseph^ eigentiimhche Sphärenbildungen in Leucocyten von Lumbricus. In den drei Fällen, die bisher zur Besprechung kamen, handelte es sich um Zellelemente, die in der Zeit, zu der es sich bei ihnen um Eeduktion bzw. um Kegeneration handelt, im ganzen frei liegen, oder sich wenigstens nicht in einem zu engen Verbände eines Gewebes be- finden. Die Elemente der Froschlarvenextremität waren nur mittels ganz feiner Cytodesmen untereinander verbunden, die Neuroblasten lagen anfangs vollkommen frei in den Lücken des Gewebes, und von den Blutkörperchen braucht es nicht besonders hervorgehoben zu werden. In allen diesen Fällen konnte man die Reduktion den schnell aufein- ander folgenden Teilungen zuschreiben, während der es keine Zeit zum Nachwachsen des Cytoplasmas gab, und ein solches eigentlich auch vollkommen überflüssig war, da ja die Zellkerne — zusammen mit einem Reste des Cytoplasmas, den meine Theorie voraussetzt — ge- nügten. Im folgenden handelt es sich um Fälle etwas andrer Natur, solche, in denen das Protoplasma, Cytoplasma bzw. Endoplasma, durch »Verbrauch« beim Übergange desselben in eine andre Art des Plasmas bzw. in eine Grundsubstanz »reduziert« wird. Zwei ver- schiedene Fälle kann man da unterscheiden. In dem einen wird das Protoplasma innerhalb einer » Gesamtzelle << zum Exoplasma verwandelt und dadurch »verbraucht«, in dem andern geht es bei der Grundsub- stanzbildung als eigentliches »Cytoplasma« für den Zellkern verloren. III. Die Regeneration des Endoplasmas in Epidermis- und in Chorda dorsaJis-Zeiien. Bei fertigen Zellen der Epidermis der Wirbeltiere und bei den epidermoiden Chordazellen kann man, wie ich darauf seinerzeit (1903) hingewiesen habe, neben »Gesamtzellen« noch » Endoplasmazellen << (unter welchem Namen das Endoplasma zusammen mit dem Zellkern verstanden wird) unterscheiden. Es handelt sich da bekannthch um Gewebe mit Intercellularlücken und die äußere Grenze der »Gesamt- zelle « entspricht da der äußeren Grenze der ursprünglichen embryonalen 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIIL 1909. Taf. XXXI, Fig. 1 a—i. 2 Festschrift f. Köllikee. 1891. 3 Arbeiten zool. Institut Wien. 18. 1909. 682 F. K. Studnicka, Zelle, die noch >> monoplasmatisch« war, das ist jener Zellen, in denen sich die beiden Plasmaarten, Endoplasma und Exoplasma, noch nicht unterscheiden heßen. Diese, d. i. die äußere Grenze, verschiebt oder verändert sich also nicht, dagegen bleibt die Endoplasma-Exoplasma- grenze nicht immer dieselbe. Die Zelle als Ganzes kann sich da nicht reduzieren, dagegen kann das innere Endoplasma, die »Endoplasma- zelle«, bei dem Prozesse der Exoplasmabildung verbraucht werden. Die Exoplasmabildung, die bekanntlich in einer Konsolidierung des Protoplasmas, offenbar auch in dieselbe begleitenden chemischen Veränderungen besteht, kann, wie ich darauf unlängst hingewiesen habei, auf zweierlei Weise vor sich gehen. Entweder verdichtet sich das C5ii:oplasma auf der Oberfläche der Zelle (Gesamtzelle), die so ver- änderte Schicht wird breiter und breiter, so daß schUeßhch das übrige im ursprünglichen Zustande gebliebene »Endoplasma << auf immer engeren und engeren Eaum in der Nähe des Zellkernes beschränkt wird — die »Endoplasmazelle << »reduziert« sich bei der Exoplasma- bildung — oder es verändert sich das gesamte Cytoplasma der Zelle auf einmal in der Richtimg des Exoplasmas, und der Zellkern liegt dann als Rudiment inmitten einer »Exoplasmazelle«. Es kann sich dann auf seiner Oberfläche mit der Zeit wieder neues Endoplasma, wieder eine neue »Endoplasmazelle << »regenerieren«. Das Endoplasma ist also entweder »primär« und es entspricht dem ursprünglichen Proto- plasma der Zelle, dessen Rest es vorstellt (»Protendoplasma«), oder es handelt sich da um neugebildetes Protoplasma, welches der Zellkern an seiner Oberfläche inmitten des Exoplasmas produziert hat — »se- kundäres« Endoplasma (»Deutendoplasma«). Auf diese Unterschiede habe ich bereits früher in andern Arbeiten hingewiesen, doch ich muß sie hier nochmals hervorheben, da sie gerade für unser Thema von aus- schlaggebender Wichtigkeit sind. Wir werden später übrigens ähnliche Verhältnisse aus den Grundsubstanzgeweben kennen lernen. An dieser Stelle muß uns wieder die Frage interessieren, die wir leider nicht vollständig beantworten können, ob sich in der sich redu- zierenden Zelle oder in der Nähe des allein da inmitten des Exoplasmas bleibenden Zellkernes auch das Centriol erhält. Die ursprüngHchen Zellen, sowohl die Epidermis-, wie die Chordazellen enthielten die Centriole, von den Epidermiszellen, an denen die Frage nicjit gelöst ist, ist es sehr unwahrscheinhch, daß da das Centriol später in den Bereich des Exoplasmas kommen würde, und in den Chordazellen kann man, in einem Falle sehr deuthch die in der Nähe des Zellkernes verbleibenden 1 Anat. Anzeiger. Bd. XLV. 1914. Bd. XLVII. 1915. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 683 und an den weiteren Entwicklungsprozessen sich beteiligenden Cen- triolen beobachten. Noch etwas kann man da beobachten. Dasjenige, was ich in den Epidermiszellen als »Endoplasmazellen « bezeichne, ist immer ein Teil der Gesamtzelle, und es sind mir keine Fälle bekannt, in denen sich das Endoplasma aus einer Epidermiszelle loslösen und als selbständiges Element z. B. in den Lücken des Gewebes leben könnte. Von den Epithelzellen hat man bekanntlich etwas ähnliches vielfach angenom- men, und ich kann da z. B. Retterer nennen, der in zahlreichen Ar- beiten die Ansicht verteidigt, daß sich aus Epithelzellen verschiedene Elemente andrer Bedeutung bilden können, weiter z. B. Blaizos^ u. a. Am Chordagewebe kann man Erscheinungen beobachten, welche dafür sprechen, daß etwas ähnliches unter besonderen Umständen eigentlich nicht zur Unmöglichkeit gehören würde. Auch hier werden jedenfalls die Endoplasmazellen nicht frei, da sie hier in den festen Exoplasma- kapseln eingeschlossen sind, doch sie haben hier im Innern der großen Centralvacuolen der anfangs blasigen Chordazellen Raum genug zu ihrer Entfaltung, bei der sie sich sehr selbständig, so wie selbständige Elemente, benehmen. p _ !§■#!"-■ A. Die Epidermiszellen der Wirbeltiere. Fälle, welche zugunsten unsrer Lehre sprechen, habe ich besonders in einer größeren, 1909 veröffentlichten Abhandlung^ beschrieben und ich werde hier die wichtigsten davon anführen. In einer mehrschichtigen Epidermis eines Fisches z. B. muß man die Basalzellen als die ursprünglichsten Zellen betrachten, und viel- fach wächst das Epithel nur durch fortgesetzte Zellteilungen in der Schicht der Basalzellen. Diese Basalzellen haben manchmal das Proto- plasma noch nicht in die zwei bekannten Plasmaarten »differenziert«. Wenigstens unterhalb des Zellkernes sieht man da dann nur eine Art Plasma, während man oberhalb desselben schon inmitten des zu einer oberflächlichen Schicht zusammengedrückten Exoplasmas das weiche Endoplasma beobachten kann^. Solche Zellen sind noch nicht typisch, >>diplasmatisch<<, dagegen sind jene der höheren Epidermisschichten 1 Compt. rend. assoc. anatom. 10. reun. 1908. 2 Anat. Hefte. Bd. XXXIX. 1909. — Auf die Cytoplasmaneubildung in Epidermiszellen habe ich sonst schon früher, Anat. Anzeiger. Bd. XXXI. 1907. S. 504, kurz hingewiesen. 3 S. 75. Vgl. Fig. 63, Taf. IX/X, die jedenfalls nur einen Fall mit wenig Endoplasma darstellt. 684 F. K. Studnicka, dieser Art, d.i. immer ganz deutlich >>diplasmatisch<<, doch auch in ihnen kann man oberhalb des Zellkernes, bei Petromyzon z. B., sehr deutlich 1 eine Stelle beobachten, wo auch das Endoplasma aus einer besonders feinen Plasmaart besteht, die sich oft durch Verschleimung verändert. Schließhch folgen, bei in Wasser lebenden Anamniern, die Deckzellen mit ihren ebenfalls zum Esoplasma zugehörenden Deck- platten, In diesen habe ich bei Petromyzon Fälle beobachtet, wo das Endoplasma inmitten der Gesamtzelle an seiner Oberfläche eine neue innere Schicht von Exoplasma gebildet hat^, so daß sich da inmitten der ursprünglichen Zelle eine neue befand, und einmal beobachtete ich auch, daß sich eine solche innere Zelle in zwei Zellen geteilt hat, so daß man da ein Bild sah, das auf dasjenige der »Groupes isogeniques<< des Knorpels erinnerte^. — Alle diese Erscheinungen, die ich in meiner Abhandlung ausführlicher beschreibe, sprechen dafür, daß sich in Epidermiszellen, und zwar oberhalb des Zellkernes, in der Umgebung des Centriols — das habe ich bisher nicht oenau feststellen können — Protoplasma neu bildet und daß es als »primäres« Endoplasma das bisherio;e Plasma der Zelle verdrängt*. In einem Falle, bei Petromyzon, und zwar in der Gegend der Horn- zähne, beobachtete ich, daß sich in bestimmten Partien der Epidermis das gesamte Protoplasma der Zellen unter massenhafter Fibrillenbildung zu Exoplasma verändert, so daß der Zellkern dann inmitten des Exo- plasmas liegt^. Solche Zellen beteiligen sich dann allem Anscheine nach an der Bildung der Hornsubstanz der Zähne, und zwar verändert sich das gesamte Plasma in diese und nur die Zellkerne bleiben erhalten^. Es können da weiter die Kolbenzellen der Teleostierepidermis genannt werden'^. In diesen Elementen sieht man wieder inmitten des Exoplasmas, welches offenbar dem ursprünglichen Plasma der Zellen entspricht, in verschiedener Menge das granulierte Endoplasma. In ihm werden die Secrete der Zellen abgelagert, während die Aufgabe des Exoplasmas bei der Secretbildung bisher unbekannt ist^. Schließlich kann ich auf die verhornende mehrschichtige Epi- dermis der Säugetiere, mit der ich mich ebenfalls in der oben zitierten 1 Taf. III/IV, Fig. 24, 31, 32. 1. c. 2 Taf. III/IV, Fig. 28 1. c. =* Taf. III/IV, Fig. 29 1. c. 4 Vgl. auch S. 96 1. c. 6 Taf. V/VI, Fig. 36 1. c, * Vgl. dieselbe Abbildung I. c. ' S. 200 1. c. 8 Vgl. Taf. XIII/XIV, XV 1. c. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 685 Arbeit beschäftigte, hinweisen. Auch hier sind die Basalzellen >> mono- plasmatisch<>diplas- matisch«, doch kann ihr Aussehen sehr verschieden sein. In der oben zitierten Abbildung handelt es sich noch um verhältnismäßig breite Endoplasmahöfe, in der Regel kann man da jedoch nicht mehr als eine »perinucleare Lücke« beobachten, die man früher allgemein durch Schrumpfung des Zellkernes oder des Plasmas erklären wollte. In günstigen Fällen kann man sich davon überzeugen, daß in der Lücke ein feines Protoplasmagerüst vorhanden ist, und zu der Ansicht, daß es sich da wirklich um Protoplasma und nicht um Koagulate handelt, kommt man auch bei Vergleich verschiedener Formen der Epidermis- zellen miteinander. Es handelt sich da Avieder um neu an der Kernoberfläche entstandenes, »regeneriertes« Protoplasma, welches da entstanden ist, nachdem sich das übrige schon — wovon ich gleich sprechen werde — verändert hat. An einem sehr günstigen Objekte, Hufanlagen des Pferdes, konnte ich sogar Zuwachsschichten um das Endoplasma herum, im Exoplasma, beobachten^, was dafür sprechen würde, daß sich das frische innere Plasma schichtenweise in Exoplasma verändert. Retterer beobachtete^, daß sich an Epithelzellen, jeden- falls handelte es sich da nicht um verhornende Epithelzellen, nach an- dauernder mechanischer Reizung um den Zellkern herum ein breiterer Saum von »Hyaloplasma <<, wie er es nennt, wohl »Endoplasma <<, bildet, wobei das übrige Plasma zur Seite verdrängt ward. Verwandeln sich, wie es in der verhornenden Epidermis der Wirbel- tiere der Fall ist, die breiten, bis beinahe zum Zellkern reichenden Exoplasmen in Hornsubstanz, haben wir einen Zustand vor uns, der vollkommen an eine Grundsubstanz erinnert. Inmitten einer durch Protoplasmaumwandlung, Fibrillenbildung und Ablagerung von »Bau- secreten« stark veränderten, vor allem verhärteten Substanz, liegen jetzt die Zellkerne, zusammen mit den minimalen Endoplasmaschichten als »Endoplasmazellen<< und entsprechen so vollkommen den »Grund- substanzzellen«. In diesem Falle ist jedenfalls eine Regeneration der Zellrudimente, die sicher anfangs ihre Lebensfähigkeit noch nicht 1 Vgl. S. 156, Taf. XI/XII, Fig. 77 I. c. 2 S. 161 L c. 3 Journal de l'anat. et pliysiol. T. XLIV. 1908. 686 F. K. Studnicka, verloren haben, in Anbetracht der harten Substanz, in der sie liegen, unmöglich. Sehr bald schrumpfen übrigens auch die Endoplasmen und schUeßlich auch die Zellkerne, doch auch diese letzteren können sich anfangs, als Analogon der »Grundsubstanzkerne«, eine Zeitlang, viel- leicht auch dauernd, im Horngewebe erhalten. Auch im Horngewebe der Cyclostomen, von dem wir oben gesprochen haben, erhalten sich oft solche Zellkerne. B. Epidermoide Zellen der Chorda dorsalis der Wirbeltiere. Ich habe da Zellen der Teleostierchorda im Sinne, auf die ich un- längst in einer besonderen Abhandlung ^ hingewiesen habe. Die typi- schen Chordazellen der Teleostier sind vesiculös bzw. »blasig <<, und durch einen eigentümlichen Prozeß können sich solche Zellen, wie ich mich an Belone acus davon überzeugen konnte, in »epidermoide«, das ist jenen der Epidermis ähnliche Elemente, umwandeln, und wieder han- delt es sich da um Neubildung von Protoplasma, um »Regeneration« von Endoplasmazellen. Im vorangehenden Falle, in den Epidermis- zellen, konnte sich das neu zugekommene Plasma nicht gut entfalten, anders ist es in den Chordazellen, die in ihrer Centralvacuole dem Protoplasma einen großen Raum zu seiner Entfaltung als Endoplasma- zelle bieten. In den blasigen Zellen, die ursprünglicher sind, hat sich fast das gesamte Cjtoplasma, wie es wahrscheinlich die im Gewebe waltenden mechanischen Momente verlangten, in ein festes homogenes Exoplasma verwandelt, und nur in der unmittelbaren Nähe des Zellkernes hat sich da eine kleine Partie Protoplasma mit Centriol, die wahrschein- lich dem Centroplasma entspricht, erhalten^. Es handelt sich da um ein Rudiment, auf das sich in der Zelle das lebensfrische weiche Plasma » reduziert« hat, und von dem sich das Protoplasma wieder »regenerie- ren« kann. Auch in andern Chordazellen, z. B. in jenen der Amphibien^, hat sich das Protoplasma der vesiculären Zelle in der Richtung des Exoplasmas verändert, ist homogen und fest geworden, doch der obenerwähnte Protoplasmahof läßt sich da nicht nachweisen. Es scheint, als ob da der Zellkern vollkommen nackt an der inneren Ober- 1 Anat. Anzeiger. Bd. XLV. 1914. 2 Das Centriol ist wahrscheinlich vom Anfang an da. Boeke (Petrus Camper. Bd. I. 1902 und Anat. Anzeiger. Bd. XXXIIL 1908. S. 541) fand es immer in embryonalen Chordazellen der Teleostier. 3 Vgl meine AbhandL im Anat. Anzeiger. Bd. XXXIV. 1909. S. 84. Fig. 1. S. 90. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 687 fläche der exoplasmatischen Vacuolenwand der Zelle liegen würde; offenbar fehlt auch hier das Centriol nicht, nur konnte es bisher nicht entdeckt werden. Aus dem Reste des weichen Protoplasmas, der sich in der Zelle beim Übergang des Plasmas in Exoplasma erhält, entsteht jetzt, wie ich mich davon bei Betone überzeugen konnte, neues Protoplasma, welches sich im Innern der großen Central vacuole weiter entwickelt. Es bildet sich jetzt inmitten der alten »Gesamtzelle« eine wirkliche »Endoplasmazelle «. Nachdem sie größer geworden ist, bildet sich da auf der Grundlage des bisherigen Centroplasmas wieder neues Endo- plasma und wieder eine neue Exoplasmaschicht erscheint da an der Oberfläche der inneren Zelle. Der Prozeß kann sich wiederholen, und so können sich zu der ursprünglichen mehrere weitere Exoplasma- schichten bzw. Kapseln zugesellen. Das Innere der ehemaligen Vacuole füllt sich auf diese Weise vollkommen mit Protoplasma, in dem sich sehr bald auch Tonofibrillen bilden. So, wie in Eizellen, regeneriert da in der Umgebung des Centriols, offenbar unter seiner Einwirkung, cyclisch das Protoplasma, und es lassen sich die auf diese Weise ent- standenen Protoplasmaschichten, da sich das alte Plasma unterdessen in festeres Exoplasma verwandelt, sehr deutlich erkennen, man kann sie mit den >>Periplasten << (Vejdovsky), die aus Eizellen bekannt sind, vergleichen. Das Centriol liefert jedenfalls das neue Plasma nicht, und so muß man auch hier auf den etwas seitlich liegenden Zellkern hin- weisen, der vielleicht das Plasma, das später vom Centriol-Centro- plasmaapparat verteilt wird, produziert. Das Endoplasma bleibt da selbstverständlich im Innern der Gesamtzelle eingeschlossen, doch man kann sich ohne weiteres vorstellen, daß es sich, aus der Zelle befreit, auch selbständig entwickeln könnte. Vielleicht gelingt es einmal., diese Möglichkeit experimentell an einem geeigneten Objekte (die Chordazellen sind ja groß genug, daß man sie künstlich öffnen kann) zu erproben. C. Der Chordaknorpel. Krauss 1 und Pusanow^ beobachteten, daß sich Zellen der Chorda dorsalis, und zwar typische blasige Chordazellen mit großen Vacuolen, unter Umständen in Knorpelzellen verwandeln können, und daß auf diese Weise inmitten des Chordagewebes, und aus diesem, ein typischer Hyalinknorpel entstehen kann. Derartige »Chordaknorpel <<, die bei 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIII. 1908. 2 Anat. Anzeiger. Bd. XLIV. 1913. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. CXVII. Bd. • 45 688 F. K. Studnicka, Amphibien und bei Reptilien ziemlich verbreitet sind, hielt man früher entweder für ein Produkt des indifferenten, wie man sagte, Chorda- epithels, oder man hat angenommen, daß da von außen, durch die Chordascheiden hindurch, »Chondroblasten « in das Innere der Chorda eindringen und sich hier in Knorpelzellen umwandeln. Bei der Umwandlung der Chordazellen in Knorpelzellen i handelt es sich um prinzipiell dieselbe Erscheinung, wie wir sie von dem vor- angehenden Falle kennen, und der »Chordaknorpel << unterscheidet sich von einem »epidermoiden Chordagewebe« nur dadurch, daß in ihm die, außerdem durch spezifische Knorpelstoffe imprägnierten, Exoplas- men der einzelnen Zellen untereinander zu einer hyalinen Grundsub- stanz verschmelzen. Im epidermoiden Chordagewebe bleiben bekannt- lich die Intercellularlücken erhalten, und das Exoplasma hat da das- selbe Aussehen wie in typischen blasigen Chordazellen. In den ursprünglichen Chordazellen, von denen der Prozeß aus- geht, sah man — bei Amblystoma z. B., auf das sich die Angaben von Krauss beziehen — bloß Zellkerne, die da an der inneren Ober- fläche des Exoplasmas wie angeheftet waren. Vom Endoplasma war da keine Spur zu sehen, und auch das Centriol hat man da nicht beob- achtet. Auf einmal wird da, am Anfang der eigentümlichen Chondro- genese, in der Umgebung des Zellkernes das feinere Protoplasma be- merkbar; es entstehen da, wie besonders Krauss schildert, feine plas- matische Netze, die sich durch die ganze Centralvacuole erstrecken, sie werden immer dichter und schließlich wird in das Innere der sich mit einer typischen Knorpelzelle, als einer >>Endoplasmazelle<<, füllen- den ursprünghchen »Gesamtzelle <<, auch der Zellkern hinein verschoben. Gleichzeitig wird das ursprüngliche Exoplasma bzw. das Plasma der ursprünglichen vacuolären Zelle, etwas dicker, seine Reaktion auf Farb- stoffe wird eine andre, und indem die aneinander grenzenden Exo- plasmen miteinander verschmelzen, kommt eine typische hyaline Grund- substanz zustande. Wieder begegnen wir da also einem Gewebe, in dem das aktive frische Plasma, das nur auf ein »Rudiment«, wie es scheint auf den Zellkern allein, »reduziert« war, neues Protoplasma, und zwar ein Protoplasma ganz andrer Art, als das frühere war, »regeneriert«. Nach der Analogie mit dem vorangehenden Falle sollte man erwarten, daß auch hier bei dem Prozesse der Regeneration dem Centriol eine beson- dere Rolle zukommt; dasjenige, was das Protoplasma produziert, ist 1 Vgl darüber auch meine Mitteilung im Anat. Anzeiger. Bd. XXXIV. 1909. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 689 da offenbar wieder der Zellkern. Anfangs sah man da überhaupt, neben dem passiv sich verhaltenden Exoplasma, nur ihn. IV. Die Reduktion und die Regeneration von „fixen'^ Zeilen mesenchymatischen Ursprungs. So, wie gewisse »modifizierte« oder »reticuläre« (richtig »gerüst- artige«) Epithelgewebe, enthält auch das Mesenchymgewebe ursprüng- lich Zellen, die mittels kurzer, dicker, oder langer, dünner, meist mannig- fach sich verzweigenden und verbindenden Cytodesmen untereinander zusammenhängen 1. Anfangs ist da, entgegen zu der früheren Auf- fassung, keine Grundsubstanz vorhanden, und eine solche kann da auf Grundlage des Protoplasmas auf verschiedene Weise entstehen. Es handelt sich dabei um etwa folgende Prozesse, die sich verschieden komplizieren können: Mesostromabildung, Exoplasmabildung, Fi- brillenbildung und schließlich weitere chemische Umwandlungen und Ablagerung von Bausecreten^. In den verschiedenen Stadien des Prozesses der Grundsubstanz- bildung, jenen, an denen sich die Mesenchymzellen direkt beteiligen — Bildung des Zeilbrückennetzes am Anfang der Mesostromabildung, Fibrillenbildung, Bildung von Bausecreten — kann das Zellplasma, das ist das um den Zellkern angehäufte Protoplasma der »fixen« Zellen des Gewebes (der sogenamiten »Fibroblasten«, wie sie unrichtig ge- nannt werden), mehr oder weniger stark verbraucht werden. In der fertigen Grundsubstanz sieht man am Ende der Histogenese, wenn sich das Zellplasma unterdessen nicht erneuert hat, vielfach bloß Reste oder »Rudimente « von Zellen, die sich an den Lebenserscheinungen und der Funktion des Gewebes nicht beteiligen und auch nicht zu beteiligen brauchen, da ja die Grundsubstanz, wie wir heute wissen, ihr eigenes Leben hat^. Schon den älteren Autoren war es bekannt, daß sich die Zellen bei der Grundsubstanz- bzw. Fibrillenbildung in den verschie- denen Arten des fibrillären Gewebes stark verkleinern. Schwann* i Über die Analogie des reticulären Epithels mit Mesenchym vgl. in Sitzungs- ber. d. Kgl. Ges. d. Wiss. in Prag, math.-naturw. Kl. 1899 und 1902. Verschie- dene Formen des Mesenchymgewebes bzw. des Mesenchym-Mesostroma erwähne ich neuestens im Anat. Anzeiger (Bd. XLIV. 1913. S. 573). 2 Vgl. Anat. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. Bd. XLVIL 1914. 3 Sonst können, wie neuestens Renaitt (Archives d'anat. microsc. T. IX. 1907) zeigt, viele der Bindegewebszellen als »rhagiocrine« Zellen tätig sein. Die Ausscheidungen, die sie liefern, kommen wohl nur der Gewebsflüssigkeit zugute. * »Untersuchungen«. 1839. S. 137. 45* 690 F. K. Studnicka, dachte, daß sich dabei die Zellen als solche sogar vollkommen auflösen imd daß sie im fertigen Bindegewebe fehlen, wo sie ja erst Virchow viel später gefunden hat. Boll, ein Schüler von Max Schultzei, hat auf die Verkleinerung der Zellen bei der Histogenese des Bindegewebes hingewiesen, dann Lwoff^ und andre. Maximoff ^ zeigte, daß im lockeren Bindegewebe von den Bindegewebszellen nur dünne Platten übrigbleiben usw. Ich selbst beobachtete die Zellreduktion, um diese Erscheinung handelt es sich da nämlich wieder, z. B. bei der Bildung des fibrillären Bindegewebes, in dem wirklich von den Zellen oft bloß Zellkerne übrigbleiben, und dann bei der einiger Formen des Gallert- gewebes, bei Froschlarven z. B.*. Besonders habe ich einmal auf die großen schönen Zellkerne, die man im fibrillären fötalen Bindegewebe der Selachier gefunden hat, hingewiesen^, und solche Fälle — ich fand später dasselbe auch z. B. bei Salamandralarven — beweisen, daß sich der Zellkörper fast vollkommen reduzieren kann, ohne daß dabei der Zellkern, der ja jetzt in der ebenfalls lebenden Grundsubstanz liegt, etwas zu leiden hätte. Neuestens bestätigte diese Tatsache Laguesse^, der ebenfalls bei Selachiern (Torpedo), und zwar im lamel- lären Subcutangewebe, schheßlich nackte Zellkerne, als Reste von ehe- maligen Bindegewebszellen vorfand. Dann v. Korff'^, dessen An- gaben sich auf Amphibienlarven und wieder auf Selachier beziehen, der jedoch der Ansicht ist, daß es sich da bloß um »protoplasmaarme Zellen« handelt. Neuestens meldet schheßlich Wetekamp^, daß es im Gallertgewebe der Lamellibranchiaten vielfach bloß »Grundsub- stanzkerne« — so habe ich es benannt ^ — gibt. Offenbar stellen solche überhaupt keine große Seltenheit vor. Bisher wollte man sie, da man unter dem Einfluß des Gedankens stand, die Grundsubstanz sei ein Ausscheidungsprodukt der Zellen, für solche nicht halten; heute fallen auch die letzten theoretischen Bedenken gegen die Annahme von der- artigen Elementen, und wir wissen, daß es nicht überall vollwertige Zellen im Gewebe geben muß. Daß die Zellkörper wirklich bei der Grundsubstanzbildung, und 1 Arch. f. mikr, Anat. Bd. VIIL 1871. 2 Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. ia Wien. Bd. XCVIII. Abt. III. 1889. 3 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXVII. 1905. S. 688. 4 Anat. Anzeiger. Bd. XL. 1911. S. 47. 6 Anat. Hefte. Bd. XXXIX. 1909. S. 249. 6 Arch. d'anat. microscop. T. XVI. 1914. S. 123. ' Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXIV. 1914. S. 271. 8 Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CXII. 1915. » Anat. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. S. 230. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 691 nicht vielleicht bloß bei schnell nacheinander folgenden Zellteilungen, wie man ja ebenfalls annehmen könnte, reduziert wurden, beweist am besten der von mir vor Jahren untersuchte Fall, das Subcutangewebe der Froschlarven. Hier vermehren sich in großen Partien des Gewebes die Zellen sehr wenig, in einigen Stadien fast gar nicht, und sie gelangen da in der wachsenden Grundsubstanz sehr weit voneinander. Trotzdem sind da die Zellkörper stark, wie es scheint bis auf die Zellkerne, redu- ziert. Die Zellen werden also bei der Grundsubstanzbildung »ver- braucht«, und ihre Körper »reduzieren« sich auf bloße »Rudimente«. Vielfach sieht man dann inmitten der Grundsubstanz bloß die Zellkerne, und wieder muß man fragen, ob da wirklich bloß Zellkerne vorhanden sind, oder ob sich da nicht in der Nähe auch das Centriol, vielleicht mit anderen Organoiden und dem Centroplasma erhalten hat. Die Mesenchymzellen enthalten vom Anfang an Centriolen, die in ihnen sehr bald von mehreren Autoren beschrieben wurden i, und in Bindegewebszellen sind ebenfalls Centriolen bekannt^. Trotzdem kann man sie gerade in den Übergangsstadien, jenen, wo die Grundsubstanz schon angelegt ist, nicht immer finden, und in der Nähe der »Grund- substanzkerne« habe ich sie bisher, und zwar an verschiedenen Objek- ten vergebens gesucht. Nur die Theorie von der Persistenz der Centrio- len, die im Chordagewebe Bestätigung findet, führt mich zu der Annahme, daß auch da in keinem Stadium die Centriolen schwinden; vielleicht bleiben sie da ganz nahe des Zellkernes und in einem Zu- stande, in dem sie sich durch die üblichen Färbungen nicht leicht I nachweisen lassen. Vielleicht in Vertiefungen an der Oberfläche des ' Zellkernes. Die Zellrudimente, bzw. die stark verkleinerten Zellen, von denen ich bisher sprach, können sich länger erhalten und können sich auch durch Teilung vermehren, sie können aber auch nur ein schnell vorüber- gehendes Entwicklungsstadium bedeuten, und es können aus ihnen 1 wieder typische große Bindegewebszellen werden, Fibroblasten, wie man sie unpassend nennt (da ja die Fibrillen auch vom extracellulären Protoplasma gebildet werden !). In andern Fällen »regenerieren«, wie sich schon v. Korff darüber ausspricht, aus den Zellrudimenten des embryonalen bzw. des larvalen Gewebes später größere Zellen 1 Vgl. z. B. Heidenhain, Morphol. Arbeiten. Bd. VII. 1897, Meves, Arch. f. roikr. Anat. Bd. LXXV. 1910. u. a. Meves zeichnet in seinen Abbil- dungen deutlich das Centroplasma mit dem Centriol. 2 Vgl. z. B. Maximoff, Archiv für mikr. Anat. Bd. LXVII. 1905, 'J af. XXXV. 692 F. K. Studnicka, besonderer Art, die jetzt wieder die Centriolen, diesmal sogar oft in- raitten großer Centroplasmahöfe, zeigen. Das Wesentlichste bei dem Prozesse der Grundsubstanzbildung ist jene Umbildung des Protoplasmas in eine festere homogone Plasma- art, die man als »Exoplasma << bezeichnen kann. Sowohl die verklei- nerten bzw. reduzierten, wie auch die regenerierten Grundsubstanz- zellen dieser oder jener Art kann man jetzt, da alles der Anlage nach protoplasmatisch ist, für »Endoplasmazellen << halten, und ihre Analogie mit den Endoplasmazellen des Epithel- bzw. Chordagewebes liegt auf der Hand^. Wenn sich nun diese Zellen inmitten der Grundsubstanz vermehren und eigene Exoplasmen bilden, handelt es sich da um Er- scheinungen, die wir auch an Endoplasmazellen des Epithel- und Chordagewebes beobachten können. Dagegen kann man, wie ich oben bemerkte, an den soeben genannten Geweben niemals beobachten, daß sich die Endoplasmen aus dem Verbände des Gewebes loslösen und frei werden könnten. Gerade diese Erscheinung spielt in den Grundsubstanzgeweben eine besondere Rolle. In zahlreichen Fällen beobachtet man, wie sich sowohl im embryonalen Mesenchymgewebe wie in besonderen, auf seiner Grundlage entstandenen Geweben des fertigen Metazoenkörpers, massenhaft Zellen bzw. Zellrudimente aus dem Gewebe loslösen, in die Lücken des Gewebes gelangen, sich hier stark vermehren, sich hier bewegen, und vne schließlich einige von ihnen mit der Lymphe bzw. mit dem Blutstrome im Körper zirkuheren. Es handelt sich da besonders um Blutkörperchen verschiedener Art, die ich, als sonst selbständige Elemente, schon früher in einem beson- deren Kapitel besprochen habe. An dieser Stelle sollte uns eigentlich bloß der Modus interessieren, auf den sie sich aus dem Gewebe los- lösen. Maximoff, der diesen Prozeß neuestens am genauesten unter- suchte, gibt an, daß es sich da um »Abrundung und Isolierung« von Mesenchym- bzw. Intimazellen handelt, doch es ist, nach meiner Über- zeugung, nicht ausgeschlossen, daß auch hier die Plasmabildung, auf die man bisher nicht Rücksicht nahm, eine Rolle spielt, so daß das Plasma des Mesenchyms und das Cytoplasma der Blutkörperchen ver- schiedenen Generationen des Plasmas angehören würden; nur die Zell- kerne würden sich da differenzieren. Da ich die Frage schon oben be- rührt habe, begnüge ich mich im folgenden mit dem Hinweis auf ver- schiedene Arten der »fixen« Elemente der Mesenchvmreihe. ^ Vgl. meine AbhandL vom Jahre 1903, Anat. Anzeiger. Bd. XXII. In dieser legte ich jedenfalls auf die »Regeneration« des Cytoplasmas bei der Genese der verschiedenen Zellen noch zu wenig Nachdruck. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 693 A. Fixe Bindegewebszellen, Auf die Tatsache, daß sieb fixe Bindegewebszellen bei der Grund- substanzbildung bzw. der Fibrillenbildung in dem in Entwicklung be- griffenen fibrillären Bindegewebe verkleinern und sich dabei vollkommen reduzieren können, wurde schon oben hingewiesen. Schwann und BoLL haben wir schon genannt, und ich könnte da noch bemerken, daß z. B. BoLL nicht im sichern war, ob die Bindegewebszellen des fertigen fibrillären Bindegewebes mit den Embryonalzellen, welche seine Fibrillen produzieren, identisch sind. Auch Lwoff und Flemming sprechen vom Verbrauch des Cytoplasmas, und letzterer stellte sich vor, daß von der Zelloberfläche der fibrillenbildenden Zellen Schichten des Cytoplasmas an die Grundsubstanz abgegeben werden. Ich selbst habe schon in meiner ersten Arbeit, in der ich auf die Histogenese des fibrillären Bindegewebes eingegangen bin^, darauf hingewiesen, daß sich da, nachdem das alte Plasma verbraucht ist, neues in der Form der definitiven Bindegewebszellen bilden muß. Nach meiner heutigen Überzeugung ist der Wert der Bindegewebs- zellen überhaupt ein verschiedener. Einige davon sind Neubildungen in der Umgebung der Zellkerne, und ihre Gestalt ist von verschiedenen Umständen, darunter von dem Verlauf der Bindegewebsfasern in der Gegend, wo sich die Zellen befinden, abhängig, andre Bindegewebszellen stellen Reste ehemahger Mesenchymzellen, die sich nur so erhalten konnten, daß sich das Protoplasma fortwährend erneuert hat. Manche von den Zellen beteiligen sich schheßhch überhaupt nicht ausgiebiger an den Prozessen der Grundsubstanzbildung und ihr Protoplasma ändert sich vielleicht nicht besonders. Wird, in den früheren Fällen, das Protoplasma nicht erneuert bzw. neugebildet, bleiben von den Zellen bloß die oben schon erwähnten Rudimente übrig. B. Osteoblasten. Aus den »Zellen« bzw. den »Zellrudimenten << des fertigen Mesen- chymgewebes, bzw. des jungen oder des älteren Bindegewebes, ent- stehen da, wo sich ein Knochen bilden soll, die sogenannten »Osteo- blasten«, die zwar, wie wir jetzt wissen, keine Bildner der Knochen- grundsubstanz sind, trotzdem immer eine nicht unwichtige Rolle bei dem Vorgange der Knochenbildung spielen. Ich habe da, wie ich nicht besonders zu bemerken brauche, die Knochenbildung auf der Grund- lage des Bindegewebes im Sinne. 1 Anat. Anzeiger. Bd. XXII. 1903. S. 549; Bd. XXXI. 1907. S. 503. 694 F. K. Studnicka, Einen ausführlichen Bericht über die Osteogenese auf Grundlage des embryonalen Bindegewebes bei Säugetieren' veröffentlichte vor einigen Jahren Adele Hartmann i, und es sollen hier die Eesultate, unter Anwendung meiner Nomenklatur, kurz mitgeteilt werden. — Sie beweist, daß das embryonale Bindegewebe aus einem Symplasma besteht, in dem sich zwischen den Zellkernen Bindegewebsfibrillen bilden. Bei der eigentlichen Osteogenese wird das extranucleäre Proto- plasma, indem es noch zahlreichere Bindegewebsfibrillen bildet, zur Grundsubstanz des Knochengewebes, die sogleich mit Kalksalzen im- prägniert wird. Während dies geschieht, bilden sich um die einzelnen Zellkerne herum enge und dann immer breitere Höfe von frischem Protoplasma, und es entstehen so als vollkommen neue Elemente auf Grundlage der Zellkerne die sogenannten »Osteoblasten«. Gleich nach ihrem Entstehen vermehren sich diese Zellen, und einzelne von ihnen werden dann, wenn der Knochen zuwächst, in sein Inneres, als »Knochen- zellen«, eingeschlossen. Das ursprünghche Protoplasma eines sym- plasmatischen Gewebes wird daher, um das Gesagte kurz zu rekapitu- lieren, als primäres Synexoplasma (» Protexoplasma <<) zur Knochen- grundsubstanz, und die Zellkerne produzieren neues Protoplasma, »sekundäres Endoplasma« ( »Deutendoplasma <<) in der Gestalt der großen »Osteoblasten«. Nach meinen eigenen Erfahrungen an ähn- lichen Objekten möchte ich zu der Schilderung noch bemerken, daß dem symplasmatischen Stadium offenbar noch ein primitiveres vor- angeht, in dem man Zellen, Mesenchymzellen, und extracelluläres Protoplasma in der Form sich verzweigender und untereinander ver- bindender Cytodesmen unterscheiden kann. Bei älteren Säugetier- föten, die ich untersucht habe, verhält es sich schon etwas anders. Hier i.st das fibrilläre Bindegewebe, auf dessen Grundlage der Knochen entstehen soll, im ganzen gerüstartig gebaut, und man sieht da schon deutlich kleine Bindegewebszellen, die man als Zellrudimente auf- fassen kann, und erst diese wandeln sich in die großen Osteoblasten um, unter Neubildung des Plasmas. Es gäbe da, wie mir scheint, Unter- schiede zwischen ganz jungen und älteren Geweben. Über die Einzelheiten des Prozesses, wie nämlich die großen Osteo- blasten aus den Zellrudimenten bzw. den Zellkernen »regenerieren«, berichtet Hartmann nicht, und wieder wird man feststellen müssen, ob sich da das Centriol, vielleicht mit Centroplasma, an der Proto- plamaneubildung, um die es sich da handelt, beteiligt. In den Osteo- 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXVI. 1910. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 695 blasten des von mir untersuchten Objektes, Unterkiefer einer neugebo- renen Katze, konnte ich die Centriolen immer leicht nachweisen, und die größeren fertigen Zellen dieser Art enthalten da immer deutliche, zuerst kleine, dann größere Centroplasmakugeln mit den Centriolen. Man sieht sie gut an Eisenhämatoxylinpräparaten als helle große Höfe inmitten der Zellen, neben den etwas zur Seite geschobenen Zellkernen, und auch die Centriolen lassen sich da deutlich nach- weisen Da man in den kleinen Bindegewebszellen bloß das Centriol nach- weisen konnte, hängt das Vorhandensein der großen Centroplasma- kugel in den Osteoblasten wahrscheinlich mit der Plasmaregeneration (bzw. Neubildung), welcher die Zellen ihre Größe verdanken, zusammen, und man kann annehmen, daß es in der fertigen Zelle zur Secretbildung auf irgend welche Weise in Beziehung steht. Man findet^ in den großen, fertigen Osteoblasten, besonders an Bielschowsky- Präparaten, kleine kornförmige Gebilde, die zu der Secretion in Beziehung zu stehen scheinen. Die Osteoblasten scheiden zwar, wie schon aus dem, was oben gesagt wurde, hervorgeht, nicht die Grundsubstanz des Knochen- gewebes aus, doch sie produzieren ein Bausecret, welches die auf anderm Wege, durch Plasmaumbildung und Fibrillenbildung zustande gekom- mene Grundsubstanz imprägniert und so fester macht; vielleicht han- delt es sich in diesem ihrem, Produkte um eine Substanz, welche dann aus den in der Körperflüssigkeit vorhandenen Substanzen die Kalksalze bindet, und so die Verkalkung der Grundsubstanz bedingt 3. C. Die Odontoblasten. Vollkommen ähnliche Beziehungen, wie wir sie zwischen dem em- bryonalen symplasmatischen Bindegewebe und den Osteoblasten ver- zeichnet haben, können auch zwischen dem Papillengewebe und den »Odontoblasten« der Dentinzähne bestehen, doch hier findet man 1 Die Centriolen fand in Osteoblasten zuerst Cohn (Verhandl. d. pliys.-mcd. Gesellsch. in Würzburg. 1897), dann van der Stricht (Verhandl. d. anat. Ge- sellsch. in Rostock. 1896). Die Centroplasmahöfe erwähnt ÄIaximofi' (Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXVI. 1910. S. 13) und liefert auch Abbildungen. 2 Wie schon Spuler und v. Kokff (Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXIX. 1907. S. 539) beobachteten. 3 Ich selbst habe noch unlängst (Anat. Anzeiger. Bd. XLIX. 1916) gesagt, die Osteoblasten scheiden jenes Secret aus und sie liefern auch die Kalk- salze. Besser kann man sich vielleicht die Verkalkung auf dem hier angedeuteten Wege vorstellen. Eine die Kalksalze bindende organische Substanz gehört da nicht zur Unmöglichkeit. 696 F. K. Studnicka, schon eher deuthche Zellen, so wie wir sie auch aus dem fötalen Binde- gewebe im vorangehenden Falle erwähnt haben. Das Papillengewebe der Säugetiere enthält eine Grundsubstanz mit feinen präcollagenen Bindegewebsfibrillen und kleine, verzweigte Bindegewebszellen mit langen feinen Fortsätzen und mit Centriol bzw. einem Diplocentrum in der Nähe des Zellkernes i. Inmitten des Pa- pillengewebes sind die Zellen gewöhnlich ziemhch groß, dagegen sind sie in der Nähe der Oberfläche, da, wo sich die Odontoblastenschicht bilden soll, klein, und vor dem wachsenden Rande des Zahnscherbchens findet man manchmal vollkommen »reduzierte« Zellen. Es handelt sich um Elemente, aus denen sich nächstens wieder große Zellen, die Odontoblasten, regenerieren sollen^. Einige haben, wie es scheint, den Wert von einfachen Grundsubstanzkernen, an den meisten sieht man jedoch deutlich einen Protoplasmazipfel, der peripherwärts ge- wendet ist. In diesen, wie ich sagte, reduzierten Zellen, bzw. in der Nähe der eventuell in Betracht kommenden Zellkerne, habe ich die Centriolen, die man sonst im Innern der Papillenzellen unschwer nach- weisen kann, nicht gefunden. Ich finde sie sogleich, sobald sich die Zellen vergrößern und sich in Odontoblasten umzuwandeln anfangen. Die schnell sich vergrößernden Zellen enthalten sogar große Centro- plasmakugeln, die man an jenen Präparaten, die nach Eisenhäma- toxyhnfärbung nur wenig entfärbt wurden, daran erkennt, daß sich die betreffende Stelle ganz entfärbt und in dem dunklen Zellkörper wie ein durchsichtiger runder Bezirk erscheint. Inmitten dieser Centro- sphäre befindet sich jetzt das Centriol bzw., soweit ich zu erkennen vermag, das Diplocentrum. Die anfangs einem kleinen Osteoblasten nicht unähnliche Zelle wächst gleich in die Länge und erhält die be- kannte Gestalt, wobei die Centrosphäre vom Anfang an an der gegen die Peripherie gewendeten Seite des Zellkernes, nahe an demselben liegt. Außerhalb der Centrosphäre ist da noch eine größere Partie des an den obenerwähnten Präparaten dunkel bleibenden Cytoplasmas vorhanden, und diese hat in den größten, vollentwckelten Zellen mit Rücksicht auf das Centroplasma manchmal so ein Aussehen, als ob es sich da um eine Exoplasmaschicht handeln würde. 1 Ich fand solche in den Zähnen verschiedener Säugetiere. Vgl. meine Abhandlung im Anat. Anzeiger. Bd. XLV. 1914. S. 453. 2 Zellrudimente finde ich jedenfalls manchmal auch inmitten des Papillen- gewebes erwachsener Zähne. Ich sah solche z. B. in dem Pulpagewebe mensch- licher Molaren. Es handelte sich um große in unveränderter Grundsubstanz ein- geschlossene, sehr frisch aussehende Zellkerne, an deren Oberfläche sich das Cyto- plaama nicht nachweisen ließ. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 697 So, wie in dem vorangehenden Falle, dem der jetzige auch sonst ganz ähnlich ist, kann ich annehmen, daß auch hier das Centriol bzw. der Centriol-Centroplasmaapparat zu dem Vergrößern der Zelle in irgend einer Beziehung steht und daß er sich in bereits fertigen Zellen an der Bildung der Zellsecrete beteiligt. Wieder findet man da die aus den Osteoblasten bekannten dunklen Körnchen (Piastosomen?), und wieder muß man sich vorstellen, daß die Odontoblasten, wenn sie auch die Zahnbeingrundsubstanz nicht bilden, doch bei der Anlage dersel- ben eine wichtige Rolle spielen. Auch hier handelte es sich um Pro- duktion von Secreten, d'e im Zahnbein abgelagert, dasselbe fester machen, und vielleicht die Kalksalze binden. D. Vesiculöse Zellen und Vorknorpelzellen. Nach dem Vorgange von Schaffer bezeichnet man als »vesi- culöse« Zellen solche Zellen, »Zellen« im wahren Sinne des Wortes, »die mit einer festen, durch Turgordruck der eingeschlossenen Flüssig- keit gespannten Membran versehen« und »druckelastisch« sind^. Schaffer selbst rechnet sehr verschiedene Formen von Zellen hierher, Zellen z. B., in denen in einer Centralvacuole Flüssigkeit enthalten ist — die jedoch, da ihre »Wand« das Protoplasma selbst bildet, einer besonderen Zellmembran entbehren (Fettzellen, blasige Chordazellen), oder solche in denen sich innerhalb einer festen exoplasmatischen Hülle weiches Protoplasma befindet. Schließlich rechnet er auch Zellen mit relativ festem Protoplasma, die durch Scheidewände voneinander ab- getrennt sind, hierher, so die Zellen der »Vorknorpelgewebe« (nach meiner Bezeichnung, die ich in diese Kategorie nicht rechnen würde). Solche »Zellen« kommen, wie man sieht, auf zweierlei Weise zustande, durch Flüssigkeitsansammlung — Vacuolenbildung — , und durch die Bildung eines weichen Endoplasmas, und nur diese letzteren werden uns hier interessieren. Solche »diplasma tische« Zellen können sich viel- leicht manchmal aus Zellrudimenten, bestimmt aus » monoplasmati- schen«, kleineren und größeren Zellen bilden. Ich konnte unlängst die Bildung eigentümlicher vesiculöser Zellen inmitten de3 Papillengewebes der in Entwicklung begriffenen Zähne des Pferdes beobachten^, und es genügt vielleicht, wenn ich dabei nur auf diesen Fall hinweise. Die typische Papillenzelle ist in dem erwähnten Falle eine ziem- lich große Zelle mit mehreren Fortsätzen, deren dichtes Protoplasma 1 Anat. Anzeiger. Bd. XXXVII. 1910. S. 233. 2 Vgl. Anat. Anzeiger. Bd. XLV. 1914. S. 449. 698 F. K. Studnicka, überall dasselbe Aussehen hat. Neben dem großen, oft etwas seitlich ffelegenen Zellkern kann man da, wie darauf schon bei andrer Gelesien- heit hingewiesen wurde, das Centriol bzw. ein Diplocentrum beobachten. In einigen Fällen beobachtete ich in der Umgebung des Centriols einen hellen durchsichtigen Hof und dann beobachtete ich Zellen, in denen sich um den Zellkern ringsherum eine Lücke befand. In andern, zahl- reichen Zellen war diese Lücke breiter, und schließlich waren da deut- lich vesiculöse Zellen, in denen man in einem breiten Raum zwischen dem Zellkern und dem alten, zur Seite verschobenen und verdichteten Protoplasma das feine Endoplasma beobachten konnte. Inmitten des weichen Endoplasmas konnte nun, und zwar in einer Partie etwas verdichteten Protoplasmas, wieder das Centriol gefunden werden. Die zuerst monoplasmatische kompakte Zelle ist auf die soeben geschil- derte Weise zu einer »diplasmatischen« bzw. »vesiculösen« Zelle ge- worden; allem Anscheine nach begann da die Ansammlung des neuen Plasmas, des Endoplasmas, zuerst in der Umgebung des Centriols, und wieder kann man da auf den Zellkern als den Bildner des Protoplasmas hinweisen, der in diesem Falle sogar bei dem Prozesse deutliche Ver- änderungen erfährt. Der zuerst große, ziemlich kompakte Zellkern hat da einen lockeren Bau erhalten und enthält weniger Chromatin als früher. Die so umgebildeten Zellen liegen in dem sonst unveränderten Papillengewebe bzw. dessen Grundsubstanz. Man kann sich jetzt einen Fall vorstellen, in dem sich die Exoplasmen solcher vesiculöser Zellen weiter verändern, der Grundsubstanz assimilieren und mit ihr verschmelzen, so daß aus den Endoplasmazellen »Grundsubstanzzellen << werden; auch einen solchen Fall, in dem derartige Zellen in einem gerüstartigen Gewebe sich entwickelnd, schließlich mit ihren Exoplas- men miteinander verschmelzen, so daß da zwischen den Zellen feste Scheidewände zustande kommen usw. Das, was ich hier angegeben habe, kommt weniger in dem eigent- lichen »vesiculösen« Gewebe, als eher in mit ihm — und mit dem nachfolgenden — nahe verwandten »Vorknorpelgewebe<< vor. Auch hier handelt es sich bei der Bildung der großen, diesmal, wie ich oben in einer Anmerkung schon sagte, ziemlich dichtes Plasma ent- haltenden Zellen, um Plasmabildung. Es sollte auf diese Umstände bei künftigen Untersuchungen Rücksicht genommen werden. Ich mache da z. B. auf dasjenige Vorknorpelgewebe aufmerksam, welches bei der Metamorphose von Petromyzon auf der Grundlage eines so- genannten Schleimknorpels entsteht. Der Schleimknorpel, der im An- schluß an das Kopfskelett des Ammocoetes sehr große Verbreitung hat. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 699 besteht aus relativ kleinen verzweigten Zellen, mit einer Art Proto- plasma, die in einer ziemlich festen Grundsubstanz mit Fibrillen liegen. Bei der Metamorphose vermehren sich diese Zellen und es entstehen an derselben Stelle zahlreiche blasige bzw. Vorknorpelzellen, die dicht aneinander liegend, ein »Vorknorpelgewebe << bauen i. Centriolen, große Centrosphären mit unregelmäßigen Periplasmabildungen beschreibt aus Vorknorpelzellen Meves^. Die Zellen erinnern in ihrem Aussehen manchmal an Osteoblasten. E. Knorpelzellen. Die Knorpelzellen entstehen in der embryonalen Zeit aus Mesen- chymzellen, in der späteren Zeit aus verschiedenen Formen der fixen Bindegewebszellen, jenen des fötalen und fertigen fibrillären, seltener auch denen des Gallertgewebes. Alle andern Formen der Chondro- genese haben nur eine geringere Bedeutung. Entweder entsteht dabei direkt der Knorpel, oder es bildet sich zuerst 'ein Übergangsgewebe, das dem im vorangehenden genannten Vorknorpelgewebe entspricht, und auch dem wirklichen vesiculösen Gewebe ähnlich sein kann 3. Vielfach entstehen die Knorpelzellen aus stark reduzierten Binde- gewebszellen, wie man sie im fibrillären Bindegewebe oder im Gallert- gewebe vorfindet, oft aus Elementen, von denen sich, soweit man be- urteilen kann, nichts als der Zellkern erhalten ist. Abgesehen von Schwann, dessen Angaben sich auf die Chondro- genese bei Froschlarven beziehen, wo wirklich die Knorpelzellen auf der Grundlage von Grundsubstanzkernen zu entstehen scheinen, kann man da noch auf Goette hinweisen. In seiner Entwicklungsgeschichte der Unke (Bombinator) sagt er 1875 ausdrücklich, »daß die Embryo- nalzellen dem späteren Knorpelgewebe nur die Zellkerne unmittelbar überliefern, nicht aber zugleich die zugehörigen Zellenleiber«, und liefert auch Abbildungen der Grundsubstanzkerne, um die es sich dabei handelt. Bei andern Forschern, die unter dem Einflüsse des Grund- satzes »omnis cellula a cellula« standen, fanden seine Angaben selbst- verständhch wenig Beachtung, und erst in der neuesten Zeit, als man 1 Vgl Schaffer, Zeitschr. f. wiss. ZooL Bd. LXI. 1896 und meine Abhandl. im Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVIII. 1897. Taf. XXX, Fig. 11, 14 u. a. Ver- schiedene Formen des Vorknorpelgewebes beschreibt Schaffer im Anat. Anzeiger. Bd. XXXVII. 1910 und in Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XLVU. 1910. 2 Arch. f. mikr, Anat. Bd. XLV. 1895. 3 Die neuentstandenen Knorpelzellen sind vielfach direkt s>vesiculöse« Zellen. So jene der Froschlarven. Vgl. meine Abhandlung im Anat Anzeiger. Bd. XL. 1911. 700 F. K. Studmcka, sich mit dem Gnindsubstanzproblem wieder zu beschäftigen anfängt, beobachtete man wieder ähnhche Erscheinungen. Retterer i hat in seiner, jedenfalls etwas eigentümlichen, doch in vieler Hinsicht auf richtigen Beobachtungen begründeten Theorie der Grundsubstanz- bildung darauf hingewiesen, daß bei der Knorpelbildung die Histo- genese mit einem symplasmatischen Stadium beginnt. Um die in diesem Symplasma liegenden Zellkerne herum bilden sich später die Körper der Knorpelzellen, und zwar so, daß sich da — so stellt er sich den Vorgang vor — ein »chromophiles Protoplasma«, aus dem jene Körper bestehen, von dem »Hyaloplasma << sondert. Die Neubildung des Protoplasmas wird dabei eigentlich nicht direkt zugelassen, doch die Tatsache, daß die Körper sekundär entstehen, wird richtig hervor- gehoben. In meinen eigenen Arbeiten von den Jahren 1903, und später vom Jahre 1911, habe ich verschiedene Typen der Chondrogenese, die ja nicht immer auf dieselbe Weise vor sich gehen muß, beschrieben. Unter anderm konnte ich^ auf die Chondrogenese bei Selachiern hin- weisen, wo die Knorpelzellen wirklich inmitten eines durch Verschmelzen der Zellkörper und der Zellverbindungen des ursprünglichen embryo- nalen Bindegewebes zustande kommenden Symplasmas als eine Neu- bildung erscheinen. In einer andern Arbeit^ beschrieb ich dasselbe bei der Chondrogenese im Gallertgewebe der Froschlarven. In dem Gewebe sind von den Zellen nur Grundsubstanzkerne übriggeblieben, und von der Oberfläche derselben hebt sich da, wo aus ihnen Knorpel- zellen entstehen sollen, ganz so, wie es Schwann beschreibt, eine dünne Membran ab. Diese entfernt sich weiter von der Zellkernoberfläche, und unter ihr formt sich das neugebildete Protoplasma zu einer neuen Zelle, der Knorpelzelle. Aus jener Membran, deren Erschemen ich mir nicht anders erklären konnte, als so, daß ich annahm, daß auf der Oberfläche des Kernes doch eine minimale, sonst nicht nach- weisbare Cytoplasmaschicht vorhanden war, bildet sich die primäre Kapsel der Knorpelzelle. Das neu entstehende Cytoplasma, mit dem jedenfalls aus dem Zellkern auch viel Flüssigkeit ausgetreten ist — es handelt sich da um eine Turgorzelle — bildet den Körper der neuen Zelle. Centriole habe ich in diesem Falle nicht beobachtet. Aus Knorpel- zellen sind solche bekannt, ich selbst habe sie da vielfach beobachtet, und so kann ich annehmen, daß sie sich auch an der Zellregeneration, vielleicht auf dieselbe Weise, wie wir es an den Chordazellen und an 1 Journal de Panat. et physiol. 1900. 2 Anat. Hefte. Bd. XXI. 1903. S. 329. 3 Anat. Anzeiger . Bd. XL. 1911. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 701 den vesiculösen Zellen beobachtet haben, beteiligen. Die Grimdsub- stanz des Gallertgewebes hat sich, während sich auf der Grundlage der Zellkerne (bzw. der Zellrudimente, wie es meine Theorie voraus- setzt) die Knorpelzellen gebildet haben, in eine feste Knorpelgrund- substanz umgewandelt. Auch hier ist es wohl die >>cy tobiastische Tätigkeit« der Zellkerne, der man die Zellregeneration zuschreiben kann. Zellkerne, bzw. Zellrudimente, beobachteten in Geweben, in denen es zur Chondrogenese kommt, auch andre Autoren. Schaffer beschreibt ähnliche Zellen aus der Epiglottis der Katze i, doch hält er sie für »verdämmernde« Zellen. Offenbar sind es umgekehrt Elemente, die sich erst in Knorpelzellen umwandeln werden. Novikoff zeichnet solche Elemente aus dem Perichondrium des Froschknorpels^, und auch er hält sie für zugrundegehende Elemente. Derselbe Autor zeichnet anderswo 3 aus einigen Evertebratenknorpeln solche Grundsubstanz- kerne, und ich kann da noch auf eine andre Abhandlung von Schaffer* hinweisen, wo ebenfalls aus einem Evertebraten-(Mollusken-)Knorpel solche Zellkerne dargestellt sind. Neuestens erwähnt diese »Grundsubstanzkerne« und die Zell- bildung bzw. Regeneration auf ihrer Grundlage, v. Korff^. Er hat sie bei Salamandra-harven, aber auch an andern Objekten beobachtet, und er faßt sie als »protoplasmaarme Zellen« auf, obzwar er einen Cytoplasmasaum an ihnen auch nicht beobachten konnte. Auf eine ähnliche Weise entstehen vielleicht öfters die Knorpelzellen. Ich selbst beobachtete z. B. bei der Chondrogenese bei Cyclostomen Bilder, die ich heute auf die hier angegebene Weise deuten würde, und besonders bei der Regeneration des Knorpelgewebes bei Petromyzon sah ich viel- fach Zellrudimente im Bindegewebe, gleich daneben große vereinzelte und dann zu Knorpelgewebe vereinigte Knorpelzellen^. Nach den Ab- bildungen von Schalk zu schließen'^, gibt es auch bei der Chondro- genese im embryonalen Gewebe des Petromyzon ähnhche Zustände. Faßt man die Knorpelzellen auf diese Weise auf, versteht man jetzt auch die Bedeutung der sogenannten »Intercalarzellen «, die bei 1 Anat. Hefte. Bd. XXXIII. 1907. Taf. XXXVI/XXXVII, Fig. 6, 12. 2 Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XC. 1908. Taf. XIII, Fig. 60. 3 Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. CV. 1912. 4 Zeitschinft f. wiss. Zool. Bd. CV. 1913. Taf. XVIII, Fig. 4. 6 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXIV. 1914. S. 271. Textfig. 1. Taf. XI, Fig. 3—6. e Arch. f. Entwicklungcmechanik. Bd. XXXIV. 1912. Textfig. 3 und 5 b. 7 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXIII. 1913. Textfig. 1—5. 702 F. K. Studnicka, der Chondrogenese vielfach, nicht immerj vorkpiiimeni. Es handelt sich um Zellen des in Knorpel sich umwandelnden Gewebes, in denen eben kein Endoplasma in der Form der Knorpelzellen gebildet wird. Sie bleiben >> monoplasmatisch << und w^erden als »dunkle prochondrale Elemente«, wie sie Strasser^ nannte, oder als »Intercalarzellen <<, zu- sammen mit dem Exoplasma der jeniger Zellen, die im Innern eine Endoplasmaknorpelzelle ausgebildet haben, eventuell auch mit dem verdichteten Zeilbrückennetze des Gewebes, in Grundsubstanz umgewan- delt bzw. assimiliert — auch ihr Zellkern wird dabei zur Grundsubstanz eingeschmolzen. Jedenfalls muß es sich dabei nicht immer um celluläre Gewebe handeln, dieselbe Erscheinung kann auch in einem symplas- matischen chondrogenetischen Gewebe vorkommen, dann handelt es sich bloß um einzelne Zellkerne, die nicht dazu kommen, daß sie an ihrer Oberfläche Knorpelzellen regenerieren. Jedenfalls darf man bei allen diesen Betrachtungen nicht vergessen, daß sich der Knorpel auf verschiedene Weise bilden kann. Nicht jede Knorpelzelle ist eine neugebildete Zelle und besonders da, wo man inmitten der Knorpel- grundsubstanz verzweigte Knorpelzellen findet, muß man daran denken, daß es sich um ehemalige verzweigte Mesenchym- bzw. Bindegewebs- zellen handeln kann, die bei der Grundsubstanzbildung in die Grund- substanz, so wie sie waren, mit allen ihren Fortsätzen und eventuel- len Anastomosen eingeschlossen wurden. Nur bei den abgerundeten Knorpelzellen, die jedenfalls in Wirbeltierknorpeln die typische Er- scheinung vorstellen, muß man daran denken, daß es neugebildete bzw. regenerierte Elemente sind. Besondere Aufmerksamkeit verdienen z. B. die Knorpelzellen der Chordascheiden der Selachier. Hier handelt es sich um Elemente, die in der Gestalt von nackten Bindegewebszellen in das Innere der zuerst vollkommen zellfreien fibrösen Chordascheide eingedrungen sind, sich hier vermehrt haben, und sich da so verteilten, daß das Gewebe jetzt ein Aussehen hat, als ob es vom Anfang an zellhaltig wäre. Diese Zellen wandeln sich später in Knorpelzellen um und das ganze Gewebe verknorpelt, offenbar durch den Einfluß der Zellen. Bei der Umbildung in Knorpelzellen handelt es sich wieder um jene Erscheinung, welche uns in dieser Abhandlung interessiert. Offenbar bildet da der Zellkern neues Protoplasma, welches sich an 1 Vgl. ScHAFFEK, Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. LXX. 1901 und meine Ab- handlung in Anat. Hefte. Bd. XXL 1903. S. 323. Taf. XXXVII/XXXVIII, Fig. 7. Bei Anuren kommen, soviel mir bekannt, bei der Chondrogenese solche Elemente nicht vor. 2 Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 187P. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 703 seiner Oberfläche als eine kugelförmige typische Knorpelzelle anhäuft. Das übrige Protoplasma der meist spindelförmigen Zelle wird dabei als verknorpeltes Exoplasma zur Oberfläche der Zelle verschoben und in eine unregelmäßige Knorpelkapsel umgewandelt. V. Die Geschlechtszellen. Das Verhalten einiger Embryonalgewebe, in denen sich aus Sym- plasma Zellen besonderer Art loslösen und sich selbständig weiter ent- wickeln, ich erinnere da an das oben besprochene Verhalten des Nerven- gewebes bei der Entwicklung aus dem Neurosymplasma, weiter an das ebenfalls hier wenigstens erwähnte Loslösen der Blutkörperchen aus Mesenchymplasma, hat eine Analogie auch bei jenen Vorgängen, die sich im Keimepithel bzw. der Gonade bei der Entwicklung der Ge- schlechtselemente abspielen. Ich habe oben beim Besprechen der so- eben erwähnten Fälle darauf hingewiesen, daß es sich da nicht um Differenzierung von vollwertigen Zellen durch Abgrenzung von zuerst gemeinschaftlichen Cjrtoplasmapartien, handeln muß, sondern daß sich da auch die Zellkerne allein differenzieren können und daß dann durch ihre Tätigkeit in dem ursprünglichen Symplasma Zellen ent- stehen können. In unserm Falle handelt es sich um Geschlechtszellen bzw. um Vorstufen bei deren Genese. Die einen Zellen davon, die Oogonien, verbleiben dann auch in späterem Entwicklungsstadium, als Eier, eine längere Zeit im Verbände des Gewebes, dagegen lösen sich die andern, die zuletzt zu Spermatozoiden werdenden Sperrnato- gonien, in der Regel früher aus dem Gewebe los. Auch das Keimplasma, wenigstens die cytoplasmatischen Anteile der Keimzellen, kann dem- nach »regeneriert« besser neugebildet werden und dies beweist wieder die hohe Wichtigkeit der Zellkerne, die jedenfalls auch in diesem Falle nicht allein tätig sind, sondern immer mit einena kleinen Cytoplasma- anteile und dem Centriol zusammen. Gerade in diesem Falle, wo es sich um so wichtige Elemente des Tierkörpers handelt, sollten die Vor- aussetzungen der cellulären Histologie stimmen und gerade hier stimmt der Grundsatz »omjiis cellula e cellula« nicht. A. Die Bildung der Oogonien und der Eizellen. Wie man aus zahlreichen und sehr genauen Angaben und aus den Abbildungen vieler Autoren zu erkennen vermag, ist das Gewebe der noch nicht voll entwickelten weibHchen Gonade bzw. diejenige Stelle derselben, wo sich in ihr die eigentlichen Keimzellen bilden, nicht in Zellen differenziert, sondern besteht aus einem Symplasma. Vor allem Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 46 704: r. K. StudniSka, beobachtet man dies in zahlreichen Fällen bei Eveytebraten, aber auch bei Wirbeltieren kann man es beobachten, und die interessante Tat- sache, daß die Gonade in einem Stadium ein Symplasma enthält, wurde schon von mehreren Autoren hervorgehoben. So macht z. B. auf diesen Umstand SkrobanskyI aufmerksam, und neuestens betont die Tat- sache in seinem Buche über »Zelle und Gewebe« Rohde^. Neue Zellen entstehen in dem Symplasma, wie angegeben wird, m einigen Fällen so, daß sich zwischen den Zellkernen im Plasma Scheidewände bilden^, oder so, daß das Symplasma in kleine, den Zellen entsprechende Stückchen zerreißt, oder schließlich, und dies habe ich alle Ursache anzunehmen, so, daß sich an der Oberfläche der einzelnen im Symplasma liegenden Zellkerne neue scharf umgrenzte Zellkörper bilden. Auch von jenen Fällen, in denen sich im Symplasma zwischen den einzelnen Zellkernen Scheidewände bilden, kann man annehmen, daß es sich da um Neubildung des Plasmas handelt und daß jene Scheidewände nichts als aus altem Plasma bestehende Verdich- tungsschichten sind und vielleicht, bestimmt zu behaupten wage ich es nicht, läßt sich auch der dritte Vorgang ähnlich deuten. Das, was ich hier sagte, beweist vielleicht wenigstens so viel, daß sich die bisher bekannten Bilder auch anders deuten lassen, als man es gewöhnlich tut, und daneben kann man sich auf die uns bekannten Analogien stützen. In jedem Falle muß man da mit Neubildung des Protoplasmas rechnen, und ich werde später auch zeigen, daß man sogar in schon älteren Eizellen Beweise dafür beobachten kann, daß das Protoplasma von selten der Zellkerne geliefert wird. Jedenfalls gibt es wohl auch — und dies will ich nicht bestreiten, Fälle, in denen man von Anfang an, sogar von den Furchungsstadien angefangen, typische Zellen beob- achten kann. Es ist nicht meine Absicht, hier eine auch nur etwas vollständigere Übersicht der Literatur folgen zu lassen, in welcher Angaben über die Entstehung von Keimzellen in einem Symplasma der weiblichen Go- nade enthalten wären. Es genügt vielleicht, wenn ich vor allem aus der neuesten Literatur einige auf verschiedene Gruppen der Metazoen sich beziehende Angaben als Beispiel anführe, und auf die Frage nur auf- merksam mache. Auf Treraatoden, Zoogonus mirus, beziehen sich die Angaben 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXII. 1903. S. 626. 2 Leipzig 1914. S. 75 ff. 3 Vgl. '/.. B, eine Abbildung bei Korschelt-Heidek, Entwicklungegescb. AUg. Teil S. 354. Fig. 210. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 705 von Wassermann 1. Der Autor sagt ausdrücklich, daß er die zu den einzelnen Zellkernen zugehörenden »Plasmaterritorien« nicht beob- achten konnte, und er zeichnet ein Symplasma mit ziemlich nahe an- einander liegenden Kernen. Bei Nematoden beobachtete Boveri^ in den Geschlechtsröhren von Ascaris Symplasmen, aus denen Geschlechtselemente entstehen. Auf Angiostomum {Rhabdonema) nigrovenosum beziehen sich die An- gaben einer Arbeit von Schleif^, doch deutet der Verfasser die Bilder — sie beziehen sich auf Eibildung in der Zwitterdrüse — so, als ob es sich da um eine Zerteilung des ursprünglichen Symplasmas handeln würde. Auf Oligochäten, Tubifex bavaricus, beziehen sich die Angaben von OsCHMANN*, welche, da sie auch mit Rücksicht auf das Wachstum des Eies wichtig sind, unten nochmals erwähnt werden. Nach der An- gabe und den Abbildungen des Autors liegen im Ovarium die Zellkerne »dicht an- und übereinander und dazwischen ist kaum etwas zu er- kennen« (S. 341). Offenbar ist auch hier das Ausgangsstadium ein Symplasma, und zwar ein Symplasma, in dem sich später sowieso das »Cytoplasma« stark vermehren muß. Bei Mollusken, Helix, beobachtete Buresch^, daß »das wandstän- dige Keimepithel« der Zwitterdrüse, von dem beiderlei Geschlechts- elemente hervorgehen, »ein echtes Syncytium« ist, und der Autor liefert mit Rücksicht auf die Ovogenese eine Reihe von Abbildungen^, die man ohne weiteres im Sinne unsrer Lehre deuten kann. Der Autor ist jedenfalls der Ansicht, daß es sich da bloß um die Abgrenzung bestimmter Protoplasmabezirke in der Umgebung der Zellkerne, in einem an der betreffenden Stelle stark wuchernden Symplasma handelt, doch seine Abbildungen zeigen deutlich, daß da in der Umgebung der Zellkerne Protoplasma zunimmt. Die wichtigsten Angaben beziehen sich auf Arthropoden, und es wurden da in den verschiedensten Gruppen symplasmatische Anfangs- stadien bei der Bildung der weiblichen Gonade bzw. deren Ge- schlechtselemente beobachtet. Auf Copepoden (Cyclops) beziehen sich 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXXIII. 1913. S. 17. Taf. I, Fig. 11. 2 Anat. Anzeiger. Bd. II. 1887. 3 Arcii. f Zellforschung. Bd. VII. 1912. S. 93. * Arch. f. Zellforschung. Bd. XII. 1914. 6 Arch. f. Zellforschung. Bd. VIL 1912. S. 320, 326. 6 Taf. XXX, Fig. 4^9. 1. c. 46* «^/> F. K. Studnicka, z. B. eine Angabe von MatschocrI und die älteren Angaben von Haecker2. ^ . -er Viele Angaben beziehen sich auf Insektenovarien. Bei Kokschelt- Heider» findet man eine Abbildung, die.den symplasmatischen Zustand der Endkammer der Eiröhre zeigen. Sonst verweise ich auf die Ab- handlung, von Wielowiejski*, welcher jedenfalls auch zahlreiche Falle abbildet^m denen Zellen ganz deuthch differenziert sind, und auf die große Monographie von Vejdovsky^, welche deshalb ^vlchtlg ist da sich der Verfasser bereits die Tatsache des Neuentstehens der Zellen vercregenwärtigt hat und direkt von »Neocytoplasma « spricht. Pie hier enthaltenen Angaben beziehen sich auf den Acridier D^estramena. Schheßhch kann ich z. B. noch die Abhandlung von Demandt über den Geschlechtsapparat ^onDytiscus^ erwähnen, m der wieder sehr deut- lich das Symplasma der Endkammer der Eiröhre und die m derselben erscheinenden Eizellen dargestellt sind. , -, o . Was die Wirbeltiere betrifft, so dachte man bis unlängst, daß da die Sache komphzierter ist. Man hat da auf besondere nach den Ge- schlechtern bisher nicht differenzierte »Urgeschlechtszellen « ( »Urkeim- zellen«) hingewiesen, die Waldeyer in den ersten Anlagen der Gonade fand, und dann auf die eigenthchen Geschlechtselemente. Man wollte an den ersteren das Vorhandensein einer »Keimbahn« nachweisen. Nach den neuesten Angaben von v. Berenberg-Gossler^ muß man annehmen, daß die vermutUchen »Urgeschlechtszellen « mchts andres sind als »entodermale Wanderzellen«, die sich in Mesoderm ver- ^^"^ ms die weibliche Gonade, die uns hier interessiert, betrifft, so hat früher schon Skrobanski« darauf hingewiesen, daß m den jungen PFLÜGERschen Schläuchen der symplasmatische Zustand das »nor- male und typische Verhalten« vorstellt. Dasselbe geht auch aus den Untersuchungen von Winiwarter« und denjenigen von Winiwarter- 1 Arch. f. Zellforschung. Bd. V. 1910. „ , t i u- v,.r 2^:1. mikr. Anat Bd.XLV. 1895. Taf. XIV. ZooL Jahrbucher. ^"•""^Eatwicklungsgeschichte. Allg. Teil. Lief. 1. 1902. S. 257. Fig. 213. ^ Anzeiger der Akad. d. WisB. in Krakau. 1908. 6 »Das Problem der Vererbungsträger.« Prag 1912. S. 167. iat.Xi,J^ig. bis 232. 8 Zeitschrift i. wiss. ZooL Bd. CHI. 1912. 7 Anat. Anzeiger. Bd. XLVII. 1914. 8 Arcb. f. mikr. Anat. Bd. LXII. 1903. » Archives de biologie. T. XVIL 1900. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 707 SainmontI hervor. Die zahlreichen Abbildungen dieser Autoren zeigen in jungen PFLÜGERschen Schläuchen nirgends deuthche Zellgrenzen, welche man nach der Zellenlehre gerade in so wichtigen Ggweben vor- aussetzen sollte. Später differenzieren sich da jedenfalls die Zellen, und in dem Ovarium neugeborener Säuger sieht man, wie ich mich auch davon überzeugen konnte, überall differenzierte Zellen. Wieder kann man dabei daran denken, daß das Cytoplasma der großen Eizellen dem Symplasma gegenüber, aus dem später die Nährzellen entstehen, etwas Neues vorstelle. Aus den hier zusammengestellten Angaben, die nur einen kleinen Bruchteil der in der Literatur enthaltenen vorstellen, geht hervor, daß die Anlage bzw. die noch in Entwicklung begriffene Partie der weiblichen Gonade, bei verschiedensten Gruppen der Metazoen sym- plasmatisch sein kann, und daß man, soweit das Cytoplasma in Be- tracht kommt, nicht gut von einer »Keimbahn << sprechen kann, wenig- stens ist sie in diesem Sinne keine Regel. [Man kann da übrigens auf die neueren Regenerationsversuche (Janda 1912) hinweisen, nach denen die Gonade aus »somatischem« Material regeneriert wird, was, voraus- gesetzt natürlich, daß ein e solche Gonade wirklich vollwertig ist, noch deutlicher gegen die Notwendigkeit einer »Keimbahn« sprechen würde.] In jedem Falle hat die Natur kein Bestreben, das zu bestimmten Zellkernen gehörende Cytoplasma selbständig, das ist von anderm Cyto- plasma ganz unabhängig, entwickeln zu lassen. Sie läßt es in sym- plasmatischen Geweben wachsen, bis zu der Zeit, in der da in der Um- gebung bestimmter Zellkerne größere Zellen, die eigentlichen Keim- zellen (hier die Eier) erscheinen; und wieder ist es ganz unmöghch, den Moment zu bestimmen, in dem die Bildung dieses neuen Plasmas anfängt. Selbstverständlich sind die jetzt großen Zellkerne, die wir in den Eizellen sehen, Schwesterkerne derjeingen, die man in den Nähr- zellen, Follikelzellen, Thecazellen usw., wie wir alle die den Eizellen beigegebenen Elemente zu nennen pflegen, sieht, doch das Cytoplasma, auf welches es da ankommt, ist nach meiner Theorie eine Neubildung. Die Analogie mit andern Geweben macht es auch in jenen Fällen höchst wahrscheinlich, in denen man es nicht direkt beobachten kann. Aus dem Gesagten würde hervorgehen, daß die Zellkerne eigentlich viel wichtiger sind als das Cytoplasma, doch wieder muß man an- nehmen, daß sich mit den Zellkernen immer die Centriolen und offenbar auch andre Organoide erhalten, denen dann bei der Regeneration der Zellkörper eine wichtige Rolle zukommt. 1 Archives de biologie. Bd. XXIV. 1908. iTQo F. K. Studnicka, 'Einmal entstanden, vergrößern sich die Oogonien, um diese handelt es sich anfangs, und die fertigen Eizellen gehören bekannthch zu den crrößten Zellelementen des Metazoenkörpers. Auch dabei kommt wahrscheinlich dem Zellkern eine wichtige Rolle zu, doch wieder kann man sich davon, daß der Zellkern an das Cytoplasma Stoffe abgibt, nur in jenen oünstigen Fällen überzeugen, wo diese in besonderen Schichten, deren Grenzen man sieht, abgelagert werden. Das Cytoplasma der Eizelle ist, so wie dasjenige der Ganglienzellen und der Leucocyten, we^ch, und die Plasmaarten mischen sich da offenbar sehr leicht mit- einander. Eher schon kann man aus der Verteilung der ebenfalls vom Zellkern geheferten Substanzen, des Dottermaterials, darauf schheßen, daß dabei der Zellkern tätig ist. Darauf hat vor allem Munson hin- gewiesen. Die hier erwähnte Zunahme des Cytoplasmas durch Ablagerung des neuen Cytoplasmas an der Zellkernoberfläche wurde mehrmals beobachtet. Neuestens beschreibt z. B. Oschmann einen sehr instruk- tiven Fall bei einem Oligochäteni. Er beschreibt da »Wachstumszonen« und erwähnt das Vorhandensein von Dotterkörnchen m ihnen. »Zu- erst entsteht nur eine schmale Schicht, welche an Ausdehnung immer zunehmend, das Ei schHeßhch um ein Vielfaches vergrößert, so daß das frühere Plasma (bis zu Beginn der Dotterbildung) zu einer engen Partie am Rande des Eies verdrängt wird^.« In andern Zellen spielt bei der Verteilung des neuen Zellplasmas und des mit demselben aus- geschiedenen Dottermaterials der Centriol-Centroplasmaapparat eine gewisse Rolle, doch dies sind Umstände, auf welche mr anfangs schon hingewiesen haben (S. 667), und es ist nicht notwendig, die Sache hier nochmals zu besprechen. Später nimmt jedenfalls die einmal auf die hier ancredeutete Weise zustande gekommene Eizelle gleichmäßig zu und wird größer und größer. In einer besonderen Abhandlung be- schäftigte sich neuestens Jörgensen« sehr eingehend mit diesem Thema. B. Die Bildung der Spermatogonien und der Spermatozoiden. So ^vie die Anlage der weiblichen, hat bekannthch auch jene der männhchen Gonade oft eine symplasmatische Anlage, und was die Bildung der Spermatogonien betrifft, so handelt es sich da um ahn- TArchri Zellforschung. Bd. XII. 1914. S. 303, 319, 340. Tai XXIII, Fig. 32. Taf. XXIV, Fig. 43, 48. Taf. XXV, Fig. 65 D, 71 D. 2 L. c. 340. 3 Arch. f. Zellforschuag. Bd. X. 1913. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 709 liehe Erscheinungen wie wir sie oben erwähnten. Jedenfalls muß man sich vergegenwärtigen, daß es Elemente sind, die einer andern Entwicklungsstufe der Gonade entsprechen, als jene des vorangehenden Falles. Auf die Evertebraten, bei denen die Details der Spermatogonien- bildung sehr verschieden sein können, will ich nicht genauer eingehen ; es genügt ja, wenn ich im vorangehenden eine größere Reihe von auf die weibliche Gonade sich beziehenden Angaben zusammengestellt habe. Ein paar Beispiele sollen da trotzdem genannt werden. Ich verweise da wieder auf die Abbildungen und Angaben in der Entwich- lungsgeschichte von Korschelt-HeiderI, und was spezielle Arbeiten betrifft, z. B. auf die Angaben von Schmalz^, nach denen bei Ostraco- den das Keimpolster im Hoden »ein Syncytiuni mit sehr kleinen Kernen« darstellt, von Buresch^, die sich auf die »Spermatogenese in der Zwitterdrüse von Helix beziehen — hier entstehen die Spermato- gonien in einem ausgesprochen symplasmatischen Keimepithel — und auf jene von Kuschakewitsch*, die sich ebenfalls auf die Mollusken- zwitterdrüse {Prosobranchia) beziehen. Der Autor zeichnet da wirk- liche »Zellrudimente«, Zellkerne, die bloß an einer Seite von einer Cytoplasmakappe bedeckt sind und in ihrem Aussehen an die oben- erwähnten Neuroblasten erinnern. Schließhch auf die Angaben von Demandt über den Hoden von Dytiscus^ usw. — Demgegenüber gibt es auch Angaben, nach denen das in der Gonade ursprünghch vor- handene Symplasma bei der Spermatogonienbildung regelrecht in Plasmaterritorien zerteilt werden soll. So deutet z. B. Schleif^ das von ihm bei Angiostomum gefundene auf diese Weise. Ausführlicher will ich auf das ursprünghche Verhalten der embryonalen männl'chen Gonade der Wirbeltiere und auf die bei der PräSpermatogenese daselbst vorkommenden Prozesse hinweisen. Mit den Zuständen in den embryonalen Hodenschläuchen der Wirbeltiere beschäftigt sich — abgesehen von älteren Autoren — neuestens Popoff^. Nach seiner Schilderung zu schheßen, wären die Schläuche anfangs solid und symplasmatisch, doch bald entstehen in 1 Z. B. S. 473, Fig. 278; S. 290, Fig. 485. 2 Arch. f. Zellforschung. Bd. VIII. 1912. 3 Arch. f. Zellforschung. Bd. VII. 1912. * Daselbst. Bd. X. 1913. 6 Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. CHI. 1912. ö Arch. f. Zellforschung. Bd. VII. 1912. S. 100. Taf. IV, Fig. 1—6. 7 Archives de bioL T. XXIV. 1908. 710 F. K. Studnicka, ihnen größere Zellen, die schon frühere Autoren , unter dem Namen der »Ursamenzellen« (»Ureier«, »ovules mäles«) beschrieben haben. Diese Zellen entstehen im Symplasma vielleicht auf die von uns hier überall betonte Weise, doch sie erhalten sich nur eine kürzere Zeit. Dann schwinden sie. Es folgt eine »unite cellulaire secondaire«, aus der sich zum zweitenmal, diesmal definitiv, eine »duahte cellulaire« entwickelt. In der fötalen und älteren Gonade bilden sich neben dem offenbar immer dableibenden Symplasma die wirklichen »Spermato- gonien«, die nach längerer Entwicklung schließhch zu Spermatozoiden werden. Frühere Autoren waren davon überzeugt, daß sich in den m der Entwicklung begriffenen, und Spermatozoiden schon liefernden Hoden- schläuchen gegeneinander abgegrenzte Zellen befinden, und so bilden sie es auch in den schematischen Abbildungen, die man in verschiedenen Lehrbüchern finden kann, ab. Dies war ein Postulat der Zellenlehre, und es ist ganz selbstverständhch, daß man in so wichtigen Organen, \Nie es das Ovarium und der Hoden sind, das Vorhandensein von Zellen und zwar vom Anfang der Entwicklung an, voraussetzen mußte, v. Eb- ner erwähnt zuerst (1871) ein syncytiales, we er sagt, »Keimnetz«, in dem die Spermatoblasten entstehen. Sonst spricht er trotzdem von »Zellen«, von SERTOLischen Zellen und von Spermatogonien. Seine neueren Abbildungen zeigen ganz deuthch das Symplasma der Wand- schicht mit zweierlei Zellkernen; aus den einen von diesen Zellkernen entstehen später wirkliche Zellen, die Spermatogonien i. Lenhossek, der sich später mit der Spermatogenese beschäftigt hat2, zeichnet überall Zellen, er wagt jedoch nicht in der protoplasmatischen Wand- schicht, wo zuerst die Zellkerne der späteren Spermatogonien hegen, deuthche Zellgrenzen einzuzeichnen. Auf die Tatsache, daß da em Symplasma vorhanden ist, hat vor allem EegaudS in seinen ^vichtigen Arbeiten hingewiesen. Die Spermatogonien entstehen nach ihm in diesem Symplasma und zwar war Kegaud anfangs (1900) der An- sicht, daß es die SERTOLI-Zellkerne sind, welche die Spermatogonien liefern. Jetzt muß man also von einem »SERTOLi-Symplasma « sprechen, in dem sich besondere, später frei werdende Zellen bilden, und die Ver- 1 Arcliiv für mikr. Anat. Bd. XXXI. 1888. S. 253. Taf. XV, Fig. 1-10, w. 1—10; Fig. 11, 12 h. 11, 12. — Vgl. auch die schematischen Abbildungen v. Ebnebs Iq KöixiKEKß Handbuch der Gewebelehre. Bd. III, 1902. S. 432. 2 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. 1898. 3 Arch. d'anat. microscopique. T. IV. 1901 (hier die ältere Literatur) und Comptes rendus de l'assoc. des anatomistes. 9. reunion. 1907. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 711 hältnisse sind da wieder dieselben, wie wir sie oben aus dem »Neuro- blasten« liefernde »Neurosymplasma << erwähnt haben. Das Vorhanden- sein eines SERTOLi-Syniplasmas da, wo frühere Autoren besondere SERTOLi-Zellen zu erblicken glaubten, bestätigte neuestens z. B. Kiri- LOFF^. Ganz am Anfang gibt es da bloß ein Symplasma mit einer großen Anzahl von Zellkernen, und man kann dreierlei annehmen: Entweder sind vom Anfang an besondere, bisher durch nichts auffallende Zell- kerne vorhanden, welche sich zu denen der Spermatogonien entwickeln, oder es sind alle Zellkerne gleich, entwickeln sich zu »SERTOLi-Kernen <<, und aus ihnen bilden sich dann die der Spermatogonien, so daß die >>SERTOLi-Kerne << die älteren Gebilde vorstellen würden, oder schHeßlich sind die ursprünghchen Zellkerne als indifferent, und alle als gleich- wertig anzusehen, und aus ihnen differenzieren sich an der einen Seite d'e »SERTOLi-Kerne <<, auf der andern die Kerne der künftigen Spermato- gonien. Die erste der hier ausgesprochenen Deutungen deckt sich mit der gewöhnlichen Auffassung, welche jedenfalls voraussetzt, daß es sich dabei nicht um ein Symplasma, sondern um vollwertige Zellen handelt, und daß da überhaupt eine Keimbahn vorhanden ist. Die »SERTOLi-Kerne, bzw., wie es diese Autoren auffassen, »Sertoli- Zellen«, hätten auf diese Weise mit den eigentlichen Geschlechtsele- menten nichts gemeinschaftlich. Die zweite Deutung wairde 1900 von Regaud ausgesprochen^, und der Autor war der Ansicht, daß sich aus den >>SERTOLi-Elementen « als den Mutterzellen die Spermato- gonien bilden, und die dritte Deutung wird neuestens von Hoven^ vertreten. Dieser letztere Autor spricht da von »indifferenten Epi- thelialzellen«, aus denen einerseits die SERTOLi-Zellen , auf der andern Seite die Spermatogonien entstehen sollen. Hoven ist, wie er das schon in den Terminen angedeutet hat, wieder ein Vertreter der Ansicht, daß es da nicht ein Symplasma, sondern Zellen gibt. Bedenkt man, daß in den embryonalen Hodenschläuchen ein Symplasma vorhanden war und daß in den tätigen Hodenschläuchen wieder ein Symplasma vorhanden ist, dessen Teile man ja doch überall zwischen den cellulären Elementen sehen kann, so muß man einsehen, daß das Symplasma in diesem Falle ursprünglich ist. Jetzt handelt es sich bloß um die gegenseitigen Beziehungen der Zellkerne, und hier ist selbst verständhch bloß derjenige zu entscheiden berufen, der sich 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXXIX. 1912. 2 Verhandl. d. anat. Gesellsch. 1900. 3 Anat. Anzeiger. Bd. XLVII. 1914. 712 F. K. Studnicka, selbst sehr genau mit dem Objekt beschäftigt hat. Die drei Möghch- keiten, die wir oben hervorgehoben haben, bestehen auch heute noch; sicher ist in jedem Falle, daß da später einige Zellkerne in dem ur- sprünglichen, wie ich sagte, Symplasma liegen bleiben, das sind die )>SERTOLi-Kerne<<, nach Hoven auch die der »indifferenten Epithel- zellen«, und daß andere Zellkerne sich mit einem Cytoplasmamantel versehen aus dem Symplasma loslösen, das sind die »Spermatogonien «. Die Sperma togonien stellen wieder, so wie die ihnen analogen Neuro- blasten, anfangs bloße Zellrudimente dar. Zellkerne, die sich mit (wie es ja Regaud zeichnet) einer kleinen, offenbar das Zentriol enthaltenden Cytoplasmapartie aus dem ursprünglichen gemeinsamen Symplasma losgelöst haben und jetzt in dessen Lücken liegen. Bestimmte Zell- kerne des Symplasmas bilden daher Zellen, kann man kurz sagen. Nach dem Loslösen der Zellrudimente regeneriert sich offenbar gleich das Cytoplasma, es entsteht, dies kann man überall sehen, ein deut- licher Cytoplasmasaum an allen Seiten des Zellkernes, dieser Saum ^ärd breiter und die neue Zelle ist als vollwertige Zelle fertig. Wie in andern Fällen, stellt also der Zellkörper gegenüber dem ursprüng- lichen Protoplasma, in dem der Zellkörper bisher gelegen ist, eine Neubildung vor. Das Cytoplasma der Spermatogonien ist offenbar als neuentstan- denes Plasma viel feiner als das ältere Cytoplasma des Sertoli- (bzw. nach HovEN des Epithelial-) Symplasmas, es hat eben mit der älteren Protoplasmageneration, die durch das Symplasma repräsentiert wird, nicht viel gemeinschafthch. Es enthält, wie es z. B. Regaud (1909) zeigte, Piastosomen, doch diese sieht man da überall im Plasma. Interessant sind in dieser Beziehung die Resultate der Unter- suchungen über Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Bestand- teile der Hodenschläuche bei Säugern. Regaud i zeigte, daß nach länger dauernder Beleuchtung das Cytoplasma der Geschlechtselemente abgetötet wird, während dabei das SERTOLi-Symplasma vollkommen intakt bleibt. Dauert die Beleuchtung nicht zu lange, erscheinen in den Hodenschläuchen wieder neue Geschlechtselemente. Offenbar hat die Strahlenwirkung zwar das Cytoplasma und die Zellkerne der Geschlechtselemente getötet, sie hat jedoch den im Symplasma Hegenden Zellkernen noch nicht d'e Fähigkeit der Cytoplasmabildung genommen. Erst nach lange dauernder Beleuchtung schwindet auch diese und es kommt schon zu der Bildung der Spermatogonien und der Geschlechts- 1 Comptes rend. assoc. anatom. 1907. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 713 elemente nicht mehr. Die Versuche von Regaud haben neuestens auch andre Autoren wederholt, z. B. Wakelin Barratt und Arnold i, doch diese Autoren sprechen nur von »Zellen«. Gewöhnlich hält man die SERTOLi-Zellen bzw. das SERTOLi-Sym- plasma für Ernährer der Geschlechtselemente, und gegen diese Auf- fassung, die sich übrigens auch auf Tatsachen stützt, läßt sich vom Standpunkte meiner Lehre nichts einwenden. Es läßt sich ja voraus- setzen, daß das Protoplasma, das da nach der Bildung der Spermato- gonie übriggeblieben ist, und das ursprünglich ja deren Zellkerne er- nährte und mit ihnen überhaupt zusammenlebte, auch weiter die Spermatogonien und die fertigen Geschlechtselemente wird ernähren können. So viel über d'e Bildung der Spermatogonien. Aus den so benannten Zellen bilden sich, wie wir wissen, die Spermatocyten, aus diesen die Spermatiden und in diesen entstehen schheßlich die Spermatozoiden. Bei der Bildung der Spermatozoiden handelt es sich, und dies ist ja allgemein bekannt, wieder um einen Reduktionsprozeß, bei dem von der ursprünglichen, vollen oder vollwertigen Zelle ein wirkliches Zell- rudiment übrigbleibt. Ein Zellrudiment, dessen wichtigster Teil der Zellkern ist, dem jedoch, wie man weiß, auch das Centriol und eine kleine Partie des Cytoplasmas mit einigen der wichtigsten Organoiden — abgesehen von dem Locomotionsapparate — beigegeben ist. Man spricht, wenn man die Spermatozoidenbildung erwähnt, in der Regel von »plasmatischer Reduction«, und benützt so den Namen, den ich in einem viel allgemeineren Sinne anwende. Die Spermatozoiden sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sogar Prototypen »reduzierter« Zellen, von »Zellrudimenten«, und es ist sehr bezeichnend, daß sich bei der Befruchtung ein Zellrudi- ment mit einer vollwertigen Zelle, der Eizelle, verbindet. Auf diese Unterschiede hat man übrigens vielmals hingewiesen, und selbst- verständhch waren sie auch denjenigen auffallend, die sich mit der Lehre von der »Kernplasmarelation« beschäftigten. R. Hertwig sagt z. B.,2 daß die Sexualzellen »das interessanteste Beispiel einer Umregu- lierung der gewöhnlichen Kernplasmarelation« sind. VI. Zellreduktion und Zellregeneration unter pathologischen Umständen. Die auf Schwann und in letzter Reihe auf Schleiden zurück- gehende Lehre von der Zellbildung aus Zellkernen hat sich bekannt- 1 Arch. f. Zellforsch. Bd. VII. 1912. 2 Biol. Zentralblatt. Bd. XXIIl. 1903. S. 61. 714 F. K. Studnicka, lieh am längsten in der Pathologie gehalten, und auch jetzt muß man daran denken, daß es unter verschiedenen abnormen Umständen in den Geweben besonders oft zur Zellreduction — bei regressiven — oder zur Zellregeneration — bei progressiven — Prozessen kommen wird. Aus der neueren Literatur kann da vielleicht auf die ClRAwiTzsche Lehre von den »Schlummerzellen« hingewiesen werden, aus welchen, wie aus Zellrudimenten sich unter Umständen neue Zellen bilden sollten, man könnte auf die Lehre von der Entzündung überhaupt hinwei- sen usw. An dieser Stelle will ich nur einen neuestens beschriebenen Fall erwähnen, den ich übrigens schon bei andrer Gelegenheit in dieser Abhandlung erwähnen konnte, den ich mir aus guten Gründen schließlich doch erst für diese Stelle vorbehalten habe. Ich verweise da auf eine neuestens erschienene Abhandlung von Tr^bI. Der Autor beschreibt darin unter dem Namen »polymorpher« Zellkerne »nackte« Zellkerne, die ganz deutlich in die Reihe der hier besprochenen Zellrudimente gehören. Es handelt sich um einen Fall der Leukämie der Haut und die Elemente, die hier in Betracht kom- men und an denen sich bei keiner Färbung die Cytoplasmaanteile nachweisen lassen, sind lymphoide Elemente, die sich offenbar aus den Gewebszellen des Unterhautgewebes und der Pars papillaris gebildet haben. Das sie enthaltende pathologische Gewebe wächst ganz deut- lich, was bloß durch fortgesetzte Teilungen der »nackten« Zellkerne möglich ist. Die Ursache dieser eigentümUchen Erscheinung erblickt der Ver- fasser darin, daß in der krankhaften Partie der Haut Blutgefäße ver- ändert und undurchgängig geworden sind. Es herrscht, so meint der Autor, in dem Gewebe ein Sauerstoffmangel, und da haben sich die auf Sauerstoff besonders angewiesenen Cytoplasmaanteile der Zellen reduziert bzw. sind vollkommen geschwunden; nur die resistenteren Zellkerne sind übriggeblieben. Es handelt sich dabei um keine zugrunde gehenden Elemente, wie vielleicht ältere Autoren beim Erwähnen ähn- licher Elemente dachten, sondern die Zellkerne, die sich vermehren, halten sich längere Zeit im Gewebe, und schheßhch können aus ihnen, nach der Ansicht des Verfassers, wieder neue »Zellen« regenerieren. Dies geschieht bei der Restitution des Gewebes bei dem Heilungs- prozesse. Selbstverständlich muß das neue Cytoplasma dabei wieder vom Zellkern geliefert werden, denn die Reste des alten Cytoplasmas, 1 Dermatol. Wochenschrift. Bd. LXII. 1916. Öasopisceskychlökaru. Bd. LV. 1916. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 715 die sich eventuell, was nach meiner Ansicht nicht ausgeschlossen ist, vielleicht doch erhalten haben, konnten nur ganz minimal sein. Allgemeines; Klassifikation der Plasmaarten. Dies wäre also die Keihe von Fällen, in denen es sich nach meijaer Überzeugung um Erscheinungen der »Cytoreduction << oder der >>Cyto- regeneration« handelt. Offenbar haben jene Erscheinungen eine viel größere Verbreitung und es würde sich vielleicht lohnen, bei künftigen Untersuchungen darauf Rücksicht zu nehmen. Viele Erscheinungen, die man bisher als Abgrenzungen von Zellen in Symplasmen und Syn- cytien aufgefaßt, erweisen sich vielleicht als hierher gehörig. Die Befunde, von denen ich berichte, beweisen wieder, daß die »Zelle <<, die tierische Zelle nämlich, bloß eine der verschiedenen Formen ist, in denen sich uns das Plasma im entwickelten Metazoen- körper präsentiert, wenn sie auch, wie ich davon vollkommen überzeugt bin, die ursprünglichste Form vorstellt, in der die lebende Substanz im Organismenreich auftritt. Es sollte jetzt in Anbetracht dieser und ähnhcher Befunde auch die Definition der »Zelle << anders lauten als früher. Man hat die Zelle bisher nach dem Vorgange von Max Schultze als ein Protoplasmaklümpchen definiert, in dessen Innerm sich der Zellkern befindet, doch das war bloß eine kurze Beschreibung (Heiden- hain). Es wäre vielleicht passender, wenn man das Genetische und das Physiologische berücksichtigend, sagen würde, die Zelle ist ein durch das Vorhandensein des Zellkernes oder mehrerer zusammen- wirkender Zellkerne bzw. — • Metazoenzellen — des Centriols oder eines Microcentrums, bedingtes Protoplasmaklümpchen. Anders ge- sagt, eine in Abhängigkeit vom Zellkern und vom Centriol bestehende Protoplasmaanhäufung, die genau so groß ist, wie es der Zustand des Zellkernes (bzw. der Zellkerne, wenn es da zwei oder mehrere gibt) zuläßt und die vielfach, wie wir oben zeigten, vom Zellkern direkt pro- duziert wird, bzw. die ihr Entstehen der Tätigkeit des Zellkernes ver- dankt. Das, was ich hier sage, ist eigentlich nichts Neues. Schon in der Lehre von der »Kernplasmarelation << wird, wie Heidenhain treffend bemerkt, auf etwas ähnhches hingewiesen, und nur in diesem Sinne ist nach Heidenhains Aussprache die Zelle ein »Biosystem < Plasma«. Bd. L 1907. S. 56, wo die Benützung des Namens »biologisches System« für die Zelle ganz passend eingeschränkt wird. 716 F. K. Studnicka, giden besteht, und .so können wir den Namen vielleicht jetzt in einem andern Sinne, für die miteinander zusammenwirkenden Teile, Zellkern- Centriol, anwenden, welche eine Krafteinheit, eine »Energide«, für das zu ihnen gehörende Cytoplasma vorstellen. Gebilde ohne Zellkern sind keine Zellen. Eine solche Zelle ist entweder durch Teilung einer früher be- stehenden Zelle, der Mutterzelle, entstanden — dies sind die Fälle, auf die sich die Maxime »omnis cellula e cellula<< eigentlich allein be- zieht — oder es ist die Zelle durch Teilung einer zusammenhängenden kompakten oder gerüstartigen Protoplasmamasse, eines Symplasmas zustande gekommen, wobei die Zerteilung der früher bestehenden Masse offenbar wieder dem Einfluß der Zellkerne, vielleicht auch der Centriolen, zuzuschreiben ist, oder es ist die Zelle schließlich inmitten einer früher bestehenden Zelle, eines Syncytiums, oder eines Sym- plasmas, >> endogen«, wie man früher sagte, entstanden. Wenn man von den bisher besprochenen »Zellen« und von eben- falls schon erwähnten >>S}Tic}i;ien << und »Symplasmen << absieht, gibt es im Metazoenkörper meistens noch verschiedene Formen des » extracellulären Protoplasmas <<, wie ich es, auf Zellen, als die wäch- tigsten Bestandteile des Körpers hinweisend, nenne i, von dem man annehmen muß, daß es sich von den Zellkernen und den Centriolen unabhängig entwickelt, wächst, Strukturen bildet und überhaupt lebt. Das Centriol und der Centroplasmaapparat hat auf seine Anordnung offenbar keinen Einfluß und auch seine Menge ist von der des Cyto- plasmas der Zellen, die übrigens in großen extracellulären Bezirken fehlen können, unabhängig. Vielfach kann man überhaupt nicht ent- 1 Der Name extracelluläres Protoplasma ist daher nicht ganz korrekt, doch sind die Zellen, als die ursprünglichen Gebilde, schließlich so wichtig, daß man das Nichtberücksichtigen der übrigen Teile und Massen, bei der Namen- gebung schon entschuldigen kann. — Ich knüpfe an dieser Stelle noch die fol- gende Bemerkung an, die ich in meiner letzten mit diesem Thema sich beschäf- tigenden Abhandlung unterlassen habe: Die Lehre vom »extracellulären Proto- plasma« oder Bioplasma überhaupt, wird nach meiner Überzeugung auch die schwierige Frage nach der eigentlichen Bedeutung und der Genese der Mollusken- schalen lösen. Ich kann mir ihre Anlage nicht anders vorstellen, als so, daß da das Mantelepithel zuerst ein feines Geflecht bzw. ein Gerüst von Protoplasma nach der Art einer Fibrinablagerung bildet, und in diese Schicht werden dann die eigentlichen Bausecrete eingelagert. Die Molluskenschale würde auf diese Weise außerhalb des Körpers und doch aus ursprünglich zum Mantelepithel zu- gehörendeni Protoplasma entstehen. Ich glaube, daß ich berechtigt bin, einige Resultate der Versuche über die Regeneration der Molluskenschalen (Biedeemakn) in diesem Sinne zu deuten. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 717 scheiden, welche Zellen bzw. Zellkerne zu dem extracellulären Proto- plasma, eines Mesostoma z. B., in Beziehung stehen sollen. Schließlich gibt es im Tierkörper, außer den Zellen, den Syncytien, Symplasmen usw. noch die Fibrillen verschiedener Art, die sich wieder ohne jede Rücksicht auf die obenerwähnten Organoiden bzw. auf die »Energiden« entwickeln, ordnen, fortbestehen und funktionieren. Wieder sieht man da, daß eben nur das eigentliche Cytoplasma, das ist das Cytoplasma ohne jede speziellen Differenzierungen, unter dem direkten Einflüsse der Zellkerne und Centriolen steht, und vielleicht machen da bloß alte, nicht mehr entwicklungsfähige Elemente, wie es die Ganglienzellen sind, eine Ausnahme. Bei allen diesen Erschei- nungen ist das »Morphoplasma « dasjenige, was sie bedingt. Jetzt muß man bedenken, daß es im Tierkörper noch verschiedene Körper- flüssigkeiten, Lymphe und Blut gibt, das »Rheoplasma <<, wie ich es einmaU benannt habe. Auch diese Substanzen, die w^ohl ebenfalls gewisse Lebenserscheinungen zeigen und überhaupt leben, darf man nicht unterschätzen und man könnte sie vielleicht von dem andern Teile des Protoplasmas, dem »Hyaloplasma«, ableiten. Noch weitere Betrachtungen kann man hier vielleicht anknüpfen. An einer Reihe von Fällen konnte ich oben demonstrieren, daß der Zellkern bei verschiedener Gelegenheit im Gewebe allein bzw. fast allein bleiben kann, daß er sich so längere Zeit erhält, sogar auch vermehrt und daß er, unter Mithilfe des Centriols und später unter Teilnahme des ganzen Sphärenapparates, wieder bloß aus sich das Cytoplasma der Zelle regenerieren kann. Man muß daraus schließen, daß der Zell- kern die im gewissen Sinne wichtigste Plasmaart der Zelle und des ganzen Metazoenorganismus enthält, wenn sich die Zelle auf ihn bzw. fast nur auf ihn reduzieren kann. Wenn man die Gewebe eines Meta- zoon, eines Wirbeltieres z. B., ohne jedes Vorurteil an einem mit Kern- farbstoffen gefärbten Präparate betrachtet, muß man überhaupt ein- sehen, daß die stets wiederkehrenden scharf begrenzten Zellkerne viel eher die Formbestandteile der Gewebe sind, als die in so zahlreichen Fällen fehlenden oder nicht zur Entwicklung kommenden Zellen. Jedenfalls sind auch die Zellkerne bei weitem nicht in jedem Falle schematisch ausgebildet, man weiß, daß sogar auch ihr Chromatin in den Zellkörper — in Ganghenzellen z. B. — als Tigroid übergehen kann, doch immer erhalten sich auch da — in Metazoengeweben wenig- stens, anders kann es bei Protisten sein — die Zellkerne. 1 Anat. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. S. 227. 718 F. K. Studnicka, Bei einer derartigen Betrachtung der Zellkerne muß man jeden- falls bedenken, daß der Zellkern, so wichtig er auch ist, nicht die Fähig- keit besitzt, eine große Reihe von Funktionen auszuüben, die für den Organismus bzw. dessen lebende Substanz charakteristisch sind. Einen Organismus, der bloß aus Kernsubstanz bestehen würde, kann man sich als ein Metazoon überhaupt nicht vorstellen, gut dagegen kann man sich eine derartige Spore, ein Spermatozoon, oder, wie ich oben zeigte, eine knospenartige Organanlage vorstellen, die, wenn nicht allein, so doch fast ausschließlich aus Kernplasma besteht, und der die Rudi- mente des Cytoplasmas mit einigen Organoiden bloß deshalb beigegeben zu sein scheinen, damit sich die Substanz wieder in vollwertige Zellen, Syncytien, Symplasmen usw. umbilden bzw. solche wieder aus sich zu »regenerieren« vermag. Ganz anders verhält sich da das »extra- nucleäre« Protoplasma, das »Cytoplasma« zum Beispiel. Diese Art des Bioplasmas kann wieder, wie wir wissen, die verschiedensten Funk- tionen der lebenden Substanz in reichster Auswahl besorgen, und sie ist das eigentliche Arbeitsplasma, zusammen jedenfalls mit einigen Differenzierungen, die ich hier nicht nenne. Es kann als >>extracellu- läres<< Protoplasma ohne direkte Mithilfe des Zellkernes weiter wachsen und »funktionelle Strukturen«, »Biostrukturen« verschiedenster Art bauen, die der Zellkern bekanntlich nicht fähig ist zu bilden. Ein Rückgang zu der primitiveren Plasmaart ist in der Regel nicht mög- lich, und ganz ausgeschlossen ist es, daß sich ein. Metazoon durch bloß das Cytoplasma enthaltende Elemente oder durch derartige Knospen fortpflanzen und erhalten könnte. Nur vom Zellkern, dessen Caryo- plasma nach meiner Überzeugung eine Art »Keimplasma« ist, und ein, wie ich mich damals ausgedrückt habe^, »produktives Leben« führt, kann wieder das »volle« oder »aktive« Leben ausgehen. Jeden- falls ist auch das Centriol da und auch andre Organoide gibt es da, die zu dem Zellkern in irgend welchen, heute noch wenig bekannten, Be- ziehungen stehen und wohl nur ausnahmsweise fehlen. Gerade auf das Centriol legte ich oben großen Nachdruck, doch man kann nicht anneh- men, daß dieses winzige Körperchen gerade auf die Plasmaneubildung einen direkten Einfluß haben könnte. Es handelt sich dabei, wie ich schon anfangs sagte, bloß um den Ausdruck einer das von anderswoher stammende Plasma ordnenden e'gentümhchen »Kraft«, um das Cen- trum einer Kraftwirkung, die das Plasma aber auch die Produkte des Plasmas und des Zellkernes so, wie Centrifugalkraft auf alle Seiten ver- 1 Anat. Anzeiger. Bd. XLVII. 1914. S. 399. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 719 teilt, das sich somit nicht bloß bei der Mitose, sondern auch — wenn auch nicht in jedem Falle ("?) beim Wachstum und der Tätigkeit der Zellen geltend machte. Es verteilt das neuentstandene Protoplasma, Secrete, Dotter, Tigroidsubstanz usw. mit der Hilfe des cyclisch in seiner Umgebung entstehenden und sich erneuernden, manchmal wie explodierenden Centroplasmas, welches sich schließhch, wie ich oben sagte, in das Endoplasma einer di plasmatisch werdenden Zelle ver- wandeln kann. Bei den höheren Pflanzen fehlt das Centriol bekannt- lich vollkommen, und auch dies beweist, daß es bloß die hier angedeutete Funktion haben kann und daß sich auch ohne seine Mithilfe, wie man es ja oft bei Tieren beobachtet, das Plasma ordnen kann. In dem genannten Falle ist offenbar der Zellkern das einzige Organoid, das das Cytoplasma beherrscht. Im Anschluß an die vorangehende Betrachtung erlaube ich mir jetzt noch einige die Nomenklatur der verschiedenen Arten des >>Bio- plasmas« betreffende Vorschläge^: Man bezeichnet das »Bioplasma << des Zellkernes in der Kegel mit dem Namen »Caryoplasma << und man vereint diesen Begriff zusammen mit dem des »Cytoplasmas« zu dem Begriffe des »Protoplasmas«, der lebenden bzw. Leben tragenden Substanz. Die Termini Caryoplasma und Cytoplasma haben sich nach dem Vorgange von Stkasburger in den letzten Dezennien allgemein eingebürgert und haben die frühere Anwendung des Namens »Protoplasma« für das außerhalb des Zell- kernes in einer Zelle vorhandene Bioplasma verdrängt. Ich selbst habe die Namen immer in diesem Sinne angewendet, doch ich sehe jetzt ein, daß es vielleicht doch vorteilhafter wäre, andre Namen bzw. Begriffe einzuführen. Wie wir davon unlängst gesprochen haben, und wie es ein jeder einsehen muß, ist das Bioplasma des Zellkernes, »Caryoplasma« nach Strasburger, kein fertiges Protoplasma, das sich als solches an der Ausübung der verschiedenen Funktionen, deren die lebende Substanz 1 Man vergleiche die hier ausgesprochenen Ansichten über die Rolle des Centriols damit, was über dieses Thema Vejdovsky und Mräzek (Arch. f. mikr. Anat. Bd. LXII. 1903) schreiben. 2 Ich habe ehemals (Anat. Anzeiger. Bd. XXXIX 1911. S. 234) vorge- schlagen, den Namen »Bioplasma« als Gegensatz zu dem Namen »Tectoplasma« (»Bauplasma«) anzunehmen. Diesen Vorschlag nehme ich jetzt zurück. Es wäre wirklich schade, den guten, von Beale (1872) seinerzeit eingeführten Namen in einer solchen Einschränkung bloß auf eine Art des Plasmas anzuwenden. In jenen Fällen, in denen es notwendig ist, kann man im Gegensatz zu »Bauplasma« vom » aktiven Bioplasma« sprechen. AuchBoTAZZi spricht neuestens vom »Bioplasma«. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 47 720 F. K. Studnicka, fäliio- ist, direkt beteiligen könnte, und fäkig wäre,- mit der Außenwelt in Beziekungen zu treten. Es ist das eine primitive Substanz im Zu- stande der Vorbereitung, im gewissen Sinne eine »Keimsubstanz«, um an dieser Stelle den alten Ausdruck Beales (1862, »Germinal matter«) rickticr anzuwenden. Der ganze Zellkern mit seinen einzelnen »Struk- turen"« ist nickts andres als ein ckemisckes Laboratorium, in dem ver- sckiedene »Prosecrete« vorbereitet werden und von wo aus sie erst dem sie weiter verwertenden Cytoplasma übergeben werden, ein Labo- ratorium, das offenbar, so wird es ja aus guten Gründen angenommen, dauernd auf das Leben des Zellplasmas Einfluß kat. Von dem Zell- kerne kann, wie wir sagten, auck neues Protoplasma und damit neues »volles« Leben kervorgeken, und darin bestekt wokl auck seine Auf- gabe. Erst dieses, das »extranucleäre« Protoplasma kann, wie wir unlängst sagten, das Leben zur vollen Entfaltung bringen. Jedenfalls entkäk auck das Cytoplasma viel unfertige Stoffe, darunter solcke, die es direkt vom Zellkern erkalten kat, dock dies kat sckon geringere Bedeutung. Im allgemeinen wäre es vielleickt nickt verfeklt, wenn wir jenes nickt fertige Protoplasma bzw. ]ene Keimsubstanz mit dem Namen »Proplasma« bezeicknen würden, dann könnte man den Namen »Protoplasma« für das extranucleäre Plasma reservieren, für welckes es ja — Pflanzenzellen — eigentkck zuerst (Mohl, 1845) eingefükrt wurde. Im Tierkörper ist dieses Plasma, wie wir wissen, nickt bloß als Cytoplasma vorbanden, und ick kabe sckon einmal darauf kinge^äesen, daß der Name »Cytoplasma« zum Bezeicknen des gesamten extranucleären Plasmas nickt ausreickt, und wollte den Namen »Somatoplasma « dafür vorscklageni. Das »Protoplasma« bildet also, um das Gesagte nockmals zu rekapitukeren, als »Cyto- plasma zusammen mit dem Zellkern die unter dem Namen der »Zellen« bekannten »Biosysteme« — den Namen »Cytoplasma« kann man auck für das Plasma der Syncytien und Symplasmen anwenden — daneben beteiUgt es sick als »extracelluläres Protoplasma« am Aufbau ver- sckiedener Gewebe und besorgt solcke Aufgaben, zu deren Besorgen die Form bzw. die Zusammensetzung aus Zellen nickt notwendig ist. Das »Proplasma« und das »Protoplasma« wären also die ursprüng- licken Formen des »Bioplasmas«. Nun bleibt das Protoplasma nickt immer einfack. Zum Zwecke versckiedener Funktionen bildet es durck versckieden weit gekende Umbildung seiner Substanz, nickt durck Aussckeidung, versckiedene 1 Gegen den man übrigens einwenden könnte, daß er bereits in einem andern Sinne in der Biologie angewendet wird. (Anat. Anz. Bd. XXXIX, 1911, S. 227.) Die Reduktion und die Ri^eneration des Cytoplasmas. 721 »paraplasmafeche« Substanzen, »paraplasmatische« Organula und O.ga„o,cle. Das BioplasMa. „n> welches e. sich jetzt handelt st „ »Pamplasma« nach Kupffer (1896) „nd nach Eeinkei. wel hes de »Rbnllen« verschiedener .ta baut. Es handelt sich ^ntwcct; '^ eme dem Protopksma ganz nahe stehende „nd wohl bloß durch V dK.ht.mg dessen Morphoplas„u.s entstehende Hasmaart, es kann abe," chennsch auch so weit verändert werden, daß es sich s;hließlieh yol P.otoplasn,a ganz auffallend unterscheidet, obzwar man am Anfan. d r ganzen Reihe n.cht sagen konnte, ^-ie es sich vom eigenthchen Prot Plasma unterscheidet. Außer der chemischen Umwandlun. sp ekn Imprägnationen nut Bausecreten in einzelnen Fällen eine wichtCCe Wiese »paraplasmatischen« Fibrillen kommen in Zellen, Syncvtien' rl^TVf ^^^"f i,"\-'«-"">är vor und repräsektilren S neben den Zellen vielfach ebenfalls als »Elementarbestandteile« der (>ewebe »B.ostrutturen« wie man sie anders, im Unterschied zu den .Biosystemen«. den Zellen, bezeichnen kann. Auch diese Gebilde , Myofibnllen so gut wie Bindegewebsfibrillen, werden nicht als passive' Plasmaprodukte durch dessen .formative Tätigkeit« gebildet send r^ entstehen durch aktive Umbildung des Plasmas, unl alle v^nThne^ leben mit eigenem Leben. - Schheßlich gibt es noch die verschiedenen »deutoplasmatischen« bzw. ■> metaplasmatischen « Substanzen (das »Deutoplasma<.TAHBENFDEN bzw. das »Metaplasma« v. H.wsteins) Erst diese sind Produkte des Plasmas. Von ihnen sind die unlängst er- wähnten Bausecrete die wichtigsten. cellultr^''?'". T '^"" ü"*«"«'''«'^« des Zellplasmas und des extra- celiulaien Protoplasmas, weiter jenem des Protoplasmas und Para- p asmas, muß man schließlich noch auf den Unterschied des »Endo- plasmas« oder des »Protoplasmas im engeren Sinne des Wortes« und cles »Exoplasmas« ( »Ectoplasmas «) Rücksicht nehmen. Das den /ellkern immer unmittelbar umgebende Endoplasma ist entschieden pnmi iver. Es enthält das Centriol, die Piastosomen, den Apparato iet,colare usw. der Zelle, das meist homogene, festere, starre Exoplasma ist dagegen ein sekundär verändertes verdichtetes Pksma. doch es gibt auch Falle, m denen es im Gegenteil weich ist, so z. B. das verschleimte Jlxoplasma der Schleimgewebe - es handelt sich da also auch um Chemische Umwandlungen der Plasmasubstanz. _ Es wäre nach meiner privaten Ansicht das einfachste, wenn man für diese zwei nach- einander folgende Plasmaarten die Namen »Protoplasma« und »Deuto- 1 1901, »AUgemeine Anatomie«. 47* 722 F. K. Studnicka, Plasma« oder die Namen »Protoplasma« und »Met^plasma« anwenden könnte doch hat dies seine Schwierigkeiten. Der Name »Deutoplasma « ^drd bekannthch schon in einem ganz andern Sinne in der Plasmatologie an<^ewendet und unter dem Namen »Metaplasma« (v. Hanstein) ver- stehen die Botaniker dasselbe, was die Zoologen unter dem ersteren Namen, und dazu wird der Name neuestens von Heidenhain m emem ganz andern Sinne angewendet^. Schüeßhch könnte man vielleicht die Namen so wählen, daß man von »Protoplasma« und von »Exo- plasma« als jenen zwei nacheinander folgenden Plasmaarten sprechen würde Es würde dies zwar eine Änderung der alten HAECKELschen Nomenklatur bedeuten, doch eine so kleine, daß sich die beiden Namen soc^ar auch in der Protozoologie, wenigstens promiscue mit den bis- herigen, anwenden Ueßen^. Man würde sich auf diese Weise wieder dem ursprünghchen Begriffe eines »Protoplasmas«, jenem von Mohl, nähern, und man würde so der Verlegenheit entgehen, m die man sehr häufig gelangt und aus der man sich immer durch die Bemerkung helfen muß, das »Endoplasma« entspräche dem ursprünghchen Proto- plasma, das vor dem Entstehen des Exoplasmas vorhanden war -nnd es sei das überhaupt ein »Protoplasma sensu str.«. Auch den Namen »Somatoplasma «, den ich unlängst vorgeschlagen habe, um einen für das Celluläre und das Extracelluläre zusammen passenden Namen zu erhalten, braucht man jetzt nicht. Wir hätten also das ur- sprünahche »Protoplasma« und das sekundäre »Exoplasma « bzw. im fertigen Gewebe das »Bauplasma«), und dieses letztere bildet dann zusammen mit den paraplasmatischen »Bauf ibriUen « und den beides durchtränkenden »Bausecreten « eine »Bausubstanz «s. Überblickt man jetzt das hier Gesagte, so sieht man, daß sich die Entwicklung des »Bioplasmas« in der Keihe: 1. Proplasma, 2. Proto- plasma, 3. a) Paraplasma, oder 3. b) Exoplasma oder beides kom- biniert, bewegt, und man kann dazu bemerken, daß diese Reihe allem Anscheine nach im großen und ganzen nicht umkehrbar ist. Dies ist die Grundansicht der Umwandlungslehre, die ich mir seit 1902 aus- T^.Plasma und Zelle«. Bd. I. 1907. S. 47. HEmENHAiK bezeichnet als .Metaplasma« eigentUch die ganze Grund- W ^Cuticularsubsta^, so w.e ^^ ist also ^sienige, was ich als Komplex von Exoplasma, BaufibnUen und Bau- stet: btSe! Vgl auch meine Abhandlung »Exoplasma oder Me^P^sma ^ inSitzungsber. der Kgl. Ges. der Wiss. Prag. 1907 Den Namen .Metaplasma« wendet in dem letzteren Sinne auch Kassowitz (Allgeni Biologie 1901) an 2 Man kömxte jedoch in gewissen FäUen auch spater von .Endoplasma«, »Endoplasmazellen« usw. sprechen. 3 Vgl Anat. Anzeiger. Bd. XXXIX. 1911. S. 236. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 723 gearbeitet habe, und schließlich sind es Ansichten, die sich mit denen der meisten heutigen Biologen decken. Für unmöglich halte ich, und hierin wird mir wohl ein jeder beistimmen, daß sich aus fertigem, ty- pischem Protoplasma wieder das Proplasma eines Zellkernes, aus extra- cellulärem Protoplasma wieder eine Zelle mit Zellkern bildet, daß sogar eine fertige Grundsubstanz Zellkerne und Zellen produziert, wie es die alte Lehre von Stricker angenommen hat. Trotzdem darf man nicht in Abrede stellen, daß es in einzelnen Fällen, solange sich nämlich die einzelnen Plasmaarten nicht zu weit voneinander entfernt haben, wirklich zu einer Kückkehr in den primi- tiveren Zustand kommen könnte. Primitivere Formen der Fibrillen und das einfache Exoplasma können sich wohl ohne weiteres zurück in das weiche Protoplasma verwandeln, wie ich es selbst in einem Falle beobachtete und sogar auch von den einfacheren Formen der Bmdegewebsfibrillen könnte man es annehmen, ob auch von coUagenen Fasern, welche nach der von Ranke neuestens ^ ausgesprochenen Ansicht wieder desimprägniert werden können, wird erst die Zukunft lehren. Bisher nahm man von den collagenen, den elastischen Fasern und den fertigen Bausubstanzen bloß so viel an, daß sie aufgelöst werden können, wobei es sich bloß um Anwendung der Moleküle zum Wieder- aufbau des Protoplasmas handelt. Schwieriger ist die Frage mit Rück- sicht auf den Zellkern. Man kann sich wohl leicht vorstellen, daß sich das primitivste, vielleicht unlängst gebildete Protoplasma wieder zurück in Proplasma umwandeln und in den Bereich des Zellkernes übergehen kann — das wird ja vielfach von der Lehre vom Gleich- gewicht in der Zelle, der Lehre von der »Kernplasmarelation«, wie sie heißt, angenommen^ — aber man kann sich nicht vorstellen, daß sich aus Cytoplasma wieder Chromatin bildet. Etwas andres ist, und so was kommt wohl hie und da bei Protozoen vor, daß sich das aus Zellkern herausgetretene Chromatin wieder zu einem Zellkern ordnet, doch hier handelt es sich nicht um eine Rückverwandlung. RüziCKA, der die Ansicht ausgesprochen hat, daß sich das Plasma behebig verwandeln kann, hat eine Reihe hierher gehörender Fälle zu- sammengestellt ^ und macht auf diese Prozesse besonders aufmerksam; er hält, als Schüler der STRiCKERschen Schule, sogar das Entstehen 1 Sitzungsber. d. Akad. Heidelberg. 1914. S. 10. 2 Vgl z. B. eine neuere Arbeit vonGoDLEWSKi im Anzeiger der Akad. d. Wiss. Krakau, 1908, die von der Rückverwandlung des Cytoplasmas in Kernplasma handelt. 3 Ergebnisse d. Anat. u. Entwsgesch. Bd. XVI. 1906. Arch. f. Entwmech. XXI. 1906. 724 F. K. Studnicka, des Zellkernes aus einer Griindsubstanz für niöglich. Die Umwand- lunoen, um die es sich dabei handelt, sind vor allem chemischer Natur und das Morphologische ist bloß deshalb -gichtig, da es für uns das Auf- fallendste ist. Statt vom »morphologischen Metabolismus« wird man daher besser und einfacher bloß von »Plasmaumwandlungen« sprechen. Die von mir in dieser Abhandlung und in den früheren seit dem Jahre 1902 verteidigte »Umwandlungslehre« ist nur eine weitere Ausarbeitung der früheren Lehren dieser Art ; und die Umwandlungslehre ist schheßlich so alt wie die Protoplasmalehre überhaupt. Die erste Protoplasmalehre, die Max Schultze 1861 in seinem berühmten Ar- tikel im Archiv für Anatomie und Physiologie aufstellte, war eine Lehre dieser Art. Max Schultze legte damals darauf Nachdruck, daß sich im ganzen Tierkörper überall Protoplasma befindet und daß sich da neben den Zellen und den nicht deutlich in Zellen differen- zierten Geweben — auch diese kannte er ja schon — auch verschiedene Arten von Fibrillen, Myo- und Bindegewebsfibrillen befinden. Diese entstehen, wie er da sagt, durch Plasmaumbildung. Erst später modi- fizierte Schultze diese seine richtige Ansicht und hat die Theorie von der »formativen Tätigkeit« des Protoplasmas, welche die Fibrillen mit den Secreten in eine Eeihe stellt, begründet i. Auf Grundsubstanzen hat Schultze wenig Nachdruck gelegt und da ist wieder die Umwand- luno'slehre seines Zeitgenossen Beale zu nennen^. Nach Beale sollte man im Körper eine »Keimsubstanz« und eine »geformte Substanz« unterscheiden. Unter dem ersteren Namen versteht der Verfasser im allgemeinen das Cytoplasma (doch manchmal bloß den Zellkern !), und es soll sich da um die eigentliche Trägerin des Lebens handeln. Die geformte Substanz, zu der vor allem die Grundsubstanzen, aber auch die kontraktile Muskelsubstanz gerechnet werden, entsteht durch Umwandlung der Keimsubstanz und befindet sich immer in Abhängig- keit von ihr, Heitzmanns Umwandlungslehre^ nimmt die Existenz eines allgemein verbreiteten Protoplasmagerüstes in allen Geweben an, das sich verschieden verwandeln kann und sie legt ganz richtig auf die Einheit des Tierkörpers Nachdruck. Sie ist darin unrichtig, daß sie die Grundsubstanzen für bloße Ablagerungen in den Lücken jenes Gerüstes hält. Von neueren Autoren nenne ich vor allen Reinke*. 1 Vgl BoLL, Arcli. f. mikr. Anat. Bd. VIII. 1871. 2 Vgl »Die Struktur d. einf. Gewebe d. menachl. Körpers«. Übers, v. Cabus. Leipzig 1862. 3 »Mikr. Anatomie des Tierkörpers«. Wien 1883. * »Allgemeine Anatomie«. Wiesbaden 1901. Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. 725 Reinke, dessen Ansichten sich schon unter dem Einflüsse der Hansen- schen Exoplasmalehre entwickelt haben, unterscheidet neben dem Caryoplasma zwei Schichten des Cytoplasmas, eine >>Mark-<< und »Rindensubstanz«, und im Anschluß an Kupffer (1896) hält er die >> paraplasmatischen « Plasma-, Neuro-, Myofibrillen direkt, die Binde- gewebsfibrillen dem Ursprung nach, für Protoplasmastrulcturen. Hier schHeßt sich meine Lehre an. Briinn. im Juli 1916, (In kürzerer Fassung wurde der Inhalt der Einleitung und der Kapitel I A, II, III und IV in der Zeitschrift »Biologicke listy«, Jg. III, 1914, S. 148—159, veröffenthcht.) Tabellarische Übersicht neuerer Klassifikationen tierischer Substanzen. Nach Rbinke, 1901: Nach Heidenhain 1907: A. Protoplasma. 1. Karyoplasma. A. Protoplasma. 1. Karyoplasma. 2. Cytoplasma. a. Rindensubstanz. 2. Cytoplasma. b. Marksubstanz. Teno-, Myo- u. Neurofibrillen, paraplasmat. Substanz. B. Metaplasma. B. Grundsubstanz, Cuticularsubstanz. Bindegewebsfibiillen. Nach Studnicka, 1911, 1911b: A. Protoplasma. I. Karyoplasma. j a. Cytoplasma. II. Somato- (Cyto.) Plasma. ( j ^' ExtraceUuläres Protoplasma. I J a. Endoplasma. I b. Exoplasma (bzw. Bauplasma). III. Paraplasma. B.Die Rheoplasmen. C. Metaplasmatische (deutoplasmatische) Substanzen. Neuer Vorschlag (1916): A. Bioplasma. I. Proplasma (Karyoplasma). ^, ^ . , fa. Cytoplasma (Cytoprotoplasma). IL Protoplasma.-^, -J ^ ^ i- -o 4. f ^ \h. Extracellulares Protoplasma. , ^ ^ /a. Autexoplasma (Cytoexoplasma). IV. Paraplasma. ^m. Exoplasma. jt^gy^^^^pj^g^^^j^-^^j^^j. ^^^ ^^. V. Rheoplasma. tracelluläre Exo- plasma). B. Metaplasmatische (deutoplasmatische) Substanzen. 726 F. K. Studnicka, Die Reduktion und die Regeneration des Cytoplasmas. Sestandteile der Bansnbstanzen: Nach Studnicka 1911: Somatoplasma (Exoplasma bzw. Bauplasma). Paraplasma (Baufibrillen). Metaplasmatisclie Substanzen (Bau- seerete). Neuer Vorschlag 1916: Exoplasma (bzw. J a. Autexoplasma. Bauplasma). \ b. Synezoplasma. Paraplasma (Baufibrillen). Metaplasmatische Substanzen (Bause- crete). f Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). (Nebst einigen Angaben über Wachstum und Wachstumskorrelationen,) Von Lucie Jeziorski. (Aus dem Zoologischen Institut in Göttingen.) Erster Teil. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). (Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Insektenkörpers.) Mit 5 Figuren im Text und Tafeln XVII— XIX. A. Einführung in das Thema. Die Bearbeitung des Thorax von Dixippus morosus soll ein Beitrag sein zum Ausbau einer vergleichenden Anatomie der Insekten. "Voss hat in seinen Arbeiten »Über den Thorax von Gryllus domesticus << 1905 und 1912 »eine ausgezeichnete Vergleichungsgrundlage für die Organi- sationseinheit des Skeletts und der Muskulatur der Insekten an einem sehr geeigneten Vertreter primitiver Organisationszustände geschaffen <<. Mit dem Entwurf einer allgemein anwendbaren schematischen Dar- stellung der Muskulatur, der Durchführung einer einfachen, einheit- lichen, topographischen Nomenklatur, der Einteilung der Muskeln in Kategorien auf morpho-kinematischer Grundlage sind die Grund- bedingungen für weitere vergleichend-anatomische Untersuchungen gegeben. Die schematische Darstellung der Muskulatur in ihrem ersten Entwurf 1905 (1912 weiter ausgebaut) ist bereits von Dürken »Tracheen- kiemenmuskulatur der Ephemeriden << 1907 und Berlese »Gli Insetti« 1909 übernommen und angewandt worden und konnte auch bei Dixip- pus morosus durchgeführt werden. Die topographische Bezeichnung ist in analoger Weise benutzt worden. Die physiologische Benennung wurde an zweiter Stelle hinzugefügt. Die typischen Kategorien finden sich bei Dixippus wieder. Abweichungen, wie sie durch die besondere Entwicklung der vorhegenden, abgeleiteten, speziahsierten Form ge- gegeben sind, beeinträchtigen die Durchführbarkeit des Schemas nicht. 728 Lucie Jeziorski, Der Zweck der Bearbeitung des Thorax von Dixippus morosus ist eine anatomische Beschreibung von Skelett und Muskulatur, ver- bunden mit einer Deutung ihrer morpho-kinematischen Wechselbe- ziehung zueinander unter den Hauptgesichtspunkten: Welche Befunde in Skelett und Muskulatur zeigen den Charakter eines primär pterygoten Insekts? Welche Befunde sind auf den sekundären Verlust von Flügeln zurückzuführen? Die Fragestellung fußt auf der Annahme, daß die Phasmide Dixifpus morosus ein primär pterygotes Insekt ist. Die Resultate aller Insektenforscher stimmen darin überein, daß die Flügel zu den typischen Charakteren eines Insekts gehören, und Flügellosig- keit stets eine sekundäre Erscheinung ist. Neuerdings wird sogar, die Anschauung vertreten, daß die Apterogenea, die als wahrscheinlich primär flügellos galten, ihre Flügel auch erst sekundär eingebüßt haben sollen. Die Entwicklungsgeschichte liefert den einwandfreien Beweis, daß »kein Tier in der nachembryonalen Metamorphose die phylogene- tische Entwicklung der Flügel rekapituhert <<. Bei Gryllus domesticus sind die Flügelanlagen embryonal vorhanden ; sie ent-s^nckehi sich nachher nur quantitativ (Voss 1912). Bei Orthopteren bestehen bei nahe verwandten Formenreihen alle Übergänge von flügellosen Tieren zu solchen mit mehr oder minder aus- gebildeten Flügeln nebeneinander, z. B. bei Forficuhden, ßlattiden, Grylliden, Locustiden, Acridiern, Mantiden und auch bei den hier zu- nächst in Frage kommenden Phasmiden. Einmal bilden die flügellosen Formen in allen Familien die Ausnahme. Dann weisen selbst Tiere der- selben Art Differenzierungen auf in der Ausbildung der Flügel. Paral- lelus, ein Acridier, zeigt nicht nur in den verschiedenen Geschlechtern verschiedene Ausbildung der Flügel, auch innerhalb desselben Ge- schlechts ist die Länge der Flügel sehr variabel. Geaber (Nachembryo- nale Entwicklung und die Cuticula der Geradflügler) stellt von Locusti- den und Acridiern fest, daß ein und dieselbe Species z. B. Platycleis brevipennis »bald mit vollkommen entwickelten, bald mit rudimen - tären Flugorganen auftritt <<. Karny (Flugorgane bei den Orthopteren) weist auf die bei einer Reihe von Heuschreckengenera bekannte Tat- sache hin, daß sich neben vollgeflügelten Formen, Formen mit Flügel- reduktion und flügellose Formen finden, die aus den geflügelten Formen abzuleiten sind. Bei Saga, verschiedenen Decticidengenera ist eine Reduktion der Flugorgane bis zu völlig oder nahezu apteren Formen nachzuweisen. Er erwähnt weiter auch die Flügelverhältnisse der Decticidengattung Platycleis und gibt ein treffendes Bild von der fort- schreitenden Reduktion der Flugorgane, die, ausgehend von der lang- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 729 flügeligen öfmea-Gruppe, über die tesselata-Gvu^^e zur kurzflügeligen hrachypera-modesta-Gfiu^^Q hinleitet. Ferner findet sich bei Podisma fedestris eine Kückbildung der Flugorgane bis zur funktionslosen kleinen Schuppe. Dixippus morosus repräsentiert wie alle Phasmiden eine aboe- leitete spezialisierte Form der Orthopteren. Deshalb bietet die Vosssche Bearbeitung der Hausgrille mit ihrer »primären Organi- sation in morphologischer und niechanischer Beziehung« eine aus- gezeichnete Vergleichungsgrundlage für die bei Dixippus konstatierten Tatsachen. Die Darstellung umfaßt nicht nur die drei Thoracalsegmente, son- dern auch einerseits das erste Abdominalsegment, da es mit dem Meta- thorax fest verschmolzen ist und die folgenden frei begrenzten normalen Abnominalsegmente zur Vergleichung mit dem Thorax, sowie ander- seits auch das Segment der zweiten Maxille, die Halshaut, als Ergänzung. Ausführliche Angaben über die Literatur betreffend Skelett und Musku- latur der Insekten finden sich in erschöpfender Übersicht in den Werken von Voss und Berlese, die eine gewisse abschließende Zusammen- stellung und Würdigung des diesbezüghchen Abschnittes der Insekten- forschung bedeuten. Deshalb beschränke ich mich im Literaturver- zeichnis auf die Aufzählung der später publizierten Arbeiten, sowie auf die spezielle, in meiner Arbeit in Betracht kommende Literatur. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Ehlers, der mir die Anregung zu vorliegender Arbeit gab, spreche ich für das stets be- wiesene gütige Interesse und die wertvollen Ratschläge meinen er- gebensten Dank aus. Ebenso fühle ich mich Herrn Dr. Voss zu großem Dank verpflichtet, dem ich auch an dieser Stelle Ausdruck verleihen möchte, B. Material und Technik. Zur Untersuchung wurden ausgebildete Tiere weibhchen Ge- schlechts benutzt, die mir reichhch zur Verfügung standen aus der Zucht, die in unserni Zoologischen Institute ständig unterhalten wird. Dixippus morosus ist sehr leicht zu ziehen, nicht sehr wählerisch im Futter, wenn auch frische zarte Blätter der Rosaceen bevorzugt werden, und pflanzt sich parthenogenetisch sehr zahlreich fort. Ein männliches Exemplar ist während der ganzen Dauer meiner Untersuchungen nicht aufgetreten. Daraus ist allerdings nicht der Schluß zu ziehen, daß Männchen in der Gefangenschaft überhaupt nicht vorkommen, ein 730 Lucie Jeziorski, einzelnes männliches Tier ist früher schon einmal in imsrer Zucht beob- achtet worden. Doch hat die ständige parthenogenetische Fortpflanzung (ich habe Tiere aus vier verschiedenen Generationen beobachtet und untersucht, nachdem die Zucht schon mehrere Jahre alt war) keinen sichthchen nachteihgen Einfluß auf lebenskräftige Entwicklung aus- geübt. Im Gegensatz dazu stellt Godelmann in Übereinstimmung mit den Beobachtmigen andrer für Bacillus rossii eine sehr nahe ver- wandte Form, mit der Dixijipus sonst große Übereinstimmung zeigt, fest, daß die dritte parthenogenetische Generation nicht mehr so lebens- kräftig war und eine Begattung notwendig erschien. Um das Skelett zu untersuchen, w^irden die Tiere mit Äther getötet, an einer Seite der Länge nach aufgeschnitten und in etwa 30%ige, mäßig erwärmte Kalilauge gelegt, so lange, bis sämthche Weichteile zersetzt waren. Das so erhaltene Chitinskelett wurde, nachdem es sorg- fältig mit destilhertem Wasser ausgewaschen war, mehrere Tage mit Holzessig gefärbt und dann in einer flachen Glasschale in 80%igem Alkohol aufbewahrt. Die Färbemethode mit Holzessig ergab vorzüg- liche Differenzierungen der verschiedenen skelettalen Gebilde. Die Untersuchung geschah mit dem ZEissschen Präpariermikroskop. In der mit Alkohol gefüllten Glasschale flottierten die mit Holzessig ge- färbten Chitinhäute frei herum mid konnten mit feinen Pinzetten und Präpariernadeln nach allen Eichtmigen hin gewendet, geprüft imd in ihre einzelnen Teile zerlegt werden. Die Photographien wurden nach Skeletthäuten gemacht, die sorgfältig auf einem Objektträger ausgebrei- tet in Kanadabalsam eingeschlossen wurden. Es sind einfache Negative, hergestellt, indem die Präparate mit dem WiNKELschen Projektions- apparat wenige Sekunden auf hchtempfindHches Papier projiziert wurden. Zur anatomischen Untersuchung der Muskulatur, die makrosko- pisch nait Hilfe des ZEissschen Präpariermikroskops stattfand, wurden die Tiere in folgender Weise vorbereitet: Die mit Äther betäubten Exemplare wurden seithch der Länge nach aufgeschnitten und einige Tage in 96%igem Alkohol, der mit Pikrinsäure intensiv gelb gefärbt war, aufbewahrt. Dadurch wurden einmal die Muskeln differenziert und gehärtet, dann auch so gefärbt, daß sie sich von dem dunkel- braunen Chitin gut abhoben. Diese Kontraste erleichterten das Prä- parieren sehr, weshalb ich auch nach Möglichkeit Tiere mit möghchst dunkel pigmentierter Cuticula verwendete. Die im Pikrinalkohol ge- nügend gehärteten Tiere woirden in flache Präparierschalen gebracht, die mit flüssigem Paraffin gefüllt waren. Mit Nadeln wurde das in Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 731 Paraffin getauchte Tier so lange festgehalten, bis das Paraffin erkaltete. Auf diese Weise war es gut fixiert und die Präparation konnte unter Alkohol ausgeführt werden. Gegen Ende meiner Untersuchungen hatte ich Mangel an aus- gewachsenen Exemplaren und erhielt solche von Herrn Dr. Heineoth aus dem Berliner Aquarium liebenswürdigst überlassen. Die Präpa- ration dieser Tiere ergab das eigentümliche Eesultat, daß neben Tieren, deren Muskulatur vollkommen mit denen der Zucht des Göttinger Zoologischen Instituts übereinstimmte, eine Reihe von Tieren den einen oder andern abweichenden Muskel zeigte. Dies wird an passender Stelle berücksichtigt. Voss "bemerkt auch von Gryllus ein unregel- mäßiges Auftreten von Muskeln, die in »historischem« Sinne von großem morphologischen Werte sind. I. Das Skelett. Allgemeines über das Skelett und die Segmentierung von Dixippus morosus findet sich bei Brunner und Redtenbacher: »Die Insekten- famihe der Phasmiden<< (1908). 1. Beschreibung des Thorax und der angrenzenden Bezirke. a. Die Halshaut. (Taf. XVII, Fig. 2 H.) Nachdem die morphologische Deutung der Halshaut (Mikrothorax Verhöff 1902, Snodgrass 1909, Collum Berlese 1909, Cervicum Crampton 1908) als vielumstrittene Frage, die verschiedensten Aus- legungen erfahren hatte, kam Voss durch seine Untersuchungen der Muskulatur von Gryllus zu dem Resultat, daß der »Mikrothorax« ein Kopfsegment ist und zwar das Segment der zweiten Maxille, dessen vorderer oder episternaler Teil in der Kopfkapsel enthalten ist, dessen hinterer oder epimeraler Teil die weichhäutige, faltenreiche Verbindung des Thorax mit dem Kopf herstellt. Da es also damit erwiesen ist, daß die Halshaut kein viertes thoracales Segment ist, gehört sie eigentlich nicht mehr in den Rahmen diesei: Arbeit hinein. Der Vollständigkeit halber sei nur kurz die Region besprochen, die nicht in der Kopfkapsel aufgegangen ist, und deren Muskulatur in mehr oder weniger direkten Beziehungen zum Thorax steht und verschiedene interessante Ver- gleichsmomente bietet, da sich die Grundzüge der Muskelverteilung der folgenden Segmente auch hier nachweisen lassen. Wie schon bemerkt, ist die Halshaut ein weichhäutiger, reich ge- 732 Lucie Jeziorski, falteter Bezirk, der durch eine paarige Kehlplatte {A, Taf. XVII, Fig. 3; Textfig. 1) in einen breiten ventralen Bezirk, die untere Kehlhaut und einen dorsalen Bezirk, die Nackenhaut, geteilt wird. Der dorsale Bezirk ist nach Art einer tiefen Intersegmentalfalte innen weit unter den Vorderrand des Thorax herübergescho- ben (Taf. XVII, Fig. 3- Textfig. 1) und medianpaa- rig zu einer mützenförmi- gen Sehne ausgezogen, die dem Ansatz dorsaler inter- segmentaler Längsmuskula- tur dient. Die Kehlplatten selbst sind unregelmäßige Chitinbi Idungen, ventral- wärts ausgebogen; sie ver- mitteln eine Verbindung zwischen einem seitlichen Ausläufer des Coxoster- nums (est) einerseits und dem Hinterhauptsring an- derseits. Die Platten dienen vielen Muskeln zum Ansatz. Die ventral zwischen ihnen ausgebreitete Kehlhaut ist breit nach vorn und nach hinten ausgedehnt und zwi- schen Prosternum einerseits und Gula anderseits ausge- spannt, und durch die^ ausgebogenen Chitinplatten gleichsam in der Mitte ein- geschnürt. Außer den beiden Kehlplatten sind keine Chitinbildungen vorhanden, folglich keine weitere physiologische Beanspruchung solcher vorliegt. Voss beschreibt bei Gryllus eine ganze Zahl von Chitinplättchen, von denen das Plattenpaar a dem einzigen Platten- paar bei Dixifpus homolog ist. Dorsale Medianlinie Ventrale Medianlinie Fig. 1. Der Prothorax I (flächenhaft ausgebreitet). Innere An- sicht der linken Köiperliälfte. Etwa ISfaeh vergrößert. B., Halshaut; A, Kehlplatte; est, Coxosternum; It, Ter- gum, Halshaut; Ist, Prosternum; pn, Apophyse; est, Ster- nellum; «a, unpaare Apophyse; sli, Stigma; pZi Epister- num; p/o. Epimerum; Ip, Pleiu-alleiste; c, Hüttgelenk- kopf; ap, Chitinleistc; ir«, tr^^, Teile des Trochantin; a, Vorderwinkel, h, Hinterwinkel der Hüfte; //, angrenzende Teile des Mesothorax. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 733 b. Thorax. (Taf. XVII, Fig. 1 und 2 /, //, ///.) Durch die Halshaut deutlich von der Kopfkapsel abgesetzt, reprä- sentiert sich der Thorax als ein langgestreckter cyHndrischer Segment- komplex, der sich nach vorn etwas verjüngt. Gegen die Halshaut frei begrenzt, ist er hinten niit. dem ersten Abdominalsegment {la) fest verschmolzen, und ist zusammengesetzt aus Prothorax (7), Mesothorax {II) und Metathorax (///). Die Beine sind im hinteren Bezirk eines jeden Segments mittels der Hüfte, dem zwischen Lateralregion und Sternum befindUchen Räume eingelenkt. Mesothorax und Metathorax zeichnen sich im Gegensatz zum Prothorax durch ungewöhnhche Längen- ausdehnung aus. Abgesehen davon zeigen die drei Segmente in ihrer Zusammensetzung aus einzelnen Skleriten große Übereinstimmung. Jedes Segment besteht aus der unpaaren Rückenschuppe oder dem Tergum {t), der unpaaren Bauchschuppe oder dem Sternum {st). Zwi- schen beiden liegt die thoracale Seitenwand (Voss), Lateralregion (Prell). Voss hat nachgewiesen, daß in dieser Seitenwand die Pleuren, also die Skelettstücke der pleuralen Region, nüt Anteilen des tergalen Bezirkes vereinigt sind. Diese tergalen Anteile der thoracalen Seiten- wand dürften mit der Sympleura von Eosentomon (Prell) identisch sein. Die Vosssche Ansicht, daß die thoracale Seitenwand somit zwei morphologisch verschiedenartigen Bezirken angehört, hat durch die PRELLschen Untersuchungen eine Bekräftigung erfahren. In der thora- calen Seitenwand ist ein vorderer oder episternaler {fl-i) und ein hinterer epimeraler Bezirk {iiil^) zu unterscheiden, der erste vor der Pleuralleiste {ly), der letztere hinter derselben. Eine sekundäre Subsegmentierung der einzelnen nach Berlese, Crampton, Snodgras u. a. primär einheit- lichen Hauptsegmente in vier Teile: Acro-, Pro-, Meso-, Metasubseg- ment (Berlese — Blattiden und Acerentomon — Prell Eosentomon — Crampton) ist bei Dixippus, sollte sie früher einmal bestanden haben, jetzt nicht mehr nachweisbar infolge »einer tertiären Verschweißung und Reduktion« (Prell). Die Rückenschuppen sind vollständig ein- heithche Gebilde. Am Metasternum (Taf. XVII, Fig. 2 III st) ist im Bereich der Apophyse {fci) im Chitin eine Felderung erkennbar, die auf die Verschmelzung von drei Skleriten hinweisen könnte. Analoges ist am Mesosternum nicht zu erkennen. Das Prosternum zerfällt in zwei deuthch und gelenldg abgesetzte Bezirke (Z st, est), denen sich vorne noch das paarige Coxosternum {est) anghedert. Die wenig zahlreichen, bei Dixippus vorhandenen Differenzierungen entsprechen offenbar auch 734 Lucie Jeziorski, hier »besonderen kinematischen Beanspruchungen, die ihnen durch die Muskulatur vermittelt wird« (Voss), d. h. den geringen Anforde- rungen an das kinematische System, das Dixifpus darstellt. Da Skelett und Muskulatur in Wechselwirkung zueinander stehen, so ist es meine Aufgabe-, eine morphologische Deutung dieser Differen- zierungen auf Grund der Befunde der Muskulatur zu versuchen. Voss gebührt das Verdienst, auf die Bedeutung dieser Beziehung, die Gkaber schon »die Glanzpartie des ganzen Kerf Organismus << nennt, mit allem Nachdruck hingewiesen und in seinen exakten Untersuchungen an Gryllus durchgeführt zu haben. In der DüRKENschen Bearbeitung der »TracheenMemenmuskulatur der Ephemeriden << ist dieser Gesichts- punkt ebenfalls maßgebend gewesen. a) Der Prothorax (/) (Textfig. 1, Taf. XVn, Fig. 1, 2, 3) ist von der enormen Verlängerung, die Meso- und Metathorax erfahren haben, ausgeschlossen. Seine Breite ist etwas geringer als die der andern Thoracalsegmente. Die Länge übertrifft die Breite nur sehr wenig. Das Protergum (t) oder der Halsschild ist eine einfache Platte, wie bei fast allen Orthopteren (Snodgrass), kräftig entwickelt, mäßig gewölbt, durch reiche Leistenbildung verstärkt und auf der Oberfläche mit zahlreichen Höckern versehen. Vorder- und Hinterrand sind nach vorn bzw. nach hinten abgerundet. Der Hinterrand hat spitz ausgezogene Ecken, während die Vorderrandsecken nach hinten umgebogen sind. Der Seitenrand zeigt zwei kräftige Einschnürungen: eine größere vor- dere, hervorgerufen durch die Einlenkung der Hüfte, und eine kleinere, hintere, in die das Stigma eingelassen ist. Eine kräftige Querleiste teilt das Halsschild ziemlich gleichmäßig in eine vordere und eine hintere Hälfte. In der Nähe des tergalen Seitenrandes verzweigt sie sich in drei Teile. Der mittlere Zinken ist erst etwas aufwärts gebogen, biegt dann mit einem spitzen "Winkel nach hinten um und zieht fast gerad- linig nach hinten, bis zum Hinterrand des Segments und teilt von der tergalen Fläche beiderseits ein spitzwinkliges Dreieck ab. Median- paarig entsendet die Querleiste, nur wenig von der MedianHnie ent- fernt, ganz kurze Chitinästchen, die dem Ansatz von Muskulatur dienen, nach hinten. Die kräftige Querleiste wird in der MedianHnie von einer bedeutend schwächeren gekreuzt, die rückwärts etwa in der Mitte der hinteren Tergumhälfte ausläuft, nach vorn in die kräftige Vorderrands- leiste hineingeht. Letztere zieht sich parallel zum Vorderrand und etwas hinter diesem über das Halsschild, solange der Vorderrand fast Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 735 gerade ist, dann gabelt sich die Leiste in ein hinteres kurzes Ende und einen erst aufwärts, dann nach hinten umgebogenen Zinken. Durch alle diese kräftigen Leistenbildungen erhält das Tergum eine besondere Festigkeit und die ansetzende Muskulatur feste Widerlager. Das prothoracale Sternum zerfällt in zwei Teile: ein vorderes Ster- nit (st) und ein hinteres Sternellum (est) (Voss, Snodgrass u. a.) (Post- sternum Amans, Spinisternum Crampton; epimerales Sternit Voss). Dieses Sternellum ist von Redtenbacher (Brunner und Redten- BACHER, Die Familie der Phasmiden 1908) dem Mesothorax zugeteilt worden. Meine Ergebnisse der Muskelpräparation beweisen seine Zu- gehörigkeit zum Prothorax. Das Prosternit ist bedeutend kleiner als das Tergum und sehr zierlich geformt. Der Vorderrand ist schmal und abgerundet. Der Seitenrand erst etwas eingeschnürt und dann kräftig ausgebogen. Der Hinterrand ist in spitze Ecken ausgezogen und leicht nach vorne ausgerandet. Das Sternit zeigt median als Apophyse pa, (Taf. XVII, Fig. 3; Textfig. 1) eine unpaare, etwa dreieckige Platte, die in der Medianhnie nach vorn auslaufende Ecke ist spitz ausgezogen. Hinten sitzt die Platte einer kräftigen Chitinleiste auf, die nach hinten ausgebogen in die Hinterrandsecken des Sternits hineinverläuft, und hier jederseits einen Höcker bildet, der dem Ansatz von Muskulatur dient. Die Leiste führt als Chitinbrücke zum Halsschild hinüber und läuft in den spitzen Winkel zwischen den beiden Ausbuchtungen des tergalen Seitenrandes hinein. Vor der Hüfte besteht ebenfalls eine kräftige Chitinverbindung zwischen Sternit und Tergum; lange schmale Seitenfortsätze, seitlich abgegliederte Teile des Sternits, die Coxosterna (est) stellen diese Brücke her und bilden den Vorderrand des Segments (Coxosternum Börners, Antisternum Amans, Acrosternite Berlese, Pre- sternum, Accessory sternal plate Snodgrass, Sternal laterale Crampton). Das Sternellum, est, das wiederum frei begrenzt, und vom Mesotho- rax durch- eine Intersegmentalhaut abgesetzt ist, hat die Form eines Trapezes mit abgerundeten Ecken, dessen breite Seite nach hinten liegt. Die Seitenränder, die in eine weichhäutige Lateralregion übergehen, werden durch mehrere große hohle Chitinhöcker markiert; etwas ent- fernt vom Hinterrande verläuft eine kräftige Chitinleiste, die median nach vorn etwas ausgezogen ist : die unpaare Apophyse (ua) ; sie dient dem Ansatz dorsaler Längsmuskulatur. Während sich das Mesotergum mit einer unregelmäßig eingefalteten Intersegmentalhaut unter den Hin- terrand des Protergums schiebt, greift das Prosternit mit einer beson- ders breiten Falte über das Sternellum hinüber, wodurch ventralseitig eine besondere Beweglichkeit erzielt wird. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CXVII. Bd. 48 736 Lucie Jeziorski, Zwischen Tergum und Sternum liegt die Lateralregion, in welche die Vorderhüfte eingelenkt ist, deren Rand eine längsovale Form hat. Die Hauptsklerite der thoracalen Seitenwand, Episternum {pl^) und Epimerum (^^2) sind entwickelt; doch ist nur das Episternum eine deutlich abgegrenzte Platte, deren Form durch den ausgebogenen ter- galen Seitenrand bedingt ist. Das Epimerum ist ein ziemlich häutiger Bezirk; beide sind durch die kurze Pleuralleiste (Ip) (Voss) (Entopleuron Amans, Ckampton, Apodem Kolbe, Pleurale Beelese) miteinander verbunden, die mit einem Hüftgelenkkopf c (Apophyse pediopleurale Amans; Coxalgelenkkopf Voss, Condilo pedifero Berlese, Coxal process Snodgrass und Crampton) in den Hüftrand eingelassen ist. Vor dem Hüftgelenkkopf zweigt sich von der Pleuralleiste nach vorn eine entsprechend dem Hüftrand ausgebogene Chitinleiste ap ab, die das Episternum begrenzt und vorn vor der Hüfte hinter dem Coxosternum mit einer Leiste, die von der andern Seite kommt, zusammenstößt. Der tergale Seitenrand wird bis zu seiner hinteren festen Verbindung mit dem Sternit von einer Falte bedeckt, die in der Mitte der vorderen Tergumhälfte am breitesten ist, mit einer mützenförmigen Ausstül- pung dem oberen Ende der Pleuralleiste begegnet, und Dorsoventral- muskeln zum Ansatz dient. Vor der Coxa liegt ein häutiger, halbmond- förmiger, mit mützenartig ausgezogener Sehne versehener Bezirk Tr^, der bei der Mittelhüfte und Hinterhüfte kräftig chitinisiert ist: Die Subcoxa (Präcoxalplatte Voss, Trochantin Audouin, Verhoeff, Trochantino Berlese). Zu der Region des Trochantin gehört noch eine kräftige Chitinleiste Tr^, die den Hüftrand im Bogen begleitend, ventral im Vorderwinkel a gegen den Hüftrand eingelenkt und mit langer Muskelsehne versehen ist. Vor der Hüfte stößt sie hinter dem Coxosternum mit der Leiste ap zusammen, mit dieser einen halbring- förmigen Rahmen für die vordere Hälfte des Hüftrandes bildend. Die Präcoxalplatte entspricht dem Coxaltrochantin, die gegen den Vorder- winkel der Hüfte einlenkende Leiste dem Antecoxaltrochantin Cramp- TONS. Über die Bedeutung dieses Trochantins und die verschiedenartigen Auslegungen desselben hat Prell eine zusammenfassende Übersicht gegeben. Der Hinterwinkel b der Hüfte ist der Ausgangspunkt dreier kräftiger Chitinsehnen zum Ansatz von Muskeln; zwischen Vorder- und Hinterwinkel unterscheidet man den Seitenrand, in den der Hüft- gelenkkopf c eingefügt ist und den ebenso kräftig chitinisierten Innen- rand, der neben dem Hinterwinkel in die Coxalöffnung vorspringt. Auch dieser Vorsprung dient dem Ansatz von Muskulatur. Der Lateral- bezirk hinter der Hüfte ist weichhäutig und wird durch die Chitin- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 737 brücke zwischen Sternit und Tergum in zwei Teile geteilt; die weiche Flankenhaut legt sich mit einer in der Mitte breiten, nach den Enden zu verlöschenden Falte über den Seitenrand des Sternits. E st ß) Mesothorax (//). (Taf. XVn, Fig. 1, 2. 4; Textfig. 2.) Der Mesothorax ist das längste Segment des ganzen Insekten- körpers. Das Tergum t (Taf. XVII, Fig. 1), Mesonotum Voss, Meso- dorsum Amans, ist ein langgestreckter, gewölbter Schild, dessen Vorderrand durch eine Chitinleiste ge- bildet wird, die sich median etwas verbreitert (Rand- wulst DÜRKEN, Vorder- randsleiste Prell). Sie verläuft in einem in der Mitte nach vorn offenen flachen Bogen, ist an den Seiten nach hinten umge- bogen und geht ganz wenig den Seitenrand hinunter, nachdem sie kurz vorher beiderseits einen ganz kur- zen Seitenast nach hinten abzweigen läßt. Die Seiten- ränder sind durch eine weichhäutige Falte gegen die thoracale Seitenwand abgesetzt, schwach nach außen gebogen und ver- schmälern sich nach hin- Fig. 2. Mesothorax II (flächenhaft ausgebreitet). Innere Ansicht der linken Hüfte mit den angrenzenden Bezirken. Etwa ISfach vergrößert. Ilt, Mesotergum; Ilst, Mesosternum; -p^ -p-. ^ , pli, Episternum, plz, Epimerum; ep, Chitinleiste; Ip, Pleu- ren etwaS. Der MmterranO. raUeiste; c, Hüftgelenkkopf; a, Vorderwlnkel; ö, Hinter- ist geradlinio- beo-renzt, wlnkel der Hüfte; «r^j, >um ein festes Widerlager für die Coxal- muskeln abzugeben, die sich bei den geflügelten Insekten an der Zu- sammensetzung der Flugmuskulatur beteiligen« (Prell). Auch Voss hatte bereits das Auftreten der Pleuralleiste im Skelett »als wesent- liche morphologische Begleiterscheinung des Flügels« bezeichnet. II. Die Muskulatur. (Taf. XIX, Fig, 6.) 1. Einführung in die Darstellung der Muskulatur. Die Präparation und Beschreibung der Muskeln geschah in anal- oraler Richtung von den primären einfachen Verhältnissen, wie sie im Abdomen gegeben sind, ausgehend, zu denen des Thorax, die kom- plizierter sind infolge erhöhter physiologischer Beanspruchung. Die untersuchte Muskulatur läßt sich, wie bei andern Insekten (Voss 1905 und 1912, DüRKEN 1907; Berlese 1909) in verschiedene Kategorien einteilen. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 747 I, Längs muskiilatur: 1. Ventrale Längs muskeln; a) Mediale Gruppe, b) laterale Gruppe. 2. Dorsale Längsmuskeln: a) Mediale Gruppe, b) laterale Gruppe. II. Dorso ventral muskulatur (mittlere mediale echte Dorso- ventralmuskeln, die vom medialen Bezirk des Tergum zur ster- nalen Region ziehen)": a) Intersegmentale Dorsoventralmuskeln, b) vordere episternale Gruppe, c) hintere epimerale Gruppe. III. Seitenmuskulatur, Pleuralmuskulatur: 1. Dorsoventrale Seitenmuskeln, die vom tergalen Seiten- rand zur seitlichen Sternalregion ziehen: a) Intersegmentale Muskeln, b) vordere episternale Gruppe, c) hintere epimerale Gruppe. 2. Unterbrochene Seitenmuskeln: a) Sternal pleurale, die Lateralregion und Sternum, b) tergalpleural«, die Lateralregion und Tergum, c) intratergale Seitenmuskeln, die seitlich gelegene tergale Skelettbezirke miteinander verbinden. IV. Die sternale Muskulatur. Sternale Beinmuskeln, die nur sternalen Bestandteilen des Skeletts angehören. Nicht alle Gruppen sind in allen Segmenten vorhanden. Eine Übersicht am Schlüsse der Beschreibung der Muskulatur eines jeden Segmentes gibt jedesmal darüber Aufschluß. Die Muskulatur verbindet entweder Skelettbezirke desselben Segments miteinander, segmentale Muskulatur, oder sie verbindet zwei unmittelbar hintereinander lie- gende Segmente, einfach intersegmentale Muskulatur, oder sie zieht durch drei hintereinander hegende Segmente, doppelt intersegmentale. Intersegmental sind teilweise sowohl die medialen, als auch die lateralen Dorsoventralmuskeln des Thorax und der Halshaut (in der letzten, soweit vorhanden), die gesamte dorsale Längsmuskulatur und die ven- trale, bis auf einen prothoracalen Muskel. Die Lateralregion des Seg- mentum medianum weist durch Einschiebung zwischen die Teile des Metathorax intersegmentale Flankenmuskulatur auf. Für die Muskeln 748 Lucie Jeziorski, ist bis auf einzelne Ausnahmen eine streng topographische Nomen- klatur durchgeführt. Die zweckmäßigen Abkürzungen der Muskel- bezeichnungen von Voss, die schon verschiedentlich Anwendung ge- funden haben, habe auch ich übernommen. Im Thorax bezeichnen die gleichnamigen Muskeln durchweg homologe Muskeln; doch ist bei gleichen Bezeichnungen der Muskeln in Abdomen und Thorax eine Homologie nur vorhanden, wenn sie ausdrückhch angegeben ist Nach Möglichkeit haben die durch einen Vergleich von Dixip'pus mit Gryllus domesticüs festgestellten homologen Muskeln den gleichen Index er- halten. Abweichungen sind jedesmal an der betreffenden Stelle an- gegeben. Der Index bezeichnet also nicht die Zahl der in den einzelnen Kategorien vorkommenden Muskeln, sondern drückt Homologien so- wohl der einzelnen Thoraxsegmente untereinander als auch mit Gryllus aus, dessen Verhältnisse zugrunde gelegt sind. Die Abkürzungen der Muskelnamen erleichtern die Orientierung auf den drei Schemata, wo die Übersichtlichkeit der einzelnen Kategorien auch durch Anwendung verschiedener Farben in der Lateralregion angestrebt ist. Photo- graphische Situationsbilder sollen im Verein mit den Schemata eine klare Anschauung der Muskelverhältnisse vermitteln. Alle beschriebenen Muskeln sind paarig vorhanden. Die spezielle Muskulatur der Organe wie die des Darmes, des Kückengefäßes ist unbe- rücksichtigt gelassen; die einzelnen Muskeln zeigen typische Querstrei- fung und setzen sich aus einzelnen Fasern zusammen. Teilweise ist ein Zerfall in kleinere Bündel zu konstatieren, der da berücksichtigt worden ist, wo eine deutliche, konstant bei einer Anzahl von Exemplaren wiederkehrende Güederung, die eine morphologisch-kinematische Be- deutung zu haben schien, beobachtet werden konnte. Die Mus- keln inserieren teils mit breitem, flachen Ansatz auf dem Chitin, teilweise sind sie mit Sehnen von sehr ungleicher Länge versehen, von einer geringen Andeutung einer solchen, bis zu der langen Sehne des mesothoracalen ventralen Längsmuskels, der sowohl durch diese Sehne, als auch durch seine eigenartige Form ein gewisses deskriptives Interesse hat. Die Muskelansätze sind im Chitin auch an den mit Kalilauge be- handelten Präparaten deutlich zu sehen. Die Dicke der Muskeln ist in ihrem Verhältnis zueinander auf den Schemata durch die umrandeten Ansatzflächen zum Ausdruck gebracht und bei der Beschreibung durch Angaben, wie »sehr kräftig«, »kräftig«, »mäßig«, »schwach ent- wickelt« allgemein charakterisiert. Einige Längen- und Breitenmaße sind im 2. Teil tabellarisch aufgezeichnet. Die Form der Muskeln läßt sich auf verschiedene Grundtypen zurückführen. i Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 749 1. Gleichmäßiger Belag von mehr oder weniger dicht und regel- mäßig nebeneinander hegenden Faserbündeln oder einzelnen Fibrillen (Seitenmuskulatur und abdominale, ventrale Längsmuskulatur), 2. bandförmige Muskeln, hauptsächlich Längsmuskulatur, 3. cyhndrische, 4. kegelförmige Muskeln, 5. fächerförmige, dreieckige und andre, teilweise absonderliche Formen. Einen abnormen Muskel, ähnhch einer vielfach verschlunge- nen Schleife, zeigt Taf. XIX, Fig. 7 (ahn). Er befindet sich auf dem Metatergum, dort, wo bei andern Exemplaren der mediale Dorso- ventralmuskel dvm 3+4 ansetzt. Wahrscheinlich ist diese Abnormität auf eine Verletzung, ein Abreißen des Muskels von seiner Ansatzstelle am Hüftrand, zurückzuführen. Die Fasern haben sich auf dem Tergum mit beiden Ansatzstellen befestigt. Eine Funktion ist mit der Ablösung vom Hüftrande wohl kaum vorhanden. Je nach der Form verlaufen die Fasern parallel oder convergieren zur Ansatzstelle hin. 2. Beschreibung der Muskulatur. a. Zweites Abdominalsegment [IIa). (Textfig. 4; Taf. XIX, Fig. 6.) Die Längs muskulatur ist symmetrisch zur Medianlinie an- geordnet, gut entwickelt und in mehrere paarige Muskelbündel diffe- renziert, die teils über-, teils nebeneinander angeordnet, die hintere Fläche des Tergums, bzw. des Sternums einnehmen. Die ganze Mus- kulatur ist intersegmental und be^virkt die gegenseitige Annäherung der Segmente und die Krümmung des Abdomens. Dorsale Längsmusknlatnr. 1. IIa dlnii. Musculus dorsoventralis primus. Intersegmen- taler dorsaler Längsmuskel, ein breiter, dünner Muskel, verläuft parallel zur Medianhnie, setzt auf der Fläche des Tergums an und zieht zum Vorderrande des vorhergehenden Segments. 2. IIa dhn^. Musculus dorsalis secundus. Intersegmentaler dorsaler Längsmuskel, ein paariger Muskel, der unweit der Medianlinie und dieser parallel verläuft. Seine Länge beträgt etwa ein Drittel der Länge des zugehörigen Tergums. Er ist mäßig dick, in seinem ganzen Verlauf nahezu gleichbreit, setzt auf dem hinteren Drittel der ter- galen Fläche an und zieht zum Vorderrand des vorhergehenden Seg- ments, dlm-^ teilweise verdeckend. 7£0 Lucie Jeziorski, 3. Iladlm^. Musculus dorsalis tertius. Intersegmentaler dorsaler Längsmuskel; ein ziemlich kräftiger Muskel, vorn etwas breiter als hinten. Er setzt auf dem hinteren Teile des Tergums an, zieht etwas schräg medianwärts nach hinten und inseriert auf dem Vorderrand des vorhergehenden Segments, unmittelbar neben dlnix und dlm2- 4. IIa dlm^. Musculus dorsalis quartus. Intersegmentaler, dorsaler Längsmuskel, Er ist etwas breiter und weniger schräg als ITa Dorsale Median/in/e Ventrale Medianlinie Fig. 4. Innere Ansicht des 2. Abdominalsegments und der angrenzenden Bezirke. Schematische Dar^ Stellung der Muskulatur der linken Körperhälfte, t, Tergum; st, Sternum. Die Muskeln sindl durch gerade Linien gekennzeichnet: dhn, vlm, Idvm, stim kräftig, pm, pstm schwächer ausgezogen,! die dvm sind durch punktierte Linien dargestellt. Die Größe der Muskelansatzflächea ist durch] Punktierung angedeutet. dlm^, setzt auf der tergalen Fläche an und verläuft, sich verbreiternd,] zum, Vorderrand des vorhergehenden Segments. 5. Iladlm^^. Musculus dorsalis quartus. Intersegmentaler] dorsaler Längsmuskel. Ein breiter, dünner, sehr kurzer Muskel, dessen Breite der des ihn deckenden dlm4^ entspricht. Ansatz auf der Flächej des Tergums nahe dem Hinterrande und Insertion auf dem Vorder- rande des vorhergehenden Seecments. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 751 6. IIa dlm^. Musculus dorsalis quintus. Dorsaler interseg- mentaler Längsmuskel, der lateralste aller dorsalen Längsmuskeln. Er verläuft parallel zur Medianlinie, setzt schräg auf der tergalen Fläche an. Die Muskelfasern verkürzen sich zum Seitenrand hin, und in- serieren auf dem Vorderrande des vorhergehenden Segments. Die etwas schräg verlaufenden Muskeln ermöglichen ein Wölben und Ver- flachen des Tergums. Ventrale Läugsmasknlatnr. 7. Ilavlnii. Musculus ventralis primus. Intersegmentaler ventraler Längsmuskel, ein kräftiger, breiter und flacher Muskel, der parallel zur Medianlinie und nur wenig von derselben entfernt verläuft. Er setzt auf dern hinteren Drittel der sternalen Fläche halbkreisförmig an, verläuft immer gleichbreit nach hinten zum Vorderrande des vor- hergehenden Segments, 8.IIavlm2- Musculus ventralis secundus. Intersegmentaler, medianpaariger ventraler Längsmuskel, ebenfalls ein kräftiger, breiter und flacher Muskel, etwas kürzer als vlmi- Er verläuft lateralwärts von ihm ebenfalls mit parallelen Fasern, die sich aber seitwärts immer mehr verjüngen. Der Muskel entspringt auf der sternalen Fläche mit schräger Ansatzstelle und verläuft nach hinten zum Vorderrand des vorhergehenden Segments. 9. Ilavlm^^. Musculus ventralis primus pars secundus. Intersegmentaler, ventraler, paariger Längsmuskel, ein flacher Muskel, kürzer und schmaler als die beiden andern. Er verläuft seitlich unter vlmi, setzt wie dieser auf der hinteren sternalen Fläche an und zieht zum Vorderrand des vorhergehenden Segments. 10. Ilavlm^. Musculus ventralis tertius. Intersegmentaler, ventraler, paariger Längsmuskel, ein kurz-faseriger Muskelbelag, der unter den drei oben beschriebenen Muskeln herzieht. Die Fasern setzen auf der Fläche des Sternums, nicht weit vom Hinterrande an und en- digen auf dem Vorderrande des vorhergehenden Segments. Dorsoventralmusknlatur (mediale). Die Dorsoventralmusknlatur, wie die gesamte Flankenmüskulatur überhaupt, bot der Präparation große Schwierigkeit, da sie aus einem dreifachen Belag schwacher, einzelner Muskelfasern besteht, die in einem gut ausgebildeten Fettkörper eingebettet hegen, und sich nur schwer unversehrt aus demselben herauslösen lassen (Textfig. 5). Wohl- differenzierte Muskelbündel sind nur wenige vorhanden. Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CXVII. Bd. 49 752 Lucie Jeziorski, 11. lladvm-i. Musculus dorsoventralis primus. Segmentaler medialer vorderer Dorsoventralmuskel. Er setzt auf dem medialen Teile des Tergums unmittelbar hinter der Vorderrandsleiste unter dlm^^ und einwärts von dlm^ an und zieht hinüber zum vorderen Seiten- rande des Sternums. 12. Iladvm2- Musculus dorsoventralis secundus. Segmen- taler medialer hinterer Dorsoventralmuskel, ein hinter dem Stigma beginnender, bis zur Höhe Tergum von dlm^ reichender Muskel- belag, der mit lateral- dorso- ventralen Fasern alterniert. Die Fasern von awn2 begin- Jdvm \ nen auf dem medialen Ter- Pl euren gum, auf der Höhe von dlm/^, und ziehen zum sternalen Seitenrand. Seitenmnsknlatar. Laterale Dorsoventral- muskulatur. 13. IIa Idvnti. Muscu- lus lateralis dorsoven- tralis primus. Segmentaler vorderer, lateraler Dorsoven- tralmuskel, ein schwacher Muskel, nur aus wenigen Fasern bestehend. Er setzt seitlich auf der kräftigen Vorderrandsleiste des Ter- gums an und zieht zum vorderen Seitenwinke] des Sternums hinüber. Er ist wie die vorhergehenden ein Atemmuskel, der durch Zusammenpressen des Abdomens in dorsoventraler Eichtung wirkt. 14. IIa ldvm2. Musculus lateralis dorsoventralis secundus. Segmentaler, lateraler, hinterer Dorsoventralmuskel. Ein hinter dem Stigma beginnender, mit medialen dorsoventralen Fibrillen bis zur Höhe von dlm^ alternierender Muskelbelag, der bis zum Hinterrande des Segments reicht, zieht vom tergalen zum sternalen Seitenrand. Die Dorsoventralmuskeln bewirken die Kompression des Ab- Sternum Medianlinie ^ Fig. 5. Querschnitt durchs Abdomen (scheraat.). ävm, me- diale Dorsoventralmuskulatur; Idvm, laterale Dorsoven- tralmuskulatur; pm, Pleuralmuskulatur, imterbrochene Seitenmusknlatur. Der Thorax von Dixippus moroeus (Carausius). 753 domens von oben nach unten und leisten dadurch als indirekte Atem- muskulatur ihre Dienste. Unterbrochene Seitenmnsknlatnr. 15. Ilapm. Musculus lateralis. Segmentaler, hinterer, tergal- pleuraler Muskel, ist ein gleichmäßiger Belag von Muskelfasern, der hinter dem Stigma beginnt und die ganze Flanke entlang unter den Dorsoventralniuskeln her bis zum Hinterrand des Segments zieht. Er inseriert auf derselben Linie auf dem tergalen Seitenrande wie ldvm2, unter dem er beginnt. Die Fasern verlaufen dicht gedrängt neben- einander und endigen auf der pleuralen Falte, die sternalwärts hinter dem Stigma die ganze Pleuralregion entlang zieht. Er regelt die Be- ständigkeit dieser Falte und ist ebenfalls ein Atemmuskel. 16. Ilapstm. Musculus lateralis parastigmaticus. Seg- mentaler, vorderer, sternalpleuraler Flankenmuskel. Er tritt in Be- ziehung zum Stigma, da er am vorderen Seitenrande des Sternums be- ginnt, ziemlich breit und mit parallelen Fasern auf der hinter dem Stigma verlaufenden Falte inseriert, und so als Stigmenöffner funktio- niert, 17. IIa Stirn. Musculus stigmaticus constrictor peritre- matis, echter Stigmenmuskel und zwar Stigmenschließer. Er setzt seitlich sternalwärts an einem Chitinvorsprung der chitinösen Ein- fassung des Stigmas an, zieht schräg über das Stigma hinweg und endigt vor demselben an einem zweiten Vorsprung. Sowohl dieser Muskel, als auch der vorhergehende sind unmittelbare direkte Atem- muskeln. Die Muskulatur des zweiten Abdominalsegments stimmt mit dem dritten und den weiteren Abdominalsegmenten überein. Doch ist die Flankenhaut des zweiten tiefer eingefaltet als die der nachfolgenden Segmente. Die Falten vertiefen sich noch nach dem Vorderrande hin. Infolgedessen sind die Flankenmuskeln des zweiten Segments kürzer als die der andern, besonders zum Vorderrande hin. b. Segmentum medianum Ja. (Taf. XVIII, Schema 2; Taf. XIX, Fig. 6, 7, 8, 9.) Längsmnsknlatnr. Yentrale Längsmnsknlatnr. 1. lavlrrii. Ventraler intersegmentaler Längsmuskel. Ein kurzer Muskel, der auf der Fläche des Sternums ansetzt und auf dem vorderen Eande des zweiten Abdominalsternums endigt. Der zur Medianlinie hin liegende Teil ist von /// vlm verdeckt. 49* 754 Lucie Jeziorski, 2. lavlniQ- Ventraler intersegmentaLer Längsmuskel. Kurz und wenig kräftig, setzt er auf dem seitlichen Teil des Sternums an und endigt auf dem Vorderrande des zweiten Abdominalster- nums neben vlmi. Beide bewirken die ventrale Annäherung der Seg- mente. Die dorsale Längsmuskulatur entspricht der in den übrigen Ab- dominalsegmenten. Mediale DorsoTentralmuskulatnr. 9.1advm. Musculus dorsoventralis. Segmentaler, medialer Dor so Ventralmuskel, ein kräftiger Muskel. Er beginnt auf dem ter- galen Seitenrand mit fächerförmig ausgebreiteten Fasern und zieht zum Seitenrand des ersten Abdominalsternums. Seiteumnskulatnr. Laterale dorsoTentrale Musknlatnr. 10. laldvm-i- Musculus lateralis dorsoventralis primus. Segmentaler, lateraler vorderer Dorsoventralmuskel. Er zieht von der vorderen Hälfte des tergalen Seitenrandes schräg nach hinten zum vorderen Seiten winkel des ersten Abdominalsternums, ein schwacher Muskel, nur aus wenigen Fasern bestehend. 11. Ialdvm2. Musculus lateralis dorsoventralis secundus, segmentaler, lateraler, hinterer Dorsoventralmuskel. Ein flacher und nicht sehr kräftiger Muskel, der vom hinteren Seitenrande des Tergums zum hinteren Seitenrande des Sternums hinüberzieht. Unterbrocliene Seitenmnskeln. 12. la ipm. Musculus intersegmentalis lateralis. Inter- segmentaler, tergalpleuraler Flankenmuskel. Er ist hinter der Coxa segmental, zieht vom tergalen Seitenrande zur Flankenhaut; weiter nach vorn endigen die Fibrillen auf dem Seitenrande des metathora- calen Epimerum, dann des Episternum; der Belag erfährt durch das Peritrema eine Unterbrechung und wird zum Schluß wieder segmental, tergalpleural und zwar zum Metathorax gehörig, da er vom Seiten- rande des Metatergums zum Seitenrande des metathoracalen Epister- num zieht. Weil er ein einheitlicher, zusammengehöriger Muskelbelag ist, der den Zweck hat, die teils segmentale, teils intersegmentale Be- weglichkeit der Lateralregion des Segmentum medianum gegen die verschiedenen angrenzenden Skeletteile, gegen die sie beweglich ab- gesetzt ist, zu regeln, so ist der Muskelbelag hier im Zusammenhange behandelt, trotzdem er in seinem vorderen Teile durch die beider- seitige Insertion dem Metathorax angehört. Diese eigenartigen Be- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 755 Ziehungen sind dadurch geschaffen, daß die Lateralregion vorn zwischen dem Tergum des Segmentum medianum und des Metathorax einerseits, und Epimerum und Episternum des Metathorax anderseits eingeschoben ist. Durch die obenerwähnte Funktion dient der Muskelbelag zu gleicher Zeit, wenn auch nur in geringerem Maße, infolge der starren Platte, in die das Peritrema eingelassen ist, als indirekte Atemmuskulatur. 13. la stm. Musculus lateralis stigmaticus. Intersegmen- taler, intrapleuraler Flankenmuskel des Stigma, ein Stigmenöffner; er zieht vom seitlichen Chitinvorsprung des Peritrema zum Seitenrande des metathoracalen Epimerum. 14. la stini. Musculus stigmaticus constrictor peritre- matis. Echter Stigmenmuskel, als Stigmenschließer. Er verbindet die beiden Chitinvorsprünge des Peritrema miteinander. Yergleich des Segmentnm mediaunm mit den folgenden Abdominal- segmenten. Aus der Verschmelzung des Segmentum medianum mit dem Meta- thorax gehen verschiedene Abänderungen der abdominalen Muskulatur hervor. Die tergale Längsmuskulatur hat sich fast unverändert er- halten. Die ventrale Längsmuskulatur ist dagegen auf zwei kurze, mäßig entwickelte Muskeln reduziert; einen medialen und einen late- ralen. Die Flankenmuskulatur ist infolge der besonderen Verhältnisse der Lateralregion etwas modifiziert. Es ist nur ein medialer Dorso- ventralmuskel vorhanden, der sternal ein vorderer Muskel ist, tergal aber dem hinteren Bezirke angehört. Sein Charakter als medialer Dorso Ventralmuskel ist verwischt, da er auf dem tergalen Seitenrande ansetzt. Doch ist dies auch bei dem intersegmentalen, metathoracalen, medialen Dorsoventralmuskel der Fall. Idvnii und ldvm2 sind im Segmentum medianum, wie auch in den andern Abdominal Segmenten vorhanden. Doch zieht Ivdmi nicht wie in den folgenden senkrecht von oben nach unten vom Tergum zum Sternum, sondern von vorn oben nach hinten unten infolge der ungleichen Längenausdehnung des Tergums und des Sternums. Ersteres reicht um die doppelte Länge des Sternums weiter nach vorn. Die drei Muskeln sind sternal ziemlich nahe zusammengerückt, da das Sternum sehr schmal ist; ein tergalpleuraler 'pstm, der in den folgenden Segmenten als Stigmen- öffner funktioniert, fehlt, dafür ist im Segmentum medianum ein spezieller echter Stigmenöffner vorhanden. Der tergalpleurale Muskel- belag des Segmentum medianum läßt sich mit dem tergalpleuralen Muskelbelag der andern Segmente vergleichen. 756 Lucie Jeziorski, Morphologische Betrachtung der Abdoiuiualmnskeln mit Berücksichtigung der Yerhältnisse bei Gryllus domesticus. Allen Abdominalsegmenten einschließlich des Segmentum media- num ist eine wohldifferenzierte dorsale Längsmuskulatur gemeinsam, die im Zusammenhang mit der ventralen der intersegmentalen Ver- bindung und Verschiebung der einzelnen Segmente gegeneinander dient, der Biegung des Hinterleibes nach oben, die im besonderen Maße in dem ersten Stadium zu beobachten ist, und einer leichten Krümmung des Abdomens nach rechts und links. Die dorsale Längsmuskulatur zerfällt in fünf wohl differenzierte Bündel, von denen dlm^ zweiteihg ist. Diese Muskeln nehmen in ununterbrochener hinterer Ansatzlinie die ganze Breite des Tergums ein, bis zum Ansätze der Ivdm. Zwischen dlms und dlm^^ zeigt sich eine mehr oder weniger deutliche Lücke, die eine Teilung in eine mediale und eine laterale Gruppe zuläßt. Die ventrale Längsmuskulatur ist medianwärts zusammengedräng-t, mit ununterbrochener Ansatzlinie, und zerfällt in einen zweiteiligen medianen Muskel vlm-^_-j^^ und ein laterales Bündel vlm2- Unter beiden ist ein gleichmäßiger kurzer, undifferenzierter Belag: vlni^. Erwähnung finde noch ein bei drei Exemplaren gefundener dorsaler segmentaler Längsmuskel des zweiten Abdominalsegments * (Taf. XIX, Fig. 6, 8), der von der Vorderrandsleiste hinter la dlm-i ansetzend, nach hinten ziehend noch auf der vorderen Hälfte des Tergums ansetzt. Er ist ein direkter Antagonist von la dlnii und kann nur zur Erhaltung der Lagebeziehung und zur Erhöhung der festen dorsalen Verbindung der beiden ersten Abdominalsegmente und weiterhin von Thorax und Abdomen dienen. Auch die Anordnung der ventralen Längsmuskulatur zeigt deutlich die Tendenz, erstes und zweites Abdominalsegment und Metasternum fester miteinander zu vereinigen. Die Flanken muskulatur zerfällt in eine dorsoventrale, eine unter- brochene vordere sternalpleurale, eine unterbrochene hintere tergal- pleurale und den intrapleuralen echten Stigmenschließer. Inwiefern die Verhältnisse in der Flankenhaut des Segmentum medianum redu- ziert und modifiziert sind, ist schon dargelegt. Bei der Dorsoventralmuskulatur ist ein Unterschied zu machen zwischen dvnii ^^^ 2 ^^^ Idvmi und 2- Letztere setzen auf dem dor- salen Seitenrande an, erstere mehr oder weniger hoch auf dem medialen Tergura, einwärts von dlm^. Die von Voss bei Gryllus im Anschluß an die vergleichende Anatomie des ersten Stadiums und der Imago gegebene Definition eines echten medialen Dorsoventralmuskels läßt Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 757 sich nur mit Vorbehalt auf die als mediale Dorsoventralmuskeln bei Dixippus bezeichneten Muskeln beziehen. Vor allem sind die Muskeln bei Gryllus trotz ihrer hohen morphologischen Bewertung nur im Embryonalstadium vorhanden, und verschwinden sofort mit dem Weg- fall einer Funktion. Die Lagebeziehung zu dlm^ stimmt bei beiden Tieren überein; doch bildet dlm^ im ersten Stadium von Gryllus eine besonders abgeteilte laterale Gruppe, welche die Ansätze der lateralen Dorsoventralmuskulatur und der embryonalen medialen Dorsoventral- muskulatur streng voneinander scheidet. Bei Dixippus dagegen diffe- renziert sich dlm^ nicht als eine getrennte Untergruppe, sondern setzt in ununterbrochener Reihenfolge neben dlm^^ an. Voss gibt weiter an, daß mit dem Wegfall der embryonalen ventralen Dorsoventralmusku- latur eine Vereinheitlichung der dorsalen Längsmuskulatur zu einem zusammenhängenden, nicht mehr differenzierten Belag gegenüber den primären wohldifferenzierten Verhältnissen des ersten Stadiums ein- getreten ist. Nun weist die Imago von Dixippus deutlich dem ersten Stadium von Gryllus ähnliche primäre Verhältnisse durch die Fünf- teilung auf. Es dürfte deshalb die Annahme nicht von der Hand zu weisen sein, daß es sich hier auch um eine mediale Dorsoventralmusku- latur handelt, die sekundär in den Dienst der Atmung gestellt ist, zur Verstärkung der lateralen Dorsoventralmuskulatur. Eine ent- wicklungsgeschichtliche Untersuchung würde hier erst sicheren, vollen Aufschluß geben. So schematisch klare, wohldifferenzierte Verhält- nisse wie bei Gryllus ergeben sich bei der Imago von Dixippus nicht. Deshalb sind dvmi und 2 nur ganz allgemein mit den embryonalen dvmi_2, sowie Idvm^ und Idvm^ mit Idvmi und 2 bei Gryllus zu ver- gleichen. pstm bei Dixippus ist identisch mit pstfUß und stm bei Gryllus. pm [Dixippus) mit pm^ 5 ( Gryllus) ; ebenso entsprechen die stim ein- ander, la stm (Dixippus) weist keine vollkommene Übereinstimmung mit stm bei Gryllus auf, da er nicht sternalpleural, sondern intrapleural ist, infolge der Einschiebung der Lateralreg'.on des Segmentum me- dianum zwischen das zugehörige Tergum einerseits und die thoracale Seitenwand des Metathorax anderseits, wodurch er auch noch inter- segmental wird. Das normale Abdominalsegment hat 17 Muskeln, deren Zahl sich im Segmentum medianum auf 14 reduziert. I. Dorsale Längsmuskulatur. 1. Mediale Gruppe Idvnii — Idvm^. 2. Laterale Gruppe Ivdm^ und Idvm^. 758 Lucie Jeziorski, II. Ventrale Längs miiskulatur. 1, Mediale Gruppe vlm-^_.j^^ , vlms. 2, Laterale Gruppe vlm2, vlm^. III. Mediane Dorsoventralmuskulatur: vorderer Muskel dvmi, hinterer Muskel dvm2 (Muskelbelag). IV. Seitenmuskulatur. 1. Laterale Dorsoventralmuskulatur: vorderer Muskel Idvmi, hinterer Muskel ldvm2 (Muskelbelag). 2. Unterbrochene Seitenmuskulatur. Tergalpleuraler pm (Muskelbelag)j sternalpleuraler 'pstm, intrapleu- raler Stirn. c. Metathorax. Einzelbeschreibuug der Muskeln. (Taf. XVIII, Schema 2; Taf. XIX, Fig. 6, 7, 8, 9.) Die Längsmnskulatnr. Ventrale Läng-smusknlatur. 1. III ivlm. Musculus metasterni. Doppelt intersegmentaler, medianpaariger ventraler Längsmuskel, ein kräftiger Muskel, der jeder- seits der hinteren Hälfte des medianen Teiles der Metapophyse und an der rechts und links von ihr abzweigenden Chitinleiste ansetzt. Die Fasern ziehen schräg naeh hinten, — die mediansten sind kürzer als die lateralen, — über das Sternum des ersten Abdominalsegmentes hinweg zum Vorderrande des zweiten Abdoniinalsternums; der Muskel dient der intersegmentalen Beweglichkeit der Segmente gegeneinander. Auch ist er durch den schrägen Verlauf der Fasern, deren Ansatz sich median an der Apophyse konzentriert, befähigt, als Rotator zu wnrken. Ander- seits ist durch die Anordnung der Fasern kein größerer Spielraum zur Funktionsentwicklung gegeben, und der Muskel verleiht dem Bezirk eine besondere Festigkeit. Eine dorsale Längsmuskulatur fehlt. Dorsoventralmnsknlatnr (mittlere mediale echte). Intersegmentalmnskel. 2. III ism. Musculus intersegmentalis dorsoventralis metathoracis. Intersegmentaler Dorsoventralmuskel, ein mäßig entwickelter Muskel, der am Seitenrande der paarigen Metapophyse ansetzt, zuinnerst über die Coxalmuskulatur hinwegzieht und mit divergierenden Fasern auf dem Seitenrande des Tergums des Segmentum medianum ansetzt. Seine Funktion ist die eines Ro- tator. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 759 Gruppe des Torderen Dorsoveutralmuskels. 3. III dvm^. Musculus dorsoventralis quintus metatho- racis troclianteris. Segmentaler Dorsoventralmuskel des Trochanter, ein kräftiger, parallel-faseriger Muskel, der auf dem medianen Tergum ansetzt und ventral mit einer Chitinsehne vorn am Trochanter endigt. Er ist ein Elevator trochanteris. Gruppe des hinteren Dorsorentralmuskels. 4. III dvm^- Musculus dorsoventralis secundus metatho- racis coxae. Hinterer segmentaler Dorsoventralmuskel, ein gut ent- wickelter Muskel, der im medianen Bezirk des hinteren Tergums an- setzt und an breiter, kräftiger Sehne im Hinterwinkel endigt. Er ist ein Depressor coxae; ebenso wie der folgende: 5. III dvm^_^^. Musculus dorsoventralis tertius et quar- tus metathoracis coxae. Hinterer segmentaler Dorsoventralmuskel, ein mächtig entwickelter Muskel, der in langer schräger Ansatzfläche vor dvm2 ^^^ der Fläche des mittleren Tergums ansetzt, wie alle me- dianen Dorsoventralmuskeln durch einen intratergalen Muskelbelag vom tergalen Seitenrande getrennt. Er zieht nach hinten und endet mit dvm2 an gemeinsamer Sehne im Hinterwinkel der Hüfte. Seitenmusknlatur. DorsOTentrale Seitenmnskulatur. Gruppe des vorderen episternalen Seitenmuskels. 6. Illldvm^. Musculus dorsoventralis lateralis primus metathoracis. Segmentaler, episternaler, dorsoventraler Seiten- muskel, ein mächtiger Muskel, der in langer Ansatzhnie an der epister- nalen Leiste entlang läuft, die den thoracalen Seitenrand begleitet. Der Muskel beginnt etwas weiter nach vorn als dvm^j^^ und endigt neben der Pleuralleiste. Die Fasern konvergieren seitlich an der breiten Sehne, die aus dem Trochantin herauswächst. Der Muskel ist ein kräf- tiger Elevator coxae. 7. III Idvm^. Musculus dorsoventralis lateralis tertius metathoracis trochanteris. Segmentaler, episternaler, dorsoven- traler Seitenmuskel, ein kräftiger Muskel, der den hinteren Teil des Idvmi verdeckt. Er setzt über Idvmi an der Leiste an, so daß die Fasern von Idvnii hier etwas zurückgedrängt werden. Die Fasern von Idvm^ konvergieren und endigen mit dvm^ an gemeinschaftlicher Sehne vorn am Trochanter. Er ist ebenfalls ein Elevator trochanteris. Zur episternalen lateralen Dorsoventralmuskulatur gehört noch ein regelmäßiger Muskelbelag, der am Vorderrand des Episternum be- 760 Lucie Jeziorski, ginnt und an der Leiste ansetzt, die den tergalen Seitenrand begleitet; er reicht bis zum Ansatz des Idvm-i, wo er dann sternalpleuraler Natur wird. Die Fasern enden auf dem sternalen Seitenrand und überbrücken die pleurale Falte, durch die das Episternum gegen das Sternum ab- gesetzt ist. Sie regeln die Beständigkeit dieser Falte und sind Atem- muskulatur. Ihre Kompression bewirkt, daß die durch die abdominalen Stigmen aufgepumpte Luft durch die thoracalen Stigmen wieder aus- gepreßt wird. Gruppe des hinteren epinieralen Seitenmnskels- 8. III ldvm2- Musculus dorsoventralis lateralis secundus metathoracis. Segmentaler, epimeraler, hinterer, dorsoventraler Seitenmuskel; ein kräftiger, dicker, parallelfaseriger Muskel, der an der Leiste entspringt, die den thoracalen Seitenrand begleitet, unmittelbar hinter der Pleuralleiste. Er endigt in breiter Ansatzfläche neben dem Seiten winkel der Hüfte an dem breiten leistenartigen Vorsprung des Hüftenrandes in die Coxalöffnung. Er ist ein Depressor coxae. 9. III Idvm^^. Musculus dorsoventralis lateralis secundus metathoracis. Segmentaler, epimeraler, dorsoventraler, hinterer Seitenmuskel, ein mäßig entwickelter Muskel; er beginnt auf dem ter- galen Seitenrande im hinteren Seitenrandswinkel da, wo kurz vorher die Längsleiste der thoracalen Seitenwand lateralwärts abgebogen ist, um der eingeschobenen Lateralregion des Segmentum medianum Platz zu machen und eine weichhäutige Falte die Grenze zwischen Metatergum und dieser Lateralregion bildet. Er zieht schräg nach hinten. Die Fasern konvergieren an einer Sehne, die unter dvm2 neben dem Hinterwinkel der Hüfte inseriert. Er ist ebenfalls ein Depressor coxae. Unterbrochene Seitenmnskeln. Sternalpleurale Seiteniunskulatur. 10. III ]mi^. Musculus lateralis quintus metathoracis. Segmentaler, episternaler, vorderer, sternalpleuraler Seitenmuskel, ein kräftiger Muskel: er entspringt an der schrägen Chitinleiste, die sich auf der hinteren Fläche des Episternum befindet. Die Fasern inserieren an einer Seite der vom Trochantin kommenden breiten Sehne, deren andere Seite durch die Fasern von IdviUi gesäumt wird. Er ist ein Elevator coxae. 11. Sternalpleuraler Natur wird mit dem vorderen Ansätze des Idvmi auch der schon beschriebene vorn dorso ventrale Muskelbelag; seine Ansatzlinie verläßt die Leiste und läuft schräg über die epister- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 761 nale Fläche bis vor die Chitinleiste, die pm^ zum Ansatz dient. Die Endpunkte begleiten den stet-nalen Seitenrand. Die Funktion des Muskelbelags ist die bereits angegebene. Tergalpleurale Seitenmnskelu. 12. Tergalpleurales Verhalten zeigt der intratergale regel- mäßige Muskelbelag, der etwas vom Vorderrand des Segments ent- fernt beginnt und bis zum Segmentum medianum reicht. Die Fasern beginnen in langer Linie etwas entfernt vom tergalen Seitenrand, über- brücken eine dünnhäutige Falte und enden auf der Leiste, die den thoracalen Seitenrand begleitet. Dieser Belag dient ebenfalls zur Er- haltung der Beständigkeit der Falte und als Atemmuskulatur. Sternale Beinmnskeln. 13. III hm^. Musculus sternalis pedalis primus meta- thoracis. Segmentaler, sternaler Beinmuskel, ein mittelkräftiger Muskel, der am medianen Teile und auf der Außenseite des vorderen Seitenastes der Metapophyse ansetzt und im Vorderwinkel des Hüft- randes endigt. 14. III bm^. Musculus sternalis pedalis metathoracis tertius. Segmentaler, sternaler Beinmuskel; ein ziemlich kräftiger Muskel, der hinter bmi am medianen Ast der Metapophyse ansetzt und ebenfalls hinter bm^ am Innenrand der Hüfte inseriert. Beide Muskeln wirken als Elevatoren. 15. Illbm^. Musculus sternalis pedalis quartus meta- thoracis trochanteris. Segmentaler, sternaler Beinmuskel des Trochanter. Er setzt an am hinteren Kande der getrennt aufsitzenden Chitinzapfen der Metapophyse als breiter, kräftiger Muskel. Die Fasern konvergieren und inserieren an einer breiten Sehne zusammen mit dvm^ und Idvm^ vorn am Trochanter. Er \virkt als Elevator tro- chanteris. 16. III bm2. Musculus sternalis pedalis secundus meta- thoracis. Ein dicker, kräftiger, gedrungener Muskel: segmentaler, sternaler Beinmuskel, der am Seitenrande des vorderen Teiles der Metapophyse in zwei Bündeln beginnt und am Hinterwinkel der Hüfte mit einer Sehne inseriert. Die Muskelfasern sind zweiteilig an der Sehne angeordnet; er ist ein Depressor der Hüfte und wirkt als Rückzieher und Senker des Beines, zieht das Bein nach unten und hinten, 17. III zm. Musculus sternalis furcae lateralis meta- thoracis. Segmentaler Sternalmuskel als Gabelseitenmuskel, nur 762 Lucie Jeziorski, mäßig ent^snckelt. Er setzt am äußersten seitlichen Ende der paarigen Apophyse an, verläuft parallelfaserig bis in die vordere Ecke des Epi- merum, unmittelbar neben dem oberen Ende der Pleuralleiste. Der Muskel stellt die Verbindung zwischen Apophyse und Apodem her und dient dadurch der Verfestigung des ganzen Muskelkomplexes. Eine Zusammenstellung der Muskulatur des Metathorax ergibt folgende Übersicht: I. Längsmuskulatur. 1. Dorsale Längsmuskulatur fehlt. 2. Ventrale Längsmuskulatur III ivlm. II. Dorso ventral muskulatur (echte mediale). 1. Intersegmentaler Muskel III ism. 2. Segmentale Muskeln: a) Vorderer episternaler /// dvm^ an den Trochanter, b) hinterer epimeraler III dvniQ und /// dvm^^^ an den Hüftrand. III. Seitenmuskulatur. 1. Lateral dorsoventrale Muskeln: a) Intersegmentaler Muskel fehlt. b) Segmentale Muskeln. aa) Vorderer episternaler III Idvm^ an den Trochantin, III Idvm^ an den Trochanter, Muskelbelag. bb) Hinterer epimeraler III ldvm.2 und III Idvm^g^ an den Hüftrand. 2. Unterbrochene Seitenmuskulatur: a) Sternalpleurale : III fm^ an den Trochantin, Muskelbelag. b) Tergalpleurale : fehlt. c) Intratergale : Muskelbelag. IV. Sternale Bein muskulatur: III hmi, III hm^ an den Vorder- winkel, III hm2 an den Hinterwinkel der Hüfte, /// hm^ an den Trochanter, /// zyn als Gabelseitenmuskel. Vergleichung und Morphologie des Metathorax mit Berücksichtigung der Verhältnisse bei Gryllus domesticus. Die yeutrale Längsmuskalatnr. Im Gegensatz zu der wohldifferenzierten ventralen Muskulatur des Abdomens und zu der reichen Ent-wicklung und Differenzierung derselben bei Gryllus weist Dixippus im Metathorax nur einen einzigen, paarigen, ventralen Längsmuskel auf {vlnij), der infolge des Anschlusses Der Thorax von Dixippus morosus (Caraueius). 763 des ersten Abdoniinalsternums an das Metasternum ersteres übergeht und auf dem Vorderrande des zweiten Abdoniinalsternums endigt. Die Anordnung der Muskelfasern an der Apophyse, ihr Verlauf, — die Fasern des medianpaarigen Muskels würden sich in der Verlängerung nach vorn kreuzen, — bewirken neben. der intersegmentalen Verschieb- barkeit der Segmente gegeneinander, zugleich eine kräftige Verfestigung. Auch verleiht die mediane Konzentration an der Apophyse den mäch- tigen Muskeln ein kräftiges Widerlager. Die seitliche Verbindung der Segmente von einem solch festen Punkte aus erhöht die intersegmentale Bewegungsmöglichkeit. Dorsale Längsmnsknlatur. Eine dorsale Längsmuskulatur ist nicht vorhanden. Diese Tat- sache hefert den Beweis, daß mit dem Fortfall einer Funktion auch die Muskulatur verschwändet. Die Muskulatur zur intersegmentalen Verbindung erscheint überflüssig, da Metatergum und Tergum des Segmentum medianum vollständig verschmolzen sind, und keinerlei Verschiebbarkeit vorhanden ist. Bei der Imago von Gryllus domesticus, wo die Vereinigung der beiden Terga nicht so weit fortgeschritten ist und im seitlichen Bezirk eine gewisse Beweghchkeit gegeneinander be- steht, findet sich auch dort eine seitliche intersegmentale Längsmusku- latur. Mit dem Fehlen der Flügel ist weiterhin auch der Mangel, der einer indirekten Flugmechanik dienenden Längsmuskulatur bei geflü- gelten Formen verbunden, iihnliches konstatiert Lendenfeld (Der Flug der Libellen, 1881, S. 344) von den Libellen. Es fehlt ihnen mit dem Mangel einer indirekten Flugmechanik der indirekte Senker der Flügel, der dorsale thoracale Längsmuskel. Die mediale DorsoTeutralmnsknlatar. Der intersegmentale ism, homolog dem gleichnamigen Muskel bei Gryllus, hat ebenso wie in der Imago von Gryllus nur eine geringe Be- deutung als Rotator abdoniinis in Anbetracht der geringen Beweglich- keit des Bezirks infolge des festen Anschlusses des Abdomens an den Thorax. Seine Funktion erstreckt sich der Hauptsache nach auf die Annäherung der tergalen und sternalen Region. Die Gruppe des vorderen episternalen Dorsoventralmuskels ist bei Dixippus nur durch den Trochanteranteil dvm^ vertreten. Bei Gryllus ist diese Gruppe mit drei Muskeln ausgebildet: dem Stammuskel^ 1 Stammuskeln sind primäre Muskeln, von denen durch Differenzierung andre Muskeln abzuleiten sind. 764 Lucie Jeziorski, dvmQ, dem indirekten Flugmuskel dvnii und dem Trochanteranteil dvm^, der auch in den Dienst der Flügelbewegung tritt, und als Beinmuskel funktionell durch hm 4^ ersetzbar ist. Sämthche Muskeln sind bereits im ersten Stadium von Gnjllus vorhanden und zwar schon in der ty- pischen tergalen Anordnung. Nur weist der indirekte Flugmuskel dvmi eine bedeutend geringere Stärke auf. Die Muskulatur ist also über- einstimmend mit der Flügelanlage bereits entwickelt. Die späteren Flügelmuskeln erfahren nur ebenso ^vie die Flügel selbst eine quan- titative Zunahme. Bei Dixippus fehlt der Stammuskel dvm^, samt dem indirekten Flugmuskel dvin^. Der Trochantinanteil dvm^, bei Gryllus auch Flügelmuskel, ist dagegen samt seinem Vertreter als Beinmuskel hm^ erhalten. In den folgenden Thoracalsegmenten ist der Stamm- muskel (^"yrng vorhanden, dagegen fällt hm^ aus. Daß hm^ für dvtne, eintreten kann, wird durch Voss auch bei Gryllus angegeben. Voss nimmt ferner die Ableitung des dvm^ von dvin^ an. Deshalb kann leicht ein dvm^ für einen wegfallenden dvmQ ersatzweise eintreten. Der von der Flügelbewegung befreite Trochanteranteil ist demnach im Metathorax statt des Stammuskels erhalten geblieben, und hm^ und dvm^ erfüllen die Funktion als Elevatores coxae, die in den andern Segmenten durch dmn^i-^^ und dvm^, ausgeübt wird, ein Beweis dafür, wie leicht Muskeln einfach ausfallen und durch Muskeln andrer Kate- gorien vertreten werden können, ein Beleg ferner für das Prinzip des »elektiven Fortfalls« unnötiger Muskeln, für die Beschränkung auf ein notwendiges Minimum, das auch bei den auf höherer Organisations- stufe stehenden Insekten Anwendung findet. So zeigen selbst FHegen und Bienen trotz komplizierter, kinematischer Vorgänge höchste Spar- samkeit der Muskulatur. Die tergale Ansatzstelle des dvm^ weist bei Dixippus gegenüber Gryllus einen tiefgreifenden Unterschied auf. Bei Gryllus ist dvm^ auch tergal als vorderer Muskel charakterisiert und setzt so vorn auf dem Tergum am Präscutum an, zieht dieses als Flügel- muskel herunter, bei Dixippus dagegen beginnt er auf dem hinteren Tergum, unmittelbar hinter dem letzten medianen Dorsoventralmuskel der hinteren Gruppe. Dieser Ansatz zeigt an, daß die für geflügelte Segmente typischen dorsalen Ansatzstellen der Muskulatur hier nicht mehr bestehen, und zugunsten der besonderen Beanspruchung der Beinkinematik umgestaltet sind. Die hintere Gruppe umfaßt bei Dixippus zwei tergal gesonderte, doch ventral an einer Sehne vereinigte Muskeln, den hinteren dvm2 und das vordere Bündel dvm^_^; verglichen mit Gryllus finden sich bei der Imago drei wohldifferenzierte Bündel; bei der Larve dagegen Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 765 sind mit dem Mangel einer Flugfunktion dvms und dvm^^ tergal un- deutlicher differenziert. Der tergale Ansatz von dvm.^_^ weist ebenfalls prinzipielle Unterschiede gegenüber den typischen Ansatzstellen bei Gryllus auf. Das mächtige Bündel des dvm.^__^ dehnt sich trotz seines Charakters als hinterer Dorsoventralmuskel weit nach vorn auf der tergalen Fläche aus, den dvm^ mit seinen letzten Fasern bedeckend. Es zeigt sich tergal eine vollständige Umgestaltung der Lagebeziehun- gen der medialen Dorsoventralniuskulatur. Sie ist unabhängig von einer Beeinflussung durch Flügel, nur durch die Beinkinematik bestimmt. Dies erläutert das Ergebnis von Voss, daß gerade die typischen Lage- beziehungen der tergalen Ursprungsstellen bei Gryllus als ein Hinweis auf die Anlage der Flügel zu gelten haben. Die beiden Gruppen der vorderen bzw. hinteren medialen Dorso- ventralmuskeln entsprechen ganz allgemein den vorderen bzw. hinteren abdominalen medialen Dorsoventralmuskeln. Die laterale DorgoYeutralmnsknlatnr teilt sich übereinstimmend mit dem Abdomen in eine vordere und eine hintere Gruppe. Sie ist, soweit sie sich auf die Beinbewegungen bezieht, im episternalen und epimeralen Bezirk in je zwei Muskeln differenziert, was auf die gleichmäßige Beanspruchung beider Bezirke durch die Beinkinematik schließen läßt. Die episternale Beinmuskulatur umfaßt einen Trochantermuskel Idvm^ und einen Anteil des Trochantin Uvm-^. Beide Muskeln ent- sprechen den gleichnamigen bei Gryllus domesticus, der im episternalen Bezirk außer diesen beiden noch einen Anteil des Hüftrandes Ivdm^, unmittelbar neben dem Hüftgelenk, und einen zweiten Anteil des Trochantin Idvm^^ hat. Idvmi und Idvm^^ leitet Voss von dem primären Beinmuskel Idvm^ ab. Die Elevatoren Idvm^^ und Idvm^ sind bei Gryllus in allen thoracalen Segmenten einschheßhch des Prothorax vorhanden. Die Flügelmuskeln Idvm^ und Idvm^^ sind nur in den flügeltragenden Segmenten ausgebildet, auch schon im ersten Stadium entwickelt, doch im Mesothorax noch einheitlich. Bei Dixi'p'pus ist in dem Muskel der Präcoxalplatte Uvm^ mit seiner besonders kräftigen Sehne demnach der primäre Stammuskel Idvm^ des Hüftgelenks zu erkennen, der bei Ablösung des Trochantin diesem gefolgt ist, wodurch er eine beweg- lichere Artikulation erlangt hat. Ein Mitgeben von Muskeln bei Ab- lösung eines Sklerits ist eine häufig wiederkehrende Erscheinung. Der epimerale Bezirk ist in gleicher Weise an der lateralen Dorso- ventralniuskulatur beteihgt, während bei Gryllus hierin der epimerale 766 Lucie Jeziorski, Bezirk gegen den episternalen zurücktritt. Idvm2 und Idvm^^ sind dem ldvm2, bei Gryllus homolog. Die Zweiteilung des ldvm2 und Verteilung des Ansatzes jeder seits des Hinter winkeis der Hüfte hängt mit der Ausgestaltung verschieden gerichteter, kinematischer Funktionen der Beinmechanik zusammen. Bei Gryllus ist die Beinkinematik im Meta- thorax der Imago weniger an laterale, epimerale Dorsoventralmusku- latur geknüpft, da ldvm2 dort Flügelmuskel wird, und sternale Bein- muskulatur für ihn eintritt. Der lateral-dorsoventrale Muskelbelag dient zur Erhaltung der Beständigkeit der Falten, ist eine Stütze der Lateralregion und wirk- sam als Atemmuskulatur. Er ist infolge der speziellen morphologischen Verhältnisse, nämlich der Längenausdehnung des Segmentes, eine phy- siologische Notwendigkeit. Im Metathorax ist klarer und bestimmter als im Abdomen eine scharfe Trennung der tergalen Ansatzstellen der medialen Dorsoventralmuskulatur einerseits und der lateralen Dorso- ventralmuskvilatur anderseits durchgeführt. Erstere setzt auf dem medialen Tergum, letztere insgesamt an der Leiste an, die den Rand der thoracalen Seitenwand begleitet, dvm2^ in der Verlängerung der ursprünglichen Richtung derselben auf der Falte zwischen Metatergum und Laterabegion des Segmentum medianum. Zwischen beiden liegt der intratergale Muskelbelag, der den Raum eines dorsalen Längsmus- kels dlm^ einnimmt und die Trennung markiert, die bei Gryllus durch die Flügelanlage bewirkt wird. Die Dorsoventralmuskeln zeichnen sich zum Teil durch besonders lange Ansatzflächen aus, vor allem dvm^_^ und Idvm-i; diese beiden Muskeln, der erstere ein Depressor, der zweite ein Elevator der Hüfte, erstrecken sich fast gleichweit in den vorderen Teil des Segmentes hinein. Wie schon erwähnt, gehört ersterer ventral zur hinteren Gruppe der medialen Dorsoventralmuskulatur. Durch die besonderen morpho- logischen Verhältnisse bei Dixippus ist es erklärlich, daß zwei Antago- nisten in übereinstimmend mächtiger Entwicklung den ganzen Muskel- komplex der Beinkinematik und den mittleren Segmentbezirk in großer Ausdehnung beherrschen, indem sie eine der ungewöhnlichen Längen- entwicklung des Segments entsprechende Ansatzfläche als kräftiges Widerlager besitzen. Deshalb erfolgte eine tergale Verschiebung der Ansatzfläche eines hinteren Dorsoventralniuskels nach vorn. Unterbrochene Seitenmnskniatnr. Sie weist nur ein einfaches sternalpleurales Muskelbündel pm^ auf, übereinstimmend mit dem Prothorax bei Gryllus domesticus. Der Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius), 767 Zerfall desselben in mehrere Bündel in den flügeltragenden Segmenten ist demnach eine mittelbare Folge flügelmechanischer Beanspruchung ; der sternalpleurale, sowie der intratergale Muskelbelag finden die- selbe morphologische Deutung wie der lateral-dorsoventrale(vgl. S.766). Sie zeigen, daß die Muskulatur innerhalb der prinzipiellen Kategorien überall dort eine Zerlegung erfährt, wo besondere Beanspruchung die Anwesenheit besonderer Muskeln erfordert. Intratergale differenzierte Muskelbündel hingegen fehlen mit dem Mangel einer Funktion. Sie dienen bei Gryllus (Larve) zur Sicherung der Flügelanlage, bei der Imago als Flügelmuskeln. Die im Abdomen vorhandene Kategorie einer Tergalpleuralmuskulatur ist bei Dixip'pus im Metathorax nicht vertreten, da die morphologischen Verhältnisse eine solche überflüssig zu machen scheinen. Sie knüpft bei Gryllus hauptsächlich an Differen- zierungen des Skeletts wie Präsegmentallamellen, Flügelgelenkplatten an, wie sie durch die Anlage von Flügeln bedingt sind. Die sternale Beinmusknlatur umfaßt vier, den gleichnamigen bei Gryllus homologe Muskeln und ist weniger entwickelt als dort, da sie bei Gryllus für die in den Dienst der Flügel getretenen Dorsoventralmuskeln eintreten muß, während sie bei Dixi'ppus in ihrer Funktion als Beinmuskulatur die Dorsoventral- muskeln nur ergänzt. d. Mesothorax II. Taf. XVin, Schema 2; Taf. XIX, Fig. 6, 7, 10, 11.) Yentrale Längsmnsknlatar. 1. II vlm. Musculus mesosterni. Intersegmentaler, median- paariger, ventraler Längsmuskel, ein deskriptiv interessanter Muskel; er setzt mit breiter, unregelmäßiger Ansatzfläche unmittelbar neben der Medianlinie auf dem Hinterrande des Sternums an. Der Muskel hat konische Form. Die Fasern konvergieren an einer Sehne, die sich vorn napfförmig verbreitert. Diese Sehne ist die längste, die bei Dixippus vorkommt ; breit und kräftig zieht sie nach hinten über die ganze Länge des metathoracalen Sternums und endet hinten an der getrennt auf- sitzenden Gabelapophyse. Der Muskel regelt die sternale Verschieb- barkeit des mit sehr tiefer Intersegmentalfalte verbundenen Meso- und Metasternums gegeneinander. Dorsale Längsmusknlatur. 2. II dlnii- Musculus mesonoti primus. Intersegmentaler, medianpaariger, dorsaler Längsmuskel. Er inseriert unmittelbar neben Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 50 768 Lucie Jeziorski, der Medianlinie auf der mesotergalen Fläche; ein flacher, im ganzen Verlauf gleichbreiter Muskel, dessen Fasern sich zur Medianlinie hin verkürzen, endigt auf dem Vorderrande des Metatergums. 3. II dlm^. Intersegmentaler, medianpaariger, dorsaler Längs- muskel. Er setzt auf der Fläche des Mesotergums mit abgerundeter Kuppe an, ist flach und schmal, fast doppelt so lang als dlm^, verläuft parallel zur Medianlinie, lateral vom vorigen, sich verjüngend in eine kurze Chitinsehne aus auf dem Vorderrande des Metatergums. 4. II dlm^. Musculus mesonoti tertius. Medianpaariger, dor- saler, intersegmentaler Längsmuskel. Er verläuft lateralwärts un- mittelbar neben und parallel zu dlm^, etwas länger als dlm^, ist ein flacher Muskel, im Verlauf gleichbreit, inseriert auf der Fläche des Tergums mit lateralwärts kürzeren Fasern und endigt auf dem Vorder- rande des Metatergums. 5. II dlm^. Musculus mesonoti quartus. Medianpaariger, dorsaler, intersegmentaler Längsmuskel, der lateralste und kürzeste, inseriert auf der Tergumfläche, verläuft gleichbreit etwas schräg seit- wärts und endigt neben den anderen. Die dorsalen Längsmuskeln nähern die Segmente dorsal einander und dienen der intersegmentalen Bewegung und Festigung. Dorsoventralmusknlatur (mittlere, mediale echte). Intersegmentale Mnsknlatnr. 6. II ism. Musculus dorsoventralis, intersegmentalis mesothoracis. Intersegmentaler Dorsoventralmuskel. Der kräftige Muskel setzt mit einer Sehne an, zu der sich die vorn gabelförmige Mesa- pophyse an beiden Enden auszieht. Er endigt am seitlichen Vorder- rande des Metatergums. Als Rotator dreht er Meso- und Metathorax zueinander. 7. II istn^- Musculus dorsoventralis secundus interseg- mentalis mesothoracis. Intersegmentaler Dorsoventralmuskel, ein gut entwickelter Muskel, der an dem seitlichen Ende der Leiste, der die Apophyse aufsitzt, beginnt, und neben ism auf dem seithchen Vorderrande des Metatergums endet. Er ist ebenso wie der vorher- gehende Muskel ein Rotator. Beide sind sehr wirksam dadurch, daß sowohl ihr Punctum fixum, als auch ihr Punctum mobile kräftige Chitinleisten sind. Bei gleichzeitiger Kontraktion der Muskeln wird die Beständigkeit der Lagebeziehungen der in Frage kommenden Seg- mente gewahrt. I Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 769 Gruppe des Torderen DorsoTentralmuskels. 8. II dvniQf^y Musculus mesothoracis dorsoventralis sex- tus. Segmentaler, vorderer, dorso ventraler Muskel. Ein mäßig entwickelter Muskel, der auf der Fläche des medialen Tergums ansetzt. Die Fasern konvergieren in einer längeren für diesen primären Stamm- muskel typischen Sehne am Vorderwinkel der Hüfte. 9. II dvni^. Musculus dorsoventralis quintus mesotho- racis. Segmentaler, vorderer Dorso ventralmuskel, der ebenfalls auf der Fläche des medialen Tergums beginnt, hinter dvniQ^^y Er endigt an einer kräftigen Sehne vorn am Trochanter, ist wie der vorhergehende ein Elevator und zwar ein Elevator trochanteris. Gruppe des hinteren DorsoTentralmuskels. 10. II dvm2. Musculus dorsoventralis secundus mesotho- racis. Segmentaler hinterer Dorso ventralmuskel. Er setzt auf der medialen Fläche des Tergums an als letzter der medialen dvm, un- mittelbar neben dlm^^. Die Fasern konvergieren und endigen an einer kräftigen Sehne, die vom Hinterwinkel des Hüftrandes kommt, 11. II dvm^_^. Musculus dorsoventralis tertius mesotho- racis. Segmentaler, hinterer Dorso ventralmuskel, ein mächtig ent- wickelter Muskel, der bei weitem größte und kräftigste aller medialen dvm. Er inseriert auf der Fläche des Tergums, beginnend neben dlnii ; von dort zieht die Ansatzfläche schräg lateralwärts und nach vorn bis zum intratergalen Muskelbelag. Die Fasern konvergieren und endigen mit dv7n2 gemeinsam an der kräftigen Sehne, die vom Hinterwinkel der Hüfte kommt. Tergal ist eine undeutliche Sonderung in zwei Bündel vorhanden. Beide Muskeln sind Depressores coxae. Seitenmuskulatur, laterale Dorsorentralmuskulatur. Intersegmeu fcaler DorsoTcntralmuskel. 12. II ildvm. Musculus dorsoventralis lateralis inter- seg mentalis mesothoracis. Intersegmentaler, lateraler Dorso- ventralmuskel, ein kräftiger, dreieckiger Muskel, der mit breiter Fläche, ziemlich unregelmäßig am seithchen Hinterrande des Mesothorax an- setzt ; die dem Tergum zugewandten Fasern sind die längsten. Lateral verkürzen sie sich immer mehr, so daß die an die vordere Ansatzlinie lateral angrenzende Dreieckseite die Insertionshnie an der Falte ist, in welche die Längsleiste ap der thoracalen Seitenwand nach vorn aus- läuft. Der Muskel funktioniert als Eotator. Doch dient er vor allem 50* 770 Lucie Jeziorski, zur Verfestigung des mesosternalen Hinterrandes mit dem metathora- calen Tergum. Gruppe des Torderen lateralen Dorsoventralinuskels. 13. Illdvmx- Musculus lateralis primus mesothoracis. Segmentaler, episternaler, dorso ventraler Seitenmuskel; ein außer- gewöhnlicli kräftiger Muskel, dessen Ansatzlinie vom hinteren epister- nalen Seitenrand beginnend, eine weite Strecke nach vorn zieht, und noch etwas über die von Idvm^^^ hinausreicht. Die Fasern konver- gieren einseitig an kräftig breiter Sehne des Trochantin. Er ist ein Elevator coxae. 14. Illdvm^. Musculus dorsoventralis lateralis tertius mesothoracis. Segmentaler, episternaler, vorderer Seitenmuskel; ein sehr kräftiger Muskel, der in ziemhch langer Ansatzlinie auf der Leiste af ansetzt, welche die Grenze zwischen Tergum und Episternum bildet; Idvm-^ teilweise deckend; die Fasern konvergieren an einer breiten Sehne zugleich mit dvm^ vorn am Trochanter. Der Muskel ist ein Ele- vator trochanteris. Zur episternalen vorderen Gruppe der Idvm gehört noch ein regel- mäßiger Muskelbelag, der zwischen dem vorderen Ansätze des Idvm^ und dem hinteren Ansatz des I ildvm dorso ventral ist, von der Falte, die am tergalen Seitenrande entlang zieht, zur Falte, die den sternalen Seitenrand begrenzt, verläuft. Er ist eine Stütze der Lateralregion, dient zur Erhaltung der Beständigkeit der Falten und als Atemmusku- latur. Grnppe des hinteren lateralen Dorsoyentralmuskels. 15. II ldvm2. Musculus dorsoventralis lateralis secundus mesothoracis. Segmentaler, epimeraler, dorsoventraler Seiten- muskelj ein dickes, kräftiges Muskelbündel, das in dem Winkel ansetzt, den die tergale Leiste der thoracalen Seitenwand mit dem oberen Ende der Pleuralleiste bildet. Der Muskel endigt neben dem Hinterwinkel der Hüfte am Hüftrand, der hier in die Coxalöffnung vorspringt, als Depressor coxae. 16. Illdvm^a,- Musculus dorsoventralis lateralis secundus mesothoracis. Segmentaler, epimeraler, dorsoventraler Seiten- muskel, ein mittelkräftiger Muskel. Er beginnt auf dem hinteren Seiten- rande des Tergums und zieht, eine weichhäutige Falte, die Epimerum und Tergum verbindet, überbrückend zur Hüfte, wo er neben dem Coxalrand hinter der Pleuralleiste ansetzt. Dieser Muskel ist ein De- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 771 pressor coxae, allerdings nicht besonders wirksam, da seine Artikulation mit dem Hüftrand nicht sehr fest ist. Weiterhin regelt er die Be- ständigkeit der Falte, die Epimeriim und Tergum voneinander trennt. Unterbrochene Seitenmnsknlatnr. 17. Intratergaler Muskelbelag von pleuraltergalem Verhalten säumt die ganze Länge des mesotergalen Seitenrandes ein, zieht, von der Fläche des Tergums zur Längsleiste, welche den thoracalen Seiten- rand begleitet und weiterhin zu der Falte, in welcher diese Leiste ver- löscht. Seine Aufgabe ist die Erhaltung der Beständigkeit der Falten, die Stütze der langen Seitenwand und Atemfunktion. Seine Kom- pression treibt die Luft, die durch die abdominalen Stigmen aufgepumpt wird, durch die thoracalen aus. 18. Sternalpleural wird der laterale Dorsoventralmuskelbelag unter I ildvm und // Idvmi. Er setzt auf der Fläche des Episternum auf im Chitin kenntücher Stelle an, zieht zum sternalen Seitenrand und reicht bis dahin, wo eine Einschnürung des Sternums erfolgt. Seine Aufgabe ist bei der Erwähnung seines im mittleren Bezirk dorsoven- tralen Verhaltens angegeben. Sternale Beinmnsknlatur. 19. Ilhnix' Musculus sternalis pedalis primus mesotho- racis. Segmentaler, sternaler Beinmuskel, ein mittelkräftiger Muskel, der am medialen Teil der Mesapophyse ansetzt und, nachdem die Fasern »sich konvergiert haben, im Vorderwinkel des Hüftrandes endigt. Er ist ein Elevator coxae, ebenso wie der folgende. 20. Ilhm^. Musculus sternalis pedalis tertius mesotho- racis. Segmentaler sternaler Beinmuskel, ein mittelkräftiger Muskel; er inseriert an der unteren Hälfte der medialen Leiste der Mesapophyse ■ und endigt, nachdem die Fasern sich vereinigt haben, auf dem Innen- Wk- rande der Hüfte hinter dem Vorderwinkel, einige Fasern schon vorher ^tauf der Falte, die sich über den sternalen Seitenrand legt. ^H 21. Ilhm^- Musculus sternalis pedalis secundus meso- thoracis. Segmentaler, sternaler Beinmuskel, ein kräftiger Muskel, zweiteilig, der breit im ganzen Verlauf der medialen Leiste der Mesapo- physe ansetzt und mit kurzer Sehne am Hinterwinkel der Hüfte in- seriert. Dieser Muskel dient als Depressor. 22. //zw. Musculus sternalis furcae lateralis mesotho- ; racis. Segmentaler Sternalmuskel als Gabelseitenmuskel, nur mäßig entwickelt. Er entspringt am seitlichen Ende der vorn gabelförmigen 772 Lucie Jeziorski, Mesapophyse und endigt am oberen Ende der Pleuralleiste. Er stellt die Verbindung zwischen Apodem und Apopbyse her, eine Stütze für die sternale Beinmuskulatur. Doch ist er nicht kräftig genug, um eine sehr wirksame sternalpleurale Festigung zu bedeuten. Übersicht. I. Längs muskulatur. 1. Dorsale Längs muskulatur, a) Mediale dlm: II dlm-i — dlm^. b) Laterale dlm: II dlm ^. 2. Ventrale Längs muskulatur: II vhn. II. Dorso ventral muskulatur (mediale). 1. Intersegmentale : II ism, II ism^- 2. Segmentale Muskulatur: a) Vordere episternale Gruppe : II dvm^,^^ an den Hüft- rand, II dvm^ an den Trochanter. b) Hintere epinierale Gruppe: II dv77i2 und II dvm^_^ an den Hüftrand. III. Laterale Muskulatur. 1. Laterale Dorsoventralmuskulatur. a) Intersegmentaler II ildvtn. b) Vordere episternale Gruppe : // Idvin^ an den Trochantin, // Idvm^ an den Trochanter. Muskelbelag. c) Hintere epinierale Gruppe : // ldvm2 und // Idvm^^^ an den Hüftrand. 2. Unterbrochene Seitenmuskulatur. a) Intratergaler Muskelbelag. b) Sternalpleuraler Muskelbelag. c) Stigmenmuskel. IV. Sternale Bein muskulatur: Ilhm-^ — 'bm^,zm. Vergleichung vmd Morphologie des Mesothorax mit Berücksichtigung der Verhältnisse von Gryllus domesticus. Die Tentrale Läu^smnsknlatnr ist ebenso wne im Metathorax im Gegensatz zu einer größeren Gliederung im Abdomen und bei Gryllus domesticus durch einen einzigen paarigen Längsmuskel vertreten. Mit dem Fehlen genügender Ansatzflächen, wie sie bei Gryllus die wohlentwickelten Apophysen bilden, an denen eine wohlgegliederte und reich ent\AT.ckelte ventrale Längsmuskulatur ansetzen kann, fällt der Mangel einer Zerlegung zusammen. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 773 Dorsale Längsmnsknlatnr. Die dorsale Längsnuiskulatur weist deutlich abdominale Verhält- nisse auf, die nur wenig modifiziert sind. Zunächst zeigen sämtliche Muskeln übereinstimmend mit der Entwicklung des Segmentes selbst eine besondere Länge, vor allem dlm2- dlm-^ ist un verdeckt, medial von dlm-i angeordnet und steht dlm^, dem dritten Muskel der medialen Gruppe, nur wenig an Länge nach. Die laterale Gruppe ist nur durch dlm^ vertreten; der dlm^ fehlt. Die dorsale Längsmuskulatur ist also in der typischen Vierzahl vorhanden, wie bei Gryllus im Meta- und Mesothorax. Sie dienen alle vier der intersegmentalen Verbindung und setzen an der einheitlichen Tergalplatte an, eine Bezugnahnie auf Phragmen, Präsegmentallamellen ist natürlich nicht vorhanden. Die von Voss bei Gryllus im Abdomen und Thorax zugrunde gelegte Ein- teilung in eine mediale Gruppe dlm^_^^ und eine laterale dlm^, erstere wieder in zwei Gruppen geteilt, ist im Mesothorax von Dixifpus ebenso- wenig wie im Abdomen nachweisbar. Doch fehlt der fünfte dorsale Längsmuskel übereinstimmend bei beiden Tieren. El' ist durch die Beanspruchung des seitlichen Tergums durch die Beinkinematik ver- drängt worden, des Bezirkes, den bei Gryllus die Flügelanlage ein- nimmt und der bei Dixifpus durch den intratergalen Muskelbelag aus- gefüllt wird. dvm2 tritt dicht an dlm^ heran. Die dorsale Längsmusku- latur erweckt in ihrer besonderen Schlankheit den Eindruck, als sei sie durch die Dorso Ventralmuskulatur median zusammengepreßt. Die mediale DorsoTentralmuskulatur. Die Entwicklung, Differenzierung und Anordnung der dorsoven- tralen Muskulatur zeigt mit den metathoracalen Verhältnissen die größte Übereinstimmung. Deshalb gilt das vom Metathorax Gesagte auch vom Mesothorax. Nur die Abweichungen seien hervorgehoben und besprochen. Gegenüber dem einfachen Intersegmentalmuskel des Metathorax von Dixifpus, der sämtlichen Thoracalsegmente von Gryllus, zeigt der mediale Intersegmentalmuskel bei Dixippus im Mesothorax eine Zweiteilung. Eine solche Zweiteilung steht nicht allein da. Sie ist in der Halshaut von Gryllus, einem Bezirk, dem die Muskulatur hohe rotatorische Beweglichkeit verleihen muß, ebenfalls vorhanden. Das Erfordernis einer erhöhten rotatorischen Beweghchkeit ist bei Dixippus ebenfalls für die Teilung maßgebend gewesen. Die langen einheitlichen starren Sesfmentbezirke machen bei ihrem beweglichen Zusammentreffen eine erhöhte rotatorische Bewegungsfreiheit nötig. 774 Lucie Jeziorski, Zugleich gewälirleisten die beiden Muskeln bei gleichzeitiger Kon- traktion die Erhaltung der Lagebeziehung der beiden Segmente zu- einander. Zu den beiden medialen Intersegmentalmuskeln tritt noch ein lateraler intersegmentaler Dorsoventralmuskel hinzu, der einmal ihre Funktion unterstützt und erweitert, anderseits aber auch durch seine Form und die Art seiner Insertion eine Stabilität bewirkt, die in Skelett- und Muskelverhältnissen bei Dixifpus vielfach bestimmend ist. Sie ist bedingt sowohl durch die Form des Körpers, als auch durch die eigentümlichen physiologischen Erscheinungen der Tiere. Bei Annäherung einer Gefahr fallen sie sofort in den sog. kataleptischen Zustand, indem sie unbeweglich, leblos, einem Zweigstücke ähnhch, mit fest an die Flanken angeschmiegten Ghedmaßen stundenlang ver- harren. Wenn auch die einzelnen bedingenden Muskelelemente für solche kataleptischen Zustände nicht für sich erkannt werden können, so sind jedoch, wie aus diesen Ausführungen hervorgeht, verschiedene Besonderheiten in der Muskeldifferenzierung und -anordnung damit in Verbindung zu bringen. Die segmentale mediale Dorsoventralmuskulatur weist in der vor- deren, episternalen Gruppe die Muskeln ävTH^^^^ und den Trochanter- muskel dvm^ auf, in der hinteren epimeralen Gruppe dvm2 und dvm.^j^^. Sämtliche Muskeln sind den gleichnamigen bei Gryllus homolog. Der im Metathorax fehlende üvm^ findet sich im Mesothorax vor; dagegen fehlen dort zwei Muskeln, Elevatoren der Hüfte, die andern Kate- gorien angehören, nämlich der sternale Beinmuskel hm^, der bei Gryllus in den flügeltragenden Segmenten ebenfalls für einen medialen Dorso- ventralmuskel dvm^ als Elevator der Hüfte einspringt, nachdem dieser sekundär in den Dienst der Flügel gestellt wird, und der sternalpleurale pws, ein Beweis wiederum, mit welcher Willkür Muskeln der einen Kategorie ausfallen und durch Muskeln einer andern Kategorie ver- treten werden können. Tergal ist übereinstimmend mit dem Verhältnis im Metathorax und im Gegensatze zu Gryllus die ventrale Sonderung in eine vordere und eine hintere Gruppe nicht durchgeführt. Die An- satzstellen von dvmQ und dvm^ finden sich unter dem hinteren Teil von dvm^^^, und die beiden Muskeln der hinteren Gruppe nehmen gleichsam die beiden tergalen Ansatzstellen der vorderen Gruppe zwischen sich. Die medialen Dorsoventralmuskeln sind mit ihren An- satzstellen auf dem medialen Tergum durch einen intratergalen Muskel- belag, der die Stelle des fehlenden dlm^ einnimmt, scharf getrennt von der I Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 775 Lateralen Dorsorentralmasknlatur. Die segmentale, laterale Dorsoventralmuskulatur weist dieselben Verhältnisse auf wie im Metathorax. Deshalb gilt auch hier die für den Metathorax gegebene ' Zusammenstellung. Einige Abweichungen betreffen den ldvm2a- er setzt sowohl im Mesothorax, als auch im Metathorax hinten am tergalen Seitenrand an und zwar übereinstim- mend nicht wie die übrigen an der Versteifungsleiste, sondern an einer häutigen Falte, nachdem kurz vorher die Leiste lateralwärts abgebogen ist. Beide Muskeln dienen also auch zugleich zur Erhaltung der Beständigkeit dieser Falte. Während er im Metathorax mit gut entwickelter Sehne, lang und schmal, sehr schräg aufwärts steigt zum Metatergum, ist der II Idvm^f^ mit ganz kurzem sehnigen Ansatz kurz und gedrungen und steigt senkrecht zum Tergum auf. Der /// Idvm^^ steht unmittelbar vor dem Hinterwinkel der Hüfte in ziemhch fester Artikulation zum Hüftrand und ist deshalb ein wirksamer Beinmuskel. Der II Mvm^^ inseriert im Winkel zwischen Hüftrand und Pleural- leiste; seine Verbindung zum Hüftrand ist etwas gelockert, und damit seine Wirkung als Beinmuskel geschwächt. Neu hinzu kommt im Mesothorax ein intersegmentaler lateraler Dorsoventralmuskel, dessen Bedeutung im Anschluß an die mediale intersegmentale Dorsoventral- muskulatur schon besprochen worden ist. Die unterbrochene Seitenmuskulatur ist, abgesehen von dem schon erwähnten Fehlen des pm^ samt der ihm als Ansatz dienenden Chitinleiste, im wesentlichen dieselbe. Ein sternal- pleuraler Muskelbelag und ein intratergaler haben dieselben Aufgaben wie im Metathorax. Hinzu kommt noch ein zweiteiliger Stigmen- muskel stm^^f^ intrapleural, von sternalpleuralem Verhalten, der außerhalb des Peritrema beginnt. Er kann mit dem stm des Segmentum medianum, den gleichnamigen Muskeln im Thorax und Abdomen von Gryllus verghchen werden. Ein echter stim fehlt. Die Sternale Muskulatur. ^' Sie umfaßt drei Muskelbündel. Der Elevator trochanteris hm^, der im Metathorax vorhanden war, fällt samt den paarigen, getrennt aufsitzenden Metapophysen fort. Die drei andern Muskeln sind den gleichnamigen im Metathorax, sowie bei Gryllus domesticus homolog, im ganzen etwas weniger kräftig entwickelt, wie auch die Mesapophyse und die mittlere Extremität überhaupt. Die Zweiteilung von 6m2 776 Lucie Jeziorski, ist nicht mehr so deutlich wie im Metathorax. Bei Dixippus zeigt also die sternale Beimnuskulatur eine Vereinfachung gegenüber dem Meta- thorax; im Mesothorax bei Gryllus dagegen ist die Differenzierung bedeutend reicher als im Metathorax; die allein im Dienst der Bein- bewegung stehenden dorsoventralen Muskeln machen bei Dixippus eine so zahbeich differenzierte sternale Beinmuskulatur überflüssig. Der Gabelseitenmuskel zm ist in schwacher Ausbildung vorhanden und kann keine feste Verbindung zwischen Apodem und Apophyse bedeuten und keine sehr große Stütze der sternalen Beinmuskulatur ausmachen. e. Der Prothorax I. Taf. XVIII, Schema 3; Taf. XIX, Fig. 6 und 12.) Längsmnsknlatnr. Ventrale Län^smnsknlatnr. 1. I vlm. Musculus prosterni. Intersegmentaler, median- paariger, ventraler Längsmuskel. Dieser Muskel ist sehr kräftig ent- wickelt, breit und flach, füllt als gleichmäßiger Belag die ganze Breite des Sternellums aus und wird durch die Medianlinie in zwei Muskeln geteilt. Der medianpaarige Muskel setzt an der Hinterrandsleiste des Prosternits an, er zieht nach hinten und endet auf dem Sternellum an der unpaaren Apophyse. Er vermittelt die Bewegung des Prothorax nach hinten und unten. Dorsale Längsmnskulatnr. 2. I dlnig^. Musculus pronoti tertius pars primus. Inter- segmentaler, medianpaariger, dorsaler Längsmuskel, sehr kräftig; er entspringt an der medianen Chitinleiste auf der hinteren Hälfte des Tergums; die Fasern divergieren und inserieren auf dem Vorderrande des Mesotergums neben der Medianlinie. Kürzere Muskelfasern, deren Länge abnimmt, entspringen unter diesem Muskelbündel und endigen gemeinsam am mesotergalen Vorderrande. Z. I dlm^^. Musculus pronoti tertius pars secundus. Inter- segmentaler, dorsaler Längsmuskel, ein kräftiger Muskel; er entspringt neben dlm^^ an der Querleiste, die das Tergum in eine vordere und hintere Hälfte teilt, verläuft schräg lateralwärts nach hinten und endigt am mesotergalen Vorderrande in ganz kurzem Abstände von dlm^^^. Kürzere Muskelfasern endigen gemeinsam mit ihm. dlm.^^^j^ dienen als Retractoren prothoracis und sind auch infolge der schräg seitwärts verlaufenden Fasern befähigt, als Rotatoren zu wirken. Sie regeln dorsal die intersegmentale Beweglichkeit. Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 777 DorsoTentralmnskulatur (mediale). Intersegineutale Muskeln. 4. I ism. Musculus intersegmentalis prothoracis. Inter- segmentaler, dorsoventraler Muskel; er ist mittelkräftig und parallel- faserig, entspringt am seitlichen Hinterrands\\inkel des Prosternits an der dort endenden Proapophyse an einem Chitin vorsprang und endet seitlich an der Vorderrandsleiste des Mesotergums. Es ist der als I ism auch bei Gnßlus beschriebene und in allen thoracalen Segmenten vor- kommende typische Rotator. 5. I ism^- Musculus intersegmentalis prothoracis se- cundus. Intersegmentaler Dorsoventralmuskel, ein kräftig entwickelter Muskel, homolog dem gleichnamigen im Mesothorax, ist er der Abtren- nung des Sternellums vom Prosternit gefolgt. Er setzt am Seitenrand des Sternellums an, der hier Chitinverstärkungen zeigt, die dem Muskel ein kräftiges Punctum fixum geben. Die Fasern konvergieren und enden seitlich an der Vorderrahdsleiste des Mesotergums neben / ism. Der Muskel ist ebenso wie der vorige ein Rotator. Segmentale Mnskelu. Vordere episternale Gruppe. 6. I dvm^-^^^y Musculus dorsoventralis prothoracis pri- mus. Segmentaler vorderer Dorsoventralmuskel. Kräftig entwickelt, entspringt er auf der vorderen Hälfte des Tergums nahe dem Seiten- rande hinter der Falte, mit der sich die Pleuralhaut über den tergalen Seitenrand legt mit fächerförmig ausgebreiteten Fasern; er zieht unter dvm^^^ her. Die Fasern konvergieren und endigen an derselben Sehne mit dvmg im Vorderwinkel der Hüfte. Er ist ein Elevator coxae. 7. I dvmQ^-^y Musculus dorsoventralis prothoracis sex- tus. Segmentaler, vorderer, dorsoventraler Muskel, ein mittelkräftiger Muskel, der an der vorderen Hälfte der medialen Chitinleiste des Pro- tergums neben Idvm-i entspringt, über die Hüfte hinwegzieht und mit konvergierten Fasern an der kräftigen Sehne im Vorderwinkel der Hüfte endigt. Wie der vorige ist er ein Elevator der Hüfte. 8. I dvm^. Musculus dorsoventralis quintus prothoracis. Vorderer, segmentaler Dorsoventralmuskel des Trochanter. Ein ziem- lich kräftiger Muskel, dessen Ansatz sich auf der vorderen Hälfte des Tergums in langer gebogener Linie an der Falte entlangzieht, die sich über den tergalen Seitenrand legt. Die Fasern konvergieren und endigen in einer Sehne, die vorn am Trochanter ansetzt. Der Muskel \\'irkt als Elevator trochanteris. 778 Lucie Jeziorski, Hintere epimerale Gruppe. 9. / dvm^. Musculus dorsoventralis prothoracis secundus. Segmentaler, hinterer, dorso ventraler Muskel. Er beginnt auf der hinteren Hälfte des Protergums an einer leicht geschwungenen Linie, die auch dem Ansatz von Idvm^a dient, den er zum Teil verdeckt. Die Fasern konvergieren und endigen an kräftiger Sehne am Hinterwinkel des Hüftrandes. 10. I dvm^^^. Musculus dorsoventralis prothoracis ter- tius. Segmentaler, hinterer, dorsoventraler Muskel, sehr mächtig ent- wickelt; seine Ansatzstelle läuft an den beiden Schenkeln des rechten Winkels entlang, den die mediane Chitinleiste des Protergums mit der vorderen Querleiste bildet; die Fasern konvergieren mit kürzeren Fi- brillen, die unter ihm entspringen, zusammen mit dvm2 an der kräftigen Sehne im Hinterwinkel der Hüfte. Das feste Widerlager im Ansatz zeugt von besonderer funktioneller Bedeutung. Beide Muskeln sind Depressores coxae. Seiteumnskelu. Laterale DorsoTentraliunsknlatiir. Intersegmentaler lateraler DorsoTeutralmnskel. 11. I ildvm. Musculus lateralis dorsoventralis interseg- mentalis. Lateraler, intersegmentaler Dorsoventralmuskel, homolog dem gleichnamigen mesothoracalen Muskel. Er hat die Form eines Dreiecks, dessen vordere Seite die Ansatzlinie auf dem seithchen Hinter- rande des Sternellums bildet. Die lateralwärts angrenzende Dreiecks- seite ist Insertionshnie des Muskels. Sie ist abgerundet, beginnt in der Falte, in welche die mesotergale Versteifungsleiste ausläuft und setzt sich fort auf der episternalen Fläche; der Muskel wird also sternal- pleural. Er ergänzt die rotatorische Funktion der beiden ism und dient zugleich zur Verfestigung und Stabihsierung des Bezirks. Seg'meutale Mnskelu. Vordere episternale Gruppe. ■ 12. I IdvMi. Musculus dorsoventralis lateralis primus. Segmentaler, lateraler, vorderer, dorsoventraler Seitenmuskel; ein ziemlich kräftiger Muskel, der auf dem Tergum seinen Ursprung nimmt, an der Innenseite der Vorderrandsleiste und der oberen Hälfte der medialen Längsleiste. Die Fasern konvergieren und endigen in einer kurzen Sehne auf der Präcoxalplatte. Er ist ein Elevator coxae. 13. I Idvni^. Musculus lateralis dorsoventralis tertius Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 779 prothoracis trochanteris. Segmentaler, episternaler, vorderer, dorsoventraler Seitenniuskel des Trochanter, ein mäßig entwickelter Muskel, der über der Pleuralleiste ansetzt, an der mützenförmigen Ausstülpung der pleuralen Falte, die hier dem oberen Ende der Pleural- leiste begegnet. Die Fasern des Muskels konvergieren und enden mit dvmr, an einer Sehne vorn am Trochanter; der Muskel ist ein Elevator trochanteris. Hintere epimerale Gruppe. 14. Ildvm^- Musculus lateralis dorsoventralis secundus prothoracis. Segmentaler, lateraler, epimeraler, hinterer Dorso- ventralmuskel, ein kräftiges, kompaktes Muskelpaket, das auf einem chitinigen Vorsprung des Hüftrandes unmittelbar neben dem Hinter- winkel der Hüfte entspringt; der Muskel verläuft gleichstark und gleichbreit und endigi; in der Mitte des tergalen Seitenrandes unmittel- bar über dem oberen Ende der Pleuralleiste zusammen mit Ivdm^. Depressor coxae. 15. Ildvm^^. Musculus dorsoventralis lateralis protho- racis secundus: Lateraler, segmentaler, hinterer Dorsoventralmuskel, ein flacher, fächerförmig ausgebreiteter Muskel, der auf der hinteren Tergumf lache an einer leicht geschwungenen Chitinlinie unter dvm^ entspringt; die konvergierten Fasern vereinigen sich an einer kurzen Sehne am Hüftrande hinter der Pleuralleiste. Die Verbindung mit dem Hüftrand ist noch loser, als bei dem homologen Muskel des Mesothorax. Er nimmt außer seiner Funktion als Depressor coxae noch Bezug auf die Falte, die Tergum und Sternum miteinander verbindet. ünterbrocliene Seiteumnskulatnr. 16. I pm^. Musculus lateralis cjuintus prothoracis. Seg- mentaler, episternaler, vorderer, sternalpleuraler Seitenmuskel, ein kräftig entwickelter Muskel. Er entspringt mit fächerförmig ausgebrei- teten Fasern an der bogenförmig sich über den vorderen Seitenrand des Protergums herüberlegenden pleuralen Falte, die Fasern konver- gieren und endigen mit breiter Sehne mit Idvnii auf der Präcoxalplatte. Er ist ein Elevator coxae. 17. Intratergaler Muskelbelag zieht auf der vorderen Seg- menthälfte vom tergalen Seitenrand zur Pleuralhaut, die sich in einer breiten Falte über den tergalen Seitenrand legt und dient zur Erhaltung der Stetigkeit dieser Falte und zur Regelung ihrer Bewegung. In der Mitte sind die Fasern sehr kurz; am Anfang und Ende bedeutend länger 780 Lucie Jeziorski, und beinahe zu einem Bündel differenziert, das zwischen den Zinken des gespaltenen Endes der beiden transversalen Chitinleisten an- setzt. 18. I stm^^j^. Musculus lateralis stigmaticus prothoracis. Segmentaler, intrapleuraler, doppelter Stigmenmuskel von sternal- pleuralem Verhalten; der ziemlich entwickelte zweiteilige Muskel ent- springt an der sternalen Flankenhaut und inseriert getrennt. Eine kürzere Partie von Muskelfasern setzt unten am Hinterrande des Stig- mas an; ein zweiter Teil geht weiter am Stigmenrand hinauf und endigt an der Mitte des hinteren Seitenrandes. Sternale Beinmusknlatnr. 19. Ihm-^^j^j^. Musculus sternalis pedalis primus pro- thoracis. Segmentaler, sternaler Beinmuskel, ein ziemlich kräftiger Muskel; er setzt seitlich an der Proapophyse an und endigt mit kon- vergierenden Fasern am Hüftrand. Die vorderen Muskelfasern inserieren an der Chitinleiste, die am Vorderwinkel des Hüftrandes beginnt, der Hauptteil endigt im Vorderwinkel des Hüftrandes selbst. Beide Muskeln sind Elevatoren der Hüfte. 20. I bfUß. Musculus pedalis tertius prothoracis. Segmen- taler, sternaler Beinmuskel, ein kurzer, nicht sehr kräftiger Muskel, der am Grunde der Proapophyse am Hinterrande des Prosternums ent- springt; die Fasern konvergieren und enden in der Nähe des Hüft- randes etwas hinter bnii auf der pleuralen Falte, die sich über den hinteren Seitenrand des Prosternums legt. Der Muskel erhöht die Be- ständigkeit der Falte und wirkt in seiner Beziehung zum Hüftrand zu- gleich als Elevator. 21. Ihm^- Musculus pedalis secundus prothoracis. Seg- mentaler Beinmuskel, ein nicht sehr kräftiger Muskel, setzt seitlich auf der Hinterrandsleiste der Proapophyse an und inseriert mit kon- vergierten Fasern im Hinterwinkel der prothoracalen Hüfte; er ist ein Depressor coxae. 22. I zm. Musculus sternalis lateralis prothoracis. Seg- mentaler, lateraler »Sternalmuskel ; er ist homolog dem zm der übrigen Segmente. Ich habe ihn nicht bei allen Tieren gefunden. Er ist ein wenig straffer, schmaler, flacher Muskel, der am hinteren seitlichen Ende der Proapophyse entspringt. Die Fasern winden sich um ldv'm2 herum und inserieren unmittelbar unter dlvm^ am oberen Ende der Pleuralleiste. Er verbindet Apophyse und Apodem, ist aber, wenn überhaupt vorhanden, so rückgebildet, daß seine Funktion als Stütze: Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 781 der sternalen Beinnuiskulatiir nicht groß sein kann. Er hat nur mehr »historische« Bedeutung. 23. I ifm. Musculus sternalis adductor lateralis pro- thoracis. Segnientaler Sternalmuskel, Intersegmentalfaltenmuskel; der zienJich kräftige Muskel beginnt am seitlichen äußersten Ende der Proapophyse am Seitenwinkel des sternalen Hinterrandes unter ism, zieht über das Prothoracalstigma hinweg und endigt unmittelbar neben dem längeren Teil des doppelten Stigmenmuskels an der Intersegmen- talfalte. Seine Funktion scheint zu sein, die Beständigkeit der Inter- segmentaKalte zu erhalten. Vielleicht steht er auch in Beziehung zum Stigma. Dieser Muskel ist zu identifizieren mit dem von Voss für den Mesothorax beschriebenen ifm. Bei Gryllus ist er nur im Mesothorax, bei Dixippus nur im Prothorax vorhanden, und zeugt für die Zu- gehörigkeit des Stigmas zum Prothorax, ebenso wie er bei Gryllus die Zugehörigkeit des Stigmas, zu dem er in Beziehung steht, zum Meso- thorax beweist. Übersicht. I. Längs muskulatur. 1. Ventrale Längs muskulatur: I vlm. 2. Dorsale Längsmuskulatur: I dlm.^^__^f^. II. Dorsoventralmuskulatur (mediale). 1. Intersegmentale Muskeln: I ism, I ism2- 2. Segmentale Muskeln: a) Vordere episternale Gruppe: I dvmi, I dvniQ an den Hüft- rand, dvm^ an den Trochanter, b) hintere epimerale Gruppe : I dvm2, I dvm.^_^ an den Hüft- rand. III. Seitenmuskulatur. 1. Laterale Dorsoventralmuskeln : a) Intersegmentaler Muskel : / ildvm, b) vordere episternale Gruppe : I Idvm-i an den Trochantin, I Idvm^ an den Trochanter, c) hintere epimerale Gruppe: / ldvni2, I Idvm^a ^^ ^^^ Hüft- rand. 2, Unterbrochene Seitenmuskulatur: a) Sternalpleuraler / pni^ an den Trochantin. Stigmen- muskel I stm^^j,. b) intratergaler Belag. IV. Sternale Muskulatur. Beimuskulatur /&mi_35 7 «m und 7 */w. 782 Lucie Jeziorski, Vergleichung und Morphologie des Prothorax mit Berücksichtiguag der Verhältnisse bei Gryllus domesticus. Tentrale Längsmnsknlatnr. Bei Dixippus findet sich nur ein einziger medianpaariger, kräftiger ventraler, Längsmuskel I vlm im Gegensatz zu der reich entwickelten ventralen Längsmuskulatur bei Gryllus, vor allem bei der Larve. Er nimmt die ganze Breite des Sternellums oder des epimeralen Sternits ein, ein Verbindungsmuskel zwischen Prosternit und dem gelenkig ab- gegliederten poststernalen Abschnitt. Er entspricht dem I vlm^ bei Gryllus, einem neuen Verbindungsmuskel, der in den übrigen Thoracal- segmenten von Dixippus wie von Gryllus fehlt, da er dort ja keine Verwendung hätte, und durch sein Auftreten im Prothorax, wo er Sternit und Sternellum miteinander verbindet, zeigt, wie ein neuer Muskel sofort da zu finden ist, wo durch die Skelett Verhältnisse eine neue Funktionsmöglichkeit geschaffen wurde. Jedes Thoracalsegment weist einen einzigen paarigen ventralen Längsmuskel auf, der im Meta- thorax doppelt intersegmental, im Mesothorax einfach intersegmental, im Prothorax segmental ist. Dorsale Längsmnskulatnr. Im Prothorax fehlen, wie in den übrigen thoracalen Segmenten, die Phragmen und präsegmentalen Lamellen, übereinstimmend mit dem Befund im Prothorax von Gryllus. Folglich fehlen auch die dor- salen Längsmuskeln, die von Phragma zu Phragma, von Präsegmen- tallanielle zu Präsegmentallamelle ziehen. Es sind zwei auf der hin- teren Tergumhälfte median an Chitinleisten entspringende und zum Vorderrand des Mesotergums ziehende dorsale Längsmuskeln vor- handen, die dem I dlm^^ und I dlm^j^ von Gryllus homolog sind in ihrem medialen Ansatz, in ihrem Verlauf schräg seitlich nach hinten und medianwärts von der inneren Dorsoventralmuskulatur. Eine Kreuzung der Muskeln ist nicht eingetreten. Sie tritt bei Gryllus auch erst postembryonal ein. Wir haben also bei Dixippus einen primären Zustand vor uns. Doch erhöht auch hier »die Verbindung der Seg- mente nach beiden Seiten hin von einer einzigen Stelle aus« die inter- segmentale Bewegungsmöghchkeit. dlmi und dlm2 fehlen; dort, wo ihre hintere Ansatzstelle zu suchen wäre, endet der 0idlm2, der ihren Platz einnimmt und sie funktionell ersetzt. Oidlm2 endet median am Vorderrande des Mesotergums da, wo in den andern Segmenten dlm^^^ ansetzen. Weitere laterale dorsale Längsmuskeln fehlen übereinstimmend Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 783 bei Dixippus und bei GnjUus ; denn durch die kräftige Entwicklung der Flankenmuskulatur sind die seitlichen Bezirke des Pronotums ganz, in Anspruch genommen. Die dorsoventralen Muskeln dvyn^ und Idvm.^^ drängen sich mit ihren Ansatzstellen unter die seitlichen Fasern von dlm^i^, ebenso wie sich im Mesothorax der Ansatz von dvm2 an dlm^^ herandrängt und die gesamte mesothoracale dorsale Längsmuskulatur gleichsam medianwärts auf ein möglichstes Minimum von Breiten- entfaltung zusammenpreßt. Mediale DorsoTentralmuskulatur. Im Prothorax von Dixippus ist eine Konzentration der Muskulatur, die medianwärts gerichtet ist, eingetreten, übereinstimmend mit Gryllus. Die Konzentration ist schon durch die Skelettverhältnisse gegeben, da der Prothorax von der Längenausdehnung der übrigen Thoracalseg- mente ausgeschlossen ist. In der Lagebeziehung zur Pleuralleiste ist im Prothorax von Dixippus keine Veränderung gegenüber den andern Segmenten zu konstatieren, dvm^ beginnt hinter der Pleuralleiste, sämtliche andern Dorsoventralmuskeln vor der Pleuralleiste. Auch im Prothorax sind es die beiden hinteren Depressoren der Hüfte, dvm2, dvm^^^, die am weitesten nach hinten bzw. nach vorn auf dem Tergum inserieren. Bei Gryllus dagegen läßt sich wiederum die ventral ge- gebene Einteilung in eine vordere und eine hintere mediale Dorso- ventralmuskulatur auch tergal durchführen. Aber die tergalen An- satzstellen hegen abweichend von den übrigen Segmenten zusammen- gedrängt hinter der Pleuralleiste. Erstere umfaßt die Elevatoren, letztere die Depressoren der Hüfte. Charakteristischerweise liegen bei Dixippus in allen Thoracalsegmenten die Ansatzstellen des medialen Depressors dvm^_^^ und des lateralen Elevators Idvin^ auf gleicher Höhe, im Prothorax entsprechend der dort herrschenden Tendenz der Konzentration mit dicht nebeneinander liegenden Ansatzhnien. Die hintere mediale Dorsoventralmuskulatur ist im Prothorax von Dixippus also durch dvm2 und dvm^j^^ vertreten, die vordere durch die Hüft- muskeln dvm-i und dvniQ und den Trochantermuskel dvm^. Vergleicht man die drei Thoracalsegmente in bezug auf die vordere mediale Dorsoventralmuskulatur miteinander, so ist in der Richtung von hinten nach vorn eine fortschreitende Differenzierung derselben zu konstatieren. Im Metathorax ist die vordere nur durch den Tro- chanteranteil dt)i^ vertreten. Im Mesothorax ist außer dvm^ der pri- märe Stammuskel dvniQ (besser dvm-^) mit der charakteristischen langen Sehne vorhanden. Im Prothorax dagegen ist dvniQ in zwei Teile : dvmQ Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 51 784 Lucie Jeziorski, und dvmi differenziert. Das Fehlen eines Anteiles des Hüftrandes an der vorderen Dorsoventralmuskulatur im Metathorax zeigt, wie schon erwähnt wurde, wie leicht ein Muskel in seiner Funktion durch einen einer andern Kategorie angehörenden Muskel ersetzt werden kann. Im Mesothorax ist ein einheitlicher, vorderer Dorsoventralmuskel am Hüftrand vorhanden. Das Fehlen einer Differenzierung in zwei Teile deckt sich mit der Anschauung, daß bei einer Zweiteilung der eine Teil ein Flügelmuskel ist, der mangels einer Funlvtion bei Dixippus nicht erwartet werden muß. Bei Grijllus ist im Meta- und Mesothorax in den geflügelten Segmenten also eine Zweiteilung des dvmx und dvrriQ vorhanden. Der Prothorax weist übereinstimmend mit seiner Flügel- losigkeit nur einen Muskel dvmQ auf. Bei Dixifpus dagegen befinden sich am Vorderwinkel an der typischen langen Sehne zwei wohldiffe- renzierte Muskeln, von denen dvniQ an der Medianlinie des Tergums, dvnii in der Nähe des Seitenrandes endigt. Diese Zweiteilung setzt eine besondere Inanspruchnahme durch die Beinbewegung voraus. Einmal sind die Vorderbeine am kräftigsten entwickelt, dann treten die Elevatoren der Hüfte besonders in Funlvtion, wenn sich die Tiere tagsüber mit wagerecht nach vorn gestreckten, an den Körper an- gedrückten Vorderbeinen an Zweigen usw. aufhängen, was ihre be- hebtestie Ruhestellung zu sein scheint. Bei Gryllus ist dagegen durch die erhöhte Inanspruchnahme der Vorderbeine eine Bereicherung der Elevatoren durch einen neuen medialen Dorsoventralmuskel dvm^ am Vorderrande des Trochanter gegeben, der epimeraler Muskel ist, während dvmx nnd dvin^ episternale Muskeln sind. Dies, sowie der Umstand, daß die gesamte Dorsoventralmuskulatur bei Gryllus hinter der Pleural- leiste auf der tergalen Fläche ansetzt, entgegen den Verhältnissen bei Dixippus, ergibt den großen Unterschied zwischen Gryllus und Dixiffus : daß bei Gryllus die epimerale Beinmechanik im Prothorax dominiert, während bei Dixippus der Schwerpunkt auf der episternalen Bein- mechanik liegt. Laterale DorsoTeotralmuskulatur. An lateralen Dorsoventralmuskeln finden sich im Prothorax die- selben Muskeln vor wie im Meso- und Metathorax: Die episternalen Idvm^ und Idvm^, die epimeralen Idvmo und Idvni.^^. Epimerale und episternale Beinmechanik sind also in gleicher Weise entwickelt. Idvm2 ist in allen Segmenten vollkommen gleich in Stärke, Entwicklung, Ver- lauf und in seinem Ansatz, ldvm.2^ zeigt eine von hinten nach vorn fortschreitende sich lockernde Befestigung am Hüftrand, sowie eine Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 785 Wanderung am Hüftrand vom Hinterwinkel der Hüfte nach vorn zum Hüftgelenkkopf. Auch die Form ändert sich in gleicher Kichtung. III Idvm-^a ist lang und schmal mit längerer Sehne, II Idvm.y^ kurz gedrungen mit kurzer Sehne, / Idvm^a breit, flach, fächerförmig, eben- falls mit kurzer Sehne. Besonders hervorzuheben ist, daß der Trochan- tinmuskel Idvmi mit seiner Ansatzlinie ganz median gerückt und an die tergale mediane Chitinleiste verlagert ist. Ein Vergleich mit dem Prothorax von Gryllus zeigt, daß bei beiden Tieren übereinstimmend zwei episternale Beinmuskeln vorhanden sind. Der Trochantermuskel Idvm^ ist beiden Tieren gemeinsam. Bei Gryllus ist es der zweite der episternalen Muskeln, der primäre Hüftmuskel Idvm^^, der sich in allen Thoracalsegmenten findet. Die von diesem abzuleitenden Idvm-^ und Idvm-^^, die sekundär auf den Trochantin verlagert wurden, im Meta- thorax und Mesothorax als Flügelmuskel dienen, fallen mit dem Mangel einer Funlction naturgemäß im Prothorax fort. Bei Dixippus ist wie im Meso- und Metathorax von diesem Stammuskel und den beiden abgeleiteten Muskeln ein kräftiger Beinmuskel vorhanden, der auf dem Trochantin inseriert, und den ich Idvm-i genannt habe. Eine ent- wicklungsgeschichtUche Untersuchung würde lehren, ob er der sekundär an den Trochantin verlagerte Idvni:^ ist, oder ob ursprünglich ein Hüft- muskel Idvm^ vorhanden war, von dem ein Teil sekundär an den Tro- chantin verlagert wurde, während der Anteil des Hüftrandes ausfiel, was bei der großen, bereits betonten Variationsfähigkeit der Muskeln ohne weiteres möglich ist. Besonders hervorzuheben ist, daß im Prothorax von Dixippus keine Sonderung der tergalen Ansatzstellen der medialen Dorsoventral- muskulatur einerseits und der lateralen Dorsoventralmuskulatur ander- seits vorhanden ist (vgl. Gryllus). (Die tergalen Ansätze von ldvm2g und dvm^, Idvnii und Idvm^^^ fallen vollständig zusammen.) Sie wird in den übrigen Segmenten durch einen intratergalen Muskelbelag bewrkt, der die Stelle einnimmt, an welcher bei geflügelten Formen die Flügelanlage zu suchen ist. Demnach muß im Meso- und Meta- thorax von Dixippus eine Flügelanlage tergal differenzierend auf die beiden Kategorien eingewirkt haben. Unterbrochene Seitenmuskeln. Dixippus weist im Prothorax übereinstimmend mit dem Metathorax einen einzigen, einfachen, sternalpleuralen Muskel I pm^ auf, der auf dem Trochantin endigt. Eine tergalpleurale Muskulatur ist im Pro- thorax übereinstimmend mit den übrigen Thoracalsegmenten nicht 51* 786 Lucie Jeziorski, vorhanden. Voss hat für Gryllus in den flügeltragenden Segmenten die Kategorie sogenannter echter tergalpleuraler Muskeln durch- geführt, und hebt hervor, daß diese Muskulatur im Prothorax zu fehlen scheint. Dies deckt sich mit meiner Feststellung des Fehlens dieser Kategorie in sämtlichen Thoracalsegmenten von Dixipjjus, die ja alle flügellos sind. Ein intratergaler Muskelsaum fehlt auch im Prothorax nicht. Er ist auf die vordere Hälfte des Segmentes beschränkt und verbindet ebenso wie in den übrigen Segmenten eine nach innen vor- springende Hautduplikatur mit der tergalen Fläche. Ein lateraldorso- ventraler bzw. sternalpleuraler Muskelbelag ist nicht da. Es fehlte bei den veränderten Skelettverhältnissen im Prothorax die Funktionsbasis dazu. Stigmeumnskulatur. Ebenso wie im Mesothorax hat das prothoracale Stigma zwei Stigmenmuskeln, die hier wie dort beide außerhalb des Peritrema ihre Ursprungsstelle haben und als intrapleurale Muskeln von sternalpleu- ralem Verhalten aufzufassen sind. Stern ale Muskuljitnr. Die sternale Muskulatur entspricht den übrigen Segmenten: Im Vorderwinkel der Hüfte bzw. am Innenrande die Elevatoren bmi und hm^, die den entsprechenden Muskeln bei Gryllus homolog sind, und der im Vergleich zu den übrigen Segmenten schwach entwickelte 6m 2 im Hinterwinkel, bnio zeigt von hinten nach vorn eine fortschreitende Vereinfachung: im Metathorax eine deutliche Zweiteiligkeit im Ver- lauf und in der Ansatzstelle; im Mesothorax eine einheithche Ansatz- stelle, die Zweiteihgkeit ist nur noch undeuthch im Verlauf zu er- kennen; im Prothorax ist er schwächer entwickelt und einheitlich. Abgesehen von den aus morphologischen Gründen bei Dixippus fehlen- den &m4 und hmy stimmen diese Verhältnisse des Prothorax bei Gryllus und Dixippus überein, ein Beweis dafür, daß bei der alleinigen In- anspruchnahme der Dorsoventralmuskulatur durch die Beinbewegung die sternale Beinmuskulatur an Bedevitung verliert. Die Vergleichung und Morphologie des Prothorax ermöglicht es, zu der Frage der Zugehörigkeit des ventralen, hinter dem Prosternit gelegenen Schnürstücks, des Sternellums, Stellung zu nehmen. Die Verhältnisse der Muskulatur geben hier sicheren Aufschluß. Der me- diale Dorsoventralmuskel ism^, der im Mesothorax am Hinterrande des Mesosternums ansetzt, beginnt im Prothorax am Seitenrande des Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 787 Sternellums; er ist dem abgeschnürten epimeralen Sternit gefolgt. Der laterale Dorsoventralmiiskel ildvm, der im Mesothorax vom Hinterrand des Meossternums zum mesothoracalen tergalen Seitenrand zieht, zieht im Prothorax vom Hinterrande des Sternellums zum tergalen Seiten- rande des Mesotergums. AVeitere Beweispunkte hefert ein Vergleich mit Gryllus domesticus. Voss hat den exakten Beweis durchgeführt, daß die unpaare Apophyse bei Gryllus ein Schnürstück des Prosternums ist; bei Dixippus haben wir in dem Sternellum ein der unpaaren Apo- physe bei Gryllus homologes Schnürstück. Der vlrU'^, der Gabelapophyse und unpaare Apophyse bei Gryllus verbindet, findet sein Homologon bei Dixippus in dem / vlm. Dieser / vlm ist nicht ein intersegmentaler Längsmuskel, der dem // vlm gleichgesetzt werden könnte; denn // vlm zieht über die ganze Länge des Metasternums zu der getrennt aufsitzen- den Gabelapophyse des Metasternums. Mit dem Fehlen dieser endo- skelettalen Bildung im Mesothorax ist zugleich auch der intersegmentale / vlm weggefallen. Daß Muskeln einfach ausfallen können, ist im Laufe der Untersuchung wederholt festgestellt. Auch der an der Metapo- physe ansetzende 6>H4 ist in den anderen Segmenten ausgebheben. f. Halshaut 0. (Taf. XVIII, Schema 3.) Ventrale Längsmuskulatiir 1. Ovlm^_r^. Musculus ventralis cephalosterni quartus et qu intus. Intersegmentaler, medianpaariger, ventraler Längsmuskel, ein langgestreckter, mittelkräftiger, parallelfaseriger, bandförmiger und flacher Muskelstrang, der in der Kopfkapsel am Tentorium ansetzt und von hieraus nach hinten verläuft über die Halshaut und das Prosternit hinweg und seitlich am Hinterrande des Prosternits an der Proapo- physe endigt. Er ist ein Depressor capitis und entspi'icht 0 vlm^_^^ bei Gryllus. 2. Ovlm^. Musculus ventralis cephalosterni tertius, ein schmaler, flacher bandförmiger Muskel, kommt dem vorigen an Stärke gleich. Er entspringt auf der Halshaut an der Kehlplatte a, ventral am vorderen Seitenrande und verläuft genau unter vlm^^^ nach rück- wärts, und setzt unter ihm am Hinterrande des Prosternits an der Proapophyse an. Er ist ebenfalls ein Depressor capitis. Dorsale Längsiunsknlatnr. 3. 0idlm2- Musculus dorsalis secundus cephalonoti. Dop- pelt intersegmentaler, dorsaler, medianpaariger Längsmuskel, ein 788 Lucie Jeziorski, mittelkräftiger Muskel; er entspringt auf der Halshaut, die hier eine breite Intersegmentalfalte zwischen Kopf und Prothorax bildet, an dem zu einer mützenförmigen Sehne ausgezogenen Rande derselben. Er verläuft nach hinten über das Protergum hinweg und endet un- mittelbar neben der Medianlinie auf dem niesotergalen Vorderrande. Er zieht demnach von einem Punctum mobile zu einem zweiten Punctum mobile. 4. Odhrix- Musculus dorsalis cephalonoti primus. Inter- segmentaler, dorsaler, medianpaariger Längsmuskel, ein zienihch kräf- tiger Muskel. Er beginnt medianwärts seitlich an der mützenförmigen paarigen Sehne der Halshaut und endigt auf dem Protergum an der medianen Chitinleiste entlang bis zu dem Winkel, den diese mit ihrer transversalen Komponenten bildet. Dieser Muskel dient wie der vor- hergehende tergal zur Regelung der intersegmentalen Beweglichkeit. Sie heben den Kopf als Elevatoren capitis. DorsoTentralmuskulatur (mittlere, echte mediale). luterseg-mentaldorsoTentralmuskulatur. 5. Oidvm-^. Musculus dorsoventralis intersegmentalis cephalonoti inversus, Rotator capitis externus primus, vom Nackenbezirk sternalwärts intersegmentaler Dorsoventralmuskel. Er setzt zusammen mit dem folgenden auf dem Coxosternum an, besteht nur aus wenigen Fasern, die tergal ziemlich weit nach vorn in der Nackenhaut an einer Falte endigen. Seine Wirksamkeit kann nicht sehr groß sein. 6. Oidvm^- Musculus dorsoventralis intersegmentalis cephalonoti inversus, Rotator capitis externus secundus, vom Nackenbezirk sternalwärts intersegmentaler Dorsoventralmuskel, ein kurzer, breiter, kräftiger Muskel, der zusammen mit Oidvm-^ am Coxosternum entspringt und am Hinterrande des Hinterhauptsringes in der Nackenhaut endigt. Die beiden Muskeln sind den gleichnamigen bei Gryllus homolog. Genau genommen differieren die Anheftungs- stellen unbedeutend. Bei Gryllus beginnen die Muskeln da, wo Pleural- lamelle und Coxosternum zusammenstoßen. Die zweite Anheftungs- stelle kommt den Verhältnissen des ersten Stadiums von Gryllus näher. Der ildvm2 inseriert ziemlich weit entfernt von der Medianlinie noch in der Nackenhaut vor dem Hinterhauptsring. 7. Oism. Musculus dorsoventralis intersegmentalis ce- phalosterni. Vom Kehlbezirk tergalwärts gerichteter, d. h. typisch intersegmentaler Dorsoventralmuskel, Rotator capitis internus, ein r Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 789 mäßig entwickelter parallelfaseriger, häufig in zwei aufeinander liegende Lagen differenzierter Muskel; er nimmt seinen Ursprung auf der hinteren Fläche der Kehlplatte A und zieht zum Protergum, an dessen seithchem Vorderrande er ansetzt, an der Innenseite des vorderen Zinkens der Vorderrandsleiste. 8. Oism2- Musculus dorsoventralis intersegmentalis ce- phalosterni, vom Kehlbezirk tergalwärts gerichteter, d. h. typisch intersegmentaler Dorsoventralmuskel, Rotator capitis internus. We- nige Muskelfibrillen, die am oberen ventralen Seitenrande der Kehl- platte A entspringen, und an der Vorderrandsleiste des Protergums vor und neben Oism endigen. Dieser Muskel ist schwer zu verfolgen und von den andern, besonders dvm^^, schwierig zu isolieren. Seine Wirkung als Rotator kann nicht bedeutend sein. Segmentale DorsoTentralinnskeln. 9. Odvm^ Musculus dorsoventralis secundus collaris primus, segmentaler Dorsoventralmuskel, wenige Muskelfibrillen, schwer isolierbar, besonders von Oismo- Sie entspringen am lateralen vorderen Seitenrande der Kehlplatte A, ziehen tergalwärts nach oben und hinten und endigen nicht weit vom Vorderrande des Protergums entfernt an einer Falte in der Halshaut. Ihre nicht bedeutende Funktions- fähigkeit beschränkt sich auf die Regulierung der Halshautfalte bei Wendungen des Kopfes. Odvm^^ entspricht Odvm.-,^ 1 und 2 bei Gryl- lus und zwar stimmt er in seinem Verlauf mehr mit dem ersten Stadium als mit der Imago von Gryllus überein. 10. Odvm^j^. Musculus dorsoventralis secundus collaris, segmentaler Dorsoventralmuskel, Rotator capitis externus, ein gut entwickelter Muskel; er entspringt in der vorderen Mitte der hinteren Hälfte der Kehlplatte nahe Oism, zieht nach oben und vorn und endigt tergal und seitlich am Hinterhauptsring. 11. Odvm^c- Musculus dorsoventralis secundus collaris tertius, segmentaler Dorsoventralmuskel, Rotator capitis externus, ein kräftiger Muskel; gleich dem vorigen hegt seine Ansatzstelle auf der Kehlplatte am ventralen hinteren Seitenrande der vorderen Hälfte. Er zieht neben Odvm^^ nach oben und vorn, und inseriert neben ihm am Hinter hauptsring. Die Muskeln entsprechen (^wng^^g bei Gryllus. Halshantfalteniunskeln. 12. Fam^_^. Musculi segmentales dorsales cephalonoti. Dorsale Nackenfaltenmuskeln, sind dünne Muskelfaserstränge, die 790 Lucie Jeziorski, tergal zwischen den Falten der Halshaut verlaufen. Sie setzen unter der mützenförmigen Ausstülpung an, von welcher der Längsmuskel Odlwii ausgeht. Beide Muskelfaserstränge verlaufen etwas schräg zur Medianlinie hin. Der kürzere medianwärts gelegene endet auf einer nach innen vorspringenden Falte der Halshaut. Der längere Faser- strang setzt über diese Falte hinweg und endigt neben der Median- linie vor dem Vorderrande des Halsschildes. Die Muskelfibrillen dienen der Reguherung der Halshaut falten. 13. iFam^^^. Musculi intersegmentales dorsales cepha- lonoti. Dorsaler Nackenfaltenmuskel, ziemlich kräftiger, flacher, mäßig breiter Muskel. Das Faserbündel c beginnt etwa in der Mitte der Halshaut, der Hauptteil d unmittelbar hinter dem Hinterhaupts- ring in der Halshaut. Die Fasern verlaufen schräg medianwärts. Der Muskel endigt auf dem Vorderrande des Protergums in dem Winkel, den die mediane Chitinleiste mit der Vorderrandsleiste bildet. Die beiden Muskelbündel dienen der Regulierung der Nackenhautfalten. Vergleichvmg und Morphologie der Halshaut. Die aufgezählten Muskeln der Halshaut verleihen dem Bezirk eine hohe Beweglichkeit in den verschiedensten Richtungen, die dem Kopfe eine vielseitige Drehungsmöglichkeit gewährt. Zwei kräftigen Hebern des Kopfes {dlm-^, idlnio) wirken zwei ebenso leistungsfähige Senker entgegen [vlm^, vlm^^^. Sieben Rotatoren ermöglichen eine freie rotatorische Bewegung. Vier Halshautfaltenmuskeln ergänzen sie in der Regulierung der verschiedenen Falten. Die 15 Muskeln scheinen ge- eignet, dem Kopf mit Leichtigkeit die Haltung zu ermöghchen, die er zur Erfüllung seiner Lebensfunktionen gerade braucht. Die dorsale Läügsmasknlatnr weist in dem Oidlm^ den einzigen doppelt intersegmentalen, dorsalen Längsmuskel auf, der bei Dixijppus zu konstatieren ist. Sein auch bei Gryllus beschriebenes Verhalten ist durch die Notwendigkeit einer freieren Beweglichkeit zu erklären, damit bei Drehbewegungen des Kopfes eine große rotatorische Bewegungsfreiheit gewährleistet wird. Sein hinterer Ansatz hat die medialen, einfach intersegmentalen pro- thoracalen dbn, die in Übereinstimmung niit dem Mesothorax und dem Abdomen im Prothorax zu erwarten wären, wegfallen lassen. Odlnii setzt an der medianen, longitudinalen Chitinleiste des Prothorax zu- sammen mit prothoracalen medialen Dorso ventral muskeln und lateralen Derso Ventralmuskeln an. Im Prothorax ist also auf der vorderen 1 Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 791 Hälfte des Tergums mit dem sonst im Thorax sowohl tergal wie ventral durchgeführten Prinzip einer räumhchen Trennung des Ansatzes inter- segmentaler Bewegungsmechanik und Beinkinematik dienender Mus- kulatur infolge medianer Konzentration der Ansatzstellen der Muskeln gebrochen. Ventrale Längsmasknlatur. Gegenüber der ventralen Längsmuskulatur in den übrigen Seg- menten fällt es auf, daß die Muskeln von der Medianhnie weit entfernt einen lateralen Verlauf nehmen; bei Gryllus ist ebenfalls hervorgehoben, daß die Ansatzstellen sämtlicher ventralen Längsmuskeln lateralwärts liegen. Für die funktionelle Inanspruchnahme der ventralen Längs- muskulatur gegenüber den thoracalen Segmenten zu erhöhter inter- segmentaler Beweghchkeit ist bezeichnend, daß im Gegensatz zu den thoracalen Segmenten zwei paarige ventrale Längsmuskeln vorhanden sind. Der eine nimmt Bezug auf die Kehlplatte, mit der Kehlhaut das epimerale Sternit, der andre auf das Tentorium, die »Gabelapophyse << des Segments zur zweiten Maxille (Voss). Dorsoventralinuskeln. Mit der tergalen Lockerung der intersegmentalen Beweglichkeit ist eine reich differenzierte mediale Dorsoventralmuskulatur mit rota- torischer Funktion verbunden, teils segmental, teils intersegmental. Es ist die Muskulatur des epimeralen Bezirks des Kopfsegmentes der zweiten Maxille (Voss 1912, S. 575). Die Halshaut hat zwei typische, d. h. nach hinten gerichtete ism, entsprechend dem Pro- und Meso- thorax zu freier rotatorischer Beweglichkeit. Die Muskeln wahren durch ihre Richtung zueinander (in der Verlängerung tergalwärts würden sie sich kreuzen; sie treffen gleichsam in ihrem Kreuzungspunkt zusammen) bei gleichzeitiger Kontraktion die Beständigkeit der Lagebeziehung der betreffenden Skeletteile zueinander. Bei Gryllus ist homolog eine Zwei- teilung des ism eingetreten, die in den Thoracalsegnienten nicht vor- kommt, während sie bei Dixippus schon im Meso- und Prothorax be- schrieben ist, ein Beweis der Anpassungsfähigkeit der Muskulatur an gegebene kinematische Anforderungen. In ihrem tergalen Ansatz entsprechen die Muskeln genau den pro- und mesothoracalen. Alle drei Paare setzen seitlich an der tergalen Vorderrandsleiste an. Oism und Oisnio nehmen nicht an der niedianwärtigen Verschiebung der Muskelansatzstellen teil, wie es bei Gryllus der Fall .ist. Sie setzen sternal auf der vorderen bzw. hinteren Hälfte der Kehlplatte an. Einen den typischen ism entgegengesetzten Verlauf nehmen die 792 Lucie Jeziorski, intersegmentalen idvni. Sie ziehen von hinten, dem Coxosternum nach vorn zum Hinterhauptsring und sind den gleichnamigen Muskeln bei Gryllus homolog. Die Zusammengehörigkeit aller Muskeln zu einem Komplex zeigt die Vielseitigkeit der kinematischen Beziehungen derselben. Auf der vorderen Hälfte der Kehlplatte entspringen die Eotatoren dvm^^ zum Hinterhauptsring, dvm^^ zur Nackenfalte, Oisnio zum Pronotum. Auf der hinteren Hälfte der Kehlplatte entspringen dvm^^ zum Hinter- hauptsring, Oism zum Pronotum. Auf dem Coxosternum beginnen Oidvm^ zum Occiput, Oidvm-^ zur Nackenfalte. Durch gekreuzten Faserverlauf und Benachbarung der Ansatzstelle als miteinander in kinematischer Wechselwirkung stehend charakterisieren sich ism und dvrn^j^; ism 2 und dvm.^^; idvm^ und dvm^a- Auf idvm2 scheint der dorsale intersegmentale Faltenmuskel iFamd Bezug zu nehmen. Den Verlauf des dvm^^i tergalwärts nach hinten und die dadurch erfolgende Kreuzung mit dem zu ihm in Wechselbeziehung stehenden idvnii hat Dixippus mit dem ersten Stadium von Gryllus gemeinsam. Die größere Angieichung der Verhältnisse von Dixippus an das erste Stadium von Gryllus, mehr als an die Imago, beschränkt sich also nicht nur auf die flügeltragenden Segmente (vgl. dlm des Abdomens, dvm des Ab- domens; der mehr rückwärtige Ansatz des dlm^^^j^ auf dem Pro- tergum und deren nicht gekreuzter Verlauf). Sie wurde im Abdomen schon wiederholt betont und zeigt sich auch in der Halshaut noch einmal in dem Vorhandensein von Nackenfaltenmuskeln zur Erhaltung der Beständigkeit der Falten. Sie sind bei Gryllus embryonal in reichem Maße vorhanden, rudimentieren aber schon während des ersten Sta- diums mit Verkürzung des Nackenbezirks usw. In der im ganzen auf- fallenden Übereinstimmung zwischen den Halshaut muskeln von Gryllus und Dixippus und der gleichgerichteten DeutungsmögUchkeit liegt eine gegenseitig wirkende Bestätigung der Auffassung über diese Muskulatur. III. Allgemeine morphologische Betrachtung des Thorax. 1. Zusammenfassung der Angaben über die Muskulatur. Intersegmeutale Längsmuskulatur. Ventrale Lüngsmnskulatur. Die gesamte ventrale Längsmuskulatur ist einfach intersegmental. Ein doppelt intersegmentaler und ein segmentaler Muskel sind vor- handen. Eine Zerlegung der gesamten ventralen Längsmuskulatur in zwei Gruppen von Muskeln, eine mediane und eine laterale, wie sie I Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 793 Voss bei Gryllus durchgeführt hat, ist nur im Abdomen möghch. Doch handelt es sich bei Dixippus nicht um zwei wohlgetrennte Gruppen, sondern lediglich um ein medianes und ein dicht daneben verlaufendes laterales Muskelpaar mit darunter hegendem, gleichmäßigem Muskel- belag. Die Thoracalsegmente weisen nur je ein Paar ventraler Längs- muskeln auf, von denen III vhn^ doppelt intersegmental ist: Der einzige doppeltintersegmentale ventrale Längsmuskel. Sein Auftreten ist darauf zurückzuführen, daß das erste Abdominalsegment, über das er hinwegzieht, mit dem Metathorax verschmolzen ist, jedoch ventral nicht so vollständig wie dorsal, da auch das erste Abdominalsternum noch eine eigene, zweiteilige, intersegmentale Längsmuskulatur besitzt, und Metasternum und Sternum des Segmentuni medianum durch eine allerdings kaum entwickelte Intersegmentalhaut voneinander abgesetzt sind. Beachtenswert ist, daß /// vlm-i^ eine besondere mediane Kon- zentration an einem festen Widerlager, der Apophyse aufweist, die außerdem nur noch tergal im Prothorax vorkommt. Diesem Muskel kommt demnach einmal durch seine mediane Konzentration bei Wesfall einer lateralen ventralen Längsmuskulatur im Metathorax, und weiter- hin dadurch, daß er doppelt intersegmental verläuft, eine erhöhte Bedeutung für die intersegmentale Beweglichkeit zu. Sowohl der doppelt intersegmentale "Verlauf, als auch die Verbindung der Seg- mente von einer Stelle aus erhöhen die intersegmentale Beweounas- möghchkeit, und das kräftige Widerlager der Apophyse steigert seine Leistungsfähigkeit. In der Halshaut ist zum Unterschied von den Thoracalsegmenten eine Zweiteilung der Muskulatui: jederseits der Medianlinie vorhanden, bedingt durch die morphologischen Verhältnisse. Der eine setzt am Tentorium, der andre an der Kehlplatte an. Doch handelt es sich hier um zwei laterale Bündel; das mediane Sternum ist frei von Muskulatur, wodurch ebenfalls eine erhöhte Bewegungsfreiheit bewirkt wrd. Die thoracale ventrale Längsmuskulatur, sowie die der Halshaut nehmen sämtlich Bezug auf die Apophysen, was ihre Funktionsfähigkeit, sowohl in der intersegnientalen Beweglichkeit, als auch in der ventralen Ver- festigung der Segmente erhöht. Die ventrale Längsmuskulatur der Halshaut berücksichtigt das Sternellum nicht, eine Tatsache, die sich auch bei Gryllus vorfindet. Gegenüber Gryllus weist Dixippus im Thorax eine große Einfach- heit in der ventralen Längsmuskulatur auf. Ein gekreuzter Verlauf der Fasern, im ersten Stadium von Gryllus weniger entwickelt, in der Imago aber eine typische Erscheinung, findet sich bei Dixippus nicht. 794 Lucie Jeziorski, Damit fehlt Dixifpus einerseits eine größere, ventrale intersegmentale Bewegliclikeit und anderseits eine besondere ventrale Verfestigung durch Muskulatur. Daraus folgert die geringe kinematische Beanspruchung der thoracalen ventralen Längsmuskulatur, im Zusammenhang mit chitinöser Concrescen25 und dem phylogenetisch stark abgeleiteten, sekundären Charakter des Tieres, sowie der geringen Beweghchkeit von Dixifpus überhaupt, die schon in der äußeren Form des Meso- und Metathorax in seiner Längenausdehnung angedeutet ist. Sie geht so weit, daß ein prothoracaler zur Mesapophyse ziehender vlm einfach ausgefallen ist. Übereinstimmend mit Gryllus zeigen die Sternalplatten bei Dixippus eine geringe Breitenentwicklung und verbunden damit keine ventrale Längsmuskulatur eines lateralen Seitenbezirks. Sie fehlt nicht nur im Thorax, entsprechend der tergalen lateralen Längs- muskulatur, sondern auch im Abdomen (vgl. Voss 1912, S. 59ö). Wie im Thorax der dlm^ durch die seinen Raum beanspruchende Flügel- anlage wegfällt, so verdräng-te die Beinanlage sowohl im Thorax, als auch im Abdomen (der Besitz von Abdominalbeinen wird bei allen Insekten als primärer Charakter angenommen) eine ventrale Längs- muskulatur eines lateralen Bezirks. Voss folgert aus denselben Ver- hältnissen bei Gryllus, daß die Beine eine Zwischenstellung zwischen medialer und lateraler Dorsoventralmuskulatur einnehmen in ana- loger Weise, wie dlm^ oder die Flügelanlage im tergalen Bezirk. Im Abdomen fallen die Ansatzstellen ventral mit dem Wegfall der Ab- dominalbeine zusammen. Im Thorax von Gryllus dagegen ist eine scharfe Differenzierung der medialen bzw. lateralen Dorsoventral- muskulatur am medialen bzw. lateralen Hüftrande vorhanden. Diese Trennung ist bei Dixippus nicht so scharf durchgeführt; wenn sie primär vorhanden gewesen ist, so ist sie sekundär durch die einfache Beinkinematik, die alle Teile des Hüftrandes gleichmäßig beansprucht, verwischt worden. Sowohl die abdominalen, als auch die thoracalen vlm dienen einfach intersegmentaler Bindung. Eine rotato- rische Funktion ist nur selten anzunehmen; eine Betei- ligung der vlm an der Beinkinematik fehlt. Die dorsale Liingsmnsknlatnr. Die gesamte dorsale Längsmuskulatur, einschließlich der des Tho- rax dient lediglich intersegmentaler Bindung im Gegensatz zum Thorax geflügelter Insekten, wo dorsale Längsmuskulatur in den Dienst der Flügel tritt. Die abdominale dorsale Längsmuskulatur ist einfach Der Thorax von Disippus morosus (Carausius), 795 intersegniental, und ^Yeist primäre Verhältnisse auf, ähnlich dem ersten Stadium von Gryllus. Eine unmittelbar in die Augen springende Glie- derung in Untergruppen ist nicht vorhanden. Es läßt sich eine Ein- teilung in mediale und laterale Muskeln durchführen. Die dorsale Längsmuskulatur fehlt im Metathorax. Infolge fester Verschmelzung des Segmentuni medianum mit dem Metathorax ist ein einheitlicher starrer Bezirk geschaffen, der keinerlei intersegmentale Beweghchkeit gestattet. Auch der Mangel indirekter Flugmechanik macht einen dorsalen Längsmuskel überflüssig. Im Mesothorax sind wenig modifizierte abdominale Verhältnisse zu konstatieren, da Phragmen- und Präsegmentallamellen fehlen, und keinerlei Beziehung auf Flugmechanik vorhanden ist. Seithch fehlt ein dlm^, in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Besitz von Flügeln oder infolge der Beanspruchung seines Bezirks durch die Bein- mechanik, die sein Fehlen genügend begründen kann, nach Analogie im Prothorax, wo sogar noch dlm4^ wegfällt mit stärkerer Entwicklung der Beinmechanik, welche die tergalen Seitenteile für sich in Anspruch nimmt. Infolge besonderer kinematischer Beanspruchung des Bezirks weist die intersegmentale dorsale Längsmuskulatur des Prothorax auch Ab- weichungen in bezug auf die medialen Muskeln auf. dlm^ ist zweiteilig, mit median an kräftiger Leiste konzentriertem Ansatz zu erhöhter intersegmentaler Beweglichkeit. Die medialen dlm-^j^^ feUen. Ihren hinteren Ansatz nimmt ein doppelt intersegmentaler Muskel der Hals- haut ein. Das Fehlen einfach intersegmentaler Muskulatur, das Ein- treten doppelt intersegmentaler Muskeln, bedingt eine Lockerung des Bezirks und eine allseitig freiere Beweglichkeit. Analoges bietet der Wirkungsbereich des /// vlm bei Dixippus und die prothoracale dorsale Längsmuskulatur, der nietathoracale Längsmuskel IH vlm-i, der ab- dominale Längsmuskel IIa ivlm^ bei Gryllus, ferner die kinematischen Beziehungen bei Ephemeridcn (Dürken 1907). Eine weitere Lockerung des Nackenbezirks bei Dixippus führt das Vorhandensein nur eines einfach intersegmentalen medialen Längsmuskels der Hahhaut herbei, während sämtliche lateralen Muskeln fehlen. Auch ein dlm^ ist nicht vorhanden, der wohl hätte erwartet werden dürfen, da weder eine Bein- mechanik noch eine Flügelmechanik sein Fehlen veranlassen konnten. Das Vorhandensein einer abdominalen dorsalen Längsmuskulatur in der primären Fünfzahl hat Dixippus mit dem ersten Stadium von Gryllus, das Fehlen des dhn^ im Thorax mit Gryllus überhaupt gemein- sam. Es bestätigt sich die Bedeutung der Beziehung der fünfghedrigen 796 Lucie Jeziorski, dorsalen Längsmuskulatur, im speziellen des dlni^, zur Dorsoventral- muskulatur (Voss 1912), worüber bei der Dorsoventralmuskulatur Näheres angeführt ist. Doch liegen die Verhältnisse bei Dixiffus nicht klar genug [dlmr, bildet keine besondere Gruppe eines lateralen Bezirks), um die Beziehung zur Dorsoventralmuskulatur aus dem Befunde bei Dixippus an sich ableiten zu können. Sie läßt sich nur mit Bezug auf die durch Nebeneinanderstellung des ersten Stadiums und der Imago von Grijllus beinahe schematisch klare Grundlage beweisen. Mediale Dorsorentralmuskulatnr. Die mediale Dorsoventralmuskulatur durchzieht als innerste Mus- kulatur einwärts von der gesamten Seitenmuskulatur den Körper. Sie setzt seitlich im medianen Bezirk des Tergums an, im Abdomen ein- wärts von dlmz,, während die lateralen Dorsoventralmuskeln lateral neben dlrrtr, beginnen. Von der am tergalen Seitenrande ansetzenden lateralen Dorsoventralmuskulatur ist die mediale in den sonst flügel- tragenden Segmenten scharf getrennt durch den Bezirk des dlm^, den im Meso- und Metathorax geflügelter Formen die Flügelanlagen ein- nehmen und der bei Dixippus durch einen intratergalen Muskelbelag ausgefüllt wird. Im Prothorax fallen die tergalen Ansatzstellen durch mediane Konzentration der Dorsoventralmuskulatur zusammen. Dem- nach kann die ausgesprochen scharfe Trennung der medialen und lateralen Dorsoventralmuskulatur im Mesothorax und Metathorax aus dem früheren Besitz von Flügeln abgeleitet werden, der die dauernde Differenzierung bewirkt hat. Sternal besteht keine Scheidung der In- sertionspunkte der beiden Kategorien der Dorsoventmlmuskulatur. Im Abdomen setzen sie alternierend am sternalen Seitenrande an. Im Thorax sind sie am Hüftrand verteilt. Bei Gryllus dagegen (keine derartig abgeleitete Form wie Dixippus, der zugunsten physiologisch- kinematischer Beanspruchung eine allgemeine Vereinfachung zeigt) sind ursprünglichere Verhältnisse vorhanden. Bei Gryllus ist im Thorax eine ventrale Trennung der beiden Kategorien durchgeführt. Die intersegmentale, mediale Dorsoventralmuskulatur gehört der hinteren Gruppe der medialen Dorsoventralmuskeln an. Sie setzt dorsal (im Gegensatz zu Gryllus) an der tergalen Platte an, da Präsegmentallamellen fehlen, und zwar immer, im Prothorax nicht aus- geschlossen, am seitlichen tergalen Vorderrande, an Chitinleisten einen fe.sten Angriffspunkt habend. Sternal inseriert sie ebenfalls an kräftigen Chitinverstärkungen an der Apophyse oder an Chitinleisten, die mit ihnen in Verbindung stehen. In der Halshaut ist dieses Prinzip nicht ! Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 797 vollständig durchgeführt. Die ///, //, / ism beginnen an der Apo- physe selbst. Der / ism^ ist der Abschnürung des Sternellums gefolgt und setzt am stark chitinisierten Seitenrand desselben an. Im Pro- thorax nimmt die tergale Ansatzstelle der isryi an der medianen Kon- zentration nicht teil, wie es bei Gryllus der Fall ist; ventral findet ebenfalls zum Unterschiede von Gryllus keine medianwärtige Ver- schiebung der Ansatzstelle längs der Apophyse statt. Sie befindet sich immer am lateralsten Punkte derselben. Die mediale interseg- mentale Dorsoventralmuskulatur ist nur im Thorax und in der Hals- haut entwickelt. Bei Gryllus ist sie in jedem Thoracalsegment durch einen Muskel vertreten, nur in der Halshaut reich differenziert. Dixippus weist nur im Metathorax einen einzigen Muskel auf; die beiden andern Thoracalsegmente haben je zwei ism; die Halshaut zwei Paar, von denen die ism einen typischen Verlauf vom Sternum nach hinten zum Protergum zeigen, wie sämtliche thoracalen ism bei Dixippus und Gryllus. Die idvm dagegen verlaufen nach vorn vom Coxosternum zum Hinterhauptsring; die beiden Paare bei Gryllus stimmen in ihrem ent- gegengesetzten Verlauf mit Dixippus überein. Eine Differenzierung der intersegmentalen medialen Dorsoventralmuskulatur im Thorax in zwei kräftige Muskeln ist durch die morphologischen Verhältnisse be- gründet. Ebenso wie in der Halshaut in noch erhöhterem Maße eine all- seitige rotatorische Freiheit des Kopfes gewährleistet werden mußte, ist eine größere rotatorische Beweglichkeit des Prothorax bzw. des Mesothorax gegen Mesothorax bzw. Metathorax unbedingt notwendig wegen der auffallenden Längenausdehnung letztgenannter Segmente. Die Zweiteilung der Muskeln bezweckt in Verbindung mit erhöhter Drehungsmöglichkeit bei gleichzeitiger Kontraktion die Beständigkeit der Lagebeziehungen der Segmente zueinander. Eine Ergänzung findet d'e vielseitige Rotationsfähigkeit der Muskulatur auch durch die Be- teiligung der lateralen Dorsoventralmuskeln, wodurch die Aufstellung einer neuen Gruppe, der der intersegmentalen lateralen Dorsoventral- muskeln nötig wird. Die segmentale mediale Dorsoventralmuskulatur des domens, clvm^ und dvm2, bei Gryllus embryonal in Verbindung mit einer Zerlegung der dorsalen Längsmuskulatur in fünf Teilmuskeln vorhanden, bleibt bei Dixippus samt der Fünfteilung der dorsalen Längs- muskulatur als ein primärer Zustand in der Imago bestehen (vgl. die Ausführungen S. 755). Sie zerfällt in allen Segmenten in eine vordere und eine hintere Gruppe; nach den ventralen Ansatzstellen kann sie im Thorax als eine hintere epimerale, hinter der Pleuralleiste 798 Lucie Jeziorski, verlaufende und eine vordere, episternale, vor der Pleuralleiste ver- laufende bezeichnet werden. Auf dem weiteren Verlauf aber kreuzt der hintere Muskel dvm^j^^^ die gesamte vordere Muskulatur und setzt vor ihr auf der tergalen Fläche an. Dies weicht von dem Befunde bei Gryllus und der hier vorliegenden tergalen, für die flügeltragenden Segmente typischen, Anordnung ab. Bei Gryllus müssen somit für die abweichende tergale Anordnung andre Motive maßgebend gewesen sein als bei Dixippus. Durch den vorhandenen gekreuzten Verlauf {dvm^^^^ kreuzt die gesamte episternale mediale Dorsoventralmuskulatur) vnvd eine große Stabilität bei etwas beschränkter Bewegungsfreiheit be- gründet. Diese Stabilität ist infolge der morphologischen Verhältnisse erforderlich und auch durch die physiologischen Eigentümhchkeiten der Tiere wohlbegründet. Die mediale segmentale Dorsoventralmusku- latur des Thorax ist sowohl in der episternalen, wie auch in der epi- meralen Gruppe gemäß der verschieden gerichteten Beinkinematik in mehrere Muskeln geteilt. Die bei Dixifpus vorhandenen Teilmuskeln benötigen eine Erklärung ihres Vorhandenseins aus ehemaliger Flügel- anlage durchaus nicht. Sie sind aus den Anforderungen der Bein- mechanik hinreichend zu verstehen. Ja die Differenzierung ist im Pro- thorax, auf den ein Einfluß von Flügeln ausgeschlossen ist, besonders reichlich, und hängt hier offensichtlich mit der kräftigeren Beinmechanik zusammen. Daß auf Grund kinematischer Beanspruchung durch die Beinmechanik eine Teilung der Muskeln stattfindet, beweisen z.B. das Vorhandensein eines zweiten medial dorsoventralen Trochantermuskels im Prothorax von Gryllus, und die Zerlegung des lateralen Dorsoventral- muskels Idvm^ eben da, some in allen Thoraxsegmenten von Dixip'pus. Im Metathorax ist die episternale Gruppe nur durch einen Muskel vertreten, im Mesothorax durch zwei, im Prothorax durch drei. Es liegt also von hinten nach vorn eine sich steigernde Beanspruchung der episternalen Gruppe vor. Bei Dixippus sind episternale und epimerale Gruppe im Prothorax gleichwertig, während in den andern Segmenten die hintere gegen die vordere kräftiger erscheint. In der Halshaut fehlt eine episternale Gruppe, da der vordere Segmentbezirk in der Kopf- kapsel aufgegangen ist (Voss). Seiteumnskulatnr. Pleuralmuskulatart Die dorsoventralen Seitenmnskeln z'ehen vom Seitenrande des Tergums zum Seitenrande des sternalen Bezirks und kennzeichnen so die Ausdehnung der Lateralregion. Im Abdomen genügen dieser Definition der vordere Idvnii und der I Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 799 hintere Muskelbelag Idvm^- In den Abdoniinakegmenten, im Meta- thorax und Mesothorax hat die laterale Dorsoventralmuskulatur tergal einen randständigen Ansatz gewahrt. Im Prothorax sind ihre Ansatz- stellen mit der allgemeinen medianen Konzentration auch median ver- lagert. Bei Gryllus ist das »topographisch randständige Verhalten« nur im Abdomen durchgeführt. Im ganzen Thorax, vor allem im Prothorax, sind die Ansatzstellen auf der Fläche des tergalen Seiten- bezirks verteilt. In den Thoracalsegrnenten sind sämtliche Muskeln, mit Ausnahme des Muskelbelags, an das Hüftgelenk angeschlossen. Zur Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit setzen sie bei Dixippus nicht nur an der festen thoracalen Seitenwand an, sondern ihre Ansatz- stellen sind fast ausschließlich kräftige Chitinleisten, die ihnen als Punctum fixum einen hervorragenden Stützpunkt bieten. Die Be- ziehung der lateralen zur medialen Dorsoventralmuskulatur in bezug auf ihre Ansätze ist schon ausgeführt. Diese, nur in den sonst flügel- tragenden Segmenten so streng durchgeführte scharfe Scheidung be- stätigt die Annahme, daß eine frühere Flüoelentwicklung hier diffe- renzierend gewirkt hat. Eine sekundäre Rückkehr primärer Verhält- nisse, wie es ein Wiederkehren des dkn^ wäre, ist nach einer so tief- greifenden Umgestaltung, wie sie eine Flügelanlage hervorruft, nicht zu erwarten. Zudem hat die Beinmechanik die seithchen tergalen Be- zirke für ihre Zwecke in Anspruch genommen. Sternal ist die Trennung eines Ansatzbezirks für mediale und laterale Dorsoventralmuskeln auf dem Innenrand bzw. äußeren Bezirk der Hüfte bei Dixippus, wie schon erwähnt, nicht besonders ausgeprägt. Die mediale setzt aus- schließlich im Hinterwinkel bzw. Vorderwinkel der Hüfte an. Die Ansatzstellen der lateralen sind am äußeren Hüftrand bzw. vorn am Trochantin verteilt. Idvrrio, inseriert zum Unterschied von Gryllus am inneren Hüftrand. Direkt am Hinterwinkel und Vorderwinkel setzt keine laterale Dorsoventralmuskulatur an. An der Chitinleiste des Tro- chantin endigt nur mediale, an der Präcoxalplatte nur laterale Dorso- ventralniuskulatur. Dies ist in sämtUchen Thoracalbezirken durch- geführt. Vorn am Trochanter setzen ein medialer und ein lateraler an gleicher Sehne an. In der Verteilung beider Kategorien waltet .dem- nach eine gewisse Gesetzmäßigkeit. Übereinstimmend mit der Einteilung der medialen Dorsoventral- muskulatur ist auch bei der lateralen eine epimerale und eine epi- sternale Gruppe zu unterscheiden. Beide Gruppen sind bei Dixippus gleichstark entwickelt; soweit sie sich auf den Hüftrand beziehen, enthalten sie übereinstimmend in allen Thoracakegmenten, den Pro- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 52 800 Lucie Jeziorski, thorax miteingeschlossen, je zwei Muskeln. Die Beinkinematik bean- spruclit die episternale und die epimerale Eegion, in gleicher "Weise. Bei Gryllus weist der episternale Bezirk eine reiche Differenzierung der Muskulatur auf, die durch die große Inanspruchnahme durch die Flügel begründet ist. Der episternale Bezirk im Prothorax beider Tiere stimmt überein hinsichtlich der Anzahl der episternalen Beinmuskeln. Somit ist eine genaue Beurteilung möglich, in welchem Umfang Flügel differenzierend auf die episternale Region der lateralen Dorso- ventralmuskulatur einwirken. Die epimerale Gruppe ist bei Dixifpus im Mesothorax und Meta- thorax stärker entwickelt als bei Gryllus. Während dort im. Prothorax der epimerale Bezirk bedeutender ist als der episternale, ist bei Dixifpus, wie schon gesagt, das Gleichgewicht in der Beanspruchung beider Be- zirke in allen Segmenten gewahrt. In der Halshaut fehlt eine laterale Dorsoventralmuskulatur. Übereinstimmend mit dem Abdomen weisen Meso- und Metathorax einen primitiven, nicht differenzierten Muskel- belag auf, der im Thorax notwendig ist, soweit die abnorme Entwick- lung der Segmente in longitudinaler Richtung stattgefunden hat. Sie hat dieselbe Aufgabe ^\le im Abdomen, nämlich Erhaltung der Beständig- keit der Falten und ist Hilfsmuskulatur bei der Atmung und bei Häu- tungen. Die schon mehrmals betonten, durch die Form des Tieres gegebenen eigenartigen morphologischen Verhältnisse führten zur Ent- wicklung einer neuen Gruppe, nämlich der intersegmentalen lateralen Dorsoventralmuskeln. Sie ist nur im Prothorax und Mesothorax vor- handen. Die beiden Muskeln vervollständigen den Mechanismus der intersesmentalen Kotationsfähigkeit. Doch kommt ihnen neben rota- torischer Bedeutung durch ihre besondere Anheftung der Muskelfasern, die keine große Beweglichkeit gestattet, vor allem die Aufgabe der Ver- festigung zu, die bei dem Spielraum, welcher der rotatorischen Mecha- nik in so ausgebildetem Maße gegeben, zur Erhaltung der Lage der betreffenden Skeletteile unbedingt erforderlich ist. Unterbrochene Seitenmaskeln. Im Abdomen sind drei Kategorien unterbrochener Seitenmusku- latur vertreten: ein vorderer sternalpleuraler, ein hinterer tergalpleuraler und ein intra pleuraler Muskel; eine intratergale Muskulatur fehlt. Im Gegensatz zu den thoracalen Verhältnissen ist hervorzuheben, daß die unterbrochenen Seitenmuskeln von einem Punctum fixum, dem tergalen bzw. sternalen Seitenrand zu einem Punctum mobile, der weichen Flankenhaut ziehen. Es ist dies ein typisches Verhalten. Die Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 801 tergalen bzw. sternalen Ansatzstellen fallen zusammen mit denen der lateralen Dorsoventralmuskeln. Im Thorax fehlt die tergalpleurale Muskulatur vollständig mit dem Mangel der Flügel. Bei Gryllus ist sie im Thorax ebenfalls nur in den flügeltragenden Segmenten vor- handen. Die Kategorie der sternalpleuralen Seitenmuskeln ist im Metathorax und im Prothorax durch fm^ vertreten, der nicht die reiche Differenzierung der flügeltragenden Segmente aufweist und im Mesothorax wegfällt. Er zeigt ein von der abdominalen unterbrochenen Seitenmuskulatur abweichendes Verhalten, das für die ibhoracale unter- brochene Seitenmuskulatur typisch ist und sich aus ihrer Funktion ergibt. fm^ ist ein Beinmuskel, ein Elevator coxae; sein Punctum mobile ist deshalb sternal am Trochantin, während im Abdomen sternal das Punc- tum fixum liegt. Sein Punctum fixum dagegen bildet die thoracale Seitenwand, die nicht weichhäutig, sondern eine kräftige Chitinplatte ist. Eine unterbrochene Seitenmuskulatur fehlt in der Halshaut. Intratergale Muskeln sind solche Muskeln, »die von topographisch anscheinend den tergalpleuralen ähnlichen Verhalten im pleuroter- galen Seitenbezirk der tergalen Region verlaufen« (Voss), Sie sind nur in den drei Thoracalsegmenten als gleichmäßiger Belag echt tergaler Natur vorhanden. Der Belag gehört im Metathorax und Prothorax dem episternalen Teil des seithchen Tergums, im Mesothorax der ganzen Länge des Tergums an (vgl. Taf . XVII — XIX, Fig. 6 — 12). Er nimmt den tergalen Seitenbezirk ein, den im Abdomen dlm^ einnimmt und setzt im Meso- und Metathorax lateral an der Leiste an, an der auch die laterale Dorsoventralmuskulatur beginnt. Bei Dixip'pus überbrückt der intra- tergale Belag im Meso- und Metathorax eine tergale Falte, in der ein Tracheenstamm verläuft ; im Prothorax befestigt er eine Falte, die sich nach innen über den tergalen Seitenrand legt, am Tergum. Die Musku- latur dient der Erhaltung der Stabilität dieser Falten, besonders bei Häutungen, und ist Atemmuskulatur. Im Meso- und Metathorax trennt sie die beiden Kategorien der Dorsoventralmuskulatur voneinander. Die Muskulatur der abdominalen Stigmen weist zwei morphologisch verschiedene Arten von Muskeln auf: echte Stigmenmuskeln, intra- pleural, und sternalpleurale Stigmenseitenmuskeln. Die beiden thora- calen Stigmen haben keinen echten Stigmenmuskel. Ihre Muskeln sind intra pleurale Seitenmuskeln von sternalpleuralem Verhalten, Durch das Fehlen der echten Stigmenmuskeln und den Unterschied im Peri- trema differieren abdominale und thoracale Stigmen wesenthch von- einander. Die Ansatzstellen des doppelten Stigmenmuskels im Pro- bzw. Mesothorax stimmen nicht vollständig miteinander überein. 52* 802 Lucie Jeziorski, Die sternale Mnsknlatnr ist bei Dixifims nur ^Yenig differenziert. Sie bestellt übereinstimmend in allen drei Segmenten aus drei Muskeln, die am inneren Hüftrande ansetzen. Dazu kommt im Metathorax noch ein Trochanteranteil hm^, der in den beiden andern Segmenten mit dem Mangel eines Ansatz- punktes, da die getrennt aufsitzenden seitlichen Chitinzapfen der Metapophyse in den andern Segmenten fehlen, wegfällt. Von den Muskeln am Hüftrand setzt hm-^ im Vorder winkel der Hüfte, 5m 3 un- mittelbar einwärts hinter ihm, und hm 2 im Hinterwinkel der Hüfte an. Erstere sind in allen Segmenten ziemlich gleich stark. Bei letzterem ist von hinten nach vorn fortschreitend eine starke Abnahme zu kon- statieren. Zur Stütze des ganzen Muskelkomplexes der Hüfte ist in allen Segmenten Apophyse und Apodem durch den Gabelseitenmuskel zni verbunden, den ich allerdings im Prothorax nur bei einzelnen Tieren und sehr schwach ausgebildet gefunden habe, so daß seine Bedeutung hier nicht groß sein kann. Zur Vervollständigung sei noch im Pi'o- thorax I ifm als Intersegmentalfaltenmuskel aufgezählt, der bei Gryllus im Mesothorax beschrieben ist. Die geringe Entwicklung der sternalen Beinmuskulatur ist charakteristisch in Anbetracht der Flügellosigkeit des Tieres. Da die Dorsoventralmuskulatur vollständig in den Dienst der Beinmechanik gestellt ist, so hat die sternale Muskulatur nur eine nebengeordnete Bedeutung. Sie verteilt sich am Innenrande der Hüfte, während die Dorsoventralmuskulatur hauptsächlich am Seitem'ande der Hüfte ansetzt. Letztere ist entschieden kräftiger entwickelt. Die Befunde bei Gryllus zeigen übereinstimmend in den mit Flügeln ver- sehenen Segmenten der Imago eine reichentwickelte sternale Bein- muskulatur gegenüber dem Prothorax der Imago und allen Thoracal- segmenten des ersten Stadiums (vgl. Voss 1912). Es dürfte somit erwiesen sein, daß die Dorsoventralmuskulatur primär die Hauptbein- muskulatur ausmacht und sich die sternale Beinmuskulatur in dem Maße reicher entwickelt, als die laterale Dorsoventralmuskulatur durch die Flügelkinematik in Anspruch genommen wird (vgl. Voss). 2. Zusammenstellung der Muskeln nach den einzelnen Kategorien in den verschiedenen Segmenten^ Die Teutrale Längsmnsknlatur. Die Musculi ventrales im Abdomen zerfallen in ein medianes {vlm■^_^_^J und ein laterales {vlm2) Bündel. Diese typische Differen- zierung (Voss) in zwei Gruppen ist verwischt durch das enge Zusammen- Der Thorax von Disippus morosus (Carausius). 803 drängen der beiden Bündel und das Vorhandensein eines kurzen un- differenzierten Muskelbelags unter beiden, intersegnaental. Musculi metasterni, mesosterni, prosterni bestehen in einem einzigen paarigen Bündel /// vlrn^^ doppeltintersegmental, // vlm einfach intersegnaental, / vlm segmental. Musculi ventrales cephalosterni. Nur vorhanden als lateral- ]3aarige Gruppe von zwei Muskeln vlm^, vlm4^^5. Die dorsale Längsmnsknlatar. Musculi dorsales sind im Abdomen typisch fünfteihg. Die Einteilung in Untergruppen ist durch ein lückenloses Nebeneinander- rücken der hinteren Ansatzstellen verwischt. Medianpaarige Gruppe dlmi_^, lateralpaarige Gruppe dhn^_^. Musculi metanoti fehlen. Musculi mesonoti: Medianpaarige Gruppe: dhni_^\ lateralpaa- rige Gruppe: dhn4^, dlm^ fehlt. Musculi pronoti. Medianpaarige Gruppe: dlm^^_j^. Lateral- paarige Gruppe: fehlt. Musculi dorsales cephanoti. dhn-^ einfach intersegmental. idlm2 doppelt intersegmental. Lateralpaarige Gruppe fehlt. Als Muskeln mit spezieller Funktion sind vier Nackenfaltenmuskeln verbanden: Fani^_^ segmental, Fam^_^ intersegmental, dorsale und ventrale Längsmuskulatur dienen der intersegmentalen Bewegungsmechanik. Die Dorsoventralmuskulatur (mittlere mediale innere echte). Musculi dorsoventrales. a) Interseg mentale Gruppe {ism und idvm). Im Abdomen nicht vorhanden. Im Metathorax einheitlich {typ.), im Meso- und Prothorax zweiteilig {typ.); in der Halshaut zweiteilig {typ. ism) und zweiteilig entgegengesetzt gerichtet {idvm). b) Gruppe des vorderen medialen Dorsoventralmuskels. Im Abdomen: dnnii; im Thorax: Metathorax: Trochanteranteil dvm^, Hüftanteil fehlt; Mesothorax: Trochanteranteil dvm^, Hüftanteil dvMQ^^p Prothorax: Trochanteranteil dvm^, Hüftanteil dvin^^Q. In der Halshaut fehlt die vordere Gruppe. c) Gruppe des hinteren Dorsoventralmuskels. Im Ab- domen dvm^', im Thorax: Trochanteranteil fehlt, Hüftanteil dvm2, dvm.^^^. In der Halshaut dvm.2^ ^ ^. Die Seitenmnsknlatar. Dorsoventrale lange Seitenmnskeln. Musculi dorsoventrales laterales. Idvm. In der Halshaut nicht vorhanden. 804 Lucie Jeziorski, a) Intersegmentaler ildvm als paariger Muskel nur ini Meso- und Prothorax ausgebildet. b) Gruppe des vorderen episternaleu Idvm. Im Abdomen: Idvm-i', im Thorax: Trochanteranteil Idvm^', Trochantinmuskel Idvm-i. Hüftanteil fehlt. Muskelbelag in Meso- und Metathorax. c) G-ruppe des hinteren epimeralen Idvm. Im Abdomen: Idvm 2,', im Thorax: Idvm 2, Idvm^^ an den Hüftrand. Torchanteranteil fehlt. Unterbrochene sternalplenrale nnd tergalplenrale Seitenmnskeln. Kurze Flankenmuskeln, Musculi laterales 'pm, in der Halshaut nicht vorhanden. Sternalplenrale Muskulatur nur vorn episternal entwickelt, im Abdomen als Musculus lateralis parastigmaticus, im Meta- und Prothorax als einheitlicher fm^,, im Meta- und Mesothorax als Muskel- belag, im Meso- und Prothorax als sternalplenrale Stigmenmuskulatur. Tergalplenrale Muskulatur, nur im Abdomen als Muskel- belag vorhanden und im hinteren Seitenbezirk entwickelt. Intratergale Muskulatur, fehlt im Abdomen vmd in der Hals- haut, ist im Thorax als Muskelbelag in allen Segmenten vorhanden. Im Meta- und Prothorax episternal, im Mesothorax episternal und epimeral. Intrapleurale Muskulatur. Echter Stigmenmuskel, Musculus lateralis peritrematis stim. nur an den abdominalen Stigmen. Die Sternale Mnsknlatnr. Musculi sternales hm, zm, ifm fehlen im Abdomen, hm als ster- nale Beinmuskeln im Metathorax hmi_4^; im Mesothorax &mi_3, Prothorax hmi_ß, zm im Thorax als Verbindung zwischen Apodem und Apophyse, ifm im Prothorax als Intersegmentalfaltenmuskel. 3. Zusammenfassung der typischen Charaktere eines flügellosen Insekts erläutert an Dixippus. Da die kinematischen Aufgaben das Vorhandensein von Muskeln zu ihrer Ausführung bedingen, die Muskulatur ihrerseits gestaltend auf die Skelettverhältnisse wirkt, so ist es selbstverständhch, daß durch das Fehlen der Flügel die Muskulatur unter dem Zeichen mangelnder Flugmechanik steht, daß die vereinfachte Muskulatur ihrerseits -«nederum weiter vereinfachte Skelettverhältnisse bedingt. Denn es besteht eine »unmittelbare Abhängigkeit der Skelettgebilde von kinematischen Auf- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 805 gaben, die ihnen. durch die Muskulatur vermittelt wird<< (Voss). Es seien die Charaktere eines flügellosen Insekts, wie sie sich in Skelett und Muskulatur bei Dixippus nach vergleichender Betrachtung mit geflügelten Formen ergeben, umfassend zusammengestellt. Die Stabform, der die Tiere den Namen Stabheuschrecken ver- danken, ist an sich schon wenig geeignet zum Fliegen. Die große Längen- ausdehnung des Meso- und Metathorax, die charakteristischerweise bei den geflügelten Verwandten nicht vorhanden ist, macht ein Fliegen unmöglich, da mit dem Besitz von Flügeln eine größere oder geringere Konzentration des Thorax notwendig verbunden sein muß. Die geringe Wölbung des Tergums zeigt, daß der Thorax keine gut entwickelte Muskulatur, wie sie eine Flugmechanik erfordert, in sich schließt. Sie geht zusammen mit dem Mangel der Phragmen und Reduktion des dorsalen Flügellängsmuskels. Die Chitinplatten, aus denen die Thorax- segmente zusammengesetzt sind, zeigen an abdominale Verhältnisse grenzende Einfachheit und Einheitlichkeit. Sämtliche Terga sind un- gegliederte Platten; die für flügeltragende Segmente typische Differen- zierung in verschiedene Sklerite, die Präsegmentallamellen zur Trennung intersegmentaler Mechanik von der Bein- und Flügelmechanik fehlen. Auch läßt sich in keiner Weise ein Rückschlag in primitive Skelett- zerlegung, welche Prell z. B. an Eosentomen erläuternd als morpho- logische Grundlage für die Insekten a priori voraussetzen möchte, nachweisen, ein Rückschlag, welcher nach dem Fortfall einer die Skelett- verhältnisse sekundär beeinflussenden Flugfunktion in Analogie zu ähnlichen Verhältnissen bei andern Tieren nahe liegen könnte. Endo- skelettale Bildungen, die für eine Flugmechanik unentbehrlich sind, vor allem die Phragmen zum Ansatz des der indirekten Flugmechanik dienenden dorsalen Längsmuskels sind nicht vorhanden, sondern nur die einfachen Vorderrandsleisten, wie sie im Abdomen vorkommen. Sternal ist die Rückbildung und geringe Entwicklung des Endo- skeletts ebenso typisch für den Mangel an Flügeln. Die Apophysen sind kaum etwas anderes als mehr oder weniger kräftige Leistenbil- dungen. Nur im Metathorax sitzen j^derseits der medianen, vorn gegabelten Leiste zwei kurze Chitinzinken auf; nach vorn ist von Seg- ment zu Segment eine größere Rückbildung bemerkbar. Im Meso- thorax fehlen die Zinken; im Prothorax ist eine unpaare Apophyse in Form einer Leiste, an Stelle der paarigen Apophyse eine Leiste mit medianem verstärktem Chitinbezirk vorhanden; eine ÄhnUchkeit mit der typischen Furca ist nicht mehr zu erkennen. Mäßig entwickelt ist auch die thoracale Seitenwand; Epimerum 806 Lucie Jeziorski, und Episternum sind eine einheitliche feste Chitinplätte, die kontinuier- lich in den tergalen Bezirk übergeht, da die Beinmechanik zwischen den tergalen Ansatzstellen ihrer Muskulatur einerseits und dem Hüft- gelenk anderseits einen einheitlichen festen Skelettbezirk erfordert (vgl. zwischen Image und Larve von Gryllus). Neben der niedrigen einheit- lichen thoracalen Seitenwand ist die geringe Ausgestaltung der Pleural- leiste typisch; nicht sehr kräftig, kurz, ermangelt sie tergal jeder Ent- wicklung und Ausbildung eines Pleuralgelenkkopfes (letzterer vor- handen im Meso- und Metathorax der Imago von Gryllus, fehlt im Prothorax der Imago, sowie bei der Larve in allen Thoracalsegmenten). Die Muskulatur zeigt die Charaktere der Flügellosigkeit 1. durch das Fehlen spezieller Flügelmuskeln, die direkt oder indirekt mit der Flugmechanik in Beziehung stehen; 2. durch das Fehlen der Muskulatur, die sich auf die durch die Flugmechanik erforderlichen skelettalen Differenzierungen bezieht; 3. durch das Fehlen von Ersatzmuskeln für Muskulatur, die bei geflügelten Formen sekundär in den Dienst der Flügel gestellt wird; 4. in Abweichungen des Verlaufs und der Anordnung vorhandener Muskulatur, die bei geflügelten Formen durch die Flugmechanik in typischer Weise beeinflußt werden. Zu 1 : Spezielle Flugmuskeln, die der medialen und der lateralen Dorsoventralmuskulatur angehören, fehlen bei Dixifpus zugleich mit Mangel der Flügel, wie ein Vergleich mit den geflügelten Segmenten der Imago von Gryllus einerseits und des Prothorax der Imago und der Larve mit noch nicht entwickelter Flugmechanik anderseits lehrt. Die Differenzierung der medialen und lateralen Dorsoventralmusku- latur zeigt, daß die Beinmechanik allein durch eine Zerlegung ihrer Kinematik in verschiedene Komponenten imstande ist, tergal differenzierend auf die Muskulatur zu wirken und daher die Hauptteilmuskeln der verschiedenen Gruppen bei Dixifpus in den einzelnen Thoracalsegmenten mehr oder weniger vollständig vorhanden sind. Voss sagt im Anschluß an ähnliche Verhältnisse bei Gryllus: »Die Beispiele für Muskelzerlegung werden erklärt durch verschieden gerichtete, mit der Beinmechanik verknüpfte Kraftrich- tungen, deren jeweilige besondere Feinheiten in verschiedenem Grade dadurch zum Ausdruck kommen. « Doch baut die Flugniechanik die bereits durch die Beinkinematik bewirkten Differenzierungen weiter aus. Deshalb fehlen bei Dixippus die speziell im Dienst der Flügel stehenden Teilmuskeln. Von den hinteren medialen Dorsoventral- muskeln ist der in flügeltragenden Segmenten deutlich zwei- oder mehr- Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 807 teilige dvm^_^ fast einheitlich; ebenso in der vorderen Gruppe der dvmi__Q; dvmi_Q fehlt im Metathorax ganz; dafür ist der mediale Trochantermuskel dvm^, der in flügeltragenden Segmenten Flügelmuskel ist, samt seinem Ersatzmuskel 6m4 vorhanden; letzterer nur im, Meta- thorax, wo dmn^_Q fehlt, dvm^ und 6^4 als Elevatoren genügen dem- nach der Aufgabe, die in den andern Segmenten durch dvm^ und dvm^_Q ausgeführt wird. Von den vier vorderen lateralen Dorsoventralmuskeln bei Gryllus sind bei Dixifpus ebenso ^vie im Prothorax von Gryllus nur zwei vorhanden, da die beiden andern speziell Flügelmuskeln sind. Der pm^ ist einfach irn Gegensatz zu seiner reichen Differenzierung in flügeltragenden Segmenten. Im Metathorax fehlt die dorsale Längs- muskulatur bei dem Mangel indirekter Flugmechanik (vgl. auch Libellen). Zu 2: Die gesamte tergalpleurale Muskulatur, die sich auf Flügel- gelenkplatten, Präsegmentallamellen usw. bezieht, fehlt bei Dixippus mit dem Mangel einer Funktion und Funktionsbasis bei fehlender Differenzierung des Skeletts. Zu 3 : Als Ersatzmuskvilatur für Dorsoventralmuskeln, die sekundär in den Dienst der Flugmechanik treten, setzt eine hochentwickelte und reichdifferenzierte sternale Beinmuskulatur ein. Da bei Dixippus die Dorsoventralmuskulatur ausschließlich im Dienst der Beinmechanik steht, ist die sternale Beinmuskulatur als Hilfsmuskulatur nur wenig differenziert (vgl. Prothorax von Grijllus). Tax 4 : In geflügelten Segmenten nimmt die dorsale Längsmuskulatur Bezug auf Phragmen und Präsegmentallamellen, die natürlich bei Dixippus fehlen. Die dorsale Längsmuskulatur weist daher primäre abdominale Verhältnisse auf, soweit nicht andre ändernde Faktoren in Betracht kommen. Die mediale Dorsoventralmuskulatur zeigt in ihrer tergalen Anordnung eine vollkommene Abweichung von der typischen Lagebeziehung in geflügelten Segmenten. Auch die Rich- tung der dorsoventralen Muskulatur, die von der Hüfte sehr schräg aufwärts nach vorn geht, weicht ab von der typisch mehr oder weniger senkrecht aufsteigenden Muskulatur bei geflügelten Formen. 4. Zusammenstellung der Befunde in Skelett und Muskulatur, die den primär pterygoten Charakter von Dixippus zeigen. In der Einleitung versuchte ich den allgemeinen Beweis zu führen, daß Dixippus ein piimär pterygotes Insekt ist. Nach der Untersuchung von Skelett und Muskulatur lassen sich auf Grund vergleichender Be- trachtungen verschiedene spezielle Beweispunkte für den sekundären Verlust von Flügeln aufstellen. Ein Vorhandensein von rudimen- 808 Lucie Jeziorski, tierenden Flügelmuskeln konnte nicht festgestellt werden. Es kommt zwar vor, daß Differenzierungen von Muskeln vorliegen, die nur aus dem früheren Vorhandensein einer physiologischen Aufgabe zu erklären sind, die im Laufe der Entwicklung verloren gegangen ist, z. B. Dorso- ventralmuskeln im 1. und 2. Abdominalsegment von Ephemerella, die nur in Beziehung zu bringen sind mit dem ehemaligen Besitz von Tracheenkiemen. Es ist sogar eine graduelle Abstufung der Differen- zierung vorhanden. Im ersten Segment sind die Muskeln schon wieder stärker vereinfacht. Hier müssen die Kiemen früher geschwunden sein. »Das dauernde Fehlen einer Funktion führt zum gänzlichen Schwund von Muskeln. Das zeigt sich im Fehlen der direkten Kiemenmuskeln im ersten und zweiten Abdominalsegment von Ephemerella und im Mangel an abdominaler Pleuralmuskulatur bei Ephemeriden über- haupt« (Dürren 1907). Voss 1904 — 05 hat bei der Imago von Gryllus, aber nicht bei der Larve, Fälle beobachtet, daß funktionslose Muskeln als rudimentäre Organe erhalten geblieben sind. »Es zeigt sich, daß Muskeln leicht gänzlich verschwinden, wenn funktionelle Aufgaben fortfallen« (embryonale mediale Dorsoventralmuskulatur des Ab- domens, Teile der Nackenmuskulatur des ersten Stadivims bei Gnjllus, Voss 1912). Da weiterhin die Muskulatur in inniger Wechselbeziehung zum Skelett steht und die Ausgestaltungen des Skeletts unmittelbar abhängig von der Muskulatur sind, so ist nicht anders zu erwarten, als daß mit dem Schwund der Muskeln eine Vereinfachung des Skeletts erfolgt ist. Nur noch zwei skelettale Befunde weisen direkt auf den Charakter von Dixifpus als sekundär apterygotes Insekt hin: Die weitgehende Verschmelzung des ersten Abdominalsegmentes mit dem Thorax und die Artikulation der Pleuralleiste mittels Gelenkkopf am Hüftrand, ersteres, zum festen Anschluß und zur Konzentration des Abdomens mit dem Thorax, für die Flugmechanik unentbehrhch, letzteres »um ein festes Widerlager für die Coxalmuskeln abzugeben, die sich bei geflügelten Insekten an der Zusammensetzung der Flug- muskulatur beteiligen«. »Um ein festes Widerlager . . . artikuhert bei fast allen flügge wandten Insekten die Coxa dorsolateral direkt mit der Pleuralleiste unter Durchbrechung des dorsalen Subcoxalbogens« (Prell). Die sonst flügeltragenden Segmente zeigen bei Dixippus in Skelett und Muskulatur eine große Übereinstinunung gegenüber dem Pro- thorax, der schon frühzeitig eine eigene Entwicklungsrichtung ge- nommen hat, als die Verhältnisse im Metathorax und Mesothorax noch unter dem Einfluß der Flügelmechanik gestanden haben dürften. Wenn Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 809 auch Skelett und Muskulatur des Meso- und Metathorax jetzt deutlich zeigen, daß durch Beeinflussung der Beinmechanik und andre physio- logische Verhältnisse, wie die eigenartigen Lebensbedingungen der Tiere, ihre kataleptischen Zustände, eine von den typischen Verhält- nissen eines pterygoten Thorax abweichende Entwicklung Platz ge- griffen hat, so dürfte diese Entwicklung übereinstimmend in Meso- und Metathorax erst sekundär eingesetzt haben, nachdem die Aus- bildung des Prothorax in seinem jetzigen Zustand schon mehr oder weniger abgeschlossen war. Die Skelettbezirke der beiden Segmente sind fast vollkommen gleich. Sie zeigen die ungewöhnhche Längenausbildung, die sich nicht auf den Prothorax erstreckt. In der Muskulatur zeigt die Anordnung und die Lagebeziehung der Dorsoventralmuskulatur deutlich primär unter dem Einfluß der Flug- mechanik eingeschlagene Entwicklungsrichtung, die so tiefgreifend ge- wesen ist, daß die sekundär einsetzende Vereinfachung aller Beziehungen sie nicht mehr ganz hat verwischen können. Die scharfe tergale Son- derung einer lateralen Dorsoventralmuskulatur, die am tergalen Seiten- rande ansetzt und einer medialen Dorsoventralmuskulatur, die lateral auf dem medialen Tergit beginnt, ist nur aus dem primären Besitz von Flügeln zu erklären und im Prothorax dementsprechend nicht vor- handen. Voss sieht nach seinen Untersuchungen die beiden Kategorien der Dorsoventralmuskeln als »den Ausdruck einer gegebenen morpho- logischen Grundlage für die Pterygota an«. Die Trennungszone, die dem Raum des fehlenden dhn^ entspricht und bei geflügelten Formen von der Flügelanlage in Anspruch genommen wird, ist bei Dixiffus durch einen intratergalen Muskelbelag markiert. Unterschiedhch vom Gryllus ist eine scharfe Trennung der beiden Kategorien der Dorso- ventralmuskeln am Hüftrand bei Dixip'pus nicht vorhanden. Voss nimmt an, daß die ventrale Differenzierung durch die Beinmechanik die primäre ist und diese dann tergal differenzierend wirkt. Analog dazu müßte sie dann bei Dixi'ppus auch ursprünghch vorhanden ge- wesen sein und die tergale Scheidung bewirkt haben. Mit dem Wegfall der Flügel und unter der Bezugnahme auf besondere kinematische Aufgaben der Beinmechanik ist die Muskulatur am Hüftrand dann sekundär vereinfacht bzw. zusammengerückt. Tergal aber ist die Teilung geblieben, weil die Ausgestaltung der Trennungszone zu tiefgreifend bzw. weil der pterygote Charakter ein unverwischbarer archaistischer Zug der geflügelten Insekten ist. Die laterale Dorsoventralmuskulatur setzt an der thoracalen Seitenwand an, die somit tergale Bestandteile 810 Lucie Jeziorski, enthält, weshalb die Bezeichnung Pleuralregion' für dieselbe unzu- treffend ist und Voss den prägnanteren Ausdruck »thoracale Seiten- wand« geprägt hat, die kein morphologisch einheitlicher Bezirk ist, und sowohl die eigentlichen Pleuren als auch tergale Bestandteile ent- hält. Die thoracale Seitenwand, die im Ansatzbezirk der thoracalen Dorsoventralmuskulatur also tergale Bestand- teile enthalten muß, ist von dem topographischen Tergum, das morphologisch nur den medianen Teil des Tergums aus- macht, und die Ansätze der medialen Dorsoventralmusku- latur trägt, durch eine trennende Falte, die von intrater- galer Muskulatur überbrückt wird, geschieden. Dies ist eben jener Bezirk, der früher die Flügel getragen haben muß. Die Verhältnisse in der vorderen lateralen Dorsoventralmuskulatur sind in ihrer jetzigen Ausgestaltung ebenso durch das primäre Vor- handensein von Flügeln beeinflußt. Von dem primären Beinmuskel des Hüftrandes Idvm^^ differenzieren sich die Teilmuskeln Idvm-^ und Idvm-^^ als Flügelmuskeln sekundär ab und wandern an den Trochantin. In dieser Dreiteiligkeit kommt der Muskel nur in den flügeltragenden Segmenten vor {Gryllus). Im Prothorax ist entsprechend nur der Stammuskel Idvyrii^ am Hüftrande vorhanden. Bei Dixvppus ist diese Gruppe durch einen Muskel vertreten, der am Trochantin ansetzt. Der zu erwartende primäre Hüftmuskel Idmn^^ ist demnach ausgefallen. Von den Teilmuskeln, die während des Vorhandenseins der Flügel diffe- renziert waren, ist mit dem Wegfall der Flügel ein Muskel, und zwar ein Anteil des Trochantin, als Beinmuskel erhalten gebUeben, während die andern Teilmuskeln ausgefallen bzw. zu einem Anteil des Trochantin vereinfacht worden sind. Möghch ist dies ohne weiteres; denn die Ausscheidung bei Ablösung von Muskeln beschränkt sich nicht einmal auf Muskeln einer Kategorie, sondern kann sich sogar auf Muskeln verschiedener Kategorien erstrecken, z. B. /// dvm^ tritt ein für (Zvmg(jj, /// &m4 für dvm^ usw. 5. Einige Bemerkungen im Anschluß an die übersichtliche Zusammenstellung der Muskulatur. Im Metathorax beteihgen sich an der Bewegung der Beine im episternalen Bezirk vier verschiedene Muskelkategorien: die mediale Dorsoventralmuskulatur, dvm, die laterale Dorsoventralmuskulatur Idvm, die sternalpleurale Flankenmuskulatur vm, die sternalen Bein- muskeln hm. Dieselben Kategorien sind auch im sternalen Bezirk des Prothorax vertreten. Im Mesothorax fehlt von den vier Kategorien Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 811 ein Vertreter der vSternalpleuralen Flankenmuskulatiir. Im epimeralen Bezirk beteiligen sich in allen Segmenten an der Beinbewegung dvm, Idvm und bm. Wenn sich in einem bestimmten Skelettbezirk verschiedene Mus- keln zu gleichartiger Funktion vereinigen, so gehören sie verschiedenen Kategorien an, z. B. im Hintorwinkel der Hinterhüfte setzen an: dvmo,, Idvm 2, hm 2', vorn am Trochanter der Hinterhüfte: dvm^, Idvm^, hm^. Es bestätigt sich das Walten einer >>Eegel der gleichartigen Beteiligung verschiedener Muskelkategorien in gleichen Bewegungsbezirken bei gleichen Bewegungsvorgängen« (Voss). Ein Überblick über die Muskulatur bei Dixippus zeigt, daß die aus morphologischem Zwang äquivalente Beteiligung der einzelnen Muskelkategorien zu physiologisch kinematischer Beanspruchung in einem bestimmten Bewegungsbezirk eine allgemeine Vereinfachung zeigen kann zugunsten der einen oder der anderen Kategorie. Diese Regel ist ein allgemeines Charakteristikum für abgeleitete speziali- siertere Formen, wie Dixippus in ausgesprochener Weise ist. Die Bedingungen des Ausfalls einer Muskelkategorie können verschieden sein. Die embryonale mediale Dorsoventralmuskulatur von Gryllus schwindet aus kinematischen Gründen. Die gesamte dorsale Längs- muskulatur des Metathorax bei Dixippus, im ersten Stadium vorhan- den, schwindet mit der tergalen vollständigen Vereinheitlichung des Tergums des Segmentum medianum mit dem Metatergum. Sie fällt weg in Ermangelung indirekter Flugmechanik, sowie mit dem Fehlen eines intersegmental beweglichen Bezirks, Im Prothorax ist der intei- segmentale ventrale Längsmuskel nicht vorhanden, wohl nur aus mor- phologischen Gründen. Im Mesothorax fehlt eine sternalpleurale Bein- muskulatur; im Meso- und Prothorax ein sternaler Beinmuskel des Trochanter. Für ihn tritt ein medialer Dorsoventralmuskel ein. Anderseits können aus besonderen morphologischen Gründen neue Mukelkategorien entstehen oder Zerlegungen sonst typisch einheit- licher Muskeln auftreten. Die außerordentlich langen transversal un- gegliederten Segmentbezirke des Meta- und Mesothorax erfordern be- sondere rotatorische Beweghchkeit der Segmente gegeneinander mit gleichmäßiger Sicherung der Lagebeziehung. Dies hat zu dem neuen Typus eines intersegmentalen lateralen Dorsoventralmuskels geführt, der die Funktion der medialen intersegmentalen Dorsoventralmuskeln ergänzt. Letzterer, im Thorax sonst immer als einheitlicher Muskel- strang beschrieben, zerfällt durch besondere kinematische Bean- spruchung in zwei kräftige Teilmuskeln. Daß bei besonderer Inanspruch- 812 Lucie Jeziorski, nähme eine Muskelkategorie oder einzelne Muskeln weitere Differen- zierungen aufweisen, ist eine häufig wiederkehrende Tatsache (Voss 1905 und 1912; Dürken 1907; Koux 1883). Umgekehrt fallen Muskeln aus mit dem Aufhören einer Funktion, wie schon wiederholt hervorgehoben ist. Die Differenzierungen der Muskulatur bedingen einerseits eine entsprechende skelettale Aus- gestaltung (Voss, Dürken), anderseits fehlt mit einem Muskel auch unmittelbar die skelettale Differenzierung oder endoskelettale Bildung, auf die er Bezug hat, und umgekehrt. So fällt ein II hm^^, sowie I vlm aus, deren homologe Muskeln im Metathorax an zwei getrennt auf- sitzenden Apophysenzinken ansetzen. Mit dem Fehlen der Muskeln sind im Mesothorax auch die beiden Zinken verschwunden. Eine größere Angleichung der Verhältnisse bei Dixippus an die- jenigen des ersten Stadiums von Gryllus mehr als an die Imago, ab- gesehen von den Befunden in den sonst flügeltragenden Segmenten zeigen, daß ^\är bei Dixippus primäre Verhältnisse vor uns haben. So weist das Abdominaltergum von Dixippus übereinstimmend nüt dem ersten Stadium von Gryllus eine fünfteilige dorsale Längsmuskulatur auf. Die einwärts von dhn^ auf dem medialen abdominalen Tergum ansetzenden Dorsoventralmuskeln entsprechen den medialen Dorso- ventralmuskeln des Übergangszustandes des ersten Stadiums von Gryllus. Muskeln, die bei der Imago von Gryllus gekreuzt sind, sind bei Dixippus und der Larve von Gryllus übereinstimmend nicht ge- kreuzt, z. B. / dlm^^ und / dlm.^j^. Der Verlauf und die Lagebeziehung des Oidvniy und Odvm^a entsprechen, abweichend von der Imago von Gryllus y im ersten Stadium genau den gleichnamigen Muskeln bei Dixippus. Ganz allgemein deutet der bei Dixippus in allen Segmenten in den verschiedensten Kategorien, vor allem in der Seitenmuskulatur wiederkehrende diffuse Muskelbelag, der sich nicht zu wohlabgegrenzten Bündeln mit geteilten Kraftrichtungen differenziert hat, auf ziemlich primitive Verhältnisse lün. Die ganze Anordnung der Muskulatur, die Lagebeziehungen der einzelnen Muskeln zueinander, gewährleisten eine große Stabilität des Tierkörpers, die auch in den ausgedehnten, ungeghederten Skelett- bezirken zum Ausdruck kommt und durch die physiologischen Eigen- tümlichkeiten der Tiere wohlbegründet ist. i Der Thorax von Dixippus morosUs (Carausius). 813 Literatur. Amans, Comparaisons des organes du vol dans la serie animal. Des organes du vol chez les insectes. Annal. d. sciences naturelles. ZooL VI. ser. Tome XIX. Art. No. 2. 1885. Andouin, Recherches anatomiques sur le thorax des animaux articules et celui des insectes hexapodes en particulier. Annales des sciences naturelles. Tome I. 1824. Bauer, Die Muskulatur von Dytiscus marginalis. Ztschr. f. wiss. ZooL Bd. XCV. 1910. Berlese, Gli Insetti. Loro organizzazione sviluppo abitudini e rapporti coU' uomo, Volume primo. Milano 1909. BöRNER, Kritische Bemerkungen über einige vergleichend-morphologische Unter- suchungen Verhoeffs, Zool. 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Kolbe, Einführung in die Kenntnis der Insekten. Berlin 1893. v. Lendenfeld, Der Flug der Libellen. Sitzungsber. d. k. u. k. Akad. d. Wiss. Wien. Math. -naturw. Klasse. Jahrg. 4. Bd. LXXXIIL 1881. LuKS, über die Brustmuskulatur der Insekten. Jenaische Ztschr. f. Naturwiss. u. Mediz. Bd. XVI. Prell, Das Chitinskelett von Eosentomen. Zoologica. Heft 64. Roux, Beiträge zur Morphologie der funktionellen Anpassung. Jenaische Ztschr. f. Naturw. u. Med. 1883. Snodgrass, The thorax of Insects and the articulation of the wings. Proc. U. S. National Mus. XXXVL 1909. — The thorax of Hymenoptera. Proc. U. S. Nat. Mus. XXXIX. p. 37—91. 1911. Strauss-Dürkheim, Considerations generales sur l'anatomie comparee des ani- maux articules. Paris-Straßburg-Brüssel 1828. Verhoeff, Über den Mikrothorax der Insekten. ZooL Anz. XXV. 1902. 814 Lucie Jeziorski, Voss, Über den Thorax von Gryllus dorn. Ein Beitrag zur Vergleichung der Ana- tomie und des Mechanismus des Insektenleibes, insbesondere des Flügels. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. C. Heft 4 und Bd. Gl. Heft 3 und 4. 1905. Voss, Über den Thorax von Gryllus dorn, mit besonderer Berücksichtigung des Flügelgelenks und dessen Bewegung. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXVIII. 1912. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVII. Fig. 1 (Vergrößerung dreifach). Innenansicht des Chitinskeletts, in der ventralen Medianlinie aufgeschnitten und flächenhaft ausgebreitet. Verstärkungen und Faltungen des Chitins sind auf allen Abbildungen der Tafel durch heUe Linien und Schattierungen dargestellt, da die Negative bedeutend schärfere Differen- zierungen und Kontrastwirkungen ergaben als Positive. H, Halshaut; I Ä, Protergum; IIA, Mesotergum; II pli, Epistemum des Mesothorax; // jjh, Epimerum des Mesotherax; // aj), Chitinleiste des Mesothorax; II Ip, Pleuralleiste des Mesothorax; Ulf, Metatergum; III pli, Episternum des Metathorax; III z, paariger ventraler Chitinzinken des Metathorax; III Ip, Pleu- ralleiste des Metathorax; lat, Tergum des Segmentum medianum; la ph, Lateral- region des Segmentum medianum; Hat, Tergum des zweiten Abdominalseg- ments; II lat, Tergum des dritten Abdominalsegments. Fig. 2 (Vergr. dreifach). Innenansicht des Chitinskeletts in der dorsalen Medianhnie aufgeschnitten und flächenhaft ausgebreitet. H, Halshaut; /, Prothorax; 1 1, Tergum; Ist, Stemum; lest, Sternellum; lest, Coxosternum; I pli, Epistemum; I i^o, Einmerum des Prothorax; I Ip, Pleuralleiste des Prothorax; //, Mesothorax; II st, Sternum; // jjli, Episternum; // pl2, Epimerum; // ap, Chitinleiste; // Ip, Pleuralleiste des Mesothorax; // pa, Mesapophyse; ///, Metathorax; III st, Stemum; III pli, Episternum; III pl^, Epimerum; III z, paariger ventraler Chitinzinken; III Ip, Pleuralleiste des Meta- thorax: /// ^.a, Metapophyse; /a, Segmentum medianum; lat, Tergum; la it, Stemum ; la ph, LateraLregion ; IIa , 2. Abdominalsegment ; IIa t, Tergum ; IIa st, Stemum; IIa ph, LateraLregion; Illa, 3. Abdominalsegment. Fig. 3, 4, 5. Hüftgelenke des Pro-, Meso- und Metathorax, linke Körper- hälfte, Innenansicht, etwa ISfach vergrößert. Zur Erklärung vergleiche man Textfig. 1, 2, 3, welche dieselben Bezirke durch einfache Linien darstellen. Tafel XVIII. Innere Ansicht der linken ThoraxhäLfte. Schematische Darstellung zur Übersicht über die Thoracalmuskulatur. Schema 2: Mesothorax und Metathorax mit anschließendem Segmentum medianum. Schema 3: Prothorax mit anschließender Halshaut. o, Halshaut; /, //, ///, Pro-, Meso-, bzw. Metathorax; la, Segmentum medianum; t, Tergum; st, Sternum; est, Coxosternum; est, Sternellum; Ip, Pleural- leiste; c, Hüftgelenkkopf; a. Vorder winkel; b, Hinterwinkel der Hüfte; pa, paarige, ua, unpaare Apophyse; j)li, Episternum; plz, Epimerum; A, Kehlplatte. I Der Thorax von Dixippus morosus (Carausius). 815 Die Muskeln sind durch Linien dargestellt; die Größe ihrer Ansatzflächen ist durch umrandete, punktierte Flächen angedeutet. Zur Erleichterung der Übersicht sind für die verschiedenen Muskelkategorien verschiedene Farben angewendet, dlm, dorsale Längsmuskeln; vhn, ventrale Längsmuskeln; ism, idvm, inter- segmentale Dorsoventralmuskeln; dvm, mediale Dorsoventralmuskeln ; lävm, late- rale Dorso Ventralmuskeln ; pm, unterbrochene Seitenmuskulatur; hm, sternale Beinmuskulatur {zm, ifni); stm, Stigmenmuskel; Fam, Halshautfaltenmuskel. Tafel XIX. Fig. 6. Die Thoraxmuskulatur der rechten Körperhälfte in situ, von der Medianlinie aus präpariert (Vergr. etwa 4fach). Fig. 7. Die Muskulatur der rechten Seite des Meso- und Metathorax mit einer abnormen Entwicklung des dvm 3 und 4 (Vergr. etwa ii/ofach). Fig. 8. Die Muskulatur der rechten Körperhälfte des Metathorax und Seg- mentum medianum, ebenso wie auf allen folgenden Abbildungen von der Median- linie aus präpariert. Der Stern bezeichnet einen abnorm auftretenden dorsalen Längsmuskel des 2. Abdominalsegments (Vergr. wie auch in Fig. 9, 10, 11, 12 etwa lOfach). Fig. 9. Die Muskulatur der rechten Körperhälfte des Metathorax und Seg- mentum medianum; die innersten Muskeln sind wegpräpariert, um die seitlichen äußeren freizulegen. Fig. 10. Muskulatur der rechten Hälfte des Mesothorax, innerste Schicht. Fig. 11. Muskulatur der rechten Hälfte des Mesothorax, innerste Schicht wegpräpariert, um die äußere freizulegen. Fig. 12. Muskulatur der rechten Hälfte des Prothorax. Die abgekürzten Muskelnamen stimmen mit denen von Taf. XVI II überein. Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXVII. Bd. 53 Druck vou Breitkopf & Härfcel ia Leipzig /.eilscluift /.' niss. Zoologie Bd. CXVff. ■Inf,'! I 11. fN\r ^'''^^! 12. !"-p Wir- * \-/ Pf. l 9u dpa 17. JH. Id. -^: prp? 19. "^t^ Xeilschnft /' »nss. Zoologie Bd. CXVJI. Tafel II. ■/''' 20. 26. r "" ^ 17 3?. ■'"■'' 27. VKw*?v < 9SJ: -'^. 35. W JH.'. ' \'m^ srJ ' ''^^' •4 •J.1 löti .7*. vv,;,:; ,\Mll«lml.toi!mnmLeipz-.g tschrifl f. uiss. Zoologie. Bd. CXTII. ech.K. it.mech.R. miimmmii irSMin. mmtmudiii^ T L30Min. f. mechanische Reizung ml Belastung geändert immmMmimwimmmmmmm 1 JOMin. IUI iliii II IM II iliiii II III Uli I n II III I ■lililiiiiiiirtiiyii 1 1 1 ii 1 1 1 II II I II ji I \Loc/ies- IMIIllllllllllMll Illllll llllili iMiilll.i JUJl kI d 1- mach. Reizung iJllllilillillllllll llllj_lllllllllllllil 11/ 30 'i''\m\\w\mmmmm\\\mk Belastungsstörur^^^J^ \\\\J^ lj_l 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 I OfAin. '" '""l"U|_Ui.J. Kurve II Zeitsclirift f. uiss. Zoologie. Bd. CXVII. Tafd IV. \Versuch abgebrochen. ±- J_ iMiiiJ_lllll_LmilJLtlliiiiJ-Llll|lllllMIIM|lllll |lllllllllll|l -f/f [Luft ^ f/./?. t2./?. IIIIIIJ_IIIIIIIIIII|IIIII I|lllllllllllj|i|lilllll' 60 ,Miinij_iiiiiillliiJ_lllilllllll|l lilll|lillllMIII|lllllimil_[ll'IIIIIIIIJ_IIIMHIIIIJ[ll K,\jAKNKK l^x^JvVl^^>J^AK^AKV^lvMO^^>^-.■^^J^J^^^AKtvA^x^JV^J^^AA^J^^ lldliUKil^llultowwwiiMiW^ J^»MI^^M*^^w™^)A^^MJ«^ l/nz-toc I ßlff iiij_iiiiiiiinij_iiiiiLJimj_Liiiiiiiiii 35 ^^,,_,^;^^^^uilii_^ n,,n| iiii|_iiiiiiiiin|niiMiiiii|iiiiiiiiiiij_niiiiiiiiillii iniiiin iiMii| iiMiH lilii|i luilillH illll" 1 l""l '""1^ Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipiig. Zeitschrift f. u-iss. Zoologie. Bd. CXVIL Tafel V. nun iiiiiiii UocHes LuFt iiniii|iiiiiiiiiiiliiiiii *-0 mi|iiiiinini in '\Kamphen \LuF/- . \l.u.\z.mech. Heiz. miii|MiiiiimiliiiniiiiiiliiiiimiiiimiimiiHimimni|iiHiiiiii \3.u.if.\ m.R. iiiiiiiij_iiiiin!iu|iiiiimin| 50 UlUiJUuUüUJUUUUUUUlJUUUUlJlJUVJUiJUVj^ UU ^'._IUUL_IUL.LUUJJL^ ^V_ imuminiiiiiiimiiiiiiinmiilinii IIIIIIIIIJ_lllllllllll|lllllllllll|lllllll!lll|ll-lllllllll|l 6iFt ' » , II 1 1 1 II lim iiiiiiiiiMiiniMiiiiiiiiiiii HUI iiiiiiiiiinililli ii|iiiiiiimi|HimniiHiii -M MIM 1 1 1 1 1 M 1 r M^n^T TTi T MTrriyriiiiirirrr|ii iii ii i ii \ \ i'i ni m m fip 1 1 E.Wasmann phoL. Verlixg von Wüht\m %,!„„„„ ,„ icipzig. Zeitschrift f. tviss. Zoologie. Bd. CX VII. Tafel XI. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipiig 'Aiitsehrift f. uiss. Zoologie Bd. CX VII. Tafd XII Fig. 20 Fig. 21 Fig. 31 Fis- 32 Fig. 33 Fig. 22 Verlag von Willielm Engelmann in Leipzig. /t'ir.srhrift t'wi.is.Ziii>10i)ie M CXW. Tafel XJII O : ■O JNusbaum-Hiläromcz ■. Verlaq vWahebnEiijelmaim ;- ;,-ip7|t| llhAnslvE A tunke, Leipziq ZciUvftn/t fwiss.Ziiolo(/n- Bd CÄTn. 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