- . # ur - w Dee au ’ .. . - )rmmmn Peru Den te ‚ ei we rn. ee Seren ee a PR er _ a ... . „. a. nn £ | > . — e . - ne I En u 5 ie nn ee ae ee ee gang, u a r “ u e —’ 7 = . > SER en Pen * - B . “ u u PR ” En Ir an mr . j 2 ie r .. o Bin he Br u Re tat trennt ce. _ . . Te n .. i e un Km - i Y .. ne ne D lan a ii . rn Tg Pe Tr ER ee . - E mm — “u o.- .. > na - mt & u Te Eh en tee ee a Ah ee - = ad B tn nr 8 wear AT EEE BB IGG en - u m N wre 5 En. rs j = 5 Ye ° ar . m... . a . [un n. u a en AA an en year u s > ar. N ee tt -_—— f “ uw . - . t -e ? » ep uewwn -. >: u | mr u EN P u Du * * “ Par” u en Le nn nan nn ir ” - —— . Wera BE . eu 0. . en RE RE - 5 z a ng ge a . = .r 2 \ a 7 f 2 m N Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE ‘begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a.d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universitätzu Göttingen Einundsechzigster Band Mit E. Ehlers’ Bildnis in Heliogravure, 32 Tafeln und 39 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1896. 590.543. ‚241 Inhalt des einundsechzigsten Bandes. nn Erstes Heft. Ausgegeben den 31. December 1895. Seite Uber die Bedeutung der Heterocerkie und ähnlicher unsymmetrischer Schwanzformen schwimmender Wirbelthiere für die Ortsbewegung. Von a Ele ar 1 Beiträge zur Anatomie, Systematik und geographischen Verbreitung der Memierkinen. Von O. Bürger (Mit Taf. U und IE) ....... 16 Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. (Beitrag III, IV und V.) Von u Bhumbler (Mit. Taf. IV—V und 10 Fig. im Text) . -. .... 38 Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. Von H. Ude. ee ne hen sr, 111 Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright und Perigoni- mus repens Wright. Von Cl. Hartlaub. (Mit Taf. VII-IX.) .... 142 Zweites Heft. Ausgegeben den 25. Februar 1896. Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Ascidien. Von M. Floderus, a ee I ER ; . 163 Die Entwicklung der Skulptur und der Zeichnung bei den euaencnecken des Meeres. Von Gräfin Maria von Linden. (Mit Taf. XI) . ... . 261 Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim männlichen Geschlechtsapparat von Bombyx mori. Von E. Verson eisson. Mit Taf. IE und XIIH.). 0%... 0.2.0.2 318 Drittes Heft. Ausgegeben den 23. Juni 1896. Studien über parasitische Copepoden. Von W. Schimkewitsch. (Mit BESHV XVE und E Heim Text) no... 202 ua nn 339 Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. Von Besterder (MiE BaE XVII XIX) 2 ne nee 363. IV Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. I. Die Organe der Liehtempfindung bei den Lumbrieiden. Von R. Hesse. (Mit Taf. XX und 1: Eie. imDext.): 2... ... 0% 2205 Sa Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie der Athemwerkzeuge bei den Vögeln. Von M. Baer. (Mit Taf. XXI—XXII und 26 Fig. im Text.) . 2. ER er EN Se Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane und des sensiblen Nervensystems der Arthropoden. Von O.vom Rath. (Mit Taf. XXIII und XXIV).. Viertes Heft. Ausgegeben den 21. Juli 1896, Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. Von C. Tönniges. (Mit Tal. XXV und XXVL) 2.27% Na 22 Son NS Über das knorpelige Skelett von Ammoecoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemeinen. Von J. Schaffer. (Mit Par. xX VE RRIX)) ee ne NDR ar Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim weiblichen Geschlechtsapparat von Bombyx mori. Von E. Verson und E. Bisson. (Mit Taf. XXX—XXXII und 1 Fig. im Text)... . Seite 393 420 499 541 660 Photographie von Fr. Struckmeyer, Göttingen a seinen 60, Geburtstag den 11.November 189 isenbach Riffarth. & Co. Leip zig, grau. { Verla. ı von Wilhelm Fingelmann, leipzig Herrn Geheimem Regierungsrath Professor ERNST EHLERS zum sechzigsten Geburtstage am 11. November 1895 als Festgabe dargebracht Schülern und Assistenten. Über die Bedeutung der Heterocerkie und ähnlicher unsymmetrischer Schwanzformen schwimmender Wirbel- thiere für die Ortsbewegung. Von Dr. Fr. Ahlborn in Hamburg. Mit Tafel I. In den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1894, p. 1133 hat F. E. Scuuzze einen Aufsatz veröffentlicht: »Über die Abwärts- biegung des Schwanztheiles der Wirbelsäule bei Ichthyosauren«, — in welchem über die physiologische Bedeutung der Heterocerkie sehr bemerkenswerthe Aufschlüsse gegeben werden. Als heterocerk bezeichnet man bekanntlich die unsymmetrischen Schwanzflossen, bei denen die beiden Lappen von ungleicher Größe und Stärke sind. Bei den Haifischen (Fig. 1), dem Stör (Fig. 2) und anderen Ganoidfischen ist der obere Lappen der Schwanzflosse größer als der untere, und er hat durch das etwas emporgebogene Ende der Wirbelsäule nahe an seinem dorsalen Rande eine beson- dere Festigung erfahren. Wenn nun ein solcher Fisch durch die abwechselnde Thätigkeit seiner Seitenmuskulatur gewöhnliche Wrickbewegungen ausführt, d.h. wenn er das Ende der Wirbelsäule und die damit verbundene Schwanzflosse abwechselnd nach rechts und nach links bewegt, so ist leicht einzusehen, dass der Widerstand, den das Wasser dieser Bewegung entgegensetzt, an der unsymmetrischen Flosse eine an- dere Wirkung hervorrufen muss, als an den symmetrischen Flossen der homocerken Fische. In beiden Fällen ist der Widerstand des Wassers die Ursache, dass die Flossen dem Grade der Biegsamkeit der einzelnen Flossenstrahlen resp. des Wirbelsäulenendes entspre- chend gebogen werden: die elastisch biegsameren distalen Theile Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 1 I Fr. Ahlborn, der Flossen bleiben dabei immer ein wenig hinter der Bewegung der besser ausgesteiften proximalen Theile zurück. Im Besonderen sind bei den gabelschwänzigen, homocerken Fischen die langen oberen und unteren Ränder des Schwanzes durch stärkeren Bau und dichtere Lagerung der Flossenstrahlen ausgezeichnet, während an den heterocerken Fischschwänzen nur der obere, größere Schwanzlappen eine analoge Festigung durch das Ende der Wirbel- säule erfährt. Die Folge davon ist, dass die symmetrischen Schwanz- lappen der Homocerken durch die Wrickbewegung gleichmäßig zur Seite geführt werden, und dass der Widerstand des Wassers an ihnen im Allgemeinen nur einen Antrieb nach vorn zu Stande bringt. Bei den heterocerken Fischen dagegen — so führt F. E. SCHULZE aus — geht der steifere, dorsale Rand des Schwanzes in der Wrick- bewegung vorauf; die Flosse wird also im Ganzen genommen nicht in senkrechter, sondern in einer etwas geneigten Stellung seitwärts geführt, und es kommt an ihr demnach nicht nur ein Antrieb nach vorn, sondern auch ein Trieb nach oben, eine hebende Wirkung zur Geltung. Wenn aber an dem Schwanzende des Fisches eine hebende Kraft angreift, so erfährt der Körper dadurch eine Drehung um die durch den Schwerpunkt gehende Querachse, und, falls keine Gegen- wirkung eintritt, so wird das Kopfende mehr und mehr herabge- drückt werden: statt horizontal nach vorn fortzugleiten, wird also der heterocerke Fisch einer abwärts gekrümmten Bahn folgen: Allein da die Störe und Haie sog. Grundfische sind, deren Körper specifisch schwerer als Wasser ist, und die daher zu Boden sinken, sobald sie sich in Ruhe befinden, so muss der Lokomotionsapparat eine Einrichtung besitzen, durch welche sowohl die Wirkung des höheren specifischen Gewichts, als auch die Abwärtssteuerung des unsymmetrischen Schwanzes überwunden werden kann. Eine solche Einrichtung ist thatsächlich in den Brustflossen der genannten Fische vorhanden. Dieselben sind am vorderen Seitenrande der abgeplat- teten Bauchfläche so angebracht, dass sie eine verstellbare Fortsetzung. der letzteren bilden. Wenn nun der Fisch, indem er vorwärts schwimmt, diese Brustflossen so einstellt, dass sie nach Art von Drachenflächen mit etwas höher liegendem Vorderrande gegen das Wasser gerichtet sind, so wirken sie hebend auf den vorderen Körpertheil, und der Fisch wird dann zugleich vorn und hinten ge- hoben, so dass er bald frei über dem Boden des Wassers schwebt, Diesen typisch heterocerken Fischen stehen nun die Ichthyo- Über die Bedeutung der Heterocerkie ete. 3 saurier (Fig. 3) gegenüber, deren wohlentwickelte, senkrechte Schwanz- flosse an ihrem unteren Rande durch das zu diesem Zwecke ent- sprechend abwärts gebogene Ende der Wirbelsäule ausgesteift war. Hier war also, umgekehrt wie bei den Haien und Ganoiden, der untere Lappen der Schwanzflosse stärker und größer als der obere. Und wie dort bei der Wrickbewegung eine seitliche Neigung der Schwanzflosse dadurch zu Stande kommt, dass der obere Flossenrand in der Bewegung voraufgeht, während der untere zurückbleibt, so musste bei den Ichthyosauriern der untere Schwanz- flossenrand voraufgehen, wenn die Thiere Wrickbewegungen aus- führten. In dieser Haltung ruft aber die unsymmetrische Schwanz- flosse einen Widerstand hervor, der den Fischschwanz nach vorn und unten treibt, und die nach unten wirkende Komponente strebt den Fisch um den Schwerpunkt so zu drehen, dass mit dem Herab- sinken des Schwanzes der Kopf und damit die Bewegungsrichtung gehoben wird. Sollte die Drehung des Körpers um die Querachse vermieden werden, so konnte dies nach F. E. SCHULZE durch Senken des vor- deren Brustflossenrandes geschehen. Dann traf, während der Vor- wärtsbewegung, der Widerstand des Wassers die nach vorn geneigte dorsale Fläche der Brustflossen und erzeugte hier eine vertikal nach unten gerichtete Druckkomponente, welche dem gleichgerich- teten Drucke der Schwanzflosse das Widerspiel hielt. Durch gleieh- zeitige Thätigkeit des Schwanzes und der Brustflossen wurde der sanze Körper der Fischechsen abwärts getrieben, eine Bewegung, welehe für die Thiere offenbar sehr vortheilhaft sein musste, da sie wegen ihrer Lunge und der wahrscheinlich unter der nackten Haut vorhandenen Speckschicht speeifisch leichter waren als Wasser. Ganz analog wie bei den Ichthyosauriern liegen nun die Ver- hältnisse bei den fliegenden Fischen (Exocoeten) und anderen Fischen aus der Verwandtschaft der Scomberesociden. An dem homoeerken Schwanze dieser Thiere (Fig. 4) ist ebenfalls die ven- trale Hälfte erheblich größer, als die dorsale, und ihr unterer Rand ist durch mächtige, steife Flossenstrahlen gefestigt. Wenn also auch nicht, wie es bei Ichthyosaurus der Fall ist, durch Eintreten der Wirbelsäule in den unteren Schwanzflossenlappen eine echte negative Heterocerkie geschaffen ist, so ist doch die Schwanzflosse der Flugfische und ihrer Verwandten physiologisch gleich- werthig mit der des Ichthyosaurus. Der Wrickschlag des Exo- coetus ruft gleichfalls eine Abwärtsbewegung der hinteren Körperhälfte 1% 4 Fr. Ahlborn, eine Schrägstellung des Thieres hervor, welche bei gleichzeitiger Fortbewegung eine Aufwärtssteuerung bewirkt, die nur durch geeignete Gegensteuerung vermieden werden kann. Das Mittel zu dieser Gegensteuerung bilden aber bei den Flugfischen nicht die Brustflossen, wie es F. E. ScHuLze für Ichthyosaurus annimmt, denn ihr Bau und ihre Anordnung lässt es nicht zu, sie so zu stellen, dass in der Vorwärtsbewegung der Widerstand des ent- gegenkommenden Wassers ihre dorsale Seite als Drachenfläche trifft. Die Flossen sind auch viel zu groß und unhandlich, zu wenig steif gebaut und zu schwach mit Muskeln bespannt, um bei schnel- ler Schwimmbewegung im Wasser als Steuerflächen verwendet wer- den zu können, und die Beobachter berichten, wie ich a. a. O. näher ausgeführt habe!, dass die fliegenden Fische beim schnellen Schwimmen ihre Brustflossen zusammengefaltet am Körper tragen. Aus der schrägen Anheftung der Brustflossen, sowie namentlich aus der Anordnung der Brustmuskeln, lässt sich mit Sicherheit erkennen, dass ein nach unten gerichteter lokomotorischer Antrieb nur durch aufwärts gerichtete, aktive Flossenschläge (Rückschläge), und nicht durch einfache Steuerung mit der dorsalen Flossenfläche erzeugt wer- den kann. Solche Flossenschläge sind aber nur bei sehr langsamer Ortsbewegung denkbar; bei Drehungen auf der Stelle, wenn das Schwanzruder nicht, oder nur schwach mitarbeitet. Die Abwärtssteuerung kann nun aber bei den Flugfischen (Exo- coeten) in zweckmäßiger Weise durch die Bauchflossen geschehen. Diese Organe sind hinter dem Schwerpunkte so angebracht, dass sie eine Art Fortsetzung der abgeplatteten Bauchfläche bilden. Es genügt ein mäßiges Herabdrücken der Bauchflossen, um sie gegen den vorüberziehenden Wasserstrom einzustellen und als gewöhnliche Drachenflächen auftreibend wirken zu lassen. Durch geeignete Ver- größerung des Neigungswinkels kann allem Anscheine nach der Auftrieb so gesteigert werden, dass nicht nur der Niedertrieb der Wriekbewegung des Schwanzes ausgeglichen, sondern auch noch eine Drehung um den Schwerpunkt veranlasst wird, die das Kopfende und damit die Fortbewegungsrichtung abwärts neigt. Man sieht, dass unter diesen Verhältnissen die nach unten ge- richtete Kraftkomponente, welche der unsymmetrische Schwanz bei Exocoetus hervorbringt, nicht zur Abwärtsbewegung des Fisches bei- ı Der Flug der Fische. Programm des Realgymnasiums d. Joh. Hamburg 1895. Über die Bedeutung der Heterocerkie ete. 5 tragen kann, sie arbeitet vielmehr der Tiefsteuerung der Bauch- flossen entgegen. Wie die großen Brustflossen, so sind übrigens auch die Bauch- flossen vieler Exocoeten in erster Linie Flugorgane. Sobald sie ein Sewisses mittleres Größenmaß überschreiten, werden sie, eben so wie jene, als Wasserruder für größere Geschwindigkeit mehr und mehr ungeeignet. Wenn daher bei energischer Wrickbewegung die Brustflossen zusammengefaltet bleiben müssen, so können auch die sroßen Bauchflossen nur noch in beschränktem Maße als Vertikal- steuer in Anwendung kommen, und es ist sehr wohl denkbar, dass bei großer horizontaler Geschwindigkeit die emportreibende Steue- rung der Schwanzflosse weit stärker wirkt, als die entgegengesetzte Bauchflossensteuerung. Hieraus ergäbe sich dann die interessante Thatsache, dass die fliegenden Fische bei heftigster Wrick- bewegung allemal gegen die Oberfläche des Meeres und darüber hinaus zum Fluge in die Luft getrieben würden; und als Ursache dieses Auftriebes erschiene die unsym- metrische Schwanzflosse. Außer diesem aktiven Auftriebe besitzen übrigens die Flugfische noch einen nicht unerheblichen passiven Auftrieb, welcher durch das große Gasquantum der Schwimmblase (a. a. O. p. 39) hervorgerufen wird und der auch ohne jede Schwimmbewegung das pelagische Thier immer wieder gegen das Meeresniveau treibt. Nach einer Messung A. v. HumBoLpr’s! hatte ein 38,2 & schwerer Exocoet in seiner Schwimmblase 69,4 cem Luft, welche wohl hinreicht, das speeifische Gewicht des Fisches weit unter das des Wassers her- abzubringen. Sicherlich ist das spec. Gewicht der fliegenden Fische kleiner als eins. Es besteht also auch in dieser Beziehung eine auffallende Analogie zwischen den Exocoeten und Ichthyosauriern, und es ist durchaus einleuchtend, dass die eigenthümliche Schwanz- form, welche wir in den beiden, systematisch so weit von einander entfernten Thiergruppen vorfinden, in ursächlichem Zusammenhange steht mit dem geringen specifischen Gewicht und dem Aufenthalt in den oberen Wasserschichten. | Wenn bei den Exocoeten, wie wir sahen, die vertikale Wirkung der Schwanzflosse durch die Bauchflossen geregelt werden kann, und wenn hierfür die Brustflossen nicht in dem Sinne geeignet sind, wie es F. E. SCHULZE für Ichthyosaurus annimmt, so ist damit natür- ! Reise in die äquinoetinalen Gegenden. 6 Fr. Ahlborn, lich nicht gesagt, dass die Abwärtssteuerung bei Ichthyosaurus nicht unter Mitwirkung der Brustflossen hätte erfolgen können. Man wird aber zugeben müssen, dass diese gewaltigen Bewohner der jurassi- schen Meere auch die übrigen, als Vertikalsteuer verwendbaren Schwimmflächen ihres Körpers mit benutzt haben werden. Sehr wahrscheinlich haben auch bei Ichthyosaurus die paarigen Bauch- flossen in analoger Weise als Vertikalsteuer fungirt, wie bei Exo- coetus, indem sie als schräge Drachenflächen eine aufwärts gericht- tete Widerstandskomponente erzeugten, die, hinter dem Schwerpunkte angreifend, den Körper in eine nach vorn geneigte Lage brachte und ihm die Bahn nach unten anwies. Ferner darf nicht vergessen werden, dass es außer den aktiven Steuerorganen der Flossen auch noch gewisse passiv steuernde Oberflächentheile am Körper der schwimmenden Thiere giebt. Namentlich sind es die dorsalen und ventralen gegen die Längs- achse geneigten Flächen des Vorderkopfes, welche hierbei in Frage kommen. Die breiten, nach vorn geneigten Stirn- und Rückenflächen- theile der Störe, Trigliden u. a. Fische, aber auch der Krokodile und Ichthyosaurier, erfahren beim Schwimmen einen Widerstand, dessen abwärts gerichtete Komponente sicherlich geeignet ist, den Verlauf der Schwimmlinie mit zu bestimmen. Nach der Abbildung des von E. FrAas rekonstruirten Ichthyo- saurus (Fig. 3)! will es mir scheinen, als hätte allein dieser Stirn- widerstand genügen können, eine durch den unsymmetrischen Schwanz veranlasste vertikale Drehung des Körpers zu verhindern, ohne dass es dazu noch einer anderen Abwärtssteuerung am Vorder- körper bedurft hätte. Vielleicht war sogar — und für große Ge- schwindigkeiten ist es wahrscheinlich — der vertikale Druck des Wassers gegen die Stirn- und Nackenflächen des hochrückigen Thieres so stark, dass allein schon zur Ausgleichung dieser nach unten gerichteten Wirkung ein von den Brustflossen erzeugter Auf- trieb erforderlich war. Hierzu hätten aber die Brustflossen genau die entgegengesetzte Stellung beim Schwimmen einnehmen müssen, als F. E. SCHULZE vermuthete, nämlich wie bei den Haien und Stören, so dass der Widerstand des entgegenkommenden Wassers auf die Unterseite gerichtet war. Nach diesen Ausführungen dürfte es kaum noch zweifelhaft 1 EBERHARD FRAASs, Über einen neuen Fund von Ichthyosaurus in Württem- berg. ‘Neues Jahrbuch für Mineralogie. 1892. Bd. II, p. 87.) - Über die Bedeutung der Heterocerkie etc. 7 sein, dass auch bei Ichthyosaurus die durch den ungleich gelappten Schwanz hervorgerufene Aufwärtssteuerung theils passiv aufgehoben wurde durch die Wirkung des Wasserwiderstandes an den pronir- ten Körperflächen, namentlich der Rückenseite, theils aktiv geregelt wurde durch die verstellbaren Brust- und Bauchflossen. Ein Punkt kommt jedoch noch hinzu. Die amphieöle Form der Wirbel, worin die jurassischen Fisch- saurier mit den echten Fischen übereinstimmen, befähigte sie jeden- falls zur Ausführung starker Krümmungen der Wirbelsäule, vor- nehmlich in der Schwanzregion, so dass sie wie die Fische sehr wohl energische Wrickbewegungen ausführen konnten. Diese Bewegungen liefern aber nicht nur den Antrieb nach vorn, sie bewirken auch während der schnellen Fortbewegung so gut wie ausschließlich die Steuerung nach der Seite und führen das Thier bei entsprechender Schrägstellung oder Krümmung der Wirbel- säule sowohl nach oben, wie nach unten, ohne dass dazu die Mit- wirkung der paarigen Flossen erforderlich sei. Alle Wasserthiere, welche sich ihres Schwanzes als Wrickruder bedienen, ziehen be- kanntlich die paarigen Gliedmaßen ein, wenn sie mit größerer Ge- schwindigkeit schwimmen, weil dadurch der hemmende Widerstand des Wassers verringert wird. Die Fische aus der Verwandtschaft der Makrelen haben beson- dere futteralartige Vertiefungen zur Aufnahme der paarigen und Rückenflossen; bei ihnen scheinen diese Nebenorgane der Ortsbe- wegung nur noch ausnahmsweise zur Aufrechterhaltung des Gleich- gewichts während der Ruhe an einem Orte verwendet zu werden. Ich habe im Aquarium des Zool. Gartens zu Hamburg ein solches Thier lange Zeit beobachtet, ohne auch nur ein einziges Mal zu sehen, dass es seine Flossen entfaltet hätte. Die Schwanzflosse allein leistete die ganze lokomotorische Arbeit des Antriebes und der Steuerung auch bei langsamem Gange der Bewegung. | Die meisten Fische bedienen sich der Brustflossen als Motoren für geringe Geschwindigkeit und zur Ausführung von Wendungen auf der Stelle; sobald sie sich aber durch das Wrickruder einen starken Antrieb ertheilen, ziehen sie die anderen Flossen ein. So ist es wahrscheinlich auch bei den Walen. — Unsere geschwänzten Amphibien schwimmen geschickt ‘ohne Mitwirkung der Beine (wie die Frösche ihre Vorderbeine beim Schwimmen eingezogen in der Ruhe halten). — Wie die urodelen Amphibien, so schwimmen auch die Eidechsen, wenn man sie ins Wasser wirft, ohne irgend welche 8 Fr. Ahlborn, Hilfe der Gliedmaßen. Die Schlangen sind sehr geschickte Schwim- mer, obgleich sie gar keine Gliedmaßen besitzen, die ihnen für die Steuerung dienlich sein könnten. Die Krokodile endlich können ihre kurzen Beine, obwohl sie kleine Schwimmhäute zwischen den Zehen haben, nicht wesentlich anders benutzen, als die ge- schwänzten Amphibien: sie sind im Wasser nur für lokomotorische Impulse bei geringer translatorischer Geschwindigkeit geeignet und werden bei größerer Geschwindigkeit weder zum Antrieb, noch zur Steuerung nennenswerthe Beiträge liefern. Auch hier sind es dem- nach die durch Kontraktionen der Seitenmuskulatur bewirkten Krümmungen und Wrickbewegungen des hinteren Körperendes, durch welche die gesammte lokomotorische Arbeit des Antriebes und der Steuerung ohne Hilfe der Gliedmaßen verrichtet werden kann. Wenn wir nun sehen, dass sowohl die Krokodile (Fig. 5) wie die Wasserschlangen (Platurus, Fig. 6) eine in seitlicher Ansicht deutlich unsymmetrische Schwanzflosse besitzen, deren oberer Flos- sensaum breiter ist als der untere (sofern dieser letztere überhaupt vorhanden); wenn wir bedenken, dass ein sogestaltetes Ruder unter allen Umständen einen das Schwanzende herabdrückenden Antrieb nach unten hervorruft, der jedenfalls ohne Mitwirkung der paarigen Organe neutralisirt werden kann und hier offenbar auch gar nicht zur Vertikalsteuerung verwendet wird: so können wir die Meinung F. E. ScHurze’s nicht aufrecht erhalten, nach welcher die ungleich- lappigen Schwanzflossen als Vertikalsteuer zu betrachten wären, dazu bestimmt, den Grundfisch nach oben und das Sebwimmthier der Oberfläche nach unten hinzulenken. Die heterocerke Schwanzflosse der Haie und Ganoiden wirkt senau der Drehung entgegen, welche das orale Ende der Körper- achse nach oben zu richten strebt; und die unsymmetrischen Wrick- ruder der Oberflächenfische und Luftathmer arbeiten in glei- cher Weise genau gegen die zum Niedertauchen erforderliche Drehung des Körpers. In beiden Fällen würde also die von F. E. Scauuze als nützlich bezeichnete Ablenkung der Thiere gegen die mittleren Wasserschichten leichter erfolgen können, wenn die Schwanzflossen symmetrisch wären, oder noch besser, wenn gerade die Thiere der Oberfläche die heterocerke Flosse der Grundfische hätten und umgekehrt. Da dies letztere nicht der Fall ist, so er- scheint die Frage nach dem Zweck der unsymmetrischen Schwanz- formen der Wasserthiere nach wie vor zweifelhaft, doch bietet die Über die Bedeutung der Heterocerkie etc. g letzte Vorstellung zugleich einen Fingerzeig für die Beantwortung der Frage. Denkt man sich nämlich einen nahe der Oberfläche schwim- menden Fisch oder ein Krokodil mit der echt heterocerken Schwanz- flosse eines Störes, so ist ohne Weiteres klar, dass jede energische Wriekbewegung, die das hintere Körperende emporhebt, ohne dass der Vorderkörper folgen kann, alsbald zu einem Emportauchen des Schwanzes aus dem Wasser führen muss. In demselben Augenblick verschwindet der starke Widerstand, den das Wasser der Bewegung des Scehwanzes entgegensetzte, und die plötzlich entlastete hohe Muskelspannung löst eine explosive Schwanzbewegung aus, die bei wiederholtem Vorkommen von großem Nachtheil für den Wrickappa- rat ist. So geräth die Schraube eines Dampfers in rasende Rotation, wenn sie bei starkem Seegang vorübergehend aus den Wellen taucht. Einem ungeübten Ruderer kann es leicht passiren, dass er bei kräf- tigem Anziehen der Riemen plötzlich rücklings von der Bank stürzt. Er hat dann falsch eingesetzt, nämlich so, dass der obere Rand der Ruder vornüber geneigt ist. Der Wasserwiderstand erzeugt dann eine nach oben gerichtete Komponente, welche die Ruder beim An- ziehen aus dem Wasser, und den Ruderer von der Bank wirft. Der Fehler wird dadurch vermieden, dass man das Ruder richtig ein- setzt, d. h. so, dass statt des oberen, der untere Rand in der Be- wegung ein wenig voraufgeht. Die dann entstehende vertikale Komponente des Widerstandes drückt die Ruder stets in das Wasser hinein, und wirkt dem Auftriebe des Holzes und dem Gewichte der führenden Hand entgegen, die so das Ruder leicht in der richtigen Höhe durch das Wasser führt. Geschieht hierbei einmal des Guten zu viel, dreht der Ruderer das Handgelenk zu stark durch, oder wenn er während der Drehung des Ruders um die Längsachse nachgreift, so wird der Neigungswinkel des Ruderprofils gegen die Vertikale zu groß, der obere Rand des Ruders bleibt zu sehr hinter dem unteren zurück, und die abwärts treibende Komponente wird zu stark, um durch den Druck der Hand leicht geregelt werden zu können. So taucht dann das Ruder zu tief in das Wasser ein und erzeugt, da es nicht schnell genug herausgehoben werden kann, eine Hemmung, die beim Wettrudern den ganzen Erfolg vereiteln kann. Im vorigen Jahre wurde der »Thames Rowing Club« durch den Ruderklub »Germania« auf der Alster besiegt, weil, wie es im Bericht hieß, ein Mann von der Themse »einen Krebs gefangen 10 Fr. Ahlborn, hatte«, sein Riemen war aus dem Wasser emporgeglitten, statt richtig hineinzuschneiden. Derartige Fehler können und dürfen erhaltungsgemäß bei der lokomotorischen Thätigkeit des Ruderschwanzes eines Schwimm- thieres nicht vorkommen. Die Natur hat daher diese Geschöpfe so organisirt, dass ihre Wrickruder nie versagen oder plötzlich vor- übergehend fehlerhaft wirken können. Der unsymmetrische Schwanz der Oberflächenschwimmer erhält beim Wricken in Folge seiner Biegsamkeit durch den Widerstand des Wassers stets eine derart geneigte Stellung, dass er sich in das Wasser hineinarbeitet und so vor »dem Krebsfang«, dem Ausgleiten in die Luft geschützt wird. Der echt heterocerke Schwanz des Grundfisches dagegen wird durch den von und an ihm erzeugten Auftrieb davor bewahrt, dass die unteren Flossensäume bei energischem Wricken gegen den Boden des Wassers gedrängt, hier in ihrer nützlichen Bewegung gehemmt und verletzt werden. . Wir kommen also zu dem Schluss, dass die Heterocerkie der Grundfische und die Pseudoheterocerkie der Ober- flächenfische physiologisch nicht als mechanische Steuer- vorrichtungen zu betrachten sind, durch welche die Thiere von ihren gewöhnlichen Aufenthaltsorten gegen die Wassermitte fortgeleitet werden, sondern dass es Einrichtungen sind, durch welche das Wricken in der ge- fährlichen Nähe der oberen und unteren Wassergrenze gesichert wird. Der seiner ganzen Einrichtung nach aus- schließlich für den äußeren Widerstand des Wassers be- stimmte Wrickapparat wird durch die unsymmetrischen Flossenlappen das eine Mal vor dem zu geringen Wider” stand der Luft, das andere Mal vor dem zu großen des festen Untergrundes erfolgreich bewahrt, so dass er sich während seiner Thätigkeit stets im richtigen Medium be- findet, und mit dem allein geeigneten Widerstande er- folgreich arbeiten kann. Der heterocerke Fisch wird durch: die hebende Wirkung des Schwanzes so um den Schwerpunkt gedreht, dass sein Kopf und seine Bewegungsrichtung gegen den Boden gewendet wird. Das Thier bleibt also in dem gewohnten Niveau, genau so wie das Schwimmthier der Oberfläche, trotz seiner ungleich lappigen Schwanz- flosse. | Nach diesen Ergebnissen erscheinen im Allgemeinen die | | r Über die Bedeutung der Heterocerkie ete. 11 äußerlich heterocerken Schwanzflossen und alle analogen, d. h. physiologisch gleichwerthigen Formen des Wriekschwanzes, welche durch ihre Thätigkeit am hinteren Körperende einen Auftrieb er- zeugen, und die wir daher »epibatisch«! nennen wollen, — als Merkmale von Thieren, die am Grunde des Wassers leben. Die dem Typus des Exocoetusschwanzes analog gebauten »hypo- batischen«e! Schwanzflossen dagegen sind für das Schwim- men in den obersten Wasserschichten besonders geeignet. Die Hypobatie des Schwanzruders ist im Ganzen seltener als die Epibatie. Wir beobachten sie vornehmlich bei Thieren, deren speci- fisches Gewicht in Folge des Besitzes von großen Schwimmblasen, Lungen oder starken Fettablagerungen kleiner ist oder sein kann als das des Wassers, und die daher meist dem hydrostatischen Auf- triebe im Wasser folgen. Hierher gehören, um es zu wiederholen, die Exocoeten, Scomberesociden, Trichiurus (Fig. 8) und viel- leicht einige andere Knochenfische; ferner die Ichthyosaurier und andere Sauropsiden, wie die Wasserschlangen (Platurus) und unsere Krokodile, welche einen biegsamen Kamm auf der oberen Mittel- linie, resp. den oberen Seitenkanten des Schwanzes besitzen (Fig. 5). Der Sehwanz der urodelen Amphibien, wie der Amphibienlarven entspricht durchweg dem Stadium des primitiven homocerken und »isobatischen« Schwanzes der Fischembryonen, der auch bei den Dipnoörn und manchen Teleostiern (Muraeniden, Blennius ete.) keine auffällige Umformung erfahren hat. Eine genaue Durchsicht der Fische, Amphibien und schwim- menden Reptilien ist im hohen Grade wünschenswerth, um die Verbreitung der Hypobatie und Epibatie der Schwanzflossen festzu- stellen. Auch das fossile Material kann hierfür ausgenutzt werden. Mein Freund, Herr Dr. G. PFEFFER, dem ich für manche werth- volle litterarische und systematische Hilfe dankbar bin, zeigte mir einen zu den Siluriden gehörenden Fisch Chaetostomus dolicho- pterus, der mit seiner hellfarbenen, platten Bauchfläche allem An- scheine nach ein Grundfisch war. Dieser Fisch hatte dennoch, zu meiner Überraschung, eine deutlich hypobatische Schwanzflosse (Fig. 7), während doch der schlammbewohnende Silurus glanis und viele andere Verwandte als Grundfische unverkennbar epibatische 1 Von Erıßeivow, hinaufsteigen, vroßaivo, sich herablassen. Die Einführung dieser Termini ist erforderlich, weil der morphologische Begriff der Hetero- cerkie bereits mehrdeutig ist. 12 Fr. Ahlborn, Schwänze haben. Hier lag also eine Ausnahme vor, welche aber in so fern die Regel bestätigte, als der gefährdete untere Flossenrand, der durch die hypobatische Wirkung gegen den Untergrund gedrängt wird, durch einen in der Verlängerung der Bauchfläche nach hinten hinausragenden rauhen Stachel, den untersten Flossenstrahl, vor jeder direkten Berührung mit dem Boden geschützt war. Ganz ähnlich wird auch der hypobatische Schwanz der Kroko- dile gegen den Untergrund gedrängt, wenn diese Thiere dieht über dem Boden flacher Gewässer schwimmen. Das Fehlen eines ven- tralen Schwanzflossenlappens schützt die Flosse vor Verletzung. Die Epibatie des Schwanzes ist eine unter den Fischen weit verbreitete Erscheinung. Sie besteht bei allen äußerlich heterocer- ken Fischen, den Selachiern und vielen Ganoiden. In gewissen frühen Embryonalstadien haben die später diphycerken Knochen- fische eine deutlich heterocerke Schwanzflosse, wie es die den Arbeiten von Acassız (On the young stages of osseous fishes) ent- lehnte Fig. 9 zeigt. Tritt auch der Schwanz in diesem Stadium wohl nur selten in Funktion, so kann man die epibatische Form doch als unbedingt geeignet und zweckmäßig für den vorübergehen- den Aufenthalt auf dem Boden des Wassers ansehen. Während die morphologische Umwandlung der Schwanzflosse bei den höheren Teleostiern die Regel ist, findet bei manchen Physostomen zwar die Ausbildung einer homocerken Schwanzflosse statt, aber ohn® ass dadurch der ganze Schwanz seine epibatischen Qualitäten einbüßt. In diesen Fällen tritt nämlich der mediane Flossensaum der Bauchseite (Afterflosse) in eine mehr oder weniger innige Beziehung zu der Schwanzflosse, während die dorsale Median- linie des Schwanzes flossenfrei bleibt. Bei jeder Wrickbewegung erfährt dann der untere Rand der Afterflosse eine Umbiegung, an wel- cher eine aufwärts treibende, epibatische Wirkung des Wasserwider- standes zu Stande kommt. So ist es bei vielen Siluriden — Silurus, Hemisilurus, Hemiarius, Phalacronotus, Micronema, Ketengus, Hemi- bagrus, Netuma und Anderen. — Unter den Clupeiden zeichnet sich Coilia (Fig. 10) durch eine an echte Heterocerkie erinnernde epi- batische Gestalt des winzigen Schwanzruders aus, welches in seiner Wirkung durch die große Afterflosse unterstützt wird. Bei Pempheris (Fig. 11), aus der kleinen Familie der Kurtiden, liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Schwanzflosse ist allein ge- nommen isobatisch, in Verbindung mit der großen Afterflosse bildet der schmale, keilförmig nach unten zugespitzte Schwanz (vgl. die “ ERTL EUER | ION PETE m n E 4, Über die Bedeutung der Heterocerkie etc. 13 Querschnittsfigur) ein epibatisches Wrickruder, welches den Grund- fisch offenbar in der abgebildeten Stellung fortschreiten lässt. Aus der Familie der Gymnotiden erwähne ich besonders Sterno- pygus (Fig. 12) und Rhamphichthys (Fig. 15). Sternopygus schließt sich völlig an Pempheris an, nur dass ihm eine eigentliche Schwanz- flosse gänzlich fehlt. Rhamphichthys ist das Gegenstück zu dem hypobatischen Triehiurus (Fig. 8); beide haben keine Schwanzflosse, bei Rhamphichthys ist nur die Afterflosse, bei Trichiurus nur die Rückenflosse in ganzer Länge entwickelt. Hier sei noch besonders auf die Lage der Seitenlinien aufmerksam gemacht. Bei dem epi- batischen Rhamphichthys liegt sie nahe der Rückenlinie, bei dem hypobatischen Trichiurus wendet sie sich gleich hinter den Brust- flossen ventral, um in geringer Entfernung von der Bauchlinie ent- lang zu ziehen; immer verläuft sie da, wo der Querschnitt (9 der Figuren) die größte Breite hat. Bei Notopterus (Fig. 14) geht die epibatische Afterflosse sSanz um das hintere Körperende herum und ersetzt hierdurch die fehlende Schwanzflosse. Endlich wären noch die merkwürdigen Amphisilinen (Fig. 11) aus der Verwandtschaft der Fistularien zu erwähnen, welche in einigen Arten aus der Mosambikstraße im Hamburger Museum vorhanden sind. Herr Dr. PFEFFER machte mich auf diese seltsamen Thiere aufmerksam. Sie haben einen messerklingenförmigen, durch- sichtigen Körper, dessen oberer Rand hinten in einen langen Stachel ausläuft. Dieser Stachel ist der erste Flossensträfi der weit nach hinten gerückten Rückenflosse, die im Verein mit der dicht darunter stehenden Schwanz- und Afterflosse ein einziges epibatisches Wrick- ruder zu bilden scheint. Zum Schluss sei noch hervorgehoben, dass die Formen der Schwanzflossen uns nur über die Möglichkeit einer epibatischen oder hypobatischen Wirkung Aufschluss geben. Es bleibt immer zu be- denken, dass diese Nebenwirkungen nur dann auftreten können, wenn durch freie, normale Wrickbewegungen im Wasser auch die vortreibende uses ausgelöst wird. Der in seiner Gestalt an die Aale erinnernde Schleimfisch, Blennius, besitzt einen schmalen, steiferen ventralen und einen breiteren, weicheren .dorsalen Flossensaum. Das Schwanzruder ist also zweifellos hypobatisch. Demnach ist der Fisch kein Bewohner oberer Wasserschichten, sondern ein typischer Grundfisch, der — wie man im Aquarium beobachten kann, — mit seiner ventralen 14 Fr. Ahlborn, Flosse in starken Krümmungen den Sand des Meeresbodens langsam durchpflügt, wie eine Schlange, die im Grase kriecht. Der Stichling (Gasterosteus) trägt an seinem dünnen Körper- ende eine vollkommen symmetrische, fächerförmige Schwanzflosse, die ohne Bevorzugung des oberen oder unteren Randes in gleichen Abständen mit gleichförmigen, feinen Flossenstrahlen ausgesteift wird. Die Flosse ist also vollkommen »isobatisch«, wenn sie, wie es geschieht, mit dichter zusammengelegten Flossenstrahlen — einem zusammengefalteten Fächer ähnlich — bei energischen Wriekbewegungen verwendet wird. Sobald aber der Fisch ruhig im Wasser steht, benutzt er die entfaltete Schwanzflosse, um mit ihr (wie namentlich. auch mit den gleichgestalteten Brustflossen, die dann in einer vertikalen Querebene stehen) einen das Herabsinken verhindernden Auftrieb zu erzeugen. Die Schwanzflosse wird für sich, ohne jede Seitenbewegung der Wirbelsäule, in eine gegen den unteren Rand fortschreitende Wellenbewegung versetzt, welche zusammen mit der analogen Bewegung der Brustflossen die Wir- kung der Schwere ausgleicht. Der typisch isobatische Schwanz des Stichlings ist also doch zu einer, wenn auch stationären epiba- tischen Wirksamkeit befähigt. Diese beiden Beispiele, die sich leicht durch weitere Studien im Aquarium vervollständigen lassen, mögen zeigen, wie ungemein interessant und mannigfaltig die Bewegungen der Fische sind, und wie wichtig es für die wissenschaftliche Beurtheilung der Flossen- formen ist, den Gebrauch der Organe am lebenden Thiere zu beob- achten. Hamburg-Uhlenhorst, 8. Juni 1895. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Heterocerker oder epibatischer Schwanz von Carcharias glaueus. q, Querschnitt in der Richtung des Pfeiles. Fig. 2. Eben so, von Acipenser Sturio. Fig. 3. Ichthyosaurus quadriseissus, rekonstruirt von Prof. E. FrAAs (N. Jahrb. f. Min. 1892, Bd. II). Fig. 4. Ungleichlappiger, hypobatischer Schwanz von Exocoetus. Fig. 5. Schwanz von Crocodilus spec. g, Querschnitt. Fig. 6. Schwanz der Wasserschlange Platurus laticaudatus. sehnitt. Fig. schnitt. Fig. Fig. Über die Bedeutung der Heterocerkie ete. 15 Schwanz von Chaetostomus dolichopterus. Fam. Siluriden. Triehiurus lepturus. g, Querschnitt. Schwanz einer jungen Scholle nach AGassız. Coilia elupoides. Fam. Clupeiden. Pempheris otailensis. Fam. Kurtiden. Tahiti. g, Querschnitt. Sternopygus virescens. Fam. Gymnotiden. Rosario. g, Quer- Rhamphichthys Blochii. Fam. Gymnotiden. S. Amerika. gq, Quer- Notopterus spec. Süßwasser. Ostindien. g, Querschnitt. . Amphisile strigata. Pelew-Inseln. S, Schwimmblase; R, Rückenflosse mit dem nach hinten gerichteten stachelförmigen ersten Flossenstrahl SZ? derselben; C, Schwanzflosse; A, Afterflosse; q. Querschnitt. Beiträge zur Anatomie, Systematik und geographischen Verbreitung der Nemertinen. Von Dr. Otto Bürger, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut zu Göttingen. Mit Tafel II und III. Die Beschreibung der in dem vorliegenden Aufsatze enthaltenen Nemertinen ist der Extrakt der Revision eines sehr großen Nemer- tinenmaterials. Dasselbe umfasst den gesammten Nemertinenbesitz des Berliner und einen großen Theil des Hamburger Naturhistori- schen Museums, einschließlich der Nemertinenausbeute, welche Mögıus von Mauritius, und MICHAELSEn vom Feuerlande heimführte, ferner die der Willem Barents-Expedition und Niederländischen Polarexpedition und endlich die von CHIERCHIA an Bord des Vettor Pisani gemachte. Seine Bearbeitung vornehmlich setzt mich in den Stand, Einiges über die geographische Verbreitung dieser Würmer zu bringen, über die wir bisher kaum viel mehr wissen, als dass sie in allen Meeren der tropischen und gemäßigten Zonen leben und auch in den ark- tischen und antarktischen noch zu Hause sind. Es ist wahrscheinlich, dass eine große Anzahl Nemertinen- Gattungen vom einen bis zum anderen Pol verbreitet ist, so weit der Meeresgrund überhaupt von Würmern besiedelt ist. Ein der- artig kolossales Verbreitungsgebiet besitzt die Gattung Cerebratulus, welche, wo immer gedredgt wurde, sei es an der Küste Grönlands, auf dem Grunde der Barents-See, an den Küsten der Nordsee, der nordamerikanischen, des atlantischen Oceans, im Mittelmeer, indi- schen Archipel, an den Gestaden der Magelhaensstraße oder Süd- georgiens in großer Fülle zu Tage gefördert wurde. Freilich nimmt a Zu u A ee ee A ee Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 17 der Reichthum an Arten, so viel die Ausbeute der bisherigen Expeditionen lehren, in den kalten Meeren sehr bedeutend ab. Er erreicht seinen Höhepunkt in den warmen und tropischen, so z. B. im Mittelmeer und Indischen Archipel; in der Nordsee ist die Arten- zahl schon sehr redueirt. Merkwürdigerweise ähneln sich die ark- tischen und antarktischen Arten nicht allein im Habitus, sondern auch in ihrer Organisation außerordentlich und erinnern auffällig an Cerebratulus marginatus, welcher von allen Cerebratulen die weiteste Verbreitung besitzt, indem er sich von den Küsten Nor- wegens und Schottlands westlich bis zum amerikanischen Kontinent, südlich bis Madeira und außerdem im Mittelmeer ausbreitet. Cerebratulus wird von der Gattung Amphiporus und Tetra- “ stemma begleitet. Von’beiden sind auch gewisse Arten (A. pulcher, lactifloreus, T. candidum) an den Küsten Grönlands, Großbritannien, Skandinaviens und des Mittelmeeres, also in einem mindestens eben so ausgedehnten Gebiete wie C. marginatus beobachtet worden. Andere Gattungen besitzen ein wesentlich eingeschränkteres Verbreitungsgebiet. Drepanophorus lässt wahrscheinlich die arkti- schen Meere frei, Eupolia beschränkt sich sicher in ihrem Vorkom- men auf die wärmeren und tropischen Meere. Ihr Verbreitungsgebiet ist ein sehr scharf begrenztes. Es reicht nördlich nicht über den 45., südlich nicht über den 40. Breitengrad hinaus. In den euro- päischen Gewässern drängt sie sich am weitesten im Mittelmeer, nämlich bis Triest nach Norden vor, und in den ostasiatischen ist sie noch an der Süd-Ostküste Japans in der Nähe der Miaki-Insel aufgefunden worden. Als die südlichsten Punkte ihres Vorkommens haben vorläufig Mauritius und New Ulster zu gelten. In diesem breiten Gürtel sind die Eupolien überall sehr zahlreich angetroffen worden. Die Zahl der Arten von Eupolia, welche den Gürtel bevölkert, ist eine sehr geringe. Es sind mir nur 15 bekannt, von denen wahrscheinlich einige ihre Existenz nur dem Umstande verdanken, dass ungenügend konservirte Exemplare untersucht wurden. Daraus folgt, dass die Arten, wenn die Eupolien trotzdem sehr häufig sind, im Allgemeinen eine sehr große Verbreitung haben müssen. Das ist in der That der Fall. So ist Eupola delineata an der Südküste Spaniens, den Cap Verde-Inseln, im Mittelmeer, im westindischen Archipel (Barbados), an der Ostküste Afrikas (Sansibar), Mauritius, im ostindischen Archipel und bei den Marianneninseln zu Hause. Zeitschrift f. wissansch. Zoologie. LXI. Bd. 2 18 Otto Bürger, Im Wesentlichen dasselbe Verbreitungsgebiet besitzt E. curia, das- selbe umfasst aber sogar noch den australischen Archipel bis zu den Paumatuinseln. Im ostindischen Archipel befindet sich das Centrum der Verbreitung von E. hemprichi. Von diesem aus schiebt sie sich westlich ins Rothe Meer bis in die Nähe des Suezkanales, sodann bis zur afrikanischen Küste (Sansibar) und Mauritius vor, nördlich indess nur bis zu den Karolineninseln, südlich und westlich in den australischen Archipel bis nach Neu-Caledonien und den Samoa- inseln. Fast nur auf den indischen Archipel beschränkt ist E. quinquelineata, sie dehnt sich nur erheblich weiter nach Norden, nämlich bis zu den Loo-Choo-Inseln, aus. Eine dem australischen Archipel ausschließlich angehörende Art ist vielleicht £. lineolata, eine auf die Nachbarschaft von Mauritius beschränkte E. mediolineata. In der Nähe der Westküste des amerikanischen Kontinents tritt eine neue Art, E. mezxicana, auf, die dort einen weiten Verbreitungsbezirk zu besitzen scheint. Sie wurde bisher bei den Galapagosinseln, Panama und Mazatlan gefunden, also im Gebiet des Äquators bis zum nördlichen Wendekreis. Die ausgedehnte Verbreitung von Drepanophorus begründet sich auf noch weniger Arten, nämlich in der Hauptsache nur auf D. spectabilis und cerassus. Ersterer findet sich an der an den Kanal -grenzenden und der atlantischen Küste Frankreichs von Guernsey und Roscoff an südlich bis zu den Cap Verde-Inseln und im Mittel- meer an den Küsten Italiens und Siciliens, letzterer ebenfalls an der atlantischen Küste Frankreichs vom Kanal ab südlich bis Ma- deira, ferner im Mittelmeer, außerdem bei Mauritius, den Samoa- und Tongainseln östlich bis Panama und nördlich bis zu den Kerguelen und Tasmanien. Über die Verbreitung der übrigen Nemertinengattungen lässt sich vor der Hand nichts Sicheres aus- sagen, und somit befinden wir uns noch sehr am Anfang der Er- kenntnis der geographischen Verbreitung der Schnurwürmer. Was die in diesem Aufsatze enthaltenen anatomischen Ergebnisse anlangt, so sei besonders auf Carinoma patagonica, eine nahe Verwandte der interessanten aber seltenen Carinoma armandı hin- gewiesen. Protonemertini. Die Seitenstämme liegen außerhalb des Haut- muskelschlauches im Epithel oder zwischen Epithel und Grundschicht. Der Hautmuskelschlauch setzt sich aus einer nach außen gelegenen Ring- und einer nach innen gelegenen Längsmuskelschicht zusammen. Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 19 Eine Cutis fehlt. Der Mund liegt hinter dem Gehirn; ein Blind- darm und Stilettapparat ist nicht vorhanden. Carinella spec. Es liegen mir 1) mehrere stark verknäuelte, gleichmäßig gelb- braun gefärbte Spiritusexemplare von Uschuaia vor, 10 Faden (coll. MICHAELSEN), welche durch ihre innere Organisation an Carinella rubianda erinnern. Es ist eine Kopfdrüse vorhanden, das Rhyn- chodäum von einem Drüsenepithel ausgekleidet und die Cerebral- organe liegen in der Tiefe des auffallend hohen Hautepithels und stellen ziemlich große, an Drüsenzellen sehr reiche Gebilde vor. Da über das Aussehen der Thiere im Leben gar keine Notizen ge- macht sind, sehe ich von einer näheren Bestimmung ab. 2) Ein Exemplar vom Feuerland, westlich vom Port Pantalon, 7 Faden, das ich nicht genauer untersucht habe (coll. MICHAELSEN). Mesonemertini. Die Seitenstämme liegen im Hautmuskelschlauch in dessen Längsfibrillenschicht. Der Hautmuskelschlauch ist zwei- schiehtig, indem außerhalb der Längsfibrillenschicht noch eine von Ringfibrillen sich entwickelt hat. Eine Cutis fehlt, eben so ein Blinddarm und Stilettapparat. Der Mund liegt hinter dem Gehirn. Carinoma patagonica nov. spec. (Tafel III, Fig. 1—9.) Zu meiner großen Überraschung erwies die nähere Untersuchung einer etwa 3!/, cm langen und 2!/, mm breiten Nemertine, mit vom Rumpfe abgesetzten radförmigen Kopfe, welche von MICHAELSEN in der Magelhaensstraße, Punta Arenas, am Strande gesammelt war, dass ich in ihr eine Angehörige des Genus Carinoma vor mir hatte, von dem bis jetzt nur eine Art, nämlich ©. armandı, bekannt ist, welche in nur wenigen Exemplaren von MclIntosnH bei Southport (England) sefunden wurde. Sie stimmt mit C. armandı in ihrer inneren Or- ganisation im Wesentlichen überein. Über ihr Aussehen im Leben fehlen leider Angaben. Die hervorstechendsten Unterschiede unserer Art von C©. armandı liegen im Bau des Exkretionsgefäßsystemes, das, obgleich noch kürzer als bei C. armandı, doch viel stärker verzweigt ist und sich auffällig weit in die Seitengefäße hinein- wölbt. Da der histologische Erhaltungszustand des mir vorliegenden Objektes ein sehr guter ist, so überzeugte ich mich an den Schnitten I%* 20 Otto Bürger, ganz sicher, dass von einer Kommunikation der Nephridienenden mit den Blutgefäßen in keinem Fall die Rede sein kann, sondern die Enden stets vom Epithel der Blutgefäße, das freilich sehr dünn ist, umhüllt sind. Die innere Ringmuskelschicht ist bei C. patagonica noch dicker als bei ©. armandı. Die dorsalen Ganglien sind trotz des Mangels der Cerebralorgane ziemlich groß. Von den ventralen Ganglien geht ein Paar starker Schlundnerven an den unmittelbar hinter dem Gehirn liegenden Mund ab. Es sind ein Paar Rhyncho- cölomgefäße und Rhynchocölomseitengefäße vorhanden. Beide gehen in der Gehirngegend von den Seitengefäßen ab. Die Rhynchocölom- gefäße hören schon bald nach ihrem Ursprunge, die Rhynchocölom- seitengefäße aber erst in der Gegend der Nephridien auf. Das einzige mir vorliegende Stück ist ein Männchen und enthält an- ‚nähernd reife Geschlechtsprodukte. Die Geschlechtssäcke beginnen hinter der inneren Ringmuskelschicht, münden am Rücken aus und alterniren mit den Darmtaschen. Cephalothrix spec.? Mir liegt vor 1) ein Exemplar in Bruchstücken, worunter der Kopf sich befindet, das in seiner inneren Organisation mit ©. br- punctata übereinstimmt. Indessen liegt der Mund dichter als dort hinter dem Gehirn, was aber eine Folge der Kontraktion sein mag. Fundort Ancud; coll. CHIERCHIA. 2) Ein vorderes Bruchstück von Uschuaia, tiefster Ebbestrand, coll. MICHAELSEN, das durch seine Organisation an CO. linearıs erinnert. Metanemertini. Die Seitenstämme liegen innerhalb des Haut- muskelschlauches, welcher sich aus einer nach außen gelegenen Ring- und einer nach innen gelegenen Längsmuskelschieht zu- sammensetzt. Eine Cutis fehlt. Der Mund befindet sich vor dem Gehirn. Es ist ein Blinddarm und ein Stilettapparat vorhanden. Eunemertes spec. ? 1) Es liegen mir mehrere Exemplare von Enosima (Japan) vor. Über Zeichnung und Färbung sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Die Spiritusexemplare sehen gleichmäßig graugelb aus. Die innere Organisation erinnert an Eunemertes gracilis. Die Cerebralorgane sind klein und liegen weit vor dem Gehirn. Mund und Rüssel- öffnung fallen zusammen. Indess weichen sie von E. gracilıs wesent- Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 21 lieh dadurch ab, dass sich zwei Taschen des Blinddarmes bis zum Gehirn nach vorn erstreeken. Eine Kopfdrüse ist nicht vorhanden, aber in der Kopfspitze finden sich rings subepitheliale Drüsenzellen reichlich vor. Coll. HILGENDoRF; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 2) Verschiedene Exemplare von Navarin, Puerto Toro; Ebbe- strand; coll. MiCHAELsEn. Mit zahlreichen subepithelialen Drüsen- zellen im Kopfe, die sich bis über das Gehirn hinaus in der Gegend der Seitenstämme nach hinten fortsetzen. Die Cerebralorgane sind ebenfalls sehr klein und liegen weit von dem Gehirn. Der Blind- darm reicht nicht bis zum Gehirn nach vorn. Amphiporus stanniusi (Grube). Tafel III, Fig. 10.) Akrostomum stanni! Grube, Actinien, Echinodermen und Würmer des Adriati- schen- und Mittelmeeres. Königsberg 1840. p. 57—60. Von dem nur noch in wenigen Bruchstücken erhaltenen .Origi- nalexemplar habe ich einige Schnitte angefertigt, und da ich die- selbe Art in mehreren vollständigen Exemplaren aus Neapel erhalten habe, feststellen können, dass wir es mit einem Amphiporus zu thun haben. Derselbe ist bisher weder von GRUBE noch mir lebend beobachtet worden. Ich habe ihn wahrscheinlich lebend für Cere- bratulus marginatus gehalten und desshalb nicht weiter beachtet. Die Spiritusexemplare, welche gleichmäßig weißgelb aussehen, messen noch 20—30 em in der Länge und 10—15 mm in der Breite. Rücken und Bauch sind gleichmäßig gewölbt. Die Seitenränder treten nicht hervor. Der Kopf ist meist deutlich vom Rumpf ab- gesetzt. Mund und Rüsselöffnung fallen zusammen. Die gemein- schaftliche Öffnung ist auffallend, nämlich 11/,—2 mm weit nach hinten gerückt. Die Cerebralorgane sind relativ klein. Sie liegen hinter den dorsalen Ganglien über den Seitenstämmen. Der Blind- darm ist kurz und erstreckt sich nicht bis zum Magendarm, der außerordentlich umfangreich ist, nach vorn. Der Rüssel ist sehr dick und lang. Ihn versorgen 14 Nerven. Er besitzt ein gewöhn- liches Angriffsstilett und zwei Reservestilettaschen mit zwei bis drei Reservestiletten. Das Rhynchocölom erstreckt sich fast bis zum After. Eine Kopfdrüse ist nicht vorhanden, dagegen sind in der Kopfspitze sehr reichlich überall subepitheliale Drüsenzellen ent- wickelt. Das Gehirn ist ziemlich klein. Die ventrale Kommissur ist eben so wie die dorsale nach oben stark gewölbt. Die Seiten- stämme verlaufen von Anfang bis zu Ende in den Seiten des Körpers 39) Otto Bürger, nur wenig der Bauchfläche genähert. Augen sind, wie das schon GRUBE angiebt, nicht vorhanden. Fundort Neapel; coll. GRUBE, HUBRECHT, LOBIANCO, BÜRGER. Bes. N.-H. Mus. Berlin, Zoologisches Institut zu Utrecht und Göt- tingen. Amphiporus bicolor nov. spec. Diese Art erinnert im Habitus in hohem Maße an Amphiporus stanniusi. Sie liegt mir in mehreren zu einander gehörigen Bruch- stücken vor. Das ganze Spiritusexemplar ist etwa 10 em lang, in der Mitte 13 mm breit und 8 mm dick gewesen. 4. bicolor unter- scheidet sich von A. stanniusi durch den Besitz zahlreicher, ziem- lich großer Augen. Die Cerebralorgane liegen nicht hinter den dorsalen Ganglien, sondern in der vordersten Gehirngegend, und zwar seitlich weit ab vom Gehirn. Eine stark entwickelte Kopfdrüse fehlt. Dagegen sind in der Kopfspitze rings unzählige, subepi- theliale, in den Hautmuskelschlauch gebetteten Drüsenzellen ent- wickelt. In der Gehirngegend finden sie sich nur noch seitlich, und in der Nephridialregion verschwinden sie völlig. Im Hautmuskel- schlauch fällt eine ziemlich starke Diagonalmuskelschicht auf. Die Seitenstämme verlaufen ziemlich seitlich im Körper. Das Gehirn ist relativ klein. Der Rüssel enthält 20 Nerven. Blinddarm und Rhynchocölom verhalten sich wie bei A. stanniust. Fundort Br. 75° 49'.N; L. 53° 41’ O. (Barentsmeer), 680 Me- ter tief. Amphiporus michaeiseni nov. spec. Ist in sehr großer Anzahl von MichAELsEN in der Magelhaens- straße, Punta Arenas, Ebbestrand, gesammelt worden. Die Spiritus- exemplare sind 2—3 cm lang und 2—2!/;, mm breit. Der Kopf ist nach MICHAELSEN’S Aufzeichnung im Leben ein wenig verbreitert, der Rücken des Vorderkörpers rothbraun oder rauchgrau gefärbt, sonst herrscht am Körper eine weißgraue Färbung vor. A. michaelseni erinnert in seiner Organisation (eben so wie durch seine Färbung) an A. dubius. Der Ösophagus mündet in das Rhynchodäum, der Blinddarm erstreckt sich nicht bis zum Gehirn nach vorn. Der Rüssel enthält ein schlankes Angriffsstilett, zwei Taschen mit je drei Reservestiletten und wird von 13 Nerven durchzogen. Die Cere- bralorgane liegen ziemlich weit vor dem Gehirn. In der Kopfspitze sind viele subepitheliale Drüsenzellen entwickelt. Sie finden sich Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 23 auch noch etwas hinter dem Gehirn. Es sind, aber nicht sehr zahl- reich, ziemlich große Augen vorhanden. Amphiporus groenlandieus Oersted. A S. OERSTED, Entwurf einer systematischen Eintheilung und spec. Beschrei- bung der Plattwürmer. Kopenhagen 1844. p. 95. Ist nach OERSTED im Leben gelbbraun gefärbt und wird 8 em lang. Die mir vorliegenden Spiritusexemplare sind 4—6 em lang und ea. 5—7 mm breit. Der Rücken sieht dunkelbraun, der Bauch hellbraun aus. Der Körper hat viel Ähnlichkeit mit A. marmoratus. Innere Organisation. Am auffälligsten sind die massenhaft vorhandenen Kopfdrüsenzellen. Sie bilden eine dieke subepitheliale vollständige Ringschicht, welche von der Kopfspitze weit über das Gehirn hinaus bis in die Gegend der Exkretionsgefäße hinein nach "hinten sich ausdehnt. Der Rüssel ist sehr kräftig und enthält 16 Nerven. Es sind nur zwei Reservestiletttaschen vorhanden, welche wenige (zwei bis drei) Reservestilette enthalten. Der Ösophagus mündet in das Rhynchodäum. Vom Blinddarm stülpen sich ein Paar seitliche Taschen bis in die nächste Nähe des Gehirns nach vorn. Jedes Exkretionsgefäß besitzt nur einen Ausführgang, welcher an der Bauchfläche nach außen sich öffnet. Die Cerebralorgane liegen vor dem Gehirn und sind ziemlich groß. Fundort Grönland (Julianehaab); Bes. N.-H. Museum Berlin. Drepanophorus crassus (Quatrefages) Hubrecht. Cerebratulus crassus Quatrefages, Recherches anatomiques et zoologiques faites pendant un voyage sur les cötes de la Sicile ete. 1846—1847. 2. Theil. Tab. XVI, Fig. 14. Drepanophorus serraticollis Hubrecht, Untersuchungen über Nemertinen aus dem Golf von Neapel. in: Niederl. Arch. Zool. Bd. II. 1874—1875. Drepanophorus crassus Joubin, Les N&mertiens. in: Faune francaise. Paris 1894. p. 146. Tab. III, Fig. 55. Es liegen mir 1) drei zu einander gehörende Bruchstücke dieser Art vor, unter denen sich Kopf und Rüssel ‚befinden. Dieselbe ist auch an Schnittserien wohl zu erkennen durch das stark nach hin- ten vorgewölbte Drüsenzellpolster ihrer Cerebralorgane und die 20 für den Rüssel charakteristischen Nerven. Fundort Panama; coll. CHIERCHIA. 2) Zwei vollständige etwa je 6 em lange und 3-4 mm breite platte Exemplare von Samoa, das eine dort von Upolu. Von diesem 24 Otto Bürger, habe ich gleichfalls das Vorderende mikrotomirt und danach die Bestimmung getroffen. Coll. Mus. GODEFROY. Bes. N.-H. Hamburg. 3) Ein zerbrochenes Exemplar von Hapai, Tongainseln, aus Koral- len von der Expedition der Gazelle; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 4): Mehrere kleine, 3—5 em lange und 3—4 mm breite Exem- plare und ein großes über 10 cm langes und 9 mm breites, die von Mößıus bei Mauritius gesammelt wurden. Von einem der ersteren hat Mögıus eine schöne farbige Abbildung nach dem Leben ent- worfen. Nach ihr ist der Rücken seitlich dunkel gelbroth und in der Mitte fast schwärzlich gefärbt. Bes. N.-H. Mus. Berlin. Heteronemertini. Die Seitenstämme liegen im Hautmuskel- schlauch, welcher sich aus einer äußeren und inneren Längs- und zwischen diesen beiden gelegenen Ringmuskelschicht zusammensetzt. Es ist eine Cutis vorhanden. Der Mund liegt hinter dem Gehirn; Blinddarm und Stilettapparat fehlen. Eupolia delineata (delle Chiaje) Hubrecht. (Tafel II, Fig. 7a u. 75.) Polia delineata Delle Chiaje, Memoria sulla storia et notomia degli animali senza vertebre del regno di Napoli. Napoli 1523—1829. Borlasıa striata Quoy et Gaimard, Voyage de decouvertes de l’Astrolabe. Zoo- logie. Paris 1833. Bd. IV. p. 286. Tab. XXIV, Fig. 3 u. 4. Eupolia delineata Bürger, Südgeorgische und andere exotische Nemertinen. in: Zool. Jahrb. Abth. Syst. Bd. VII. 1893. p. 230. Taf. VIII, Fig. 4. Eupolia delineata Joubin, Les Nemertiens. in: Faune francaise. Paris 1894. p. 79. Tab. I, Fig. 11. Diese weit verbreitete Art liegt mir 1) in zwei Exemplaren von Mauritius, coll. Mögıvs, Bes. N.-H. Mus. Berlin, vor. Das eine Exemplar ist nach Angabe von Mösgıus 1,25 m im Leben lang gewesen. Mösıus hat eine sehr gute Abbildung nach dem lebenden Thier entworfen. Nach ihr ist die Grundfarbe des braungestreiften Körpers olivengrün. 2) In mehreren Bruchstücken, die von Massiva, Pangani, coll. STUHLMANN, Bes. N.-H. Mus. Hamburg, stammen. Sie haben die charakteristische Streifung gut bewahrt. 3) In einem Exemplar von den Fidschiinseln, coll. Mus. GODEFROY, Bes. N.-H. Mus. Hamburg. 4) In drei Exemplaren von Barbados; coll. EHRHARD; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 25 Eupolia curta Hubrecht. (Tafel II, Fig. 6.) Polia curta Hubrecht, The Genera of European Nemerteans etc. in: Not. Leyd. Mus. Bd. XVII. p. 209. Eupolia marmorata Bürger, Untersuchungen über die Anatomie und Histologie der Nemertinen etc. in: Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. p. 24. Taf. I, Fig. 11. Eupolia curta Joubin, Les Nemertiens. in: Faune francaise. Paris 1894. p. 80. Tan. 1, Big. 12. Es ist mir, nachdem ich nunmehr eine größere Anzahl von Exemplaren dieser Art, die von den verschiedensten Orten stammen, kennen gelernt habe, nicht mehr zweifelhaft, dass die tropische Eupolia marmorata mihi mit der bisher nur im Mittelmeer beob- achteten E. curta Hubrecht identisch ist. Wahrscheinlich existiren zwei Varietäten der tropischen und subtropischen Vertreter dieser Art, nämlich eine braune oder braunrothe, die sich durch deutlicher hervortretende Streifung und bedeutendere Länge E. delineata nähert, und eine dunkle, ins Blauschwarze spielende marmorirte gedrunge- nere Form, für welche die von mir früher bei EZ. marmorata ge- sebene Beschreibung und Abbildung zutrifft. Beide Varietäten habe ich minder charakteristisch im Golf von Neapel beobachtet. Es liegen mir vor von der gestreiften Varietät: 1) Zwei Exemplare von etwa 30 und 80 cm Länge. Das größere besitzt abgesehen von seinen hinteren und vorderen stark verjüng- ten Enden einen Durchmesser von 8—10 mm. Fundort Ponape; coll. Mus. GODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. 2) Ein Exemplar von etwa 25 em Länge. Fundort Mauritius; coll. Mögıus; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 3) Verschiedene Bruchstücke von Neu-Irland. Exped. Gazelle; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Von der marmorirten Varietät: 1) Ein 19 em langes, vorn 6 mm breites Exemplar. Fundort Palau; coll. Mus. GODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. 2) Ein 15 cm langes, vorn 5 mm breites Exem- plar. Fundort Fidschiinseln; coll. und Bes. w. v. 3) Ein etwa 22 cm langes, vorn 7 mm breites Exemplar. Fundort Upolu (Samoainseln); eoll. und Bes. w.v. 4) Ein etwa 30 em langes, vorn 9 mm breites Exemplar. Fundort Nukahiwa, Marquesasinseln; coll. und Bes. w. v. 5) Zwei 20—30 cm lange und S—16 mm breite Exemplare. Fundort Mauritius; coll. Mögıus; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 6) Ein etwa 28 em langes, vorn 5 mm breites Exemplar. Fundort Amboina; coll. Exped. Gazelle; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 7) spreche ich als E. curta auch 26 Otto Bürger, nach dem Studium einer Schnittserie durch das Kopfende eine etwa 12 cm lange, vorn 3 mm breite Eupolia an, welche zwar die cha- rakteristische Zeichnung nicht mehr aufweist (dieselbe geht häufig bei Spiritusexemplaren verloren). Fundort Ancud; coll. CHIERCHIA. Eupolia quinquelineata (Quoy et Gaimard) Bürger. Borlasia a cing lignes (quinquelineata) Quoy et Gaimard. Voyage de decouvertes de l’Astrolabe. Zoologie. Paris 1833. Bd. IV. p. 288. Tab. XXIV, Fig. 1 u2: Taenısoma aequale Stimpson, Prodromus descriptionis evertebratorum ete. in: Proc. Acad. nat. sc. Philadelphia 1857. p. 162. Vgl. auch O. BÜRGER, Südgeorgische und andere exotische Nemertinen. in: Zool. Jahrb. Abth. Syst. Bd. VII. 1893. p. 234. Taf. VII, Fig. 2 u. 3. Es liegen mir mehrere Bruchstücke (der Kopf fehlt) eines etwa 40 em langen Exemplares dieser leicht zu bestimmenden Art vor. Am hinteren Ende bleiben nur die drei mittleren Rückenlinien deutlich. Fundort Singapore; coll. v. MARTENS; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Eupolia septemlineata Stimpson. Taeniosoma septemlineatum Stimpson, Prodromus descriptionis animalium everte- bratorum quae in Expeditione ad Oceanum Paeificum Septentriona- lem etc., observavit et descripsit. in: Proc. Acad. N. S. Philadelphia 1857. p. 162. Bupolia novemlineata Bürger, Südgeorgische und andere exotische Nemertinen. in: Zool. Jahrb. Bd. VII. 1893. p. 236. Taf. VIII, Fig. 5. Diese Art liegt mir in einem prächtigen, über !/s m langen, vollständigen Exemplar vor. Den Rücken zieren sieben, den Bauch zwei schwarze Linien, indess sind nur am Vorderende des Thieres alle Linien des Rückens vorhanden, weiter hinten verlieren sich die seitlichen, so dass nunmehr nur noch die fünf mittleren Linien des Rückens erhalten sind und bei einem Fragmente eine Verwechslung mit E. quinquelineata fast unvermeidlich wäre. Fundort Australien: coll. Mus. GoODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Ham- burg. Eupolia hemprichi (Ehrenberg) Bürger. Nemertes Hemprichii Hemprich u. Ehrenberg, Symbolae Physicae. Berlin 1831. Eupolia Brocki Bürger, Untersuchungen über die Anatomie u. Histologie der Nemertinen nebst Beiträgen zur Systematik. in: Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. »p. 22. Taf. Rig. 10. Als ich das im Besitze des Naturhistorischen Museums zu Berlin befindliche Originalexemplar von Nemertes Hemprichü Ehrenberg a ee Kae a Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 27 sah, erkannte ich sofort, dass dasselbe mit Eupoha brocki mihi iden- tisch ist. Das wohlerhaltene Originalexemplar ist noch über 1 m lang, vorn 7 mm breit, platt und bandförmig. Das hintere Ende verjüngt sich zu einem dünnen Faden. Fundort Scherm el Scheel, Rothes Meer. Von derselben Art liegen mir noch vor: 1) Bruchstücke (mit Kopf) von zwei etwa 25 cm langen und vorn 3 mm breiten Exemplaren. Fundort Insel Baui und Tumbatu; coll. STUHLMANN; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Eine Etikette des Sammlers ist mit der Bemerkung »weiß mit braunem Streif« versehen. Bei dem Exemplare von Tumbatu fehlt der braune Bauchstreif völlig und den braunen Rückenstreif stellt nur eine feine Linie dar. Eben so ist die Kopfbinde sehr fein, der Fleck an der Kopfspitze fehlt. 2) Zwei etwa 10 cm lange bindfadenartige Bruchstücke (ohne Kopf). Fundort Karolinen-Inseln; coll. Mus. GODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. 3) Ein 1,20 m langes, vorn 5 mm breites Exemplar. Fundort * Upolu (Samoa-Inseln); coll. und Bes. w. v. 4) Bruchstücke mit Kopf, welche zusammen etwa 25 em lang sind. Fundort Insel Ibo, Mozambique; coll. PETERS; Bes. N.-H. Mus. Berlin. | 6) Zwei etwa 30 cm lange Exemplare von Neu-Guinea; coll. RHODE, N.-Guinea Comp.; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Bei dem einen Exemplar sind die charakteristischen Streifen sehr undeutlich, bei dem anderen völlig verloren gegangen. Eupolia mediolineata Bürger. Vgl. O0. BÜRGER, Südgeorgische und andere exotische Nemertinen. in: Zool. Jahrb. Abth. Syst. Bd. VII. 1893. p. 231. Taf. VIII, Fig. 1. Die mir vorliegenden drei Exemplare stammen, wie das von mir früher beschriebene, von Mauritius; coll. Mögıus; Bes. N.-H. Mus. Berlin. MöBıus hat von einem eine ausgezeichnete Abbildung entworfen, welche die richtige Bestimmung sichert. Nach Angabe von MöBıus war ein Exemplar im Leben 3 m lang, vorn 5—6 mm, hinten 1 mm breit. E. mediolineata unterscheidet sich von der ganz ähnlich gezeichneten und ähnliche Dimensionen erreichenden E. hemprichi dadurch, dass bei ihr sowohl der rothbraune Rücken- als Bauchstreif bedeutend breiter als bei Z. hemprichi sind und somit 28 Otto Bürger, fast die gesammte Rücken- und Bauchfläche einnehmen. Die Exem- plare wurden aus löcherigen Korallenblöcken herausgezogen. Eupolia mexicana Bürger. Vgl. 0. BÜRGER, Südgeorgische und andere exotische Nemertinen. in: Zool. Jahrb. Abth. Syst. Bd. VII. 1893. p. 236. Taf. VIII, Fig. 6 u. Taf. IX, Fig. 3—6. Von dieser Art sind zwei Exemplare bei den Galapagos-Inseln und eines bei Panama von CHIERCHIA gesammelt worden. Bei einem ist noch die für diese Art charakteristische Ringelung kenntlich, obwohl die ursprüngliche Färbung vollständig verloren gegangen ist. Die jetzt gelblich weißen (früher wahrscheinlich rein weißen) 1 mm breiten Ringel sind durch etwa 3 mm breite, jetzt bräunliche (früher wahrscheinlich dunkelgrüne) Binden von einander getrennt. Ein Exemplar ist sehr dünn und völlig bandartig, die anderen sind dieker und zeigen eine platte Bauch- und eine stark gewölbte Rückenfläche. Sie besitzen im konservirten Zustande noch die be- deutende Länge von 70—80 cm. Die von mir früher beschriebenen Exemplare dieser Art stammen von Mazatlan. Eupolia maculosa nov. spec. (Tafel II, Fig. 2.) Von dieser Art liegt mir ein vollständiges sehr gut erhaltenes Exemplar vor, das etwa !/; m lang und vorn 6 mm breit ist. Nach hinten verjüngt sich der Körper etwas. Der Kopf ist deutlich vom Rumpf abgesetzt. Der Mund bildet eine 3 mm lange Spalte. Die Grundfarbe des Spiritusexemplares ist weiblich grau. Sie wird aber stark verdeckt durch kleine braune Pünktchen, mit denen das Thier überall äußerst dicht gesprenkelt ist. Die Sprenkelung tritt nur am Kopfende, und besonders an der Unterseite desselben minder auffallend hervor, sie ist sonst am ganzen Körper ziemlich gleichmäßig dicht. Ein Schnitt durch das vordere Körperende zeigt, dass E. macu- losa eine Cutis besitzt, in der die Bindegewebsschicht nicht sehr stark entwickelt ist, dagegen die Cutisdrüsen massenhaft zu dieken Ballen vereinigt vorhanden sind. | Fundort Ponape; coll. Mus. GODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Eupolia lineolata nov. spec. (Taf. II, Fig. 4 u. 8.) Von dieser sehr charakteristisch gezeichneten Art liegt mir ein langes, vorderes Körperbruchstück mit Kopf und ein ganzes Exem- Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 29 plar mit zwei Theilstücken vor. Letzteres misst etwa 26 cm in der Länge, und abgesehen von dem verjüngten hinteren Ende 8—10 mm in der Breite. Der Kopf ist ein wenig abgesetzt, der Mund ist ein kleines rundes Loch. Die Grundfarbe des Körpers ist hell weiß- grau und wahrscheinlich im Leben rein weiß gewesen. Dieselbe wird überall am Körper unterbrochen durch braune, bald ganz kurze (wenige Millimeter lange), bald längere (mehrere Centimeter lange) Längsstriche. Die Striche verlaufen alle mit einander parallel und sind am Rücken diehter und zahlreicher vorhanden als am Bauche. Am hinteren Körperende vereinigen sich die. Striche zu langen Linien, so dass hier der Körper gestreift aussieht, im Gegensatz zu vorn, wo er gestrichelt erscheint. Die Anatomie des Kopfes von E. hineolata erinnert in hohem Maße an E. curta. Gehirn und Cerebralorgane verhalten sich ganz wie bei dieser Art. Insonderheit sind auch kleine, in dorsoven- traler Richtung in den Kopf einschneidende Schlitze vorhanden, aus denen die Cerebralkanäle abgehen. Viele kleine Augen sind haupt- sächlich in die Cutis eingebettet. In der Mundgegend ist die Bindegewebsschicht der Cutis nur dünn. Die Outisdrüsen sind in langen Bündeln, welche sehr dicht stehen, angeordnet. Die Kopf- drüse ist mindestens eben so stark wie bei E. curta entwickelt. Ihre dieken Schläuche lagern rings in der äußeren Längsmuskel- schicht und finden sich noch in der Mundgegend, bis zu welcher sich meine Schnittserie erstreckt, vor. Die braunen Striche der Körperoberfläche verdanken ihre Existenz einem braunen Pigment, das sich an den betreffenden Orten im Epithel und in der oberen Schicht der Cutis vorfindet und auch noch an gefärbten Schnitten sehr auffällt. Fundort Paumatu-Ins. und Upolu (Samoains.); coll. Mus. GODE- FROY, Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Eupolia antillensis nov. spec. Diese Art liegt mir in einem etwa 75 cm. langen und 6—7 mm breiten Bruchstücke vor, dem der Kopf fehlt. Der Rücken des Spiritusexemplares ist braun marmorirt, die Seitenränder und der Bauch zeigen von der Marmorirung dagegen gar nichts und sehen weißlich gelb aus. Ich glaube zu derselben Art noch ein eben so langes vollständiges, etwas breiteres und platteres Exemplar rechnen zu müssen, bei welchem der Bauch grau gefärbt ist, dessen Rücken 30 Otto Bürger, und Seitenränder aber wie bei dem anderen Exemplar gefärbt und gezeichnet sind. Fundort Barbados; coll. EuRHARDT; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Poliopsis lacazei Joubin. (Taf. II, Fig. 1a bis Id.) Vgl. L. JouBın, Recherches sur les Turbellaries des cotes de France (Nemertes). in: Arch. Zool. exp. gen. (2) Bd. VIII. Paris 1890. p. 521. Tab. XXV, Fig. 3 u.4 und Les Nemertiens. in: Faune francaise. Paris 1894. p. 82. Tab. I, Fig. 15 u. 16. Vor mir liegen drei Spiritusexemplare einer Heteronemertine von Mauritius, deren sichere Bestimmung durch eine farbige Abbildung und verschiedene Skizzen des Kopfes, die Mögıus nach dem lebenden Thiere entwarf, ermöglicht ist. Einige handschriftliche Aufzeich- nungen begleiten die Bilder in ergänzender Weise. Es zeichnet sich diese im Leben 50 em lange und 5—7 mm breite Nemertine, welche »fast drehrund, oft auch flach und faltig« ist und eine gleichmäßig »grauröthliche« Färbung besitzt, vor Allem durch die am Kopf be- findlichen Längsfurchen aus. Derselbe besitzt, wie das JOUBIN zu- erst hervorhob, eine dorsale und ventrale mediane Längsfurche. Nach hinten begrenzen den Kopf ein Paar ziemlich tiefe, dorsal beinahe an einander treffende Querfurchen. (Dieselben verhalten sich wie die für die Metanemertinen charakteristischen »Kopffurchen«.) Außerdem soll nach Mößıus auch je eine seitliche Längsfurche vor- handen sein. Der Kopf ist gewöhnlich etwas »eingezogen« und ab- geplattet. Es sind sehr viele kleine Augen (sicher 40 jederseits im Kopfe) vorhanden. Der einzige Unterschied zwischen unseren Exem- plaren und den von JouBIn zu Banyuls am Mittelmeer aufgefundenen besteht in der Färbung, die bei letzteren dunkelrosa ist; in der Mitte des Körpers schimmert der Darm in seiner ganzen Länge gelb durch. Bes. N.-H. Mus. Berlin. Lineus purpureus (Johnston). Nemertes purpurea Johnston, in: Mag. Zool. and Bot. Bd. I. p. 537. Tab. X VIII, Fig. 3. Nemertes purpurea Grube, Bemerkungen über einige Helminthen und Meer- würmer. in: Arch. Naturgesch. Bd. i. 1855. p. 150. Borlasia purpurea Johnston, in: Catalogue of the British Non-parasitical worms of the Brit. Mus. London 1865. p. 21 u. 2%. Diese besonders von GRUBE ausführlich beschriebene Form liegt mir in mehreren Originalexemplaren aus dem Berliner N.-H. Mus. a Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 3] vor. Sie wird nach GRUBE im Leben 10—15 cm oder selbst über '/5 m lang, aber höchstens I mm breit. »Der Rücken hat eine schmutzig erdbraune, etwas ins Grüne spielende, bald dunklere, bald hellere Färbung und erscheint am Kopfende blutroth unter- laufen.< Seitenränder, Kopfspalten und Mund sind weiblich grau gesäumt; der Bauch ist stets heller als der Rücken und unrein gelb gefärbt. Es sind etwa 12 in zwei Reihen angeordnete Augen vor- handen. GRUBE fand diese Art bei Dieppe in den Klüften der Kreide- klippen, Jounston in der Berwickbay. Auch die Spiritusexemplare weisen noch eine sehr beträchtliche Länge auf. Sie sind drahtförmig und erinnern an Z. lacteus, von dem sie sich durch ihre innere Organisation indessen auffällig unter- scheiden. Der Mund liegt ganz dicht hinter dem Gehirn (bei Z. lacteus ist er sehr weit von demselben entfernt nach hinten gerückt). Die Cutisdrüsenzellen sind kurz und bilden in der Vorderdarmgegend eine Schicht, welche nicht so dick als die äußere Längsmuskelschicht ist. Nirgends reichen sie bis an die Ringmuskelschicht, wie bei Z. lacteus, hinan. Die Kopfdrüse ist stark entwickelt, ihre Schläuche liegen über und unter dem Rhynchodäum sehr dicht bei einander, hören aber alle vor dem Gehirn auf. Die Kopfspalten müssten etwa doppelt so tief sein, wenn sie bis auf das Gehirn einschneiden sollten. Die Cerebralorgane liegen über den Seitenstämmen. Lineus albovittatus Bürger. (Tafel II, Fig. 5a u. 55.) Cerebratulus albovittatus Bürger, Untersuchungen über die Anatomie und Histo- logie der Nemertinen, nebst Beiträgen zur Systematik. in: Diese Zeit- schrift Bd. L. 1890. p. 11. Taf. I, Fig. 1. Es liegen mir von dieser Art vor: 1) Ein Exemplar mit noch deutlich sichtbarer Kopfzeichnung. An Stelle der ursprünglich grünen Färbung des Körpers ist eine hell graugrüne getreten. Länge etwa 8 em, Breite 6 mm. Charak- teristisch ist auch der auffallend (7 mm) lange Mundschlitz. Fundort Atapupo auf Timor aus Korallen; coll. Exped. Gazelle; Bes. N.-H. Mus. Berlin. | 2) Ein ähnliches Stück von Matuka unter Korallen; coll. Exped. Gazelle; Bes. N.-H. Mus. Berlin. 3) Bruchstücke eines Exemplares, das MögBıus gesammelt und im Leben gemalt hat. Nach den schriftlichen Anmerkungen des 32 Otto Bürger, Sammlers ist der von ihm gemalte Zineus albovittatus 30—40 em lang, 4—10 mm breit gewesen, »fast drehrund bis bandförmig, dunkel sammetgrün, oft mit bläulichem Schimmer, runzelt sich bei Berüh- rung«. Kopf oben und unten mit weißem Ziekzackbande umgürtet, breiter als der »Hals«, vorn abgestutzt und in der Mitte eingekerbt. »Jederseits im Kopfe sieht man mehrere Augen. Auch am Kopfe des Spiritusexemplars tritt die charakteristische Kopfzeichnung noch deutlich hervor. Fundort Mauritius; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Lineus psittacinus Bürger. Cerebratulus psittacinus Bürger, Untersuchungen über die Anatomie u: Histologie der Nemertinen etc. in: Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. p. 13. Taf. I, Fig. 2. Ein Vergleich insbesondere der Schnittserien durch den Kopf eines der beiden mir von Upolu vorliegenden Exemplare mit den von mir früher als C. psittacinus beschriebenen Lineiden von Amboina ergiebt völlige Übereinstimmung. Das eine Exemplar ist über 40 cm, das andere etwa 10 cm lang; die Breite beträgt bei beiden 3 mm. Ich habe meiner frühe- ren ausführlichen Beschreibung dieser Art nichts hinzuzufügen. Coll. Mus. GODEFROY; Bes. N.-H. Mus. Hamburg. Lineus aurostriatus Bürger. Cerebratulus aurostriatus Bürger, Untersuchungen über die Anatomie und Histo- logie der Nemertinen etc. in: Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. p. 21. Taf. I, Fig. 8. Es liegt mir nur ein Bruchstück dieser Art vor; dasselbe zeigt deutlich die charakteristische Zeichnung, nämlich dorsal eine braune Mittellinie, die jederseits von einer goldgelben begrenzt wird. Die diese wiederum einfassenden braunen Seitenlinien treten nur wenig hervor. Das Bruchstück stellt ein vorderes Körperende vor und ist etwas über 2 cm lang. Fundort Singapore; coll. v. MARTENS; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Micrura (oder Lineus). spec.? 1) Aus einer Tiefe von 50 m hat OHIERCHIA in der Magelhaens- straße verschiedene etwa 2 mm breite und 5—6 em lange Nemertinen gedredgt, welche weder äußerlich noch innerlich derart auffallende Merkmale zeigen, dass sie eine Wiedererkennung wahrscheinlich machen würden. Das Epithel führt reichlich Flaschendrüsenzellen mit einem wahrscheinlich grünen Sekret. Die Cutis ist in der Vorderdarm- Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 33 region etwa so dick als die äußere Längsmuskelschicht. Gegen diese ist die mit Längsmuskelfibrillen durchsetzte Drüsenschicht durch eine dünne Bindegewebsschicht abgesetzt. Die Kopfspalten müssten etwa um ein Drittel tiefer sein, sollten sie bis auf das Gehirn einschnei- den. Sie überragen den Ursprung des Cerebralkanals nicht nach hinten. Die Seitenstämme liegen vorn unter, hinten neben den Cerebralorganen. Der Mund liegt etwas hinter den Oerebralorganen. Die Kopfdrüse ist sehr schwach entwickelt. Augen habe ich an den Schnittserien nicht entdecken können. 2) Ein etwa 3!/, em langes Exemplar, das an M. tristis er- innert, von Ibo, Mozambique; coll. PETERS; Bes. N.-H. Museum Berlin. Lineus spec.? 1) Es sind verschiedene Stücke von einem Zineus von ÜHIERCHIA gesammelt worden, dessen Organisation sich vor Allem durch die sehr stark entwickelte, zwischen äußerer Längs- und Ringmuskel- schicht gelegene Nervenschicht auszeichnet. Ferner ist als Merkmal hervorzuheben, dass die Seitenstämme unter den Cerebralorganen gelegen sind, die Kopfspalten nicht bis auf das Gehirn einschneiden und der Mund etwas von den Cerebralorganen sich nach hinten entfernt hat. In Folge dessen sind die Schlundnerven, welche auch sehr dick sind, sehr lang. In der Vorderdarmregion des Körpers ist die starke auch mit Längsmuskelfasern reichlich durchsetzte Drüsenschicht der Cutis durch eine etwa halb so dicke Binde- gewebsschicht gegen die äußere Längsmuskelschicht des Hautmuskel- schlauches abgegrenzt. Es sind ferner viele kleine Augen vorhan- den, die jederseits an den Kopfspalten liegen. — Trotz dieser mannigfaltigen Merkmale wage ich es nicht, für diese Lineide eine Art aufzustellen, da das mir vorliegende, etwa 10 cm lange und 3—4 mm breite Spiritusexemplar äußerlich so gar nichts Charak- teristisches bietet und von dem Sammler über das lebende Thier nichts vermerkt vorden ist. Fundort Costa Baja, Eden; Patagonien. 2) Ein an Lineus psittacinus erinnerndes Exemplar von Singa- pore; coll. v. MArTEns; Bes. N.-H. Mus. Berlin. Mierura (Lineus?) glandulosa nov. spec. Das mir vorliegende Exemplar dieser nach ihrer inneren Organi- sation wohl wieder zu erkennenden Art ist nur 11/, em lang und wenig über 1 mm breit. Es ist drehrund und sieht jetzt gelblich- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 3 34 Otto Bürger, roth aus und weist weder eine Zeiehnung noch sonstige äußerlich auffallende Eigenthümlichkeiten auf. Das Merkwürdigste am inneren Bau von M. glandulosa sind die außerordentlich stark entwickelten Chitindrüsenzellen. Dieselben durchsetzen nämlich die äußere Längsmuskelschicht in ihrer ganzen Dicke, so dass sie bis an die Ringmuskelschicht und die Seiten- stämme hinanreichen. Dadurch erinnert die Art an Zineus lacteus, von dem sie sich aber selbst, wenn sie dem Genus Zineus zuertheilt werden müsste, was sich am Spiritusexemplar nicht sicher ent- scheiden lässt, durch die Lage des Mundes unterscheidet. Derselbe befindet sich nämlich bei M. glandulosa noch unter den Cerebral- organen (bei Zineus lacteus dagegen sehr weit vor diesen). Ferner sind die Kopfdrüsenzellschläuche sehr stark entwickelt und erfüllen die Kopfspitze fast vollständig, enden aber meist vor dem Gehirn. Nur ventral erstreckt sich ein Bündel derselben bis in die vordere Gehirnregion nach hinten. Die Kopfspalten müssten etwa doppelt so tief sein, wenn sie bis auf das Gehirn einschneiden sollten. Sie überragen den Ursprung des Cerebralkanals nicht nach hinten. Die Seitenstämme liegen unter den Cerebralorganen. Augen sind wahr- scheinlich nicht vorhanden. Im Epithel stehen die Flaschendrüsen- zellen auffallend dicht. Fundort Puerto bueno (Süd-Patagonien, Westküste); coll. MICHAELSEN. Cerebratulus barentsi nov. spec. Diese Art wird, nach den Spiritusexemplaren zu urtheilen, äußerlich C. marginatus ähnlich sein. Die Dimensionen des Körpers sind dieselben wie dort. Der Rücken ist schwarzbraun, der Bauch hellgrau gefärbt, die stark vorspringenden Seitenränder sind farblos. Die innere Organisation weicht aber von CO. marginatus ab, vor Allem zeigen sich Unterschiede im Verhalten der Blutgefäße zu den dorsalen Ganglien und den Cerebralorganen. Die Blutgefäße gren- zen bei ©. barentst nicht unmittelbar an die dorsalen Ganglien und umgeben dieselben nicht auch dorsal. Die Cerebralorgane werden nirgends allseitig von den Blutgefäßen umgeben. Die Kopfspalten erstrecken sich nicht über den Abgang der Üerebralkanäle hinaus nach hinten. Der Mund liegt dicht hinter den Cerebralorganen. Fundort L. 54° 34° 28” 0; B. 69° 45’ 12’ N. Willem Barents-Exped. aus einer Tiefe von 31 Faden. Zu derselben Art rechne ich eine große Menge von Üerebra- tulen, bei welchen die Färbung zwar vollständig verloren gegangen Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 35 ist, die sich aber in ihrer Körperform unseren typischen Exemplaren anschließen und gleichfalls von der Willem Barents-Exped. stammen. Fundorte zwischen L. 51° und 57° ©. und Br. 69° und 73° N. (Gebiet der Karastraße) aus Tiefen von 25—135 Faden. Cerebratulus magelhaensicus nov. spec. (Tafel II, Fig. 3a—3 d.) Von dieser Art hat MiCHAELSENn wohl über 50 Exemplare an ver- schiedenen Punkten des Feuerlandes (hauptsächlich der Magelhaens- straße und der Falklandsinseln) gesammelt. Sie sind fast alle ziemlich gleich lang (etwa 10 em), aber sehr verschieden breit. Es sind Exem- plare von 12 mm und solche von nur 3 mm Breite vorhanden. Die letzteren sind zweifelsohne weniger stark kontrahirt als die ersteren. Im Leben werden die größeren Individuen unserer Art wohl ca. 20 cm lang und 6 mm breit sein. Der Querschnitt des Körpers zeigt eine gewölbte Rücken-, eine abgeplattete Bauchfläche. Der Kopf ist dreieckig zugespitzt. Die Kopfspalten sind 2—3 mm lang. Eben so lang ist der Mundschlitz. Die Farbe ist laut der Etikette von MICHAELSEN »dunkelbraun bis blauschwarz«. Zur Erkennung unserer Art trägt eine, wenn auch nicht sehr auffallende Kopfzeichnung bei. Es sind nämlich die Kopfspalten weiß gesäümt und von ihren hinteren Enden geht eine weiße Binde aus, die den Kopf dorsal unvollständig umfasst, da sie in der Mitte offen ist. Betreffs der inneren Organisation ist anzugeben, dass die Flaschendrüsen des Epithels ein braungrünes Sekret führen und die Cutisdrüsenzellen sehr dicht lagern und eine dieke Schicht bilden. Die Kopfdrüsenschläuche sind nicht besonders auffallend entwickelt. Die Kopfspalten schneiden in der vorderen Gehirnregion nicht bis auf das Gehirn ein und setzen sich nicht über den Abgang des Cerebralkanals nach hinten fort. Die Seitenstämme biegen unter den Cerebralorganen in die Seitenlage ein. Es sind in der Kopf- spitze, indess nicht zahlreich, kleine Augen vorhanden. Sie liegen dicht an den Kopfspalten. Fundorte Magelhaensstraße, Punta Arenas; Beagle Channel, Uschuaia; Insel Pieton, Insel Lennox; Falklandsinseln, Port Stanley. Ebbestrand unter Steinen und zwischen Tangwurzeln, 1 Faden. Coll. MICHAELSEN. Drei weitere Exemplare dieser Art sind von STUDER, Exped. der Gazelle, in der Magelhaensstraße (Punta Arenas) gesammelt worden und im Besitz des N.-H. Mus. Berlin. 3 36 Otto Bürger, Cerebratulus spec. Es liegt mir 1) von CHIERCHIA das kopflose Bruchstück einer Lineide vor, das ich nach seiner breiten (3 mm), platten Form als einem Cerebratulus angehörig betrachte. Das bestätigt auch ein Querschnitt, welcher zeigt, dass der Darm überaus tiefe Taschen, wie sie für das Genus Cerebratulus charakteristisch sind, besitzt. Die Farbe des Bruchstückes ist sammetartig dunkelgrün. — Fundort? 2) Vom N.-H. Mus. zu Berlin ein zerbrochenes Exemplar mit Kopf, das seine ursprüngliche Farbe vollständig verloren hat. — Fundort Island. 3) Ein Bruchstück. — Fundort Atlantischer Ocean (10° 12,9’ N.B., 17° 25,5° W.L.). Coll. Exped. der Gazelle. Bes. N.-H. Mus. Berlin. Erklärung der Abbildungen, Tafel II. Fig. 1a. Poliopsis lacazei Joubin; von MöBıuUs nach dem Leben gemalt. 1/1. Fig. 15. Kopf von der Seite. Fig. 1c. Von unten. Fig. 1d. Von oben. Von Mösıus nach dem Leben gezeichnet. 2/1. Fig. 2. Eupolia maculosa nov. sp.; vom Autor nach einem Spiritusexem- plar gemalt. 1/1. Fig. 3. Cerebratulus magelhaensicus nov. spec. Kopfende c und d von MICHAELSEN nach dem Leben, a und 5 vom Autor nach einem Spiritusexemplar gezeichnet. 11/a. Fig. 4. Eupolia lineolata nov. spec.; vom Autor nach einem Spiritusexem- plar gemalt. 1/1. Fig. 5. Cerebratulus albovittatus Bürger; von MöBıUs nach dem Leben gemalt. 1/1. Fig. 5a. Vorderende von der Seite gezeichnet. Fig. 6. Eupolia curta Hubrecht. Kopfende von oben; von MöBıus nach dem Leben gemalt. 2/1. Fig. Ta. Eupolia delineata Delle Chiaje, Fig. 75, Kopfende derselben von unten; von MöBıuUs nach dem Leben gemalt. 1/1. Fig. 8. Eupolia lineolata nov. spec.; vom Autor nach einem Spiritusexem- plar gemalt. 1/1. Tafel III. In allen Figuren bedeutet: bn, Bauchnerv; dc, dorsale Gehirnkommissur; dy, dorsales Gehirnganglion; ep, Epithel; exgf, Exkretionsgefäß; exgfz, Zweige des Exkretionsge- fäßes; gs, Grundschicht; Ahod, Hoden; rm, innere Ringmuskelschicht; Beiträge zur Anat., Systematik u. geogr. Verbreitung der Nemertinen. 37 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. kdr, Kopfdrüse: As, Kopfgefäßschlinge; Zn, Längsmuskelschicht; m, Mund; md, Magendarm; mid, Mitteldarm; oes, Osophagus; r, Rüssel; re, Rhynehoeölom; red, Rhynchodäum; regf, Rhynchocölomgefäß; resgf, Rhynchocölomseitengefäß; rm, Ringmuskelschicht; rn, Rücken- nerv; röf, Rüsselöffnung; sgf, Seitengefäß; s/n, Schlundnerv; ssz, Seiten- stamm; ve, ventrale Gehirnkommissur; vg, ventrales Gehirnganglion; wde, Wurzel der dorsalen Gehirnkommissur. 1—7. Querschnitte von Carinoma patagonica nov. spec. Vergr. 60. 1 u. 2, aus der Gehirngegend, 3, aus der Mundregion, 4, aus der vordersten Vorderdarmgegend, ‚ aus der hinteren Vorderdarmgegend, aus der Nephridialregion, ‚ aus dem Anfang der Mitteldarmgegend. su9. Querschnitte durch den vorderen Abschnitt der Nephridien. I B=2 X Vergr. 240. Fig. 10. Amphiporus stanniusi Grube. Medianer Längsschnitt durch das Kopfende. Vergr. 40. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. (Beitrag III, IV und V.) Von Dr. L. Rhumbler, Privatdocent und Assistent in Göttingen. Mit Tafel IV, V und 10 Figuren im Text. III. Testaceen ohne sekundäres Schalenwachsthum und solche mit sekundär wachsender Schale. Um das von mir behauptete Schalenwachsthum der Süßwasser- thalamophoren, der Testaceen, in seinen Einzelheiten festzustellen, habe ich seit nunmehr drei Jahren zwei Testaceenspecies in besonderen Kulturen gezüchtet, nämlich Difflugia pyriformis Perty und Dif- flugia constrieta Ehrenb. In kleineren und größeren Zeiträumen wurden dann immer Grundproben aus der Kultur herausgenommen, mit Pikrinschwefelsäure, Sublimat oder Sublimateisessig konservirt, und mit dem von mir empfohlenen Methylgrün-Eosin-Gemisch ge- färbt!, weil dadurch das Auffinden der in der Grundprobe getödteten Thiere außerordentlich erleichtert wurde. Ich hoffte so, durch Messen der in verschiedenen Zeiten eingesammelten Thiere, das Wachsthum ihrer Schalen durch mittlere Maße feststellen zu können. Dabei bin ich denn für die beiden Formen zu gerade dem entgegengesetzten Resultat gekommen, als ich nach meinen früheren Untersuchungen erwartet hatte. Die Gehäusemaße dieser Formen schwanken zwar, diese Schwankungen sind aber nur geringe, und überdies können diese Schwankungen nicht einem nachträglichen Schalenwachsthum zugeschrieben werden, sondern sie finden sich in demselben Maße wie bei beliebig aufgegriffenen Thieren, auch bei ganz jungen eben i Ich lasse jetzt neuerdings die Farbe 24 Stunden einwirken, ehe sie aus- gewaschen wird. Auf 300 cem 700/yigen Alkohol 1 g Eosin und 1 g Methyl- grün. Beim Gebrauch um etwa !/; mit Wasser verdünnen. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 39 aus der Theilung hervorgegangenen Thieren, die sich oft auch nach ihrer Trennung vom Mutterthier mit großer Bestimmtheit erkennen lassen. Es kann also durch das Züchtungsexperiment für erwiesen gelten, dass wirklich einige, vielleicht sogar zahlreiche Testaceen, die Fähigkeit, nach dem, während des Sprossungsvorganges statt- findenden, Schalenaufbau ihre Gehäuse zu vergrößern, verloren haben. Ich muss also jetzt in Bezug auf die betreffenden Formen GRUBER und VERWORN Recht geben, muss aber den von beiden Forschern aufgestellten Satz dahin einschränken, dass bei manchen, auf keinen Fall aber bei allen Testaceen, ein nachträgliches Schalen- wachsthum nicht statt hat. Die Gründe GRUBER’s waren rein theo- retische — da das während des Sprossungsvorganges aufgebaute Tochtergehäuse dem Muttergehäuse glich, so glaubte er sich zu der Annahme berechtigt, dass an dem Tochtergehäuse auch späterhin keine Veränderungen, also auch keine Wachsthumserscheinungen mehr auftreten würden, sondern dass das Gehäuse einfach in demsel- ben Zustand verharrte, in dem es zur Zeit des Sprossungsprocesses ge- bildet worden war. VERWORN (Litt. 17a) suchte seine Behauptung durch Regenerationsversuche zu stützen, deren negatives Resultat, wie ich auch schon früher anerkannt habe (10b), sehr für die Unfähigkeit der Testaceen sprach, an ihrem Schalenbau nachträglich etwas ändern also auch dasselbe vergrößern zu können. Auch meine Regene- rationsversuche waren ja negativ verlaufen; ich glaubte damals aber, dass das Ausbleiben der Regeneration in den veränderten Lebens- bedingungen der meist sehr empfindlichen Thiere zu suchen sei, unter welche sie zur genaueren Beobachtung gebracht werden mussten. Heute glaube ich, dass diejenigen Formen, die nicht wachsen, auch ihre Regenerationsfähigkeit verloren haben, denn ich fand Schalendefekte, die ich aus der Kultur entnommenen Exemplaren von Difflugia pyriformis Perty zugefügt hatte, nach zwei Monaten ungeändert wieder vor, obgleich ich die Thiere nach der Operation in die Kultur zurückgebracht hatte und die- selben wieder unter genau denselben Bedingungen gelebt hatten wie vorher. Dieses Ausbleiben der Gehäuseregeneration trotz der ungeschädigten Anwesenheit des Kerns im Schalenträger ist be- fremdend, da wir von den Foraminiferen wissen, dass hier eine Schalenregeneration stattfindet, sobald der Kern in dem operirten Thier vorhanden ist (cf. VERWORN, 17a) und da auch bei anderen Proto- zoen, bei den Infusorien, ein recht weitgehendes Regenerationsver- mögen sich überall da kund giebt, wo der Kern erhalten geblieben ist. 40 ö L. Rhumbler, Zur Regeneration einer geschädigten Zelle scheint nach dem heuti- sen Stande unseres Wissens die Anwesenheit des Kerns ein unbe- dingtes Erfordernis, das Ausbleiben der Regeneration bei lädirten Difflugiengehäusen lehrt aber, dass nicht überall da Regenerations- vermögen vorhanden sein muss, wo der Kern zugegen ist. Es scheinen bei den betreffenden Difflugien zum Schalenbau gewisse Zustände der Körpersarkode erforderlich, die nicht zu allen Zeiten erreicht werden können, und deren Mitwirkung der Kern beim Schalenbau bedarf, ohne die er aber seine Baufähigkeiten nicht äußern kann. Der aufgeblähte Zustand der Sarkode während des Sprossungsvorganges, — die Sarkodemenge, welche bislang in einem Gehäuse geborgen war, quillt (jedenfalls durch Wasseraufnahme) so auf, dass sie zwei Gehäuse, das des Mutterthieres und dasjenige des Tochtersprösslings bei der Mehrzahl der Formen (nicht bei Cypho- deria, cf. weiter unten) vollkommen ausfüllt (ef. 12a) — legt die An- nahme eines zum Baugeschäft nothwendigen specifischen Zustandes der Sarkode recht nahe. Wenn ich früher für ein allgemein verbreitetes Wachsthum der Süßwasserdifflugien eingetreten bin, so entsprach das ganz dem damaligen Standpunkte unserer Kenntnisse von den Difflugien. Man unterschied nämlich damals so wenig Arten von Difflugien, und ver- einigte so verschieden aussehende und verschieden große Difflugien zu ein und derselben Species, dass es nur möglich war, durch die Annahme von Wachsthumsvorgängen die Glieder einer damaligen Species zusammenzubringen, zumal man geneigt war, den Sprössling eines Mutterthieres in Größen- und Bauverhältnissen dem Mutter- thier genau gleichzuhalten (GRUBER, WEISMANN), so dass Größen- verschiedenheiten der Gehäuse erst nach dem Sprossungsvorgange durch nachträgliches Wachsthum zu Stande zu kommen schienen!. Dies Zusammenwerfen verschiedener Species zu einer konnte desshalb stattfinden, weil sehr häufig oder vielmehr fast immer im Äußeren ähnlich gestaltete Species an denselben Orten dicht neben einander vorkommen, und weil auch bei wirklichen Species schon während des Sprossungsvorganges Unterschiede im Ausbau, nament- lich in der Größe des Gehäuses auftreten, welche dann als schein- bare Zwischenglieder zwischen die wirklich verschiedenen Species i Etwa wie die Angehörigen einer Infusorienspecies trotz gleichhälftiger Theilung sehr verschieden groß sein können, weil das Wachsthum der Theil- thiere sehr verschieden sein kann, und der Eintritt der Theilung an kein be- stimmtes Größenmaß der Descendenten gebunden erscheint. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 41 eintreten, und sie zu einer Species zusammenzuhalten scheinen. So wird man dreist behaupten dürfen, dass viele der von LEıpy (7) aufgeführten und so meisterhaft abgebildeten Difflugien in ganz falschen Gruppen zu den wenigen Species erhoben worden sind, die LEIDY unterscheiden zu dürfen glaubte. Der Erste, der den Artenreichthum unserer Difflugienfauna richtig erkannt hat, war PEvArD. Seine umfassende und vortreffliche Arbeit (8), deren Abbildungen aber leider manchmal zu wünschen übrig lassen, behandelt allein etwa fünfzig neue Species und Varie- täten von schalentragenden Rhizopoden des süßen Wassers, obgleich das von PENARD bearbeitete Material fast ausschließlich aus einem engbegrenzten Gebiete, aus der Umgebung von Wiesbaden. stammte. Es liegt hier keine unnöthige Speciesmacherei vor; ich bin im Gegentheil überzeugt, dass sich die Zahl der Species bei weiterer Arbeit noch erheblich vermehren wird. PENArRD wurde durch seine vergleichenden Studien zu folgen- dem zweifellos richtigen Schlusse geführt: p. 111, »sans doute ces animaux varient dans certaines limites et quelques especes (Difflugia ‘ pyriformis, Centropyxis aculeata, Euglypha alveolata-ciliata, Nebela collaris-fabellulum-lageniformis) rappellent tout & fait ce qui se passe dans certaines formes vegetales (Rosa, Hieracium, Rubus) ou l’espece semble ne pas €tre encore fix&e dans son Evolution et presente des varietes nombreuses, mais ä part un petit nombre d’ex- ceptions, on peut dire que les rhizopodes sont aussi bien fixes que les animaux superieurs«. Die Reihe, die ich früher für die phylogenetische Entstehung des Sprossungsvorganges aufgestellt habe, halte ich auch heute noch durchaus aufrecht — und ich werde gerade‘ in dieser Arbeit wieder zu zeigen Gelegenheit haben, dass der Sprossungsvorgang nichts weiter als einen beschleunigten Wachsthumsvorgang darstellt, der so schnell verlaufen kann, dass ein für ein Tochterthier ausreichen- des Schalenstück mit einem Male in toto (Euglypha, SCHEWIA- KOFF, 12a) an das Mündungsende des Muttergehäuses angesetzt wird — ich muss heute die frühere Reihe aber weiter fortführen, und komme zu Endgliedern, die nur zur Zeit der Sprossung Wachsthumsvermögen besitzen. Bei diesen Formen ist das Gehäusewachsthum periodisch geworden, die Wachsthumsperiode fällt mit der Sprossungsperiode zusammen; hierher gehören wohl die meisten unserer Süßwassertestaceen. 42 L. Rhumbler, Wie ich unlängst für die Foraminiferen gezeigt habe (10f) führt auch bei dieser Rhizopodenordnung eine zusammenhängende Reihe von konstant wachsenden Formen zu periodisch wachsenden über, zu Formen bekanntlich, deren periodisches Wachsthum in der Kammerbildung der Polythalamien einen so deutlichen Ausdruck gefunden hat. Der Sprossungsvorgang der Testaceen ist ein dem Kammerbildungsvorgang der Polythalamien analoger Vorgang, bei dem aber die neugebildeten Kammern vom Muttergehäuse sofort abgelöst werden, und bei dem die Orientirung der neugebildeten Kammern eine andere (Mündung gegen Mündung) ist als bei den meisten Foraminiferen (Mündung gegen Fundus der folgenden Kammer)!. Wie aber trotz des periodischen Wachsthums der Thalamo- phoren, trotzdem, dass die neugebildeten Kammern während der Kammerbildungsperiode mit einem Male ihrer Größe, ihrer Grund- gestalt und ihrem inneren Rauminhalt nach in toto angelegt wer- den, augenscheinlich noch spätere Änderungen des Schalenreliefs wie Rippen, Stacheln und dergleichen der Schalenoberfläche nach- träglich aufgelagert werden können; so könnte manche Testaceen- species, die vielleicht an sich nicht wächst, doch noch die Fähigkeit besitzen, der in bleibender Größe während des Sprossungsvorganges aufgebauten Gehäusewand neue Verstärkungsmittel innen oder außen aufzulagern. Dass sekundäre Ablagerungen in oder auf den Testa- ceenschalen stattfinden, ist in der That gar nicht in Zweifel zu ziehen. 1) Ich selbst habe in neuerer Zeit mehrfach bewohnte Gehäuse von Lecquereusia spiralis (Ehrenb.) aufgefunden, welche das gleich große, leere Gehäuse einer Artgenossin oder einer anderen Species fest an ihre Gehäusewand angekittet hatten. Das als »übergroßer«? Bau- stein verwerthete Fremdgehäuse, hatte das Gehäuse der lebenden Leequereusia in keiner Weise verzogen oder abgeplattet, wie es sonst bei der Anwesenheit großer Bausteine im Wandgefüge der -Difflugien zu geschehen pflegt. Da sich diese sonst auftretende Abplattung aus dem Mechanismus des Schalenaufbaues ohne Wei- teres erklären lässt (10b, p. 522) und nothwendig bei großen Bau- ! Ähnliche Verhältnisse wie bei den Testaceen haben sich, wenn auch auf anderer Grundlage, sehr wahrscheinlich nur bei der kleinen Unterfamilie der Lageninen innerhalb des Foraminiferenreiches entwickelt (RHUMBLER, 108). 2 Als »übergroß« bezeichne ich solche Bausteine im Wandgefüge der Dif- flugien, welche in Folge ihres Umfanges niemals im Wohnraum des Mutter- gehäuses gelegen haben können, weil sie größer als die Mundöffnung der Gehäuse sind (cf. RHUMBLER, 10h). Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 43 steinen eintreten muss, so kann meiner Ansicht nach das leere Gehäuse bloß nachträglich angekittet worden sein, als die Grund- masse der Wand schon erstarrt war; d. h. also nach dem Spros- sungsvorgang. Solche äußerlich an einander gekittete Schalen sind nicht mit den später erwähnten Doppelschalen von Pontigulasia spiralis nov. gen. nov. spec. zu verwechseln. 2) Meine früheren Angaben (10e), dass ich mit Hilfe der Methyl- grün-Eosin-Mischung an Gehäusen von Difflugia acuminata Ehrenb. zu gewissen Zeiten stellenweise eine Blaufärbung der Kitt- substanz erhalten habe, erklären sich am einfachsten dadurch, dass an den betreffenden Stellen nachträglich Verstärkungsmittel ange- kittet worden sind. Merkwürdig ist, dass in den erwähnten Fällen eine Blaufärbung der verwendeten Kittsubstanz eintrat, während die Grundmasse der Gehäusewand auch selbst zur Zeit ihres ersten Erscheinens (während des Sprossungsvorganges), wie mich meine neueren Erfahrungen gelehrt haben, in Methylgrün-Eosin durchaus unfärbbar ist und bleibt. Die Testaceen scheinen im Stande zu verschiedenen Zeiten verschiedene Arten oder Modifikationen von - Kittsubstanzen abzuscheiden. So beobachtete ich im December 1892, dass Difflugia acuminata eine tief dunkelbraun bis schwarz- braun gefärbte Masse zwischen den Fugen ihrer Bausteine auf der Außenseite ihres Gehäuses ablagerte, die Ablagerung ging von dem Fundus des Gehäuses aus, und schritt von hier aus mehr und mehr nach der Mündung hin fort. Die ursprüngliche Kittmasse ist, eben so wie die Kittmasse der meisten oder aller übrigen Testaceen in warmer verdünnter Kalilauge löslich; die sekundär aufgelagerte braune Masse von Difflugia acuminata (Taf. IV, Fig. 10 dr K) widersteht dagegen diesem Reagens vollkommen; sie bleibt als braunes Netzwerk bestehen, während die Steine, die sie umfasst, aus ihren Maschen herausfallen: sie kann daher mit der eigentlichen Kittmasse (der Grundmasse, durch welche die Steinchen zusammen- gehalten werden), in ihrer Zusammensetzung nicht übereinstimmen, sondern scheint eine besonders geartete Substanz darzustellen, welehe vielleicht zum Schutze gegen die winterliche Kälte, bez. als Vorbereitung zur Eneystirung, ausgeschieden wurde. Als ein weiteres Beispiel für die Verschiedenartigkeit zu verschiedenen Zwecken ausgeschiedener Kittsubstanzen, kann hier auch die in Methylgrün-Eosin sich roth färbende Kittmasse erwähnt werden, welche bei konjugirten Cyphoderia margaritacea Schlumb. die Schalen der konjugirten Thiere zusammenhält (Taf. V, Fig. 5 rA). 44 L. Rhumbler, 3) PENARD (8, p. 90) traf ein Exemplar von Difflugia lobostoma an; »qui portait a la bouche une vesicule pourvue d’une veritable membrane hyaline et pleine de plasma clair, laquelle, de m&me taille et de m&me forme que la Difflugia, semblait e&tre un deuxieme individu provenant de dedoublement; mais aucun fragment de quartz n’entrait encore dans la composition de la membrane«. Man wird annehmen dürfen, dass hier der Fremdkörperbelag, den die Schale von Difflugia lobostoma sonst niemals, so weit bekannt ist, vermissen lässt, erst nachträglich auf der Tochterschale zur Ablagerung gekommen wäre. 4) PEnARD fand unter den Reserveplättchen von stacheltragen- den Euglypha und Placocysta niemals Stacheln im Mutterge- häuse aufgespeichert; er glaubt, dass sie erst auf der Außenfläche des Gehäuses mit Hilfe eines plasmatischen Überzuges zur Ausbil- dung kommen (8, p. 37). Als Beispiel einer späteren inneren Auflagerung auf die Ge- häusewand mag 5) die Austapezirung des Gehäuses von Difflugia elegans Penard mit einer braun aussehenden, homogenen, jeden- falls ehitinigen Membran genannt werden, welche bei der Encysti- rung dieser Form eine wichtige Rolle spielt; von mir aber auch schon geraume Zeit vor der Enecystirung beobachtet worden ist. Diese Tapete (Taf. IV, Fig. 9 C) ist mit Hilfe von Zapfen, welche sich in die Fugen der Gehäusewand einsenken (Taf. IV, Fig. 16 Z) an der Innenfläche des Gehäuses befestigt. Sie senkt sich nicht in das Lumen des Gehäusestachels hinein, und hört, nach dem Mün- dungsende der Schale hin immer dünner werdend, vor der Mündung des Gehäuses mit sehr dünnem Rande auf. Die Encystirung der Difflugia elegans erfolgt dadurch, dass der Weichkörper eine Membran (M) diaphragmaartig an die Chitintapete anlegt. Außer- dem wird das vordere Gehäuseende noch durch extrathalam aufge- speichertes Baumaterial verschlossen. Die Chitintapete ist viel fester als der das Gehäuse zusammenhaltende Kitt, so dass es leicht ge- lingt, die Gehäusewand von der Chitintapete zu entfernen (Taf. IV, Fig. 16), namentlich wenn das Cystendiaphragma (Fig. 9 M) der Tapete weitere Widerstandskraft verliehen hat. Diese sekundären Auflagerungserscheinungen habe ich zum Theil früher als Zeugnisse für die, dem damaligen wissenschaftlichen Standpunkte entsprechende, Annahme eines sekundären Gehäuse- wachsthums angesehen — sie haben aber diese Bedeutung vielleicht nicht immer. Auffällig ist dabei, dass meist (vielleicht immer) in den erwähnten Fällen die sekundären Auflagerungen durch eine Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 45 Masse vermittelt werden, welche sich von der ursprünglichen Kitt- masse der Gehäusewand durch Färbungsvermögen oder Resistenz- kraft unterscheiden. Vielleicht ist die Erzeugung der primären Kittmasse bei den nicht wachsenden Formen ganz an den Spros- sungsvorgang und die dabei eintretenden Zustände der Sarkode Sebunden, wie ich oben schon wegen des Ausfalls der Regeneration bei nichtwachsenden Formen vermuthet habe. Es lassen sich aber nicht alle der, von mir für sekundäres Gehäusewachsthum geltend gemachten, Beweisgründe auf sekundäre Auflagerungen zurückführen. Die Wachsthumsnarben, die ich an Centropyxisschalen wahrgenommen habe, können, so weit ich sehe, auch heute noch nur als während des Wachsthums entstandene und wieder ausgeheilte Risse angesehen werden. | Die eigenthümliche Einfaltung der Arcellaschale, die ich früher schon als ein Stadium des Wachsthumsprocesses angesehen habe, bietet gewisse Vergleichspunkte mit dem später geschilderten Schalen- aufbau der Cyphoderia während des Sprossungsaktes; sie hat mit ihm das Gemeinsame, dass der Schalentheil, an welchem neues Schalen- . material angesetzt werden soll, gegen den Weichkörper hin eingestülpt erscheint. Ihre Auslegung als Wachsthumsprocess erhält hierdurch eine neue Berechtigung. Für das Wachsthum der Arcellaschale kann vielleicht auch die Mehrkernigkeit der Arcella namhaft gemacht werden, welche nach den Beobachtungen BÜTscHLTs u. A. zur Ent- stehung von mehreren anfänglich nackten Sprösslingen zu führen scheint (3, p. 138). Die kleinen Sprösslinge werden sich voraussicht- lich erst kleine Schalen bauen, die dann vermittels der bekannten Vorgänge zu großen Schalen heranwachsen. Da nun die sekundär wachsende Arcella eine ziemlich hoch stehende, jedenfalls von sandschaligen Species abzuleitende Form darstellt, wie aus Beitrag V hervorgehen wird, und da auch die Aus- gangsformen der Sandschaler, die ich später als Nuditestidae zu- sammenfassen will, zweifellos ein ausgiebiges Schalenwachsthum besitzen, so wird man erwarten dürfen, dass sich auch bei einigen Sandschalern! das, bei den Vorfahren vorhandene und bei den spä- teren Genera wieder erscheinende, sekundäre Schalenwachsthum erhalten hat. Am wahrscheinlichsten ist es bei Formen, deren Schalengefüge eine besondere Festigkeit noch nicht erlangt hat. Cyphoderia, zu deren näherer Beschreibung ich mich nun 1 Denjenigen z. B., welche sich bei weiteren Untersuchungen als Vor- fahrenformen der Arcella ergeben werden. 46 L. Rhumbler, wenden will, verdient dadurch besonderes Interesse, als sie beweist, dass der von SCHEWIAKOFF für Euglypha als Theilungsvorgang beschriebene Vermehrungsakt aus einem einfachen Wachsthums- vorgang entstanden ist, welcher bei Euglypha u. A. eine große Beschleunigung und Beschränkung auf eine kurze Zeitperiode er- fahren hat. Man wird diesen Vermehrungsakt unbestreitbar als Knospung oder Sprossung bezeichnen müssen. Cyphoderia stellt ein Mittelglied zwischen wachsenden und nicht wachsenden Formen dar, steht aber den nichtwachsenden näher als den wachsenden. IV. Cyphoderia margaritacea Schlumb. Meine Untersuchungen über vorstehend genannte Form sind auch nicht zu dem Grade des Abschlusses gekommen, der wün- schenswerth erscheinen könnte. Mir ist im Zeitraum von vielleicht im Ganzen fünf Tagen unerwartet meine ganze reiche Kultur aus- gestorben, ohne dass ich den Grund dieses Aussterbens ausfindig machen konnte. An der Kultur, die fast ein halbes Jahr unverändert, vor Verdunstung geschützt, gestanden hatte, war keine Veränderung wahrzunehmen, auch leben mit der Cyphoderia in derselben Kultur vorhandene Difflugia constrieta Ehrenb., nachdem mehr als ein Jahr seit dem Eingehen der Cyphoderien vergangen ist, heute noch. Zur Zeit des Zerfalls der Cyphoderien wimmelte der Boden des Zuchtgefäßes von zahlreichen Ostracoden; vielleicht, dass die fort- währenden Störungen, welche die mit feinen langen Pseudopodien ausgestatteten Cyphoderien von Seiten der kleinen Krebschen zu leiden hatten, die Cyphoderien zum Untergange geführt haben; den robusteren Difflugien haben diese Störungen augenscheinlich nicht ge- schadet. Meine Kultur stammte aus dem hiesigen botanischen Garten. Trotzdem Cyphoderia schon der Gegenstand mehrerer schöner Untersuchungen gewesen ist, deren Titel man in dem beigegebenen Litteraturverzeichnis mit Sternchen bezeichnet finden wird, und trotz der Lückenhaftigkeit meiner eigenen Untersuchungen glaube ich einiges Neues und Nichtuninteressantes mittheilen zu können, das die Existenz dieser Arbeit rechtfertigen mag. a. Die Schale. Die Gestalt der Schale von Cyphoderia ist die eines länglichen Beutels mit erweitertem Fundus und allmählich sich verjüngendem Mündungsende. Im letzten Viertel der Gehäuseachse biegt sich das Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 47 Mündungsende der Schale in einem allmählichen Bogen nach unten, so dass die Schale eine bilaterale Gestalt erhält, und der Rand der 13,4—17,8 u weiten Mündung nur noch einen Winkel von ca. 35° mit der Ebene der ventralen Schalenfläche bildet, anstatt eines Winkels von 90°, der gebildet werden müsste, wenn die Schale ihre den hinteren Haupttheil der Schale charakterisirende Gerade- streekung beibehielte.. Der Längsmesser der von mir beobachteten Schalen wechselte zwischen 0,08 und 0,1 mm; die größte Breite derselben zwischen 0,040 und 0,049 mm, doch konnten diese Größen- schwankungen nicht auf die Folge eines nachträglichen Schalen- wachsthums zurückgeführt werden, so dass ich Cyphoderia für eine Testacee halte, deren Schale nach der kurzen Knospungsperiode (Theilungsakt, SCHEWIAKOFF) nicht mehr zu wachsen vermag. Die Schalenwand ist aus kleinen sechseckigen wurnplahehen von 1,4 bis 2,5 u Durchmesser zusammengesetzt. Bei Prüfung einer größeren Zahl von Cyphoderien (meine Präparate enthalten etwa 300 Stück) gewahrt man mancherlei Varia- tionen im Schalenbau, welche sich einmal auf die Gestalt der . Schale und dann auch auf das Verhalten der Plättchen beziehen. Unter den Variationen der Schalengestalt trifft man am häufig- sten auf eine Zuspitzung des hinteren Schalenendes, welche in den verschiedenen Fällen einen sehr verschiedenen Umfang er- reichen kann. Die Wölbung der Schalenwände hört dann auf einer gewissen Strecke hinter der Schalenmündung mit einem Male auf und der restirende Schalentheil setzt sich wie ein hoher oder spitzer Kegel dem normalen vorderen Schalenende auf (ef. Fig. 3, Taf. V). Manchmal — es ist dies ebenfalls nicht selten zu beobachten —, ist auch der Schalenfundus zum größten Theil normal gewölbt, und nur sein, von der Längsachse des Gehäuses geschnittener Theil ist zapfenartig nach außen vorgetrieben (Taf. V, Fig. 1 und 7 A); öfters sind die Schalenplättchen nicht in die Wandebene dieser Zapfen ein- gelagert, sondern ragen auf der Zapfenoberfläche wirr nach außen, so dass der Zapfen ein rauhes, höckeriges Aussehen (Taf. V, Fig. 7 P2,) erhält; manchmal ist er glatt, zuweilen ist sein hinteres Ende offen. Die Zuspitzung der Schale geschieht gelegentlich in zwei, oder selten in noch mehr Abschnitten, so dass sich zwischen dem nor- mal gewölbten Anfangstheil und dem schließenden spitzen Kegel ein oder zwei stumpfe Kegel einschieben, welche ihre größeren Grundflächen der Gehäusemündung zukehren. All diese Zuspitzungen haben in der Regel das Gemeinsame, dass sie sich von einem ein- 48 L. Rhumbler, zigen Kreisumfange des Gehäuses aus bemerkbar machen (cf. die punktirten Linien in Textfigur 1). Den Zuspitzungen der Schale steht eine ausnahmsweis starke Aufbauschung des Scha- lenfundus bei anderen auffallend ausgebilde- ten Exemplaren gegenüber. Die Auftreibung des Hinterendes geht in der Regel mit einer starken Abplattung desselben Hand in Hand: meist ist das abgeplattete Hinterende im Cen- trum dann nicht geschlossen, so dass auch Textig. 1. Schale von Cypho- hier eine zweite Schalenöffnung entstehen a en kann, die sogar meist nicht unerheblich größer mal ändert. Die Änderung tritt ist als die bereits bekannte ebenfalls nur ge- en ni a legentlich vorkommende Zapfenöffnung. In tirten Linien). Mit der Oser- anderen Fällen ist die Stelle dieser Offnung HÄUSER’SChen Kammer gezeichnet. R x RA durch eine homogene, glasartige Chitinmasse erfüllt, die nicht aus Plättchenmosaik besteht (Taf. V, Fig. 13 Nst); in wieder anderen Fällen ist auch bei diesen Schalen mit stark aufgetriebenem Fundus die Hinterwand des Fundus normal, d. h. aus Plättehenmosaik, gebildet. Außer diesen angeführten Variationen kommen hier und da auch ganz unregelmäßige Schalenverzerrungen vor, die wohl auf äußere Störungen des Schalenaufbaues während des Sprossungsaktes zurückzuführen sind. Die Plättehen sind meist auf beiden Seitenflächen vollständig eben (Taf. V, Fig. 7), zuweilen aber lassen sie in ihrer Mitte jene knopfförmige Verdiekung erkennen, welche zur Speciesbezeichnung margarita- cea geführt hat. Solche perltragenden Plättchen waren bei meinen Exemplaren äußerst selten, dagegen fand ich häufiger gerade ein umgekehrtes Verhalten, namentlich konnte ich bei Plättchen, die durch Salzsäure aus dem Wandgefüge losgelöst waren, häufig eine beiderseitige Einsinkung der centralen Plättchentheile konstatiren, welche sich durch einen biskuitförmigen Kontour der Plättchen im optischen Querschnitt dokumentirte. Die Plättchen sind sechseckig, mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken, nur selten vollständig gleichseitig, in ihrer Zusammenlagerung können sie am besten mit dem optischen Durchschnitt eines Cylinderepithels verglichen wer- den. Kleinere Seiten eines Plättchens stoßen in der Regel mit ent- sprechenden kleineren Seiten der Nachbarplättchen zusammen, größere mit größeren Seiten ete. Durch Salzsäure isolirte Plättchen Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 49 fielen mir, von der Kante gesehen, durch ihre Dicke und durch eine rillenförmige Ausfräsung ihrer Ränder auf (Taf. V, Fig. 14). Zuweilen verkleben einzelne Plättchen zu größeren zusammen- hängenden Platten. Meist zeigen die Plättchen ein und derselben Schale keine besonders hervorstechende Größendifferenzen. Die Plättehen verschiedener Gehäuse schwanken dagegen in ihren Durch- messern zwischen 1,4 und 2,5 u. Zwei Gehäuse habe ich jedoch gefunden, deren Hinterende aus größeren Plättehen zusammengesetzt war als ihr Vorderende (Taf. V, Fig. 1). Dieser Unterschied in der Plättehengröße machte sich schon bei 100maliger Vergrößerung so sehr geltend, dass die Schalen den Eindruck machten, als seien sie aus dem Mündungstheil einer klein- plattigen und dem Fundustheil einer großplattigen Schale zusam- mengefügt worden. Das merkwürdigste Exemplar, das ich in meinem Material aufgefunden habe, zeigte das ganze vordere Drittel der Schale fast ganz aus glasheller, homogener Masse aufgebaut, während der hintere Schalentheil in normaler Weise aus einzelnen Plättehen zusammengefügt war. Auch hier muss wieder betont wer- den, dass die Änderung der Plättehengröße, eben so wie die Um- änderung in ein homogenes plättechenloses Wandgefüge im ganzen Umfang der Schale in gleicher Höhe stattfand (Taf. V, Fig. 2). Beachtenswerth, aber von den früheren Beobachtern nicht be- sonders hervorgehoben, scheint mir der Umstand, dass außerhalb der die Außenseite der Plättehen markirenden Schalenlinie ein zweiter stark glitzernder Kontour um die Schale herumläuft; es muss hier eine homogene, stark liehtbrechende Deckschicht irgend welcher Art der Schale aufgelagert sein. Dieser zweite Kontour findet sich in den Figuren der Fresextus’schen Arbeit (5) sehr deutlich, vielleicht sogar etwas zu breit wiedergegeben, er wird aber im Text nicht erwähnt; eben so ist er von PENARD in seiner Fig. 54, Taf. VIII deutlich gezeichnet und in der Figuren- erklärung als »couche fine hyaline (mueilagineuse?)« bezeichnet. Weitere Angaben finden sich aber auch bei PEexnarp nicht. Am überzeugendsten tritt die Anwesenheit der Deckschicht bei Exem- plaren zu Tage, welche mit der Bildung einer Tochterschale be- schäftigt sind. Es tritt nämlich dann die Deckschieht der Mutter- schale ohne Unterbrechung auf die Tochterschale über, während die Plättehenschichten beider Schalen nieht in unmittelbare Berührung mit einander treten (Taf. V, Fig. 10 D,, ef. auch Taf. V, Fig. 7 und 12). In dem Exemplar der Fig. 6 (Taf. V) hat sich bei D die Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 4 50 L. Rhumbler, Deckschicht des im Bau begriffenen Tochtergehäuses vollkommen von der Plättchenschicht abgehoben; die Decekschicht lässt hier an manchen Stellen eine an die Sechseckfelderung der Plättehen er- innernde Zeichnung verschwommen durchscheinen; diese Zeichnung ist augenscheinlich der Abdruck des Plättchenmosaiks, welchem die Deckschicht vor ihrem Losreißen aufgelagert war, nicht aber ein Anzeichen eines eigenen Besitzes von Plättchen. Ähnliche Deckschichten sind seither von anderen Formen nicht beschrieben worden. Ich glaube, dass die Deckschieht der unteren Schalenschicht der Arcella und Centropyxisschalen entspricht (ef. BürscHLi, 3, p. 20 und RHUMBLER, 10b, p. 531 u. 536), ob- gleich sie eine gerade umgekehrte Lagerung einnimmt. Die Um- lagerung, der sonst die Innenwand der Schalen auskleidenden Deck- schicht auf die Außenseite der Schale, ist ohne Weiteres durch den merkwürdigen Umstülpungsvorgang erklärlich, welcher nach meinen späteren Mittheilungen bei dem Schalenbau des Tochtersprösslings während des Knospungsaktes eintritt. Der plättchenlose Schalentheil des vorhin erwähnten Exemplars (Taf. V, Fig. 2) scheint fast ausschließlich von der Deckschicht ge- bildet zu werden. Vielleicht besitzt die Deekschicht eine mehr oder weniger zäh- flüssige Konsistenz; ich werde p. 63 auf diesen Punkt zurückkom- men; das losgerissene Ende (Taf. V, Fig. 6 D) zeigt aber, dass die Deckschicht auch den Zustand einer starren Haut annehmen kann, falls ihr häutiger Zustand nicht erst durch die Konservirung ver- ursacht worden ist. Die Dicke der Deckschicht ist sehr gering, ich schätze sie für meine Präparate auf durchschnittlich ca. 0,7 u; die Dieke der Plättehenschicht entspricht natürlich der Dicke der Plättchen selbst; da nun, wie sich leicht feststellen lässt, die Dieke der Plätt- chen mit der Größe derselben zunimmt, ist die Dieke der Plättehen- schicht bei Schalen mit größeren Plättehen bedeutender als bei Schalen mit kleineren Plättchen. Dies Verhalten tritt namentlich bei dem Exemplar (Taf. V, Fig. 1) deutlich hervor, hier ist die Verschmächtigung der Plättehenschicht an dem von kleineren Plätt- chen zusammengesetzten Vorderende so bedeutend, dass andere Liehtbreehungsverhältnisse im Vorderende entstehen, und dass dess- halb die zwiefache Schalenkomposition schon bei schwächerer Ver- gsrößerung lange hervortritt, bevor noch stärkere Objektive die Schalenplättchen deutlich machen. Am größerplattigen Hinterende Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 51 der Schale ist die Plättehenschicht 1,9 « diek, am kleinerplattigen Vorderende bloß 1,3 u; diese Werthe können gleichzeitig als die auch für andere Schalen geltenden Grenzwerthe angesehen werden. Außer der äußeren Deckschicht habe ich bei einigen Exem- plaren auch eine der Innenwand der Schale aufgelagerte »innere Deckschicht« wahrgenommen; dieselbe findet sich auch bei PENARD (8, Taf. VII, Fig. 45) abgebildet und wird in der Figurenerklärung als »pellicule pigmentee brune« bezeichnet. Ich halte sie für eine spätere, sekundäre Austapezirung der Schale, welche hier aber nicht wie bei Difflugia elegans Penard (ef. p. 44) eine Vorbereitung zur Eneystirung darstellt. Eneystirungsvorgänge habe ich eben so wenig wie einer der früheren Autoren bei Öyphoderia jemals beobachtet. Über das chemische Verhalten der Cyphoderia-Schale vermag ich folgende Mittheilungen zu machen. Im Allgemeinen besitzt die Schale eine erhebliche Resistenzkraft sesen Säuren, eine geringere gegen Kalilauge. In kalter koncentrirter H,SO, hielten sich die Schalen zwei Stunden lang ohne sich merklich zu verändern; erst als sie mehrere Stunden hindurch im Paraffinofen der Einwirkung dieser Säure ausge- setzt wurden, ließen sich die einzelnen Schalenplättehen nicht mehr von einander unterscheiden, sie schienen zu einer homogenen Masse zusammengequollen. Eine ähnliche Resistenz besitzt die Schale gegen Salzsäure; beim ersten Zusatz derselben schrumpft das Gehäuse nicht unbeträchtlich; sein Gefüge lockert sich aber erst nach mehr- stündiger Einwirkung der Salzsäure in der Wärme; es kann dann durch leisen Druck leicht gesprengt werden, nur selten zerfällt es von selbst in einzelne Stücke. Bei Anwendung von stark koncentrirter Kalilauge unter Paraffin- ofenwärme lassen sich unter günstigen Umständen drei Stadien der Einwirkung unterscheiden. Zuerst treten zwischen den Kanten der einzelnen Plättchen kleine Poren auf, und zwar so, dass zwischen den Ecken der Plättchen jeweils eine Pore liegt! (Textfig. 52); dann fallen zweitens die einzelnen Plättehen aus einander; schließlich lösen sich drittens die isolirten Plättehen unter Quellungs- erscheinungen vollständig auf; diese Auflösung erfolgt aber erst nach mehreren Stunden. | Eine auf einem ÖObjektträger erhitzte Schale blieb vollständig: intakt; sie hatte nur eine geringe Bräunung angenommen, obgleich ! PENARD (8, p. 28 u. 29) hat nach Anwendung von kochender Schwefel- säure und nach Glühen der Schale dieselbe Erscheinung wahrgenommen. 4* 32 L. Rhumbler, die angewendete Hitze den als Unterlage benutzten Objektträger vollständig verbogen hatte. F. E. ScHULzE (14, p. 110) fand, dass die Oyphoderia-Schale von Flusssäure nicht angegriffen wird. Die Cyphoderia-Schale besteht also weder aus Kieselsäure, noch aus eigentlichem Chitin (Löslichkeit in KHO), jedenfalls aber aus einem chitin- oder hornähnlichen! Stoff, der vielleicht mit Kiesel- säure imprägnirt ist (Widerstand gegen Rothgluth (cf. Beitrag V, PD): Die früheren Autoren erwähnen meist eine öfters vorkommende, mehr oder weniger stark ausgesprochene Gelbfärbung der Schale; meine Exemplare ließen diese Färbung nur ganz vereinzelt und immer nur äußerst schwach hervortreten. Zusatz von gelbem Blut- laugensalz und darauf folgende Einwirkung verdünnter Salzsäure ergab aber auch bei den hellsten Schalen eine Bläuung derselben, welche oft blitzartig die Schale überzog und im selben Augenblick wieder verschwand, verdrängt (gelöst) durch die Einwirkung des überschüssigen Wassers. Es ist also auch in ganz hellen Schalen ein Eisenoxydsalz vorhanden, dessen Anhäufung gelegentlich zu einer intensiveren Gelbfärbung der Schale führen wird. b. Der Weichkörper. Der Weichkörper füllt bei jungen, eben aus dem Sprossungsakte hervorgegangenen Thieren die Schale kaum zur Hälfte aus (Taf. V, Fig. 12 und 13); bei älteren wächst er heran, und erfüllt schließlich die Schale mehr oder weniger vollständig (Taf. V, Fig. 3, Fig. 4, 7). An Exemplaren, die nicht in Theilung begriffen sind, lassen sich im Ganzen vier Abschnitte oder Zonen mehr oder weniger deutlich von einander unterscheiden. Die erste, welche der Schalenmün- dung zunächst liegt, ist wenig lichtbrechend, hat sich nur schwach roth gefärbt und ist in der Regel von zahlreichen Vacuolen erfüllt, welche vielleicht erst während der Konservirung entstanden sind. Ein so regelmäßiges Maschenwerk, bezüglich einen so regelmäßig wabig-maschigen Bau, wie ihn SCHEWIAKOFF bei Euglypha fand und ihn in seiner Arbeit (12a, Taf. VI, Fig: 1) abgebildet hat, habe ich an meinen Präparaten nie gesehen; solche Strukturen scheinen sich in der Pikrinschwefelsäure nicht erhalten zu haben. Im Leben er- scheint diese Zone homogen. ! Wenn die Schalenplättehen wirklich aus Phäosomensubstanz (ef. p. 57) gebildet werden, wird man wegen der Unlöslichkeit derselben in KHO eine hornartige Beschaffenheit ausschließen müssen. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 53 Der zweite Abschnitt ist wie bei Euglypha dicht von Nahrungs- oder Fremdkörpern erfüllt, lässt aber sonst keine weiteren festen Struktureigenthümlichkeiten erkennen. Unter den Nahrungskörpern sind Diatomeen und andere kleine Algen nicht sehr häufig, meist be- stehen die Fremdkörper aus unregelmäßig zusammengeballten Massen, die sich im Methylgrün-Eosin-Gemisch grell grün gefärbt haben, und zweifellos von außen aufgenommene Schlammtheilchen darstellen. Die beiden vorgenannten Zonen nehmen zusammengenommen etwa die Hälfte der Längenachse des Thieres ein, die dritte und vierte Zone zusammengenommen erfüllen die andere Hälfte, den Fundus- theil der Schale. Wenn man diesen Theil der Sarkode am lebenden Thier betrachtet, so erscheint er meist vollkommen dunkelbraun bis beinah schwarz und lässt in seinem Centrum nur einen helleren kugeligen Körper, den Kern, undeutlich hindurchschimmern. Man erkennt bei stärkerer Vergrößerung leicht, dass die dunkle Färbung dieser Zone von der Einlagerung zahlreicher kleiner Körperchen herrührt, welche oft außerordentlich dicht um den Kern herumge- lagert sind; meist erscheint die um die hintere Kernhälfte herum- gelagerte Kugelkalotte dunkler Anhäufungen etwas heller als die Zusammenhäufung der dunklen Körperchen, welche die vordere Hälfte des Kernes umgiebt. In meinen Kanadabalsampräparaten dagegen sieht die, um die hintere Kernhälfte gelagerte, Körperchenschicht vollständig hell aus, und unterscheidet sich von dem Plasma der ersten Zone nur dadurch, dass man ein mehr oder weniger regelmäßiges Wabenwerk zu er- kennen glaubt, dessen Wabeninhaltsmassen hier und da einen eigen- thümlichen Glanz verrathen; die dunklen Körperchen sind also in Kanadabalsampräparaten um die hintere Kernhälfte herum gar nicht mehr zu sehen. Desto deutlicher treten in diesen Präparaten die Körperehen, welche um die vordere Kernhälfte herumgelagert sind, hervor; es sind grüngelbliche, olivengrüne, bräunliche oder dunkel- braun gefärbte, meist kugelige, oft auch aus kugeligen Konkremen- ten bestehende Körperchen von starkem Lichtbrechungsvermögen. Wo sind aber die Körperchen der hinteren Kernhälfte hinge- kommen? Zerdrückt man ein lebendes Exemplar der Cyphoderia vorsichtig, so sieht man mit zweifelloser Klarheit, dass die um die hintere und vordere Kernhälfte herumgelagerte Körperchenschicht aus ganz ungleichen Elementen zusammengesetzt sind. Während die Körperchen aus der Umgebung der vorderen Kernhälfte sich in dem zerdrückten Exemplar eben so darstellen, wie in Kanadabalsam- 54 L. Rhumbler, präparaten, erscheinen die Körperehen der hinteren Schicht als mehr oder weniger polygonale, abgeplattete, oder rundliche oder ellipsoide Körperchen, die an sich keinerlei Farbe erkennen lassen. und nur durch ihre Übereinanderschichtung und durch ihr starkes Licht- brechungsvermögen bei unverletzten lebenden Cyphoderien wohl in Folge vielfacher Reflexion dunkel erscheinen. Setzt man nun dem zerdrückten Thier irgend eine Mineralsäure hinzu, einerlei in wel- cher Koncentration, so verschwinden die farblosen Körperchen aus der hinteren Kernumgebung ohne Gasentwicklung fast momentan, während die Körperchen aus der vorderen Zone sich in ihrem Aus- sehen lange Zeit nicht ändern, wenn man sie mit Schwefel- oder Salpetersäure behandelt hat, dagegen ihre Färbung, nicht aber ihre Gestalt verlieren, wenn ihnen verdünnte Salzsäure zugesetzt worden ist. Nach dem angegebenen Verhalten lässt sich nicht bezweifeln, dass die Körperchen der hinteren Hälfte der Kernumgebung, die ich jetzt als vierte Sarkodezone bezeichnen will, Exkretkörnchen im Sinne BÜTschLis sind. Es stimmt ihre Gestalt denn auch ganz mit den Abbildungen, die SCHEWIAKOFF in seiner Arbeit (12b) von den Exkretkörnchen des Paramaecium gegeben hat, hauptsächlich mit Fig. 3 g—/, Taf. TI 1. e. SCHEWIAKOFF hat bekanntlich die Exkretkörnchen der Infusorien als phosphorsauren Kalk oder sauren phosphorsauren Kalk erkannt, und wegen der Ähnlichkeit der Ge- stalt wird sich kaum zweifeln lassen, dass die Exkretkörnchen der Oyphoderia aus derselben Substanz bestehen, wennschon ich sehr im Zweifel bin, ob alle diejenigen Körperchen, die man seither als Exkretkörnchen bezeichnet hat, dieselbe chemische Zusammensetzung haben. Jedenfalls habe ich in sehr vielen anderen Testaceen, z. B. Difflugia pyriformis, nie die Spur ähnlicher, in Säuren leicht löslicher Substanzen gefunden, dagegen oft andere Einlagerungen, welche dem äußeren Ansehen nach mit ihnen verwechselt werden könnten (Taf. IV, Fig. 15 und 17 Z). In Pontigulasia incisa nov. gen. nov. spec. finden sich zahlreiche (gegen 500 gezählt) ellip- soide oder ovoide Körperchen, von der in Fig. 23, Taf. IV, wieder- gegebenen Gestalt mit kreisrundem Querschnitt, welche ebenfalls gegen Salzsäure sehr resistent sind, und nach Auswaschung der Salz- säure durch Jodzusatz keine Veränderung erleiden. In meiner Dissertation (10a) glaubte ich durch die Murexidprobe die Exkret- körnchen als Harnsäure nachgewiesen zu haben. Ich kann hier nur wiederholen, dass ich damals nach Eindampfung von zahlreichen Stylonichia mytilus mit Salpetersäure und nach Zusatz von Kalilauge zu dem eingedampften Rück- stande, kleine, stark blau gefärbte, Körperchen in dem Präparate vorfand, die ich Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 55 mit den vorher konstatirten Exkretkörnchen identificiren zu müssen glaubte, Möglich, dass ich mich in dieser Identifieirung geirrt habe, — die Eindampfung wurde über der Flamme und nicht unter dem Mikroskop vorgenommen, so dass die Diskontinuität der Beobachtung eine Verwechslung von gleich großen und ähnlich gestalteten Gebilden zur Folge gehabt haben mag. Die Rothfärbung nach Zusatz von Ammoniak zu dem mit Salpetersäure eingedampften Stylo- nichiapräparat war weit weniger deutlich als die Blaufärbung, und da auch sonst sehr kleine Körperchen unter dem Mikroskop unter den Lichtbrechungs- verhältnissen starker Vergrößerungen leicht eine röthliche Farbe annehmen, möchte ich auf diese Färbung kein weiteres Gewicht legen. Die damals von mir erzielte Blaufärbung harrt aber noch einer Erklärung; um so mehr, als auch GrRIFFITH! in Infusorien gelegentlich durch die Murexidprobe, ohne meine Arbeit zu kennen, Harnsäure nachgewiesen zu haben glaubt. GRIFFITH betont allerdings, dass sich diese Harnsäure nur manchmal finde. Wenn ich auch keinen Augenblick im Zweifel darüber bin, dass die Untersuchungen SCHEWIAKOFF'’s in jeder Beziehung unanfechtbar sind, und dass er die Natur der Exkretkörnchen vielleicht für viele Infusorien ermittelt hat, so möchte es doch nicht unangebracht sein, auch in Zukunft die Salpetersäure-Kalilauge-Einwir- kung auf die Einlagerungen der Infusorien zur Anwendung zu bringen; viel- leicht wird hierdurch noch einmal, wenn auch nur die gelegentliche Existenz bestimmt charakterisirter, von den Exkretkörnchen verschiedener, Einlagerungen im Körper mancher Infusorien dargethan. Ich selbst habe schon einige Male meine früheren Reaktionen auch an Stylonichia mytilus wieder vorgenommen ; leider aber bis jetzt ohne Erfolg. Weitere Reaktionen als die schon mitgetheilte Einwirkung von Mineralsäuren habe ich nicht zur Anwendung gebracht. Das Un- sichtbarwerden der Exkretkörnchen in Kanadabalsampräparaten ist vielleicht der Einwirkung der Pikrinschwefelsäure, vielleicht der Licht- brechung des Kanadabalsams, vielleicht beiden Faktoren zuzuschrei- ben. Der von den einzelnen Körnchen eingenommene Raum kann wie eine größere Protoplasmawabe aussehen, ist aber keine. Bei Cyphoderia habe ich die Elementarwaben, an deren Existenz ich nicht im geringsten zweifle, überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Die Körperchen, welche die vordere Kernhälfte der Cypho- deria umgeben, sind wie gesagt grüngelblich, olivengrün, bräunlich oder dunkelbraun gefärbt; auch ihre Gestalt ist ziemlich wechselnd, meist sind es einfache Kügelehen von wechselndem Durchmesser. Diese Kügelchen treten dann zu Aggregaten zusammen, die manch- mal Traubenform annehmen, meist aber nur aus wenigen Perlen zusammengesetzt erscheinen; hier und da treten sie jedoch zu größe- ren unregelmäßig geformten Aggregaten zusammen (Taf. V, Fig. 11). 1 A. B. GRIFFITH, >A method of demonstrating the presence of uric acid in the contraetil vacuoles of some lower organisms.« Proc. R. Soc. Edinburgh. VolXVvT. p: 131135. 56 L. Rhumbler, Die Körperchen haben eine außerordentlich große Ähnlichkeit mit den von mir in den Fäkalballen der Saecammina sphaerica beschrie- benen Xanthosomen (10e); ob diese Ähnlichkeit auf einer gleichen chemischen Zusammensetzung beruht, muss vorläufig dahingestellt bleiben, ist mir aber nicht unwahrscheinlich. Auf alle Fälle weist aber ihre Formgestaltung darauf hin, dass wir es auch hier wie bei den Xanthosomen mit allmählich erstarrenden Substanzen zu thun haben, die in verschiedenem Erstarrungsgrad an einander gerathen und zu traubigen Aggregaten verschmelzen können (10d). Falls diese Körperchen, die ich Phäosomen nennen will, bei den Testaceen oder anderen Protozoen weiter verbreitet sein sollten, wird man sich auch hier vorsehen müssen, sie nicht mit Exkretkörnchen zu verwechseln, da nach BÜTscHLI auch die Färbung der Exkretkörnchen in der Regel etwas dunkel mit einem Stich ins Gelblichbraune oder Olivenfarbige ist. In Hyalopus (ScHAUDInN) kommen genau so aussehende Körper- chen, zuweilen in großer Menge, vor; auch sie sind gegen Säure und vor Allem gegen Kalilauge sehr resistent, können also keine Exkret- körnchen sein. Chemischen Reagentien gegenüber verhalten sich die Phäoso- men fast in jeder Beziehung anders als die Exkretkörnchen. In Kalilauge sehr verschiedener Koncentration konnte ich selbst nach sechs Tagen, während welcher sie im Wärmeschrank bei ca. 46° C. eehalten wurden, keinerlei Veränderung an ihnen wahrnehmen; die Gehäuse und die Weichkörper, in denen sie gelegen hatten, waren während dieser Zeit gänzlich spurlos verschwunden, so dass das längere Erwärmen mit Kalilauge für ihre Reindarstellung empfohlen werden kann. In kalter koncentrirter Schwefelsäure blieben sie sehr lange unverändert, nach sechs Stunden hatten sie sich aber vollständig gelöst; in stark verdünnter Salzsäure wurden sie erst hellgelb dann grüngelblich, dann wurden sie in der Weichkörper- masse dem Auge unkenntlich. Stärkere Salzsäure nimmt ihnen fast momentan ihre Färbung; einmal habe ich bei Zusatz von koncen- trirter Salzsäure (die betreffende Cyphoderia lag aber in Wasser, weil die Beobachtung dadurch bedeutend. erleichtert wird, so dass die Salzsäure doch nur verdünnt zur Wirkung kam) äußerst deut- lich wahrgenommen, dass die Färbung der Phäosomen nach und nach, wenn auch bei genügender Koncentration der Salzsäure schnell aus den Phäosomen entweicht, indem sie sich in immer kleiner werdenden, koncentrischen Kreisen nach dem Mittelpunkt des Phäo- soms zurückzieht, um schließlich auch hier zu verblassen. Der Um- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 57 fang der Phäosome hatte sich dabei nicht geändert, die Kontouren der nunmehr blass und wasserhell erscheinenden, kugeligen Körper ließen sich bei geeignetem Gebrauch von Spiegel und Irisblende noch klar und deutlich erkennen. Durch dieses Verhalten schien mir nahegelest, dass die Phäosomen keine einfache, chemische Ver- bindung darstellen, sondern zum mindesten aus dem Gemisch zweier Substanzen beständen, von denen die eine gefärbt, in Kalilauge un- löslich, in Salzsäure leicht löslich sei, die andere aber ungefärbt und gegen Salzsäure resistent sei. Die Farbe der gefärbten Sub- stanz sowie ihr chemisches Verhalten gegen Kalilauge und Salzsäure ließen mich auf ein Eisenoxydsalz in Betreff der gefärbten Substanz vermuthen, und diese Muthmaßung hat sich denn auch durch die Berliner Blaureaktion als zutreffend erwiesen. Man setze einer Cyphoderia mit Phäosomen zuerst gelbes Blutlaugensalz zu, dann lasse man eine stark verdünnte Salzsäure dem Präparat zufließen. Es wird dann zuerst die oben beschriebene Bläuung des Gehäuses eintreten, diese wird dann bald verschwinden und den Weichkörper mit den Phäosomen ungehindert hindurchscheinen lassen. Die Phäo- somen erscheinen jetzt tiefblau und heben sich gegen die Deri- vate des Weichkörpers, die zum Theil auch eine leichte, aber bald wieder verschwindende Bläuung angenommen haben, scharf und deutlich ab. An der Anwesenheit von Eisenoxyd oder eines Eisen- oxydsalzes in den Phäosomen kann somit nicht gezweifelt werden. Die Resistenzkraft der Phäosomen gegen Säuren und Alka- lien, sowie ihr Gehalt an Eisenoxydsalz lassen einen genetischen Zusammenhang von Phäosomen und Schalenmaterial vermuthen. Hierfür spricht auch der Umstand, dass sich in sprossenden Cyphoderien nur wenig Phäosomen befinden, während in nicht sprossenden Exemplaren 70—100 Phäosomen gar nicht selten sind; während des Sprossungsaktes scheinen Phäosomen verbraucht zu werden; man sieht sie nach der Baustelle hin verschoben, allerdings meist nicht in nächster Nähe derselben (Taf. V, Fig. 6, 7 und 8, Phäosomen in allen Figuren gelb gezeichnet). In dem Exemplar Fig. 2, Taf. V liegen sogar dem plättchenlosen Gehäusetheil ein- zelne Phäosomen auf, sie nehmen also direkt die Stellung der Plätt- chen ein. Auf keinen Fall ist die Verwendung der Phäosomen beim Schalenaufbau in normalen Fällen eine direkte; man sieht nämlich in vielen Exemplaren den Weichkörper namentlich die dritte und vierte Zone, oft auch die zweite mit einer großen Zahl von Reserve- plättehen erfüllt (Taf. V, Fig. 6); oft sind sie in diesen Zonen in dichter 58 L. Rhumbler. Lage um Vacuolen herum gelagert (Taf. V, Fig. 3). Am deutlichsten treten die Reserveplättehen in ausgestorbenen Schalen hervor, wo sie nach Aussterben des Weichkörpers meist allein in der Schale zurück- bleiben; sie zeigen schon Größe und Gestalt der künftigen Schalen- plättchen. Je größer ihre Zahl ist, desto geringer scheint gesetzmäßig die Zahl der Phäosomen. Ich glaube hiernach, dass die Phäosomen sich in Reserveplättchen umwandeln, also gleichsam das Rohmate- rial für die künftigen Schalenplättehen darstellen. Auf- fallend ist dabei die erstaunliche Resistenz der Phäosomen gegen Kalilauge, in der sich die Schalenplättchen bald lösen, sie bringt die Phäosomensubstanz in größere Nähe des gewöhnlichen Chitins, als die Schalenplättchen, die ein in Kalilauge lösliches Umwandlungs- produkt des eigentlichen Chitins darzustellen scheinen. Wenn die Xanthosomen der Saccammina und des Hyalopus, wie ich vermuthen möchte, Gebilde derselben Art vorstellen, so darf darauf aufmerksam gemacht werden, dass die genannten Formen eben so wie Öyphoderia typische Schlickfresser sind; vielleicht ist die Produktion der Phäosomen an die Gegenwart von Schlick gebunden. Im Weichkörper der Cyphoderia margaritacea lassen sich also unterscheiden: 1) vacuolige Zone, 2) Zone der Nahrungskörper, 3) Phäosomen- zone, 4) Exkretkörnerzone. Der Kern wird von der dritten und vierten Zone umhüllt; zwei bis drei pulsirende Vacuolen liegen in der dritten Zone; Reserveplättehen werden in der dritten und vierten, manch- mal auch in der zweiten Zone zu gewissen Zeiten angetrofien. SCHEWIAKOFF konnte bei Euglypha nur drei Zonen unter- scheiden; die Exkretkörnchen lagen nämlich nicht in einer beson- deren Zone, sondern lagen mit den Nahrungskörpern zusammen in der zweiten Zone. SCHEWIAKOFF schloss daher, dass in der zweiten Zone die Assimilationsvorgänge vor sich gehen. Wenn die Assi- milationsvorgänge die Bildung der Exkretkörnchen, etwa als Neben- produkt, zur Folge haben, wie SCHEWIAKOFF zu meinen scheint und wie auch ich anzunehmen geneigt bin, so muss sich bei Cypho- deria im Unterschied zu Euglypha ein Theil des Assimilations- vorganges hinter dem Kern in der vierten Zone, nicht vor dem- selben wie bei Euglypha in der zweiten Zone abspielen, während die Verdauung auch bei Cyphoderia in dem zweiten, die Nah- rungskörper enthaltenden Abschnitt vor sich gehen wird. Der Assi- milationsakt ist also jedenfalls nicht immer auf die zweite Zone in seinem ganzen Umfange beschränkt. Die Unterscheidung der drei Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 59 Zonen nach Funktionen, wie sie SCHEWIAKOFF für Euglypha auf- gestellt hat und wie sie für diese Testacee auch gelten mag, näm- lieh die erste mit lokomotiver, die zweite mit nutritiver und die dritte mit reproduktiver Funktion, darf demnach nicht für alle Testa- ceen verallgemeinert werden. Die Scheidung der einzelnen Zonen von einander ist bei Cyphoderia eben so wie bei Euglypha (SCHEWIAKOFF, 12a) keine seharfe, manchmal sogar eine recht verschwommene; gelegentlich sind einige lose Nahrungskörper bis dicht an die Kernmembran nach hinten verschoben; die Phäosomen können zuweilen bis in die Umgebung der hinteren Kernhälfte eindringen, und dass schließlich auch in der vorderen vacuolären Zone häufig Nahrungskörper ge- funden werden, ist schon desshalb begreiflich, weil die Nahrungs- körper die vordere Zone erst durchwandern müssen, bevor sie in die zweite Zone gelangen. Gleichwohl ist die Unterscheidung der senannten Zonen bei dem weitaus größten Theil der von mir studir- ten Cyphoderien leicht durchführbar. An dieser Stelle mag noch bemerkt werden, dass bei vielen - anderen Testaceen die Abgrenzung der einzelnen Zonen oft eine viel schärfere ist als bei Euglypha und Cyphoderia, vor Allem setzt sich bei gewissen Difflugien, welche nach seitherigem Gebrauche zu Difflugia pyriformis Perty gestellt werden müssten, die generative Schicht SCHEWIAKOFF’s, die bei Cyphoderia in eine Phäosomen- und Exkretkörnerschicht geschieden werden muss, auf das allerschärfste von den vorangehenden Schichten ab. Während die beiden ersten Schichten sich bei diesen Formen sehr ablehnend gegen künstliche Färbung verhalten, nimmt die rings um den Kern selagerte Zone außerordentlich viel Farbe an, und sie tritt dadurch so intensiv den anderen Schichten gegenüber hervor, dass sie bei geringerer Vergrößerung wie von .einer besonderen Membran um- geben erscheinen kann. Nahrungskörper findet man nie in sie hinein verschlagen. Man wird diese so scharf abgegrenzte Plasma- schicht mancher Testaceen vielleicht als Bernaglante Zone zweck- mäßig bezeichnen. Die Pseudopodien erscheinen hyalin, gabeln sich gelegent- lich in einiger Entfernung von dem Gehäuse, sind dünn, fast faden- förmig und manchmal außerordentlich lang; ich habe Pseudopodien beobachtet, die fünfmal so lang waren als das Gehäuse des be- treffenden Thieres. Anastomosen zwischen den einzelnen Pseudo- podien habe ich nicht wahrgenommen. Öfters sah ich, dass eine 60 L. Rhumbler, beliebige Stelle eines langausgestreckten Pseudopodiums sich an irgend einen fremden Gegenstand festheftete, und dass dann die von dem Anheftungspunkt distalwärts gelegene Pseudopodienstrecke nach dem Anheftungspunkt zurückfloss, während gleichzeitig die zwischen Gehäusemündung und Anheftungsstelle gelagerte Pseudo- podienstrecke sich schneller oder langsamer verkürzte. Es wurde so das Gehäuse, manchmal ziemlich rasch, nach der Anheftungs- stelle hin fortgezogen, und an der Anheftungsstelle entstand dabei eine Zusammenhäufung von Protoplasma, die entweder in das Ge- häuse aufgenommen wurde, wenn es herangekommen war, oder auch aus sich heraus wieder neue Pseudopodien ausschickte, bevor noch das Gehäuse die Protoplasmaanhäufung erreicht hatte. Die Stelle der Anheftung fungirte also als Sammelstelle für das Pseudopodien- protoplasma, und es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass in den- jenigen Fällen, wo das zusammengeflossene Plasma von dem Ge- häuse aufgenommen wird, auch Nahrungskörper mit dem Plasma- klümpchen in das Gehäuse eintreten; doch bin ich hierüber zu keinem bestimmten Resultat gekommen. Eine merkwürdige Wahrnehmung habe ich an Exemplaren ge- macht, die mit ihren Schalen in Berührung gekommen waren. Zur Zeit, als ich in meiner Kultur Konjugationsexemplare vorgefunden hatte, versuchte ich, ob ich nicht durch künstliche Annäherung zweier Thiere die Konjugation derselben veranlassen könnte. So- bald ich nun die Cyphoderien bei diesen Annäherungsversuchen bis zur Berührung ihrer Schalen an einander brachte, verklebten die beiden Schalen mit einander, einerlei an welchen Schalen- stellen die Berührung stattgefunden hatte. Hielt sich z. B. das eine der beiden Thiere an der Glasnadel, welche ich zum Experimen- tiren gebrauchte, fest, und war die Berührung mit einer anderen Schale durch das an der Nadel festhaltende Thier erfolgt, so konnte ich nun auch das andere Thier mit der Nadel fortziehen, ohne dass die Nadel mit dem anderen Thier in direkter Berührung stand. Zur Berührung gebrachte Thiere zogen sich fast immer kurz nach der Berührung in ihr Gehäuse zurück, schickten aber bald nachher wieder Pseudopodien aus und bewegten sich dann schließlich mit Hilfe der Pseudopodien nach entgegengesetzten Richtungen von einander fort, dabei glitt die eine Schale an der anderen meist so lange hin, als ihre entgegengesetzte Bahn gemeinsame Berührungs- punkte gestattete. Bei der schließlichen Trennung ließ sich zwischen beiden Schalen ein Flüssigkeitstropfen deutlich erkennen, der zu- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 61 nächst zu einem kurzen dicken Cylinder ausgezogen wurde (Taf. V, Fig. 155, Tr), sich dann in die Figur zweier mit ihren Spitzen auf einander gestellter Kegel umwandelte, und schließlich an der Ver- bindung der Kegelspitzen durchriss. Obgleich dieser Vorgang sehr rasch verlief, ließ er sich genau verfolgen; die getrennten Kegel verschwanden dann augenblicks, und an den Schalen war nichts mehr von der aus einander gezogenen Flüssigkeit zu sehen. Beim Durchreißen des Flüssigkeitstropfens geriethen die beiden Schalen in eine kurze pendelnde Bewegung, welche augenscheinlich eine Reaktion auf die plötzliche Trennung der vorher verklebten, nach entgegengesetzten Richtungen fortgezogenen Schalen war. Ich habe sechs bis acht Schalen neben einander zur Verklebung gebracht (Taf. V, Fig. 15a), und dabei jedes Mal beim Abgehen eines Thieres aus dem Verband den Tropfen zwischen seiner Schale und der Schale des benachbarten Thieres auftreten sehen; bei dem Loslösen eines Thieres gerieth fast jedes Mal der ganze übrige noch zusammen- hängende Thierverband in ein leichtes Zittern. Ich glaubte nun zunächst, diese Vorgänge auf eine klebrige Beschaffenheit der Schale selbst zurückführen zu müssen; aber aus- gestorbene Schalen hafteten, wie sich bei weiteren Versuchen ergab, nicht an einander; Fremdkörperchen, wie kleine Karminpartikelchen, die ich im Wasser suspendirt an den Thierchen vorbeiströmen ließ, blieben an den Schalen nicht haften, wenn sie auch gegen dieselbe anschlugen — die Schalen der Cyphoderien zeichnen sich den Schalen vieler anderer Testaceen gegenüber gerade durch besondere Rein- heit aus, was bei einer allgemeinen Klebrigkeit derselben gar nicht zu verstehen wäre, denn sie kommen mit Stoffen genug in Berüh- rung, die ihnen anhaften müssten. So bin ich denn zu der Ver- muthung gekommen, dass die Schale der Cyphoderia von einer dünnen Protoplasmadecke umkleidet wird, welche an den Berüh- rungspunkten zweier Thiere zusammenfließt und die in Berührung gerathenen Thiere so lange zusammenhält, bis ihre gegenseitige Entfernung sie wieder aus einander reißt. Auf die Existenz eines solchen perithalamen Sarkodemantels glaube ich auch nachfolgende Beobachtung zurückführen zu dürfen. Ich fand nämlich einmal eine Cyphoderia, auf deren Schalenober- fläche sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit eine kleinere Diatomee bewegte — sie lief so schnell auf der Schalenoberfläche hin und her, dass ich sie nur dann als Diatomee erkennen konnte, wenn sie an dem Mündungsrand der Cyphoderia angelangt war, 623 L. Rhumbler, dann hatte sie sich nämlich für kurze Zeit festgerannt; ich glaubte mehrere Male, sie würde am Mündungsrand in das Schaleninnere umbiegen, aber als ob der Schwung zu dieser Überführung in das Schaleninnere nicht ausgereicht hätte, lief sie jedes Mal nach einer kurzen Pause am Mündungsrande nach dem hinteren Schalenende zurück, um mit gesteigerter Schnelligkeit wieder dem Mündungs- rand der Cyphoderia-Schale zuzuschießen. Dieser Bewegungsverlauf wurde in etwa zehn Sekunden fünfmal wiederholt, schließlich riss sich die Diatomee am hinteren Schalenende von der Schale los; nach dem Loskommen von der Schale bewegte sie sich nur noch eine kurze Strecke und blieb dann regungslos liegen. Ich habe niemals Dia- tomeen sich so schnell bewegen sehen, wie jene auf der Schalen- oberfläche der Cyphoderia, und glaube desshalb, dass ihre Schnellig- keit nicht allein das Resultat ihrer Eigenbewegung war, sondern dass der aus dem Verkleben der Schalen gefolgerte perithalame Sarkodeüberzug sich in fließender Bewegung befindet und dadurch die Schnelligkeit der Bewegung gesteigert hat, falls er sie nicht etwa allein zu Wege brachte. Leider fand ich vor dem Absterben meiner Cultur keine Zeit mehr, durch künstliches Zusammenführen von Diatomeen und Cyphoderien die Beobachtung durch das Experi- ment zu wiederholen. Die Kommunikation zwischen Körpersarkode und den jeden- falls vorhandenen perithalamen Sarkodemantel mag am Mündungs- rande der Schale und da, wo sich am hinteren Schalenende eine zu- fällige Öffnung (ef. p- 47 u. 48) findet, wohl auch durch diese hindurch stattfinden. Der Weichkörper lässt nach meinen Beobachtungen, welche mit den früheren F. E. SchuLze’s (14) übereinstimmen, vom vorderen Gehäuserand während des Lebens nicht los; wenn der Weichkörper die Schale nicht ganz ausfüllt, so bleibt der Schalen- fundus leer, und es treten nur wenige pseudopodienartige Fortsätze durch den leeren Raum hindurch, um sich an der Schale anzusetzen. Nur beim Absterben, das ich oft beobachtet habe, zieht sieh der Weichkörper vom Schalenrand in den Schalenfundus zurück, um sich kugelig zusammenzuballen und die Form anzunehmen, welche Max SCHULTZE fälschlich für die Vorbereitung zur Fortpflanzung hielt (15). Das stete Festhalten der Sarkode am Mündungsrande hängt vielleicht damit zusammen, dass die gesuchte Kommunikation zwischen äußerem Sarkodemantel und Innensarkode hier aufrecht erhalten werden muss. Bei konservirten Thieren scheint die Kom- munikation zu zerreißen (Taf. V, Fig: 2). Durch künstliehe Färbung Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 63 ist der Plasmaüberzug in Methylgrün-Eosin nicht nachzuweisen, — was übrigens bei dem spärlichen Färbungsvermögen der ersten Plasmazone nicht verwundern kann — auch auf andere Weise ver- mochte ich ihn nicht sichtbar zu machen. Ich glaube, dass die perithalame Sarkodeschicht außerordentlich dünn ist, so dass sie durch die Beugungserscheinungen der stark lichtbreehenden Schale (mit ihrer Deckschicht) für das Auge unkenntlich wird. Wenn die äußere Deckschieht etwa die Erscheinungen, die ich durch die Annahme eines perithalamen Sarkodeüberzuges zu erklären versucht habe, zuwege bringen sollte, so müsste sie als lebendes Protoplasma und nicht als Abscheidungsprodukt desselben angesehen werden. Ein sicherer Nachweis des perithalamen Sarkodeüberzuges würde der Cyphoderia höchst wahrscheinlich eine Sonderstellung unter den Testaceen anweisen, welche sie in nähere Beziehung zu den Gromien brächte; auch die spitzen hyalinen Pseudopodien weisen vielleicht nach dieser Richtung. c. Der Kern. Der Kern war in allen von mir untersuchten Exemplaren in der Einzahl vorhanden. Sein Durchmesser wechselt zwischen 14,9 und 25,3 u; wobei durchgängig als Regel gilt, dass die zu den größeren Kernen gehörenden, den Schalenraum mehr oder weniger ausfüllenden Weichkörper sehr viel mehr Einlagerungen, Exkret- körnchen, Xanthosomen und Reserveplättchen enthalten als die Weichkörper mit kleinen Kernen, die außerdem die Schale nur bis zur Hälfte ausfüllen. Es geht daraus hervor, dass die Weichkörper mit kleineren Kernen erst kürzlich einen Sprossungsvorgang durch- gemacht hatten, ehe sie konservirt wurden (cf. p. 52 u. 71). Nachdem der Kern während des Sprossungsaktes halbirt worden ist, braucht er längere Zeit des Wachsthums, ehe er sich während eines neuen Sprossungsaktes von Neuem theilen kann. SCHEWIAKOFF fand, dass bei Euglypha nach der Kerntheilung sofort die Tochter- kerne dem ursprünglichen Mutterkern an Größe wieder ähnlich wer- den; bei Cyphoderia ist dies nicht der Fall; der Kern wächst hier erst allmählich mit dem Weichkörper wieder auf theilbare Größe heran. Der Kern stellt eine kuglige, weit seltener eine elliptische, von einer deutlichen Membran umhüllte, mit einer homogen erscheinenden Grundmasse erfüllte Blase dar, in welcher drei bis neun Binnenkörper (Nucleolen anderer Autoren) an beliebigen Stellen suspendirt sind. 64 L. Rhumbler, F. E. SCHULZE fand nur einen oder wenige Nucleolen innerhalb des Kerns; eben so erwähnt PENARD nur einen Nucleolus; woher diese Beobachtungsdifferenzen kommen, weiß ich nicht; ich habe auch nach Konservirung mit Sublimat oder Sublimat-Eisessig nie bloß einen Binnenkörper gefunden. Die Binnenkörper treten so überaus deutlich in der homogenen Kerngrundmasse hervor, dass an ein Verzählen oder einen Beobachtungsfehler auf der einen oder der anderen Seite gar nicht gedacht werden kann. In der Methylgrün-Eosin-Mischung haben sie sich roth mit einem Schein nach Rosa hin gefärbt. Von 72 Kernen, in welchen die Binnenkörper gezählt wurden, enthielt: 1 Kern —= 8 Binnenkörper, ) Name = 7 - I - DIR - | - 2 a 5) - am häufigsten wurden also vier und fünf Binnenkörper angetroffen. Der Durchmesser der Kerne betrug im Mittel nach Messungen an denselben 72 Kernen: Für 8 Binnenkörper 17,8 u a - 18.6 Be - 18,3, ER E 17,89 - Bir & 18 ss i 20,86 - Es geht daraus hervor, dass die Zahl der Binnenkörper nicht etwa mit der Größe des Kernes wächst, sonst könnten die Durch- schnittsmaße der Kerne für vier bis acht Binnenkörper nicht an- nähernd gleich sein; drei Binnenkörper sind den Messungen zufolge nur in großen Kernen vorhanden; es stimmt dies mit meiner auch sonst, an nicht gemessenen Kernen gemachten, Erfahrung überein, dass drei Binnenkörper nur in sehr großen Kernen vorkommen. Die Größe der Binnenkörper selbst schwankt zwischen 1,04 und 5,7 u. Ihre Gestalt ist meist kuglig, manchmal langgestreckt- ellipsoidisch, manchmal biskuitförmig; zuweilen sitzt einem großen Binnenkörper ein kleiner unmittelbar an, so dass beide ein Ganzes bilden. Sind nun diese Gestaltverschiedenheiten auf Theilungszu- stände der Binnenkörper zurückzuführen, wie man früher vielfach für ähnliche Fälle annahm? Sicherlich nicht. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 65 Der Kern wächst mit seinem Alter; in großen Kernen müssten also, wenn die Binnenkörper sich durch Theilung vermehrten, mehr Binnenkörper erwartet werden als in kleinen; gerade das Gegentheil ist der Fall, bei sehr großen Kernen finden sich meist nur ganz wenige Binnenkörper. Für die in den Cyphoderia-Kernen enthaltenen Binnenkörper kann es als unbestreitbare Thatsache gelten, dass nicht Theilungen, sondern im Gegentheil Verschmelzungen derselben eintreten. Die Verschmelzungen scheinen jedoch keine sesetzmäßigen Stellungen in der Kernentwicklung einzunehmen; da dem Sinken der Binnenkörperanzahl nicht ein entsprechendes Steigen des Kerndurehmessers im Mittel gegenübersteht. Die Verhältnisse liegen allem Anscheine nach derart, dass Ver- schmelzungen der Binnenkörper eintreten, wenn sie zufällig an einander gerathen, dass sie nieht aber nothwendig an einander zu gerathen brauchen, und dass desshalb auch ihre Verschmelzung aus- bleiben kann. Mir ist es aufgefallen, dass Kerne mit nur wenigen, drei bis fünf, Binnenkörpern öfters die seltene elliptische Gestalt zeigen als andere Kerne mit mehr Binnenkörpern; ich glaube, dass die elliptische Gestalt durch Druck vom Weichkörper aus dem Kern aufgezwungen wird. Bei solehen Vorgängen muss die Kerngrund- masse in Bewegung gerathen und kann hierbei die Binnenkörper zufällig zusammenbringen. Ich habe zwei Reihen von Kernen in Fig. 9, Taf. V dargestellt, die obere Reihe soll als Beispiel für diejenigen Fälle gelten, wo eine Verschmelzung der Binnenkörper mehr oder weniger unter- blieben ist, so dass sich in dem recht großen Kern (d) noch die selten beobachtete Zahl von neun Binnenkörpern findet; die untere Reihe soll den Fall einer frühen Verschmelzung der Binnenkörper veranschaulichen. Die Reihen sind aus einzelnen, mit der ÖBER- HÄUSER’Schen Kammer gezeichneten Kernen verschiedener, konser- virter Thiere zusammengesetzt worden. Um zu ermitteln, ob die Binnenkörpersubstanz als Ganzes mit dem Wachsthume des Kernes an Masse zunehme, habe ich bei den 72 Kermen die Radien der einzelnen Binnenkörper für jeden Kern gemessen, aus diesen Radien dann für jeden Kern das Mittel der Radien bestimmt und diese Mittel wieder zu einem Mittel für Kerne mit gleicher Anzahl von Binnenkörpern zusammengezogen; aus den letzteren wurde dann das mittlere Gesammtvolumen aller in einem Kern vorhandenen Binnenkörper berechnet. Es ergab sich hierbei im Mittel: Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXT. Bd. 5 66 L. Rhumbler, Das Gesammtvolumen von 7 Binnenkörpern — 50,23 eu z HRG 4 1.05 * Eike - == 49,67 = i Be x ae N Yirg L — 70,93 - Wenn man bedenkt, dass diese Berechnung, welche nicht immer leicht zu messende Größen in der dritten Potenz ! enthält, nicht uner- heblichen Fehlerquellen ausgesetzt gewesen sein muss, so wird man den Unterschied von nicht ganz acht cu, welcher sich im Gesammt- volumen von vier und sechs Binnenkörpern kund giebt, nicht allzu hoch anrechnen dürfen. Man wird das Gesammtvolumen von vier bis sieben Binnenkörpern eines Kernes für annähernd gleich betrachten dürfen. Die 70 cu, welche das Gesammtvolumen von drei Binnen- körpern ausmachen, werden jedoch eine Extrastelle beanspruchen. Es ergiebt sich also aus diesen Berechnungen, dass das Mittel des Gesammtvolumens der Binnenkörper sich während des Kernwachs- thums lange Zeit hindurch gleich bleibt, also weder zunimmt noch abnimmt; dass eine Zunahme der Binnenkörpersubstanz erst auf Größenstufen des Kerns erfolgt, welche, wie ich jetzt zeigen werde, augenscheinlich dicht vor der Kerntheilung liegen und bei welchen außerdem die Zahl der Binnenkörper durch gegenseitige Verschmel- zung stark reducirt zu sein pflegt. Ich glaube, dass die betreffenden Kerne, die in meinen Präparaten recht selten vertreten sind, bereits Enchylema aus dem Weichkörper aufgenommen haben, um sich zur Theilung anzuschieken (cf. Enehylema- Aufnahme der Kerne bei Euglypha, SCHEWIAKOFF). Vielleicht hat das Enchylema die Binnen- körpersubstanz durch Quellung stark aufgetrieben, so dass sich daraus die Massenzunahme der Binnenkörpersubstanz in den großen Kernen erklärt; vielleicht ist durch die Wirkung des Enchylemas außerdem auch eine Verflüssigung der Binnenkörpersubstanz erfolgt, so dass die Verschmelzung der einzelnen Binnenkörper leichter statt- finden und ihre Zahl hierdurch fast ausnahmslos redueirt werden konnte. Sicher ist es, dass die Binnenkörper bei Beginn der Kern- theilung sich nirgends mehr nachweisen: lassen, ihre Quellung ist wohl in eine vollständige Lösung übergegangen, sie scheinen sich also wie Nucleolen anderer Zellarten während der Kerntheilung zu 1 Das Gesammtvolumen ist nach der Formel berechnet: Gesammtvolumen = n (4 rn), wo n die jeweilige Zahl der Binnenkörper, ” die Hälfte des mittle- ren Binnenkörperdurchmessers für Kerne mit gleicher Binnenkörperzahl be- deutet. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. II—V. 67 verhalten. Leider habe ich keine Reaktionen auf die Natur der Binnenkörper hin unternommen; bei Difflugia pyriformis wer- den die Binnenkörper, die hier noch in größerer Zahl vorhanden sind als bei Cyphoderia nach Zusatz von 2°/,iger Essigsäure durch Aufquellung gänzlich unsichtbar, sie erscheinen aber wieder und nehmen ihre frühere Größe an, wenn man die Essigsäure mit Alkohol auswäscht. Bei Difflugia pyriformis bestehen die im Unterschied zu Cyphoderia stets an der Kernmembran befindlichen Binnen- körper also wohl thatsächlich aus Paranuclein (cf. OÖ. HERTwiıg, »Zelle<, p. 36), sie können hier unbedenklich als Nucleolen be- zeichnet werden. Wenn die Binnenkörper der Oyphoderia ein ähnliches Verhalten aufweisen sollten, was sehr wahrscheinlich ist, so wären sie gleichfalls als Nucleolen anzusehen. Da eine solche Reaktion aber bis jetzt noch nicht gemacht ist und auch Chroma- tin nicht ausgeschlossen werden kann, behalte ich einstweilen für sie die Bezeichnung Binnenkörper bei. Ich habe diesen Ausdruck ja immer in sehr indifferentem Sinne gebraucht, für mehr oder weniger zähflüssige bis feste Substanzeinlagerungen im Kern, die weder mit Sicherheit den Nucleolen noch den Chromatin- oder Lininbestand- theilen des Kerns zugezählt werden können. Chromatin- oder Lininbestandtheile habe ich nur in Kernen wahr- senommen, welche sich in Theilung befanden (Taf. V, Fig. 7 und 8), oder welche eben eine Theilung hinter sich hatten (Taf. V, Fig. 12). In dem Kern des in Fig. 7 abgebildeten Exemplars lassen sich mit voller Sicherheit, wenn auch nicht gerade deutlich, Chromoso- men erkennnen, welche im Begriffe stehen, sich zu einem Mutter- stern zusammenzuordnen. Die Chromosomen sind nur sehr schwach sefärbt. Der Kern scheint große Polplatten zu besitzen, denen wohl ebenfalls große Protoplasmakegel anliegen, wenn diese Gebilde nicht etwa durch Schrumpfungserscheinungen vorgetäuscht, bez. vergrößert worden sind; deutlich sind auch sie in dem Präparate nicht. Auf alle Fälle steht fest, dass sich der Kern von Öyphoderia karyokine- tisch theilt. Es war dies von vorn herein wegen der gleichen Theilung bei Euglypha zu erwarten, mag aber immerhin noch besonders betont werden, da über den Theilungssmodus der bei den meisten Testaceen (nicht bei Euglypha) vorkommenden Kerne mit mehreren oder vielen Binnenkörpern bislang nichts bekannt geworden war. Der Kern des durch Fig. 8 wiedergegebenen Exemplars lässt, leider auch nur sehr undeutlich, ein ziemlich enges Liningerüst erkennen, das eine im Eosin äußerst schwach gefärbte Chromatinrinde = 68 L. Rhumbler, zu tragen scheint. Abplattung und Größe des Kerns, das vorgerückte Stadium des im Bau begriffenen Tochtergehäuses DZ, sowie das gänz- liche Fehlen von Binnenkörpern beweist, dass auch dieser Kern bereits in die Stadien der karyokinetischen Theilung eingelaufen ist. Er befindet sich offenbar auf dem Stadium des dichten Knäuels, oder auf einem Vorstadium zu ihm. In den eben getheilten Kernen der Fig. 12 sieht man eine größere Zahl Binnenkörper (Nucleolen) sich aus dem Kerngerüst (Tochter- spirem) konsolidiren, sie nehmen offenbar ihren Ursprung aus dem chromatischen Gerüst. Die ebenfalls erst kurz vorher getheilten Kerne der Fig. 13 endlich zeigen bereits das Verhalten von gewöhn- lichen Kernen, homogene Kerngrundmasse mit Binnenkörpern; vom Chromatin oder Liningerüst ist auch hier nichts mehr zu erkennen. Da ich auf Grund anderer Untersuchungen, die später publieirt werden sollen, zu der Anschauung gekommen bin, dass karyokine- tische Theilung bez. Chromosomenbildung nur da auftreten kann, wo ein Liningerüst mit Chromatinauflagerungen im ruhenden Kern vor- handen war, so glaube ich, dass auch Cyphoderia ein solches Ruhegerüst besitzt, obgleich ich es in meinen Präparaten mit ruhen- den Kernen nirgends auffinden konnte. Offenbar war hier Konser- virung und Färbung zur Klarstellung des Gerüstes nicht ausreichend; das Gerüst ist wohl sehr fein, so dass es erst bei seiner Verdichtung in den Kerntheilungsstadien leichter zum Vorschein gebracht werden kann. d. Der Knospungsakt der Cyphoderia. Im Gegensatz zu SCHEWIAKOFF kann ich den Fortpflanzungs- vorgang der Testaceen, wie ihn dieser Forscher in klaren Details für Euglypha festzustellen vermochte, nieht für einen einfachen Theilungsvorgang halten, sondern sehe ihn mit GRUBER für einen Knospungsvorgang mit darauffolgender Theilung an. Bei Cyphoderia führt nämlich ein allmähliches, wenn auch auf keinen Fall ein langsames Wachsthum eines vor der Mutter- schale angesetzten Schalenstückes zur Ausbildung der Tochterschale. Der Mündungstheil der Tochterschale erhält schon seine definitive Anordnung und Ausbildung, während ihr Fundustheil noch nicht einmal seiner Gestalt nach vorgebildet ist (Taf. V, Fig. 6, 7 und 8). Beim ersten Anblick früher Sprossungsstadien könnte man glauben, dass die Tochterschalen in der Nähe des Mündungstheiles gewaltsam Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 69 abgebrochen wären!. An konservirten. in Kanadabalsam aufgehell- ten Thieren (das Exemplar Fig. 6 wurde lebend aufgefunden und dann konservirt, diejenigen der Fig. 7 und 8 wurden erst nach ihrer Konservirung innerhalb der Grundprobe gefunden) lässt sich durch Seeignetes Wenden der Präparate leicht feststellen, dass die schein- baren Bruchränder der Tochterschalen sich in das Schaleninnere trichterartig umbiegen, um durch die engere Trichteröffnung einen Theil der Sarkode hindurchtreten zu lassen (Taf. V, Fig. 6, 7 und 8). Der trichterförmig nach innen gezogene Schalentheil zeigt noch nicht das hexagonale Gefüge des bereits fertigen Mündungstheiles in seiner ganzen Ausdehnung, nur in der Nähe des Mündungsrandes selbst ist die Sechsfelderung noch einigermaßen deutlich, nach der einwärts ge- wendeten Spitze des Trichters hin wird sie immer verschwommener, zuletzt in eine fast homogen aussehende Masse übergehend, welche die Trichterspitze einnimmt. Da, wo die Sarkode aus der Trichter- spitze heraustritt, nimmt man zunächst kleeblattartige Bildungen wahr (Taf. V, Fig. 8 A), die nichts weiter sind als einzelne mit einander verschmolzene Reserveplättchen. Es geht dies daraus hervor, dass auf die kleeblattähnlichen Gebilde weiterhin einzelne isolirte Reserveplättchen folgen, welche den einzelnen Blättern der Bildungen vollauf entsprechen (Fig. 8 Pl und Textfig. 2 %l, p. 85). Wie ich später zu zeigen versuchen werde, werden die Reserve- plättehen nach der Baustelle am Triehterrande hin zusammenge- schoben, eine Kittmasse lagert sich zwischen sie, vereinigt sie zunächst zu kleeblattartigen Gebilden, und zieht sie dann an den Trichterrand des Neubaues heran. Erst mit der allmählichen Erstarrung der Kittsubstanz tritt dann die sechseckige Form der Plättchen wieder deutlich hervor. Über die physikalischen Momente, welehe hierbei und bei der schließlichen Umstülpung der neuen Wand in die Ebene der Tochterschale eine Rolle spielen, wird Näheres weiter unten, Beitrag V, mitgetheilt werden. Man wird aber hier schon erkennen, warum alle Umänderungen in der Schalenwölbung oder in der Plättchen- sröße, welche öfters an den Schalen wahrgenommen werden, immer nur von einem Schnittkreise der Schale (cf. p. 48 u. 49) ihren Ursprung nehmen. Die Schnittkreise entsprechen den ehemaligen Umstülpungsrändern der Wachsthumstrichter; der Wechsel in Form oder Gefüge der Schale hinter einem gewissen Schnittkreise ist dadurch vollständig erklärt, dass die Tochterschalen nicht mit einem 1 Zu diesem Glauben ist GRUBER gekommen, der ein solches Knospungs- stadium schon beobachtet hat. 70 L. Rhumbler, Male in toto angelegt, sondern allmählich aufgebaut werden. Zu Anfang des Sprossungsaktes müssen die Plättchen öfters noch kümmer- licher, kleiner ausgebildet sein, als später, wenn der Fundustheil der Schale angelegt wird (cf. Schalen mit kleinplattigem Mündungs- und großplattigem Fundustheil); ja manchmal scheinen Reserveplätt- chen zu Anfang des Sprossungsaktes überhaupt noch nicht vorhanden zu sein, und erst später gebildet zu werden (Taf. V, Fig. 2); statt der Reserveplättehen wird hier sogar gelegentlich ihr Rohmaterial der Schale einverleibt. Auf alle Fälle werden also während des Sprossungsaktes noch Reserveplättchen neu gebildet, oder schon vor- handene, kleinere Reserveplättchen erfahren noch während des Spros- sungsaktes eine Vergrößerung; es darf daher auch nieht verwundern, wenn man während des Sprossungsaktes noch Phäosomen in den Weichkörpern antrifft; sie sind immer nach der Baustelle hin ver- schoben, wenn sie ihr auch meist nicht direkt anlagern. Bei den fertig gebildeten Tochterschalen liegen die Phäosomen sogar hinter dem Kern des Tochterindividuums (ef. Taf. V, Fig. 12 und 13), also an der Stelle, wo zuletzt gebaut wurde, denn hier muss die Öffnung des Wachsthumstrichters zum Verschluss gebracht worden sein. Eine ähnliche Stellung zeigen sie sonst niemals. Die Zahl der gebildeten Reserveplättehen richtet sich nur im Großen und Ganzen nach dem Umfang, welchen die Tochterschale annehmen soll. Gelegentlich bleiben unverwendete Plättchen nach Fertigstellung des Tochter- gehäuses zurück (Taf. V, Fig. 13 ?Z2), zuweilen reicht die vorhandene Zahl der Plättchen zur vollständigen Deckung der Schale nicht aus; der hintere Theil der Schale bleibt dann offen, oder die offene Stelle wird durch Kittmasse ohne Plättchen ausgefüllt; es entstehen Nacktstellen (ef. p. 81, Taf. V, Fig. 13 Nst). Eben so wenig scheint die Menge der erzeugten Kittmasse zur Herstellung einer neuen Tochterschale oder das Mengenverhältnis von Kittsubstanz und Plätt- chen bestimmt zu sein; ist zu wenig Kittmasse da, dabei aber die Anzahl der Plättchen ausreichend, so werden die hornartigen Schalen- enden entstehen, auf denen oft die Schalenplättchen dornartig ab- stehen, weil nicht Kittmasse genug da war, sie mit ihrer Breitseite aufzunehmen (Taf. V, Fig. 7 P/,); stand mehr Kittmasse zur Verfügung als Plättehen, um sie zu decken, so treten Nacktstellen auf etc. Wie durch diese Verhältnisse das Schalengefüge des Sprösslings beeinflusst und dem der Mutter in ziemlich weiten Grenzen ungleich ausgestaltet werden kann, so weicht auch die Schalenform des Spröss- lings gelegentlich nicht unerheblich von derjenigen der Mutterschale Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—-V. 71 ab. So ist in Fig. 7 das in Anlage begriffene Tochtergehäuse schmäler, in Fig. 8 aber breiter als das Muttergehäuse, in Fig. 13 enthält das Muttergehäuse am hinteren Ende eine Nacktstelle, während die Tochterschale einer solchen entbehrt; auch in Fig. 12 sind die Schalendimensionen keine gleichen. Keins der abgebildeten Spros- sungsexemplare zeigt in Tochter- und Mutterschale genau dieselben Größen- und Gefügeverhältnisse, man wird daher den Satz aufstellen dürfen: Die während des Sprossungsaktes der Testaceen aufgebauten Tochterschalen sind den Mutterschalen nicht kongruent, sondern nur in gewissen, gar nicht einmal besonders engen Grenzen, ähnlich. Dieser Satz ist für Cypho- deria bewiesen; die Schalenvariationen anderer Species deuten aber auf dasselbe Gesetz hin. Von dem Kern und seinem Verhalten während der Sprossung war schon früher die Rede. Die Plasmazonen erleiden während des Sprossungsvorganges augenscheinlich starke Verschiebungen, was schon aus der Anwesenheit von Phäosomen hinter dem Kern des Tochterindividuums hervorgeht, aber auch durch die in sehr ver- schiedener Lagerung befindlichen Nahrungskörper bewiesen wird. Der allmähliche Schalenaufbau der Cyphoderia hängt wohl damit zusammen, dass die Sarkode sich nicht wie bei Euglypha mit einem Male auf ihr doppeltes Volumen aufzublähen und die Tochterschale hierdurch in toto anzulegen vermag. Eben aus dem Sprossungsakte hervorgegangene Thiere zeichnen sich vor älteren dadurch aus, dass sie nur ganz wenige oder gar keine Phäosomen und Reserveplättchen enthalten; auch die Ex- kretkörnchen scheinen zu fehlen oder sind nur zu wenigen vorhan- den; wo sie hingekommen sind, weiß ich nicht. Der Weichkörper füllt die Schale nur halb aus; der Kern ist klein und enthält meist eine größere Zahl von Binnenkörpern. e. Die Konjugation von Cyphoderia und der Testaceen im Allgemeinen. Dass bei den Testaceen wirkliche Konjugationszustände vor- kommen, ist schon vielfach früher vermuthet worden. BLOCHMANN hat wohl den ersten, thatsächlichen Beweis einer Konjugation da- durch beigebracht, dass er sechs bis zehn einzelne Euglyphen in den hängenden Tropfen brachte und beobachtete. »Die etwa auf- tretenden Konjugationspaare wurden herausgenommen und zur wei- teren Beobachtung in einem anderen Tropfen isolirt.« Die Konju- gationspaare trennten sich dann wieder, ohne dass Veränderungen 72 L. Rhumbler, in ihnen wahrgenommen wurden. Auch verhielten sich die losgelösten Thiere verschieden, theils theilten sie sich normal, theils eneystirten sie sich wie gewöhnliche Individuen. VERWORN trennte mit ihren Schalenmündungen an einander liegende Thiere künstlich von ein- ander und beobachtete hierauf, wie sich die gewaltsam aus einander gerissenen Thiere wieder vereinigten. VERWORN hat nun in den Konjugationsexemplaren eigenthüm- liche kleine Gebilde vorgefunden, denen er bei dem Konjugations- akte die Bedeutung und Funktion der Mikronuclei von Infusorien zuschreiben zu dürfen glaubt. Ich besitze eine größere Zahl von Konjugationsexemplaren sehr verschiedener Testaceenspecies, und anfänglich glaubte ich auch hier und da in einzelnen Exemplaren kleine Körperchen, allerdings von anderer Form als die von VER- WORN beobachteten, für die VERWworN’schen Mikronuclei halten zu dürfen. Es stellte sich dann aber — entweder durch die Methylgrün- Eosinfärbung oder durch Vergleich mit den Inhaltsmassen des äuße- ren, umgebenden Mediums, aus welchem die Thiere genommen waren, oder schließlich durch Vergleich mit anderen nieht in Konju- sation befindlichen Thieren — heraus, dass die in meinen Präpa- raten vorgefundenen Körperehen nichts Anderes als von außen aufgenommene Fremdkörper waren; zweifelhaft bin ich nur über die Bedeutung der am Schlusse dieses Kapitels beschriebenen klein- sten Gebilde ohne bestimmte Struktur geblieben. In den meisten meiner Konjugationsexemplare fehlen derartige Körperchen, welche zu einer Verwechslung mit Mikronuclei Anlass geben könnten, gänz- lich; die Fremdkörper sind in solchen Exemplaren oft so groß, dass ihre Natur nicht verkannt werden kann. Ein Konjugationsexemplar einer großen Centropyxis-Art habe ich in sehr dünne Schnitte zer- legt, ich konnte aber auch auf diesen Schnitten nichts Mikronucleus- artiges auffinden. Ich glaube daher, dass sich VERWORN in seiner Auslegung geirrt hat, und dass die verkannten Gebilde Nahrungs- körperchen, den Zeichnungen nach vielleicht kleine Algen gewesen sind. Die Thatsache, dass sich die Kerne der Testaceen karyokine- tisch theilen (SCHEWIAKOFF [12a], BLAnc [1]), macht es ohnedies, wie ich glaube, nicht wahrscheinlich, dass sich neben dem Nucleus der Testaceen noch ein Mikronucleus finden wird. Die inneren sich während der Konjugation der Testaceen ab- spielenden Vorgänge sind also bislang immer noch in ungelichtetes Dunkel gehüllt, vielleicht werden die nachfolgenden Nittheilungen zur Klärung der Verhältnisse etwas beitragen können. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 173 Zwei Konjugationspaare, die ich von Cyphoderia besitze (Taf. V, Fig. 4—5), sind beide aus einem alten Thier und einem jungen eben aus der Knospung hervorgegangenen Thier zusammen- gesetzt. Hierüber kann nicht der geringste Zweifel obwalten. Die mit I bezeichneten Thiere sind die alten, sie sind kenntlich durch die Größe des Kerns, den dichten Gürtel von Phäosomen, welcher sich vor dem Kerne befindet, und die große Zahl von Exkretkörnchen, welche den Haupttheil des Kernes umlagern und in dem einen Exemplar nicht recht erkennen lassen, ob Binnenkörper in dem Kern vorhanden sind oder nicht. In Fig. 4 sieht man einzelne Binnenkörper im Kerne des alten Thieres. Die Schalen dieser alten Thiere erscheinen um eine Nüance dunkler, als diejenigen der ihnen angelagerten jungen Thiere. Die letzteren, in den Figuren mit /T bezeichnet, offenbaren ihr jugendliches Alter durch ihre geringe Kerngröße und den Mangel, bez. die Spärlich- keit an Phäosomen und Exkretkörnchen (ef. p. 71). Beachtenswerth erscheint mir außerdem, dass die alten Thiere ihre Schale in viel höherem Grade ausfüllen als die angelagerten jungen Thiere. Die geringe Menge der in den letzteren enthaltenen Sarkode ist wohl ein beredtes Zeugnis dafür, dass die angelagerten Thiere erst ganz kurze Zeit aus einem Knospungsakte entsprungen sind; in den abgebil- deten Stadien hat ein Sarkodeaustausch, falls ein solcher in späteren Stadien eintreten sollte, jedenfalls noch nicht stattgefunden. Der auffallende Kontrast in der Größe der Kerne beider Thiere schließt es vollkommen aus, dass hier eine Verwechslung durch einen Spros- sungsakt mit einander verbundener Thiere zu befürchten sei. Die abgebildeten Konjugationsexemplare sagen also aus, dass bei der von mir geprüften Konjugation von Cyphoderia ein eben aus der Knospung hervorgegangenes Thier mit einem älteren Thier zusammentritt, das längere Zeit kein Tochterthier hat hervorknospen lassen, oder, da mit dem Knospungsakte eine Kerntheilung verbunden ist, dass ein Thier mit längerer Zeit nicht getheiltem Kern sich mit einem Thier vereinigt, das einen eben erst getheil- ten Kern enthält. Ob die Theilung des jüngeren Thieres eine ge- wöhnliche Theilung des Knospungsaktes war, oder ob sie nach dem von BLOCHMANN beobachteten Vorgange statt hatte!, ob sie schließlich eine Äquations- oder Reduktionstheilung war, dafür ergeben sich aus meinen Präparaten keine Anhaltspunkte. Immerhin erscheint mir der Hinweis von Interesse, dass auch bei der Konjugation der 1 BLOCHMANN (2) beobachtete bei Euglypha Aufbau einer Tochterschale mit Kerntheilung, dann Abstoßung der Tochterschale und des einen Theilkernes. 74 L. Rhumbler, Testaceen eine dem Konjugationsakte direkt vorhergehende Kern- theilung eine Rolle spielt; mir scheint dadurch der Konjugations- process den Erscheinungen erheblich näher gerückt, die wir bei den Konjugationen der Infusorien und der Geschlechtszellen von Meta- zoen auftreten sehen. Es wäre auch leicht, Vermuthungen über die weiteren Vorgänge aufzustellen, etwa zu muthmaßen, dass der Kern des älteren Thieres sich nachträglich auch theilt und dann seine eine Kernhälfte sich mit dem bereits vor der Konjugation getheilten Kern des angelagerten Thieres vereinigt; aber Belege für solche Vorgänge fehlen noch gänzlich. Auch bei einer zur Gruppe der Difflugia pyriformis Perty gehörigen Testacee, die ich im Anhang als Difflugia asterisca nov. sp. (Taf. IV, Fig. 14) beschreiben werde, und bei Difflugia pyriformis Perty selbst (Taf. IV, Fig. 15), sind die Kerne der beiden Konjuganten sehr verschieden groß. Es scheint auch hier ein Thier mit einem eben getheilten Kern sich mit einem solehen zusammengelagert zu haben, das längere Zeit hindurch eine Kern- theilung nicht durchgemacht hat. Trotz dieser neuen Belege aus einer anderen Testaceengruppe wäre es aber verfehlt, wenn man bei allen Testaceen die Kon- jugation immer nach demselben Schema vor sich gehend denken wollte. Man wird wohl ohne Weiteres annehmen dürfen, dass zwar das Grundprincip bei den Konjugationsvorgängen der Testaceen überall dasselbe ist, dass z. B. vielleicht immer die Vereinigung eben zetheilter Kerne dabei stattfindet. Als Variationen könnten dann aber folgende Vorgänge auftreten: 1) Zwei Thiere mit alten Kernen vereinigen sich und eine beiderseitige Kerntheilung findet erst wäh- rend der Vereinigung statt, der Kerntheilung folgt eine wechsel- seitige Vereinigung der Kernhälften, welche vielleicht mit dem Auf- bau von Tochterindividuen verbunden ist. 2) Die Kerne der beiden zur Konjugation zusammengetretenen Thiere haben sich kurz vor der Konjugation bereits getheilt, und vereinigen sich während der Konjugation zu einem Kerne; vielleicht kann der von BLOCHMANN seschilderte Fall, dass zwei Thiere zusammen nur ein Gehäuse auf- bauen, in dieser Richtung eine Deutung erfahren. Die dritte Varia- tionsmöglichkeit wäre dann im Verhalten der Cyphoderia ge- geben. Der Kern des einen Thieres hat sich soeben getheilt, der Kern des anderen muss sich erst noch theilen. Ich habe mich auf vorstehende Spekulation nur desshalb ein- gelassen, weil ich von Difflugia globulosa Dujard. Konjuga- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III-V. 75 tionsexemplare besitze, deren Kerne in beiden Thieren gleich groß sind; und weil hierdurch einerseits belegt ist, dass der Konjugations- akt nicht bei allen Arten nach demselben Schema verläuft, anderer- seits aber hieraus nicht geschlossen werden darf, dass der Konju- sationsakt nicht auch bei diesen Thieren mit Kerntheilungsvorgängen in irgend welcher Weise verknüpft sein könnte. Besondere Aufmerksamkeit verdient das in Fig. 21, Taf. IV ab- gebildete Konjugationsexemplar dieser Difflugie, weil hier der Kern des einen Thieres im Begriffe steht in das andere überzutreten. Auch bei dem von mir geschnittenen Konjugationsexemplar der sroßen Centropyxis ist der Kern des einen Thieres aus dessen Schale herausgetreten und hat sich dem Kern des anderen Thieres senähert!. In einem Exemplar der Difflugia pyriformis Perty (Taf. IV, Fig. 17), welcher auch das Konjugationsexemplar Fig. 15 angehört, habe ich zwei kleine Kerne vorgefunden, obgleich die Form seit meinen dreijährigen Beobachtungen sonst stets einkernig war. Vielleicht ist der zweite Kern während des Konjugationsaktes in das Thier hineingeschoben worden, und vielleicht wären beide Kerne später mit einander verschmolzen. Die Komplikationen, welche sich bei der Konjugation der Testaceen einstellen können, sind aber in dem bereits Mitgetheilten noch keineswegs erschöpft; einestheils habe ich gelegentlich drei Thiere an einander gelagert gefunden (bei einer zur Gruppe Difflugia pyriformis gehörigen Species), über deren Kernverhältnisse ich aller- dings keine Auskunft geben kann, da die Thiere lebend beobachtet wurden und sich bald trennten; anderntheils tritt bei einigen Testa- ceen gelegentlich Eneystirung konjugirter Exemplare ein. Den ein- i Als Konjugationsexemplare ließen sich die letzterwähnten Thiere (Fig. 21) durch ihre dunkle Schalenfärbung erkennen, welche bei dem Knospungsakt nur eins der Thiere, nie aber beide, auszeichnen kann. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass auch in alten Schalen Thiere mit eben getheilten Kernen vorkommen; eins der Thiere behält ja bei der Knospung die alte Schale; die Schale kann also zur Bestimmung der seit der letzten Kerntiheilung verflossenen Zeit nicht unbedingt maßgebend sein; sie ist nur dann maßgebend, wenn sie aus stichhaltigen Gründen als sehr jung konstatirt werden kann, denn dann kann die Kerntheilung nicht lange vor der Zeit der Beobachtung der jungen Schale gelegen haben. Alte Schalen lassen keinen Schluss auf das Alter der inihren Trägern enthaltenen Kerne zu. Dass bei meinen Cypho- deriakonjuganten die Schale der Thiere mit eben getheilten Kernen sich zugleich durch ihr helles Kolorit als junge Schalen kund gaben, mag bloßer Zufall ge- wesen sein, und ich habe ja auch keineswegs das Kriterium der kurz vorauf- gegangenen Kerntheilung auf das Aussehen der Schalen basirt, 76 L. Rhumbler, fachsten Fall dieser Art habe ich in Fig. 20 wiedergegeben, die beiden Thiere (Difflugia bacillifera Penard) haben sich mit ihren Mündungen an einander gelagert und eine stark färbbare Membran zwischen sich abgeschieden, so dass diese Membran Wohn- raum und Weichkörper beider Gehäuse vollständig von einander trennt. Die Kerne in beiden Thieren zeigen den gleichen Durch- messer. Ob es sich hier um eine wirkliche Konjugation handelt, mag zweifelhaft erscheinen, da eine Vereinigung der Weichkörper in diesem Präparat nicht nur nicht im Gange ist, sondern sogar durch die scheidende Membran unmöglich gemacht zu sein scheint. Ich vermuthe aber, dass der Konjugationsakt der Thiere später, nach Sprengung der scheidenden Membran, welche die Aufgabe einer Cystenmembran versieht — doch noch stattgefunden hätte; diese Vermuthung ist auf ein Präparat von Difflugia elegans Penard aus dem Titimoor gegründet. Über die Eigenheiten der Cysten dieser Difflugie ist p. 44 das Nöthige mitgetheilt worden. Das eneystirte Konjugatenpaar (Fig. 19) lässt nun in beiden Thieren alle wesent- lichen, zu einer Cyste gehörenden Bestandtheile erkennen. Die den hinteren Theil abschließende Membran M ist aber von den Thieren durchbrochen worden und ihre Weichkörper haben sich vereinigt; es ist also nach einer beiderseitigen Eneystirung eine Konjugation eingetreten. Um mit meinen eigenen, die Konjugation betreffenden Beobach- tungen zu schließen, mag hier noch auf das von mir bereits an einem anderen Orte (10b) beschriebene Vierlingsexemplar von Difflugia elegans Pen. (Taf. V, Fig. 16) hingewiesen werden. Es handelt sich zwar hier um eine leere ausgestorbene Schale, in der einen A lässt sich aber der Überrest einer Cyste © deutlich wahrnehmen, so dass die Vorgeschichte des Exemplars wohl folgende war, ein aus dem encey- stirten Zustand erwachtes Individuum ist mit einem nicht eneystirt sewesenen! in Konjugation getreten, und beide standen im Begriffe semeinsam zwei Tochtergehäuse aufzubauen, als sie aus irgend welchem Grunde abstarben. Ganz eigenthümliche Doppelexemplare, welche gleichfalls wohl durch Konjugation gemeinsam bauender Thiere entstanden sind, habe ich verhältnismäßig häufig bei Pontigulasia spiralis nov. gen. nov. spec. (Taf. IV, Fig. 6—8) aufgefunden. Die Gehäuse haften nicht bloß äußerlich zusammen, sondern sie um- schließen einen gemeinsamen Hohlraum. Wenn man zu den angeführten Fällen noch die Beobachtung ' Es fehlt bei diesem Individuum jede Chitintapete. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. In BLOCHMANN’s hinzunimmt, wo zwei konjugirte Euglyphen ge- meinsam ein drittes aber größeres Individuum durch Vereinigung ihrer Zellleiber erzeugten, und jedenfalls auch durch Vereinigung ihrer Kerne, denn es war in dem erzeugten Individuum bloß ein Kern nachweisbar, und last not least die Beobachtungen BÜTScHLr's in Rücksicht zieht, — bei zweien von drei konjugirten Arcellen traten nach Lösung der Konjugation amöbenartige Wesen, nach BÜrTscHLı vielleicht Arcellasprösslinge, in größerer Zahl aus; so wird man schon jetzt sagen dürfen, dass der Konjugationsvorgang der Testa- ceen in seinem Verlaufe bei den verschiedenen Species sogar recht seroßen Variationen unterworfen ist; in wie weit sich solche Varia- tionen bei ein und derselben Species finden, muss dahingestellt bleiben, nach meinen Erfahrungen vermuthe ich, dass sie sich hier in ziem- lich engen Grenzen bewegen. Zusammenfassung. Nach meinen Beobachtungen an Cypho- deria ist erwiesen, dass bei der Konjugation dieser Testacee öfters ein Thier mit eben getheiltem Kern sich mit einem Thier vereinigt, dessen Kern sich längere Zeit hindurch nicht getheilt hat; ob sich Cyphoderia bei der Konjugation immer in derselben Weise verhält, kann aus der geringen Zahl der von mir beobachteten Konjugations- exemplare allerdings nicht geschlossen werden. Eine gegenseitige Annäherung der Kerne während des Konjugationsaktes ist durch mich für Centropyxis aculeata (Ehrenb.) und Difflugia globulosa Duj. ebenfalls (Taf. IV, Fig. 21) konstatirt. Die Anwesenheit zweier Kerne bei der sonst stets einkernigen Difflugia pyriformis ist vielleicht auf die Einfuhr eines Kernes während des Konjugationsaktes zurück- zuführen. Eine Verschmelzung von Kernen ist durch die Beob- achtung BLocHMANN’s wahrscheinlich geworden, leider kann aber der betreffende Fall für die vorgenannten nicht maßgebend sein, weil weder in jedem Falle bei Euglypha. nach den Mittheilungen BLOCHMANN’S noch bei den vorgenannten, auf andere Testaceen- species bezüglichen Fällen das Resultat der Konjugation ein gleiches ist, nämlich die Entstehung eines einzelnen größeren Thieres aus der Vereinigung der beiden Konjugaten. Ein abschließendes Urtheil kann demnach über die Konjugation der Testaceen bis zur Stunde noch nicht gefällt werden, wenn auch die Vermuthung, dass dabei eine Verschmelzung von kurz vorher getheilten Kernhälften vor sich geht — eine Vermuthung, welche diese Vorgänge mit der Konjuga- tion sonstiger Organismen in Parallele brächte — bis jetzt nirgends, so weit ich sehen kann, auf ein Hindernis in dem Thatsachenmaterial 78 L. Rhumbler, stoßen würde; denn auch vor oder nach der Eneystirung kann bei denjenigen Exemplaren, wo Eneystirung den Konjugationsakt kom- plieirt, eine Kerntheilung stattfinden oder stattgefunden haben. Auf die Konjugation folgt bei Euglypha nach BLocHMAnN’s Unter- suchungen bald Eneystirung bald Fortpflanzung durch Knospung, nach BürscaHLi bei Arcella eventuell eine Vermehrung durch innere Sprösslingsbildung. Meine Konjugationsexemplare von Cyphoderia stammten alle drei aus einer Grundprobe, welche am 19. December 1893 aus der Kultur aufgenommen worden war, spätere Grundproben brachten keine Konjugationsexemplare; am 30. Januar 1894 traten dann die im vorigen Beitrage geschilderten Knospungspaare auf; doch liegen die beiden Zeiträume wohl zu weit aus einander, um die Knospung als erstmalige Folge des früheren Konjugationsaktes ansehen zu dürfen, wie sich denn auch in Präparaten vom 21. De- cember 1893 und 12. Januar 1894 schon Einzelindividuen finden, welche durch die bekannten Eigenthümlichkeiten auf ihre jugend- liche Existenz schließen ließen. x Wenn ich im Vorstehenden für die Wahrscheinlichkeit einge- treten bin, dass die Konjugation der Testaceen mit einer zu sehr verschiedenen Zeiten auftretenden Vereinigung frisch getheilter Kerne verbunden ist, und dass hierbei keine besonders konstituirten Mikro- nuclei auftreten, wie VERWORN meinte, so kann ich doch nicht unter- lassen auf einige Besonderheiten meiner Konjugationsexemplare von Cyphoderia aufmerksam zu machen. Es finden sich nämlich an verschiedenen Stellen des Protoplasmakörpers kleine roth gefärbte Gebilde von unbestimmter Gestalt und Größe, welche ihrer Färbungs- intensität nach etwa den Binnenkörpern innerhalb des Kernes ent- sprechen. Diese Gebilde sind in den Präparaten erst jetzt, nachdem dieselben über ein Jahr gelegen haben und mehrere Tage im Sonnen- licht gebleicht worden sind, erkennbar hervorgetreten. Sie machen den Eindruck von weichen, zähflüssigen Substanzquantitäten, die sich vielleicht in den Kanten der Protoplasmawaben mehr oder weniger zu kleinen Kugeln kontrahirt oder aber auch in mehreren an einander stoßenden Wabenlagen verbreitet haben, so dass paral- lele oder gerade Reihen (Taf. V, Fig. 5) durch sie formirt worden sind, welche voraussichtlich den zusammenhängenden Wabenreihen des Protoplasmas entsprechen. Man könnte diese fraglichen Gebilde für ausgestoßene Chromatin- oder Binnenkörpermassen halten, und in einem Austausch dieser Massen die Bedeutung des Konjugations- aktes suchen zu müssen glauben. Eine solche Anschauung hat Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 79 einige Berechtigung, bei den Gregarinen findet z. B. während der Konjugation eine Vereinigung frisch getheilter Kerne sicher nicht statt, so dass die Beeinflussung der Kerne, die man während des Konjugationsaktes doch wohl nach Analogieschlüssen auch für die Gregarinen erwarten darf, auf eine andere als die von mir ver- muthete Weise geschehen muss. Die Kleinheit der soeben erwähn- ten Gebilde würde es verständlich erscheinen lassen, warum die Austauschvorgänge der Kernsubstanzen bisher im Dunkeln geblieben sind. Falls sich auch in der Folgezeit gegen alles Erwarten eine Kernkopulation als Begleiterscheinung der Testaceenkonjugationen nieht nachweisen lassen sollte, so würde ich für angemessen halten, nach jenen kleinen Gebilden auch bei anderen Species zu suchen. Vielleicht stellen die in Fig. 19 mit ? bezeichneten Körperchen in den konjugirten Cysten von Diftlugia elegans Ähnliches dar. Sie werden bei ihrer Kleinheit und wegen des Mangels einer bestimmten Struktur — letzterer verbietet ihre Koordination mit der von VER- WORN für Mikronuclei gehaltenen Gebilden — sich nur schwer nach- weisen lassen. Vorläufig halte ich sie für eine Masse, welche dazu bestimmt ist, sich zwischen den Mündungen der beiden Konjugaten als zusammenhaltender Kitt zu lagern. Die an den Mündungs- rändern des Konjugationsexemplars zum Zusammenhalt derselben (Taf. V, Fig. 5 rX) ausgeschiedene Kittsubstanz hat nämlich die- selbe Intensität der Eosinfärbung wie diejenige der fraglichen Körperehen angenommen, und wenn die Färbungsintensität als Zu- Sehörigkeitsattest verwendet werden soll, so hat die Kittmasse X bei meinen Präparaten dasselbe Recht wie die Binnenkörper mit den fraglichen Substanzen in Zusammenhang gesetzt zu werden. Bei dem Exemplar Fig. 4 hat eine Abscheidung von Kittmasse an den Mündungsrändern überhaupt noch nicht stattgefunden; die frag- lichen Substanztheilchen scheinen hier auch etwas reichlicher. \E Zur Mechanik und Phylogenie des Schalenaufbaues der Testaceen. a. Das Zustandekommen des dichten Schalengefüges. Ich habe schon in Nr. I dieser Beiträge (10b) zu zeigen versucht, dass das Gefüge des Tochtergehäuses von Difflugia elegans Penard ! ! Von mir früher, dem damaligen wissenschaftlichen Standpunkt ent- sprechend, zu Difflugia acuminata Ehrenb. gerechnet. Neuerdings von PENARD aber richtig von ihr abgetrennt. S0 L. Rhumbler, durch rein mechanische Vorgänge zu Stande kommt. Das extra- thalam aufgespeicherte Baumaterial dieser Difflugie wird während des Sprossungsvorganges auf der ihm als Unterlage dienenden Kitt- masse (= innere Deckschicht), welche die Formgestaltung des Mutter- gehäuses annimmt, gegen das äußere Wasser hin vorgestoßen. Da- bei werden die einzelnen Bausteinchen durch den Reibungswider- stand des Wassers und durch die inneren Strömungen der Sarkode (Genaueres cf. loe. eit. p. 521) aus ihrer Anfangs radiär gerichteten Lagerung mit ihrer ganzen Breitseite in die Kittmasse eingelagert, während sie vorher nur mit einer Kante oder mit einer Spitze in derselben eingesenkt waren. Da die Kittmasse eine große Adhäsion zu den Steinchen haben muss — denn sonst könnte sie die Stein- chen nicht zusammenhalten —, so werden Steinchen mit breiterer Fläche stärker an sie herangezogen als solche mit kleinerer Fläche. Wo daher bei der Umlagerung größere und kleinere Steinchen mit einander in Konflikt gerathen, werden Steinchen mit größeren Flächen die kleineren Steinchen so lange verschieben, bis sie selbst für ihre breitere Fläche Platz gefunden haben, zumal die kleineren Steinchen durch geringeren Reibungswiderstand (im Wasser und auf der Kittmasse) leichter zu weichen vermögen als die größeren Stein- chen. Selbstverständlich müssen dabei noch besondere Fälle berück- sichtigt werden, so wird es z. B. vorkommen können, dass mehrere kleinere Steinchen, wenn sie von allen 'Seiten durch größere be- drängt werden, sich gemeinsam wie größere verhalten, und nun Steinchen zum Weichen bringen, deren Andrängen sie allein nicht gewachsen gewesen wären ete.ete. Die Größe des Tochtergehäuses braucht sich bei diesen Vorgängen keineswegs genau nach der Menge der aufgespeicherten Bausteinchen zu richten. Sind mehr Bausteinchen vorhanden als die Fläche des Tochtergehäuses zu fassen vermag, so werden nicht alle Steinchen zur vollkommenen Einlagerung ihrer Breitseite in die Grundmasse gelangen, sondern manche werden noch schräg in der Kittmasse eingesenkt bleiben; das Tochtergehäuse wird an einzelnen Stellen oder auch in seinem ganzen Umfange rauh und grobsandig erscheinen. Reicht dagegen die Zahl der auf- gespeicherten Steinchen zur Herstellung der Wand eines Tochter- Sehäuses nicht aus, so legen sich die Steinchen nur stellenweise in diehtem Gefüge an einander, während an anderen Stellen die Ge- häusegrundmasse frei zu Tage tritt und vorläufig wenigstens jeder sekundären Auflagerung entbehrt. Ich bezeichne derartige, von sekundären Auflagerungen entblößten Stellen in dem Schalengefüge Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. Sl als »Nacktstellen<, sie kommen bei allen sandigschaligen Testaceen vor, wenn sie hier auch gelegentlich sekundär von Pseudoquarzen (ef. p. 98 u. 99) verdeckt werden, sie fehlen auch den aus Kiesel- stäbehen bestehenden Schalen eben so wenig, wie den aus einzelnen kleinen Chitinplättehen zusammengesetzten Cyphoderia-Schalen. Der vordere des Plättchenbelages entbehrende Schalentheil (Taf. V, Fig. 2) stellt eine solche sehr ausgedehnte Nacktstelle dar, kleinere Nacktstellen finden sich oft am hinteren Ende der Schale. Man vergleiche z. B. Taf. V, Fig. 13 Nst, welche zugleich beweist, dass Tochter- und Mutterschale sich in dieser Beziehung ganz ungleich verhalten können, die Tochterschale kann eine Nacktstelle haben, ohne dass die Mutterschale eine solche gehabt zu haben braucht, oder umgekehrt. Das Zustandekommen dieser Nacktstellen ist auffällig; man hätte wohl eher eine gleichmäßige Vertheilung der Bausteinchen innerhalb der Gehäusegrundmasse erwartet, so dass also die Bau- steinchen in einem breitmaschigen Netz von Grundmasse eingelagert gewesen wären, vielleicht nicht aber vermuthet, dass sie an einzelnen Schalenstellen in enger Aneinanderlagerung ein regelrechtes Mauer- werk bilden, an anderen Stellen dagegen gänzlich fehlen würden. Für Difflugia elegans Penard mit ihrer extrathalamen Auf- speicherung des Baumaterials ist jedoch das Auftreten der Nackt- stellen leicht zu erklären. Beim Aufblähen der zum Tochtergehäuse bestimmten Kittgrundsubstanz wird die Kittgrundsubstanz ein Größen- stadium durchlaufen, welchem die vorhandenen Bausteinchen zur Herstellung eines lückenlosen Mauerwerks genügen. Wenn dann der aus der Mutterschale hervorgetretene Sarkodeballen weiter an- schwillt, werden sich nieht alle Mauersteinchen wieder von einander lösen, — denn zwischen den Steinchen sind kapillare Räume vorhanden, in welchen die noch flüssige Kittgrundmasse, die Steinchen fest zusammenhaltend, emporsteigen muss! — sondern es wird nur da ein Bersten des Mauerwerks erfolgen, wo den jeweils gegebenen Verhältnissen nach gerade die am wenigsten wirksamen kapillaren Räume liegen? Ist an der Stelle minimaler Kapillarattraktion erst ein Reißen des Mauerwerks eingetreten, so 1 ef. A. WÜLLNER, Experimentalphysik. Leipzig 1874. Bd. I. p. 301. 2 Die Wirksamkeit der kapillaren Zwischenräume ist natürlich ganz von Gestalt und Größe der an einander liegenden Steinchen abhängig, kann also an verschiedenen Stellen des Gehäuses sehr verschieden sein, da die Steinchen ganz beliebige Gestalt haben können. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd, 6 82 L. Rhumbler, sind die anderweitigen Mauerstellen der Gefahr des Berstens ent- hoben. Denn mit der Entfernung der Rissränder nimmt die Kapil- larattraktion derselben in gleichem Schritte ab und, wenn schon vor dem Reißen an der künftigen Bruchstelle die geringste Kapillar- attraktion wirksam gewesen sein muss, so muss dies natürlich erst recht der Fall sein, wenn die Rissränder aus einander zu treten be- ginnen. Diese gewiss einfache Erklärung des Zustandekommens des Mauergefüges und der eventuellen Nacktstellen im Gehäuse der extra- thalam aufspeichernden Difflugia elegans hat aber zur Voraus- setzung, dass die Kittgrundmasse nieht in so breiter Schicht vor- handen ist, dass sie die Steinchen vollständig und allseitig also auch auf ihrer nach außen gekehrten Breitseite umfließen kann; denn sobald die Steinchen in der Kittgrundmasse quasi »unter- getaucht« lägen, könnten die kapillaren Spalträume nicht zur Wir- kung kommen. Es stimmt mit dieser Voraussetzung die Erfahrungs- thatsache, dass die Gehäusesteinchen der Difflugia elegans auf ihrer Außenfläche nackt zu Tage liegen. Bei dem neuen Genus Pontigulasia stellt die Kittgrundsubstanz nur eine äußerst dünne Lage dar, die nicht annähernd die Breite der aufgelagerten Bau- elemente erreicht, wie der Schnitt Taf. IV, Fig. 12 zur Genüge zeigt. Ich glaube, dass bei allen Testaceenschalen mit engem Gefüge die Lage der Kittgrundmasse dünner sein muss, als die Breite der auf- gelagerten Verstärkungsmittel — seien es Fremdkörper oder selbst abgeschiedene Substanzen. Wo die Verstärkungsmittel vollständig in die Kittgrundmasse eingetaucht lägen, da würde man mehrere Lagen derselben über einander und, wenn nicht, durch die Zahl zufällig zusammengedrängt, kein enges Gefüge zu erwarten haben. An ein- zelnen Stellen der Gehäusewand mögen unter besonderen Bedin- sungen aber solche Ausnahmezustände eintreten können — bei Leequereusia spiralis sieht man öfters, namentlich an der Hals- kerbe mehrere Stäbchen über einander liegen, ich glaube, dass sich hier in Folge von Oberflächenspannungsgesetzen breitere Schichten von Kittmasse zusammengehäuft haben, so dass die Kittschichtlage dieker wurde als die Höhe der Stäbchen. Wie kommt aber das ebenfalls eng gefüste Mauerwerk der Ge- häuse von intrathalam aufspeichernden Testaceen zu Stande. Hier findet keine Umlagerung der Steinchen statt, welche die erste Erzeugung eines Gefüges erklären könnte und auch die Wirkung der kapillaren Spalträume könnte ausgeschlossen erscheinen, da man Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 83 auf den ersten Blick nicht einsieht, warum die Steinchen, Stäbchen oder Plättehen nicht allseits von der Kittmasse umgeben sein sollten, mit der sie doch gleichzeitig aus dem Inneren des mütterlichen Weichkörpers auf die Oberfläche der Knospe zu rücken scheinen. Ich glaube, dass die Verstärkungsmittel auch bei intrathalamer Aufspeicherung nie in die Kittmasse selbst eingetaucht liegen, son- dern immer der Oberfläche derselben von Anfang an aufgelagert sind. Die Oberflächenspannung der ausgeschiedenen Kittschicht kann ein solches Einsinken nämlich auch dann verhindern, wenn sonst die Masse der Kittschicht vollständig ausreichte die Verstärkungsmittel allseits zu umfließen — eben so etwa wie die Oberflächenschicht des Wassers den Wasserläufer (Hydrometra) zu tragen vermag, der im Inneren des Wassers zu Boden sinken würde. Die Kittmasse muss hierbei ihre Entstehung nothwendig immer innerhalb der im Mutterkörper aufgespeicherten Festigungsmaterialien nehmen, ihre Außenfläche darf mit der Kittmasse nicht in Berührung kommen. Da diese nun in der Kernumgebung aufgespeichert werden, so wird das erste Auftreten der Kittmasse in der nächsten Nähe des Kerns zu suchen sein. Man vergleiche hierüber Litt. 10c, p. 508 und 509, wo ich schon für die Entstehung der Kittmasse in der un- mittelbaren Umgebung des Kerns auf Grund anderer, hier nicht zu wiederholenden Beobachtungen eingetreten bin!. Setzt sich nun die Kittmasse von der Kernumgebung aus nach dem aus der Schalenmündung hervortretenden Protoplasmatropfen hin in Bewegung, so folgen die Plättehen, auf der Oberfläche des Kittschicht- stromes schwimmend, dorthin, und treten als Decke auf die Oberfläche des Protoplasmatropfens, sobald der Kittschichtstrom sich hier aus- gebreitet hat, bez. von den Strömungen des Plasmas dort ausgebreitet worden ist. Auch auf einer Flüssigkeit schwimmende Körper suchen sich nämlich unter geeigneten Vorbedingungen in Folge von Kapillar- attraktion lückenlos an einander zu lagern, über oder unter einander können sie sich begreiflicher Weise nicht lagern, so lange sie die Oberflächenschicht der Flüssigkeit nieht durchbrochen haben, so lange sie also in die Flüssigkeit nicht vollständig eingetaucht sind. Streut 1 Wenn bei ausgestorbenen Euglypha- und Trinema-Schalen oft der zu- rückgebliebene Kern unmittelbar von Plättchen eingehüllt erscheint (10c, p. 509), so sind hier die Plättchen jedenfalls von der um den Kern gelagerten, und durch die Berührung mit dem Wasser verdichteten Kittsubstanz an den Kern herangezogen worden. 6* 84 L. Rhumbler, man z. B. feinste Sandkörnchen auf eine Wasseroberfläche, so schwimmen die Sandkörnchen auf der Oberfläche und gruppiren sich zu einem zusammenhängenden, aber nur bis zu einem gewissen Grade dichten, einschichtigen Sandhäutchen, wenn die einzelnen Sandkörn- chen dicht genug aufgestreut wurden, um die kapillare Attraktion wachzurufen. Unter dem Mikroskop betrachtet, ist ein solches Sandhäutchen aber doch zu locker zusammengefügt, um direkt mit dem Gefüge einer Difflugienschale verglichen werden zu können. Die Kapillarkräfte zwischen Wasser und Sandkörnchen scheinen wohl stark genug von einander entfernt liegende Steinchen bis zur Berührung einzelner Kanten oder Ecken einander zu nähern, ihre Wirkung scheint aber nicht immer ausreichend, die Steinchen so lange zu verschieben, bis sie auf allen Seiten mit allen in der Ober- flächenschicht der Flüssigkeit gelegenen Kanten mit einander in Kontakt getreten sind. Sehen wir uns daher nach Verhältnissen um, unter welchen diese höheren Einordnungsarbeiten geleistet werden können. | Auf keinen Fall ist das Zustandekommen der engen Gefüge an die Thätigkeit eines lebenden Organismus gebunden, wie folgendes Experiment zur Genüge beweisen dürfte. Schneidet man die Kalk- säckchen, welche sich zu beiden Seiten der Wirbelsäule unserer Frösche befinden, an und saugt man dann ihren Inhalt, der mit zahlreichen, kleinen stäbchenförmigen Gipskryställchen angefüllt ist, mit Hilfe einer Kapillarröhre auf, so hat man nun in der Kapillar- röhre ein Material, das bloß auf einen Objektträger gestrichen zu werden braucht, um ein Gefüge zu erzielen, das in Bezug auf Lücken- losigkeit und kunstvollem Aussehen auch nicht ein Jota hinter den Mauerwerken der Testaceen zurücksteht. Die in den Kalksäckchen vorhandene Flüssigkeit vertritt die Stelle der Kittgrundmasse, die Gipskryställchen spielen die Rolle der Bausteinchen, Stäbehen oder Plättchen. Die Zusammenordnung der einzelnen Stäbchen zu dem Gefüge beginnt am Rande des aufgestrichenen Tropfens; hier lagern sich, wie man unter dem Mikroskop sehr deutlich wahrnehmen kann, die einzelnen Stäbehen mit hastiger Eile lückenlos an einander, und sobald die Gipsstäbchen am Tropfenrande verbraucht sind, schießen aus dem Inneren des Tröpfehens neue Stäbchen, wie von irgend einem »Tropismus« geleitet, nach den Rändern hin, um sich in kürzester Zeit ebenfalls in das Gefüge einzuordnen. Die Stäbchen scheinen lebendig geworden zu sein. Wenn der Tropfen nicht zu dick aufgestrichen worden ist, erhält man ein einschichtiges Gefüge; Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 85 an der Stelle der ursprünglichen Tropfenmitte treten oft, wenn die Zahl der Stäbchen zur vollständigen Deckung der vom Tropfen ein- senommenen Fläche nicht ausreicht, einige Nacktstellen auf, die ihrem Aussehen nach ganz dem Aussehen der Nacktstellen aus ähn- lichen Stäbchen zusammengesetzter Testaceenschalen entsprechen. Wenn man anstatt des Aufstreichens auf einen Objektträger das Ende eines Glaswollfadens, das man durch Annäherung an ein brennendes Streichholz zu kolbiger Anschwellung gebracht hat, mit dem Kalksäckcheninhalt durch Eintauchen in denselben über- zieht, 8o überdeckt sich sehr häufig der ganze Glasfadenkolben mit einem lückenlosen Stäbchengefüge ohne Nacktstellen. Man erhält eine geradezu klassische Nachbildung von gewissen Difflugienscha- ser® NY N N N S Y RN Sr y TAU c N | SR KR MA x ‘ a 1A Ra 4 ’QS\ & t Zr A N c 4 v & N N RL N JAcHt ORT RN KON : IR 27 m R NN vd Yan! 7 HNYS Ryan MunEy ph ZN ek ST Textfig. 2. Aufbau eines Tochtergehäuses Textfig. 3. Einschichtiges, lückenloses vonCyphoderia margaritacea. Kern Gefüge aus Gipskryställchen, durch schwarz, Körpersarkode punktirt, Schalen- Eintauchen eines kleinen Glaskölb- plättehen durch kleine Striche wiederge- chens in die Kalksäckchenflüssigkeit geben. kl, kleeblattähnliche Plättchen- des Frosches künstlich dargestellt. aggregate an der Baustelle. Nur am Kolbenhalse (R) finden sich mehrere Schichten von Krystallen über einander gelagert. Mit der ÖBER- HÄUSER’schen Kammer gezeichnet. : Vergr. ca. 400. len. Die Zusammenordnungsvorgänge konnte ich aber auf dem Glaskolben wegen technischer Schwierigkeiten nicht beobachten, auch ist hervorzuheben, dass sich um den Hals der Kolben (ef. die erwähnte, öfters beobachtete Mehrschichtigkeit der Stäbchenlage an der Halskerbe von Lecquereusia spiralis) meist mehrere Lagen von Stäbchen über einander legen (ef. Textfig. 3 A), so dass S6 L. Rhumbler, nach dem Kolbenhals hin die Ähnlichkeit mit Difflugiengehäusen in der Regel mehr oder weniger aufhört!. Die physikalische Erklärung scheint mir folgende: am Rande des Tröpfehens verdunstet die Flüssigkeit, in welcher die Gipsstäb- chen eingelagert sind, am raschesten. Die Flüssigkeitsschicht nimmt hier an Dieke schnell ab und wird bald dünner als die Stäbchen; die Stäbchen, die von der sinkenden Flüssigkeit nachgezogen wer- den, lagern sich in einer Schicht, weil die Flüssigkeit für mehrere Schichten hier nicht mehr die genügende Tiefe hat. Die zusammen- sedrängten Stäbchen werden in Folge der Kapillarattraktion in dich- tester Berührung zusammengeschoben. Die dichte Berührung der Stäbchen giebt einem äußerst feinen kräftig wirkenden Kapillarsystem seine Entstehung, welches die randwärts verdunstete Flüssigkeit durch neuen Zuzug? von Flüssigkeit aus der Tropfenmitte zu ersetzen strebt. Mit diesem Flüssigkeitszuzug werden neue Stäbchen aus der Tröpfehenmitte randwärts verschwemmt und durch Kapillarattraktion in das Gefüge eingezwängt. Der Zuzug dauert bei fortwährender Verdunstung so lange an, bis die Flüssigkeit in der Tröpfehenmitte aufgebraucht ist; da nun aus der Mitte desshalb fortwährend Stäb- chen fortgetrieben werden, so müssen gerade hier am leichtesten Nacktstellen entstehen können®. Bei den Glaskölbehen sammelt sich in Folge der für Flüssigkeiten geltenden Spannungsgesetze um den Hals der Kolben augenscheinlich eine besondere Menge von Kalk- säckchensubstanz an, sie dient dann als Bezugsquelle, eben so wie beim ausgebreiteten Tropfen die Tropfenmitte, für die auf der Kolben- oberfläche verdunsteten und zusammengelagerten Substanzen. Ersetzt man die Flüssigkeit der Kalksäckchen durch Gummi arabicum oder ein anderes Klebmittel, so gelingt der Versuch nicht, die Aneinanderlagerung der Gipsstäbchen ist dann nie eine voll- kommene; eben so schlugen all meine Versuche zur Erhaltung eines dichten Mauergefüges mit Sandkörnchen und Gelatine und Leim- 1 Die trocken gewordenen Präparate lassen sich in Kanadabalsam ein- schließen und so für spätere Demonstrationen aufbewahren. 2 Der Zuzugstrom wird als Kapillarstrom nicht tiefer sein als die Stäb- chen dick sind, zumal er sehr energisch fortgezogen wird. 3 Wenn die zur Deckung der von dem Tropfen eingenommenen Fläche nothwendige Anzahl von Stäbchen nicht vorhanden war; bei einer Überzahl von Stäbchen werden dagegen hier gerade mehrere Schichten auftreten (von mir gelegentlich beobachtet), weil der kapillare randwärts gerichtete Strom nur stets eine Plättehenlage mitnehmen kann, und Überschüsse nur da zurückbleiben können, wo vor dem Eintrocknen die diekste Flüssigkeitsschicht vorhanden war. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 87 lösungen fehl. Es müssen also ganz bestimmte Vorbedingungen bei der Entstehung enger Gefüge erfüllt sein. Als bestimmende Faktoren werden hierbei in Frage kommen: 1) Die zwischen den Stäbchen und der Kittmasse herrschende Ad- häsion; von ihr hängt die Kraft der Kapillarwirkungen, also der Kapillarattraktion und zum Theil auch des kapillaren Zuzugsstromes aus der Tröpfchenmitte ab. 2) Die Erstarrungs- bez. Verdunstungs- geschwindigkeit der Kittmasse, und die dabei eintretende Kontrak- tion der Kittmasse, je schneller sie erstarrt, desto rascher werden die kapillaren Räume am Rande wieder wirksam, denn bei ihrer Ein- troeknung wird die Kittmasse schrittweise kleinere Räume einnehmen und desshalb im gleichen Schritte wirksame Partien der kapillaren Zwischenräume wieder frei geben. 3) Das Verhältnis zwischen spe- cifischem Gewicht der Stäbchen und demjenigen der Kittmasse. Je ähnlicher beide sind, desto leichter werden sich die Stäbchen be- wegen lassen, und desto seringere Arbeit werden sie zu ihrer An- einanderlagerung verlangen. Das specifische Gewicht der Gipsstäbehen und der Flüssigkeit, in welche sie innerhalb der Kalksäckchen eingelagert sind, ist nahezu gleich. Es geht dies schon aus der Thatsache hervor, dass sieh die Stäbehen innerhalb der Kalksäckchen meist in Molekularbewegungen befinden. Die Kittmasse der Testaceen verräth durch ihr stärkeres Liehtbrechungsvermögen, dass ihr wohl ganz allgemein eine größere Dichtigkeit, jedenfalls also auch ein größeres specifisches Gewicht zukommt als dem Protoplasma. Das specifische Gewicht des Proto- plasmas darf als größer als 1 angenonmmen werden (cf. VERWORN, 17b, p-. 101). Jedenfalls ist das specifische Gewicht der Kittmasse hier- nach nicht unerheblich größer als 1; ob es jedoch dem specifischen Gewicht des oft als Bausteinchen verwendeten Quarzes (2,5—2,8) gleichkommt, ist sehr die Frage und kann zum mindesten nicht ent- schieden werden!. Was aber zur Erfüllung des dritten Faktors fehlt, kann durch die beiden ersten ersetzt werden. Eine starke Adhäsion zwischen Kittmasse und Verstärkungsmaterial auf der einen Seite und eine starke Volumverminderung der Kittmasse bei ihrer Er- starrung auf der anderen Seite wird auch mit Festigungsmaterialien 1 Bei dem Gehäusebau der Testaceen kommt übrigens, da die Vorgänge im Wasser stattfinden, wo die Materialien nach dem archimedischen Princip das Gewicht der verdrängten Wassermassen verlieren, nicht das eigentliche specifische Gewicht, sondern »spec. Gew. —1«, in Betracht. 8 L. Rhumbler, fertig werden, deren specifisches Gewicht nicht unerheblich größer ist als dasjenige der Kittmasse. Dass nun die Adhäsion zwischen Bausteinchen und Kittmasse bei den Testaceen sehr groß sein muss, erhellt daraus, dass selbst große Steinchen bei dem Gehäuseaufbau, wo sie durch das Wasser bewegt werden müssen, nicht von der Kittmasse abfallen. Dafür aber, dass sich die Kittmasse der Teesta- ceenschalen bei ihrer Erstarrung stark kontrahirt, glaube ich in den eigenthümlichen Verbindungsbrücken, welche zwischen den einzelnen Plättehen des Cyphoderia-Gehäuses nach gewissen Behandlungen (ef. p. 51) wahrgenommen werden können, einen Schlagenden Beleg sehen zu dürfen. Wie ich gezeigt habe, erscheinen an dem spitzen Ende des trichterartig eingestülpten, in Bau begriffenen Hinterendes der Schale, die vorher lose neben einander im Weichkörper liegen- den Reserveplättchen auf der Oberfläche des in den Trichter ein- tretenden Protoplasmas zu .einschichtigen kleeblattartigen Aggregaten verschmolzen (Textfig. 4 AZ), diese Ag- gregate reihen sich nach dem Trichter- rande hin zu einem sehr undeutlichen Pflasterwerk, das erst am Umbiegungs- rande des Trichters die starre hexa- gonale Felderung der fertigen Schalen- oberfläche hervortreten lässt. Die einfachste Auslegung scheint mir hier folgende: Die Plättehen werden nach der Oberfläche des Protoplasmas hin verschoben und durch den trichterwärts gerichteten Protoplasmastrom zur Be- rührung an einander gedrängt, die Plättchen liegen auf der Oberfläche Toxtüg. 4. Aufbau eines Tochtergehäuses des Protoplasmas nur in einer sehicht von Gyphoderia margaritacea. Kern schwarz, Körpersarkode punktirt, Schalen- entweder weil sie dem Protoplasma en Bu Me Melt direkt. aufliegen, gleichsam auf ihm aggregate an der Baustelle. schwimmen, oder weil die zu ihrem Halte ausgeschiedene Kittschicht zu dünn ist, um mehrere Lagen zuzulassen. Auf alle Fälle tritt Kitt- masse an die Oberfläche des Protoplasmas und wird nun in die Zwischenräume der zusammengedrängten Plättehen durch Kapillar- attraktion hineingezogen. Die frisch abgeschiedene Kittmasse hat annähernd das Lichtbreehungsvermögen der Plättchen, sobald sich desshalb die Kittmasse zwischen die zur Berührung gekommenen Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—.V. 89 Plättehen eingelagert hat, werden die zur Berührung gelangten Plättchenkanten undeutlich, und die Aggregate erscheinen kleeblatt- ähnlich ete.; in diesem Zustande werden sie an die Baustelle ange- schwemmt, wo die in den Kantenrillen (ef. p. 49, Taf. V, Fig. 145) befindliche Kittmasse sofort mit der Kittmasse der, zu dem undeut- lichen Pflaster bereits zusammengetretenen, Plättehen verschmilzt. Die Kittmasse geht nun allmählich ihrer Erstarrung entgegen, sie wird dabei dichter, stärker lichtbrechend als die Plättchen, lässt also die Plättehen nach dem Umbiegungsrande hin deutlicher her- vortreten, und kontrahirt sich dabei so stark, dass sie nicht mehr die ganze Länge der zwischen den Plättchen liegenden Fugen einnehmen kann, sondern in Folge der für Flüssigkeiten geltenden , ee nn A. ne a b d a b Textfig. 5. Schematische Darstellung der Ent- Textfig. 6. Schematische Figur, soll zeigen, stehung der zwischen den Plättchen der Cyphoderiaschale vorhandenen Bälkchen. a, die Kittmasse Ä ist in die, zwischen den Plätt- chen vorhandenen, Kapillarräume eingetreten und füllt sie vollständig aus. 5, die Kittmasse vermag in Folge der mit ihrer Erstarrung verbundenen Kontraktion der Kapillarräume nicht mehr vollständig auszufüllen, und zieht wie durch Erstarrung der Kittmasse K das Plättchen A in die Verlängerung der übrigen Plättchen hineingezogen wird. a, das Plätt- chen A in der Lagerung, welche es innerhalb der trichterartig eingezogenen Baustelle im Cyphoderia-Gehäuse einnimmt. D, das Plätt- chen A in seiner definitiven Lagerung im Schalengefüge. sich an den Ecken der Plättchen zu den Balken (X) zusammen. Spannungsgesetze zu einzelnen zwischen den Plättchen gelegenen Balken aus einander fließen muss (cf. Textfig. 5a mit 5). Der Kontraktion der Kittmasse ist dann jedenfalls auch direkt die Um- stülpung des Triehterrandes in die definitive Ebene der Tochter- schale zuzuschreiben; wenn die sich bei X, Textfig. 6 befindliche Kittmasse kontrahirt, muss das Plättchen A in die Verlängerung der beiden anderen Plättchen treten, welche in der Figur im Längsschnitt wiedergegeben sind. Es ist wohl selbstverständlich, dass die Kittmasse zuerst in einem flüssi- sen, wenn auch vielleicht schon zähflüssigen Zustand abgeschieden wird, und dass sie erst nachher erhärtet. Wenn Colloidsubstanzen erhärten, nehmen sie wohl ganz allgemein einen geringeren Raum ein, als vorher im flüssigen Zu- stand. Es steht also die Annahme der von mir geforderten Kontraktion der Kittmasse mit bekannten Eigenschaften ähnliche Körpergruppen in vollem 9) L. Rhumbler, Einklang. Bei den Gipsstäbehenversuchen ist es augenscheinlich die Ver- dunstung des in der Kalksäckchenflüssigkeit enthaltenen Wassers, welche die Kalksäckchenflüssigkeit unter starker Kontraktion zur Erstarrung bringt; je stärker die Kontraktion dabei ist, desto stärker werden natürlich die Stäbehen an einander gepresst, desto enger wird schon allein durch die Erstarrung der Kittmasse das Gefüge, desto weniger braucht also die unter 3, p. 87 genannte Vorbedingung erfüllt zu sein. Die Erstarrung der Kittmasse beim Bau des Tochtergehäuses der Testaceen kann natürlich einem gewöhnlichen Ver- dunstungsvorgange nicht zugeschrieben werden. Mir scheint es wahrschein- lich, dass sie unter dem Einfluss des Wassers erstarrt, da die Erstarrung erst bei der Berührung mit dem Wasser eintritt; auch bei W in Fig. 7, Taf. V wird wohl gewöhnliches Wasser vorhanden sein!. Das durch Kittbalken verbundene Plättchengefüge der Cypho- deria erhält dann eine weitere Festigung durch eine neue Kitt- schichtlage, welche jedenfalls an der geeignetsten Stelle, nämlich am Umbiegungsrande des Trichters dem Gefüge aufgelagert wird; und welche die äußere Kittschichtdecke darstellt (Textfig. 4; die um die Schale herumgelagerte punktirte Schicht). Sie ist in Kalilauge leichter vergänglich als das Balkenwerk; man könnte sogar an- nehmen, dass sie nicht vollständig erstarrt, sondern klebrig bleibt; man hätte dann eine Erklärung für das Aneinanderkleben künstlich in Berührung gebrachter Schalen (cf. p. 60), das Ausbleiben des An- einanderklebens von ausgestorbenen Schalen, welche gleichfalls die äußere Deckschicht erkennen lassen, und das oben geschilderte Ver- halten der Diatomee lässt es aber zweifelhaft erscheinen, ob die Klebrigkeit der Schale, der klebrigen Beschaffenheit der äußeren Hülldecke zugeschrieben werden darf. Der Aufbau der Cyphoderia-Schale lässt sich also kurz dahin zusammenfassen, dass Plättehen an den Tricehterrand zusammen- seschwemmt werden, dass in die kapillaren Zwischenräume der Plätt- chen eine während der Erstarrung sich langsam, aber stark kontra- hirende Kittmasse eintritt, und nun die Plättchen zu festem Gefüge zusammenzieht, und dabei gleichzeitig eine Umstülpung des Anfangs 1 Die geforderte Volumverringerung der Kittmasse deutet vielleicht dar- auf hin, dass aus der Kittmasse durch die unmittelbare Nähe des Wassers Substanzen ausgezogen werden, deren früherer Anwesenheit sie ihren flüssigen Zustand verdankte; vielleicht tritt auch eine chemische Umwandlung der Kitt- masse ein, bei welcher der neu entstehende Körper weniger Raum als der frühere einnimmt. Die Erstarrung der Kittmasse kann sich übrigens bis nach dem Trennungsvorgang der Tochter- von der Mutterschale verzögern. Neu ent- standene Euglyphen zeichnen sich bekanntlich durch ihr lockeres Plättchen- gefüge aus; erst später zieht hier augenscheinlich die erstarrende Kittmasse die Plättchen fester zusammen, Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 91 tricehterartig nach innen geschlagenen Gefüges veranlasst!. Die An- lage der ersten Plättchenreihe dürfte wohl nach dem in Textfig. 7 gegebenen Schema vor sich gehen. Der Schalenbau der intrathalam aufspeichernden Testa- ceen erhält dadurch ein enges Gefüge, dass eine große Menge von Bausteinen auf der Außenfläche einer in Gehäuseform ausgetragenen Kitt- massenschicht, so zu sagen schwimmt; dass durch die nahe Lagerung der Bausteinehen zwischen ihnen kapil- lare Räume auftreten, welche An- theile der Kittmasse in sich auf- steigen lassen. Die in die kapillaren Räume eingedrungene Kittmasse be- wirkt dann durch Adhäsion und ihre mit der Erstarrung verbundene Kontraktion die dichteste Aneinan- derlagerung selbst solchen Baumate- Textfig. 7. Schematische Figur, die muthmaß- liche erste Anlage einer Tochterschale von Cyphoderia darstellend. «a, die erste Plätt- chenlage ist in die Mutterschale eingestülpt, die Plättchen sind durch einen senkrechten Frontstrich besonders bezeichnet. 5, die erste Plättchenlage ist nach außen gestülpt; da- durch ist auch der Frontstrich von innen nach außen gekehrt worden; es findet also bei der Umstülpung gleichzeitig eine voll- ständige Umkehrung der einzelnen Plättchen . ae . . tatt. rials, das vermöge seiner specifischen n Schwere nur bis zu einem gewissen Grade den ordnenden Kapillar- kräften Folge leisten würde. b. Phylogenie des Sprossungsvorganges der Testaceen und System der Testaceen. Wenn man nach dem Grunde fragt, warum sich wohl der Schalenaufbau der Cyphoderia durch die Trichterbildung in so merkwürdiger Weise vom Schalenaufbau anderer Testaceen unter- scheidet, so darf wohl unbedenklich geantwortet werden, weil die Cyphoderia nicht im Stande ist, sämmtliches Baumaterial für die Tochterschale mit einem Male zur Stelle zu schaffen?; denn nur wo eine der Ausdehnung der Knospe entsprechende, oder annähernd ent- sprechende Anzahl von Bauelementen mit einem Male auf der Kitt- masse ausgebreitet wird, kann ein festes Gefüge entstehen, weil nur 1 Wahrscheinlich wirkt auch die Erstarrung (Kontraktion) der äußeren Kittschichtlage bei dieser Umstülpung mit. 2 Sei es, dass die Abscheidung der Plättehen an mehrere, wenn auch vielleicht dicht zusammenliegende Perioden geknüpft ist (cf. p. 70), oder, dass die Sarkode sich nicht bis zur Gestalt der Tochterschale aufzublähen vermag oder aus beiden Gründen. 92 . L. Rhumbler, bei dichter Lagerung der Bauelemente die Kapillarkräfte zur Wir- kung kommen können!. Dadurch, dass die Plättchen erst allmählich zur Disposition stehen, wird eine ebenfalls allmählich wachsende, jeweils durch die zur Verfügung stehende Anzahl der Plättchen deckbare Fläche und ein Widerstand verlangt, gegen welchen die Plättchen bis auf Kapil- larwirkung zusammengeschoben werden. Dieser Widerstand ist durch den Umbiegungsrand des Trichters gegeben, die allmählich wach- sende Fläche ist der Trichter selbst. Ich habe schon früher den Sprossungsvorgang auf einen ur- sprünglichen Wachsthumsvorgang des Gehäuses zurückgeführt. Der ursprüngliche Wachsthumsvorgang ist noch in der extrathalamen Aufspeicherung bei Difflugia elegans u. A. angedeutet; diese Auf- speicherung ist vermuthlich aus einem appositionellen Gehäusewachs- thum, Längenwachsthum des Gehäuses durch Ansatz von neuem Baumaterial vor der Gehäusemündung dadurch entstanden, dass nicht gleichzeitig gesammelt und gebaut, sondern erst gesammelt und dann gebaut wurde. Bei Cyphoderia tritt es, um es noch einmal hervorzuheben, recht klar vor Augen, dass der Sprossungsvorgang einem allmäh- lichen Wachsthumsvorgang seine Entstehung verdankt; der Spros- sungsvorgang zeigt uns ein allmählich, wenn auch nicht sehr lang- sam wachsendes Schalenstück, das jedoch die Eigenthümlichkeit zeigt, dass es die Form der Mutterschale in umgekehrter Form wiedergiebt, indem nicht wie z. B. bei den polythalamen Thalamo- phoren der Fundus des Ansatzstückes auf dem Halse der Mutter- kammer angesetzt wird, sondern sich Mündung der Mutterschale und Mündung des Ansatzstückes gegen einander kehren. Diese Um- kehrung des Ansatzstückes ist vielleicht ursprünglich aus der extra- thalamen Aufspeicherung des Baumaterials entstanden, denn hier wird durch äußere Einflüsse das ganze Baumaterial umgekehrt; sie mag sich dann auf Formen wie Cyphoderia vererbt haben, bei der ja gleichfalls das gesammte Baumaterial eine Umkehrung er- fährt — wie man sich durch Textfig. 7 leicht überzeugen kann, die ursprünglich nach innen gekehrte, mit Strich versehene Plättchen- ! Eine so leichte Beweglichkeit der Plättchen, wie sie bei den erwähnten Gipsstäbchen leicht zu beobachten ist, darf überdies für die Bauelemente der Testaceen-Gehäuse nicht angenommen werden; dazu ist ohne Zweifel die Kitt- masse zu zähflüssig. Es würde also schon hierdurch von vorn herein eine recht diehte Lagerung der Stäbchen erforderlich sein. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 95 seite ist nach der Umstülpung nach außen gekehrt — doch ist mir im Einzelnen noch nicht klar, wie die Umkehrung des Baumaterials eine solche der Schalenform zur Folge gehabt haben kann, obgleich ich kaum zweifle, dass beide Umkehrungen mit einander in Zu- sammenhang stehen. Bei höher stehenden Formen, wie Euglypha, _ bei denen der ganze Wachsthumsprocess in einen einzigen Vorgang, in den Sprossungsvorgang nämlich, zusammengedrängt erscheint, ist schließlich die Umkehruug des Baumaterials unterblieben, während die Umkehrung der Form bestehen blieb. Erstere konnte unter- bleiben, weil das ganze Baumaterial mit einem Male in der nöthigen Menge zur Baustelle geschafft wurde (entgegen: Cyphoderia) und weil das Baumaterial auf seinem Wege nicht mit der umkehrenden Wirkung des Wasserwiderstandes (entgegen Difflugia elegans, Litt. 10 b) in Berührung kam. Die Umkehrung der Form blieb aber bestehen, weil sie die einfachste Weise der Erzeugung von neuen Schalen für die Tochterindividuen darstellte; die Wundstelle des von der Mutter- schale abgestoßenen Wachsthumstückes konnte zugleich als Schalen- mündung für das Tochterthier benutzt werden; eine Regeneration der Wundstelle war nicht nöthig. Die Thatsache, dass eine auf Um- wegen (hier: Umkehrung des Baumaterials, zuerst durch die extra- thalame, an das appositionelle Wachsthum anknüpfende, Aufspeiche- rung veranlasst) erreichte neue Errungenschaft (hier: Umkehrung der Schalenform) später bei phylogenetisch höher stehenden Formen auf einfachere Weise (hier: keine Umkehrung des Schalenmaterials bei Euglypha) zuwege gebracht wird, ist ja eine häufig vorkommende, jede palingenetische Entwicklung kann als Beispiel dafür gelten. Wenn die hier aufgestellte Reihe, wie ich überzeugt bin, richtig ist, so müssen die extrathalam aufspeichernden Testaceen, die ich als Familie der » Adjungentiidae« zusammenfassen will, wie ich früher schon behauptet habe, die phylogenetisch ältesten der mit sekun- dären Auflagerungen versehenen Testaceen sein, sie schließen sich an die uneingeschränkt wachsenden mit verdichteter |protoplasma- tischer oder gelatinöser Hülle ausgestatteten, aber durch keine Ver- stärkungsmittel gefestigte Formen an (Lieberkühnia, Leeythium, Diplophrys u. A. Näheres in Nr. I dieser Beiträge.) Letztere mögen in einer Familie der »Nuditestidae« vereinigt werden. Die Adjungentiidae werden wohl ausschließlich Formen um- fassen, deren Schale nur durch Fremdkörper gefestigt wird. An sie schließen sich dann die Formen mit Umkehrung des Baumaterials beim Sprossungsvorgang an, wie Cyphoderia. Ich 94 L. Rhumbler, stelle für solche Formen die Familie der »Revolventiidae< auf. Zu den Revolventiidae werden voraussichtlich sowohl Formen mit Fremdkörperfestigung als solche mit selbstabgeschiedenen Stäbchen, Plättehen und dergleichen gehören. Man wird diese Formen von den Adjungentiidae einfach auf die Weise abzuleiten haben, dass die ursprünglich extrathalam aufgespeicherten Bausteinchen, mit der Kitt- masse, in welcher sie festgeheftet waren, in das Innere des Mutter- gehäuses eingeschlagen wurden, wo dann die Kittmasse zur Auf- lösung kam (Textfig. 8). Bei Aufbau des Tochtergehäuses musste dann aber wieder die phylogenetische frühere Stufe wenigstens in so weit durchlaufen werden, dass die Festigungskörper, nachdem sie im Inneren des Mutterweichkörpers zu einer Schicht zusammengefügt, der extrathalamen Aufspeicherung entsprechend, wieder nach außen gewendet wurden. Die Zusammenfügung der Schicht geschah jedoch gleich in festem Gefüge, eine Abkürzung der Entwicklung, welche durch den Umbiegungsrand des Wachs- a b Textfig. 8. Schema zur Erläuterung der Entstehung thumstrichters möglich gEWOT- der intrathalamen Aufspeicherung b, aus der extra- EACH thalamen Aufspeicherung a. Die störende Verlage- den war. rung von Figur «a wurde in das Muttergehäuse hin- Die höchste Entwicklungs- eingezogen, die Steinchen derselben vertheilten sich . e . in der Sarkode (cf. Fig. b)). Wenn man sich in Fig. b stufe = Bezug auf Gehäusebil- die Sarkode eingezeichnet denkt, erhält man ein der dung nehmen sieherlieh Formen Fig. 7a entsprechendes Stadium. Das erste Bausta- 3 5 ö = ein, die ihr Gehäuse nach Art dium von Cyphoderia rekapitulirt somit wahr- scheinlich ein Aufsammlungsstadium ursprünglicherer der Euglypha aufbauen; man en könnte sie zur Familie der »Protrudentiidae« vereinigen. Dieser Familie gehören wohl die meisten Testaceen an, zu ihr werden sowohl sandschalige Formen, als solche mit chitinigen oder kieseligen, selbst abgeschiedenen, Ver- stärkungsmitteln der Schale gehören. Vielleicht lassen sich in dieser Richtung wieder, den Festigungsmaterialien, entsprechende Unter- gruppen bilden. Ich lasse eine kurze Aufstellung folgen: 1. Familie: Nuditestiidae mit nackter, ungehindert wachsen- der Schale. Schalenentstehung durch Durchschnürung der gewach- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 95 senen Mutterschale in zwei Tochterschalen, z. B. Lieberkühnia, Diplophys, Leeythium. 2. Familie: Adjungentiidae mit extrathalamer Aufspeiche- rung des Gehäusematerials und mit Umkehrung desselben beim Ge- häuseaufbau (Umkehrung durch äußere Faktoren bewirkt) z. B. Difflugia (?) elegans Pen. und Pontigulasia nov. gen., hierher auch jedenfalls: Difflugia (?) amphora, var. minor Penard, Pseudo- difflugia amphitrematoides Archer. | 3. Familie: Revolventiidae. Mit intrathalamer Aufspeiche- rung des Baumaterials und Umkehrung desselben beim Gehäuseauf- bau. Bis jetzt nur Cyphoderia als hierher gehörig bekannt. | 4. Familie: Protrudentiidae. Mit intrathalamer Aufspeiche- rung des Gehäusematerials, ohne Umkehrung desselben beim Gehäuse- aufbau. Hierher: Euglypha, Difflugia urceolata Carter (nach VERWORN, 17a) und jedenfalls die meisten der übrigen Testaceen. Vorstehende systematische Betrachtungen sollen nur eine Skizze zu einem vorläufigen Entwurf darstellen, welcher vielleicht einmal bei Aufstellung eines natürlichen Systems eine Verwerthung finden kann. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die vier Gruppen noch sehr heterogene Elemente enthalten werden; so wird man Formen mit spitzen Pseudopodien (Cyphoderia, Euglypha ete.) nicht ohne Weiteres mit Formen zusammenbringen dürfen, welche breite Pseudo- podien (Arcella, Difflugia ete. ete.) besitzen. Wenn aber etwa die letztgenannten Formgruppen sich durch wahre Übergänge zusammenhängend erweisen sollten, was durch ihren ganzen Bau, nicht bloß durch Schalenform dargethan werden müsste, so könnten sie, wenn auch vielleicht zu besonderen Unterfamilien ver- einist, in derselben Familie neben einander stehen bleiben. Auf die Komposition der Schalen, ob sie aus Steinchen, anderen Fremd- körpern, ob aus Kiesel-plättchen oder -stäbehen, ob schließlich aus Chitin-plättehen oder -stäbchen zusammengesetzt sind, wird man nicht allzuviel Gewicht legen dürfen, da bekanntlich (ef. p. 103) Übergänge von dem einfachen Steinbelag zum Belag selbst abgeschiedener Kiesel- bildungen und wohl auch zum Belag mit Chitinabscheidungen vor- handen sind. | Ich halte, wie aus dem Vorstehenden hervorgehen wird, Gehäuse mit Steinbelag für die ursprünglicheren an die nackten Schalen sich direkt anschließenden, von ihnen aus werden sich wohl die meisten Formen mit Chitinbelag und auch diejenigen mit Kieselbelag ableiten lassen; es scheint mir sehr zweifelhaft, ob sich Formen mit Chitin- 96 L. Rhumbler, oder Kieselplättchen direkt von den Nuditestidae her entwickelt haben. Bei den Polythalamien, die eine, wenn auch scharf geschiedene, Parallelordnung zu den Testaceen darstellen, ist seither nur eine Form bekannt geworden, die ihre Gehäusewand aus selbst abgeschie- denen Plättchen zusammensetzt, Carterina, diese Form — und ich slaube dies von einem anderen sich eben so verhaltenden, neuen Genus, das im Planktonbericht beschrieben werden wird, ebenfalls behaupten zu können, — schließt sich an höher stehende Sandformen, nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, an chitinhäutige Formen an, also ein Hinweis, dass selbst abgeschiedene Plättchen erst spät als Festigungs- materialien in Verwendung kamen. Vielleicht können letztere Gesichts- punkte bei Aneinanderreihung der einzelnen Genera innerhalb der Familien Verwendung finden, sandschalige Formen haben den Vortritt, ihnen folgen erst, durch Übergänge verbunden, Schalen mit Chitin- oder mit Kieselbelag. Der Sprossungsvorgang der Testaceen enthält ihre Em- bryonalgeschichte, und desshalb wohl vor Allem Hinweise auf ihre Verwandtschaftsverhältnisse; man wird es daher begreiflich fin- den, wenn ich auf eine eventuelle systematische Verwerthung des Spros- sungsvorganges hier in bestimmterer Form aufmerksam gemacht habe. c. Über die selbst abgeschiedenen Verstärkungsmittel der Testaceen-Schalen. Die meisten der von dem Weichkörper der Testaceen selbst ab- geschiedenen plättchen - oder stäbehenförmigen Gebilde zeichnen sich durch eine mehr oder weniger bestimmte typische Gestalt aus, einerlei ob sie kieseliger oder ehitiniger Natur sind; so z. B. die Stäbchen bez. Plättehen von Euglypha, Quadrula, Nebela, Cyphoderia, Ar- cella u. A. Wenn auch kleine Variationen hierbei nicht ausgeschlossen sind, so lässt sich trotz derselben doch allenthalben eine für die ein- zelnen Arten typische Normalgestalt an den Plättchen wohl ausnahms- los erkennen. | Anders ist es bei Leequereusia spiralis. Die Gestalt der kieseligen Gebilde, welche dieser Form als. Festigungsmaterial dienen, wechselt ganz ungemein, wie ein Blick auf die Fig. 3, Taf. IV zur Ge- nüge zeigen wird. WALLICH hat geglaubt, die äußerst varlirenden Stäb- chen seien direkte Umschmelzungsprodukte an Diatomeenpanzern, ja er führt die in ihrer Form so konstanten Quadrulaplättchen auf solche Umschmelzungsprodukte von Diatomeen zurück. BürscHLi (3, p- 30) ist dieser Ansicht entgegengetreten; PswArD hat dann die Ansicht ausge- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 97 sprochen, dass das Material der Plättehen und Stäbchen jedenfalls von aufgelösten Diatomeenpanzern und anderen kieseligen Fremdkörpern herrühre, dass dieses Material dann aber eine vollständig neue Form- gestaltung im Weichkörper erhalte, so dass man nicht, wie WALLICH glaubte, aus der Form der Plättehen auf die Diatomeenart schließen könne. Es ist zweifellos, dass man, wie PENARD angiebt, im Weich- körper der Leequereusia sehr häufig zerbrochene Diatomeenpanzer und korrodirte Stücke derselben antrifft; diese scheinen mir aber an sich nicht beweisend, sie können in diesem Zustand von außen auf- senommen worden sein; im Bodenschlamm trifft man sie nicht selten frei. Ihre Existenz ist vielleicht auf die Thätigkeit von Schnecken und ihrer leistungsfähigen Radula zurückzuführen; durch Zerfall der Schneckenfäkalien können sie wieder frei und dann von den Testa- ceen aufgenommen worden sein. Trotzdem habe ich einige Leeque- reusia-Stäbchen gefunden, welche an irgend einer Stelle eine ganz merkwürdige Ähnlichkeit mit Diatomeenpanzern erkennen ließen, während sie anderwärts die massive im Querschnitt runde Form inne hatten, welche den meisten Stäbchen der Lecguereusia zukommt; zum Theil trat Textfe. 9. Schalenstäbchen vonLecquereusia spira- hier das Gitterwerk noch hervor, zum Theil 1is (Ehrenb.), entweder aus schien auch die äußere Form und Größe einer un entetanten P) oder da. Diatomee noch gewahrt, während die Flächen- durch gebildet, dass mehr seiten des Diatomeenpanzers zu einer soliden m ke Diataneennannar Masse zusammengesunken und verschmolzen oder mit Bruchstücken von schienen (cf. Textfigur 9). Ich bin also nicht I Re he im Stande die Ansicht PEnArRD’s zu widerlegen; ich möchte aber zu bedenken geben, dass bei der großen Variabilität der Stäbchen wohl auch einmal eine Änlichkeit mit Diatomeen zufällig auftreten kann, und dass da, wo ein Stäbchen mit einer gefelderten Diatomeenfläche ausgestattet erscheint, sehr wohl eine sekundäre Ver- schmelzung eines noch nicht fest gewordenen Lecquereusia-Stäbchens mit einem Diatomeenpanzerstückchen stattgefunden haben kann. Wie ich schon früher klargestellt zu haben glaube (10d, p. 339), treten nämlich die Kieselstäbchen zuerst in Form kleiner Tröpfchen innerhalb des Weichkörpers auf, welche Anfangs bis zu einem ge- wissen Grade flüssig sind, in diesem Zustand bei Berührung mit ein- ander verschmelzen (Taf. IV, Fig. 3@) und dann erst allmählich er- starren. Die verschiedene Gestalt der Stäbchen, vor Allem die hier vorkommenden Ringbildungen (Taf. IV, Fig. 3 g, o und s), erklären Zeitschrift f. wissensch. um LXT. Bd. 7 98 L. Rhumbler, sich auf die einfachste Weise durch die Annahme, dass zähflüssige, im Erstarren begriffene Massen vor ihrer völligen Erstarrung mit einander verschmolzen sind; es können bei diesen Vorgängen natür- lich auch recht gut Diatomeenstücke, ohne selbst flüssig geworden zu sein, mit eingeschmolzen werden. Die Einschnürungen, welche sich an manchen Stäbchen (Taf. IV, Fig. 3 c, d) noch wahrnehmen lassen, zeigen oft noch, wie viel kleinere Partien an dem Aufbau eines Stäbchens Theil genommen haben. Die Erstarrung der Stäbchen scheint nur sehr allmählich vor sich zu gehen, denn die verschlungenen und verzweigten Formen, die nicht selten sind (Taf. IV, Fig. 35, e, I; tz, w, x und z), sind wohl darauf zurückzuführen, dass noch nicht erstarrte und durch die Bewegungen der Sarkode hin- und hergewundene Stäb- chen mit einander in Berührung gerathen und dann gemeinsam er- starrt sind. Ich glaube, dass die vollständige Erstarrung der Stäbchen zumeist erst dann eintritt, wenn sie während des Sprossungsvorganges auf der Oberfläche des Tochtergehäuses angelangt sind. Es ließe sich nämlich anders gar nicht begreifen, wie sie bei ihrer so sehr will- kürlichen Gestalt und bei ihrer oft recht erheblichen Länge (Fig. 3 bei derselben Vergrößerung wie Fig. 1 gezeichnet) sich den Wölbungen des Gehäuses, die ja an verschiedenen Stellen desselben sehr ver- schieden sind, zu einem so engen und glatten Gefüge anschmiegen können, wie es Regel ist (cf. Fig. 1, Taf. IV. Wären sie bei ihrer Zusammenlagerung nicht noch biegsam gewesen, so müssten sie von der Gehäusewand in einzelnen Theilen wenigstens abstehen, was ge- legentlich thatsächlich vorkommt, wie die Fig. 9 u. 10 bei Leıpy, 7, Taf. XIX beweist. Bei dem dort abgebildeten Exemplar sind die abstehenden Stäbchen augenscheinlich zu früh erstarrt. Nacktstellen kommen an den Lecquereusia-Gehäusen sehr häufig vor, oft aber liegen nur scheinbare Nacktstellen vor, indem die stäbchenlosen Stellen von einer äußerst dünnen, der inneren Deckschicht auflagernden Kiesellamelle überzogen werden. Die Anwesenheit der letzteren lässt sich durch Kochen mit Kalilauge, in welcher sie resistent, die Deck- schicht aber löslich ist, nachweisen; hier hat sich wohl zuletzt noch ein sehr dünnflüssiges Silikat zwischen den von den Stäbchen ge- lassenen Lücken ausgebreitet und ist dann erstarrt. Zuweilen werden solche Kiesellamellen von zarten Netzlinien in einzelne Felder getheilt (Taf. IV, Fig. 3 r); vielleicht ist hier die dünne Kieselschicht bei ihrer Erstarrung gesprungen. Oft findet man auch solchen Kiesellamellen noch einzelne Stäbchen aufgelagert, sie waren wohl auf der erst nach- träglich gedeckten Nacktstelle von den übrigen Stäbchen zu weit ent- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 99 fernt, um durch Kapillarkräfte den Anschluss zu erreichen (Taf. IV, Fig. 3m und n). Derartige selbstabgeschiedene Kiesellamellen kommen übrigens auch bei vielen Difflugien vor, die niemals Kieselgebilde in bestimm- terer Form, Stäbchen oder Plättchen abscheiden. Sie erreichen öfters eine erhebliche Dieke und sehen dann Quarzkörnchen sehr ähnlich; sie lassen sich aber von wirklichen Quarzkörnchen schon unter dem Mikroskop mit einiger Sicherheit dadurch unterscheiden, dass sie im polarisirten Licht nicht das Farbenspiel zeigen, welches die Quarz- körnehen in Folge der dem Quarz eigenthümlichen Drehung der Polarisationsebene auszeichnet. Bei gekreuzten Nicols werden sie unsichtbar, während die Quarzkörnchen in allen Farben erstrahlen. Sie erscheinen bei gewöhnlichem Licht oft bläulich-grün, haben in der Regel abgerundete Ecken (cf. PENARD 8, p. 17), ihr Hauptcharakte- ristikum ist aber wohl eine der Gehäusewand konforme Wölbung, welche namentlich bei größeren Plättchen sehr auffällig ist. Sie kommen bei fast allen sandschaligen Formen vor, verhältnismäßig häufig habe ich sie bei Difflugia pyriformis und Difflugia ele- Sans angetroffen, bei anderen Sandschalern sind sie seltener. Nach PENARD’s Angaben (l. ec. p.16) scheinen die Gehäuse von Difflugia fallax, D. lueida, D. lanceolata ganz aus solchen »Pseudoquarzen«, wie sie PENARD einmal nennt, zu bestehen. PENARD hält sie für mimetische Nachbildungen der Quarzkörnchen; er meint, dass die Thiere den Boden ihrer Umgebung nachbilden, und dadurch dem Auge ihrer Ver- folger, entgehen. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen, denn von Verfolgern, die den Difflugien einzeln nachstellten, ist nichts bekannt; und wenn die Difflugien von Detritusfressern mit Schlamm zusammen aufgenommen werden, etwa von Batrachierlarven, wird ihnen die mimetische Anpassung nichts nützen. Meine Ansicht ist folgende: Kieselsäure scheint fast allen Kittmassen der Testaceen beigemenst zu sein. Die meisten Difflugienschalen lassen sich zur Rothgluth erhitzen ohne aus einander zu fallen, sie werden dabei nur sehr gebrechlich (ef. p. 52). Ich glaube mit Pzxarp im Einklang, dass in der Kitt- masse befindliche Kijeselpartien bei Rothgluth zusammenschmelzen, während die chitinigen Bestandtheile der Kittsubstanz verbrennen, so dass nach Verlust des Chitins die Kittmasse zerbrechlicher wird, - aber wegen der verschmolzenen Kieselpartien nicht aus einander fällt. In der ungeglühten Schale ist auf keinen Fall die Kieselsäure der Kittschicht zu einem zusammenhängenden Gerüst verbunden, sonst könnten die Gehäuse nach Behandlung mit Kalilauge oder koncen- 7E 100 L. Rhumbler, trirten Mineralsäuren nicht aus einander fallen; die Kittmasse ist augen- scheinlich mit Kieselsäure nur imprägnirt. Die Produktion der Kiesel- säure von Seiten des Weichkörpers ist nun ganz offenbar — einerlei ob sie durch Aufnahme und Einschmelzen fremder Kieselkörper oder wie sonst erfolgt — außerordentlichen Schwankungen unterworfen. Dies geht schon daraus hervor, dass die Zahl der in einem Leeque- reusia-Gehäuse vorhandenen Kieselstäbchen ganz willkürlich schwankt, sie setzen bald das ganze Gehäuse zusammen, bald betheiligen sich von außen aufgenommene Quarzkörnchen, bald intakte, bald zer- brochene Diatomeenpanzer an dem Festigungswerk, ja sie können gänzlich fehlen, so dass dann die Gehäuse nur aus letzteren Fremd- materialien zusammengesetzt erscheinen. Lecquereusia steht auf einer Übergangsstufe zwischen sandigen Gehäusen und Schalen mit typischen Plättchen. Ist nur wenig Kieselsäure von dem Weichkörper produeirt worden, so bleibt sie auf eine Imprägnation der Kittmasse beschränkt, während Fremdkörper die weitere Festigung übernehmen. Ist eine größere Quantität von Kieselsäure vorhanden, so sammelt sie sich auf der imprägnirten Kittmasse zu Pseudo- quarzen an, erst auf der Gehäuseoberfläche erstarrend. Die Kittmasse scheint nur eine gewisse Menge von Kieselsäure festhalten zu können. Eine noch reichlichere Kieselabscheidung bewirkt schließ- lich eine Zusammenhäufung von flüssigem Silikat innerhalb des Weich- körpers, das aber schon hier allmählich zu erstarren beginnt! und desshalb zur Bildung der Stäbchen Veranlassung giebt. Gelegentlich sind sogar, wie die aus dem Gehäusegefüge manchmal, jedoch sehr selten, hervorragenden Stäbchen zeigen, die Stäbchen schon voll- ständig erstarrt, wenn sie auf der Oberfläche des Tochtergehäuses in das Mauerwerk desselben eingefügt werden. Hier ist ein Übergang zu dem schon in der Sarkode starren Zustand der Euglypha-Plättehen gegeben, ohne dass ich natürlich Euglypha von Leequereusia abzuleiten Neigung hätte; aber die Vorfahren der Euglypha werden sich ähnlich verhalten haben wie Lecquereusia?. Interessant ist es, dass eine Leequereusia, die ich für eine neue Species halte, auch in Bezug auf die Gestalt ihrer Kieselab- 1 Vielleicht weil seine inneren Partien bei stärkerer Anhäufung den lösen- den Einwirkungen gewisser Protoplasmatheile entzogen werden. 2 Man könnte die Nebela-Arten unbedenklich für die Vorläufer von Eu- glypha ansehen, wenn sich beide nicht durch breite und spitze Pseudopodien- bildung von einander unterschieden. Es kann aber noch nicht gesagt werden, ob dieser Unterschied trennende Beweiskraft besitzt oder nicht (ef. p. 95). Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 101 scheidungen sich dem Plättchentypus, wie er bei Euglypha u. A. vorliegt, wenn auch nur in unvollkommener Weise annähert. Es scheint hier ein erster Schritt zur Weiterbildung gegeben. Lecequereusia modesta nov. spec. Gehäuse ähnlich wie bei Leequeur. spiralis, jedoch gedrungener; kurzer Schalenhals [der bei Leequ. spiralis größer ist, sich scharf vom kugligen Theil des Gehäuses absetzt und eine schwanenhalsartige Krümmung zeigt], mit breiter Basis, ohne schwanenhalsähnliche Krümmung dem kuglisen Gehäusetheil aufgesetzt. Verstärkungsmaterial selten Quarzkörnchen, wenig Kieselstäbchen, meist aus unregelmäßig abgerundeten Platten zusammengesetzt (Taf. IV, Fig. 2 P?2), die unter Umständen eine stärker lichtbrechende Innenpartie erkennen lassen (Pi). Levy hat ein unzweifelhaft zu dieser Species gehörendes Exemplar abgebildet, dessen ganzes Schalengefüge nur aus abge- rundeten Plättchen zusammengesetzt ist. Die Plättchen zeigen alle die stärker lichtbrechende Innenpartie (Leipy, 7, Taf. XIX, Fig. 23). Vielleicht wird man folgende Erklärung für das Zustande- kommen der Plättchen gelten lassen. Die Anfangs flüssigen Silikate werden innerhalb des Weichkörpers nicht mehr willkürlich hin und her geschoben, es finden in Folge dessen keine Verschmelzungen mehr statt, die Stäbchenbildung bleibt aus, der innere Theil der Ab- scheidungen (— stärker lichtbrechende Innenpartie) erstarrt voll- kommen, während die äußeren bis zu einem gewissen Grade noch flüssig bleiben. Erstarrter und zähflüssig gebliebener Theil haben Plättchenform angenommen, weil sich die Protoplasmawaben! bei der Ruhe, welche in dem abscheidenden Theil eingetreten ist, in einer der Oberfläche des Weichkörpers entsprechenden Weise abgeplattet haben, und weil die Abscheidung der Plättchen jedenfalls zwischen den Waben- lagen stattfand, so dass sie von dem Druck des Wabeninhalts der an- srenzenden Waben zur Plättchenform gezwungen wurden, Über die Mechanik der Plasmawaben und ihre Lagerung zur Oberfläche des Weichkörpers gedenke ich später eine ausführlichere Arbeit zu veröffent- lichen. Die koncentrische Abplattung von Partien einer leichter flüssigen Substanz (hier Wabeninhalt) innerhalb einer zähflüssigen (hier Wabenwand- masse), lässt sich aber schon durch einen einfachen Versuch anschaulich machen. Mengt man Öl mit Gummi arabieum zusammen und bläst das Gemisch aus einer Kapillarröhre heraus auf einen Objektträger, so nehmen die Öltropfen eine der Oberfläche des Gemisches koncentrische Abplattung an (Textfig. 10) ! Die Wabenstruktur des Protoplasmas wird von allen neueren Rhizopo- denforschern anerkannt. 102 L. Rhumbler, auch Schaumwaben (z. B. Seifenschaum) zeigen unter denselben Umständen die- selbe Abplattung; doch wird das optische Bild hierbei komplieirter. Die Abplat- tung wird durch den Druck bewirkt, den die aus der Kapillarröhre ausströmende Masse auf die bereits ausgeströmte ausübt. Auch im Zellinneren ist ja bekannt- lich der Druck meist oder immer größer als an der Zellperipherie, so wird z. B. bei Infusorien, deren Pellieula verletzt ist, das Entoplasma aus der Wunde her- vorgepresst. Bei den Testaceen kann aber schon desshalb eine Druckvergrößerung innerhalb des Weichkörpers zur Zeit der Plättchenabscheidung angenommen werden, weil das später bei dem Sprossungsvorgang stattfindende Hervorquellen des Protoplasmas ebenfalls auf eine innere Druckvermehrung zurückgeführt werden darf. [Wenn das Auf- quellen des Protoplasmas, beim Sprossungs- vorgang, durch Wasseraufnahme ‚stattfindet, so wird also die Wasseraufnahme vermuth- lich vom Centrum des Weichkörpers aus- sehen; die Wasseraufnahme wird aber vor dem Sprossungsakt immer nur so weit vor sich gehen, als es der dem Druck f el der Innenschichten entgegenwirkende Druck Textig. 10. Bin Gemisch aus zähfüss- ger Hußeren Plasmaschichten, vielleicht ein gem Gummi arabicum und Ol, welches R ” q aus einer Kapillarröhre hervorgepresst einfacher Oberflächendruck, der ein recht be- wird. Gummi arabicum = punktirt; Öl- deutender zu sein scheint, zulässt. Erst wenn . En u en platten der Druck der Oberfläche beim Sprossungs- sich in einem der erdäche des aus- ee fließenden Gemisches konformen Sinne ab. Mean unbekannten Gründen nach- ale ya. lässt, wird die Wasseraufnahme eine er- giebigere.] Beim Austragen der Plättehen runden sich dann die noch nicht erstarrten, peripherischen Partien der Plättehen in Folge der für Flüssigkeiten geltenden Spannungsgesetze mehr oder weniger ab; ihr geringeres Lichtbrechungsvermögen ist vielleicht dem Umstande zu- zuschreiben, dass sie unter geringerem Drucke auf der Außenseite des Gehäuses erstarrt sind, als die unter Wabendruck fest gewordenen centralen Plättchentheile. Die wenigen Euglyphen, die ich selbst gesehen habe, zeigten ihre Reserveplättchen immer in sehr regelmäßiger, der Schalen, bez. Weichkörperoberfläche parallel gerichteter Lagerung, um den Kern herum angeordnet — dies spricht für meine Auffassung. Der Plätt- chendurchmesser braucht dem Durchmesser der Protoplasmawaben in keiner Weise zu entsprechen, weil die Zahl der Wabenreihen, die sich an der Abscheidung der Plättchen betheiligen, bei den ver- schiedenen Arten sehr verschieden sein kann; es können also große und kleine Plättehen auf dieselbe Weise erklärt werden, ohne dass man zu der Annahme einer entsprechend verschiedenen Wabengröße Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 103 des Protoplasmas großplattiger und kleimplattiger Formen gezwungen wäre. Die meist vorkommende, hexagonale Form der Plättchen ist vielleicht die Folge einer entsprechenden Anordnung der Plasma- waben!); ihr meist einheitliches Lichtbrechungsvermögen (ohne abge- setzte Innenpartie) weist darauf hin, dass sie an ihrem Entstehungs- ort auch ihre volle Erstarrung erreichen. Für die kleinen Plättehen der Arcellenschale möchte ich jedoch noch eine andere Herkunft für wahrscheinlicher halten. Sie erscheinen als hohe sechs- eckige, innen mit einer Flüssigkeit gefüllte, kleine Prismen (ef. BürschHLı, »Proto- z0a<, p. 20 u. 21). Ich glaube, dass sie ihre Entstehung aus kleinen kugeligen Tröpfehen, etwa Phäosomen, nehmen, die, auf der Außenseite der Schale ange- kommen, vielleicht durch die unmittelbare Berührung mit dem Wasser an ihrer Oberfläche erstarren, oder eine Niederschlagsmembran abscheiden, und dabei sich durch gegenseitigen Druck? zu sechseckigen Prismen abplatten, etwa wie die Zellen eines Cylinderepithels. So viel ich weiß, sind sechskantige Reserve- plättchen im Arcellenweichkörper noch nicht gefunden worden, ihre Modellirung - könnte also sehr wohl erst während des Sprossungsvorganges der Arcellen vor sich gehen. Wenn diese Anschauungen richtig sind, ergiebt sich also folgende Reihe für die Kieselplättchen. Eine ähnliche Reihe mag für die Chitinplättchen existiren, wenn schon Sonderbildungen (Arcellenplätt- chen) hier sehr wahrscheinlich vorkommen. 1) Fremdkörper, zur Deekung der Schalenkörper ausreichend — Kittschieht mit Kiesel imprägnirt. 2) Fremdkörper, zur Deckung der Schalenoberfläche nicht ausreichend — Nacktstellen. Kiesel dringt aus der Kittschicht hervor und erzeugt Pseudoquarze. 3) Wenig Fremdkörper, die Kiesel- säure sammelt sich in flüssigem Zustande innerhalb der Muttersarkode an und wird durch die Bewegungen derselben zu verschieden ge- stalteten Stäbchen vor ihrer Erstarrung verschmolzen (Leeque- reusia spiralis). 4) Keine Fremdkörper, selten Kieselstäbchen; die flüssigen Kieselsubstanzen werden im Weichkörper wenig oder gar nicht verschoben, sie erstarren desshalb unter dem Druck der Protoplasmawaben zu Plättchen; ihre Erstarrung ist aber keine voll- ständige (Lecquereusia modesta nov. spee.). 5) Die flüssigen Kiesel- substanzen kommen ohne störende Bewegungen der Muttersarkode ! Für die vierseitigen Quadrulaplättchen kann jedoch wohl kauman eine solche Auffassung gedacht werden, ihr Zustandekommen ist mir noch unver- ständlich. ?2 Der Druck natürlich dadurch hervorgerufen, dass eine große?Zahl in Erstarrung begriffener Tröpfchen auf einer kleinen Fläche beim Sprossungs- vorgang zusammengedrängt werden. 104 L. Rhumbler, unter dem Druck der Plasmawaben zur Erstarrung, es entstehen regelmäßige Plättchen (Euglypha u. A.). Göttingen, Zool.-zoot. Institut, 18. August 1895. Anhang, Diagnosen der in den Beiträgen III—V genannten neuen Testaceen und Bemerkungen zu Difflugia pyriformis Perty. Difflugia pyriformis Perty. Die von mir in diesen Bei- trägen (III—V) behandelten Exemplare besitzen birnförmige Gestalt, ihr Gshäusegefüge ist dicht, besteht meistens aus Quarzkörnchen, denen nur sehr selten andere Fremdmaterialien beigemengt sind. Die Längsmesser der Gehäuse sind 0,096—0,135 mm lang, ihr größter Breitenmesser beträgt 0,054—0,072 mm. Das aus zahlreichen Messungen genommene Mittel des Gehäuse- längsmessers von Thieren ein und derselben Kultur betrug: im Oktober 1892 — 0,1188 mm im November 1892 — 0,1201 - im März 1893 0.121072 im April 1893 — 02722 im Mai 1893. — 0.191857 - im Juni 1893, — 011607 2 im Juli 1893. — 0, 11602 Die im Frühjahr erzeugten Thiere scheinen hiernach größere Gehäuse zu besitzen, als die im Sommer und Spätherbst erzeugten. Difflugia asterisca sp. nov. Form des Gehäuses der vorigen Art sehr ähnlich, unterscheidet sich von Difflugia pyriformis hauptsächlich durch den eigenartigen Bau ihres Kernes, der sehr an einen Kernzustand erinnert, wie er jüngst von SCHAUDINN (11) bei Amoeba binucleata Gruber beobachtet worden ist. Im Centrum des Kerns findet sich ein Aggregat von kugligen Binnen- körpern (vielleicht Chromatinkörper), um dieses Aggregat liegt eine hell aussehende, von feinen Strahlen durchsetzte Schicht einer wenig lichtbrechenden Substanz, ihr folgt als breite Randschicht der deutlichen Kernmembran anliegend, eine stärker lichtbreehende Sub- stanz, welche sich in Karminfarbstoffen außerdem stärker färbt, als die von Strahlen durchsetzte Mittelschicht (cf. Taf. IV, Fig. 18) . , Kerne von Difflugia pyriformis habe ich nie in ähnlichem Zu- Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 105 stande gefunden. Meine zahlreichen Exemplare stammen vom Titi- moor bei Freiburg und wurden zu verschiedenen Zeiten stets mit demselben Zustand des Kernes angetroffen. Pontigulasia gen. nov. Das neue Genus Pontigulasia unter- scheidet sich von Difflugia vor Allem durch den Besitz einer Schlund- brücke, welche in einiger Entfernung von der Mündung balkenartig die beiden Breitseiten der etwas zusammengedrückten Gehäuse ver- bindet. Die Brücke lässt sich durch die Gehäusewand hindurch erst an aufgehellten (Nelkenöl, Kanadabalsam etc.) Gehäusen wahrnehmen, bleibt aber auch dann noch undeutlich, dagegen ist sie immer sofort erkennbar, wenn man das Gehäuse so orientirt, dass man in die Mündung desselben hineinsehen kann (Taf. IV, Fig. 13a). Die Schlundbrücke besteht aus einer braunen Chitinmasse, der unter Umständen kleinste Steinchen eingelagert sind. Die Pseudopodien nehmen häufig eine hirschgeweihartige, flechtenförmige Form an (Taf. IV, Fig. 22 und 24). Die Aufspeicherung des Gehäusematerials geschieht extrathalam (Fig. 5, 7 und 24). Zwischen den Fugen der Bausteinchen werden bei alten Schalen häufig gelbe bis dunkelbraune Perlen von Kittmasse ausgeschwitzt (Taf. IV, Fig. 6). Selbstabge- schiedene Kieselbildungen fehlen. Der Kerm stellt eine von einer deutlichen Kernmembran umhüllte Blase mit membranständigen Binnenkörpern dar (Taf. IV, Fig. 28). Die von mir beobachteten Individuen ließen sich in drei Kategorien sondern, welche ich für eben so viel Species halte. Sie stammten alle drei aus den Gewässern des kleinen Hagens bei Göttingen. Die Kultur starb aus, bevor ich Reinkulturen der drei Formen anlegen konnte. Pontigulasia compressa nov. gen. nov. sp. Schale taschen- förmig ziemlich stark zusammengedrückt (Taf. IV, Fig. 13a und 5). Bevorzugt Diatomeen als Baumaterial. Länge — 0,13—0,14 mm, Breite = 0,10 mm. Pontigulasia incisa nov. gen. nov. sp. Gehäuse weniger zusammengedrückt als vorige; der vordere Gehäusetheil setzt sich auf Schlundrückenhöhe durch eine mehr oder weniger tiefe Rinne von dem hinteren Schalentheil ab (Taf. IV, Fig. 5). Länge = 0,12--0,15 mm, Breite — 0,08—0,09 mm. Pontigulasia spiralis nov. gen. nov. sp. Das Mündungs- ende des Gehäuses legt sich mit schwacher Krümmung dem Fundus- theil desselben an. Unterscheidet sich von Lecquereusia spiralis vor Allem durch den Besitz der Schlundbrücke, dann durch den gänz- lichen Mangel selbstabgeschiedener Kieselstäbchen. Auffallend ist das 106 L. Rhumbler, häufige Vorkommen von Doppelgehäusen (Fig. 6, 7, 8), deren Wohn- raum mit einander in Verbindung steht (bei etwa 3°/, meiner Exem- plare beobachtet). Länge — 0,12—0,13 mm, Breite = 0,11—0,12 mm. Die neue Species Leequereusia modesta ist p. 101 beschrie- ben worden. Nachschrift: Zu p. 77 ist zu bemerken, dass auch Jawo- kowskyY!, analog der Beobachtung BürscaLr's an Arcella, nach der Konjugation von Difflugia globulosa Duj. Kernvermehrung in beiden Thieren und hierauf Auswanderung von amöbenartigen Schwärmern beobachtet hat. Die in den Beiträgen III—V citirte Litteratur, Die mit * bezeichneten Abhandlungen enthalten nähere Angaben über Cyphoderia margaritacea Schlumb. 1. H. Branc, »Les Difflugies de la faune profonde du Lac L&man<. Recueil ee de l’Universite de Lausanne. 1892. 2. F. BLocHmAnn, »Zur Kenntnis der Fortpflanzung von Euglypha alveo- lata Duj.<. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIII. 1888. p. 173—183. Taf. V. 3. 0. BürscHLı, »Protozoa« in: Dr. H. G. Broxn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. I. Leipzig u. Heidelberg 1880—1882. 4. *H. J. CARTER, »On freshwater Rhizopoda of England and India«. Annals and magazine of natural history. 3. ser. Bd. XIII. 1864. p. 18—39. Tara 5. * FRESENIUS, »Beiträge zur Kenntnis mikroskopischer Organismen<. Abhand- lungen, herausgeg v. d. SENCKENBERG’schen Naturforschend. Gesellsch. Bd. II. 1856—1858. p. 211—242. Taf. X— XI. 6. *A. GRUBER, »Die Theilung der monothalamen Rhizopoden«. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 1882. p. 104—124. Taf. IV u. V. *J. LEIDY, »Fresh-water Rhizopods of North-America<. Report ofthe United States geological survey of the territories. Vol. XII. Washington 1879. 8. *E. PENARD, »Etudes sur les Rhizopodes d’eau douce<. M&moires de la Societe de Physique et d’Histoire Naturelle de Geneve. Tome XXXI. No. 2. 1890. p. 1—230. Pl. I-XI. 9. *M. PERTY, »Zur Kenntnis der kleinsten Lebensformen in der Schweiz«. Bern 1852. 10a. L. RHUMBLER, »Die verschiedenen Cystenbildungen und die Entwicklungs- geschichte der holotrichen Infusoriengattung Colpoda«. Diese Zeitschr. Bd. XLVI. 1888. p. 549—601. Taf. XXXV1. | . ! A. JAWOROWSKY, »Ein kleiner Beitrag zur Vermehrungsweise der Süß- wasserrhizopoden«. Odbitka z »Kosmosu« Zeszyt IV. Lwow 1892. p. 15 u. 16. Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 107 10b. L. RHUMBLER, »Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. I. Über Entstehung und sekundäres Wachsthum der Gehäuse einiger Süßwasserrhizopoden«. Diese Zeitschr. Bd. LII. 1891. p. 515—550. Taf. XXXI. 10e. Derselbe, >II. Sacecammina sphaerica M. Sars«. Diese Zeitschrift. LVII. 1894. p. 433—617. Taf. XXI—XXV. 10d. Derselbe, »Über Entstehung und Bedeutung der in den Kernen vieler Proto- zoen und in Keimbläschen von Metazoen vorkommenden Binnenkörper (Nucleolen)«. Diese Zeitschr. Bd. LVI. 1893. p. 328—364. Taf. XVII. 10e. Derselbe, »Eine Doppelfärbung zur Unterscheidung von lebenden Sub- stanzen und von abgestorbenen oder anorganischen Substanzen nach ihrer Konservirung«. (Im Anschluss hieran einige Mittheilungen über Rhizopoden.) Zool. Anz. 1893. Nr. 411 u. 412. 10f. Derselbe, »Entwurf eines natürlichen Systems der Thalamophoren«. Nachr. der K. Gesellsch. der Wissensch. zu Göttingen. Math.-phys. Klasse. 1895. p. 51—98. 10g. Derselbe, »Über die phylogenetische Bedeutung der entosolenen Lageninen«. Zool. Anz. 1895. Nr. 474. 11. F. ScHaupıss, »Über die Theilung von Amoeba binucleata Gruber«. Sitzungsber. d. Gesellsch. naturf. Freunde Berlin. Jahrg. 1895. p. 130—141. 12a. W. ScHEWIAKOFF, »Über karyokinetische Kerntheilung bei Euglypha alveolata«. Morphol. Jahrb. Bd. XIII. 1888. p. 193—258. Taf. VIu. VI. 12b. Derselbe, >»Über die Natur der sogenannten Exkretkörner der Infusorien«. Diese Zeitschr. Bd. LVII. 1893. p. 32—56. Taf. II. 13. *M. P. SCHLUMBERGER, »Sur quelques nouvelles especes d’Infusoires de la Famille des Rhizopodes<. Annales des sciences naturelles. 3® serie. Bd. III. 1845. p. 254—256. 14. *F. E. SCHULZE, »Rhizopodenstudien. III.< Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. 1875. p. 94—139. 15. *M. Schutze, »Über den Organismus der Polythalamien«. Leipzig 1854. 16. *FR. Stem, »Über Süßwasserrhizopoden«. Sitzungsberichte der Böhmischen Akademie. Januar 1857. Bd. X. Berichte der Sektionen p. 42. 17a. M. VERWORN, »Biologische Protistenstudien<. Diese Zeitschr. Bd. XLVI. 1888. p. 455—470. 17b. Derselbe, »>Allgemeine Physiologie. Ein Grundriss der Lehre von Leben.« Jena 1895. 18. G. C. WALLIcH, »>On the Extent and some of the Prineipal Causes of Structural Variation among the Difflugian Rhizopods<. Ann. mag. nat. hist. 3. ser. Bd. XIII. 1864. p. 215—245. Taf. XV u. XV. Erklärung der Abbildungen. Tafel IV. Alle Figuren unter Anwendung der OBERHÄUSER’schen Kammer gezeichnet. Fig. 1. Leequereusia spiralis (Ehrenb.). Gehäuse aus verschieden gestalteten Kieselstäbchen zusammengesetzt. Vergr. 360,1. Fig. 2. Leequereusia modesta nov. spee. (ef. p. 101). Gehäuse aus Kieselstäbchen (St) und Kieselplättchen (Pl), — zum Theil letztere mit centra- len Verdickungen (Pl) — zusammengesettz. Vergr. 360/1. 108 L. Rhumbler, Fig. 3. Verschiedene Formen der die Schale von Leequereusia spi- ralis zusammensetzenden Kieselbildungen; isolirt und in Wandstücken dar- gestellt (»n, n, g, r u. v). Vergr. 360/1. Besonders auffallend sind: a, Entstehungszustand der Stäbchen im Inneren des Weichkörpers; ‘ce u. d erinnern durch perlschnurartiges Aussehen an ihre Entstehung; 9, o u. s, mehr oder weniger vollkommene Ringformen; m, langgestreckte dünne Stäbchen in eine homogene Kiesellamelle ein- gebettet; n, kleine Stäbchen in eine homogene Kiesellamelle eingebettet, welche durch zarte Netzlinien in einzelne Felder getheilt erscheint; q, Stäbchen dicht an einander gelagert; r u. v, Stäbchen loser zusammengelagert, so dass die homogene, in Kalilauge lösliche Kittmasse zwischen ihnen hindurch sichtbar wird. Bei v»* eine Diatomee; y, Stäbchen mit einer kugeligen Anschwellung (ef. auch x u. r). Verzweigte Formen in db, e, /, £t, w, x u. 2; geschlängelte Formen in f, p, uuY. | : Fig. 4. Wandstück aus einer sehr regelmäßig aufgebauten Schale von Lecquereusia spiralis. Die Stäbchen zeigen keine Unebenheiten, sind von ähn- licher Größe und meist halbmondförmig gekrümmt. Vergr. 400/1. Fig. 5. Pontigulasia incisa nov. gen. nov. spec. (cf.p.105). exSt, extra- thalam aufgespeicherte Steinchen; Ps, Pseudopodien; K, Schalenkerbe; SB, Schlundbrücke. Vergr. 217/1 (ef. Fig. 22—25). Fig. 6-8. Pontigulasia spiralis nov. gen. nov. spec. (cf.p.105). Dop- pelbildungen; jedenfalls aus Konjugation zweier Mutterthiere entstanden (cf. p. 76). Vergr. 217/1. “ Fig. 7 mit extrathalamer Aufspeicherung von Gehäusematerial. Fig. 9. Encystirtes Exemplar von Difflugia elegans Penard, vom Titimoor. Vergr. 540/1. D, Deckel aus extrathalam aufgespeicherten Stein- chen hergestellt; C, Chitinauspolsterung des Gehäuses; M, vordere Cysten- membran: W%, Weichkörper; Nucil, Kern. Fig. 10. Difflugia acuminata ZEhrenb.; encystirtes Exemplar. D, Deckel aus zwei Lamellen bestehend; in Eosin stark roth gefärbt; Wk, Weich- körper; Nucl, Nucleus; dr.K, dunkelbraun gefärbte Kittmasse am hinteren Schalenende. Vergr. 217/1. Fig. 11. Eneystirtes Doppelexemplar von Difflugia elegans Penard. e, Chitinauskleidung. Vergr. 217/1 (ef. Fig. 9 u. 19). Fig. 12. Paramedianschnitt durch Pontigulasia compressa nov. gen. nov. spec. Sd, Schlundbrücke; Sch, Schalenwand; si, derselben aufgelagertes Steinchen; St, Steinchen, welches innen und außen aus der Schalenwand her- vorragt; Geh, leeres Gehäuse einer kleineren Difflugie, welches als Baustein be- nutzt worden ist. Vergr. 360/1. Fig. 13. Pontigulasia compressa nov. gen. nov. spec. a, Ansicht von oben; 5, Ansicht von der Seite; $Sd, Schlundbrücke. Vergr. 217/1. Fig. 14. Difflugia asterisea nov. spec.; zwei Exemplare in Konju- gation. Nucl,, größerer Kern des Individuums I, das auch einen größeren Weichkörper (Wxk,) besitzt. N, Nahrungsballen; Nucls, kleinerer Kern des Indi- viduums II mit kleinerem Weichkörper (W%»); Ps, Pseudopodien. Fig. 15. Konjugationsexemplar von Difflugia pyriformis Perty. E, Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. 109 plättehenartige Einlagerungen, in Salzsäure unlöslich. Die übrigen Bezeich- nungen wie in Fig. 14. Vergr. 275/1. Fig. 16. Aus dem Gehäuse freipräparirte Cyste von Difflugia elegans Penard, vom Titimoor. Z, Zapfen, welche zwischen die Gehäusesteinchen ein- greifen. Vergr. 360/1. Fig. 17. Difflugia pyriformis Perty mit zwei Kernen. Buchstaben wie bei Fig. 14 u. 15. Vergr. 450/1. Fig. 18. Kern von Difflugia asterisca nov. spec. Vergr. ca. 1100/1. Fig. 19. Zwei eneystirt gewesene Exemplare von Difflugia elegans Penard, in Konjugation. Nucl, die Kerne in beiden Thieren gleich groß; N, Nahrungskörper; ?, fragliche Körper. Vergr. 360/1. Fig. 20. Doppeleyste von Difflugia bacillifera Penard. N, Nah- rungskörper; Nwel, die Kerne in beiden Thieren gleich groß; D, in Karmin stark roth gefärbte Cystendeckel. Vergr. 180/1. Fig. 2l. Konjugationspaar von Difflugia globulosa Dujard. Der Kern des Individuums I bewegt sich nach demjenigen von II hin, die beiden Kerne sind annähernd gleich groß. N, Nahrungskörper, zum Theil ausgestoßen (N}); S, perinucleäre Sarkode; ?, fragliche Gebilde frei im Gehäuseraum von II; Geh, leere Gehäuse kleinerer Difflugien als Bausteine benutzt. Vergr. 260/1. Fig. 22a,d,c. Breite, lappige, flechtenartige Pseudopodien von Ponti- gulasia incisa nov. gen. nov. spec. (cf. p. 105). In Fig. 22a ist auch das Ge- häuse von oben gesehen (Geh) mitgezeichnet. Vergr. 217/1. Fig. 23. Einlagerungen aus der perinucleären Sarkode von Pontigu- lasia incisa. Vergr. ca. 500/1. Fig. 24. Pseudopodien mit extrathalam aufgespeicherten Steinchen von derselben. Vergr. 217/1. Fig. 25. Isolirter Kern von derselben. Vergr. ca. 400/1. Tafel V. Fig. 1—15 beziehen sich auf Cyphoderia margaritacea Schlumb. Fig. 1—13 sind unter Anwendung des SEIBERT’schen Objektiv V bei ausge- zogenem Tubus mit dem OBERHÄUSER’schen Zeichenapparat gezeichnet. Ver- größerung 500/1. Die Farben entsprechen den Wirkungen der Methylgrün- Eosin-Mischung. roth = Sarkode, grün — aufgenommene Schlammtheilchen (Nahrungsmassen), gelb = Phäosomen. Fig. 1. Hinten zugespitzte Schale, deren Vordertheil (a) aus kleineren Plättehen zusammengesetzt ist als deren Hinterende (b). Fig. 2. Gehäuse, dessen Hintertheil aus kleinen Plättehen zusammenge- setzt ist, dessen Vordertheil aber aus einer homogenen Grundsubstanz besteht, in welcher nur hier und da kleine Plättchen (7/2), kaum kenntlich, hervortreten, der aber kleine Phäosomen allenthalben aufgelagert sind; X, drei im Weich- körper liegende größere Phäosomen. Fig. 3. Ein in ihrem Hintertheil etwas verzogenes Gehäuse mit einem Weichkörper im normalen Zustande. Va, Vacuolen. Fig. 4. Konjugationspaare: I, das ältere Thier, das längere Zeit hindurch keinen Sprössling erzeugt hat; IZ, ein kurz vorher aus dem Sprossungsvorgang entstammtes Thier; ?, fragliche, stark roth gefärbte Körperchen, vielleicht Chro- 110 L. Rhumbler, Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. III—V. matin. Die Farbe der Phäosomen hat sich zum Theil, wohl durch Wirkung der Pikrinschwefelsäure, dem Protoplasma mitgetheilt. Fig. 5 wie Fig. 4 rk, in Eosin roth gefärbte Kittmasse, zum Tun halt der beiden Schalen abgeschieden nur am unteren Mündungsrand der Schale. Fig. 6. Erzeugung einer Tochterschale 2, Anfangsstadium; D, von der Tochterschale abgehobene Deckschicht. Fig. 7. Folgendes Stadium der Sprösslingsbildung, die Tochterschale 2 ist bereits zum größten Theil fertig gebaut, doch fehlt noch das Hinterende. Letzteres ist gegen den Weichkörper hin trichterförmig nach innen geschlagen und noch im Bau begriffen; man sieht die Plättehen ?7 in der Wanderung nach der Baustelle begriffen, am weiteren Öffnungstheil des Trichters sind sie schon zu einem Mosaik (Pl) zusammengetreten. Der Kern (Nucl) befindet sich im Theilungsstadium, Chromosomen lassen sich erkennen. Das Muttergehäuse ist in eine Spitze ausgezogen, an welcher die Plättchen PZ, dornenartig nach außen abstehen. Fig. 8 wie Fig. 7, jedoch der Kern noch auf einem früheren Stadium; die Binnenkörper sind verschwunden, ein Gerüstwerk tritt in der sonst homogen erscheinenden Grundmasse des Kerns, wenn auch undeutlich, hervor. =, leerer Raum; %/, kleeblattähnliche Gebilde. Fig. 9. Kerne aus verschiedenen Individuen in zwei Größenreihen. In der Reihe a, d,c, d hat keine Verschmelzung der Binnenkörper stattgefunden; in der Reihe A, B, C, D hat die Zahl der Binnenkörper durch Verschmelzung derselben abgenommen. In Fig. d sieht man kleinste Binnenkörper frei in der Kerngrundmasse auftreten, in Fig. 3 und C dagegen Verschmelzung von Binnen- körpern. Fig. 10. Die an einander gelagerten Mündungsränder zweier Schalen wäh- rend des Knospungsprocesses. D, Deckschicht; 7, Schicht der Plättehen. Die Deckschicht greift bei D, auf das Tochtergehäuse über, die Plättehenschicht dagegen nicht. Fig. 11. Phäosomen, einzeln und in Verschmelzungsaggregaten. Fig. 12. Endstadium des Knospungsprocesses.. Die Binnenkörper zeigen in den Kernen längliche Gestalt. Die Xanthosomen liegen in dem Tochter- sehäuse D hinter dem Kern. Fig. 13 wie Fig. 12. Xsi, Nacktstelle der Schale. 77, nicht verbrauchte Plättchen. Fig. 14. Schalenplättehen durch Eindampfen mit kone. HCl zum Theil isolirt, zum Theil noch im Verbande; a von der Breitfläche, 5 von der Kante gesehen. Vergr. 2000/1. Fig. 15. Verschiedene Cyphoderien mit ihren Schalen künstlich in Be- rührung gebracht. An den Berührungspunkten werden die Schalen durch deut- lich wahrnehmbare Tropfen, welche sich zwischen sie gelagert haben, zu- sammengehalten. Fig. 155. Zwei künstlich zusammengebrachte Cyphoderien im Auseinander- weichen begriffen. Der Berührungstropfen (7) wird in die Länge gezogen. Fig. 16. Ein Konjugationspaar A u. A, von Difflugia elegans Penard erzeugt zwei neue Tochtergehäuse 3 u. B,; in dem Muttergehäuse A, ist eine Cystenmembran C sichtbar. Vergr. 540/1. Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbriciden. Von Dr. H. Ude, Oberlehrer in Hannover. Mit Tafel VI. Im Folgenden will ich über eine Reihe von Untersuchungen be- richten, die ich in den letzten Jahren an einheimischen Enchytraeiden angestellt habe. Daneben möge hier die Beschreibung einer zwar kleinen, aber interessanten Sammlung nordamerikanischer Regen- würmer Platz finden. 1. Fam. Enchytraeidae. l. Bryodrilus ehlersi Ude. Im Sommer 1592 sammelte einer meiner Schüler gelegentlich einer Turnfahrt in den Harz bei Altenan i. H. drei Exemplare einer noch nicht beschriebenen Enchytraeiden-Art. Da mir also nur wenige Exemplare zur Verfügung standen und ich hoffen durfte, im Laufe der Zeit mehr Material zusammenbringen zu können, so gab ich in Nr. 401 des »Zoologischen Anzeigers« vom Jahre 1892 eine vorläufige Mittheilung über die wichtigsten Charaktere der als Bryodrilus ehlersi bezeichneten Art, die sich gleichzeitig als typischer Vertreter einer neuen Gattung erwies. Inzwischen habe ich diese Art in größerer Menge gefunden, so dass ich jetzt die Untersuchungen besser in An- sriff nehmen und zum Abschluss bringen konnte. Bevor ich zur Beschreibung des Thieres übergehe, möchte ich hier noch einige Bemerkungen über die Abtödtungs- und Konservirungs- methode der Enchytraeiden niederlegen. Nach dem Vorgange von MicHAELsEN habe ich die Thierchen bislang vorwiegend durch Über- gießen einer heißen, gesättigten Sublimatlösung getödtet, in der ich 112 H. Ude, dieselben während etwa 10 Minuten liegen ließ, um sie dann in Al- kohol zu übertragen. Wenn sich nun diese Methode auch im Allge- meinen als die beste erwies, so spielt doch dabei der Zufall eine recht große Rolle. In manchen Fällen erhält man zwar ausgezeichnet konservirte Exemplare, bei denen die feinen Wimpern des Darm- epithels und vor Allem das Blutgefäßsystem nach Färbung mit GRE- NACHER’S alkohol. Borax-Karmin vortrefflich zu erkennen sind. In anderen Fällen — und zwar kommen dieselben leider recht häufig vor — erweist sich diese Abtödtungsmethode als unbrauchbar, denn es sind oft die theilweise sehr zarten Organe schlecht erhalten und die Färbung mit der sonst vortrefflichen Karminlösung misslingt. Fundorte und Lebensweise. Ich habe Bryodrilus ehlersi außer an jener bereits erwähnten Stelle bei Altenau i. H. noch an folgenden Örtlichkeiten gefunden: auf dem Stöberhai bei Lauterberg im Harz, in der Eilenriede bei Hannover und in den Wäldern bei Calefeld (Prov. Hannover). Die Thiere scheinen ausschließlich oder doch wenigstens vorwiegend unter Moos an alten Baumstümpfen, die noch nicht vollständig vermodert sind, zu leben. So traf ich sie z. B. in den Wäldern bei Calefeld stets in größerer Menge in dem feinen Holzgerölle und dem zarten Moose an, das die stehengebliebenen Baumstümpfe von Buchen bedeckt. Bei zu großer Trockenheit ziehen sich die Thiere in die dünnen Rillen des lockergewordenen Holzes selbst zurück. — Was ihre Beweglichkeit anlangt, so ist dieselbe nur ziemlich gering; sie sind, wenn man sie mit den lebhaften Fridericien vergleicht, verhältnismäßig schwerfällig und ziehen sich bei Berührung langsam in ein Versteck zurück. Größenverhältnisse und Farbe. Die Thierchen erreichen bei einer Dicke von etwa !/, mm im Allgemeinen eine Länge von 8—12 mm; manche dehnen sich jedoch im lebenden Zustande bis 15 oder 16 mm aus. Die Zahl der Segmente schwankt zwischen 45 und 50. Was die Farbe anlangt, so sind der Vordertheil mit Ein- schluss des Gürtels und das Hinterende weißlich, während die mittlere Körperpartie schwach gelblich oder, in Folge des durchscheinenden Darminhalts, schmutzig bräunlich erscheint. Im Übrigen ist die Haut vollkommen durchsichtig, so dass man unter der Lupe und dem Mi- kroskop selbst bei stärkerer Vergrößerung sämmtliche Eingeweide deutlich erkennen kann. Die Borsten beginnen mit dem zweiten Segmente und gleichen in ihrer Form und Anordnung den Pachydrilus-Borsten. Sie sind also schlank S-förmig gebogen und in den fächerförmigen Bündeln liegt Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 113 die Biegung der Borsten in der Ebene der Fächer. Die Borsten jeder Seite nehmen in den dorsalen Bündeln von oben nach unten an Länge zu, in den ventralen Bündeln dagegen ab; in Folge dessen kehren je ein dorsales und ventrales Bündel ihre größeren, die beiden ven- tralen (bez. dorsalen) Bündel dagegen die kleineren Borsten einander zu. — Die Zahl der Borsten beträgt in verschiedenen Bündeln drei, vier, fünf oder vereinzelt auch sechs. Häufig findet man in den dor- salen Bündeln vier, in den ventralen Bündeln fünf Borsten. Der Gürtel hebt sich durch seine helle Färbung deutlich ab, umfasst das 12. Segment und erstreckt sich auch auf einen Theil der beiden benachbarten Segmente. Er ist mit Drüsen unregelmäßig be- setzt, die. am lebenden Thiere von oben gesehen, einen polygonalen Umriss haben, verhältnismäßig klein sind, einen grob gekörnten In- halt besitzen und unter dem Mikroskop hell und durchsichtig er- scheinen. Der Kopfporus hat eine normale Größe und liest in der dor- salen Mittellinie zwischen Kopflappen und Kopfring (oder erstem Segment). Er ist sehr leicht auf dorso-ventralen Längsschnitten zu erkennen und kann auch am lebenden Thiere beobachtet werden. So sah ich wiederholt, dass aus demselben die Lymphkörperchen nach außen traten, was offenbar durch den Druck hervorgerufen wurde, der durch das auf dem Thierchen ruhende Deckgläschen entsteht. In solchen Fällen beobachtet man nämlich, dass die Lymphkörper des Vordertheils des Thieres in großer Menge von hinten nach vorn wan- dern. Der dadurch im Innern entstehende Druck wird offenbar durch Entleerung der Körperchen ausgeglichen. Es hat daher die Ansicht MICHAELSEN’s viel Wahrscheinlichkeit für sich, dass nämlich die Kopf- poren »als Sicherheitsventile gegen zu starken Druck der Leibes- Hüssigkeit auf das Gehirn« dienen. — Rückenporen sind nicht vor- handen. Wie MicHAELSEN nachgewiesen hat und ich bereits bestätigt habe, kommen dieselben, so viel wir bis jetzt wissen, nur bei der Gat- tung Friderieia vor. Die Lymphkörper, die in der Leibesflüssigkeit suspendirt sind, . haben eine scheibenförmige Gestalt; von der Fläche gesehen erscheinen sie kreisrund (Fig. 2a), von der Kante gesehen dagegen elliptisch JFig. 25). Beim lebenden Thiere beobachtet, sehen sie bei schwacher Vergrößerung mehr oder weniger schmutzig bräunlich, bei stärkerer Vergrößerung grünlich punktirt aus. Auf Schnitten durch den Körper des Thieres sind sie durch das Karmin gleichmäßig rosa gefärbt, Immer aber sieht man im Centrum der Zelle einen deutlichen Kern Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 8 114 H. Ude, mit Kernkörperchen, der sich durch Karmin intensiv roth färbt. Die Lymphzellen erreichen einen Flächendurchmesser von 20 u. Das Gehirn hat im Allgemeinen eine beutelförmige Gestalt. Fig. 1 stellt einen Oberflächenschnitt desselben dar, den man erhält, wenn man den Vordertheil des Thieres in schräg von hinten nach vorn verlaufende dorso-ventrale Querschnitte zerlegt. Von der Fläche gesehen stellt das Gehirn demnach ein von vorn nach hinten etwas breiter werdendes, regelmäßiges Viereck dar, das annähernd die Form eines Rechtecks hat. Der Hinterrand ist abgerundet, der Vorderrand ist fast geradlinig mit einer kleinen, mittleren Einbuchtung und ähnelt einer {-Klammer. Vorn seitlich entspringen zwei Nerven, von denen jeder dicht hinter der Ursprungsstelle eine Anschwellung bildet und sich darauf in zwei Äste spaltet. Der vordere Ast zieht zur Hypodermis des Kopflappens, tritt, nachdem er sich nochmals gegabelt hat, durch die Muskellage des Leibesschlauches hindurch und setzt sich mit den sehr hohen Hypodermiszellen in Verbindung. Der andere Ast biegt ventralwärts und nach hinten um und bildet mit dem von der anderen Seite kommenden das erste Bauchganglion. Die Ganglienzellen ord- nen sich im Gehirn so an, dass sie die vordere, hintere und dorsale Fläche einnehmen und jederseits bis zur ventralen Fläche herabziehen. — Was die Größenverhältnisse des Gehirns anlangt, so fand ich fol- - gende Zahlen: die Länge, vom Vorder- bis zum Hinterrande gerech- net, beträgt 100 u, die mittlere Breite 64 u. — Eisen und MICHAELSEN haben zuerst in dem auf die Geschlechtsorgane folgenden Segmente an dem Bauchstrange von Pachydrilen »fügelförmige Wucherungen« sefunden. Hesse hat dann gezeigt, dass wir es. hier mit lang aus- gezogenen Hypodermisdrüsenzellen zu thun haben. Solche »Kopula- tionsdrüsen« (Hesse), die ich bei Pachydrilus pagenstecheri kennen gelernt habe und die nach ihrem Vorkommen und ihrer Form für die Systematik bedeutungsvoll sind, fehlen bei Bryodrilus ehlersi. Das Rückengefäß entsprinst aus dem Darmblutsinus im 12. Segment, also intraclitellial, und bildet eine Reihe herzartiger Anschwellungen, von denen je eine auf ein Segment kommt und die in ihrer Größe von hinten nach vorn abnehmen. Das Blut selbst ist farblos und enthält keine freien Blutkörperchen. An der Stelle, wo das Rückengefäß entspringt, erweitert sich der Blutsinus beträcht- lich und bei Bryodrilus fand ich zu beiden Seiten der größeren cen- tralen je eine etwas kleinere Erweiterung. Diese drei Anschwellungen des Blutsinus vereinigen sich mit einander und bilden die erste herz- förmige Anschwellung des Rückengefäßes. — Im Dorsalgefäße von Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 115 Mesenchytraeen hat MICHAELSEN einen stabförmigen, aus Zellen be- stehenden Herzkörper beschrieben. Bei Bryodrilus ist ein solcher Zellstrang nicht vorhanden. Durch vergleichende Untersuchungen an Stylaria lacustris und Friderieia Ratzelii hat Hrsse (2) gefunden, dass der Blutsinus, welcher sich aus einzelnen längsverlaufenden, mit einander kommunieirenden Kanälen zusammensetzt, von einem Endothel umschlossen ist. Er fand nämlich in der dem Darmepithel anliegenden Seite des Sinus kleinere Kerne in Zellen eingebettet und sah, dass auch die Längs- wände, die die Kanalbildung des Sinus bewirken, aus solchen Zellen bestehen. Ich kann diese Beobachtungen bestätigen und in gewisser Weise ergänzen. Zwar habe ich diese Untersuchungen nicht an Bryodrilus angestellt, da hier die Verhältnisse wegen der Kleinheit zu schwer zu erkennen sind, sondern an Henlea leptodera, Pachy- drilus pagenstecheri und anderen Arten, bei denen der Blutsinus sehr stark entwickelt ist. Ich fand nämlich auf Längsschnitten, dass das feine Häutehen, welches den Blutsinus umschließt, sowohl an der- jenigen Seite, die dem Darmepithel anliegt, wie auch an jener, die an die Muskelschicht anstößt, aus Zellen mit Kernen besteht, deren Längendurchmesser im Allgemeinen mit der Längsachse des Blut- sefäßes zusammenfällt. Dabei erkannte ich weiterhin, dass die Zellen mehr oder weniger weit in das Lumen des Blutsinus hineinragen. Auch auf Querschnitten habe ich die Kerne der Endothelzellen gut erkennen können und ebenfalls gesehen, dass die die Kanäle des Sinus umschließenden Wände von solchen Zellen gebildet werden. Es ist also unzweifelhaft, dass die Wand des gesammten Blutsinus und seiner Kanäle von einem Endothel gebildet wird. — Weiterhin findet man, wie ich das besonders gut auf Querschnitten durch Pachydrilus pagenstecheri erkennen konnte, in den herzartigen An- schwellungen des Rückengefäßes kleine, deutlich begrenzte Zellen. Demnach wird auch das Rückengefäß von einem Endothel um- schlossen, das eine direkte Fortsetzung von demjenigen des Blut- sinus ist. Nach der Leibeshöhle zu ist dieses Endothel noch von den sehr dünnen Zellen des Peritoneums überzogen. Ich will noch bemerken, dass MICHAELSEN die Endothel- und Peritonealzellen des Rückengefäßes in seiner Arbeit »Enchytraeiden-Studien« (Fig. 1e und 35) abgebildet hat. An einzelnen Stellen findet man weiterhin, dass von der Wandung des Rückengefäßes in das Lumen hineinragende Zellen hervorspringen, an denen Nusßaum im lebenden Thiere eine Art pendelnde Bewegung beobachtet hat. Ob diese Zellen, wie MiCHAEL- 8% 116 H. Ude, SEN bereits früher angedeutet hat und NusBAum annimmt, die Blut- körperchen vertreten, lasse ich dahin gestellt. Dagegen scheint es mir sicher, dass sie nichts Anderes als weit in das Lumen hervor- springende Endothelzellen sind. Einmal sprieht dafür, dass sich diese Zellen mit Karmin gerade so färben, wie die eigentlichen Endothel- zellen und außerdem kann man stets zwischen den niedrigsten Endo- thelzellen und den am weitesten in das Rückengefäß hineinragenden Zellen alle möglichen Zwischenstufen beobachten. Der Darmkanal hat im Allgemeinen einen normalen Bau. Auf die Mundhöhle, in der sich von der ventralen Fläche die Geschmacks- lappen erheben, folgt der Schlund mit dem Schlundkopf, einer starken Verdickung des dorsalen Schlundepithels. Hieran schließt sich die Speiseröhre, die allmählich, ohne scharfe Abgrenzung in den weiteren Magendarm übergeht. Was die Anhangsorgane anlangt, so liegen im vierten, fünften und sechsten Segmente die Septaldrüsen, die eine normale Gestalt haben und von vorn nach hinten an Größe zu- nehmen. Wie Hesse nachgewiesen hat, bestehen dieselben aus Bün- deln -einzelliger Drüsen, die außerordentlich lang ausgezogen sind und durch das Schlundkopfepithel hindurch in den Schlund münden. Man kann diese äußerst feinen Ausführungsgänge an den punktförmigen Er- weiterungen, die kurz vor der Einmündung in den Schlund liegen, er- kennen. Dicht hinter dem Schlundkopf münden in den Schlund zwei sehr kleine birnförmige Körper, an denen ich kein Lumen erkennen konnte, die vielmehr von Zellen erfüllt sind. Ich halte dieselben für stark rudimentäre Speicheldrüsen. — Zwischen den Septaldrüsen des fünften und sechsten Segmentes und zwar im sechsten Segmente (nicht im ‚ Siebenten Segmente, wie in der vorläufigen Mittheilung angegeben) münden in den Darmkanal vier Darmtaschen ein. Dieselben sind mehr oder weniger kegelförmig und ihr breiteres Vorderende ist seit- wärts mit dem Darmkanal verwachsen, während ihre abgerundete Spitze nach hinten frei in die Leibeshöhle ragt. Sie sind in gleichen Abständen rings um den Darmkanal angeordnet, so dass man ein dorso-laterales und ein ventro-laterales Paar unterscheiden kann. Die Wand der Taschen besteht aus einem gefalteten Epithel, das vom Blutsinus umspült ist; ihr Lumen ist ziemlich klein und mündet mit relativ weiter Öffnung in den Darmkanal. Fig. 4 stellt einen Quer- schnitt durch die Einmündungsstelle der Darmtaschen in den Darm- kanal dar. Deutlich hebt sich durch seine regelmäßige Anordnung der Zellkerne das Darmepithel ab, während in den Darmtaschen die Kerne der Epithelzellen, deren Grenzen schwer zu erkennen sind, Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 7 unregelmäßig und zerstreut liegen. Ein Unterschied zwischen den beiden Epithelschichten besteht auch darin, dass die Epithelzellen des Darmes bewimpert sind, während diejenigen der Darmtaschen keine Cilien tragen. Davon habe ich mich sowohl auf Schnitten, wie auch am lebenden Thier überzeugen können. Der Blutsinus, der den Darm umspült, tritt, wie auch Fig. 4 zeigt, direkt auf die Darm- taschen über’ und die Blutbahnen verlaufen hier so, dass sie sich theilweise von der Peripherie her tief zwischen die Epithelzellen ein- senken. Fig. 5 stellt einen weiter nach hinten durch den Darmkanal etwas schräg gelegten Querschnitt dar, der die Loslösung der Taschen vom Darmkanal demonstrirt. — Deutlich erkennt man die Form und den Bau der Taschen auch auf Längsschnitten. So zeigt Fig. 6 den Durchschnitt durch eine dorsale und ventrale Tasche und lässt er- kennen, dass das Lumen der Taschen verhältnismäßig klein ist und, in Folge der Faltenbildung der starken Epithelschicht, einen unregel- mäßigen Verlauf hat. Während nun, wie auch Fig. 6 zeigt, der Blut- sinus der Darmanhänge sowohl nach hinten wie auch nach vorn direkt mit dem Darmblutsinus in Verbindung steht, tritt das Rücken- gefäß mit den Darmtaschen nicht unmittelbar in Beziehung. Es ent- springt, wie oben gezeigt wurde, im zwölften Segmente und verläuft dann nach vorn auf der dorsalen Mittellinie des Darmes entlang, wo- bei es, wie Fig. 4 und 5 erläutern, zwischen den Darmtaschen hin- durchzieht. Nun hat bereits MICHAELSEN nachgewiesen, dass das Rückengefäß in seinem weiteren Verlaufe nach vorn an einzelnen Stellen mit dem Blutsinus wieder durch kurze unpaare Kanäle in Kommunikation tritt. Ich kann das für Bryodrilus bestätigen und fand z. B. regelmäßig einen solchen Verbindungskanal zwischen Rückengefäß und Darmblutsinus unmittelbar hinter der Einmündungs- stelle der Darmtaschen. Damit stehen die Blutbahnen der dorsalen Darmtaschen und das Rückengefäß durch den Darmblutsinus und jenes Kanälchen mit einander in Verbindung. Ich möchte hier noch bemerken, dass sich das Rückengefäß wegen des Vorhandenseins der unpaaren Verbindungsgänge auffassen lässt als einer von jenen Längs- kanälen, aus denen sich der Darmblutsinus zusammensetzt, der sich aber aus dem Verbande mit dem Darm losgelöst hat. | Die Segmentalorgane (Fig. 3) bestehen aus einem kleinen triehterförmigen Anteseptale (as) und einem bedeutend größeren, platten, ovalen Postseptale (ps), an dessen schmaler Seite dicht hinter dem Dissepiment (d) der Ausführungsgang entspringt. Der das Seg- mentalorgan durchziehende Kanal beginnt im Anteseptale mit trichter- 118 H. Ude, förmiger, bewimperter Öffnung; seinen weiteren Verlauf im Post- septale mit Sicherheit festzustellen ist mir bis jetzt nicht gelungen. Bousıus ist der Meinung, dass der Kanal beim Eintritt in das Post- septale sich gabelt und dass die Fortsetzungen dieser Gänge ein reich verzweigtes Kanalsystem bilden. Ich habe mich hiervon nicht über- zeugen können, sondern bin vielmehr der Ansicht geworden, dass der ins Postseptale tretende Kanal unverzweigt, aber in äußerst dicht an einander liegenden, schraubenförmig verlaufenden Windungen das ganze Postseptale bis ans Hinterende durchzieht, dann umkehrt, um im gleichen Verlaufe zu dem seitlich entspringenden Ausführungs- gsange zu gelangen. Stets habe ich nämlich auf Schnitten beobachtet, dass die kurzen Strecken des Kanals, die auf Längsschnitten ge- troffen werden, die Tendenz jener schraubenförmigen Windungen zeigen. Zu dieser Ansicht bin ich auch besonders durch die charak- teristischen Segmentalorgane der Mesenchytraeen geführt, bei denen von einer Anastomosenbildung nichts zu sehen ist. — Was den Ver- lauf des Kanals im Ausführungsgange anlangt, so ist derselbe bereits vor Bousus durch VEJDOVSKY und MICHAELSEN genau beschrieben. Der Kanal verläuft hier nämlich in schwachen Windungen und bildet kurz vor seinem Ende eine blasenförmige, oder, wie MICHAELSEN sagt, vorhofartige Erweiterung (vgl. auch MICHAELSEN, Über Enchy- straeus Moebii ete., Taf. III, Fig. 5). MICHAELSEN fügt hinzu, dass dieselbe nicht bei allen Enchytraeiden dicht vor der Öffnung liegt; denn er fand sie bei Pachydrilus beumeri sehr hoch im Ausführungs- sange. »Diese Erweiterung hat wahrscheinlich denselben Zweck wie die Endblase, die VEsSDovsky von Anachaeta bohemica beschreibt, nämlich, die auszuführenden Stoffe zu sammeln.« — Darin kann ich die Beobachtungen von Bousıus bestätigen, dass nämlich der Aus- führungskanal nach innen vom Epithel der Körperwand und zwar mit der Ringmuskelschicht aufhört, dass also die Öffnung in der Hypodermis nicht vom Segmentalorgan selbst, sondern von den Hypodermiszellen gebildet wird (Fig. 3). — VEJDOVSKY und MICHAEL- SEN sind der Ansicht — und ich habe mich derselben früher ange- schlossen —, dass der Kanal die Zellen des Segmentalorgans durch- bohrt. Ich muss gestehen, dass es mir bis jetzt nicht gelungen ist, sichere Beobachtungen anzustellen, die für oder gegen diese Ansicht sprächen. Indessen fand ich wiederholt Strecken des Kanals so scharf begrenzt, dass ich schon desshalb an jener Meinung zweifeln möchte. Was die Geschlechtsorgane von Bryodrilus anlangt, so sind dieselben folgendermaßen gebaut. Die Hoden entwickeln sich als Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 119 Wucherungen am Dissepiment X/XI und bilden massige Säcke. Be- sondere Samensäcke fehlen. Die Samentrichter (Fig. 7) liegen im elften Segment, erscheinen hell, sind ziemlich klein und etwa drei- mal so lang als breit. Die Samenleiter sind lang und vielfach un- regelmäßig zusammengelegt und beschränken sich in ihrer Ausdeh- nung auf das zwölfte Segment, in dem sie auch nach außen münden. Die Ovarien entwickeln sich am Dissepimente XI/XIL Ein Eiersack ist nicht vorhanden. Die kurzen Eileiter treten im dreizehnten Seg- mente nach außen. Die Samentaschen (Fig. 8) liegen im fünften Seg- mente. Jede derselben stellt einen langen, schlanken Kanal dar, der eine je nach dem Füllungszustande mehr oder weniger starke ei- förmige Erweiterung besitzt, hinter welcher sich der Gang fortsetzt. Die beiden Samentaschen verlaufen schräg von vorn nach hinten in die Höhe, verwachsen dorsal mit einander und bilden einen gemein- samen Kanal, der mit dem Darm verwächst, sich mehr und mehr tief in das Darmepithel einsenkt und im sechsten Segment — an der Einmündungsstelle der Darmtaschen — mit dem Lumen des Darmes kommunicirt. In Fig. 4 sieht man den Durchschnitt dieses Kanals als kleine Offnung im dorsalen Theile des Darmepithels. Gattung Bryodrilus. Diagnose: Borsten $-förmig gebogen. Kopfporus zwischen Kopflappen und Kopfring; Rückenporen fehlen. Speiseröhre geht allmählich in den Magendarm über. Blut farblos. Rückengefäß ent- springt intraclitellial und ist ohne Herzkörper. Speicheldrüsen rudi- mentär. Lymphkörper scheibenförmig. Gehirn vorn mit medianer kleiner Einbuchtung, hinten abgerundet. Bauchstrang ohne Kopu- lationsdrüsen. Hoden massig. Samentaschen mit dem Darm ver- wachsen. ' Segmentalorgane wie bei Enchytraeus Mich. Species: Bryodrilus ehlersi. Meist drei bis fünf, selten sechs Borsten. Samentaschen schlauch- förmig, gegen das Ende hin eiförmig erweitert. Darmkanal im sechsten Segmente mit vier nach hinten gerichteten Darmtaschen. Stellung im System. Bryodrilus gehört zur Gruppe der- jenigen Enchytraeiden mit $-förmigen Borsten, deren Rückengefäß keinen Herzkörper besitzt und deren Speiseröhre allmählich in den Magendarm übergeht, steht also den Gattungen Pachydrilus (Clap.) Mich. und Marionia Mich. nahe. Ein wesentlicher Unterschied be- steht jedoch darin, dass diese Gattungen gelbes oder rothes Blut | haben, während dasjenige von Bryodrilus farblos ist. 120 H. Ude, 2. Über die Larmtaschen der Enchytraeiden. Im Anschluss an die Beschreibung der Darmtaschen von Bryodrilus ehlersi will ich hier auf die sog. Chylustaschen der Enchy- traeiden etwas näher eingehen, und zunächst eine kurze Übersicht über das Vorkommen und den Bau der Darmtaschen geben. — Bei Buchholzia appendieulata Buchh. setzt sich im siebenten Segment die Speiseröhre vom Magendarm scharf ab und an dieser Stelle ent- springt vom Magendarm ein in der dorsalen Medianlinie liegender, nach vorn gerichteter, blindsackartiger Divertikel, der, wie auch die Abbildung MicHarLsen’s (Über Chylusgefäßsysteme, Fig. 8) zeigt, durch Verwachsung von zwei Anhängen entstanden ist. Ähnlich ist der Darmanhang von Buchholzia fallax Mich. (MiCHAELSEN, Enchytraeiden- Studien, Fig. 4) gebaut, nur mit dem Unterschiede, dass derselbe keine mediane Längseinschnürung zeigt und mit dem Ösophagus fest ver- wachsen ist. An der Spitze dieser Divertikel entspringt aus dem Blutsinus das Rückengefäß. Bei Henlea leptodera, Henlea nasuta und Henlea ventriculosa ist die Speiseröhre im achten Segment vom Magen- darm scharf abgesetzt und an dieser Stelle entspringen am Darm von H. leptodera und nasuta zwei nach vorn frei in die Leibeshöhle ragende, bei H. ventriculosa vier nach vorn gerichtete und mit der Speiseröhre verwachsene Darmtaschen. Das Rückengefäß entspringt an der Basis der Taschen aus dem Blutsinus. Bemerkt sei hier, dass sich auch bei Henlea dieksonii die Speiseröhre vom Magendarm scharf absetzt, ohne dass hier eine Taschenbildung vorhanden ist. Ich habe von diesem Verhalten des Darmkanals in Fig. 9 eine Ab- bildung gegeben. — Bei Bryodrilus ehlersi geht die Speiseröhre all- mählich in den Magendarm über und besitzt vier frei nach hinten in die Leibeshöhle ragende Darmtaschen. — Allen Taschen ist fol- sender Bau gemeinsam: es sind Ausstülpungen des Darmkanals mit mehr oder weniger reicher Faltenbildung des Epithels; der Blut- sinus des Darmes geht direkt auf die Taschen über. Dagegen kommen folgende Unterschiede vor. Bei den Henleen und Buch- holzien ist die Speiseröhre vom Magendarm scharf abgesetzt; bei’ Bryodrilus gehen diese beiden Abschnitte des Darmkanals allmählich in einander über. Bei Henleen und Buchholzien entspringt das Rückengefäß an der Basis bezw. der Spitze der Divertikel aus dem Blutsinus, bei Bryodrilus liegt der Ursprung des Rückengefäßes weit hinter der Ansatzstelle der Darmanhänge. Bei Henleen und Buch- holzien sind die Darmanhänge nach vorn, bei Bryodrilus nach Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbriciden. 121 hinten gerichtet. — Bezüglich der Funktion dieser Darmtaschen ist MICHAELSEN der Ansicht, dass sie Chylus aufsaugende Organe sind. In seinen »Untersuchungen über Enchytraeus moebii Vejd. und andere Enchytraeiden« schreibt MICHAELSEN: »Bei diesem "Wurm (nämlich Fridericia leydigii) verdickt sich am Ende des dreizehnten Sesments die Darmwandung und zwar dadurch, dass sich das Epithel in regelmäßige, längsverlaufende Falten legt. Die Falten pressen sich fest an einander.« Ferner sagt er: »Das Interessanteste ist aber, dass das Epithel hier außerdem von einem System feiner Kanälchen durchzogen ist, die mit dem Darmlumen kommuniciren. Diese Kanälchen bilden äußerst regelmäßige Bögen und Schleifen und geben sowohl an Querschnitten wie an Längsschnitten hübsche, zierliche Bilder. Sie treten. nahe an die Blutsinuskanäle heran, laufen eine Strecke neben ihnen her und biegen sich dann wieder von ihnen ab. Wir haben es hier zweifellos mit einem Chylusgefäßsystem zu thun.« In seiner späteren Arbeit: »Über Chylusgefäßsysteme bei Enchy- traeiden« beschreibt er dieselben Bildungen im Darmkanal von Fride- - rieia hegemon und Friderieia tenuis und giebt Abbildungen von seinen Untersuchungen. Er fügt ergänzend hinzu: »Die Chylusgefäße durch- bohren die Zellen des Darmepithels....«. Auch für Anachaeta bohemica Vejd. giebt MICHAELSEN in seiner Synopsis der Enchy- traeiden das Vorhandensein von durchbohrten Darmepithelzellen an. Zunächst kann ich bestätigen, dass das Epithel des Magendarmes hinter dem Clitellum, z. B. von Fr. galba ebenfalls in Längsfalten gelegt ist, die zwar auch eng an einander liegen, aber doch nicht so stark zusammengepresst sind, dass nicht sehr schmale, dünne Lücken zwischen ihnen sind. Auf Längsschnitten durch diesen Darmtheil habe ich dann genau dieselben zierlichen Bilder gesehen, die durch regel- mäßige, bogen- und schleifenförmig verlaufende Kanälchen entstehen. Mit Sicherheit habe ich mich nun aber überzeugt, dass wir es hier nicht mit durchbohrten Darmepithelzellen zu thun haben; die Bilder sind vielmehr Kunstprodukte. Wie schon gesagt, liegen die Epithelfalten nicht so fest an einander, dass sie nicht schmale Lücken zwischen sich ließen; weiterhin verlaufen die Falten und die dazwischen be- üindlichen Lücken nicht in gerader Linie und auch nicht vollkommen parallel. Durchschneidet man nun einen solchen Faltenkomplex, so wird man besonders da, wo er etwas schräg getroffen ist, natur- gemäß zwischen den Epithelzellen jene Lücken als kreisrunde oder bogen- und schleifenförmige Kanälchen treffen und, da die Zell- 122 H. Ude, grenzen nur äußerst zart sind, der Ansicht zuneigen können, dass man es mit Durchbohrungen der Zellen zu thun habe. Nun findet man aber auf einem solchen Schnitte auch Stellen, bei denen die neben einander liegenden Epithelfalten breitere Lücken zwischen sich lassen. Denken wir uns nun einmal diese enger zusammengepresst, so wird genau dasselbe Bild jener schleifenförmigen Kanälchen ent- stehen. Ich betone noch, dass ich jene bogenförmigen Kanälchen nur da finde, wo eine stärkere Schicht von Epithelfalten durch- schnitten ist, während ich sie da vermisse, wo das Darmepithel in seiner eigentlichen Dicke getroffen wird. Daraus geht unzweifelhaft hervor, dass jene Kanälchen nur durch die Faltenbildung des Epithels zu Stande kommen und dass es intercellulär verlaufende Kanälchen sind. Auch auf Querschnitten habe ich feststellen können, dass die - Kanälchen zwischen den Epithelzellen verlaufen. Um jedoch mög- liehst sicher zu gehen, habe ich Zupfpräparate gemacht. Ich habe den in Frage stehenden Theil des Darmkanals sowohl von konser- virten wie auch von lebenden Thieren (Fr. galba) herauspräparirt und zerzupft. Besonders an den von frischem Material erhaltenen Epithel- zellen konnte ich feststellen, dass von einer Durchbohrung der Zellen nirgends etwas zu bemerken war. Selbst nach Färbung mit GRE- nacuEr’s Boraxkarmin habe ich keine »Chyluskanäle« nachweisen können. Zwar habe ich hier und da bei Zellen, die noch im Ver- bande mit einander waren, Kanälchen gesehen, ich habe mich aber auch überzeugen können, dass dieselben zwischen den Zellen, deren Wände zu erkennen waren, verlaufen. — Nach diesen Thatsachen und Erwägungen muss ich das Vorhandensein von durchlöcherten Darmepithelzellen entschieden in Abrede stellen. | Nach MICHAELSEN soll auch das Epithel in der Darmtasche von Buchholzia appendiculata aus Zellen mit sog. Chyluskanälen bestehen. Ich habe mich hiervon nicht überzeugen können, bin vielmehr der Ansicht scworden, dass wir es auch hier mit intercellulär verlaufenden Kanälen zu thun haben. Dafür spricht schon die Thatsache, dass einzelne dieser Kanäle eine ganz beträchtliche Weite besitzen und desshalb schon gar nicht den Eindruck von Durchbohrungen von Zellen machen. Auch folgende Erwägung spricht gegen MICHAELSEN’S Ansicht. MICHAELSEN hatte die Freundlichkeit, mir ein Präparat von Längsschnitten durch Henlea nasuta zuzusenden. Ich konnte mich überzeugen, dass das Epithel der Darmtaschen dieser Thiere in mehr oder weniger kegel- förmige oder eylindrische Falten gelegt ist, die weit in das Lumen der Taschen hervorragen. Dabei sah ich dann an verschiedenen Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 123 Stellen wieder feine, im Epithel verlaufende bogenförmige Kanäle. Auch MicHAELsEN hat dieselben auf Querschnitten gesehen, wie Fig. 1 seiner Synopsis zeigt; mit Recht bezeichnet er sie aber nicht als Chyluskanäle, da es unzweifelhaft Theile des Darmtaschenlumens sind. Denken wir uns nun einmal die kegelförmigen oder ceylindrischen Falten so außerordentlich stark entwickelt, dass sie fast den ganzen Hohlraum der Darmtasche erfüllen und nur sehr schmale Lücken zwischen sich lassen, so wird man auf Schnitten Bilder bekommen, wie sie MICHAELSEN in seiner Arbeit »über Chylusgefäßsysteme« von Buchholzia appendieulata in Fig. 7, 8 und 9 darstellt. Da ferner in diesen Epithelien die Zellgrenzen fast gar nicht zu erkennen sind, so kann man der Meinung werden, dass die Kanäle die Zellen durch- bohren. — Diese Erwägungen führen mich zu der Überzeugueg, dass auch in den Epithelzellen der Darmtasche von Buchh. appendiculata keine Chyluskanäle vorkommen und dass die Darmtasche ähnlich gebaut ist wie die Darmanhänge der Henleen, nur dass hier die Faltenbildung des Epithels ein Maximum der Entwicklung erreicht hat. Dasselbe gilt für die Darmtasche von B. fallax (MICHAELSEN, “ Enchytraeiden-Studien, Fig. 4). In seiner 1895 erschienenen Arbeit: »Zur Kenntnis der Oligo- chaeten« giebt MICHAELSEN folgende Definition: »Chylustaschen sind paarige (Ocnerodrilus u. a.) oder unpaarige (Endrilus u. a.) Anhänge des Ösophagus, deren Lumen mit dem des Ösophagus kommunicirt; sie sind von zahlreichen Blutbahnen durchzogen; diese letzteren sam- meln sich an dem nach vorn gerichteten, vom Ösophagus abstehenden Pole und gehen hier in ein nach vorn verlaufendes, kräftiges Blut- sefäß über.< Von den Enchytraeiden werden dann die Darmdivertikel der Buchholzien als Beispiel angeführt, während von den Henleen nicht mehr die Rede ist. Ich kann mir nun nicht ohne Weiteres den- ken, dass die Darmtaschen von Henlea eine andere Funktion haben, als diejenigen der Buchholzien; denn dass bei jenen das Rückengefäß an der Basis der Taschen, bei diesen an deren Spitze aus dem Blut- sinus hervorgeht, ist schließlich kein wesentlicher Unterschied und zwingt noch nicht zur Annahme eines Funktionswechsels. Es lassen sich auch leicht diese Darmanhänge auf einander zurückführen und um das zu zeigen, mögen hier folgende Erörterungen Platz finden. Rücken nämlich die beiden seitlichen Taschen von Henlea leptodora und nasuta dorsal mehr und mehr zusammen und verwachsen mit einander, so bekommen wir ein Verhältnis, wie es Buchh. appendi- eulata zeigt, bei der ja die scheinbar unpaarige Darmtasche aus zwei 124 H. Ude, Theilen besteht (MICHAELSEN, Chylusgeräßsysteme, Fig. 8). Geht diese Verwachsung noch weiter und verwachsen die verschmolzenen Diver- tikel gleichzeitig mit dem Darmkanal, so führt das zu einer Ausbil- dung, wie sie Buchh. fallax zeigt (MICHAELSEN, Ench.-Studien, Fig. 4). Es ist nun durchaus natürlich, dass sich mit dieser Verschmelzung der Darmtaschen auch der Ursprung des Rückengefäßes verschiebt, dass es also nicht am Grunde, sondern an der Spitze des Divertikels entspringt. — Wie verhalten sich dazu nun die Taschen von Bryo- drilus? Da bei Bryodrilus das Rückengefäß weit hinter den Darm- taschen entspringt, so ist offenbar der Ursprung desselben nicht von der Lage der Divertikel abhängig. Da ferner selbst bei Henlea dick- sonii, die keine Darmtaschen besitzt, das Rückengefäß an der Ein- mündung der engen Speiseröhre in den weiten Magendarm entspringt, so scheint es, als ob mit einer scharfen Sonderung dieser beiden Ab- schnitte des Darmkanals gleichzeitig ein Vorrücken der Ursprungs- stelle des Rückengefäßes verbunden sei. Denken wir uns nun einmal, dass bei Bryodrilus an der Einmündungsstelle der Darmtaschen eine dünne Speiseröhre scharf vom weiten Magendarm abgesetzt sei — so wie es bei Henleen vorkommt — so werden sich naturgemäß die freien Divertikelenden nach vorn umschlagen und sich so anordnen, wie es bei H. ventrieulosa der Fall ist, wobei sie dann auch — was jedoch nebensächlich ist — mit dem Ösophagus verwachsen können. Damit würde aber, wie oben an H. dicksonii gezeigt ist, gleichzeitig ein Vorrücken der Ursprungsstelle des Rückengefäßes verbunden sein. Rechnen wir dazu, dass es nur ein Schritt weiter in dieser Entwick- lung ist, wenn die Divertikel dorsal rücken und mit einander ver- wachsen und wenn das Rückengefäß nicht an der Basis, sondern an der Spitze der Darmanhänge entspringt, so haben wir von Bryodrilus durch Henlea hin zu Buchholzia einen engen Zusammenhang. — Ich glaube nun annehmen zu dürfen, dass diese Organe bei Bryodrilus die einfachere, ursprüngliche Ausbildung aufweisen. Nach Bau, Lage und Richtung zu urteilen, können wir aber die Darmtaschen von Bryodrilus nicht als aufsaugende Organe in Anspruch nehmen; sie machen viel eher den Eindruck sekretorischer Organe. Demgemäß halte ich auch die durchaus homologen Organe von Henlea und Buch- holzia nieht für Chylus aufsaugende Einrichtungen, da es mir durch nichts berechtigt scheint, für die homologen Darmtaschen der Enchy- traeiden ungleiche Funktionen anzunehmen. Ich bin dieser Über- zeugung um so mehr, als die von MICHAELSEN beigebrachten Gründe für seine Ansicht nicht stichhaltig sind. Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 125 MICHAELSEN wurde zur Aufstellung seiner Hypothese auch durch die Darmbewegungen von Buchh. appendiculata angeregt und er schreibt: »Die Chylustaschen sind pulsirende Organe; ihre Pulsation verläuft — und das ist meiner Ansicht nach das Entscheidende in dieser Frage — in der Richtung von der Basis nach dem vom Öso- phagus abstehenden Pole. Das können keine absondernden Organe sein; es wäre widersinnig anzunehmen, dass hier eine Stoffbewegung stattfindet entgegen der Pulsationsrichtung.« Thatsächlich kann man bei B. appendieulata beobachten, dass sich »die Kontraktionen des Magen- darmes wellenförmig von hinten nach vorn wälzen« und dass dann »am Vorderende angelangt, die Kontraktionswelle (nicht auf den Ösophagus, sondern) geradenwegs auf den Darmdivertikel übertritt und denselben von der Basis bis zur Spitze durchzieht, um dann auf das daselbst ent- springende Rückengefäß überzugehen«. Ganz abgesehen davon, dass wir von solchen Kontraktionen der Darmtaschen bei Henlea und Bryodrilus nichts bemerken, scheint es mir unter gewissen Bedingungen durchaus nicht widersinnig zu sein, anzunehmen, dass eine Stoffwanderung in entgesengesetzter Richtung der Pulsation statthaben kann. Vergleichen - wir einmal den Darmdivertikel von B. appendiculata mit einer thie- rischen Blase, die eine enge Öffnung hat. Füllen wir eine solche Blase mit Wasser und üben nun, von der Öffnung ausgehend einen die Blase kreisförmig umfassenden Druck aus, so wird ohne Zweifel, wenn die Öffnung nicht vollständig geschlossen wird, die Flüssigkeit ausfließen. Da nun für den Darmdivertikel nicht nachgewiesen und da es nach meinen Beobachtungen an lebenden Thieren sogar unwahr- scheinlich ist, dass seine Öffnung geschlossen wird, wenn die Kon- traktionswelle über ihn hinwegzieht, so wird auch hier bei den Pul- sationen, zumal wenn sich dieselben verhältnismäßig schnell folgen, die in ihm enthaltene Flüssigkeit ausströmen. Dass sich an das Hinterende ein Gefäß ansetzt, ist dabei ohne Einfluss, da die Tasche an sich durchaus eine Blase darstellt. Mit derselben Wahrscheinlich- keit, die für die MicHartsen’sche Ansicht zu sprechen scheint, hat demnach auch die entgegengesetzte Meinung Berechtigung. Auch die Ansicht MicHAELSEN’s, dass der Chylus durch die Kon- traktionswelle des Darmes nach vorn, die festen Bestandtheile durch die Wimperbewegung des Darmepithels nach hinten geschafft werden sollen, entbehrt der sicheren Beobachtung und erscheint mir nicht berechtigt zu sein. Ich glaube vielmehr, dass die von hinten nach vorn verlaufenden Kontraktionswellen des Darmkanals einzig und allein dazu dienen, das Blut aus dem Blutsinus in das Rückengefäß und in 126 H. Ude, diesem entlang nach vorn zu treiben, während vielleicht die Wimpern des Darmepithels den gesammten Darminhalt allmählich von vorn nach hinten treiben. So lange demnach nicht durch geeignete Experimente direkt nach- gewiesen ist, dass die Darmtaschen Chylus aufnehmen, kann ich auch die Ansicht MICHAELSEN’s nicht für berechtigt halten. Ob anderer- seits meine Annahme, dass die Darmtaschen sekretorische Organe sind, richtig ist, muss ich dahingestellt sein lassen. Wie in manchen Fällen, so müssen wir uns vorläufig auch hier damit begnügen, den Bau der Organe erkannt zu haben. Zum Schluss will ich noch bemerken, dass ich versucht habe, die Thiere mit Karmin und Methylenblau zu füttern, um feststellen zu können, ob wirklich Substanzen in die Darmdivertikel eindringen. Bis jetzt bin ich dabei leider zu keinem sicheren Resultat gelangt. Il. Über Regenwürmer aus Nordamerika. Vor Kurzem erhielt das Provinzial-Museum in Hannover auf meine Bitte von Herrn E. A. GIESELER aus Savannah Ga in Nordamerika eine kleine Sammlung Regenwürmer, unter denen sich eine neue Allolobophora-Art befand. Ich spreche Herrn GIESELER auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. Weiterhin übersandte mir Herr Dr. MICHAELSEN in Hamburg nord- amerikanische Regenwürmer und überließ mir dieselben zur Unter- suchung und Beschreibung. Auch ihm bin ich daher zu Dank ver- pflichtet. Da ich bei Bearbeitung dieser Thiere auf einen von mir früher beschriebenen Regenwurm (Geodrilus singularis) zurückgreifen musste, so benutze ich die Gelegenheit, um meine erste Beschreibung zu berichtigen und zu vervollständigen. 1. Über die Gieseler’sche Sammlung. Wie MICHAELSEN in seiner Arbeit über die Regenwurm-Fauna von Florida und Georgia einleitend bemerkt, gehört Georgia in Bezug auf die Regenwurm-Fauna zu dem großen, cirkumpolaren, durch die Familie Lumbrieidae charakterisirten Gebiet: Sibirien-Europa-Nord- amerika. Das wird für Georgia durch die mir von Herrn E. A. GIE- SELER übersandte Sammlung bestätigt. Dieselbe besteht nämlich aus folgenden Arten: Allolobophora caliginosa Sav. subsp. trapezoides Duges, Allolobophora foetida Sav., Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbriciden. 127 Allolobophora rosea Sav., Allolobophora gieseleri nov. spec., Perichaeta indica Horst. Bezüglich der P. indica bin ich mit MiCHAELSEN der Ansicht, dass der Fund derselben nieht maßgebend ist für die Charakteristik der Regenwurm-Fauna Nordamerikas, da dieselbe »ein häufig ver- schleppter Wurm ist, dessen eigentliche Heimat wohl Japan ist, der aber auch in Java und auf den Azoren vorkommt und ein nicht sel- tener Gast in den Warmhäusern der botanischen Gärten europäischer Städte ist«. Allolobophora gieseleri nov. spec. Diese neue Art steht mir in einer größeren Anzahl gut konser- virter Thiere zur Verfügung. Herr E. A. GIESELER hat dieselben bei Savannah Ga gesammelt und im Juni 1895 dem Provinzial-Museum zu Hannover zugesandt. Äußeres. Die in Alkohol konservirten Thiere haben durchschnittlich eine Länge von 55 mm bei einem Diekendurchmesser von 3 bis 3'/, mm. Sie sind im Allgemeinen drehrund, nur ventral etwas abgeplattet; nach hinten zu erscheinen sie mehr oder weniger deutlich vierkantig. Sie bestehen aus etwa 110 Segmenten. Der Rücken und die dorsale Hälfte der seit- lichen Körperpartie sind (besonders vor dem Clitellum) schwach röthlich gefärbt und besitzen schwach bläulichen Schimmer; der übrige Körper- theil wie auch der ganze Kopflappen und das Olitellum sind farblos. Der Kopflappen ist abgerundet, theilt den Kopfring etwa !/, und ist nach hinten nicht scharf begrenzt. Die Borsten beginnen mit dem zweiten Segmente und stehen paarig. Dicht hinter dem Clitellum betrug bei einem Exemplare der zwischen den dorsalen Borstenpaaren liegende Rückentheil 6'/, mm, der laterale Zwischenraum 2'/, mm und der zwischen den ventralen Borstenpaaren gelegene Raum 21/, mm. Mithin sind laterale Intervalle und ventraler Raum annähernd gleich groß, das: dorsale Intervall da- gegen 21/,—3mal größer. — Die Borsten sind sigmoid und glatt, also nicht ornamentirt. Geschlechtsborsten fehlen. Der erste Rückenporus liegt in der Intersegmentalfurche 5/6. Auf dem Clitellum sind die Rückenporen nicht sichtbar. Die Öffnungen der Segmentalorgane waren äußerlich nicht zu er- kennen. 128 | H. Ude, Der Gürtel umfasst die zehn Segmente 20—29, dorsal erstreckt er sich auch noch bis zur Mitte des 30. Segments; er ist sattel- förmig und zwar reicht er seitlich bis nahe an die ventralen Borsten; der ventrale Theil dieser Segmente ist nicht 'drüsig verdickt. Das 20. Segment ist zwar eben so stark drüsig wie die übrigen Gürtel- segmente, aber rings um den Körper herum durch eine tiefe Inter- segmentalfurche abgetrennt; zwischen den übrigen Segmenten sind die Furchen dorsal nicht zu erkennen, wohl aber ventral und reichen seit- lich hinauf bis zwischen die Borstenpaare. — Tubereula pubertatis fehlen. — Die Samenleiteröffnungen liegen auf drüsigen Wülsten des 15. Segments dicht über den ventralen Borstenpaaren. Vor ihnen sieht man in der Mittelzone des 14. Segments zwei kleine punktförmige Eileiteröffnungen. — Samentaschen-Öffnungen fehlen. Innere Organisation. Die Dissepimente 6/7—14/15 sind ein klein wenig verdickt. Das Rückengefäß ist einfach und trägt fünf Paar Lateralherzen, die in den Segmenten 7—11 liegen. — Der Ösophagus bildet vorn einen drüsig muskulösen Schlundkopf, dessen Hinterende dem Dissepi- mente 5/6 anliegt. Im 11. und 12. Segment besitzt die Speiseröhre eine Erweiterung, deren Wand eine lamellige Struktur zeigt und von feinen Blutgefäßen durchzogen ist. In den Falten liegen vereinzelt Gruppen von Kalkspathkrystallen. Ein dünnwandiger, stark erweiterter Kropf durchzieht die Segmente 15 und 16. In den Segmenten 17 und 18 liest ein kräftiger Muskelmagen. Im 19. Segment beginnt der von feinen Blutgefäßen umsponnene Magendarm. Die Segmentalorgane sind meganephridisch und münden in der Linie der ventralen Borsten (@d) nach außen. Von den Geschlechtsorganen konnte ich folgende Verhältnisse feststellen. Zwei Paar große, weißliche Samentrichter liegen frei in den ventralen Partien der Segmente 10 und 11. Ihren Öffnungen gerade gegenüber sind in denselben Segmenten an den Hinterwänden der Dissepimente 9/10 und 10/11 zwei Paar winzig kleiner Hoden befestigt. Zwei Paar große, von tiefen, Furchen durchzogene Samen- säcke ragen von den Dissepimenten 10/11 und 11/12 in die Seg- mente 11 und 12 frei hinein. Samentaschen fehlen. Im dreizehnten Segmente sind an das Dissepiment 12/13 zwei ventral gelegene, dick scheibenförmige Ovarien angeheftet, die am freien Ende in einen fingerförmigen Anhang (in dem die Eier einzeln liegen) ausgezogen sind. Ihnen gegenüber liegen an der nach vorn gerichteten Fläche Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieciden. 139 des Dissepiments 13/14 die Eileitertrichter, während von der Hinter- seite desselben Dissepiments die kleinen Eihälter in das vierzehnte Segment hineinragen. Bemerkungen. A. gieseleri steht der A. eiseni Lev., A. constrieta Rosa, A. syriaca Rosa und A. samarigera Rosa nahe, denen auch die Samentaschen und Tubercula pubertatis fehlen; sie unterscheidet sich aber durch wesentliche Merkmale, wie z. B. durch die Lage des Gürtels. Perichaeta indica Horst. In der GIESELErR’schen Sammlung befand sich ein Exemplar von dieser Perichaeta-Art. Das Thier war 100 mm lang, der erste Rücken- porus lag in der Intersegmentalfurche 11/12. Vier Paar Samen- taschen mit der charakteristischen knopfförmigen Anschwellung am blinden Ende des Divertikels fand ich in den Segmenten 6, 7, 8, 9; ihre Ausführungsöffnungen waren deutlich in den Intersegmental- furchen 5/6, 6/7, 7/8, 8/9 zu erkennen. Wie MICHAELSEN, so habe auch ich gefunden, dass die Prostatadrüsen fehlten, während die sroßen, muskulösen, U-förmig gebogenen Ausführungsgänge der Samen- leiter wohl entwickelt waren. Pubertätstuberkeln waren bei dem vorliegenden Individuum nicht entwickelt. Auch darin kann ich MIiCHAELSEN’s Beobachtungen bestätigen, dass nämlich die Borsten ornamentirt sind (Fig. 10). Ich erkannte diese Ornamentirung be- sonders gut an den größeren ventralen Borsten des Vorderendes; sie besteht darin, dass das freie Ende der sigmoiden Borste mit mehr oder weniger regelmäßig angeordneten, fein gezähnelten Querstrichel- chen bedeckt ist. 2. Über die Gattung Diplocardia. Diplocardia singularis (Ude). Syn.: Geodrilus singularis Ude. In meiner Arbeit »Beiträge zur Kenntnis ausländischer Regen- würmer« beschrieb ich unter dem Namen Geodrilus singularis einen Acanthodriliden,. der sich durch eine Reihe besonderer Merkmale als Typus einer neuen Gattung verwerthen ließ. Es standen mir nur drei Exemplare in leider nicht besonders gut konservirtem Zustande zur Verfügung, wodurch sich bei der Beschreibung einige Ungenauig- keiten eingestellt haben. Da nun inzwischen noch drei andere hier- her gehörige Acanthodriliden-Arten beschrieben sind, so konnte ich das eine noch vorhandene Exemplar der Göttinger Sammlung auf die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 9 130 H. Ude, jetzt besser bekannt gewordenen Gattungscharaktere hin nachprüfen. Als meine vorhin erwähnte Arbeit bereits im Druck erschienen war, wurde nämlich im »Zoologischen Anzeiger« die Arbeit von GARMAN: »On the Anatomy and Histology of a New Earthworm (Diplocardia communis n. &. n. sp.)« bekannt gegeben und mir bald darauf auch zugesandt. Da ich mich nun überzeugen konnte, dass Geodrilus mit Diplocardia in wesentlichen Merkmalen übereinstimmt und da die Arbeit von GARMAN aus dem Jahre 1888 datirt ist, so ziehe ich den von mir eingeführten Gattungsnamen Geodrilus hiermit zurück und nenne die von mir beschriebene Art Diplocardia singularis. Ich halte es für rathsam, nicht allein meine frühere Arbeit zu ergänzen, son- dern hier nochmals eine ausführliche Beschreibung zu geben. Die Figurenbezeichnung «a. Fig. 16, 17, 18, 19 bezieht sich auf meine erste Arbeit über diesen Wurm. Fundnotiz: Danville (Ill.), J. M. Tytor 1886. Äußeres. Die in Alkohol konservirten Thiere sind farblos; vermuthlich sind sie im lebenden Zustande fleischfarben. — Die Länge beträgt 65 mm, der Diekendurchmesser 3 mm. Der Kopflappen theilt das erste Segment etwa bis zur Mitte. Die Borsten stehen in vier Paaren und zwar sind dieselben ven- tral verschoben, jedoch nicht so weit wie bei den Benhamien; man kann sie als ventrale (@d) und laterale (ed) bezeichnen. Die dorsal- mediane Borstendistanz (dd) beträgt etwas mehr als die Hälfte des ganzen Körperumfanges; die ventrale Borstenentfernung (aa) ist etwas srößer als die lateralen Intervalle (de); die Borsten eines jeden Paares (ad und cd) sind aus einander gerückt, wobei die Distanz „wischen den Borsten ce und d etwas größer ist als diejenige zwischen den Borsten a und 5. Die Entfernung der ventralen Borsten @ und d von einander ist etwa halb so groß als das laterale Intervall zwischen den Borsten 5 und ec. Bezeichnen wir die lateralen Intervalle mit /, das ventrale mit v, so ist Z wenig kleiner als v, Distanz «5 zweimal kleiner als 2 und dreimal kleiner als vo, Distanz ced>ab. Die Bor- sten sind sigmoid und ornamentirt (Fig. 11); ihre freien Enden sind nämlich mit sehr feinen, nur bei starker Vergrößerung sichtbaren, narbenähnlichen Vertiefungen versehen. Auf einem Cutieulapräparat der Segmente 13 bis 22 konnte ich die ventralen Borstensacköff- nungen der Segmente 18, 19 und 20 nicht finden, während ich die lateralen Öffnungen auf diesen Segmenten deutlich erkannte. Nun Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbriciden. 131 habe ich aber auf einem Längsschnittpräparate in den Öffnungen der Prostatadrüsen Geschlechtsborsten gefunden, es sind demnach die ventralen Borsten des 18. und 20. Segments zu Geschlechtsborsten umgewandelt, während die ventralen Borsten des 19. Segments über- haupt fehlen. — Die Geschlechtsborsten (a.R Fig. 18) sind etwa drei- mal länger als die gewöhnlichen Borsten (0,58 : 0,19 mm), bogenförmig sekrümmt und ohne jede Ornamentirung; am inneren Ende sind sie etwas verdickt. — MICHAELSEN hat bei Diplocardia eiseni Mich. ge- funden, dass die ventralen Borsten der Samentaschen-Segmente zu Geschleehtsborsten umgewandelt sind, und dass mit diesen ein kleiner Drüsenapparat in Verbindung steht. Bei D. singularis sind dagegen diese Borsten normal entwickelt, eben so fehlt das Lager der .Drüsen- zellen. Den ersten Rückenporus fand ich bei den früher untersuchten Exemplaren in der Intersegmentalfurche 10/11, bei dem mir noch vorliegenden Thiere sehe ich ihn dagegen nach Wegnahme der Cutieula schon zwischen dem siebenten und achten Segmente; auch auf der Cutieula konnte ich an dieser Stelle eine Öffnung nachweisen. Das Clitellum (Fig. 12), auf dem die Intersegmentalfurchen und Rückenporen zu sehen sind, hebt sich deutlich ab und umfasst die sechs Segmente 13 bis 18 ringförmig, nur auf der ventralen Seite der Segmente 117 und 18 fehlt die Drüsenschicht. In dieser drüsen- armen Furche liegen auf dem 17. Segmente unmittelbar hinter den ventralen Borstenpaaren zwei kreisförmige Papillen. Wahrscheinlich finden sich solche auch auf dem 20. Segmente in der Linie der ven- tralen Borstenpaare; doch konnte ich dieselben nicht mit Sicherheit erkennen, da diese Stelle der Thiere stark macerirt war. Bei Dipl. communis Garm. verlaufen von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 20. Segments in der Richtung der ventralen Borstenpaare zwei bogen- förmig der ventralen Mittellinie zugekehrte Furchen. Auch bei D. singularis sind solche Furchen vorhanden, und zwar habe ich die- selben auf einem Cuticulapräparat gefunden, während sie in der stark erweichten Hypodermis nicht mehr zu sehen waren. Auf diesem Cuti- eulapräparat sah ich weiterhin an den Enden der Furchen je eine kleine Öffnung. Auf einer Längsschnittserie habe ich dann festgestellt, dass dies die Öffnungen der Prostatadrüsen sind und dass in der Mitte der Längsfurchen, da, wo die Borstenzone des 19. Segments die Furchen durchschneidet, je eine Samenleiteröffnung liegt. Fig. 16 meiner früheren Arbeit muss hiernach etwas abgeändert werden. Seg- ment 18 muss nämlich in zwei Ringe getheilt werden, wobei die 9* 132 H. Ude, Intersegmentalfurche mit der hinteren Grenze des Olitellums zusammen- fällt; das als 19. Segment bezeichnete ist dann als das 20. Segment zu beziffern. Der Vollständigkeit wegen habe ich in Fig. 12 eine richtige Darstellung der Verhältnisse gegeben. Es liegen demnach zwei Paar Prostatadrüsenöffnungen auf den Segmenten 18 und 20; dieselben werden dureh bogenförmig in der Richtung der ventralen Borsten verlaufende Furchen verbunden, im deren Mitten auf dem 19. Segment die Samenleiteröffnungen liegen. Die ventralen Borsten des 18. und 20. Segments sind zu Geschlechtsborsten umgewandelt, während diejenigen des 19. Segments fehlen. Die zwei weiblichen Geschlechtsöffnungen (Fig. 12) ) liegen auf der ventralen Seite des 14. Segments, etwas nach innen von den Borsten « und sind gemeinsam von einem elliptischen, hellen Drüsenhofe um- schlossen. | Die Öffnungen der Samentaschen und Segmentalorgane waren nicht sichtbar. Innere Organisation. Der Schlundkopf umschließt eine dorsale Tasche; der stark ge- wundene Ösophagus besitzt im 5. und 6. Segmente (vor Disse- piment 6/7 liegend) zwei Muskelmägen, die wie bei Benhamien durch eine schmale dünnwandige Partie von einander getrennt sind, und verläuft ohne Anhangsorgane nach hinten, wobei er, ohne dabei an- zuschwellen, in den Segmenten 10 bis 13 segmentale kugelige Ab- schnitte bildet und in den Segmenten 14 bis 16 etwas dünner wird. Im Anfang des 17. Segments beginnt der bedeutend erweiterte Mittel- darm. Kalksubstanzen habe ich nicht nachweisen können. Die Segmentalorgane sind meganephridisch und münden inter- segmental vor den Borsten d nach außen. Das Rückengefäß ist einfach und besitzt drei Paar dieke Lateral- herzen, die in den Segmenten 10, 11, 12 liegen. In den vorher- sehenden Segmenten (9 bis 6) findet man dünnere Seitenschlingen. Von den Geschlechtsorganen ließen sich folgende Verhältnisse feststellen. Zwei Paar Hoden hängen in den Segmenten 10 und 11 an den Dissepimenten 9/10 und 10/11. Ihnen gegenüber liegen zwei Paar Samentrichter frei im 10. und 11. Segmente; die Samenleiter, deren Verlauf nicht genauer festzustellen war, münden im 19. Seg- mente in der PBorstenlinie @ nach außen. Ein Paar Samensäcke ragen frei von der Vorderseite des Dissepiments 9/10 in das 9. Seg- ment; ein anderes Paar Samensäcke ist an der Hinterwand des Disse- Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 133 piments 11/12 festgeheftet und ragt in das 12. Segment hinein. Die Sesmente I0 und 11 sind mit freien Samenmassen erfüllt. — Ein Paar Ovarien befinden sich im 13. Segment, dem Dissepimente 12/13 angeheftet. Ihnen gegenüber liegen am Dissepiment 13/14 zwei triehterförmige Öffnungen der Eileiter, die auf dem 14. Segment nach außen münden. In den Segmenten 18 und 20 (bis 23) liegen zwei Paar Prostatadrüsen (a.R Fig. 19). Sie stellen mehrfach rechtwinklig zusammengelegte Schläuche dar, deren dünne Ausführungsgänge in den Segmenten 18 und 20 ausmünden. — Es sind drei Paar Samen- taschen (a.R Fig. 17) in den Segmenten 7, 8, 9 vorhanden; sie mün- den intersesmental in 6/7, 7/s, 8/9 aus. Jede besteht aus einem sackförmigen Haupttheil und einem allmählich sich verengernden Ausführungsgange mit einer länglich ovalen Seitentasche. Die ganze Samentasche ist | mm lang. Diplocardia verrucosa nov. spec. Fundnotiz: Nebraska, Omaha. Frau C. W. Sısmssen 1. II. 95. Von dieser interessanten, mir von Dr. MICHAELSEN zur Beschrei- bung überlassenen Art hat Frau C. W. SIEMSSEN drei Exemplare ge- sammelt. Die in Alkohol konservirten Thiere sind farblos, 65 bis 75 mm lang, 2Y/, bis 3 mm diek und bestehen aus 100 bis 125 Segmenten. Die einzelnen Segmente sind zwei- oder dreiringlig; meist hebt sich eine mittlere Zone, auf der die Borsten stehen, gürteltförmig ab. Der Körper ist im Allgemeinen drehrund und fast der ganzen Länge nach gleich dick. Der Kopflappen (Fig. 13) theilt das erste Segment bis zur Hälfte und ist nach hinten durch eine Furche deutlich begrenzt. Den ersten Rückenporus sah ich bei zwei Exemplaren zwischen dem 8. und 9. Segmente, bei dem dritten Individuum erst in der Intersegmentalfurche 10/11. | | Die Öffnungen der Samentaschen liegen um 1/, der Segment- länge nach hinten auf den Segmenten 9 und 10 und zwar etwas dorsal von Borstenlinie d. Die Borsten stehen paarig und sind lateralwärts gerückt, so dass man ein ventrales und ein laterales Paar unterscheiden kann. Das dorsale Intervali zwischen den Borsten d—d ist bedeutend größer als die übrigen und umfasst etwas mehr als die Hälfte des ganzen Körper- umfangs. Auf den übrigen Raum vertheilen sich die Borsten fol- 134 H. Ude, gendermaßen. Die lateralen Borsten {cd) sind etwas weiter von einander getrennt als die ventralen Borsten (ad). Das ventrale Inter- vall ist etwa dreimal, jedes laterale etwa zwei- bis zweiundeinhalb- mal größer als die Distanz zwischen den Borsten « und db. Gegen das Vorder- und Hinterende tritt die Paarigkeit der Borsten noch deutlicher hervor, wobei sich das ventrale Intervall auf Kosten des lateralen vergrößert. Die Borsten sind sigmoid und nur äußerst schwach ornamentirt. — Die Geschlechtsborsten sind bogenförmig ge- krümmt und glatt, nicht ormamentirt. Sie finden sich im Bereich der Prostatadrüsenöffnungen auf den Segmenten 19 und 21 und zwar sind es die umgewandelten ventralen Borsten dieser Segmente. Die ven- tralen Borsten des 20. Segments fehlen. Das Clitellum ist wenig stark entwickelt; es umfasst die Seg- mente 13 bis 18 sattelförmig, indem es ventralwärts nur wenig über ‚die Borsten ce hinausreicht. Intersegmentalfurchen und Rückenporen sind deutlich zu erkennen. Ventral auf den Segmenten hinter dem Olitellum befindet sich ein rechteckiges, drüsiges Feld, das das letzte Drittel des 18. Segments, ferner die Segmente 19, 20 und 21 und die vordere Hälfte des 22. Segments umfasst; seitlich verläuft seine Begrenzungslinie in der Mitte zwischen den Borsten d und c (Fig. 14). In diesem Felde liegen in den Linien der Borstenbündel ab zwei tiefe Furchen, die sich von der Mitte des 19. Segments über das 20. Segment hinweg bis zur Mitte des 21. Segments ziehen. Die Enden auf dem 19. und 21. Segment und der mittlere Theil dieser Furchen auf dem 20. Segment sind bogenförmig der ventralen Mittel- linie zugekrümmt. Auf dem 20. Segment werden diese Längsfurchen von einer Querfurche senkrecht durchschnitten, die in der Mitte dieses Segments verläuft. Die Schnittpunkte dieser Querfurche mit jenen zwei Längsfurchen bezeichnen die Lage der männlichen Geschlechts- öffnungen, während an den Enden der Längsfurchen die Prostata- drüsen ausmünden. — Auf diesem ventralen Drüsenfelde findet man ferner Geschlechtspapillen in folgender Anordnung. Auf dem 19. und 21. Segment liegen vor und hinter den bogenförmig gekrümmten Enden der Längsfurchen je zwei Papillen. Auf dem vorderen Drittel des 22. Segments sind drei größere in einer Querlinie liegende Ge- schleehtspapillen vorhanden, von denen die beiden kleineren, äußeren in der Linie der Längsfurchen stehen, während die größere, mittlere in der ventralen Medianlinie liegt. — In ähnlichen Papillen stehen die ventralen Borstenpaare des 10. Segments und die ventralen Borsten der rechten Körperseite auf dem 9. Segment. Beiträge zur Kenntnis der Enehytraeiden und Lumbriciden. 135 Innere Organisation. Die Dissepimente 6/7—11/12 sind verdickt und zwar besonders die Septen 6/7, 7/8, 8/9. — Der Darmkanal besitzt in seinem Vorderende einen kräftigen, drüsig-muskulösen Schlundkopf, der eine dorsale, nach hinten gerichtete, taschenförmige Ausbuchtung der Darmwand um- schließt. Dann folgt der Ösophagus, der sich im fünften und sechsten Segmente zu je einem kräftigen Muskelmagen umbildet, die dicht an einander stoßen und nur durch eine sehr kurze dünnwandige musku- löse Partie verbunden sind. Der folgende Theil besteht aus segmen- talen kugelisen Abschnitten von geringem Umfange. Im 16. Segment beginnt der stark erweiterte Mitteldarm. Der Darmkanal besitzt keine Anhangsorgane, eben so fehlt die von MICHAELSEN bei D. eiseni nach- sewiesene, Kalkkonkremente führende Erweiterung im 14. und 15. Seg- mente. Das Rückengefäß ist einfach; drei Paar Lateralherzen liegen in den Segmenten 10, 11, 12. Ohne Subneuralgefäß. Die Segmentalorgane sind meganephridisch. Sie beginnen im zweiten Segmente und münden intersegmental vor den Borsten d aus. Die Geschlechtsorgane zeigen folgenden Bau. Zwei Paar kleine, aus schlauchförmigen Theilstücken bestehende Hoden liegen der ven- tralen Mittellinie genähert in den Segmenten 10 und 11 und an den Dissepimenten 9/10 und 10/11; ihnen gegenüber liegen in denselben Segmenten zwei Paar hell glänzende Samentrichter, deren Samenleiter im 20. Segment mitten in den ventralen Längsfurchen jederseits ge- meinsam ausmünden. Die Segmente 10 und 11 sind mit freien Samenmassen stark ange- füllt. Im zwölften Segment ist ein Paar große, dorsal zusammenstoßende, durchklüftete Samensäcke an die Hinterseite des Dissepiments 11/12 angeheftet. Ein Paar kleinere Samensäcke ragt von der Vorderseite des Dissepiments 9/10 nach vorn ins neunte Segment hinein. Zwei kleine büschelige Ovarien sind an der Hinterseite des Dissepiments 12/13 befestigt; ihnen gegenüber liegt vor dem Dissepi- ment 13/14 ein Paar Eileiter, die dicht vor der Borstenzone des 14. Segments und zwar zwischen den zwei Borsten d nach außen münden (Fig. 14). Im 19. und 21. Segment findet man zwei Paar Prostatadrüsen. Jede derselben (Fig. 15) besteht aus einem schlanken Ausführungs- gange, der sich von der ventralen Fläche seitwärts in die Höhe er- streckt, und einem diekeren, wurstförmigen, vielfach unregelmäßig 136 H. Ude, seknickten Drüsentheile, der quer unter dem Darme durch das Seg- ment verläuft. Die freien Enden jedes Paares stoßen in der ventralen _ Mittellinie der Segmente 19 und 21 zusammen. Bei einem Exemplare fand ich die Eigenthümlichkeit, dass die Prostatadrüsen des 19. Seg- ments mit ihren freien Enden verwachsen waren. Zwei Paar Samentaschen (Fig. 16) liegen in den Segmenten 8 und 9. Jede derselben besteht aus einem kugeligen bis eiförmigen Haupttheil, der seitlich eine längliche, ovale Nebentasche trägt und allmählich in den Ausführungsgang übergeht. Geschlechtsborsten mit Drüsenapparat (vgl. MiCHAELSEN, D. eiseni) habe ich auf diesen Seg- menten nicht gefunden. Bemerkung. Obgleich die vorliegende Art sich durch die Lage der Prostatadrüsen und männlichen Geschlechtsöffnungen wesentlich von D. singularis, D. communis, D. riparia und D. eiseni unterscheidet, so trage ich doch kein Bedenken, dieselbe der Gattung Diplocardia einzureihen, da im Bau der übrigen Geschlechtsorgane und anderer Organe eine vollkommene Übereinstimmung herrscht. Diplocardia eiseni (Mich.). Syn.: Geodrilus eiseni Mich. Herr Dr. MICHAELSEN sandte mir mehrere Exemplare von dieser interessanten Art, die theilweise aus Savannah Ga stammten. Ich kann MICHAELSEN’s Beschreibung im Allgemeinen durchaus bestätigen, nur betreffs des Rückengefäßes ist dieselbe zu berichtigen. Das Rücken- sefäß ist nämlich nicht einfach, wie MICHAELSEN angiebt, sondern doppelt und verläuft folgendermaßen. Das vom Hinterende kommende einfache Rückengefäß theilt sich im 15. Segmente und die beiden Äste überziehen getrennt die kugelige Anschwellung des Darmkanals im 14. und 15. Segment. Beim Übertritt in das 13. Segment vereinigen sich die Stämme wieder, um sich gleich zu trennen und erst am Vorderende desselben Segments wieder zu vereinigen. Dasselbe findet in den Segmenten bis zum Schlundkopf hin statt. Mithin ist das Rückengefäß in diesen Segmenten abwechselnd auf kurze Strecken unpaarig (im Bereich der Dissepimente) ‚und auf längere Strecken paarig (im Bereich der Segmente selbst. An den unpaarigen Stellen entspringen die Lateralherzen. An einer mir von MICHAELSEN über- sandten Längsschnittserie durch ein Original von D. eiseni habe ich ein gleiches Verhalten gefunden. — Einen ähnlichen Bau des Rücken- gefäbes hat D. communis Garm. — Zur geographischen Verbreitung von D. eiseni theilte mir MICHAELSEN mit, dass es in seiner Arbeit Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 137 nieht heißen muss Sanford, New York, sondern Sanford, Orange County, Florida. — Zwei andere Exemplare von D. eiseni, die ich von MICHAELSEN erhielt, sind von Dr. Eınar LÖNNBERG im Lake Gatlin, Orange County, Florida, 1892/93 gesammelt. Übersicht über die Gattung Diplocardia. Von diesem Genus sind bis jetzt folgende Arten bekannt: D. com- munis Garm., D. singularis (Ude), D. eiseni (Mich.), D. riparia Smith, D. verrucosa n. g. Dieselben besitzen folgende gemeinsame und unter- scheidende Merkmale. Der Kopflappen sendet bei allen fünf Arten einen dorsalen Fort- satz nach hinten, der das 1. Segment etwa bis zur Hälfte theilt. Die Borsten stehen in vier Paaren, zwei lateralen und zwei ven- tralen. Die Borsten der ventralen Paare stehen etwas enger zu- sammen als die der lateralen Paare. Das dorsale Intervall umfasst etwas mehr als den halben Körperumfang; das ventrale Intervall ist fast dreimal, die lateralen Intervalle sind etwa doppelt so groß als die Entfernung der Borsten jedes ventralen Paares von einander. “ Hiervon kommen Abweichungen vor. So sind z. B. am Hinterende von D. eiseni die Intervalle zwischen den Borsten der lateralen und ventralen Paare und das laterale Intervall (zwischen Borsten 5 und e unter sich gleich, während am Vorder- und Hinterende von D. verru- cosa die Paarigkeit deutlicher hervortritt und das ventrale Intervall sich auf Kosten der zwei lateralen Intervalle vergrößert. — Die Borsten sind sigmoid und mehr oder weniger deutlich ormamentirt, indem ihr äußeres Ende mit feinen, narbenähnlichen Vertiefungen ver- sehen ist. — Vier Paar Geschlechtsborsten begleiten die Prostata- drüsenöffnungen; dieselben sind glatt und erreichen eine verhältnis- mäßig geringe Größe, so dass man sie äußerlich kaum erkennen kann. Bei D. eiseni sind außerdem die ventralen Borsten der Samen- taschensesmente zu ormamentirten Geschlechtsborsten umgewandelt und stehen mit einem eigenartigen Drüsenapparate in Verbindung. Der erste Rückenporus hat eine wechselnde Lage. -Das Clitellum umfasst bei D. communis, riparia und verrucosa die Segmente 13 bis 18 sattelföürmig. Bei D. singularis umgiebt es die Segmente 13 bis 1/,17 ringförmig, während es auf !/,17 und 18 nur dorsal und seitlich entwickelt ist. Bei D. eiseni ist es auf Seg- ment 13 bis 17 ringförmig, auf 18 sattelförmig. In der Umgebung der Prostatadrüsenöffnungen finden sich Ge- schlechtspapillen, die eine wechselnde Anordnung besitzen. So liegen 138 H. Ude, bei D. communis und singularis gewöhnlich zwei Paar Papillen auf den Segmenten 17 und 20; bei D. verrucosa finden sich je zwei Paar auf den Segmenten 19 und 21 und drei Stück auf Segment 22. Zwei Paar Prostatadrüsenöffnungen liegen bei D. communis, sin- gularis, eiseni und riparia in den Mitten der Segmente 18 und 20 und zwar in der Linie der ventralen Borsten. Die beiden Poren jeder Seite sind durch eine tiefe Längsfurche verbunden. In diesen Fur- chen liegen auf dem 19. Segment die männlichen Geschlechtsöft- nungen. Bei D. verrucosa sind diese Öffnungen und Furchen um ein Segment nach hinten verschoben. — Die weiblichen Geschlechts- öffnungen liegen auf dem 14. Segment etwas vor und nach innen von den Borsten a. | Zwei Paar freiliegende Hoden und Samentrichter liegen in den Segmenten 10 und 11. Die Samenleiter jeder Seite verlaufen ge- trennt nach hinten und verschmelzen erst dieht vor ihrer Ausmün- dung mit einander. Zwei Paar Samensäcke ragen von dem Disse- pimente 9/10 nach vorn in das 9., von dem Dissepiment 11/12 nach hinten in das 12. Segment hinein. Freie Samenmassen erfüllen die Segmente 10 und 11. — Zwei büschelige Ovarien hängen von dem Dissepiment 12/13 in das 13. Segment hinein. Ihnen gegenüber, vor dem Dissepiment 13/14 liegen zwei große Eitrichter, die in zwei im 14. Segment ausmündende Eileiter übergehen. — Die Samentaschen bestehen aus einem umfangreichen sackförmigen Haupttheil, einem schlanken Ausführungsgange und einem Divertikel, der bei D. eiseni stielförmig ist und eine knopfförmige Anschwellung am freien Ende besitzt, während er bei den übrigen Arten eine mehr oder weniger ovale Gestalt hat. D. ecommunis und singularis haben drei Paar in den Segmenten 7, 8 und 9, die übrigen Arten zwei Paar in den Seg- menten 8 und 9. Die Segmentalorgane sind meganephridisch und münden in den Linien der äußersten Borsten (d) aus. | Der Darmkanal hat einen dorsalen Schlundkopf mit taschen- förmiger Ausbuchtung der Darmwand. Im 5. und 6. Segment besitzt die Speiseröhre je einen kräftigen Muskelmagen, die hart an einander stoßen, und geht im 16. Segment (D. verrucosa) oder 17. Segment (D. communis und singularis) oder 18. Segment (D. eiseni) in den weiten, dünnwandigen Mitteldarm über. Anhangsorgane fehlen. Da- gegen ist bei D. eiseni der Ösophagus im 14. und 15. Segment erweitert, während sein Lumen durch Längsfalten eingeengt ist; „wischen diesen Falten liegen Kalkkonkremente. Ci Bug ae Ta ee Fe ie spe ae Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 139 Das Rückengefäß ist bei D. singularis, riparia und verrucosa einfach, dagegen bei D. communis seiner ganzen Länge nach von hinten bis zum 6. Segment, bei D. eiseni vom 15. bis 6. Segment doppelt. Es besitzt bei D. communis, singularis (riparia?), und verrucosa drei Paar Lateralherzen in den Segmenten 10, 11, 12, bei D. eiseni vier Paar in den Segmenten 10 bis 13. Ein Subneuralgefäß fehlt. Was die Größenverhältnisse anlangt, so ist D. communis 30 em, D. singularis 61/, em, D. eiseni bis 16 cm, D. riparia 22—25 cm und D. verrucosa 61/,—7’/, em lang. Diagnose der Gattung Diplocardia. Borsten in vier Paaren (zwei lateralen und zwei ventralen) und ornamentirt; vier Paar bogenförmig gekrümmte, nicht ornamentirte (verkümmerte?) Geschlechtsborsten. Kopflappen sendet einen dor- salen Fortsatz bis zur Mitte des 1. Segments. Clitellum umfasst die Segmente 13 bis 18 ring- oder sattelförmig. Die weiblichen Ge- schlechtsöffnungen liegen auf dem 14. Segment. Die männlichen Ge- schleehtsöffnungen und zwei Paar Prostatadrüsenöffnungen liegen in zwei ventralen Längsfurchen auf Segmenten dicht hinter dem Clitel- lum. — Zwei Paar Hoden und Samentrichter liegen in den Seg- menten 10 und 11; ein Paar Samensäcke am Dissepiment 9/10 nach vorn ins 9. Segment, ein anderes Paar am Dissepiment 11/12 nach hinten ins 12. Segment gerichtet; freie Samenmassen in den Seg- menten 10 und 11. Ein Paar Ovarien und Eitrichter im 13. Segment. Die Segmentalorgane sind meganephridisch.h Der Darmkanal besitzt im 5. und 6. Segment zwei dicht an einander stoßende Muskel- magen. Nachtrag. Nach Abschluss des Manuskripts und während des Lesens des Korrekturbogens erhielt ich die große Arbeit von BEDDARD, A Mono- graph of the order of Oligochaeta. In derselben sagt BEDDARD auf p. 309: »Some Enchytraeidae are characterized by the possession of a single gland, or a pair of glands, which seem to be the equi- valents of the caleiferous glands of other worms«. In meiner Arbeit, » Beiträge zur Kenntnis ausländischer Regenwürmer«, habe ich bereits betont, dass ich die sog. Chylustaschen der Eudriliden für krystall- leere Kalktaschen halte. Aus der damals gegebenen Darstellung 140 H. Ude, gcht hervor, dass ich auch die sog. Chylustaschen der Enchytraeiden den Kalkdrüsen homologisiree Ob man sie direkt als Kalktaschen wird bezeichnen können, ist vorläufig nicht zu entscheiden, da es bis jetzt nicht gelungen ist, in ihnen Kalksubstanzen — sei es in Lösung oder in Form von Kalkspathkrystallen — nachzuweisen. Litteratur. 1. Upe, Ein neues Enchytraeiden-Genus. Zool. Anz. Nr. 401. 1892. 2. Hesse, Beiträge zur Kenntnis des Baues der Enchytraeiden. Diese Zeitschr. Bd. LVI. . MICHAELSEN, Enchytraeiden-Studien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXX. 4. —— Untersuchungen über Enchytraeus Moebii Mich. und andere Enchy- traeiden. Kiel 1886. 5. —— Über Chylusgefäßsysteme bei Enchytraeiden. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXVIM. 6. —— Synopsis der Enchytraeiden. 7. —— Zur Kenntnis der Oligochaeten. Hamburger Abhandl. a. d. Gebiet der Naturwissenschaften. Bd. XII. 8. H. Bousıus, L’organe segmentaire d’un Enchytraeide. in: Mem. della Pontif. Accad. dei Nuovi Lincei. Vol. IX. 9. J. NUSBAUM, Zur Anatomie und Systematik der Enchytraeiden. Biolog. Cen- tralblatt. Bd. XV. Nr. 1. 1895. 10. MICHAELSEN, Die Regenwurmfauna von Florida und Georgia. Zool. Jahr- bücher. Abth. f. Systematik ete. Bd. VIII. 11. Upe, Beiträge zur Kenntnis ausländischer Regenwürmer. Diese Zeitschr. Bd. LVII. 12. GARMAN, On the Anatomy and Histology of a new Earthworm (Diplocar- dia communis gen. et sp. nov.). Bull. Illinois State Labor. Nat. Hist. Ver 13. Surru, A Preliminary Account of two new Oligochaeta from Illinois. Bull. of the Illinois State Labor. of Nat. Hist. Vol. IV. 1895. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. Fig. 1—8. Bryodrilus ehlersi. Fig. 1. Gehirn von oben gesehen. Fig. 2. Lymphkörper. a, von oben, db, von der Seite. Fig. 3. Segmentalorgan. e, Epithel; rm, Ringmuskeln; /n, Längsmuskeln; d, Dissepiment; as, Anteseptale; ps, Postseptale. 0 an Du u a 4 m Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. 141 Fig. 4 Querschnitt durch die Einmündungsstelle der vier Darmtaschen in den Darm. rg, Rückengefäß; vg, Ventralgefäß; die, Darmtaschenepithel; bis, Blutsinus. Fig. 5. Querschnitt durch Darm und Darmtaschen hinter der Einmündungs- stelle. »g, Rückengefäß; vg, Ventralgefäß; dt, Darmtaschen; de, Darmepithel; bis, Blutsinus. Fig. 6. Längsschnitt durch den Darm mit zwei Darmtaschen. Aus meh- reren Schnitten vereinigt. Der Pfeil giebt die Richtung nach vorn an. d.dt, dor- sale Darmtasche; v.di, ventrale Darmtasche; de, Darmepithel; 5ls, Blutsinus. Fig. 7. Längsschnitt durch den Samentrichter. Fig. 8. Samentasche isolirt. Fig. 9. Längsschnitt durch Speiseröhre und Darmkanal von Henlea dick- sonii Eisen. rg, Rückengefäß; de, Darmepithel. Fig. 10. Perichaeta indica Horst. Äußeres Ende einer Borste. Fig. 11. Borste von Diplocardia singularis. Fig. 12. Diplocardia singularis. Segment 13—21 von der Ventralfläche gesehen. Fig. 13. Diplocardia verrucosa. Kopflappen. Fig. 14. Diplocardia verrucosa. Segment 11—23 von der Ventralfläche gesehen. Fig. 15. Diplocardia verrucosa. Prostatadrüse. Fig. 16. Diplocardia verrucosa. Samentasche. Die Polypen und Quallen von Stauridium productum N und Perigonimus repens Wright. Mittheilung von Dr. Clemens Hartlaub, Königl. Biologische Anstalt Helgoland. Mit Taf. VII—IX. Der Zusammenhang der craspedoten Medusenarten mit ihren Ammen ist ein sehr lückenhaftes Kapitel der Cölenteratenforschung. Wir kennen eine zahlreiche Menge craspedoter Quallen und viele Arten von Hydroiden sammt ihren eben frei gewordenen Spröss- lingen, in den allerwenigsten Fällen aber sind die geschlechtsreifen Medusen auf bestimmte Species von Hydroiden mit Sicherheit zu beziehen gewesen. In der Regel hat man sich begnügen müssen, aus dem gleichzeitigen Vorkommen der Quallen und einer geschlechts- reifen Polypenart den Zusammenhang beider wahrscheinlich zu machen, und häufig genug entbehren solche Versuche selbst der erforderlichen Gründlichkeit. Wenn z. B. die Beziehung einer Qualle zu einer be- stimmten Gattung von Hydroiden bekannt war, wie z. B. von Sarsia zu Syncoryne, so hat man sich begnügt die Meduse auf eine zu- fällig gleichzeitig proliferirend gefundene Polypenart zu beziehen, ohne zu bedenken, dass von derselben Gattung zur selben Zeit und an der gleichen Lokalität sehr wohl verschiedene Species im Stadium der Medusenknospung sein konnten. Beobachtete z. B. Böum! bei Helgoland eine Obeliameduse und fand er gleichzeitig den Hydroiden, Obelia dichotoma mit zahlreichen Gonangien, so nahm er keinen An- stand daraus zu folgern, dass die Medusen von eben dieser Polypen- art stammten. Dass zu derselben Zeit bei Helgoland noch mehrere andere Obelia-Arten ebenfalls Medusen sprossen, wurde nicht berück- sichtigt. ! R. Bönm, Helgolander Leptomedusen. in: Jen. Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. XII, 1. Heft. p. 1—78. 1878. Die Polypen und Quallen von Stauridium producetum Wright ete. 143 Der zuverlässigste Weg, auf dem genannten Gebiete weiter zu kommen, ist wohl der von Züchtungsversuchen im Aquarium. Man kann einerseits versuchen von dem Hydroidpolypen Quallen zu ziehen und sie bis zur Geschlechtsreife aufzubringen, oder umgekehrt mittels seschlechtsreifer Medusen die Ammengeneration zu züchten. Dies letztere Verfahren gelingt aber schwer, weil die Polypen im Aquarium selten die zu ihrem Wachsthum nöthigen Bedingungen finden. Man wird schwerlich mehr als die ersten Jugendstadien erzielen, die eine Speciesbestimmung noch gar nicht möglich machen. Anders ist es mit der Aufziehung der Quallen. Durch tägliches Umsetzen in frisches Seewasser, Kontrolle der Temperatur und eine geeignete Nahrung lässt sich hier viel erreichen. Ein Beweis sind die beiden Versuche, die ich hier mittheilen möchte. Ich habe die Qualle von Stauridium productum Wright bis zur vollständigen Geschlechtsreife in zahlreichen Exemplaren gezogen und die Qualle von Perigonimus repens Wright bis zu einem jetzt drei Monate alten Exemplare, das sich mit Sicherheit als Tiara pileata ansprechen lässt. Diese beiden Versuche sind also gelungen und entschieden ermuthigend. Nicht nur ist für zwei Medusen, von denen die eine bisher unbe- kannt war, ihre Abstammung sicher erwiesen, sondern auch der ganze Lebenslauf einer derselben verfolgt. Die Schnelligkeit des Wachs- thums, die mit dem Wachsthum auftretenden Veränderungen der Form, der Eintritt der Geschlechtsreife, und wahrscheinlich auch der Ein- tritt des natürlichen Absterbens wurden an der Stauridium-Qualle von mir beobachtet. Sind erst die Aquarien der Biologischen Anstalt etwas vollkommener eingerichtet, wird bei der reichen Hydro- medusenfauna Helgolands gewiss noch mancher interessante Auf- schluss auf dem gleichen Gebiete zu erlangen sein. Mit den nachfolgenden Beobachtungen über Stauridium produe- tum, 80 lückenhaft sie geblieben sind, weil ich diesen Sommer nur mit Unterbrechungen arbeiten konnte, darf ich wohl hoffen, etwas Neues zu bringen. Die Art ist selten zur Beobachtung gekommen, und jedenfalls nie genauer untersucht. Es mögen hier und da Notizen über dieselbe zerstreut stehen, ich muss mich aber darauf beschränken, hier nur die wichtigeren Arbeiten namhaft zu machen und auf Vollständigkeit der Litteraturangaben verzichten. Der Gattungsname »Stauridium« rührt von Dusarpım! her. Er ! F. DUJARDIN, Observations sur un nouveau genre de Medusaires. in: Ann. Se. Nat. Ser. II. Tome XX. p. 370. 1843. 427 Clemens Hartlaub, bezeichnete als »Stauridie« in seinem 1843 publieirten Aufsatze den Ammenpolypen der von ihm entdeckten Meduse » Cladonema radia- tum<. DWUJARDIN war bekanntlich der Erste, welcher den ganzen Entwieklungseyklus einer Hydromeduse vom jungen Hydroidpolypen bis zur geschlechtsreifen Meduse an Exemplaren von Cladonema, die er in Aquarien hielt, verfolgte. Während aber DuJarpIn den Cladonema-Polypen als eine Art Syncoryne auffasste, und GossEe! ihn als Coryne stauridia beschrieb, erkannte WrıGHT?, der Entdecker des nahe verwandten Stauridium productum, dass durch den Besitz von geknöpften und ungeknöpften Tentakeln sich der Duyarpın’sche Hydroid und der, welchen er in der Nähe von Edinburgh gefunden hatte, von der Gattung Syncoryne unterschieden. Er schuf desshalb für den Oladonema-Polypen und seine neu gefundene Art »producetum« die Gattung Stauridia. 1562 aber machte Hıncks? die Mittheilung, dass das Gonosom von Stauridia productum Wright wesentlich verschieden sei von dem Gonosom der »Stauridie«c Dusarpm’s. Während letzteres (Clado- nema radtatum Duj.) eine mit acht verzweigten Tentakeln versehene kriechende Meduse ist, fand Hıncks, dass die Meduse von Stauridia oder, wie er schrieb, von Stauridium productum eine echte Sarsia und nicht zu unterscheiden sei von den Medusensprösslingen einer Syncoryne eximia. Es handelte sich also trotz der großen Ähnlich- keit der Polypen um zwei verschiedene Genera. Hincks beschränkte desshalb den Genusnamen Stauridium auf die Species Stauridium productum Wright, während er den Duyarpın’schen Polypen Clado- nema nannte. 1868 gab Hincks! eine vortreffliche Beschreibung und Abbil- dung der eben abgelösten Meduse von Stauridium. Er identifieirte mit St. productum Coryne cerberus Gosse?® und vereinigte die Gat- tungen Oladonema und Stauridium zur Familie der Stauridüdae. ALLMAN® stellt dagegen in seiner berühmten Monographie 1871 I! P. H. Gossze, A Naturalists Rambles on the Devonshire Coast. 1853. pP. 297. SP] PX. 2 T. STRETHILL WRIGHT, ns on British Zoophytes. in: The Edin- burgh New Phil. Journ. Vol. VII. New Ser. 1858. p. 283. Pl. VIL, Fig. 68. 3 Tr. Hıncks, On the Production of similar Gonozoids by Hydroid Polyps belonging to .different Genera. in: Ann. Nat. Hist. for December 1862. 4 Tu. Hıncks, A History of the British Hydroid Zoophytes. 1868. p. 68. 21. XI, Header ie 51. ce. p. 222. Pl. XIV, Fig. 45. 6 G. J. ALLmAn, A monograph of the Gymnoblastie or Tubularian ge oids. 1871. p. 356 u. 363. Pl. RAT Kiel 12, Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright ete. 145 sonderbarerweise O/adonema mit Nemopsıs zusammen in die Familie der Cladonemidae, während er Stauridium, das er nach eigenen Beobachtungen beschreibt und abbildet, mit Pennaria, Halocordyle, Vorticlava, Heterostephanus, Acharadria und Acaulis die Familie der Pennariidae bilden lässt. HAEcKEL! führt 1879 die Meduse von Stauridium in seinem "Verzeichnis obsoleter Medusennamen. Über die Verbreitung von Stauridium productum ist nicht viel bekannt. STR. WRrIcHT fand die Art am Firth of Forth (»on the shore at Caroline Park near Edinburgh; on Plumularia falcata«). Hıncks beobachtete sie bei Ilfracombe (Bristol Kanal) »in rock pools on the Cap stone, very abundant«. ALLman erhielt sie bei Penzance (Kanal, Südküste von Cornwall. McIstosu? erwähnt sie ver- schiedentlich für St. Andrews. Du Pressıs?® nennt sie in seinem Verzeichnis der Hydroiden von Neapel. Die Neapler Station führt die Art auch in ihrem Preisverzeichnis konservirter Seethiere. Die Art scheint sowohl in ganz flachem Wasser als auch in etwas srößeren Tiefen fortzukommen. Hiıncks und ALLmaAn fanden “ sie auf dem Boden flacher Felsenlöcher wachsend, ALLMAN fügt hinzu: »a little above low water mark«. Du Pressıs erhielt die Polypen an der Glaswand von Aquarien und an den Beinen einer Maja squinado aus dem großen Aquarium der Station; außerdem an Spongien und an Schalen von Cardium von der Secca di Gajola aus 30—35 Meter Tiefe; ferner an Felsstücken von Nisita und in einem Glase mit Seewasser, das seit langer Zeit mit Algenwuchs gestanden hatte. Die Helgoländer Stauridien, die ich trotz mancher Unterschiede, doch für speecifisch mit den von Hıncks und ALLMAN beschriebenen halten möchte, beobachtete ich ausschließlich in einem flachen Aquarium der Biologischen Anstalt. Ehe ich jedoch auf die nähere Beschreibung der Art, und zwar zunächst der Polypengeneration, eingehe, möchte ich zuvor die Hıncks’sche Diagnose eitiren, und dieser sogleich eine gegenüber- ! E. HAECKEL, Das System der Medusen. Jena 1879. p. 655. ? McIntoss, On the pelagie fauna of the Bay of St. Andrews during the months of 1888. in: Seventh Annual Report of the Fishery Board of Scotland. p. 529. 3 G. Du Pressiıs, Catalogue provisoire des Hydroides Medusipares (Hydro- meduses vraies) observes durant P’hiver 1879—1880 & la Station zoologique de Naples. in: Mittheil. Zool. Stat. Neapel. Bd. II. p. 145. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 10 146 Clemens Hartlaub, stellen, die auf meinen eigenen Beobachtungen beruht. Es werden auf diese Weise die Abweichungen der Helgoländer Form, die möglicherweise noch zu einer specifischen Abtrennung führen können, sofort ins Licht treten. Hincks hat l. c. 1868 die Polypengeneration ren charakterisirt: »Stem smooth, simple or slightly and irregularly branched, Polypites elongate, reddish, the oral extremety opake white, with 12 tentacles (in the adult state) disposed in three whorles of four, furnished with numerous palpocils, the capitula of the uppermost row larger than the rest; false tentacles (tactile organs) 4—6, usually suberect; Gonophores borne at the base of the lower tentacles, pyriform, slightly pedunculate of a pinkish colour, not more than one or two on a polypite.« Indem ich die Reihenfolge obiger Charaktere ungefähr bei- behalte, muss ich die Speciesdiagnose nach meinen Beobachtungen, wie folgt, abändern. »Hydrorhiza dünn fadenförmig, vielfach unregelmäßig verzweigt, nicht anastomosirend, reich an Nesselzellen und von einem dünnen Perisark umgeben. Hydranthen ausgestreckt cylindrisch oder keulenförmig etwa 2 mm lang, sehr kontraktil, röthlich gefärbt (an der Basis weni- ser), meist auf kurzen, unverzweigten Stielen, mit drei bis vier Wirteln dick geknöpfter und einem proximalen Wirtel nicht geknöpfter Tentakel. Die Stärke der Knöpfe nimmt bei ersteren oral-proximalwärts wirtelweise ab. Die Wirtel enthalten vier bis sechs, häufig fünf Tentakel. Die Tentakel haben abwechselnde Stellung zu denen der Nachbarwirtel; bei vier Tentakeln Kreuzstellung. Die Wirtel geknöpfter Tentakel in gleichen Abständen von einander. Auf der Mitte zwischen unterstem Wirtel ge- knöpfter Tentakel und Basis des Polypen der Wirtel un- seknöpfter Tentakel. Fuß des Hydranthen eine kurze Strecke weit von sehr feinem Perisark umgeben. Medusen- knospen meist an Stelle der Tentakel des dritten Wirtels liegend (vom Munde ab gezählt), nicht mehr wie vier. Nie- mals geknöpfte Tentakel pedalwärts von Medusenknospen. Knospen kurz gestielt, reifere mit einwärts umgeschlage- ner Umbrella.« Die Polypenstöcke von Stauridium wurden zuerst Mitte April in Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright ete. 147 einem flachen Aquarium der Biologischen Anstalt an kleinen Fels- stücken bemerkt. Persönlich habe ich sie vom 19. April an unter Beobachtung gehabt. Die Hydranthen zeigten, als ich sie zuerst unter- suchte, keine Medusenknospung. Es fiel mir aber sofort auf, dass sie mehr Tentakeln hatten, als ich bei den Autoren angegeben fand. Die Mehrzahl besaß vier Wirtel geknöpfter Tentakel, statt der sonst beobachteten drei und in dem oralen und darauf folgenden Wirtel häufig fünf Tentakel statt der vier kreuzweise gestellten. Nach einigen Tagen guter Fütterung mit Copepoden nahm die Kolonie bald an Umfang zu, und es zeigten sich die ersten Anlagen junger Medusen. Diese lösten sich bald darauf von den Hydranthen ab und wurden nun in einem besonderen Glase unter guter Pflege gehalten. Sie wuchsen sehr rasch heran und erreichten in wenigen Wochen eine Größe von 10 mm Glockenhöhe; schon auf halber Größe aber begann sich um das Manubrium herum die ringförmige Gonade zu entwickeln. — Die Polypenkolonie vermehrte sich inzwischen rasch; namentlich schien ihrer Entwicklung das Auftreten einer braunen Alge förderlich zu sein (Kulturzwergform von Ectocarpus confervoides Roth.), mit deren Fäden die Hydrorhiza des Stauridium zusammenwuchs. Stücke der Alge wurden mit den an ihr wachsenden Hydroiden vom Stein abgelöst und wuchsen an der Oberfläche des Behälters schwimmend weiter. So entstanden schwimmende Kolonien von Stauridium, die sich sehr kräftig entwickel:n und eine leichte Ernährung hatten, weil sich die Copepoden meist an der Oberfläche aufhielten. Indem sich diese Kolonien gelegentlich an die Behälterwand anlegten, gaben sie Veranlassung zur Entstehung vieler neuen Kolonien, die ursprüng- lich alle von der ersten herstammten und daher auch leider alle glei- chen Geschlechts waren; denn alle Medusen, die ich von ihnen erhielt, erwiesen sich als männliche. | Zur näheren Kenntnis der Stauridiumpolypen möchte ich der obigen Beschreibung noch Folgendes hinzufügen. Die Hydrorhiza zeigt mit bloßem Auge betrachtet eine gelbliche Färbung. Ihre Dieke ist 0,152 mm. Das Cönosark ist von einem dünnen Perisark umgeben, das auch die Basis der Hydranthen in kurzer Ausdehnung umgiebt. Das Perisark liegt dem Cönosark, von dem es ausgeschieden wird, an vielen Stellen, so namentlich den Jüngeren kräftig wachsenden Stolonen, dicht an, an anderen Stellen durchzieht das Cönosark das Perisarkrohr als ein mehr oder minder dünner Strang. Überall ist das Ektoderm des Cönosarks vollgepfropft mit Nesselzellen von zwei verschiedenen Größen (Taf. VO, Fig. 12). 10* 148 Clemens Hartlaub, Diese häufen sich an den Enden der Stolonen besonders an und bilden hier eine knopfartige Anschwellung (Taf. VO, Fig. 17, 19). Da sich die Stolonen an ihrem Ende gabelig theilen können, sieht man manche von ihnen auch mit zwei solchen Nesselknöpfen endigen. Die Sto- . Jonen, s. Taf. VIII, Fig. 4, bilden ein vielfach verzweigtes Wurzel- werk, dessen einzelne Fäden oft einen etwas winkeligen Verlauf haben und die je nach ihrem Alter an Dicke etwas variiren. Die auf eine lange Strecke fortlaufenden, zahlreiche Stolonen abzweigenden Fäden könnte man als Hauptrhizome von den Zweig- oder Neben- rhizomen unterscheiden. Nirgends fand ich Anastomosen im Rhizom, obwohl ArLımans, 1. c. Pl. XVH, Fig. 11 und 12, solche abbildet. Von den Stolonen entspringen im rechten Winkel zu deren Haupt- achse die Stämme der Hydranthen. Ehe aber der Hydranth noch vollständig entwickelt ist, kann sich von seinem Stamme schon wieder ein neuer Stolon abzweigen, der seinerseits wieder Hydranthen treiben kann (Taf. VII, Fig. 17a). Man kann also in gewissem Sinne von einer Verzweigung des Hydranthenstieles sprechen. Es ist aber festzuhalten, dass derartige Verzweigungen selten sind und dass ich niemals aus dem Hydranthenstiel direkt einen neuen Hydranthen sprossen sah. Die Hydranthen wachsen also ausschließlich an den Stolonen, aber selbst ein eben hervorgesprosster Stolon kann, wie Taf. VI, Fig. 175 zeigt, bereits einen Hydranthen knospen. Die Figuren 18 und 19 stellen die in Fig. 17 gezeichneten Hydranthen- und Stolonenknospen einen Tag älter geworden dar. Man sieht daraus, mit welcher Schnelligkeit das Wachsthum vor sich geht, denn an den Polypen haben sich in- zwischen sowohl Medusenknospen als auch die ungeknöpften Tentakel angelegt. Die Hydranthenstiele können lang auswachsen und den Charakter gewöhnlicher Rhizomfäden annehmen. Die Hydranthen setzen sich von ihrem Stiel durch eine kleine Einschnürung, den sog. Hals ab. Sie sind, wenn sie sich völlig aus- strecken, reichlich 2 mm lang und dann von einfach eylindrischer Form. Kontrahiren sie sich aber ein wenig, so wird ihre Gestalt keulenförmig. Sie sind sehr kontraktil und beweglich; sie können sich stark krümmen und ihr orales Ende vollkommen umbiegen. Oft wiegen sie sich auf ihrer Basis ruhend vollkommen ausgestreckt blei- bend hin und her, manchmal aber wird dieselbe Bewegung plötzlich ‚und gleichsam schlagend ausgeführt. Durch Verschlucken großer Copepoden können sie ein sehr deformirtes Ansehen bekommen. Auch die Tentakel sind etwas kontraktil und flexibel. Besonders können Die Polypen und Quallen von Stauridium produetum Wright ete. 149 die ungeknöpften Tentakel, wie ein Blick auf die Fig. 5, 7 zeigt, eine sehr verschiedene Haltung annehmen. Die Tentakel sind keineswegs ihrer Stellung und Zahl nach, konstant so, wie es die englischen Autoren schildern. Die Wirtel- stellung z. B. ist manchmal sehr verwischt. Taf. VI, Fig. 5 zeigt einen Hydranthen mit zwei sich gegenüberstehenden Tentakeln dicht unterhalb des oralen Tentakelkranzes. Da sich dieser gelegentlich aus sechs Tentakeln zusammensetzt, könnte man in diesem Falle vielleicht annehmen, dass sie noch zum oralen Wirtel gehörten, und der betreffende Hydranth demnach im Grunde dreiwirtelig wäre. Ähnlich verhält sich der zweite Tentakelwirtel des Hydranthen, Taf. VO, Fig. 16, welcher aus sechs Tentakeln bestünde, von denen zwei unterhalb der eigentlichen Wirtelebene liegen. Eine noch srößere Auflösung der Wirtelordnung zeigt der Hydranth Taf. VII, Fig. 6. Auch bei den ungeknöpften Tentakeln ist die Wirtelstellung keineswegs immer streng eingehalten. Die Zahl der zu einem Wirtel gehörigen Tentakel schwankt zwischen vier und sechs. Die Zahl sechs wird aber nur ausnahmsweise und dann meist vom oralen Wirtel oder dem unge- knöpfter Tentakel erreicht. Fünfzählige Wirtel aber sind häufig und bei günstigen Wachsthumsbedingungen sogar die Regel. Keines- wegs aber herrscht eine gesetzmäßige Übereinstimmung der Ten- takelzahl für alle Wirtel eines Hydranthen, und besonders ist der Wirtel ungeknöpfter Tentakel ganz unabhängig von den Zahlenver- hältnissen der geknöpften. Es kann in allen Wirteln die Vierzahl herrschen und doch können fünf, ja sogar sechs ungeknöpfte Ten- takel vorhanden sein. So viel scheint mir auch festzustehen, dass die Tentakelzahl der unter dem oralen Kranz gelegenen Wirtel geknöpfter Tentakel, die der oralen Tentakel nicht übersteigt. Be- steht dieser also aus vier Tentakeln, so haben die anderen Wirtel nicht mehr. Welches nun aber auch die Tentakelzahlen sind, das Prineip der Wechselstellung wird möglichst eingehalten, so dass, den Hydranthen auf den Mund gesehen, die Tentakel des einen Wirtels in die Zwischenräume der Tentakel des anderen fallen. Sehließlich noch ein Wort über die Zahl der Wirtel ge- knöpfter Tentakel. — Als ich sie zum ersten Male untersuchte, besaß die Kolonie vorwiegend Hydranthen mit vier Wirteln. Als ich sie nach einiger Zeit, während dessen die Knospung junger Medusen begonnen hatte, wieder vornahm, fand ich zu meiner Verwunderung fast ausschließlich solche mit drei Wirteln. Einige 150 Clemens Hartlaub, von ihnen, s. Taf. VII, Fig. 6 und 7 trugen, da wo sonst der unterste Wirtel geknöpfter Tentakel liegt, Medusenknospen. Ich glaubte An- fangs, dass eine Rückbildung der Tentakel des vierten Wirtels statt- gefunden hätte, entdeckte aber hierfür keinerlei Anzeichen und muss demnach annehmen, dass die vierwirteligen Individuen zu Grunde gingen. Auch solche mit vollständigen drei Wirteln wurden, als die Knospung lebhaft zunahm, selten, vielmehr waren einzelne oder selbst alle Tentakel des dritten Wirtels (vom Munde aus gezählt) durch Medusenknospen ersetzt (s. Taf. VII, Fig.5, 9,14). Die Hımcks’sche Aussage, dass die Gonophoren an der Basis der unteren Tentakel liegen, traf für meine Exemplare nicht zu. Die Medusenknospung vollzog sich auf Kosten von Tentakeln; die Anlagen der jungen Quallen nahmen den Platz von Tentakeln ein, und Taf. VII, Fig. 14 stellt einen Hydranthen dar, bei welchem an Stelle des dritten Ten- takelwirtels ein vollständiger Wirtel junger Medusen liegt. Die Abnahme der Tentakelzahl während der Zeit der Medusenknospung war besonders klar bei dem sehr interessanten in Taf. VII, Fig. 15 abgebildeten Exemplare. Bei ihm gelangten überhaupt keinerlei Tentakel zur Ausbildung, sondern es entstanden bei ihm an Stelle der oralen Tentakel sofort Medusenknospen. Aus dem Mangel von ungeknöpften Tentakeln an diesem Polypen lässt sich auch fast mit Bestimmtheit entnehmen, dass der Mangel von Tentakeln nieht von Resorption früher vorhanden gewesener herrührt. Die ungeknöpften Tentakel, die ja, ganz außerhalb der Region der Medusenknospung, der Basis des Hydranthen am nächsten liegen, legen sich nämlich an, nachdem der orale Tentakelwirtel ausgebildet ist und der zweite auch, oder dieser wenigstens heranwächst. Wäre der zweite Wirtel von Tentakeln also überhaupt dagewesen, würden sich an dem Hy- dranthen auch vermuthlich die ungeknöpften Tentakeln gebildet haben. Der gänzliche Mangel derselben bei dem Fig. 15 abgebil- deten Polypen weist also darauf hin, dass zum mindesten der zweite und dritte Tentakelwirtel nicht zur Anlage kamen. — Wenn Hmcks die Medusenknospung an die Basis der unteren Tentakel verlegt, so erkläre ich mir das damit, dass, so gut wie es einzelne Tentakel thun, auch die sie vertretenden Medusenknospen bisweilen aus der Wirtelebene herausgerückt liegen mögen. Der tentakellose Hydranth von Stauridium erinnert an ähnliche Hydranthen von Syncoryne gravata, die WRIGHT und Hıncks abgebildet haben (s. Taf. IX, Fig. 3), doch scheint in diesen Fällen der Erscheinung eine andere Ursache zu Grunde zu liegen. Hıncks schreibt darüber: Die Polypen und Quallen von Stauridium produetum Wright ete. 151 »At the same time the polypites are often more or less affeeted. The tentacles are sometimes reduced by absorption to mere papillae, sometimes they disappear altogether; and in some cases the whole head vanishes and the stem is surmounted by a single gonozoid or oceasionally by two. In the month of may I found a large colony in the latter condition, overspreading the underside of a stone on Filey Brigg. The heads of the polypites had in allmost all cases disappeared and each stalk bore near its extremety one or two ovale medusiform bodies attached by a short peduncle.« — Es liegt hier also nach Hıncks’s Meinung Resorption von vorhanden gewesenen Tentakeln vor. Ich zweifle nicht an der Richtigkeit dieser Beobach- tung, halte aber doch eine Bestätigung für wünschenswerth. Jeden- falls wäre es seltsam, wenn das von Stauridium festgestellte Ver- halten ganz vereinzelt dastände unter den Hydroiden. Es ist vielmehr anzunehmen, dass es unter verwandten Arten weitere Verbreitung hat. Natürlich wird es sich bei solchen Formen, wo die Tentakel nicht in weit von einander getrennten Wirteln, sondern vielmehr zerstreut stehen, viel schwerer entdecken lassen. Bezüglich der Wirtelzahl sei noch hinzugefügt, dass ungünstige Bedingungen, vielleicht auch die Jahreszeit, die Ausbildung von Wirteln offenbar beschränken. Im September z. B., nachdem die Periode der Medusenknospung längst vorüber war und die Kolonien während der heißen Saison sehr zu leiden hatten, fand ich keine Hydranthen mit mehr als zwei Wirteln geknöpfter Tentakeln. Die Pflege war gut, für reichliche Ernährung war gesorgt, und es legten sich zahlreiche Hydranthen an den Stolonen an; aber alle erreichen sie nur eine sehr mäßige Größe. Die Zahl der zu einem Wirtel gehörenden Tentakeln wurde aber offenbar dadurch nicht beeinflusst, denn die entschiedene Mehrzahl der Polypen besaß fünfzählige Wirtel. Über die Anlage der ungeknöpften Tentakel sagt Hmcks »the row of false tentacles seems to be produced contemporaneusly with the first series of capitate arms«. Dem gegenüber möchte ich noch- mals ausdrücklich feststellen, dass ich ausnahmslos den zweiten Wirtel angelegt fand, ehe die ungeknöpften Tentakeln da waren. Wie Taf. VII, Fig. 4 beweist, ist manchmal sogar der zweite Ten- takelwirtel vollkommen ausgewachsen, ehe von jenen eine Spur zu entdecken ist, s. auch Taf. VII, Fig. 18 und 19. Auch was Hmcxs über die Entstehungsweise der geknöpften Tentakel aussagt, kann ich nicht bestätigen. Er schreibt nämlich: 152 Clemens Hartlaub, »the young are found with only two, three or four of the capitate tentacles, placed a little below the oral aperturee.. Nach meinen Beobachtungen aber legen sich die Tentakel eines Wirtels stets gleichzeitig an, so dass schon an jungen Knospen die Anlage der fünf Mundtentakel in Gestalt von fünf buckelförmigen Ausbuchtungen sichtbar ist (Taf. VII, Fig. 10). Nach dem Gesagten wird es auch verständlich sein, dass ich die Hiıncks’sche Meinung, Coryne cerberus Gosse (s. Taf. IX, Fig. 4) sei eine auf ein unreifes Exemplar von st. productum gegründete Art, nicht ohne Weiteres theilen kann. Nach meinem Material würde ich eher glauben, dass es sich bei der Gosse’schen Species um Oladonema handelt, jedenfalls aber um eine von Stauridium productum ver- schiedene Art. Sowohl der Besitz von drei Mundtentakeln als auch der Umstand, dass die ungeknöpften Tentakeln vollständig entwickelt sind, ohne dass ein zweiter Wirtel geknöpfter Tentakeln vorhanden wäre, sprechen gegen eine Übereinstimmung mit unserer Art. Auch der ganze Habitus der beiden Gosse’schen Polypen ist anders als bei Si. productum. Besonders ist die breite Basis bei ihnen auf- fallend; die Hydranthen von Si. productum, wenn sie durch Kon- traktion übrigens die plumpe Form von Coryne cerberus annehmen, zeigen doch meist eine starke Verjüngung nach unten. Ich wende mich nun zur Betrachtung der Stauridium-Meduse im jugendlichsten Alter. Man kannte sie bisher nur durch Hicks, der sie gleich nach ihrer Ablösung beobachtete. Hıncks beschreibt sie mit folgenden Worten: »Umbrella (at the time of liberation) deeply bell shaped, studded with thread cells; manubrium of moderate length, rose coloured; marginal tentacles springing from rose coloured bulbs, on one side of which is a dark reddish-brown ocellus, very exten- sile, set along their entire length with knotlike elusters of thread cells, and terminating in a spherical bulb.« Sowohl diese Beschreibung als auch die Abbildung, die Hıncks giebt (s. Taf. IX, Fig. 1), stimmen mit den von mir gezogenen jungen Quallen fast überein. Nur das ist mir auffallend, dass Hıncks den lebhaft gefärbten, trichterförmig erweiterten Stielkanal nicht erwähnt und abbildet, den meine Exem- plare konstant besaßen, der sich bei vielen wahrscheinlich auch dauernd erhält und durch seine Form und Färbung ein charakte- ristisches Merkmal abgiebt. Auch die Gestalt der jungen Qualle ist, wie ein Vergleich meiner Taf. VIII, Fig.1 und der Hincks’schen Abbildung ergiebt, bei den Helgoländer Exemplaren etwas abwei- chend. Die Umbrella ist dorsal weniger verjüngt und das Manubrium Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright ete. 153 kleiner. Sie gleicht mehr der McCrAapyY’schen Abbildung! von Sarsıa Zurricula (s. Taf. IX, Fig. 5), die Hıncks auch für möglicherweise iden- tisch mit Stauridium hält, aber auch bei ihr scheint der für unser Stau- ridium charakteristische weite Stielkanal der jungen Meduse zu fehlen. — Die Gallerte der jungen Sarsia hat so ziemlich überall die gleiche Dieke. Dies ändert sich aber bei weiterem Wachsthum erheblich. Wie ich bereits oben sagte, ist es mir gelungen, die Stauridium- Quallen bis zur vollständigen Geschlechtsreife und bis zu einer Glockenhöhe von reichlich 10 mm heranzuziehen. Die Quallen machen während ihres Wachsthums verschiedene Veränderungen durch, als deren wesentlichste ich die Diekenzunahme der Gallerte und das Wachsthum des Manubriums hervorhebe. — Das Wachsthum vollzieht sich rasch. Die eben frei gewordene Qualle hat eine Glockenhöhe von reichlich 1 mm und einen Durchmesser von knapp imm. Nach etwa sechs Tagen ist sie schon bedeutend größer seworden und besitzt nun eine Glockenhöhe von 3 und einen Durehmesser von 2 mm. Die kleine Qualle schwimmt lebhaft - umher; die Tentakel werden nicht weit ausgestreckt und meist so sehalten, das der proximale Theil schräg nach außen und oben gestreckt wird und von ihnen der distale Theil in einem scharfen Winkel abgeknickt herabhängt. Das Manubrium hat eine Länge von etwa ?/; der Glockenhöhle. Die Form der Glocke ist eine schön gsewölbte. Die Gallerte hat jetzt im Scheitel an Dicke sehr zuge- nommen, verdünnt sich dagegen allmählich nach dem Glockenrande zu. Mit dem Mikroskop bemerkt man auf der Exumbrella einzelne zerstreut stehende kleine Nesselzellen von annähernd runder Form. Die Oberfläche der Glocke hat eine offenbar klebrige Beschaffenheit, da sie sich bei etwas trüberem Wasser mit Schmutz bedeckt, der sehr fest auf ihr zu haften scheint. Der Stielkanal, der sich über dem Magen trichterförmig erweitert und hier sehr auffallend gefärbt ist, ist meist seiner ganzen Länge nach erhalten. Sein dorsales Ende ist vollkommen durchsichtig und schwer zu bemerken, zu- weilen erkennt man deutlich im Scheitel der Exumbrella eine in den Kanal hineinführende trichterförmige Vertiefung. Das mittlere Stück des Kanals ist durch etwas Färbung und Körnchen gekenn- zeichnet. Vom Manubrium wäre noch der Besatz von Nesselzellen im Ektoderm zu erwähnen, die sich um den Mund herum, manch- 1 McCrApy, Gymnophthalmata of Charleston Harbor. in: Proc. Elliot. Soc. WOLT p. 138. Pl. VIIL Fig: 6. 154 Clemens Hartlaub, mal kranzförmig, anhäufen. Das Velum ist breit. — Gefärbt sind an der übrigens durchsichtigen Meduse das Manubrium und dessen Scheitelaufsatz (Erweiterung des Stielkanals), sowie die Tentakel und deren Bulben. Die Färbung wechselt in ihrer Erscheinung je nach der Beleuchtung, in welcher man die Qualle betrachtet. Be- sieht man sie z. B. in ihrem Glase bei durchfallendem Lichte, so sehen die gefärbten Theile dunkelbraun aus, während sie rosa er- scheinen, wenn man hinter das Glas einen dunklen Gegenstand hält. Unter dem Mikroskop bei schwächerer Vergrößerung und durch- fallendem Lichte gesehen ist bei Weitem am intensivsten der trichter- förmige Scheitelaufsatz des Magens gefärbt. Er ist lebhaft rothbraun, während das Manubrium schwach bräunlich ist und nur an seiner Basis etwas lebhaftere Färbung zeigt. Unter gleicher Bedingung erscheinen die Tentakelbulben hellbraun mit einem Stich ins Rothe in ihrer oberen Partie. Der Ocellus erscheint schwarz. Nimmt man dagegen starke Vergrößerung, so erscheinen die Bulben lebhaft roth und der Ocellus deutlich dunkelbraun. Auch die Tentakel zeigen, wenn sie kontrahirt sind, in ihrem äußeren Theile ein ähnliches Pigment wie es die Bulben haben. Da BönHm! in seiner Untersuchung der Helgoländer Medusen eine Sarsia als Sarsia eximia Allm. beschreibt und abbildet und die Glockenhöhe derselben als 4 mm angiebt, dieselben also annähernd die Größe haben der eben beschriebenen Wachsthumsstufe von Stauridium, so sei betont, dass zwischen meiner Sarsıa Stauridü und Bönn’s Sarsia keinerlei Ähnlichkeit herrscht, und eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Die von BöHnm beobachtete Form hat ein langes wurmförmig sich schlängelndes, aus der Glockenhöhle weit hervor- ragendes Manubrium. Mit zunehmendem Wachsthum verlieren sich die Nesselzellen der Exumbrella bald. An der etwas über 3 mm hohen Meduse sind kaum noch welche zu entdecken, einzelne aber findet man sogar noch, wenn die Qualle schon 5 mm groß ist. Am 20. Mai, nachdem sie ein Alter von ungefähr 11 Tagen erreicht hatten, waren die Sarsien 5 mm hoch und 4 mm breit. In dieser Größe hat bereits die Gonadenentwicklung begonnen. Die Gonade umgiebt, wie bei anderen Sarsien, röhrenförmig das Manu- brium als eine Ektodermverdiekung, die bei unserer Art am Grunde des Manubriums beginnt, an Stärke gegen die Mitte desselben zu- ! R. Bönm, 1. e. p. 191. Taf. VII, Fig. 1—6. Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright ete. 155 nimmt und eine Strecke weit oberhalb des Mundes allmählich wie- der an Dicke verliert und aufhört. Die Gonade, unter dem Mikroskop gesehen, setzt sich als eine weißlich gelb gefärbte Masse gegen das Braun des Magenentoderms ab. Sämmtliche von meinen Kolonien sezogenen Medusen waren männlichen Geschlechts. Der Ansatz der Gonade am Magengrunde ist ein sehr beachtenswerthes Kennzeichen, das z. B. an sich schon genügt, die Art von Sarsia tubulosa zu unter- scheiden. Bei dieser bleibt das proximale Ende des Manubriums gonadenfrei. Auch auf dieser Größenstufe der Meduse behielt der Stielkanal den oben beschriebenen Charakter, und selbst in seinem dorsalen Ende ist er manchmal als ganz feines zellenloses Rohr bis zum Scheitel der Umbrella zu verfolgen. Die Tentakel sah ich 2 cm weit ausgestreckt und mit einem deutlichen Knopf endigen. Die Färbung im Hafenglase bei durchfallendem Lichte war am Magen- aufsatz und an den Tentakelbulben gelbbraun oder mehr rothbraun oder sogar ziegelroth. Am 25. Mai hatte die größte der bisher gezogenen Quallen eine Glockenhöhe von 6 mm. Das durch die Gonade dicker gewordene Manubrium hängt bis zur Öffnung der Glockenhöhle herab. Die Färbung der kolorirten Theile ist intensiver geworden. Das erweiterte Ende des Stielkanals ist intensiv karmoisinroth. Die Tentakelbulben lebhaft rothgelb; auch die Tentakel lebhafter. Das Entoderm des Manubriums bleibt bräunlich, die Gonade gelblich weiß, alles Dies bei durchfallendem Lichte im Hafenglase gesehen. Der intensiv roth gefärbe Magenaufsatz hat nebenstehende Form N. Selbst am 6 mm großen Exemplare war der Stielkanal ganz erhalten. Am 13. Juni, also reichlich 4 Wochen nach ihrer Ablösung, hatten die älteren Quallen eine Glockenhöhe von 10 mm erreicht. Das Manubrium war inzwischen bedeutend gewachsen und hing mit einem Drittel seiner Gesammtlänge aus der Glockenhöhle heraus. Weitere Veränderungen waren nicht zu beobachten. Die Quallen hatten offenbar ihr äußerstes Größenmaß erreicht. Sie lebten auf diesem Stadium noch einige Wochen und gingen dann allmählich zu Grunde. Die Lebhaftigkeit der Färbung war im Vergleich mit dem vorher beschriebenen Stadium entschieden geringer geworden. Die Tentakel wurden oft lang ausgestreckt gehalten und maßen dann etwa 14—15 cm. Die Speeiesdiagnose möchte ich folgendermaßen zusammen- fassen: 156 Clemens Hartlaub, Stauridıum productum (Wright) Hartl. Schirm abgestutzt eiförmig, 1!/;mal so hoch als breit. Magenrohr eylindrisch, wenig kontraktil mit !/; seiner Länge aus der Glockenhöhle herabhängend. Gonade an der Basis des Magenrohres be- geinnend. Über dem Magenrohr eine trichterförmige Er- weiterung des Stielkanals. Tentakel 15 em lang aus- dehnbar, mit einem Knopf endigend. Nicht knospen- bildend. | Farbe: Magenrohr bräunlich. Gonade gelblich weiß. Tentakelbulben und der Magenaufsatz röthlich. Größe: Schirmhöhe 10 cm. Sehirmbreite (in der Höhe der Basis des Manubriums) 7 cm. OÖntogenie: Amme Stauridium produetum Wright. Fundort: Helgoland, im Aquarium der K. Biologischen Anstalt gezogen (ein ganz junges Exemplar wurde im Mai mit dem Auftrieb gefischt). Die Diagnose bezieht sich auf die von mir gezogenen alten Exemplare (s. Taf. IX, Fig. 6); auf die jüngeren passt sie nicht und ist darüber das oben Gesagte zu vergleichen. In der Größe und Form der Glocke gleicht die Art Sarsia tubu- losa Lesson resp. Sarsia mirabilis L. Ag. Sie unterscheidet sich von diesen aber leicht durch ihr kürzeres Manubrium und die an der Basis schon beginnende Gonade. Die Knospungsweise der Stauridiumqualle weicht dadurch etwas von dem gewöhnlichen Modus ab, dass während der Entwicklung der untere Glockentheil sich nach der Glockenhöhle zu umschläst und bis zum Moment der Ablösung umgeschlagen bleibt. Erst wäh- rend der Ablösung und durch die dabei ausgeführten kräftigen Kon- traktionen der Glocke werden die Tentakel aus der Glockenhöhle heraus nach außen gestoßen, wobei schließlich die gänzliche Aus- stülpung und die normale Körperform erreicht wird. Diesen Vorgang hat auch Hıncks bereits beobachtet und geschildert. Die Meduse von Stauridium produetum ist generisch nicht zu unterscheiden von den Arten der Gattung Sarsia und sie würde zu dieser Gattung gehören, wäre nicht ihr Ammenpolyp durch den Besitz eines Wirtels ungeknöpfter Tentakel von den Hydroiden jener, näm- lich dem Genus »Syncorynes verschieden. Andererseits ist der Hy- droid Stauridium aufs nächste verwandt mit der Hydroidengattung Oladonema, dessen Meduse aber im HaAEcKEL’schen System weit getrennt von den Sarsien in der eigenen Familie der » Oladonemidae« Die Polypen und Quallen von Stauridium produetum Wright ete. 157 seführt wird. Diese weite Abtrennung der Oladonema-Meduse von den Sarsien habe ich auf Grund der Gonadenform schon früher für unrichtig erklärt!. Nun scheint mir der Umstand, dass Stauri- dium eine Meduse erzeugt, die den Sarsien vollkommen gleicht, ein weiterer Fingerzeig für die Richtigkeit meiner Ansicht zu sein. Damit es möglichst bald festgestellt werde, ob die an den eng- lischen Küsten beobachtete Stauridium-Form sich von der Helgo- länder speecifisch unterscheidet oder es sich nur um lokale Varietäten handelt, möchte ich die Unterschiede beider hier noch einmal ein- ander gegenüberstellen: Englische Form. Helgoländer Form. Hydrorhiza Anastomosen bildend Keine Anastomosen. (ALLMAN). Vierzählige Wirtel geknöpfter Wirtel geknöpfter Tentakel sehr Tentakel. oft fünfzählig; einzeln sechs- zählig. Medusenknospen an der Basis von Medusenknospen an Stelle ge- Tentakeln entspringend. knöpfter Tentakel. Junge Meduse ohne Stielkanal. Junge Meduse mit weitem Stiel- kanal. Ich wende mich nun zu meinen Beobachtungen über die Abstammung von Tiara pieata L. Ag. Diese Tiara, die an den europäischen Küsten bekanntlich eine weite Verbreitung hat und u. a. auch im Mittelmeer häufig ist, er- scheint bei Helgoland jeden Herbst in großen Scharen und zwar erhält man sie in allen Altersstufen. Junge Exemplare kommen schon Anfang Juli, die Hauptzeit für sie ist aber der September und erst im December verschwindet sie wieder. Ganz jugendliche Exem- plare mit nur zwei ausgebildeten Tentakeln (Amphinema-Stadium, Taf. VII, Fig. 18), von denen ich die verschiedensten Übergänge zu den erwachseneren Exemplaren beobachtete, waren mir schon seit längerer Zeit bekannt, und aus ihrem Auftreten war zu schließen, dass sich die 7iara von einer bei Helgoland vorkommenden Hydro- zoenart ablösen werde. Diesen Hydroiden festzustellen ist mir diesen Sommer gelungen. Es ist eine auf Nucula nucleus lebende Perigonimus-Art, die ich für ' CL. HARTLAUB, Zur Kenntnis der Anthomedusen. in: Nachr. König]. Ges. Wiss. Göttingen. 1892. Nr. 1. p. 18. 158 Clemens Hartlaub, P. repens Wright halte. Die Mehrzahl der bei Helgoland sehr gemeinen kleinen Bivalve ist mit diesem Hydroiden bewachsen (Taf. VII, Fig. 12). — Am 17. Juli erhielt ich eine Anzahl solcher kleiner Muscheln, von deren Hydroiden sich in kurzer Zeit eine Menge kleiner Quallen ablöste. Die Medusenknospung war offenbar auf der Höhe. Auch jetzt, Anfang Oktober, habe ich noch einmal Nucula fischen lassen und an den Perigonimus einzelne Knospen gefunden. Leider habe ich mit dem Versuch, die kleinen Perigonimus- quallen aufzuziehen, nicht so viel Glück gehabt, wie mit denen von Stauridium. Ihre Ablösung und Entwicklung fiel in eine heißere Jahreszeit, ihre Ernährung war nicht recht zu regeln, da sie Copepoden verschmähten und schließlich konnte ich mich persönlich ihrer Pflege nur ganz vorübergehend widmen. Trotz dieser ungünstigen Verhält- nisse aber sind doch eine kleine Anzahl zu weiterer Entwicklung gelangt und eine von ihnen lebt noch heute in meinem Aquarium. Die Perigonimus-Aıt, die ich vorbehaltlich P. repens nenne, lässt sich folgendermaßen charakterisiren: Hydranthenstiele einzeln, in Zwischenräumen von einer dünnen, anastomosirenden Hydrorhiza entspringend, an der Basis etwas geringelt, aufgerichtet, unverzweigt, von einem subchitinösen, dieken Perisark umgeben, das zahl- reiche kleinste Fremdkörper enthält und hellrothbraun oder gelblich gefärbt ist, und sieh um den Hydranthen- kopf herum becherförmig erweitert. Totalhöhe der Hy- dranthen bis 3mm. Hydranthenkopf keulenförmig, bis auf die Tentakelenden zurückziehbar, weiß, mit meist 6-8 ziemlich langen Tentakeln. Medusenknospen von der Hy- drorhiza und von den Stämmen einzeln entspringend, ziem- lich lang gestielt (selten zwei Knospen an einem Hydran- thenstiel und dann in Abständen entspringend). Helgo- land auf Nucula nucleus (Taf. VIII, Fig. 5—7, 9, 12, 13). Es ist wahrscheinlich, dass die Art in ihrem Vorkommen nicht auf Nucula beschränkt ist, doch kann ich darüber Bestimmtes augen- blieklich nicht angeben. ’ Die Form weicht, wie aus der obigen Beschreibung hervorgeht, in einigen Punkten von der bei Hmcks! stehenden Diagnose ab. Während Hıncks die Größe der Hydranthen als 1/,—!/, inch angiebt, war !/; inch bei den meinigen das Maximalmaß. Die Medusen- 1.'TB. HIncKs,:l. e. p. 90: PEXA Bie 2 Die Polypen und Quallen von Stauridium producetum Wright ete. 159 knospen entspringen nach Hıncks nur an den Stämmen und haben sehr kurze Stiele. Bei den meinigen aber entspringen sie auch von der Hydrorhiza und ihre Stiele sind von ansehnlicher Länge. In letzteren beiden Punkten würde die Helgoländer Form mit P. mi- nutus Allm. harmoniren, die Hıncks übrigens auch für identisch mit P. repens hält. Die jungen Medusen, welche ich zog, stimmen mit den Abbil- dungen kleiner Perigonimus-Quallen bei Wricut!, Hincks? und Artman? darin nicht überein, dass sie sehr breite Radiärkanäle haben. Gerade diese Eigenthümlichkeit trägt aber wesentlich dazu bei, ihnen schon im jugendlichsten Alter ein Trara-artiges Aussehen zu geben. Ich habe Taf. VIII, Fig. 18 eine ganz junge Trara abgebildet, die ich am 9. Juli aus dem Auftrieb bekam. Sie hat im Vergleich zu den von mir gezogenen Exemplaren ein auffallend weites, kurzes Manubrium und besitzt einen Stielkanal. Übereinstimmend mit der von WRIGHT]. ce. beschriebenen jungen P. repens-Qualle hat sie keine Ocellen. Von den gezogenen Exemplaren habe ich kurz nach der Ablösung leider keine Skizze gemacht, wohl aber von einem fünf Tage alten. Von den kleinen Quallen auf diesem Stadium hatten manche einen spitzen, andere einen stumpfen Scheitelaufsatz. Die Radiärkanäle waren stets von bedeutender Breite. Bei einem Exem- plar war das zweite Tentakelpaar bereits stummelförmig vorhanden und zwar mit Ocellen an den Bulben, während dem ersten Tentakel- paar die Ocellen fehlten. An einigen war schon die Anlage inter- radialer Tentakel in Form ganz schwacher Verdickungen des Glockenrandes zu sehen. Die Exumbrella war überall dieht mit Nesselzellen bedeckt. Ein Stielkanal fehlte der untersuchten Zahl von Exemplaren. Die Pigmentirung des Magens und der Tentakel- bulben war dunkelbraun. Die Tentakel waren ganz wie es WRIGHT l. c. abgebildet hat, enorm ausdehnungsfähig. Das Schwimmen ge- schah sehr energisch und im Ziekzack. — Man bemerkt noch keine Spur von Gonadenbildung; auch die sog. Mesenterien sind noch nicht entwickelt und der vierlippige Mundrand noch nicht in Falten gelegt. Die Entwickelung meiner Tiaren machte, weil wahrscheinlich die richtige Nahrung fehlte, sehr langsame Fortschritte. Die Quallen ! T. STRETHILL WRIGHT, Observations on British Zoophytes. in: Proc. R. Phys. Soc. Edinburgh. Vol. I. 1854—1858. p. 450. Pl. XXII, Fig. 5. 2. 6. 160 Clemens Hartlaub, hielten sich vorwiegend am Grunde des Behälters auf, was wohl weniger ihre Eigenthümlichkeit, als ein Zeichen schlechten Befindens war. Erst nach fünf Wochen (am 23. August) war das zweite Tentakel- paar völlig ausgebildet, das dritte Paar in Form kleiner Stummel mit Ocellus vorhanden und das vierte, ganz winzig, ebenfalls ange- legt. Am 31. August fand ich bei einem Exemplar auch die adra- dialen Tentakel eben angedeutet. Dasselbe besaß ausnahmsweise einen feinen durchsichtigen Stielkanal, s. oben. Seine Glockenhöhe war 2'/; mm und die Glockenbreite 2 mm. Die Gonaden und die sog. Mesenterien waren noch nicht entwickelt, der Mundrand noch einfach. Wie ich an einem aus dem Auftrieb erhaltenen Exemplar erfuhr, beginnt die Gonadenbildung aber bald darauf. Das Exemplar zeigte die ersten Spuren davon. Von den Tentakeln waren aber nur die zwei ersten Paare ganz ausgebildet, die interradialen Paare kurz stummelförmig und die adradialen knopfförmig. Das jetzt noch lebende Exemplar von den am 17. Juli geborenen ist durch eine kleine Verletzung der Gallerte, die es vor einigen Wochen erhielt, wohl in seiner Entwicklung noch mehr gehemmt worden, als die anderen. Es hat sich aber offenbar ganz wieder erholt und befindet sich augenblicklich sehr wohl. Ich ernähre es mit kleinen Sagitten. Die Glockenhöhe beträgt 2:1, mm. Die Fär- bung des Magens und der Tentakelbulben ist bei auffallendem Licht gelblich weiß. Die Radiärkanäle sind sehr breit und haben eine etwas ausgezackte Kontour. Die vier radialen Tentakel sind voll- ständig entwickelt, die vier interradialen stummelförmig. Ocellen fehlen. Die Mundlippen sind noch einfach. Das Manubrium ist klein und zeigt keine Spur von Gonaden. Ich möchte zum Schluss noch erwähnen, dass METSCHNIKOFF! aus den Eiern von Tiara pileata einen Polypen züchtete. Derselbe entwickelte sich leider nicht weiter. METSCHNIKOFF hielt ihn für eine Clava verwandte Form. Aus welchem Grunde er das that, ist mir nicht klar. Der Abbildung nach zu urtheilen lässt er sich sehr gut auf Perigonimus beziehen. Die vorhandenen drei Tentakel liegen in gleicher Höhe um den Mund herum und haben die für Perigoni- mus charakteristische Vertheilung der Nesselzellen. Es sei auch noch darauf hingewiesen, dass es eine Perigonimus- Art giebt, die nicht wie unsere Species eine Tiara oder eine dieser i E. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Medusen. Wien 1866. Bra. Dat. Dis. Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright ete. 161 ähnliche Meduse knospt, sondern eine Qualle mit Mundgriffeln. Es ist das die von WEISMANN! beschriebene P. cıdaritis aus dem Golf von Neapel. Wie bei Stauridium und Cladonema hätten wir also auch bei Perigonimus den Fall vor uns, dass aufs nächste verwandte Hydroiden Medusen erzeugen, die nach dem HAEcKEr’schen System in verschiedenen Familien stehen. P. cidaritis ist daher auch gene- risch von Perigonimus abzusondern. Seine Meduse scheint eine Zwischenform von Margeliden und Tiariden zu sein. Helgoland, 18. Oktober 1895. Erklärung der Abbildungen. Tafel VII. (Alle Figuren beziehen sich auf Stauridium productum.) Fig. 1. Junger Polyp mit erster Tentakelanlage. Vergr. Fig. 2. Junger Polyp, die oralen Tentakel (5) weiter entwickelt. Fig. 3. Junger Polyp, der zweite Tentakelwirtel angelegt. Fig. 4 Junger Polyp, der zweite Tentakelwirtel vollständig entwickelt. Fig. 5. Ausgewachsener Hydranth mit einer Medusenknospe und zwei Tentakeln dicht unterhalb des oralen Wirtels. Fig. 6. Ausgewachsener Hydranth mit zwei Medusenknospen und unregel- mäßiger Tentakelstellung. Fig. 7. Ausgewachsener Hydranth mit zwei Medusenknospen an Stelle des vierten Wirtels geknöpfter Tentakel. Fig. 8 Ausgewachsener Hydranth mit einer Medusenknospe, mit vier- zähligen Wirteln und regelmäßiger Kreuzstellung. Fig. 9. Ausgewachsener Hydranth mit zwei Medusenknospen an Stelle des dritten Wirtels. Fig. 10. Polypenknospe, orale Ansicht mit gleichzeitiger Anlage. von fünf oralen Tentakeln. Fig. 11. Hydranth mit einer Medusenknospe; die ungeknöpften Tentakel sind erst angelegt. Fig. 12. Ein Stück der Hydrorhiza, stark vergrößert. Fig. 13. Hydranth mit zwei sechszähligen Wirteln geknöpfter Tentakel. Fig. 14. Hydranth mit vier Medusenknospen in Kreuzstellung an Stelle des dritten Wirtels. Fig. 15. Hydranth ohne Tentakel mit drei Mansenan gen am oralen Ende. Fig. 16. Hydranth mit vier Wirteln geknöpfter Tentakeln. Fig. 17. Rhizomstück, bei a junger Polyp mit Abzweigung eines jungen Stolons; bei 5 junger Stolon einen Hydranthen knospend. 1 A. WEISMANN, Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydromedusen. Jena 1883. p. 117. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 1 162 Clemens Hartlaub, Die Polypen u. Quallen v. Staur. prod. Wright ete. Fig. 18. Hydranth a der Fig. 17 einen Tag älter. Eine Medusenknospe und die ungeknöpften Tentakel angelegt. Fig. 19. Hydranth 5 der Fig. 17. Zwei Medusenknospen und die unge- knöpften Tentakel angelegt. Tafel VIII. Fig. 1. Junge Stauridiummeduse, gleich nach der Ablösung. Fig. 2. Etwas älteres Exemplar. Fig‘ 3. Vier Tage altes Exemplar. Fig. 4. Koloniestück von Stauridium productum. Ann. Vergr. Fig. 5. Hydranthenkopf von Perigonimus repens. Stark vergr. Fig. 6. Hydranth von Perigonimus repens mit Medusenknospe. Fig. 7. Kleiner Hydranth von Perigonimus repens. Kontrahirt. Fig. 8. Etwa sechs Tage alte Stauridiumqualle. Nat. Größe. Fig. 9. Perigonimus repens. Basis des Hydranthenstiels. Fig. 10. Perigonimus repens. Medusenknospe, ?, Tentakel. Fig. 11. Junge Tiara pileata, aus dem Auftrieb. Fig. 12. Nucula nucleus mit Perigonimus repens bewachsen. Fig. 13. Hydranth von Perigonimus repens. Kontrahirt. Fig. 14. Medusenknospe von Perigonimusrepens im optischen Längsschnitt. Fig. 15. Medusenknospe von Perigonimus repens. Schräg gesehen. £, Ten- takel; ps, Perisark. Fig. 16. Junge Tiara pileata. Fünf Tage alt, von Perigonimus gezogen. 22. Juli 1895. Fig. 17. Junge Tiara pileata. Fünf Wochen alt. Gezogen von Perigo- nimus. 23. August 1895. Fig. 18. Junge Tiara, am 9. Juli 1895 im Auftrieb gefangen. Tafel IX. Fig. 1. Stauridium produetum; eben abgelöste Meduse; nach Hıncks Il. e. 1868. Pl. RT, ie, Te. Fig. 2. Stauridium productum; ein Hydranth nach Hiıncks, ibid. Pl. XII, Kie. Fig. 3. Syncoryne gravata;tentakelloser knospentragender Hydranth; nach Hıncks, ibid. Pl. X, Fig. 1d. Fig. 4. Coryne cerberus; nach Gosse |. c. Pl. XIV, Fig. 5. Fig. 5. Sarsia turrieula; nach WRriGHT 1. ce. 1857. Pl. VIIL Fig. 6. Fig. 6. Stauridium-Medusen, ausgewachsen. Nat. Größe. Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Ascidien. Von Matts Fioderus in Upsala. Mit Tafel X. Einleitung. Es sind wohl nur wenige Fragen in der Zoologie Gegenstand so vieler verschiedenen und einander widersprechenden Deutungen gewesen wie die nach der Bildungsweise der verschiedenen Follikel- hüllen bei den Ascidien. Auch sagt v. DAvIDorr (87, p. 36)! in einer ersten Abhandlung über die obengenannte Sache: »In Bezug auf die Entstehung der Testa- und Follikelzellen der Ascidien sind alle nur denkbaren Ansichten vertreten, und es ist daher nicht mehr möglich, etwas absolut Neues darüber zu sagen. Die eigene Untersuchung hat hier nur zwischen dieser oder jener Ansicht zu entscheiden. . % D DE 214 M. Floderus, bei der Färbung stattgefunden hat, die zu dieser Verschiedenheit hat beitragen können, und dieser Fehler braucht nicht besonders groß zu sein, um sich merkbar zu machen, da man weiß, dass sowohl die Haupt- als die Nebennucleolen stark chromatisch sind und alle die afgewandten Farbstoffe in sich aufnehmen, obgleich sie für gewisse von ihnen eine stärkere Affinität zeigen. HErTwIe (92, p. 36 ff.) hebt auch mit Recht hervor: »Da indessen das Wesen des Färbungs- processes selbst uns noch wenig verständlich ist, ist es auf diesem Gebiet zur Zeit nicht möglich, durchgreifende Regeln über die Tingir- barkeit der beiden Kernsubstanzen aufzustellen. « Es lässt sich auch denken, dass die Nebennucleolen mit solchen Farbenreaktionen in der That ihrer Substanz nach eine nähere Ver- wandtschaft mit den eben so gefärbten Chromatinkörnchen des Kern- netzes zeigen und etwa lediglich größere oder verschmolzene der- gleichen sind, in so fern man nur aus der Übereinstimmung der Färbung einen solchen Schluss ziehen darf. Sonst muss ich im Allgemeinen für die Nebennucleolen einen Ursprung aus dem Hauptnucleolus annehmen, denn auch direkte Beobachtungen an sowohl lebendem als konservirtem Materiale spre- chen hierfür. So habe ich bei Corella parallelogramma (siehe Fig. 18, Taf. X) im Keimbläschen eines lebenden Eies eine knospenähnliche Ausbuchtung (Ar) am Nucleolus wahrgenommen, die an Größe un- sefähr zweien in der unmittelbaren Nachbarschaft des großen Nucleo- lus liegenden Nebennucleolen (Nr) entsprach; außerdem war in demselben Kern auch ein etwas kleinerer Nebennucleolus vorhanden. Auch in dem oben (p. 211) erwähnten Falle, wo sich 12 Neben- nucleolen in einem lebenden Keimbläschen von Corella fanden, zeigte der Hauptnucleolus an zwei verschiedenen Stellen knospenähnliche Ausbuchtungen. Eine wirkliche Abschnürung und Lostrennung dieser Knospen von dem großen Nucleolus habe ich jedoch nicht beob- achten können, allein man kann, wie schon früher hervorgehoben wurde, die Eier nur eine ganz kleine Weile, nachdem sie dem Mutterindividuum entnommen worden sind, am Leben erhalten, und es lässt sich ja wohl denken, dass in den beobachteten Fällen der genannte Process während dieser kurzen Zeit nicht hat vor sich sehen können, bevor die vitalen Erscheinungen aufhörten, denn es ist ja möglich, dass die Abschnürung nur ganz langsam verläuft. Auch an konservirtem Materiale habe ich mitunter und zwar vor- zugsweise bei der Gattung Ciona gefunden, dass der große Nueleolus Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Ascidien. 215 eine unregelmäßige Form hatte und mit knospenähnlichen Ausbuch- tungen versehen war (siehe Fig. 19, 20 u. 21, Taf. X). Es wäre zwar denkbar, dass man es in diesen Fällen mit amöbenartigen Veränderungen zu thun hätte, wie sie EIMER (75, p- 325 ff.) u. A. im Keimflecke der Fische und anderer Thiere kon- statirt haben, auf der anderen Seite aber liegen Beobachtungen auch von AUERBACH (91, p. 722), LEypDIe (88, p. 379) u. A. vor, welche darthun, dass bei einer Menge von Thieren neue Nucleolen in dieser Weise aus älteren entstehen können. Häufig trifft man Nebennueleo- len, die dieht neben dem großen Nucleolus liegen und auf der dem- selben zugewandten Seite etwas abgeplattet sind. Auch scheint mir von vorn herein die Annahme natürlicher zu sein, dass die Neben- nucleolen aus einem schon vorhandenen, ihnen ähnlichen Körper stammen, als dass sie im Kern neu gebildet würden. Die Lage der Nebennucleolen ist sehr wechselnd, indem sie alle möglichen Lagen einnehmen können, und zwar z. B. von einer dicht neben dem Nueleolus an bis zu einer unmittelbar innerhalb der Kern- membran, gegen welche sie bisweilen, wie ich an lebendem Mate- riale habe konstatiren können, abgeplattet sein können. Auf Schnitt- präparaten erscheinen sie nicht selten unmittelbar an der Kernmembran linsenförmig abgeplattet, was man wahrscheinlich der Einwirkung der Reagentien zuschreiben muss, denn gewöhnlich kommen diese Gebilde nur auf einzelnen Präparaten vor, und in lebenden Eiern habe ich so etwas niemals beobachtet. Die intravitellinen Körper. Allein nicht nur im Keimbläschen selbst findet man Chroma- tinkörper neben dem großen Nucleolus, sondern auch im Plasma des Eies beobachtet man häufig solche. Sie kommen aber nicht in allen Entwicklungsstadien des Eies vor. So z. B. habe ich sie niemals in den jüngsten, im Keimepithel eingeschlossenen Eiern angetroffen, welche schon von zerstreuten Follikelzellen umgeben sind. Sie sind auch nicht in den älteren Eiern vorhanden, wo die eigentliche Dotter- bildung stattgefunden hat. In einer Periode der Entwieklung der Eier, welche zwischen die zwei erwähnten Stadien fällt, ist es also, wo man, obgleich keineswegs konstant, ihr Vorhandensein im Proto- plasma des Eies nachweisen kann. Bei keiner anderen Art kommen sie so zahlreich vor wie bei Otona, wo sie während der oben angegebenen Periode in einer sehr 216 M. Floderus, sroßen Anzahl von Eiern zu finden sind. Bei den meisten übrigen sind sie ziemlich spärlich. Bei Clavelina lepadiformis ist es mir trotz eifrigen Suchens niemals gelungen, das Vorhandensein- solcher Körper im Dotter eben so wenig wie Nebennucleolen im Keimbläschen zu konstatiren. In dieser Hinsicht bestätigt sich also vAn BENEDEN et JuLin’s (87, p. 354) Angabe über Olavelina Rissoana: »on n’y« (dans le vitellus) »voit aucun element forme, aucun corpuscule chromophile« ete. Um so viel mehr überraschend kommt mir SEELIGER’s (82, p. 367) An- sabe über das Vorhandensein »einzelner gröberer Körnchen< im Dotter von C!. lepadiformis vor, welche nach ihm aus »Nucleus- körnehen« angrenzender Mesodermzellen oder vielleicht aus dem Keimbläschen des eigenen Eies stammen. Nach seinen Abbildungen derselben (82, Taf. I, Fig. 2 u. 3) zu urtheilen, scheinen sie viel- mehr mit den durch Hämatoxylin sich färbenden Protoplasmakörnern übereinzustimmen, die in einem frühen Stadium in der Eizelle ent- stehen (siehe oben p. 203). Eben so wenig habe ich diese Bildungen bei Corella parallelo- gramma finden können, allein ich will die Möglichkeit ihres Vorhanden- seins nicht bestreiten, denn theils wegen ihrer geringen Größe, theils wegen ihrer mit der des Protoplasmas nahe übereinstimmenden Fär- bung, können sie leicht der Aufmerksamkeit entgehen. Es verdient besonders betont zu werden, dass ich einmal in einem Ei von Styelopsis grossularia zwei solche Körper angetroffen habe. In seiner oben mehrmals eitirten Arbeit (93a) erwähnt JuLIN nirgends ihres Vorkommens bei dieser Form. Was ihre Anzahl im Übrigen betrifft, so kommen sie in den- jenigen Eiern, wo sie überhaupt zu finden sind, am häufigsten nur in der Einzahl vor (siehe Fig. 12 J.%, Taf. X). Namentlich bei Ciona wird jedoch diese Anzahl nicht selten überschritten, so dass man hier im Dotter recht oft deren zwei, drei oder noch mehr zerstreut oder näher an einander gerückt antrifft. Bei dieser Gattung erreichen sie auch ihre höchste Ausbildung und Größe. So können sie hier mitunter eine Länge erreichen, die dem Diameter des Keimbläschens nahekommt, zumeist aber sind sie dann ganz schmal. Der Form nach sind sie sonst sowohl bei Olona wie vor Allem bei den übrigen Formen gewöhnlich sphärisch und in der Größe sowie in dem Aussehen im Übrigen den Nebennueleo- ien ähnlich; bei der erstgenannten Gattung können sie aber fast alle möglichen Formen annehmen. So können sie z. B. ellipsoidisch Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 217. wurstähnlich mit oder ohne Einschnürungen an verschiedenen Stellen ihrer Länge, hufeisenförmig oder mitunter sogar fast ringförmig sein. Ohne allen Zweifel sind es diese intravitellinen Körper, die SABATIER (84, p. 432 ff., Pl. XXII u. XXIII) bei Clona intestinalis beschrieben und abgebildet hat und die seiner Ansicht nach Aus- Sangspunkte für die Bildung der Follikelzellen des Eies sind. Auch die helle Zone (SABATIER, 84, p. 433 ff.) um diese Körper finde ich oft, aber nicht immer (vgl. ROULE, 84, p. 162 ff... Auch SABATIER scheint dieselbe nicht immer angetroffen zu haben (vgl. 84, Pl. XXL, 2372312 Biiete.). Dagegen habe ich sogar mit den stärksten Vergrößerungen die radiären Strahlen der Zone, welche von der im Centrum liegenden Masse ausgehen würden, nicht nachweisen können. Ich möchte es indessen wie der eitirte Verfasser für höchst wahrscheinlich halten, dass die größeren, oft unregelmäßig geformten intravitellinen Körper durch eine Verschmelzung kleinerer entstehen, denn häufig findet man eine Menge kleiner Körper in der Nähe eines größeren oder mehrere gleich große dicht neben einander. Das entgegengesetzte Extrem, dass nämlich die kleinen Körper durch eine Fragmentirung der srößeren entständen, lässt sich freilich denken, es spricht aber, so viel ich finde, kein Grund dafür. Auch ist es offenbar, dass FoL bei Crona und anderen Formen diese Gebilde, welche von ihm gleichfalls als in Entstehung begriffene Follikelzellen gedeutet worden, vor sich gehabt hat. RouLE hat sie bei Orona ebenfalls gefunden und ihnen die Auf- gabe, sowohl Follikel- als Testazellen zu bilden, beigelegt. Es ist sehr erklärlich, dass eben diese Verfasser die betreffenden Bildungen aufgefunden haben. da sie ausschließlich oder doch vorzugsweise Ciona, wo diese Körper am zahlreichsten und am besten ausgebildet vorkommen, zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht haben. Pızon (93, p. 288 ff., Pl. IX, Fig. 89 u. 90 r) hat auch ihr Vor- handensein bei gewissen Botrylliden konstatirt, wo er dieselben als in Entwicklung begriffene Testazellen gedeutet hat. Andere Verfasser (etwa SEELIGER ausgenommen — siehe p. 216), welche sich mit der Ovogenese und der Bildung der Follikelzellen der Aseidien beschäftigt und zur Untersuchung vorzugsweise O’/avelina oder andere Formen, wo diese Körper entweder fehlen oder ganz spärlich sind, benutzt haben, scheinen dieselben nicht beobachtet zu haben. In den bei Weitem meisten Fällen haben die Körper ihre Lage 318 M. Floderus, unmittelbar neben dem Keimbläschen und schließen sich häufig, be- sonders bei Ckona, an die äußere Kernperipherie an, so dass sie sleichsam eine lokale Verdiekung auf der äußeren Seite der Kern- membran bilden. Mitunter stellen sie bei dieser Gattung eine Zone rings um den Kern dar, sind aber solchenfalls in eine Menge größerer oder kleinerer Körner vertheilt, die den eigentlichen, an derselben Stelle auftretenden Dotterkugeln sehr ähneln, allein sie unterschei- den sich von letzteren dadurch, dass sie nach der Behandlung mit FLENMING’s Gemisch sich gewöhnlich durch Gentianaviolett färben, während die Dotterkugeln bei dieser Form sich allen Farbstoffen gegenüber als fast unempfänglich erweisen. Sie können doch auch andere Lagen einnehmen, indem sie sich näher zur Peripherie des Eies als zur Kernmembran befinden oder sogar dicht innerhalb jener liegen, was jedoch seltener der Fall ist. In ihren Färbungsverhältnissen und übrigen Reaktionen zeigen die intravitellinen Körper eine ziemlich große Übereinstimmung mit den Nebennucleolen. So quoll bei Okona intestinalis nach Zusatz einer gesättigten Lösung von Magnesiumsulfat ein solcher Körper anfänglich, schien aber später gänzlich zu verschwinden oder sich aufzulösen. Bei Einfachfärbung mit verschiedenen Farbstoffen lassen sich diese Körper im Allgemeinen durch jeden einzelnen stark färben, bei Doppelfärbung aber verhalten sie sich gegen die verschiedenen Stoffe verschieden. Wie FLEMMING (89, p. 14) nachgewiesen hat, lassen sich dieselben bei Okiona canina durch Doppelfärbung mit Safranin-Gentiana violett darstellen. Eben so verhält es sich mit der so nahestehenden Ciona intestinalis. Bei Doppelfärbung mit Häma- toxylin-Eosin färben sie sich bei dieser Gattung durch Hämatoxylin blau. Ich will indessen darauf aufmerksam machen, dass man bei Otona recht oft und zwar besonders an der Dotterperipherie deutlich begrenzte, an Form und Größe variirende Körper antrifft, die von Safranin und Eosin bei den obenerwähnten Doppelfärbungen fast eben so intensiv wie der Hauptnucleolus des Keimbläschens gefärbt . werden. Bisweilen zeigt indessen auch der zunächst umgebende Theil des Dotters dieselbe Färbung. Dass eine Verwechselung mit dem Nu- cleolus der Follikelkerne oder den degenerirten Follikelkernen selbst in diesem Falle nicht stattgefunden hat, geht daraus hervor, dass die betreffenden Körper ihrer Größe nach sehr oft nicht nur die Kerne der Follikelzellen, sondern auch sogar das ganze Volumen dieser Zellen übertreffen. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass die er- Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 219 wähnten Bildungen eine besonders differenzirte Partie des Protoplas- mas selbst ausmachen, weil letzteres in den Stadien, wo dieselben vorkommen, eine entschiedene Neigung zu den blauen oder violetten Farbstoffen, Hämatoxylin und Gentianaviolett, zeigen. Aus diesem Grunde muss ich annehmen, dass auch diese letztbeschriebenen Bil- dungen eine Art intravitelliner Körper sind, allein ob sie ihrer Natur nach von den früher beschriebenen wesentlich verschieden sind, lasse ich dahin gestellt sein. Es ist ja möglich, dass die Chromatinkörper des Dotters gleich den Haupt- und Nebennucleolen des Keimbläschens etwa gewissen Modifikationen unterworfen sind, die sich auf diese Weise kund geben, denn dass eine Ungleichmäßigkeit bei der Färbung stattgefunden hätte, ist kaum möglich, da man diese zweierlei un- gleichgefärbten Körper nicht selten in einem und demselben Ei antrifft. Bei den meisten übrigen von mir untersuchten Formen finde ich die intravitellinen Körper mehr oder weniger stark eosinophil, wie z. B. bei Ascidiella venosa, wo sie sich durch Eosin sowie durch Safranin! bei Doppelfärbungen stark färben. Mitunter zeigen sie jedoch einige Neigung, das Hämatoxylin resp. Gentianaviolett in gleich hohem Grade in sich aufzunehmen, allein so stark ausgeprägte Far- bendifferenzen wie bei Crona habe ich zwischen den betreffenden Bildungen bei einer und derselben Art niemals angetroffen. Viel- leicht lassen sich diese Verschiedenheiten aus irgend einer Ungleich- mäßigkeit bei der Färbung erklären. Auch in diesem Falle muss man sich nothwendig wie betreffs der Nebennucleolen fragen, woher diese intravitellinen Körper stammen und welche Bedeutung ihnen zukommt, da sie nicht von Anfang an in den jungen Eiern vorhanden und auch nicht in den ältesten zu finden sind. Was die erstere Frage betrifft, sehe ich mich genöthigt, im Anschluss an RouLe (84, p. 162) anzunehmen, dass sie von Neben- nucleolen herrühren, die aus dem Kern des Eies in den Dotter hin- ausgewandert sind. Nicht nur wegen ihrer allgemeinen Übereinstim- mungen mit den Nebennucleolen, sondern auch auf Grund direkter ' Beobachtungen, die ich freilich nicht an lebendem, aber jedenfalls an vollkommen befriedigend konservirtem Materiale’ gemacht habe, muss ich sie auf einen solchen Ursprung zurückführen. 1 Bei einigen Arten, wo diese Körper spärlicher vorkommen, ist es mir nicht gelungen, ihr Vorhandensein an den wenigen mit FLEMMInG’s Gemisch behandelten Präparaten nachzuweisen, wesshalb ich selbstverständlich ihre Farbenreaktionen dem Safranin-Gentiana gegenüber nicht angeben kann; bei Hämatoxylin-Eosinfärbung zeigen sie sich als eosinophil. 320 M. Floderus, Pızon (93, p. 289) sagt von diesen Körpern bei den Botrylliden: _>»jai vu des corpuscules de chromatine a linterieur et ä& Vexte- rieur de la paroi nueleaire; mais malheureusement, il west pas demontre que ce sont la les positions successives d’un meme corpuscule chromatique; les stades intermediaires manquent pour formuler une telle conelusion»der Eikapsel<« (= Follikelepithelschicht) schon vor der Furchung abgelöst hat. Auch Ussow (75, p. 11) schließt sich vollständig an KowALeEvskr's Auf- fassungsweise an und betrachtet die Testazellen oder »die gelben Körperchen« lediglich als zu dem GraAr’schen Follikel gehörende Zellen, welche sich vor der Bildung des Chorions einreihig um die gewachsene Eizelle und inner- halb der Membrana granulosa, aus deren Epithelzellen sie stammen, geordnet haben. Für GIArD (81, p. 1350) haben »les cellules de la granulosa« (= Testa- zellen) bei Zithonephria eugyranda den Charakter von Wanderzellen, welche aus dem Follikel oder vielleicht aus irgend einem anderen Theile des Ovariums in den Dotter einwandern, wo sie sogar bis an das Keimbläschen herandringen können. — In zwei früheren Arbeiten (72a, p. 243 u. 72b, p. 665) hat er sich jedoch zu Gunsten der KuprrEr’schen Anschauungsweise betreffend die »freie« Bildung dieser Zellen ausgesprochen. Nach SEELIGER (82, p. 373 ff.) entstehen bei Clavelina die Testazellen auf dieselbe Weise wie — seiner Meinung nach — die Follikelzellen und zwar durch eine Einwanderung freier Mesodermzellen in das Ei, die ursprünglich vollständig außerhalb des Eies liegen. Entweder dringen diese amöbenartigen Mesodermzellen mitten durch die vorher gebildete, aber anfänglich locker zu- sammenhängende Follikelzellenlage in die peripherische, helle Schicht des Dot- ters hinein, oder sie drängen die Follikelzellen durch den Druck, welchen sie auf diese ausüben, in das Ei hinein und nehmen selbst deren früheren Platz ein. In beiden Fällen werden von den derart in das Ei eingewanderten Zellen die Testaelemente des Eies gebildet. VAN BENEDEN et JULın (87, p. 356) nehmen an, dass das ursprüngliche Follikelepithel auf einem gewissen Zeitpunkte sich in eine innere und eine äußere Schicht theilt, deren Zellen einander anfänglich in Form und Struktur gleich sind. Die innere Schicht bildet die Testazellen, welche in der Peri- pherie des Dotters liegen, niemals aber in sein Inneres hineindringen; sie vermehren sich, nehmen an Größe zu und werden halbsphärisch oder sogar kugelis. Zwischen der Testazellenschicht und der äußeren Hülle, welche jetzt das sekundäre Follikelepithel genannt wird, bildet sich eine strukturlose Mem- bran epithelialen Ursprungs. MAURICE (88, p. 465) behauptet betreffend Fragaroides aurantiacum, die Frage nach dem Ursprung der Testazellen nicht lösen zu können, hält jedoch die Ansicht KowALEVSKY’s für die am meisten plausible. — Wie oben (p. 231) erwähnt, haben er und SCHULGIN früher geglaubt, bei Amaroeeium proliferum ihren intraovulären Ursprung konstatiren zu können. MorGAN (90, p. 197) hat die Bildung der Testazellen bei verschiedenen Cynthia-, Ascidia-, Molgula-, Perophora-, Amaroecium- und Clavelina-Arten unter- sucht. Erst einige Zeit nach demjenigen Stadium, wo die Follikelzellen eine geschlossene Hülle um die Eizelle gebildet haben, entstehen die Testazeilen aus den Follikelzellen derart, dass an gewissen Stellen einzelne Zellen dieser Follikel- schicht nach innen gegen die Peripherie des Eies verschoben werden, wodurch sie natürlich innerhalb der übrigen zu liegen kommen; sie stehen aber Anfangs noch in direkter Verbindung mit der übrigen Follikelhülle. Nachher schnüren sie sich vollständig von letzterer ab und vermehren sich durch Theilung in der 234 M. Floderus, Peripherie des Dotters, welcher nun durch eine deutliche, strukturlose Mem- bran vom Follikelepithel abgetrennt wird (siehe oben p. 196). In seiner späteren Arbeit schließt sich JuLin (93a, p. 123) im Wesentlichen an die Ansicht an, welche früher (siehe p. 233) von ihm und van BENEDEN in dieser Frage ausgesprochen wurde. In einem gewissen Entwicklungsstadium theilen sich fast gleichzeitig die Zellen des primären Follikelepithels auf mito- tischem Wege. Nachdem die Produkte dieser Theilung wieder in Ruhe ge- kommen sind, ordnen sie sich auf eine regelmäßige Weise in zwei Schichten, und gleichzeitig erscheint zwischen ihnen eine dünne, strukturlose Eimembran (»membrane ovulaire anhyste<). Die Zellen der inneren Lage bilden die Testa- zellen, welche in die oberflächliche Schicht des Eikörpers eindringen, wo sie alsbald an Volumen zunehmen und eine besondere Textur bekommen. CAULLERY (94a, p. 600) hat sich ebenfalls für die Entstehung der Testa- zellen aus den Follikelzellen durch eine Mitose bei Distaplia rosea ausgesprochen. | SALENSKY (94, p. 441) endlich erklärt auch, dass die »Kalymmoeyten« (= Testazellen) bei Distaplia und Diplosoma ohne Zweifel aus den Follikelzellen stammen, allein er scheint keine näheren Untersuchungen über diese Frage gemacht zu haben. Bei Didemnum niveum entstehen diese Zellen nach seinen Untersuchungen (95, p. 492 ff.) aus den Follikelzellen in nächster Übereinstim- mung mit der von MoRGAN (siehe oben p. 233) angegebenen Weise. Eigene Beobachtungen. Die Bildung der Testazellen. Wie betreffend die Follikelzellen, muss ich mich auf Grund meiner Beobachtungen für einen extraovulären Ursprung auch der Testa- zellen! aussprechen und zwar ihre Abstammung aus den schon vorher gebildeten primären Follikelzellen annehmen, welche ja, wie wir ge- sehen haben, als besondere Zellen neben dem jungen Ei, also außer- halb desselben entstehen. Etwa um die Zeit, wo die eigentliche Dotterbildung eintritt, aber bald etwas vor diesem Zeitpunkte, bald etwas nach demselben fangen die Testazellen zuerst an, innerhalb der Follikelzellen in der Peri- pherie des Eidotters, allein immer vor der Bildung der äußeren Follikelschicht (siehe unten) zu erscheinen. Fig. 16, Taf. X stellt ein Ei von Styela rustica dar, wo die Testa- zellen eben in Bildung begriffen sind. An verschiedenen Stellen (7'z’) der Peripherie des Dotters sieht man Einbuchtungen von der Follikel- zellenschicht, jede einen Kern mit einer hellen Protoplasmahülle ein- 1 Ich behalte hier die ungeeignete Benennung »Testazellen« bei, weil dieser Name in der Litteratur eingebürgert ist und die betreffenden Gebilde also unter diesem Namen allgemein bekannt sind. Man könnte freilich den Namen »die innersten Follikelzellen< anwenden, da wir aber bereits vorher die »inneren Follikelzellen< haben, wäre vielleicht dadurch eine Verwechselung möglich. Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 235 schließend, welche mit den gleichgefärbten, um die peripherischen Follikelkerne befindlichen unmittelbar zusammenhängt. Es hält in diesem Falle schwer, deutliche Grenzen zwischen den Follikelzellen zu entdecken. Wir finden ferner, dass die bei dieser Form so großen Dotterkugeln sowie die Chorionmembran (CA), welche letztere sich auf der nach innen dem Dotter zugewandten Seite der erwähnten Ein- buchtungen der Follikelschicht fortsetzt, schon fertiggebildet sind. Es leuchtet ein, dass diese einwärts gegen den Dotter hin ver- schobenen und aus der Follikelzellenschicht stammenden Zellen nichts Anderes sind als die in Bildung begriffenen, mit den Follikelzellen noch zusammenhängenden Testazellen. Unten auf derselben Figur (bei 7z) befindet sich eine solche Zelle, welche durch eine Membran, die von den außerhalb liegenden Follikelzellen oder von den Testa- zellen selbst oder etwa von beiden Arten Zeilen gebildet sein muss, schon von ihrer Mutterzellenschicht abgetrennt ist. Diese Bildungs- weise der Testazellen entspricht also genau der von MoRGAN (90, p. 197 u. 200) für Cynthia partita und Olavelina sp. beschriebenen. Nahe übereinstimmende Verhältnisse bei der Bildung der Testa- zellen habe ich z. B. bei Cynthia echinata gefunden, wo die Chorion- membran bei dem ersten Auftreten der betreffenden Zellen ebenfalls vorhanden ist. Auch bei den übrigen Formen scheint das Verhältnis ein gleiches zu sein, allein es ist oft überaus schwer, die Anwesenheit einer Membran zu konstatiren und zwar wegen der intensiven Fär- bung des Protoplasmas, die von der der Membran nur unbedeutend abweicht. Bei Cynthia dagegen, wo die Dotterbildung schon einge- treten, obgleich sie auf diesem Zeitpunkt nicht so weit vorgeschritten wie bei Styela rustica ist, sticht wie bei letzterer die von Hämatoxylin sefärbte Membran recht scharf gegen die von Eosin schwach ge- färbten Dotterkugeln ab, Auch bei Ascidiella venosa habe ich solche in Bildung begriffenen Testazellen gesehen; die eigentliche Dotterbildung aber scheint hier nicht eingetreten zu sein. Was SABATIER, ROULE und Pızon veranlasst hat, einen intraovu- lären Ursprung der Testazellen anzunehmen, ist offenbar nichts Anderes als die im Dotter befindlichen Chromatinkörper, deren Anwesenheit ich auch, obgleich seltener, während der Periode, wo die Testazellen ent- stehen, habe nachweisen können, wie z. B. bei Clona (s. Fig. 12). KUPFFER’s, METSCHNIKOFF'sS und For’s Annahme einer »freien Kern- und Zellenbildung« bei der Entstehung der Testazellen muss auch in Folge der oben mitgetheilten Thatsachen verworfen werden. 236 M. Floderus, — »Die freie Zellenbildung kann nur auf negativem Wege bewiesen werden«, sagt HENLE (82, p. 421, Fußnote) mit Recht, und da nun positive Beweise für eine andere Bildungsweise der fraglichen Zellen- elemente vorliegen, muss die erwähnte Annahme ausgeschlossen werden. Die Umbildung der Testazellen. Es ist selbstverständlich, dass die Testazellen, da sie aus den Follikelzellen stammen, diesen wenigstens anfänglich in so hohem Grade ähnlich sehen, dass man, abgesehen von ihrer Lage, keine Ver- schiedenheiten zwischen ihnen entdecken kann. Bald genug aber schlagen sie verschiedene Entwieklungsrichtungen ein, indem die Follikelzellen die früher geschilderten Umwandlungsprocesse durch- laufen, während die Testazellen sehr oft binnen Kurzem einer Dege- neration entgegengehen. Bei Styela rustica nehmen die Testazellen des älteren Eies ein sehr charakteristisches Aussehen an (Fig. 26, Taf. X) und erscheinen als gut abgegrenzte Bildungen oder Zellen, in deren hellem Plasma außer einem deutlichen Kern mit einem oder mehreren Nucleolen auch eine Anzahl Körner enthalten sind, die sich ihrer Größe nach den Dotterkugeln des Eies nähern, im Gegensatze zu diesen aber sich von Hämatoxylin stark färben. An lebendem Materiale sind diese Körner hell und ziemlich stark lichtbrechend, während die umgebenden Dotter- kugeln, mit denen sie in Bezug auf ihre Liehtbrechung nahe über- einstimmen, schmutziggelb gefärbt sind. In etwas jüngeren Entwick- lungsstadien (siehe Fig. 15 7z, Taf. X) zeigen diese Körner eine noch größere Übereinstimmung mit den umgebenden Dotterkugeln, indem sie sich wie diese nunmehr durch Eosin, wenn auch etwas schwächer, färben. Mitunter finde ich in solchen Zellen vereinzelte Körner, die schon die blaue Farbe angenommen haben, während die übrigen noch die hellrothe beibehalten, und es ist offenbar, dass erstere aus letzteren durch irgend einen Umwandlungsprocess hervorgehen, der sich durch diese verschiedenen Färbungsverhältnisse kund giebt. Die eosinophilen Körner ihrerseits sind — allem Anschein nach — lediglich wahre Dotterkugeln, die aus dem umgebenden Dotter in die junge Testazelle sekundär eingewandert sind. Auf Fig. 16, Taf.X (bei 72) sieht man näm- lich Dotterkugeln, welche nahe an den Kern der von der Follikelschicht schon abgetrennten Testazelle, die nach der dem Dotter zugewandten Seite hin keine deutliche Begrenzung zeigt, herangedrungen sind. Bei den übrigen untersuchten Formen habe ich indessen in dem Protoplasma der Testazellen, welehes bei ihnen gewöhnlich aus einer Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 337 erößeren oder kleineren hellen, um den Kern liegenden Zone besteht, nichts dergleichen gefunden. Nur bei Corella parallelogramma habe ich Testazellen angetroffen, die in einem gewissen Stadium ein wenig an jene von Siyela rustica erinnern. Innerhalb der Follikelzellen- schicht findet man nämlich in etwas älteren Eiern (Fig. 14, Taf. X) in der peripherischen Schicht des Dotters eigenthümliche, radähnliche Bildungen (7z), welche als Testazellen zu deuten sind. In ihrem Cen- trum oder zuweilen nahe an der Peripherie befindet sich ein mehr oder weniger deutlicher Kern!, von welchem radiär verlaufende Proto- plasmastrahlen gegen die Peripherie ausgehen, so dass das Ganze das Aussehen eines Rades mit dessen Speichen bekommt. Nicht immer ist der Umkreis ein völlig ebener, sondern weist häufig an den- jenigen Stellen, wo die Protoplasmastrahlen die Peripherie erreichen, schwache Einbuchtungen auf. Die zwischen diesen Plasmasträngen liegenden Partien sind hell und gewöhnlich ungefärbt und scheinen mit einem flüssigen Inhalt erfüllt, an fixirtem Material aber hat sich oft dieser Inhalt von den Wänden zurückgezogen und eine freie Masse, die bei Eosinfärbung einen schwach rosigen Anflug bekommt, hat sich im Innern gebildet. Die ganze Testazelle bekommt dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit der von Styela rustica in demjenigen Stadium, wo die eosinophilen Körner in deren Plasma erschienen sind. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass diese eosinophilen Partien von Co- rella wahre Dotterkugeln sind, denn sowohl in Größe als in Aussehen und Färbung weichen sie von diesen Dotterelementen wenigstens bei der vorliegenden Form recht erheblich ab. An frischem Materiale haben diese Bildungen das Aussehen mit Flüssigkeit erfüllter Bläschen, die sich nach einwärts gegen das Centrum hin, wo der Kern gelegen ist, verjüngen. In radiärer Richtung sind sie durch die feinkörnigen Plasmastränge von einander getrennt. | Diese Gebilde zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit den von SABATIER (84, p. 454 ff., PI.XXIH, Fig. 40—43) beschriebenen und ab- gebildeten Testazellen der Synascidie Diazona, in denen das Proto- plasma strahlförmig oder mehr netzförmig vertheilt ist, wodurch die Zellen schließlich ein »schaumiges« Aussehen bekommen, als wären sie aus zahlreichen Bläschen zusammengesetzt. In diesem Stadium haben sie nach dem Verfasser eine große Ähnlichkeit mit den Follikelzellen 1 Dass die Kerne auf den Schnitten nicht immer in jeder Testazelle sicht- bar sind, erklärt sich leicht dadurch, dass jede der Testazellen wegen ihrer Größe auf mehrere Schnitte vertheilt worden ist, der unbedeutende Kern aber nur einem oder zwei Schnitten zukommt. 338 M. Floderus, von Ciona, was jedoch bei den Testazellen von Corella keineswegs der Fall ist. Auch zeigen letztere eine sehr nahe Übereinstimmung mit den von v. DAvıDorr (89, Taf. V, Fig. 14) bei Distaplia magnilarva abgebildeten Testazellen oder » Abortiveiern«, wie er dieselben nennt, sowie mit den »Kalymmocyten« SALENSKY’s (92, Taf. XIV, Fig. 2 a). Wie aus der Fig. 14 ersichtlich, stellen die Testazellen bei Co- rella keine zusammenhängende Schicht innerhalb der Follikelhülle dar, sondern liegen mit ziemlich großen Zwischenräumen in der "Außenschicht des Dotters zerstreut. Eben so verhält es sich mit den zu der Familie Oynthiidae gehörenden Formen, z. B. Styela rustica, Polycarpa pomaria und Cynthia echinata. Bei der nahestehenden Styelopsis grossularia sind sie näher an einander gerückt, so dass einzelne Zellen bisweilen zusammenstoßen, eine vollständig ge- schlossene Schicht kommt jedoch nicht zu Stande. Eine fast gleiche Anordnung findet sich bei Clavelina, sowie innerhalb der Familie Ascidüdae bei Ascidiella venosa und Ascidia mentula. Bei der Gattung Crona wie bei Ascidiella patula dagegen bilden die Testazellen anfänglich eine einfache, zusammenhängende Schicht innerhalb des Chorions, in einem älteren Stadium vereinigen sich eine Anzahl benachbarter Zellen zu mehr oder weniger deutlich von einander abgegrenzten Gruppen (siehe Fig. 17 Tzgr, Taf. X), welche mit ihrer inneren, zumeist halbsphärischen Begrenzung gegen den Dotter hineinragen, während sie nach außen durch das Chorion be- grenzt werden. Jede solche Halbsphäre besteht aus einer hellen, wie es scheint, flüssigen Substanz, welche aller Wahrscheinlichkeit nach nichts Anderes ist als die zusammengeflossenen Protoplasma- massen der früheren einschichtigen Testazellenschicht, welche auch dasselbe Aussehen haben. In dieser Substanz befinden sich nun eine Menge rundlicher, bläschenähnlicher Körper, in welchen man mit- unter schwach ehromatische Körner antrifft; meistens aber verhalten sich die Körner gegen die Farbstoffe fast achromatisch. Ich muss diese Gebilde als die mehr oder weniger umgewandelten Kerne der Testazellen deuten. In lebendem Zustande haben sie ein gelb- grünes Aussehen, und diese Körper müssen es sein, welche KowA- LEVSKY und Ganın veranlasst haben, die Testazellenschicht von Oriona mit dem Namen »die gelben Zellen« resp. »die grüne Schicht« zu bezeichnen. Muthmaßlich ist es auch ihr Aussehen körnerähn- licher, in der hellen Grundsubstanz liegender Körper, das auch SABATIER veranlasst hat, dem ganzen Gebilde die Benennung »les cellules granuleuses« oder »les globules granuleux« zu geben, indem Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 339 er, wie es scheint, die ganze Grnppe von Zellen als eine einzige Zelle mit zahlreichen Körnern betrachtet hat. Bei der völligen Reife der Eier, nachdem sie in den Eileiter ge- fallen sind, persistiren diese Zellenhäufchen nieht mehr als solche, sondern ordnen sich von Neuem zu einer einschichtigen oder stellenweise mehrschichtigen Hülle um den äußeren, abgerundeten Umriss des Dot- ters, ohne in denselben hineinzuragen. Diese Schicht ist die »couche selatineuse« oder »masse subgelatineuse« von MILNE-EDwArRDs (42, p- 252 u. 241) und anderen Verfassern, die »glashelle Schicht« von KRroHn (52, p. 313), die »Gallertschicht« von KowALEvsKY (66, p. 2). Durch Aufnahme von Wasser besitzt nämlich diese Hülle die Eigenschaft, in ansehnlichem Grade gallertartig anzuschwellen, wodurch die außer- halb liegende Chorionmembran vom Dotter weit entfernt wird. Die in der fraglichen Hülle eingeschlossenen »gelben« oder »grünen Körper« sind also lediglich die degenerirten Kerne der Testazellen, während _ die Gallertsubstanz aus dem Protoplasma derselben Zellen besteht. Eine hyaline »membrane du testa«, wie sie nach der Beschrei- bung CHAgry’s (87, p. 188 u. 191 ff.) die Außenseite der Testazellen- . schicht überkleidet, habe ich ausschließlich des Chorions, das ja diese Struktur besitzt und diese Lage einnimmt, nicht finden können. Wie schon erwähnt ist, sind die Testazellen und zwar besonders ihre Kerne sehr oft einer Degeneration ausgesetzt, die durch eine Art von Chromatolyse bewirkt wird. Wie bei der Degeneration der Follikelzellenkerne verschwindet auch hier die Kernmembran, und die Chromatinsubstanz bildet sich in einen homogenen, stark fär- bungsfähigen Körper um oder theilt sich gewöhnlich in eine Anzahl Körner! (siehe Fig. 27, Taf. X), die bei Doppelfärbung mit Safranin- Gentianaviolett von letzterem lebhaft gefärbt werden, bei Färbung mit Hämatoxylin-Eosin aber den rothen Farbstoff begieriger in sich aufnehmen. Bei den Testazellen von Crona finde ich solche Dege- nerationsprocesse nur ausnahmsweise. Im Allgemeinen zeichnen sich die älteren Testazellen hier durch ihre auffallende Abgeneigtheit, Farbstoffe in sich aufzunehmen, aus. Diese letztere Eigenschaft ist es wahrscheinlich, die verursacht hat, dass einige Verfasser, wie FoL, METSCHNIKOFF u. A., in diesem Stadium keine deutlichen Kerne bei ihnen gefunden und ihnen aus diesem Grunde den Werth von Zellen abgesprochen haben. Auf einer früheren Entwicklungsstufe aber findet man in diesen Zellen typische Kerne mit stark gefärbten Nucleolen. 1 Vielleicht haben auch diese Körner zu der den Testazellen beigelegten Benennung »körnige Körper« beigetragen. 240 M. Floderus, Die Wanderung der Testazellen. Wenn die Testazellen auch, wie wir gesehen haben, einen extra- ovulären Ursprung, aus den Follikelzellen haben und in der peri- pherischen Schicht des Dotters liegen, so fehlt ihnen doch keineswegs die Fähigkeit, sich mitunter von dort zu entfernen. In älteren Eiern findet man sie nicht selten in den Dotter eingesenkt und von dem- selben vollständig umgeben, ja, mitunter können sie sogar bis an das Keimbläschen vordringen, wie es schon GIARD (81, p. 1351) bei Lithonephria eugyranda nachgewiesen hat und ich bei einem Theil der untersuchten Formen habe konstatiren können, wie z. B. bei Ciona intestinalis, Ascidiella venosa, A. patula, Cynthia echinata, Styela rustica und Corella parallelogramma (siehe Fig. 14 E.tz, Taf. X). Auch METSCHNIKOFF beschreibt die Testazellen als eine amöboide Bewegung besitzend (siehe oben p. 230). Amöboide Fortsätze habe ich jedoch bei diesen eingewanderten Zellen nicht nachweisen können. SALENSKY (95, p. 493) beschreibt indessen solche pseudopodienartigen Fortsätze in den späteren Stadien ’der Bildung der Testazellen bei Didemnum niveum, welche als Anheftungsorgane das Eindringen der Follikelzellen in den Dotter bewerkstelligen. Es liegst die Vermuthung ziemlich nahe, dass es etwa diese gegen das Keimbläschen eingewanderten Zellen sind, welche v. DAvI- DOFF zu der Annahme einer Knospung von dem Keimbläschen her und einer Auswanderung in ganz entgegengesetzter Richtung behufs der Bildung der Testazellen veranlasst haben!. Dass aber in dem vorliegenden Falle von in Bildung begriffenen Testazellen nicht die Rede sein kann, geht deutlich daraus hervor, dass die eingewander- ten Zellen sehr oft in Degeneration begriffen sind, was wohl bei ihrer ersten Bildung nicht der Fall sein kann. Übrigens erscheinen sie oft in älteren Eiern, wo die Bildung der Testazellen schon zu Ende ist und diese Elemente ihre charakteristische Struktur und Anordnung schon angenommen haben. CAULLERY (94a, p. 600), der die Bildung der Testazellen bei einer anderen Distaplia (rosea) von Neuem untersucht hat, hat keine Bestätigung der Angaben von v. DAvIDorF gefunden. ı Zu dieser Auffassung haben vielleicht auch die oben (p. 230) erwähnten, scharf abgegrenzten Vacuolen des Plasmas beigetragen, welche bisweilen un- mittelbar neben dem Keimbläschen liegen, das dann oft eine Ausbuchtung nach der Vacuole zu zeigt! Er beschreibt ja auch die jungen, vom Keimbläschen stammenden Knospen als, wenigstens Anfangs, ganz achromatisch. Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 341 In den reifen Eiern habe ich niemals solche eingewanderten Zellen angetroffen, welche also vorher ausgestoßen sein müssen. Auch in einem anderen Falle scheint es nothwendig, eine Wan- derung der Testazellen anzunehmen, und zwar da, wo zwei Eier innerhalb einer gemeinsamen Follikelhülle (siehe p. 191) einge- . schlossen sind, wobei die gegen einander gekehrten Innenseiten der Eier keine Hülle aus eigentlichen Follikelzellen, sondern nur aus Testazellen (siehe Fig. 9, Taf. X) besitzen. Da diese letzteren Zellen in Übereinstimmung mit der Bildungsweise, die für die Testazellen oben beschrieben worden ist, nieht an Ort und Stelle entstanden sein können, finde ich keine andere Erklärung ihres Vorhandenseins an dieser Stelle als die Annahme, dass sie von denjenigen Punkten des Follikelepithels, wo sie zuerst entstanden, dahin gewandert sind. Die Bedeutung der Testazellen. Was die Frage nach der Bedeutung der Testazellen anlangt, bin ich nicht in der Lage gewesen, eigene Beobachtungen über diese Sache zu machen, ich will jedoch hier die wichtigsten, darüber aus- gesprochenen Ansichten in Kürze zusammenstellen. MILNE-EDWARDS (42, p. 252) ist der Erste, der die Meinung aus- gesprochen hat, dass (bei Amaroecium proliferum) »la couche gela- tineuse« (= Testazellenschicht) »la couche tegumentaire« (= Mantel) erzeugen sollte. Dieser Meinung sind mehrere spätere Verfasser bei- getreten, so z. B. KroHx (52, p. 313), KOWALEVSKY in seinen früheren Arbeiten (z. B. 66, p. ? ft.), KuPFFer (70, p. 149), Ussow (75, p. 11 ff.) u. A. Diese Verfasser meinen also, dass bei den Ascidien die eigent- liche Cellulose- oder Tunieinsubstanz aus der »Gallertmasse« stammt, während die Zellen des Mantels aus den ursprünglichen Testazellen abstammen. Diese Auffassung ist es selbstverständlich, welche für die betreffenden Zellen die Namen »Testazellen« (KuUPFFER) und »Tunicaelemente« (METSCHNIKOFF), entsprechend der Benennung »Testa« oder »Tunica« für den Ascidienmantel, veranlasst hat. Diese Theorie litt indessen einen großen Abbruch durch ©. HERT- wıg’s epochemachende Untersuchung (73) über den Bau und die Entwicklung des Cellulose-Mantels der Aseidien, wodurch er zum ersten Male nachwies, dass der Mantel der Tunicaten von der Natur einer epithelialen Cuticula ist, in welche Epidermiszellen einwandern, um sich dann zu den eigenthümlichen, eigentlichen Mantelzellen um- zuwandeln. Obgleich durch neuere Untersuchungen von KowA- LEVSKY (93, p. 3 ff.), JULIN (92, p. 258 ff.) u. A. diese Auffassung von 242 M. Floderus, der Herkunft und der Zusammensetzung des Mantels etwas modifieirt worden ist, hat sie sich doch in der Hauptsache als richtig erwiesen, indem der Mantel auch nach dem Befunde dieser Verfasser aus einer Cutieulabildung besteht, in welche nur Zellen mesenchymatischen Ursprungs oder sammt ektodermalen Zellen eingewandert sind. Indessen hat die von MILNE-EDWARDS aufgestellte Theorie über die Funktion der Testazellen in der. letzten Zeit einen eifrigen Vertheidiger in SALENSKY gefunden, der (92, p. 110 ff., 94, p. 441 u. 95, p. 619 ff.) nach- zuweisen versucht hat, dass bei Distaplia, Diplosoma und Didemnum der Mantel allein oder zusammen mit ektodermalen und mesenchyma- tischen Zellen von den »Kalymmocyten« (= Testazellen) gebildet wird. CAULLERY (94a, p. 600) hat jedoch bei seiner Untersuchung über Distaplia rosea diese Theorie von der Betheiligung der Testazellen an der Bildung des Mantels nicht bestätigt gefunden. — Auch mir kommt es höchst unwahrscheinlich vor, dass Zellen, die ursprünglich außerhalb des Eies gebildet — was SALENSKY auch selbst annimmt —, und also nicht bei dessen Furchung entstanden sind, sich an dem Aufbau eines persistirenden Organs bei dem ausgewachsenen Thiere betheiligen. Es wäre dies jedenfalls ein, so viel ich weiß, innerhalb des Thierreiches alleinstehendes Verhältnis. For (83b, p. 148 ff.) bestreitet freilich, dass »les corpuscules granuleux« und »la couche de gelee« sich an der Bildung des Mantels der völlig ausgewachsenen Tunicaten betheiligen, er meint aber, dass die Testazellen bei den Vorfahren der heutigen Tunicaten eine be- deutende Rolle als ein äußeres Schutzorgan gespielt haben, nunmehr aber lediglich als eine provisorische, larvale Schutzhülle (»testa lar- vaire«) dienen, die nur bei der Gattung Dobolum eine gewisse Dauer und Bedeutung besitzt, bei anderen aber bei der Ausbildung des eigentlichen Mantels zu Grunde geht. SEMPER (75, p. 11) will die Testazellen mit Polkörperehen homo- logisiren, allein wie For (S3b, p. 154) und v. Davıporr (89, p. 139 ff.) nachgewiesen haben und wie ein Jeder, der die verschiedene Ent- stehung dieser beiden Bildungen bedenkt, unschwer einsehen kann, diese Meinung muss man unbedingt verwerfen. Gestützt auf seine eigenen Beobachtungen über die Bildung der Testazellen und sie der Ovogenese bei den Appendicularien gegenüberstellend, hat v. DavIporr (89, p. 145 ff.) die Ansicht aus- gesprochen, dass die Testazellen der Ascidien abortive Eier sind, während das bei diesen Thieren bisher als Ei bezeichnete Gebilde »kein eigentliches Ei, sondern nur ein Ooblast« ist, der erst seiner- m. Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 243 seits Eier erzeugt, welche indessen nur bei den Appendicularien als solche fungiren; bei den Aseidien entwickelt sich in jedem Follikel nur ein einziges Ei, alle übrigen Eier aber werden abortiv und bilden die Testazellen. — Allein da wir jetzt die wirkliche Bildungsweise der Testazellen kennen, so besitzt diese Hypothese keine Berechtigung mehr, wesshalb wir sie verwerfen müssen. Derselbe Verfasser hat indessen gefunden, dass in den späteren Furchungsstadien des Eies manche dieser »Abortiveier« oder Testa- zellen von den großen Entoblastzellen gefressen werden, denen sie folglich als Nahrung dienen. Man hätte es also hier mit derselben Erscheinung zu thun, welche TopAro (82, p. 4), BRooKS (93, p. 93) und HEIDER (93, p. 238) bei den Salpen an den Follikelzellen ge- funden haben, die zwischen die Blastomeren eindringen, von wel- chen sie nachher in Menge aufgenommen und assimilirt werden. Wenn diese Beobachtungen richtig sind, was sich kaum bezweifeln lässt, so wird durch dieselben einiges Licht über die uns noch dunkle Bedeutung der Testazellen verbreitet. — Auch kann man aus diesem Grunde den Zweck der Einwanderung der Dotterelemente in die Testazellen von Styela rustica (siehe p. 236) leichter verstehen. Bei drei zur Familie Aplidideae gehörenden Synascidien, näm- lich Fragarium areolatum, Circinalium concrescens und Amaroecium roseum, bei denen sich der Embryo im Körper des Mutterthieres ent- wickelt, hat SALENskY (92, p. 118 ff.) zwischen dem Fötus und der Mutter eine wirkliche Placenta gefunden, die aus einem maternalen, von der Wand der Kloake gebildeten Theil und aus einem fötalen bestand, der dem Verfasser zufolge aus umgewandelten Follikelzellen und »Kalymmocyten« (= Testazellen) stammen würde. Es ist klar, dass, wenn diese bei den betreffenden Formen gemachten Funde auch richtig sind, sie sich doch nicht auf die meisten übrigen As- eidien anwenden lassen, bei denen die Eier sich entweder im Freien oder, wie es bei Distaplia und Clavelina der Fall ist, im Mutterthier entwickeln, ohne jedoch durch eine besondere Placentabildung mit der Mutter näher vereinigt zu sein, ein Verhältnis, auf welches auch SALENSKY (92, p. 116) selbst hingewiesen hat. - Maurice (88, p. 465), Pızon (93, p. 305 ff.) und andere Verfasser, welche sich mit diesen eigenthümlichen Zellen beschäftigt haben, sprechen denselben fast alle Bedeutung ab, indem sie nach ihnen weder bei der Bildung des Mantels noch bei dem Aufbau des Thieres im Übrigen eine Rolle spielen. Nach der Befruchtung des Eies und während der ersten Entwicklung des Embryos sammeln sie sich an Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. kl IA4 M. Floderus, passenden Stellen, wie z. B. um den Schwanz und an anderen Punkten, wo sie den größten Raum finden und wo sie also einem möglichst geringen Druck ausgesetzt sind; sie befinden sich also zwischen dem Ektoderm und der inneren Follikelhülle Bei der Bildung des Mantels außerhalb des Ektoderms werden sie von dem letzteren noch näher an die Follikelschicht gepresst und schließlich zugleich mit dieser als ein unnützes Organ abgestoben. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Testazellen eine Art von rudimentären Bildungen sind, welche nunmehr eine unbedeutende Rolle spielen, allein einstweilen dürfte man die Frage nach ihrer eigentlichen Funktion und ihrer richtigen Deutung gewissermaßen .als : eine offene bezeichnen können. Das äulsere Follikelepithel. Geschichtliche Übersicht. Zuletzt will ich die sog. äußere Follikelhülle, »l’&pithelium folliculeux externe« (JuLin), mit einigen Worten erwähnen. Diese Hülle ist zuerst von FoL (83b, p. 98) unter dem Namen »l’enveloppe follieulaire« oder »la couche follieulaire mem- braniforme« beschrieben worden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass schon KUPFFER (70, Taf. VIII, Fig. 2 u. 3) und KowArevsky (11, Taf. X, Fig. 4) diese Schicht beobachtet haben, obgleich sie dieselbe als eine strukturlose Membran ohne Kerne abgebildet haben. FoL gebührt indessen das Verdienst, den cellulären Charakter der fraglichen Schicht zuerst nachgewiesen zu haben. Wie betreffs der inneren Follikelhülle (»!a couche papillaire ou spumeuse«) meint er, dass wahrscheinlich auch diese äußere Schicht vom Ei selbst auf endogenem Wege gebildet worden ist und dass sie nur in Bezug auf die Zeit ihres Auftretens und ihr allgemeines Aussehen von jener verschieden ist. Die Zellen dieser Hülle wären seiner Meinung nach nur die zuerst gebildeten Follikelzellen, welche durch die später entstandenen und mächtiger ausgebildeten Zelien der »couche spumeuse« ver- drängt und abgeplattet worden seien. Übrigens hat er diese Schicht nur bei Ciona intestinalis beobachtet. Nach RoULE 84, p. 165, Fußnote der p. 164) ist diese von FOL beschrie- bene Hülle lediglich die ursprüngliche Dottermembran, außer- oder innerhalb welcher sich an verschiedenen Stellen Zellen angehäuft haben, die aus Blut- körperchen oder seltener aus Furchungszellen des Eies bestehen. VAN BENEDEN et JULIN (87, p. 358 u. 369) sowie JULIN (93a, p. 126) haben dargethan, dass diese äußere Follikelhülle bei Clavelina und Styelopsis zu einer Zeit entsteht, wo das Ei seiner Reife nahe ist, und zwar durch eine Spaltung der sekun- dären ! Follikelhülle in zwei Schichten, eine innere und eine mehr peripherische, von denen die letztere gerade das fragliche äußere Follikelepithel ausmacht. Auch Pızox (93, p. 281 ff.) beschreibt bei den Botrylliden eine solche mito- ! So genannt, weil sie aus der primären durch eine Theilung derselben in eine innere, die Testazellenschicht, und eine äußere, die gerade das sekun- däre Follikelepithel bildet, entstanden ist. h 260 Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Ascidien. 245 tisch verlaufende Spaltung des »follicule primitif« in eine äußere und eine innere Sehicht, die von ihm mit den Namen »follicule externe« und »follieule in- terne bezeichnet werden und die offenbar den beiden Follikelschichten der einfachen Ascidien entsprechen, deren Vorhandensein der Verfasser nicht zu kennen scheint (vg!. 93, p. 283). Bei den Botrylliden haben jedoch die Zellen der äußeren Schicht im Gegensatze zu jenen der einfachen Aseidien eine mehr kubische Form, während die der inneren mehr abgeplattet sind, wenn auch nicht so sehr wie in der äußeren Follikelhülle der einfachen Aseidien. MOoRGAN (90, p. 198 u. 201) endlich, der ebenfalls diese Schicht beobachtet hat, hält es für wahrscheinlich, dass sie aus Zellen des Ovarialstromas stammt, welche sich sekundär an die vorher gebildete Follikelhülle gelegt. Mehrere andere Verfasser, welche die Bildung der Follikelzellen bei den Aseidien untersucht haben, z. B. MAurıcz (88, p. 465), SALENSKY (95, p. 498) u. A., haben die betreffende Hülle nicht beobachtet oder thun wenigstens keine Erwähnung von derselben bei den Beschreibungen der Hüllen. Eigene Beobachtungen. Es ist mir gelungen, diese Zellenschicht bei einem großen Theile der untersuchten Formen, wie z. B. bei Clona, COlavelina, Styela rustica, Corella parallelogramma u. A. nachzuweisen. So findet man recht oft die Follikelkerne älterer Eier von Styela rustica (siehe Fig. 28, Taf. X) zwischen dem Chorion und der äußeren strukturlosen Follikelmembran alternirend angeordnet, indem jeder zweite (7.f), mehr abgerundet, der ersteren Membran näher liegt — falls er nicht die ganze Breite zwischen den beiden Membranen einnimmt — und die dazwischen liegenden (A.f), mehr ovalen und stärker abgeplatteten Kerne dicht an die äußere Membran gedrückt sind. Auf dem Schnitte ist dieses Verhalten nur in einem Theile oder an vereinzelten Stellen der Follikelhülle ausgeprägt, was jedoch leieht daraus erklärt wird, dass zwei benachbarte, alternirende Kerne oft auf zwei oder mehrere Schnitte vertheilt worden sind. Eine deutliche Membran zwischen diesen beiden Zellenschichten existirt jedoch in diesem Stadium nicht. Bei Ciona intestinalis habe ich diese äußere Follikelhülle außer an konservirtem Materiale (siehe Fig. 13 A.f, Taf. X und Fig. 17 A.f, Taf. X) auch an frischem beobachtet. Betrachtet man ein älteres Ovarialei — nicht ein reifes Ei aus dem Eileiter — von der Ober- fläche, so erscheint am häufigsten an denjenigen Punkten, wo drei der gewöhnlich, wenn von oben gesehen, sechsseitigen, inneren _Follikelzellen zusammenstoßen, ein lichtbrechender, abgerundeter Kör- per, der in seinem Aussehen den degenerirten Kernen der inneren Follikelzellen sehr ähnlich, aber gewöhnlich etwas kleiner als diese ist. Von der Seite gesehen zeigt sich das erwähnte Gebilde entweder 17* J46 M. Floderus, als ein mehr abgerundeter Körper, der den Raum zwischen den etwas abgerundeten Enden der angrenzenden Follikelzellen ausfüllt, oder in Form einer linsenförmigen Anschwellung, die, wie es scheint, nach beiden Richtungen hin unmittelbar in die äußere strukturlose Follikel- membran übergeht. Diese Körper bilden in der That die Kerne der äußeren Follikelschicht. Auf Fig. 13 und Fig. 17 sieht man die be- treffenden Kerne (A.f) als mehr oder weniger stark lichtbrechende Körper, welche zwischen den oberen Enden zweier benachbarter Follikel- zellen liegen und zwar da, wo sich ihre Membranen getrennt haben. Bei Styela rustica stimmten die Kerne in dem oben beschriebenen, frühen Stadium, abgesehen von ihrer Form, mit jenen der inneren Zellen nahe überein, bei Cior« aber sind sie in dem abgebildeten und beschriebenen Entwicklungsstadium bereits degenerirt und ähneln den in derselben Weise umgewandelten inneren Follikelzellkernen siehe p. 199). Eine besondere Kernstruktur lässt sich bei ihnen nunmehr nicht wahrnehmen, und der ganze Inhalt färbt sich gleich- mäßiger und homogener. Wahrscheinlich ist, dass diese Zellen in der von vaN BENEDEN und JULIN angegebenen Weise durch eine mitotische Theilung der sekundären Follikelhülle entstehen. Ich habe zwar auf dem Zeit- punkte, wo die äußere Schicht entsteht, keine Mitosen bei den Follikelzellen mit Sicherheit konstatiren können, allein dies hat viel- leicht seinen Grund in den oben angegebenen Verhältnissen (siehe p- 189). Stets aber finde ich die Zellen der beiden Hüllen zur er- wähnten Zeit zwischen dem gut entwickelten Chorion und der strukturlosen äußeren Follikelmembran eingeschlossen, und es lässt sich meines Erachtens schwerlich denken, dass sie anders entstanden wären als gerade dadurch, dass diejenigen Zellen, welche von An- fang an zwischen diesen Membranen gelegen sind, sich in zwei Schichten getheilt haben. Es wäre freilich denkbar, dass die zwei zwischen den beiden strukturlosen Membranen eingeschlossenen Zellenschichten durch eine Umlagerung der Zellen der einschich- tigen, sekundären Follikellage zu Stande gekommen wären und zwar so, dass sich gewisse Zellen an die Innenseite gelagert hätten, wäh- rend die übrigen, mit jenen alternirend, mehr peripherisch gelegen und an die äußere Membran gedrückt wären. Da aber, wie es scheint, die Totalsumme der Zellen beider Follikelhüllen die der ur- sprünglichen, einfachen Hülle übersteigt, so setzt dies eine Vermeh- rung der Zellen letzterer Hülle voraus. Diese Zelltheilung braucht Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Asecidien. 347 aber nicht, wie es van BENEDEN und JULIN anzunehmen scheinen, auf einmal gleichzeitig in sämmtlichen Zellen zu geschehen, sondern kann etwa eine mehr successive sein. Irgend ein Grund, der für den, wie es FoL annimmt, intraovu- lären Ursprung der betreffenden Zellen spräche, liegt nicht vor, eben so wenig wie bezüglich der primären Follikelzellen. Auch ist es nicht möglich, dass dieselben — wie seiner Meinung nach — schon vor dem Auftreten der inneren Follikelzellen vorhanden sind, da man, abgesehen von der innerhalb liegenden »Testazellenschichte, Anfangs stets nur eine einfache Follikelschicht — das sekundäre Follikelepithel — findet. RouLe’s Vermuthung, dass die Kerne dieser Hülle außerhalb der Membran liegen und nur entweder aus Blutkörperchen oder Zellen, »qui derivent de la segmentation des ovules jeunes«, be- stehen, ist eben so wenig plausibel. Zwar finde ich oft Blutkörper- chen auf der Außenseite der äußeren Follikelmembran (auf Fig. 13 B%, Taf. X ist ein solches abgebildet), dass sie aber mit den Kernen der äußeren Follikelhülle nichts zu schaffen haben, ist offenbar. Auf derselben Figur sieht man deutlich die Kerne dieser Hülle innerhalb der Membran. — Von einer Verwechselung mit den Fur- chungszellen junger (!?) Eier kann unmöglich die Rede sein, da ja die Hülle bereits vor der Furchung vorhanden ist, sich aber, wie VAN BENEDEN et JuULIN (87, p. 370) nachgewiesen haben, von dem Ei bei dessen Ausfallen in den Eileiter schon losgetrennt hat und eine Befruchtung und Furchung erst nach dieser Zeit stattfindet. Bei den reifen Eiern aus dem Eileiter von Ciona habe ich diese Hülle um die von den inneren Follikelzellen gebildeten Papillen nie- mals gefunden. Die erwähnten Verfasser haben konstatirt, dass bei der Reife der Eier von Clavelina und Styelopsis eine Trennung eben zwischen diesen beiden Follikelschichten stattfindet, wesshalb nur die innere das reife Ei begleitet, während die äußere im Ovarium zurückbleibt, wo sie jedoch bald durch eine an resorbirt wird (vgl. JULINn, 93a, p. 127). Aus dem, was über diese Follikelhülle gesagt ist, dürfte her- vorgehen, dass sie auch nicht, wie MoRGAN meint, aus Zellen im Stroma des Ovariums, die sich sekundär an die innere Follikelschicht gelegt hätten, ihren Ursprung herleiten kann. Es giebt indessen noch eine, wenn auch unvollständige Hülle um einen Theil des Eies, welche in der That von Zellen gebildet wird, 248 M. Floderus, die ursprünglich von den primären, um das junge Ei befindlichen Follikelzellen nicht stammen. Bei den meisten Formen habe ich nämlich auf der nach innen, gegen die Höhlung des Ovariums ge- kehrten Seite der Eier, aber niemals auf der entgegengesetzten, ein dünnes Plattenepithel mit deutlichen Kernen angetroffen. Diese Zellenschicht muss nach meiner Meinung entweder aus dem Über- rest des ursprünglichen Keimepithels oder möglicherweise aus dem zwischen den verschiedenen Seitenpartien des Keimepithels liegenden Plattenepithel (siehe p. 182 ff.) entstanden sein. Dass sie nicht von den einzelnen Follikeln selbst gebildet sein kann, geht daraus hervor, dass sie sich auf der Außenseite der äußeren strukturlosen Follikel- membran auf recht langen Strecken von einem Ei zum anderen fortsetzt (siehe Fig. 28 I.h, Taf. X). Eine Verwechselung mit der soeben beschriebenen äußeren Follikelschicht ist desshalb unmög- lich, und nicht selten finde ich z. B. bei Siyela rustica diese beiden Schichten gleichzeitig auf der nach innen gegen die Ovarialkavität liegenden Seite des Eies (siehe dieselbe Figur). Dass es aber. nicht diese Hülle ist, auf welche sich MorsAn (siehe oben p. 245) bezieht, ist daraus ersichtlich, dass die im Texte beschriebene Hülle nach seiner Abbildung (90, Pl. VII, Fig. 6) sich rings um die Follikelschicht des Eies erstreckt. Dagegen will ich es nicht für unwahrscheinlich halten, dass er bei dem jungen Ei von Cynthia ocellata, welches er auf derselben Tafel, Fig. 3 abbildet und wo sich eine dünne, Kerne enthaltende Membran an der einfachen Follikelhülle vorüber fortsetzt, ein solches Platten- epithel vor sich gehabt hat, denn oft wird diese Schicht neben solchen Eiern angetroffen, welche sich in dem auf der Figur dar- gestellten, frühzeitigen Stadium befinden. Im Texte (90, p. 196) bezeichnet er auch diese Schicht als eine »germinal membran«. Was van BENEDEN et JULIN’s »membrane anhyste du follieule«< (87, p. 357 u. 369) betrifft, so scheint sie nichts Anderes zu sein als die mehrmals erwähnte äußere strukturlose Follikelmembran, von welcher ja das äußere Follikelepithel zunächst umgeben wird. Was die »membrane delimitante«. anlangt, die JuLın (93a, p. 126) bei Stiyelopsis als eine strukturlose Membran beschreibt und die nach ihm ihren Ursprung aus demjenigen cellulären »epithelium delimitant« herleitet, das ursprünglich eine peripherische Hülle bildet, von welcher die nach innen gegen das Thier gekehrte Wand des Ovariums [»la paroi profonde du tube ovarien« (93a, p. 95)] bekleidet wird, so habe ich meine Ansicht über dieselbe schon oben ausge- Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 249 sprochen (p. 185), und sie scheint der von mir zuletzt beschriebenen Schieht, die ich immer cellulär, niemals in Form einer einfachen, kernlosen Membran gefunden habe, nicht homolog zu sein. Ich weiß nicht, ob der Verfasser diese strukturlose Membran etwa als der von ihm und van BENEDEN früher beschriebenen »membrane an- hyste du follicule« homolog betrachtet, von der er in seiner letzten Arbeit nichts erwähnt, die aber, wie es scheint, dieselbe Lage ein- nimmt und dieselbe Struktur wie jene »membrane delimitante« besitzt. Zusammenfassung. Um die Übersicht des oben Dargestellten zu erleichtern, habe ich eine kurze Zusammenfassung der wichtigeren Schlüsse, zu denen ich gelangt bin, hier für zweckmäßig gehalten. Die ursprünglich gemeinsame Anlage des Ovariums und des Hodens entsteht bei Crona intestinalis an der Seite der Darmschlinge in der unmittelbaren Nähe der »darmumspinnenden Drüse« als ein Syneytium von Zellen, die aller Wahrscheinlichkeit nach mesenchy- matischen Ursprungs sind und die durch eine einfache Reihe abge- platteter Zellen mit der Aftergegend in Verbindung stehen. In dieser kompakten Anlage erscheint bald eine innere Höhlung, die nach der auswärts (gegen die Körperwand) gekehrten Seite hin nur aus einer einfachen, abgeplatteten Zellenschicht, nach der ein- wärts (gegen das Thier) gekehrten Seite hin aber aus einer mehr- schichtigen Zellenlage besteht. Nachher theilt sich diese gemeinsame Anlage in zwei, eine srößere äußere, das künftige Ovarium, und eine kleine innere, den künftigen Hoden, welche beiden Organe jedoch Anfangs in offener Verbindung mit einander stehen, später aber sich ganz und gar von einander abtrennen. Schon bevor das Ovarium sich von dem Hoden vollständig ge- trennt hat, zeigt sich nahe dem hinteren Ende des ersteren auf der nach innen gekehrten Seite die Andeutung der Sonderung des hier liegenden Keimepithels in zwei Seitenpartien, ein Verhältnis, das in einem späteren Stadium noch mehr ausgeprägt wird, wenn die Ver- bindung zwischen den beiden Organen aufgehört hat, wobei die bei- den Keimschichten je einen Seitentheil der nach innen gekehrten Wand des Ovariums einnehmen und in der Mittellinie durch ein Band von Plattenepithel getrennt werden. Anfänglich einfach und ungelappt, theilt sich die Ovarialanlage von Ciona bald in eine Anzahl Lappen, deren einwärts gegen die 250 M. Floderus, Ovarialkavität gekehrte Wände mit Keimepithel bekleidet sind, während die zwischen den Lappen befindlichen Wände von einem Plattenepithel eingenommen werden. Wesentlich denselben Bau weist auch das fertiggebildete Ova- rium von Ctona auf. Bei Olavelina wie auch bei Styelopsis bleibt das Ovarium das ganze Leben hindurch ungelappt und zeigt eine deutliche Vertheilung des Keimepithels in zwei durch ein Plattenepi- thel getrennte Seitenpartien (wie in dem früheren Stadium von Oiona); bei Siyela rustica und Cynthia echinata macht sich ebenfalls eine solche Vertheilung des Keimepithels bemerkbar, allein das Ovarium ‚ist hier in eine Anzahl dicht an einander gedrückter Lappen ge- theilt. In den fertiggebildeten Ovarien der übrigen untersuchten Formen habe ich keine solche Anordnung des Keimepithels beob- achtet, möglich ist jedoch, dass in den früheren embryonalen Sta- dien ein solcher Bau des Organs sich auch bei ihnen wie bei Clona nachweisen lässt. In den früheren embryonalen Stadien sind die Zellen des Keim- epithels, welche aus Elementen des ursprünglichen Syneytiums ent- standen sind, einander in Größe und Aussehen gleich, gegen Ende der embryonalen Entwicklung aber tritt bei diesen Zellen eine Diffe- renzirung ein, so dass ungleichwerthige Elemente entstehen. Im Keimepithel des fertiggebildeten Ovariums sind demnach gleichzeitig wenigstens zwei verschiedene Arten von Zellen als selb- ständige Bildungen neben einander vorhanden und zwar theils grö- Bere, mehr abgerundete Zellen mit gleichfalls großen, meistentheils sphärischen Kernen, theils kleinere mit mehr oder weniger ovalen Kernen. Jene machen die jungen Eier, diese die primären Follikel- zellen aus. Außerdem werden am Übergange des Keimepithels in das Cilien- epithel, welches den auswärts gekehrten Theil der Ovarialkavität begrenzt, ziemlich undifferenzirte Zellen einer dritten Art ange- troffen, welche vielleicht die Mutterzellen sowohl der Ei- als der Follikelzellen darstellen und von denen etwa während der ganzen Entwicklung neue Ei- und Follikelzellen gebildet werden. Bei Formen mit einer bilateralen Anordnung des Keimepithels ist die Entwieklung innerhalb desselben eine dorso-ventrale oder im Allgemeinen eine von außen nach innen verlaufende. Ursprünglich im eigentlichen Keimepithel eingeschlossen, werden die Eier während der ferneren Entwicklung nach außen gegen die Peripherie des Ovariums verschoben, dabei die dieselben umgebende Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Ascidien. 251 Follikelzellenlage mitschleppend, welche sich dadurch in die Wand einer hohlen, längeren oder kürzeren, stielähnlichen Verlängerung fortsetzt, deren Lumen in die innere Höhlung des Ovariums mündet und deren Wand unmittelbar in die Wände der Ovarialkavität übergeht. | Bisweilen findet man zwei Eier in einer gemeinsamen Follikel- kapsel eingeschlossen. Die Follikelzellen sind Anfangs nur wenig an der Zahl und liegen an der Peripherie des Eies zerstreut, ohne deutliche Mem- branen weder nach außen noch nach innen gegen den Dotter, in dessen oberflächliche Schicht sie häufig wie eingesenkt erscheinen. Nachher nehmen sie an Zahl zu, stellen eine geschlossene Hülle um das Ei dar und sondern auf ihrer einwärts gegen das Ei gekehrten Seite eine strukturlose Membran, das Chorion, auf ihrer äußeren Seite eine ähnliche, die strukturlose äußere Follikelmembran, ab. Etwas später treten zwischen den Follikelzellen in radialer Richtung deut- liche Membranen hervor. In früheren Stadien abgeplattet, werden die Follikelzellen nach- träglich höher und gewöhnlich sechsseitig prismatisch. Bei denjenigen Formen, deren Eier ihre Embryonalentwicklung im Freien durchlaufen, wachsen die (inneren) Follikelzellen schließlich zu längeren (Crona) oder kürzeren (Ascrdia, Ascidiella und Corella) Papillen aus, welche Bildungen bei denjenigen Formen fehlen, wo die Entwicklung des Embryos innerhalb des Mutterthieres stattfindet. Im Zusammenhang mit der Papillenbildung erscheint eine Vacuolenbildung im Proto- plasma der Follikelzellen. Die Kerne der Follikelzellen sind auf späteren Entwicklungs- stufen oft einer Degeneration in Form einer Chromatolyse unter- worfen, welche in einer Umwandlung des COhromatins zu einer ein- zigen, homogenen, lichtbrechenden Masse oder in einer Auflösung desselben in eine Anzahl Körner besteht, wobei die Kernmembran gleichzeitig verschwindet. Mitunter erfahren die Kerne solche de- senerativen Veränderungen, nachdem sie vorher in den Dotter des Eies eingewandert, welches dann ebenfalls seinem Untergange ent- gegengeht. Das Protoplasma der jüngsten Eier ist hell und durchsichtig mit zerstreuten Körnchen in einer hellen Zwischensubstanz. In einem etwas späteren Stadium nehmen die Körnchen an Zahl zu und ver- leihen dem Plasma ein feingranulirtes Aussehen. Ungefähr um die Zeit, wo die Eier ihre halbe Größe erreicht haben, tritt die Bildung 232 M. Floderus, der eigentlichen Dotterkugeln ein; dieselbe geht im Allgemeinen von der Nähe des Keimbläschens aus und schreitet gegen die Peripherie des Eies fort. Die Dotterkugeln lassen sich durch Eosin färben, darin von den vorher auftretenden Körnchen abweichend, welche das Hämatoxylin begieriger in sich aufnehmen. Was einige Verfasser veranlasst hat, einen intraovulären Ursprung für die Follikelzellen anzunehmen, ist ohne Zweifel das Vorkommen von mehr oder weniger zahlreichen Chromatinkörperchen im Dotter der Eier. Diese Gebilde stammen von Nebennucleolen im Keimbläschen ab, die ihrerseits aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ursprung aus Hauptnucleolen herleiten und die durch die Kernmembran in den Dotter hinauswandern, wo sie sich häufig mit einer hellen Zone um- geben. Diese intravitellinen Körper treten im Ei erst dann auf, wenn dasselbe schon von den Follikelzellen umgeben ist, wesshalb diese Zellen nicht aus ersteren entstanden sein können, und sie ver- schwinden vor dem Eintritt der Dotterbildung. Die Testazellen haben wie die Follikelzellen einen extraovulären Ursprung und sind nichts Anderes als Follikelzellen, die von dem primären Follikelepithel her nach innen gegen den Dotter ver- schoben worden sind und sich dann von ihrem Mutterboden, der nunmehr als das sekundäre Follikelepithel bezeichnet wird, abgelöst haben. Die betreffenden Zellen bilden sich erst nach der Entstehung der Chorionmembran. Bald stellen sie eine geschlossene Schicht innerhalb des sekundären Follikelepithels dar (Ciona), bald sind sie in der Peripherie des Dotters zerstreut, wo sie häufig so zu sagen ein- gesenkt sind (Corella, Fam. Oynthüdae). Ähnlich wie die Follikelzellen werden auch die Testazellen sehr oft einer Degeneration ausgesetzt: die Kerne sind einer Chromato- lyse unterworfen, und im Protoplasma entstehen mitunter größere Höhlungen (Corella). Nicht selten wandern sie in den Dotter ein, wo sie sogar bis an das Keimbläschen herandringen können. Vor der Reife der Eier werden jedoch alle Testazellen aus dem Dotter ausgestoßen und bilden nunmehr um das Ei die Gallertschieht früherer Verfasser. k Die Testazellen sind muthmaßlich als rudimentäre Bildungen anzusehen, welche keine bedeutendere Rolle spielen. Nach der Bildung der Testazellen entsteht um das Ei noch eine dritte Hülle, nämlich das äußere Follikelepithel. Diese Schicht kommt dadurch zu Stande, dass das sekundäre Follikelepithel sich in zwei Schichten theilt, von denen die eine, mehr peripherisch liegende Eee Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 353 eben dieses äußere Follikelepithel ausmacht, während die innerhalb desselben gelegene das innere Follikelepithel bildet. Die äußere Follikelhülle ist stark abgeplattet und liegt der äußeren struktur- losen Follikelmembran dicht an. Die Kerne dieser Hülle degene- riren bald. Bei dem Ausfallen der reifen Eier in den Eileiter rücken das innere und das äußere Follikelepithel aus einander, wesshalb letzteres das Ei nicht begleitet, sondern im Ovarium zurückbleibt. Auf der nach innen gegen die Höhlung des Ovariums gekehrten Seite der Eier ist häufig eine dünne, mit Kernen versehene Mem- bran zu finden, die jedoch niemals eine geschlossene Hülle um das Ei bildet und die wahrscheinch einen Überrest der die innere Höh- lung des Ovariums begrenzenden Zellenschicht ausmacht. Upsala, im September 1895. Litteraturverzeichnis!, L. AUERBACH (91), Über einen sexuellen Gegensatz in der Chromatophilie der Keimsubstanzen, nebst Bemerkungen zum Bau der Eier und Ovarien niederer Wirbelthiere. Sitz.-Ber. d. k. Preuß. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Halbb. II. Berlin 1891. p. 713. - E. 6. BaupIanı (83), Sur Vorigine des cellules du follieule et du noyau vitellin de l’oeuf chez les G&ophiles. Zool. Anz. T. VI. Nr. 155 u. 156. Leipzig 1883. p. 658, 676. Idem. (93), Centrosome et »Dotterkern«. Journ. de I’Anat. et de la Phys. An. XXIX. Paris 1893. p. 145. CH. VAN BAMBERE (93), Contribution & l’histoire de la constitution de l’oeuf. II. Elimination d’elöments nucl&aires dans l’oeuf de Scorpaena serofa. Arch. de Biol. T. XIII: Fase. I. Gand et Leipzig: _ Paris 1893. p. 89. E. VAN BENEDEN et CH. JULINn (87), Recherches sur la morphologie des Tunieiers. Arch. de Biol. T. VI. Gand et Leipzig. Paris 1887. p. 237. Ta. Bover1ı (90), Zellenstudien. 3. Heft. Jena 1890. A. 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Querschnitt durch die Anlage der Genitaldrüse, Ga; As, Außenseite; /s, Innenseite derselben; M, Mesenchymzelle; Dr, »darm-: umspinnende Drüse<. — PERENnY’s Flüssigkeit, Boraxkarmin. NACHET 0e. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 2. Ciona intestinalis. Querschnitt durch eine etwas ältere Anlage der 358 M. Floderus, Genitaldrüse. As, Is und Dr siehe Fig.1. A, innere Höhlung; X, abgeplat- teter Kern in der die Höhlung nach innen begrenzenden Zellenschieht. — PrE- RENY’s Flüssigkeit, Boraxkarmin. NACHET Oec. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 3. Ciona intestinalis. Optischer Längsschnitt durch die Ovarialanlage, Ov, und die Hodenanlage, 7, in deren gegenseitiger Lage. — PERENY’s Flüs- sigkeit, Isolationspräparat. NACHET Oe. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 4. Crona intestinalis. Querschnitte durch die Genitaldrüsenanlage an der Mündung der Hodenanlage in die Ovarialanlage. Ov und Z siehe Fig. 3. As und /s siehe Fig. 1. — Per£nv’s Flüssigkeit, Hämatoxylin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 5. Crona intestinalis. Querschnitt nahe dem hinteren Ende der Ova- rialanlage. As und Is siehe Fig. 1. Ke, und Ke,, die beiden Anlagen des Keim- epithels. — PEr£Env’s Flüssigkeit, Hämatoxylin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 6. Ciona intestinalis. Querschnitt nahe dem hinteren Ende einer etwas älteren Ovarialanlage als vorige. As und Zs siehe Fig. 1. XKe, und Ke, siehe Fig.5. X, abgeplatteter Kern an der äußeren Begrenzung des Keim- epithels. — PERENY’s Flüssigkeit, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 7. Olavelina lepadiformis. Querschnitt durch ein fertiggebildetes Ova- rium. As und Is siehe Fig. 1. Xe, Keimepithel; a, db, c,d,e, f, g und A, Eier mit Follikelzellen in verschiedenen Entwicklungsstadien. — PERENY’s Flüssig- keit, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oe. 2, Obj. 5. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 8. Siyela rustica. Querschnitt durch einen Theil des Ovariums. Xe, siehe Fig. 7. Z£, Eier im Keimepithel; 7x, Follikelzellen; 7.2, indifferente Zellen am Übergang des Keimepithels in das Cilienepithel, Ce. — Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. Details mit HArTnAck’s homog. Immers. Nr. 2. Projektion auf den Tisch. Fig. 9. Clavelina lepadiformis. Zwei Eier innerhalb einer und derselben Follikelhülle. 7z siehe Fig. 8; 7z, Testazellen. — PERENnY’s Flüssigkeit, Häma- toxylin + Eosin. NAcCHET Oec. 2, Obj. 5. Details mit HARTNAcK’s Wasserim- mers. Nr. 10 gezeichnet. Projektion auf den Tisch. Fig. 10. Clavelina lepadiformis. Jüngeres Ei. F%, Follikelzellkerne, schein- bar in der Außenschicht des Dotters liegend. — Pikrin-Essigsäure, Hämatoxylin. NACHET Oec. 2, Obj. 7. Details mit HARTNAcK’s Wasserimmers. Nr. 10. Projek- tion auf den Tisch. Fig. 11. Corella parallelogranma. Jüngeres Ei. Fm, die strukturlose äußere Follikelmembran; Sr, geschrumpfte Partien der peripherischen Schicht des Dotters. — Pikrinsalpetersäure, Bismarckbraun. NACHET Oe. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. i Fig. 12. Ciona intestinalis. Etwas älteres. Ei. #n, Hauptnucleolus; Nn, Nebennucleolus; Z.%k, intravitelliner Körper; #2 und 7% siehe Fig. 8u. 9. Fol- likelzellen mit beginnender Vacuolenbildung. Testazellen zum Theil in Bildung begriffen. — Prr&Eny’s Flüssigkeit, Hämatoxylin. NACHET Oc. 2, Obj. 7. Pro- jektion auf den Tisch. Fig. 13. Ciona intestinalis. Älteres Ovarialei. N, der stärker lichtbrechende Theil des Hauptnueleolus; Pr, der weniger stark. lichtbrechende Theil; 77 siehe Bi, Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. 259 Fig. 9; 7.f, inneres Follikelepithel; A.f, äußeres Follikelepithel; 7m siehe Fig. 11; Kp, Kunstprodukt. — Pikrinsalpetersäure, Hämatoxylin. NAcher Oe. 2, Obj. 7, Details mit HArrnAck’s homog. Immers. Nr. 2. Projektion auf den Tisch. Fig. 14. Corella parallelogramma. Älteres Ovarialei. Fr und 7; siehe Fig. Su. 9. E.tz, in den Dotter eingewanderte Testazelle. — Pikrinsalpetersäure, NACHET Oc. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 15. Styela rustica. Theile der Follikel- und Testazellenschichten sammt der äußersten Dotterschicht. F und 7z siehe Fig. 8 u. 9; D.f, degenerirte Fol- likelzellkerne; D%, Dotterkugeln; Zs, Zwischensubstanz zwischen den Dotter- kugeln. — Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oec. 2, Obj. 7. Details mit HArTNAcK’s Wasserimmers. Nr. 10. In gleicher Höhe mit dem Mi- kroskoptisch gezeichnet. Fig. 16. Siyela rustica. Eier mit in Bildung begriffenen Testazellen, 7’. Tz, Testazelle, durch eine Membran von der Follikelzellenschicht abgetrennt; Fz siehe Fig. 8; Ch, Chorionmembran. Nucleolus des Keimbläschens vom Schnitte nicht getroffen. — Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oe. 2, ÖObj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 17. Ciona intestinalis. Älteres Ovarialei. An und Nn siehe Fig. 12; V, große Vacuole im Hauptnucleolus; 7’xgr, Gruppen von Testazellen; Z/.f und 4A.f siehe Fig. 13; Kp siehe Fig. 13. — Pikrinsalpetersäure, Hämatoxylin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 15. Corella parallelogramma. Keimbläschen mit Hauptnucleolus und drei Nebennucleolen, Hauptnucleolus mit knospenähnlicher Ausbuchtung, Än; Hn und Nn siehe Fig. 12. — NACHET 0e. 2, Obj. 7. Gezeichnet nach lebendem Materiale, Projektion auf den Tisch. Fig. 19 u. 20. Crona intestinalis. Hauptnucleolen mit knospenähnlichen Ausbuchtungen. Zn siehe Fig. 12; Kn siehe Fig. 18. — Pikrinschwefelsäure. NACHET Oec. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 21. Crona canina. Hauptnucleolus mit knospenähnlicher Ausbuchtung. Hn siehe Fig. 12; Kn siehe Fig. 18. — Chrom-Osmium-Essigsäure, Safranin + Gentianaviolett. NACHET Oc. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 22. Ciona intestinalis. Keimbläschen mit Hauptnucleolus, Zn, einem Nebennucleolus, Nr, gänzlich innerhalb der Kernmembran, einem in Wanderung durch die Membran hinaus begriffenen, C%, und einem unmittelbar außerhalb derselben, 7%. — HERMANN’sches Gemisch. NACHET Oc. 2, HARTNACK’s Wazser- immers. Nr. 10. Projektion auf den Tisch. Fig. 23 u. 24. Ascidiella venosa. Keimbläschen mit Nebennucleolen, in Wanderung durch die Kernmembran hinaus begriffen. Zn siehe Fig. 12; (% siehe Fig. 22. — Chrom-Osmium-Essigsäure, Safranin + Gentianaviolett. HART- NACK Oc. 2, homog. Immers. Nr. 2. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 25. Molgula sp. Attraktionssphäre. C%r, Centralkörper; St, Strahlen; Dk- siehe Fig. 15. — Chrom-Essigsäure. NAcHEr Oc. 2, Obj. 7. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Fig. 26. Styela rustica. Testazelle. 7%, ihr Kern; Kr, durch Hämatoxylin gefärbte Körper im Protoplasma; D% siehe Fig. 15. — Sublimat- Essigsäure, Hämatoxylin + Eosin. HARTNAcK Oec. 2, homog. Immers. Nr. 2. Projektion auf den Tisch. Fig. 27. Cynthia echinata. Degenerirte Testazelle.. Krn, durch Eosin ge- färbte Körnchen, aus dem durch Chromatolyse degenerirten Kern stammend. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie, LXT, Bd. 18 260 M. Floderus, Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Asecidien. DR siehe Fig. 15. — Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin + Eosin. NACHET Oe. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 28. Styela rustica. Theile der Follikelhüllen zweier an einander gsrenzender Eier. A.f u. I.f siehe Fig. 13. D% siehe Fig. 15. I.h, kernhaltige Hülle an der nach innen gegen die Höhlung des Ovariums gekehrten Seite. Sublimat-Essigsäure. NACHET Oc. 2, Obj. 7. Projektion auf den Tisch. Fig. 29. Cynthia echinata. In Degeneration begriffenes Ei mit eingewan- derten Follikelzellkernen, E.f. E.f’, Kern, dessen Chromatin an der Kernperi- pherie angehäuft ist; D.f, degenerirte Kerne ohne Membran und aus Häufchen von Chromatinkörnern bestehend; Ckr, zerstreute Chromatinkörner; F%z siehe Fig. 8. Sublimat-Essigsäure. NACHET Oc. 2, Obj. 7. Details mit HARTNACK’s Wasserimmersion Nr. 10. In gleicher Höhe mit dem Mikroskoptisch gezeichnet. Inhaltsverzeichnis, Seite Einleitung‘... .. nu 2 @ leere Dee ee 163 Die eigentliche: Follikelhülle. . . ...\. 1.02.22 2 Ss 167 Geschichtliche Übersicht... .. ..... 0 167 Eigene Beobachtungen... ...-..0u... su... 1 LE Pe 173 Embryonale Stadien: .. .......%..2 2220 a 173 Der allgemeine Bau des fertiggebildeten Ovariums. ...... 181 Das Keimepithel und die Entwicklung der Follikel ...... 187 Degenerationserscheinungen: .. . 27. m vr 196 Die Eizelle. 2 au. sea. deu. 2 Ka er re 203 Der. Dotter .ı = x... : vu.4. 2... ea ande ee 203 Das: Keimbläschen ...“.,. 2.0%.....0 %. era ol 205 Der Nucleolus...... 2. 2... 2 0. me 207 Der Nebennucleolus . .. ©... ....2. 2 Sue 210 Die intravitellinen' Körper. . ..u..... ... „en 215 Die Testäzellen...:.... ..u.... 1.2“ 82: eo. na Se 230 Geschichtliche Übersicht. ... 0 or) Eigene Beobachtungen...» een. wre ke 234 Die Bildung: der. Testazellen . 2... ...0 Ss 234 Die Umbildung. der Testazellen. . 2°... u 236 Die Wanderung der Testazellen . 2... 2. rer 240 Die Bedeutung der Testazellen ... . . ....... 2 Ps 241 Das äußere Follikelepithel. .... . „2... „u... or oe 244 Geschichtliche Übersicht... . . - . ee. Re Eigene Beobachtungen . ...... A ee Er 245 Zusammenfassung. u, all... 0 Yo 249 Litteraturverzeichnis't:.....%....0.0.0:, Slfana a ee 253 Erklärung der Appildungen 2.2. 27 2, ea... 257 Die Entwicklung der Skulptur und der Zeichnung bei den Gehäuseschnecken des Meeres, Von Gräfin Maria von Linden. (Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel XI. Den Untersuchungen über die Bedeutung der Thierzeichnung für die Systematik liegt eine im Jahre 1881 erschienene Arbeit Eımer’s »Untersuchungen über das Variiren der Mauereidechse« zu Grunde. Der Verfasser liefert darin den Nachweis, dass die Zeichnung der Thiere als sicheres Mittel zur Erkenntnis ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden kann und vielfach in auffallender Abhängigkeit zu den morphologischen Eigenschaften der Thiere steht. Aus diesem ersten Werke ergeben sich aber auch noch andere That- sachen von weittragender Bedeutung, die den Verfasser zu dem Schlusse führen, dass auch in Bezug auf die Zeichnung nicht die kleinste Abänderung am Einzelthier zufällig ist, dass alle Abände- rungen wenigen, ganz bestimmten Richtungen folgen (Ortho- genesis), welche die Entwicklungsrichtungen darstellen, die im Weiteren, dadurch nämlich, dass durch Stehenbleiben auf be- stimmten Stufen der Entwicklung Trennungen in der Organismen- kette erfolgen (Genepistase), die Entstehung ständiger Abarten und Arten wesentlich bedingen und endlich, dass diese Entwicklungs- richtungen nicht durch den Nutzen beeinflusst werden, sondern den Ausdruck mechanisch-chemischer bezw. physiologischer Ursachen bilden, d. h. ein »organisches Wachsen« darstellen (ÖOrganophysis 8. Morphophysis, Eımer). Die Gültigkeit dieser allgemeinen Ge- setze wurde durch Eımer’s weitere Arbeiten über »die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I. Thl. 1889 und 182 262 Maria von Linden, II. Thl. 1895 und über die Zeichnung der Raubthiere und Raubvögel (4d) durchaus bestätigt. Aber auch die Ergebnisse der Umbildung der Zeichnung sind im Wesentlichen für die verschiedenen Thier- gruppen übereinstimmend und wurden von ihm in folgender Weise zusammengefasst (4f, I. Thl.): »1) Seitliche Verschmelzung einzelner die ursprünglichste Zeich- nungsstufe darstellender Binden, so dass der Binden weniger werden. 2) Schwinden einzelner Binden. 3) Verschmälerung oder Verkürzung bezw. theilweises Schwinden oder theilweise Auflösung von Binden, so dass an Stelle derselben Flecke und Punkte entstehen. 4) Seitliche Verbindung einzelner oder sämmtlicher Längsstreifen durch neu auftretende Dunkelfärbung, wodurch mehr oder weniger eine Querzeichnung entsteht, die Grundfarbe aber in Flecken ge- theilt wird. f 5) Verbreiterung dieser Querverbindungen und der ursprüng- lichen Längsbinden oder dieser letzteren allein, wodurch die ur- sprüngliche Grundfarbe immer mehr zurückgedrängt wird und schließlich bis auf Reste oder ganz schwindet. Eben so kann umgekehrt: 6) Durch fast oder ganz vollständiges Zurücktreten der Zeich- nung Einfarbigkeit in der Grundfarbe entstehen. 7) handelt es sich um Entstehung neuer Eigenschaften, welche mit den unscheinbarsten Anfängen beginnen. Solcher neuer Eigen- schaften, welche nicht aus den alten hervorgegangen sind, giebt es aber auffallend wenige im Verhältnis zu den allmählichen Umbil- dungen. Die große Mannigfaltigkeit der Eigenschaften wird nicht in erster Linie durch sie, sondern wesentlich durch die erwähnten Veränderungen der alten und dadurch bedingt, dass 8) es nicht immer dieselben Zeichnungen sind, welche sich ver- ändern oder schwinden, sondern verschiedene: so kann in einer Gruppe ein bestimmter Streifen ganz schwinden, während derselbe in einer anderen geradezu besonders kräftig geworden ist.« Diese Abänderungsweise bezeichnet EIMER später (4f, II. Thl.) als verschiedenstufige Entwicklung (Heterepistase). »9) Durch die Verschiedenheit in der Umbildung im Einzelnen verzweigt sich die Formenreihe von gewissen Punkten aus, und es ergiebt sich baumförmige Verzweigung. | 10) Durch Bezüglichkeit (Korrelation), d. i. dadurch, dass mit Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 263 der Veränderung einer Eigenschaft häufig noch eine andere oder mehrere zugleich auftreten.« Die Korrelation spielt hauptsächlich bei der sprungweisen Umbildung (Halmatogenesis, EIMER) eine hervorragende Rolle. Besonders auffällig ist ihre Wirkung dann, wenn plötzliche Um- änderungen zahlreicher Zeichnungen entstehen, so dass diese mit einem Male ganz neue Muster bilden (kaleidoskopische Umbildung, EIMER). Von diesen in den Ermer’schen Werken niedergelegten Gesichts- punkten ausgehend, habe ich versucht das überaus reichhaltige und durch große Mannigfaltigkeit in der Zeichnung hervorragende Material der Gastropoden zu sichten. Ich begann meine Untersuchungen mit den Helieiden; es stellte sich jedoch heraus, dass wegen der großen Beständigkeit der Zeichnungscharaktere innerhalb dieser Gruppe keine weitgehenderen Ergebnisse zu erzielen seien. Eine ursprüng- lichere und sehr mannigfache Zeichnung findet sich dagegen auf den Schalen der Meeresschnecken. Es gelang mir hier eine Gesetz- mäßigkeit der Zeichnung im Einzelnen nachzuweisen, welche im Wesentlichen mit den Ergebnissen Eımer’s bei anderen Thiergruppen übereinstimmt, und welche dieser im Allgemeinen auch für die Mol- lusken schon ausgesprochen hatte. Da jedoch die Zeichnung auf den jugendlichen Windungen der meisten Schneckenschalen schwierig -zu beobachten ist, weil der vorhergehende Umgang durch den folgen- den zum größten Theile bedeckt wird und da die phylogenetisch Jüngeren Formen der jetzt lebenden Gattungen der Meeresschnecken, welche z. B. im Tertiär erhalten sind, nur verhältnismäßig selten ihre vollkommene Schalenzeichnung bewahrt haben, so war ich ge- nöthigt, mich nach einem Kennzeichen umzusehen, welches mir ermöglichte innerhalb jeder Gattung die Arten mit jugendlichen Charakteren von den fortgeschrittenen Formen zu trennen. Ein solches unterscheidendes Merkmal bot sich mir einmal in der Form des embryonalen und des späteren Gehäuses, dann aber ganz be- sonders in der Gehäuseskulptur, die ebenfalls nach ganz bestimmten Richtungen, und zwar merkwürdigerweise nach ganz ähnlichen wie die“}Zeichnung abzuändern pflegt. Aus diesem Grunde, und weil ihre Entwicklungsstufen ontogenetisch und phylogenetisch leicht zu verfolgen sind, giebt sie eine sichere Grundlage für die genetische Anordnung der Arten ab. Ich schieke ihre Behandlung derjenigen der Zeichnung voraus. 264 Maria von Linden, Abänderung der Skulptur bei Meeresschnecken. Die Ansichten über die Bedeutung der Molluskenschale für die Systematik haben im Lauf der Zeit vielfache Änderung erfahren. Während der Betrachtung der Gehäuse früher von Seiten der For- scher allgemeines Interesse zugewendet wurde, blieb dieses Gebiet in neueren Zeiten hauptsächlich dem Paläontologen überlassen. Der Zoologe machte sich fast ausschließlich das Studium des Thieres selbst zur Aufgabe und schenkte der Schale als einem systematischen Merkmal zweiter Ordnung geringere Beachtung. Es erscheint dess- halb selbstverständlich, dass zuerst von den Paläontologen das Be- streben ausging auf Grund eines eingehenden Studiums der in den verschiedenen Erdschichten erhaltenen Schalenformen für den einen oder anderen Zweig der Mollusken Entwicklungsreihen aufzustellen, wie es schon früher für die Wirbelthiere auf Grund ihres Skelettes geschehen war. Der Einwurf, der gegen derartige Versuche von mancher Seite gemacht wurde, dass die Schale zu leicht veränderlich sei und systematisch wichtige Abänderungen des Thieres zu wenig zum Aus- druck bringe, um die Stammesgeschiehte getreu wiedergeben zu können, erwies sich als nicht stichhaltig. Es wurde vielmehr ge- zeigt, dass auch die Schale unter geeigneten Verhältnissen ihre Charaktere lange bewahren kann, und dass sie in ihrem Bau und in ihrer Beschaffenheit diejenigen Veränderungen zum Ausdruck bringt, welche das Thier in seinem individuellen Leben durchmachen musste und die ihrerseits wieder einen Einblick in die Stammesgeschichte gewähren (9b, p. 350—351). Dadurch aber, dass sich auf einer und derselben Schale verschiedene Altersstufen beobachten lassen, und dass auch die Embryonen versehiedener fossiler Formen erhalten sind, zeigen sich die Molluskenschalen noch geeigneter zu phylo- genetischen Studien als die Skelette der Wirbelthiere, von denen jedes einzelne zur Untersuchung gelangende nur eine Altersstufe darstellt und von denen nur bei noch lebenden Arten die Embryonal- formen zur Verfügung stehen. In Deutschland war WÜRTENBERGER der Erste, dem der Versuch gelang die Stammesgeschichte der Ammoniten an der Hand ihrer Schalenentwicklung abzuleiten und die Gesetze festzustellen, nach welchen sich die Abänderungen in der Schalenskulptur vollziehen. In Amerika waren Core und A. HyATT zu ähnlichen Ergebnissen über die phylogenetischen und ontogenetischen Be- ziehungen der Cephalopoden gelangt, während von anderer Seite durch BEECKER, SCHUCHERT und CLARKE die Brachiopoden, durch Jackson die Muscheln in Die Entw. der Skulptur u: der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 265 diesem Sinne bearbeitet wurden. HyaArr war es in erster Linie, der die ge- wonnenen Resultate verallgemeinerte und in seiner »Phylogeny of an acquired characteristic« (1895) gezeigt hat, dass die Vererbung der in der Schale ausge- prägten Abänderungen und die Entstehung neuer Arten denselben Gesetzen folge, die schon im Jahre 1881 Emmer für die Artbildung im Allgemeinen als maßgebend erkannt und sieben Jahre später in der »Entstehung der Arten« gegen den übertriebenen Einfluss, der dem Nutzen auf die Artbildung von mancher Seite zugeschrieben wird, vertheidigt hat. Das von EIMER aufgestellte Undulationsgesetz, wonach eine ganz bestimmte Zeichnungsfolge in bestimmter Richtung über den Körper der Thiere während ihrer Ausbildung hinzieht, ent- spricht wiederum vollkommen jener CopE- WÜRTENBERGER’schen Gesetzmäßig- keit der morphologischen Schalenbildung bei Cephalopoden. Zusammenfassende Angaben über die Entwicklung des Schneckengehäuses und seiner Skulptur, welche mir meine Arbeit über die Entwicklung der Zeich- nung auf der Gastropodenschale wesentlich vereinfacht hätten, habe ich in der mir zugänglichen Litteratur :nicht gefunden. Häufig wird zwar auch in den Diagnosen der Schriftsteller vom vorigen und vom Anfang dieses Jahrhunderts hervorgehoben, dass die jugendlichen Windungen der Schneckengehäuse eine andere Skulptur tragen, als die letzten Umgänge, dass die ausgewachsenen Schalen in wesentlichen Punkten von den nicht ausgewachsenen abweichen. Diese Beobachtungen pflanzen sich jedoch von einem Werk in das andere fort, ohne zu allgemeinen Schlüssen verwerthet zu werden. D’ORBIGNY gehört zu den Wenigen, welche die an verschiedenen Individuen gemachten Einzelbeob- achtungen zusammenstellten, indem er ausführt, dass für die Schalen der Gat- tung Pleurotomaria drei durch das Alter bestimmte Entwicklungsstufen be- stehen. Er sagt an betreffender Stelle: »>in der frühesten Jugend ist das Gehäuse glatt, später erscheinen Rippen, Leisten und Knoten, die fast während des ganzen Lebens bestehen bleiben und auf dem letzten Umgang besonders ausgebildet sind. In der dritten Periode schwindet die Skulptur wieder und das wiederholte Glattwerden der Schale kündigt die im hohen Alter beginnende Degeneration an« (18, p. 395). Von sehr scharfer Beobachtung zeugen die Thatsachen, welche BLAINVILLE schon 1825 (1, p. 205) mittheilt und einer Klassifikation der Mollusken zu Grunde gelegt wissen will. Auch er schreibt dem Alter und dem Geschlecht einen augenscheinlichen Einfluss auf das Thier zu und erklärt sich auf diese Weise die eigenthümliche Erscheinung, dass an einer Lokalität Individuen gefunden werden, welche in der Beschaffenheit ihrer Schalen wesentlich von einander abweichen. >Um so begreiflicher ist es,< fährt er fort, »dass die Gesammtheit der Verhältnisse, welche der Örtlichkeit ihren Charakter verleihen, sich, nachdem sie sehr lange Zeit hindurch eingewirkt hat, in der Aufeinanderfolge von Individuen einer Art bemerklich macht, indem dadurch Änderungen der Schalengröße, der Proportionen, der Färbung, des Zeichnungsmusters und der Skulpturbeschaffenheit ihrer Oberfläche hervorgerufen werden, Abänderungen, die besonders auffallend werden, wenn man Individuen einer Art, die jahr- hundertelang an verschiedenen Lokalitäten gelebt haben, mit einander ver- sleicht. In Wirklichkeit erzeugen diese Unterschiede, wie es scheint, konstante Varietäten, welche um so mehr von einander abweichen werden, je weiter die Wohnplätze von einander entfernt sind. Man könnte diese Varietäten als lokale Arten bezeichnen, wird jedoch davon abstehen, sie als wirkliche Arten zu be- trachten, wenn man diese vorgeblichen Arten von einer großen Anzahl von 266 Maria von Linden, Ortlichkeiten zusammenstellt und findet, dass die einen ganz unmerklich in die anderen übergehen.« BLAINVILLE hat in diesen interessanten Beobachtungen Gesetze ausge- sprochen, denen durch spätere Forscher bei der Artbildung eine große Bedeu- tung zugeschrieben wurde, und es kann nur der zu jener Zeit üblichen Forschungsweise zur Last gelegt werden, dass nicht schon früher aus solchen Thatsachen den Gang der Wissenschaft fördernde Schlüsse gezogen worden sind. Auch die Gastropoden-Monographien, welche nach D’ORBIGNY’s Zeit theils neu, theils als Umarbeitungen früherer Werke erschienen sind, beschränken sich auf genaue Artbeschreibungen und dienen weniger dazu allgemeine Aufschlüsse über das Abändern der Individuen zu geben, als deren Stellung im System zu erläutern. Als die rein beschreibende mit der vergleichenden Methode vertauscht wurde, wandte sich, wie ich schon erwähnt habe, das Interesse der Paläontologen in erster Linie der Cephalopodenschale zu, wahrscheinlich desshalb, weil das Material fossiler Cephalo- poden besser erhalten, reichhaltiger und in Bezug auf seine Lage- rung in den Schichten genauer erforscht war, als das der Gastro- poden. Die einzigen Versuche, die gemacht worden sind, um auch für Gastropoden fortlaufende Reihen ihrer Entwicklungsstufen auf- zustellen, waren die von HILGENDORF und NEUMAYR. Der Erstere verfolgte die Entwicklung der Valvata multiformis durch die ver- schiedenen Schichten des Steinheimer Tertiärbeckens hindurch (7), der Andere stellte eine Reihe für Paludina Neumayri zusammen, welche in den Paludinenschichten des Pliocäns von Westslavonien gesammelt wurde (17). Während Valvata multiformis zuerst ein flachgewundenes, später ein ziemlich hohes Gehäuse besitzt, unter- scheidet sich die Anfangsform der Paludinenreihe durch ein voll- kommen glattes Gehäuse, die Schale der Endform dagegen ist höher gewunden und mit zwei scharfen Kielen und mehreren kleineren Längsleisten versehen. Die meisten Anhaltspunkte für die im Laufe der Zeit auftreten- den Abänderungen der Schalenform und Schalenskulptur fossiler Gastropoden geben uns die systematischen Bearbeitungen der Faunen der großen Tertiärbecken, welche uns von DEsHAYES für das Pariser Becken, von HÖRNESs für das österreichische Tertiär, von SAND- BERGER für das Mainzer Becken geliefert sind. Das Studium älterer Formen ist u. A. durch die eingehenden Forschungen E. Kırtr’s über die triadischen Gastropoden der St. Cassianer Schichten und der Marmolata ermöglicht. Eine Zusammenstellung entwicklungsgeschicht- licher Ergebnisse, die sich auch vielfach auf Schalenskulptur be- ziehen, ist in KokEn’s »Entwicklung der Gastropoden vom Cambrium Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 267 bis zur Trias« gegeben. Immerhin bleibt das fossile Material der Gastropoden viel weniger vollständig als das der Cephalopoden; da uns jedoch eine große Menge recenter Formen zur Verfügung stehen, so scheint es mir nicht unmöglich, über die Umbildung der Skulptur der Schneckengehäuse eben so sichere Anhaltspunkte zu gewinnen, wie sie WÜRTENBERGER für die Ammonitenschale erhalten hat. Man wird natürlich statt der Ergebnisse der Stammesgeschichte die der Ontogenie zum Ausgangspunkt der Untersuchungen machen müssen und vergleichen, ob die Abänderungen, welche das Einzelwesen im Laufe seines Lebens erleidet, in irgend einem Zusammenhang stehen mit den Abänderungen, welehe die Gattung in den geologischen Schiehten durchgemacht hat. Unter Schalenskulptur versteht man die normaler Weise auf- tretenden Unebenheiten der Gehäuseoberflächen. Solche Skulptur- eigenthümlichkeiten verlaufen entweder in der Richtung der An- wachsstreifen oder senkrecht zu diesen, in der Richtung des fortrückenden Mantels, so dass wir zwischen Quer- und Längsskulptur unterscheiden müssen, deren jede aus Leisten, Furchen, Rippen, aus Knoten oder Stacheln bestehen kann. Die Embryonalwindungen, welche bei vielen Gastropoden als Anfangsgehäuse erhalten sind, pflegen mit wenigen Ausnahmen (Voluta vespertilio L. u. a.) voll- kommen glatt zu sein. Die Skulptur erscheint gewöhnlich erst auf dem späteren Gehäuse, bleibt auf allen Umgängen dieselbe oder ändert im individuellen Leben öfters ab und erreicht dann meistens auf dem letzten Umgang ihre höchste Entwicklung. Die neuen Eigenschaften treten sehr häufig an der Schalenbasis zuerst auf und die alten bleiben an der Spitze am längsten erhalten. Wenn es sich um alte Individuen, oder um Vertreter einer aussterbenden Art han- delt, so beobachtet man regelmäßig ein allmähliches Erlöschen der - Schalendifferenzirungen, eine Rückbildung der Skulptur. Auf jeder Schneckenschale lassen sich mehr oder weniger deut- lich auf sämmtlichen oder nur auf wenigen Windungen des späteren Gehäuses zwei Liniensysteme unterscheiden, welche als erste Spuren einer Schalenskulptur gelten können. Von diesen beiden Linien- systemen zeigen die einen, welche quer verlaufen und Anwachs- streifen genannt werden, obwohl dieselben vielleicht weniger ur- sprünglich sind als die Längslinien, eine viel größere Neigung sich zu einer ausgesprochenen Skulptur umzubilden als die anderen. Desshalb finden wir auch, wenn wir die phylogenetische Entwick- 268 Maria von Linden. lung der Meeresschnecken verfolgen, dass die erste deutliche Differenzirung der Schalenoberfläche der einzelnen Gattungen darin besteht, dass die Anwachsstreifen sich verdieken und Querrippen erzeugen. Auch in der individuellen Entwicklung bildet dieses Sta- dium meistens den Anfang der Skulptur. So finden wir z.B. für die Ontogenie der Pleurotomariiden d’Orb. aus den Triasschichten von St. Cassian die allgemeine Angabe (12, p. 213), dass nach der glatten Embryonalwindung Umgänge mit Querrippen folgen, welche in verschiedener Weise abändern können. Dieselben Skulpturanfänge hat Kırtn bei Pseudomelaniiden Fischer, und den meisten Tro- chiden d’Orb. (Turbo, Collonia, Trochus ete.) gefunden. Auch Koken (13) erwähnt, dass bei den Bellerophontiden die Skulptur der früheren Arten »Bellerophon< durch Anwachsstreifen bedingt ist, während die späteren Arten »Bucania« eine durch Kreuzung dieser Querrippen mit »Spiralstreifen« hervorgebrachte Gitterskulptur tragen. fe Dasselbe beobachten wir, wenn wir die tertiären Voluten-Arten mit den recenten Formen vergleichen. Die ersteren tragen auf allen Umgängen Rippen, die jetzt lebenden Arten, welche mit den fossilen in der Schalenform oft große Ähnlichkeit zeigen, haben dagegen meistens nur gerippte Anfangswindungen und weisen später Knoten oder Stacheln auf. Noch auffallender ist das Vorkommen ausschließ- lich glatter oder gerippter Mitra-Arten im Eocän des Pariser Beckens, während die Vertreter derselben Gattung aus den unteren Lagen der Subapenninenformation eine eigenthümliche Gitterskulptur haben, die durch sich schneidende Quer- und Längsrippen hervor- sebracht wird. Die Querrippen, welche gewöhnlich in regelmäßigen Abstän- den auf einander folgen, sind, so lange sie noch in den Anfängen ihres Auftretens stehen, wenig zahlreich, vermehren sich aber mit jedem Umgang, wie es z. B. KırtTL für die triadische Pseudomela- niide Loxonema beobachtet hat (12, IH. Th., p. 145). Das Gegen- theil, eine Verminderung der Rippen, finden wir auf den späteren Windungen der jetzt lebenden Rippen tragenden Formen. Diese Abnahme der Rippenzahl kommt dadurch zu Stande, dass von den auf den ersten Umgängen eng zusammenstehenden Rippen mehrere zu größeren Wülsten verschmelzen, so dass z. B. bei einigen Mitra- arten die Rippen auf der Endwindung bis auf ein Drittel der ur- sprünglichen Anzahl redueirt werden (Mitra raricosta Lam. und Mitra parisiensis Desh.). Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 969 Die Knotenbildung beginnt bei Schnecken, die ein Schlitz- band haben, an der oberen und unteren Begrenzungslinie desselben, dureh eine seichtere oder tiefere Einknickung der Querrippen. Die apicale Knotenreihe ist, so viel ich beobachtet habe, immer viel kräftiger entwickelt und entspricht durch dieses Verhalten, wie durch ihre Lage, dem Kiel der Gastropoden ohne Schlitzband. Sehr häufig vereinigen sich bei Pleurotomariiden die Knoten- reihen, welche das Schlitzband begrenzen, zu scharfen Leisten, ja es kommen sogar bei dem Genus Schizogonium Koken kamm- föormige, gezähnte oder sägeblattähnliche Umbildungen der Knoten vor. Eben solehe längsverlaufende Sägerippen beschreibt QUENSTEDT bei Cerithien (20, Taf. CCIII, obere Reihe Fig. 8 ff.). Bisweilen entwickeln sich z. B. bei einigen Strombus-Arten, und eben so bei Pteroceras, besonders aber bei Trochus, Turbo und Ceri- thium außer der am Kiel verlaufenden Knotenreihe auf dem übrigen Theil der Rippen Erhöhungen, die zur ersteren parallele Knotenreihen bilden, deren Elemente jedoch die Größe der Knoten am Kiel nicht erreichen. Auch diese Nebenreihen können sich zu glatten Längs- leisten umbilden. So finden wir, dass die größere Menge der Ceri- thien, welehe im Tertiär vorkommen, in Längsreihen stehende Knötehen hat, während die Mehrzahl der triadischen Formen quere Anordnung der Knoten erkennen lässt. Schon bei tertiären und noch mehr bei recenten Arten verschmelzen die Knötchen zu glatten Längskielen. Wir gelangen somit zu dem Ergebnis: dass sich phylogenetisch meistens Querrippen, hierauf Querreihen, dann Längsreihen von Knötchen und endlich glatte Längsleisten folgen; dasselbe ergiebt sich auf ontogenetischem Wege. Den Übergang von Quer- rippen zu quer verlaufenden Knötchenreihen bildet z. B. Cerithium decussatum Defr. (3, Taf. XLV1, Fig. 1 u. 2); Knötchenreihen ver- binden sich zu Längsleisten bei Cer. lamellosum Brug. (3, Taf. XLIV, Fig. 8 u. 9) und besonders deutlich bei Oer. tricarinatum Lam. (5, Taf. LI, Fig. 9 var. f). Dasselbe ist zu beobachten bei COer. quadrifidum Nob. und bei Cer. quadrisulcatum Lam. (3, Taf. LV, Fig. 18—20 u. Fig. 21—23). Auch auf Turboschalen lassen sich solche Übergänge feststellen. Die Neigung der Längsleisten, sich in Sägerippen-aufzulösen, beobachtet man bei Cer. tricarinatum Lam. (3, Taf. LI, Fig. 6 var.d). Sehr häufig z. B. bei einigen Strombus- Arten (St. fasciatus Born), bei Pleurotoma, Pleurotomaria (Schizodiseus planus Klipstein sp.) (12a, I. Th., p. 211, Fig. 2) ete., 370 Maria von Linden, kommt eine Knotenbildung dadurch zu Stande, dass sich mehrere Querrippen in einem Punkte vereinigen und an dieser Stelle ein Knoten entsteht. Die Vereinigung der Rippen erfolgt jedoch nicht immer in derselben Lage. Laufen die Rippen in einem Punkte des Kieles zusammen, so entsteht, wie wir es bei Strombus fasciatus Born. beobachten, eine Verminderung der Rippen. Bei Pleurotoma und Pleurotomaria liegt der Vereinigungspunkt meistens weiter unten, der Basis zu, so dass sich die Zahl der Rippen vermehrt; nur bei Pleurotoma rugosa Desh. liegt nach DesmAvEs’ Beschrei- bung der Gabelungspunkt in der Mitte der Rippen. Schon bei Strombus entwickeln sich sehr oft die zwei oder drei vor der Mündung des letzten Umgangs stehenden Knoten zu dornen- oder stachelförmigen Fortsätzen, eine Umbildung, die bei vielen Gastropoden in einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Ent- wicklung zur Regel wird und bei Voluta sehr gut verfolgt werden kann, weil sich dieselbe allmählich auf sämmtliche Umgänge des nicht embryonalen Gehäuses ausdehnt. Diese, Stacheln sind zuerst massiv (Strombus bitubereulatus Lam., siehe p. 293), bleiben aber später an ihrer Spitze hohl, während der größere Theil ihres Inneren von einem keilförmigen Stück Schalensubstanz ausgefüllt wird. Diese Umbildung ist auf den meisten Schalen von Voluta vespertilio L. (siehe p. 282) zu verfolgen, indem die jüngeren Umgänge kleine mas- sive, die späteren längere, aber an der Spitze hohle Dornen tragen. Gleichzeitig beobachtet man, dass der Mantel des Stachels an seiner dem Mundsaum zugekehrten Fläche mehr oder weniger weit geschlitzt ist. In noch späteren Entwicklungsstadien bleibt der größere Theil der Stacheln hohl, der Schlitz wird immer länger und weiter, und endlich finden wir, besonders auffallend bei Cymbium-Arten (Cym- bium aethiopum L.) (siehe p. 282) statt der ursprünglich massiven Sta- cheln, längere oder kürzere gegen den Mundsaum zu klaffende Röhren. Auch die Stellung der Dornen zum Kiel wird gewöhnlich eine andere. Dieselben stehen nicht mehr wie die Knoten senkrecht vom Kiel ab, sondern krümmen sich, sobald sie länger werden, ziemlich stark nach auf- und rückwärts. An Stelle der Dornen kann schließlich ein wall- förmiger Kiel treten, wie wir es bei Cymbium ollaL. (siehe p. 282) beobachten und Kırtr es von Gehäusen von Schizogonium scalare Münster sp. beschreibt (12a, I. Th., Taf. V, Fig. 9—14, p. 216), oder es bildet sich ein schmaler geneigter Kiel, der sich direkt an die Embryonalwindung anschließt (Cymbium melo L.). Noch weiter geht diese Umbildung bei Voluta proboscidalis Lam. (siehe p. 282). Hier Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 271 wird auch das Embryonalgehäuse durch einen Callus überdeckt und der Kiel der letzten Windung bildet einen scharfen Rand. Eine Um- bildung der Skulptur zu haubenförmigen Dornen beobachtet man schon bei älteren Schnecken, z. B. Worthenia- und Euomphalus- Beten (123, I. Th., Taf. I, Fig. 1—11, p. 183 ff.; ebenda Taf. IV, Fig. 14—16, 17—19, 20, p. 224). Kırrı bemerkt, dass bei jungen Schalen des Euomphalus dentatus Münst. (Fig. 17—19) die haubigen Dornen am Kiel noch nicht entwickelt sind; somit treten diese hier auch ontogenetisch als neue Eigenschaft auf. Wenn wir die Umgestaltung der Querskulptur kurz zu- sammenfassen, so gelangen wir zu folgendem Ergebnis: Auf die Querrippen folgen Querreihen von Knötchen, die sich zu Längsreihen verbinden und durch Verschmelzung glatte Längsleisten bilden können. Oder aber es bilden sich eine oder wenige Reihen stärkerer Knoten, die zu hohlen Stacheln und haubigen Dornen und zuletzt zu mehr oder weniger scharfen Kielen werden. Außer der sekundären durch Verschmelzung von Knotenreihen entstandenen Längsskulptur, finden wir auf der Schale vieler Gastro- poden eine primäre Längsstreifung. Dieselbe tritt oft gleichzeitig mit den Querfalten auf, bleibt gewöhnlich weniger kräftig als die sekundäre Längsskulptur und spielt hauptsächlich bei phylogenetisch älteren Formen eine Rolle. Sie entsteht dadurch, dass sich die die Anwachsstreifen kreuzenden Linien verdicken, verläuft in Gestalt von feinen oder gröberen Leisten über die Schale und bringt mit der Querskulptur häufig eine eigenthümliche Gitterskulptur oder ebenfalls Knötchenreihen hervor. Die ersten Spuren einer deutlichen primären Längsskulptur treten bei Mitra und Pleurotoma häufig am oberen Rand der Schale auf und verbreiten sich von dort über das ganze Gehäuse. Die Überreste einer solchen Skulptur erhalten sich dagegen am längsten an der Schalenspitze, wie die feinen Leisten an der Spitze der meisten Conus- und Voluta-Schalen beweisen. Auch HÖöRnEs erwähnt wiederholt, dass die Längsfurchen an der Basis der Schneckenschalen im Alter verschwinden und an der Spitze am längsten erhalten bleiben. Wir finden im Allgemeinen, dass ausgesprochene Längs- skulptur sowohl ontogenetisch, als phylogenetisch nach der Querskulptur entsteht, obwohl deren Anfänge, die Längs- linien, auf der Schale gleichzeitig oder noch früher als die Anwachs- streifen auftreten. Da wo sie sich schon auf den ersten skulpirten 379 Maria von Linden, Windungen allein vorfindet, handelt es sich um Formen, bei welchen die ältere Skulptur durch neue Eigenschaften verdrängt worden ist, in deren Entwicklungsgang das Querrippenstadium ausgefallen ist, wie z. B. bei verschiedenen Arten von Rhabdoconcha Gemmellaro Kittl (12, Vol. III, p. 159 ff.), bei Turritella ete. Doch finden sich häufig noch deutliche Übergangsstufen, wie auf den Gehäusen von Heterocosmia Koken, welche in der Jugend quergerippt, dann gegittert und endlich längsgestreift sind, welche also von einem Loxonema-Stadium der Jugend durch ein Katosira-Stadium in das Rhabdoconcha-Stadium des Alters übergehen. Wenn Quer- und Längsskulptur zusammentreffen, so bildet sich Gitterskulptur, wie z. B. bei vielen triadischen Formen von Pleurotomariiden: Kokenella Kittl, Temnotropsis, Murchisonia ete. (12a). Bisweilen bilden sich die Längsleisten wieder zurück, so dass Querrippen oder Knoten allein übrig bleiben, die dann, wie bei einigen Arten des Genus Laubella Kittl (Pleurotomariide), auch verschwinden, oder es entwickeln sich auf Kosten der Querskulptur kräftige Längskiele (Rhabdoconcha u. a... Es ist eine eigenthüm- liche Erscheinung, dass Längsskulptur, sowohl primäre als auch sekundäre, besonders bei geologisch alten Formen angetroffen wird. Sie findet sich fast in allen Schichten bei Turritella, Cerithium, Trochus, oder Pleurotomaria, ist aber vorübergehend bei Conus, Voluta und Strombus, wie sich leicht aus einem Vergleich der Ter- tiären mit der gegenwärtigen Fauna ergiebt. Ein Vorwiegen von Querskulptur in jüngeren jurassischen Schichten treffen wir auch bei Turbo (18). Ich kann mir dieses eigenthümliche Verhalten nur dadurch erklären, dass die Längslinien viel geringere Neigung besitzen sich zu verdicken als die Querstreifen, und dass sie aus diesem Grunde phylogenetisch später als Skulptur hervortreten und bald wieder verschwinden. Bei Helix pomatia finden sie sich bis- weilen sogar nur auf den mittleren Windungen eines und desselben Gehäuses — eine Welle in der Entwicklung! Sämmtliche Skulpturabänderungen werden zuerst auf dem letzten Umgang bemerklich und dringen von da aus immer mehr nach dem Anfang des spiraligen Gehäuses vor, bis sie den größten Theil der Windungen, in einzelnen Fällen (Voluta musica L., Voluta vesperti- lio L., siehe p. 282) auch das embryonale Gehäuse beherrschen. Einer Abänderung können sich noch andere Abänderungen zugesellen, so dass wir Schalen beobachten, deren erste Windungen Rippen, deren spätere Knoten und deren letzte Stacheln tragen. Auf dieselbe Weise Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 273 können aber auch Abänderungen bis auf die erste Windung von neuen Eigenschaften verdrängt werden. Bisweilen macht man die Beobachtung, dass eine auf der letzten Windung auftretende Abänderung sich nicht gleich Anfangs schon bis zur Mündung der betreffenden Schale erstreckt. So sieht man 2. B. bei Strombus suceinctus L. (siehe p. 293), der glatt zu werden strebt, dass die Knoten auf der Schale etwas rückwärts von der Mündung zuerst verschwinden, während dieselben auf der kurzen Strecke bis zum Mundsaum aufs Neue auftreten. Wenn wir die aus der Skulpturentwicklung der Gastropodenschale ge- wonnenen Ergebnisse mit denjenigen vergleichen, die von WÜRTENBERGER und Hyarr für die Cephalopodenschale ermittelt wurden, so finden wir, dass beide in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen. Auch auf dem Oephalopoden- sehäuse treffen wir in erster Linie Querskulptur in Form von mehr oder weniger breiten Rippen, die sich ebenfalls als kleine Falten anlegen und erst allmählich erhabener werden. Dieselben sind vielfach auf den innersten Win- dungen (in der Jugend) weniger zahlreich, vermehren sich im reiferen Alter und verschmelzen auf den letzten Windungen häufig zu breiteren Gebilden. Coroniceras Gmundense hat z. B. auf dem letzten Umgang 22, dem vor- letzten 35, dem drittletzten 49 Rippen; Ceratites trigonatum auf dem letzten 20, auf dem vorletzten 26, auf dem drittletzten 40 Rippen (9a). Es scheint demnach, dass bei den Mollusken im Allgemeinen zur Zeit ihres kräf- tigsten Wachsthums die Neigung zur Rippenbildung am größten ist. | Eine Gabelung der Rippen ist bei Ammoniten noch häufiger als bei Schnecken. Dieselbe kann ebenfalls, je nachdem die Verschmelzungsstelle der Rippen am äußeren oder inneren Rand der Windung liegt, zu einer Verminde- rung oder Vermehrung der Rippen führen. Das erste finden wir z. B. bei Coroniceras Bucklandi var. sinemuriensis Hyatt, das letztere bei Am. Capri- nus u. A. Auch bei den Cephalopoden ändern die Rippen dahin ab, dass auf denselben Knötchen oder Stacheln zur Ausbildung kommen. Diese Knötchen entwickeln sich mit Vorzug an den Gabelungsstellen und in der Naht- und Rückengegend. Das Auftreten der Stacheln ist in verschiedenen Entwicklungs- reihen von einem Verschwinden der Rippen begleitet, besonders deutlich bei dem Ubergang von den Planulaten zu den Armaten. Die Rippen werden, wie es auch bei den Schnecken der Fall ist, zuerst rudimentär und verschwinden schließlich ganz. Endlich kommt es vor, dass im hohen Alter oder, wenn eine Art zu degene- riren beginnt, sämmtliche Skulptureigenthümlichkeiten verloren gehen und eine glatte Schale zurückbleibt. Längsskulptur findet sich bei Cephalopoden noch viel seltener als bei Schnecken und scheint da, wo sie auftritt, aus Querskulptur hervorgegangen zu sein. Man beobachtet solche bei Gyroceras propinquum (24, p. 356, Fig. 422) aus dem Subcarbon, dessen Schale zahlreiche körnige Spiralstreifen trägt und bei Ammonites Aon (15, p. 569, Taf. XLIV, Fig. 20), wo die Knöt- chen noch deutlich durch Querskulptur verbunden sind. Dieselbe Skulptur finden wir bei den schneckenförmig gewundenen Turrilites-Arten 274 Maria von Linden, Allein nicht nur die verschiedenen Skulpturformen, auch die Art und Weise ihrer Entwicklung, ihre gesetzmäßige Ausbildung ist bei Cephalopoden und Gastropoden übereinstimmend. Der letzte Umgang pflegt die jüngsten, die ersten Windungen die ältesten Charaktere zu tragen. Auch die Eigen- thümlichkeit, dass neue Eigenschaften sich nicht gleich Anfangs bis zur Mün- dung der Schale erstrecken, wie ich es vorher bei den Knoten von Strombus succinetus L. erwähnt habe, wird von WÜRTENBERGER bei den Übergangs- formen von den Bispinosen zu den Circumspinosen beobachtet. Abänderung der Zeichnung bei Meeresschnecken. Während der Paläontologe eine Klassifieirung der Gastropoden- schalen im Allgemeinen nur auf die Gestalt und Skulptur der Ge- häuse gründen kann, bietet sich dem Conchyliologen in der Zeich- nung recenter Schalen ein weiteres für die systematische Eintheilung wichtiges Hilfsmittel. Die abwechslungsreiche Pracht der Zeichnung, welche haupt- sächlich die Gehäuse der Meeresschnecken entfalten, hat von jeher große Anziehungskraft auf Forscher und Laien ausgeübt und, wie bekannt, die einen zu den überschwenglichsten Schilderungen, die anderen zu dem Aufwand unsinniger Summen veranlasst. Auf diese W.eise entstanden werthvolle Sammlungen und dickleibige Mono- graphien, welche dem staunenden Forscher die reichhaltigsten Muster- karten an Zeichnungsvarietäten vor Augen führen. Im Gegensatz zu der ersten Skulpturform auf Schnecken- gehäusen, die, wie erwähnt, in Querrippen besteht, treffen wir als erste Zeichnungsform Längslinien an. Diese treten zuerst immer sehr zahlreich auf und es scheint, als ob sich das ursprünglich über die ganze Schale gleichmäßig vertheilte Pigment, welches der Schale die »Grundfärbung« giebt, in diesen Linien koncentrirt hätte, wie es auch SIMROTH bei der Entstehung von Bändern auf Nacktschnecken beobachtet hat. Es ist bei der Schalenzeichnung nothwendig nach dem Vorgang EımeEr’s eine Grundfärbung von der eigentlichen Zeichnung zu trennen, wenn auch beide vielleicht häufiger als in den anderen Thiergruppen in einander übergehen. — Alle Zeichnungsformen lassen sich entweder unmittelbar, oder aber durch Zwischenstufen auf Längsstreifung zurückführen. Da außerdem die Mehrzahl der paläontologischen Formen, deren jetzt lebende Vertreter eine oft vielfach abgeänderte Zeichnung tragen, längsgestreift ist und in Bezug auf ihre Skulptur ursprünglichere Verhältnisse zeigt als ihre Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 275 recenten Verwandten, so wird man mit Recht »Längsstreifung« als die ursprünglichste Zeichnungsform betrachten dürfen. Unter den lebenden Meeresschnecken, die ich bis jetzt am ein- gehendsten untersucht habe, finden wir eine ursprüngliche Längs- streifung am häufigsten und regelmäßigsten bei der Gattung Conus, sehr selten bei Voluta, Mitra und Terebra und gar nicht bei der Gattung Strombus. In den tertiären Schichten, in welchen die Voluten zuerst in größerer Artenzahl auftreten, bilden dagegen längs- gestreifte Formen keine Seltenheit. Nach den Mittheilungen QUEN- STEDT’s und DESHAYES hat sich mit einer Ausnahme auf allen Ge- häusen, auf denen die Zeichnung noch erhalten war, Längsstreifung vorgefunden. Längsgestreifte Volutenarten sind: V. lineolata Nob., V. spinosa Lam., V. harpa Lam., V. taurina Lam. (3 u. 20). Unter den recenten Voluten mit Längsstreifung ist V. vexillum Martini zu erwähnen. Auch längsgestreifte Conus-Arten scheinen im Tertiär häufig zu sein, wie ich aus HÖRNESs’ Beschreibung und aus einer Anzahl ter- tiärer Formen entnehme, welche ich durch die Güte des Intendanten des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien, Herrn Hofrath RITTER v. HAUER, erhalten habe. Von lebenden Conus-Arten, welche ursprüngliche Längstreifen tragen, ist besonders Conus quereinus Brug. (Taf. XI, Fig. 1) und Conus caledonieus Brug. (2!) hervorzuheben. Auch eine Varietät von ©. mediterraneus (siehe p. 295) kann hier- her gestellt werden. Der Übergang von der ursprünglichen Längs- streifung zu abgeleiteteren Zeichnungsformen wird auf verschiedene Weise gebildet, wie aus der schematischen Zusammenstellung auf Taf. XI zu ersehen ist: 1) Es vereinigen sich die feinen Linien zu breiteren Streifen, wie man es bei Conus figulinus L. var. und Voluta vexillum Martini var. (Taf. XI, Fig. 1«) (vgl. p. 282) oder bei Mitra vulpecula Lam. var. (16, Bd. IV, Taf. III, Fig. 29) beobachtet. 2) Es fallen Streifen aus, während die zurückgebliebenen um so dunkler gefärbt werden und bisweilen in den Zwischenräumen fleckenweise Grundfärbung auftritt. 1 und 2 treten häufig bei Exemplaren von Conus figulinus L. gleichzeitig auf (Taf. XI, Fig. 15). 3) Endlich kommt es mitunter, durch Ausfallen ganzer Streifen- bündel zur Bildung von gestreiften und nicht gestreiften Zonen (var. von Ü. figulinus L.) (vgl. p. 295) und Conus magus L. var. (Taf. XI], Fig. 1c) (vgl. p. 295). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 19 276 Maria von Linden, Die nächste. weit verbreitete Abänderung der Zeichnung besteht in der Bildung längsverlaufender Fleckenreihen. Wir unterscheiden auch hier wieder Formen, bei denen: 1) sich die ursprünglichen Längsstreifen zu Punktreihen auf- lösen, z. B. Conus augur Brug. und C. sterecus muscarum (Taf. XI, Fig. 2) (vgl. p. 295), | 2) die breiteren Streifen Fleckenbinden bilden, oder bei denen die Punkte zu Fleckenbinden verschmelzen, z. B. Conus betulinus L., Voluta Junonia Chem., Conus spurius Gm. (Taf. XI, Fig. 2a) (vgl. p- 295 und 282), 3) die Punkte oder Fleckenbinden nur zonenweise zu Stande kommen. Voluta musica L. (Taf. XI, Fig. Id), Conus magus L. var., Ü. omaicus Brug. (siehe p. 295 und 282). Die Punkt- oder Fleckenreihen bleiben jedoch in den seltensten Fällen als solehe bestehen, sie zeigen bald Neigung in querer Rich- tung zu verschmelzen. Im ersten und zweiten Fall entstehen durch quere Verschmelzung der Punktreihen Querstreifen, die je nachdem die Punkte regelmäßig oder unregelmäßig stehen, weniger oder mehr im Ziekzack verlaufen: Conus stramineus Lam. (vgl. p. 295). Das Verschmelzen der Punkte zu Querstreifen beginnt stets an zwei oder drei bestimmten Stellen der Schale, in der Nähe des oberen Randes, in der Mitte und meistens an der Spitze des Gehäuses. Die Lage wechselt mit der Gestalt der Schalen. Da auch auf den meisten Schalen innerhalb dieser drei Zonen zuerst Grundfärbung auftritt, so ist anzunehmen, dass die entsprechenden Manteltheile unter besonders günstigen Bedingungen für die Pigment- bildung stehen. Kommt die Fleckenbildung nur zonenweise zu Stande, so ent- stehen, wie oben erwähnt, Formen, wie Voluta musica L. Die Längsstreifen bleiben meistens an den eben besprochenen drei Bänder- stellen bestehen und werden im Laufe der Entwicklung entweder durch die sich an dieser Stelle koncentrirende Grundfärbung ver- deckt, z. B. Conus fumigatus Brug. (siehe p. 295), oder sie lösen sich ebenfalls auf und verbinden sich mit den Ziekzacklinien der da- zwischen liegenden Bänder zu über die ganze Schale verlaufenden Querstreifen: Conus thalassiarchus Gray, Conus generalis L. var. (Taf. XI, Fig. 35) (siehe p. 295). Die Querstreifung, welche sich in der beschriebenen Weise als weitere Zeiehnungsform aus der Längsstreifung entwickelt, er- hält sich oft lange unverändert, wie der Vergleich der in den St. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 277 Cassianer Schichten vorkommenden Natiea-Zeichnung mit gezeich- neten Formen derselben Gattung aus dem Tertiär ergiebt. Wenn sie abändert, so geschieht es im großen Ganzen nach denselben Riehtungen, wie bei der Längsstreifung. Die Querstreifen verlaufen bisweilen in Wellenlinien über die Schale, bilden aber häufiger Zacken, deren Größe von der gegen- seitigen Entfernung der ursprünglichen Punktreihen abhängt (Taf. XI, Fig. 3a), Voluta undulata Lam. (siehe p. 282), Conus thalassiarchus Gray (siehe p. 295). Bei manchen Arten verschmelzen die schmalen Streifen zu breiteren Bändern: Mitra zebra Garr. (16, Bd. V, Fig. 6, 7), Strombus latissimus L. (siehe p. 293), bei anderen fallen Zwischenlinien aus. Besonders schön erscheint jedoch die Zeichnung derjenigen Schalen, auf welchen sich die Ziekzacklinien zu kleinen oder größeren Dreiecken oder Viereeken verbinden (Taf. XI, Fig. 4), Conus amadis Chem. (siehe p. 295), Voluta vespertilio L. (siehe p. 282). Diese aus kleinen Viereckchen bestehenden Netze kommen dadurch zu Stande, dass jede folgende Zackenlinie um eine halbe Zackenbreite höher gerückt ist als die vorbergehende. Fällt eine Zacke, welche die andere zum Viereck ergänzt, aus, indem z. B. der Querstreifen an dieser Stelle geradlinig verläuft, so entsteht ein kleines Dreieck. Größere Dreiecke kommen dadurch zu Stande, dass die Begren- zungslinien eines größeren Bezirkes von Viereckchen zu einer stärker gefärbten Linie werden, während gleichzeitig die innerhalb dieser sroßen Zacke liegenden Zeichnungsüberreste ausfallen (Taf. XI, Fig. Aa). Eigenthümlicher Weise kehren sowohl die kleinen ais die großen Dreiecke ihre Spitze immer dem Mundsaum zu. Auf andere Weise kommt die Dreieckszeichnung zu Stande, die wir bei Conus marmoreus L. und nocturnus Brug. antreffen (Taf. XI, Fig. 25). Wir beobachten hier keine Zwischenstufe von Quer- streifen, sondern die Punkte ordnen sich von vorn herein in drei- eckigen Gruppen an, die später verschmelzen und durch das gleich- zeitige Auftreten von Grundfärbung dunkel pigmentirt werden (Taf. XI, Fig. 25). In den zwischen den pigmentirten Stellen lie- senden Feldern fällt der Farbstoff vollständig aus, so dass wir hier weiße Dreiecke erhalten. An dieser Stelle scheint es mir von Interesse anzuführen, dass EIMER in ganz übereinstimmender Weise den Übergang der Lacerta maculata in die La- certa reticulata beschreibt. Der Verfasser sagt an betreffender Stelle (4b, p- 325): »Zunächst sei hervorgehoben, dass die reticulata benannte Varietät 19* 278 Maria von Linden, aus der maculata s. striata in manchen Gegenden in derselben Weise hervor- geht, wie die maculata aus der striata: Die Flecken der maculata verfeinern sich zu netzförmig unter einander zusammenhängenden Zickzacklinien, welche den ganzen Rücken des Thieres bedecken..... Es führt die maculata bezw. die reticulata zuweilen weiter zur Ausbildung einer Querstreifung, einer getiger- ten Zeichnung am Körper unserer Thiere; die gezackten, noch netzförmig unter einander verbundenen Flecken zeigen diese Verbindung vorzüglich nur noch in einer mit der Querachse des Körpers parallelen Richtung; zugleich sind die Flecken langgezogen, an beiden Enden zugespitzt. Die ganze Zeich- nung, welche somit eine Querstreifung ist, rechtfertigt durchaus die Bezeich- nung tigris.< Endlich kann die Querstreifung bezw. die Viereckszeich- nung zu einer sekundären Längszeichnung führen. Wenn nämlich, wie es z. B. bei Conus geographus L. (Taf. XI, Fig. 5) zu beobachten ist, stets die eine Hälfte mehrerer in einer Längsreihe liegender Vierecke ausfällt, während die zurückbleibenden Begrenzungslinien sich dunkler färben, so ergeben sich parallele längsverlaufende Ziekzacklinien. Bei verschiedenen Strombus-Arten entstehen breite Längsbänder, indem die feinen Querstreifen an be- stimmten Stellen verschmelzen und während ihres Verlaufs wieder- holt durch weiße Binden unterbrochen werden. Es ist überhaupt sehr häufig zu beobachten, dass eine Pigmentanhäufung an einer Stelle Verminderung des Farbstoffes an einer anderen zur Folge hat. Eine sekundäre Bildung von Punktreihen aus Querstreifen habe ich bis jetzt noch nirgends beobachtet. Verhalten der Zeichnung innerhalb der verschiedenen von mir untersuchten Gastropodengattungen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir nicht in allen Gastropoden-Gattungen längsgestreifte Arten antreffen und somit annehmen müssen, dass diese erste Stufe von manchen in der Ent- wicklung übergangen wird. Aber gerade dadurch, dass in den ein- zelnen Gattungen nicht sämmtliche Entwieklungsstufen der Zeichnung in gleicher Weise wiederholt werden, erhält jede Gruppe ihr charak- teristisches Aussehen, gerade dadurch wird die Zeichnung zum syste- matisch wichtigen Merkmal. Es ist desshalb nicht anzunehmen, dass das Zeichnungsgesetz für jede Gruppe ein verschiedenes sei, wie es z. B. SIMROTH für die Entwicklung der Zeichnung bei Nackt- schnecken behauptet. Der Grundzug, der sich ergiebt, wenn wir die Zeichnungsentwicklung innerhalb der verschiedenen von mir unter- Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 279 suchten Gastropodengattungen vergleichen und der in dem EIMER- schen Zeichnungsgesetz seinen Ausdruck findet, bleibt derselbe Es brauchen, um einen solchen Zusammenhang nachzuweisen, nicht alle Gattungen in dem gleichen Punkt der Entwicklungsreihe einzusetzen, es können durch Überspringen einer oder der anderen Zwischenstufe in abgekürzter Entwicklung scheinbare Lücken entstehen, oder plötz- lich neue Eigenschaften auftreten (Halmatogenesis, EIMER), es muss dem einzelnen vielleicht untergeordneteren Zeichnungscharakter der Spielraum gelassen werden, in dieser oder jener Art eine besondere Rolle zu spielen und Seitenzweige zu bilden, deren Zusammenhang mit dem Hauptstamm vielleicht schwer nachzuweisen sein mag (Heter- epistase, EIMER), es werden endlich auch diejenigen Gattungen und Arten in das Zeichnungsgesetz einzufügen sein, die vielleicht lange Zeit hindurch auf einer und derselben Stufe stehen bleiben (Genepistase, Emmer). Die Entwicklungsstufen der Zeichnung, die wir innerhalb der Gattungen der Meeresschnecken erkennen, sind nicht neue Ge- setze, sie bieten nur mehr oder weniger vollständige Bruchstücke eines allgemeinen sesetzmäßigen Entwicklungsganges. Die größte Veränderlichkeit m der Zeichnung bietet uns die Gattung Conus, welche an Artenzahl, wenn wir von den Mitren absehen, auch alle anderen untersuchten Gruppen weit übertrifft. Am häufigsten finden wir Längszeichnung in Form von Längslinien und Punktreihen, zwischen denen sehr häufig fleckenweise, namentlich an Bänderstellen, eine dunkle Grundfärbung auftritt. Nach den Abbil- dungen von REEVE zu urtheilen, besitzen von 253 Arten 169 (128 + 41) Längszeichnung, während die verschiedenen Formen der Querzeich- nung auf die übrigen 114 Arten vertheilt sind. Anders ist das Verhältnis bei den Voluten. Unter 47 von CHEMNITZ abgebildeten Formen finde ich bei 16, also bei nur !/,, Längs- zeichnung und unter diesen trägt nur eine einzige, V. vexillum Chem., einigermaßen ursprüngliche Längsstreifen. Dagegen sind die Vertreter derselben Gattung aus dem Tertiär größtentheils, wie erwähnt, durch feine, regelmäßige Längsstreifung ausgezeichnet. Die Dreiecks- oder Netzzeichnung, welche bei den Voluten am weitesten verbreitet ist, ent- wickelt sich nicht so vollkommen, wie bei Conus, da die Querstreifen nicht ganz mit einander verschmelzen, so dass das Zustandekommen der Zeichnung immer deutlich ersichtlich bleibt. Auch eine Zeich- nung wie die von Conus noeturnus Brug. fehlt bei den Voluten und wahrscheinlich desshalb, weil bei dieser Gattung viel weniger Grund- färbung auftritt als bei Conus. 280 Maria von Linden, Bei Mitra, Terebra und Strombus kommt es überhaupt nicht zur Bildung von Dreieckszeichnung. Während bei den ersten Gattungen in Bezug auf ihre Zeichnung ein deutlicher Entwicklungsstillstand (Genepistase) stattfindet, so dass Längszeichnung fast allgemein verbreitet ist und Querstreifung selten vorkommt, bildet sich bei Strombus ausschließlich Querstreifung aus, die, wie vorhin be- schrieben, in eine sekundäre Bildung von Längsbändern abändert. Verwandtschaftsbeziehungen der Gehäuseschnecken des Meeres auf Grund der Entwicklung ihrer Skulptur und Zeichnung. Wenn wir die Entwicklung der Zeichnung und der Skulptur innerhalb einer Gattung von Meeresschnecken verfolgen, so muss es auffallen, dass beide Faktoren in ihren Abänderungen meistens gleichen Schritt halten, so dass die in Form und Skulptur höher ausgebildete Schale auch die fortgeschrittenere Zeichnung trägt. Nicht in allen von mir untersuchten Gattungen finden sich diese Beziehungen in gleich deutlicher Weise ausgesprochen. Bei Conus treffen wir z. B. bei sehr variabler Zeichnung nur Überreste einer Skulptur und bei Strombus bildet sich beides fast nur nach einer Richtung aus. Bei Weitem die günstigsten Verhältnisse, um die aufgestellte Behauptung zu beweisen, bietet uns die Gattung Voluta. Eine Zusammenstellung der verschiedenen Voluten-Arten zeigt uns, dass sie sich einerseits durch ihre verschieden gestalteten Schalen an die Mitren, andererseits an die Cymbien anschließen. Während näm- lich die einen mit langgestrecktem Gehäuse und spitzigem Wirbel sroße Ähnlichkeit mit gewissen Mitra-Arten haben, stehen die anderen, welche meistens ein weites aufgeblasenes Gehäuse besitzen, mit großen helixartig gewundenen Embryonalumgängen, der Gattung Cymbium sehr nahe. - Neben den Vertretern dieser beiden Gruppen finden sich Zwischenformen (Kreis von Voluta musica), die es wahrscheinlich machen, dass die mehr eymbiumartigen Voluten von dem sich an Mitra anschließenden Hauptstamme abgezweigt sind. Eben so verschieden wie in der Form ihres embryonalen und späteren Gehäuses verhalten sich die Voluten in Bezug auf Skulptur und Zeichnung. Die erste Gruppe nun fasst den Kreis Lapponica und Vertreter des Kreises Musica. Die Species musica L. selbst steht der zweiten Gruppe sehr nahe. | Mit wenig Ausnahmen — nur die den Übergang zu V. vespertilio L. bildende Varietät von V. musica L. macht eine solehe — ist das Em- bryonalgehäuse der erstgenannten Gruppe skulpturlos. Auf den spä- Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 281 teren Umgängen ist, wie bei Strombus, ein allmähliches Übergehen der Rippen in Knoten zu verfolgen. Die Knoten stehen meistens senkrecht auf dem Kiel und werden häufig auf dem letzten Umgang von einem mehr oder weniger engen Kanal durchsetzt, so dass sie sich der Stachelbildung nähern. In diesem Stadium biegen sie sich etwas nach auf- und rückwärts. Die Zeichnung der Schalen besteht vorherrschend in einer mehr oder weniger abgeänderten Längsbän- derung oder in einfacher Querzeichnung. Bei der zweiten Gruppe trägt das Embryonalgehäuse Rippen (Kreis Vespertilio), wird jedoch bei weiter fortgeschrittenen Arten wieder glatt. Auf den späteren Umgängen bilden sich stachelartige Fortsätze, die, so lange sie klein, massiv sind, später aber nach dem Mundsaum zu offene Röhren bilden, die sich gegen den oberen Theil der Schale zu zackenförmig umbiegen. Bei Oymbium sind die Dornen am breitesten und stehen am weitesten offen. Die Stacheln von Vo- luta vespertilio L. und verwandten Arten stehen auf rippenartigen Wülsten und sind größtentheils mit Schalensubstanz ausgefüllt. Die Zeiehnung der hierher gehörigen Voluten besteht meistens in einer ausgesprochenen Dreieckszeichnung, ist also eben so, wie Form und Skulptur der Gehäuse, viel weiter entwickelt. Unter den fossilen Volutenarten scheinen die Formen mit breitem Embryonalgehäuse und Ziekzack- oder Dreieckszeichnung vollständig zu fehlen (20, p. 691). Nur eine in den Sables moyens des Eocän von Valmondois gefundene Form, welche Desnaves als Voluta strombi- formis Nob. bestimmt und die ähnliche Knoten auf der nicht em- bryonalen Schale trägt, wie V. musica, hat breitere Anfangswindungen, welche in ihren Dimensionen dem Embryonalgehäuse einer musieca- Varietät ungefähr gleichkommen (3, p. 687, Taf. XCII, Fig. 13 u. 14). Dagegen sind die Voluten mit mitraartigen Anfangswindungen und feiner Längsstreifung sehr häufig in den Schichten der Kreide und hauptsächlich des Tertiärs vertreten und unterscheiden sich oft nur wenig von recenten Formen. Ich habe schon früher erwähnt, dass sich bei fossilen Schalen viel häufiger Rippenbildung findet, als bei recenten. Knoten und Sta- cheln scheinen außerdem stets massiv zu sein und häufig trifft man, hauptsächlich auf jugendlichen Windungen, bei einzelnen Arten auch auf späteren Umgängen (V. eythara Lam. aus dem Grobkalk von Grignon 20, p. 699, Taf. CCXII, Fig. 31) mehrere über einander stehende Reihen feinerer Knötchen, die durch die Kreuzung von Längs- und Querrippen entstanden sind. 282 Maria von Linden, Bei Voluta erenulata Lam. (3, Taf. XCII, Fig. 7—9, p. 693) erstrecken sich die Knötchenreihen auf die ganze Fläche des letzten Umgangs und beginnen auf der dritten Windung nach dem Embryonal- schäuse. Die zwei vorhergehenden Umgänge tragen, so viel aus der Abbildung zu erkennen ist, nur glatte Querrippen, also wäre hier das Auftreten von Längsleisten als eine kurz andauernde Abweichung von der ursprünglichen Skulpturform anzusehen. Nach diesen allgemeinen Gesichtspunkten, welche nur als Beweis dafür dienen sollten, dass Schalenform, Skulptur und Zeichnung in nahen Beziehungen zu einander stehen, bezw. gleichlaufend sind, muss ich, um die Verwandtschaftsverhältnisse der Arten innerhalb der Gat- tung Voluta erörtern zu können, näher auf deren Zeichnung, Skulptur und Schalenform eingehen. Entwicklung der Skulptur und Zeichnung auf Schalen der Gattung Voluta'. Am nächsten der tertiären Voluta lineolata Nob., steht Vo- luta vexillum Martini, die einzige recente Form, welche die früher viel häufigere Längsstreifung aufweist. Die Streifen sind bei V. ve- xillum Martini allerdings nicht mehr gleich breit, es wechseln vielmehr schmälere Linien mit breiteren ziemlich regelmäßig ab. Während die schmäleren Linien an verschiedenen Stellen verlöschen, tritt zwischen den Längsstreifen in quer verlaufenden Ziekzackflecken Grundfärbung ‘auf. Eine Varietät derselben Art, welche ich, wie die vorige, aus dem Großherzogl. Naturalienkabinet zu Karlsruhe erhalten habe, unter- scheidet sich von der beschriebenen durch breitere Längsbänder, 1 Die Abbildungen für Voluta finden sich 16, Bd.V, 2.Heft: V. aulica Lam., Taf. XXXII, Fig. 2, 3; V. fulminata Lam., Taf. XXII, Fig. 5, 6; V. fusifor- mis Sow., Taf. XXXVII, Fig. 3; V. hebraea L., Taf. XXI, Fig. 5, 6; V. impe- rialis Lam., Taf. XVIII, XIX, XX, Fig. 1, 2; V. junonia Chem., Taf. XXVII, Fig. 1, 2; V. lapponica L., Taf. XXX, Fig. 1—4; V. magnifica Chem., Taf. XXIII, XXIV; V. musica L., Taf. XXI, Fig. 1—4; V. magellanica Chem., Taf. XXX], Fig. 5, 6, XXXII, Fig. 4; V. polyzonalis Lam., Taf. XX, Fig. 3,4; V. scapha Gm., Taf, XXX, Fig. 5, 6, XXXIIL, Fig. 5, 6, XXXIX, Bio, 1 2X ae serpentina Lam., Taf. XXXVI, Fig. 1, 2; V. undulata Lam., Taf. XXV, Fig. 3, XXX, Fig. 3, 4; V. vespertilio L., Taf. XX, Fig. 5, XXII, Fig. 1, 2, 3, XXVIII, Fig. 7, 8, LXXXIV, Fig. 1—4; V. vexillum Chem., Taf. XXXIII, Fig. 1, 2, XXXV, Fig. 5, 6. Die Abbildungen für Cymbium finden sich 16, Bd. V, 2. Heft: Cy. aethio- pum L., Taf. XXXIX, Fig. 3—5, XLI, Fig. 4; Cy. armatum Lam., Taf. XLI,. Fig. 1, 2; Cy. olla L., Taf. XLVII, Fig. 1; Cy. proboseidale Lam., Taf. XLIX, Fig. 1, 2; Cy. Melo Soland:, Taf. XXXI, Fig. 7, 3, XL, Eig. 27% Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 283 welche aus je zwei schmalen Streifen gebildet sind, die sich am Mund- saum wieder von einander trennen. Die Zwischenstreifen sind noch nicht ganz verlöscht und treten besonders ein Stück weit vor dem Mund recht deutlich auf. Die Schale dieser Varietät steht, nach Skulptur und Form zu urtheilen, auf einer höheren Entwicklungsstufe, als die der ersten Varietät. Während bei Varietät 2 der letzte und vorletzte Umgang Knoten tragen und die Lippe der Endwindung strombusartig verbreitert erscheint, beginnt bei der ersten Varietät die Knotenbildung auf dem letzten Umgang und die Lippe erweitert sich nur mäßig. Spuren früherer Rippen sind dagegen auf den vorher- sehenden Windungen in regelmäßig verlaufenden Anwachsstreifen vorhanden. Dadurch schließt sich Varietät 1 näher als Varietät 2 an die fossile V. lineolata Nob. an, welche ebenfalls auf den ersten Windungen feine Querrippen besitzt, die auf dem letzten Umgang durch eine Doppelreihe kleiner Knoten ersetzt werden (3, p. 68 f., Taf. XCH, Fig. 11 u. 12). Auch die Gestalt der Endwindung, sowie der Farbenton der Längslinien von V. lineolata Nob. entspricht voll- kommen der Varietät 1 von V. vexillum Martini. Von einer längsgestreiften Grundform ausgehend, leiten sich die Zeichnungen der Voluten dadurch ab, dass entweder, wie bei dem Formenkreis V. musica Lam. eine theilweise, oder, wie bei V. lap- ponica, eine vollkommene Auflösung der Streifen in Punktreihen stattfindet. Die charakteristischen Zeichnungsabänderungen, welche wir inner- halb des Formenkreises Musica antreffen, sind kurz folgende: Zonen mit feinen Längsstreifen wechseln ab mit soleher, in denen die Streifen in Punktreihen aufgelöst sind. Es tritt stellen- weise Querstreifung auf, welche schließlich vorherrschend wird und eine aus feinen Dreiecken bestehende Netzzeich- nung hervorbringt. Schon im Tertiär findet sich eine Form, Voluta Branderi Defr., die sich dadurch von den übrigen längsgestreiften Arten unterscheidet, dass die feinen über ihre Schale verlaufenden Streifen in drei be- stimmten Gruppen angeordnet sind. Ein solches Zeiehnungsschema, das sich selbst wieder aus einer regelmäßig vertheilten Längsstreifung herausgebildet hat, wie wir es bei einer sehr seltenen Varietät von Conus figulinus beobachten, liegt den Formenkreisen Musica und Vespertilio zu Grunde. | Von jetzt lebenden Arten zeigt diese Eigenthümlichkeit der Tren- nung in Streifenzonen eine Varietät von V. polyzonalis Lam., die 384 Maria von Linden. aber mit der fossilen Voluta Branderi im Bau ihrer Schale keine ver- wandtschaftlichen Beziehungen aufweist und außerdem vier Binden besitzt. Die von ÜHEMNITZ als Grundform dieser Art bezeichnete Schale hat in Punkte aufgelöste Streifen. Bei den übrigen zum Formenkreis Musica gehörenden Voluten besteht die Zeichnung in einem meistens aus Querstrichen, bei weniger weit entwickelten Formen aus Punkten oder auch aus Längslinien bestehenden Band an der Oberseite, und vier Bändern an der Unter- seite der Schale, von denen meistens das erste und dritte in Punkte aufgelöst ist, während in den übrigen die Streifen noch ganz bestehen oder nur zum Theil, wie bei Voluta guinaica Lam. Punktreihen bil- den. Bei der Grundform Voluta musica L. ist das beschriebene Zeichnungsschema am beständigsten und ändert nur darin ab, dass bei den einen mehr, bei den anderen weniger Grundfärbung auftritt, die verbunden mit den Punktreihen quere Ziekzackzeichnung hervor- bringt. Die Querzeichnung beginnt stets an der Oberseite der Schale, tritt dann in den Streifenzonen auf und verbreitet sich schließlich über die ganze Schale. Auch beobachtet man bisweilen Anfänge von Dreieckszeichnung. Die Zonen, in welche die Zeichnung geschieden ist, sind von gröberen Flecken begrenzt, die bei den einzelnen Exem- plaren ebenfalls,in der Größe variiren. Während ÖHEunItz ein Exemplar von Voluta guinaica Lam. ab- bildet (16, Bd.V, Hft.2, Taf. XXVI, Fig. 7,8), welches, wie oben erwähnt, in allen Bändern Punktreihen hat, liegt mir ein Exemplar derselben Art vor, welches sich in der Großherzogl. Naturaliensammlung in Karls- ruhe befindet, auf dem sich die Punkte durch Hinzutreten von Grund- färbung zu queren Ziekzackbändern vereinigen, die über die ganze Schale verlaufen. Nur stellenweise treten noch Punktreihen auf, doch senügen dieselben, um die Musica-Zeichnung wieder zu erkennen. In den Begrenzungsflecken der Bänder fließen die Ziekzackstreifen meistens zusammen, so dass sie sich von hier aus zu gabeln scheinen. Auch bei Voluta chlorosina Lam. ist ein deutliches Hervor- treten der Querzeichnung bemerkbar. Da die Schale sehr pigment- reich ist, so kommt die Musica-Zeichnüng nur an der Lippe eine Strecke weit zum Vorschein. Die übrigen Varietäten von Voluta musica zeigen keine so große Neigung zur Querzeichnung. Voluta carneolata Lam. unterscheidet sich nur dadurch von der Grund- form, dass die Schale etwas gelbroth gefärbt ist, während die V. mu- sica-Schalen meistens weiß oder grauweiß sind. Voluta sulcata Martini hat, so viel sich nach der Cuemntrz’schen Abbildung und Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 285 Beschreibung (16, Bd. V, Hft.2, Taf. XXXIV, Fig. 11 u. 12) beurtheilen lässt, theils längsverlaufende Punktreihen, theils Längslinien. Die ursprünglichste Zeichnung in dem Formenkreis musica hat demnach Voluta polyzonalis Martini und wahrscheinlich V. sul- eata Martini. Eine Umbildung der auf Zonen vertheilten Längs- linien und Punktreihen finden wir bei Voluta guinaica Lam. und V. chlorosina Lam., mit entschiedener Neigung zu Querstreifung und nach einer anderen Richtung zu Dreieckszeichnung bei V.musicaL. und carneolata Lam., bei welchen aber eine Trennung der Zeich- nung in vier Zonen erhalten bleibt. In Sehalenform und Skulptur unterscheidet sich nur Voluta mu- sica in wesentlichen Punkten von den anderen Varietäten der Voluta sulcata Martini, sie besitzt neben der ursprünglichen Zeichnung auf der letzten Windung zahlreiche längsverlaufende Leisten, die an tertiäre Formen erinnern. Ihr Embryonalgehäuse ist etwas breiter als das- jenige von Voluta guinaica Lam. und chlorosina Lam., welches glatt und spitzig ist und von Rippen tragenden Windungen gefolgt wird. . Die Rippen sind bei beiden Formen breit und ermangeln der Knoten am Kiel. Bei V. musiea L. und V. carneolata Lam. sind die Knoten am Kiel der letzten Windung meistens sehr stark entwickelt und erlangen bisweilen, besonders bei Voluta musica, ein dornförmiges Aussehen. Auf den jüngeren Umgängen sind die Knoten in dem- selben Maße ausgepräst, als es bei den vorher genannten Vertretern dieses Formenkreises der Fall ist. Das Embryonalgehäuse von V. musica L. ist meistens glatt, aber breiter als bei den übrigen For- men. Von besonderer Bedeutung für die Ableitung des Formenkreises Vespertilio ist neben den Anfängen einer Dreieckszeichnung das Vorkommen von Skulpturanfängen auf den embryonalen Win- dungen einzelner Individuen. Die kleinen Rippen, welche zuerst als weiße Querstreifen erscheinen, später erhaben werden, sind, bei einem mir vorliegenden Exemplar aus der Sammlung des Zoologischen Instituts zu Tübingen, auf der letzten embryonalen Windung in der Zahl von 18 vorhanden. Auf der ersten Windung des späteren Ge- häuses befinden sich nur noch zwölf Rippen, welche am Ende des Umgangs durch kleine in ihrer Mitte befindliche Erhebungen die Stelle bezeichnen, an der später Knotenbildung auftritt. Auf das Zeichnungsschema des Formenkreises Musica lässt sich sowohl die Zeichnung von Voluta hebraea L. als auch die- jenige des Formenkreises Voluta vespertilio L. zurückführen. Wir können bei beiden Formen, ausgenommen die weiter abgeän- I86 Maria von Linden. derten Varietäten von V. vespertilio L., vier Bänder an der Unter- seite deutlich unterscheiden, welche den Zonen von Musica ent- sprechen. Der Pigmentreichthum von Voluta hebraea L., die Neigung der vier Bänder sich in schmälere Streifen zu spalten und die quer- gestellten Begrenzungsflecke der Bänder verrathen eine nähere Be- ziehung dieser Volute zu V. chlorosina Lam., während die aufgetriebene Endwindung mit ihren kräftig entwickelten Dornen als weiteres Ent- wieklungsstadium der Form Voluta musica L. aufgefasst werden kann. Das ziemlich spitzige Embryonalgehäuse und die breiten Rippen auf den jungen, nicht embryonalen Windungen erinnern wieder mehr an V. chlorosina Lam. und V. guinaica Lam., während sich vom vierten nicht embryonalen Umgang ab deutliche Knoten entwickeln, die auf der Endwindung ähnlich wie bei einigen Indi- viduen von V. musica L. zu Stacheln werden und von einem kleinen Kanal durchsetzt sind. Sie sind wie dort leicht hakenförmig, und nach rückwärts und aufwärts gekrümmt. Schon auf der ersten Rippen tragenden Windung bezeichnet eine Einschnürung der Rippen die Stelle, wo später Kiel und Knoten entstehen. Endlich sei noch erwähnt, dass das glatte weiß oder gelblich gefärbte Embryonalgehäuse seitlich über die darauf folgende Windung hinausragt und Neigung hat schief zu werden. Ähnliches beobachten wir bei den Embryonalwindungen von Voluta earneo- lata Lam. Im Gegensatz zu Voluta hebraea L., welche in Bezug auf Skulptur und Gehäuseform zuerst die Charaktere anderer Varie- täten und später erst die von Voluta musica L. zum Ausdruck bringt und in ihrer Zeichnung am meisten Ähnlichkeit mit V. chloro- sina Lam. behält, schließt sich Voluta vespertilio L. zunächst an V. musica L. an. Eine von CHEmnıtz abgebildete Varietät (16, Taf. XXVIIL, Fig. 7 u. 8) zeigt wie die Zeichnung ursprünglich in vier Zonen angelegt ist, wovon die erste und dritte aus Punkten bestehen, die entweder ganz getrennt sind, oder nur wenig mit einander ver- schmelzen. Die zweite und vierte Zone, in welchen auch, wie bei Voluta musica L., Grundfärbung in Form von Querstreifen auftritt, ist aus zahlreichen querverlaufenden Zickzackstreifen gebildet. Die übrigen Zeichnungsvarietäten von Vespertilio entstehen dadurch, dass sich die Querstreifen entweder auch auf die erste und dritte Zone ausdehnen, oder dass sich in den genanten Zonen die Punkte zu einer feinen aus kleinen Dreieckchen bestehenden Netzzeichnung verbinden, während in der zweiten und vierten Zone große Drei- ecke zu Stande kommen. Ihre Begrenzungen werden durch dunkle, Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 287 feine, querverlaufende und unter sich parallele Streifenüberreste ge- bildet !. Das Embryonalgehäuse von Voluta vespertilio L. ist noch breiter als dasjenige von Voluta musica L., regelmäßig gewunden und trägt vom zweiten Umgang an kleine Querrippen, die in der Mitte des sichtbaren Theiles der Windung anfangen knotig zu werden. Bisweilen verschwinden die Rippen auf dem letzten Stücke der em- bryonalen Endwindung. Auf den späteren Umgängen treten an Stelle der Erhöhungen der embryonalen Rippen stachelförmige Knötchen auf, die von einem Kanal durchsetzt sind, auf dem letzten Umgang an Größe zunehmen und wie bei Voluta hebraea L. nach aufwärts und rückwärts gekrümmt sind. Die äußerste Spitze der Stacheln bleibt, sobald dieselben größer werden, hohl, so dass sie nach vorn offene Rinnen darstellen. Vor dem Mundsaum tritt bisweilen ein Knoten auf, der in seiner Gestalt an die Knoten von Voluta musica L. erin- nert. Die Rippen schwinden schon auf der ersten nicht embryonalen Windung an der Oberseite vollkommen. Nach unten setzen sie sich auf sämmtlichen Umgängen ein Stück weit fort. Bei einigen Exem- plaren von Voluta vespertilio L. überdeckt die zweite nicht em- bryonale Windung die vorhergehende an einer Seite fast vollständig, eine Erscheinung, die auch bei einzelnen Individuen von Voluta mu- sica L. anzutreffen ist, sich aber dort weniger entwickelt zeigt, als bei Voluta vespertilio L. Andere mit Voluta vespertilio L. nah verwandte Formen sind V. serpentis Lam., V. serpentina Lam., V. mitis Lam., V. aulica L. und V. imperialis Lam., auch V. magnifica Chem. ist zu diesem Formenkreis zu stellen. In ihrer Zeichnung sind sich alle genannten Voluten sehr ähn- lich. V. serpentis Lam. ist etwas heller, V. serpentina Lam. und V. mitis Lam. viel dunkler gefärbt. Bei V. aulica L. fehlen die großen Dreiecke und das Pigment ist röthlich. V. imperialis Lam. hat zwei dunkel pigmentirte Bänder, das eine liegt in der Mitte, das andere am unteren Ende der Schale. Ein drittes Band legt sich am oberen Rand unterhalb der Stacheln an. Die Bänder entstehen da- durch, dass sich innerhalb der durch die queren Ziekzacklinien ge- bildeten Dreieckchen Pigment einlagert. Zum Theil bleiben größere i Ein Exemplar von Voluta musica, welches ich in der Karlsruher Samm- lung vorfand, ist durch dieselbe Ausdehnung der Querstreifen auf die erste und dritte Zone ausgezeichnet und erinnert darin lebhaft an gewisse Vesper- tilio-Varietäten, die ganz mit Querlinien bedeckt sind. IS8 Maria von Linden, Dreiecke in den Bändern besiches deren Pa wie bei V. vesper- tilio L., nach vorn gekehrt sind. Bei Voluta magnifica Chem. sind keine deutlichen Querstreifen mehr zu beobachten, sie sind in einander geflossen und geben der Schale einen gelblichen Grundton, von dem sich scharf begrenzte, srößere und kleinere weiße Dreiecke abheben. Besonders deutlich treten auch hier die Dreiecke in den dunkleren Binden auf. Allen zum Formenkreis Vespertilio L. gehörenden Arten ist ein breites Embryonalgehäuse gemeinsam, doch trägt dasselbe bei einem Theil Rippen, während es bei anderen glatt wird. Ein Ver- schwinden der Rippen auf dem letzten Embryonalumgang kommt schon bei einzelnen Exemplaren von V. vespertilio L. vor und wiederholt sich bei V. serpentina Lam., während V. serpentis Lam. und V. mitis Lam. noch ausgesprochene Rippen tragen. V. aulica L. hat noch Spuren von Rippen auf dem zweiten und dritten Embryonal- umgang, auf dem vierten sind sie völlig verschwunden; bei V. magni- fica Chem. werden die Rippen auf dem vierten Umgang undeutlich. Ein ganz glattes Embryonalgehäuse beobachten wir bei Voluta im- perialis Lam. Was die Skulptur der späteren Schale betrifft, so hat ihre Entwicklung auf V. serpentina Lam., V. serpentis Lam. und V. mitis Lam. viele Ähnlichkeit mit derjenigen von V. vespertilio L. Die Dornen auf den Umgängen bleiben jedoch bei allen drei Arten kleiner und verschwinden meistens am Ende des letzten Umgangs. Eine fast vollkommene Rückbildung der Skulptur beobachten wir bei Voluta aulica L. und V. magnifica Chem. Die erstere ist ganz glatt, bei der letzteren haben sich die Knoten zu einem deutlich aus- geprägten Kiele umgebildet, sind aber bisweilen noch in Andeutungen vorhanden. Ein Bestehenbleiben der Dornen finden wir bei Voluta imperialis Lam., während die Rippen hier ganz verloren gehen. Die Dornen werden auf dem ersten Umgang mit Schalensubstanz aus- gefüllt, bilden aber später lange an der ganzen Unterseite offene Rinnen. Die Dornen sind in derselben Weise nach rückwärts und aufwärts gekrümmt, wie bei V. vespertilio L., sind aber kürzer und dünner als jene. Die Schalenformen von V. imperialis Lam. und vespertilio L. unterscheiden sich besonders dadurch, dass der Kiel bei ersterer be- deutend höher liegt und die letzte Windung sich bauchig erweitert. Die Anwachsstreifen bilden an der Oberseite des letzten Umgangs nach vorwärts gekrümmte Bogensegmente, welche stellenweise senk- recht zur Schalenfläche lamellenartig vorspringen und durch ihre Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 289 Richtung am Mundsaum eine schalenschlitzartige Bildung veran- lassen. Der Schalenform nach der V. imperialis Lam. sehr ähnlich ist V. seapha Gm. Die Stacheln fehlen jedoch vollständig, statt dessen springt der Kiel, der ebenfalls weit nach oben gerückt ist, stark vor. Die Anwachslinien verlaufen in derselben Richtung wie bei V. im- perialis Lam. und die letzte Windung ist stark ausgebaucht. Auf jungen Schalen, deren Kiel viel weniger stark ausgeprägt ist und Spuren von Knoten zeigt, lässt sich erkennen, dass auch hier eine Verschmelzung von Dornen oder Knoten zu einem Kiel stattgefunden hat. Die Zeichnung von V. scapha Gm. unterscheidet sich dadurch von V. imperialis Lam., dass die kleineren Dreieckchen in den Streifen zwischen den Bändern zu großen Ziekzackstreifen verschmolzen sind, welche bei den ausgewachsenen Exemplaren zu breiteren, ziemlich weit von einander abstehenden, über die ganze Schale verlaufenden Zickzackbändern werden. Die drei Längsbänder, welche bei V. im- perialis Lam. beschrieben wurden, sind bei jungen Schalen sehr breit und zusammenhängend. Im späteren Wachsthum werden sie stellen- weise unterbrochen und verschwinden zuletzt ganz. Durch die eigenthümliche Umgestaltung ihrer Schale vermittelt V. imperialis Lam. den Übergang zu der Gattung Cymbium. Das breite Embryonalgehäuse von Cymbium zeigt bisweilen noch Überreste von Rippen und ist eben so hoch gewunden, wie das von imperialis. Die Skulptur auf der nicht embryonalen Schale von Cymbium ändert dahin ab, dass die rinnenförmigen Stacheln von Anfang an offene Rinnen bilden. Auf dem letzten Umgang nehmen sie an Gröbe be- deutend zu und erreichen bei einzelnen Arten, z. B. bei Cymbium armatum Lam. (16, Taf. XLIH, Fig. 1 u. 2), ähnliche Dimensionen, wie die Stacheln der V. imperialis Lam. Was die weiteren Umbil- dungen der Cymbienskulptur und Schalen betrifft, verweise ich auf p. 270. Zeichnung ist bei Cymbium meistens nur noch in Über- resten erhalten. Dieselbe besteht gewöhnlich in zwei bis drei Reihen breiter Flecken, welche an denselben Stellen sitzen, wie die dunkeln Bänder von V. imperialis Lam. Bisweilen stehen diese Flecken noch durch quere Zickzackstreifen unter einander in Verbindung, die in der Breite und Anzahl mit denjenigen von V. scapha ungefähr über- einstimmen (z. B. Cymbium armatum Lam. [siehe p. 282]. Ich habe bereits erwähnt, dass die Abänderungen in der Zeichnung-, Skulptur- und Schalenform der Voluten des Kreises Lapponica von den be- schriebenen wesentlich verschieden sind. 290 Maria von Linden, Wir treffen Punktreihen, welche über die ganze Schale verlaufen, und deren Elemente meistens strichförmig sind. Selten verschmelzen die Punkte zu Fleckenreihen. Die Punktreihen stehen Anfangs regelmäßig wie bei einzelnen Conus-Arten (Conus stercus muscarum), von denen ich später zu reden habe, durch Hinzutreten von Grundfärbung vereinigen sich deren Elemente zu quer verlaufenden Ziekzackstreifen. Diese sind mehr oder weniger gleichmäßig über die Schale vertheilt, bleiben schmal, fallen stellenweise aus oder vereinigen sich zu breiteren Bändern. Den einzigen Fall, in dem Fleckenbänder auftreten, stellt die in ihrer Zeichnung sehr beständige Art Voluta junonia Chem. dar. Die Flecken sind durch Verschmelzung mehrerer Punkte entstanden und zeigen wenig Neigung andere Kombinationen zu bilden. Die Übergänge von Punktirung zu Querstreifung sind bei den verschie- denen Varietäten von V. lapponica L. deutlich zu verfolgen. Eine Varietät von V. lapponica L. hat auf der Endwindung Punktreihen, deren Elemente an drei Stellen (am oberen Rand, in der Mitte und am unteren Rand) strichförmig sind. Dieselben stehen theils in ununterbrochenen längsverlaufenden Linien, oder sind zu feinen quer verlaufenden Zickzacklinien angeordnet. An den drei erwähnten Stellen tritt außerdem Grundfärbung auf, welche mit den Punkten Querstreifen bildet. Zwischen dem untersten und. mittleren, dem mittleren und oberen Rand liegen schmälere Zwischenstreifen, in welchen noch regelmäßige Reihen feiner Punkte zu finden sind, die bisweilen die Fortsetzung der Querstreifen darstellen. Bei anderen Varietäten schreitet die Verschmelzung der strich- förmigen Elemente der Punktreihen zu Querstreifen weiter fort. ÜHEMNITZ unterscheidet noch zwei weitere Varietäten, je nachdem die Zickzackstreifen nur den oberen Theil der Schale einnehmen oder sich über die ganze Schale ausdehnen. Bei letzterer besteht außerdem die Eigenthümlichkeit, dass am Lippensaum wieder Punkte erscheinen, die in Ziekzacklinien angeordnet sind. Die Schale von Voluta lapponica L. hat, obgleich sie größer ist, viel Ähnlichkeit mit der tertiären Form Voluta bulbula Lam. aus dem Grobkalk von Vassy (20, Taf. CCXIL, Fig. 28, p. 697). V. bul- bula hat auf der Spindel vier, die recente lapponica sechs Falten, wovon zwei den Charakter von Nebenfalten tragen. Das Embryonal- gehäuse ist bei beiden Arten glatt, die zwei oder drei nächsten Win- dungen tragen feine Rippen, die später verschwinden. Bei einem Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 291 Exemplar von V. lapponica tritt vor der Mündung ein vereinzelt stehender Knoten auf. DesHaYEs bezeichnet die V. bulbula als wenig veränderliche Form (3, p. 685), Zeiehnungsreste sind leider nicht er- halten geblieben. Wegen der Beziehungen zu anderen Arten ist es von Interesse zu erwähnen, dass bei einigen Schalen von V. lapponica die Achse des Embryonalgehäuses mit der Spindelachse einen Winkel bildet, eine Abänderung, die schon bei einer Varietät von V. vexil- lum damit beginnt, dass durch unregelmäßiges stärkeres Wachsen der zweiten und dritten Windung des Anfangsgehäuses die erste eine schiefe Stellung erhält und nicht mehr genau die Spitze der Spindel bildet. Ferner ist es interessant zu verfolgen, wie sich unter den Formen mit schiefen Anfangsgehäusen die embryonale Entwicklung mehr und mehr verkürzt, so dass wir bei einer Endform V. fulmi- nata Lam. ein Embryonalgehäuse erhalten, welches nur aus einer einzigen umfangreichen Windung besteht. Von einer ähnlichen Form wie V. lapponica L. muss die mit regelmäßigen Querstreifen versehene V. undulata Lam. abgeleitet werden. CHEMNITZ bildet eine Varietät ab, die außer den Quer- streifen in vier Bänder angeordnete, durch Grundfärbung erzeugte Flecken hat. Bei einem mir vorliegenden Exemplar tritt die Grund- färbung wie bei V. lapponica in Querstreifen auf. Das Schiefwerden des Embryonalgehäuses ist auch bei einzelnen Exemplaren von V. undulata Lam. zu beobachten. Die spätere Schale ist vollkom- men glatt. An V. undulata Lam. schließen sich V. fusiformis Sow. und V.magellanica Chem. an. Die Zeichnung besteht bei beiden Formen in quer verlaufenden Ziekzackstreifen, die auf den ersten Windungen scheinbar parallel verlaufen, sich aber auf der Endwindung vielfach schneiden, mit einander verschmelzen und durch hinzutretende Grund- färbung an zwei Stellen, in der Nähe des oberen Randes und etwas unterhalb der Mitte, zwei breite Bänder andeuten. Die Zeichnung von V. magellanica Sow. ist noch weiter fortgeschritten, indem bei ihr das Verschmelzen der Zackenlinien schon auf dem vorletzten Umgang beginnt. Die Gehäuse beider Formen sind glatt und von spindelförmiger Gestalt. Das Embryonalgehäuse, welches aus 11/;—2 Windungen besteht, ist bei V. fusiformis Sow. etwas schiefer, als bei V. un- dulata Lam., bei V. magellanica Chem. besteht es nur aus 1'/, Windungen und steht mit seiner Achse vollkommen rechtwinklig zu der des späteren Gehäuses. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. f DR, 292 Maria von Linden, Eine weitere Art mit schief aufsitzendem Embryonalgehäuse und undulata-Zeichnung ist V. fulminata Lam. Sie unterscheidet sich von den vorhergehenden Arten dadurch, dass ihr Gehäuse bei klei- nen Exemplaren auf allen, bei großen auf allen mit Ausnahme der letzten Windung Rippen trägt. Ferner verlaufen Längsrillen über die Schale, die jedoch auch auf der Endwindung großer Exemplare verschwinden. | Das Embryonalgehäuse von V. fulminata besteht nur aus einem Umgang, selten aus 11/,. Die Zeichnung der Schale ist bei kleinen Exemplaren von der Undulatazeichnung wenig verschieden, bei großen ausgewachsenen Individuen verschmelzen die Zackenlinien wie bei V. fusiformis und V. magellanica. Dieselbe Entwicklungsstufe der Zeichnung beobachten wir bei V. pacifica Sol., einer Art, welche die Endform einer zur eben be- sprochenen parallelen Reihe bildet. V. pacifica hat ein normal aufsitzendes Anfangsgehäuse, ihre Zeichnung ist der von fusiformis sehr ähnlich, nur sind die beiden Bänder, bei einigen Individuen wenigstens, deutlicher ausgeprägt. Die ersten nichtembryonalen Windungen tragen Rippen, die folgenden Knoten am Kiel und die Umgänge haben ungefähr dieselben Dimensionen wie bei V. lap- ponica. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, welche uns durch das vergleichende Studium der Schalenform, Skulptur und Zeichnung er- öffnet werden, gestalten sich die verwandtschaftlichen Beziehungen der besprochenen Volutenarten so, wie ich es in beistehendem Schema übersichtlich darzustellen versucht habe: O scapha Gm: gen.Cgmbium Montf imperialislam. Tujesiris Gn ® ® ; Magellanica VespertilioL 1 knalam © anlısa Lam. 5 SZ Dee. omagnıfica Chem. OFanfica Sol. undalatalam | Tasiformis Sow. 5 oO ° hebraeal. 5 Q musical. > olyzonalıs Lam. Q Junonia Chem yaıllum Chem \/ layponicaL. O O Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 293 Die Endformen der mit V. lapponica beginnenden Reihe weichen von der den tertiären Voluten zunächststehenden, und unter den lebenden Formen die ursprünglichsten Charaktere tragenden V. vexillum nicht so weit ab, als es bei den Endformen der Musica- Reihe der Fall ist. Es gilt dies sowohl für die Schalenform, als auch für Skulptur und Zeichnung. Wir beobachten jedoch, dass besonders - für die letztere in beiden Reihen die Entwicklungsrichtung dieselbe bleibt. Längsverlaufende Punktreihen, Querlinien, Dreieckzeichnung, Längsbänderbildung, sind die Hauptstufen, welche die Zeichnung durchläuft, die Verschiedenheiten werden durch untergeordnete Ver- hältnisse, wie Anordnung der Punktreihen, Breite der Querstreifen, verschieden starke Grundfärbung ete. hervorgebracht. In Bezug auf die Entwicklung ihrer Skulptur unterscheiden sich die beiden Reihen sehr bedeutend. Während bei den Musica- und Vespertilio-Arten kräf- tige Rippen und Knoten zur Ausbildung kommen, die erst in den letzten Gliedern einer glatten Schale Platz machen, finden wir inner- halb der zweiten Reihe fast ausschließlich glatte Formen, die nur in Gestalt und Stellung der Embryonalwindungen eine höhere Entwick- lung verrathen. Es scheint mir jedoch, dass wir es sowohl bei den merkwürdig gewundenen Cymbium-Schalen, als auch bei den schief gestellten Anfangswindungen der V. fusiformis ete. mit Formen zu thun haben, die an das Pathologische grenzen. Da wir in dieser Weise umgebildete Volutenschalen im Tertiär nicht vorfinden, so müssen wir annehmen, dass wir parakmastische Degenerationserscheinungen vor uns haben, die vor Allem die Skulptur — wie bei den Ammoniten (25, p. 44) — in zweiter Linie aber auch Form und Zeichnung des Schneckengehäuses ergreifen. Entwicklung von Skulptur und Zeichnung auf Schalen der Gattung Strombus’. Wir beobachten bei dieser Gattung, dass nicht nur wie bisher die Entwicklung der Schale Hand in Hand mit der Umbildung ihrer - 1 Die Abbildungen für Strombus finden sich 16, Bd. IV: St. bitubereu- latus Lam., Taf. III, Fig. 2, 3; St. Campbelli Gray, Taf. XIV, Fig. 2; St. cana- rium L., Taf. VII, Fig. 4; St. epidromis L., Taf. VII, Fig. 7; St. fasciatus Born, Taf. IX, Fig. 1—3; St. gibberulus L., Taf. VIII, Fig. s—9, 11; St. Isabella Lam., Taf. VII, Fig. 3; St. latissimus L., Taf. IL, Fig. 1; St. Luhuanus L., Taf. VIII, Fig. 1, 2,10; St. marginatus L., Taf. VII, Fig. 2; St. Mauritianus Lam., Taf. XIV, Fig. 4—6; St.suceinetus L., Taf. VII, Fig. 1; St. variabilis Sow., Taf. IVa, Fig.1,2; St. vittatus L., Taf. VII, Fig. 5, 6, 8, % 20* 294 Maria von Linden, Zeichnung geht, sondern dass die Form der Schale einen unmittel- baren Einfluss auf die Gestaltung der Zeichnung ausübt, indem be- stimmte Umbildungen bei ersterer von besonderen Abänderungen der letzteren begleitet sind. Die Abhängigkeit dieser beiden veränder- lichen Größen von einander scheint auf einfachen mechanischen Vor- gängen zu beruhen. Dadurch, dass bei Strombus die primäre Längszeichnung voll- kommen ausgefallen ist, zeigt sich die Mannigfaltigkeit der Zeich- nung viel geringer als bei Voluta. Vergleicht man die Schalen einer größeren Anzahl von Strombus- Arten, so ergeben sich drei Richtungen, nach welchen die Zeichnung der meisten Arten abändert. Sehr selten tritt noch eine vierte hinzu: 1) Die ursprünglich gleichmäßig über die Schale vertheilten quer verlaufenden Zackenlinien (z. B. St. canarium L.) vereinigen sich zn breiteren Streifen (St. latissimus). 2) Es bilden sich breitere längsverlaufende Bänder, in welchen die feinen Querstreifen noch zu unterscheiden sind (St. vittatus L., fascratus Born. Q er vilttalusl2. Mauritianus Lam. de u 7 Q TuhvanısL 2 Campbelli Gray suceinctus.l, ; latissimusL. gibberulusZ. Q © variabıilis Som. = DO epidromisZ. O Jsabella am. CanariumL. ® St. Campbelli Gray). Diese Spaltung der Bänder tritt auf der ver- breiterten Lippe immer am deutlichsten hervor, sofern sie noch auf den letzten Umgang beschränkt ist (St. variabilis Sow.). 3) Durch Ineinanderfließen der feinen Querlinien entsteht Ein- farbigkeit (St. Isabella Lam., St. epidromis L.). Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 295 4) Die Ziekzaek-Querlinien vereinigen sich zu einer kleinen Viereckszeichnung (St. urceus chrysostomus L.). Nach den in 1 und 4 angeführten Abänderungen tritt noch meistens die Bildung von Längsbändern, wie in 2 und 3 beschrieben wurde, hinzu. Wie sich demnach die Verwandtschaftsbeziehungen der von mir untersuchten Strombus-Arten auf Grund ihrer Zeiehnung gestalten würden, ist aus der vorstehenden schematischen Zusammenstellung ersichtlich. Auch die Entwicklung der Form und Skulptur der Schalen spricht im Wesentlichen für eine derartige Anordnung. Entwicklung der Zeichnung bei der Gattung Conus'!'. Im Gegensatz zu der vorhergehenden Gattung finden wir bei Conus eine solche Fülle von Zeiehnungsmustern, dass sich ohne große Schwierigkeit die Übergänge vom einfachsten bis zum zusammen- sesetztesten aufstellen lassen. Nachtheilig ist es freilich, dass die Skulptur bei den recenten Formen ganz zurücktritt, welche z. B. bei Voluta werthvolle Anhaltspunkte für den genetischen Zusammenhang der Arten abgegeben hat. Nur die Form des Gehäuses, die Gestalt des Kieles und Schlitzbandes kann zur Kontrolle der durch die Zeichnung erzielten Ergebnisse benutzt werden. Es lassen sich die Zeichnungsmuster der Conus-Gehäuse auf fünf verschiedene Entwicklungsreihen zurückführen, welche an ihrem Ursprung wenig von einander abweichen, aber dadurch, dass in der einen Reihe diese, in der anderen jene Eigenschaft mehr hervortritt, Endformen erzeugen, deren Aussehen sehr verschieden sein kann. Derartige im Prineip ähnliche, aber durch verschiedenstufige Ent- wicklung von einander abweichend gewordene Zeichnungsmuster ! Die Abbildungen für Conus finden sich 21: C. achatinus Chem., Fig. 191; C. amadis Chem., Fig. 222; C. araneosus Brug., Fig. 44; C. arenatus Brug., Fig. 92; C. augur Brug., Fig. 7; C. aulieus L., Fig. 134; C. betulinus L., Fig. 67; C. capita- neus L., Fig. 54; C. caledonieus Brug., Fig. 181; C. clavus L., Fig. 194; C. figu- linus L., Fig. 160; C. fumigatus Hwass., Fig. 135; C. franeiscanus Brug., Fig. 89; C. generalis L., Fig. 48; C. genuanus L., Fig. 81; C. geographus L., Fig. 130; C. hebraeus L., Fig. 104; C. imperialis L., Fig. 60; C. leoninus Chem., Fig. 26; C. leoninus Gm. (16, Bd. II, Taf, LV, Fig. 79); C. litteratus L., Fig. 183; C. magusL., Fig. 190; C. mercator L., Fig. 83; C. nocturnus Brug., Fig. 42; C. omaria Brug., Fig. 177; C. praelatus Brug., Fig. 120; C. quereinus Brug., Fig. 148; C. rubiginosus Brug., Fig. 177; C. stereus muscarum L., Fig. 90; C. stramineus Lam., Fig. 225; €. striatus L., Fig. 179; C. thalassiarchus, Fig. 8; C. tulipa L., Fig. 128; C. vermi- eulatus Lam., Fig. 104. 296 Maria von Linden, finden wir z. B. bei ©. aulieusLL., C. amadis Chem. und C. araneo- sus Brug. Die Zeichnung aller dreier Schalen besteht im Wesent- lichen aus Dreiecken, welche durch Umbildung von quer verlaufenden Ziekzacklinien entstanden sind. Die Größe der Dreiecke ist aber verschieden, eben so die Menge und Vertheilung der Grundfärbung. Während die Grundfärbung bei Amadis an den Bänderstellen von C. generalis (in der Nähe des oberen Randes und in der Mitte der Schale) am dichtesten ist, lassen sich ihre Überreste bei C. aulieus L. auf die breiten quer verlaufenden Ziekzackbinden von mediterra- neus-Varietäten zurückführen. Bei C. araneosus ist die Zeichnung überhaupt viel dünner, als bei den .vorher genannten Arten; zwei Bänder sind oft nur angedeutet. Durch Entwicklungsstillstand ist die Zeichnung von C. vermiculatus Lam. und C. capitaneus_L. zu erklären. Als Resultat einer sprungweisen Entwicklung muss die Zeich- nung von Ö©. noeturnus und marmoreus angesehen werden. Inner- halb der verschiedenen Entwicklungsreihen gestaltet sich die Ab- änderung der Zeichnungen folgendermaßen: 1) Die feinen Längsstreifen, welche die ursprünglichste Zeich- nungsform bilden und in ©. quercinus Brug. ihren Vertreter fin- den, lösen sich in Punktreihen auf und es entstehen Formen wie C. litteratus L. Die Punkte verschmelzen zu Flecken (C. leo- ninus Chem.), diese verbinden sich zu Querstreifen (C. vermicu- latus Lam.). 2) Die ursprünglichen feinen Längsstreifen sind theils zu brei- teren verschmolzen, theils ausgefallen (C. figulinus L.). Die übrigen, breiteren Streifen lösen sich in Punktreihen auf (C. betulinus L.). Von diesen fallen einzelne aus und es entsteht die Form C. ge- nuanus L, Die Punktreihen ordnen sich zu Bändern an und ver- schmelzen zu Querstreifen (C. capitaneus L.). 3) Die Längsstreifen lösen sich in Punktreihen auf (C. franeis- canus Brug.). Die Grundfärbung, welche nie fehlt, koncentrirt sich zur Zeichnung. Es entstehen erstens regelmäßige, breite querver- laufende Zackenbänder (C. achatinus’ Chem.). Diese lösen sich in Zackenflecken auf, welche in Form von zwei breiten Längs- bändern über die Schale verlaufen (C. nebulosus Soland.). Zwei- tens werden durch die Punktreihen in Verbindung mit der Grund- färbung zahlreiche feine Ziekzackstreifen gebildet, welche sich zu Dreiecks- oder Viereckszeichnung umgestalten (C. mercator L., Conus clavus L. ete.). - Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 297 4) Die Längsstreifen lösen sich in Punktreihen auf (C. stereus musearum L.). Durch Querverbindung der Punkte entstehen Flecken, Binden, Dreiecks- und Viereckszeichnung (C. araneosus Brug., C. imperialis L., ©. nocturnus Brug.). Bei C. geographus ist end- lich eine sekundäre Längsstreifung zu beobachten (sehr deutlich bei einem Exemplar der Tübinger Sammlung), die sich, wie früher be- schrieben, aus der netzförmigen Zeichnung entwickelt. 5) Die Längsstreifen lösen sich in Punktreihen auf (C. magusL.). Diese verbinden sich zu querverlaufenden Ziekzacklinien (C. augur Brug., C. speetrum L., C. generalis L.). Durch Auftreten von Grundfärbung an bestimmten Schalen- stellen und durch Koncentration der Querstreifen entstehen breitere Längsbänder (C. generalis L. var... Diese verbreitern sich und können zu Einfarbigkeit führen (C. generalis L. var.). Bei C. amadıs Chem. verbinden sich die Querlinien zu Dreieckszeich- nung. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, würden sich die Ver- wandtschaftsbeziehungen der Arten innerhalb der Gattung Conus folgendermaßen gestalten. aulieusZ. rubiginosus Drug. 4 4 „N9 elurnus Drug. fextile I. a k maria Brug,. praelatusBrug. Amadıs Chem. © inpertalisl2. ® ArAancosus vermiculatus Zam T O Brug. mıercator IL. Q capilaneus 2. U) hebraeu:s 1. ‚genuanus L. Q Q leoninı.s Chem‘ h 9 Zeoninus Gm. falipal. „renatus Brug ® betulinusZ.\figuänus | A striatusL. Uiteratus ® 2. acha, 10005 ® ete. Q S Q a, stercus muscarum L. f Frane a O Se generalisL. . ? TUg. gur Drug. quercinus Brug T G H Z O oO IM magus L, ® Was die geographische Verbreitung der untersuchten Gastro- poden betrifft, so kommt die Mehrzahl derselben im Indischen Ocean vor. Aus kälteren Meeren stand mir nur Conus franciscanus Brug., eine Varietät des Conus mediterraneus, zur Verfügung. Dieser letztere, sowie die anderen Varietäten des Mediterraneus, zeichnet sich beson- 298 Maria von Linden, ders dadurch aus, dass sich auf den Schalen noch viel Grundfärbung vorfindet, welche sich allmählich zur Zeichnung koncentrirt. Wir treffen daher bei Mediterraneus keine so ausgesprochene Zeichnung, wie auf den Schalen der in wärmern Meeren vorkommenden Arten, so dass auch hier das Gesetz Anwendung findet, dass in wärmeren Gebieten in Bezug auf Zeichnung höher entwickelte Formen vor- kommen als in kälteren Zonen (4f, I. Thl.). 1. Beziehung von Schalenskulptur und Zeichnung zur Gestalt und Beschaffenheit der Manteloberfläche, Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Gastropodenschale einen Abguss des sie absondernden Mantels darstellt und dass aus diesem Grunde sämmtliche Unebenheiten, welche sich auf dem Ge- häuse vorfinden, auf der Oberfläche des Mantels vorgebildet sind. Diese Ansicht wird unter Anderem durch Untersuchungen Leypie’s über die Entwicklung der Paludina vivipara (15a, p. 135) begründet. Er hat beobachtet, dass der Mantelsaum dieser Schnecke während einer bestimmten Zeit des Embryonallebens an der rechten Seite drei Fortsätze trägt, die Anfangs bloß warzenförmig gestaltet sind, sich aber schließlich zu drei langen, fingerförmigen Mantelfort- sätzen ausbilden. Diese Fortsätze erzeugen auf der Schale des Thieres Abgüsse, welche ihrer zunehmenden Größe entsprechen und einer spitz zulaufenden Hohlkehle ähnlich sind. Da diese Hohl- kehlen kontinuirlich auf einander folgen, so werden drei Längs- kämme auf der Schale sichtbar, die man bei flüchtiger Betrachtung für Haare hält, in Wirklichkeit aber sind es Leisten, welche aus dicht hinter einander folgenden, spitz zulaufenden Hohlrinnen ge- bildet sind. Diese Beobachtung ist um so interessanter, weil sie nicht nur beweist, dass die Hohlrinnenbildung durch eine bestimmte Zeit hindurch bestehende Fortsätze. des Mantels verursacht wird, sondern uns gleichzeitig zeigt, auf welche Weise das Wachsthum der Schale von Paludina vivipara in den letzten Stadien des Embryonal- lebens vor sich geht. Damit nämlich die jeweilige Größe der Fort- sätze durch die Größe der auf der Schale befindlichen Hohlkehlen zum Ausdruck komme, ist es nothwendig, dass der Mantel, so oft die Schale eine Vergrößerung erfahren soll, um eine ganze Fortsatz- länge vorrückt und in dieser neuen Lage Kalk absondert. Würde ein allmähliches Weiterrücken des gleichzeitig Kalk abscheidenden Mantels stattfinden, so würde auf der Schale nicht die Form und Größe der Fortsätze, sondern nur deren Spur, die in einer zusammen- Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 299 hängenden Längsleiste bestehen müsste, zum Ausdruck kommen. Ich werde später noch von dieser Art des Wachsthums zu sprechen haben, auf welche Levpıe überhaupt die Entstehung der von Stelle zu Stelle auf der Schale der Meeresschneeken wiederkehrenden Unregelmäßig- keiten zurückführt (14a). Auch Jonnston (11) ist der Meinung, dass die Schale einen bleiben- den Abdruck der Form und der Haupteigenschaften des Mantels vorstellt. Eine von diesen beiden etwas abweichende Auffassung von der Entstehung der Skulptur an der Schalenoberfläche giebt MArTens (15). Er nimmt an, dass die Querrippen dadurch zu Stande kämen, dass der ganze Mantelrand periodisch Kalk absondere, während die Längs- rippen Produkte einer einzigen fortwährend gleichmäßig Kalk ab- scheidenden Mantelstelle seien. ZiTTEL (27) vertritt die Leypıg’sche Ansicht, weist aber darauf hin, dass hauptsächlich die Beschaffenheit des Mantelsaumes, welcher die äußere Schalenschicht absondert, für das Aussehen der Schalen- oberfläche maßgebend sei, eine Beschränkung, welche besonders in den Fällen, in welchen die Skulptur durch Faltung der Cuticula - hervorgerufen wird, zutreffend ist. Auch die Ergebnisse meiner eigenen Beobachtungen lassen darauf schließen, dass in der That sämmtliche Unebenheiten der Schalen- oberfläche auf dem Mantel vorgebildet sind. Bei Trochus turbi- natus Born. finden wir z. B. elf bis zwölf Längsrippen (Taf. XI, Fig. 6 u. 7) auf der Schale. Die gleiche Anzahl von Längsleisten sind auf dem Mantel vorhanden und dehnen sich über das vordere Drittel seiner Fläche aus. Die hinteren Theile des Mantels sind eben. Wenn Schale ablösen, so finden wir, dass auch die Lage und Anordnung der Mantelleisten, denjenigen der Schale ent- spricht. Ähnliches ergiebt sich aus dem Vergleich von Schale und Mantel von Murex trunculus L. Den Mantel von Schnecken, deren Schale Querrippen tragen, hatte ich noch nicht Gelegenheit zu untersuchen und kann so- mit nicht darüber entscheiden, ob auch diese Skulpturform in gleicher Weise wie die Längsskulptur auf dem Mantel vorgebildet » ist, glaube aber dies annehmen zu dürfen, da die Struktur der beiden Gebilde, wie sich auf mikroskopischen Schliffen nachweisen lässt, vollkommen gleich erscheint. Die Verhältnisse, welche bei Helieiden getroffen werden, berechtigen zu der Annahme, dass nicht nur die gröbere Skulptur von der Gestalt der Manteloberfläche abhängig ist, sondern dass auch die feineren Differenzirungen der Schalenfläche, 300 Maria von Linden, die als zarte Quer- und stärkere Längslinien schon auf der Cuticula zum Ausdruck kommen (Taf. XI, Fig. 8) durch abwechselnd erhabene und vertiefte Leistehen auf dem vorderen Theil des Mantels erzeugt werden. Die quer verlaufenden Mantelleisten erstrecken sich in der Riehtung der Anwachsstreifen (Taf. XI, Fig. 9) auf der Schale, die Längsleisten entsprechen in ihrer Gestalt und ihrem Verlauf den Längslinien auf der Oberfläche der Gehäuse. Diese letzteren sind, wie ich bereits erwähnt habe, auf der Schale meistens weniger stark ausgeprägt als die Anwachsstreifen und verschwinden auf den letzten Umgängen oft ganz, zeigen also ein ähnliches Verhalten, wie die - Längsrippen!. Levvis hat diese beiden Liniensysteme auf der Schale der Palu- dina vivipara Lam. schon in den ersten Stadien ihres embryonalen Auftretens beobachtet, allerdings nur bei 420facher Vergrößerung (14a, p. 134). In dieser Periode konnte aber noch kein Vorrücken des Mantels stattgefunden haben. Bei Heliciden sind die Streifen auf dem embryonalen Gehäuse schon bei 37facher Vergrößerung zu erkennen. Mit wachsender Windungszahl werden besonders die Anwachsstreifen gröber und unregelmäßiger und erscheinen bisweilen, z. B. bei Helix pomatia L., auf alten Individuen als rippenähnliche Bildungen (Taf. XT, Fig. 8). Auf Schnitten durch den Mantel von Helix hortensis, welche senk- recht zu der Richtung der Anwachsstreifen ausgeführt sind, finden wir Erhebungen des Epithels, welche übereinstimmend mit den gegen vorn an Größe zunehmenden Anwachsstreifen am Mantelrand am höchsten sind und sich gegen das entgegengesetzte Ende des Mantels allmählich verflachen und zuletzt ganz verlieren. An den Stellen mit flachem Epithel treffen wir vielfach die einzelnen Zellen durch eine Zinnen bildende Cuticula verbunden, so dass sich hier eben- falls die Bildung abwechselnd erhöhter und vertiefter Stellen, aller- dings in viel kleinerem Maßstab, wiederholt. Die Epithelzellen sind an denjenigen Stellen, wo die Papillen am größten sind, hoch und haben meistens langgestreckte Kerne. Nach hinten werden sie nie- derer, die Kerne rund. Diese Erhebungen des Epithels stellen Querschnitte der auf dem Mantel zu beobachtenden Querleisten dar. Ähnliche Bilder erhalten wir von den Längsleisten auf Schnitten, ! Gegen die Annahme, dass die Anwachsstreifen von Unebenheiten auf der Mantelfläche erzeugt werden, spricht die Ansicht CLessin’s, welcher ihr Zu- standekommen darauf zurückführt, dass das Wachsthum des Periostracums in schmalen Absätzen erfolgt. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 301 die parallel den Anwachsstreifen geführt sind, nur bleiben die Er- hebungen viel niedriger. An der Grenzlinie dieser zottenförmigen Erhebungen des Mantels beobachtet man eine Reihe im auffallenden Licht weiß schimmernder, im durchfallenden Lieht, je nach der Einstellung schwarzer bis fast farbloser, dann aber dunkel geränderter Körnchen, welche in Zahl und Lage den Epithelzellen entsprechen und als eine Ausscheidung derselben erscheinen. Bei einzelnen ist ein schaliger Bau zu er- kennen. Es ist mir bisher noch nicht gelungen, festzustellen, ob diese Körnchen Kalkkonkretionen sind, die von den Epithelzellen ausgeschieden wurden, wie es GEGENBAUR (6) bei Limaeinen beob- achtet hat, wo jede Epithelzelle des Vordertheils des Fußes ein srößeres Kalkkorn enthielt. Diese Körnehen liegen besonders dicht am Vordertheil des Man- tels. Außer denselben finden sich noch feinkörnige Abscheidungen, die im durchfallenden Lieht grau, im auffallenden ebenfalls weiß sind, am vorderen Theil des Mantels am dichtesten liegen und wohl _ ebenfalls Kalkkörperchen darstellen. Auch Levv1G beobachtet, dass von Gehäuseschnecken neben gröberen Kalkkonkretionen feinkörniger Kalk ausgeschieden wird (14b). Es steht nun die Frage offen, wo die Bildungsstätte dieser Abscheidungen zu suchen sei. Man findet in dem unter dem Epithel liegenden Bindegewebe zerstreut, und _ eben so zwischen den Epithelzellen feine Körnchen liegen, die sich im durchfallenden und auffallenden Licht eben so verhalten, wie die soeben beschriebenen feinen Körnchen, von den gröberen Kalkkon- kretionen sah ich bis jetzt im Bindegewebe keine deutlichen Spuren. Sollten sich die letzteren unter bestimmten Umständen aus den feinen Körnchen herausbilden ? Außerdem beobachtet man mit braungelb bis schwarz gefärbter Masse erfüllte Bindegewebszellen, deren Inhalt in feiner Vertheilung ein ähnliches Aussehen hat, wie die im Bindegewebe zerstreuten Körnchen, allein bei auffallendem Licht nicht weiß erscheint. Ich bin mir noch nicht klar, ob man es hier mit den von LeyYpıe be- schriebenen Kalkdrüsen, oder aber mit pigmentirten Zellen zu thun hat. Dadurch nun, dass sich die auf dem Mantel befindlichen Längs- leistcehen zu breiteren und höheren Leisten umbilden, entstehen auf 1 LeyDIe sagt (14b, p. 232): »Die Kalkdrüse besteht aus einer Anzahl von Bindegewebszellen, die mit Kalkkörperchen gefüllt sind und sich nach außen durch Intercellularräume des Epithels öffnen.« 302 Maria von Linden, der Schale Längsrippen, wie wir es bei Trochus turbinatus verfolgen können. Der Querschnitt jeder Rippe erscheint als eine papillenförmige Erhebung des Mantels, an deren Oberfläche sich zahlreiehe hohe Epithelfalten befinden. Ob auch die Querrippen der Schale durch ähnliche Erhebungen hervorgebracht werden, hatte ich bis jetzt noch nicht Gelegenheit zu untersuchen, halte es aber für wahrscheinlich, weil z. B., wie KokeEn beschreibt (13), bei Bellerophontiden ein Über- sang der Anwachsstreifen zu Querrippen beobachtet wird. Auch bei Kırtr fand ich an verschiedenen Stellen die Bemerkung, dass die Rippen zuerst als verdiekte Anwachsstreifen erscheinen. Außerdem seben Querschliffe von Rippen dasselbe Bild, wie solche von An- wachsstreifen, natürlich in vergrößertem Maßstab. Die Annahme einer periodischen Kalkabsonderung von den die (Juerrippen bildenden Manteltheilen, wie sie MARTENS voraussetzt, ist nicht nothwendig, wenn die Vergrößerungen der Schale ruck- weise geschehen, wie es bei Paludina vivipara nothwendig voraus- sesetzt werden muss, um das Zustandekommen der Hohlkehlenbildung zu erklären. Auch zahlreiche Beobachtungen, welche ich an bauen- den Helieiden gemacht habe, lassen auf ein solches ruckweises Wachsen der Schale schließen. Zuerst wird ein strukturloses, feines Häutchen gebildet — wahrscheinlich von der inneren Seite der Fläche des Mantelrandes, an der sich zahlreiche Schleimdrüsen befinden —., das an die Deckel erinnert, welche die Schnecken bei großer Trocken- heit abzuscheiden pflegen und von dem Rande des Mundsaumes nach der Unterlage, auf der die Schnecke sich bewegt, gespannt ist. Unter dem Schutz dieses Häutchens rückt der Mantel mehr oder weniger weit vor, je nach der Jahreszeit, im Frühjahr mehr, im Herbst weniger. Die Mantelfläche scheidet nun die Cuti@ula ab, auf welcher, wie bereits erwähnt, schon Längs- und Querstreifen zu be- obachten sind. Wird das zuerst abgesonderte Häutchen zerstört oder das Thier in Troekenheit gebracht, so zieht sich der Mantel wieder vollständig zurück. Mit der Cuticula wird fast gleichzeitig eine dünne biegsame Kalk- und Pigmentschicht abgeschieden, welche durch spätere Kalkabsonderung hart und fest wird und zwar schreitet die Befestigung von hinten nach vorn. Indem ich das Gehäuse verschiedener Heliciden zum Theil ! Eine ähnliche Erscheinung ist wohl die von SIMRoTH beschriebene Um- wandlung der kleinen länglich polygonalen Runzeln von Arion zu stärkeren über den Rücken verlaufenden Hautkämmen. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 303 zerstörte — bis zu einem ganzen Umgang —, habe ich versucht An- haltspunkte zu gewinnen, auf welche Theile des Mantels sich die Bildung der Cutieula beschränkt und auf welche Weise sich die Kalkablagerung auf der übrigen Mantelfläche vollzieht. Schon am Abend des ersten Tages war von der Manteloberfläche ein Häutchen abgeschieden worden, welches jedoch noch wenig Kalk enthielt. Zuerst wurde derselbe in Form von kleinen Körnern an den Bruch- rändern und an der Unterseite des Mantels, wo wenig starke Ge- fäße verlaufen, abgeschieden. Am zweiten Tag war schon der ganze Mantel von einer dicht mit Kalk inkrustirten Haut überdeckt, die über der Pulmonalvene am weichsten war. Eine Cuticula wurde nur von dem vordersten Theil des Mantels abgesondert, bei H. hortensis so weit, als die farbigen Bänder zu erkennen waren!. Pigment und Kalk kamen gleichzeitig zur Ausscheidung. Schnecken, welche schon den Bau der Schale beendet hatten, sonderten überhaupt keine Cuticularschicht ab, einige gingen sogar nach wenigen Tagen zu Grunde. Die geflickten Schalentheile unterscheiden sich von der übrigen ‘Schale dadurch, dass sie sehr spröd bleiben und leicht zerbröckeln. BOWERBANK in Transact. of the Microscop. Society, London 1844, I, 123, spricht die Ansicht aus, dass Ausheilungen verletzter Schalen nicht durch eine vom Mantel des Thieres über die Wunde ausgebreitete Kalkrinde, sondern durch eine Ergießung gerinnbarer Lymphe be- wirkt wird, worin sich zuerst Zellenkerne erzeugen, auf welche bald eine Zellenstruktur folgt. In dieser wird die erdige Grundlage der Schale abgesondert und dadurch die Wunde ausgefüllt oder der Bruch wieder zusammengekittet. Bei manchen Meeresschnecken finden sich Querrippen ähnliche Bildungen, welche durch den Mantelrand hervorgebracht werden und sich äußerlich von den gewöhnlichen Rippen kaum unter- scheiden. Sie sind den echten Rippen bisweilen so ähnlich, dass ich mir die Frage vorgelegt habe, ob nicht beide Bildungen auf einander zurückzuführen seien. Um hierüber zu entscheiden, habe ich auf Schalenschliffen, welche senkrecht zur Spindelachse geführt waren, ! Diese Thatsache spricht vollkommen gegen die Annahme CLessmw’s (2), dass das Periostracum nie noch einmal an derselben Stelle abgesetzt werden könne, gleichviel ob die verletzte Schalenstelle in der Nähe der Mündung, oder weiter von ihr entfernt liege. Bei den von mir beobachteten Schnecken zog sich der Mantel ein Stück weit zurück und begann dann in der beschriebenen Weise Schalensubstanz abzusondern. 304 Maria von Linden, den Bau der fraglichen Gebilde untersucht und gefunden, dass sie sich beide durch eine sehr starke Verdickung der Prismenschicht auszeichnen, aber dadurch unterscheiden, dass bei den Rippen die drei Schalenschichten eine gleichmäßig verlaufende wellige Erhebung darstellen, während bei den Mundwülsten Cutieular- und Prismenschicht frei auslaufen und wenn eine Vergrößerung der Schale stattfindet, mei- stens ziemlich weit unter dem alten Schichtenpaar angesetzt werden (Taf. XI, Fig. 10—12). Bei der innersten Schicht, dem Hypostracum, ist keine Unterbrechung nach der Wachsthumspause zu beobachten. Ich schließe hieraus, was auch von Anderen angenommen wird, dass diese Schicht von den hinteren Theilen des Mantels abgesondert wird und innerhalb einer Wachsthumsperiode überhaupt nicht bis zum Mundsaum vorreicht. Erst nach Anfügung eines neuen Schalen- stückes wird der letzte Theil des vorhergehenden mit dem Hypo- stracum ausgekleidet. Die Ansatzstellen müssen auf einander treffen, weil die Lage des Mantels durch das feste Schalenstück der vorher- gehenden Wachsthumsperiode bestimmt ist. Sehr deutlich kommen diese eigenthümlichen Wachsthumsver- hältnisse bei Harpa zum Vorschein, überhaupt bei den meisten Schnecken mit bleibenden rippenartigen Wülsten. Bei Murex sind die obersten Schichten des neuen Schalenstückes nicht so tief unter den Enden der Wulstschichten gelegen und bei einem jugendlichen Gehäuse von Stromb. gallus L. treffen die Enden der Cutieularschichten vollkommen auf einander, so dass hier Wülste und Rippen nur da- durch von einander unterschieden sind, dass die auslaufende Pris- menschicht des Wulstes viel niederer ist, als die der Rippen. Auf den späteren Windungen werden die Verschiedenheiten der beiden Bildungen deutlicher, obgleich sie auf der Außenseite der Schale vollkommen gleich gebaut zu sein scheinen. Nach diesen Befunden scheint es mir ausgeschlossen, dass durch den Mantelrand echte Rippen erzeugt werden können, es müsste beim Weiterrücken des Mantels jedes Mal eine Wachsthumsstörung eintreten, die auf Dünn- schliffen in der erwähnten Weise zum Ausdruck kommen würde. — Dadurch, dass nun im Laufe der Entwicklung auf den Querrippen ähnliche Differenzirungen auftreten, wie sie vorher auf der ge- sammten Manteloberfläche beobachtet wurden, d. h. erhabene und vertiefte Stellen mit reicher Kalkabscheidung, entstehen auf den Rippen Erhöhungen, welche sich mehr und mehr von der Schale ab- heben, und meistens mit zunehmender Größe ein Schwinden der Rippen zur Folge haben. Auf diese Weise entstehen z. B. die ge- Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 305 knoteten Formen von Strombus, Voluta, oder vieler Arten von Ceri- thium u. A. Im Allgemeinen wäre somit jede Erhöhung auf der Schale auf eine örtlich reichlichere Kalkablagerung und auf eine veränderte Gestalt der Manteloberfläche zurückzuführen, die darauf beruht, dass durch Faltung des Epithels stellenweise eine Vergrößerung der kalk- abscheidenden Oberfläche hervorgerufen wird. So viel sich aus dem Vergleich der Schalen und Mäntel der wenigen Arten, die ich bis jetzt zu untersuchen Gelegenheit hatte, ergiebt, steht die Dicke der Schalen in direktem Verhältnis zur Höhe der Epithelfalten auf der Mantelfläche. Auf die verschiedenen Ansichten, welche in Bezug auf die phy- siologischen Ursachen, die der Umgestaltung der Manteloberfläche und damit der Schale zu Grunde liegen, geäußert worden sind, werde ich später noch einzugehen haben. 2. Entstehung der Schalenzeichnung. Die Kalkschichten, welche die Gastropodenschale zusammen- - setzen, sind entweder weiß oder durch Farbstoffe, welche in den- selben vertheilt sind, verschieden gefärbt. Die Art der Vertheilung dieser Pigmente bestimmt die Grundfärbung oder Zeichnung der Ge- häuse. Die Farbstoffe sind entweder gleichmäßig in den Kalk- schichten abgelagert, oder sie liegen nur in einer Schicht und be- schränken sich häufig auf bestimmte Stellen einer derselben. Im ersten Fall entsteht eine gleichmäßige diffuse Färbung der ganzen Schale, wie wir es bei den röthlichen Gehäusen der Helix hortensis Müll. beobachten, im zweiten Fall finden wir intensiv gefärbte Bänder oder Punkte und dazwischen liegende farblose Stellen, wie bei der ge- bänderten Helix hortensis. Diese die Zeichnung der Schale bilden- den Pigmente liegen meistens in den äußeren Kalkschichten, bei den dreischichtigen Porzellanschnecken in der äußersten und mittleren Lage, bei Gehäusen, denen die erste Lage fehlt, in der Prismenschicht (Heliciden.. Auf manchen Gehäusen hebt sich die Zeichnung von einer deutlichen Grundfärbung ab. Die letztere kommt dadurch zu Stande, dass in den tieferen Lagen der Prismenschicht Farbstoff ver- theilt ist, ähnlich wie bei den röthlichen Gehäusen von H. hortensis. Bei manchen Schneckenschalen (Oliven und Conus) beobachtet man eine Färbung der innersten Kalkschicht, der Porzellanschicht, und JOHNSTON berichtet von philippinischen Bulimus-Arten, deren Epi- dermis gezeichnet ist. Für gewöhnlich hat die Epidermis, welche 306 Maria von Linden, die Schale bedeckt, einen gelblichen Ton und häufig sind die Bänder, z. B. bei Helix hortensis, durch dunklere Färbung vorgezeichnet. Der Farbstoff, der in den Schneckenschalen abgelagert wird, be- steht, wie sich an entkalkten Schalenstückchen nachweisen lässt, aus kleinen, runden Körnchen, welche bei durchfallendem Lieht und tiefer Einstellung heller oder dunkler braun erscheinen und bei hoher Ein- stellung farblos werden. Außer diesem braunen Pigment glaube ich auch noch rein schwarzes beobachtet zu haben, z. B. in den Bändern sehr dunkel gefärbter H. hortensis. So viel die oberflächliche histo- logische Untersuchung bei H. hortensis, pomatia und pisana ergiebt, sind beide Pigmentarten mehr oder weniger häufig — im Frühjahr in größeren, im Herbst in kleineren Mengen — in den Epithel- und Bindegewebszellen des ganzen Gastropodenkörpers anzutreffen (Darm, Leber, Gehirn, Mantel), treten aber besonders dicht im Mantel auf!. Das hellere Pigment liegt zerstreut im Bindegewebe des Mantels in den Gefäßwänden und scheint sich an gewissen Stellen des Mantel- epithels zu diehteren Haufen zu sammeln, es liegt hier innerhalb der Epithelzellen. Das dunkle Pigment habe ich bis jetzt ausschließlich in und zwischen den Bindegewebszellen angetroffen. Der vordere Theil des Mantels ist pigmentreicher als der hintere. Bei H. arbustorum L. fand ich im Bindegewebe und Mantelepithel nur eine Pigmentart, die in Bezug auf Färbung zwischen den sonst vertretenen ungefähr die Mitte hält. Farbdrüsen, wie wir sie bei Arion empiricorum be- obachten, kommen nicht zur Ausbildung, so dass nur die im Epithel und Bindegewebe enthaltenen Pigmentkörner die Färbung der Schale veranlassen können. Die Schalenzeichnung entspricht daher auch genau der Mantelzeichnung. Aus der Thatsache, dass Punkte der Mantelzeichnung auf der Schale ebenfalls Punkte erzeugen, muss geschlossen werden, dass, wie schon früher erwähnt, die Schale nicht während eines langsamen Fortrückens des Mantels, sondern nach ruckweisen Vorwärtsbewegungen des letzteren abgeschieden wird. Während also die Skulptur der Gastropodenschalen dadurch zu ! Wir treffen hier ganz ähnliche Verhältnisse, wie sie SIMROTH für die Nacktschnecken beschrieben hat. Auch er findet bei den meisten, dass ihre Zeichnung durch zwei Farbstoffe, einen schwarzen und einen gelben, bewirkt wird. Es scheint ihm nicht unwahrscheinlich, dass beide Pigmentarten Spaltungs- produkte eines ursprünglicheren Farbstoffes seien, der sich bei Limax arborum Bouch. in Rothbraungrau darstellen würde. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 307 Stande kommt, dass sich gewisse Stellen des Mantels vor anderen durch vermehrte Kalkabscheidung auszeichnen, entsteht die Zeich- nung der Schalen dadurch, dass sich an bestimmten Stellen des Mantels Pigmentansammlungen bilden, die eine vermehrte Abson- derung des Farbstoffes zur Folge haben. Solche »Pigmentkoncen- trationen< treten sehr häufig ein, wenn eine Vergrößerung der Manteloberfläche — vielleicht durch Dehnung — erfolgt. Darauf lässt sich wohl auch die Erscheinung zurückführen, dass bei Strombus auf der verbreiterten Lippe eine Bildung von Längsbändern aus der gleich- mäßig über die Schale vertheilten Ziekzackzeichnung hervorgeht. Wo die Bildungsstätte des Pigmentes zu suchen ist und auf welche Weise sich der Farbstoff im Körper verbreitet, sind Fragen, denen ich noch nicht näher getreten bin. Es scheint mir jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Blutbahnen in Beziehung zur Ver- theilung des Pigmentes stehen, was auch SIMROTH für die Nackt- schneecken annimmt. Ich fand, dass die Vertheilung des Pigmentes in den Gefäßwänden des Mantels verschieden ist, dass die Cirkular- vene und deren feine Verzweigungen im Mantelrand mehr Farbstoff _ enthalten, als der hintere Theil der Lungenvene und die vom Herzen abführenden Gefäße. Auch beobachtet man, dass bei H. hortensis die Bänder häufig in der Nähe von Gefäßen verlaufen. Ähnliche Beziehungen des Pigmentes zu den Blutbahnen sind z. B. durch ZENNECK (26) für Schlangen nachgewiesen worden. Ursachen der Skulptur und Zeichnung der Gastropodenschalen. Es bleibt noch die Frage zu erörtern, welches die Ursachen sein können, die jene Differenzirungen des Gastropodenmantels her- vorgebracht haben, denen die Schale ihr durch Skulptur oder Zeich- nung charakteristisches Aussehen verdankt. Die Einen suchen die Frage durch natürliche Auslese, die Anderen durch unmittelbare Ein- wirkung äußerer Einflüsse zu lösen; letztere führen die gesetzmäßige Aufeinanderfolge der Skulptur- und Zeichnungsformen auf bestimmte Entwicklungsrichtungen zurück, welche durch den Bau des Organis- mus- bedingt sind und durch die Fähigkeit desselben im Leben erworbene Eigenschaften zu vererben. In Bezug auf die Skulptur vertritt WÜRTENBERGER den rein Darwinistischen Standpunkt, indem er in den Rippen und Stacheln der Cephalopodenschale eine nützliche Bewaffnung erblickt, die sich im Kampfe ums Dasein in einer für das Bestehen der Art vortheil- haften Weise umgestaltet. Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LXI, Bd, 21 308 Maria von Linden, JOHNSTON schreibt dem ruhigen oder bewegten Wasser und der Beschaffenheit der nächsten Umgebung des Thieres einen hervor- ragenden Einfluss auf die Gestaltung der Oberfläche seiner Schale zu und stützt seine Ansicht durch verschiedene Beobachtungen. Er hat gesehen, dass ausgebreitete oder ästige Mundwülste nur an ge- schützten Stellen des Meeres zur Ausbildung kommen können, dass z. B. Murex magellanieus Gm. des glatten Wassers mit großen, blatt- artigen Ausbreitungen besetzt ist, während die nämliche Schale in bewegter See nur gitterförmige Rippen trägt. Hyarr tritt in seiner Erklärung der Umgestaltung der Cephalo- podenschale dem Nützlichkeitsprineip aufs entschiedenste entgegen. Er sagt, von einer »Auslese« im Sinne Darwın’s sei nicht die Rede, man könne höchstens die Reaktion des Organismus auf äußere Ein- flüsse, welche uns in der Umgestaltung des Thieres und der Schale vor Augen treten, eine physikalische Auslese nennen. Da jedoch der Begriff Auslese voraussetzt, dass unter verschiedenen Charakteren der eine oder andere bevorzugt werden kann, so sollte dieser Aus- druck überhaupt vermieden werden. »Dem Organismus steht, bei der Entwicklung seiner Eigenschaften, keine Wahl frei, er muss ganz bestimmten Richtungen folgen und diese Richtungen sind durch die Struktur des Organismus und durch die Fähigkeit vorgezeichnet neue, durch die unmittelbaren Einflüsse der Umgebung und durch die Thätigkeit erworbene Eigenschaften zu vererben. Die Einwir- kung des Kampfes ums Dasein und das Gesetz vom Überleben des Passendsten ist höchstens, wenn ihm überhaupt ein Einfluss zuerkannt werden soll, ein die Entwieklungsrichtung störender, der aber erst zur Wirkung gelangen kann, nachdem die Eigenschaften entstanden sind. Darwın’s Lehre lässt sich somit nur als sekundäres Gesetz anwenden, welches einzelne Erscheinungen, die sich auf Überleben und Fortdauer von Eigenschaften beziehen, erklärt. Auch die Fort- dauer vieler wichtiger Eigenschaften wird durch dieselben Ursachen bewirkt, die ihre Entstehung veranlasst haben, und in vielen Fällen kann mit vollster Berechtigung angenommen werden, dass diese Eigenschaften nicht durchaus nützlich sind.« WCÜRTENBERGER giebt hierfür ein Beispiel, indem er ausführt, dass die sonderbaren Ge- stalten der ammonitischen Nebenformen dadurch hervorgebracht werden, dass die Thiere wegen der Entwicklung von Stacheln auf dem Rücken gezwungen sind die Krümmungsrichtung der Windungen zu ändern. Er schließt daraus, dass die Stachelbewaffnung von so großer Wichtigkeit für das Thier gewesen sein müsse, dass sie ihre Es ul u Kl a we a 4 en u a a nn un Anl u Laals au 2 Er Zu SBAn un Lucunc Zumeldse all 1 Bm a he na Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 309 charakteristische Windungsrichtung verließen, nur um die Stacheln auf dem Rücken unbehindert ausbilden zu können. Da jedoch die erwähnten Nebenformen häufig eine Degeneration der Art anzeigen, so scheint es mir wahrscheinlich, dass, wenn die Stacheln das Evolut- werden wirklich bedingt haben, sie den Thieren nicht von Nutzen, dass sie vielmehr theilweise Ursache ihres Unterganges gewesen sind. Ohne auf die Emmer’schen Arbeiten Bezug zu nehmen spricht HyaArr in diesen Zeilen ganz dieselben Ansichten aus, welche Einer, wie schon erwähnt, bereits 1881 angedeutet und 1888 seinen Theo- rien über die Entstehung von Arten auf Grund von Vererben er- worbener Eigenschaften nach den Gesetzen organischen Wachsens zu Grunde gelegt hat. Gegen die frühere, später von DAarwın selbst aufgegebene An- sicht dieses Forschers, dass jede Eigenschaft, welche an einem Organismus vorkomme, diesem nützlich gewesen oder noch nützlich sei, war EIMER schon 1874 (4a) aufgetreten. Er hob hervor, dass aus inneren Ursachen für das Fortkommen des Organismus gleich- gültige und sogar schädliche Eigenschaften entstehen und verstand ‘ unter den inneren oder konstitutionellen Ursachen chemische und physikalische Vorgänge, welche durch die stoffliche Zusammensetzung des Körpers bedingt sind. Gleichzeitig wies er nach, dass es sich bei der Entstehung von Abänderungen nicht um ein zufälliges Auf- treten von Eigenschaften, sondern um eine nach ganz bestimmten Gesetzen verlaufende Aufeinanderfolge neuer Charaktere handle. Nach Eımer’s Auffassung, wie er sie in der Entstehung der Arten ausgesprochen hat, »sind die physikalischen und che- mischen Veränderungen, welche die Organismen während des Lebens durch die Einwirkung der Umgebung, durch Lieht oder Lichtmangel, Luft, Wärme, Kälte, Wasser, Feuchtigkeit, Nahrung etc. erfahren, und welche sie ver- erben, die ersten Mittel zur Gestaltung der Mannigfaltig- keit der Organismenwelt und zur Entstehung der Arten. Aus dem so gebildeten Material macht der Kampf ums Dasein seine Auslese. Jene Veränderungen äußern sich aber einfach als Wachsen. Aber gerade weil die organische Formgestaltung auf physikalisch- chemischen Vorgängen beruht, ist sie eben so wie die Form der unorganischen Krystalle eine bestimmte und wird auch bei der Neu- bildung nur einzelne bestimmte Richtungen einschlagen können«. In einem weiteren Kapitel desselben Werkes zeigt EIMER, dass auch »Gebrauch und Nichtgebrauch selbst ohne Auslese zur Bildung neuer Alr 310 Maria von Linden, bleibender Eigenschaften führen müsse«, indem er von dem physiologisch selbstverständlichen Lamaror’schen Satz ausgeht, dass die Übung, der Gebrauch, die Organe des Körpers stärkt und verfeinert und damit abändert, während Nichtgebrauch sie verkümmern macht. Von großer Bedeutung für die Umbildung der Molluskenschale scheint mir ein weiteres Gesetz zu sein, auf welches EıMER in einem Vortrag bei Gelegenheit der Versammlung des Vereins für vater- ländische Naturkunde im Februar 1894 zu Tübingen hingewiesen hat. Dasselbe gründet sich auf die Beobachtung, dass wenn sich einzelne Theile des Skelettes der Wirbelthiere in Folge anhaltender Thätigkeit bedeutend vergrößern, dies gewöhnlich auf Kosten benach- barter Theile geschieht, welche dafür zurückgebildet werden. Mit anderen Worten: Überall kommt neben der Wirkung der Thätigkeit der Verbrauch und das Freiwerden von Baumaterial als maßgebende Ursache der Umbildung ins Spiel, überall machen sich die Folgen der Umänderung eines einzelnen Theiles bemerkbar, bis in die fernsten Gebiete des gesammten Körpers. Solche Verknüpfung von stärkerer Ausbildung gewisser Organe mit Rückbildung anderer auf Grund der Vertheilung des dem Organismus mitgegebenen Stoffes be- ruht auf dem Gesetze der Ausgleichung, der Kompensation oder des Gleichgewichtes, welches schon von ET. GEOFFROY Samr- HILAIRE theoretisch ausgesprochen wurde und das lebhafte Interesse von GOETHE erregt hat. Auf dieses Gesetz der Ausgleichung muss wohl die Erscheinung zurückgeführt werden, dass bei dem Auftreten von Knoten, sowohl auf der Schale der Cephalopoden als der Gastropoden ein gleich- zeitiges Verschwinden der Rippen zu beobachten ist. WÜRTENBERGER hat, wie erwähnt, diese Thatsache durch das Nützlichkeitsprineip zu erklären versucht, indem er annahm, dass bei der Anwesenheit von Stacheln die Rippen überflüssig waren; Hyatt ließ’diese Er- scheinung unerörtert. Wenn sich schon für das Auftreten der verschiedenen Skulpturarten bei den Molluskenschalen in der Nützliehkeitstheorie keine befriedi- sende Erklärung finden lässt, so erbringt die Zeichnung der Gehäuse geradezu den Beweis, dass Eigenschaften an einem Individuum auf- treten und nach bestimmten Richtungen abändern können, welche in dessen Leben vollkommen indifferent bleiben. Gegen einen Nutzen der Zeichnung der Landschnecken spricht sich schon EIMER in seiner Entstehung der Arten« sehr entschieden aus (p. 81), er sagt: »Ein Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 311 Nutzen der Streifung der Gehäuse dieser Schnecken kann um so weniger eingesehen werden, als nicht nur die Streifung sehr abän- dert, sondern wohl eben so oft fehlt, als sie vorhanden ist. Man könnte die Streifung als einen Schmuck betrachten wollen, welcher als Vorzug bei der geschlechtlichen Zuchtwahl wirkte, allein solche Annahmen widerlegen die Thatsachen: ich beobachte seit Jahren in meinem Garten, wie sich gestreifte und ungestreifte Thiere der Helix hortensis ohne alle Auswahl verbinden.« Eine solche Mischung ge- streifter und ungestreifter Formen habe auch ich im vergangenen Frühjahr öfters Gelegenheit gehabt zu beobachten. Und weiter hebt er hervor (ebenda, p. 72), bei den Meeresschnecken müsse noch der weitere Umstand beachtet werden, dass die meisten Schalen im frischen Zustend von einer mehr oder weniger dicken Epidermis, dem Periostracum, überzogen sind, welche den Ansiedelungspunkt für zahlreiche Algenkolonien bildet und die Zeichnung der Gehäuse oft ganz verdeckt, so dass sie ein eintöniges, unscheinbares Aussehen erhalten. Erst nach Entfernung dieser organischen Schicht kommen die Farben und charakteristischen Zeichnungen zum Vorschein. Aus _ diesem Grund ist es wohl ausgeschlossen, dass für das Thier irgend ein Nutzen daraus entspringen kann, wenn es sich durch die Färbung seiner Schale der Umgebung anpassen würde; eine derartige Ver- muthung könnte sich nur dann bestätigen, wenn die Pigmentirung auch auf die Epidermis selbst ausgedehnt wäre. Die Art und Intensität der Schalenfärbung scheint bei Meeres- schnecken in hohem Grad von der Einwirkung verschiedenartigen Lichtes abhängig zu sein, denn es ergeben sich in der Färbung der Bewohner oberer und unterer Regionen so große Unterschiede, dass keine andere Deutung zulässig ist. Nach den Beobachtungen Epw. FoRBES’ im Ägäischen Meer fand sich von der achten bis vierten Zone, also in einer Tiefe von 378 bis 63 m auf den Schalen die rothe Farbe vorherrschend und zwar nimmt ihre Intensität umgekehrt proportional der Tiefe zu. Erst von 36 m an aufwärts waren auch blaue und grüne Farben vertreten. Wenn wir diese Ergebnisse mit denjenigen vergleichen, welche wir über die Vertheilung der Pflanzenfarben im Meere besitzen, so ergiebt sich eine merkwürdige Übereinstimmung. Wir finden auch hier in den größeren Tiefen rothe Pflanzenformen, die Florideen, vorherrschen — sie wurden nach BERTHOLD in der Gegend von Neapel in einer Tiefe von 120—130 m vorwiegend angetroffen —, während sich die chlorophyligrünen Pflanzen nicht weit von der Oberfläche entfernen. 312 Maria von Linden, Die Ursache dieser Vertheilung der Meerespflanzen erklärt sich durch die -Untersuchungen ENGELMANN’s und Hürner’s. Der Erstere be- obachtete, dass der Ort des Assimilationsmaximums im Spektrum für verschieden gefärbte Pflanzen ein verschiedener ist (Botan. Zeitung 1883, p. 1—11 u. 17—29). HürneEr erbrachte den Beweis, dass die rothen und gelben Strahlen des in das Wasser einfallenden Lichtes viel früher an Intensität verlieren, als die eyanblauen und ultravio- letten, dass also der weniger brechbare Theil des Spektrums über- . haupt nicht in größere Tiefen vordringt (10b). Somit ist es selbst- verständlich, dass chlorophyllhaltige Pflanzen, welche ihr Assimilations- maximum in Roth haben, an solchen Stellen nicht leben können, während die Florideen, deren rothe Zellen in der stärker gebrochenen Hälfte des sichtbaren Spektrums 2!/, mal so reichlich assimiliren, als in der weniger brechbaren, hier eben geeignete Existenzbedingungen finden. Schwieriger ist es, das Zustandekommen der mit den Pflanzen- farben übereinstimmenden Färbungen der Thiere in den verschiedenen Meerestiefen zu erklären. Vielleicht lässt sich diese Erscheinung auf Farbenanpassung zurückführen, nicht im Sinne der Nützlichkeits- theorie, sondern als einfach nothwendige Folge der Wirkung physi- kalisch-chemischer Gesetze. Nach den Untersuchungen WIENER’s (28) ist es sehr wahrscheinlich, dass die Farbstoffe der Thiere in ge- wissem Maß die Eigenschaften solcher farbenempfänglicher Stoffe be- sitzen, wie sie für die farbenphotographischen Platten in Verwendung kommen. Die in den Platten vorhandenen Stoffe haben nämlich die Fähigkeit farbige Verbindungen zu liefern, welche mit der jeweiligen Beleuchtungsfarbe übereinstimmen. Die Erklärung für dieses Ver- halten wurde darin gefunden, dass von allen entstehungsfähigen Farb- stoffen nur der mit der Beleuchtungsfarbe übereinstimmende bestehen bleiben kann, weil er dieselbe am besten zurückwirft, während die anderen Farbstoffe, welche die Beleuchtungsstrahlen absorbiren, zer- setzt und verändert werden. Bei Thieren sind es hauptsächlich die Farben der Umgebung, welche das Abändern der Körperfarben beein- flussen, wie aus den Experimenten, welche von verschiedenen Forschern mit Raupen angestellt worden sind, zu ersehen ist. Im vorliegenden Fall würde es sich um eine Anpassung der Körperfarbstoffe der Thiere an die verschiedenfarbigen Meeresalgen handeln, eine Annahme, welche um so wahrscheinlicher erscheint, als FORBES, gestützt auf seine Beobachtungen, die Ansicht ausspricht, dass auch die Futter- plätze der Thiere einen Einfluss auf deren Färbung auszuüben Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 313 scheinen, so dass das Roth und Grün in manchen Fällen der Menge von Nulliporen und der Caulerpa prolifera zuzuschreiben sei, einer sehr lebhaft erbsengrünen Tangart, deren Laub den gleichfarbigen Weichthieren zum Lieblingsaufenthalt dient. Es bleibt dadurch nicht ausgeschlossen, dass noch andere Ein- flüsse, wie z. B. die Temperatur, Bedeutung für die Färbung der Meeresthiere besitzen. Aus Versuchen, welche SIMROTH mit Nackt- schnecken angestellt hat, geht wenigstens hervor, dass hohe Tem- peratur die Entwicklung von rothem Pigment in der Haut der Nackt- schnecken begünstigt, während niedere Wärmegrade vorzüglich den schwarzen Farbstoff zur Ausbildung bringen. Wenn jedoch auch noch nicht in jedem einzelnen Fall festgestellt werden kann, in wie weit andere Einflüsse die chemische Wirkung des Lichtes bei Er- zeugung von Körperfarben beeinflusst haben, so lassen sich jedenfalls zahlreiche Erscheinungen in der Biologie durch die WiIEnkr’sche Theorie erklären, welche bis jetzt als Ergebnisse der natürlichen Auslese betrachtet worden sind und als solche eine Stütze für die Theorie von der Herrschaft des Nutzens gebildet haben. Je mehr sich aber die Biologen das physikalische Ergebnis der WiIEner’schen Arbeit nutzbar machen werden, desto mehr müssen die Eımer’schen Theorien von der organischen Formgestaltung der Lebe- welt Eingang finden. Aus den vorhergehenden Ausführungen geht aber auch hervor, dass weder für die wechselnde Vertheilung des Farbstoffes für die Schalenzeichnung, noch für die Schalenskulptur die Lehre von der Naturzüchtung im Stande ist, eine befriedigende Erklärung zu liefern. Es können nur konstitutionelle Ursachen in Verbindung mit äußeren Einflüssen diese Mannigfaltigkeit hervorgebracht und solch bestimmt gerichtete Entwicklungsreihen erzielt haben. Sehr wahrscheinlich bestehen auch Beziehungen zwischen Schalenzeichnung und -skulp- tur, so dass eine vermehrte Kalkausscheidung des Mantels die Pig- mentbildung an dieser Stelle vermindert. Es würden dann dieselben Ursachen, welche die Skulpturentwicklung beeinflussen, wenn auch nur indirekt zur Umbildung der Schalenzeichnung beitragen. Es ist von großer Bedeutung, dass sich für die Abänderung der Zeichnung auf Schneckengehäusen dieselben Gesetze ergeben, welche Eimer für andere Thiergruppen abgeleitet hat und dass die WÜRTEN- BERGER’schen Ergebnisse, so weit sie die Skulpturentwicklung auf Cephalopodenschalen betreffen, auch auf die Schalen der Gastro- 314 Maria von Linden, poden übertragen werden können. Eine solche Übereinstimmung im " Entwicklungsgang der Eigenschaften verschiedener Thiergruppen kann nur dann stattfinden, wenn denselben allgemeinere Gesetze zu Grunde liegen, deren Wirkung richtig erkannt ist. Es bleibt mir endlich noch die Pflicht, allen Denjenigen meinen aufrichtigen Dank auszusprechen, welche durch ihre Unterstützung diese Arbeit gefördert haben. Vor Allen meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. TH. EIMER, der mir die Anregung zu dieser Arbeit gegeben, deren Fortschritte mit dem regsten Interesse verfolgt und mir in jeder Weise das größte Entgegenkommen erzeigt hat. Auch seine eigenen Vorarbeiten auf diesem Gebiet wurden mir von ihm zur Verfügung gestellt. Besonderen Dank schulde ich ferner Herrn Dr. K. Fickerr und den Herren Privatdocenten Dr. Hesse und Dr. PompEckJ für die freundliche Unterstützung, welche mir die- selben in allen technischen und sachlichen Fragen gewährt haben. Eine wesentliche Förderung erfuhr meine Arbeit durch die Güte des Herın Hofrath RiTTER vox HAuER, Intendant des k. k. naturhistori- schen Hofmuseums in Wien, welcher mir eine Anzahl tertiärer Ga- stropodenschalen mit wohlerhaltener Zeichnung zur Verfügung stellte. Eben so wurde ich von den verschiedensten Seiten in liebenswür- digster Weise durch Zusendung von werthvollem Material unterstützt. Namentlich durch die Herren Prof. Dr. LAMPERT, Direktor des kgl. Naturalienkabinetts zu Stuttgart, Dr. HıLGER, Kustos am Großherzog]. Naturalienkabinett zu Karlsruhe, Privatdocent Dr. VoSSELER in Stutt- gart, BICKNELL in Bordighera, CLEssin in Ochsenfurt und GEIER in Neckarthailfingen. Für die Herstellung der Zeichnungen bin ich meinem Vetter Herrn Ev. Fürst besonders verpflichtet. Tübingen, im December 1895. Verzeichnis der angeführten Werke, 1. DE BLAINVILLE, Manuel de malacologie et de conchyliologie. Paris 1825. 2. Cuessin, Über die Missbildung der Mollusken und ihrer Gehäuse. 22. Jahres- bericht des naturhistor. Vereins in Augsburg. 1873. 3. DESHAYES, Descriptions des coquilles fossiles des environs de Paris. 11. 1837. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Gehäuseschn. d. Meeres. 315 4a. EIMER, Zoologische Studien auf Capri. II. Lacerta muralis coerulea, ein Beitrag zur Darwın’schen Lehre. Leipzig, Engelmann, 1874. 4b. Derselbe, Untersuchungen über das Variiren der Mauereidechse, ein Bei- trag zur Theorie von der Entwicklung aus konstitutionellen Ursachen. Archiv f. Naturgeschichte (u. selbständig). Berlin, Nicolai, 1881. de. Derselbe, Die Zeichnung der Vögel und Säugethiere. Vortrag, gehalten auf der Versammlung des Vereins für vaterländ. Naturkunde in Württem- berg zu Nagold 1882. in: Württemb. naturwissensch. Jahreshefte. 1883. 4d. Derselbe, Über die Zeichnung der Thiere. im: Zool. Anzeiger 1882, 1883, 1884 und in der Zeitschrift »Humboldt« 1885-—1888. 4e. Derselbe, Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften nach den Gesetzen organischen Wachsens. I. Theil. Jena 1888. 4f. Derselbe, die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. I. u. II. Theil. Jena 1889 u. 1895. 4 g. Derselbe, Über das Gesetz der Ausgleichung (Kompensation) und GOETHE als vergleichender Anatom. Vortrag, gehalten auf der Versammlung des Schwarzwälder Zweigvereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg zu Tübingen 1894. Württemb. naturwissensch. Jahres- hefte 1895. 4h. Derselbe, Mittheilungen über die Zeichnung der Säugethiere, Schmetter- linge und Mollusken. Tageblatt der 28. Versammlung deutscher Natur- forscher u. Ärzte in Straßburg i/E. 1885. p. 408. 5. Epw. FoRBEs, Über die Färbung der Molluskenschale in den verschiedenen Regionen des Meeres. Report. Brit. Assoc, 1843. 6b. GEGENBAUR, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Landgastropoden. Diese Zeitschr. Bd. III. 1851. HILGENDORF, Über Planorbis multiformis im Steinheimer Süßwasserkalk. Monatsberichte der Berliner Akademie 1866. 8. HÖRNES, Die fossilen Mollusken des Wiener Tertiärbeckens. Bd. I. Abh. der k. k. geolog. Reichsanstalt. Bd. III. Wien 1856. 9a. A. HyATT, Genesis of the Arietidae. Smithsonian Contributions to knowledse 1889. Yb. Derselbe, Phylogeny of an acquired characteristic. Proceedings of the i American philosophical Society. Vol. XXXII. No. 143. 1895. 10a. Hürner, Über die Farbe des Wassers. Eine physikalische Untersuchung zur Biologie. Archiv für Anatomie u. Physiologie 1891. 10b. HürFNER u. ALBRECHT, Über die Durchlässigkeit des Wassers für Licht von verschiedener Wellenlänge. Annalen für Physik u. Chemie. Neue Folge. Bd. XLII. 1891. 11. - JoHNSTON-BRONN, Einleitung in die Conchyliologie. Stuttgart 1853. 12a.E. Kırtt, Die Gastropoden der Schichten von St. Cassian der südalpinen Trias. Annalen des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien 1891, 1892, 1894. | 12b. Derselbe, Die triadischen Gastropoden der Marmolata. Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt in Wien. 1894. 13. KOKEN, Entwicklung der Gastropoden vom Cambrium bis zur Trias. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Beilageband VI. 1889. —1 316 Maria von Linden, 14a. LeYDIG, Über Paludina vivipara. Ein Beitrag zur näheren Kenntnis dieses Thieres in embryologischer, anatomischer und histologischer Beziehung. Diese Zeitschr. Bd. II. 1850. 14b. Derselbe, Die Hautdecke und Schale der Gastropoden. Archiv für Natur- geschichte. 42. Jahrgang. Bd. I. 1876. 15. v. MARTENS, Die Weich- und Schalthiere. Leipzig, G. Freytag, 1883. 16. MARTINI-CHEMNITZ, Systematisches Conchylienkabinett. Bd. II, X, IV, V 2. Heft. 17. NEUMAYR, Die Stämme des Thierreichs. Wien u. Prag 1889. 18. D’ORBIGNY, Palaeontologie francaise. Terrains jurassiques. Tom II. 1850. 19. PAETEL, Katalog der Conchyliensammlung. Berlin 1888. 20. QUENSTEDT, Petrefaktenkunde Deutschlands. Bd. VII. Gastropoden. 1881 bis 1884. 21. REEVE, Conchologia Iconica. Monograph of the Genus Conus. London 1843. 22. SANDBERGER, Conchylien des Mainzer Tertiärbeckens. Wiesbaden 1860 bis 1863. 23. SIMROTH, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer europäischen Verwandten. Diese Zeitschr. Bd. XLII. 24. STEINMANN u. DÖDERLEIN, Elemente der Paläontologie. Leipzig 1890. 25. WÜRTENBERGER, Studien über die Stammesgeschichte der Ammoniten. Ein seologischer Beweis für die Darwın’sche Theorie. Leipzig 1880. 26. ZENNECK, Die Anlage der Zeichnung und deren physiologische Ursachen bei Ringelnatterembryonen. Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 1894. 27. ZitTeL, Handbuch der Paläontologie. I. Abth. Paläozoologie. Bd. H. Mün- chen 1881—1885. Nachtrag. 28. O. WIENER, Farbenphotographie durch Körperfarben und mechanische Farben- anpassung in der Natur. Annalen f. Physik u. Chemie. Neue Folge. Bd. EV. 1395: Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Schematische Darstellung der Entwicklung der Zeichnung auf Gehäuseschnecken des Meeres. Fig. 1. Conus quercinus Brug. Ursprüngliche feine Längsstreifung. Fig. 1a. Voluta vexillum Cham. Die feinen Längslinien vereinigen sich zu breiten Streifen. Fig. 15. C. figulinus L. var. Einzelne Streifen fallen aus, während die zurückgebliebenen dunkler werden. Fig. 1c. Voluta vexillum Chem. Dadurch, dass ganze Streifenkomplexe ausfallen, bilden sich gestreifte und nicht gestreifte Zonen. Fig. 1d. V. musica L. Die Punkte oder Fleckenbinden kommen nur zonen- weise zu Stände. Die Entw. der Skulptur u. der Zeichn. bei den Geh!iuseschn. d. Meeres. 317 Fig. 2. C. stereus muscarum L. Die ursprünglichen Längsstreifen lösen sich in Punkte auf. Fig. 2a. C. spurius Gm. Die breiteren Streifen lösen sich in Flecken- binden auf. Fig. 2b. C. arenatus Brug. Die Punkte ordnen sich in dreieckigen Kom- plexen an. Fig. 25’.C. nocturnus Brug. Diese aus Punkten bestehenden Komplexe verschmelzen zu dunkeln dreieckigen Flecken. Fig. 3. C.stereus muscarum L. var. Die Punkte verbinden sich zu feinen Querstreifen. Fig. 3a. Strombus gibberulus L. Die feinen Querstreifen verschmelzen zu breiteren Streifen und verlaufen in scharfen Zackenlinien. Fig. 35. C. generalisL. var. Die aus Längsstreifen bestehenden Zonen von Fig. 1d lösen sich ebenfalls in Punktreihen auf und bilden mit den in den übri- gen Zonen gebildeten Zickzacklinien über die ganze Schale verlaufende Streifen. Fig. 35’. Conus generalis L. var. Die querverlaufenden Zickzackstreifen schwinden, während sich die Längsbinden dunkel färben. Fig. 4 CO. mercator L. Die Ziekzacklinien verbinden sich zu Dreiecks- oder Viereckszeiehnung. Fig. 4a. C. clavus L. Dadurch, dass Komplexe kleinerer Zacken aus- fallen, während die Begrenzungslinien eines solchen Komplexes mehr hervor- treten, entstehen größere Dreiecke. Fig. 5. C. geographus L. Dadurch, dass stets die eine Hälfte mehrerer in einer Reihe liegender Viereckchen ausfällt, entsteht sekundäre Längszeich- nung. Fig. 6. Schale von Trochus turbinatus Born. Fig. 7. Mantel von Trochus turbinatus mit stärkeren Längs- und schwäche- ren Querrippen, die letzteren entsprechen den Anwachsstreifen auf der Schale. Fig. 8. Längs- und Querlinien auf der Schale von Helix pomatia (Schema). Fig. 9. Querleisten (= Anwachsstreifen) auf dem Mantel von Helix arbu- storum. Fig. 10. Querschliff durch den Mundwulst von Murex. a, Cuticula-, d, Pris- men-, c, Porzellanschicht. «a und 5 laufen frei aus. Die Cutieularschicht des neu angebauten Schalenstückes setzt unter der Prismenschicht 5 des Mund- wulstes ein. Die Porzellanschicht c ist fortlaufend von annähernd gleicher Dicke. Fig. 11. Mundwulst von Harpa. a und 5 sind am Mund umgeschlagen. Die Cutieular- und Prismenschicht des neuen Schalenstückes setzt wie bei Murex unter der alten Prismenschicht ein. Fig. 12. Rippe von Murex. Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim männlichen Geschlechts- apparat von Bombyx mori. Von E. Verson und E. Bisson. (Padua.) Mit Tafel XII und XIII. Die Ausführungsgänge und die Anhangsorgane des Geschlechts- apparates der Insekten sind erst in neuester Zeit ein Gegenstand besonderer Untersuchung geworden, und man muss zugeben, dass auch unter den wenigen Beobachtern, die sich diesem Gegenstande gewidmet haben, keine erfreuliche Übereinstimmung herrscht. Schon im Jahre 1815 hatte HEROLD an der Raupe von Pieris brassicae Keime unentwickelter Fortpflanzungsorgane mit vollkom- men deutlich sichtbarem Unterschiede beider Geschlechter entdeckt und als solche, außer den eigentlichen Sexualdrüsen, zwei feine Fäden als die Anlage der Ausführungsgänge, und ein Körper- chen, bezw. eine unter dem Mastdarme liegende Masse beschrieben, welche mit diesen Fäden sich verbinden und bestimmten Organen zum Ursprunge dienen sollte: beim männlichen Geschlechte dem semeinschaftlichen Samengange und den Samenbläschen; beim weib- lichen, den Absonderungsdrüsen sowie dem Samenbehälter. Seitdem ist die Entwicklung des accessorischen. Geschlechtsapparates lange Zeit hindurch nicht beachtet worden. Und wenn man von einzelnen kurzen Andeutungen absieht, die sich in verschiedene Arbeiten verstreut finden und mehr Vermuthungen als direkten Beobach- tungen zu entstammen scheinen, muss man bis auf NusBAUM! und ! Zur Entwicklungsgeschichte der Ausführungsgänge der Sexualdrüsen bei den Insekten. Zool. Anz. 1882. Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 319 PArm£n! kommen, um genaueren Angaben über dieses Thema zu begegnen. NusBAUM, welcher vorzüglich Pedieulinen, aber daneben auch Blatta orientalis studirte, kam zur Schlussfolgerung, dass die hinteren Stränge der Sexualdrüsenkeime nur den Vasa deferentia und den Ovidueten Ursprung geben; dass alle anderen Theile des Ausführungs- apparates sich aus dem Hautepithel entwickeln; dass die Ausführungs- sänge als paarige Keime entstehen; und dass endlich die Höhlungen der Oviducte, des Uterus und der Vagina, sowie jene der Vasa de- ferentia, der Anhangsorgane und des Ductus ejaculatorius ganz un- abhängig von einander entstehen, und nur sekundär in Verbindung treten. PALMEN fand in der Gruppe der Ephemeriden bis zum End- abschnitte von einander unabhängige, also paarige Ausführungs- gänge, welche beim Männchen zwei z. Th. verwachsene Penes durch- bohren, beim Weibehen nur durch eine Hauteinstülpung sich verbinden. Er unterscheidet daher am Geschlechtsapparat ebenfalls zwei hete- rogene Komponenten, die sich einestheils aus der wirklichen Genital- - anlage entfalten, anderntheils nur Hauttheile darstellen, und gelangt durch vergleichend-anatomische Zusammenstellungen zur Schluss- folgerung, dass die für die Insekten allgemein angenommene Un- paarigkeit des Endabschnittes der Geschlechtsorgane in der That sekundär entstanden ist, und sich aus einem primär paarigen Anfang phylogenetisch entfaltet haben muss. In seiner bekannten Arbeit über die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane von Phyllodromia germanica? führt Heymons aus, wie bei diesem Insekte Genitalzellen und Epithelzellen in den Ge- schlechtsdrüsen von vorn herein unabhängig neben einander vorhanden sind, indem erstere sehr frühzeitig an verschiedenen Punkten des Keim- streifens auftreten und erst später in die dorsalen Wände der ein- zelnen Ursegmente einwandern, von welchen einzelne Elemente sich zu den Epithelzellen der Genitalanlage umwandeln. Über die Entwick- lung der Ausführungsgänge, besonders in postembryonaler Periode, und deren Verbindung mit dem ektodermalen Endabschnitt des ganzen Geschlechtsapparates erklärt jedoch Hryumons, keine ausreichenden | Untersuchungen angestellt zu haben. 1 Über paarige Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane bei Insekten. Leipzig 1884. 2 Diese Zeitschr. Bd. LIII. 1891. 320 E. Verson und E. Bisson. Dagegen verdienen von unserem Standpunkte aus ganz besondere Berücksichtigung die neuesten Untersuchungen WHEELER’s über die Entwicklung der reproduktiven Organe bei den Insekteni, wenn auch dieselben nicht über die embryonalen Phasen hinausgehen. Nach WHEELER entstehen bei Xiphidium die Geschlechtszellen direkt aus Zellen der Cölomsäckchen vom 1. bis zum 6. Abdominal- segment — und hierin liegt eine wesentliche Abweichung von den Angaben Hrymons’ über Blatta. Ferner beschreibt aber WHEELER in ganz neuer Weise auch die Entstehung der Geschlechtsausführungs- gänge. Und wollen wir an dieser Stelle hervorheben, dass beim Männchen — mit den Verhältnissen des weiblichen Geschlechtstypus werden wir uns in einer nächsten Arbeit beschäftigen — das Vas deferens aus einer strangartigen Verdickung der splanchnischen Meso- dermschicht des sechsten bis zehnten Abdominalsegmentes entsteht. Das Cölomsäckchen des zehnten Abdominalsesgmentes sendet jeder- seits in den resp. Abdominalanhang ein kleines Divertikel, welches am blinden Ende zu einer Terminalampulle anschwillt. Bei der nach- folgenden Involution des Abdominalanhanges werden die zwei Ter- minalampullen ins Innere und gleichzeitig nach vorn zurückgezogen, so dass sie schließlich in der ventralen Medianlinie des neunten Ab- dominalsegmentes an einander stoßen. Die zwei Terminalampullen verwandeln sich zu Samenbläschen, welche demnach mesodermalen Ursprungs sind; hingegen tritt der Ductus ejaculatorius als eine un- paare Einstülpung der Hypodermis in der Medianlinie auf, zwischen neuntem und zehntem Segment. Die folgende Darstellung, Präparaten von Bombyx mori entnom- men, der ein besonders günstiges Material zur Untersuchung darbietet, dürfte geeignet sein, die so widersprechenden Ansichten der Autoren zu klären, und jeden Zweifel in der Beurtheilung der genetischen Beziehungen zwischen den einzelnen Anhangsorganen des Sexual- apparates zu beseitigen. In der eben ausgeschlüpften Larve ist die Anlage des accesso- rischen Sexualapparates noch so wenig ausgebildet, dass eine Er- ! A contribution to Insect Embryology. Journal of Morphologie. VIII. Boston, U. S. A. — Zur Zeit, als unsere Arbeit in italienischer Ausgabe ver- öffentlicht wurde (Sviluppo postembrionale degli organi sessuali accessori nel maschio del B. mori. Pubbl. Anat. della Stazione Bacologiea Sperimentale di Padova. VIII), war uns die Abhandlung WHEELER’s noch nicht bekannt. Wir holen hier das Versäumte nach, indem wir Herrn Prof. EHLErs besonderen Dank aussprechen, der uns auf dieselbe hingewiesen hat. Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 321 kennung desselben wohl nur mit Hilfe von kontinuirlichen Schnitt- serien möglich ist. Uns wenigstens ist zu dieser Zeit eine befriedigende Isolirung der relativen Gebilde nicht gelungen; aber schon nach zwei bis drei Tagen wird die Untersuchung verhältnismäßig leicht. Öffnet man dann das Räupchen vorsichtig in der Dorsallinie, durchschneidet das Verdauungsrohr quer an der Verbindungsstelle zwischen Mittel- und Hinterdarm, und schlägt letzteren an seiner Analinsertion nach hinten zurück, so bleibt das sog. HEROLD’sche Organ an der ventralen Hypodermis haften, und kann schon bei einer Vergrößerung von etwa 100 Dehm. aufgefunden werden. Genau in der ventralen Medianlinie senkt sich aus der letzten Intersegmentalfalte eine kleine Hypodermis- einstülpung nach innen, welche sich am blinden Ende beutelartig er- weitert. Wie aus Fig. 1 hervorgeht (A stellt eine etwa 500fache Ver- srößerung dar, während in B die äußeren Umrisse des Gebildes nur etwa 100fach vergrößert wurden, um die wechselseitigen Volumsverhältnisse zu den nächstfolgenden eben so vergrößerten Fig. 2—7 anschaulicher zu machen) — sind die Wände des eingestülpten Beutels aus einer einzigen Schicht eylinderförmiger Zellen zusammengesetzt, und be- - grenzen eine annähernd ovale Lichtung, die vermittels einer winzigen Öffnung nach außen mündet. Durch den geringen Durchmesser der Öffnung selbst wird es erklärlich, dass die chitinisirte Cuticula der eingestülpten Hypodermis nicht folgt, sondern ganz flach über die Mündung hinwegsetzt, ohne sich irgendwie in dieselbe einzusenken, was übrigens um so schwerer stattfinden könnte, als die Hauttasche von vorn nach hinten stark abgeplattet erscheint und ihre parallelen Wände sich fast bis zur Berührung nahe kommen!. In situ betrachtet stellt sich das HEroLD’sche Organ jedoch nichts weniger als oval dar. Es ähnelt vielmehr in Gestalt einem kleinen Uterus, in welchem rechts und links, am Grunde der ektoder- malen Invagination, eine ansehnliche Verbreiterung dadurch zu Stande kommt, dass sich ein Strang (v.d) mit kolbenartig verdiektem Ende (2.2 Fig. 1) ansetzt, welcher in entgegengesetzter Richtung bis zum gleichnamigen Hoden verfolgt werden kann. Das uterusförmige Körperchen ist nun nach vorn so übergebeugt, ! Statt einer einfachen Hauteinstülpung nimmt NusBAum an, dass »auf der Bauchseite ..... zwei paarige Hautepithelverdiekungen entstehen, die sich einander nähern, um sich dann zu einem hufeisenförmigen unpaaren Körper zu vereinigen. Bevor aber noch die Vereinigung zu Stande kommt, lösen sieh diese Keime von der Haut ab, und verwachsen mit den Enden der noch soliden Vasa deferentia«. 322 E. Verson und E. Bisson, dass es in seiner ganzen Ausdehnung dem ventralen Integumente fast unmittelbar aufliegt: sein blindes Ende sieht gegen den Kopf, der aufsitzende kurze Stiel — wenn von einem solchen überhaupt die Rede sein kann — gegen das Schwanzende. Was dagegen die zwei Hodenstränge anbelangt, welche sich an der Hautinvagination des Herorp’schen Organs seitlich befestigen (vd, gv Fig. 1), so wollen wir zunächst ihren Bau etwas näher in Augenschein nehmen. Dass die hinteren Hodenstränge, wenn nicht mehr, doch jeden- falls die Anlage der Vasa deferentia vorstellen, in welche sie sich seiner Zeit allmählich umwandeln, wird wohl von Niemandem be- zweifelt. Dieselben gehen bei B. mori vom inneren Rande des jederseitigen Hodens aus, verlaufen nach hinten, außen und abwärts den Darm gewissermaßen schief umfassend, bis sie in der Höhe der trachealen Längsstämme das sechste Abdominalsegment erreichen ; durchsetzen dann zwei weitere Segmente in fast horizontaler Rich- tung; und biegen schließlich um einen dorsalen Ast des letzten Stigma fast unter rechtem Winkel gegen die ventrale Medianlinie zu, wo sie an den Seiten der Hrrorp’schen Hauttasche enden. Im jungen Räupehen sind die hinteren Hodenstränge solid, im Querschnitt etwas elliptisch verzogen; und bestehen aus einer gleich- förmigen, plasmatischen Masse, in welche zahllose längliche Kerne parallel zur Längsachse eingestreut liegen. Das Charakteristische besteht aber darin, dass der einzelne Strang an seinen beiden Enden, segen den Hoden einerseits und andererseits gegen die HEROLD’sche Dermaltasche, nicht etwa strahlig oder zerfasert ausläuft, sondern mit einer kolbigen Verdiekung abschließt, in deren Centrum vor der Hand ein Lumen gar nicht, oder kaum angedeutet zu erkennen ist. Jedenfalls lagern aber daselbst die Kerne in radiärer Richtung zu einem gemeinsamen Mittelpunkte, sind auch viel größer als im Verlaufe des eigentlichen Stranges und erscheinen später von einem begrenzten Plasmaterritorium umgeben, sobald im Centrum der kolbigen Ver- diekung ein Hohlraum deutlich hervorzutreten beginnt, der spitz aus- gezogen gegen den Strang aufhört (Fig. 1 rechts). Der vordere Endkolben des Hodenstranges, d. h. die Verdiekung desselben, welche gewissermaßen in die konkave Seite (Hilus) der Geschlechtsdrüse sich einbohrt, ist schon Gegenstand einer besonderen Besprechung gewesen!. Bei jener Gelegenheit wurde nachgewiesen, ' E. Vorson, La spermatogenesi nel B. mori. Pubbl. anat. d. Staz. Bacolog. Ill. Padova 1889. Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 323 » dass im Laufe der Larvenperiode derselbe sich blasenartig aufbläht und allmählich in den Hodenkelch umwandelt. Der Hodenkelch selbst bleibt jedoch durch lange Zeit von der eigentlichen Geschlechtsdrüse ganz abgeschlossen, und nur am Ende des Nymphallebens wird durch Involution seines blinden Grundes das Hindernis gehoben, welches einen Ausfluss des Hodeninhaltes bis dahin ganz unmöglich gemacht hatte. Ein ähnlicher blasenartiger Hohlraum bildet sich nun eben so im hinteren Endkolben aus, an der Seite der HERoLD’schen Der- maltasche; oder vielmehr: es erweitert sich nun bis zur Wahrnehmbar- keit eine von Anfang an bestehende sehr enge Spalte, die sich im frühesten postembryonalen Stadium unseren Augen entzog. Denn es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass unser hinterer End- kolben mit der terminalen Ampulle WHEELERr’s identisch ist, und so- mit nichts Weiteres darstellt als einen persistirenden Rest des Cölom- säckchens aus dem zehnten Abdominalsegment des Embryo, welches sich nur vorübergehend verengt hat, um gleich darauf sich wieder zu erweitern und allmählich seiner völligen Entfaltung entgegenzugehen. Ist aber diese Annahme richtig, dann liegt es nahe auch dem vor- - deren Endkolben des Hodenstranges, der sich ganz analog verhält, eine ähnliche Abstammung zu vindieiren; und bleibt es nur Aufgabe späterer Forschungen zu bestimmen, welches Cölomsäckchen an der Bildung desselben sich betheiligt. Wie dem auch sein mag, die hinteren Endkolben der Hoden- stränge sind schon bei Raupen, welche die zweite Häutung eben durchmachen, zu einer weiten sphärischen Blase angeschwollen, deren Wände aus regelmäßigen einschichtigen Epithelzellen bestehen: der Übergang zwischen diesen typischen Zellen und dem gekernten Plasma des Hodenstranges ist zwar graduell, aber außerordentlich rasch und daher auf eine sehr kurze Strecke bemessen. Anderen- theils strebt die Entfaltung der Endkolben vorwiegend der Median- linie zu, und übt einen Druck in dieser Richtung aus, dem sich die Wände der HeroLp’schen Tasche selbst nicht ganz entziehen können. Schon in der ersten Larvenperiode tragen dieselben in der That eine umschriebene Verdünnung davon, welche. in Fig. 1, besonders rechts, ganz deutlich zu erkennen ist. Später werden sie von den nachdrängenden Endkolben des Hodenstranges geradezu vor sich hergeschoben bis der früher weite Grund der Hauttasche im opti- schen Querschnitt zu einer Spalte reducirt erscheint (siehe Fig. 2). Aber zu derselben Zeit beginnt in den einzelnen Elementen der verschobenen Stellen eine außerordentliche Lebensthätigkeit sich zu Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 223 324 E. Verson und E. Bisson, äußern. Dieselben werden länger, und indem sie sich reichlich theilen, auch schmäler und dichter: es entsteht so ein Paar ekto- dermaler Keime (pp in Fig. 2) von etwa elliptischer Gestalt, welche in ihrer ecentralen Portion viel lebhafter wuchern als an der Peri- pherie, und daher allmählich aus den Wänden der Hauttasche als konische Zapfen hervortreten (p in Fig. 3). Wäre es nun auch zu- lässig, die erste Veranlassung zur gesteigerten Thätigkeit der nach- träglich als Keimzellen sich heranbildenden Elemente im mechani- schen Reize zu suchen, den die Endkolben der Hodenstränge an der Berührungsstelle durch Druck ausüben, — so scheint bei der weiteren Vergrößerung der eircumseripten Keimflächen und bei der ungleich- mäßigen Theilung der einzelnen Zellen, welche in den centralen Partien eben viel ausgiebiger proliferiren als in den peripherischen, auch ein besonderes von außen neu hinzutretendes Gewebe nicht ohne Einfluss zu sein. Die hinteren Hodenstränge, welche an der HEROLD’schen Haut- tasche sich ansetzen, bestehen anfänglich aus einer gleichförmigen plasmatischen Masse, in welcher zahllose längliche Kerne eingestreut liegen; und wenn dieselbe oberflächlich auch etwas verdichtet sein mag — man begegnet stellenweise sogar einzelnen Fäden aus dem intervisceralen Muskelnetze, welche sich daran befestigen — so ist die Konsolidirung der äußersten Schicht doch keine derartige, dass die Isolirung einer wirklichen Grenzmembran gelingen dürfte. Schon nach wenigen Tagen jedoch, und zwar in Räupchen, welche die erste Häutung kaum überstanden haben, ist eine deutliche Abspal- tung an der konvexen Fläche der Endkolben nachzuweisen. Nach gehärteten Präparaten zu urtheilen, scheint sich daselbst geradezu eine Art Delamination zu vollziehen, wodurch die unmittelbare Be- rührung der Endkolben mit den Ektodermalzellen aufgehoben wird. Das so eingeschobene Zwischengewebe wächst aber nun auberordent- lich rasch. Und in demselben Maße als das schon erwähnte Paar ektodermaler Keime aus den Wänden der HeroLD’schen Tasche sich zu entfalten und zapfenartig hervorzutreten beginnt, erscheint auch die ganze innere Höhlung der .Auswüchse damit ausgefüllt (Fig. 3 und 4). Eine nähere Untersuchung ergiebt, dass die plas- matische Grundsubstanz desselben, nebst zahllosen eingebetteten Kernen, alsbald viele Tracheenäste aufweist, welche sie in der Rich- tung des größten Wachsthums durchsetzen und dabei mit Riesen- zellen sich belegen, in deren Inneren ein enggewundener Kanal neuer Tracheenkapillaren sich Eine ähnliche ausbildet. Proliferation N 0 | | a ee er ei in > A Benwes, 8 Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 325 von Tracheenzellen, welche zuerst gewaltig anschwellen und schließ- lich ein Knäuel von Luftröhren produeiren, welche, von der been- senden Membran der Mutterzelle befreit, sich strecken und weiter verzweigen, kommt bei B. mori überall vor, wo ein besonders rasches “ Wachthum statthat, und fehlt daher niemals bei den sog. Imaginal- scheiben überhaupt!. Somit ist es sicher nicht unwahrscheinlich, dass dieser Vorgang sowohl durch Ausübung eines mechanischen Druckes bei der rapiden Volumszunahme des subdermalen Gewebes, als auch durch die viel reichlichere Sauerstoffzufuhr, die er an der betreffenden Stelle bedingt, eine ganz hervorragende Rolle bei der Anlage von entfaltungsfähigen Dermalkeimen spiele. Was übrigens die Herkunft des Zwischengewebes anlangt, die wir, wie gesagt, in die äußerste Schicht der Endkolben selbst ver- lesen, dürften auch die Serienschnitte, die in Fig. 16 abgebildet sind, zu Gunsten unserer Ansicht sprechen. Denn aus denselben ergiebt es sich sogleich, dass die gekernte Plasmamasse nur im Bereich obgenannter Endkolben sich vorfindet (siehe Schnitt d, ce, d, e und f), oder wenigstens in vorwiegender Masse auftritt; während ‘ im unteren Theile des HrroLp’chen Organs, d. h. am Stiele der Hautinvagination, aus welcher es besteht, zu dieser Zeit mesodermale Elemente in sehr geringer Menge oder noch gar nicht vorkommen (siehe Schnitt g und 2). Verfolgen wir nun schrittweise die weiteren Entwicklungsstadien der männlichen Larve, so begegnen wir im accessorischen Ge- schlechtsapparat erst nach der vierten Häutung bemerkenswerthen Veränderungen. Wie aus Fig. 4 hervorgeht, welche das HEROLD’sche Organ einer Raupe aus der fünften Altersperiode darstellt, erscheinen um diese Zeit die zwei ektodermalen Keime » ganz bedeutend ver- größert, und hängen nun als lange, an der freien Spitze etwas ver- schmälerte Zapfen in den Hohlraum der Hauttasche hinein. Dabei hat sich auch der untere Theil, der Hals dieser letzteren, nicht un- wesentlich erweitert, und die Übergangsöffnung zum äußeren Inte- sument (o) klafft so breit, dass die Cuticula des Integumentes ohne Unterbrechung sich in dieselbe einsenkt und eine membranöse Aus- kleidung ihrer inneren Wände abgiebt (ct). In Fig. 4 zeigt sich diese Auskleidung, in Folge von Zerrung beim Präpariren, zufälligerweise nach außen, wie ein Handschuhfinger umgestülpt; sie bewahrt da- i Vgl. E. Verson, La formazione delle ali nella larva del B. mori. Pubbl. Anat. d. Staz. Bacolog. IV. Padova 1890. — VERSoN e QUAJAT, Il filugello e l’Arte Sericola. Padova 1896. p. 273. 227 326 E. Verson und E. Bisson, gegen ihre natürliche Lage in Fig. 5 (c2), wo die euticuläre Sekretion der Zellen übrigens schon so weit zur Geltung gekommen ist, dass auch die freien Spitzen der Keimzapfen wie von einem dünnen Schleier überzogen erscheinen. Ahgesehen von dieser allgemeinen Vergrößerung sind aber in der fünften Altersperiode der Larven noch zwei besondere Vorgänge zu erwähnen, welche einestheils die Wände der Hauttasche, anderen- theils die hinteren Endampullen der Hodenstränge betreffen. Bezüglich der ersteren genügt wohl ein Bliek auf die Fig. 5, um sofort zu erkennen, dass gleich unter den ersten schon beschrie- benen Zapfen p, ein zweites Paar ektodermaler Keime y auftritt, welches schnell anwächst und schließlich eben so zapfen- artig aus den Seitenwänden hervorragt. Wir sind nicht im Stande zu entscheiden, ob es sich dabei um die Differenzirung einer ein- zigen von Anfang an breiteren Keimwucherung etwa handelt, wie sie die Betrachtung der Fig. 5 nahelegt; oder ob das zweite Keim- paar p’ erst nachträglich unterhalb des ersteren, und von demselben unabhängig, zur Entstehung gelangt. 'Thatsächlich erscheinen gegen Ende der Larvenperiode die Ausgangspunkte der zwei Keim- oder Zapfenpaare vollständig von einander getrennt, und die Zapfenpaare selbst wurzeln nicht nur in einem verschiedenen Niveau der Haut- tasche, so dass das zweite Paar viel tiefer, der Mündungsöffnung näher steht, als das erste, sondern sie liegen auch seitlich von ein- ander verschoben. Dieses Verhältnis geht ganz unzweideutig aus Fig. 17 hervor, in welcher einzelne Bilder aus einer kontinuirlichen Schnittserie des HEROLD’schen Organs, nur 50fach vergrößert, dar- gestellt sind. Im sechsten Querschnitt c’ (vom blinden Grund aus gezählt) erscheinen die zwei ersten Zapfen als lappenartige Vor- wölbung der Seitenwände an die dorsale, d. i. an die hintere Fläche der Hauttasche gedrängt, während das zweite Zapfenpaar, im achten und zwölften Querschnitt (@’ und e‘) allmählich an- schwellend, ganz entschieden der ventralen, d. i. der vorderen Fläche der Hauttasche sich zuneigt. Berücksichtigt man ferner, dass die HeroLp’sche Tasche genau in der: Grenzlinie zwischen achtem und neuntem Bauchsegment sich einsenkt und daher von jedem der- selben einen gleichmäßigen Antheil bezieht, so muss man die Wahr- scheinlichkeit zugeben, dass die ganze vordere Hälfte der abge- platteten Tasche eigentlich zum achten Segment, und die hintere zum neunten gehöre. Demnach würde das erste Zapfenpaar eben so dem neunten Segmente entstammen, und müsste vom achten Seg- Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. etc. von Bombyx mori. 397 ment das zweite Zapfenpaar abgeleitet werden, was zunächst darauf hinweisen dürfte, dass beide Zapfenpaare eigentlich wohl nichts Anderes als modifieirte, wenn auch sehr verspätete Gliedmaßen dar- stellen: und die Feststellung einer solchen Derivation wird sich später, zur Durchführung von Vergleichen mit dem Evolutionsgang der weiblichen Anhangsdrüsen, die wir uns anderswo vorbehalten, ganz besonders nutzbar erweisen. Wenn auch nicht in demselben Maße wie die Seitenwände, aus welchen das obere und das untere Zapfenpaar (Fig. 6p und p’) her- vorgewachsen sind, erweitern oder verlängern sich übrigens auch die Wände des blinden Grundes der ektodermalen Tasche. Die Sehnittserie, aus welcher Fig. 16 entnommen ist, zeigt zur vollsten Evidenz, dass die Terminalampullen der Hodenstränge sich vorwie- send an die dorsale (hintere) Fläche des Heroup’schen Organs fest- setzen, und dass dieselben im Verlauf ihrer Entfaltung sich dort in einer Weise zustreben, dass der dazwischen gerathene Grund der Hauttasche gewaltsam ventralwärts (nach vorn) gedrängt wird (b, c, d in Fig. 16). Wie aber dieser Grund selbst in Tiefe und Länge weiterwachsen möchte, begegnet er einem neuen Hindernis im äußeren mesodermalen Überzuge, der hier eine ansehnliche Ver- diekung erfahren hat. Die Verlängerung knickt daher sogleich in sich selbst zusammen, und die Lichtung der HrroLp’schen Haut- tasche bietet demgemäß an ihrem blinden Grunde eine knieartige Beugung oder Krümmung dar, welche wir später an der fertigen Peniswurzel wiederfinden werden. In Fig. 6 fhaben wir gesucht dieses Verhältnis dadurch anzudeuten, dass wir die allmählich, bei Drehung der Mikrometerschraube nach einander in Focaldistanz eintretenden Umrisse des blinden Grundes, in eine einzige Zeichnung zusammen- gefasst haben. Schließlich ist es von größter Wichtigkeit die Evolutionen nicht zu übersehen, die sich unterdessen an den Hodensträngen selbst vollzogen haben. Wenn auch im queren Durchmesser verdickt, be- wahren dielben noch im ganzen Verlauf bis zum Hoden die Form einer festen, soliden Schnur. Aber die Terminalampullen, mit welchen sie sich an die HrroLp’sche Hauttasche ansetzen, haben die Gestalt einer sphärischen Blase aufgegeben, um sich nach und nach zu ver- ziehen und dem Anscheine nach in einen längeren Schlauch auszu- wachsen, welcher in zusammengewundenem Knäuel dem blinden Grunde der Hauttasche aufsitzt (r£ in Fig. 5 und 6). 328 E. Verson und E. Bisson, In der spinnreifen Larve haben also die Ausführungsgänge und die Anhangsorgane des männlichen Geschlechtsapparates schon eine sehr ansehnliche Entwicklung erreicht. Die eingestülpte Hauttasche, welche eigentlich das ganze Hr- ROLD’sche Organ ausmacht, hat sich erweitert und vertieft; ihre Seitenwände haben vier Keimwülste hervorgebracht, welche, allmäh- lich zu einem oberen und einem unteren Zapfenpaar herange- wachsen, in die freie Lichtung herabhängen; aber der blinde Grund des Sackes ist noch vollständig geschlossen, und um dasselbe, sowie im Inneren der Zapfen selbst hat eine reichliche Wucherung meso- dermaler Elemente stattgefunden, deren unmittelbare Ableitung vom gekernten Plasma der Hodenstränge zu Tage liest. Der seitliche Zutritt der zwei Hodenstränge, deren Terminalampullen zu einem vorgewölbten Aufsatze von verknäuelten Schläuchen ausgewachsen zu sein scheinen, verleiht dem ganzen Gebilde eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Umrissen eines Uterus (Fig. 5 und 6). Welche Bedeutung mögen nun diese auffallenden Emanationen der Terminalampullen haben? Eine noch so aufmerksame Betrachtung des Knäuels in toto ist nicht im Stande uns genügenden Aufschluss zu ertheilen. Aber mit seduldigen Isolationsversuchen unter dem Mikroskope gelingt es die Schwierigkeiten zu überwinden, welche die Kleinheit des Objektes an und für sich macht. Und der entwirrte Aufsatz (siehe Fig. 7) lässt uns mit Verwunderung erkennen, dass es sich nicht um eine einfache Verziehung der Terminalampullen zu einem längeren, ein- fachen Schlauch handelt, sondern dass von jeder Terminalampulle nach vorn und nach hinten (in der Zeichnung nach oben und nach unten) ein besonderer schlauchartiger Ausläufer ausgeht, welcher in die Länge wächst, und hiermit einen T-förmigen Aufsatz zum jeder- seitigen Hodenstrange vervollständigt. Kurz nach der Verpuppung pflanzt sich der Process der Aus- höhlung, den wir bisher in den Terminalampullen nur nach dem freien Ende zu vorschreiten. sahen, auch in entgegengesetzter Rich- tung fort. Im soliden Hodenstrange umgeben sich die einzelnen Kerne mit einem eigenen Plasmahofe, vervollkommnen sich zu ge- schlossenen konischen Zellen, die sich radiär zur. Längsachse des Stranges aufstellen und endlich zu einem centralen Kanal aus ein- ander weichen: das solide Gebilde ist nun hohl geworden und dessen Lichtung ist nur mehr durch den blinden Grund der endständigen Terminalampullen begrenzt, welche sie einerseits gegen den Hoden u 2 Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 329 und andererseits gegen die HrroLp’sche Integumentaltasche ab- schließen. Lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf ein noch vorgerückteres Entwicklungsstadium, wie es von Fig. 9 etwa dargestellt wird (vier Tage nach der Verpuppung), so finden wir durch die mittlerweile stattgehabte Streckung der einzelnen Abschnitte das Verständnis ihrer segenseitigen Beziehungen sehr erleichtert. Und es kann Niemanden mehr ein Zweifel darüber aufsteigen, dass der vordere! Ausläufer jeder Terminalampulle als eine Nebendrüse, der hintere da- segen als Ductus ejaculatorius aufgefasst werden muss, während das zwischenliegende Mittelstück offenbar eine Samenblase vor- stellt. Alles dieses bestätigt vollkommen den von PALMEN und von NusBaum (l. e.) aufgestellten Satz, dass die Ausführungsgänge und die Anhangsorgane des Geschlechtsapparates bei den Insekten sämmt- lich aus paarigen Keimen entstehen. Dagegen ist die Behauptung NusBAum’s, dass, mit Ausnahme der Vasa deferentia und der Ovi- duete, alle übrigen Theile des Ausführungsapparates aus dem Haut- epithel sich entwickeln, absolut irrig. Unsere Präparate gestatten nicht die entfernteste Möglichkeit anders als in dem Sinne ausgelegt zu werden, dass Nebendrüse, Samenblase und Ductus eja- eulatorius ausschließlich dem Hodenstrange, oder korrekter, der hinteren Terminalampulle desselben entstammen. Und darin weichen wir entschieden auch von WHEELER ab, welcher die Ansicht aus- spricht, die Samenblasen seien allerdings mesodermalen Ursprungs und entstammten direkt den Terminalampullen, aber Ductus ejacu- latorius und Nebendrüsen möchten ektodermal entstehen, und zwar als unpaare Bildungen in der Medianlinie! Ja, wir sind sogar der Meinung, dass es exakter wäre, nicht einmal die Samenblase unmittelbar aus der Terminalampulle ab- zuleiten. Untersucht man nämlich bei einer Vergrößerung von 3 bis 400 Dehm: eine größere Reihe von Präparaten, die sich ungefähr im Entwicklungsstadium der Fig. 7 mehr oder minder befinden, so kann man konstant nachweisen, dass die Elemente des blinden Grundes, sowohl bei der vorderen als bei der hinteren Emanation der Endampulle, in Ruhestand verharren, und erst in einiger Ent- fernung von demselben lebhafte Proliferationsvorgänge erkennbar werden, welche eine stetige Verlängerung der zwei divergirenden ! In der Zeichnung ober, 350 E. Verson und E. Bisson, T-Schenkel bedingen. Man sollte also den Emanationsprocess der Endampulle so auffassen, als ob dieselbe durch einen queren Sehnitt in zwei annähernd halbkugelförmige Hälften, eine vordere und eine hintere, getrennt würde, und am Trennungsrand ein pro- liferirender Ring sich ausbildete, welcher, in seinem ganzen Umfang neue Tochterzellen produeirend, die zwei Halbkugeln um die Länge des dazwischen entstehenden Schlauches aus einander schiebt. Dem- semäß würden aus jeder Terminalampulle primär nur eine accesso- rische Drüse und ein Ductus ejaculatorius hervorgehen; letztere würden ihrerseits erst sekundär, durch Nachschub in proximaler Richtung, die zwischenlagernde Samenblase erzeugen. Die weiteren Schicksale des mesodermalen Ausführungsappa- rates sind leicht abzusehen. Bis zur zweiten Hälfte des Puppen- stadiums! bleiben die Samenblasen, die Ducti ejaculatori, und die accessorischen Drüsen, welche mittlerweile alle ihre endgültige Längenausdehnung erreicht haben, von einem Ende bis zum anderen paarig. Die äußersten oberflächlichen Elemente der Schlauchwände, die sich eben in eine Längs- und eine Querfaserschicht umgelagert haben, zeigen wohl schon ein gewisses Bestreben nach Konfluenz, indem sie an den Berührungsstellen der homonymen Theile, ähnlich den Rinden approximirter Zweige, mit einander verwachsen. Daher kommt es, dass die doppelten Schläuche der Ductus ejaculatorii und der Samenblasen eine gemeinschaftliche mesodermale Umhüllung jetzt aufweisen, welche sich auf den größten Theil der accessorischen Drüsen ebenfalls erstreekt: nur die äußersten Enden dieser letzteren bewahren je einen besonderen Überzug, weil ein kurzer mesoder- maler Strang (ms in Fig. 7) sie an das gleichseitige Vas deferens heftet, und so ihre vollständige Annäherung hindert. In der zweiten Hälfte des Puppenstadiums beginnen jedoch die zwei Ductus ejaculatorii an ihrem äußersten blinden Ende in einander zu dehisceiren (ce.ce in Fig. 12) und ihre Verschmelzung zu einem einzigen Schlauche schreitet allmählich nach rückwärts, bis zum Anfang der Samenblasen, wo die Konfluenz stille steht und die weiteren Abschnitte des Geschlechtsapparates bilateralen Typus bleibend behalten. Jedenfalls ist es auffallend, dass, nach erfolgter Vereinigung der zwei Ductus zu einem einzigen Schlauche, der ekto- i Also bis zum achten Tage etwa nach der Verpuppung, wenn das ganze Puppenstadium die mittlere Dauer von 14 Tagen einhält. Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 331 dermale Theil des Ausführungsganges (f Fig. 13) noch mehrere Tage gegen den mesodermalen (ce Fig. 13) ganz abgeschlossen verbleibt. Während dieser letztere in vorgerückter Puppenperiode sich also eigentlich nur darauf beschränkt, in Länge und Breite zu wachsen, ohne seine äußere Gestaltung sehr wesentlich zu modifieiren, sind dagegen viel tiefer und auffälliger die Veränderungen, welche das HERoLD’sche Organ betreffen. Dasselbe stellt zu Ende der Larvenperiode, wie wir gezeigt haben, eine Dermaltasche dar, von deren Seitenwänden ein oberes und ein unteres Zapfenpaar in die Höhlung der Einstülpung herein- hängen. Ein dicker mesodermaler Überzug (ms Fig. 7) verleiht dem sanzen Gebilde rundliche Gestalt, und stellt zugleich eine feste Ver- bindung mit dem blinden Grunde der hinteren Emanationen der Terminalampullen her. Anfangs wachsen die vier Zapfen in Dicke und Länge fort, so dass der Innenraum bald von denselben strotzend erfüllt wird, und das turgeseirende Gebilde sich allmählich von seiner liegenden Stellung fast unter rechtem Winkel aus der Ebene des Bauch- Intesumentes erhebt. Darauf nimmt aber das Wachsthum der Zapfen eine andere Richtung: sie verbreitern sich nämlich an ihrer ‚Wurzel, an ihrer Basis, ohne übrigens das bezügliche Niveau nach oben oder nach unten zu überschreiten, welches sie vom Ur- sprung an in der Hauttasche einnahmen. Dadurch wachsen die zwei Zapfen jedes einzelnen Paares sich längs den Wänden einander ent- gegen, berühren sich, und fließen endlich zu einer ringförmigen Falte zusammen, welche durch fortgesetzte Konfluenz der sich eben so im Ringe verbreiternden Zapfenkörper allmählich stärker hervortritt und endlich eine schlauchartige Invagination abgiebt. Dasselbe Spiel wiederholt sich mit den zwei Zapfen des unteren Paares. Aber die Konfiuenz pflanzt sich schneller an der dorsalen als an der ventralen Seite fort. Und so kommt es, dass in Fig. 8 (dreitägige Puppe) sowohl die Zapfen des oberen (p) als jene des unteren Paares (p’) dorsal schon mit einander verwachsen erscheinen (der verwachsene Rand bildet einen schattirten Halbkreis), während sie ventral noch nicht auf einander gestoßen sind. Eben so ergiebt die . Sehnittserie der Fig. 18 (nur 50fach vergrößert), dass in den tieferen, der Basis näheren Partien, je zwei Zapfen schon zu einem voll- ständigen Ringwulste (d”’) verwachsen sein können, während dem freien Rande näher dieselben auf der ventralen Seite noch rinnen- artig offen stehen (ec und f”). 332 E. Verson und E. Bisson. Natürlich werden dabei die aus den Zapfen hervorgegangenen Wülste um so schmäler, je mehr sie an Breitenausdehnung im Kreise gewinnen, und schließlich finden wir an ihrer Statt zwei zu einander koncentrische Schläuche wieder, um welche, wie im Folgenden ge- zeigt werden soll, das mesodermale Gewebe des ursprünglichen HEROLD’schen Organs eine ganz eigenthümliche Vertheilung annimmt. Der innere Schlauch (> in: Fig. 10), welcher vom oberen Zapfenpaar abstammt, behält bleibend seine verdoppelte Wandung und formt sich rasch zum Penis um. Der äußere Schlauch '(p’ Fig. 10), der Vor- haut des Penis entsprechend, ist ebenfalls zweiblätterig angelegt, aber die zweite Lamelle desselben verstreicht in Bälde gegen das allgemeine Integument, in welches sie unmittelbar übergeht. In dem- selben Maße nun, als die vier Keimzapfen in Penis und Vorhaut Sich verwandeln, wechseln ihre ursprüngliche Lage auch die mesodermalen Elemente, welche den Innenraum derselben ausfütterten. Schon aus Fig. 8 (junge Puppe) wird es ersichtlich, dass die Kerne des Meso- dermalgewebes (ms) eine besondere Verlagerung erfahren. Hält man gegenwärtig, dass » das obere, zum Theil schon rinnenartig ver- wachsene Zapfenpaar vorstellt, op’ den aus dem unteren Zapfenpaare entstehenden Wulst, und endlich ab den tiefsten Abschnitt, den blin- den Grund der HeroLp’schen Hauttasche, der sich in a winkelig krümmt, um auf eigene Rechnung noch weiter, bis d, in die Länge zu wachsen —, so muss man schließen, dass das mesodermale Ge-_ webe zunächst diesen letzten Abschnitt ab diek umwickelt; dass es ferner aus den Emanationen des oberen Zapfenpaares in zwei di- vergenten Zügen ausstrahlt, welche sich an der Basis in entgegen- esetzter Richtung umschlagen, und dass es endlich innerhalb des unteren Zapfenpaares p’ wie zu einem gewundenen Knollen sich zu- sammendreht, der nach und nach den aufkommenden Ringwulst der Vorhaut umfasst. Dieser mesodermale Kranz fixirt sich nun, wie die Querschnitte c”, d’, e" der Fig. 18 deutlich zeigen, an die ven- trale Hypodermis «p, und bedingt dadurch, dass später, wenn das Gesammtintegument sich nach hinten verzieht, die eircumseripte Verwachsungsstelle der allgemeinen Verschiebung nicht folgen kann. Es bildet sich also daselbst eine tiefe Einbuchtung der Hautdecke, deren Wände chitinisiren und ein festes Skelett für den ganzen | Muskelapparat des Penis abgeben. Die Muskelknollen, welche aus dem Inhalte des unteren Zapfen- paares entstehen, sind von Fig. 10, 11 und 12 in ms, zur Anschauung gebracht, während sie in Fig. 13, 14 und 15 », schon mit einander = f ? an Zara ha a ii ah alt Se ud U Sn an ai Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 333 zusammengeflossen sind und einen kontraktilen Kranz bilden, der die Vorhaut des Penis zu 2/; umfasst, und sie an die Hypodermis fixirt (s., besonders Fig. 14). Die doppelten Kernzüge, welche aus dem mesodermalen An- theile des oberen Zapfenpaares hervorgehen, entfalten sich als zwei Paare Muskeln, von welchen der Penis vor- und rückwärts gezogen wird (ms in Fig. 10, 11 und 12, m in Fig. 13 und 14, mp und mr in Fig. 15). | Was endlich den blinden Grund der ehemaligen Heroup’schen Tasche betrifft, von dem schon Fig. 8 zeigte, dass er in « winkelig abbog, um sich bis 5 weiter zu strecken, finden wir denselben in Fig. 11 (mittlere Puppenperiode) zu einem längeren geknickten Rohre ver- wandelt, welches bis f reicht, durch eine besonders starke Muscu- laris ausgezeichnet ist, und offenbar einen integrirenden Bestandtheil des Penisgliedes abgiebt. Da das Längenwachsthum dieses ersten Penisabschnittes aber nicht geradlinig erfolgt, sondern in einer Krümmung, so muss angenommen werden, dass es einseitig vorwiegt, d.h. dass es dorsalwärts im gegebenen Falle mit größerer Lebhaftig- keit vor sich geht, als ventralwärts. Und dieses ungleiche Wachs- thum der vorderen und der hinteren Partien bringt es mit sich, dass auch die Umschlagstelle des Penis zur Vorhaut an der dorsalen Seite viel höher hinaufgezerrt wird (Fig. 11 vi.s), als an der ventralen (Fig. 11 vt..). Sobald die zwei Muskelpaare, welche den Penis vor- und rück- wärts bewegen, sich nach außen entfaltet haben, bleibt der Raum zwischen den Doppelwänden des Penisrohres leer. Letztere nähern sich dann bis zur Berührung, und indem die Grenzen der einzelnen Zellen schwinden, erfolgt ihre vollständige Chitinisirung. Zum Schlusse mag nur noch hervorgehoben werden, dass dort, wo der Muskel- apparat einsetzt, sich eine hypertrophische Stelle ausbildet, die als vorragende Spina (sp Fig. 15) zum Ausdrucke kommt. - Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung können also in folgenden Sätzen zusammengefasst werden: 1) Die hinteren Hodenstränge, aus gekernter plasmatischer Masse bestehend, laufen im ersten Larvalstadium sowohl gegen den Hoden, als gegen das Hrrorp’sche Organ in eine kolbenartige Verdiekung aus, welche allmählich sich blasenartig erweitert. 2) Der vordere Endkolben jedes Hodenstranges, wohl aus dem 334 E. Verson und E. Bisson. Cölomsäckcehen eines der vorderen Abdominalsegmente hervorgehend, erweitert sich nach und nach zum viertheiligen Hodenkelche. 3) Der hintere Endkolben, welcher nach WHEELER ein persi- stirendes Divertikel des Cölomsäckchens aus dem zehnten Abdominal- segment des Embryo darstellt, wächst T-artig in zwei hohle, divergente Schenkel aus. Dieselben enden mit blindem Grunde und verwandeln sich, der eine zur Nebendrüse, der andere zum Duetus ejaculatorius, während zwischen beiden die Samenblase durch doppelseitigen Nach- schub entsteht. 4) Nur der wirklich strangförmige Abschnitt, der von einem Endkolben zum anderen läuft, erzeugt das Vas deferens. 5) Samenblasen, Nebendrüsen und Ductus ejaculatorii sind sämmt- lich paarige Bildungen; letztere verschmelzen jedoch im zweiten Puppenstadium vom blinden Grunde aus, und erwecken hiermit den Anschein der primären Unpaarigkeit. 6) Das HERoOLD’sche Organ ist eigentlich nur eine taschenartige Hauteinstülpung, welche am letzten und am vorletzten Bauchseg- ment partieipirt, und den Penis sammt seiner Vorhaut und seinem Wurzelgliede erzeugt. 7) Der Penis entsteht aus einem oberen Keimpaare der einge- stülpten Hautwände, seine Vorhaut aus einem zweiten, unteren Keim- paare. Der blinde Grund der HeroLp’schen Tasche streckt sich dagegen zum geknickten Wurzelgliede des Penis. Nachweisbar ge- hört der Penis zum neunten Abdominalsesment, und seine Vorhaut zum achten. 8) Der männliche Geschlechtsapparat lässt drei verschiedene Territorien unterscheiden, welche bis knapp vor dem Imaginalstadium von einander abgeschlossen verharren: a) den Innenraum des Hodens, b) das Vas deferens im Verein mit einer Samenblase, einer Neben- drüse und einem Ductus ejaculatorius, ce) den Penis und dessen Wurzelglied. 9) Der ganze Muskelapparat der männlichen Geschlechtstheile, Paarungsorgan mit einbegriffen, lässt sich vom gekernten Plasma der embryonalen Hodenstränge ableiten. Padua (R. Stazione Bacologica), im November 1895. Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 335 Erklärung der Abbildungen. (Mit Camera clara in stets gleicher Distanz entworfen.) Tafel XII und XIII. Fig. 1. HEROLD’sches Organ aus der zweiten Larvalperiode. gv, vd, Hoden- strang; :£, Terminalampulle desselben; c, Hohlraum der eingestülpten Hauttasche. Vergr. von A 500 Dchm., von B 100 Dehm. Fig. 2. Dasselbe aus einer Larve dritter Häutung. Der solide Hodenstrang (ge) dehnt sich zu einer weiten Terminalampulle (ri) aus. Die Hauttasche, deren Hohlraum (ce) durch die Öffnung (0) nach außen mündet, verdickt sich am Grunde zu zwei seitlichen Keimwülsten (pp). 100mal vergrößert. Fig. 3. Vierte Larvenperiode. Abgesehen von der allgemeinen Volums- zunahme fallen die Keimwülste (p) auf, welche schon zapfenartig aus den Wänden hervorwachsen. Links finden sich die größeren Tracheenäste (Zr) dargestellt, welche vom letzten Stigma dem Organe geliefert werden. Vergr. 100 D. Fig. 4 Fünfte Larvenperiode. Die Terminalampullen der soliden Hoden- stränge (ge) verziehen sich zu einem unregelmäßigen Hohlraume (r2); aus den Keimwülsten haben sich zwei lange Zapfen (pp) entwickelt, welche in das Lumen der Hauttasche herunterhängen; der cuticulare Überzug (et) des Taschenstieles wurde bei der Präparation zufällig nach außen umgestülpt. Vergr. 100 D. Fig. 5. Ende der fünften Larvenperiode. Die Terminalampullen sind zu einem Knäuel verschlungener Schläuche (r?) ausgewachsen; unter dem oberen Zapfenpaare (p) ist ein unteres Paar neuer Keimwülste aufgetreten (p’); ein dünnes Cutieularrohr (c£) durchsetzt die Mündungsöffnung (o), um die inneren Wände der Hauttasche zu überziehen. Vergr. 100 D. Fig. 6. Aus einer spinnreifen Larve. p, oberer, p’, unterer Keimzapfen; ms, Mesodermalgewebe, welches, von den soliden Hodensträngen abstammend, ins Innere der Zapfen ausstrahlt; f, blinder Grund der Ektodermaltasche, nach optischen Querschnitten bei verschiedenen Fokaldistanzen dargestellt. Ver- srößerung 100 D. Fig. 7. Nach beendigter Spinnreife. p und p’, oberes und unteres Zapfen- paar; ms, mesodermaler Überzug der Hautinvagination. Der gewundene Schlauch- knäuel, welcher derselben in Fig. 5 aufsaß, ist hier durch geeignete Präpa- ration entwirrt. Aus dem Hodenstrange v.d, der sich nun von einem Ende zum anderen aushöhlt, entspringen zwei diametral entgegengesetzte Emanationen. Nach vorn die sogenannte Nebendrüse (gl.a), nach hinten der Ductus ejacula- torius. Vergr. 50 D. | - Fig. 8. Aus einer dreitägigen Puppe. Das HERoLD’sche Organ, d.h. die Dermaltasche, von einer dicken Schicht Mesodermalgewebe umhüllt (ms), hängt nur mehr mit dem doppelten blinden Grunde (cc) des paarigen Ductus ejacula- torius zusammen. Das obere Zapfenpaar (p) ist schon mit einander im Kreise verwachsen; das untere Zapfenpaar (p’) steht auf der ventralen Seite noch rinnenartig offen. Der blinde Grund der Hauttasche beschreibt in a eine Krüm- mung und streckt sich dann noch weiter bis 5. Die Elemente des Mesodermal- gewebes (ms) umlagern sich derart, dass sie zunächst den schlauchartig ver- 336 E. Verson und E. Bisson, längerten Grund (ab) dick umwickeln; ferner aus dem ersten Zapfenpaare in je zwei divergenten Zügen ausstrahlen; endlich im unteren Zapfenpaare sich knollen- artig zusammenballen. Vergr. 100. Fig. 9. Aus einer viertägigen Puppe. Der ektodermale Abschnitt ist in der Entwicklung etwas weniger vorgerückt als in der vorausgehenden Figur, nur das obere Zapfenpaar (pp) fängt seitlich zu konfluiren an, während das untere Zapfenpaar noch ruht. Dagegen lässt der mesodermale Abschnitt die Anlage des definitiven Apparates sehr deutlich erkennen. Die diametral ent- segengesetzten Emanationen des Vas deferens (v.d) entsprechen rechts den Neben- drüsen (g.a), links den paarigen Duetus ejaculatorii (c.e), während dazwischen die Samenblasen (v.s) sich ausbilden. Vergr. 50 D. Fig. 10. Aus einer fünftägigen Puppe. Der mesodermale Abschnitt hat keine weiteren Veränderungen erlitten; der ektodermale hat sich ganz auf- fallend umgeformt. Aus dem oberen Zapfenpaare ist ein invaginirter Schlauch (p) hervorgegangen, dessen zweilippiger Rand die Abstammung von zwei be- sonderen Keimwucherungen noch deutlich verräth. Indem der mesodermale Inhalt der anfänglichen Zapfen unter der Form von je zwei Muskelzügen (ms) herausgetreten ist, nähern sich die zwei Blätter des invaginirten Schlauches (p) bis zur Berührung und chitinisiren. Auch das untere Zapfenpaar (p'p’) ist schon im Kreise verwachsen und giebt mit seinem inneren Blatte eine schlauchartige Umhüllung zum Penis (p), während sein äußeres Blatt gegen das allgemeine Integument nach und nach verstreicht. Sein mesodermales Gewebe liegt noch zusammengeballt zu zwei Knollen (msı), welche später konfluiren, und die Vor- haut des Penis kranzartig umfassen. Vergr. 50 D. Fig. 11. Aus einer sechstägigen Puppe. ce, doppelter blinder Grund der noch paarigen Ductus ejaculatorii; /, blinder Grund der Peniswurzel, aus dem tiefsten Abschnitte der HerroLp’schen Dermaltasche hervorgegangen; vts, dor- sale, viz, ventrale Umschlagstelle des äußeren Blattes des Penis (oberes Zapfen- paar!) zum inneren Blatte (p’) der Vorhaut (unteres Zapfenpaar!); msms, ein Musculus retraetor et protrusor penis derselben Seite; ms, der kontraktile Kranz, der die Vorhaut an das allgemeine Integument fixirt. Vergr. 50 D. Fig. 12. Aus einer etwa ‚achttägigen Puppe. v.d, Vasa deferentia; v.s, Samenblasen; ga, Nebendrüsen; c.e, Ductus ejaculatorii, am blinden Grunde in einander dehiscirend; g, Vorhaut des Penis; m,, deren Musculus constrictor; ms, je ein Musculus protrusor und ein Retractor penis aufjeder Seite. Vergr.50D. Fig. 13. Aus einer noch vorgerückteren Puppe. Die zwei Ductus ejacula- torii sind zu einem unpaaren Kanale (c.e) konfluirt; die Peniswurzel behält noch ihre blinde Endigung in f; vt und ds, ventrale und dorsale Umschlagstelle der Vorhaut in das äußere Blatt des Penis (p); m, Vor- und Rückwärtsschieber des Penis; an dem schon kranzartig ausgebreiteten Musculus constrictor der Vorhaut (m}) haftet noch eine Reihe Hypodermiszellen (a—b). Vergr. 50 D. Fig. 14. Am Ende des Puppenstadiums. p, Penis; g, Vorhaut; vi, ds, ven- trale und dorsale Umschlagstelle der Vorhaut in das äußere Blatt des Penis; ip, Hypoderma; m, Muskeln des Penis; m,, ringartiger Constrietor der Vor- haut; vg, ehitinisirte Hauteinbuchtung, an welche sich der Musculus constrictor festsetzt. Vergr. 50 D. Fig. 15. Aus einem eben ausgeschlüpften Schmetterlinge. m.r, Museuli retractores; m.p, Museuli protrusores penis: m’, Constrietor praeputii; sp, hyper- trophirte Insertionsstelle der Muskeln; g, Vorhaut; ip, Hypoderma. Vergr. 50D. Fig. 16. Quere Serienschnitte durch ein HrroLp’sches Organ aus der Fa U e FEIERT u en u ERS in en a 1 9 en, ol De ey . Die postembryon. Entw. der Ausführungsg. ete. von Bombyx mori. 337 vierten Larvenperiode. a, erster Schnitt (den blinden Grund der Hauttasche tangirend); 5, vierter Schnitt (die zwei Terminalampullen der Hodenstränge komprimiren und verdrängen ventralwärts die Hauttasche); ce, siebenter, d, zehn- ter, e, zwölfter Schnitt; /, fünfzehnter Schnitt (die zwei oberen Hautzapfen des ‘ Penis wölben sich aus den Seitenwänden des Organs hervor); g, neunzehnter Schnitt (die freien Zapfenenden hängen ins Lumen desselben); 7, sechsundzwanzig- ster Schnitt (der Stiel desselben verwächst theilweise mit dem allgemeinen Integument). Vergr. 100 D. Fig. 17. Quere Serienschnitte durch das HEROLD’sche Organ aus einer spinnreifen Larve. In a’ (sechster Schnitt vom blinden Grunde aus gezählt) er- scheint im Centrum die Lichtung der Hauttasche, rechts und links die Termi- nalampullen der Hodenstränge; in 5’ (achter Schnitt) wird der geknickte Ab- schnitt der centralen Höhlung doppelt getroffen; in e’ (elfter Schnitt) wölbt sich das obere Zapfenpaar aus den Wänden der Hauttasche hervor; in d’ (dreizehnter Schnitt) tritt das untere Zapfenpaar hervor und persistirt im siebzehnten (e’), einundzwanzigsten (f’) und fünfundzwanzigsten Schnitt (g’).. In f’, y und W wird eine abgestoßene Cutieularbildung deutlich. Vergr. 50 D. Fig. 18. Quere Serienschnitte durch das HEROLD’sche Organ aus einer jungen Puppe. a” (siebenter Schnitt vom blinden Grunde der Peniswurzel aus gezählt) zeigt rechts und links die schon ausgehöhlten Vasa deferentia, in der Mitte das Lumen der Peniswurzel, während unter demselben die vordere Um- schlagstelle des Penis zur Vorhaut durchschimmert; 5” (neunter Schnitt) enthält besagte Umschlagstelle sowohl vorn als hinten; in ce” (dreizehnter Schnitt) er- scheint das Mesodermalgewebe des HEROLD’schen Organs an die ventrale Hypo- dermis (zp) fixirt; in d” (fünfzehnter Schnitt) gehören die zwei innersten koncen- trischen Ringe dem doppeltblättrigen Penis an, der dritte äußere dagegen dem inneren Blatte der Vorhaut; letzterer verharrt noch als geschlossener Ring in e' (siebzehnter Schnitt), während der Penis hier rinnenartig klafft; aber in f” (einundzwanzigster Schnitt) ist die seitliche Konfluenz der ursprünglichen Zapfenpaare noch so weit zurückgeblieben, dass Penis und Vorhaut offen stehen. Vergr. 50 D. Studien über parasitische Copepoden. Von Wladimir Schimkewitsch (St. Petersburg). Mit Tafel XIV—XVI und 1 Figur im Text. I. Die ersten Entwicklungsstadien. Schon seit einigen Jahren bin ich in Gemeinschaft mit meinem - Kollegen Herrn D. D. PrDAscHEnKo mit der Untersuchung der Em- bryonalentwicklung der parasitischen Copepoden beschäftigt. Von dem genannten Herrn wird zur Zeit eine Arbeit über die Entwick- lung von Lernaea branchialis L. zum Drucke vorbereitet, auf die ich öfters in den nächstfolgenden Seiten Bezug zu nehmen die Ge- legenheit haben werde. Im Jahre 18589 veröffentlichte ich in russischer Sprache (89) eine kleine Abhandlung über die Entwicklung von Enteropsis dubius Schimk. und Tracheliastes sp., auf die ich mich ebenfalls öfters beziehen werde; ich muss aber schon jetzt im Voraus gestehen, dass einige Thatsachen, welche ich in dieser Ab- handlung anführte, jetzt für mich nach dem Vergleiche mit anderen Copepoden in einem ganz anderen Lichte erscheinen. In der vorliegenden Arbeit bespreche ich — außer den eben erwähnten Arten — die Entwicklung von Chondracanthus gib- bosus Kr., Ch. merlucei Holt., Notopterophorus (Doropy- gus) gibber Thor. und N. papilio Hesse. Es sei erwähnt, dass Notopterophorus gibber und N. papilio, welche so weit von einander entfernte Formen vorstellen, dass sie vor den Unter- suchungen GIESBRECHT’s (82e) sogar für Repräsentanten zweier ver- schiedener Genera angesehen wurden, in ihrer Entwicklung die größte Ähnlichkeit aufweisen. Einerseits spricht dieses für die nahe Ver- wandtschaft dieser Arten, welche schon von GIESBRECHT auf Grund Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 23 340 Wladimir Schimkewitsch, morphologischer Charaktere festgestellt wurde, andererseits aber kann es auch durch gleiche äußere Entwicklungsbedingungen er- klärt werden: die Eier der einen, sowie der anderen Art entwickeln sich im Uterus. Es scheint überhaupt die Lage der Eier bei den parasitischen Copepoden einen großen Einfluss auf die Entwicklung auszuüben. Die in einer Reihe hinter einander in dem Eiersacke liegenden Eier (wie bei Lernaea) weisen eine ganz andere Lage des Em- bryos und einige grundverschiedene Charakterzüge der Entwicklung auf, im Vergleiche mit den Eiern, welche, wie bei Tracheliastes, in mehreren peripherischen Längsreihen angeordnet sind (Fig. 34); auf dieselbe Weise unterscheiden sich auch bedeutend durch ihre Entwicklung von den beiden erwähnten Formen diejenigen Eier, welche ohne jegliche Ordnung in dem Eiersacke liegen (bei Chon- dracanthus). Obgleich mir nur eine kleine Anzahl von Eiern von Ch. triglae Nord. zur Verfügung stand, so kann ich doch behaupten, dass die Embryonalentwicklung dieser Art, bei welcher die Eier regelmäßig nur in wenigen Reihen angeordnet sind, sich bedeutend von der Entwicklung aller anderen Arten unterscheidet. Die Anordnung der Eier hängt wahrscheinlich auch von ihrer Größe ab, welche wiederum in einem sehr bedeutenden Grade von der Menge des Nahrungsdotters abhängig ist. Auf diese Weise be- stimmen theilweise die Quantität des Nahrungsdotters und die Verhältnisse des gegenseitigen Druckes der Eier ihren Entwick- lungscharakter. Vielleicht ist auch in diesen Verhältnissen die Erklärung jener Thatsache zu suchen, dass alle Embryonen der einen Längsreihe eines mehrreihigen Sackes, so wie auch alle Em- bryonen eines einreihigen Sackes in Bezug zu den Eiachsen immer eine und dieselbe Lage behalten. Das Material wurde von mir theilweise auf den zoologischen Stationen zu Neapel (1889 und 1891) und zu Villafranca (1891), theil-. weise auf der zoologischen Station zu Ssolowetzk am Weißen Meere gesammelt. Einen kleineren Theil davon habe ich von den Herren Professoren J. SPENGEL und P. MITROFANOFF bekommen, denen ich hiermit meinen innigsten Dank ausspreche. Meistentheils wurde das Material mit eimer heißen Subli- matlösung, mit Lang’s Flüssigkeit und in der letzten Zeit mit Sublimat-Eisessig (1:1 Gemisch) bearbeite. Für Schnitte ent- fernte ich gewöhnlich die Eisackmembran, welche überhaupt sehr leicht abgenommen werden kann. Außerdem ist aber sowohl bei Studien über parasitische Copepoden. 341 den Formen, welche die Eier in den Säcken tragen, wie auch bei denjenigen, welche sie im Uterus behalten, jedes Ei noch mit einer eigenen Eihülle bedeckt. Diese verwächst manchmal mit der Ei- sackmembran (wie bei Lernaea), ist aber größtentheils von ihr getrennt. Die Eihülle, sowie auch die unter ihr sich befindende Dotterhaut beeinträchtigen nicht im geringsten weder die. Färbung noch andere Manipulationen. Eifurchung. Bei Chondracanthus gibbosus ist der männliche Kern viel kleiner als der weibliche. Beide enthalten außer Chromosomen noch eine Chromatinanhäufung (Fig. |), welche wahrscheinlich dem von HÄcKER (92e) in den Eiern der freilebenden Copepoden beschrie- benen »Kernkörper« entspricht. Sobald sich der männliche Kern dem weiblichen genähert hat, legt er sich demselben an und bekommt eine sichelförmige Gestalt (Fig. 2). Darauf beginnt der männliche Kern in die Breite zu wachsen, und indem sich sein Volumen ver- srößert, ändert er auch zu gleicher Zeit seine Gestalt: aus einem sichelförmigen Gebilde wird er zu einem Kugelsegment, und die ge- meinsame, an der Berührungsstelle des männlichen und weiblichen Kernes entstandene Wandung erscheint jetzt nicht konkav an der Seite des weiblichen Kernes, sondern eben (Fig. 3). Eine Vereini- sung der beiden Kerne scheint nicht nur beim Auftreten der ersten, sondern auch der zweiten Querfurche nicht stattzufinden. In Fig. 4 ist ein Blastomer eines Eies abgebildet, welches zur Theilung in vier Blastomere vorbereitet ist. Beide Kerne sind ihrer Größe nach ganz gleich und es ist nicht mehr möglich zu ent- scheiden, welcher von ihnen der männliche und welcher der weib- liche ist; eine Wandung zwischen den beiden ist jedoch ganz deutlich zu bemerken. Das an der Seite sich befindende Centrosoma hat sich, der Anordnung des Eiplasmas nach, wahrscheinlich in zwei Hälften getheilt. In gleicher Weise vereinigen sich auch bei den freilebenden Copepoden die beiden Kerne nicht, wie es von HÄCKER (92e) nachgewiesen wurde. . | Die Eifurchung bei Chondracanthus gibbosus und Ch. mer- lucei ist, wie es schon van BENEDEN (70b) und Besseus (70c) bei einigen anderen Arten dieser Gattung beobachtet haben, eine totale (Fig. 5 und 6). Doch ist, wie es scheint, die Furchung bei Ch. merlucei nicht vollkommen äqual, da die unteren Blastomere auf dem achtzelligen Stadium etwas größer als die oberen sind. Die von 23* 349 Wladimir Schimkewitsch, al mir beobachteten Thatsachen stimmen bezüglich der Endresultate der Eifurchung mit denjenigen der oben genannten Autoren nicht überein. VAN BENEDEN und BESSELS behaupten, dass wir nach der Furchung ein Stadium haben, in welchem die Anlage aus pyra- midalen Zellen mit Zellkernen an der Peripherie und dem Eidotter im Centrum besteht. Nach meinen Präparaten aber befindet sich bei Ch. gibbosus und Ch. merlucei (Fig. 11) im Centrum eines solchen Stadiums ein deutliches Blastocoel, welches gar keinen Dotter enthält. Übrigens sind ja die Beobachtungen von van BENEDEN und 3ESSELS an Ch. triglae gemacht, dessen Eier viel reicher an Dotter sind und eine ganz andere Anordnung in den Eisäcken haben, so dass es leicht möglich ist, dass bei dieser Art das Blastocoel sehr früh mit dem Dotter ausgefüllt wird. Bei Ch. merlucei kann an dem achtzelligen Stadium noch keine Spur eines Blastocoels (Fig. 7) wahrgenommen werden. Den zweiten Furchungstypus beobachtete ich an beiden Arten von Notopterophorus (N. gibber und N. sp.). Zuerst theilt sich hier das Ei total in zwei und vier Blastomere (Fig. 44 und 45), in dem achtzelligen Stadium aber kommt hier schon eine deutliche Furchungshöhle und in ihr eine sehr kleine Anhäufung von Dotter zum Vorschein. Sodann nimmt die in der Furchungshöhle vor- handene Dottermasse zu (Fig. 47) und endlich wird von dem Dotter die ganze Höhle erfüllt. Später gelangen die Kerne der pyra- midalen Furchungszellen, welche noch lange im Laufe der weiteren Entwicklung erhalten bleiben, an die Peripherie und werden sammt der sie umgebenden Plasmaschicht zu selbständigen, hellen und ziemlich großen Blastodermzellen (Fig. 48). Dieser Übergang von einer totalen Furchung zu einer superficiellen kann auch sehr gut an den Eiern von Enteropsis dubius beobachtet werden. Fig. 36, 37 und 38 stellen drei auf einander folgende Furchungsstadien von Enteropsis dubius dar; sein Furchungsprocess gehört zu dem- selben Typus wie die Furchung von Notopterophorus. Wenn wir Fig. 36 und 37 mit einander vergleichen, so sehen wir, dass in dem ersten Falle die peripherischen Furchungszellen, welehe noch ihre pyramidenförmige Gestalt behalten haben, bedeutend größer, die Centralanhäufung dagegen viel kleiner erscheint als in dem zwei- ten. In Fig. 35 sind endlich die Plasmaanhäufungen vollkommen abgesondert und im Begriff die Gestalt gewöhnlicher Blastoderm- zellen anzunehmen und das Eicentrum ist von einer diehten Dotter- masse erfüllt; dabei verschwinden die Grenzen der einzelnen Pyra- Studien über parasitische Copepoden. 3453 miden beinahe vollkommen. Es ist klar, dass hier bei jeder Thei- lung der peripherischen Furchungszellen ein gewisser Theil des Dotters in die Centralhöhlung abgeschieden wird, wogegen in an- deren Fällen bei den Crustaceen, bei dem ähnlichen Übergange der totalen Furchung in eine superficielle, eine Verschmelzung der inne- ren Theile der Pyramiden wahrzunehmen ist. Den dritten Furchungstypus beobachten wir an der Gattung Lernaea. Nach den Untersuchungen von PEDASCHENKO trennen sich bei dieser Form (Fig. I) von dem einen Makromer, wel- ches den Dotter enthält, einige Mikromere ab, eines hinter dem Fig. I. Schematische Darstellung der ersten Entwicklungsstadien von Lernaea branchialisL. nach PEDASCHENKO. «a, Ei in Zweitheilung begriffen; d5, Absonderung des zweiten Mikromers; c, Absonde- rung des vierten Mikromers; d, achtzelliges Stadium (das Makromer mitgezählt) von oben gesehen; e, Blastulastadium im Sagittalschnitte; f, Gastrulastadium im Sagittalschnitte; sc, Furchungshöhle; en, Entoderm; gn, Genitalzellen rz, Randzellen der äußeren Schicht; ”, Makromer; 7—IV. Mikromeren. anderen, von denen sich ein jedes theilt und einem Paare bei ein- ander liegender Mikromere den Ursprung giebt (a, db, e, d). Zwi- schen dem Makromer und den Mikromeren, die anfänglich an einem Pole des Makromers gelegen sind, befindet sich ein deutliches Blasto- cöl (e). Sodann umwachsen die Mikromere das Makromer, welches das zukünftige Entoderm bildet (f). Den vierten Furchungstypus habe ich endlich bei Te astes beobachtet. Hier befindet sich im Centrum des in Furchung 344 Wladimir Schimkewitsch, begriffenen Eies eine plasmatische, mit einem Kerne versehene Masse, von der sich neue Plasmaanhäufungen abtrennen, welche an die Peripherie gelangen (Fig. 34 und 35). Diese Gebilde richten sich sowohl nach jener Seite des Eies, mit welcher es der äußeren Eier- sackhülle zugekehrt ist, wie auch nach den Wandungen hin, mit denen die Eier sich gegenseitig berühren '. Einzelnen Bildern nach ist es möglich, dass diese Anhäufungen sich noch vor dem Auftreten an der Peripherie theilen. Im Grunde genommen stellt der Furchungs- process von Tracheliastes eine Modifikation desjenigen von Ler- naea vor, mit dem Unterschiede aber, dass alle sich neu bildenden Plasmaanhäufungen sich nieht als Mikromere differenziren, sondern an der Peripherie des Eies bleiben und sein Blastoderm bilden. Sodann findet eine Zusammenziehung des Blastoderms auf der Bauchseite des Eies statt, mit welcher es im Eisacke nach außen gekehrt ist. Leider standen mir keine weiteren Stadien von Trache- liastes-Eiern zur Verfügung, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Tracheliastes eben so wie Lernaea eine epibolische Gastru- lation aufweist. Danach ist einigen Copepoda parasita eine totale und bei- nahe äquale Furchung eigen (Chondracanthus gibbosus und merlucci), wogegen den anderen (wie z. B. Ch. triglae, Noto- pterophorus, Enteropsis dubius und wahrscheinlich mehreren anderen) anfänglich eine totale Furchung, die später zu einer superficiellen wird; den dritten, wie Lernaea und auch wahrschein- lich einer ganzen Reihe von Formen, denen die früheren Forscher eine superfieielle Furchung zuschrieben, eine inäquale aber auch totale Furchung, wobei einige von den Mikromeren das Entoderm bilden; den vierten endlich, wie Tracheliastes, eine Furchung, die theilweise der eigentlichen superficiellen Furchung nahe steht, sich aber dadurch von ihr unterscheidet, dass im Eicentrum ein einziger Plasmahof zurückbleibt, welcher dem Makromer des dritten Furchungstypus entspricht und von sich peripherische, Blastoderm bildende, Plasmahöfe abschnürt. Eine totale Furchung, welche zur Bildung einer Coeloblastula führt, ist nach den neueren For- ' Diese Erscheinung wäre ganz unerklärlich, wenn das Strömen dieser Gebilde zur Peripherie ausschließlich nur durch oxygenotaxische Eigenschaften derselben bedingt wäre, wie es HERBST (94ec, p. 756) vorauszusetzen bereit ist. Denn in diesem Falle müssten ja alle neugebildeten Plasmahöfe zu der äußeren Wand des Eiersackes hinziehen, wo die Oxydationsbedingungen wohl die günstigsten sind. Studien über parasitische Copepoden. 345 schungen Braver’s (92b) auch Branchipus eigen (vgl. auch Lucr- FER, 32a). Was den dritten Typus betrifft, so kann er, wie es schon von PEDASCHENKO bemerkt wurde, mit dem Furchungsprocess von Cirri- pedia! nach Nassoxow (83) analogisirt werden; und wenn man ihn mit den Angaben von Groom (94b) vergleicht, so fällt es nicht schwer sich zu überzeugen, dass diese Ähnlichkeit auch auf den weiteren Entwieklungsstadien ersichtlich ist, nur mit dem Unterschiede, dass das Centralmakromer bei Lernaea, in Folge der Überfüllung mit Dotter, vollkommen ungefurcht bleibt, wogegen es sich bei den Cirripedien furcht. Von diesem Gesichtspunkte aus nimmt Lernaea eine vermittelnde Stellung zwischen Cirripedien und Tracheliastes ein, bei welchem sich der Eidotter gar nicht furcht. Ein zweiter Unterschied zwischen diesen Copepoden und den 'Cirripedien besteht darin, dass bei den letzteren das größere Makro- mer nieht nur Ektodermelemente, sondern auch Mesodermelemente einschließt, wogegen bei Lernaea die Mesodermelemente in das Blastoderm und nicht in das innere Makromer eingeschlossen sind. Zum Schlusse will ich noch auf einige Anomalien hinweisen. Da die Eier von Chondracanthus ohne irgend welche Ordnung in dem Eisack liegen, so befinden sie sich, augenscheinlich in höchst verschiedenartigen Druckbedingungen, was auch ziemlich oft Anomalien hervorruft, von denen einige auf Fig. 8, 9 und 10 abge- bildet sind. Auf Fig. S und 9 sieht man, dass ein großer Theil des Eiplasmas ungefurcht blieb. Auf Fig. 10 ist ein Ei abgebildet, bei welchem die Furchung augenscheinlich ungleichmäßig und un- regelmäßig verlief. Wahrscheinlich entwickeln sich diese Eier auf den späteren Stadien nicht weiter. Am meisten erinnern diese Missbildungen an diejenige, welche EısmonD (92a) an den in kleinen Haufen liegenden und durch gegenseitigen Druck in derselben Weise in ihrer Entwicklung gehemmten Eier von Toxopneustes lividus beobachtete. In den Eisäcken von Enteropsis, welche im Aquarium lagen, entwickelte sich nur ein unansehnlicher Theil der Eier, während die meisten in ihrer Entwicklung stehen blieben, obwohl die vom Plasma umgebenen Eikerne am Leben waren und verschiedene Fragmentationserscheinungen darstellten. ! Und ebenfalls mit demjenigen von Laura Gerardiae Lac. Duth., nach KnıpowitschH (92f), und Saeculina, nach vAn BENEDEN (70) und Koss- MANN (KORSCHELT und HEIDER, Lehrb. der vergl. Entwickl. 1890. p. 316). 346 Wladimir Schimkewitsch, Keimblätterbildung. Auf diese Weise erscheint bei den meisten Copepoda para- sita als Endresultat der Eifurchung eine Steroblastula mit einem von Eidotter erfüllten und manchmal eine deutliche Eintheilung in pyramidenartige Abschnitte enthaltenden Blastocoel und nur in selte- nen Fällen — eine Coeloblastula. Von diesen letzten Fällen wollen wir nun aber ausgehen, da wir hier bei der Anwesenheit einer sehr geringen Quantität des Nahrungsdotters einen ursprünglichen Ent- wicklungstypus erwarten können. Bei Chondracanthus merlucei beginnt die Gastrulation mit der Einsenkung zweier mehr oder minder symmetrisch liegender Zellen in das Blastocoel, was an horizontalen Schnitten zu sehen ist (Fig. 14). Mit ihren äußeren Enden ragen diese Zellen an der Peripherie des Eies hervor; diese Enden liegen aber etwas nied- riger als das Niveau aller übrigen Zellen, wie das an Frontalschnit- ten (Fig. 13) zu sehen ist, und diese Vertiefung ist die Blastoporus- anlage (dd). Sodann senkt sich noch ein Zellenpaar ein, welches vor dem ersten liegt (Fig. 12), und später noch ein folgendes, wobei es manchmal vorkommt, dass der Einsenkung der Zelle der einen Seite die Einsenkung der Zelle der anderen Seite vorausgeht (Fig. 15 und 16); endlich senkt sich noch ein vorn liegendes viertes Zellenpaar ein (Fig. 17). Die inneren Zellen, welche näher dem hinteren Ende liegen, sind größer als die Zellen, welche dem vorderen Ende näher sind. Dieser Unterschied wird auch einige Zeit hindurch im Laufe der folgenden Entwicklung beibehalten (Fig. 22 und 23). An Sagittal- (Fig. 22) und Frontalschnitten (Fig. 21) der vollkommen entwickelten Gastrula von Ch. gibbosus kann man sehen, dass die eingesenk- ten Zellen dennoch mit ihren Enden hervorragen, und diese Enden bilden den Boden des etwas vergrößerten Grübchens des Blastopo- rus (2). Darauf senken sich die Zellen ein, welche den Blastoporus von den Seiten und von hinten umgeben, wie es auf Fig. 21, 22 und 23 abgebildet ist. Diese Zellen umgeben in der Gestalt eines unvoll- ständigen Ringes von hinten und von den Seiten die paarweise an- seordneten größeren Zellen. Es senken’ sich, wie es scheint, nicht eine, sondern mehrere von den Zellenreihen ein (Fig. 21), die den Blastoporus umgeben, die Zellen aber der den Centralzellen näheren Reihen senken sich verhältnismäßig tief ein, die Zellen der entfern- teren Reihen dagegen auf eine geringere Tiefe, so dass an den Horizontalschnitten (Fig. 23) der von den kleineren Zellen gebildete Ring anfänglich einschichtig erscheint. Studien über parasitische Copepoden. 347 Karyokinetische Figuren sind in diesen Zellen eben so wie in den Centralzellen nicht zu bemerken, wogegen die äußeren Gastrulazellen sich ziemlich energisch theilen (Fig. 12). Jedenfalls sind die inneren Gastrulazellen anfänglich streng symmetrisch gelagert (Fig. 22). Die centralen paarweise angeordneten Zellen stellen das Entoderm, der sie umgebende peripherische Ring das Mesoderm dar. Leider war ich nicht im Stande die Entstehung der Genitalzellen bei Chondra- canthus aufzuklären. Bei den anderen parasitischen Copepoden entstehen sie ziemlich früh, bei ihnen unterscheiden sie sich aber leicht durch ihren eigenartigen Habitus, bei Chondracanthus da- gegen können sie, wenn sie auch vorhanden sind, ihrem Aussehen nach wenigstens an dem konservirten Materiale von den anderen Zellen nicht unterschieden werden. Während der weiteren Entwicklung wird der Mesodermring zwei- schichtig (Fig. 24), und endlich in Folge der Zellvermehrung mehr- schiehtig (Fig. 26); auf dieselbe Weise vermehren sich auch die Entodermzellen (Fig. 25 und 26). Bei dem vollständig entwickelten Nauplius behalten sie eine symmetrische Lagerung; bei der Betrach- tung von der Bauchseite oder von der Rückenseite scheinen sie in zwei Längsreihen angeordnet, die aus einer kleinen Anzahl von Zellen gebildet sind, und an den Querschnitten sieht man, dass jede Seite des Naupliusentoderms aus drei bis vier über einander liegen- den Zellenreihen besteht. Die Kerme dieser Zellen liegen an ihrem inneren Rande und oft in den Winkeln derselben; ein Unterschied in der Größe der vorderen und der hinteren Zellen ist nicht mehr zu beobachten. Nach der Analogie mit Notopterophorus liegt der Blastoporus hier wahrscheinlich an dem hinteren Körperende. Den geschilderten Gastrulationsprocess halte ich für den nor- malen; daneben treten aber auch mehrere durch den gegenseitigen Druck der Eier hervorgerufene Abweichungen auf. Die Natur scheint hier selbst experimentiren zu wollen. Die wichtigste Abweichung, welche bei Chondracanthus merlucei beobachtet wurde, besteht darin, dass anstatt zwei Reihen von Entodermzellen nur eine Reihe sich einsenkte (Fig. 18 und 19). Später theilt sich wahrscheinlich jede Zelle einer solchen an ihrem Ende aus vier Zellen bestehen- der Reihe in zwei, eine linke und eine rechte Zelle, und es wird dadurch der Unterschied zwischen der normalen und der anormalen Entwicklungsweise ausgeglichen. Diese Abweichung scheint in dem Falle stattzufinden, wenn das Ei von den Seiten zusammengedrückt ist. Indem die Zellen des künftigen Entoderms den Seitendruck er- 348 Wladimir Schimkewitsch. leiden, sind sie nicht im Stande, laut dem von 0. HERTwIG formulir- ten Prineipe, in der Seitenrichtung sich zu theilen. Wenn die Theilung auch stattfindet, so kann sie entweder in der Richtung der künftigen Längsachse des Embryos vor sich gehen, oder die Theilung muss in Stockung gerathen. Außer dieser Anomalie habe ich noch einen eigenthümlichen Gastrulationsmodus beobachtet, welcher auf Fig. 20 im Sagittal- schnitte abgebildet ist. Im Grunde genommen können auch hier große Entodermzellen und hinter ihnen liegende kleinere Mesoderm- zellen unterschieden werden, die letzteren scheinen hier aber so gelagert zu sein, als ob sie durch die Theilung einiger peripherischer Zellen entstanden sind, und erscheinen von Anfang an in zwei Schiehten angeordnet. Im Eicentrum hat sich noch das Blastocoel erhalten (sc). Das Ei machte den Eindruck, vollkommen gesund zu sein, es scheint mir aber, dass es doch zu sehr von den normalen Anlagen abweicht, um sich weiter entwickeln zu können. Somit kann aus diesen Abweichungen geschlossen werden, dass nicht nur die Eifurchung, sondern selbst die Ga- strulation der Anlage direkt von den Bedingungen des Druckes abhängig ist, und dass die durch den Druck bedingten Abweichungen scheinbar auch bei vollkom- men natürlichen Bedingungen vorkommen und manchmal die weitere Entwieklung in keiner Weise verhindern können. Ich wende mich nun zur Gastrulation von Notopterophorus (Doropygus) gibber und N. papilio; es sei schon im Voraus be- merkt, dass dieser Process bei den beiden Arten, obgleich sie so weit von einander entfernt sind, vollkommen in derselben Weise verläuft. Es beginnt auch hier, wie bei Chondracanthus, die Gastru- lation damit, dass ein Zellenpaar sich einsenkt. Es ist aber sehr leicht möglich, dass diese Zellen durch Theilung einer einzigen entstanden sind. Sie wachsen in die Breite, indem sie sich von dem Dotter ernähren, und sondern sehr bald an ihrem Vorderende ein Paar kleinere und ebenfalls symmetrisch gelagerte Zellen ab, die sich oberhalb des Blastoderms legen. Fig. 49 stellt einen Sagit- talschnitt durch das Ei in diesem Stadium dar: vorn hat sich schon eine Zelle abgetrennt, die hintere aber befindet sich noch im Sta- dium der Absonderung einer solchen neuen Zelle. Sodann theilt sich auch das vordere Paar (Fig. 55), so dass wir im Ganzen Studien über parasitische Copepoden. 349 anfänglich, wie bei Chondracanthus, acht Paar Entodermzellen haben (Fig. 5l«); dabei sind die vier hinteren Zellen größer und ragen zuerst mit ihren oberen Enden an der Peripherie des Eies hervor, wogegen die inneren Zellgrenzen undeutlich sind, da die Zellen wahrscheinlich Dotterelemente einnehmen (Fig. 51a und 52a). Wenn die beiden hinteren Paare sich einzusenken beginnen, so ist zwischen ihnen eine Vertiefung (Fig. 50«@ und 525) zu bemerken, von welcher aus nach verschiedenen Seiten Striche abgehen. Diese Vertiefung ist nichts Anderes als der Blastoporus (d2), und die Striehe stellen wahrscheinlich Falten des zusammengeschrumpf- ten peripherischen Zellenplasmas vor, welche in dieken Schnitten erscheinen. Auf diese Weise besteht die Entodermanlage aus vier Paar Zellen. Außer den Entodermzellen senken sich in den Dotter noch zwei Blastodermzellen ein, welche unmittelbar vor dem zweiten (von vorn nach hinten gezählt) Paare der Entodermzellen liegen. Fig. 51a und 5 stellen zwei Sagittalschnitte eines und des- selben Eies von Notopterophorus gibber dar: auf der einen Seite befindet sich diese Zelle (9x2) noch auf der Peripherie, auf der anderen Seite aber (Fig. 512) hat sich die entsprechende Zelle schon in den Dotter eingesenkt; eine solche Verspätung der einen Seite habe ich mehrmals beobachtet, kann aber dennoch nicht sagen, in wie weit diese Erscheinung normal ist. Der Nucleus dieser Zelle ist leicht an seiner Größe und an seinem blasigen Aussehen erkennt- lieh, das Chromatin ist in ihm an seiner Peripherie gelagert, und in der Höhlung des Nucleus ist ein Nucleolus zu bemerken. Nach der Einsenkung der Zellen in den Dotter sind ihre Kontouren schon sehr undeutlich, und es scheint, dass man vor sich freie Nuclei hat, die auch ihrer bedeutenden Größe halber leicht für Zellen ge- halten werden können. Im Laufe der weiteren Entwicklung lagern sich diese Zellen an der Grenze zwischen dem dritten und dem vier- ten Paare der Entodermzellen (Fig. 52c und 55). Sie stellen die Genitalzellen vor und wurden von PEDASCHENKO (93b) bei Lernaea gefunden (Fig. I gr, p. 343); er hielt sie anfänglich für Urmeso- dermzellen, und überzeugte sich später, dass sie in der That Genital- zellen sind. Um nicht auf diese Zellen später wiederum zurück- zukehren, will ich hier schon von ihrem weiteren Geschicke einige Worte sagen. Sie können leicht beim Embryo mit abgesondertem Kopf- und Schwanzlappen bemerkt werden, es treten hier aber ihrer schon vier hervor. Bei N. papilio sind sie dabei manch- mal ziemlich tief in den Dotter eingesenkt (Fig. 61) und lagern sich 390 Wladimir Schimkewitsch, als ein Zellenhaufen nach innen von der Entodermschieht. Spä- ter liegen sie an der Rückenfläche des Schwanzlappens, ein Paar links und ein Paar rechts (Fig. 33c) zwischen den Mesoderm- und Entodermzellen. PEDASCHENKO konnte an Lernaea verfolgen, wie diese Zellen auf Grund des beständigen Wachsthums an dem hinteren Körperende aller drei Keimblätter allmählich nach vorn verschoben wurden und sich später oberhalb der Bauchgan- glienanlage kreuzartig lagerten, um nachher an die Seiten des Embryos zu gelangen und dort den Geschlechtsorganen den Ursprung zu geben. Die Keimblätterbildung bei Enteropsis an der Hand von Schnit- ten aufzuklären war ich nicht im Stande, aber nach den Präparaten in toto scheint dieser Process auf eine ziemlich ähnliche Weise wie bei Notopterophorus zu verlaufen. Es können wenigstens immer an dem Hinterende größere Entodermzellen und eine sie umgebende Ziellenmasse unterschieden werden. Ich gehe nun zur Bildung des mittleren Keimblattes über, die wiederum bei den beiden untersuchten Formen (N. gibber und papilio) auf eine entschieden ähnliche Weise verläuft. Auf Fig. 53 sind an den Seiten des hinteren Paares der Entodermzellen sich in den Dotter einsenkende kleine Blastodermzellen zu sehen. Fig. 54, welche einen etwas schiefen und die beiden hinteren Paare der Entodermzellen berührenden Frontalschnitt vorstellt, zeigt uns, dass sich in den Dotter nicht nur eine der Entodermanlage näherliegende Zellenreihe einsenkt, sondern jederseits mehrere solche Zellen- reihen. Endlich ist auf Fig. 55 zu sehen, dass ein solcher Process auf der Hinterseite der Entodermanlage stattfindet. Mit anderen Worten, das Mesoderm entsteht bei Notopterophorus eben so wie das Mesoderm von Chondracanthus durch Vertiefung der an den Seiten und hinten von der Entodermanlage liegenden Zellen. Im Laufe der weiteren Entwicklung lagern sich die inneren Keimschichten oberhalb der ektodermalen Verdiekung des Schwanz- theiles auf folgende Weise: näher zum Hinterende liegen große Entodermzellen, welche ihre symmetrische Anordnung noch behalten haben (Fig. 56«), etwas mehr nach vorn zwischen Entoderm und Ektoderm liegen die Mesodermzellen (Fig. 565), und endlich noch weiter nach vorn (Fig. 56e) sehen wir nur die Mesodermzellen allein. Noch später (Fig. 575 und a) sind die Entodermzellen schon in vier oder mehr Längsreihen gelagert (Fig. 576) und dem Vorderende näher liegen sie schon an den Seiten des Embryos (Fig. 57«). Hinten Studien über parasitische Copepoden. 351 (Fig. 565) finden wir auch ziemlich große Mesodermzellen, die ziemlich regelmäßig gelagert sind. Es gelang mir nicht in Folge der Kleinheit des Objekts und dessen Undurchsichtigkeit mit ge- nügender Deutlichkeit die seriale Anordnung der Mesodermzellen im Hintertheile des Embryos festzustellen, jedoch halte ich eine solehe Anordnung für sehr wahrscheinlich. Und es scheint mir dies desto eher möglich zu sein, da wir eine seriale Anordnung der Zellen im Entoderm, und, wie wir weiter sehen werden, auch im Ektoderm antreffen. Es möge noch eine Eigenthümlichkeit in der Anordnung des Mesoderms hier erwähnt werden, nämlich, dass die direkt dem Dotter anliegenden Zellen eine ausgestreckte und plattgedrückte Form annehmen. Auf dieselbe Weise nehmen, wenn bereits die Ex- tremitäten von Nauplius aufgetreten sind, auch die unter ihnen sich anhäufenden großen Mesodermzellen, welche unmittelbar dem Dotter anliegen, eine plattgedrückte, an den Schnitten spindelartige Form an. Manchmal sind diese Zellen unter dem Schwanzlappen in einer ziemlich ununterbrochenen Reihe angeordnet (Fig. 59). Ich bin geneigt in diesen Zellen den Anfang der Differenzirung der Darmmuskelschichten zu sehen. Übrigens könnten in diesem Falle als Kriterien zur Unterscheidung der Darmmuskelschicht von der Hautmuskelschicht die Lage und Form dienen; das letztgenannte Kriterium ist aber nicht besonders sicher, da eine plattgedrückte Form auch die Zellen der Hautmuskelschicht bei gewissen Be- dingungen annehmen können. So haben z. B. alle unterhalb des Kopflappens liegenden Mesodermzellen eine solche Form (Fig. 58 und 60), und es ist hier unmöglich zu entscheiden, welche von ihnen zur Darmmuskelschicht, und welche zur Hautmuskelschicht gehören. Dennoch scheint es mir, dass diese plattgedrückten, dem Dotter anliegenden Zellen, welche im Gebiete des Schwanzlappens oberhalb der Extremitätenanlagen und auch auf anderen Stellen liegen, in der That das Material bilden, aus welchem die Darmmuskelschicht sich entwickeln wird. Es beginnt auf diese Weise die Differen- zirung des letztgenannten an verschiedenen Punkten und ziemlich früh (vgl. auch Fig. 570). Wenn eine solche frühzeitige Differen- zirung der Darmmuskelschicht sich auch an den anderen niederen Crustaceen bestätigen würde, so wäre es verständlich, warum bei Branchipus z. B. die Segmentirung des Mesoderms, wie von CLAus (86) gezeigt wurde, sich nur auf den Hautmuskelschlauch erstreckt. In einem späteren Stadium nimmt das Mesoderm des Schwanz- 352 Wladimir Schimkewitsch. lappens die Form zweier kleiner Haufen an, welche näher zur Rücken- seite dieses Lappens liegen (Fig. 33). Was das weitere Schicksal der Entodermzellen betrifft, so ist es bei dem Notopterophorus und Enteropsis mit demjenigen von Chondracanthus übereinstimmend: sie verzehren nämlich die ganze Dottermasse und lagern sich zur rechten und linken Seite in ziemlich symmetrischen über einander liegenden Reihen, wobei bei Notopterophorus die Zahl der Zellen jeder Reihe vier nicht über- steigt und der Inhalt derselben von einer gelblichgrünen Farbe ist, wie das schon von Cant (92e) in seiner großen Arbeit gezeigt wurde. Was die Lernaea betrifft, so hat bei ihr PEDASCHENKO eine wirk- liche epibolische Gastrulation gefunden, bei welcher sich der Blasto- porus an dem hinteren Körperende verschließt, wo von dem Blastoderm auch die Mesodermzellen abgeschieden werden; das Geschick des zuerst einzigen entodermalen Mikromers ist aber ein ganz an- deres: sein Kern theilt sich, der Dotter bleibt aber unsegmentirt. Auf dieselbe Weise geschieht auch bei Tracheliastes keine Dotterzerklüftung, wie das von mir in meiner russischen Arbeit be- schrieben wurde (89, Taf. IV, Fig. 39—47 N). Wir unterscheiden hier folglich zwei typische Fälle: in einem Falle verzehren die Entoderm- zellen den Eidotter, in dem anderen vermehren sich die Entoderm- elemente selbst in dem Eidotter. Auf Grund der in meiner russischen Arbeit dargelegten Beob- achtungen bin ich im Stande zu behaupten, dass bei Enteropsis die großen Dotterzellen nicht unmittelbar in das Mitteldarmepithe- lium übergehen, sondern dass sich von ihnen zuerst kleine dotter- lose, einen Kern enthaltende Plasmaabschnitte abschnüren, welche vor Allem an dem blinden Ende der ektodermalen, dem Ösopha- sus den Ursprung gebenden Einstülpung erscheinen. Diese Zellen stellen das Mitteldarmepithelium vor. PEDASCHENKO sah eine solche Anlage bei Lernaea, wie am Ösophagus, so auch am Reetum, und wahrscheinlich kann das auch an den anderen Copepoden beobachtet werden. Sodann verbreitet sich die Bildung des Mittel- darmepitheliums auf die ganze Bauchseite und geschieht nur bedeu- tend später an der Rückenseite, wie das ebenfalls von mir für Tracheliastes und Enteropsis beschrieben wurde (89, Taf. IV, Fig. 23—26, 32—33). Wenn wir den Gastrulationsprocess von Notopterophorus mit demjenigen von Chondracanthus vergleichen, so erblicken wir einen bedeutenden Unterschied. Es senken sich bei Chondra- Studien über parasitische Copepoden. 353 eanthus zur Entodermbildung nur zwei Reihen der Blastulazeilen ein, obgleich es wohl sehr möglich ist, dass alle diese Zellen von einer oder von zwei Zellen entstanden sind, jedenfalls geschah die Theilung dieser Zellen, wenn sie in der That stattgefunden hat, an der Peripherie der Blastula. Bei Notopterophorus senkt sich nur ein Zellenpaar in den Dotter ein, und erst dort beginnt es sich zu theilen. Im ersten Falle haben wir hier eine Invagination oder einen Fall der Faltenbildung; die zweite Art kann als telo- blastische Entwicklungsweise bezeichnet werden. Es ist wohl ein- leuchtend, dass der erste Fall die primären Verhältnisse aufweist, der zweite aber einen sekundären Charakter trägt, und theilweise durch die Dotteranhäufung, theilweise durch andere unbekannte Ur- sachen bestimmt wird. Überhaupt zeigt uns dieses Beispiel auf die überzeugendste Weise, dass, wenn wir neben einander die Entwicklung eines Organs durch Faltenbildung und die Entwicklung dessel- ben Organs durch Theilung einer schon vorher abgeson- derten Zelle vor uns haben, so ist der zweite Fall eine ‘spätere Modifikation. Vergleichen wir die Gastrulation der parasitischen Copepoden mit derjenigen von Cetochilus nach GROBBEN (81), so bemerken wir auch einen anderen Unterschied: bei Cetochilus entwickelt sich das Mesoderm teloblastisch, wogegen es bei den parasitischen Copepoden, z. B. bei Chondracanthus, durch an den Seiten und hinter der gemeinsamen Gastraleinstülpung liegende Zellen vertreten wird. Den oben angeführten Satz wiederum anwendend, kann man auch hieraus schließen, dass die Entwicklungsweise des Mesoderms bei den parasitischen Copepoden von einem mehr primären Charakter ist als- bei den freilebenden. Bei Cetochilus existirt scheinbar keine frühzeitige Absonderung der Genitalzellen, bei Cyelops aber beschreibt HÄcker (92a), dass eine sich früher als alle anderen in das Blastocoel einsenkende Zelle den Urmesoderm- und den Genitalzellen den Anfang giebt. Jeden- falls kann die Entwicklungsweise der Genitalzellen, welche wir bei den Copepoda parasita beobachten, nicht für die primäre ge- halten werden: sie stellt eine vollkommen ähnliche telo- blastische Modifikation irgend einer anderen Entwick- lungsweise vor, wie die Entwicklung des Entoderms bei Notopterophorus oder des Mesoderms bei den freilebenden Copepoden. 354 Wladimir Schimkewitsch. Cetochilus hat eine ursprünglichere Entwicklungsweise der Genitalorgane behalten, da sie bei ihm aus der gemeinsamen Mesoderm- anlage entstehen. Ein weiteres Stadium in der Übertragung der Ab- sonderung der Genitalanlagen stellen die Tardigraden vor, bei denen, wie e8 ERLANGER (94a) gezeigt hat, die Genitalanlage als ein Vor- sprung des Urdarmes erscheint, d. h. dass bei ihnen noch die Ent- wicklungsweise durch Faltenbildung geblieben ist, die Anlage aber von dem Mesoderm auf das Entoderm übertragen wird; dann folgt Sagitta, bei welcher der Urdarm ebenfalls den Geschlechtsorganen den Ursprung giebt, aber der Faltenbildungsmodus schon durch die Ab- sonderung zweier Zellen, d. h. durch die teloblastische Entwicklungs- weise, ersetzt ist; endlich zeigt uns eine ganze Reihe von verschie- denen Formen, unter welche auch die Copepoda parasita gestellt werden müssen, eine Übertragung der Absonderung der Genitalanlage auf ein noch früheres Stadium, nämlich auf das Blastoderm, wobei wiederum die teloblastische Entwicklungsform angewandt wird, d.h. ein Organ wird als zwei, oder überhaupt als wenige Zellen differenzirt. Wenn wir die Gastrulation der parasitischen Copepoden mit der Gastrulation von Sagitta vergleichen, so können wir die paarweise angeordneten Entodermzellen von Chondracanthus als Zellen, welche den Boden der Gastralhöhlung bilden, ansehen. Die an dem Blastoporus liegenden und dem Mesoderm den Ursprung gebenden Zellen werden dann der Seiten- und der Hinterwand der Gastralhöhle, und die vor dem Blastoporus liegenden Genitalzellen der Vorderwand dieser Höhle entsprechen. Der Unterschied besteht darin, dass die Gastralhöhle selbst bei den Oopepoden nicht ausgesprochen ist, da die Zellen der linken und der rechten Entodermreihe zu dicht sich an einander anschließen; dann, da die Entodermzellen mit ihren Enden an die Peripherie des Eies hervorragen, bilden eigentlich die Mesodermzellen keine Wan- dungen der Gastralhöhle, sondern legen sich beim Einsenken in den Dotter von Anfang an nach außen von dem Entoderm; endlich differenziren sich die Genitalzellen früher, bevor sie sich in den Dotter einsenken, so dass es scheint, dass ’sie sich von dem Blastoderm abtrennen. Mit einem Worte, die Gastrula der parasitischen Copepoden kann vollkommen der Gastrula von Sagitta sleichgestellt werden, bei welcher aber die Gastralwan- dung an der Oberfläche des Eies ausgestreckt liegt, oder, senauer gesagt, noch nicht vollkommen in den Dotter eingesenkt ist. Studien über parasitische Copepoden. 355 Die Extremitätenbildung. An dem Embryo von Notopterophorus gibber kann auf einem gewissen Stadium an dem hinteren Körperende eine Ver- diekung des Ektoderms (der sogenannte Schwanzlappen [sZ]), unter welcher sich die Elemente des Mesoderms und des Entoderms (Fig. 39) befinden, beobachtet werden. Später erscheinen an dem Vorderende der Kopflappen zwei seitliche ektodermale Verdiekungen (a), welche die Anlagen der zweiten Antennen vorstellen (Fig. 40); unter den letzt- genannten und unter dem Kopflappen befinden sich nur Elemente des Mesoderms (Fig. 32). Betrachten wir die späteren Stadien an den Schnitten, so bemerken wir, dass die Anlage der zweiten Antennen (a, in den Fig. 58, 59, 60 und 33a) eine Gruppe hoher eylindrischer Zellen vorstellt, unter welcher sich die Mesodermelemente befinden. Die Anlage der ersten Antennen erscheint zuerst als eine mit dem Kopflappen gemeinsame ektodermale Verdickung und sondert sich von ihr erst später ab (Fig. 58«,). Gleich den zweiten Antennen er- scheinen auch die Mandibeln als eine selbständige Ektodermver- dickung, welche aus einer Gruppe hoher eylindrischer Zellen mit einer unter ihnen sich befindenden Anhäufung von Mesodermzellen besteht (Fig. 335). PEDASCHENKO (an Lernaea) und ich (an Noto- pterophorus) haben beobachtet, dass die den beiden letzten Naupliusextremitätenpaaren entsprechenden Ganglien als selbständige Ektodermverdickungen entstehen. Einen grundverschiedenen Ursprung haben die Ganglien und die Extremitäten des Metanauplius. Bei Notopterophorus papilio und gibber können an den 'Schnittserien durch den Schwanzlappen besonders große Ektoderm- zellen beobachtet werden. Obgleich es mir an den Präparaten in toto nicht gelungen ist die seriale Anordnung dieser Zellen nachzuweisen, so konnte ich mich doch durch Vergleichung der Schnitte überzeugen, dass eine solche Anordnung in der That vorhanden ist. In dem hintersten Theile des Embryos finden wir zwei Reihen solcher Zellen (Fig. 56«@ und 575) und weiter nach vorn deren vier (Fig: 565 und 58). An den späteren Stadien sind diese Zellen der rechten und der linken Seite durch zwei Reihen kleiner ektoder- maler Zellen getrennt (Fig. 58, 59 und 60). Eine seriale Anordnung kommt wahrscheinlich auch den ande- ren Ektodermzellen des Schwanzlappens zu, jedoch bei der gemein- samen Ähnlichkeit aller übrigen Zellen kann sie an den Schnitten nicht festgestellt werden, und die kleinen Dimensionen des Objekts Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXT. Bd. 24 ‚356 Wladimir Schimkewitsch, und dessen Undurchsichtigkeit erlauben es nicht, sie an den Em- bryonen in toto zu beobachten. Ein recht bedeutender Unterschied zwischen den beschriebenen Zellen und den typischen Teloblasten (vgl. Mysis und Gammarus nach BERGH [93]) besteht darin, dass sie nicht vor einer am Ende der ‚betreffenden Reihe sich befindenden Zelle liegen, sondern selbst kurze Längsreihen bilden; es ist aber möglich, dass jede Reihe durch Thei- lung einer einzigen Zelle entsteht. Jedenfalls ist klar, dass diese und vielleicht auch die ihnen anliegenden Ektodermzellen später das Material zur Bildung der Elemente der Bauchganglienkette liefern. Nach einer sehr kurzen Zeit aber können schon diese Zellen nicht mehr unterschieden werden. Wenden wir uns nun zum Nauplius von Notopterophorus eibber, so finden wir an seinem Hinterende (Fig. 41) eine aus zwei mittleren (2) und zwei seitlichen (px) Abschnitten bestehende Ektoderm- verdickung (pxn). Bei einem älteren Nauplius (Fig. 42a und b) sieht man, dass diese Verdiekung ein Ausgangspunkt zur Bildung des Materials, aus welchem die Extremitäten und die Ganglien aufgebaut werden, vorstellt. Zwei mittleren Abschnitten (2) liegt das hintere, d. h. das allerjüngste Ganglienpaar der Nervenkette, und den seit- lichen Abschnitten (2) — das hintere, d. h. das allerjüngste Extremi- tätenpaar von Metanauplius, an. Außerdem bleibt aber noch ein peripherischer Abschnitt (z) der Seitenlappen von unbekannter Bedeu- tung übrig. Dabei muss noch bemerkt werden, dass von den beiden Maxillipedespaaren, wie es PEDASCHENKO bei Lernaea gefunden hat, bei Notopterophorus jedes ein entsprechendes Ganglienpaar besitzt. Diese Beziehungen werden auch an den Nauplien von Chondracanthus und Notopterophorus bestätigt. Auf Horizon- talschnitten (Fig. 29) sieht man, dass die Zellen der in Bildung be- sriffenen Ganglien in streng regelrechten Quer- und Längsreihen angeordnet sind. Die Zahl der Querreihen ist, wie auch bei Mysis, scheinbar unbeständig; es sind deren jedenfalls nicht weniger als fünf vorhanden. Eine solche Reihenanordnung deutet darauf hin, dass die Zellen, von welchen diese Ganglien entstehen, auch in (uerreihen angeordnet sind. Desshalb scheint es mir auch, dass die Ganglienbildungszellen die Nachkommen jener Ektodermzellen sind, deren reihenweise Anordnung wir an den früheren Stadien voraus- gesetzt haben. Wenden wir uns nun zu den Quer- (resp. Horizontal-) Schnitten durch den Schwanzlappen des Nauplius von Chondracan- thus (Fig. 27), so schen wir Folgendes: mehr nach vorn (Fig. 27 a und ) Studien über parasitische Copepoden. 357 sind die Ganglien schon ganz ausgebildet, liegen aber dicht der Schicht der Nervenbildungszellen an; die Ganglienzellen bilden säulenartige Anhäufungen, welche etwas zur Außenseite geneigt liegen. Über einer jeden Nervenbildungszelle befindet sich das ihr entsprechende Säulchen der Ganglienzellen. Die Nervenbildungs- zellen und deren Kerne, so wie auch die jungen Ganglienzellen mit ihren Kernen färben sich schwächer, als das Plasma und die Kerne der älteren Ganglienzellen. Nach der Abtrennung des Ganglions bilden sich die Nervenbildungszellen zu einfachen Fpithelialzellen um, wie das BERGH bei Mysis beschrieben hat. Von der Ganglienanlage aus näher zur Peripherie findet sich eine andere Ektodermverdiekung, welche aus vollkommen gleichen, hohen ceylindrischen Zellen besteht (»); diese Verdiekung ist nichts Anderes als die zukünftige Extremität. Etwas weiter nach hinten (Fig. 27c) sehen wir dasselbe Bild, nur mit dem Unterschiede, dass von der Extremitätenanlage (p) aus näher zur Peripherie noch eine Ektodermverdiekung (z) aus hohen, eylindrischen Zellen liegt, deren weiteres Schicksal mir zur Zeit noch räthselhaft ist. Noch weiter ‘ nach hinten (Fig. 27d) ist die Extremität noch vollkommen unab- gesondert von der erwähnten Seitenverdickung, und wir finden hier eine gemeinsame Verdickung (px); die Ganglien selbst (N) sind kaum von der Seitenverdickung abgetrennt. Die Längsschnitte (Fig. 28) zeigen uns auch eine allmähliche Absonderung der Ganglien von den Nervenbildungszellen und säulenartige Anordnung der Ganglien- zellen. Es wäre noch eine Thatsache zu erwähnen; nämlich im Bereiche der Extremitätenanlage sondern sich auch an dem inneren Ende der hohen eylindrischen Zellen, aus welchen die Anlage besteht, Zellen mit energisch sich färbenden Kernen ab; was sie aber für eine Be- deutung haben, d. h. ob sie z. B. an der Bildung des peripherischen Nervensystems Theil nehmen oder nicht, vermag ich zur Zeit noch nicht zu sagen. Auf diese Weise sind die Extremitäten des Metanauplius an dem Körper des Embryo nicht nur ganz anders gelagert, im Vergleiche zu dem Nauplius, da die letzteren, wie das schon längst bekannt ist, sich an den Seiten des Embryo befinden, wogegen die ersteren an der Bauchseite liegen, sondern sie unterscheiden sich auch durch ihren Entwieklungsmodus: die Extremitäten des Nauplius, die ersten Antennen ausgenommen, entstehen als selbständige Verdiekungen, die Extremitäten des Metanauplius dagegen sondern sich von der mit 24* 358 Wladimir Schimkewitsch, der Nervensystemanlage gemeinsamen Ektodermverdickung ab, welche wahrscheinlich dem auf Kosten der Teloblasten bei den anderen Crustaceen sich entwickelnden Körperabschnitte entspricht. Die Abhängigkeit der Extremitätenanlage des Metanauplius von dem Nervensystem, welche dadurch zum Vorschein kommt, dass beide auf einem gewissen Stadium als eine gemeinsame Ektoderm- verdickung erscheinen, ferner die Zusammensetzung der Anlage aus hohen cylindrischen Zellen, nähern die anfängliche Entwicklung der hinteren Extremitäten der Entstehung der Sinnesorgane. Die Ver- schiedenheit in dem Entwicklungsmodus der Extremitäten von Nau- plius und von Metanauplius ist augenscheinlich eine sekundär er- worbene Eigenthümlichkeit, welehe wohl kaum als ein Hinweis auf ihre morphologische Verschiedenheit gedeutet werden kann. Die zweiten Antennen und die Mandibeln entstehen, obwohl sie voll- kommen unabhängig von den entsprechenden Ganglien erscheinen, dennoch als Gruppen von hohen cylindrischen Zellen. Die ersten Antennen entstehen zuerst als eine gemeinsame Verdickung zugleich mit dem Kopfganglion, da der Kopflappen einerseits den ersten Antennen, andererseits dem Kopfganglion den Ursprung giebt. Es scheint mir die Annahme sehr wahrscheinlich zu sein, dass die Ex- tremitäten der Arthropoden-Vorfahren überhaupt modifieirte Sinnes- organe vorstellten, die anfänglich metamer nach außen von der Nervenkette gelagert waren. Zur Entscheidung dieser Frage ist selbstverständlich eine genaue Untersuchung der Extremitätenent- wicklung bei den anderen Arthropoden erforderlich. Es ist möglich, dass die Isopoden einen ähnlichen Modus der Extremitätenbildung besitzen (vgl. McMurrıchH [95], Taf. IX, Fig. 65). St. Petersburg, im December 1895. Litteraturverzeichnis, 70a. ED. VAN BENEDEN, Rech. sur l’embryogenie des Crustac&es. III, IV. Bull. de l’Acad. de Belgique 1870. | 70b. ED. VAN BENEDEN, Rech. sur la composition et la signification de l’oeuf. Mem. des savants Etrangers publ. par l’Acad. de Belgique 1870. 10e. ED. van BENEDEN et Em. BrsseLs, M&m. sur la formation du Blastoderme chez les Amphipodes, les Lerneens et les Copepodes. M&m. des savants etrangers publies par l’ Acad. de Belgique XXXIV. 1870. Studien über parasitische Copepoden. 359 79. €. GrosBEN, Die Entwicklung der Moina rectirostris. CLAus’ Arbeiten. 1879. 81. ©. GROBBEN, Die Entwicklung von Cetochilus septentrionalis Goodsir. CrAus’ Arbeiten. 1881. $2a. W. K. Brooks, Lucifer, a study in Morphology. Philos. Trans. Roy. Soc. London. Vol. CLXXII. 1882. 82b. J. Frıc, Note preliminaire sur l’ontogenie de nos Copöpodes d’eau douce. Zool. Anz. Nr. 121. p. 498—503. 1882. 82c. GIESBRECHT, Beiträge zur Kenntnis einiger Notodelphyiden. Mittheil. aus der Zool. Station zu Neapel. III. 1882. $3. N. NASSONOFF, Über Entwicklung der Crustaceen Balanus und Arthemia. Nachrichten der Ges. der Freunde der Naturwiss. Moskau. XLII. 1883. (Russisch.) S6. €. Craus, Untersuchungen über Organisation und Entwicklung von Branchi- pus und Artemia. CLAus’ Arbeiten. VI. 1886. 89. W. Schinkewitsch, Observation sur la faune de la mer Blanche. Trav. de la Soe. Nat. de St. Petersbourg. XX. 1889. (Russisch.) 92a. J. EısmonD, Compte-rendu sur le voyage scientifique A l’ötranger en 1891. 1892. (Russisch.) 92b. Aug. BRAUER, Über das Ei von Branchipus Grubei Dyb. von der Bildung bis zur Ablage. Abh. Akad. Berlin. Anhang 1892. 92e. E. Cant, Les Copepodes du Boulonnais. Trav. du Laborat. de zool. mari- time de Wimereux-Ambleteuse. T. VI. 1892. 92d. V. HÄcker, Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Entoderm- bildung von Cyelops. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXIX. 189. 92e. V. HÄcker, Die Eibildung bei Cyelops und Canthocampus. Zool. Jahrb. Morph. Abth. Bd. V. 1892. 92£. N. KnıpowitschH, Beiträge zur Kenntnis der Gruppe Ascothoracidae. Trav. du laborat. Zootomique de l’Univ. de St. Petersbourg. 1892. 93a.R. S. BERGH, Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. I. und Il. Zool. Jahrb. Morphol. Abth. Bd. VI u. VII. 1893. 93b.D. PEDASCHENKO, Sur la segmentation de l’oeuf et la formation des feuil- lets embryonnaires chez la Lernaea branchialis L. Rev. des Se. Nat. St. Petersbourg. IV. 1893. 94a. R. v. ERLANGER, Zur Morphologie und Embryologie eines Tardigraden (Macrobiotus macronyx). Biol. Centralbl. XIV. 1894. 94b. TH. GROoM, On the Early Development of Cirripedia. Philos. Trans. 1894. 94c. C. Hersst, Über die Bedeutung der Reizphysiologie für kausale Auffas- sung von Vorgängen in der thierischen Ontogenese. Biol. Centralbl. XIV. 1894. 95. J. P. McMurrıcH, Embryology of Isopod Crustacea. Journ. of Morph. Vol. XI. May 1895. Wladimir Schimkewitsch. Erklärung der Abbildungen. Die meisten Zeichnungen sind mittels des Leitz’schen Zeichenoeulares und mit dem Obj. 5 und 8 Leitz angefertigt worden; Fig. 1 und 4 mit der 1/12 hom. Immers. Leitz. Fig. 1—4, 8—10, 21—29 beziehen sich auf Chondra- canthus gibbosus, Fig. 5—7, 11—20 auf Ch. merlueeci, Fig. 30—32, 56 und 61 auf Notopterophorus papilio, Fig. 33, 39—42, 47—55, 57—60 auf Notopt. gibber, Fig. 43 auf Notopt. sp. (aus Ciona intestinalis) und Fig. 44 bis 46 auf Notopt. sp. (Aseidia sanguinolenta, aus Roscoff), Fig. 34—35 auf Tracheliastes sp., Fig. 36—38 auf Enteropsis dubius. Buchstabenerklärung. a,, erstes Antennenpaar; ds, zweites Äntennenpaar; bl, Blastoporus; ect, große Ektodermzellen ; end, Entoderm; gn, Genitalzellen; kl, Kopflappen; md, Mandibeln; msd, Mesoderm; mx, Maxillen; mxpı, erstes Kieferfußpaar; maps, zweites Kieferfußpaar ; . N, Bauchganglienanlage; n, medianer Abschnitt der caudalen Ektodermverdickung der Bauchgan- glienkette entsprechend; p, Anlage der Extremitäten und late- rale Abschnitte derselben Ektoderm- verdiekung den Extremitätenanlagen entsprechend; pı—ps, thorakale Extremitäten; px, laterale Abschnitte der caudalen Ektodermverdiekung; | pzn, caudale Ektodermverdickung im Ganzen; sc, Furchungshöhle; si, Schwanzlappen; x, Randabschnitte der caudalen Ekto- dermverdickung von unbestimmter Bedeutung. Tafel XIV. ala le Theil eines Schnittes durch das Ei von Chondracanthus gib- bosus. Man sieht den kleineren männlichen Pronucleus und den größeren weib- lichen; links das Centrosoma. Fig. 2. Theil eines Schnittes durch das Ei von Chondracanthus gib- bosus. Der sichelförmige männliche Pronucleus umfasst den weiblichen; links das Centrosoma. Fig. 3. Theil eines Schnittes durch das Ei von Chondracanthus gib bosus. Der männliche Pronucleus hat sich ein wenig vergrößert. Fig. 4. Theil eines der zwei Blastomeren von Chondracanthus gib- bosus vor der nachfolgenden Theilung; der männliche und weibliche Pronu- cleus sind von gleicher Größe, aber noch nicht mit einander verschmolzen; das Centrosoma ist in Theilung begriffen. Fig. 5. Fig. 6. Nie. 7. lucei im achtzelligen Stadium. Ei von Chondracanthus merlucei nach der Zweitheilung. Ei von Chondracanthus merlucei im achtzelligen Stadium. Vertikaler Schnitt durch das Ei von Chondracanthus mer- Studien über parasitische Copepoden. 361 Fig. 8, 9, 10. Schnitte durch abnorm segmentirte Eier von Chondra- eanthus gibbosus. Fig. 11. Blastulastadium von Chondracanthus merlueeci. Fig. 12. Gastrulastadium von Chondracanthus merlucei im $Sagit- talschnitte. Fig. 13. Gastrulastadium von Chondracanthus merlucei im Frontal- schnitte. Fig. 14, 15, 16, 17. Vier verschiedene Gastrulastadien von Chodracan- thus merlucei im Horizontalschnitte. Fig. 18, 19. Zwei verschiedene abnorme Gastrulastadien von Chondra- eanthus merlucei im Horizontalschnitte. Fig. 20. Abnormes Gastrulastadium von Chondracanthus merlucei im schrägen Sagittalschnitte. Fig. 21. Gastrulastadium von Chondracanthus gibbosus; Beginn der Mesodermbildung; Frontalschnitt. Fig. 22. Gastrulastadium von Chondracanthus gibbosus; Beginn der Mesodermbildung; Sagittalschnitt. Fig. 23. Gastrulastadium von Chondracanthus gibbosus; Beginn der Mesodermbildung; Horizontalschnitt. Fig. 24. Gastrulastadium von Chondracanthus gibbosus mit weiter entwickeltem Mesoderm; Horizontalschnitt. Fig. 25, 26. Embryonen von Chondracanthus gibbosus nach der Keimblätterbildung; Querschnitt. Fig. 27a, b, c,d. Vier auf einander folgende Querschnitte (aus verschie- denen Serien) durch den hinteren Abschnitt der Bauchwand des Metanauplius von Chondracanthus gibbosus. Fig. 28. Längsschnitt durch den hinteren Abschnitt der Bauchwand von Metanauplius von Chondracanthus gibbosus. TV, vorn; A, hinten. Fig. 29. Horizontalschnitt durch den ventralen Theil des Metanauplius von Chondracanthus gibbosus. Fig. 30, 31. Zwei Horizontalschnitte durch Embryonen von Notoptero- phorus papilio vor der Extremitätenbildung. Fig. 32.. Horizontalschnitt durch einen Embryo von Notopterophorus papilio mit den’ Antennenanlagen. Tafel XV. Fig. 33«, 5, c.. Drei Querschnitte durch einen Embryo von Notoptero- phorus gibber mit den Anlagen der Naupliusextremitäten. a, auf dem Ni- veau des zweiten Antennenpaares; 5, auf dem Niveau der Mandibeln; c, im Bereiche des Schwanzlappens. . Fig. 34. Eiersack von Tracheliastes sp. im Querschnitte (kombinirte Darstellung). Eier während der Furchung. Fig. 35. Ei von Tracheliastes sp. während der Furchung. Der Schnitt ist der Eiersackwand tangential geführt. Fig. 36, 37, 38. Drei Furchungsstadien von Enteropsis dubius im Durchschniitte. Fig. 39—42. Embryonen von Notopterophorus gibber in toto. Fig. 39a. Vor der Extremitätenbildung von der Rückenseite gesehen. Fig. 395. Dasselbe Stadium von der Bauchseite. 369 Wladimir Schimkewitsch, Studien über parasitische Copepoden. Fig. 40. Embryo von Notopterophorus gibber mit den Anlagen der Antennen. Fig. 41. Naupliusstadium von Notopterophorus gibber von der Bauchseite. Fig. 42a u. 5. Metanauplius von Notopterophorus gibber von der Bauchseite. Fig. 43. Nauplius von Notopterophorussp. (aus Cionaintestinalis, von der Rückenseite, nach einem lebenden Exemplare gezeichnet; die dunkler gefärbten Flecken bezeichnen Anhäufungen von orangegelbem Pigmente. Fig. 44—46. Eier von Notopterophorussp. (aus Ascidia sanguino- lenta). Fig. 44, Horizontalschnitt des vierzelligen Stadiums; Fig. 45, Vertikal- schnitt desselben Stadiums; Fig. 46, Horizontalschnitt des achtzelligen Stadiums mit, einer kleinen Dotteranhäufung in der Furchungshöhle. Fig. 47 u. 48. Weitere Furchungsstadien von Notopterophorus gib- ber im Durchschnitte. Fig. 49 u. 50. Zwei Sagittalschnitte zweier Gastrulastadien von Noto- pterophorus gibber zu Anfang der Differenzirung von Genitalzellen. Fig. 5la u. db. Zwei Sagittalschnitte ein und desselben Gastrulastadiums von Notopterophorus gibber zu Anfang der Differenzirung von Geni- talzellen. Fig. 52a, b, c. Drei Frontalschnitte ein und desselben Gastrulastadiums von Notopterophorus gibber. a, auf dem Niveau des hinteren Entodermzellen- paares; db, auf dem Niveau des Blastoporus; c, auf dem Niveau der Genital- zellen. Tafel XVI. Fig. 53 u. 54. Zwei Frontalschnitte durch das Ei von Notopteropho- rus gibber beim Beginn der Mesodermbildung. Der Schnitt Fig. 54 ist schräg geführt. Fig. 55. Sagittalschnitt durch das Ei von Notopterophorus gibber beim Beginn der Mesodermbildung. Fig. 56a, db, c. Drei Querschnitte ein und desselben Embryos von Noto- pterophorus papilio nach der Keimblätterbildung. a, weiter nach hinten; c, weiter nach vorn. Fig. 57a u. d. Zwei Querschnitte durch den Embryo von Notoptero- phorus gibber nach der Keimblätterbildung. 5, weiter nach hinten. Fig. 58. Horizontalschnitt durch den Embryo von Notopterophorus sibber mit Antennenanlagen. Fig. 59 u. 60. Zwei Horizontalschnitte durch zwei Embryonen von Noto- pterophorus gibber mit den Anlagen der Antennen beim Beginn der Ab- sonderung der Darmfaserschicht des Mesoderms. Fig. 59 mehr dorsal als Fig. 60. Fig. 61. Schräger Längsschnitt durch den Embryo von Notopteropho- rus papilio vor der Extremitätenbildung. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. Von Guido Schneider. Mit Tafel XVII—XIX. (Aus dem zool. Laboratorium der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg.) Einleitung. Fast gleichzeitig ist in der Entwicklung der vergleichenden Embryologie und der vergleichenden Anatomie der Thiere ein großer Fortschritt durch Einführung. des Experimentes an lebendem Material zu verzeichnen. Dem zeitraubenden Theoretisiren auf Grund rein anatomischer Ergebnisse wird hierdurch ein Ziel gesetzt und dem Forscher die Möglichkeit gegeben, sich von der Funktion einzelner Zellen und Zellgruppen durch ihr Verhalten gegen bestimmte Rea- sentien Aufklärung zu verschaffen. So wurde ein Gebiet, welches bisher noch in vollkommenes Dunkel gehüllt war — das Lymphsystem und die Phagocyten — von den großen Forschern unserer Zeit, METSCHNIKOFF und KOWALEVSKY, der Untersuchung zugänglich gemacht und in den Vordergrund des Interesses gezogen. Die scheinbar einfache Methode, welche von beiden Gelehrten zu großer Vollkommenheit entwickelt worden ist, und die man die Methode der physiologischen Injektionen nennen kann, erfordert für das Erste noch große Übung und Umsicht, da sie gerade durch ihre scheinbare Einfachheit am leichtesten zu übereilten Schlüssen führen und falsche Bilder vorspiegeln kann. Daher wagte ich mich nur im Vertrauen auf die weitgehende liebenswürdige Unterstützung meines hochverehrten Lehrers, des Akademikers A. KowALEVSKY, an 364 Guido Schneider, das vorliegende Thema, welches von ihm bereits in Angriff ge- nommen worden war, aber wegen dringenderer Arbeiten nicht zu Ende geführt wurde. Mit dem Thema übergab mir Herr A. KowALEvsky auch das von ihm selbst gesammelte Material, bestehend aus fertigen mikro- skopischen Präparaten von Lumbricus und Euaxes, einigen injieirten Exemplaren von Lumbrieus und einer schönen Kollektion injieirter und konservirter Exemplare von Euaxes, und gestattete mir, die von ihm entdeckten und zum Theil bereits kurz beschriebenen Thatsachen nach seinen Präparaten genauer zu schildern und der Vollständigkeit wegen in meiner Schrift zu publieiren. Das Nähere findet sich weiter unten in den entsprechenden Kapiteln; hier sei mir gestattet, Herrn Akademiker KowALEVSKY für die mir bewiesene Güte herz- lich zu danken. Meine Untersuchungen begannen im Februar des Jahres 1895 im neu gegründeten zoologischen Laboratorium der Kaiserlichen Aka- demie der Wissenschaften zu St. Petersburg, und schon nach wenigen Injektionen gelang es mir, eine Anzahl von phagocytären Organen festzustellen, die in einer vorläufigen Mittheilung kurz beschrieben wurden!. In den Sommermonaten Mai bis August wurde die Arbeit wegen einer Reise zu wissenschaftlichen Zwecken an das Weiße Meer unterbrochen, und im September wieder fortgesetzt. Im Ganzen habe ich (inklusive Euaxes, von dem ich selbst kein Material zu sammeln brauchte) sechs Gattungen mit zehn Arten untersuchen können. Nämlich drei Arten Perichaeta, eine, Art Dendrobaena, zwei Arten Allolobophora, zwei Arten Lumbri- cus, eine Art Euaxes und eine Art Archienchytraeus. Zur Anwendung gelangten die bereits bekannten Untersuchungs- methoden von A. KOwALEVSKY. Für Anfertigung der photographischen Abbildungen Fig. 21—24 bin ich Frau Dr. Lypıa SCHEWIAKOFF zu vielem Danke verpflichtet. Perichaeta. Während es bis vor Kurzem noch fast unmöglich war, ohne Ver- gleichsmaterial aus Museen ein Exemplar der Gattung Perichaeta von unbekanntem Fundort näher zu bestimmen, so wird diese Arbeit ! Les Glandes Iymphatiques des Lombrieiniens (Communieation prelimi- naire). Bulletin de l’Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. V. Ser. T. II. No. 4. 1895. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 365 dureh das kürzlich erschienene verdienstvolle Werk von F. E. BED- DARD, A Monograph of the Order of Oligochaeta (Oxford, Clarendon Press 1895) wesentlich erleichtert. Absolute Sicherheit gewähren aber die von BEDDARD gegebenen Speciesdiagnosen doch noch nicht, weil viele Perichäten noch ganz ungenügend beschrieben sind, und weil die Regenwürmer überhaupt in ihren systematisch verwerthe- ten Merkmalen eine große Variabilität zeigen '!. Die drei von mir in dem Gewächshause der St. Petersburger Universität gefundenen Perichätenarten lassen sich am besten mit Perichaeta indiea Horst?, Perichaeta dyeri Beddard? und Perichaeta barbadensis Beddard? identifieiren. Alle drei sind schon früher in Gewächshäusern beobachtet worden, und wie meist, so war auch hier Perichaeta indica am zahlreichsten vertreten. Weniger oft fand ich Perichaeta barbadensis, und Perichaeta dyeri zeigte sich nur in wenigen Exemplaren. Obgleich Peri- chaeta indieca eine von den gemeinsten und am weitesten ver- breiteten Arten ist, (oder besser gesagt desshalb) ist ihre Diagnose noch nicht genau festgestellt. Die letzte stammt von BEDDARD und lautet: »Length, 150 mm; number ‚of segments, 100. Clitellum, XIV —XVI, without setae. Setae, 42—48 per segment, those on ventral side in anterior segments being much larger than the others. Dor- sal pores commence XII/XIIH. Genital papillae on VI, VII, VII near to orifices of spermathecae. Spermathecae, four pairs in VI —IX, with tubular diverticulum. Spermiducal glands. Hab.: India; Java; Sumatra; South America; Azores; New Caledonia; Europe®.« Bei der Verbreitung dieses Regenwurmes über alle Erdtheile kann es uns nicht wundern, wenn die Beschreibungen einzelner Exem- plare aus verschiedenen Gegenden nicht genau mit einander stimmen. So nennt z. B. BEppArD selbst das Diverticulum am Receptaculum seminis »tubular<, in der Abbildung (Taf. I, Fig. 1) ist es aber deutlich perlschnurförmig dargestellt, genau so, wie ich es an meinen Exem- plaren beobachtet habe; Horst (l. e.) bildet dagegen ein sackförmiges spitzes Diverticulum ab, welches auf einem langen Stiele sitzt. In den meisten Fällen findet man zwei Paar Genitalpapillen in der ! Vgl. T. H. MorGAn, A Study of Metamerism. Quart. Journ. Mier. Se. Vol. XXXVII. p. 395—478. 1895. ? Über eine Perichaeta von Java. Niederländisches Archiv für Zoologie. Bd. IV. 1877—1878. 3 On some Species of the Genus Perichaeta. Proc. Zool. Soc. London 1892. * A Monograph of the order of Oligochaeta. Oxford 1895. p. 427. 366 ! Guido Schneider, Gegend, wo die Vasa deferentia münden; zwei Papillen vor und zwei hinter den Ausmündungen. Oft aber fehlt die eine oder andere Papille und zuweilen alle, wie bei den Exemplaren, welche Horsr be- schreibt. Perichaeta dyeri!, welche in Westafrika und Mittelamerika zu Hause ist, unterscheidet sich von Perichaeta indiea durch ge- ringere Größe und dunklere Färbung. Die Lage des Clitellum und der Receptacula seminis ist dieselbe, wie bei der vorigen Art; auch die Zahl der Borsten in den mittleren Segmenten unterscheidet sich nicht von der bei Perichaeta indica. Die Diverticula an den Re- ceptacula seminis sind bei Perichaeta dyeri enge Schläuche, von denen jeder am Ende ein spitzes Säckehen trägt. Über die Geni- talpapillen schreibt BEppArn: »Two pairs of genital papillae; one pair in front and a little to inside of male pore; the other oceupies a similar position behind the male pore.« Ich habe bei meinen drei Exemplaren nur das hintere Paar dieser Genitalpapillen beobachten können, dafür aber sehr wohl ausgebildete kleine Papillen medial- wärts und hinter den Poren der Receptacula seminis, wie sie von BEDDARD wohl für Perichaeta indica, nicht aber für Perichaeta dyeri angegeben werden. In Bezug auf die Genitalpapillen bei der Mündung der Vasa deferentia schreibt BEDDARD: »I have examined a large number of examples of this species. This examination has shown that the characters of the papillae are not always absolutely distinetive of the species; in a good number only one pair (the posterior pair) were present.« Alle diese bisher erwähnten Merkmale unterscheiden sich, wie man sieht, nicht sonderlich von denen, welche Perichaeta indiea charakterisiren. Trotzdem halte ich beide für getrennte Species und zwar auf Grund des äußeren Habitus und der Vertheilung der Lymphdrüsen. Letztere reichen, wie wir unten sehen werden, bei Perichaeta dyeri um neun Segmente weiter nach vorn, als bei Perichaeta indica. Die dritte von mir untersuchte Species lässt sich nach der Lage der Receptacula seminis im sechsten und siebenten Segment, des Clitellum: Segment 14—16, ferner nach der lateralen Ausmündung der Vasa deferentia in der horizontalen Achse des Körpers und der ganz unregelmäßigen Anordnung der Genitalpapillen ganz gut mit Perichaeta barbadensis? identificiren, wenn auch diese Species, l. e. und A Monograph of the order of Oligochaeta. Oxford 1895. p. 411. lee: 1 2 Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 367 welche nach BEDDARD aus Barbados stammt, ziemlich mangelhaft beschrieben ist. Von diesen drei Arten sind nur bei Perichaeta indica und dyeri von BEDDARD Organe beschrieben worden, die sich nach meinen Untersuchungen als phagocytär erwiesen und von mir in einer vor- läufigen Mittheilung! Lymphdrüsen benannt wurden. BEDDARD nennt diese Organe septal glands und beschreibt sie im Monograph of the order of Oligochaeta folgendermaßen: »In certain Perichaetidae there are a series of minute paired whitish bodies lying one on either side of the dorsal vessel in the middle region of the body, and springing from the septa (in Perichaeta indica) or from the dorsal vessel itself (Perichaeta dyeri). These bodies are quite solid, consisting of a mass of cells surrounding a few museular fibres.« In seiner ersten Beschreibung von Perichaeta dyeri (l. ec.) sagt er: »They appear, however, to arise rather from the dorsal vessel than from the septum; each gland is somewhat pear-shaped, with a narrow stalk which approaches that of its fellow.«< Im Allgemeinen hat BEDDARD die histologische Struktur der in Rede stehenden Ge- bilde ziemlich richtig erkannt; über die Art ihrer Anheftung aber und über ihre Verbreitung im Körper der Perichaeten bin ich zu anderen Resultaten gelangt. Injieirt man Perichaeta indica ungelöstes Karmin in Wasser suspendirt in die Leibeshöhle, so sieht man schon nach einigen Stunden an lebenden Exemplaren rechts und links von der dorsalen Mittellinie in einer Reihe von Segmenten rothe Körper durch die Leibeswand durchschimmern. Öffnet man ein solches Exemplar, indem man es ein wenig seitlich von der dorsalen Mittellinie auf- schneidet, so erhält man ein Bild, wie es in Fig. 1 dargestellt ist. Vom 26. Segmente bis nach hinten sieht man in jedem Segmente rechts und links vom dorsalen Blutgefäße ein Organ liegen, welches sich durch Resorption des eingespritzten Karminpulvers roth gefärbt hat. Die Gestalt dieser Organe ist ellipsoidal, dorsoventral abge- plattet, und sie erreichen eine Größe von 0,75 mm im Durchmesser. Sie liegen stets in der hinteren Hälfte der Segmente und man kann leicht mit bloßem Auge konstatiren, dass sie an der Vorder- seite der Dissepimente befestigt sind. Über dem dorsalen Blutgefäße sind sie häufig mit einander durch phagocytäres Gewebe verbunden. Bei Perichaeta barbadensis stimmen die Lymphdrüsen (als RE 368 Guido Schneider, solche fasse ich die soeben geschilderten phagocytären Organe auf) in jeder Hinsicht mit denen von Perichaeta indica überein. Bei Perichaeta dyeri aber erstrecken sie sich weiter nach vorm über das Segment hinaus, in welchem die für das Genus Perichaeta charakteristischen zwei seitlichen Blindsäcke vom Darme entspringen, bis in das 17. Segment. Dass die Lymphdrüsen von Perichaeta dyeri nicht, wie bei den anderen Species an den Dissepimenten, sondern am dorsalen Blut- gefäße befestigt sind, wie BEDDARD beschreibt, habe ich nicht finden können. Den Grund, wesshalb es oft so scheinen kann, als säßen sie dem Blutgefäße direkt auf, werden wir weiter unten sehen. Dass ferner BEDDARD die »septal glands« bei seinen Exemplaren von Perichaeta dyeri nur bis in das 28. Segment nach vorn ver- folgen konnte, ist für mich kein Grund, ihre Identität mit der von mir untersuchten Species zu bezweifeln, weil nämlich die vordersten Lymphdrüsen recht klein sind und ohne Färbung durch Resorption eines Farbstoffes sehr leicht übersehen werden können. In den letzten zwei bis drei Segmenten fungiren die Lymph- drüsen in der Regel bei keiner Species als phagocytäre Organe, obwohl sie in der Anlage bereits vorhanden sind. Histologisch kann man die Struktur der Lymphdrüsen von Perichaeta am besten auf Querschnitten durch junge Exemplare studiren, wie Fig. 5 einen darstellt. Das Dorsalgefäß (dg) liegt schein- bar in einer Scheide, aus welcher rechts und links traubenförmige drüsige Gebilde (7) entspringen. Letztere sind die Lymphdrüsen; die Scheide um das Rückengefäß ist aber nichts Anderes als das Dissepiment, welches ein wenig weiter vorn am Blutgefäß inserirt ist. Hierdurch wird ein Trichter gebildet, der aus dem hinteren Segment (Af) in das vordere reicht. Da der Schnitt nicht genau in der Querrichtung geführt ist, sieht man auf der einen Seite deutlich die Insertion des Dissepimentes am Dorsalgefäß, auf der anderen Seite aber steht es noch weit ab, und man erblickt zwischen beiden den Hohlraum (Af) des nächstfolgenden Segmentes. Auf der zuletzt erwähnten Seite sieht man ferner Muskelfasern aus dem Dissepi- mente austreten und sich in der Lymphdrüse verzweigen. Sie ent- springen vom Rande einer kleinen Öffnung (o), durch welche die Segmente mit einander kommuniciren, und bilden, indem sie sich verzweigen, das Gerüst der traubenförmigen Drüse. Letztere ist also keine solide Zellmasse, wie BEDDARD angiebt, sondern ein baumförmig verästeltes Gebilde, dessen Zweige bei älteren Exemplaren Über phagoeytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 369 so dieht an einander liegen, dass das Ganze den Eindruck einer von zahlreichen Kanälen und Lakunen durchsetzten gelappten Zellmasse macht (Fig. 7 und 24). Die Zellen, welche, abgesehen von den vom Dissepimente ent- springenden Muskelfasern, die Hauptmasse des Organs ausmachen, sind nichts Anderes als verdicktes Peritonealepithel. Ihre meist ellipsoidalen Kerne sind von derselben Form, wie die Kerne der Peri- tonealzellen einerseits und der von ihnen abstammenden Leukocyten! andererseits. Die oberflächlichen Zellen springen kuppenförmig in die Leibeshöhle vor. Form und Inhalt der Zellkörper sind verschieden. Außer verschiedenen Fremdkörpern und eingekapselten Para- siten finden sich in den Lymphdrüsen regelmäßig große, helle Zellen mit kleinen, sehr dunkel sich färbenden, offenbar geschrumpften Kernen. Diese Zellen sind zuweilen mit kleinen, runden, stark licht- breehenden Körnchen erfüllt und kommen auch frei schwimmend in der Leibeshöhle vor, ohne dass man jemals Phagoeytose an ihnen beobachten kann. Meist liegen sie, einerlei ob frei oder in der Lymphdrüse, zu Klumpen geballt und werden von echten Leukocyten umgeben (Fig. 5 ci). Ich halte sie für todte Chloragogenzellen, die, von ihrer Anheftungsstelle losgerissen, der Vernichtung anheimfallen. Daneben sieht man in den Lymphdrüsen auch ganz frische, un- zweifelhafte Chloragogenzellen, die wohl durch Zufall losgerissen und hineingetrieben worden sind. Sehr oft sieht man Borsten, die ebenfalls durch Zufall aus der Haut in die Leibeshöhle gerathen sind, einzeln oder in Bündeln in den Lymphdrüsen stecken (Fig. 3 und 4). Oft ragen sie noch zum Theil heraus und sind überall von einer dieken Schicht Leukoeyten umgeben (Fig. 3). Die Resorption fester Körper, welehe man in der Form feiner Pulver in die Leibeshöhle einführt, geschieht sehr schnell. Nach einer Injektion von Karminpulver oder Tusche sind schon nach vier bis fünf Stunden fast alle Lymphdrüsen roth resp. schwarz gefärbt. Der Weg, auf dem Fremdkörper aus der Leibeshöhle in die Lymphdrüsen gelangen oder resorbirt werden, ist wahrscheinlich ein zweifacher. Erstens können sie direkt aus der Leibeshöhlenflüssig- 1 pD’Arcy Power schreibt bereits 1878: »— — these endothelial cells proli- ferate and give rise to the amoebiform corpuscles which float in the perivisceral fluid.< (On the Endothelium of the Body-Cavity and Blood Vessels of the common Earthworm, as demonstrated by Silverstaining. Quart. Journ. of Micer. Se. Vol. XVIII. p. 159.) 370 / Guido Schneider, keit aufgenommen werden, wenn diese in Folge der Leibeskontrak- tionen und der Darmperistaltik durch die Öffnungen der Dissepimente, denen die Lymphdrüsen aufsitzen, gepresst wird. Hierbei wird . nämlich die Leibeshöhlenflüssigkeit durch die Lymphdrüsen hin- durehfiltrirt und die Zellen der letzteren können Fremdkörper, die an ihnen hängen bleiben, aktiv in sich aufnehmen. Aus dem Um- stande, dass die Resorption in den äußeren, der Leibeshöhle zu- gewandten Zellen zuerst vor sich geht, im Inneren der Drüse aber später, kann man schließen, dass der Lymphstrom im dorsalen Theile der Perichaeta von vorn nach hinten geht. In Fig. 24 ist ein Theil eines Querschnittes von einer Perichaeta indica dargestellt, welche 24 Stunden nach Injektion frischen Mäuseblutes konservirt wurde. Roth sind die Stellen gezeichnet, wo die resorbirten rothen Blut- körperchen durch Eosinfärbung sich deutlich vom umliegenden Ge- webe abheben und anzeigen, wie die Resorption von der Peripherie nach dem Inneren der Lymphdrüse (2) hin fortschreitet. Dass außer- dem in jedem Segmente Strömungen der Leibeshöhlenflüssigkeit von der Ventralseite gegen die Dorsalseite hin vorkommen, beweisen die bei anderen Gattungen vorkommenden regelmäßigen Anhäufungen von Fremdkörpern und Leukocyten dorsal vom Darme. Eine zweite Art, wie Fremdkörper in die Lymphdrüse gelangen, erklärt sich durch die Phagocytose der wandernden Leukoecyten. Fig. 7 stellt den Rand eines Lymphdrüsenläppchens von Perichaeta indica bei stärkerer Vergrößerung dar. Auch diesem Exemplare wurde frisches Mäuseblut in die Leibeshöhle injieirt, die Konser- virung erfolgte aber schon nach fünf Stunden. Einzeine Zellen in der Lymphdrüse (2) enthalten rothe Blutkörperchen, und nicht weit vom Rande der Lymphdrüse sieht man freie Leukocyten (le), die gleichfalls mit Blutkörperchen von Mus musculus beladen sind. Fig. 6 ist demselben Querschnitte entnommen und zeigt bei der- selben Vergrößerung einen Klumpen geronnenen Blutes (md), der aus Blutkörperchen und Fibrinfäden besteht und an der Ventralseite des Segmentes liegt. Dieser Blutklumpen wird von mehreren Leuko- cyten (lc) angegriffen, und ein Leuko6cyt schwimmt beladen mit einigen Blutkörperchen in einiger Entfernung. Vergleicht man die beiden Zeichnungen 6 und 7 mit einander, so liegt nichts näher als anzunehmen, dass die Leukocyten Theile vom Blutgerinnsel absprengen, in sich aufnehmen und dann vom Lymphstrom dorsalwärts getragen werden, wo sie mit ihrer Last von der Lymphdrüse aufgenommen werden. Über phagoeytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 371 Meist legen sich solche mit Fremdkörpern beladene Leukocyten so nah an einander, dass die Zellgrenzen häufig nicht mehr wahr- nehmbar sind. Fig. S stellt eine solche Gruppe von sechs Leuko- eyten bei starker Vergrößerung dar, die Karmin- und Stärkekörner in sich aufgenommen haben. Ich zweifle daran, dass es sich hier- bei um eine wirkliche Plasmodienbildung handelt, denn der Beweis ist nicht zu liefern, dass die Leukoeyten vollständig mit einander verschmelzen. In der That sieht man zwischen ihnen bei Anwen- dung starker Vergrößerungen oft keine Grenzen; dasselbe kann aber auch stattfinden, wenn nackte Zellen sich ganz unmittelbar berühren, so dass zwischen ihnen keine Spur eines anders lichtbrechenden Mediums übrig bleibt. Mit Lım Boox Ken@’s Erklärung zu seiner Fig. 22: »The different forms of cells very readily fuse with one another to form dense plasmodia!,«< kann ich mich um so weniger einverstanden erklären, als in der genannten Zeichnung die ein- zelnen Zellen recht deutlich von einander abgegrenzt erscheinen. Unter Plasmodium kann ich aber nur eine wirklich vielkernige Zelle verstehen, wie z. B. die Eier vieler Insekten und Crustaceen - im Furchungsstadium und die Plasmodien der Myxomyceten. Die Frage nach der Herkunft der Leukocyten: ob sie bei Peri- chaeta ausschließlich aus den Lymphdrüsen stammen, oder ob sie auch von anderen Theilen des Peritonealepithels gebildet werden, muss ich offen lassen, da ich weder hier noeh dort ihre Entstehung durch Zelltheilung habe beobachten können. Sicher kann man den Zellen der Lymphdrüsen eine verdauende Wirkung zuschreiben. Rothe Blutkörperchen von Säugethieren wer- den z. B. nach einiger Zeit undeutlicher in den Kontouren und scheinen zu zerfließen, während Stärkekörner wohl ihre Gestalt bei- behalten, aber chemisch so weit verändert werden, dass sie sich durch Jod weniger intensiv färben, als frisch aufgenommene. Es ist mir nicht gelungen Bacillus subtilis, den ich mehreren Exemplaren von Perichaeta indica und barbadensis einspritzte, im Körper und in den Lymphdrüsen aufzufinden. Ich vermuthe, dass bereits die alka- lische Reaktion der Leibeshöhlenflüssigkeit genügt, um den Bacillus zur Sporenbildung zu veranlassen. Andere Bacillen habe ich dagegen einige Male in großer Zahl frei in der Leibeshöhle nicht injieirter Exemplare gefunden. An gelösten Stoffen wurden von den Zellen der Lymphdrüsen ! Phil. Trans. Roy. Soc. London 1895. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 35 372 Guido Schneider, Eisen, Ammoniakkarmin und Indigkarmin resorbirt. Eisen wurde als eine Lösung von Ferrum oxydatum saccharatum in Wasser ein- gespritzt und auf Schnitten durch die Berlinerblau-Reaktion sichtbar gemacht. Es zeigte sich, dass es in den Zellen der Lymphdrüsen und in freien Leukocyten als unregelmäßige größere und kleinere Körmer im Protoplasma abgelagert wird. Auch die Chloragogenzellen nehmen das Eisen auf, lagern es aber, wie wir es in einem an- deren Kapitel sehen werden, in anderer Form ab. Ammoniakkarmin und Indigkarmin werden beide sowohl von den Zellen der Lymphdrüsen, wie auch von freien Leukocyten aufge- nommen — letzteres auch von den Chloragogenzellen. Leider gelang es mir nicht festzustellen, ob beide Substanzen von einer und dersel- ben Lymphzelle resorbirt werden können, weil es mir dazu an Mate- rial mangelte. Das karminsaure Ammoniak wird in runden Vacuolen, deren es in einer Zelle mehrere geben kann, abgeschieden, Indig- karmin dagegen scheint das Plasma mehr diffus zu färben, und beim Konserviren in absolutem Alkohol bildet es blaue Körner von ver- schiedener Größe in den Lymphzellen. Nach Injektion wässeriger Lackmuslösung färben sich die Lymph- drüsen deutlich blau. Die Zellen. zeigen also durchaus alkalische Reaktion — selbst noch bei solchen Individuen, in deren Leibeshöhle in Folge beginnender Zersetzung die Reaktion bereits sauer ist. Normal ist natürlich die Reaktion der Leibeshöhlenflüssigkeit alka- lisch, aber es sind mir nicht nur bei Perichaeta, sondern auch bei anderen Regenwürmern Fälle vorgekommen, dass in den Segmenten, welche der Injektionsstelle am nächsten lagen, die Reaktion sauer wurde, obgleich der ganze Wurm noch deutliche Lebenszeichen von sich gab. Dass keine Verwechslung mit Blut vorliegen Konnte, bewies die Blaufärbung des Inhaltes der erkrankten Segmente durch Ammoniak. Dendrobaena. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Cand. zool. S. METAL- NIKOFF erhielt ich aus der Krim einige lebende Exemplare von Dendrobaena, die ich nach der Monographie der Regenwürmer Russ- lands von Kuracm! als Dendrobaena rubida Sav. bestimmte. Leider konnte ich mit dieser überaus interessanten Species nur ! Materialien zur Naturgeschichte der Regenwürmer. Arb. aus d. zool. Museum der kaiserl. Univ. Moskau. Bd. V. 2. Heft. 1889. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 373 wenige Experimente anstellen, da die Anzahl der Exemplare sehr sering war. Nichtsdestoweniger ergab die Untersuchung sehr inter- essante Resultate. Bei keinem anderen Regenwurm, nicht einmal bei Perichaeta, habe ich eine so große Quantität phagocytären Gewebes angetrofien, wie bei Dendrobaena rubida. Die regelmäßig vertheilten phagocy- tären Organe zerfallen in drei Gruppen. Zwei von diesen Gruppen tragen den Charakter von Lymphdrüsen; die dritte wird repräsentirt durch einen Theil des Nephridialkanales. Injieirt man Dendrobaena rubida Karminpulver in die Leibes- höhle und öffnet das Exemplar nach ein oder zwei Tagen, so sieht man jederseits vom dorsalen Blutgefäße eine Reihe kleiner phago- cytärer Organe, die durch Resorption des Karmins lebhaft roth gefärbt sind und sich vom 24. Segmente bis nach hinten erstrecken (Fig. 2). Bei genauerer Betrachtung erweist es sich, dass auf jedes Segment zwei Paare solcher Lymphdrüsen entfallen, die den vom Dorsalgefäße seitlich an den Darm abgehenden Blutgefäßen aufsitzen. Der in Fig. 21 wiedergegebene Schnitt verläuft in schräger Richtung, so dass auf der einen Seite das vom Dorsalgefäß abgehende Blutgefäb (d2) getroffen ist, auf der anderen Seite aber Iymphoides Gewebe, welches die beiden seitlichen Blutgefäße von einander trennt (l. Bei stärkerer Vergrößerung zeigt es sich, dass diese phagocytären Organe aus Zellen bestehen, die kleiner als die Chloragogenzellen sind, eine koncentrische Schichtung aufweisen und den Leukocyten ähnlich sehen. Das Dorsalgefäß berühren diese Organe nur in der dorsalen Mittellinie; an den Seiten sind sie von ihm durch emen Lymphraum getrennt, in welchem man zahlreiche freie mit Karmin beladene Leukocyten erblickt. Auch das das Dorsalgefäß bedeckende Peri- tonealepithel nimmt Karmin in großer Menge auf. Die Masse lIymphoiden oder phagocytären Gewebes, welche durch diese Organe repräsentirt wird, überwiegt noch die große Lymphdrüse, welche sich in der Typhlosolis befindet. Die Typhlo- solis von Dendrobaena rubida bildet ein weites Rohr von fast drei- eckigem Querschnitte (Fig. 21 ).. Die Wände dieses Rohres bestehen von außen nach innen aus folgenden Schichten: 1) Darmepithel, 2) Blutlakunen und 3) Chloragogenzellen (vgl. Fig. 14 d, be, ec). Die Chloragogenzellen der Typhlosolis stehen mit denen der äußeren Darmwand nicht in direkter Verbindung, denn die Typhlosolis wird dorsal unter dem Dorsalgefäße von Muskelfasern überbrückt, die einen gitterartigen Verschluss bilden. 25% 374 Guido Schneider, Das ganze Innere der Typhlosolis ist von Iymphoidem Gewebe erfüllt, welches sehr an das lymphoide Gewebe höherer Thiere er- innert. Es besteht aus retikulärem Gewebe, welches von zahlreichen Leukocyten mehr oder weniger angefüllt ist. Bei dem z. B. in Fig. 21 dargestellten Querschnitte ist es ganz mit Leukocyten er- füllt, so dass man keine Lücke im Gewebe sieht; dagegen enthält der Querschnitt Fig. 14, welcher einem anderen Exemplare ent- nommen ist, so wenig Leukocyten (lc), dass der retikuläre Bau klar zu Base tritt: Die Leukoecyten, welche frei im Lymphraum, der das Dorsal- sefäß umgiebt, angetroffen werden, sind offenbar auf der Wanderung in diese große Lymphdrüse begriffen. Das dritte phagocytäre Organ sind die Nephridien. Fig. 22 stellt den die Schlingen des Segmentalorgans enthaltenden Theil desselben Querschnittes dar, dem auch Fig. 21 entnommen wurde. Unter den zahlreichen Quer- und Längsschnitten durch das Nephri- dialrohr fallen besonders vier dadurch auf, dass sie in ihren Wänden regelmäßig gelagerte Karminkörnchen enthalten. Anfangs suchte ich mir diese Erscheinung dadurch zu erklären, dass das Karmin, wel- ches von den Lymphzellen gelöst wird, hier zur Ausscheidung ge- langt. Leider fehlte es mir, wie erwähnt, an Material, um dieser Erscheinung bei Dendrobaena, durch Injektion absolut unlöslicher Substanzen, näher auf den Grund zu kommen. Wie wir aber weiter unten sehen werden, wird bei Allolobophora und Lumbrieus auch Tusche in den Wänden eines bestimmten Abschnittes der Nephridien gefunden, was keine andere Erklärung zulässt, als dass diese Sub- stanz aus dem Lumen aktiv von den die Wand des Nephridial- rohres bildenden Zellen aufgenommen wird. Der Karmin resorbirende Abschnitt des Nephridialkanales ist bei Dendrobaena länger als bei Allolobophora und Lumbricus, und umfasst den sogenannten mittleren Theil des Segmentalorgans, welcher Wimpern trägt und den engen Anfangstheil mit dem sog. drüsigen Abschnitt verbindet, und den proximalen Theil des letzteren. Die Verhältnisse scheinen, so weit ich sie bisher habe erforschen können, ähnlich zu sein wie bei Lumbrieus. Allolobophora. Bei den von mir untersuchten Arten der Gattung Allolobophora, der gemeinsten in und um Petersburg, sind keinerlei Bezirke der Peritonealauskleidung der Leibeshöhle zu besonderen phagocytären Über phagoeytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 375 Organen ausgebildet, wie bei Perichaeta und Dendrobaena. Ihre Funktion übernehmen unregelmäßige größere und kleinere Zell- gruppen, die am Peritoneum haften und bei Allolobophora foetida Sav. zuweilen durch ihre scheinbar regelmäßige Vertheilung makro- skopisch den Eindruck von segmental angeordneten Organen machen. Die mikroskopische Untersuchung auf Schnitten lehrt jedoch, dass diese Zellgruppen ausschließlich aus Leukocyten bestehen (Fig. 10), welche mehr oder weniger dicht bei einander liegen und oft kleine Hohlräume umschließen. Fig. 10 und 23 zeigen solche Leukocyten- haufen über den Borstenfollikeln von Allolobophora foetida (z). Das scheinbar regelmäßige Auftreten dieser Zellgruppen bei Allolobophora foetida verleitete mich Anfangs, dieselben für Organe zu halten, aber das Fehlen jedes Stützapparates in ihnen, das unregelmäßige Vor- kommen dieser Leukoeytengruppen nicht nur bei nahestehenden Arten, sondern auch bei anderen Exemplaren von Allolobophora foetida und ihre unregelmäßige Gestalt (vgl. Fig. 10 und 23) bewogen mich, die in der vorläufigen Mittheilung ausgesprochene Ansicht fallen zu lassen und in den vermeintlichen Organen nur zufällige Bildungen zu sehen. Es bleibt also nur noch die Frage zu entscheiden, ob diese Zellansammlungen an Ort und Stelle entstanden sind durch Theilung der Peritonealzellen, oder ob sie sich durch Zusammen- lagerung von Leukoeyten gebildet haben. Das Letztere scheint mir wahrscheinlicher, weil ich keine Kerntheilungen in denjenigen Theilen des Peritoneums habe bemerken können, denen jene Zellhaufen aufsitzen. Auch bei der anderen von mir untersuchten Species Allolobo- phora eyanea Sav. kommen Leukocytenansammlungen an verschie- denen Theilen des Peritoneums vor, besonders an den Segmental- organen, wo sie übrigens bei keiner von mir untersuchten Species fehlen (Fig. 9). Physiologisch vertreten, wie gesagt, diese Leukocytenansamm- lungen phagocytäre Organe, indem sie Fremdkörper aus der Lymph- bahn in sich aufnehmen und festhalten. Ihre scheinbar regelmäßige Anordnung in einigen Fällen erklärt sich durch gleichmäßige und energische Strömungen der Leibeshöhlenflüssigkeit, wie sie besonders an einer lebhaft sich bewegenden Species wie Allolobophora foetida vorausgesetzt werden missen. Übrigens habe ich bei dieser Art nicht nur an der Ventralseite, sondern auch bei einigen Exemplaren an der Dorsalseite unter den Dorsalporen ganz regelmäßige Leuko- eytenansammlungen getroffen, welche aus denselben Gründen wie die ersteren nicht als Lymphdrüsen aufzufassen sind. 376 Guido Schneider, Ob Zellen des Peritonealepithels selbst Fremdkörper aufnehmen. ob also das ganze Peritonealepithel der Regenwürmer als Lymph- drüse fungirt, indem es Phagocytose zeigt und Leukocyten entstehen lässt; diese Frage kann ich bis jetzt noch nicht endgültig bejahen, obgleich es mir wahrscheinlich scheint, dass dem so ist. Bei allen bisher untersuchten Oligochätenspecies habe ich oft mit Fremd- körpern beladene einzelne Zellen zwischen den Peritonealepithelzellen gesehen. Da aber die Leukocyten den Peritonealepithelzellen sehr ähnlich sehen, ist es immerhin möglich, dass sie sich zwischen die echten Peritonealzellen eindrängen. Ich muss daher diese Frage bis auf Weiteres unentschieden lassen. Zweifellose phagocytäre Organe lassen sich übrigens auch beim Genus Allolobophora konstatiren. Sie zerfallen in zwei Gruppen; die eine bildet einen Bestandtheil der Typhlosolis, die andere einen Ab- schnitt in jedem Nephridialkanal. Die Typhlosolis besteht bei Allolobophora im Wesentlichen aus denselben Theilen wie bei Dendrobaena, d. h. aus dem entodermalen Überzug, Blutlakunen, Chloragogenzellen und phagoeytärem Gewebe im Inneren. Das letztgenannte Gewebe hat bei Allolobophora in der Typhlosolis selbst sehr wenig Platz (Fig. 9 und 23), denn das Lumen der Darmfalte ist sehr eng. Dafür finden sich aber stellenweise zwischen dem Muskelgitter, welches die Typhlosolis an der Dorsal- seite abschließt, und dem Dorsalgefäße (Fig. 9 dg) größere Massen phagocytären Gewebes. Die Phagocytose in den Segmentalorganen von Allolobophora unterscheidet sich, eben so wie die Segmentalorgane selbst, in nichts von dem, was ich bei Lumbricus beobachtet habe. Weil aber in der Litteratur nur über die Segmentalorgane von Lumbrieus genaue Schilderungen zu finden sind, auf die ich mich bei Beschreibung der Phagocytose zu beziehen habe, soll auch Fig. 15, die nach einem Präparate von Allolobophora ceyanea gezeichnet ist, aber eben so gut auch die entsprechenden Verhältnisse bei Lumbrieus illustrirt (vgl. BENHAM, Quart. Journ. Mier. Se. Bd. XXXIU. Taf. XXIH, Fig. 15), erst im folgenden Kapitel besprochen werden. Lumbricus. Aus der Gattung Lumbricus habe ich die beiden einzigen, nach N. Kurasın! in Russland vorkommenden Arten untersucht; nämlich ' N. Kuracın, Arb. a. d. zool. Museum d. Univ. Moskau. Bd. V. 2. Heft. Über phagoeytäre Organe und Chloragdgenzellen der Oligochäten. 377 Lumbrieus terrestris Linn. und Lumbrieus rubellus Hoffm. Beide verhalten sich in Bezug auf das Vorkommen phagoecytärer Organe ganz gleich und entsprechen vollkommen den bei Allolobophora geschilderten Verhältnissen. Feste Körper werden resorbirt: 1) in Zellen des Füllgewebes der Typhlosolis und zwischen dem Eingang der Typhlosolis und dem dorsalen Blutgefäße, 2) in regellos verstreuten Phagocytenhaufen, welche hauptsächlich den Windungen der Segmentalorgane außen auf- sitzen, und 3) in einem Theile des Nephridialrohres selbst. Die Segmentalorgane von Lumbrieus sind bereits 1853 von GEGENBAUR! und später von W. B. BENHAM? so genau untersucht worden, dass es leicht ist, an den von beiden Autoren gezeichneten Schemata sich zu orientiren. Experimentelle Untersuchungen über das Verhalten einzelner Theile des Nephridialkanales sind von A. KowaALevsky 18893 publieirt worden. Nimmt man die BEnHAM’sche Zeichnung zur Hand, welche vor der älteren GEGENBAUR’Schen nur den Vorzug hat, dass alle Schlingen des Segmentalorgans übersichtlicher projieirt sind, so erblickt man vom Trichter ausgehend zuerst einen stark gewundenen, engen Kanal, der zur Dorsalseite zieht und von dort zur Ventralseite zurückkehrt. Hier geht er in einen geraden Kanal über, der gleichfalls eine Tour von derselben Richtung und Ausdehnung beschreibt. An der Ven- tralseite geht dieser Kanal, der nur stellenweise flimmert, in einen gleichfalls engen, durchweg wimpernden Kanal über und dieser letz- tere erstreckt sich wieder bis zur Dorsalseite, wo er in den bedeutend weiteren drüsigen Abschnitt des Nephridialrohres übergeht. Die Wände dieses wimpernden engen Abschnittes, der in der Zeichnung von GEGENBAUR mit dem Buchstaben d bezeichnet wird, nehmen in ihrer ganzen Ausdehnung, oder, um auch die von BENHAM gebrauchte Buchstabeneintheilung wiederzugeben, von 7 bis 4 und ein wenig über h hinaus feste Körper, wie Tusche, Karmin ete., auf. Bei 4 geht der phagocytäre Abschnitt durch Vermittelung einer ampullenförmigen Verbreiterung in den drüsigen Theil über. Diese Verbreiterung ist es, deren Wand im proximalen Theile auch noch feste Körper auf- nimmt. In Fig. 15 sehen wir einen Querschnitt durch eine Schlinge eines Segmentalorgans von Allolobophora zwei Tage nach einer 1 Diese Zeitschr. Bd. IV. p. 221—232. 2 Quart. Journ. Mier. Se. Bd. XXXII. p. 283—334. 3 Biol. Centralbl. Bd. IX. p. 65— 76. 378 Guido Schneider. Tuscheinjektion. Die mit »t bezeichneten Lumina, deren eines Wim- pern aufweist, gehören dem engen auf den Trichter unmittelbar folgenden Anfangstheil des Nephridialkanales an (»narrow tube« nach BEnHAM). Mit mt ist das an den Anfangstheil sich anschließende Mittelstück (»middle tube« BENnHAM’s) bezeichnet. Im Lumen sehen wir eine an der Wand befestigte Wimper und Stücke anderer Wim- pern; in der Wand aber die resorbirte Tusche und den Kern der Röhrenzelle. Mit a ist die sogenannte Ampulle bezeichnet, welche in diesem Schnitte den Übergang in den drüsigen Abschnitt zeigt. Das Protoplasma ist hier sehr weitmaschig und das Lumen, nach den Fäden zu urtheilen, die im Centrum zu einer körnigen Masse zu- sammenlaufen, mit einem Sekret der Wandzellen erfüllt. Vergleicht man diese Resultate mit den Experimenten von A. KOWALEVSKY, so sieht man, dass genau derselbe Theil des Seg- mentalorgans, welcher nach KowALEvsky Ammoniakkarmin aus- scheidet und nach Injektion von Lackmustinktur roth wird, nach meinen Untersuchungen feste Körper resorbirt. Ob übrigens hier wirklich eine Ausscheidung des Ammoniakkarmins durch die Wand des Segmentalorgans stattfindet, oder ob auch Flüssigkeiten durch den Trichter in das Nephridialrohr gelangen und von den Wänden des phagocytären Abschnittes aus dem Lumen aufgenommen werden, lässt sich nach den bisherigen Versuchen noch nicht entscheiden. Injektionen von Ferrum oxydatum saccharatum ergaben folgen- des Resultat. Nach Anwendung der Berlinerblau-Reaktion sieht man im phagocytären Abschnitte des Segmentalorgans blaue unregel- mäßige Eisenkörnchen. Diese machen den Eindruck, als sei das Eisen im Körper des Regenwurmes zum Theil aus der löslichen Ver- bindung herausgefällt und erst in fester Form von den Wandzellen aufgenommen worden, in derselben Weise, wie es von Leukocyten und Lymphdrüsenzellen resorbirt wird. Wurde Karmin oder eine andere ungelöste Substanz als Pulver in die Eisenlösung gemischt und mit ihr zusammen injieirt, so fand ich Körnchen dieser Substanz und Eisenkörnchen neben einander in dem Protoplasma der Röhren- zellen. Außerdem findet sich Eisen zuweilen in mehr diffuser Ver- theilung im Protoplasma des sogenannten drüsigen Abschnittes, welcher sich distalwärts an den phagocytären anschließt. Auch dieser Befund beweist nicht, dass hier eine Sekretion durch die Wand des Nephridialrohres in das Lumen vor sich geht, da die Wandzellen sich auch hier vom Lumen des Rohres aus mit der Eisenlösung imbibiren konnten. Fig. 11 ist nach einem Präparate Über phagoeytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 379 | gezeichnet, welches ich der Güte des Herrn KowALEvsKY verdanke. Der phagocytäre Mitteltheil des Nephridialrohres ist an zwei Stellen durchschnitten und weist zahlreiche Eisenkörnchen im Protoplasma der Röhrenzellen auf. Daneben fällt ein besonderer Umstand auf, auf den mich Herr KowALEvsky aufmerksam gemacht hat. Die Nueleoli nicht nur in den Kernen der Röhrenzellen, sondern auch in den Zellen des verdiekten Peritonealepithels, welches die Nephri- dien umgiebt, und in den, in der Figur nicht wiedergegebenen Chlora- sogenzellen sind durch die Eisenreaktion blau gefärbt. Diese merk- würdige Erscheinung der Blaufärbung des Nucleolus durch die Berlinerblau-Reaktion ist bereits von ROBERT SCHNEIDER an anderen Würmern entdeckt, aber noch nicht genügend aufgeklärt worden!. Bei den uns vorliegenden Fällen trat die Blaufärbung nach Injektion gelösten Eisenzuckers ein, aber ich war nicht im Stande an allen meinen Präparaten diese Erscheinung zu konstatiren, die dadurch noch räthselhafter wird. Als Beweis gegen meine Annahme, dass im Mittelstück des Nephridialkanales das Eisen auf phagocytärem Wege aufgenommen wird, kann dieses Faktum jedoch nicht dienen, weil man annehmen muss, dass die aufgenommenen Substanzen, eben so wie in anderen phagocytären Zellen, allmählich gelöst und so weit als möglich verdaut werden. Ist dieses der Fall, dann kann das in den Röhrenzellen gelöste Eisen zum Theil sich im Nucleolus ansammeln. Vielleicht finde ich bei Bearbeitung eines von mir im vorigen Sommer am Weißen Meere gesammelten Polychätenmaterials die Lösung für einige der vielen Fragen, die ich in dieser Arbeit nicht habe lösen können. Euaxes., A. KowALEvsky ist der erste Entdecker der Phagoeytose in Segmentalorganen. Seine Arbeit hierüber an Clepsine und Euaxes filirostris Gr. erscheint demnächst in den Memoires de l’Academie Imp. de St. Petersbourg?. Während mein hochverehrter Lehrer selbst seine Aufmerksamkeit mehr den Hirudineen zuwandte, übergab er mir sein in der Einleitung erwähntes Material über Euaxes, der in seiner Schrift nur kurz erwähnt werden wird, damit er hier im Zusammen- hang mit den übrigen Oligochäten ausführlich beschrieben werde. ! Mittheil. a. d. Zool. Station zu Neapel. Bd. XII. 1. Heft. p. 208—216. ® Vorl. Mitth. in: Comptes rendus des s6ances de l’Academie des Sciences. Paris. T. CXXII. 27. Jan. 1896. 380 Guido Schneider. Während bei den terricolen Oligochäten die Segmentalorgane eine relativ untergeordnete Rolle als phagoeytäre Organe spielen im Vergleiche mit anderen voluminöseren Organen, die man als Lymph- drüsen auffassen kann, sind sie bei den bisher darauf hin unter- suchten Limicolen das einzige phagocytäre Organ und dieser Funktion besonders angepasst. Fig. 18 stellt den Anfangstheil des Segmental- organs von Euaxes dar. Man erblickt einen präseptalen Trichter (:) and einen postseptalen Theil (f), den ich wegen seiner Struktur und Funktion den Filter nennen will. In Fig. 19 ist ein weiterer Schnitt durch dasselbe Segmentalorgan dargestellt, welcher den Über- sang des Filters in den dritten Abschnitt des Segmentalorgans, den Ausführungsgang, illustrirt. Außerdem sehen wir in Fig. 18 mehrere Leukoeyten (Ze), die mehr oder weniger zahlreiche Körnchen von dem 24 Stunden vor der Konservirung injieirten Karminpulver aufge- nommen haben. Der Trichter selbst zeigt niemals Phagoceytose. Sein Rand gegen die Leibeshöhle ist schief abgestutzt, so dass man auf Längs- schnitten, wie Fig. 18 zeigt, eine größere mediane und eine kleinere laterale Lippe unterscheiden kann. Erstere enthält ein oder zwei große helle Kerne, welche offenbar den Trichterzellen angehören. In der lateralen Lippe bemerkt man aber immer in großer Menge kleine, sehr dunkel gefärbte Kerne, welehe zum Theil Peritonealzellen an- zugehören scheinen, zum Theil aber den Eindruck machen, als seien sie die Kerne eingedrungener Leukocyten. Der Trichter kommunieirt durch einen engen Kanal mit dem Filter (f). Dieser besteht aus einer Anzahl Zellen, deren Grenzen nicht deutlich zu erkennen sind und deren Zahl man nur nach der Zahl der großen blassen Kerne bestim- men kann. Das Lumen des Filters wird gebildet durch ein System von Lakunen und Gängen, die sämmtlich mit einander kommunieiren, und in Form und Größe beträchtlich verschieden sind (Fig. 18, 19 u. 20). In diesen Hohlräumen findet man verschiedene Fremdkörper und Leukocyten, die mit Fremdkörpern beladen sind (Fig. 18/c). Das Protoplasma der Filterzellen ist feinkörnig und enthält verschiedene Einschlüsse. In Fig. 18 sehen wir, dass sehr viel von dem injieirten Karmin in diesen Zellen, besonders in den dem Trichter zunächst gelegenen, abgelagert ist. Mit « sind spindelförmige Fremdkörper von unbekannter Herkunft bezeichnet, die von A. KOWALEVSKY ZU- erst bemerkt und für Krankheitserreger angesehen wurden. Fig. 20 stellt einen Schnitt durch einen Nephridialfilter dar von einem Euaxesexemplare, dem KOWALEVSKY eine Stunde vor der Konservirung eine Reinkultur von Bacillus subtilis in die Leibeshöhle injicirte. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 381 Die Mehrzahl der blau gezeichneten Bacillen befindet sich noch in den Hohlräumen, ein Theil aber ist bereits in das Protoplasma der Filter- zellen aufgenommen worden. In Fig. 19 sehen wir den Übergang des Filters in den Ausführungsgang (ag) und machen dabei die Bemerkung, dass die kavernöse Struktur des Filters sich auch noch auf den Anfangstheil des Ausführungsganges erstreckt. Letzterer ist bei erwachsenen Thieren sehr lang und hat für uns hier weiter kein Interesse, da weder in seinen Wänden, noch in seinem Lumen etwas von den injieirten Substanzen zu entdeken war. Er beschreibt, be- vor er nach außen mündet, eine größere Anzahl von Windungen um sich selbst, die zusammen eine knäuelförmige Masse im Segmente bilden. Zum Schluss muss ich noch eines Versuches mit einem gelösten Stoffe, nämlich Ammoniakkarmin, erwähnen. Unter der mir zur Ver- fügung stehenden Sammlung befanden sich zahlreiche Exemplare, denen die erwähnte Substanz in wässeriger Lösung injieirt worden war, und die darauf in verschiedenen Zeitabständen getödtet wurden. Das Resultat der Untersuchung einiger dieser Präparate war folgendes. Das Karmin fand sich in feinen Körnchen in den Leukocyten und Filtern, also genau an denselben Orten, wo auch feste Körper ab- gelagert werden. Interessant wäre es, an lebenden Thieren zu unter- suchen, ob das Ammoniakkarmin in flüssiger Form von den Leuko- eyten und Filtern aufgenommen und abgelagert wird, oder ob es schon in der Leibeshöhlenflüssigkeit herausgefällt und dann als festes, ungelöstes Karmin resorbirt wird. Die mikroskopischen Schnitte boten zur Lösung dieser Frage keinen Anhaltungspunkt, und die großen Euaxesexemplare unserer Aquarien machten im Winter jungem Nachwuchs früher Platz, bevor ich zum Studium dieser Frage Zeit fand. Die Funktion der phagocytären Filterzellen von Euaxes ist offen- bar dieselbe wie bei allen anderen Phagoeyten. Die resorbirten Stoffe unterliegen der Verdauung seitens des Protoplasmas. Baeillus subtilis z. B. ist wenige Stunden nach der Injektion in den Nephridialfiltern schon nicht mehr nachweisbar. Archienchytraeus. Ein ähnliches Organ, wie es von KowALevskY bei Euaxes fili- rostris entdeckt worden ist, konnte ich auch bei einem anderen Ver- treter der limieolen Oligochäten, dem es mir gelang Einspritzungen - in die Leibeshöhle zu machen, auffinden. Als Material hierzu diente 382 Guido Schneider, mir eine von meinem Kollegen Herrn RımskY-KORSSAKOFF auf den Solowetzky-Inseln des Weißen Meeres zuerst aufgefundene und von stud. OBNORSKY! als Archienchytraeus nasutus Eisen bestimmte größere Species, der man ohne Schwierigkeit mit Hilfe feiner Glas- kanülen Injektionen machen kann. Während meines Aufenthaltes im Sommer 1895 auf der biologischen Station zu Solowetzk sammelte ich eine größere Anzahl dieser Würmer, von denen ich einen Theil daselbst untersuchte und einen anderen lebend in faulendem Fucus mit nach St. Petersburg nahm, wo sie lange aushielten. Injieirt man diesen Thieren Tusche, so sieht man nach einigen Stunden an der Ventralseite eine Doppelreihe schwarzer Punkte durch die Haut durchschimmern, die sich bei näherer Untersuchung als eben solche Theile der Segmentalorgane erweisen, welche bei Euaxes Fremdkörper resorbiren. Die Segmentalorgane der Enchytraeiden zerfallen ebenfalls in drei sehr deutlich von einander abgegrenzte Abschnitte: 1) den Wimpertrichter, 2) den Filter (»La masse glandu- laire perforee« von BoLsıus? ohne den »canal colleeteur«) und 3) den Ausführungsgang (»canal collecteur« und »vesicule terminale« von Bousıus). Der mittlere Theil des Segmentalorgans, der Filter, ist der Ort, wo auch bei Archienchytraeus die Phagocytose vor-sich geht. Seine Struktur hat im Laufe der Zeit verschiedene Deutungen erfahren, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, weil sie in der letzten Arbeit über das Segmentalorgan der Enchytraeiden von BoLsıus, welche wir bereits eitirten, genügend ausführlich besprochen werden. Im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern beschreibt BoLsıus den in Rede stehenden Abschnitt als eine Zellmasse mit undeutlichen Zell- srenzen, welche von einem Systeme anastomosirender Kanäle durch- zogen wird. Aus seinen Schnittserien von Enchytraeus humieultor Vejd. folgert er, »que le syst&me de canalicules anastomoses est unique, c.ä.d. que les deux orifices, l’entonnoir et le canal collecteur, communiquent avec tous ces troncons, et que nulle part la eireulation n’est interrompue; il n’y a pas non plus de cul de sac«. Auch bei Archienchytraeus nasutus finden wir ein System von Kanälen, welche alle unter einander in Verbindung stehen. Fig. 16 ist die Zeichnung eines Längsschnittes durch Trichter (x), Filter (f) und einen Theil ! Zur Anatomie und Systematik der Oligochäten des Weißen Meeres. Comptes rendus des seances de la Soc. Imp. des Natural. de St. Petersbourg. 1895. No. 6. 2 L’organ segmentaire d’un Enchytraeide. Memorie della Pontificia Acca- demia dei Nuovi Lincei. Vol. IX. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 383 des Ausführungsganges (ag) eines Segmentalorgans von einem Exem- plare, welches vier Tage nach der Tuscheinjektion konservirt wurde. Der Trichter ist in derselben Weise schief abgestutzt, wie bei Euaxes, so dass der mediane Rand über den lateralen hervorragt, und enthält gleichfalls nur ein bis zwei Kerne. Der Filter, aus wenigen Zellen mit undeutlichen Zellgrenzen bestehend, zeigt einen kavernösen Bau; in den Wänden der einzelnen Waben ist Tusche abgelagert. An den Segmentalorganen großer Exemplare sieht man schräge Querwände, welche den ganzen Filterabschnitt in vier Kam- mern eintheilen und an einem Ende oder in der Mitte perforirt sind. Ein Längsschnitt durch ein solches Segmentalorgan ist in Fig. 17 dargestellt. Der Trichter zeigt sich im dieser Abbildung nicht in . seiner charakteristischen Form, weil er nahe am Rande getroffen ist: desshalb erscheint er auch unverhältnismäßig klein. Dem in Rede stehenden Exemplare war drei Stunden vor der Konservirung eine Mischung von Tusche mit Spermatozoen von Polycarpa rustica in Seewasser injieirt worden. Die schwarzen Punkte im Protoplasma der Filterzellen deuten Tuschekörnchen an, während die rothen die Ver- breitung durch Safranin rothgefärbter Bruchstücke von Spermatozoen angeben. Mit Ze ist ein Leukocyt bezeichnet, der mit Tuschekörnchen beladen ist, /c’ dagegen sind eigenthümliche nicht amöboide, spindel- förmige Leukocyten, die sich in der Leibeshöhlenflüssigkeit der von mir untersuchten Species in großer Zahl finden und niemals Fremd- körper aufnehmen. Eisen, in gelöster Form injieirt, wird im Filter in derselben Weise abgelagert, wie in den Lymphdrüsen und: Seg- mentalorganen der terricolen Oligochäten, d. h. in Körnchen von ungleicher Form und Größe. Von den Peritonealzellen der limicolen Oligochäten gilt dasselbe, was von den terricolen gesagt wurde. Sie scheinen gleich den Leukocyten Fremdkörper aufzunehmen, sind aber schwer von den amöboiden Wanderzellen zu unterscheiden, die sich überall festsetzen können. In den Filtern der Segmentalorgane von Archienchytraeus habe ich nicht, wie bei Euaxes, Leukocyten gefunden. Chloragogenzellen. W. KÜKENTHAL! meint, dass die Chloragogenzellen ihren »braun- körnigen Inhalt« 'aus dem Blute beziehen und findet, dass neben !i Über die Iymphoiden Zellen der Anneliden. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XVIII. p. 338. 384 Guido Schneider. diesen Körnern auch hier und da farblose auftreten, die sich von ersteren durch ihre Löslichkeit in Äther unterscheiden. CuvEnoT! schreibt über die vermuthliche Thätigkeit der Chlor- asogenzellen, die er mit Unrecht für ein Lymphorgan erklärt, Folgen- des: »Nous pouvons maintenant nous expliguer parfaitement la posi- tion constante des chloragogenes autour de la portion active et digerante de l’intestin et sur les vaisseaux sanguins adjacents, tandis qu’on ne trouve pas une seule de ces cellules en dehors des points preeites. Les peptones provenants de la digestion, au lieu de passer dans la cavite generale et d’y &tre transformees par les amibocytes en albumine du plasma, sont arretees en route et absorbees par les chloragogenes qui les transforment sur place en albuminoides qu'ils accumulent sous forme de granules jaunes. Quand elles en sont biens remplis, elles se detachent, tombent dans le coelome, et la suivant le besoin de l’animal, leur contenu se dissout peu & peu et passe dans le liquide cavitaire. « Die ersten experimentellen Untersuchungen an lebenden Chlora- sogenzellen hat A. KowALEVSKY? veröffentlicht. Er schreibt über Lumbriceus: »Die Chloragogenzellen scheinen eine Rolle zu spielen bei der Ausscheidung des Indigokarmins, wenigstens saugen dieselben ihn stark auf und werden dabei ganz grün; ihre gewöhnliche gelbe Farbe vermischt mit der blauen Farbe des Indigokarmins giebt diese mittlere Färbung.« Außerdem theilte mir Herr Akademiker A. Ko- WALEVSKY bei Übergabe des Themas mit, dass nach Injektion von Ferrum oxydatum saccharatum die Berlinerblau-Reaktion das Vor- handensein von Eisen in den Chloragogenzellen anzeige. Zu denselben Resultaten, wie KOWALEVSKY, bin ich bei Wieder- holung der Versuche auch gelangt. Das Eisen brachte ich Exem- plaren aus der Gattung Allolobophora auf zwei Wegen bei: einerseits durch Injektion wässeriger Lösungen von Ferrum oxydatum saecharatum in die Leibeshöhle, andererseits durch Fütterung der Würmer während eines Monates mit Fließpapier, welches mit der oben genannten Eisen- lösung getränkt war. Um dabei ein etwaiges Eindringen des Eisens durch die Haut möglichst zu vermeiden, wurde darauf geachtet, dass sich nicht mehr Flüssigkeit im Glase befand. als das Papier auf- saugen konnte. Perichaeta, Dendrobaena und Lumbriecus erhielten das Eisen nur durch Injektionen in die Leibeshöhle. Der Erfolg war nach ! Etudes sur le sang et les glandes lymphatiques dans la serie animale. Arch. d. zool. Exp. et Gen. 1890—1891. 2 Biol. Centralbl. Bd. IX. p. 71. Über phagoeytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 385 Anwendung der Berlinerblau-Reaktion folgender. Die phagocytären Organe, freien Leukocyten und Leukocytenansammlungen (Fig. 10 u. 23 x) enthielten größere oder kleinere blaue Körnchen von unregelmäßiger Gestalt und die Chloragogenzellen bei allen oben genannten Gattungen nahmen makroskopisch eine grünlich-blaue Färbung an. In Fig. 23 ist bei schwacher Vergrößerung im Querschnitt die Verbreitung der durch die Berlinerblau-Reaktion nach Eisenresorption blau gefärbten Chloragogenzellen (c) auf der äußeren Darmwand und in der Typhlo- _solis (2) von Allolobophora foetida dargestellt. Bei starker Vergröße- rung bieten die Chloragogenzellen folgendes Bild. Körnchen von Berlinerblau, welche wir in den phagocytären Zellen beobachteten, sieht man hier niemals. In einigen Fällen ist das Maschenwerk des Protoplas- mas gleichmäßig blau gefärbt, während die in den Winkeln der Maschen befindlichen, gelbbraunen runden Körner nicht gebläut sind. In Fig. 12 sind zwei Chloragogenzellen von Lumbricus gezeichnet, welche dieses Verhalten zeigen. Dem Exemplar war 48 Stunden vor der Konser- virung Ferrum oxydatum saccharatum in die Leibeshöhle eingespritzt worden. In den weitaus meisten Rällen aber ist ein Theil der braunen Körnchen deutlich blau gefärbt, während das Protoplasma ungefärbt bleibt. Fig. 13 zeigt zwei Chloragogenzellen von Allolobophora foetida, einem Exemplar, welches einen Monat lang mit eisenhaltigem Fließ- papier gefüttert worden war. Leider hat die Methode der Eisen- injektion noch ganz unberechenbare Kapricen, denn durch die Länge der Einwirkungszeit der verschiedenen zur Konservirung und zur Hervorrufung der blauen Färbung nöthigen Reagentien können falsche Bilder entstehen. Vorausgesetzt, dass die von der gewöhnlichen Norm abweichende diffuse Färbung des Protoplasmas (Fig. 12) nicht durch einen Nebenumstand bedingt wird, so zeigt sie an, dass die Resorption des Eisens seitens der Chloragogenzellen in der Weise vor sich gehen kann, dass zuerst das Protoplasma von demselben überall durchdrungen wird, später aber die braunen Körner alles Eisen in sich aufspeichern. Der Umstand, dass meist schon nach 24 Stunden nur die braunen Körner Blaufärbung zeigen, beweist noch nicht das Gegentheil, weil die Resorptionsdauer selbst noch von verschiedenen Umständen ab- hängig ist, z. B. von der Quantität des injieirten Eisens. Nach Fütterung mit eisenhaltigem Papier wurde das meiste Eisen in den Chloragogenzellen im Innern der Typhlosolis wiedergefunden — weniger in den Chloragogenzellen, welche den Darm außen be- kleiden, und gar nicht in den Entodermzellen, obgleich der Darm- inhalt sich intensiv bläute. 386 Guido Schneider, Resorption ungelöster Substanzen und von karminsaurem Ammon findet in den Chloragogenzellen nicht statt. Beim Konserviren in Hermann’scher Osmiumplatinchloridlösung färben sich die Chlora- gogenzellen tief dunkel wegen ihres Gehaltes an kleinen Fettkörnern, welche wohl mit den von KÜKENTHAL beobachteten, in Äther lös- lichen Körnchen identisch sind. Alle diese Thatsachen beweisen, dass die Ohloragogenzellen durchaus nicht zum Lymphsystem gehören, sondern nur die Ernährung reguliren, was noch daraus erhellt, dass sie bei wohlgenährten Regenwürmern eine viel deutlichere gelbgrüne Farbe besitzen, als bei hungernden. Dem entsprechend ist auch die Zahl der in jeder Zelle enthaltenen braunen Körnchen eine wechselnde. Die Chloragogenzellen sind also höchst wahrscheinlich der Aufbe- wahrungsort für Reservenahrung, welche sie aus den Blutlakunen der Darmwand und aus den Blutgefäßen, welchen sie aufsitzen, entziehen. Dass sie auch gelöste Stoffe aus der Leibeshöhle zu resorbiren ver- mögen, beweisen die Injektionen von Eisen und Indigkarmin. Nach Injektionen von Milch mit darauf folgender Osmiumbehandlung scheinen sie sich noch dunkler zu färben, als bei intakten Exemplaren. Dieses dürfte dafür sprechen, dass auch Fett aus der Leibeshöhle von den Chloragogenzellen resorbirt werden kann. Dieser Frage näher zu treten, habe ich bisher noch keine Zeit gefunden. Wenn wir die Funktion der Chloragogenzellen mit der Thätigkeit anderer Zellen und Zellgruppen in dem Thierreiche vergleichen wollen, so müssen wir, wenn wir von den wahrscheinlich homologen Bildungen bei Polychäten und Hirudineen (Botryoidzellen) absehen, zuerst an die Fettzellen denken. Genau lässt sich die Analogie zwischen Chloragogen- und Fettzellen aber nicht durchführen, erstens weil die Art der Fettablagerung in beiden Zellformen ganz ver- schieden ist, und zweitens, weil die Chloragogenzellen, wie wir sahen, noch andere sehr wichtige Funktionen besitzen, die sie von den Fettzellen unterscheiden und den Leberzellen (z. B. der Wirbel- thiere) nähern. Wegen der ähnlichen Färbung und der nahen Be- ziehung zum Darmtractus wurden sie ja bereits von den ersten Entdeckern für echte Leberzellen gehalten, und ‘erst als man fand, dass sie nicht im Stande sind, ein Sekret in das Darmlumen abzu- sondern, wurde diese Ansicht fallen gelassen. Den Leberzellen ähneln die Chloragogenzellen in folgenden Punkten. Sie nehmen Pig- mente (KÜKENTHAL |]. ce.) und albuminoide Substanzen (CUENOT |. c.) wahrscheinlich aus dem Blute auf und absorbiren Indigkarmin und Fisen aus injieirten Lösungen. Das Eisen wird nicht grobkörnig Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 387 abgelagert, wie in Leukocyten und Lymphdrüsenzellen, sondern es durchtränkt das Protoplasma oder Theile desselben gleichförmig, wie in den Leberzellen. Der Umstand, dass bei hungernden Regen- würmern die Chloragogenzellen blasser und unscheinbarer werden, spricht dafür, dass sie die in ihnen aufgespeicherten Reservestoffe wieder an das Blut zurückgeben können, ohne sich abzulösen und in der Leibeshöhle digerirt zu werden, wie UÜUENoT meint. Abge- rissene, todte Chloragogenzellen mit blassem, geschrumpftem Proto- plasma und sehr dunklem, gleichfalls geschrumpftem Kerne kann man zu jeder Zeit frei in der Leibeshöhle und in den phagocytären Organen (nicht in den Nephridien) finden. Es sind das offenbar gealterte, oder durch äußere Einflüsse zufällig abgerissene Exemplare. Bei einem Exemplare von Rhinodrilus proboseideus mihi! war in den fünf letzten Segmenten die Leibeshöhle von einer ganz kom- pakten Masse erfüllt, die aus losgerissenen Chloragogenzellen in verschiedenen Stadien des Zerfalles, Leukocyten und heilen wie zer- störten Sporozoencysten bestand. Als phagocytäre Organe kann man diese Zellenmassen nicht auffassen, weil sie mit keinem Theile der Leibeswand organisch verbunden sind. Sie deuten nur an, dass hier eine höchst energische Phagocytose seitens freier Leukocyten vor sich geht, welcher viele alte und abgerissene Chloragogenzellen zum Opfer fallen. Gleich den phagoeytären Organen enthalten auch die Chlora- gogenzellen zuweilen Parasiten. So fand ich bei einem Exemplare von Dendrobaena rubida, dass zahlreiche Chloragogenzellen von rund- lichen Zellmassen angefüllt waren, die Parasitenembryonen dar- stellen, deren Schicksal ich nicht feststellen konnte. Da nun die Chloragogenzellen feste Körper aus der Leibeshöhle nicht aufnehmen, so muss ich vermuthen, dass die Keime aus dem Darme selbstthätig in die Chloragogenzellen einwandern — etwa wie Cestodenem- bryonen. Letztere habe ich bei europäischen Regenwürmern nicht gefunden; bei Rhinodrilus proboseideus aber fand ich den vorderen Theil des Mitteldarmes stark deformirt durch große Cysticerken, von denen viele bereits einen voll ausgebildeten Taenienscolex mit vier Saugnäpfen, Rostellum und doppeltem Hakenkranz erkennen ließen. Diese Cysticerken saßen in der Bindegewebsschicht dicht unter den Chloragogenzellen, und zwei bis drei dieser Parasiten, deren Durchmesser nur dreimal kleiner ist als der Querdurchmesser der ! Sitzungsber. der Dorpater Naturforschergesellsch. 1892. p. 42—44. Zeitschrift, f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 26 388 Guido Schneider, Segmente, in denen sie vorkommen, kann man zuweilen auf einem Querschnitte beisammen sehen. Sporozoencysten, die sonst bei Rhi- nodrilus proboseideus manche Organe, so besonders die Samenblasen und die Segmentalorgane bis zur Unkenntlichkeit des ursprünglichen Gewebes erfüllen, sah ich in der Darmwand und den Chloragogen- zellen nicht; offenbar desshalb, weil die Sporozoen nicht durch den Darm, sondern wahrscheinlich durch die Vasa deferentia, Oviducte und in die Mündungen der Segmentalorgane einwandern. Schluss. Bei allen von A. KowALEvsKY und mir mit Hilfe physiologischer Injektionen daraufhin untersuchten Oligochätenspecies sind besondere Organe gefunden worden, welche die Funktion haben, die Leibes- höhlenflüssigkeit von festen todten Bestandtheilen zu reinigen und letztere so lange in sich festzuhalten, bis sie durch die, Thätigkeit der Zellen, in deren Protoplasma sie deponirt sind, aufgelöst werden. Diese phagocytären Organe zerfallen, wie wir gesehen haben, in zwei Gruppen: erstens Iymphdrüsenartige Organe und zweitens Theile der Nephridien. Die Iymphdrüsenartigen Organe kommen bei allen bisher von uns untersuchten terricolen Oligochäten vor und scheinen den limi- colen ganz zu fehlen. Man kann sie eintheilen in 1) baumförmige Wucherungen des Gewebes der Dissepimente (Perichaeta), 2) kon- centrisch geschichtetes Peritonealepithel über den Wurzeln der vom Dorsalgefäiße zum Mitteldarm abgehenden seitlichen Blutgefäße (Dendrobaena) und 3) reticuläres Füllgewebe der Typhlosolis (Den- drobaena, Allolobophora und Lumbricus). Alle Iymphdrüsenartigen Organe liegen im Bereiche des Mitteldarmes, hinter dem Clitellum und sind Umwandlungsprodukte des Peritoneum. Die in ihnen phago- cytär thätigen Zellen entsprechen im Bau den Peritonealepithelzellen einerseits und andererseits den Leukocyten, welche vielleicht in diesen Organen entstehen und gelegentlich in sie zurückkehren. Phagoeytäre Abschnitte in den Nephridien fehlen bei Perichaeta und kommen bei allen übrigen von uns untersuchten Oligochäten vor. Bei den terricolen Oligochäten sind die Röhrenzellen des wim- pernden sog. mittleren Theiles des Nephridialrohres (»middle tube« und ein Theil der »ampulla« von BExHAMm) phagocytär; bei den limieolen Oligochäten aber sind es die Zellen des von mir »Filter« benannten Abschnittes, der den Trichter mit dem Ausführungsgang verbindet. Niemals konnte ich unterhalb des phagoeytären Ab- Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 389 schnittes, also im drüsigen und muskulösen Theile des Nephridium der Terricolen und im Ausführungssange des Nephridium der Limi- eolen feste Körper, die in die Leibeshöhle injieirt waren, wieder- finden. Das beweist, dass die festen Fremdkörper sehr lange in den phagocytären Zellen festgehalten werden; lösliche oder ver- dauliche wahrscheinlich so lange, bis sie als Flüssigkeit ausge- schieden werden können. Was die Verbreitung phagocytärer Or- gane bei den von uns nicht untersuchten Oligochäten betrifft, so lässt sich auch aus den ausführlichsten Diagnosen und Beschrei- bungen nichts entnehmen, was mit einiger Sicherheit als‘ phagocytäres Organ gedeutet werden kann. Nur bei dem von mir vor einigen Jahren auf Schnitten genau untersuchten Rhinodrilus proboseideus aus Trinidad glaube ich aus folgendem Grunde auf phagocytäre Ab- schnitte in den Nephridien schließen zu können. Dieser Regenwurm besitzt keine Dorsalporen; also sind die einzigen Öffnungen, durch welche Sporozoen in die Leibeshöhle gelangen könnten, die Mündungen der Vasa deferentia, Oviducte und Segmentalorgane. Dass die ersteren nicht selten von den Parasiten passirt werden, beweist unter Anderem die Menge der Sporozoencysten, die man in den Samenblasen findet. Auch in den Segmentalorganen findet man sehr zahlreiche Sporozoeneysten, aber nur im Mündungstheile und in einem langen Blindsacke, der von der Mündung jedes Segmental- organs (mit Ausnahme der vordersten) bis zur dorsalen Mittellinie hinzieht; nie aber oberhalb einer gewissen Grenze im Nephridial- rohre selbst. Übrigens scheint die Phagoeytose in den Segmentalorganen nicht nur auf die Oligochäten beschränkt zu sein. Bei den Hirudineen hat A. KowALEvskY einen phagocytären Apparat entdeckt, der seiner Lage und äußeren Gestalt nach dem Filter der Limicolen entspricht, und bei Arenicola habe ich kürzlich Karmin und Eisen in Zellen der Nephridialröhren gefunden, welche einen großen Theil der inneren Epithelauskleidung der Segmentalorgane bilden. Wie wir sehen, ist also die Phagocytose in den Segmentalorganen eine sehr weit verbreitete Erscheinung und ich hoffe durch Untersuchung einer Reihe von mir im Sommer 1895 auf der biologischen Station zu Solowetzk injieirten und konservirten Polychäten des Weißen Meeres Neues zur Beantwortung bisher noch offener Fragen über diesen Gegenstand beitragen zu können. | Was die lymphdrüsenartigen phagocytären Organe betrifft, so lässt sich über dieselben im Allgemeinen nur sagen, dass sie bisher bei 26* 390 Guido Schneider, einer verhältnismäßig beschränkten Zahl von Anneliden gefunden worden sind, d. h. unter den Polychäten nur bei Nereis und Halla von A. KOowALEVsKY und bei terricolen Oligochäten von mir, und dass sie, als durchaus cänogenetische Gebilde von sehr verschiedener Struktur und Lage, zu keinerlei Vermuthungen über ihr Vorkommen bei anderen noch nicht erforschten Annelidengruppen Anlass geben können. St. Petersburg, den 29. Januar 1896. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVII—XIX. Fig. 1. Perichaeta indica. 24 Stunden nach der Injektion von Kar- minpulver wurde das Exemplar links von der dorsalen Mittellinie aufgeschnit- ten. Natürliche Größe. rs, Receptaculum seminis; s, Samenblase; c/, Clitellum; sg, Drüsen an der Mündung der Vasa deferentia; dg, Dorsalgefäß; /, Lymphdrüse (roth). Fig. 22 Dendrobaena rubida. 48 Stunden nach der Injektion von Karminpulver in der dorsalen Mittellinie aufgeschnitten. . Natürliche Größe. /, Lymphdrüse (roth). Fig. 3. Perichaeta indica. Ein Lymphdrüsenpaar mit einem Theile des Dorsalgefäßes (dg) und des Dissepimentes (di) herauspräparirt. Schwache Vergrößerung. /, Lymphdrüse; 5, Borsten von Leukocyten umgeben an der Lymphdrüse. Fig. 4 Perichaeta indica. Borsten in einer Lymphdrüse. Wie Fig. 3, Fig. 5. Junge Perichaeta, fixirt mit Hermann’scher Platinchlorid-Os- miumsäure, gefärbt mit Safranin. Querschnitt durch ein Lymphdrüsenpaar. Ver- größerung 200 X. /, Lymphdrüse; dg, Dorsalgefäß; hf, Leibeshöhle des folgenden Segmentes; o, Öffnung im Dissepiment; rn, Segmentalorgane; lc, Leukocyten; ct, todte Chlora- gogenzellen; m, Muskulatur. Fig. 6. Perichaeta indica. 5 Stunden nach der Injektion von frischem Blut von Mus musculus konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Schnitt durch ein Stück Blutgerinnsel in der Leibeshöhle. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Vergrößerung 530 X, homogene Immersion. mb, Mäuseblut; Zc, Leukocyten, beladen mit rothen Blutkörperchen. Fig. 7. Perichaeta indica. Wie Fig. 6 und aus demselben Quer- schnitte. Ein Lymphdrüsenlappen () und zwei Leukocyten (lc), die mit rothen Blutkörperchen beladen sind. Fig. 8 Perichaeta indica. 48 Stunden nach der Injektion von Kar- minpulver und Reisstärke konservirt in koncentrirtem Sublimat. Freischwimmende Leukoeytengruppe aus der Leibeshöhle. Violett sind die durch Jod gefärbten Stärkekörner, roth die Karminkörner gezeichnet. Vergrößerung 900 X. Wasser- immersion. Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 391 Fig. 9. Allolobophora eyanea. 24 Stunden nach der Injektion von Karminpulver konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Querschnitt durch ein Segment aus der mittleren Körperregion. Färbung mit Hämalaun. Vergröße- rung 50X. dg, Dorsalgefäß; bl, Blutgefäß; 2, Typhlosolis; c, Chloragogenzellen; d, Darm- epithel; mi, mittlerer Theil des Nephridialrohres; x, Leukocytenansammlung; bs, Ganglienkette; m, Muskulatur; », Segmentalorgan, Karminkörnchen roth. Fig. 10. Allolobophora foetida. 24 Stunden nach der Injektion von Karminpulver und einer Lösung von Ferrum oxydatum saccharatum in 96%/y,igem Alkohol konservirt. Leukocytenmasse mit Einschlüssen von Karmin und Eisen sitzt der Peritonealeinsenkung in der Gegend des ventralen Borstenpaares aus der mittleren Körperregion auf. Querschnitt, gefärbt mit Boraxkarmin. Ver- srößerung 270 X. z, Leukoceytenmasse; Zc, Gruppe freischwimmender Leukocyten; D5l, But- gefäß; m, Muskulatur, Karmin roth, Eisen blau. Fig. 11. Lumbricus. Gezeichnet nach einem Präparat von Herrn Akad. A. Kowauevsky. Konservirt wurde das Exemplar nach einer Injektion von Ferrum oxydatum saccharatum in korros. Sublimat. Querschnitt durch eine Schlinge des mittleren Theiles des Nephridialrohres. Gefärbt mit Boraxkarmin. Vergrößerung 700 X. mt, mittlerer Theil des Nephridialrohres; 95, Gefäßblindsack; Eisen blau. Fig. 12. Lumbricus rubellus. 48 Stunden nach der Injektion von Karminpulver und Ferrum oxydatum saccharatum (letzteres in Lösung) in 96%/,igem Alkohol konservirt. Chloragogenzellen. Gefärbt mit Boraxkarmin. Vergrößerung 700 mal. Homogene Immersion. Eisenhaltiges Protoplasma blau. Fig. 13. Allolobophorafoetida. Einen Monat mit eisenhaltigem Fließ- papier gefüttert, darauf konservirt in 960/jigem Alkohol. Chloragogenzellen. Gefärbt mit Boraxkarmin. Vergrößerung 700%. Homogene Immersion. Die eisenhaltigen »braunen Körnchen« blau. Fig. 14. Dendrobaena rubida. Konservirt in Sublimat. Querschnitt durch eine der ventralen Längsfalten der Typhlosolis. Gefärbt mit Hämalaun. Vergrößerung 260 X. d, Darmepithel; dc, Blutlakune; ce, Chloragogenzellen; /c, Leukocyten. Fig. 15. Allolobophora eyanea. 48 Stunden nach der Tuscheinjektion konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Querschnitt durch einen Theil des Seg- mentalorgans eines Segmentes aus der mittleren Körperregion. Gefärbt mit DELAFIELD’schem Hämatoxylin. Vergrößerung 550 X. nt, Anfangstheil des Nephridialrohres; mi, phagocytärer, mittlerer Theil des Nephridialrohres; a, Ampulle oder Verbindungsstück des mittleren mit dem drüsigen Abschnitt des Nephridialrohres; 52, Biutgefäß; gb, Gefäßblindsack ; Tuschekörner schwarz. Fig. 16. Archienchytraeus nasutus. Vier Tage nach der Tusche- injektion konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Längsschnitt eines Segmen- talorgans aus der vorderen Körperregion. Gefärbt mit Safranin und Lichtgrün. Vergrößerung 230 X. i, Trichter; ‚f, Filter; ag, Theil des Ausführungsganges; ds, Dissepiment; Tuschekörnchen schwarz. Fig. 17. Archienchytraeus nasutus. Drei Stunden nach der Injek- tion von lebenden Spermatozoen aus Polycarpa rustica und Tusche in Seewasser 399 Guido Sehneider, Über phagocytäre Organe u. Chloragogenzellen etc. setödtet; konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Längsschnitt eines Segmental- organs aus der mittleren Körperregion. Gefärbt mit Safranin. Vergrößerung 230X. iv, f, ag und ds wie in Fig. 16; lc, amöboider Leukocyt; /c’, nicht phago- eytäre Leukocyten; Tusche schwarz, Spermatozoenstücke roth. Fig. 18. Euaxes filirostris. Von Herrn Akademiker A. KOWALEVSKY 24 Stunden nach der Injektion von Karminpulver konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Längsschnitt eines Segmentalorgans aus der mitteren Körperregion. Gefärbt mit Hämalaun. Vergrößerung 500 X. ds, i und f wie in Fig. 16; lc, Leukocyten; u, unbekannte Fremdkörper; Karminkörnchen roth. Fig. 19. Euaxes filirostris. Wie Fig. 18. ag wie in Fig. 16. Fig. 20. Euaxes filirostris. Von Herrn Akademiker A. KOWALEVSKY eine Stunde nach Injektion einer Reinkultur von Bacillus subtilis konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Schnitt durch ein Segmentalorgan aus der mittleren Körperregion. Gefärbt mit Boraxkarmin und Gentianaviolett nach GrAMm. Ver- gsrößerung 580 X. Homogene Immersion. ‚f, Filter; p, Peritonealzellen; Bacillus subtilis blau. Fig. 21. Dendrobaena rubida. 48 Stunden nach der Injektion von Karminpulver konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Querschnitt durch die dorsale Darmwand mit der Typhlosolis. Gefärbt mit Hämalaun. Vergröße- rung S0X. /, Lymphdrüsen; d, Darmepithel; c, Chloragogenzellen; Z, Typhlosolis; dg, Dorsalgefäß; 52, Blutgefäß; Karminkörnchen roth. Fig. 22. Dendrobaena rubida. Seitlich ventraler Theil desselben Sehnittes wie Fig. 21. Vergrößerung 30 X. d und £ wie in Fig. 21; so, Segmentalorgan; Karminkörnchen roth. Fig. 23. Allolobophora foetida. 24 Stunden nach der Injektion von Karminpulver mit Ferrum oxydatum saccharatum konservirt in I60%/yigem Alko- hol. Querschnitt durch eines der mittleren Körpersegmente, gefärbt mit Borax- karmin. Vergrößerung 30 X. dg, Dorsalgefäß; t, Typhlosolis; ‘, Darmepithel; ec, Chloragogenzellen; Ds, Bauchganglienkette; n, Segmentalorgan; x, wie in Fig. 10; Karminkörnchen roth, Eisen blau. Fig. 24. Perichaeta indica. 24 Stunden nach der Injektion frischen Blutes von Mus musculus konservirt in Sublimat mit Essigsäure. Querschnitt durch einen Theil der dorsalen Darmwand und eine Lymphdrüse. Gefärbt mit Hämalaun, Pikrin und Eosin. Vergrößerung 150X. dg, Dorsalgefäß; hf, Leibeshöhle des folgenden Segmentes; /, Lymphdrüse; c, Chloragogenzellen; d, Darmepithel; 2, Typhlosolis; Blutkörperchen von Mus musculus Toth. Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren, I. Die Organe der Lichtempfindung bei den Lumbriciden. Von Dr. Richard Hesse, Privatdocenten der Zoologie in Tübingen. (Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel XX und einer Figur im Text. Dass die Regenwürmer gegen Licht empfindlich sind, finde ich zuerst bei HOFFMEISTER (7) erwähnt; er stellt fest, dass sie durch eine noch so vorsichtig genäherte Flamme sofort veranlasst werden sich in ihre Höhle zurückzuziehen. DARWIN (2) erweiterte HoFF- MEISTER’S Beobachtungen, indem er verschieden starkes Licht zu seinen Versuchen benutzte, und die Einwirkung desselben auf die Würmer je nach ihren verschiedenen Beschäftigungen verschieden fand: sie werden viel weniger durch Licht gestört, wenn sie fressen und Blätter in ihre Höhlen ziehen, vor Allem aber während der Begattung. HOoFFMEISTER eben so wie DArwın geben an, dass das Vorderende der Sitz der Liehtempfindung sei, wo »die vom Schlund- ringe ausgehenden Nervenbündel« bezw. die Gehirnganglien liegen. HOFFMEISTER sagt: »Ein Wurm, der mit dem Kopfe in das Loch seines Nachbars gedrungen oder unter einem Stückchen Holz ver- steckt war, vertrug die allerstärkste Annäherung der Flamme, ver- schwand aber sogleich, sobald .er den Kopf erhoben hatte. « Später hat auch GRABER (3, 4) bei seinen Versuchen über den Helliskeitssinn der Thiere sich mit dem Regenwurm beschäftigt. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass das Thier lichtempfindlich sei, dass aber diese Lichtempfindlichkeit nicht auf das Vorderende beschränkt, sondern über den ganzen Körper ausgedehnt sei. 394 Richard Hesse, GRABER beobachtete die Würmer nicht in der freien Natur, an ihren Löchern, sondern er brachte sie unter künstliche Versuchsbedingungen. Auf dem Boden eines Kastens mit vorderer Glasscheibe, dessen eine Hälfte ver- dunkelt wurde, vertheilte er eine größere Anzahl von Versuchsthieren gleich- mäßig und untersuchte nach längeren Zwischenräumen, etwa einer Stunde, die Vertheilung derselben auf die verschieden beleuchteten Abtheilungen des Kastens; das Verhältnis der Besucherzahl auf der einen und anderen Hälfte gab dann einen Anhalt, ob die Würmer das Licht oder das Dunkel vorziehen, also für Licht empfindlich sind; so bekam er bei sieben Versuchen auf der dunkeln Seite 210, auf der hellen nur 40 Besucher. Indem er in gleicher Weise mit Würmern verfuhr, denen er die vordersten vier bis fünf Körperringe ab- geschnitten hatte, bekam er für dunkel 218, für hell 82 Besucher. Daraus schließt er mit Recht, dass die Lichtempfindlichkeit nicht auf das Kopfende beschränkt ist. Seine Folgerung dagegen, dass die ganze Haut des Regen- wurms lichtempfindlich ist, dürfte nicht aus den Versuchen mit Nothwendigkeit hervorgehen. Denn es könnte ja an irgend einem anderen Theile des Körpers die Lichtempfindung ihren Sitz haben. GRABER’s Folgerung hängt mit der Art seiner Vorstellung über das Zustandekommen der Lichtempfindung eng zu- sammen; wir werden später darauf zu sprechen kommen. Die Versuche können ferner nur über das Vorhandensein der Lichtempfindlichkeit Aufschluss geben zur Beurtheilung ihrer Stärke sind sie nicht geeignet. Später hat auch Yunc (22) festgestellt, dass sich die Empfind- lichkeit für Hell und Dunkel beim Regenwurm nicht auf das vordere Körperende beschränkt, sondern auch der ganzen übrigen Körper- oberfläche zukommt. Über den Weg, den er zu diesen Ermittelun- gen eingeschlagen hat, enthält seine kurze Mittheilung keine An- gaben. Um mir eine möglichst sichere Vorstellung über die Frage zu verschaffen, wie die Lichtempfindlichkeit über den Regenwurmkörper vertheilt sei, machte ich eigene Versuche. Dazu stellte ich mir folgende Vorrichtungen her (vgl. Abbildung): eine Glasröhre von 55 bis 60 cm Länge wurde mit einer Anzahl röhrenförmiger Blenden aus mattschwarzem Papier versehen, die 4—8 cm lang waren und so eng anlagen, dass sie sich eben noch mühelos hin- und herschie- ben ließen. So konnte ich in der Röhre durch Verrücken eines oder mehrerer Blenden an einer beliebigen Stelle und auf wechselnde Erstreckung Helligkeit oder Dunkelheit herstellen, und dadurch Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. 395 jeden Theil eines in der Röhre befindlichen Wurmes beleuchten oder beschatten. Soleher Röhren richtete ich mehrere her von ver- schiedener Lichtung je nach der Dieke der zur Untersuchung dienen- den Würmer. Damit bei den Versuchen die Wirkung von Erschütte- rungen ausgeschlossen bliebe, musste ich der Röhre eine möglichst feste Unterlage geben. Ich befestigte dazu auf einem länglichen Brett in der Entfernung von etwa !/,m von einander zwei hölzerne Stützen, über welche die Röhre gelegt werden konnte; die Stützen wurden oben mit einer tiefen Einkerbung versehen, in die die bei- den Enden der Röhre gelegt wurden; zwischen die Röhre und ihre Unterlage wurde stets eine Lage Baumwolle eingeschaltet derart, dass der Raum zwischen Röhre und Einkerbung dicht ausgefüllt war, und die Röhre wurde schließlich an jedem Ende an die Stützen festgebunden. Das Brett, das die Grundlage des Ganzen bildete, wurde durch Beschwerung mit Gewichten möglichst festgelegt. So konnte ich Verschiebungen der Papierringe vornehmen, ohne dass eine merkliche Erschütterung der Röhre eintrat. Ich stellte nun die Versuche in der Weise an, dass ich einen Regenwurm in eine solche Röhre brachte, die zuvor innen ange- feuchtet war; sie wurde jeweils etwas weiter ausgewählt als die Dieke des Wurmes betrug. Nachdem der Wurm zur Ruhe gekommen war, wobei er gewöhnlich unter dem Schutze der an einander ge- rückten Blenden lag, ließ ich durch Verschieben der letzteren Licht, und zwar gewöhnlich diffuses Tageslicht,- auf die verschiedenen Theile seines Körpers einwirken und beobachtete das Verhalten des Wurmes. Zu meinen Versuchen benutzte ich hauptsächlich Lumbrieus hereuleus; doch machte ich die Grundversuche auch mit Allolobo- phora arborea und rosea. Ich fand dabei Folgendes: Beleuchten des Vorderendes mit gewöhnlichem Tageslicht bewirkt ein fast augenblickliches Zurückziehen desselben in die Dunkelheit; nicht ganz so schnell wie das Vorderende, aber immerhin rasch, entzog sich das Hinterende dem Lichtreiz. Theile des Mittelkörpers blieben verschieden lange (2, 10, 15 Minuten) im Lichte liegen und wurden dann nur langsam fortgezogen. Es ließ sich desshalb nicht ent- scheiden, ob die schließliche Fortbewegung wirklich eine Folge der Belichtung war; auch waren die Versuchsbedingungen zu sehr verwickelte, weil ja das Thier durch Fortziehen einer Körperstelle stets eine andere dem Lichte hätte aussetzen müssen. Diesen Schwierigkeiten entging ich in der Weise, dass ich an einem Wurme 396 Richard Hesse. das hintere Viertel durch einen Schnitt abtrennte, und die gleichen Versuche wie vorher an den überlebenden und sich kräftig be- wegenden Theilstücken anstelle. Am vorderen Stücke fand ich beim Kopfende schnelle Beantwortung des Reizes wie gewöhnlich; drei Ringe des Schnittendes jedoch, die jetzt durch einfache Ein- ziehung aus dem Bereiche des Reizes hätten gebracht werden können, zeigten bis zu einer viertel Stunde keine Bewegung, son- dern blieben ruhig im Lichte liegen. Eben so zeigte am hinteren Stücke das Schwanzende deutlichste Reizbarkeit: es war binnen drei Sekunden stets der Licehtwirkung entzogen; das Schnittende aber zeigte für Liehtreiz keine merkbare Empfindlichkeit. Jedoch wäre es ja möglich, dass der durch den Schnitt hervor- gerufene Schmerz den Lichtreiz übertäubt und so die Reaktion ver- hindert hätte. Ich stellte daher folgenden Gegenversuch an: einem Wurme schnitt ich die Spitze der an Nerven und Sinnesorganen außerordentlich reichen Oberlippe ab; doch blieb die Lichtempfind- lichkeit des Kopfendes. Ich trennte darauf auch den Rest der Ober- lippe durch einen Schnitt vom Körper; auch jezt zeigte das Vorder- ende des Körpers immer noch deutliche Lichtempfindlichkeit, wenn auch die verminderte Schnelligkeit der Rückzugsbewegung auf einen geringeren Grad von Reizbarkeit zu deuten schien. Wenn der Wurm nun nach dem Zerschneiden bei Beleuchtung der Schnittenden keine Rückzugsbewegungen ausführte, so wäre es doch übereilt, daraus zu schließen, dass an diesen Theilen, durch welche der Schnitt ging, überhaupt keine Lichtempfindlichkeit vor- handen sei. Man kann daraus nur folgern, dass an dem Kopf- und Schwanzende, wo eine Rückzugsbewegung bald und deutlich eintrat, die Empfindlichkeit gegen Licht bedeutend größer sei als an den durchschnittenen Stellen. Ob nun auch den übrigen Körpertheilen Liehtwahrnehmung zu- komme, musste jetzt durch die Versuche geprüft werden. GRABER hat schon nachgewiesen, dass nicht das Vorderende allein Träger der Helligkeitsempfindung sei, indem er feststellte, dass Regen- würmer, denen das »cerebrale« Körperende abgeschnitten war, immer noch deutlich das Dunkel dem Hellen vorzogen (218 gegen 82 Besucher, Verhältnis 2,64). Da ich nun auch am Hinterende eine besondere Lichtempfindlichkeit nachgewiesen hatte, so musste ich auch dieses ausschalten. Ich machte daher folgenden Versuch: in einem zur Hälfte hellen, zur Hälfte dunkeln Kasten vertheilte ich gleichmäßig eine Anzahl Regenwürmer, denen ich sowohl die vier Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. 397 bis fünf vordersten, wie auch die zehn hintersten Ringe abgeschnitten hatte; indem ich von Stunde zu Stunde nachsah und dann jedes Mal die gleichmäßige Vertheilung von Neuem herstellte, erhielt ich ein Ergebnis, das deutlich auf eine Bevorzugung des Dunkel vor dem Hellen hinwies (107 gegen 31 Besucher, Verhältnis 3,45). Noch deutlicher zeigte sich die gleiche Wirkung, als ich 18 eben so zuge- richtete Würmer sämmtlich in die helle Abtheilung legte; nach ®/, Stun- den hatten sie sich alle bis auf einen in die dunkle Abtheilung zurückgezogen. Ich muss bemerken, dass ich dabei keine andere Beleuchtung als gewöhnliches Tageslicht anwandte; mein Versuchs- kasten stand 60 cm entfernt von einem nach Norden schauenden Fenster; direktes Sonnenlicht war durchaus ausgeschlossen, wurde auch nicht etwa von gegenüberliegenden hellen Häuserwänden zurückgeworfen. Es kam mir schließlich darauf an, den Unterschied in der Be- antwortung des Reizes bei unverletzten Würmern den kopf- und schwanzlosen gegenüber zu untersuchen. Ich beobachtete daher bei beiden die Zeit, bis zu welcher die Reaktion eintrat. Von 21 un- verletzten Würmern, welche in die helle Abtheilung des Versuchs- kastens eingesetzt wurden, waren nach acht Minuten 18 im Dunkeln, einer auf dem Wege dorthin, einer suchte tastend in der hellen Ab- theilung herum, einer schließlich hatte sich mit seinem Vorderende in ein Erdloch eingegraben. Bei Wiederholung des Versuches waren nach vier Minuten 13 Würmer im Dunkeln, die übrigen acht, die noch in der hellen Abtheilung waren, hatten sämmtlich ihre Vorder- enden in Erdlöcher gesteckt, oder unter den Leibern ihrer Nachbarn verborgen. Weitere Versuche gaben ähnliche Ergebnisse. — Anderer- seits wurden 16 Regenwürmer, deren Kopf und Schwanz abgeschnitten war, in die helle Abtheilung des Versuchskastens gelegt; nach acht Minuten waren zwei ganz, zwei halb im Dunkeln; nach 18 Minuten lagen sechs dort, nach 30 Minuten auch nur sechs und einer auf dem Wege aus dem Dunkeln ins Helle, mit der Vorderhälfte im Hellen; nach 40 Minuten lagen acht, nach 50 Minuten zehn, nach 1'/, Stunden zwölf und einer mit seiner Hinterhälfte im Dunkeln. — Der Unterschied in den Ergebnissen dieser zwei Versuchsreihen ist augenfällis, und er ist so groß, dass man nicht annehmen kann, die Verletzung allein habe die Verminderung der Reizbarkeit be- wirkt. Die operirten Würmer zeigten sich durchaus nicht stumpf, und durch vorheriges Eintauchen in Wasser war ihre Lebhaftigkeit noch gesteigert; dass einer derselben aus dem Dunkeln ins Helle 398 Richard Hesse, zurückkroch, weist ebenfalls auf geringere Helligkeitswahrnehmung. Ich ziehe aus den Versuchen den Schluss, dass die Regen- würmer am ganzen Körper Empfindlichkeit gegen Licht- eindrücke besitzen, dass diese aber am Hinter- und ganz besonders am Vorderende bedeutend gesteigert ist. Wie kommt nun die Lichtwahrnehmung bei diesen Würmern zu Stande? Man hat sich darüber schon vielfach Gedanken ge- macht, und häufig wird der Regenwurm angeführt als »augenloses« Thier, das dennoch Licht wahrnimmt. Darwın (2) sagt: >»Da diese Thiere keine Augen haben, so müssen wir annehmen, dass das Licht durch ihre Haut hindurch- tritt und in irgend einer Weise ihr Gehirnganglion reizt.« Einer ähnlichen Ansicht scheint HOoFFMEISTER (7) zu sein, da er betont, dass nur die zwei ersten Ringe, »an denen die vom Schlundganglion ausgehenden Nerven liegen«, Licht wahrnehmen können. GRABER (4) geht näher auf unsere Frage ein. Er erörtert drei Möglichkeiten, wie die »durch die Haut vermittelten« Lichtempfin- dungen bewirkt werden könnten: 1) das Licht wirkt als Wärme; 2) das Allgemeingefühl wird durch chemische Umsetzungen beein- flusst; 3) es handelt sich um eine »dermatoptische Wirkung«, wobei das Licht als solches, analog der Wärme, direkt zur Empfindung gelangt. Die Annahme einer Wärmewirkung konnte GRABER durch Versuche direkt als unhaltbar nachweisen; eine photochemische Wirkung, etwa durch Vermehrung der Kohlensäureabscheidung, sucht er unwahrscheinlich zu machen und entscheidet sich für die dritte der angegebenen Möglichkeiten; für diese unmittelbare Haut- empfindung spricht der Umstand, dass das Licht oft momentan wirkt, wobei die Einwirkungsdauer zu kurz ist, als dass chemische Zer- setzungen eintreten könnten. Auf die Schwächen der GRABER’schen Erklärungen mit Rücksicht auf die Lichtempfindlichkeit geblendeter Augenthiere einzugehen, ist hier nicht der Ort. Für die Regen- würmer krankt GrAgEr’s Theorie vor Allem an einem Fehler: er stellt die »augenlosen« Würmer ohne Weiteres auf die gleiche Stufe mit den geblendeten Augenthieren (bei seinen Versuchen Triton- larven), und ohne die Frage zu erörtern, ob dieselben nicht besondere Organe für die Lichtwahrnehmung hätten, setzt er vielmehr ohne Weiteres das Gegentheil voraus. Er führt aus: Da die Augen nur der Lichtpereeption besonders angepasste Theile der Haut sind, so muss die Haut, ehe es zur Ausbildung jener besonderen Einrichtungen Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. 399 kam, eine gewisse Empfindung für die in Rede stehenden Einflüsse besessen haben. Bei augenlosen Thieren, die dennoch Licht wahr- nehmen, ist nach seiner Vermuthung diese Reizbarkeit der Haut für Liehteindrücke erhalten geblieben; die Haut als solche ist hier die Trägerin der Liehtwahrnehmung, gleichsam ein — wenn auch nur schwach reizbares — großes Sinnesorgan. Diese Annahme GRABER’s ist nicht schwer zu widerlegen. Wenn sie zu Recht bestünde, müsste die Lichtwahrnehmung an allen Hautstellen gleich groß sein, und die Wirkung der Belichtung sich steigern mit der Zunahme der belichteten Fläche. GRABER hat selbst diesen Einwurf anerkannt und desshalb die Widerlegung der Ansichten HorrMEISTErR’'Ss und Darwm’s, welche die Lichtempfind- lichkeit auf das Vorderende beschränkt glaubten, als wichtige Stütze seiner Anschauung betrachtet. »Hätten die genannten Forscher wirklich Recht, — sagt er p. 215 — so dürfte man streng ge- nommen, nicht mehr von photosomatischen Reaktionen der augen- losen Thiere sprechen und wäre insbesondere auch nicht zu. er- warten, dass die Haut als solche bei den mit Augen versehenen Thieren irgend welche Lichtempfindlichkeit besitze. ternalrippen versieht. Die Gefäße der Vertebralrippen ent- stammen den Intercostalarterien, diejenigen des Beckens der Ar- teria iliaca. Il. Zur Physiologie der Athmung der Vögel. Obgleich es, wie aus der folgenden kurzen historischen Über- sicht zu ersehen ist, an Hypothesen und Theorien über die physio- logische Bedeutung der Luftsäcke nicht fehlt, so herrscht doch über diese Frage bis heute noch ziemliche Unklarheit. Die bisherigen Anschauungen sind mehr spekulativer Natur als experimentell begründet und dabei vielfach auf falschen anatomi- schen Voraussetzungen aufgebaut. Historische Übersicht. Als Entdecker der Luftsäcke ist CoITIER (1623) zu nennen. Derselbe wies erstmals auf die Unterschiede zwischen dem Respirationsapparat der Vögel und dem der Säugethiere hin, stellt die Verwachsung der Lungen mit der Brustwand fest — die übrigens schon ARISTOTELES bekannt war — und be- schrieb die beiden Zwerchfelle als fibröse Septen. Die Luftsäcke hält er für lufthaltige seröse Höhlen, deren Bedeutung er sich nicht erklären kann, weil er ihre Verbindung mit den Bronchien nicht erkennt. Die ersten Mittheilungen über die Athmungsvorgänge bei den Vögeln sind uns von HArvzry (1651 [24]) überkommen. Er sah, dass die Luftsäcke vermit- tels besonderer Öffnungen mit den Lungen kommunieiren, und dass sich die Luft frei in dieselben ergießt, vergleicht sodann die Luftsäcke mit dem Luft- 'eservoir der Schlangen und schreibt ihnen die Aufgabe zu, die Ventilation der Lungen zu unterstützen. Nach ihm beschäftigt sich PERRAUGT (1666 [46]) in - Weise mit den Respirationsorganen der Vögel und speciell mit ihrer Funktion. Er be- schreibt die thorakalen und abdominalen Luftsäcke, die beiden Zwerchfelle Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 455 und die sog. Lungenmuskeln bei einer Anzahl Strauße und Adler und stellt eine in ihren Grundzügen heute noch geltende Athmungstheorie auf, nach welcher zwischen den vorderen und hinteren Luftsäcken in den verschiedenen Phasen der Athmung ein Antagonismus bestände. Da ich im Laufe meiner Abhandlungen versuchen werde, diese Theorie als durchaus unzutreffend zu widerlegen, so will ich dieselbe in der Über- setzung hier wiedergeben. PERRAULT drückt sich aus: »Wenn der Brustkorb durch die Thätigkeit der Muskeln sich erweitert, tritt die Luft in die Lungen, und von diesen aus gleichzeitig in die Luftsäcke ein; man muss aber beachten, dass dies nur für diejenigen Säcke zutrifft, welche von dem Brustkorb umschlossen sind, denn es ist keine Kraft vorhan- den, welche eine Erweiterung der Luftsäcke des Bauches bewirken und so der Luft Gelegenheit geben könnte, in diese einzutreten. Dieselben sinken im Gegentheil in sich zusammen und treiben die Luft, welche sie enthalten, nach den Lungen hin. Wird dann durch Verkleinerung des Brustraumes die Luft aus den Brustluftsicken ausgetrieben, so entweicht ein Theil derselben durch den Kehlkopf nach außen, der andere Theil strömt in die Luftsäcke des Bauches und bringt diese in der gleichen Zeit zum Anschwellen, in der die Luftsäcke der Brust sich entleeren. Wenn hierauf durch abermalige Dilatation des Thorax dessen Luftsäcke sich wiederum füllen, erhalten sie nicht bloß Luft von außen durch den Kehl- kopf, sondern auch aus den Luftsäcken des Bauches, welche in derselben Zeit zusammengedrückt werden, in der sich die vorderen erweitern.« 1672 sprachen sodann M&ry (36) und PERRAULT die Ansicht aus, dass die Luftsäcke des Bauches die Verdauung beförderten, indem sie durch ilıre ab- wechselnde Erweiterung und Verengerung den Darminhalt besser durchmischten und dessen Weiterbeförderung unterstützten. Im Jahre 1689 wurde von den Mitgliedern der Akademie der Wissen- schaften die Athembewegungen eines lebenden Vogels beobachtet und durch Augenschein festgestellt, dass bei der Inspiration die Brust sich erweitert, das Sternum sich von der Wirbelsäule entfernt und die Rippen aus einander rücken, während der Bauch sich gleichzeitig einzieht, und dass umgekehrt bei der Exspiration das Brustbein sich der Wirbelsäule nähert, die Rippen wieder zusammenrücken und der Bauch sich wieder emporhebv. Bei der hierauf vorgenommenen Eröffnung der Bauchhöhle nahm man wahr, dass bei der Ausathmung die Bauchsäcke sich mit Luft füllten und die Zwerchfelle sich von den Rippen entfernten. Hiermit sollte der Beweis für die Richtigkeit der PERRAULT’schen Theorie erbracht sein. Im Februar 1771 machte PFTER CAMPER (56) zufällig die damals in der wissenschaftlichen Welt außerordentliches Aufsehen erregende Entdeckung, dass die Knochen der Vögel hohl sind und diese Knochenhöhlen mit den Luft- säcken und den Lungen kommunieiren. Die gleiche Entdeckung machte, ohne von derjenigen GAMPpEr’s Kenntnis zu haben, drei Jahre später HuNTEr (56). Und nun entstand zwischen Beiden ein lebhafter Streit über die Bedeutung der Knochenpneumatieität. CAMPER war der Meinung, dieselbe bezwecke einzig und allein eine Verminderung des specifischen Gewichtes, wogegen HUNTER die Ansicht vertrat, die Hohlräume der Knochen dienten dem Vogel als Luftreservoire während des Fluggeschäftes. HUNTER bewies auch durch Experimente, dass ein Vogel nach vollstän- 456 Max Baer, digem Verschluss der Luftröhre die Athmung durch eine im Oberarm ange- brachte Öffnung unterhalten kann. Die Ansicht Hunter’s, dass die Luft in den Luftsäcken und Knochen- höhlen eine chemische Veränderung in ihrer Zusammensetzung nicht erfahre, wurde später von RICHARD OWEN, der Hunrer’s Schriften mit Anmerkungen versah, bestritten. Owen sucht eine Hauptfunktion dieser Räume in einer förmlichen Respiration, ohne sich darüber auszusprechen, wie diese zu Stande kommen solle, ob durch direkte Einwirkung der Athemluft auf die Gewebe oder durch Vermittelung des Blutes. MiCHAEL GIRARDI veröffentlichte im Jahre 1784 eine ziemlich genaue Arbeit über die Athemwerkzeuge der Vögel. Er beschreibt den unteren Kehl- kopf und dessen Muskeln, die Lungen und Zwerchfelle, sowie die Luftsäcke, einzeln, nach Lage, Gestalt etc. Auch er macht am lebenden Vogel die Beob- achtung, dass bei der Inspiration die Luftsäcke der Brust sich erweitern, während sich die des Bauches zusammenziehen, und dass bei der Exspiration die ersteren sich zusammenziehen, während sich die letzteren erweitern. Die Nützlichkeit der Luftsäcke besteht nach ihm in der Verminderung des Körper- gewichtes und der Verstärkung der Stimme. Im Jahre 1802 theilt ALgBErs (1) die Ergebnisse seiner Untersuchungen über das Athmen der Vögel durch amputirte Röhrenknochen bei unterbundener Luftröhre mit, welche zunächst die Befunde Hunrer’s bestätigen. Ein Hahn, mit dem dieses Experiment ausgeführt wurde, lebte noch sieben Stunden. Außer- dem brachte ALBERS nach künstlichem Verschluss der Trachea mit der Luft- höhle des Oberarms eine mit Kohlensäure gefüllte Blase in Verbindung und will hierbei einen Hahn fünf, eine Ente sieben Minuten lang am Leben erhalten haben. Brachte er statt der Kohlensäure Stickstoff zur Anwendung, so trat der Tod schon nach drei Minuten ein. Nachdem eine Krähe, mit der ich den gleichen Versuch an- stellte, wobei aber an Stelle der Kohlensäure dekarbonisirte Luft angewendet wurde, schon nach 3'/, Minuten erstickte, glaube ich allen Grund zu haben, gleich hier meinen Zweifel an der Zuver- lässigkeit dieses Versuches ALBERS’ Ausdruck zu geben. Abgesehen davon, dass dessen Ergebnis allen physiologischen Grundsätzen widersprieht, ist es auch mit dem Ergebnis, zu dem ALBERS mit Stickstoff gelangte, gar nieht in Einklang zu bringen, besonders wenn in Betracht gezogen wird, dass die Gase unter erhöhtem Druck auf das Blut einwirkten. Brachte ALBERS mit dem geöffneten Humerus einen mit Sauerstoff ge- füllten Ballon in Verbindung, so war das Versuchsthier eine Stunde lang sehr lebhaft, starb aber nach drei Minuten, wenn er den Sauerstoff durch Kohlen- säure ersetzte. In einer Inaugural-Dissertation über die Athmungsorgane der Vögel giebt Fun (1816 [21]) unter Anderem eine gute Beschreibung der Pleura und be- trachtet die Zwerchfelle als Theile dieser Membran. Aus den anatomischen Einrichtungen schließt FuLp, dass sich Thorax und Abdomen synchron erwei- tern und verengern, so dass die Luft in die Lungen und alle Luftsäcke gleich- zeitig ein- und ausströmt. Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 457 Eine 1825 von Couas (13) verfasste Arbeit behandelt hauptsächlich die Struktur der Vogellunge. Verfasser weist die Kommunikation zwischen be- nachbarten Lungenpfeifen und Alveolen nach und vergleicht den Respirations- apparat der Vögel mit einer Röhre, die an einem Ende offen ist, mit dem anderen Ende in eine Blase führt und in deren Lumen eine schwammige Masse eingefügt ist, welch letztere von der Luft bei der Inspiration und Exspiration passirt wird. Dieser treffende Vergleich wurde später auch von Cuvizr (15), PAUL BERT (6), CAmPpAna (11) und Anderen, wenn auch in etwas abgeänderter Form, ange- wendet. Nach JACcQuEMmIN (1836—1842 [27]), dessen Arbeiten, besonders aber die- jenige über die Pneumatieität des Skelettes durch zahlreiche Irrthümer auf- fallen, indem er z. B. erklärt, sämmtliche Knochen der guten Flieger seien pneumatisch, — findet die Oxydation des Blutes nicht bloß in den Lungen, sondern auch in den Luftsäcken statt; die Luft wirkt in der Peripherie durch die Membran der Luftsäcke und die Wände der Arterien, Venen, Kapillaren und Lymphgefäße hindurchdiffundirend auf das Blut ein. Diesen Vorgang nennt JACQUEMIN Tracheenathmung. Der weitere Nutzen der Luftsäcke besteht nach JACQUEMIN in einer Vermehrung der Körperoberfliche, einer Verminde- rung des specifischen Gewichtes durch Erwärmung der in den Luftsäcken ent- haltenen Luft und Austrocknung des Knochenmarks und der Körperflüssigkeiten, sowie in einer Steigerung der Körperelastieität. Die Lehre, wonach in den Luftsäcken eine (extrapulmonale) Blutregene- ration vermittelt würde, hat nur wenige Anhänger gefunden und ist in neuerer Zeit vollständig verlassen worden, und doch sind gerade mit von den besten Männern unserer Wissenschaft, wie CUVIER. OWEN (44), MECKEL (34), MiLNE EDWARDS (37) u. A. für dieselbe eingetreten. Cuvier (15) kennzeichnet die Vögel kurz als »Wirbelthiere mit doppelter Respiration« und betrachtet die Luftsäcke als sekundäre Lungen. Er unter- scheidet zwischen leeren Säcken, welche bloß Luft enthalten (cellules vides) und Eingeweidesäcken, welche Herz, Leber, Magen und Gedärme umhiillen (cellules pleines). Den ersteren obliegt die Ventilation des eigentlichen Lungen- parenchyms, die letzteren dienen dazu, die Luft nach allen Theilen des Kör- pers hinzuleiten, »um sie zum zweiten Male in mehr oder weniger innige Be- rührung mit dem Ernährungsfluidum zu bringen«e. Die Oxydation des Blutes vollzieht sich somit einmal in den Kapillaren der Lungen, dann aber zum zweiten Male in den Kapillaren des Körperkreislaufs (respiration double). Diese zweite Athmung steigert in hohem Grade diejenigen Eigenschaften, welche das Blut bei der ersten Athmung, der Lungenathmung, annimmt. Die Membran der Luftsäcke selbst ist (nach CuVvIEr) arm an Kapillaren. In seinen Vorlesungen über die Mechanik der Athmung vergleicht CUvIER den Vogelthorax mit einem Blasbalg, den Antagonismus zwischen vorderen und hinteren Säcken erwähnt er nicht. | Die Ansicht Cuvıer’s, dass die Eingeweide im Inneren der Luftsäcke ge- legen seien, wurde 1825 von CoLas (13) widerlegt. Nach MıLNE EDWARDS (37) unterliegt das Blut bei den Vögeln der Ein- wirkung der Respirationsluft nicht bloß in den Lungen, wie bei Reptilien und Säugern, sondern auch an einer Menge anderer Stellen. Unabhängig von der Lungenathmung geht hier eine ziemlich ausgedehnte »Körperathmung« (respi- ration profonde) vor sich. Hierzu bemerkt aber MıLnE EDWARDS, dass sich 458 Max Baer, CuVvIER eine etwas übertriebene Vorstellung von der Wichtigkeit dieser zweiten Athmung gemacht habe, wenn er annehme, dass sich die Luft in alle Theile des Körpers verbreite. Dies sei thatsächlich nicht der Fall; allein nichts- destoweniger sei eine Definition, wie sie CuvıEr von der Klasse der Vögel gebe, indem er sie »Wirbelthiere mit doppelter Cirkulation und Respiration« nennt, durchaus zutreffend. MEckEL (34) sieht einen Hauptunterschied zwischen den Respirations- organen der Vögel und denjenigen der meisten anderen Thiere in der unmittel- baren Kommunikation, in welche durch sie die Luft mit den übrigen Organen gebracht wird. Durch diese Einrichtung zeigen die Vögel eine große Ähnlich- keit mit den Insekten. Auf diese Analogie weist auch PAGENSTECHER (45) hin. Ihm erscheint es unzweifelhaft, dass durch die Vermittelung der Luftsäcke Kohlensäure und Wasserdampf aus den peripheren Theilen abgeführt und denselben Sauerstoff zugeführt werden könne, und zwar in direktem Gasverkehr, in einer Weise, bei welcher das Blut sich mit ihnen nicht zu belasten, das Herz sich um ihret- willen nicht anzustrengen brauche. Nach MAcnus (31) haben die Luftsäcke nicht nur den Zweck, durch Auf- nahme von Luft den Vogelkörper zum Flug zu befähigen, sondern sie über- nehmen auch einen Theil der Lungenarbeit; es geht in ihnen ein sehr lebhafter Gasaustausch zwischen den Blutgasen und der atmosphärischen Luft vor sich. Es sei somit, meint MAGnus, der eigentliche Hauptzweck der Lungen, die mit ihnen in Kommunikation stehenden Luftsäcke zu füllen, während ihre respira- torische Funktion mehr in den Hintergrund trete (!). Im Gegensatz zu den Ansichten CUvIER’s, OwEN’s, MILNE EDWARDS’ und der übrigen, nach diesen eitirten Autoren, hat man nun — wie schon früher angedeutet — den Luftsäcken in Anbetracht ihrer Armuth an Blutgefäßen jede direkte Bedeutung für die Bluterfrischung vollkommen abgesprochen und nimmt an, dass der eigentliche Gasaustausch zwischen dem Blute und der Respira- tionsluft einzig und allein in dem Lungenparenchym stattfinde, während den Luftsäcken die Aufgabe zufalle, die Ventilation des respirirenden Parenchyms zu besorgen. Zugleich wurde auch die von PERRAULT aufgestellte Theorie bezüglich des Antagonismus wieder aufgenommen und erweitert. Die Anregung zu diesem Umschwung gab eine im Jahre 1847 veröffent- lichte Arbeit PH. C. Sappey’s, Recherches sur l’appareil respiratoire des oiseaux. Nach einer eben so gründlichen, wie übersichtlichen anatomischen Beschreibung der Lungen, Luftsäcke und Zwerchfelle, bei der auch zum ersten Male eine einfache und sachgemäße Nomenklatur zur Anwendung kommt, und dadurch einem in der älteren Litteratur sich recht unangenehm fühlbar machenden Mangel abgeholfen wird, geht der Verfasser auf die physiologische Bedeutung dieser Organe näher ein. Er sucht zunächst die Ansicht zu widerlegen, dass die Luftsäcke der Hämatose dienen könnten und beschäftigt sich dann ein- gehend mit dem Mechanismus der Athmung, insbesondere aber mit dem Anta- gonismus zwischen den verschiedenen Luftsackgruppen, den er weiter ausbaut. Seine Untersuchungen erstrecken sich ausschließlich auf die Hausente. Dabei begeht Sarpey den schon von STRASSER und RocHE gerügten Fehler, dass er aus physiologischen Beobachtungen, die er an der Hausente macht, Schlüsse zieht auf die Athmung der Vögel überhaupt und selbst auf die Athmung während des Flugs, sowie auf den Einfluss, den die Luftsäcke auf den Vogel- gesang ausüben. Gerade in seinen physiologischen Erörterungen lässt SAPPEY Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 459 die verschiedene Lebensweise der einzelnen Ordnungen und die daraus ent- springenden anatomischen Unterschiede völlig unberücksichtigt; was für den Strauß und Kasuar gilt, das hat eben so für den Adler Geltung vgl. 50, p. #, ein Irrthum, in den SArpeEY nicht hätte verfallen können, wenn er nur einmal den Thorax eines Straußes mit dem eines Adlers verglichen hätte. Ganz den gleichen Fehler begeht später Campana (11), dem das Huhn bei seinen anatomischen und physiologischen Untersuchungen als Repräsentant für die ganze Klasse der Vögel dienen muss. Durch diese Aussetzungen kann aber das Verdienst SarpeEv’s, dieses Thema zum ersten Male einer sorgfältigen, systematischen Bearbeitung unterzogen zu haben, nicht geschmälert werden. Seine sonst mustergültige Arbeit ist für die Folge grundlegend geworden; die von ihm aufgestellten Grundsätze sind fast in alle größeren Werke über vergleichende Anatomie und Physiologie (PAuL BERT, CoLın, zum Theil auch MıLne EDWARDS etc.) übergegangen und maß- gebend geblieben bis heute. Ich werde aus den eben besagten Gründen im Laufe meiner Abhandlung immer wieder zurückgreifen müssen auf die SAPprY- schen Untersuchungen, wesshalb ich es unterlasse, hier näher auf dieselben einzugehen. Eine 1875 erschienene Arbeit Camrana’s (11) behandelt die Physiologie der Athmung der Vögel. Dieselbe war mir leider nicht zugänglich, bietet aber. so viel ich aus den verschiedensten Notizen ersehe. wenig Neues. ROCHE sagt darüber: »Ce m&moire de CampanaA ne laisse cependant pas de presenter une grande obseurite d’exposition.Ein zweiter Gewinn an Muskel- kraft wird ferner erzielt durch eine Verschiebung der Muskeleinheiten nach der Seite der günstigeren Wirkung hin<, wie dies am besten in der Schulter- gegend nachzuweisen sei, wo sich zwischen das Gelenk und die Brustmuskula- tur eine Luftsackfortsetzung eingeschoben hat. Der Nutzen der Knochenpneu- matieität besteht nach STRASSER in der Verminderung des absoluten Gewichts und speciell der Eigenschwere des Flügels, sowie in einer Ersparnis an Material. Hierbei macht er aber darauf aufmerksam, dass die Pneumatieität kein unbe- dingtes Erfordernis für die Flugbewegung sei, indem kleine, ausgezeichnete Flieger, wie Sterna und die Möven, nur wenige lufthohle Knochen hätten. z Auf die physiologischen Betrachtungen, die RocHE (49) im Anschluss an 460 Max Baer, seine, früher wiederholt erwähnten anatomischen Untersuchungen anstellt, werde ich später zurückkommen. Endlich sind über die Funktion der Luftsäcke die absonderlichsten Meinungen geäußert worden. So vergleicht, um einige Beispiele anzuführen, BrAsse den Vogelkörper geradezu mit einem Luftballon, während nach Lucas FreEp die Luftsäcke an Hals und Brust den tauchenden Vögeln als Puffer dienen. 1. Mechanik der Athmung. Die Ventilation des Respirationsapparates geschieht bei den Vögeln eben so wie bei den Säugethieren durch periodisch wieder- kehrende Erweiterung und Verengerung des Brustkorbes. a. Anatomische Einrichtung des Brustkorbes. Der Thorax der Vögel ist im Allgemeinen in allen Dimensionen mächtig entwickelt; er umfasst nicht nur die eigentliche Brusthöhle, sondern auch den weitaus größten Theil des Bauchraumes; die letzten falschen Rippen verwachsen mit der Ventralfläche des Hüft- beins, ja erreichen in einzelnen Fällen das Niveau des hinteren Schambeinendes, während das caudale Ende des breiten, schild- förmigen Brustbeins das Niveau des Hüftgelenkes häufig überragt. Die echten Rippen setzen sich aus zwei ungleich großen, voll- ständig knöchernen Theilstücken zusammen; dieselben sind durch ein Kapselband unter einem etwa rechten Winkel gelenkig mit einander verbunden, dessen Öffnung nach vorn gerichtet ist. Die dorsalen Stücke heißen Vertebhral- oder Spinalrippen. Sie sind ziemlich breit und tragen in der Mitte oder dem unteren Drittel ihres Hinterrandes je einen schief nach hinten und oben gerichteten und sich dachziegelartig über die nächstfolgende Rippe hinweg- lagernden Knochenfortsatz, die sog. Processus uneinati. Jede Spinal- rippe artikulirt mittels zweier Gelenkfortsätze, dem Capitulum und Tubereulum, mit dem Körper und dem Querfortsatze eines Wirbels. Die ventralen Theilstücke oder Sternalrippen sind stabförmig und viel kürzer als die vorigen; ihr distales, verdiektes Ende trägt zwei Gelenkhöckerchen, mittels derer sie je mit zwei auf den Seiten- rändern des Sternums angebrachten Gelenkgrübcehen in reinen Wechselgelenken verbunden sind. Die falschen Rippen bestehen entweder in kurzen Dorsalstücken ohne Processus uneinati oder in bloßen Sternalstücken, welche sich an diejenigen der nächst vorderen echten Rippen anlegen. Ihre Zahl ist nur gering. Am Vorderrande des Sternums befindet sich jederseits eine Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 461 ziemlich tiefe, etwas schief nach außen abfallende Rinne, in die das distale Ende des Coracoids keilförmig eingelassen ist. Durch die Verbindung beider entsteht ein wenig bewegliches Charniergelenk. Das Coracoid artikulirt andererseits mit der gut fixirten Scapula und dem vielbewegten Humerus. Die letzterwähnten Stücke gehören selbstverständlich nicht zum Thorax, müssen aber mit erwähnt werden, weil das Coracoid und die damit verbundene Clavieula an den Athembewegungen sich be- theiligen. Was nun die Beweglichkeit der Brustwände betrifft, so gehen die Ansichten hierüber sehr aus einander: Einzelne halten dieselben für geradezu unbeweglich; die Meisten, darunter SıBson (53) und PAGENSTECHER (45), halten ausschließlich ein Senken und Heben des Brustbeins, also eine Volumveränderung in der Richtung des dorsoventralen Durchmessers, Andere, wie Ma6Gnus, SAPpEY und CAMmPANA, ein Heben und Senken der Rippen, also eine solche in der Richtung des Transversaldurchmessers für möglich, während endlich nach CuviEr, MıiLnE EDWARDS, PAUL BERT und Anderen sowohl das Sternum als die Rippen einer Verschiebung fähig sind. Diese auffälligen Meinungsverschiedenheiten machten eine ge- naue Untersuchung des Brustkorbes nothwendig. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, sind die beiden Komponenten einer Rippe unter sich und die Rippen als Ganzes mit der Wirbelsäule und dem Sternum beweglich verbunden; das Ster- num gelenkt wiederum mit dem ebenfalls verschiebbaren Coracoid. Wirken nun die inspiratorischen Muskeln auf die beiden Rippen- stücke ein, so müssen die letzteren nach vorn gezogen und der von ihnen hergestellte Winkel geöffnet werden, wodurch das Brust- bein gesenkt und gleichzeitig nasalwärts bewegt werden muss. Dabei muss aber auch, und das hat man bisher vollkommen über- sehen, das Coracoid eine Pendelbewegung nasalwärts ausführen, um eine Achse, die quer durch dessen Verbindung.mit der Scapula hin- durchginge. Die anatomischen Einrichtungen ermöglichen somit eine Ver- srößerung des Brustkorbes in dorsoventraler Richtung (Senken des Brustbeins). Allein die Gelenke, in denen die Spinalrippen mit der Wirbel- säule und den Sternalrippen verbunden sind, gestatten noch eine zweite Bewegung, nämlich eine Drehung von hinten und innen A469, 0 Se Mae hBaer, (caudo-medial) nach außen und vorn (naso-lateral) um eine vertikale Achse, die dorsal durch den Rippenhals, ventral — wenn man eine federnde Bewegung des Sternalrippenstückes unberücksichtigt lässt — durch das Vertebral-Sternalrippengelenk hindurchziehen würde. Diese Lageveränderung, die ich »Heben der Rippe<« nennen will, führt zu einer Vergrößerung des Brustraums in transversaler Richtung. Während nun vermöge ihrer anatomischen Einrichtungen an einer Vergrößerung des vertikalen Brustdurchmessers (Senken des Brust- beins) sämmtliche Thoraxsegmente sich betheiligen können, wäre es falsch, das Gleiche auch für die Vergrößerung in der Richtung des transversalen Durchmessers (Heben der Rippen) behaupten zu wollen. Die Beweglichkeit der Einzelrippen in diesem Sinne ist abhängig weniger von der Entfernung des Rippenköpfehens vom Rippenhöcker (wie bei den Säugethieren) als vielmehr von der Neigung des dor- salen Endstückes der Rippe zur Wirbelsäule, d. h. dem Winkel, den eine durch Höcker und Köpfchen gelegte gemeinsame Achse mit der Medianebene des betreffenden Wirbels bildet. Sobald dieser Winkel einen Rechten beträgt, also Capitulum und Tubereulum in eine Frontalebene zu liegen kommen, ist jede Hebe- bewegung der Rippe unmöglich, je spitzer derselbe aber wird (der Scheitel nach vorn) desto ausgiebiger kann diese Bewegung ausge- führt werden. Prüft man nun das Thoraxskelett auf diese Einrich- tungen, so ergeben sich einmal für die verschiedenen Rippenpaare eines Vogels, dann aber für die analogen Rippenpaare der ver- schiedenen Arten der Vogelreihe bedeutende Unterschiede Nimmt man das Skelett eines guten Fliegers, wie eines Tagraubvogels oder einer Taube, so wird man finden, dass fraglicher Winkel in der vorderen und mittleren Thoraxregion so ziemlich einen Rechten be- trägt, dass er aber im Bereich der zwei bis drei letzten Rippen all- mählich abnimmt. Vergleicht man damit das Skelett eines schlechten Fliegers, z. B. eines Haushuhns, so macht sich die Abnahme dieses Winkels viel weiter vorn, d. h. schon im Bereich der vorderen Region, geltend, während endlich bei den Ratiten sämmtliche Rippen unter spitzem Winkel eingepflanzt sind. | In annähernd dem gleichen Maße wie diese Schiefstellung der Rippen zunimmt, vergrößern sich die von den Spinal- und Sternal- rippen gebildeten Winkel, wodurch natürlich auch das Sternum, dessen Innenfläche bei guten Fliegern fast horizontal (parallel mit der Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 463 Wirbelsäule) gelegen ist, eine bleibende Verschiebung nach vorn und unten erfährt; hierbei verliert es gewöhnlieh zugleich auch an Länge und Breite, während die Bauchdecken an Flächenausdehnung zu- nehmen. Bei den Ratiten sind die letzterwähnten Winkel vollkommen gestreckt, die Sternalrippen bilden die direkte Verlängerung der Spinalrippen (Gelenke bestehen zwischen beiden nicht mehr) und das verhältnismäßig kleine Sternum ist von der Ventralfläche des Brustkorbes nach dessen Vorderfläche gerückt, es hat sich vollkom- men senkrecht zur Wirbelsäule gestellt. Hier ist eine Vergrößerung des Brustraumes in longitudinaler Riehtung nicht mehr möglich, weil eine Streckung des von beiden Rippenstücken gebildeten Winkels nicht mehr erfolgen kann. Bei den Ratiten ist dann auch das Zwerehfell so ausgesprochen muskulös, dass es ganz wohl als respiratorischer Muskel in Betracht kommen kann und muss. | Somit wäre die Beweglichkeit der Rippen in der Richtung des transversalen Brustdurchmessers verschieden, einmal in. den ver- schiedenen Thoraxregionen einer und derselben Art, dann aber ganz besonders bei den verschiedenen Arten je nach ihrer Flugtüchtigkeit. Sie ist allgemein bei Arten, die gar nicht oder nur wenig fliegen, dagegen bei guten Fliegern auf die zwei bis drei letzten Rippen- _ paare beschränkt. Die minimale Beweglichkeit der Rippen in transversaler Richtung bietet bei den guten Fliegern der für die lokomotorische Bewegung fast ausschließlich in Betracht kommenden vorderen Extremität eine sichere, feste Basis. Inspiratorische Muskeln sind: Für die Spinalrippen die Scaleni, die Levatores costarum und die Intercostales externi; für die Sternalrippen die Museuli sterno-costales und die Intercostales der Sternalrippen. Die Drehbewegung der Rippen, wird außer durch die Levatores costarum wahrscheinlich auch durch den Serratus superficialis hervorgerufen. | Exspiratorische Muskeln sind der Obliquus externus, Reetus und Transversalis abdominis, sowie die Intercostales interni. Die Betheiligung der Bauchmuskeln an der Athmung wurde vielfach bezweifelt. Von anderer Seite wurden dieselben sogar für inspiratorische Muskeln gehalten. Man sah nämlich, dass die Bauch- decken bei der Inspiration eingezogen werden und glaubte dieses Einsenken auf eine Kontraktion der Bauchmuskeln zurückführen 464 Max Baer, zu müssen, durch welche die Luft aus den abdominalen Luftsäcken in die Lungen getrieben werde. Wie irrig diese Ansicht ist, werde ich später beweisen. Der Obliquus externus hebt, indem er die Spinalrippen caudal- wärts zieht und so den Winkel zwischen Spinal- und Sternalrippen verkleinert, das Sternum gegen die Wirbelsäule, vermindert somit den Brustraum und durch seine Kontraktion auch den Bauchraum. Der Rectus zieht Sternum und die Sternalrippen caudo-dorsal- wärts und der Transversus dorsalwärts. An der Mitwirkung der Bauchmuskeln bei der Exspiration ist somit nicht zu zweifeln, sie ist auch bei dem bedeutenden Gewicht der zu hebenden Theile, des Sternums und der Pektoralmuskeln, durchaus nothwendig. Die Pektoralmuskeln selbst betheiligen sich an der Athmung nicht. b. Physiologische Untersuchungen. Als Versuchsthiere dienten gewöhnlich Tauben und Krähen: dieselben wurden, sofern es der Versuch gestattete, mit dem Rücken nach unten an Flügeln und Beinen auf ein Brett befestigt und wenn nöthig tief narkotisirt. Zu den graphischen Darstellungen wurde das ALBRECHT'sche Kymographion verwendet. Zur Abnahme der Athembewegungen der Rumpfwände diente die Marzrrv’sche Aufnahmetrommel, deren ca. 6 cm langer Fühlhebel Fig. I (Kurve 1). auf die zu untersuchenden Stellen immer möglichst gleich fest und dabei so aufgesetzt wurde, dass er senkrecht auf die Membran der Trommel einwirken musste. Kurve 1 bringt die Bewegungen der Athemluft in der Luftröhre zur Anschauung. In die Trachea einer Taube wird im oberen Dritt- Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 465 theil des Halses ein genügend großer Längsschnitt eingeschnitten, eine passende Trachealkanüle eingebunden und diese mittels Kaut- schukröhren unter Einschaltung einer großen Flasche mit dem Re- sistrirapparat verbunden. Der aufsteigende Schenkel der Kurve entspricht somit der Exspiration, der absteigende der Inspiration. Die Zeitdauer der letzteren ist etwas länger als die der ersteren (Verhältnis etwa 12:13). Der Ausathmung schließt sich die Ein- athmung unmittelbar an. Dagegen scheint zwischen der Einathmung und der folgenden Ausathmung eine kleine Pause zu bestehen. Doch stimmen im letzten Punkte die Ergebnisse nicht immer mit einander überein. Sekundäre Druckschwankungen machen sich während keiner der beiden Athemphasen bemerkbar. Kurve 2: Um jede Beeinflussung der Athmung durch die Tra- chealkanüle zu vermeiden, wurde die Verbindung mit der als Luft- reservoir dienenden Flasche durch eine weite Glasröhre hergestellt, in deren eines, trichterförmig erweitertes und mit Kautschuk ge- füttertes Ende der Schnabel des Vogels bis über die Nasenlöcher Fig. II (Kurve 2). eingeführt wurde. Bedeutende Unterschiede machen sich zwischen dieser und der vorigen Kurve nicht geltend, nur dass die Athmung weniger tief ausgeführt wurde, wodurch die einzelnen Phasen der Athmung weniger deutlich zum Ausdruck kommen. Die Kurven 3 bis 39 geben die respiratorischen Bewegungen der verschiedenen Theile der Rumpfwand wieder und zwar: Kurve 3: Der besonders ver- längerte Stab der mit der Registrireinrichtung verbundenen Auf- nahmetrommel wird von vorn und oben senkrecht zur Bewegungs- richtung auf den vordersten Theil der Crista sterni aufgesetzt. Kurve 3a. Eben so auf die Mitte des Sternums aufgesetzt unter einem Winkel von etwa 80°. Fig. III (Kurve 3). 466 Max Baer, Kurve 35. Eben so auf das caudale Ende der Crista aufgesetzt unter einem Winkel von ca. 80°. AA EL ER en 0 BEE EI 5 ee > arar Fig. III a—g (Kurve 3 a9). Die Evolutionsweiten der Kurven 3, 3a und 35 verhalten sich wie 142977 Kurve 3c. Der Stab der Aufnahmetrommel sitzt auf der Mitte Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 467 des Bauches unter einem Winkel von nicht ganz einem Rechten. In dieser Kurve entspricht der aufsteigende Schenkel der Aus- athmung, in allen anderen der Einathmung. Kurve 3d. Der Stab der Aufnahmetrommel ist in horizontaler Richtung auf die letzte Sternalrippe etwas unterhalb ihrer Krümmung aufgesetzt. | Kurve 3e. Der Stab sitzt in der gleichen Höhe im vorletzen Zwischenrippenraum, berührt aber die beiden Rippen. Die Höhen der Kurven 3d und 3e verhalten sich wie 2:5. Im Bereich der übrigen echten Rippen ist eine Bewegung in transversaler Richtung nicht nachzuweisen. Kurve 3/f. Der Stab der Aufnahmetrommel ist senkrecht auf die Mitte des Vorderrandes der Olavicula und Kurve 3g eben so nahe dem Sternum aufgesetzt. Zur Feststellung der Richtung, in welcher sich das Sternum bewegt, wird je eine feine Insektennadel in das nasale und cau- dale Ende sowie in die Mitte der Crista sterni senkrecht einge- stochen. Mit dem Kopfe einer jeden Nadel ist ein kurzes Stück- chen Pferdeschweifhaar unter rechtem Winkel so verbunden, dass es die Verschiebungen der betreffenden Punkte auf eine parallel _ mit der Medianlinie des Versuchs- thieres aufgestellte, berußte Glas- platte einritzt. Die so erhaltenen Linien giebt beistehende Figur in genauer Kopie wieder. | Man ersieht daraus, dass bei der Einathmung der vorderste Theil Fig. IV des Brustbeins fast ausschließlich 6 Stärmums nasalwärts gleitet, die Mitte des- | selben sich nasal- und gleichzeitig ventralwärts bewegt, und dass dessen caudales Ende neben einer NRMWAEBeWSELE die: stärkste Verschiebung ventralwärts erfährt. Die Ergebnisse meiner anatomischen und phy el her Unter- suchungen über die Athembewegungen der Rumpfwände der Vögel lassen sich nunmehr in folgenden Sätzen zusammenfassen: Die inspiratorische Vergrößerung des RBREGEbRR er- folgt in zwei Richtungen: ET: 1) in der Richtung des dorsoventralen In 2) in der Richtung des transversalen Durchmessers. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 31 468 Max Baer, Die Volumzunahme der Brusthöhle in dorsoventraler Riehtung ist die ausgiebigere. Sie geschieht zunächst durch Öffnung des zwischen Spinal- und Sternalrippen vorhandenen Winkels und eine dadurch bedingte rein pas- sive Verschiebung des Sternums nach unten (ventral) und vorwärts (nasal). So weit ließe sich diese Einrichtung am besten mit dem Mecha- nismus einer Kniepresse vergleichen. Die Vorwärtsbewegung des Sternums kommt mehr in dessen vorderen Abschnitt, die Senkung desselben mehr in dessen hinterer Partie zur Geltung, wobei jedoch der vorderste Theil die !größte Exkursion ausführt (vgl. Abbildung V). Fig. V. Exspirationsstellung; ----- Inspirationsstellung; Cd, Coracoid; V.&, Vertebralrippen; S.R, Sternalrippen; St, Sternum; W, Wirbelsäule. Begleitet ist die Verschiebung des Sternums von einer Pendel- bewegung der Qlavicula und des Coracoids nach vorn. Eine Vergrößerung des transversalen Brustdurchmessers erfolgt gewöhnlich bloß in der hinteren Thoraxregion. Sie ist bedingt durch eine Drehbewegung der betreffenden Rippen von hinten und innen (caudomedial) nach vorn und außen. Die bedeutendste Verschiebung erfährt das letzte Rippenpaar; nach vorn nimmt dieselbe an Ausgiebigkeit allmählich ab. Mit der inspiratorischen Vergrößerung des Brustumfangs fällt ein Einsinken der Bauchdecke zusammen. Die Exspiration besteht in einer Rückkehr der dislocirten Theile in ihre Ruhelage. Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 469 Bei Öffnung des Schnabels nimmt man wahr, dass die Athem- öffnung des oberen Kehlkopfs während der Einathmung sich mäßig erweitert und bei der Ausathmung sich wieder entsprechend verengt. «@. Die Bewegungen der Lungen und Luftsäcke bei ruhiger Athmung und die Durchlüftung des Athmungsapparates. Es ist eine jetzt wohl allgemein anerkannte Thatsache, dass die Lungen der Vögel in Folge ihrer Verwachsung mit den Brust- wänden und dem pulmonalen Zwerchfell eine Verschiebung an den Brustwänden überhaupt nicht und bei der äußerst rudimentären Beschaffenheit der Zwerchfellmuskulatur eine Volumveränderung in nur ganz beschränktem Maße erfahren können. Es muss daher die erste Aufgabe der Luftsäcke sein, die Ventilation des ungewöhnlich kapillarreichen Lungenparenchyms zu vermitteln: Lungen und Luft- säcke haben sich in das Athmungsgeschäft getheilt; den ersteren obliegt der chemische Theil, die Hämatose, den Luftsäcken der mechanische Theil, der Wechsel der zur Respiration dienenden Luft. Welche Rolle spielen nun die verschiedenen Gruppen der Luft- säcke bei der Durchlüftung des respirirenden Parenchyms? Die PERRAULT’sche Theorie, die einen Antagonismus zwischen den Luftsäcken der Brust und jenen des Bauches annimmt, wurde von SAPPEY wieder aufgegriffen, erweitert und überhaupt in jene Form gebracht, in der sie bis heute maßgebend geblieben ist. Danach käme die Ventilation der Lungen fast ausschließlich den mittle- ren oder intrathorakalen (vorderen und hinteren diaphragmatischen) Luftsäcken zu, weil diese allein »unter der Einwirkung der festen Brustwände und des abdominalen Zwerchfells in der Athemarbeit direkt und vollkommen mit den Lungen gingen«, während die vor- deren (cervicalen und interelaviculären) und hinteren (abdominalen) Säcke bei ihrer extrathorakalen Lage an dem Durchlüftungsgeschäft sich direkt nicht betheiligen könnten. Die Bewegungen der Luftsäcke würden sich somit folgender- maßen gestalten: Bei der inspiratorischen Vergrößerung des Brust- korbes erweitern sich nur die intrathorakalen oder auch aspiratori- schen Säcke, wogegen ihre Antagonisten, die extrathorakalen Säcke, weil sie von dem Druck der Außenluft bloß durch nachgiebige Wände geschieden seien, sich verengern. Die Luft gelangt daher in die erweiterten intrathorakalen Säcke nicht bloß durch die Trachea von außen herein, sondern auch durch die peripheren Bronchien aus 31° A470 Max Baer, den extrathorakalen Säcken. Bei der Exspiration werden die intra- thorakalen Säcke komprimirt und treiben nun die Luft zum Theil durch die Trachea nach außen, zum Theil wieder zurück in die extrathorakalen Säcke, welch letztere sich in Folge dessen (exspira- torisch) erweitern. Dabei vollzöge sich der Gasaustauch (nach SAPPEy) zwischen Athemluft und Blut bloß während der Inspiration, »weil bei der Exspiration kein respiratorisches Geräusch vernommen würde«. Das inspiratorische Zusammenfallen der extrathorakalen Säcke führt genannter Autor darauf zurück, dass deren Inhalt von Seiten der intrathorakalen Säcke aspirirt würde, während nach CAMPANA die Luft durch besondere Muskelkräfte aus den extrathorakalen Säcken in die intrathorakalen gedrängt wird. Im Übrigen unterscheidet sich die Campana’sche Athemtheorie von derjenigen SAPPEY’S nicht. So sehr diese Theorie nun auch einleuchten möge und wenn dieselbe auch in dem inspiratorischen Einsinken der Bauchdecken, sowie in der Bewegung der Luftsäcke, wie man sie bei der Vivi- sektion beobachtet, ihre unmittelbare Bestätigung zu finden scheint, so lassen sich doch eine Reihe recht schwerwiegender Einwände zegen dieselbe erheben. Vor Allem ist — und darauf macht auch Roca& aufmerksam — eine Trennung zwischen intra- und extrathorakalen Säcken in phy- siologischer Hinsicht absolut undurchführbar. Denn auf der einen Seite reichen bei den allermeisten Vögeln die hinteren diaphrag- matischen Säcke bis in die Beckenhöhle, so dass die weitaus srößere. Partie in den abdominalen Raum zu liegen kommt, auf der anderen Seite nimmt der interelaviculare Sack gerade denjenigen Theil der Brusthöhle ein, der bei der Inspiration die ausgiebigste Erweiterung erfahren muss; dabei ist derselbe allseitig mit dem Brustkorb verwachsen und daher gezwungen, den Bewegungen der Brustwände unmittelbar Folge zu leisten. Eben so liegt der Anfangs- theil des abdominalen Sackes im Bereich der meistbewegten Rippen und des Brustbeines. Nun sind allerdings die intrathorakalen Säcke von den abdomi- nalen durch das sog. abdominale Zwerchfell getrennt, und es wirft sich daher die Frage auf, welche Bedeutung dieses letztere für den Athemmechanismus haben könne, vor Allem, ob dasselbe als kon- traktiles Septum zwischen Brust- und Bauchhöhle, also als Zwerch- fell in dem Sinne wie bei den Säugethieren betrachtet werden dürfe oder nicht. Diese Frage muss nun entschieden verneint werden. Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 471 Denn nicht nur, dass quergestreifte Muskelfasern, wie sie SAPPEY sefunden zu haben glaubt, in dieser zarten Membran gänzlich fehlen, ist dieselbe auch noch so lose zwischen Wirbelsäule und Brustbein bez. Rippen eingefügt, dass sie selbst bei tiefster Inspiration nicht völlig gespannt ist, sich vielmehr gegen die Medianebene des Körpers hin vorwölbt. Man kann sich von der Richtigkeit dieser Behauptung leicht überzeugen, wenn man die Bauchhöhle eines lebenden Vogels vorsichtig öffnet und die diaphragmatischen Säcke mit dem genann- ten Septum beobachtet. Das abdominale Zwerchfell der Vögel kann daher bei der Athmung keine aktive Rolle spielen; es ist in seiner Bewegung durchaus abhängige von der Füllung und Entleerung der diaphragmatischen Säcke, mit deren medialer Wand es verschmolzen ist. Muss aber dem abdominalen Zwerchfell jede aktive Betheiligung an dem Athemmechanismus abgesprochen werden, so darf in physio- logischer Beziehung zwischen Brust- und Bauchhöhle überhaupt nicht mehr unterschieden werden und kann für die Folge nur mehr ein gemeinsamer thorakoabdominaler Raum in Betracht kommen, abge- sehen natürlich von jenem kleinen dorsonasalen Abschnitt des Brust- korbes, welcher die Lungen beherbergt und durch das pulmonale Zwerchfell begrenzt wird. Aus dem bisher Gesagten erhellt zugleich, wie irrig es ist, aus den respiratorischen Bewegungen der Bauchwände unmittelbare Schlüsse auf die Füllungszustände der abdominalen Säcke zu ziehen, d. h. also, das Einsinken der Bauchwand während der Inspiration auf ein Zu- sammenfallen dieser Säcke zurückführen zu wollen. Im Gegentheil! Gerade jener einsinkende Theil der Bauchwand kommt eben in den Bereich der hinteren diaphragmatischen Säcke zu liegen, während hier zwischen abdominale Säcke und Bauchdecke die ganze Masse der Gedärme sich einschiebt. Es dürfte auch kaum gelingen von der Bauchseite her eine Kanüle in die abdominalen Säcke einzu- führen, wohingegen dies vom Rücken her viel eher gelingt. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Bauchmuskeln, insbesondere der äußere schiefe, als exspiratorisch wirkende Kräfte betrachtet werden müssen, indem sie das Sternum der Wirbelsäule nähern und die Rippen nach hinten und innen ziehen. Die Kon- traktion der Bauchmuskeln ruft aber mit natürlicher Nothwendig- keit eine Verkleinerung der Bauchhöhle, eine Kompression der Con- tenta derselben und somit auch der hier untergebrachten Luftsäcke hervor. Schon aus diesem Grunde ist eine exspiratorische Erweiterung - der abdominalen Säcke undenkbar. 472 Max Baer, ; Auch haben die Messungen CAampanA’s, BIELETZEKY’S (8) und Rocak's ergeben, dass die sog. extrathorakalen Säcke zusammen zwei- bis dreimal so viel Luft fassen als die diaphragmatischen Säcke. Es könnten daher, wenn der behauptete Antagonismus be- stünde, nur relativ geringe Luftquantitäten zwischen beiden Gruppen ausgetauscht, niemals aber ein regelmäßiger Luftwechsel in den vorderen und hinteren Säcken erzielt werden. Und wie müsste sich nun vollends die Durchlüftung des Lungenparenchyms gestalten ? Bei der Einathmung würde ein Quantum atmosphärischer Luft durch die Luftröhre und Lungen in die diaphragmatischen Säcke eingesaugt und müsste beim Passiren der Lungen Sauerstoff abgeben und Kohlensäure aufnehmen. Zugleich mit, zum Theil vor dieser Luft würde — um aus den extrathorakalen in die intrathorakalen Säcke zu gelangen — ein noch größeres Luftquantum die Lungen passiren, und zwar ein Luftgemenge, welches diesen und den um- sekehrten Weg schon wiederholt gemacht hat, somit mit Kohlensäure seradezu überschwängert sein müsste; denn wenn sich die extra- thorakalen Säcke bei der Ausathmung füllen würden, könnten sie doch bloß Exspirationsluft enthalten und die natürliche Folge dieses Antagonismus wäre die, dass ein gewisses Luftquantum zwischen Lungen und intrathorakalen Säcken einerseits und den extrathora- kalen Säcken andererseits ständig hin- und hergeschoben würde, und dass sich der Kohlensäuregehalt dieser Luft mit jedem Athem- zuge steigern müsste. Wenn ich oben gesagt habe, die den extrathorakalen Säcken entstammende Luft müsste theilweise früher und in größerer Menge die Lungen passiren als die atmosphärische Luft, so begründe ich dies damit, dass die erstere einen viel kürzeren Weg zurückzulegen hätte als die letztere, und dass außerdem die Kommunikations- öffnungen zwischen extrathorakalen Säcken und Lungen in ihrer Gesammtheit viel weiter sind als die durch den oberen und unteren Kehlkopf eingeengte Trachea. Dazu erinnere ich daran, dass der in den abdominalen Sack führende Bronchus die direkte Fortsetzung des Hauptbronchus bildet. Dass es aber die Respirationsvorgänge in keiner Weise fördern könnte, wohl aber hemmen müsste, wenn sich die atmosphärische Luft gleich bei ihrem Eintritt in die Lungen mit einem noch größe- ren Quantum von mit Kohlensäure und Wasserdampf übersättigter Luft mischen müsste, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. Endlich müsste auch nach folgender praktischen Erwägung das Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 473 Bestehen eines Antagonismus im Sinne SarpEy’s sehr zweifelhaft erscheinen: Wenn man einen oder mehrere der sog. extrathorakalen Säcke mittels Kanülen oder durch Amputation lufthaltiger Röhrenknochen mit der Außenluft in unmittelbare Kommunikation setzt, so wird da- durch die Athmung nicht unbeträchtlich beeinflusst. Es stellen sich nämlich dieselben Störungen ein wie bei abnormen Verkleinerungen der Lungenoberfläche oder beim Fehlen des Sauerstoffes in der Athem- luft, also Vermehrung der Zahl und Tiefe der Athembewegungen. Die unmittelbare Ursache dieser Abweichungen ist darin zu suchen, dass der durch die respiratorischen Bewegungen des Thorax zwischen Luftsack- und Außenluft erzeugte Spannungsunterschied nicht mehr auf dem Wege der Bronchien, sondern direkt durch die künstlichen Öffnungen ausgeglichen wird und in Folge dessen weniger Luft die Lungen- passirt. Bestünde aber ein Antagonismus, so müsste durch eine solche Operation gerade das Gegentheil erreicht werden, d. h. die Athmung müsste langsamer und oberflächlicher vor sich gehen, denn in diesem Falle würde bei der Einathmung mehr und dazu frische Luft aspirirt werden und der Abfluss der Exspirationsluft könnte nach dieser Seite hin viel ungehinderter erfolgen. Nun hat SappEy folgende Versuche angestellt: Er führte den einen Schenkel eines Quecksilbermanometers in den interelavicularen Sack ein und stellte fest, dass, so lange der Thorax sich erweitert, die Quecksilbersäule dem Körper des Thieres sich näherte und bei der Retraktion des Brustkorbes nach der entgegengesetzten Richtung sich bewegte. Führte er hingegen das Manometer in einen der intra- thorakalen Säcke ein, so zeigte es nur kaum sichtbare Schwankungen. Mit diesen Versuchen glaubt nun SarpEyY den Beweis für das antagonistische Verhalten der extrathorakalen Säcke erbracht zu haben, indem er daraus den Schluss zieht, dass während der Ein- athmung sich die Lungen und diaphragmatischen Säcke erweitern und die Luft aus den vorderen und hinteren Luftsäcken aspiriren, wobei die letzteren »unter dem Einfluss dieser doppelten Aspiration sich entleeren und zusammensinken« und umgekehrt bei der Aus- "athmung. | Die Erscheinung, dass in den mittleren Luftsäcken das Mano- meter nur ganz minimale Schwankungen aufwies, erklärt SAPPEY so, dass die durch die Dilatation des Brustkorbes in den intrathorakalen Säcken bedingte Luftverdünnung sofort »durch die durch die Trachea ‚hereinstürzende Luft ausgeglichen werde«, vergisst dabei aber voll- 474 " .0.Max Baer, ständig, dass auch die extrathorakalen Säcke mit der Trachea direkt in Verbindung stehen. | Einen ähnlichen Versuch wie SAppEy hat PAUL BERT angestellt: Er verband die Lufthöhle des Oberarms mit dem Polygraphen und stellte fest, dass in der erhaltenen Kurve der abfallende Schenkel, erzeugt durch die Luftverdünnung in der Knochenhöhle, der Ein- athmung, und der aufsteigende Schenkel der Ausathmung entspreche; darin erbliekte er denn eine Bestätigung der Sarrry’schen Schlüsse, Ich habe zunächst die Versuche SappEy’s dahin erweitert, dass ich, was doch das Nächstliegende sein musste, je ein Manometer in einen extra- und einen intrathorakalen Sack gleichzeitig einführte und zur Füllung des Manometers statt des schwer beweglichen Queck- silbers eine leicht bewegliche Flüssigkeit (blaugefärbten Äther) ver- wendete. Und nun fand ich, dass während der verschiedenen Athemphasen in beiden Manometern die Flüssigkeitssäule in einer und derselben Richtung und durchaus synchron sich bewegte, und zwar während der Einathmung nach den Luftsäcken hin und während der Aus- athmung von diesen weg, und ferner, dass das mit dem intrathora- kalen Sack verbundene Manometer gleichgroße, ja größere Schwan- kungen aufwies als das andere. Sodann wurden Versuche mit dem Polygraphen angestellt; als Versuchsthiere dienten Krähen: Es wird eine Glaskanüle in den vorderen diaphragmatischen Sack eingelegt, und dieser eben so wie : ng | Brustsaek a Inn Dr Brustbein ar MAIN Fig. VI (Kurve 4). der Hohlraum des Oberarms mittels Kautschukschlauch mit je einer MarEy’schen Schreibtrommel verbunden. Gleichzeitig wird die Be- wegung des Brustbeins nach dem früheren Verfahren zur Darstellung gebracht. Ich erhalte das Pneumatogramm 4. Die Kurve a entspricht dem Humerus Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 475 (elavieularer Sack), die Kurve 5 dem vorderen diaphragmatischen Sack, die Kurve ce dem Brustbein. Pneumatogramm 4a. Der intraclavieulare Sack (Kurve a), der vordere diaphragmatische Sack (Kurve db) und der abdominale Sack (Kurve e) sind, die beiden letzteren mittels eingeführter Glaskanülen, gleichzeitig mit je einer Registrirtrommel verbunden (vgl. auch Kurve 12). Fig. VIa (Kurve &a). Das Einführen der Kanülen in die Luftsäcke, besonders in den abdomi- nalen, ist mit einigen Schwierigkeiten verknüpft. Da hierbei die Bauchhöhle nicht geöffnet werden soll, so verfuhr ich dabei so, dass ich an einer Stelle, wo diese Säcke der Rumpfwand anliegen, mittels Trephine eine Öffnung an- brachte und in diese eine gut passende Kanüle einführte Für den abdomi- nalen Sack erwies sich hierzu die Lendengegend am geeignetsten, so dass die Kanüle durch die Nieren hindurch verlief. Starke Blutungen störten die Versuche häufig. Die richtige Lage der Kanülen wurde durch Einblasen von Luft und nach den Versuchen durch die Sektion festgestellt. Es sei noch er- wähnt, dass, wenn die abdominalen Säcke geöffnet blieben, in den übrigen Luftsäcken kaum eine Schwankung nachgewiesen werden konnte. Beide Pneumatogramme ergänzen sich gegenseitig. Wie aus denselben (Markirpunkte!) und eben so aus den Manometerversuchen ersichtlich ist, fällt, so lange sich der Thorax erweitert, der Druck der Athemluft in sämmtlichen Säcken gleichmäßig und synchron und steigt eben so, so lange sich der Brust- korb verengt. 476 Max Baer, Weitere Schlüsse können aus diesen Versuchen zunächst nicht gezogen werden, eben so wenig aus denjenigen SAPPEY’s, und es fragt sich nun, ob der abfallende Schenkel der Kurve (Fallen des Druckes) der Füllung oder Entleerung (zu einer vollkommenen Ent- leerung kann es selbstverständlich niemals kommen) der Säcke ent- spricht. Die Beantwortung dieser Frage ist für den intraelavieulären Sack, wie auch für den vorderen diaphragmatischen Sack, welche in fast ihrem ganzen Umfang mit den Wänden des Brustkorbes ver- wachsen sind und sich daher mit diesem erweitern und verengern müssen, ziemlich einfach. Sie befinden sich unter ganz ähnlichen Bedingungen wie die Lungen der Säuger: Durch die Erweiterung des Brustkorbes sinkt der Druck der Sackluft unter denjenigen der Außenluft (abfallender Schenkel) und es strömt nun die letztere be- hufs Ausgleichung dieses Spannungsunterschiedes in die Säcke ein; erhebt sich durch Verengerung des Brustkorbes der Druck der Sack- luft über den Atmosphärendruck (aufsteigender Schenkel), so wird die Luft aus den Säcken ausgetrieben. Es kann somit der abfallende Schenkel bloß der Füllung, der ansteigende Schenkel der Kurve bloß der Leerung dieser Luftsäcke entsprechen. Nicht ganz so einfach gestaltet sich die Erledigung dieser Frage für die hinteren diaphragmatischen und abdominalen Säcke in An- betracht des inspiratorischen Einsinkens der Bauchwand und weil ein Beweis für meine frühere Behauptung, dass Brust- und Bauch- höhle in physiologischer Hinsicht als ein gemeinschaftliches Cavum betrachtet werden müssen, experimentell noch nicht erbracht ist. Wollte man mit CamPAnA annehmen, dass die abdominalen Säcke während der Einathmung durch Muskelkräfte entleert würden, die von außen auf sie einwirken, so müsste dieser Art der Entleerung der aufsteigende Kurvenschenkel entsprechen. Allein ganz abgesehen davon, dass solche Muskelkräfte gar nicht nachweisbar sind, wird diese Annahme durch die Kurve selbst widerlegt, indem dieselbe zeigt, dass bei der Inspiration der Druck in diesen Säcken nicht steigt, sondern fällt (vgl. auch Manometerversuche). Hingegen kann die Kurve keinen Aufschluss darüber geben, ob fragliche Säcke während der Einathmung durch Luftaussaugung entleert werden oder aber, ob sie sich durch Lufteinsaugung füllen, denn in beiden Fällen herrscht in ihnen Druckerniedrigung. Da nun aber diese Luftsäcke mit ihren zarten Wänden zum großen Theil lose in dem abdominalen Raum gelegen sind, so kann eine Entleerung derselben durch Luftaussaugung nur dann stattfinden, Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 477 wenn der auf ihrer äußeren, der Bauchwand zugewendeten Ober- fläche lastende Druck während der Einathmung größer ist als die von den Bronchien her auf ihre Innenfläche einwirkende Spannung der atmosphärischen Luft, d.h. wenn die Bauchhöhle bei der In- spiration sich wirklich verkleinert. Um hierüber Aufschluss zu schaffen, wurde eine Kanüle in die freie Bauchhöhle eingeführt und diese zuerst mit einem Manometer, dann mit dem Polygraphen ver- bunden, und da zeigte sich — wie ich anders gar nicht erwartet hatte, — dass hier eben so wie in den Luftsäcken bei der Einathmung der Druck sinkt und bei der Ausathmung NN L N steigt, dass also, trotz des inspira- IN \ / | MN (\ | torischen Einsinkens der Bauch- wand, sich die Bauchhöhle bei der | Inspiration vergrößert (vgl. die Doppelkurve 5; die obere Kurve H giebt die Bewegung des Brustbeins, \ \ die untere die respiratorischen Druckschwankungen in der freien Fig. VII (Kurve 5). Bauchhöhle wieder). Diese Vergrößerung des Bauchraumes muss aber unbedingt eine Erweiterung der Luftsäcke, die er beherbergt, zur Folge haben, auch wenn deren Wandungen den Bauchwänden nicht unmittelbar anliegen, und daraus resultirt, dass auch diese Luftsäcke während der Inspiration Luft von außen einsaugen'. Damit ist nun aber auch endgültig bewiesen, dass ein Antagonismus zwischen den verschiedenen Gruppen der Luftsäcke nicht bestehen kann, dass vielmehr bei der In- spiration alle Luftsäcke sich erweitern und umgekehrt bei der Exspiration sich verengern. Die scheinbar antagonistische Bewegung der Bauchwand lässt sich am besten mit den Bewegungen des Leders eines Blasebalgs vergleichen, denn auch dieses sinkt ein, während der Hohlraum des Blasebalgs vergrößert und stülpt sich aus, während derselbe ver- kleinert wird; das Einsinken der Bauchwand ist eben die Folge der Zunahme des Bauchraumes während der Einathmung. Mit der Erscheinung, dass die Bauchwand während der Ausath- 1 Diese Vorgänge veranschaulicht am schönsten das DONDERS’sche Athem- modell, cf. BERNSTEIN, Physiologie. 478 Ä 75 Maxıbaer r mung etwas nach außen hervorgedrängt wird, kann die exspiratori- sche Kontraktion der Bauchmuskulatur nicht im Widerspruch stehen, denn es ist bloß der mediale Theil der Bauchwand, der sich vor- wölbt, während die Bauchmuskeln, besonders die am meisten be- theiligten äußeren schiefen Bauchmuskeln mit schief von hinten und oben nach vorn und unten gerichtetem Faserverlauf an den Seiten- wänden des Bauches gelegen sind. Und nunmehr erklärt sich auch der Antagonismus, wie er bei eeöffneter Bauchhöhle beobachtet wird. Durch die Beseitigung der Bauchwand kann der Druck der Atmosphäre auf die äußere Ober- fläche der bloßgelegten Säcke unmittelbar einwirken. Erweitert sich jetzt der Thorax, so folgen ihm natürlich nur noch die Säcke, die seinen Wänden fest anhaften und saugen dabei die Luft sowohl von außen als auch aus den jetzt allerdings »extrathorakal« gelegenen Säcken an, die unter dem äußeren Luftdruck zusammenfallen müssen; dies kann aber nie der Fall sein bei intakter Bauchwand. Nach den bisherigen Erörterungen kann ich mich über die Ein- zelvorgänge der Ein- und Ausathmung kurz fassen: Die Erweite- rung der Thorako-Abdominalhöhle hat die Ausdehnung sämmtlicher Luftsäcke zur Folge, es entsteht in ihnen eine Luftyerdünnung und die Außenluft dringt nun zu- nächst in die Luftröhre ein. Ein Theil derselben ergießt sich in die Bronchien, welche die einzelnen Theile der Lungen versorgen, durchströmt das ganze Lungenparenchym und bewerkstelligt die Hämatose; der andere Theil folst dem Verlauf der Hauptbronchien und gelangt in die Luft- säcke | | Es ist nun aber sehr wahrscheinlich, dass die Lungen bei der Inspiration nicht vollkommen unverändert bleiben, sondern dass auch sie durch Kontraktion der PERRAULT'schen Lungenmuskeln und da- durch hervorgerufene Anspannung und Abflachung des pulmonalen Zwerchfells eine, wenn auch nur geringe Volumvergrößerung, haupt- sächlich in der Richtung ihres Längendurchmessers erfahren, da sonst der weitaus größere Theil der aspirirten Luft an dem eigentlichen Lungengewebe vorbei auf dem kürzesten Wege nach der Seite des geringsten Widerstandes hin, in die Luftsäcke sich ergösse und eine gehörige Durchlüftung der Lungen nicht stattfände. Bevor nun der Spannungsunterschied zwischen der äußeren At- mosphäre und der Luft der Säcke sich gänzlich ausgeglichen hat, beginnt die exspiratorische Verengerung des Brustkorbes (vgl. Kurven); Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 479 sämmtliche Luftsäcke werden komprimirt und ihr Inhalt wird durch die Bronchialöffnungen ausgestoßen, kann aber, weil er plötzlich in viel engere Bahnen eingezwängt wird, nicht nach außen gelangen, ohne ebenfalls das Lungenparenchym passirt zu haben. Hierbei dient auch er der Hämatose und fegt zugleich die ausgenutzte Luft vor sich her nach außen. Die Bedingungen für die Ventilation des Lungengewebes sind somit im Vogelorganismus die denkbar günstigsten: Die nackten Blutkapillaren werden bei dem großen Vo- lumen der Luftsäcke sowohl bei der Einathmung als bei der Ausathmung fast allseitig von großen Mengen sauer- stoffreicher Luft umspült und der Gasaustausch zwischen dem rasch eirkulirenden Blut und der Luft vollzieht sich kontinuirlich und mit stets gleicher Energie. Die von SappEY zum Ausdruck gebrachte Ansicht, die Hämatose sehe bloß während der Inspiration vor sich, weil während der Ex- spiration kein respiratorisches Geräusch hörbar würde, lässt darauf schließen, dass diesem Autor die Wichtigkeit der sog. Residualluft in der Säugethierlunge für die Unterhaltung der Hämatose während der Ausathmung völlig unbekannt war und es ist nur zu verwundern, dass diese Sätze bis jetzt keinen Widerspruch erfahren haben. Die Hämatose wird doch nicht etwa gehört? Dieselbe hat mit dem Athmungsgeräusch gar nichts zu thun und dem Gaswechsel zwischen Blut und Luft während der Ausathmung steht auch in der Vogel- lunge nicht das geringste Hindernis im Wege. Es sei noch erwähnt, dass man nach vorheriger Öffnung eines beliebigen Luftsackes die Luftröhre ohne Weiteres unterbinden kann, d.h. ohne dass die Athmung irgend wie gestört würde. Dass das Zerstören eines oder mehrerer Luftsäcke hochgradige Athembeschwerden nach sich zieht, ist nach dem früher Gesagten selbstverständlich, hingegen ist bemerkenswerth, dass die Athmung ungestört weiter geht, wenn man nach Exstirpation der Luftsäcke die Rumpfhöhle wieder sorgfältig verschließt, indem dann diese vikariirend für die Luftsäcke eintritt. | | Einer männlichen Taube wurden die abdominalen und: hinteren diaphragmatischen Säcke nebst den abdominalen Zwerchfellen zer- stört, die Bauchhöhle unter antiseptischen Vorsichtsmaßregeln wieder verschlossen und das Thier alsdanın ins Freie gesetzt. Es flog, wenn auch ziemlich unsicher, auf ein benachbartes Dach und später weiter. Nach sechs Tagen stellte es sich vor dem Fenster des Zimmers, in 480 Max Baer, dem es früher zusammen mit dem zugehörigen Weibchen unterge- bracht war, wieder ein. Eingelassen erwies es sich als vollkommen gesund, ohne nachweisbare Abweichungen in der Athmung. Die Bauchwunde war geheilt. 83. Bewegungen der Athemluft in den Hohlräumen pneumatischer Knochen. Mit der Frage, ob die Vögel im Stande seien, ihren Bedarf an Athemluft ausschließlich durch einen künstlich geöffneten, lufthaltigen köhrenknochen zu schöpfen, haben sich seit HUNTER verschiedene Forscher beschäftigt. Die einschlägigen Versuche wurden immer derart angestellt, dass man den Oberarm eines Vogels der Quere nach durchbrach und hierauf die Luftröhre mittels Ligatur verschloss. Die erzielten Resultate waren recht verschieden. ALBERS und SAPPEY konnten ihre Versuchsthiere stundenlang am Leben erhalten, da- gegen führten die Experimente CoLıw’s zu durchaus negativen Re- sultaten, weil, wie CoLIn erklärt, die Spongiosa des Knochens immer so stark blutete, dass sich die Luftwege sofort mit Blutgerinnsel ver- stopften. Von nicht viel besserem Erfolge waren HunTEr's Ver- suche begleitet. Er sagt darüber: Das Thier lebte nur so lange, als nothwendig war, um augenscheinlich zu beweisen, dass es durch die Knochenhöhle athmete.« Auch die von mir angestellten Versuche führten zu keinen ganz übereinstimmenden Resultaten: Mit zahlreichen Krähen, Dohlen und einem braunen Milan (Milvus ater), lauter ausgewachsenen Exemplaren, gelang der Versuch aus- nahmslos. Fig. VIII (Kurve 6). Es stellte sich zwar stets unmittelbar nach Verschluss der Trachea eine Steigerung in Athmungsfrequenz und -tiefe ein; wenn sich/aber die Thiere nach wenigen Minuten an diese »vikariirende Luftröhre« Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 481 sewöhnt hatten, athmeten sie ohne jegliche Störung. Wesentliche Störungen des Athmungsvorganges traten auch nicht ein, als der Milan gezwungen wurde, seinen Luftbedarf durch eine in das linke Femur gebohrte Öffnung von etwa 5 mm Durchmesser zu schöpfen. Kurve 6. Versuchsthier Krähe. Das Thier athmet durch den Fig. IX (Kurve 7). ‘ linken Humerus, die Luftröhre ist durch Trachealkanüle und Schlauch mit dem Polygraphen verbunden. Kurve 7 (mit mitterer Drucklinie). Die Trachea ist unterbunden. Fig. X (Kurve 8). Das Thier athmet durch den linken Humerus, der rechte Humerus ist ebenfalls geöffnet und mit dem Polygraphen verbunden. 482 Max Baer, Kurve 8. Das Thier athmet durch den linken Humerus, der rechte Humerus (a) und die Trachea (5) sind direkt mit dem Re- gistrirapparat in Verbindung gesetzt. Anders bei Tauben. Einzelne Thiere ertrugen diese Manipulation fast eben so gut wie Raben, nur stieg die Zahl der Athemzüge jedes Mal von 30 auf 36—40 und wurde die Athmung auch tiefer ausge- führt, ohne dass sich jedoch eigentliche Athemnoth eingestellt hätte. Andere Thiere erstickten in allerkürzester Zeit, wenn der Verschluss der Trachea nicht unverzüglich entfernt wurde. Allein ich glaube annehmen zu dürfen, dass diese Misserfolge auf irgend einen Fehler bei der Operation zurückzuführen sind, den zu entdecken mir aller- dings nicht gelang; nur so viel fand ich heraus, dass sich bei solchen Thieren ventilartige Verschlüsse bilden, welche der Luft wohl den Eintritt in die Lungen, nicht aber den Austritt in den Knochen ge- statten. Bringt man in derartigen Fällen die offene Knochenhöhle des Versuchsthieres mit dem Polygraphen in Verbindung und ver- schließt Nasenlöcher und Schnabelspalte fest, so machen sich bei Beginn der Athemnoth einige unregelmäßige Druckschwankungen be- merkbar, worauf mit einem Male der Schreibhebel so weit, wie es der Mechanismus nur gestattet, nach unten sinkt, in'welcher Stellung er noch verharrt, wenn die genannten Öffnungen längst wieder frei gegeben sind (vgl. Kurve 9). Die Ursache dieser plötzlichen Druck- auf | Fig. XI (Kurve 9). verminderung ist in der größtmöglichen Erweiterung des Brustkorbes in höchster Athemnoth zu suchen. | Es fragt sich nun aber, ob — was neuerdings allgemein be- zweifelt wurde — in diesen Hohlräumen auch bei normaler Athmung, also bei freier Trachea, eine regelmäßige Lufterneuerung stattfände. Folgende Versuche sollten hierüber Aufschluss verschaffen: In den Oberarm einer Taube, und zwar etwa in der Mitte seiner Innenfläche, wird mittels kleiner Trephine eine Öffnung von 4 mm Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 483 Durehmesser angebracht, in diese eine passende Glaskanüle einge- führt und letztere mit dem diekwandigen Leitungsschlauch des Re- sistrirapparates verbunden. Dabei erhalte ich die Kurve 10. AI NM UI ANAMNN Fig. XII (Kurve 10). Der gleiche Versuch mit einer Krähe ausgeführt ergiebt Kurve 11. Doppelkurve 12. Die Knochenhöhlen des Oberarms und Ober- schenkels eines Milans sind mit je einer Registrirtrommel in Verbin- dung gesetzt. Die Kurven nehmen von zwei genau senkrecht unter VIII Fig. XIII (Kurve 11). einander liegenden Punkten ihren Anfang. Diese Kurven zeigen in ausgesprochenster Weise, wie ausgezeichnet auch die entferntesten Ausstülpungen der Luftsäcke ventilirt wer- den und wie gleichmäßig sich die Luftin sämmtlichen Hohl- räumen. bewest. Füllung und Entleerung beginnen in beiden Knochenhöhlen in einem und demselben Momente und die feinste Druckschwankung kommt in allen Theilen des pneu- matischen Apparates zur vollsten Geltung. Einen Beweis dafür, dass die. Luftsäcke mit den zugehörigen Knochenhöhlen in vollkommen freier Kommunikation stehen, liefert auch folgender einfacher und doch interessanter Versuch: Einer frisch getödteten Krähe werden beide Humeri geöffnet und die Trachea un- terbunden. Hält man nun vor den;einen Knochenkanal ein brennen- des Streichholz und bläst in den anderen kurz und kräftig ein, so verlöscht die Flamme sofort. | Nach alledem kann es nicht bezweifelt werden, dass auch die Hohlräume der pneumatischen Knochen — trotz der starren Wandungen — einer regelmäßigen Durchlüftung ausgesetzt sind, wie ja die verschiedene Temperatur und Zusammensetzung der Luft an Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. Ep) (pr 9Aıny) TAX "SI -(eT 9Amy) AX "LA ä (7 9Aımy) AIX SI I\ Une uyWarnannngnana | Annan RR TLANTAUNM muy ya Mm U BL ULM l y JUUU Al UN Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 485 sich schon konstante Diffusionsströmungen zwischen den Luftsäcken und den Knochenhöhlen hervorrufen müssten. Dass durch das Öffnen lufthaltiger Röhrenknochen die Athmung nicht unbeträchtlich beeinflusst wird, wurde im vorigen Kapitel er- örtert. Diese Variationen der Athembewegung sind in Kurve 13 und 14 dargestellt. Kurve 13. Bewegungen des Brustbeins eines Raben. Kurve 14. Die gleichen Bewegungen nach Öffnung beider Humeri. Die Höhe der Kurve 13 verhält sich zu derjenigen der Kurve 14 wie 1:2. y. Durchlüftung des Athemapparates während des Fluges. Bisherige Ansichten. Nach den Ansichten von Sarrzy, Magnus und vielen Anderen geschieht die Athmung während des Fluges in der gleichen Weise wie in der Ruhe. Von der Voraussetzung ausgehend, dass das Sternum unbeweglich in den Brustkorb eingefügt sei, haben sich diese Autoren damit begnügt, festzustellen, dass die Brustmuskeln bei den Vögeln ausschließlich von diesem Knochen ihren Ursprung nehmen und hieraus gefolgert, dass die Rippen auch während der Flugbewegung ihre freie Beweglichkeit bewahrten. | Im Gegensatz hierzu erklären CAMPANA und STRASSER mit Recht, dass die Flugaktion nicht ohne Einfluss auf die Athmung sein könne: »Durch das Hinausgelangen der Luftsäcke an die hauptsächlich lokomotorische Extremität müsse die lokomotorische Arbeit die Ventilationsgröße steigern.« MAREY und G. BERT glauben, dass Athem- und Flugbewegungen syn- chronisch seien, d. h. dass mit jeder Flügelhebung eine Erweiterung, und mit jedem Flügelniederschlag eine Verengerung des Brustkorbes zusammenfalle. G. BERT stellte nämlich durch einen Versuch von allerdings zweifelhafter Zu- verlässigkeit fest, dass in der Luftröhre bei der Flügelhebung eine Lufteinsaugung und bei dessen Senkung eine Luftausstoßung stattfände. BERT führte eine T-för- mige Kanüle in die Luftröhre eines Vogels ein. Das eine Ende des quergestellten Stückes blieb frei, das andere Ende verband er mittels eines langen Gummischlau- ches mit dem Polygraphen und ließ dann das Thier fliegen. Nun weiß aber ein Jeder, der sich mit der Herstellung von Pneumatogrammen befasst hät, dass schon geringe Bewegungen des Leitungsschlauches störend wirken. Denkt man sich jetzt ein geängstigtes Thier, mit der Kanüle in der Trachea, und an dieser verschie- dene Meter Gummischlauch, herumflattern, so wird man mit mir darin überein- stimmen, dass ein derartiger Versuch nur von zweifelhaftem Werthe sein kann. Es kann nun begreiflicherweise nicht in meiner Absicht liegen, die Mechanik der Athmung während der Flugaktion eingehend und senau zu schildern. Es wäre dies eine Aufgabe, deren wissenschaft- liche Lösung mit den größten Schwierigkeiten verküpft ist, weil die in Betracht kommenden Vorgänge sich der direkten Beobachtung und experimentellen Untersuchung völlig entziehen. Ich war dess- halb darauf angewiesen, einige Folgerungen aus den anatomischen Einrichtungen zu ziehen und zur Begründung dieser den Vogel unter | 32* 486 Max’ Baer, Bedingungen zu beobachten, die etwa denjenigen gleichkommen, unter denen er sich während des Fluges befindet. Es ist zunächst eine merkwürdige Erscheinung — und darin unterscheiden sich die Vögel wesentlich von den Säugethieren —, dass bei ihnen die Athmung durch die Körperbewegung scheinbar gar nicht beeinflusst wird, obgleich doch die Flugbewegung als die srößte Arbeitsleistung betrachtet werden muss, deren der Wirbelthier- körper überhaupt fähig ist. Während bei allen übrigen Warmblütern srößere oder geringere Kraftleistung eine nicht unbedeutende Steige- rung in der Zahl und Tiefe der Athemzüge hervorrufen, die nachher stets noch einige Zeit anhält, bemerkt man beim Vogel, z. B. einer Taube, die eben eine große Strecke in rasender Geschwindigkeit durchflogen hat, und wobei acht bis zehn Flügelschläge in der Sekunde ausgeführt wurden, kaum eine Beschleunigung der Athmung. Eine Brieftaube legt nach GÄTkE (Vogelwarte Helgoland) 15, 28 und mehr geographische Meilen in der Stunde zurück. Die Fluggeschwindigkeit ist aber viel größer bei wandernden Vögeln. So wurde für die Rabenkrähe (Cor- vus cornix) eine Wandergeschwindigkeit von 27 Meilen nachgewiesen, und das nordische Blaukehlcehen soll 45 Meilen in der Stunde zurücklegen. Regen- pfeifer, Brachvögel, Uferschnepfen legen nach Beobachtungen GÄTKE’s minde- stens 50 Meilen in der Stunde zurück. Vgl. auch Mosso, Die Ermüdung. p. 17 und 18. Diese Erscheinung ist um so auffallender, als der Widerstand, den die Luft dem schnellen Vorwärtsdringen entgegensetzt, die Athmung, speciell die Ausathmung, ungemein erschwert. Man denke nur an die Athembeklemmungen, welche sich ein- stellen, wenn man den Kopf mit nach vorn gerichtetem Gesichte aus einem in vollem Gange befindlichen Eisenbahnzuge zum Fenster hin- aushält. VROoLIK ist der Ansicht, dass ein Mensch, der auf einem rasch dahineilenden Strauß sitzen würde, ersticken müsste, wenn er an diese Bewegung nicht gewöhnt wäre. Dieser Widerstand ist aller- dings viel geringer in bedeutenden Höhen, wo die Dichtigkeit der Athmosphäre aufs äußerste vermindert ist. Bemerkenswerth ist es, dass bei Vögeln, die in einem beschränk- ten Raum, wie in einem Zimmer, herumzuflattern gezwungen werden, in allerkürzester Zeit Athemnoth und hochgradige Ermattung sich einstellen. 3 Aber noch ein weiteres wichtiges Moment muss berücksichtigt werden: Beim Menschen und den Säugethieren geht jede an- strengende Thätigkeit der vorderen Extremität (Heben großer Lasten ete.) mit mehr oder weniger vollkommener Unbeweglichkeit Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 487 des Brustkorbes und des Zwerchfells einher. Denn, wenn die Muskeln, welche vom Stamm an die Extremität übertreten, eine nachhaltige Wirksamkeit entfalten sollen, so müssen sie in dem ersteren eine hinlänglich feste und sichere Stütze finden. Da aber die Feststel- lung der Brustwände sehr bald eine Sauerstoffverarmung des Blutes nach sich zieht, so können solche Muskelanstrengungen nie von Dauer sein. Sie müssen alsbald unterbrochen werden, damit die Athmung ihren Fortgang nehmen kann. | Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass bei der Flug- bewegung der Vögel die Rippen, das Sternum, und. vor Allem auch die Coracoide und die Furcula festgestellt werden müssen. Die Rippen, weil auf ihnen die Achse, um die sich der Flügel bewegt, das Schulterblatt, befestigt ist, das Brustbein, weil es den Brust- muskeln, den Hauptfaktoren der Flugbewegung, zum Ansatz dient, die Coracoide und die Furcula, weil sie als Strebepfeiler die feste Verbindung zwischen den beiden vorigen und zugleich eine feste Stütze für die Luftruder bilden müssen. Der Schultergürtel würde seine ganze Bedeutung einbüßen, wenn er bei der Bewegung der Flügel nicht feststände. Würden die Brustwände während des Fluges nicht fixirt, so würde die Kontraktion der Brustmuskeln nicht sogleich durch eine Senkung der Flügel, sondern zunächst durch eine Hebung des Brust- beins beantwortet werden, weil ja bei der Bewegung des letzteren ein viel geringerer Widerstand zu überwinden wäre als beim Nieder- ziehen der Flügel. Durch eine derartige Einrichtung ginge aber ein sroßer Theil der Muskelkraft, und zwar gerade die ergiebigste An- fangswirkung der Muskeln, für die Lokomotion verloren. Eine respiratorische Bewegung der Rippen ohne gleichzeitige Verschiebung des Sternums, wie sie von MAGnUs, SAPPEY und An- deren angenommen wird, lässt sich mit dem mechanischen Bau des Brustkorbes absolut nicht vereinigen. Die Fixation des Brustkorbes und damit auch des Schulter- gürtels kann leicht erreicht werden durch Verharren der Inspirations- muskeln im Kontraktionszustande. Die Processus uneinati und die Gelenkverbindungen der Rippen (Kniepresse!) begünstigen diese Fest- stellung in hohem Grade. | BE Nach all diesen Erwägungen komme ich zum Schlusse, dass die Durchlüftung des Athemapparates während des Fluges in ganz anderer Weise erfolgen muss, als in der Ruhe oder bei der Bewegung auf festem Boden, und es darf füglich ange- A88 Max Baer, nommen werden, dass besondere Athembewegungen neben den Flügelbewegungen nicht ausgeführt werden. Gewiss ist, dass der Respirationsapparat der Vögel auch im Fluge ausgezeichnet durchlüftet sein muss, denn bekanntermaßen wirkt nach bisher herrschenden Ansichten bei den Säugethieren die Muskelthätigkeit nur dadurch beschleunigend auf die Athembewe- sungen ein, dass sie den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäure- bildung bedeutend erhöht. Nun hat schon Hunter den Luftsäcken die Aufgabe zuge- schrieben, dem rasch dahinfliegenden Vogel als Luftreservoire zu dienen, eine Ansicht, die neuerdings nur wenig Berücksichtigung fand, die aber sicherlich sehr viel für sich hat. Für dieselbe spräche auch der Umstand, dass die Luftsäcke ein viel größeres Luftquantum zu fassen vermögen, als sie bei ruhiger Athmung aufnehmen. Allein, wie der Versuch zeigt, reicht der Vogel mit dem Luft- vorrath, der ihm nach höchstmöglicher (künstlicher) Füllung der Luftsäcke und Verschluss der Luftröhre zur Verfügung steht, kaum 21/, Minuten aus. Es müssen daher Vorrichtungen vorhanden sein, welche den Vogel in Stand setzen, auch bei festgestellten Brust- wänden die Athemluft zu erneuern. Eine derartige Einrichtung ist zweifelsohne in den axillaren und subpectoralen Säcken gegeben. Diese Säcke, die ja bei guten Fliegern besonders entwickelt sind, verändern nämlich bei den ver- schiedenen Phasen der Flügelbewegung regelmäßig ihr Volumen. Wenn man nach künstlicher Fixation des Brustkorbes die Luft- röhre eines frisch getödteten größeren Vogels mit einem Manometer verbindet, so beobachtet man, dass bei der passiven Bewegung des Flügels in der Richtung des Rückens die Luft angesaugt wird und bei der Bewegung in der Richtung der Brust die Luft nach außen strömt. Wird das Cavum der interelavieularen Säcke durch Öffnung der beiden Humeri mit der Außenluft in Kommunikation gesetzt, so werden bei Bewegung der Flügel in dem Manometer Druckschwan- kungen nicht mehr wahrgenommen. Verbindet man aber den durch- schnittenen Humerus mit dem Manometer und verschließt die Luft- röhre, so erhält man die gleichen Resultate wie bei dem ersten Versuche. Ferner sieht man beim Einblasen von Luft oder Einspritzen einer Injektionsmasse in die Trachea eines todten Vogels die Flügel vom Körper sich abheben und umgekehrt beim Ansaugen der Luft sich senken. Somit müssen auch durch das Heben und Senken der Flügel beim Fluge die Luftsäcke des axillaren und subpeetoralen Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 489 Raumes abwechselnd erweitert und verengert, und die Luft in Folge dessen eingesaugt und ausgestoßen werden. Auch der Versuch von G. BERT ist in diesem Sinne zu deuten (vgl. auch WEBER [57]). Bedenkt man nun, dass gute Flieger je nach ihrer Größe 3 bis 13 Flügelschläge in der Sekunde machen, so wird es klar, dass durch die Bewegung der Flügel ein sehr beträchtliches Luftquantum umgesetzt wird, ohne dass hierzu eigentlich ein besonderer Aufwand von Muskelarbeit nothwendig wäre. Es liegt aber die Vermuthung nahe, dass die bei schneller Vor- wärtsbewegung auf den Vogel einwirkende Luftdrucksteigerung zur Durehlüftung des Respirationstractus mit beiträgt, dass, indem der mit vorgestrecktem Kopf fliegende Vogel sich gleichsam in die Luft einbohrt, diese in dessen Nasenöffnungen einströmt und die Luftsäcke wie Fallschirme aufbläht. Dadurch stände dem Vogel ein ständiger Vorrath von Athemluft zur Verfügung, der dann durch das Pumpen- spiel der axillaren und subpectoralen Säcke in Cirkulation gesetzt würde; auch an eine Mitwirkung der Bauchpresse wäre zu denken. Zu bemerken ist, dass die Nasenlöcher der Vögel so beschaffen _ sind, dass sich die Luft in ihnen fangen muss. Schief nach vorn und außen gerichtet, sind sie verhältnismäßig groß und bei manchen sroßen Fliegern, wie Procellaria u. A., in eine Röhre mit vorstehen- den Rändern verlängert; auch bei Diomedea findet sich eine ähnliche Einrichtung. Dass ein derartiges Athmen aus Luftvorrath ohne jedwede Athem- bewegung möglich ist, beweisen folgende Versuche. Der Oberarm einer Krähe wurde geöffnet, die Luftröhre durch eine Trachealkanüle mit einem Gummigebläse verbunden und ein mäßig starker Luftstrom eingeblasen. Der Körper des Versuchs- thieres dehnte sich bedeutend aus, die Bauchdecke wurde straff ge- spannnt und die Athembewegungen sofort gänzlich eingestellt. Da- bei befand sich der Vogel offenbar ganz wohl und verrieth keinerlei Missbehagen (Apnoe). Die eingeblasene Luft strömte durch den Humerus wieder aus. Wurde die Lufteinblasung unterbrochen, so verstrich längere Zeit, bis die Athembewegungen wieder begannen. Die Athemzüge waren Anfangs schwach und erreichten erst allmählich die gewöhnliche Stärke. Mit dem gleichen Erfolge wurde die Luft durch den geöffneten Humerus oder eine in den hinteren thorakalen Sack eingelegte Kanüle eingeblasen, wobei sie dann durch die Luft- röhre ausströmte. Zu einem weiteren Versuche bediente ich mich eines Wasser- 490 Max Baer, strahlgebläses, mit dessen Ausblaseschlauch ich eine passende Glas- röhre verband. In das freie, leicht trichterförmig erweiterte Ende der letzteren wurde der Schnabel einer mit gestrecktem Kopf auf ein Brett befestigten, sonst aber intakten Taube bis über die Nasenlöcher eingeführt, derart, dass die Luft ringsum vorbeistreichen konnte. Sobald das Gebläse in Gang gesetzt wurde, blähte sich das Thier wie bei den vorigen Versuchen auf, die Athemzüge wurden seltener, äußerst oberflächlich kaum wahrnehmbar, aber es gelang nicht, die Athembewegungen vollkommen zum Stillstand zu bringen. Auch bei diesem Versuche, den ich mit kurzen Unterbrechungen über eine halbe Stunde aus- dehnte, äußerte das Versuchs- thier nicht das geringste Miss- behagen. Die Aufzeichnungen 15 und 15«@ veranschaulichen den Einfluss des Luftstromes auf die Athembewegungen. Kurven « Fie. XVII (Kurve 15). 15 und 15a zeigen die Bewegung des Brustbeines der ruhig ath- menden Taube, die Kurven 5 bei ein- wirkendem Luft- strom. Es hat somit folgende Annahme Fig. XVlla (Kurve 15a). viel Berechtigung: Die Luftsäcke sind Luftbehälter für den Flug. Sie setzen den fliegenden Vogel in Stand, sein Athembedürfnis in reichlichem Maße zu befriedigen, ohne besondere Athembewegungen auszu- führen; er athmet aus Luftvorrath, befindet sich also dauernd im Zustande der Apnoe. Aus den erwähnten Beziehungen der Flugbewegung zur Athmung erklärt sich auch das schnelle Eintreten von Athemnoth beim Herum- flattern im eingeschränkten Raume. Die Feststellung des Brustkorbes in Inspirationsstellung brächte den mechanischen Nutzen mit sich, dass die beiden Ansatzstellen der Brustmuskeln weiter aus einander zu liegen kämen, wodurch die aus- schlaggebende Wirkung dieser Muskeln erhöht würde. Sa Ä Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 491 2. Zum Chemismus der Athmung. Besteht in den Luftsäcken ein respiratorischer Gaswechsel ? Nachdem sich ergeben hat, dass sich die Rumpfluftsäcke durch Gefäßarmuth auszeichnen und die wenigen Gefäße derselben dem Körperkreislauf angehören, kann an eine Unterstützung der Blut- erfrischung durch die Luftsackwände wohl kaum gedacht werden. Auch die Vermuthungen älterer Forscher, dass die Luft durch Ver- mittelung der Luftsäcke, ohne Dazwischentreten des Blutes, einen direkten Gasaustausch mit den Gewebselementen des Körpers unter- halte oder dass ein Gaswechsel zwischen der Athemluft und den Kapillarsystemen des Körperkreislaufs stattfände, haben wenig Wahr- scheinlichkeit. Denn die dreischichtige, ziemlich dichte und offenbar auch saftarme Membran der Luftsäcke muss einen derartigen Diffu- sionsverkehr zum allermindesten sehr erschweren und verlangsamen, oder — was mich viel wahrscheinlicher dünkt — vollständig ver- hindern. Um mir Aufschluss darüber zu verschaffen, ob die Luft in den Luftsäcken eine Veränderung in ihrer chemischen Zusammensetzung erleide, machte ich wiederholt den Versuch, durch die unmittelbar am Brusteingang quer durch- schnittene Luftröhre einen feinen Lungenkatheter in einen der bronchialen Zugänge der Luftsäcke einzuführen und so die freie Verbindung zwischen Luftsack und Lungen aufzuheben. Ich hätte alsdann von außen her eine Kanüle in den betreffenden Sack eingelegt, einen konstanten Luftstrom lang- sam durch den Luftsack hindurchgeführt (Katheter-Luftsack-Kanüle) und diese Luft chemisch untersucht. Von der Ausführung dieses Versuches musste leider Abstand genommen werden, weil es niemals gelang, den Katheter durch den unteren Kehlkopf hindurchzubringen. Wesentlich anders gestalten sich diese Verhältnisse in den luft- haltigen Knochenhöhien: Es wurde gezeigt, dass die häutige Aus- kleidung dieser Räume ziemlich enge Netze und Geflechte von wirk- lichen Kapillargefäßen aufweisen, die theilweise nur von einem ein- schichtigen zarten Plattenepithel bedeckt sind. Diese Einrichtung im Verein mit der von mir nachgewiesenen Durchlüftung dieser Hohlräume ließen voraussetzen, dass hier ein direkter Austausch zwischen Blutgasen und Athemluft stattfinde, eine Vermuthung, die denn auch durch folgenden Versuch ihre Bestätigung fand: In den Oberarm einer 2!/, Jahre alten Gans, etwas distal vom Sehultergelenk, wurde eine kreisrunde 4 mm weite Öffnung einge- 492 Max Baer, bohrt! und von dieser aus die Verbindung der Knochenhöhle mit dem Achselsack durch Austamponiren des obersten Endes der ersteren mit feuchter Watte und physiologischer Thonmischung aufgehoben. Eine zweite Öffnung wurde in der Nähe des unteren Knochenendes angebracht. In jede der beiden Öffnungen wurde eine kurze Glas- röhre luftdieht eingekittet und diese durch Gummischläuche mit je einer Gaswaschflasche verbunden, von denen die eine koncentrirte Kalilauge (Flasche IT), die andere klares Kalkwasser (Flasche ID) enthielt. Die Flasche II wurde wiederum mit einem Doppelaspirator in Verbindung gebracht. Die aspirirte Luft passirte also, nachdem sie ihre Kohlensäure an die Kalilauge der Flasche I abgegeben hatte, den Hohlraum des Knochens und dann die mit Kalkwasser be- schickte Flasche I. Vor der Einleitung des Versuchs wurde die Tamponade auf ihre Dichtigkeit geprüft und die Knochenhöhle gut durchlüftet. Etwa 8 Minuten nach dem Beginn des Versuchs trat in dem Kalkwasser milchige Trübung ein, die sich allmählich zu einem fein- körnigen Niederschlag von kohlensaurem Kalk gestaltete. Durch obiges Ergebnis ist der bestimmte Beweis erbracht, dass in den Hohlräumen der pneumatischen Knochen Kohlen- säure in geringem Maße ausgeschieden und wahrschein- lich auch Sauerstoff aufgenommen wird. Ist die auf diesem Wege dem Blut zugeführte Sauerstoffmenge auch nur gering, so ist dennoch die schon von OwENn ausgesprochene Vermuthung, »es sei eine der Funktionen dieser Räume in einer förmlichen Respiration zu suchen«, vollauf begründet. Der etwaige Einwurf, dass die pneumatischen Membranen keine eigentlichen Lungengefäße enthalten, müsste als nicht stichhaltig zurückgewiesen werden, denn wenn die Kapillargefäße wie andere ernährende Kapillaren Kohlensäure aus dem Gewebe aufnehmen, so können sie dieselbe doch sogleich wieder an die sie umspülende Luft abgeben: »Wo auch immer das Blut mit der Atmosphäre in einen die Diffusion zulassenden Kontakt kommt, muss in derselben Weise wie in den Lungen ein auf Ausgleich etwaiger Spannungsverschie- denheiten hinzielender Gasaustausch eintreten< (HERMANN, Lehrbuch der Physiologie. Man denke nur an die Haut- und Darmathmung, 1 Der erste von mir angestellte Versuch scheiterte an einer heftigen Blutung, die sich bei der Bohrung dieses Loches einstellte. Bei den weiteren Versuchen gelang es, die Blutungen mit dem Thermokauter zu stillen. Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 493 die ja bei manchen niederen Thieren allein zur Unterhaltung des ganzen Stoffwechsels genügen. Über die Bedeutung des pneumatischen Apparates für die Ver- minderung des Gesammtgewichtes und dessen sonstige Beziehungen zur Flugbewegung, die Verwendung der Luftsäcke zur Stimmbildung ete. ist kaum etwas Neues zu sagen; hingegen möchte ich auf einen Punkt, nämlich die Bedeutung der Luftsäcke für die Wärme- ökonomie noch kurz eingehen. In allerneuester Zeit wurde von Vescoviı (55) die früher schon von CAmPpAanA geäußerte Meinung wieder aufgefrischt, dass in den Luftsäcken Zwecks Aufrechterhaltung der Homöothermie beträchtliche, aus dem Blute stammende Wassermengen zur Ausscheidung gelangen. Mit dieser Auffassung kann ich mich um so weniger befreunden, als CAMPANA sowohl wie VEscovı auf die Gefäßarmuth der Luftsack- wände sich stützend, deren Bedeutungslosigkeit für die Bluterfrischung ausdrücklich hervorheben. Es ist ja durch zahlreiche Untersuchungen erwiesen, dass auch bei den Vögeln die ausgeathmete Luft für ihre Temperatur mit Wasserdampf gesättigt ist, und ich habe mich durch eigene Messungen! davon überzeugt, dass die in den Luftsäcken eirkulirende Luft an- nähernd die gleiche Temperatur aufweist wie der Vogelkörper selbst; aber es wäre vollkommen falsch, die Verdunstung des Wassers und die Erwärmung der Luft in den Luftsäcken allein suchen zu wollen. Woher sollte auch das in den Luftsäcken abgedunstete Wasser stammen, wenn sich deren Wände durch Gefäßarmuth auszeichnen ? Wollte man aber annehmen, die durch die ausgeathmete Luft ent- führte Wassermenge würde aus den die Luftsäcke umgebenden Ge- weben durch die Luftsackmembran hindurch diffundiren, so stünde auch der Annahme, dass gleichzeitig eine respiratorische Gasdiffusion stattfände, durchaus nichts entgegen. Allein schon MıLne EpwArps (1857) und LomBArD (1868) weisen darauf hin — und ihre Auffassung ist jetzt allgemein zur Geltung gelangt —, dass bei den Säugern die Luft bereits auf dem Wege zu i Durch eine von außen her angebrachte Öffnung wurde ein gut schließen- des Maximalthermometer in den hinteren thorakalen Sack einer Taube ein- geführt. Dasselbe zeigte schon nach kurzer Zeit 40,8° C., bei einer Körper- temperatur von 41,5° (per anum gemessen) und einer Umgebungstemperatur von 16° BIELETZKY giebt für die Luftsäcke der Ente eine Temperatur von nur 35,8° C. an. 494 Max Baer, den Alveolen vorgewärmt und mit Wasserdampf erfüllt wird. Es ist aber durchaus kein Grund vorhanden anzunehmen, dass bei den Vögeln die Sättigung der Athemluft mit Wasserdampf nicht ebenfalls in den Luftwegen und Lungen geschieht. Nichtsdestoweniger müssen mit Rücksicht auf die Abwesenheit von Schweißdrüsen, die Luftsäcke bei der Wasserverdunstung und Wärmeregulation in so fern eine wichtige Rolle spielen, als eben durch ihre Vermittelung verhältnismäßig viel größere Luftmengen den Athemapparat passiren als bei den Säugethieren. Schiussfolgerungen. Fasse ich die Hauptergebnisse vorliegender Abhandlung kurz zu- sammen, so gestalten sich dieselben wie folgt: Die Luftsäcke der Vögel müssen allgemein als gefäßarm be- zeichnet werden. Die wenigen ihrer Ernährung dienenden Gefäße gehören dem Körperkreislauf an; die Arterien nehmen aus dem Aortensystem ihren Ursprung, die Venen entleeren sich direkt oder indirekt in die Hohlvenen. Kapillarnetze fehlen vollständig. Die Luftsäcke können somit nicht als Vergrößerung der eigentlichen Athemoberfläche betrachtet werden. Hingegen sind es andere Organisationsverhältnisse, welche die Vögel in Stand setzen, ihr bei der Flugarbeit außerordentlich ge- steigertes Sauerstoffbedürfnis auch in wenig dichten sauerstoffarmen Luftregionen zu befriedigen, in denen kein anderer Warmblüter aus- zudauern vermag. Lungen und Luftsäcke haben sich in das Athemgeschäft ge- theilt und durch diese Arbeitstheilung wurde ein Apparat geschaffen, der auch den höchsten Ansprüchen gewachsen ist. Die Lungen, welche fast ausschließlich den chemischen Vorgängen, dem Gaswechsel zwischen Blut und Umgebungsmedium dienen, sind, wenn äußerlich auch von verhältnismäßig geringem Volumen, mit einem Reichthum an Kapillargefäßen ausgestattet, der von dem- jenigen der leistungsfähigsten Säuger auch nicht annähernd erreicht wird. — Koncentration des respirirenden Parenchyms. — Diese Ka- pillaren sind zudem vollständig nackt und derart angeordnet, dass der größte Theil ihrer Oberfläche mit der Luft in Berührung kommt. In diesem Sinne könnte man allerdings von einer Vergrößerung der Athemfläche sprechen. Aufgabe aber der mächtig entwickelten Luftsäcke ist es, be- ständig große Mengen Luft an dem mit großer Geschwindigkeit Beitr. zur Kenntn. der Anat. u. Physiol. der Athemwerkz. bei d. Vögeln. 495 kreisenden Lungenblut! vorbeizujagen und zwar einer Luft von stets gleicher Zusammensetzung. Die vom Blute ausgeschiedene Kohlen- säure wird unverzüglich aus den Lungen hinausgefegt und gleich- zeitig dem Blute reichliche Gelegenheit geboten, Sauerstoff aufzu- nehmen. Die Erledigung der Frage, ob etwa das Blut der Vögel hämo- globinreicher ist oder ob das Hämoglobin dieser Thiere eine größere Affinität zum Sauerstoff zeigt, als das der übrigen Warmblüter, muss der Zukunft überlassen bleiben. Gewiss ist: Der Gasaustausch zwischen Blut und Athem- luft vollzieht sich bei den Vögeln zwar in einem räumlich eingeschränkten Organe, aber mit außerordentlicher Ge- schwindigkeit und Intensität. Hierzu kommt die höchst zweckmäßige Verwerthung der loko- motorischen Muskelarbeit und der Lokomotion selbst für die Luft- erneuerung. Bemerkt sei noch, dass sämmtliche Wandervögel bei ihrer Reise beträchtliche Höhen einhalten; so ist selbst für die niedrig ziehenden Brachvögel eine Höhe von 3—5000 m festgestellt worden; es wird aber als sehr wahrscheinlich angenommen, dass manche Zugvögel in der staunenerregenden Höhe von 10000 bis 12000 m ziehen (nach GÄTEE). Mit Rücksicht hierauf dürfen auch für die unter gewöhnlichen Lebensverhältnissen in Höhen von etwa 6000 m emporsteigenden Vögel (Condor, Geier ete.) besondere anatomische Einrichtungen nicht vorausgesetzt werden. Verzeichnis der angeführten Werke, 1. J. A. ALBERS, Versuche über das Athemholen der Vögel. (Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Thiere. Bremen 1802.) 2. WILLAND GEPYS ALLEn, On the respiration of Birds. (Philosoph. Transaect. 1829. p. 270.) | 3. BLUMENBACH, Handbuch der vergleichenden Anatomie. Göttingen 1824. F. E. BEDDARD, Note on the air-sacs of the Cassowary. (Proc. Zoolog. Soc. 1886, p. 145.) Mr ! Nach HrrInG und VIERORDT beträgt die mittlere Umlautsgeschwindig- keit bei Vögeln 1—11 Sekunden, je nach der Größe. Sarpky giebt 5 Minu- ten an (!). 496 [0 6) Max Baer, BERGMANN u. LEUKART, Anatomisch-physiologische Übersicht des Thier- reiches. 1855. PAuL BERT, Lecons sur la respiration. Paris 1870. Derselbe, Recherches experimentales sur l’influence que les modifications dans la pression barometrigue exercent sur les phenomenes de la vie. (Ann. d. seiene. nat. Zoolog. Ser. V. T. XX. 1874.) N. BIELETZKY, Resultate der Messungen der Athemhöhlen der Ente. Charkow 1878. (Russisch.) Fanny BiıGxon, Pneumaticite chez les oiseaux. Lille 1889. H. BoULART, Note sur un systeme particulier des sacs a@riens observ& chez quelques oiseaux. (Journ. d’Anat. et Physiol. 1882. p. 467.) CAmPANA, Physiologie de la respiration chez les oiseaux ete. Paris 1875 Nicht zugänglich.) Carus, Tabul. 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Buchstabenerklärung (alphabetisch). 4.8, abdominaler Sack; Lg, Lunge; Az.S, axillarer Sack; M, Magen; A.Z, abdominales Zwerchfell; Nr, Niere; B.m, Brustmuskulatur; Oe, Ösophagus; C.C1.S, eardialer Fortsatz des elavicu- pr.S, sog. präcardialer Sack; laren Sackes; p.Z, pulmonales Zwerchfell; Cd, Coracoid; R, Rippe; Ci, Clavicula; Rm, Rückenmark; C1.S, elavicularer Sack; S.ıt, Canales intertransversarii; Cv.S, cervicaler Sack; Sp, spinaler Theil des clavieularen D, Darm; Sackes; Hm, Humerus; Spr.S, suprarenale Parthie des abdomi- Hp, Hüftgelenkspfanne; nalen Sackes; h.th.S, hinterer diaphragmatischer Sp.S, subpectoraler Sack; (thorakaler) Sack; St, Sternum; H.w.S, Halswirbelsäule; T, Trachea; Hz, Herz; v.Cv.S, vertebrale Fortsätze des clavi- Iel, interelavieularer Theil des clavi- eularen Sackes; cularen Sackes; v.th.S, vorderer diaphragmatischer Lb, Leber; (thorakaler) Sack. L.c, Muse. longissimus colli; Tafel XXI und XXIL. Fig. 1. Querschnitt durch die Lungenpfeifen des Raben; Doppelinjektions- präparat. Vergr.: SEIBERT, Oec. I, Obj. 1. Fig. 2. Epithel der Luftsäcke der Taube, versilbert. Vergr.: SEIBERT, Oe.-T, Obj. V: Die folgenden Figuren sind nach Präparaten gezeichnet, in denen die Luft- säcke mit farbiger Gelatine injieirt wurden. Fig. 3a. Columba livia, die Luftsäcke präparirt, von oben gesehen. Fig. 35. Columba livia, Querschnitt durch den Hals (halbschematisch nach SAPPEY). Fig. 4 Corvus corone, Gefrierpräparat, Horizontalschnitt durch das distale Ende der Vertebralrippen. Fig. 5. Garrulus glandarius, Gefrierpräparat, medianer Längsschnitt. Fig. 6, 7, 8 u. 9. Garrulus glandarius, Gefrierpräparate: Fig. 6. Querschnitt im Niveau des letzten Halswirbels. Fig. 7. Querschnitt im Niveau des dritten Rückenwirbels. Fig. Querschnitt im Niveau des fünften Rückenwirbels. © @ Fig. Querschnitt im Niveau des ersten Schwanzwirbels. Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane und des sensiblen Nervensystems der Arthropoden. Von Dr. 0. vom Rath (Freiburg i. B.). Mit Tafel XXIII und XXIV. Die überraschenden Resultate, welche mit der Methylenblau- methode (EnrLıcH) und dem Chromsilberverfahren (GoL6ı) über den feineren Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane bei Vertebraten und Evertebraten gewonnen wurden, bestimmten mich, diese beiden Methoden auch bei den Arthropoden zu versuchen, bei welchen diese Methoden, wenigstens was die Hautsinnesorgane und das sensible Nervensystem betrifft, noch recht wenig oder erfolglos von den Autoren in Anwendung gebracht waren. Als ich meine Unter- suchungen begann, lagen, so viel mir bekannt ist, von beachtens- werthen diesbezüglichen Mittheilungen, nur einige kurze Angaben von RETZIUS vor, die aber mit meinen, mit anderen Methoden festge- stellten Befunden, sehr wenig übereinstimmten. Dieser verdienstvolle “Autor hatte bei Anwendung der Methylenblaumethode in der Haut von 10. vom Rara, 1) Beiträge zur Kenntnis der Chilognathen.- Inaugural- Dissertation. Bonn 1886. — 2) Die Sinnesorgane der Antenne und der Unter- lippe der Chilognathen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXVII. 1886. — 3) Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Vorl. Mittheil. Zool. Anz. 1887. — 4) Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XLVI. 1888. — 5) Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane der Crustaceen. Zool. Anz. 1891. — 6) Über die von C. CLaus beschriebene Nervenendigung in den Sinneshaaren der Crusta- ceen. Zool. Anz. 1892. — 7) Über die Nervenendigungen der Hautsinnesorgane der Arthropoden nach Behandlung mit der Methylenblau- und Chromsilber- methode. Berichte der naturf. Gesellsch. zu Freiburg. Bd. IX. 1894. — 8) Zur Konservirungstechnik. Anz. XI. Bd. Nr. 9. 18 Anat. 9. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 33 500 OÖ. vom Rath, Astacus und Palaemon frei und verästelt auslaufende Nervenfasern gesehen, welche sämmtlichen früheren Autoren und auch mir niemals zur Anschauung gekommen sind. Ich habe nun mit den beiden neuen Methoden, bei Myriapoden, Insekten und Crustaceen Resultate erzielt und beschrieben (Nr. 7), welche mit den eben erwähnten Angaben von Rerzıus in schroffem Widerspruch standen, die sich aber mit meinen früheren Befunden recht gut vereinigen ließen. Seit dieser Publikation (Nr. 7) habe ich meine Untersuchungen mit beiden neuen Methoden fortgesetzt und gelegentlich eines längeren Aufenthaltes an der zoologischen Station in Neapel, im Frühjahr vorigen Jahres, viele Crustaceen zumal aber Palaemon mit den in Rede stehenden Methoden untersucht. Im Folgenden will ich außer meinen neuen Resultaten, auch die wichtigsten meiner früheren Angaben (Nr. 7) noch einmal besprechen, da meine Publikation in einer Zeitschrift erschien, welche nicht allen Autoren auf diesem Gebiete leicht zu- sänglich ist. A. Allgemeiner Theil. Wie ich bereits in meinen älteren Schriften hervorhob, kann bei dem meist harten Chitinpanzer der Arthropoden eine Sinneswahr- nehmung (mit Ausnahme des Sehens) nur an solchen Stellen der Haut stattfinden, wo das Chitin durch einen Porenkanal durchsetzt ist, und letzterem ein mehr oder weniger stark modifieirtes Haargebilde auf- sitzt. Es unterscheiden sich nun typische Sinneshaare von gewöhn- lichen Borsten äußerlich vielfach gar nicht und sind nur durch die zu ihnen gehörigen Sinneszellen als Sinnesorgane charakterisirt; in man- chen Fällen haben allerdings die Sinneshaare eigenartige Formen, die als Kegel, Keulen, Kolben, Zapfen, Cylinder, Schläuche, Griffel, Fäden, Fiederborsten, Halbfiederborsten ete. beschrieben wurden. So verschiedenartig und vielgestaltig nun auch die Sinneshaare aus- sehen mögen, so sind sie doch alle durch Übergänge unter einander verbunden, und es ist oft recht schwer, aus der Bauart eines solchen Haargebildes allein auf die physiologische Bedeutung desselben einen berechtigten Schluss zu ziehen. Experimentelle Untersuchungen werden dadurch sehr erschwert, dass vielfach ganz verschiedenartige Haargebilde, aber mit der gleichen Nervenendigungsweise, direkt neben einander und auf ganz verschiedenen Theilen des Körpers desselben Thieres gefunden werden. Schon mehrfach wies ich darauf hin, dass eine genaue Kenntnis der Verbreitung der Sinnes- haare und des feineren Baues der nervösen Endapparate derselben, Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. ete. 501 die nothwendige Voraussetzung für rationelle physiologische Versuche bildet. Ich beschrieb in meinen früheren Schriften (Nr. 1—7) bei Myria- poden, Insekten, Crustaceen und Spinnen Hautsinnesorgane, die ich auf allen Theilen des Körpers beobachtete. Sinneshaare fand ich auf den Antennen (auch den zweiten Antennen der Crustaceen und ihren Schuppen); ferner auf sämmtlichen Mundwerkzeugen und deren An- hängen; ich stellte ihr Vorkommen, zumal bei den Crustaceen, auf sämmtlichen Beinpaaren fest, ferner sah ich sie bei vielen Krebsen auf den Abdominalanhängen und frei auf dem Körper stehend; bei den Insekten fand ich Sinneshaare auch auf den Abdominalgriffeln; bei den Skorpionen machte ich auf die Sinneshaare der Kämme aufmerksam. Auch bei allen Spinnen findet man bekanntlich typi- sche Sinneshaare auf den Kiefertastern und den Beinen. Eine sehr sroße Verbreitung von Sinneshaaren konstatirte ich dann bei Cirripe- dien, z. B. Lepas, indem ich auf sämmtlichen Gliedern eine auffallend sroße Zahl von Haaren mit zugehörigen Sinneszellen wahrnehmen konnte (Nr. 7, Fig. 1). Als ich nun auch bei Apus und Branchipus fast unter jedem Haargebilde unverkennbare Sinneszellen auffand, kam mir mehrfach der Gedanke, dass bei einigen Arthropoden alle Haargebilde, mit Ausnahme der Drüsenhaare, einer Sinnesvermittlung dienen könnten. Bei Anwendung der Chromsilbermethode fand ich dann auch (Nr. 7), dass wenigstens bei Niphargus puteanus alle Haargebilde des gesammten Körpers innervirt waren und auch solche, bei welchen ich bei Benutzung der früheren Methoden weder zugehörige Nervenfasern noch Sinneszellen habe erkennen können. Wie wir weiter unten noch näher besprechen werden, fand ich eine Innervi- rung sämmtlicher Haare des Körpers auch neuerdings bei Asellus aquaticus. Da ich nun auf Grund meiner mit den beiden neuen Methoden eruirten, völlig übereinstimmenden Resultate, meine frühere Auffassung des feineren Baues des nervösen Apparates der Haut- sinnesorgane, der Arthropoden in einigen Punkten medifieiren musste, will ich, ehe ich zu einer speciellen Besprechung meiner neuen Er- gebnisse übergehe, zuvor in Kürze wiederholen, wie ich den Bau der nervösen Endapparate in den Hautsinnesorganen der Gliederfüßler früher beschrieben habe: | »Unterhalb der Basis eines jeden einer Sinnesfunktion dienenden Sinneshaares eines Arthropoden liegt in der Mehrzahl der Fälle bald in der Hypodermis selbst, bald weiter von derselben entfernt, eine Gruppe bipolarer Sinneszellen die mit Nervenfasern direkt in Ver- 33* 502 O0. vom Rath, bindung stehen; diese Zellgruppen wurden von den Autoren als Ganglien bezeichnet, da dieselben aber nichts Anderes als pereipirende Epithelzellen sind, schlug ich für sie den Namen »Sinneszellen« vor, ohne aber damit einen strengen physiologischen Unterschied zwischen Ganglien- und Sinneszellen behaupten zu wollen. Weniger häufig sind die Fälle, bei welchen unterhalb eines Sinneshaares nur eine, meist große, bipolare, Sinneszelle gefunden wird. Es giebt übrigens auch Übergänge zwischen diesen beiden Typen, indem manches Mal nur einige wenige Sinneszellen zu jedem Sinneshaar gehören, z. B. bei niederen Crustaceen. Die Gruppen der Sinneszellen sind oft ei- oder birnförmig, oft auch langgestreckt und bandförmig. Bei- läufig möchte ich hier bemerken, dass ich bei Astacus fluviatilis und anderen Arthropoden, bei Individuen gleich nach der Häutung, die Sinneszellengruppen auffallend lang gestreckt und weit von der Hypodermis entfernt liegend gesehen habe, während ich die- selben bei Thieren derselben Species, zu anderen Zeiten, birn- förmig und dicht unter den Sinneshaaren antraf. Nach der ge- läufigen Anschauungsweise soll der an die Sinneszellen (Ganglien- zellen der Autoren) antretende, vom Centralorgan herkommende Nerv, das Ganglion seiner Länge nach durchsetzen und dann in das Sinneshaar eintreten. Ich habe mich aber in sehr vielen Fällen mit absoluter Sicherheit davon überzeugen können, dass der Nerv keines- wegs durch die Gruppe der Sinneszellen hindurchtritt und die Sinnes- zellen etwa wie die Beeren einer Traube den Nervenfibrillen ansitzen, der Nerv fasert sich vielmehr unterhalb der Sinneszellen auf und siebt an jede Sinneszelle eine Faser ab; am vorderen distalen Theile der Sinneszellengruppen sah ich dann deutlich wie die protoplas- matischen Fortsätze der einzelnen Sinneszellen sich zu einem fein- streifigen Bündel, einem »Terminalstrang« zusammenlegen, welcher seinerseits in das Haar eintritt und seine streifige Natur bis zur Spitze des Haares deutlich erkennen lässt. Der Inhalt des Sinnes- haares besteht demgemäß nicht eigentlich aus einem Nerven, sondern aus den vereinigten Fortsätzen sensibler Epithelzellen. Außer dem Terminalstrang wird das Lumen der Sinneshaare noch von Fortsätzen einiger Hypodermiszellen, den Matrixzellen des Haares, ausgefüllt. Jede Gruppe von Sinneszellen ist mit einer bindegewebigen Hülle umkleidet, die aus flachen Zellen mit abgeplatteten Kernen besteht; in gleicher Weise ist der distale Fortsatz (Plasmafortsatz) und der proximale (nervöse Fortsatz) von solchen flachen Zellen umhüllt; es sind Neurilemmzellen. Wenn nun die Gruppen der Sinneszellen in Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 503 srößerer Zahl neben einander liegen und eine Strecke weit von der Hypodermis und den Sinneshaaren entfernt sind, wie es bei den Orustaceen sehr häufig der Fall ist, findet man zwischen den Ter- minalsträngen dunkel tingirte Kerne, welche langgestreckten Hypo- dermiszellen angehören. Diese letzteren Zellen haben einige Autoren zu der unrichtigen Auffassung von zwei hinter einander liegenden Gruppen von Ganglienzellen verführt, in Wirklichkeit findet man aber stets nur eine Gruppe von Sinneszellen, und die zwischen dieser Gruppe und dem Sinneshaar gelegenen Zellen sind nichts Anderes als gewöhnliche Hypodermiszellen (Stützzellen).« Diese früher eingehend beschriebenen Befunde habe ich seither bei Anwendung besserer Methoden stets nur bestätigen können; auch die Arachnoideen, die ich nur beiläufig untersucht hatte, habe ich inzwischen auf ihre Hautsinnesorgane genauer geprüft und ge- funden, dass bei allen Spinnenthieren, trotz einer großen Mannig- faltigkeit im Bau der verschiedenen Sinneshaare, der nervöse End- apparat ebenfalls überall der gleiche ist und mit den von mir für Myriapoden, Insekten und Crustaceen beschriebenen Befunden auf das genaueste übereinstimmt. Ein direkter Zusammenhang von sensiblen Epithelzellen (Sinneszellen) mit Nerven- fasern war somit für sämmtliche Klassen der Arthropoden nachgewiesen. In schroffem Gegensatz zu diesen Befunden standen nun die mit der Methylenblaumethode bei Crustaceen eruirten Resultate von RETZIUS. Bei Anwendung der Methylenblaufärbung fand Rerzıus in der Haut von Palaemon, bei Thieren kurz nach der Häutung, Nerven- fasern, die sich in wahrhaft erstaunenswerther Menge verzweigten. »Im Telson und in den Seitenlappen der Schwanzflosse sieht man vom Schwanzganglion große Nervenzweige austreten, welche größten- theils nach den hinteren und den seitlichen Rändern ziehen, um sich in einzelne Bündel oder einzelne Fasern zu verzweigen, an welchen hier und da längliche Kerne zu unterscheiden sind. Wenn diese Nerven- fasern sich den Rändern genähert haben, lösen sie sich büschel- förmig auf, um mit feinen, perlschnurähnlichen Ästehen das an- liegende Gewebe zu durchspinnen, in der Epidermislage sich zu verzweigen und dann nach den zahlreichen Randborsten zu ziehen. Hier bleiben sie aber nicht an der Basis der Borsten, sondern dringen in die Anhänge hinein und durchziehen unter reichlicher Verzweigung die weiche Substanz derselben bis an das Ende dieser Substanz, 504 OÖ. vom Rath, In dieser Weise ist jeder Anhang von feinen Nervenfäserchen durch- sponnen. Jede Borste der Lappen der Schwanzflosse ist offenbar ein sensibles, Nervenfäserchen enthaltendes Organ. Und ein gleiches Verhalten findet sich überall am Körper. Die zahlreichen borsten- artigen Anhänge enthalten in ihrem Inneren feine Nervenfäserchen und sind offenbar sensible Organe. Periphere Ganglienzellen sind nicht vorhanden, die im Verlauf der Nervenfasern vorkommenden Kerne gehören den Scheiden dieser Fasern an. In die Antennen, sowohl die längeren wie die kürzeren, treten bekanntlich recht große Nervenbündel ein. Es verhalten die Nerven- fasern sich dort in ganz ähnlicher Weise. Jede Nervenfaser trägt in gewissen Entfernungen ovale Kerne und sendet hier und da feine Seitenzweige ab, welche sich in feine Ästehen auflösen, wonach die Hauptfaser selbst in Büschel feiner Ästchen zerfällt, welche sich an die Epidermis anlegen und in ihr endigen. Besondere Endorgane sind nicht vorhanden, eben so wenig periphere Ganglienzellen; die Kerne gehören hier, wie sonst bei den sensiblen Nervenfasern, welche nach den Endigungen ziehen, nur den Scheiden an. Zum Gehörorgan zweigen sich von dem Nervenast der Anten- nula Fasern ab, welche sich unter der Gehörgrube nach einer kern- haltigen, spindelförmigen Anschwellung in einer chromatophoren- reichen Zellenschicht in feine Faserbüschel auflösen; ihre Endigung in den Hörborsten konnte ich leider nicht beobachten.« (RETZIUS, Biologische Untersuchungen, Neue Folge I, Stockholm 1890.) Die wichtigsten hierhergehörigen Abbildungen befinden sich auf Tafel XIV, Fig. 4 und Fig. 5. Ferner hat Rerzıus auf Tafel XII, Fig. 12 Endigungen sensitorischer Nervenfasern in der Epidermis von Palaemon squilla am Thorax abgebildet; bei e) sehen wir feinste Ver- ästelungen der Nervenfäserchen zwischen den Zellen der Epidermis. Ich mache des Weiteren noch auf Fig. 13 der Tafel XIII aufmerksam, welche eine gelbe Pigmentzelle darstellt, deren Äste von perlschnur- artigen Nervenfäserchen umsponnen sind. In einer anderen Arbeit hat nun Rerzıus seine Ansicht über die Hautsinnesorgane der Crustaceen einigermaßen modifieirt, und ich will die betreffende Stelle ebenfalls zur Vermeidung von Missverständ- nissen wörtlich eitiren: »Bei Insekten und Crustaceen sind schon längst von LEYDIG u. A. gewisse Sinneszellen im oder dicht unter dem Körperepithel beschrieben worden, welche viele Ähnlichkeit mit denjenigen der Polychäten und Mollusken darbieten. Bei den Crustaceen (Palaemon) Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 505 sah ich indessen in Präparaten, die mit Methylenblau gefärbt waren, die peripherischen Enden der in der Hautschicht endigenden Nerven- fasern reichlich verästelt (Biol. Unt., N. F. I, 1); es ist nun möglich, dass die an diesen Fasern von mir dieht vor ihrer Endverzweigung beobachteten Kerne, welche ich als Scheidenkerne gedeutet habe, in der That die gesuchten sensiblen Nervenzellen sind. Bei den Crusta- ceen wie bei den Articulaten im Allgemeinen, ist unsere Kennt- nis vom sensiblen Nervensystem sehr mangelhaft. Hier müssen neue Untersuchungen vorgenommen werden, welche diese große Lücke ausfüllen. Gerade bei diesen Thieren ist wohl das Übergangs- stadium zwischen den Verhältnissen bei den Würmern (und Mollusken) einerseits und den Wirbelthieren andererseits zu suchen. Die von mir mit der Chromsilbermethode gemachten Versuche, diese Frage zu ermitteln, scheiterten leider bis jetzt; man muss, um auf diesem Gebiete Erfolge zu gewinnen, die verschiedensten Repräsentanten der fraglichen Thiere zur Verfügung haben.« (Biol. Unters. von G. RETzIUS, Nu IV, 1892; p. 52.) Die erste oben eitirte Angabe von RrTzıuS über die anisinmest organe von Palaemon musste mich sehr befremden, da bei diesem Krebse unterhalb der Sinneshaare keine Sinneszellen liegen und die Nervenfasern sich in einiger Entfernung unterhalb der Haare sich verästeln sollen, ja in den Sinneshaaren selbst hat dieser Autor noch feine Verästelungen erkennen können. Ich selbst hatte bereits 1888 in Neapel Palaemon mit den damals üblichen Methoden und auch mit Ösmiumgemischen auf die Hautsinnesorgane untersucht und unter der Basis der Sinneshaare sehr deutlich Sinneszellengruppen wahrnehmen können, deren einzelne Zellen ihre distalen Fortsätze in die Haare schickten. Wenn ich nun auch keinen Augenblick an der: Richtigkeit meiner älteren Befunde zweifelte, schien es mir immerhin möglich, dass außer diesen Nervenfasern, die direkt mit terminalen Sinnes- zellen in Verbindung stehen, noch frei und womöglich verästelt aus- laufende Fasern vorhanden sein könnten, die nur bei Anwendung der beiden neuen Methoden zur Anschauung kommen. Zwei Formen von Nervenendigungen, und zwar solche mit terminalen Sinneszellen und mit frei und verzweigt auslaufenden Endfasern, sind bekanntlich so- wohl bei Vertebraten als Evertebraten, beispielsweise in der Haut von Lumbrieus, festgestellt worden. Als nun REtzıus in seiner zweiten Mit- theilung die Möglichkeit betonte, dass die früher von ihm als Scheiden- kerne der Nerven gedeuteten Kerne, die Kerne der gesuchten Sinnes- zellen sein könnten, traf dieser Autor (wie ich Nr. 7 bemerkte) 506 . O0. vom Rath, vollkommen das Rechte. Ich wies in der eitirten Arbeit mit Nach- druck darauf hin, dass es bei der Anwendung der Methylenblau- und Chromsilbermethode unbedingt nothwendig ist, dasselbe Objekt neben- her mit bewährten anderen Methoden zu untersuchen. Beide neuen Methoden sind bekanntlich recht launisch, und es werden meist nur eine oder einige wenige Zellen aus jeder Sinneszellensruppe gefärbt oder imprägnirt; ferner ist von einem Erkennen der feineren Struktur der Zellen und ihrer Fortsätze sowie der Kerne meist so gut wie gar keine Rede. Ich empfahl für Kontrollpräparate meine Pikrinessig- osmiumsäure und meine Mischung von Pikrinessig mit Platinchlorid- osmiumsäure (cf. Anatom. Anz. XI. Bd. Nr. 9, 1895). Im Großen und Ganzen waren meine bereits früher publieirten wie neu eruirten Resultate bei der Anwendung der beiden neuen Verfahren völlig übereinstimmend und standen in direktem Gegen- satz zu den Angaben von Rerzıus!. Da ich für meine erste Publi- kation (Nr. 7) bei Palaemon die Methylenblau- und Chromsilber- methode nicht in Anwendung bringen konnte, weil mir kein lebendes Material zur Verfügung stand, wählte ich Arthropoden des süßen Wassers und Thiere, die auf dem Lande leben, aus. Aus dem bereits auf p. 500 erwähnten Grunde wiederhole ich im Folgenden einige meiner früheren Angaben und bespreche meine alten wie neuen Resultate neben einander. Bei den Myriapoden, Insekten und Spinnen habe ich nur die Chromsilbermethode, bei den Crustaceen dagegen bei einigen Species sowohl die Chromsilber- als die Methylenblaumethode neben einander in Anwendung gebracht. Mit Vorliebe habe ich solche Untersuchungs- objekte ausgewählt, welche ich bereits früher mit anderen bewährten Methoden auf ihre Hautsinnesorgane hin studirt hatte. In einigen Fällen habe ich des besseren Verständnisses halber kombinirte Bilder gegeben. indem ich in die Abbildung eines nach einer einfachen Methode hergestellten Schnittes eine gut mit Chromsilber imprägnirte Stelle eines anderen Präparates bei gleicher Vergrößerung einzeich- nete.e Da ich bei verschiedenen Objekten gleichzeitig mit der Methylenblau- und Chromsilbermethode völlig übereinstimmende Re- sultate erzielte, zog ich es vor, die mit der Chromsilbermethode hergestellten Dauerpräparate abzubilden, meine Methylenblaupräpa- rate aber nur des Vergleiches halber nach dem lebenden Objekte ' Eine neue Arbeit von RErzıus soll auf p. 534—538 dieser Schrift be- sprochen werden. Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 507 sofort schnell zu skizziren, und ich habe hier überhaupt keine mit der Methylenblaumethode hergestellte Präparate abgebildet. Was die Technik angeht, so will ich bei der Besprechung der einzelnen Untersuchungsobjekte angeben, was mir besonders vor- theilhaft erschien. Die Chromsilbermethode habe ich stets in der von Ramon y CAaJaL empfohlenen Modifikation in Anwendung gebracht und im Gegensatz zu den übrigen Autoren auch nach Paraffineinbet- tung gute Schnittpräparate angefertigt (ef. Nr. 7). Beiläufig möchte ich hier daran erinnern, dass es bei den Arthropoden im Allgemeinen schon schwierig genug ist mit den älteren Methoden gute Präparate herzustellen, da die Konservirungs- und Färbungsflüssigkeiten meist recht langsam in die Gewebe eindringen und das harte Chitin dem Mikrotommesser obendrein einen bedenklichen Widerstand ent- gegensetzt. Da nun aber die Chromsilbermethode überhaupt sehr launisch ist, so ist es keineswegs zu verwundern, dass man so viele Misserfolge erhält. Merkwürdigerweise habe ich neuerdings bei manchen Objekten, bei welchen ich früher nur ungünstige Resul- tate hatte, plötzlich recht brauchbare Präparate bekommen, ohne wissentlich die Methode geändert zu haben. Es ist wohl möglich, dass die biologischen Verhältnisse der untersuchten Thiere da auch eine gewisse Rolle mitspielen. B. Specieller Theil. Im Folgenden sollen zuerst meine hei Hexapoden, Myriapoden und Arachnoideen und schließlich die bei Crustaceen mit der Me- thylenblau- und Chromsilbermethode eruirten Befunde besprochen werden. Hexapoda!. Bereits in meinem früheren Aufsatze (Nr. 7) be- tonte ich, dass ich mit der Chromsilbermethode über das sensible Nervensystem der Insekten hauptsächlich in den Antennen und Palpen ! In wie weit Rına Monti (Ricerche microscopiche sul sistema nervoso degli insetti. Bollet. seientif. No. 4. 1893—1894) und Ems HOLMGREN (Studier öfver hudens och koertelart. hudorg. morfologi hos: skand. makrolepidopter- larver. K. Svenska Vetensk. Akad. Handlingar. Bd. XXVII. Nr. 4. 1895) bei ihren Untersuchungen über Insekten, die mit der Methylenblaumethode ausge- führt wurden, ähnliche Resultate feststellten, wie ich sie Nr. 7, 1894, beschrieb, kann ich nicht entscheiden, da mir die Arbeit des erstgenannten Forschers nicht zugänglich war, die des zweiten aber leider unverständlich blieb, da ich der Sprache des Autors nicht mächtig bin. Aus den Abbildungen von E. HoLMGREN möchte ich wohl auf eine Übereinstimmung unserer Befunde schließen. 508 OÖ. vom Rath, ausgewachsener Thiere gute Resultate erzielte, während mir Larven fast nie ein gut imprägnirtes Präparat lieferten. Die Antennen von Hymenopteren habe ich mit besonderer Sorgfalt und auch mit gutem Erfolge mit der Chromsilbermethode behandelt, und auf Schnitten selbst nach Paraffineinbettung bei Vespa, Bombus, Ichneumon, Anto- phora, Eucera, Formica u. A. recht überzeugende Präparate sowohl von den sensiblen als auch motorischen Nervenendigungen herstellen können. Von einer Verzweigung des distalen Fortsatzes einer Sinnes- zelle war nie eine Andeutung vorhanden, vielmehr konnte ich häufig genug die unverzweigten Fortsätze bis in die Haarspitzen verfolgen, da- gegen liefen die proximalen Fortsätze nach ihrem Eintreten in das Cen- tralorgan stets frei und verästelt aus, nachdem zuvor eine diehotomische Theilung eingetreten war. In meiner früheren Arbeit (Nr. 7) habe ich in Fig. 7 eine zu einem Kegel der Antenne von Vespa crabro und in Fig. 6 eine zu einem Membrankanal der Antenne von Ich- neumon gehörige Nervenendigung abgebildet. In Fig. 1 der vor- liegenden Arbeit habe ich nun (mit Benutzung einer älteren Ab- bildung) die Spitze einer Maxillarpalpe von Locusta viridissima mit gut imprägnirten Nervenendigungen dargestellt und in Fig. 2 die Spitze einer Labialpalpe von Machilis polypoda nach einem dieken Schnitte gezeichnet. Letztere Figur bitte ich mit einer bereits vor vielen Jahren von mir abgebildeten, und nach einem mit einer ein- fachen Methode hergestellten Schnitte vergleichen zu wollen (Nr. 4, Taf. XXX, Fig. 3«). Bei Insekten gelingt es fast nie den gesammten Verlauf des distalen und proximalen Fortsatzes einer Sinneszelle bis ins Centralorgan hinein zu verfolgen. Eine Verzweigung der distalen Fortsätze der Sinneszellen findet nicht statt, und ich sah nie freie und verzweigte Nervenendigungen in der Hypodermis. Myriapoden. Bei den Tausendfüßlern hatte ich bereits vor längerer Zeit mit der Chromsilbermethode Resultate, die ich schon in Kürze (Nr. 7) besprochen habe. Bei den Diplopoden waren es in erster Linie die Antennen, aber auch die Unterlippen, welche mir schön imprägnirte Präparate der sensiblen Nerven lieferten; bei den Chilopoden hatte ich häufiger in den Beinpaaren, seltener in den An- tennen gut imprägnirte Stellen vor Augen. In meiner früheren Arbeit (Nr. 7) habe ich die Spitze eines Beines von einem Lithobius abgebildet, welches gut imprägnirt war (Fig. 8). In der vorliegenden Schrift habe ich mehrere auf Diplopoden bezügliche neue Zeich- nungen gegeben. In Fig. 3 sehen wir einen Schnitt durch die An- tennenspitze von Glomeris marginata, der nach einer älteren Me- Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. ete. 509 thode hergestellt war. Ich habe in die Abbildung einige gut mit Chromsilber imprägnirte Nervenfasern einer anderen Schnittserie bei sleicher Vergrößerung eingetragen. Fig. 4 stellt die Antennenspitze von Polydesmus complanatus nach einem imprägnirten Totopräparat dar. Fig. 5 bezieht sich auf eine Unterlippe (Gnathochilarium) von Iulus terrestris und ist nach verschiedenen Schnittserien kombi- nirt und etwas schematisirt. Es gelang mir ebenfalls mehrfach bei den Unterlippen von Iuliden, Polydesmiden und Glomeriden das Ein- treten der proximalen Fortsätze der Sinneszellen der auf den Laden stehenden Sinneskegel bis in das untere Schlundganglion hinein zu verfolgen und mich davon zu überzeugen, dass nach T-förmiger Theilung der Nervenfaser eine freie Verzweigung stattfand, während die distalen Fortsätze stets unverzweigt wie auch in den Antennen in die Sinneskegel eintraten (Fig. 5). Freie und verzweigte Nerven- endigungen in der Hypodermis sind mir nie bei Myriapoden zur An- schauung gekommen, obschon ich absichtlich viele Variationen des Verfahrens bei denselben Objekten in Anwendung gebracht habe. Bei Iuliden hatte ich auch befriedigende Resultate in den Antennen- spitzen und neuerdings eben so bei einigen Antennen von Chilopoden und zwar bei Geophilus, Cryptops und Scolopendra. Ich behalte es mir vor, demnächst auf die Sinnesorgane und Nervenendigungen der Chilopoden sowie der Spinnen noch einmal eingehender zurück- zukommen. Die Chromsilbermethode ist, so viel ich weiß, bis jetzt von keinem Forscher bei Myriapoden mit Erfolg in Anwendung ge- bracht worden. Arachnoideen. Bei den Spinnenthieren habe ich trotz vieler Versuche nur in wenigen Fällen mit der Chromsilbermethode ein sutes Resultat erzielt und zwar nur in den Kiefertastern und Beinen. Bei den Skorpionen, die ich in Lugano und auf Capri in großer Zahl erbeutete, untersuchte ich die Sinnesorgane der Kämme, auf welche ich bereits früher (Nr. 4) hingewiesen hatte. In einem Falle sah ich bei Anwendung der Chromsilbermethode eine gut imprägnirte Sinnes- zelle (Sinnesnervenzelle) mit dem zum Sinneshaar gehenden unver- zweigsten distalen Fortsatz, aber nur einen Theil des proximalen Fortsatzes. Bei Anwendung anderer Methoden und zumal den Os- miumgemischen erkennt man übrigens deutlich, dass zu den überaus zahlreichen Sinneshaaren stets eine Gruppe von Sinneszellen gehört. Bei den Pseudoskorpionen, die ich häufig unter der Rinde von Pla- tanenbäumen antraf, habe ich, z. B. bei Chernes, mehrfach mit der Chromsilbermethode eine leidliche Imprägnirung in den Beinen und 510 OÖ. vom Rath, den Kiefertastern zur Anschauung bekommen. Bei den Araneiden selangen mir einige wenige Präparate von den Beinen und ebenfalls von den Kiefertastern eines männlichen Exemplares von Epeira dia- dema. Bei den Afterspinnen sah ich einmal ein gut imprägnirtes Bein von Phalangium opilio. Sämmtliche Befunde stimmten nun darin überein, dass die distalen Fortsätze der Sinneszellen, von denen beinahe immer nur eine aus jeder Gruppe imprägnirt war, stets unverzweigt zu den Sinneshaaren verliefen. Die Sinneshaare selbst sind bei den Spinnenthieren überaus verschiedenartig gestaltet, und ich gedenke demnächst die Hautsinnesorgane der Arachnoideen zum Gegenstand einer speciellen Besprechung zu machen und an der Hand von Abbildungen zu erläutern. Beiläufig will ich bemerken, dass man auch mit den früher üblichen Methoden, selbst mit den vielbewährten Osmiumgemischen, durchgängig bei den Arachnoi- deen lange nicht so häufig völlig befriedigende Schnittpräparate herstellen kann, wie bei den übrigen Arthropoden. So viel mir bekannt ist, hat die Chromsilbermethode früheren Autoren bei Arachnoideen noch keine Resultate gegeben, so dass die wenigen von mir kurz beschriebenen Befunde immerhin von einer gewissen Wichtigkeit sind. Orustaceen. Den Untersuchungen bei Krebsen habe ich wegen der mich sehr befremdenden Angaben von Rerzıus besondere Sorg- falt gewidmet und mögliehst viele Formen studirt. Schon früher hatte ich (Zool. Anz. Nr. 365—366, 18591) die Methylenblaufärbung bei kleinen Crustaceen zu einem anderen Zwecke in Anwendung sebracht und auch auf andere Weise. Ich legte damals die leben- den Thiere, z. B. Asellus, Gammarus u. a., für mehrere Tage in eine schwache Methylenblaulösung, die mit Kochsalzwasser hergestellt war, um festzustellen, ob die Farbe in die mit einer Membran ver- sehenen Sinnesschläuche (Geschmacksorgane?)! der kleinen Antennen ” ı Ob man die Sinneskegel oder Sinnesschläuche der kleinen (inneren) An- tennen der Crustaceen als Geruchs- oder als Geschmacksorgane bezeichnen soll, ist schwer zu entscheiden. Ich habe mich früher (Zur Kenntnis der Haut- sinnesorgane der Crustaceen, Zool. Anz. 1891) in folgender Weise über die physiologische Deutung der Hautsinnesorgane der Crustaceen ausgesprochen: »Es empfiehlt sich die Sinnesempfindungen durch ihre physikalischen oder che- mischen Ursachen zu definiren. Das Pereipiren eines im Auge entstehenden Bildes nennen wir das Gesicht, das Pereipiren von Schallwellen das Gehör, das Pereipiren der verschiedenen Arten des Druckwiderstandes und mancher an- derer mechanischer Einwirkungen die Tastempfindung. Ob man bei im Wasser lebenden Örustaceen das Pereipiren in Wasser gelöster chemischer Substanzen Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 511 eindringen würde, und ich konstatirte dann auch, dass die Farbe wirklich, wenn auch langsam, von der Spitze der Sinnesschläuche als Geruch oder Geschmack bezeichnen will, erscheint willkürlich; es giebt bei Crustaceen keine in der Mundhöhle gelegenen Sinnesorgane, welche man ihrer Lage nach als Geschmacksorgane erklären könnte, und die außerhalb der Mundhöhle (auf den Antennen) gelegenen Sinnesorgane, welche zur Perception in Wasser gelöster chemischer Substanzen geeignet sind, können eben so gut zum Aufspüren und Schmecken der Nahrung, als zur Perception irgend welcher anderer auf chemischer Einwirkung beruhender Reize dienen. Ich sehe also keinen Grund bei den im Wasser lebenden Crustaceen zwischen Geschmack und Geruch zu unterscheiden. Es ist um so bedenklicher bei den Krebsen die dem Menschen bekannten Sinnesempfindungen wiederfinden zu wollen, als der Bau der Sinnesorgane in den beiden Fällen ein von Grund aus verschiedener ist, und auch die biologischen Zwecke, für welche die Sinnesorgane dienen sollen, nur bis zu einem gewissen Grade zusammenfallen. Es ist sehr wohl möglich, dass die Crustaceen Sinneswahrnehmungen haben, welche uns gänz- lich unbekannt sind, zum Beispiel eine Empfindung, welche sich auf den Sauer- stoffgehalt des Wassers bezieht. Ganz sicher ist es, dass der Grad der Fein- heit sowohl als auch der Umfang, das heißt die Grenzen innerhalb deren bei den einzelnen Sinnen Wahrnehmungen möglich sind, bei den verschiedenen Thieren außerordentlich wechselt. Das Auge eines Raubvogels und das Ge- ruchsorgan eines Hundes übertreffen die bezüglichen Sinnesorgane des Men- schen weitaus an Feinheit der Empfindung. Es ist bekannt, dass manche In- sekten Lichtstrahlen und Schallwellen wahrnehmen, welche für unsere Sinnesorgane wirkungslos sind. Zunächst wollen wir die Frage erörtern, in wie weit man aus der morphologischen Beschaffenheit der Sinnesorgane einen Schluss auf die physio- logische Leistung der Sinne ziehen kann. Der nervöse Endapparat ist bei den verschiedenen Sinnesorganen so gleichartig gebaut, dass er in dieser Hinsicht, wie mir scheint, nicht verwerthet werden kann; es kommt also in erster Linie die Form und Einlenkungsweise der Haare, sowie deren Zahl und Stellung in Betracht. Diejenigen Haargebilde, welche nicht spitz auslaufen und an ihrem distalen, meist blasseren und zartwandigen Ende, wie die oben mitgetheilten Versuche zeigen, das Eindringen in Wasser gelöster chemischer Substanzen gestatten, wird man von vorn herein mit einiger Wahrscheinlichkeit für Geruchs- oder Geschmacksorgane erklären. Diejenigen Fiederhaare, welche einer unge- mein feinen Kuppelmembran aufsitzen, und bei welchen also das Haar sehr schwingungsfähig wird, werden als Gehörorgane angesehen. Diejenigen Sinnes- haare, welche vermuthlich weder dem Geruch noch dem Gehör dienen, werden als Tastborsten bezeichnet. Mit dieser Unterscheidung soll aber keineswegs be- hauptet werden, dass sich die genannten Funktionen scharf gegen einander ab- grenzen und, dass nicht etwa dasselbe Haargebilde mehreren der genannten Funktionen gleichzeitig dienen könne. Alle die Sinneshaare, die man nicht als Riech- oder Hörhaare aufzufassen geneigt ist, werden schlechthin als Tastorgane bezeichnet. Hierhin gehören sewisse Sinneshaare der ersten Antenne, die meisten Sinneshaare auf der zweiten Antenne und deren Schuppe; ferner alle Sinneshaare der Mundwerk- 912 O0. vom Rath, eindrang und den Inhalt dieser Sinnesapparate blau färbte. Die von den Autoren vielfach diskutirte und in sehr verschiedener Weise beantwortete Frage, ob die Sinneskegel und andere Sinnes- haare bei den Arthropoden an der Spitze geöffnet oder durch eine mehr oder weniger zarte Membran geschlossen sind, scheint mir nicht von so hervorragender Wichtigkeit zu sein. Die Hauptfrage ist doch wohl die, ob in den Fällen, in welchen die Sinneshaare thatsächlich deutliche Membranen zeigen, die Möglichkeit vorhanden ist, dass Gase (für eine Geruchsempfindung) oder in Flüssigkeit ge- löste chemische Substanzen (für eine Geschmacksempfindung) durch die Membranen durchdringen können. Auch bei der Anwendung der Chromsilbermethode kann man sich mit Leichtigkeit davon überzeugen, dass bei vielen Objekten die Flüssigkeiten direkt durch die Sinneskegel in die Antennen eintreten, z. B. sehr schön bei den Fühlern der Diplopoden, bei welchen die Antennenspitzen mit einer gewissen Regelmäßigkeit imprägnirte Fasern zeigen, während in den proximalen Theilen derselben, auch wenn man vom Kopfe abgetrennte Antennen in die Flüssigkeiten bringt, nur selten gute Imprägnirungen gesehen werden. Meine neuen Versuche mit der Metkylenblaumethode wurden nun durch Einspritzen der Farbe hergestellt und zwar bei Astacus in folgender Weise: Mit einer feinen Spritze injieirte ich die lebenden Thiere, theils in der Kopfgegend, theils in der Umgebung der Mundwerkzeuge, ferner am Postabdomen dicht zwischen den Abdominalbeinen und am Telson. Die besten Resultate hatte ich, wenn ich jedes der Versuchsthiere in verschiedenen Intervallen und an verschiedenen Stellen des Körpers am Nachmittag und Abend injieirte, die Thiere wieder ins Aquarium brachte und dann am folgenden Tage unter- suchte. Meist injieirte ich meine Versuchsthiere am andern Morgen noch einmal und fand dann nach einigen Stunden stets einige gut- tingirte Stellen, bei welchen die Nervenfasern und Sinneszellen in zeuge, Beine und Schwanzanhänge und schließlich die frei auf den Segmenten stehenden Sinnesborsten. Eben so wie die Gestalt und Anordnung dieser als Tastorgane bezeichneten Sinneshaare bei den Familien und Species die größte Mannigfaltigkeit zeigen, und nicht selten bei einem Thiere auf einem be- stimmten Körpertheile mehrere ganz verschieden gestaltete Tasthaare neben einander stehen, eben so wird man in den Leistungen dieser Haargebilde einen Unterschied machen müssen und außer gröberen und feineren Tastempfindungen eine große Zahl der verschiedenartigsten Nuancen, die sich allerdings unserer Wahrnehmung entziehen, annehmen dürfen.« Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 513 nur gewünschter Schönheit tiefblau gefärbt erschienen. Besonders gute Bilder erhielt ich von den Abdominalbeinen und Schwanzplatten. Aus jeder Gruppe von Sinneszellen hatte sich meist nur eine Sinneszelle gefärbt, ich sah aber auch mehrfach zwei, drei oder mehr gefärbte Sinneszellen dicht neben einander; von einer Verzwei- gung des distalen Fortsatzes war bei keinem meiner in großer Zahl hergestellten Präparate eine Spur zu erkennen, vielmehr traten mit sroßer Deutlichkeit die gefärbten distalen Fortsätze gänzlich unver- zweigt in die Sinneshaare ein. Die proximalen Fortsätze waren häufig für eine gute Strecke nach dem Uentralorgan hin zu verfolgen, doch konnte ich ihre Endigungsweise im Centralorgan nie mit genügender Sicherheit feststellen (cf. Nr. 7). Mit der GorsrT'schen Methode habe ich gleichzeitig eine große Zahl von Astacus-Individuen und zwar große wie kleine und auc eben ausgeschlüpfte Exemplare untersucht und nach sehr vielen Miss- erfolgen hin und wieder gut imprägnirte Nervenfasern in den kleinen Antennen, den Öberkiefertastern, den Maxillen und Hilfskiefern zu- mal aber den palpenförmigen Anhängen der Hilfskiefer sowie den Abdominalbeinen und den Schwanzplatten gesehen. In meiner früheren Mittheilung habe ich einige solcher auf Astacus bezüglichen Abbildungen gegeben (Nr. 7, Taf. II, Fig. 4 u. 5). Neuerdings habe ich bei jungen Thieren, die eben die Eischale abgestreift hatten, ganz vorzügliche Resultate erzielt, während ich früher bei Larven nur Misserfolge hatte. Besonders schön sah ich die Endverzweigungen der proximalen Fortsätze der Sinneszellen im letzten Abdominalganglion, und ich konnte mich mehrfach davon überzeugen, dass der proximale Fortsatz niemals direkt an eine Ganglienzelle antritt, vielmehr nach T-förmiger Theilung und feiner Verästelung stets frei endigt. Anfangs hatte ich Astacus hauptsächlich mit der Schnittmethode nach Paraffineinbettung untersucht, und so ist es wohl möglich, dass die große Zahl meiner Misserfolge in einem zu langen Verweilen in Alkohol, Xylol oder Paraffin ihren Grund haben. Als ich aber mehr- fach gut imprägnirte Fasern bei durchsichtigen Stücken, z. B. in den Palpen der Hilfskiefer, den Spitzen der Abdominalbeine und im Tel- son erblickte, habe ich weiterhin nur solche Thiere, die gute Resul- tate versprechen konnten, geschnitten. Ich war übrigens nicht wenig überrascht, als ich bei ganz alten Exemplaren mit diekem Chitin ganz prachtvolle Imprägnirungen in den kleinen Antennen gewahrte; durch das Chitin schimmerten die schwarzen Fasern mit überraschen- der Klarheit hindurch und unter den Sinnesschläuchen sah ich sehr 14 O0. vom Rath, häufig den gesammten Verlauf des nervösen Endapparates. Ich kon- statirte mit absoluter Sicherheit, dass von den Sinneszellen die distalen Fortsätze in keinem Falle verzweigt waren, vielmehr gingen diese Fortsätze ziemlich gerade bis zur Kegelspitze. Die schönsten Bilder erhielt ich übrigens bei den durchsichtigen Palpen der Hilfskiefer und den Sinneshaaren des Telson. Von gut imprägnirten Präpa- raten sind mir leider viele im Kanadabalsam völlig undurchsichtig geworden, während andere sich jahrelang ganz vorzüglich gehalten haben. Ich war fernerhin nicht wenig überrascht, als ich bei Schnitten durch die überaus harten Taster der Mandibeln in eini- gen Fällen ganz wunderbare Imprägnirungen sah, so dass einzelne Nervenfasern durch die ganzen Taster hindurch deutlich zu verfolgen waren (Nr. 7, Fig. 4). Ich möchte hier wiederholen, dass ich in „neinen auf Astacus bezüglichen Abbildungen (Fig. 4 und 5) des besseren Verständnisses und der Einfachheit halber kombinirte Bilder gegeben habe, indem ich zuerst einen gut gelungenen, nach einer der gewöhnlichen Methoden hergestellten Schnitt mit dem Zeichen- apparat mit größter Sorgfalt wiedergab, und dann einige gut impräg- nirte Fasern anderer Präparate, oft ganzer Serien, bei derselben Ver- srößerung einzeichnete. Dies Verfahren ist um so mehr berechtigt, als in den meisten Fällen, in welchen überhaupt einzelne Fasern impräg- nirt waren, nebenan die Gruppen der Sinneszellen oder doch wenigstens die Kontouren der die Gruppen umhüllenden Scheiden sehr deutlich zu erkennen waren. Das gleiche Verfahren habe ich in Fig. 11 befolgt. Auch in den zahlreichen Fällen, in welchen überhaupt keine Imprägnirungen gelungen waren, konnte ich den gesammten histolo- gischen Bau der Sinneszellengruppen, der Hypodermiszellen ete. mit völlig befriedigender Sicherheit, vermuthlich durch die Einwirkung der Osmiumsäure, wahrnehmen. Ein ganz wunderbares Objekt fand ich nun in unserem blinden völlig durchsichtigen Niphargus (Gammarus) puteanus, nachdem ich lange nach geeigneten Objekten gefahndet hatte, welche ein Schneiden nicht erfordern. Ich habe meine bei diesem Thiere gewonnenen Re- sultate bereits eingehend beschrieben (Nr. 7), und einige Abbildungen gegeben (l. ec. Fig. 9, 10, 11 u. 12). In der vorliegenden Arbeit habe ich von demselben Objekte einige neue Figuren zur Darstellung ge- bracht (Fig. 7 u. 8). Bei meinem Niphargus-Material, welches ich vielfach mit kleinen Abweichungen der Gorsr’schen Methode bearbeitete, hat mir keine Modifikation mehr geleistet, als das von Ramon Y CAJAL empfohlene Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 515 Verfahren. Ich brachte die in der Größe sehr verschiedenen Thiere in eine Mischung von 1°/, Osmiumsäure und 3,5°%, Kali bichr. und zwar wurde von der ersten Lösung 1 Theil, von der zweiten 4 Theile genommen. Durchgängig habe ich die besten Erfolge gehabt, wenn ich am zweiten Tage die eingelesten Thiere in mehrere Stücke zer- schnitt und in eine neue Mischung brachte und dann am dritten Tage diese Stücke für 48 Stunden in die Silberlösung (Argent. nitr. 1,5) ein- legte. Der Silberlösung wurde auf 200 Gramm 1 Tropfen Ameisen- säure zugesetzt, wodurch die störenden Niederschläge von Chromsilber bekanntlich vermindert werden sollen. Die Schnittmethode habe ich eigentlich nur zum Studium des Centralnervensystems in An- wendung gebracht und zumal vom Bauchmark gute Bilder erhalten, im Übrigen habe ich gut imprägnirte Antennen, Mundwerkzeuge und Beine nach kurzem Verweilen in absolutem Alkohol und Nelkenöl in Kanadabalsam eingeschlossen, ohne aber ein Deckglas aufzu- legen. Sämmtliche Abbildungen, die ich von Niphargus in meinem früheren wie in dem vorliegenden Aufsatze gegeben habe, sind nach solchen Präparaten angefertigt. Auch von den gewöhnlichen Gammariden (Gammarus pulex und Gammarus fluviatilis) habe ich hin und wieder brauchbare Präparate hergestellt, doch waren die- selben in keiner Beziehung mit den ganz wunderbar imprägnirten Präparaten des völlig durchsichtigen, zarten Niphargus zu vergleichen. Ich muss aber hier betonen, dass keineswegs der größere Theil meiner Präparate gelang, vielmehr waren die Erfolge sehr un- gleich und auf einzelne Körpertheile der verschiedenen Thiere ver- theilt. Bei einem Exemplar waren beispielsweise nur die Antennen und vielleicht ein Beinpaar gut imprägnirt, bei einem anderen nur die Mundwerkzeuge, bei einem dritten die Extremitäten des Ab- domens ete.; es gelang mir aber glücklicherweise, gute Präparate von allen Theilen des Körpers herzustellen. Was nun die Endi- gungsweise der Nervenfasern der typischen Hautsinnesorgane des Niphargus anbetrifft, so habe ich den bei Astacus festgestellten Be- funden kaum etwas Neues hinzuzufügen; die großen Sinnesschläuche der kleinen Antennen (Nr. 7, Fig. 11) zeigten in einigen Fällen eine größere Zahl gut imprägnirter distaler Fortsätze von Sinneszellen; eben so waren vielfach bei demselben Thier alle Nervenfasern sämmtlicher Sinneshaare bis zur Spitze wunderbar imprägnirt, ohne aber auch nur in einem einzigen Falle eine Verzweigung erkennen zu lassen. Es lag nun nahe bei diesem besonders günstigen Objekte Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 34 516 O0. vom Rath, nachzuforschen, ob nicht außer diesen mit Sinneszellen in direkter Verbindung (Kontinuität) stehenden Nervenfasern vielleicht noch frei oder gar verästelt in der Hypodermis auslaufende Nervenfasern zur Beobachtung kommen. Ich habe eine Reihe von Befunden eruirt, welche für die Ent- scheidung letzterer Frage von Wichtigkeit sind. Ich sah nämlich ebenfalls bei Niphargus, dass auf den Antennen, den Mundwerk- zeugen und sämmtlichen Extremitäten außer den typischen Sinnes- haaren auch alle anderen Haargebilde ohne Ausnahme innervirt waren. In der Mehrzahl der Fälle waren, wenn überhaupt eine Imprägnirung einer Extremität gelungen war, sämmtliche zu den Haaren führenden Nervenfasern durch das Chromsilber tief schwarz gefärbt, und ich konnte diese Fasern dann immer bis in die äußerste Spitze jedes Haares deutlich verfolgen. In selteneren Fällen waren nur wenige Fasern imprägnirt, in einem Fall sogar nur eine einzige (Nr. 7, Fig. 10). Die Präparate, auf welchen nur wenige Fasern gut imprägnirt waren, sind nun aber besonders instruktiv, da man den sesammten Verlauf der Fasern von der Peripherie bis kurz vor das Centralorgan deutlich durch alle Glieder der betreffenden Extremität verfolgen kann. Während nun bei den typischen Sinneshaaren aus jeder der nicht allzuweit unterhalb des Sinneshaares liegenden Gruppe von Sinneszellen immer eine oder deren mehrere schön imprägnirt waren, konnte ich bei den anderen gewöhnlichen Haaren mit gut imprägnirten Fasern, die ich auf weite Strecken rückwärts verfolste, niemals auch nur eine Spur einer imprägnirten Zelle sehen (Nr. 7, Fig. 9). Bei Anwendung anderer Methoden bemerkt man die Sinnes- zellen unterhalb der typischen Sinneshaare sehr deutlich und erkennt sofort, dass von jeder bipolaren Zelle ein distaler und ein proxi- maler Fortsatz ausgeht; bei den anderen Haaren sieht man dagegen weder eine Gruppe noch eine besondere Zelle unterhalb des Haar- sebildes liegen, und eben so wenig eine Nervenfaser zum Haare sehen. Wenn nun thatsächlich zu den innervirten gewöhnlichen Haaren eine Sinneszelle gehört, so liegt sie auf jeden Fall von dem Haar selbst sehr weit entfernt und in unmittelbarer Nähe des Centralorgans oder aber im Centralorgan selbst. Wir würden dann bei Niphargus zweierlei Arten von Nervenendigungen haben, von denen die einen von der Peripherie dem Centralorgan zustreben, um in demselben mit einer feinen Verzweigung, und ohne direkte Kontinuität mit einer Ganglienzelle frei auszulaufen, und andere, die von Ganglienzellen des Centralorgans nach der Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 517 Peripherie gehen und ohne eine Verzweigung zu bilden und ohne mit einer anderen Zelle in Kontinuität zu stehen, direkt in das Haar eintreten und bis zur äußersten Spitze zu verfolgen sind!. Dass weder unter den typischen Sinneshaaren noch den an- deren innervirten Haaren vom Niphargus eine dendritische Verzwei- gung vorkommt, muss ich als ganz sicher ansehen, da ich über eine große Zahl vorzüglicher Präparate mit gut imprägnirten Fasern verfüge, die übrigens die schönsten und zierlichsten Verzweigungen der Nervenenden an der Muskulatur sowie an einzelnen Drüsen- zellen und der Muskulatur erkennen lassen. Es ist aber keines- wegs immer so leicht, sofort festzustellen, ob man ein typisches Sinneshaar mit terminaler Sinneszelle vor sich hat, oder eine im- prägnirte Faser mit dem Centralorgan nahe anliegender Zelle, da bekanntlich im gesammten Verlauf der Nervenfaser und auch des distalen Fortsatzes der Sinneszelle vielfach verschieden dicke, knötehenförmige Anschwellungen wie bei der Methylenblaufärbung gesehen werden und Sinneszellen vortäuschen können. Verwechse- lungen sind besonders da möglich, wo die Sinneszellen, wie bei Niphargus, relativ klein sind. Auf Kontrollpräparaten, die mit suten anderen Methoden hergestellt werden, wird aber der wahre Sachverhalt meist leicht entschieden. Dass ich außer Präparaten, die in toto eingelegt wurden, auch eine größere Zahl von Schnitt- serien, zumal zum Studium des Centralnervensystems, angefertigt habe, wurde bereits oben betont. Ich sah in den Ganglien des Bauchmarks von der Peripherie herkommende und frei mit Ver- zweigungen auslaufende Nerven und eben so von (unipolaren) Ganglienzellen des Centralorgans nach der Peripherie aufsteigende Fortsätze. Ein genaues Verfolgen einer und derselben Faser von der Peripherie bis zum ÜCentralorgan oder auch vom Üentral- organ nach der Peripherie ist bei Niphargus auch auf Schnitten kaum möglich. Nach dem Erscheinen meiner Arbeit Nr. 7 habe ich auch bei Asellus aquaticus, bei welchem ich früher mit der Chromsilbermethode niemals befriedigende Resultate erzielt hatte, recht schöne Imprägnirungen hergestellt. Wie bei Niphargus sah ich, dass auf den Antennen, Mundwerkzeugen, Extremitäten, über- haupt überall wo Haare standen, diese Haare ohne Ausnahme mit ! Auf Grund meiner neuen Schnittpräparate glaube ich nunmehr, dass eine solche zweite Art von Nervenendigung mit im Centralorgan gelegenen bipolaren Sinneszellen nicht vorkommt, und dass die gesuchten Sinneszellen in der Nähe des Centralorgans, aber nie in demselben liegen. 34* 518 OÖ. vom Rath, Nervenfasern in Verbindung standen. Bei den typischen Sinnes- haaren bemerkte ich auch stets mit Leichtigkeit in einer gewissen Entfernung von der Haarbasis eine oder mehrere imprägnirte Sinnes- zellen, dagegen fand ich wie bei Niphargus unterhalb anderer Haare, bei welchen man bei gewöhnlichen Methoden keine Sinneszellen zur Anschauung bekommt, niemals im gesammten Verlauf der Nerven- faser eine Anschwellung, die man mit einiger Sicherheit als die gesuchte Sinneszelle hätte in Anspruch nehmen können. Es ist mir wahrscheinlich, dass die gesuchten Sinneszellen eben so wie Niphargus in der Nähe des Üentralorgans liegen, zumal ich im Centralorgan selbst bei keiner Methode bipolare Ganglienzellen ge- funden habe, sondern stets nur unipolare. Da ich nun bei Niphar- gus und Asellus in manchen Fällen nur eine einzige Faser in einer Extremität imprägnirt sah, und diese Faser, die unverzweigt in das Haar eintrat, proximalwärts bis kurz vor das Centralorgan verfolgen konnte, ohne dass eine merkliche Anschwellung zu kon- statiren war, ist eine Täuschung nicht gut anzunehmen; einstweilen bleibt es neuen Untersuchungen an besonders geeigneten Objekten überlassen, diese Nervenendigungsweise, zu erklären. Von Niphar- sus habe ich in dieser Arbeit noch einige Abbildungen gut im- prägnirter Extremitäten gegeben, die in so fern von besonderem Interesse sind, als an einigen Stellen auch unverzweigte Nerven- fasern, welche die Hypodermis durchsetzen, zu erkennen sind und zwar an Stellen, wo normaler Weise gar kein Haar zu stehen pflegt (ze in Fig. 8). Von Asellus habe ich Chromsilberpräparate der An- tennen in Fig. 9 und eines Beines in Fig. 10 abgebildet. Gehen wir jetzt dazu über, meine neuen Befunde bei marinen Urustaceen zu besprechen. Mit der Methylenblaumethode habe ich nicht nur bei Palaemon, sondern auch bei Calianassa, Gebia, Crangon, Nika, Alpheus, Hippo- lyte, Penaeus und Squilla völlig befriedigende Resultate erzielt, die unter einander stets im besten Einklang standen. Ich will hier nur meine Befunde bei Palaemon besprechen, da ich diese Garneele in Neapel während fünf Monaten stets frisch zur Verfügung hatte und besonders sorgfältig studirte. Untersucht wurden Palaemon serratus und Palaemon squilla. Das Methylenblau wurde theils in Meeres- wasser, theils in Kochsalzwasser gelöst, doch schien die Meeres- wasserlösung den Vorzug zu verdienen. Schwache Methylenblau- lösungen erwiesen sich als geeigneter, als koncentrirte. Ich verfuhr beim Einspritzen in ähnlicher Weise wie früher bei Astacus. Ge- Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 519 wöhnlich injieirte ich einige Individuen am Morgen gegen 10 Uhr und zwar an verschiedenen Körperstellen und zumal solchen, an welchen keine wichtigeren Organe liegen, damit die Versuchsthiere möglichst wenig geschädigt wurden. Am Postabdomen vertragen diese Krebse die Methylenblaueinspritzungen vorzüglich, doch über- standen viele Individuen auch Injektionen in der Kopf- und Leber- region. Meist waren am Nachmittag gegen 2 Uhr gewisse Körper- stellen oder selbst der gesammte Körper prachtvoll blau gefärbt, und die Nervenfasern ließen sich mit nur gewünschter Deutlichkeit bis in die äußersten Spitzen der Haare verfolgen. Andere Exemplare injieirte ich am Abend und brachte sie wieder ins Aquarium; da aber bei diesen Thieren am andern Morgen die Farbe meist wieder verblasst war, injieirte ich dieselben Exemplare noch einmal an anderen Stellen und untersuchte sie gegen Mittag. Das Herz habe ich nur selten injieirt, da dann die Farbe zwar in kurzer Zeit den ganzen Körper durchsetzt, die Thiere aber auch meist schnell absterben. Es war mir bei meinen Versuchen ganz besonders daran gelegen, postmortale Veränderungen völlig auszuschließen. Es gelingt übri- gens bei einiger Vorsicht recht häufig, mehrfach injieirte Thiere auch fernerhin am Leben zu erhalten. Ich habe stets viel mehr Exemplare injieirt als ich untersuchen konnte und fand, dass die nicht unter- suchten Thiere im Aquarium ruhig weiter lebten und allmählich ihre Blaufärbung wieder verloren. Obschon ich nun die denkbar größten Modifikationen des Verfahrens in Anwendung brachte, waren meine Resultate stets die gleichen, sie standen aber mit den Angaben von Rerzıus in schroffem Widerspruch. Stets sah ich wie von terminalen Sinneszellen, die nicht direkt unter der Haarbasis, sondern in einiger Entfernung von derselben gelegen sind, die distalen Fortsätze in das Haar eintraten und völlig unverästelt bis zur Haarspitze verliefen, während jeder proximale Fortsatz sich beim Eintritt in das Central- organ T-förmig theilte und dann feine Verästelungen zeigte, welche aber nie direkt mit den Ganglienzellen in Berührung traten. Über- aus häufig habe ich die prachtvollsten Nervenfärbungen in den An- tennen, Schuppen, Mundwerkzeugen, allen Extremitäten sowie den Schwanzflossen zur Anschauung bekommen. Freie verästelte Nerven- endigungen sah ich dagegen häufig an der Muskulatur, an Drüsen- und Pigmentzellen. Nicht selten waren aber auch Zellen gefärbt, die mit dem Nervensystem und den Sinnesorganen in keiner direk- ten Beziehung standen, z. B. Bindegewebszellen. Auf meine bei den. übrigen Crustaceen mit der Methylenblaumethode erzielten - 520 OÖ. vom Rath, Resultate will ich hier nicht weiter eingehen, da sie nichts Anderes ergaben, als was ich für Palaemon beschrieben habe. Mit der An- fertigung von Dauerpräparaten, die nach Anwendung der Methylen- blaumethode hergestellt waren, habe ich nie Glück gehabt, so dass ich sehr bald davon abstand. Sämmtliche mit der Methylenblaumethode untersuchten marinen Krebse habe ich gleichzeitig außer mit gut bewährten anderen Kon- servirungs- und Färbungsmitteln auch mittels des Chromsilberver- fahrens GoLsr's in der von Ramon Y CAJAL empfohlenen, und von mir mit Erfolg früher erprobten Modifikation, behandelt und auch - wieder Palaemon in großer Zahl untersucht. Im Großen und Ganzen entsprachen meine Resultate keineswegs den gehegten Erwartungen und ich glaube die chemische Beschaffenheit des Meereswassers hierfür verantwortlich machen zu dürfen. Immerhin hatte ich bei Palaemon in einigen Fällen an den Antennen, Schuppen und Abdo- minalbeinen völlig befriedigende Resultate, die mit den mit der Methylenblaumethode eruirten Befunden genau übereinstimmten. Häufiger erzielte ich gute Imprägnirungen verschiedener Extremitäten bei Phronima, Idothea, Mysis, Euphausia und Nebalia. Auch die An- tennen von Pagurus und Squilla gaben mir in einigen Fällen völlig zufriedenstellende Bilder. In Fig. 11 habe ich einen Schnitt durch die kleine Antenne von Pagurus, in Fig. 12 einen solchen durch eine kleine Antenne mit Schuppe von Nebalia, in Fig. 13 einen Schnitt durch die kleine An- tenne von Palaemon squilla, in Fig. 14 einen Schnitt durch die kleine Antenne von Squilla mantis gegeben. Es wurden jeweils Schnitte, die nach einer gewöhnlichen Methode angefertigt waren, abgebildet, und dann wurden bei derselben Vergrößerung gut imprägnirte Stellen anderer mit der Chromsilbermethode hergestellten Schnitte einge- zeichnet. Fig. 15 stellt eine Extremität des Postabdomens von Phro- nima sedentaria dar und ist nach einem imprägnirten in toto in Kanadabalsam eingelegten Präparate entworfen. Die Anschwellungen der Nervenfasern unterhalb der Haarbasis glaube ich mit Recht als Sinneszellen (Sinnesnervenzellen) deuten zu dürfen. Meine alten wie neuen mit der Methylenblau- und Chromsilber- methode bei Insekten, Myriapoden, Spinnen und Urustaceen eruirten Befunde stehen nun nach dem Gesagten im besten Einklang und lassen sich auch mit meinen älteren, mit relativ einfachen Methoden festgestellten Angaben, recht gut vereinbaren. Frei und verästelt auslaufende Nervenendigungen sind mir in Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 521 der Arthropodenhaut niemals zur Anschauung gekommen, doch sah ich solche im Centralorgan, an der Muskulatur, sowie an Drüsen- und Pigmentzellen. Meine in Nr. 7 bereits mitgetheilten diesbezüglichen Befunde, die ich seither immer nur wieder bestätigen und erweitern konnte, haben übrigens mittlerweile durch ALLEN an zumal BETHE eine direkte Bestätigung erfahren. In seiner Arbeit über das Üentralnervensystem von Careinus maenas etc. (Archiv f. mikr. Anat. Bd. XLIV, 1895) bemerkt BETHE Folgendes: »In Übereinstimmung mit vom RArH und Arten fand ieh, dass unterhalb jedes Sinneshaares eine oder mehrere bipolare Zellen (Sinnesnervenzellen) liegen, deren peripherer Ausläufer unverzweigt (im Gegensatz zu REerzıus, der Verzweigungen angiebt) bis in die Spitze des Haares zu verfolgen ist. Der andere Ausläufer wendet sich zum Centralorgan und tritt in dasselbe, wie ALLEN direkt be- obachten konnte, mit T-förmiger Theilung ein (ALLEn, Quart. Journal of mierose. science 1894). Freie Endigungen konnte ich eben so wenig, wie die beiden vorher erwähnten Forscher finden. Es ist daher wohl erlaubt, vorläufig diejenigen Fasern, welche durch peri- phere Nerven in das Centralnervensystem eindringen und innerhalb desselben nicht mit Zellen in direkter Verbindung stehen als sensibel zu bezeichnen.« In einer anderen Arbeit (Die Otocyste von Mysis, Zoolog. Jahrbücher Bd. VIII, 1595) betont BETHE, dass er mit der Methylenblaumethode Resultate erhalten habe, welche mit den von mir publieirten völlig übereinstimmen (l. e. pag. 555). Besonders gute Resultate hatte genannter Autor an den Antennen von Pasurus, Mysis und Crangon und an den äußeren Schwanzanhängen von Mysis. Eine Verzweigung des peripheren Ausläufers habe ich (sagt BETHE) eben so wenig wie voMm RATH gesehen, und ich bin geneigt, die diesbezüglichen Befunde von Rerzıus für postmortale Verände- rungen zu halten. Ein Nerv, der so varicös ist wie die von RETZIUS bei Palaemon abgebildeten, ist sicher nicht normal. Jeder varicöse, perlschnurartige Nerv ist ein Kunstprodukt, das auf Zusammenziehung der zähflüssigen Nervenmasse beruht, wie ich mich oft bei der Be- obachtung frisch gefärbter Nerven überzeugt habe. Auf Grund meiner mit der Methylenblau- und Chromsilbermethode bei den sensiblen Nerven der Insekten, Myriapoden, Spinnen und Crustaceen festgestellten Befunde habe ich nun meine frühere Auf- fassung über den feineren Bau der Hautsinnesorgane und des sen- 922 O. vom Rath, siblen Nervensystems der Arthropoden einigermaßen geändert und ungefähr in folgender Weise (Nr. 7) beschrieben: Es handelt sich nicht, wie die früheren Autoren annahmen, um einen vom Centralorgan aufsteigenden Nerven, der aus den Fort- sätzen von im Centralorgan liegenden Ganglienzellen zusammenge- setzt ist und sich unterhalb der Sinneszellengruppen auffasert, um dann an jede Sinneszelle eine Faser abzugeben, vielmehr liegen nach meinen neuen Befunden die Verhältnisse gerade umgekehrt. Jede mehr oder weniger weit von der Hypodermis entfernt gelegene Sinneszelle schickt einen bald längeren bald kürzeren distalen Fort- satz in ein zugehöriges Sinneshaar und einen gewöhnlich recht langen proximalen Fortsatz nach dem Centralorgan. Letzterer Fort- satz tritt nun aber keineswegs mit einer Ganglienzelle in direkte Verbindung, vielmehr theilt er sich beim Eintritt in das Central- organ dichotomisch und läuft frei aus nach Bildung mehr oder weniger reichlicher Verästelungen. In den Verlauf jedes sensiblen Nervenapparates ist daher nur immer eine Zelle (Sinneszelle) ein- geschaltet und nicht wie früher allgemein angenommen wurde, eine im Centralorgan liegende Ganglienzelle und eine periphere Sinnes- zelle (vgl. d. schematische Abbildung Nr. 6). Die stets unipolaren Ganglienzellen des Centralorgans entsenden nun einen Stammfort- satz nach der Peripherie, der unterwegs einige Nebenäste abgeben kann und an der Muskulatur, den Pigment- und Drüsenzellen nach Bildung oft sehr zierlicher Verzweigungen stets frei endet ohne aber mit irgend einer anderen Zelle in direkte Berührung zu treten. Freie und verästelte Nervenendigungen in der Hypodermis selbst, wie sie in der Haut der Würmer neben Nervenendigungen mit ter- minalen Sinneszellen beschrieben wurden, sind mir bei Arthropoden nie zur Anschauung gekommen, wohl aber schienen mir freie und verästelte Nervenendigungen zwischen den Epithelzellen des Darmes bei verschiedenen Crustaceen, Insekten und Myriapoden vorzukommen. An Stelle des von mir früher vorgeschlagenen Ausdruckes Sinnes- zelle hat Rerzıus die Bezeichnung Sinnesnervenzelle in An- wendung gebracht. Genau genommen ist die betreffende Zelle nichts Anderes als eine gewöhnliche Hypodermiszelle, deren proxi- maler Fortsatz bis in das Centralorgan hineingewachsen ist. Der distale Fortsatz nimmt den Reiz auf und der proximale leitet den- selben dem Centralorgan zu. Ob man nun den distalen Fortsatz auch einen nervösen nennen will, wie den proximalen oder einen einfachen Plasmafortsatz, ist bis zu einem gewissen Grade Geschmackssache. Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 523 C. Besprechung neuer Arbeiten über die Hautsinnesorgane und das sensible Nervensystem der Arthropoden. Während meine Untersuchungen über die Nervenendigungen der Hautsinnesorgane der Arthropoden nach Behandlung mit der Me- thylenblau- und Chromsilbermethode (l. e. Nr. 7, 1894) durch die oben erwähnten Befunde von ALLEN und BETHE eine direkte Be- stätigung erfahren haben, wurden mir von C. CLAUS in einem im Zool. Anz. Nr. 461, 1894 erschienenen Artikel (Bemerkungen über die Nervenendigungen in den Hautsinnesorganen der Arthropoden, insbesondere der Crustaceen) einige Einwände gemacht, die zwar keineswegs die Richtigkeit meiner Darstellung in Abrede stellen, wohl aber beweisen sollen, dass seine älteren Angaben mit meinen Befunden im besten Einklang ständen. Bereits früher hatte derselbe Autor in einem in Nr. 375 des Zool. Anzeigers 1592 erschienenen Auf- satze »Über das Verhalten des nervösen Endapparates an den Sinnes- haaren der Crustaceen< auf die zwischen uns Beiden bestehende Übereinstimmung in Betreff der Nervenendigungen der Hautsinnes- organe der Crustaceen hingewiesen, die ich in meinen Schriften in Abrede gestellt hatte. Um diesem Autor völlig gerecht zu werden, wiederhole ich zunächst wörtlich die von demselben zur Stütze seiner in beiden Schriften beigebrachten Angaben (p. 523—528). Schon in meinem Aufsatze über die blassen Kolben und Cylin- der von Cyelops (Würzburger naturw. Zeitschr. Bd. I, 1860) habe ich (sagt Craus) die Ganglienzellen und die von denselben abgehenden Nerven abgebildet, welche zu den Tastborsten der vorderen Antennen treten... In der Monographie der freilebenden Copepoden 1863 be- schäftigte ich mich zuerst mit dem Inhalt der Borsten und sprach mich über denselben in folgender Weise aus: Der Inhalt, welcher sich Anfangs, so lange das Thier lebt, hell und homogen zeigt, nimmt nach einiger Zeit eine etwas getrübte kleinblasige Beschaffen- heit an und scheint die kontinuirliche Fortsetzung der Substanz eines Nerven zu sein, den man an günstigen Objekten zu dem Cylinder herantreten sieht. Verfolgt man den starken in das Lumen der Antenne eintretenden Nervenstamm, so sieht man am schärfsten in dem langgestreckten Basalgliede, dass ein Theil seiner Nerven- fasern nach dem oberen Rande zu den Borsten ausstrahlt, und dass eine jede Borste eine dieser Fasern enthält. Bestimmter äußerte ich mich in der Schrift über Argulus (Über die Entwicklung, Organisation ete. der Arguliden. Diese Zeitschr. Bd. XXIII 1875). 524 O0. vom Rath, »Was Leypıe an der Wurzel der Tastborste als kleinen zelligen Körper beschreibt, der rückwärts fadig verläuft und wohl eine kleine Ganglienkugel vorstelle, entspricht der Matrix sammt Neubildung, während allerdings der Centralfaden, den man hier und da noch weit nach rückwärts verfolgen kann, nervöser Natur ist. Dieses Verhalten möchte unterstützt werden durch das Verhalten der als Riechfäden bekannten Cutieularanhänge so zahlreicher Crustaceen. Für diese habe ich längst in mehreren Arbeiten nachgewiesen (vgl. auch die Arbeiten über Cypridinen und Halocypriden — Stirn- sriffel — ferner über Apus und Branchipus), dass der Nerv nicht etwa nur an die Basis der Borste herantritt, sondern sich unmittelbar in den feinstreifigen Inhalt der Borste fortsetzt. Neuere Unter- suchungen, insbesondere an Sida erystallina und Branchipus-Larven, haben mir indessen gezeigt, dass das Verhältnis des Borsteninhalts zum Nerven nicht so einfach ist und durch die an der Basis der Borste gelagerte Matrix komplieirter wird. Auch die Matrix er- streckt sich als streifige Substanz in den Borstenraum hinein und färbt sich bei Behandlung mit Überosmiumsäure ebenfalls bedeutend. Untersucht man aber in dieser Weise behandelte Objekte unter sehr starker Vergrößerung, so weist man den Nervenausläufer der Gan- slienzelle als Centralfaden in der Achse des streifigen Matrikal- fortsatzes mit geringer Mühe nach, und auch an frischen lebenden Thieren gelingt es nachher leicht den nackten Achseneylinder im Inneren der streifigen Substanz zu erkennen. Borsten, welche nicht zum Tasten oder, wenn wir so sagen dürfen, als Riechfäden dienen, entbehren des Achsenfadens im Zusammenhange mit dem fehlen- den Nerven, während ihr streifiger Inhalt Matrixsubstanz ist. Sehr schön sehe ich das Verhältnis an den Borsten der Ruderantennen von Sida. In den Ästen der Ruderantennen verfolgt man die zarten Nerven bis zur Spitze und erkennt sofort ihre Verschiedenheit von dem in der Achse zusammenlaufenden und wohl noch als Längsstrang diese erfüllenden dicken Matrikalstrang. Die großen zweitheiligen Fiederborsten verdanken ihren streifigen Charakter ausschließlich den Matrikalsträngen und sind ausschließlich Ruderborsten, die kurzen und einfachen Dornen aber sind Tastgebilde und besitzen einen Achsenfaden in dem streifigen Inhalt; zu ihnen tritt ein mit einer Ganglienzelle versehener Nerv heran, um sich zwischen den Matrixzellen hindurch in den Achsen- faden fortzusetzen (Fig. 51 Af). Die zwei großen Schwanz- borsten der Daphnien sind auch Tastborsten.« Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 595 Auf diese letzteren kam ich im nachfolgenden Jahre 1876 in dem Aufsatze: Zur Kenntnis der Organisation und des feineren Baues der Daphniden nochmals zurück. »Aus dem kleinen Ganglion des letzten Beinpaares schienen mir jederseits die langen Nerven der (schon von GRUITHUISEN als solche betrachteten) Tastborsten des Abdomens zu entspringen (Fig. 1), die schräg über den Darmkanal herablaufen und vor ihrem Eintritt in den Matrikalkörper der Cuticularanhänge je zwei spindelförmige Gan- slienzellen durchsetzen (Fig. 6). Das Verhalten dieses letz- teren zu der Matrix wiederholt das bereits für die Tastborsten der Antennen beschriebene Verhalten, indem es an günstigen Objekten eben so gelingt den nervösen Achsenfaden durch die Matrix hindurch in die Borste zu verfolgen. Auffallenderweise sind die beiden Nerven LeyvıiG entgangen, der ausdrücklich hervorhebt, nie einen Nerven beobachtet zu haben und desshalb auch die Deu- tung GRUITHUISEN’S bestreitet.« | Einige Jahre später fand F. LevvıG in seiner Schrift über Amphipoden und Isopoden Gelegenheit auf die von mir behauptete Nervenendigung in den Cuticularanhängen von Sida und Branchi- pus zurückzukommen und seine gegentheilige Meinung aufrecht zu erhalten. Auf die Bemerkung dieses Forschers: »Auch will ja CLaus bei anderen Crustaceen einen nervösen Achsenfaden zwischen den Matrixzellen hindurch in die Borsten verfolgen. So lange freilich ein zur Borste tretender Nerv nicht zu erkennen ist, mag es sich um eine fadige Verlängerung protoplasmatischer Substanz handeln, welche von den Zellen der Matrix aus sich in den Kanal der Borste erhebt. Ich verweise zur Erläuterung auf die Fig. 11 der Taf. I meiner Schrift über Daphniden, was mich in meiner 1879 ver- öffentlichten Phronimiden-Arbeit (Arbeiten aus dem zool. Inst. der Univ. Wien 1879) veranlasste zu antworten: Es beweise jener Autor mit der Bemerkung nur, dass er, anstatt die betreffende Stelle auf p- 24 und 25 meiner Argulidenschrift zu lesen, sowie die Fig. 51 auf Taf. XVIII derselben sich näher anzusehen, lediglich sein älte- res Daphnidenwerk im Auge habe und merkwürdigerweise zur Widerlegung meiner Deutung heranziehe. Auch für die Riechschläuche der Hyperiden wurde das Ein- treten von Nervenfibrillen in das Innere bestätigt, wie aus dem nachfolgenden Passus aus dem Werke »Die Platysceliden, Wien 1887« zu ersehen ist. »Wie bei Phronima und den verwandten Hy- periden beginnen die Sinnesschläuche auf dem von einem glänzenden 526 O0. vom Rath, Cutieularring eingefassten Porus der Chitinhaut mit stärker chitini- sirtem, meist verschmälerten, zuweilen stielförmigen Basalstück, welchem der blasse, zartwandige und am Ende blindgeschlossene Hauptabschnitt folgt. Hier und da sind die Enden in Folge des Abbrechens der Spitze geöffnet, ein pathologisches Verhalten, welches auch bei anderen Crustaceen wiederkehrt und wohl zu der irrigen Vorstellung Anlass gegeben haben mag, als besäßen die Riechhaare an der Spitze Öffnungen. Vornehmlich würden dieselben da zu er- warten sein, wo kleine die Spitze krönende Aufsätze, wie glänzende Knöpfchen, Kegel oder Spitzen, auftreten, deren Entfernung zur Ent- stehung eines Porus Veranlassung geben müsste. Über die feinere Struktur, insbesondere in Betreff des speciellen Verhaltens des zum Borstenschlauch tretenden Nerven, liegen mir keine neuen Beobach- tungen vor. Nur das willich bemerken, dass an günstigen Objekten der zum Borstenschlauch tretende Nerv sich in die Achsensubstanz des ersteren weiter verfolgen und mittels Reagentien als Achsenfaden darstellen lässt.« _ Die letzte auf diese Frage bezügliche Angabe findet sich in einer größeren Abhandlung »Die Halocypriden des Atlantischen Oceans und Mittelmeeres, Wien 1891«. Die auf den nervösen End- apparat bezügliche Stelle (p. 35) lautet: An den vorderen Antennen (der Halocypriden) finden sich nur fünf den Endgliedern zugehörige Anhänge, deren Lage und Form bereits bei Besprechung dieser Gliedmaße beschrieben wurde. Mit denselben steht ein verhältnis- mäßig umfangreicher Nerven- und Ganglienapparat in Verbindung. Der in das proximale Glied des Schaftes eingetretene Nerv schwillt alsbald zu einem bald mehr birnförmigen, bald mehr langgestreckten Ganglion an, welches die eigenthümlichen glänzenden Kugeln ent- hält und setzt sich durch das obere Geißelglied zwischen dessen Längsmuskeln in die Geißel fort, in deren Achse die Fibrillen bündelweise aus einander weichen, um in die fünf Sinnesanhänge einzutreten. Im Inneren derselben lassen sich die zarten Fibrillen- bündel durch die ganze Länge bis zum distalen Ende verfolgen, meist noch von einem spärlichen Protoplasma umlagert, welches auf den Überrest der Matrix des Anhanges zu beziehen ist und zuweilen noch ein oder zwei Kerne aufweist. Das gleiche Verhalten zeigen die Nervenfibrillen in den fünf Borstenanhängen am Nebenast der hinteren oder Schwimmfuß-Antenne, deren Nerv alsbald nach dem Eintritt in das mächtige Schaftglied ein großes Ganglion bildet und dann zwischen den Muskelgruppen nach dem verjüngten Distalende Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 527 - verläuft. Hier theilt sich derselbe in zwei Faserbündel, von denen das kleinere in den mit Schwimmborsten besetzten Hauptast über- tritt, das größere aber nochmals ein Ganglion durehsetzt, in dessen Zellen die specifisch tingirten glänzenden Kugeln des vorderen An- tennenganglions wiederkehren. Die Fibrillenzüge treten aus diesem Ganglion in den Nebenast und von da in dessen fünf Cuticularan- hänge ein, in deren Achse sie sich bis zum Distalende verfolgen lassen. Maza2In Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane u. des sensiblen Nervensyst. etc. 539 Fr Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIII und XXIV. Sämmtliche Abbildungen sind mit dem OBERHÄUSER’schen Zeichenapparat entworfen. Fig. 1. Längsschnitt durch die Spitze einer Maxillarpalpe von Locusta viridissima. Vergr. 170. | sh, Sinneshaar; bz, Begleitzellen; 5%, Blutkörperchen; p%, Porenkanal; hyp, Hypodermis; szq, Sinneszellengruppe; cA, Chitin. Die Figur wurde mit Benutzung einer früher von mir gegebenen Abbil- dung gezeichnet. Die imprägnirten Nervenfasern wurden nach einer ganzen Schnittserie durch eine Palpe eingetragen. Fig. 2. Längsschnitt durch die Spitze einer Labialpalpe von Machilis polypoda. Vergr. 152. Fig. 3. Längsschnitt durch die Antenne von Glomeris marginata. Ver- srößerung 250. Mit Benutzung einer früberen Abbildung gezeichnet. k, Kegel; /%, längliche Hypodermiskerne; dg, Begleitzellen; z, Zapfen; hyp, Hypodermis. Fig. 4. Spitze einer Antenne von Polydesmus complanatus mit impräg- nirten Nervenfasern und Sinneszellen. Vergr. 400. x, unbekanntes Sinnesorgan; Ak, Kegel; z, Zapfen; sz, Sinneszellen. Fig. 5. Unterlippe von Iulus terrestris; kombinirtes Bild. Vergr. 100. k, Kegel; mi, innere Laden; me, äußere Laden; m, Muskulatur; r, Nerv; usg, unteres Schlundganglion; gs, Speicheldrüsen. Die Abbildung wurde mit Benutzung einer früheren Zeichnung ent- worfen. Fig. 6. Schema der Nervenendigungen des sensiblen Nervensystems der Arthropoden. sz, Sinneszelle; co, Centralorgan (Kopie aus Arbeit Nr. 7). Fig. 7. Ein Bein von Niphargus puteanus. Vergr. 52. Fig. 8. Ein anderes Bein von Niphargus puteanus. Vergr. 52. Fig. 9. Eine kleine Antenne von Asellus aquaticus. Vergr. 500. Unter- halb der Sinneskegel liegen imprägnirte Sinneszellen. Fig. 10. Ein imprägnirtes Bein von Asellus aquaticus. Vergr. 35. Fig. 11. Schnitt durch die kleine (innere) Antenne von Pagurus. Ver- srößerung 35. (Auf ?/; verkleinert.) Fig. 12. Schnitt durch die kleine Antenne von Nebalia. Vergr. 400. - Fig. 13. Schnitt durch die kleine Antenne von Palaemon. Vergr. 152. Fig. 14. Schnitt durch die kleine Antenne von Squilla. Vergr. 152. sh, Sinneshaar; szg, Sinneszellengruppe. Fig. 15. Eine Extremität des Postabdomens von Phronima. Vergr. 52. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. Von Dr. Carl Tönniges, Assistent am Zoologischen Institut der Universität zu Marburg. (Aus dem zoologischen Institute zu Berlin.) Mit Tafel XXV und XXV1l. Einleitung. So viele und gute Beobachtungen auch bereits über die Ent- wicklung der Gastropoden gemacht worden sind, und zu welchen interessanten und überraschenden Resultaten die Arbeiten der neueren Zeit auch geführt haben, so sind doch noch immer Lücken geblieben, die der Ausfüllung bedürfen. Wir besitzen eine genaue Kenntnis der ersten Embryonalvor- gänge, speciell auch der Furchung, und wissen, dass sie bei allen Gruppen der Gastropoden ziemlich übereinstimmend verläuft, und höchstens das Fehlen des Nahrungsdotters einige sekundäre Ab- weichungen hervorbringen kann. Wir sind auch im Allgemeinen über die Entstehung der primären Keimblätter und über die sich aus ihnen entwickelnden Organe ziemlich gut unterrichtet, obgleich be- reits hier schon verschiedene Ansichten ihre Vertretung finden. Den meisten Widersprüchen begegnen wir auf einem Gebiete, dessen Erschließung in der neueren Zeit vielfach in Angriff genom- men worden ist, aber den Bearbeitern mehr oder minder große Schwierigkeiten in den Weg gelegt hat; ich meine die Entstehung und. Entwicklung des mittleren Keimblattes. Durch genügendes Material und durch Anwendung geeigneter Untersuchungsmethoden wurde ich in den Stand gesetzt, bei dem Studium der Prosobranchiatenentwicklung zu einigen Resultaten zu ‚gelangen, die vielleicht die bis jetzt vorliegenden Beobachtungen einigermaßen ergänzen. Als Beobachtungsobjekt diente Paludina vivipara. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Ba. 36 542 Carl Tönniges, Die Untersuchung der embryonalen Entwicklung von Paludina bietet, da diese Form lebendiggebärend ist, gewisse Schwierigkeiten dar. Die Furchungsstadien sind zumeist sehr selten anzutreffen, da dieselben, wie bei allen Gastropoden, schnell vorübergehen. Ältere Stadien sind schon häufiger, obgleich auch immer nur in bestimm- ten Intervallen zu finden. Es ist keineswegs der Fall, wie man vielleicht annehmen könnte, dass der zumeist mit Embryonen ganz vollgepfropfte Uterus, der mitunter bis 40 Eikapseln enthält, nun auch Embryonen von allen Altersstufen aufweisen müsste. Zumeist ist eine große Anzahl auf ungefähr gleicher Entwicklungsstufe, wäh- rend man ganz hinten in der Spitze des Uterus zwei bis drei jüngere Stadien findet. Ich habe im Monat Mai wie Juni nur ganz verein- zelt jüngere Embryonen gefunden und fast gar keine Furchungs- stadien. Erst im Juli traten letztere etwas häufiger auf, wenn auch immer noch ziemlich vereinzelt. Auch die Temperaturverhältnisse scheinen auf die Entwicklung einen gewissen Einfluss auszuüben. An Orten mit wärmerem Wasser, wie Gräben, kleinen Gewässern, verläuft die Entwicklung bedeutend schneller als dort, wo die Tempe- ratur des Wassers niedriger ist, wie in den Flüssen und größeren Wasserbecken. Jedenfalls ist das Auffinden gewisser Stadien mit- unter mit großen Schwierigkeiten verknüpft. In den Monaten Juli, August und September findet hauptsächlich die Entwicklung statt, um Ende September und im Verlauf des Oktobers rasch abzunehmen. Jedoch auch nach der eigentlichen Entwicklungsperiode, den ganzen Winter hindurch findet man den Uterus der weiblichen Thiere mit Embryonen gefüllt. Diese sind jedoch selbst in der Spitze des Uterus vollständig entwickelt und bereits mit gut ausgebildeter Schale ver- sehen. Entließ ich diese Embryonen in ein Aquarium, so lebten sie weiter und entwickelten sich vortrefflich. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass ihnen der Uterus nur zum Schutz gegen die Winter- kälte diente, und nicht die geringe Höhe ihrer Ausbildung ein ferneres Verweilen in demselben nöthig machte. Die Eier von Paludina, wie auch die jüngeren Furchungsstadien, stellen sich dem Auge als kleine, gelbe Pünktchen dar, deren tief- selbe Farbe durch die eingelagerten Dotterkügelchen hervorgerufen wird. Je weiter die Entwicklung vorschreitet, um so heller wird der Embryo, da die verbrauchte Dottermasse keinen Ersatz findet. Die Eier selbst werden von einer Eiweißmasse umgeben, die, wenn sie das Ei einhüllt, ziemlich kompakt ist, bald jedoch durch die im Uterus vorhandene Flüssigkeit klar wird und opalisirt. Als Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 543 dritter Bestandtheil des Eies muss die vom Eiweiß gebildete Eiweiß- membran genannt werden, welche in einen gedrehten Faden ausge- zogen ist, wie dies bereits von Levpie (17) genauer beschrieben wurde. Dieser Kokon, in dem gelegentlich auch mehrere Eier ent- ‚halten sind, dürfte ein Hinweis darauf sein, dass Paludina wie andere Schnecken früher ovipar war, und jener gedrehte Faden würde dann als das Rudiment des zur Befestigung des Kokons dienenden Stieles aufgefasst werden müssen [KORSCHELT und HEIDER (44) p. 992]. Durchschnittlich kommen im Uterus ungefähr 20 Eikapseln vor. Die Zahl schwankt jedoch sehr. Die größte Zahl, die ich je in einem Weibchen fand, betrug 40; bisweilen waren jedoch nur sechs und weniger Kapseln vorhanden. Die jungen Paludinen verlassen den Uterus erst ziemlich spät, nachdem das gesammte Eiweiß aufgezehrt ist, und sie bereits eine Schale mit zwei bis drei Windungen besitzen. Sind die Existenz- bedingungen für die jungen Schnecken nicht besonders günstig, so hält die Mutter sie so lange im Uterus zurück, bis die Bedingungen bessere werden. Ich werde zunächst die Darstellung meiner Untersuchungen geben und sodann erst einen kurzen Überblick über die Litteratur folgen lassen. Material und Untersuchungsmethoden. Wie allgemein bekannt, ist Paludina eine der gemeinsten Schnecken, und der Boden mancher langsam fließenden Gräben ist buchstäblich mit ihr besät. Auch in Flüssen und Seen ist sie zu fmden, wenn auch nicht in so großer Anzahl wie in manchen kleinen Gewässern. Mein Material stammt aus der Umgegend von Berlin, und zwar war es hier hauptsächlich die Seenkette des Grunewaldes, welche eine reiche Ausbeute gab. Da Paludina vivipar ist, so hat man nur nöthig, den weiten, sackartigen Uterus gefangener Weibchen zu öffnen und die darin enthaltenen Eiweißkapseln, deren man mitunter 40 antrifft, vorsichtig mit einer Pincette herauszunehmen. Befolgt man letzteres Verfahren nicht, so kommt es oft vor, dass die Eihaut zerreißt und der dünn- flüssige Inhalt sammt Ei ausfließt. Ich habe diese Eikapseln ge- wöhnlich sogleich in eine 0,5°%/,ige Kochsalzlösung gebracht; es schadet den Embryonen jedoch nichts, wenn man hierfür destillirtes Wasser verwendet. Die Ausbildung der Embryonen lässt sich un- gefähr bereits in den Kapseln erkennen, so dass man jetzt schon 36* 544 Carl Tönniges, eine Sonderung nach den Altersstadien treffen kann. Ältere Stadien mit Schale sind sehr deutlich durch die glashelle Membran zu sehen, da sie ihr Eiweiß zumeist schon aufgezehrt haben; jüngere, z. B. Furchungsstadien, sind bei näherem Hinsehen noch als kleine, mehr oder weniger intensiv gelbe Punkte zu erkennen. Wünscht man die Embryonen lebend zu beobachten, so zerreißt man die Membran, lässt den Inhalt in ein Uhrschälchen ausfließen und betrachtet das Objekt nun entweder gleich im Eiweiß oder bringt es mit einer Pipette in eine zu diesem Zwecke von BÜTSCHLI ange- gebene Eiweißlösung (1 Theil Eiweiß, 1 Theil einer 5%/,igen Koch- salzlösung, 9 Theile Wasser). Die jüngeren Stadien sind dotterreich, und es ist frisch wenig an ihnen zu sehen. Man sieht sich daher genöthigt, geeignete Reagentien in Anwendung zu bringen. Bevor zur Konservirung geschritten werden kann, ist es nöthig, die Em- bryonen in 0,5°/,iger Kochsalzlösung gut abzuspülen, damit sie von dem anhaftenden Eiweiß befreit werden. Letzteres gerinnt in der Konservirungsflüssigkeit sofort und macht die Embryonen unbrauch- bar. Durch sorgfältiges Abspülen bewahrt man sich vor vielen Unannehmlichkeiten. Sehr schöne Präparate erhält man, wenn man die betreffenden Objekte mit Pikrinschwefelsäure, absolutem Alkohol oder Suklimat je nach Größe 10 bis 20 Minuten behandelt, sie gut mit 70°/,igem Alkohol auswäscht und mit Alaunkarmin oder Hämatoxylin überfärbt. Mit Alaunkarmin kann man 15 Minuten und länger färben; es giebt jedoch nicht so distinkte Färbungen wie mit der letzterwähnten Flüssigkeit. * Hierbei muss man indessen sehr vorsichtig verfahren, und erst nach einigen Versuchen gelingt jene glänzend blaue Fär- bung, welche die mit Hämatoxylin behandelten Objekte auszeichnet. Ich färbte gewöhnlich 5 Minuten lang, zog dann mit 60°%/,igem Alko- hol, dem etwas Salzsäure zugesetzt war, den überflüssigen Farbstoff aus und brachte durch Zusatz eimiger Tropfen Ammoniak das ver- lorengegangene Blau wieder hervor. Diese Methode gelang mir jedoch nur, wenn ich frisches Material besaß; hatten die Embryonen erst längere Zeit in Alkohol gelegen, so brachte das Hämatoxylin mit darauf folgender Alkoholauswaschung eine schmutziggraue Färbung hervor. | Um Dauerpräparate zu machen, schloss ich die aufgehellten Objekte in Dammarlack ein, und zwar ist dieser dem Kanada- balsam vorzuziehen, da er nicht so schnell erhärtet und längere Zeit nachher noch ein Verschieben der Embryonen unter dem Deck- Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 545 glase gestattet. Die so erhaltenen Totalpräparate erfüllten vollständig ihren Zweck. Fast alle jetzt gebräuchlichen Fixirungsflüssigkeiten können bei den Embryonen mit Vortheil gebraucht werden. v. ERLANGER hat bei seinen Untersuchungen Pikrinschwefelsäure mit Zusatz von einigen Tropfen Osmiumsäure gebraucht, und auch ich kann diese Methode zur Konservirung der Embryonen nur empfehlen. Das Zusammen- wirken der Pikrin- und Osmiumsäure veranlasst ein scharfes Hervor- treten der Zellerenzen. Für jüngere Stadien habe ich die Pikrin- schwefelsäure noch mit etwas Wasser verdünnt. Aber auch andere Fixirungen, wie die mit Chromosmiumessigsäure, reiner Pikrinsäure, Osmiumsäure und Sublimat leisten sehr gute Dienste. Für Total- präparate von Furchungsstadien empfiehlt sich eine Konservirung ohne Osmiumsäure, da die Bräunung für das spätere Färben nicht besonders vortheilhaft ist. Etwas größere Schwierigkeiten findet man bei der Orientirung und dem Schneiden der jüngsten und jüngeren Stadien. Namentlich ist die Orientirung bei den kleinen, ohne Vergrößerung nicht er- kennbaren Objekten nicht leicht. Mit einiger Ausdauer und gutem Willen wird jedoch auch dieses Hindemis bald überwunden. Um das Paraffin in dem Uhrschälchen, in welchem ich die Einbettung vornahm, nicht erstarren zu lassen, gebrauchte ich einen mit heißem Wasser gefüllten Blechkasten, der einige Vertiefungen zur Aufnahme von Schälchen besaß. Dieser ziemlich flache Kasten ließ sich dann leicht unter die Lupe und selbst unter das Mikroskop bringen, so dass die Orientirung gut von statten ging. Durch Zusatz kalten Wassers erzielte ich ein Sinken der Temperatur im Blechkasten und damit ein Erstarren des Paraffins.. Man muss sich nur bei seinen Manipulationen hüten, den Kasten irgendwie zu erschüttern, da dann die Objekte zumeist aus ihrer Lage gebracht werden. Das zum Einbetten gebrauchte Paraffin war für kleinere Stadien von einem möglichst hohen Schmelzpunkte (ungefähr 60° C.), um Schnitte von 3 « gut anfertigen zu können. Da Schnitte von größerer Dünne leicht zerreißen, und solche mit hart gewordenem Dotter ausspringen, so ist es sehr zu empfehlen, die Schnittfläche jedes Mal mit einer dünnen Haut von Mastix-Kollodium (HEIDER, 39) zu überziehen, eine Methode, die auf unserem Institute allgemein als gut anerkannt worden ist. Auf diese Weise gelang es mir bei einiger Vorsicht, Schnittserien durch vollständig gut orientirte Bla- stulae und Gastrulae anzufertigen. B 546 Carl Tönniges, Wenn ich etwas genauer auf die von mir angewendeten Metho- den eingegangen bin, so glaube ich, dass die Kenntnis derselben bei ähnlichen Untersuchungen von Vortheil sein könnte, wenn sie auch nur über die allgemeinsten Schwierigkeiten hinweghelfen soll. Alle jene technischen Verrichtungen, welche sich auf die Zeit- dauer der Färbungen wie des Verweilens in den verschiedenen Flüssigkeiten beziehen, erwähne ich nicht näher, da Jedermann die- selben selbst ausprobiren muss und somit auf sie einzugehen nutzlos sein würde. I. Furchung. Es ist für die folgende Betrachtung der Mesodermbildung, auf die in dieser Abhandlung das Hauptgewicht gelegt werden soll, nöthig, auch einen kurzen Blick auf die Furchung zu werfen. Schon jetzt will ich jedoch bemerken, dass in derselben und selbst am Ende der Gastrulation nichts von einer Anlage des mittleren Blattes zu bemerken ist, so dass die Furchung nur so weit behandelt werden soll, um dieses Verhalten zu verdeutlichen. Es wurdem dem zufolge nur Schnitte durch Blastula- und Gastrula- stadien abgebildet und solche der Furchungsstadien selbst fortgelassen. Ich hoffe, später noch einmal die Furchung von Paludina eingehen- der behandeln zu können, und um so mehr, da dieselbe, in Folge der Schwierigkeit, die frühesten Entwieklungsstadien aufzufinden, nur ganz allgemein bekannt ist. Die kontinuirliche Entwicklung eines Eies kann, da Paludina lebendiggebärend ist, nicht beobachtet werden, sondern die gewonne- nen Resultate entstammen den Beobachtungen verschiedener Eier. Aus den durch einige Furchungsstadien gelegten Schnittserien ließen sich etliche strittige Fragen aufklären, die bislang an einfachen Präparaten nicht zur definitiven Erledigung gekommen waren. So war der Mangel einer Furchungshöhle mehrfach behauptet worden, während von anderer Seite an der entgegengesetzten Ansicht fest- gehalten wurde. Durch die Fig. 1—3 ist eine solche nun als vor- handen zu bezeichnen. Auch die Größenverhältnisse der einzelnen Zellen, wie ihre Lage zu einander, konnten an einigen Schnitten genau festgestellt werden. | Geradezu nöthig wurden die Schnittserien, als es sich um ein näheres Eingehen auf die Gastrulaverhältnisse handelte. Nur durch ihre Vermittelung konnte ich, wie weiter unten gezeigt werden soll, das Fehlen des Mesoderms genauer als meine Vorgänger feststellen, Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 547 wie es mir auch fernerhin durch dieselbe Methode gelang, den Schluss des Blastoporus zu konstatiren. Was die Furchung selbst anbetrifft, so werden wir eine große Übereinstimmung mit der anderer Gastropoden finden; ausgenommen vielleicht, dass durch den Fortfall des Nahrungsdotters die Furchung der Paludina nahezu äqual geworden ist. Ein wichtiger Unterschied ist freilich in dem Fehlen des Mesoderms gegeben, dessen Bildungs- modus gegenüber den meisten anderen Gastropoden ein durchaus ab- weichender ist. Es lassen sich indessen, wie wir an einschlägiger Stelle sehen werden, Anknüpfungspunkte bei einigen niederen Mol- lusken finden, die in der Zeit der Mesodermbildung ähnliche Ver- hältnisse aufweisen wie Paludına vivipara. Die kleinen gelblichen Eier mit ihrem großen, hellen Keimbläs- chen haben einen Längsdurchmesser von 0,024 mm und einen Querdurch- messer von 0,013 mm. Eine dünne durchsichtige Dotterhaut umgiebt das unbefruchtete Ei. Es zeigt eine verhältnismäßig reichliche Menge von Dotterkügelchen in seinem Protoplasma vertheilt und besitzt dadurch ein goldgelbes Aussehen. Die Dotterkügelchen sind an der Peripherie kleiner und liegen hier zerstreuter, während das Centrum und seine nähere Umgebung eine Centralisirung von Dotter besitzt. Im Verlauf der Furchung verliert sich die Dottermenge mehr und mehr, so dass am Ende derselben nur noch die künftigen Entoderm- zellen dotterreich sind und dadurch jene charakteristische dunklere Färbung zeigen, welche sie so gut von den ganz hellen Ektoderm- zellen unterscheidet. Das Ei zeigt, so lange die Furchung noch nicht begonnen hat, keine polare Differenzirung, sondern die Körnchen von Dotter sind gleichmäßig im Ei vertheil. Dieses ändert sich jedoch bei der Bildung der Furchungskugeln, und auf dem vierzelligen Stadium ist es schon möglich, einen animalen und vegetativen Pol zu erkennen. An den vorhergehenden zwei Zellen ist vielleicht auch schon eine Differenzirung des Dotters eingetreten, jedoch ist dieselbe dann schwer erkennbar. | * Auf die Beschreibung aller jener bemerkenswerthen regressiven Veränderungen des Keimbläschens vor der Befruchtung des Eies verzichte ich, da erstens genügende Beobachtungen über diesen Punkt vorliegen, dann aber hauptsächlich, weil dieselben, da Palu- dina lebendiggebärend. ist, schwierig und unvollständig zu beobachten gewesen wären. Zumeist traten zwei Richtungskörperchen aus; bisweilen war 548 Carl Tönniges, auch nur eins vorhanden, was sich aber wohl daraus erklären lässt, dass das andere sich bereits abgelöst hatte und im Eiweiß verloren gegangen war. Mehr als zwei Richtungskörperchen ließen sich jedoch nie beobachten. Sie behalten ihre Lage am animalen Pol nicht lange inne, sondern lösen sich ab und gehen zu Grunde. Das Ei dürfte wohl bei seinem Herabgleiten nach dem Uterus zu im Eileiter befruchtet und am Ende desselben von der dort ein- mündenden Eiweißdrüse mit einer Schicht Eiweiß umhüllt werden, welche sich äußerlich zu einer in einem gedrehten Stiel auslaufenden Membran erhärtet. Es ist erklärlich, dass die Eier augenscheinlich im Eileiter befruchtet werden müssen, da späterhin die Eiweißschicht das Herankommen der Spermatozoen an das Ei verhindern würde. Diese Ansicht findet außerdem ihre Stütze in dem Vorhandensein von Spermatozoen hoch oben im Eileiter und dem bereits vollendeten Befruchtungsakt bei sich etwa hier vorfindenden Eiern. Die Furchung verläuft, wie ich schon mehrfach erwähnt habe, nicht ganz äqual. Obgleich die Abweichung in der Größe der ein- zelnen Zellen als eine sehr geringe bezeichnet werden muss, so sprechen doch viele Anzeichen, welche im Verlauf der Furchung auftreten, wie auch die bei Mollusken an und für sich schon seltene äquale Furchung, dafür, dass dieses ein sekundäres Verhalten ist. Sonach scheint Paludina von einer Form mit reichhaltigem Nahrungs- dotter abzustammen. Durch das Fehlen desselben liegt nun die Möglichkeit nahe, dass hier die Furchung zu dem primitiveren Modus zurückgekehrt ist, da die Bedingungen für eine vollständig reguläre Furchung durch die geringe Größe und Menge des Nahrungsdotters segeben sind. Dieser, ursprünglich im Ei gleichmäßig vertheilt, sammelt sich beim Beginn der Furchung am vegetativen Pol an. Nachdem das Ei nach der Befruchtung einige Zeit im Ruhe- zustand zugebracht hat, beginnt die Theilung. Nach einer geringen Längsstreckung bildet sich am Keime eine Furche, welche wir, da sie vom animalen Pol (an den Richtungskörperchen kenntlich) nach dem vegetativen läuft, als Meridionalfurche bezeichnen; sie theilt das Ei in zwei gleiche Hälften, welche die beiden ersten Blastomeren darstellen. Diese sind an ihrer Zusammenhangsstelle abgeplattet, sonst gleichen sie im Aussehen und Färbung noch genau dem unge- furchten Ei. | Immer vor dem Beginn einer neuen Theilung macht sich ein bemerkenswerther Vorgang am Ei geltend. Die einzelnen Blasto- meren schließen sich fester zusammen, die Furchen verstreichen, und Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 549 das Objekt nimmt scheinbar wieder die Form eines ungefurchten Eies an. Wie aus den verschiedenen Abhandlungen über Gastro- podenfurchung zu ersehen ist, scheint dieses Verhalten der Furchungs- kugeln nicht selten zu sein. Es erschwert bei älteren Furchungs- stadien die Beobachtung sehr, da durch das Verstreichen der Begrenzungslinien die Zahl der einzelnen Blastomeren nicht genau erkennbar ist. Der soeben beschriebene Vorgang der Theilung in zwei Zellen wiederholt sich noch einmal in genau derselben Weise. Vom ani- malen Pol der beiden Furchungskugeln aus tritt abermals je eine Meridionalfurche auf, die indess auf der ersten rechtwinklig steht, und halbirt jedes der Theilstücke. Die Theilung scheint nicht bei beiden Kugeln zugleich vor sich zu gehen, denn ich habe oft ein werdendes Vierzellenstadium getroffen, bei dem das eine Theilstück bereits in zwei zerfallen war, während im anderen sich erst die Kerne getheilt hatten, ohne dass der Zellkörper schon gefolgt wäre. Schließlich ist das Stadium mit vier gleich großen Zellen er- reicht, von denen zwei etwas abgeplattete an einander stoßen und damit verhindern, dass sich die beiden anderen treffen können. Diese liegen wie eingeklemmt in den von den ersteren gebildeten Winkeln. Die durch die beiden ersterwähnten Furchungskugeln gebildete kleine Querfurche ist für die Orientirung in Fällen, in denen man die Fur- chung Schritt für Schritt verfolgen kann, von großer Wichtigkeit, da durch diese kleine Furche schon die Richtungen des künftigen | Embryos bestimmt sind, wie RABL und nach ihm andere Forscher nachgewiesen haben. Interessant ist die Ähnlichkeit dieses Stadiums mit denen anderer Gastropoden, auf die ich hier kurz hingewiesen haben möchte. Die vier Furchungskugeln zeigen eine gut hervortretende Diffe- renzirung der beiden Pole, indem der animale sehr protoplasmareich ist, wenig Dotterkörner enthält und darum bedeutend heller als der vegetative, an dem die ganze Dottermenge aufgehäuft liegt, ist. Eine scharfe Grenze zwischen beiden Theilen ist jedoch nicht zu ziehen, sondern der Nahrungsdotter sen sanz allmählich in den Bildungs- dotter über. In allen diesen Stadien sieht man die einzelnen Theilstücke zu- meist gut von einander getrennt; am schärfsten in denen der Ruhe, welche nach den Theilungen jedes Mal eintreten. Ist die Furchung erst weiter vorgeschritten, und sind die Blastomeren in größerer Zahl vorhanden, so treten die Grenzen nicht mehr so scharf hervor. 590 Carl Tönniges, Im dritten Furchungsstadium, das sehr charakteristisch für die Gastropoden ist, liegt die Theilungsebene, aber jetzt horizontal, mehr dem animalen Pol genähert, wodurch vier etwas kleinere Zellen ab- seschnürt werden. Sie haben ein helles Aussehen, da sie von dem, geringe Dottermengen enthaltenden animalen Pol abstammen. Wenn auch der Unterschied in der Größe der einzelnen Zellen nicht be- deutend ist, so wird doch die Furchung durch diese dritte Theilung inäqual. Die kleinen Blastomeren sind in Bezug auf die größeren eben so gelagert, wie wir es von den anderen Gastropoden wissen, d. h. sie liegen in den Furchen derselben, werden sich also wohl in der Richtung des Uhrzeigers verschoben haben. Sie zeigen zwi- schen sich ebenfalls jene kleine Querfurche, welche wir bereits auf dem vierzelligen Stadium erwähnt hatten und gleichen also in Form und gegenseitiger Lagerung genau dem Viertheilungsstadium; nur ihre etwas kleinere Gestalt und ihr helleres Aussehen unterscheidet sie in etwas von dem vegetativen Theil. Ich muss hier kurz be- merken, dass man diesen Bildungsprocess der vier kleinen animalen Furchungskugeln bei Paludina nicht wie bei anderen Gastropoden als »Knospung« bezeichnen kann, da die neugebildeten Zellen wenig in der Größe hinter den vier ersten Zellen zurückstehen. Über- haupt ist die geringe Größendifferenz der Furchungskugeln, die man kaum als Makro- und Mikromeren wie bei anderen Gastropoden unterscheiden kann, für Paludina sehr bemerkenswerth. Die kleine Furchungshöhle ist jetzt schon bei der Betrachtung des Eies vom animalen Pol aus zu erkennen, da hier die hellere Plasmamenge durchsichtiger ist. Obgleich die animalen Zellen bedeutend heller sind als die unter ihnen liegenden großen Theilstücke, so zeigt sich bei ihnen eine kleine Ansammlung von Nahrungsdotter gegen den vegetativen Pol hin, wodurch auch bei ihnen eine geringe Differen- zirung eintritt. Der Kern ist in den Zellen gut zu sehen, da er sich durch eine bedeutende Größe und Helligkeit bemerkbar macht; er ist mehr dem Centrum des Eies zugelagert und hat innerhalb des Blastomers seine Stelle in dem plasmatischen Theil desselben. Das Gleiche gilt für die Kerne der vegetativen Zellen. Während im einfachsten Furchungstypus das betreffende Ei in zwei, dann in 4, 8, 16, 32 ete. Zellen zerfällt, dasselbe sich also in geometrischer Progression theilt, wird bei unserem Ei ein zwölfzelliges Stadium eingeschoben. Durch eine zweite Äquatorialfurche werden vier weitere Zellen abgetrennt, die etwas dunkler gefärbt sind, da Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 551 sie schon etwas mehr Dotterkörnchen als unsere ersten vier animalen Theilstücke enthalten. Im nächstfolgenden Stadium haben sich, übereinstimmend mit der Furchung anderer Gastropoden, alle zwölf Zellen getheilt, so dass es zur Bildung von 24 Furchungskugeln gekommen ist. Die vier Makro- meren sind noch durch ihre etwas dunklere Färbung zu erkennen, obgleich dieselbe nicht so intensiv und unterscheidend ist, wie man wohl vermuthen könnte. Ich habe unter der Reihe von Eiern, die mir zu Gebote standen, keines gefunden, welches nach dem 24zelligen Stadium weniger als die doppelte Zahl von Zellen gehabt hätte, so dass ich mich zu der Vermuthung gedrängt sehe, es möchte wohl als das nächstfolgende anzusehen sein. Sämmtliche 24 Zellen hätten sich demnach gleich- zeitig getheilt. Der Vorgang wäre mithin dem vorhergegangenen sehr ähnlich. So weit war es möglich, die Furchung in genauer Weise an den sanzen Objekten zu studiren. Die Theilungen verlaufen jetzt sehr rasch, und die meisten Furchungsstadien besitzen für ihre kleinen Blastomeren so wenig scharfe Begrenzungslinien, dass sich nur an- nähernd ihre Zahl feststellen lässt. Was mir jedoch von älteren Stadien zu Gesicht gekommen ist, hat unbestreitbar gezeigt, dass von einem Auftreten von Urmesodermzellen in der Größe, wie wir sie oft bei anderen Gastropoden, z. B. manchen Opisthobranchiern finden, bei Paludina nicht die Rede sein kann. Die Verschiedenheit in der Größe der Zellen ist jetzt nicht mehr streng unterscheidbar, und die Furehung geht beinahe in den totalen äqualen Typus über. Die weitere Beobachtung macht, um einigermaßen gesicherte Resultate zu erhalten, die Anwendung der Schnittmethode nöthig. Es ist ohne dieselbe nicht möglich, das Hineintreten von Zellen in die Furchungshöhle, worauf es mir bei meiner Untersuchung hauptsäch- lich ankam, mit Sicherheit zu beobachten. Das Ergebnis derselben war rein negativ und bewies meine an den Präparaten gemachte Vermuthung. Auch an den Schnitten, in die ich die Blastula zer- legte, konnte ich nichts bemerken, was eine Differenzirung von Mesodermzellen wahrscheinlich gemacht hätte. Es kommt oft vor, dass einzelne Zellen des vegetativen Poles tief in die Furchungs- höhle hineinragen und dadurch ein flaschenförmiges Aussehen ge- winnen (Taf. XXV, Fig. 1 und 2). Sie sind jedoch von keiner Bedeutung, da sich ihre Form aus dem ganzen Verlauf der Blastula- bildung ergiebt. Wenn die Blastula von Paludina auch als echte 552 Carl Tönniges, Blastula bezeichnet werden muss, so nähert sie sich in Folge ihrer spaltförmigen Furchungshöhle doch schon stark der Sterroblastula. Niemals schnüren sich aber von den erwähnten Zellen Mesoderm- elemente ab. | Fig. 1, Taf. XXV führt uns die eben beschriebenen Verhältnisse vor Augen. Eine größere vegetative Zelle springt weit in die Furchungshöhle hinein. Letztere hat eine excentrische Lage, da eben einige Zellen des vegetativen Poles weit in dieselbe hinein- ragen. Ihre relative Kleinheit kann nicht, wie wir sehen, auf An- häufung von Nahrungsdotter zurückgeführt werden, sondern auf die Breite und Länge der einzelnen Blastomeren selbst, welche von allen Seiten gegen das Centrum hin in die Furchungshöhle hinein- ragen. Der Größenunterschied der einzelnen Zellen ermöglicht eine Bestimmung der beiden Pole. Zumeist ließ sich beobachten, dass der vegetative Pol sich etwas durch seine dunklere Färbung auszeichnete und als solcher schon äußerlich zu erkennen war. Die Zahl der Blastomeren ist keine große, da sehr wenig Dotter vor- handen ist. Aplysia, Neritina, Nassa ete. haben auf ihren Blastula- stadien bedeutend mehr Zellen als Paludina nnd andere dotterarme Formen. Eine weitere Differenzirung der Blastula macht sich im Verein von fortschreitenden Zelltheilungen durch eine Abplattung des vege- tativen Poles bemerkbar (Fig. 2), wodurch letzterer weiterhin für die Orientirung kenntlich wird. Diese Abflachung leitet die Invagina- tion ein. Bliebe jedoch die Furchungshöhle so klein, wie sie in der Blastula (Fig. 1) vorhanden ist, se würde eine Einstülpung schon aus mechanischen Gründen unmöglich sein. In der That dehnt sich das Blastocöl aus, wodurch aber doch keine größere Höhlung zur Geltung kommt, denn mit der Ausdehnung hält die Einstülpung der vegetativen Hälfte gleichen Schritt (Fig. 2 und 3). Zugleich mit der Erweiterung der Furchungshöhle dehnen sich auch die seitlichen Partien der Blastula aus; ihre Zellen werden dadurch niedriger und etwas breiter. Der Einstülpungsprocess geht rasch vorwärts, und während vorher die Größenzunahme der Furchungshöhle den Fort- gang der Invagination überwog, gewinnt schließlich letzterer die Oberhand; die beiden Blätter, Entoderm und Ektoderm, so können wir sie jetzt wohl schon nennen, legen sich dicht an einander und verdrängen die Furchungshöhle bis auf kleine Reste, welche sich zwischen den einzelnen Zellen erhalten (Fig. 3 und 4). Die junge Gastrula (Fig. 3) hat, von der Fläche gesehen, eine Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 553 mützenförmige Gestalt, welche durch die geringe Tiefe der Einstül- pung bedingt wird; ihre seitliche Ansicht zeigt uns ein nieren- förmiges Bild. Wenn man den Rand der umgeschlagenen Keim- schicht als Urmund bezeichnen will, so hat dieser naturgemäß eine sroße Weite und ist etwas oval oder beinahe kreisrund geformt. Dureh Wachsthum und weitere Zelltheilungen strebt die Gastrula danach, die kugelige Gestalt wieder zu erlangen, welche die Blastula besaß. Die Ränder biegen sich allseitig mehr und mehr zusammen, der Urdarm vertieft sich, und der Keim wird glockenförmig. Bemerkt muss werden, dass der Blastoporus durch diese Ver- engerung immer noch etwas seine ursprüngliche Form beibehält und nicht ganz spaltförmig wird. Ferner liegt er genau dem Apicalpol gegenüber. Die abgebildeten Stadien Fig. 3—6 vergegenwärtigen den eben beschriebenen Process. Auf Fig. 6 hat die Gastrula ihre höchste Ausbildung erreicht. Sie ist beinahe kugelförmig und der Blastula in der äußeren Form sehr ähnlich. Eine Differenzirung der Ektodermzellen, durch welche bereits die künftigen Zellen des Velums charakterisirt wären, ist noch nicht vorhanden. Die Fur- chungshöhle hat sich nicht wieder erweitert, sondern verharrt auf dem Standpunkte ihrer früheren Größe. Der Blastoporus hat seine srößte Enge erreicht und ist bei oberflächlicher Betrachtung nicht mehr erkennbar. Es war jedoch möglich, auf Schnitten sein Vor- handensein nachzuweisen. Das nächstfolgende Stadium (Fig. 7) zeigt uns bereits seinen Schluss. Bevor ich auf die Verhältnisse des Blasto- porus näher eingehen kann, muss ich ein paar Worte über das mittlere Blatt, welches, im Vergleich mit den übrigen Gastropoden, auf dem Gastrulastadium (Fig. 6) in seiner Anlage vorhanden sein sollte, einschieben. Eingehende Untersuchungen haben mit Sicherheit ergeben, dass bis zu diesem Punkte der Entwicklung weder Urmesodermzellen noch Differenzirungen der beiden Blätter, welche uns einen Hinweis auf die Entstehung des mittleren Blattes geben könnten, vorhanden sind. Schon der ganze Vorgang der Furchung wies darauf hin, dass bei Paludina thatsächlich Urmesodermzellen, ob klein oder sroß, fehlen, obgleich dieselben bei sehr nahe verwandten Formen sefunden worden sind. Am Ende der Invagination sind nur die beiden primären Keimblätter vorhanden, von einer Anlage des Mesoderms ist nichts zu bemerken. Ich möchte also besonders hervorheben, dass in der ausgebildeten Gastrula von Paludina eine Anlage des 554 Carl Tönniges, mittleren Blattes nicht vorhanden ist, sondern der Keim nur aus dem primären Ektoderm und Entoderm besteht. Diese Behauptung ist nicht neu, denn alle Beobachter, welche die Entwicklung der Paludina genauer studirt haben, sind zu der Überzeugung gekommen, dass in der Gastrula Mesodermzellen nicht vorhanden sind. BürschaLı (4) konnte ebenfalls in der Gastrula keine Mesodermzellen auffinden und beschrieb sie auf einem etwas älteren Stadium. v. ERLANGER (6) bestätigte diese Befunde, kam aber dann zu einer vollständig abweichenden Auffassung über die Entstehung des Mesoderms. Jedenfalls aber stimmen beide Autoren darin überein, dass Mesodermelemente nicht auffindbar waren. Es ist mir jetzt hauptsächlich darum zu thun, die beiden über- einstimmenden Angaben BÜTSCHLI’s und v. ERLANGER’s zur Unter- stützung meines soeben ausgesprochenen Satzes über das Fehlen des Mesoderms in der vollendeten Gastrula herbeizuziehen. Während jene Resultate an Totalpräparaten gewonnen werden, habe ich, wie aus den Abbildungen zu ersehen ist, verschiedene Gastrulastadien in Schnittserien zerlegt, so dass die sich ergänzenden Beobachtungen beiderseits einen sicheren Beweis liefern, und kein Zweifel über das Fehlen des Mesoderms aufkommen kann. Es muss jedoch erwähnt werden, dass BLOCHMANN (2) bei seiner Untersuchung über den Verbleib des Blastoporus in einer Gastrula kleine Urmesodermzellen, die in der Nähe des Blastoporus liegen, zeichnet; indessen sind seine Angaben zu unbestimmt, als dass wir ihnen viel Werth beimessen könnten. Vergleichen wir mit diesem eben beschriebenen Verhalten das- jenige anderer Gastropoden oder in weiterer Ausdehnung der Mol- lusken überhaupt, so bemerken wir, dass das Auftreten des Meso- derms in Gestalt von zwei Urmesodermzellen, die bereits im Verlauf der Furchung abgeschnürt werden, im Allgemeinen für die Mollusken und speciell für die Gastropoden als typisch gelten kann. Zumeist treten Urmesodermzellen frühzeitig bei Formen mit reichlichem Nahrungsdotter auf, während sich ihre Bildung im ent- segengesetzten Fall verzögert und oft in anderer Weise verläuft. Schon die Zellen des Ektoderms und Entoderms stehen in Hinsicht auf ihre Zahl und Größe in einem gewissen Verhältnis zum Nahrungs- dotter. So ist z. B. bei reichlicher Menge desselben die Zahl der Ektodermzellen sehr groß. Sie sind dem zufolge aber auch ent- sprechend klein (Aplysia, Neritina, Umbrella, Nassa ete.). Das umgekehrte Verhalten findet sich beim Fehlen des Nahrungsdotters. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 555 Gewöhnlich findet nun bei diesen Species mit großer Blastomeren- zahl auch ein frühzeitiges Auftreten von typischen Urmesodermzellen statt, obgleich dieses Verhalten nicht in allen Fällen zu konstatiren ist. Ist jedoch die Furchung mehr äqual, sind die Blastomeren weniger zahlreich, so ist auch zumeist die Bildung der Mesodermzellen eine verschiedene und von dem ersten Typus abweichende. Einige Bei- spiele mögen dieses erläutern. Eine ursprüngliche Form stellt Patella dar, deren Entwicklung ähnlich der von Paludına verläuft. Der Dottergehalt ist auch hier gering, und die Mikromeren stehen den Makromeren nicht erheblich an Größe nach. Das Mesoderm entsteht erst in der ausgebildeten Blastula, indem es sich von einer der tief in die Furchungshöhle hineingewucherten Zellen des Entoderms abtrennt. Jedenfalls ist dieser Vorgang gegenüber dem gewöhnlichen Typus ein etwas ab- weichender. Auch Dentalium hat dotterarme Eier, wodurch die Furchung “ beinahe äqual verläuft. Das Resultat ist eine Blastula, in der keine Mesodermzellen vorhanden sind. Erst in der Gastrula lösen sich einige Entodermzellen los und wandern in die Furchungshöhle. Die sanze weitere Differenzirung des Mesoderms zeigt ebenfalls etwas Abweichendes. Es wird zwar allgemein eine bilaterale Anordnung desselben angenommen, jedoch ist es sehr fraglich, ob es zur guten Ausbildung von Mesodermstreifen und Cölom kommt, sondern die Streifen scheinen sich früh aufzulösen, und die Vorgänge verwischt zu haben. Die Furchung der Amphineuren, dieser ursprünglichsten Gruppe der Mollusken, weist ebenfalls manche Ähnlichkeit mit der von Paludina auf. Die Eier von Chiton sind nach KOWALEVSKY dotter- arm, und die Furchung verläuft dem zufolge ziemlich äqual. Der betreffende Beobachter hat bei dieser Form Urmesodermzellen be- schrieben, die jedoch, und darauf möchte ich bei allen hier erwähn- ten Fällen besonders hinweisen, im Verhältnis zu dotterreichen Formen länger im Entodermverbande liegen bleiben und selbst bei ihrem Hineinrücken noch für eine ganze Zeit mit ihren Spitzen darin stecken. Es ist bemerkenswerth, dass bei diesen drei ursprünglichen Formen, deren Furchung und Keimblätterbildung große Überein- stimmung mit unserer Form aufweist, keine typischen Urmesoderm- zellen, wie sie manchen Gastropoden mit reichhaltigem Nahrungs- dotter zukommen, vorhanden sind. Ebenfalls ist das längere Verweilen 556 Carl Tönniges, von Mesodermzellen im Zellverbande eines der beiden primären Blätter von Bedeutung für ähnliche, später zu beschreibende Vor- gänge in der Paludinenentwicklung. Die betreffenden, bis jetzt geschilderten Vorgänge der Furchung bis zur vollendeten Gastrula geben folgendes abschließende Bild: 1) Die Furchung verläuft beinahe ägual. 2) Eine Furchungshöhle ist, wenn auch nur als Spalt, vorhanden. 3) Es findet eine Abflachung der Blastula am vege- tativen Pol und eine darauffolgende Invagination statt. 4) In der vollendeten Gastrula sind keine Urmeso- dermzellen vorhanden. 5) Der Blastoporus ist stark verengt. II. Der Schluss des Blastoporus und die Entstehung des Afters. Die Verhältnisse des Blastoporus zum definitiven Mund und After sind schon vielfach Gegenstand der Beobachtung gewesen. Selten finden sich jedoch so viele Widersprüche und verwirrende Ansichten wie gerade bei den Gastropoden. Die Kleinheit und Undurchsichtig- keit der Embryonen erschwert die Beobachtung sehr, so dass bei den schwierigen Untersuchungen über die Umbildungen des Urmundes oft Täuschungen unterlaufen können. Ist es möglich, die betreffen- den Embryonen genau zu orientiren, so muss man sie in Schnitt- serien zerlegen. Ich schicke diese Bemerkung voraus, da sich meine Beobachtungen hauptsächlich, im Gegensatz zu meinen Vorgängern, auf Schnittserien stützen. Wir wissen, dass bei den meisten Gastropoden, deren Entwick- lung genauer studirt worden ist, der Blastoporus entweder als Rest direkt in den bleibenden Mund übergeht, oder an seiner Verschluss- stelle die Ösophagealeinstülpung neu gebildet wird. Diese beiden Ansichten sind die am besten begründeten, und es würde die Umbildung des Blastoporus bei allen Gastropoden eine ziemlich einheitliche sein, wenn nicht die Verhältnisse einer ein- zigen Form störend dazwischenträten. :Es ist dieses gerade Palu- dina, bei der der Verbleib des Urmundes von verschiedenen Beob- achtern in ganz entgegengesetzter Weise gedeutet worden ist. Im Jahre 1875 untersuchte Ray LANKESTER (19) einige Ent- wicklungsstadien von Paludina und meinte, dass vielleicht bei dieser Schnecke der Blastoporus direkt in den After übergehen möchte. Er ließ jedoch auch die Möglichkeit offen, dass der Urmund sich Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 557 für eine kurze Zeit schlösse, und der After sekundär neu gebildet würde. Fernerhin gelangte dieser Forscher zu dem Resultat, dass der bleibende Mund nicht in Beziehung zum Blastoporus zu setzen sei. Ein Jahr später folgte abermals eine Untersuchung Ray LaAn- KESTER’S (20), welche sich speciell mit der Blastoporusfrage der Paludina beschäftigte. In dieser Abhandlung hielt der Verfasser seine früheren Behauptungen aufrecht und sprach nun mit Sicherheit den Satz aus, dass bei Paludina vivipara der Blastoporus direkt in den definitiven After übergehe. Nur wenig später als diese letztgenannte Schrift erschien eine Abhandlung Bürscaur's (4), die die Resultate, welche RAY LANKESTER in Bezug auf den Blastoporus gewonnen hatte, mit geringen Ab- weichungen bestätigte, ohne dass jedoch BürschLı von den Ray LANkKESTER’schen Befunden beeinflusst war. Man hätte nun der Ansicht sein können, dass an dieser von zwei Forschern gemachten Beobachtung nicht zu zweifeln wäre, wenn nicht ein Jahr später RaAsBL (25) gerade zu den entgegen- sesetzten Ansichten gekommen wäre. Die nähere Ausführung seiner Behauptung legte der Verfasser (26) einige Jahre später in einer mit Abbildungen versehenen kleineren Schrift nieder. Ich habe unten weiter noch näher auf die Beobachtungen RABL’s zurückzukommen, so dass eine sofortige Wiedergabe derselben nicht von Vortheil sein würde. Es mag jedoch gleich hier erwähnt wer- den, dass RapL bemüht gewesen ist, die betreffenden Verhältnisse genau so darzustellen, wie er sie thatsächlich gesehen hat; seine Abbildungen sind durchaus nicht schematisirt, sondern entsprechen genau, wenn man von einigen Unregelmäßigkeiten in den Zeich- nungen der jüngsten Stadien absieht, den natürlichen Objekten. Die Angaben Ragr’s brachten die Beobachtungen LANKESTER’S und BÜTscHLis ins Wanken, und der Letztere nahm alsbald, um die- selben zu stützen, die Untersuchung über diesen Gegenstand aber- mals auf. Durch BLocHmann (2) wurden diese Untersuchungen sorgfältig fortgesetzt, und zwar gelangte BLOCHMANN zu demselben Resultate und behauptete ebenfalls den direkten Übergang des Blastoporus in den After. | Vor nicht allzulanger Zeit, im Jahre 1891, wurde die ganze Entwicklung der Paludina vivipara durch v.. ERLANGER (6) studirt, und dieser Forscher berücksichtigte nochmals die Blastoporusver- hältnisse, wenn auch nicht in eingehender Weise. Wie ich zeigen werde, entsprechen die Auffassungen v. ERLANGER’S Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bad. 37 558 Cari Tönniges, über die Bildung des Mesoderms nicht dem wirklichen Sachverhalt, und da die bewusste Umbildung des Blastoporus in den After eben- falls in diesen Zeitpunkt der Embryonalentwicklung fällt, so musste ich auch diese Angaben einer Kontrolle unterwerfen. Es ergab sich, dass die abgebildeten Stadien in Folge ihrer ziemlich schematischen Behandlung nicht recht mit den von mir gegebenen Schnitten zu vergleichen sind. Weiterhin ist jedoch in dieser Arbeit weniger &ewicht auf die Beobachtung, wie sich der Blastoporus in seiner Entwicklung verhält, gelegt worden. Im Übrigen hält auch v. ERLANGER an der Ansicht fest, dass der Blastoporus direkt in den After übergeht. Über die einzelnen Verschiedenheiten der erwähnten Abhand- lungen werde ich noch sprechen, wenn ich bei der folgenden Klar- legung meiner Beobachtungen dieselben berühren muss. Ein Mangel macht sich an den Arbeiten aller früheren Beob- achter bemerkbar, indem sie ihre äußerst schwierig zu beobachtenden Resultate nicht vermittels Schnitte kontrollirt haben. Wer sich mit der Gastropodenentwicklung näher beschäftigt hat, weiß, wie un- durchsichtig die Embryonen sind, und dass es selbst an den besten Totalpräparaten und mit der ausgezeichnetsten Beleuchtung mitunter nicht möglich ist, ein sicheres Resultat aus den Beobachtungen zu ziehen. Nun sieht man fernerhin aus den sich direkt widersprechenden Angaben der besten Beobachter, dass Paludina ebenfalls der Klar- legung ihrer Verhältnisse große Schwierigkeiten bereitet, obgleich die Embryonen, mit denen anderer Gastropoden verglichen, noch als ziemlich durchsichtig bezeichnet werden müssen. Aber es muss trotzdem behauptet werden, dass sich manche Feinheiten, wie z. B. die außerordentliche Enge des Blastoporus auf Fig. 6 nur sehr schwer, wenn überhaupt, mit Sicherheit ohne Schnittmethode er- kennen lassen. Ich halte die Schnittmethode zur Gewinnung be- friedigender Resultate für unsern Zweck für nöthig und habe dieselbe (natürlich bei gleichzeitigem Studium der Totalpräparate) in der aus- siebigsten Weise angewandt, woraus sich wohl zum größeren Theil die Abweichungen meiner Ansichten von denen früherer Beobachter erklären lassen. Ich glaube, dass durch meine Abbildungen der Fig. 1,2 und 3 deutlich gezeigt wird, dass thatsächlich die Blastula eine, wenn auch nur geringe Furchungshöhle besitzt, entgegengesetzt den Angaben JÜTSCHLT’S und BLOCHMANN’s, die dieselbe in Abrede stellen, während Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 559 Ray LANKESTER und RaBL das Vorhandensein einer solchen bereits bestimmt vertreten hatten. Sie ist am kleinsten in den jüngeren Blastulae, weitet sich dann immer mehr aus und erreicht ihre größte Ausdehnung, wenn der vegetative Pol sich abzuflachen beginnt und damit den Anstoß zur Invagination giebt. Durch dieselbe kommt dann freilich eine bei- nahe vollständige Verdrängung der Höhlung zu Stande. Kurz nach der Invagination besitzt die junge Gastrula eine, von der Seite gesehen, nierenförmige Gestalt (Fig. 3), während sie in der Polansieht mützenförmig aussieht. Nach RasL soll die eingestülpte, vegetative Partie, welche auf diesem Stadium ungefähr aus zwölf, dunkelgelb gefärbten Zellen besteht, als eine Zusammensetzung aus zehn Entoderm- und zwei Mesodermzellen zu betrachten sein, wie der Beobachter aus der Ähnlichkeit mit Planorbis (25) schließen zu dürfen glaubte. Mit dem Fehlen des Mesoderms in der Gastrula fällt diese Ansicht von selbst fort. Der Urdarm ist nur ganz wenig tief, da sich in Folge der ge- ringen Weite der Furchungshöhle die vegetative Hälfte der Blastula nur wenig hat einstülpen können. Dem zufolge ist der Blastoporus sehr groß, fast so groß wie die ganze Peripherie der Gastrula. Er ist ein wenig oval, wenn auch nicht bedeutend, sondern ungefähr so wie ihn BLOCHMANN in seiner Fig. 38 gezeichnet hat (7), welche ein etwas älteres Stadium als das von mir beobachtete darstellt. Die weitere Ausbildung dieser flachen, mützenförmigen Gastrula seht nun dahin, dass durch Entgegenwachsen der weiten Urmund- ränder eine solche von glockenartiger bis nahezu kugelförmiger Gestalt entsteht. Durch diesen Process verengert sich der Blasto- porus immer mehr, wie auf den Abbildungen Fig. 3—6 deutlich zu sehen ist. Ob er sich aber durch ein gleichmäßiges Vorwachsen seiner Ränder verengert, oder ob die Verengerung von einer Seite vor sich geht und ein Punkt des Blastoporus immer seine ursprüng- liche Lage beibehält, konnte ich eben so wenig feststellen wie BLOCHMANN, welcher ebenfalls keine Klarheit über diesen schwierig zu beobachtenden Punkt erlangte. Es ist, da Paludina lebendig- sebärend ist, nicht möglich, die Entwicklung Schritt für Schritt an demselben Objekte zu verfolgen, sondern man ist auf die Kombi- nation der erhaltenen Stadien angewiesen, durch welche es mir aber nicht gelang, den allmählichen Vorgang der Verengerung festzustellen. | Ich möchte mich wohl der Ansicht zuneigen, dass eine Stelle 31* 560 Carl Tönniges, des Blastoporus, und zwar die, welche am späteren Hinterende des Embryos liegt, vorläufig offen bleibt, und das Zusammenlegen der Ränder nach diesem Punkte zu erfolgt. Wie BLocHwmann angiebt, findet Ähnliches (d. h. eine Verenge- rung des Blastoporus nach einem fixirten Punkte zu) bei Aplysia, sowie auch bei den Pulmonaten und einigen anderen Formen statt. Es muss indess an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass bei den eben erwähnten Formen auch der Mund bleibende Beziehungen zum Blastoporus besitzt, was bei Paludina ja nicht der Fall ist. Jeden- falls wird der Urmund nie wahrhaft schlitzförmig wie bei Planorbis, Limnaeus und Bythinia, welche mit Paludina nahe verwandt ist, sondern seine Öffnung bleibt vorläufig noch immer oval, der Kreis- form aber sehr genähert. Die Verhältnisse sind fast genau so, wie sie BLOCHMANN in seinen Abbildungen auf Taf. XXI in den Fig. 38 bis 41 darstellt. | Als wichtig muss jedoch hervorgehoben werden, dass der Blasto- porus, nachdem er bereits stark verengt ist, nicht mehr kreisrund resp. oval ist, sondern in eine geringe Spitze ausgezogen erscheint. Vorn und hinten lässt sich aber an unserem Keime nicht unter- scheiden, so dass es also auch nicht möglich war zu bestimmen, ob die erwähnte Spitze nach der künftigen Ventralfläche zeigte, was man jedoch, als dem gewöhnlichen Verhalten entsprechend, an- nehmen könnte. Sowohl mit Ray LANKESTER wie mit BLOCHMANN stimme ich darin überein, dass der Urmund bis zu einer weit fortgeschrittenen Verengerung seine schwach ovale Gestalt beibehält und keineswegs ein Verhalten zeigt, wie es RABL in seiner Abhandlung annimmt. Nach ihm legen sich die Ränder des schlitzförmigen Blastoporus an einander, verschmelzen von hinten nach vorn bis auf eine Öffnung am vorderen Körperende, welche später auch noch zum Schluss gelangt, an deren Stelle aber der definitive Mund gebildet wird. Die Verschlusslinie des Gastrulamundes (die Gastrularaphe) ist als naht- ähnliche Linie längere Zeit erkennbar. Dies ist nicht anzunehmen, wie aus den Untersuchungen RAY LANKESTER’S und BLOCHMANN’s, die durch meine Beobachtungen nach dieser Seite hin gestützt werden, zur Genüge hervorgeht. Zur Zeit, wenn das künftige Hinterende des Embryos noch deutlich die Blastoporusöffnung zeigt (Fig. 6), ist an der ganzen Ventralseite auch nicht die geringste Spur einer Spalte oder »Raphe« vorhanden. Der Schluss erfolgt sehr wahrscheinlich durch allmähliches Zusammen- Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 561 treten und Verwachsen der Ränder. Auch kann kein Zweifel sein, dass dieser Process nach dem Hinterende zu fortschreitet; jedenfalls nie umgekehrt, d. h. von hinten nach vorn. Eben so ist die Ansicht Rapgr’s, dass die Verwachsung durch schlitzförmiges Zusammenlegen der Ränder erfolge, als nicht wahr- scheinlich anzusehen. Jedenfalls liegt die Möglichkeit nahe, dass RaAgBL, obgleich er sich schon von vorn herein energisch dagegen verwahrt, vorn und hinten verwechselt haben könnte, was durchaus sehr leicht geschehen kann, denn eine wirkliche Differenz in der Färbung der Gastrula ist bei Paludina nicht vorhanden, eine Be- stimmung von vorn und hinten, so weit ich feststellen konnte, also noch gar nicht möglich. In meiner weiteren Ausführung muss ich mich mehr an die Darstellungen BLoOcHMAnN’s halten, da dieselben einer genaueren Kritik bedürfen als die Ragr’s, mit dem ich jetzt in seinen wei- teren und wichtigsten Befunden übereinstimme. Wir sahen im Laufe unserer Betrachtung, dass sich der Ur- mund der beinahe kugelförmigen Gastrula immer mehr verengerte und sich schließlich nur noch als ganz geringe Öffnung, welche ich nur an Schnitten nachzuweisen im Stande war, vorfand (Fig. 6). Der Keim wächst jetzt nach hinten aus. Der obere Theil ge- winnt eine hellere Beschaffenheit, während das Hinterende dunkler an Färbung und kurz abgestumpft ist. Es lassen sich jetzt zum ersten Male das künftige Vorder- und Hinterende des Embryos sowohl nach der Gestalt wie Färbung genau bestimmen. Auf diesem wichtigen Stadium (Fig. 7) hat sich der Blastoporus geschlossen. Weder an Präparaten noch auf Schnittserien ist die geringste Kom- munikation zwischen Urdarm und Außenwelt zu erkennen, sondern das Entoderm liegt als allseitig geschlossener Sack in der Furchungs- höhle. Eine seichte Einsenkung am hinteren Körperende kündet noch die Stelle an, an der der Verschluss stattgefunden hat. Ich habe mich auf einer ganzen Reihe von Schnitten, die ich auch zum Studium der Mesodermbildung anfertigen musste, sicher von dem Schluss des Blastoporus überzeugt. Gleichzeitig beginnt der Pro- cess der Mesodermbildung. Wie verhält sich nun meine Beobachtung zu denen anderer Autoren? Mit RABL stimme ich, wie schon erwähnt, in dem letzten Punkt vollständig überein. Auch er fand auf diesem Stadium weder Blastoporus noch After, und durch meine jetzt gewonnenen Resultate 562 Carl Tönniges, an Schnittserien wird diese Ansicht unterstütz. Auch an meinem Stadium (Fig. 7) macht sich zum ersten Male die Anlage des Ve- lums (V) bemerkbar. Aus dem Fehlen der Abbildungen dieser Stadien in den Arbeiten von RAY LANKESTER und BLOCHMANN möchte man schließen, dass die Autoren dieselben nicht zu Gesicht bekommen haben. Auf ihnen erfolgt jedoch gerade der Schluss des Urmundes. Der Kritik Ragr's, die LANKESTER’schen und BüÜrschLuri’schen Abbildungen betreffend, habe ich nichts Weiteres hinzuzufügen. Dann genügt ein einfacher Blick auf die von BLOCHMANN gegebenen Stadien, um auch hier zu sehen, dass zwischen seiner Fig. 41 und 42 mindestens ein Stadium fehlt. Nach meiner Ansicht ist dann auf dem Stadium Fig. 44 seiner Taf. XXI der After bereits aufgetreten, und was der Verfasser noch für den Blastoporus hält, ist thatsächlich schon der After. Derselbe wird von Ektodermwulstungen eingeschlossen, so dass er etwas in das Innere des Embryos verlagert, und seine Wandung damit für eine kleine Strecke ektodermal wird. Ein wahrhaftes Proktodäum wird nicht gebildet, sondern der spätere Enddarm ist entodermaler Natur. Die Velarzellen der betreffenden Abbildung (Fig. 43) sind überdies schon mit Wimpern versehen, was auf den Embryonalstufen, die noch den Blastoporus besitzen, nicht der Fall ist. | Dann scheint abermals ein Sprung in der Aufeinanderfolge der Figuren BLOCHMANN’S stattzufinden, denn zwischen Stadium 44 und 45, welches letztere bereits die Anlage der Ösophagealeinstülpung und eine hohe Differenzirung des Urdarmes wie auch des Mesoderms zeigt, liegen sicher einige ausgelassene Stadien. Indessen sind sie für uns nur von untergeordneter Bedeutung, da bei ihnen schon ein After vorhanden ist. Es sollte durch das nähere Eingehen auf die Resultate der angeführten Arbeit nur ge- zeigt werden, dass die Reihenfolge der Abbildungen keine geschlos- sene ist, sondern durch fehlende Stadien unterbrochen wird. Vereinigt man die erste Hälfte der Untersuchung BLOCHMANN’S (bis zur Fig. 41) mit der zweiten der von RABL geschilderten Ver- hältnisse, so bekommt man ein ungefähr natürliches Bild von den Umbildungen des Blastoporus im Verlaufe seiner Entwicklung. Jedenfalls besitzt RaßL das Verdienst, den Schluss des Blastoporus zuerst erkannt zu haben. Bei meinen Untersuchungen konnte ich mit Sicherheit konsta- tiren, dass der Urdarm, so lange der Schluss des Blastoporus dauert, Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 563 als allseitig geschlossener Sack in der Furchungshöhle liest. Wir sehen auf Schnitten in Ergänzung zu den Bildern BLocHMAnN’S die allmähliche Verengerung des weiten Blastoporus (Fig. 3—6). Auf Fig. 7 und den folgenden ist derselbe geschlossen, und zwar gerade zu der Zeit, in der die Bildung des Mesoderms.vor sich geht. Einige Stadien später tritt der After an der Schlussstelle des Blasto- porus auf (Fig. 14 und 15). Er entsteht durch Verschmelzung der Ekto- und Entodermschicht; erstere bildet an dieser Stelle eine leichte Einsenkung nach innen zu. Zur Zeit seines Auftretens be- sitzt der Embryo eine ventrale Mesodermschicht, und das Velum ist mit Wimpern versehen. Für das wichtigste Resultat meiner Untersuchung über den Blastoporus bei Paludina halte ich den Nachweis, dass derselbe sich schließt und der After sekundär gebildet wird. Paludina tritt damit aus ihrer Ausnahmestelle heraus und schließt sich den anderen Gastropoden an. Immerhin ist zu bemerken, dass nicht wie ge- wöhnlich die vordere, sondern die hintere Partie des Blastoporus die persistirende ist und in so fern die früheren Beobachter auch von mir bestätigt werden. Noch ein kurzes Wort über das Verhältnis des definitiven Mundes zum Blastoporus. Wie wir gesehen haben, geht der blei- bende Mund sicher nicht aus dem letzten Rest des Urmundes her- vor, denn an der Stelle, wo er sich bildet, nämlich dicht unter dem Velum, ist, so lange der Blastoporus besteht, nicht die geringste Naht, viel weniger Einsenkung zu sehen. Es ist jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der bekanntlich sehr weite Blastoporus ursprüng- lich die ganze spätere Ventralfläche des Keimes eingenommen hat, so dass also doch derselbe in gewisse Beziehungen zum bleibenden Mund gebracht werden kann. Dieselben sind jedoch nie so innig zu nennen wie bei anderen Gastropoden. Auffällig kann es erscheinen, dass der After bedeutend früher als der Mund auftritt. Berücksichtigt man jedoch, dass der Keim von Paludina sehr dotterarm ist, so werden diese Abweichungen nicht befremdlich erscheinen. Der Urdarm kann nicht lange ge- schlossen bleiben, da ihn der Embryo zur Nahrungsaufnahme nöthig hat. Die Bildung des Stomodaeums als tiefe ektodermale Einstül- pung währt eine lange Zeit; es ist darum sehr wünschenswerth, eine Kommunikation mit der Außenwelt herbeizuführen, und es findet durch einfache Verlöthung der beiden Epithelien der Durch- bruch des Afters statt. Durch die Öffnung dringt dann das den 564 Carl Tönniges, Embryo umgebene ‚Eiweiß in den Hohlraum resp. Urdarm ein und führt dem Keime die nöthige Nahrungsmenge zu, ohne dass er die geringsten Anstrengungen (Schluckbewegungen etc.) zur Aufnahme derselben zu machen hätte. Merkwürdig ist jedoch immerhin die Aufnahme der Nahrung durch den definitiven After. Ich möchte an dieser Stelle nochmals speciell auf dieses seltsame Verhalten hin- gewiesen haben. RıguL (25) hebt hervor, dass der mehr oder minder reichliche Nahrungsdotter einer Form in ihrer ganzen Entwicklung Abwei- chungen hervorrufen könne. Ich möchte mich dieser Ansicht für Paludina anschließen. Bereits für die abweichende Bildung des Mesoderms haben wir den Mangel des Dotters in Rechnung ge- zogen. Eben so scheint der späte Schluss des Urmundes und die frühzeitige Entstehung des Afters darauf zurückzuführen zu sein. Auf Grund der Resultate kann man nach den gegebenen Aus- führungen folgende, kurzgefasste Formulirung aufstellen: 1) Der etwas ovale Blastoporus schließt sich von vorn nach hinten, ohne jedoch schlitzförmig zu werden. 2) Der After wird sekundär neugebildet; es findet also kein direkter Übergang des Blastoporus in den After statt. 3):Der After tritt an der Stelle auf, an der Bichrasr letzte Rest des Urmundes geschlossen hat. III. Die Entstehung des Mesoderms. Wir sind im Verlauf der bis jetzt betrachteten Entwicklung immer bemüht gewesen, das Mesoderm bei seinem ersten Auftreten zu konstatiren. Manche eingehendere Berücksichtigung einzelner Sta- dien geschah nur zu diesem Zwecke, und es war uns die Möglich- keit gegeben, genau festzustellen, dass in der vollendeten Gastrula noch nicht die geringste Spur von Mesodermzellen zu finden war. Obgleich wenig Hoffnung vorhanden war, versuchten wir An- fangs, ob nicht vielleicht im Verlauf der Furchung eine Differen- zivung von Urmesodermzellen zu konstatiren sei, aber vergeblich, der Erfolg war rein negativ. Um ganz sicher zu gehen, gebrauchten wir bei etwas älteren Stadien die Schnittmethode, da die Keime zu undurchsichtig waren, um eine genaue Beobachtung zu gestatten. Auch hier konnte kein Mesoderm beobachtet werden. Die ganze Invagination ging vorüber; die flache Gastrula näherte sich mehr und mehr ihrer definitiven Gestalt; der Blastoporus wurde immer enger, und keine Zelle trat in die leere Furchungshöhle, um die Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 565 Stammzelle des mittleren Blattes zu bilden. Die Gastrula besitzt bis an ihr Ende nur die beiden primären Keimblätter. Wir wollen nun sehen, auf welche Art und Weise das sekun- däre Blatt, das Mesoderm, seinen Ursprung nimmt. Bei der Be- sprechung des Urmundschlusses hatten wir bereits einige ältere Stadien oberflächlich kennen gelernt. Wir wollen jedoch nochmals von der ausgebildeten Gastrula (Fig. 6) ausgehen, um die allmähliche Entstehung des Mesoderms festzustellen. Obgleich bei den meisten Gastropoden das mittlere Blatt früh- zeitiger als bei Paludina auftritt, so ist das Verhalten dieser Form nicht außergewöhnlich, denn es giebt viele Formen, die ein spätes Auftreten des Mesoderms aufweisen. Die bekanntlich nahezu kugelförmige Gastrula hat nach ihrer Vollendung eine mehr längliche Form angenommen, so dass neben der bereits vorhandenen Primärachse, welche vom Apicalpol nach dem Protostompol zieht, eine zweite, auf ihr senkrecht stehende Dorsoventralachse festzustellen ist. Eine Verschiebung der ersteren hat noch nicht stattgefunden; sie tritt jedoch bald auf. Das Proto- stoma hat sich langsam geschlossen, und nur eine kleine, rinnen- artige Vertiefung des Ektoderms am abgeplatteten vegetativen Pole lässt seine frühere Lage erkennen. Diese längliche Form und das kurz abgestumpfte Hinterende des Embryos sind für ihn sehr charakteristisch und erleichtern sowohl seine Altersbestimmung, wie auch seine Orientirung. Kein späteres Stadium zeigt dieses typische Aussehen; die Embryonen sind dann zumeist mehr breiter und in der Länge zusammengedrückt. Zum ersten Male lassen sich Vorder- und Hinterende schon rein äußerlich unterscheiden. Die obere Partie der längsgestreckten Larve ist etwas heller gefärbt als die untere, welche einen gelblichen Ton besitzt. Dieser wird am Äquator des Embryos schwächer und geht ganz allmählich in eine hellere Fär- bung. über. Der gesammte obere Theil wird später zum präoralen Absehnitt der Larve, wie die nachfolgenden Stadien lehren. Be- trachten wir den Längsschnitt eines solchen Embryos, so tritt uns sofort die histologische Differenzirung des oberen oder präoralen Theiles entgegen (Fig. 7). Die Zellen sind größer als die übrigen des äußeren Blattes und auch in ihrer Struktur weichen sie von ihnen ab. Das Plasma ist nicht so stark granulirt, wodurch die Zellen schon an und für sich heller werden. Außerdem wird durch reichliche Vacuolenbildung, welche, wie bei anderen Gastropoden, das Bezeichnendste für diese Zellen bildet, das weitmaschige Netz 566 - Carl Tönniges, ganz an die Zellenwand gedrückt, so dass die Zellen durchsichtig und blasig werden. Mit der Verschiebung des Plasmas hat auch der Kern seine Lage geändert und ist zumeist stark excentrisch verlagert. { Alle diese beschriebenen Eigenschaften der präoralen Partie zeigt ein Kranz einer Doppelreihe derselben im verstärkten Maße. Betrachtet man unser Stadium, so fallen rechts und links, ungefähr in der Mitte der Larve, je zwei Zellen auf (VW), welche noch größer und heller als die vorher genannten Zellen sind, aber sonst sich von ihnen vorläufig nur in einigen unwesentlichen Punkten unter- ‘scheiden. Beim Überblicken der abgebildeten Stadien ist sofort zu ersehen, dass bereits so frühzeitig die Anlage des präoralen Wimper- kranzes (Velum) vorhanden ist. Wenn den Velarzellen auch noch die Wimpern fehlen, so verrathen sie durch ihre Lage ihre künftige Be- stimmung. Ihre Kerne sind gegenüber denen der übrigen Zellen intensiv hell und groß. Es ist nicht richtig, wenn man behaupten wollte, dass auf diesem jungen Stadium das werdende Velum voll- ständig äquatorial gelegen sei, denn betrachtet man das Verhältnis seiner Lage zur Längsachse des Keimes, so ist es augenscheinlich, dass die rechts gelegenen beiden großen Zellen etwas tiefer liegen als ihre linken Schwestern. Wie sich aus der späteren Entwicklung ergiebt, ist die genannte rechte Seite gleich der Dorsalfläche unseres Embryos, während links später ventral wird. Das ganze Velarfeld liegt demnach nicht äquatorial, sondern, schon seine spätere Wande- rung andeutend, etwas dorsal. Im Gegensatz zu den feingranulirten, vacuolenreichen Zellen des präoralen Abschnittes und des Velums sind diejenigen der unteren Partie protoplasmareicher. Sie sind ferner nicht ganz so hoch, vielmehr ist die Epithelschicht aus kubischen Zellen zusammengesetzt. Dieselben schließen eng an einander und bilden schon eine ganz gute Epithelschicht, nur auf der rechten Seite, der späteren Ventralfläche, zeigt das Ektoderm keine geradlinige Be- srenzung, vielmehr springen einzelne Zellen, auf unserem Stadium nur eine, etwas in die Furchungshöhle vor (Fig. 7). Wir werden uns mit dieser ventralen Ektodermwand noch näher zu beschäftigen haben, da aus ihr das mittlere Blatt seinen Ursprung nimmt. Bevor wir jedoch auf die Mesodermbildnng näher eingehen, müssen wir noch einen kurzen Blick auf die Beschaffenheit des inneren Blattes des Embryos (Fig. 7) werfen. Das Entoderm liegt, da eine Öffnung nach außen nicht mehr vorhanden ist, als ge- schlossener Sack in der Furchungshöhle, diese nahezu ausfüllend. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 567 Das Blastocoel hat sich nicht stark erweitert, sondern ist, wie in der Gastrula, spaltförmig. Die Zellen der beiden Blätter nähern sich einander an manchen Stellen sehr, jedoch hat eine direkte, innige Berührung derselben nur an der Verschlussstelle des Blastoporus statt (52p). Vorläufig unterscheiden sich die Entodermzellen nicht bedeutend von den Ektodermzellen. Ich habe vorstehend kurz die Charakteristik eines für die Meso- dermbildung wichtigen Stadiums geben wollen, möchte jedoch weiter- hin auf die beigegebene Figur 7 verweisen. Ich habe mich bemüht, die soeben beschriebenen Zellverhältnisse so getreu wie möglich wiederzugeben. Ich möchte nun die Aufmerksamkeit des Lesers speciell auf das Verhalten des äußeren Blattes lenken. Während dasselbe beinahe auf allen Seiten ein gut geordnetes Epithel aufweist, macht eine Stelle auf der Ventralfläche, und zwar dicht unter dem Velum, davon eine Ausnahme. An diesem Orte springen die Zellen kuppenartig abgerundet in die Furchungshöhle vor, und es macht ganz den Ein- . druck, als seien sie im Begriff, ihren Platz im Epithel zu verlassen und auszuwandern. So verhält es sich nun thatsächlich. Die zu betrachtende Zelle (ms Fig. 7) hat die umliegenden, sie begrenzen- den Zellen zur Seite gedrückt, so dass es aussieht, als ob sie sich zum Heraustreten Platz machen wollte. Ihre Protoplasmamasse ist bereits über den Epithelrand vorgequollen, und sofort haben die Nachbarzellen die durch das nach oben rückende Plasma gebildete Lücke ausgefüllt, so dass das noch im Ektoderm steckende Ende der Zelle entweder spitz zuläuft oder flaschenförmig ausgezogen er- scheint. Wie wir auf den folgenden Abbildungen sehen, wird die Zelle nun immer mehr herausgeschoben. Die noch im Epithel steckende Spitze wird immer kürzer, und schließlich liest die Zelle in der Furchungshöhle, so dass wir ein Recht haben, sie als »Meso- dermzelle« zu bezeichnen. So wäre auf dem allereinfachsten und natürlichsten Wege aus einer Ektodermzelle eine Mesodermzelle ge- worden. Diese werdende Mesodermzelle auf Fig. 7 unterscheidet sich in keiner Weise von den übrigen Ektodermzellen. Sie hat dieselbe Größe und Farbe und: die Struktur ihres Inneren gleicht durchaus der anderer Zellen des äußeren Blattes. Gewöhnlich sind die Mesodermelemente etwas heller als die übrigen Zellen des Em- bryos, was jedoch bei Paludina nicht der Fall ist, sondern die Ektodermzelle tritt als Ektodermelement aus und behält als Meso- dermzelle noch längere Zeit (ich spreche hier von den jüngsten 568 Carl Tönniges, Stadien) ihr Aussehen und sogar ihre Gestalt, obgleich das Plasma bald seine bestimmte Form aufgiebt, Fortsätze ausschickt, und die Zelle zu wandern beginnt. Wie die nachfolgenden Stadien sicher beweisen, kann kein Zweifel darüber sein, dass wir es hier mit dem Ursprung des Mesoderms zu thun haben. Es geschieht oft, dass die eine oder die andere der noch undifferenzirten anderen Zellen etwas in die Furchungshöhle vorspringt, aber wir können nach ihrer ganzen Gestalt und Lage sofort verneinen, dass sie in irgend einer Be- ziehung zur Mesodermbildung steht. Ihr festes Anschließen an die benachbarten Zellen, ihre unten und oben gleiche Breite und ihre eckige Gestalt zeugen dafür, dass nur ihre Größe sie so weit über die anderen hervorragen lässt, und sie nicht die Neigung besitzt auszuwandern. :Ganz anders die besprochene Zelle. Sie zeigt ganz die typischen Eigenschaften einer auswandernden Zelle. Ich möchte hier gleich hervorheben, dass ich natürlich bemüht gewesen bin, dieses Stadium auf die Möglichkeit einer anderen Mesodermbildung zu untersuchen, denn ich habe mich zuerst gesträubt, diese Zellen für das anzuerkennen, wofür ich sie nach ihrer Lage und weiteren Differenzirung doch halten muss, nämlich für Meso- dermzellen. Die weiteren Stadien beweisen jedoch überzeugend, dass wir es hier thatsächlich mit dem Mesoderm zu thun haben, und dass der Ursprung desselben demnach ekto- dermal ist. Obwohl ich die Richtigkeit meiner Behauptung durch meine Schnitte für völlig bewiesen erachte, möchte ich doch kurz die Mös- lichkeit eines anderen Ursprungs ins Auge fassen. Bei nahe verwandten Formen, z. B. Bythinia, sollen Urmeso- dermzellen vorkommen. Sie sind auch so oft bei Gastropoden ge- funden worden, dass an ihrem thatsächlichen Vorhandensein nicht sezweifelt werden kann. Bei Paludina kommen sie aber sicher nicht vor. So wenig in der Gastrula Urmesodermzellen vorhanden waren, so wenig findet man sie jetzt. Der ganze Embryo wurde jedes Mal in eine lückenlose Schnittserie zerlegt, aber nie traten Zellen zu Tage, ob in oder außer Epithelverbande, die sich durch ihre Größe und Struktur auffallend ausgezeichnet hätten. War die Möglichkeit, dass Urmesodermzellen vorhanden seien, bereits in der Gastrula sehr schwach, so verschwindet sie vollständig mit der Differenzirung der Ektodermzellen zu Mesodermelementen. | Aber auch die Möglichkeit, dass das Mesoderm durch Auswande- rung von Entodermzellen entstehen könnte, kann nicht angenommen Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 569 werden, denn nichts deutet im Verlauf der Entwicklung darauf hin, was einer solchen Vermuthung etwas Boden geben könnte. Das Entoderm bildet zu jeder Zeit eine zusammenhängende Zellschicht, die an keiner Stelle Veränderungen, wie ich sie für das Ektoderm beschrieben habe, aufweist. Das Mesoderm ist aber auf diesem Sta- dium in Gestalt weniger Zellen vorhanden, es muss also doch irgend- wo entstanden sein. In der Gastrula fand es sich noch nicht, wie die Schnitte bewiesen; Urmesodermzellen sind bestimmt nicht vor- handen, und eben so kommt es nicht aus dem Entoderm, folglich kann es nur aus dem Ektoderm stammen, und das ist auch in der That, wie wir gesehen haben, der Fall. V. ERLANGER (6) beschrieb neuerdings einen sehr abweichenden Verlauf der Mesodermbildung. Nach ihm soll sich bei Paludina auf einem Stadium, welches kurz nach der vollendeten Gastrula entsteht, aus der ventralen Darmwand ein zweitheiliger Cölomsack ausstülpen. Derselbe schnürt sich später ab, und durch seine allmähliche Auf- lösung wird das typische Mesenchym gebildet. Dieses Resultat seiner Beobachtung schien geeignet, wenn es zutreffend wäre, einen ‘ wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Verwandtschaftsbeziehungen der Mollusken zu anderen Gruppen zu liefern. Leider scheint Palu- dina, was diese Verhältnisse betrifft, nicht die geeignete Form für eine derartige Untersuchung zu sein, wie aus meiner Beobachtung, die sich speciell mit der Mesodermbildung der Paludina befasst und die im vollständigen Gegensatz zu der von v. ERLANGER gegebenen Auffassung steht, hervorgeht. Es liegt mir durchaus fern, die Ver- dienste, die sich der Verfasser in verschiedenen anderen Beziehungen durch seine Arbeit erworben hat, zu schmälern. Es kann aber auch keinem Zweifel unterliegen, dass meine Resultate über die frühe Entwicklung, deren Richtigkeit an Schnittserien vielfach genau kon- trolirt wurde, in keiner Weise mit denen v. ERLANGER’s vereinbar sind. Bedauerlich ist es, dass seine Abbildungen etwas schematisirt sind, wodurch ein Vergleich unserer gegenseitigen Auffassungen sehr erschwert wird. Ich besitze durchaus keine Abneigung gegen Sche- mata, nur sollte man sie am rechten Ort verwenden; handelt es sich jedoch um einen so wichtigen morphologischen und histologischen Differenzirungsvorgang, wie in unserem Falle, so kann ich nicht umhin, naturgetreue, nicht schematisirte Abbildungen, und wenn möglich, Schnitte direkt zu fordern, wenn das Ergebnis, welches im vorliegenden Falle so stark von früheren Resultaten abweicht, über- zeugend sein soll. Ein Cölomsack, wie ihn v. ERLANGER beschreibt, 570 Carl Tönniges, ist bei Paludina nicht vorhanden. Die Entstehung des Mesoderms aus dem äußeren Keimblatt wurde von mir Schritt für Schritt ver- folgt und augenscheinlich fehlt mir kein wichtiges Stadium. Wir haben kurz einige Möglichkeiten, auf welche Art und Weise das mittlere Blatt bei Paludina entstehen könnte, besprochen. Ob- gleich bereits der ektodermale Ursprung als allein richtig hervor- gehoben wurde, so war bis jetzt durch das Verhalten der Zelle »s (Fig. 7) nur die Möglichkeit dieses Ursprungs demonstrirt, und es liegt mir jetzt ob, den Beweis zu führen. Es wurde bereits der muthmaßliche Vorgang, wie wohl die Ektodermzelle aus dem Epithel austreten und in die Furchungshöhle hineinrücken könnte, angegeben. Der nächste Schnitt (Fig. 8) be- stätigt unsere Vermuthung. Thatsächlich liegt hier eine Zelle beinahe vollständig in der Furchungshöhle und bildet eine Ergänzung zum vorhergegangenen, auf dem die auswandernde Zelle noch ziemlich tief im Ektoderm lag. Obgleich die vorerwähnte Zelle fast in der Höhlung liegt, also nahezu Mesodermzelle ist, scheint sie sehr an- schaulich auf den Weg, den sie genommen hat, hinzuweisen. Sie zeigt durch ihre lappenförmigen Fortsätze bereits die Neigung auszu- wandern. Ihr Kern erscheint ebenfalls gelappt, was man sonst bei den Kernen der Embryonalzellen von Paludina nicht findet, denn selbst diejenigen der Velarzellen sind rund, während sie z. B. bei Bythinia sehr oft gelappt erscheinen (RABL). Auf dem in Fig. 9 abgebildeten Stadium liegt eine Mesoderm- zelle ganz in der Furchungshöhle, so dass auf den drei besprochenen Schnitten der Process der Einwanderung in seinen ersten Stadien veranschaulicht ist. Fig. 9 ist in der Entwicklung nicht weiter fort- geschritten als die beiden vorhergehenden Stadien. Die betreffende Mesodermzelle liegt dicht unter dem Velum, eingeklemmt zwischen zwei Zellen, von denen die untere eine gewöhnliche Ektoderm- und die andere eine Velarzelle ist. Dass die Zelle dort gerade ausge- treten ist, kann vermuthet werden, da dieselbe keinen Raum zum Wandern in der spaltförmigen Furchungshöhle besitzt. Daher liegen auch die meisten Mesodermelemente ungefähr in der Mitte der Ven- tralfläche und nicht in der Nähe des Blastoporus. Sie sind dort liegen geblieben, wo sie entstanden sind. Diese drei Stadien müssten schon nothwendigerweise den Schluss gestatten, dass die Mesoderm- zellen aus dem Ektoderm austreten, wenn nicht die nachfolgenden Embryonalstufen diesen Process völlig klar erkennen ließen. Von besonderer Bedeutung ist der beschränkte Entstehungsort Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. HT der Zellen, und ich muss ausdrücklich hervorheben, dass immer nur die ventrale Seite des Embryos, unterhalb des Velums, Mesoderm- zellen austreten lässt. Verfolgen wir den weiteren Verlauf der Zellauswanderung, so sehen wir auf dem nächstfolgenden Stadium (Fig. 10) bereits eine größere Menge von Mesodermzellen in der Furchungshöhle, welche sich bereits etwas vergrößert hat. Der Embryo selbst ist ebenfalls srößer geworden, sonst unterscheidet er sich nicht von dem vorher- gehenden. Vielleicht treten die Velarzellen ein wenig stärker her- vor, eine Bewimperung weisen sie jedoch noch nicht auf. Das Epithel der beiderseitigen Blätter zeigt eine glättere Oberfläche, in- dem die Zellen durch ihre Vermehrung etwas niedriger geworden sind, und ihr Zusammenhang ein festerer als auf den jüngeren Stadien ist. Mit dieser Abflachung der Zellen mag auch wohl die Vergröße- rung der Furchungshöhle in einem gewissen Zusammenhange stehen. Im Gegensatz zu der Regelmäßigkeit in der Anordnung der Zellen der übrigen Flächen, muss das Verhalten der Ventralwand um so schärfer ins Auge fallen. Sie zeigt das vorauszusehende Verhalten, _ indem einzelne ihrer Zellen sich in die Länge gestreckt haben und mehr oder weniger weit in die Furchungshöhle hineinragen. Dicht unter den Velarzellen ist das Epithel ein wenig nach innen einge- bogen, so dass man, wenn das Stadium nicht so jung wäre, unwill- kürlich vermuthen könnte, dass dieses die beginnende Ösophageal- einstülpung sein möchte. Diese Vermuthung ist aber haltlos, da, wie erwähnt, die Bildung des Mundes erst sehr spät (Fig. 16) auftritt. Vielmehr hängt diese Einbiegung sicherlich mit der Mesodermbildung zusammen. Die Zellen liegen hier in Folge intensiverer Theilungen so dicht gedrängt, dass sie nach irgend einer Seite hin ausbiegen müssen. Der ganze Auswanderungsprocess scheint auf eine hervor- ragend starke Theilung eines bestimmten Zellkomplexes zurückzuführen zu sein. Was die bereits in der Leibeshöhle liegenden Mesoderm- elemente anbetrifft, so ist ihre Zahl noch nicht bedeutend. Sie haben jedoch im Vergleich zu den früheren Stadien stark zugenommen. Ihre Hauptmasse bleibt in der Nähe des Bildungsherdes liegen, um von hier nach allen Seiten auszustrahlen. Die einzelne Zelle an sich hat nur die Form ihres Plasmakörpers verändert, der durch die Anpassung an die amöboide Beweglichkeit gelappt erscheint. Der Kern ist rundlicher geworden, im Gegensatz zu manchen Kernen der dicht an einander gedrängten Epithelzellen, die eine längliche Form haben. 572 Carl Tönniges, Betrachtet man ein solches Stadium (Fig. 10) von der Ventral- seite, so ist es bei genauer Einstellung möglich, einige der Meso- dermzellen zu erkennen. Späterhin, wenn die Anzahl der Zellen srößer geworden ist, kommt es zur Bildung einer ventralen Meso- dermmasse, welche mit Mesodermstreifen große Ähnlichkeit hat, natürlich abgesehen davon, dass die Entstehung und Entwicklung der letzteren eine ganz verschiedene von derjenigen wirklicher Mesodermstreifen, die aus Urmesodermzellen entstehen, ist. Das Mesoderm ist eine einheitliche Masse und nicht zweitheilig, sondern die ventrale Mittellinie besitzt eine Verdickung, und nach den Seiten zu liegen die Zellen weniger nahe an einander, während bei den wirklichen Mesodermstreifen das Mesoderm aus zwei Theilen be- steht, die in der Mitte mehr oder weniger getrennt sind. Wie mir wahrscheinlich ist, kann diese Trennung in manchen Fällen nicht genau nachgewiesen werden. v. ERLANGER (7) scheint bei Bythinia ein ähnliches Verhalten gefunden zu haben, da er erwähnt, dass er nur der »Bequemlichkeit halber« von zwei Mesodermstreifen spreche, thatsächlich wäre nur eine zusammenhängende Zellschicht zwischen den beiden Blättern an der Ventralseite zu finden. Auf dem nächsten Stadium (Fig. 11 und 12) treten zum ersten Male Wimpern an den Velarzellen auf. Den anderen Ektoderm- zellen gegenüber sind sie jetzt scharf hervortretend. Während diese immer niedriger geworden sind, haben die Zellen des Velums ihre Größe und Gestalt nicht nur beibehalten, sondern haben durch Bil- dung größerer Vacuolen ete. ihr charakteristisches Aussehen ver- stärkt. Die Auswanderung der Ektodermzellen ist im steten Steigen begriffen. Die austretenden Zellen wölben sich, wie die beiden Schnitte zeigen, nach der Furchungshöhle kuppenartig vor, und der ganze Zellkörper streckt sich mehr in die Länge. Weiterhin spitzen sich die noch im Epithelverbande steckenden Enden zu und die Zellen gewinnen ein flaschenförmiges Aussehen. Der kolbig ver- dickte Theil ragt weit in die Furchungshöhle hinein, so dass er oft die gegenüber liegende Urdarmwand berührt. Der dünne Hals ist noch von den Epithelzellen begrenzt, jedoch so fest zusammen- gepresst, dass er dünner und dünner wird, sich allmählich loslöst, und die betreffende Zelle nun nicht mehr die Peripherie der Epi- thelfläche berührt, sondern zwischen den benachbarten Zellen etwas eingeklemmt liegt. Bald darauf ist sie eingewandert und Mesoderm- zelle geworden. Ihre Schwestern folgen nach, und man kann mit- unter auf einem einzigen Schnitte (Fig. 12) alle Stadien, die die Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 573 Zelle im Verlauf ihrer Auswanderung annehmen muss, beobachten, so dass gar kein Zweifel darüber aufkommen kann, dass wir hier thatsächlich eine ektodermale Mesodermbildung vor uns haben. Es ist auch nicht möglich, den Einwand zu machen, dass eine schiefe Schnittrichtung die Zellen weiter als wie gewöhnlich in die Furchungshöhle hineinspringen lasse, denn erstens sind alle Stadien genau orientirt, und die Schnitte so viel wie möglich der Mitte ent- nommen; und zweitens, warum sollte immer nur diese Stelle der Ventralwand die beschriebenen Bilder zeigen, warum nicht einmal die präorale oder die Dorsalfläche? Diese weisen aber immer eine geordnete Lage ihrer Zellen auf. Übrigens spricht auch die ganze Gestalt und das fernere Verhalten der Zellen zu schlagend für die Auswanderung, um Zweifel dagegen aufkommen zu lassen. Auf dem folgenden Stadium (Fig. 13 und 14) erreicht die Aus- wanderung ihren Höhepunkt, um dann allmählich, wie sie gestiegen, zurückzugehen. Die ventrale Wand liefert uns dieses Mal aber auch den allerevidentesten Beweis für die Herkunft der Mesodermzellen. Die Auswanderung hat ihre größte Höhe erreicht, indem auf der ganzen Fläche eine andauernde Produktion von Mesodermelementen stattfindet. Nicht nur der mittlere Theil ist jetzt der Entstehungsort, sondern die ganze Fläche vom Velum bis zum After wird in Mit- leidenschaft gezogen. Indessen ist in so fern immer noch eine ge- wisse Specialisirung bemerkbar, als die Zahl der austretenden Zellen in dem oberen Theile eine größere als in der unteren Partie des Embryos ist. Die herausrückenden Zellen schieben die bereits in der Furchungshöhle liegenden allmählich immer weiter in dieselbe hinein, und so kommt eine mehr gleichmäßige Lagerung in eine Schicht zu Stande, die auf das Bestreben der Zellen, den Raum zwischen den beiden Blättern auszufüllen, zurückzuführen ist. Die Form der Zellen selbst ist besonders bemerkenswerth. Durch einen langgezogenen Protoplasmafortsatz, dessen Spitze noch ein wenig im Ektoderm liegt oder nach einer Lücke desselben hinweist, deuten dieselben den Ort ihres Ursprunges an. Wir wissen, dass sich der Blastoporus beim Beginn der Meso- dermbildung geschlossen hatte, und dass dieser Schluss auch in den nächstfolgenden Stadien noch andauerte. Kurz vor dem zuletzt be- schriebenen Stadium ist jedoch die Kommunikation des Urdarmes mit der Außenwelt wieder hergestellt, und die durch eine geringe Ektodermeinsenkung gebildete Öffnung, ungefähr an der Verschluss- stelle des Blastoporus gelegen, muss, wie aus ihrem späteren Verhalten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 38 574 Carl Tönniges, hervorgeht, als After bezeichnet werden. Dass der After bereits so frühzeitig durchbricht, kann auf die Nothwendigkeit der Nahrungs- zufuhr zurückgeführt werden, denn bekanntlich bekommt der Embryo statt Dotter eine beträchtliche Menge Eiweiß mit. Um dieses Eiweiß jedoch aufnehmen zu können, muss eine Offnung vorhanden sein. Es würde sicher für den Embryo nicht besonders günstig sein, wenn längere Zeit ein geschlossener Urdarm bei ihm vorhanden wäre und damit die Nahrungszufuhr unterbrochen sein würde. Nicht nur der After ist auf diesem Stadium durchgebrochen, es haben auch sonstige Veränderungen hauptsächlich in der ganzen Gestalt des Embryos stattgefunden. War er vorher länglich und im Verhältnis schmal, so ist jetzt eine Verbreiterung des Körpers ein- getreten, verbunden mit einer Abflachung an beiden Polen. Die ganze obere Hälfte ist so stark abgeplattet, dass das Velarfeld fast eine ebene Fläche darstellt, und seine Zellen in einer Ebene mit den großen Zellen des Wimperkranzes liegen. Die Velarzellen selbst haben die Größe und das Aussehen der gewöhnlichen Ektoderm- zellen bekommen. Die Zellen des zweireihigen Wimperkranzes zeigen keine weitere Differenzirung und unterscheiden sich nicht von: den vorhergehenden Stadien. Die Ektodermzellen der Dorsalseite sind um etwas höher geworden, und kennt man die nachfolgenden Sta- dien, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass hier die erste Anlage der Schalendrüse auftritt. Das Velum liegt nahezu äquatorial, mehr als die zum Velum werdenden Zellen der jüngeren Stadien. Bemerkenswerth ist die histologische Beschaffenheit des Ur- darmes. Bereits auf einer derartig frühen Entwicklungsstufe hat sich seine ventrale Wand von der dorsalen differenzirt. Die Zellen derselben haben eine blasige Form angenommen, und ihre Zell- grenzen sind unregelmäßig geworden. Große Vacuolen treten in ihnen auf und drängen die Kerne dicht an die Zellwandungen. Diese blasigen, durch ihren Vacuolenreichthum ausgezeichneten und der Nahrungsaufnahme obliegenden Zellen des Urdarmes lassen uns durch ihre Lagerung erkennen, dass nur die ventrale und obere Partie des Darmes hauptsächlich die Funktion der Nahrungsauf- nahme besitzt. An der ganzen Dorsalseite finden wir festgefügtes Cylinderepithel, welches keine Differenzirung aufweist. Aus dieser ventralen Wand geht späterhin die Leber hervor, deren Anlage be- reits die Zellen unseres Stadiums kund geben. Große Deutolecith- mengen in Form kleiner Kügelchen sind von ihnen aufgenommen worden und bedingen ihr typisches Aussehen. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 575 Wir werden diese vorläufig noch nicht scharf ins Auge fallende Struktur der Urdarmzellen auf späteren Stadien stark hervortreten sehen. Sie beziehen ihren Eiweißgehalt aus dem immer vollständig mit Eiweiß angefüllten Urdarm. Da eine Mundöffnung noch nicht existirt, so wird das Eiweiß durch den After aufgenommen, so dass derselbe, wie schon oben bemerkt wurde, bei unserer Form einige Zeit hindurch als Mund fungirt. Mit dem eben beschriebenen Stadium hatte die Zellauswanderung aus dem Ektoderm ihre höchste Entfaltung gewonnen und durch diese Massenauswanderung ist der Mutterboden für weitere Bildung von Mesodermzellen gegeben. Man trifft jetzt eine Menge Theilungs- stadien, die früher sehr selten waren, an. Auf den folgenden Sta- dien werden wohl noch einige Ektodermzellen aus dem Epithel in die Furchungshöhle entlassen, aber der eigentliche Bildungsprocess ist vorüber. Auf dem Schnitt, welcher in Fig. 15 abgebildet ist, zeigen auch die Zellen des ventralen Ektoderms einen glatten Kontour. Das Äußere dieses Embryos unterscheidet sich nicht bedeutend von dem vorhergegangenen. Der Wimperkranz liegt nahezu äquatorial und springt als zweireihiger Zellwall scharf aus dem Ektoderm her- vor. Der Embryo ist wohl ungefähr mit der von BÜTScHLI gege- benen Abbildung der Fig. 5 seiner Taf. XV zu vergleichen. Die Mesodermmasse hat sich durch Theilungen ihrer Zellen vergrößert und umfasst in ihrer Ausdehnung ventral und seitlich den Urdarm. Die Zellen liegen, dicht zusammengedrängt, am dichtesten in der ventralen Mittellinie, während die Seiten ein lockeres Gefüge auf- weisen und bereits einige ihrer Zellen sich abgetrennt haben, um ihre Wanderung nach den Theilen der Furchungshöhle zu beginnen, welche bislang noch keine Mesodermelemente besaßen, wie der obere und dorsale Abschnitt der Höhlung. Wir sind geneigt, diese Stufe der Mesodermbildung mit den fertigen Mesodermstreifen der Formen mit Urmesodermzellen zu vergleichen. Beiderseits kommt es zur Entstehung einer ventralen Mesodermschicht, wenn auch auf sanz verschiedenem Wege. Bei Paludina wird sie durch allmähliche Auswanderung von Ektodermzellen gebildet, diean der Verschluss- stelle des Blastoporus ihren Ursprung nehmen, während es bei den anderen Formen zur Bildung einer großen Zelle, der Ur- mesodermzelle, kommt, die durch fortwährende Theilungen ebenfalls den Grund für das gesammte Mesoderm liefert. Wie diese beiden Formen der Mesodermbildung verglichen und in Einklang mit einander 38* 576 Carl Tönniges, zu setzen sind, wird späterhin gezeigt werden. Vorerst genügt es, die Thatsachen festgestellt zu haben. Wir sind in unserer Betrachtung bis zur ausgebildeten, ventra- len Mesodermschicht gekommen und wollen nun ihre Weiterentwick- lung verfolgen. Der Embryo unserer Fig. 15 befindet sich bereits in dem Trochophorastadium. Ist dasselbe jedoch erst erreicht, so hat das Mesoderm eine weitgehende Diffenenzirung erlitten: es hat sich vollständig aufgelöst und sich in der Furchungshöhle als Mesenchym vertheilt, ohne dass es zunächst zur Bil- dung einer sekundären Leibeshöhle gekommen wäre. Eine Spaltung ist in dem Mesoderm im ganzen Verlauf der Entwicklung nicht aufgetreten, so dass ein Cölom bisher nicht existirt. Ich hebe diese Thatsache vorläufig kurz hervor, da somit zwischen meiner Auffassung und der v. ERLANGER’s ein Gegensatz besteht. Diesen weiteren Fortschritt in der Ausbildung des mittleren Blattes wird man auf dem folgenden Stadium (Fig. 16) erkennen. Durch die Differenzirung von drei, für die Molluskenlarve sehr charakteristischen Organen, des Fußes, der Schalendrüse und des Velums, ist der Keim in eine weitere Larvenperiode eingetreten. Der Fuß ist als eine geringe Hervorwölbung der Ventralwand zu erkennen; seine Wandung besitzt eine schwache Verdiekung. Über ihm und dicht unterhalb des Velums hat sich eine kleine Einsen- kung des Ektoderms gebildet, wodurch das erste Auftreten des Schlundes dokumentirt wird. Auch an dem Epithel dieser Stelle kann man eine Erhöhung wahrnehmen. Eine auffallende Verdiekung besitzt jedoch die dorsale Ektodermpartie, an der eine ähnliche, kleine Einsenkung entstanden ist wie an der Ventralseite. Diese Einstülpung ist die junge Schalendrüse, deren Längsausbreitung sich vom Velum bis zur Afteröffnung erstreckt. Das Velum hat sich durch die Bildung des Fußes und der Schalendrüse etwas nach dorsal ver- schoben und mit ihm der After, der ebenfalls eine geringe dorsale Verschiebung erlitten hat, wie schon BÜrscHLı in seiner Publikation hervorhob. Nothwendigerweise muss sich der Urdarm allen diesen Verhältnissen anpassen. Er hat bereits durch das verdickte Epithel der Schalendrüse eine Abflachung seiner dorsalen Wand erfahren, die bei stärkerer Ausbildung der Drüse zur Einstülpung in das Darmlumen führt (Fig. 17). Die Vaeuolenbildung und Eiweißaufnahme der Ventralwand hat sich vergrößert. Das Mesoderm hat sich, wie bereits hervorgehoben - wurde, aufgelöst und seine Zellen liegen in ihrer typischen, spindelförmi- gen Gestalt regellos in der ursprünglichen Furchungshöhle zerstreut. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. DT Das nächste Stadium bringt die eben beschriebenen Verhältnisse in verstärktem Maße zum Ausdruck (Fig. 17). Der hintere Abschnitt der Trochophora wächst von jetzt ab beträchtlich. Die Hervorwöl- bung des Fußes nimmt zu; die Schalendrüse vertieft sich und scheidet den bereits in Bürschur’s Arbeit beschriebenen Conchyolinpfropf aus; das Velum rückt immer mehr dorsal und besitzt nicht ganz mehr jene Ausdehnung der jüngeren Stadien. Die Schlundeinstülpung wird schließlich durch diese Wanderungen und Differenzirungen mehr und mehr an das Vorderende des Embryos verschoben. In den nächsten Stadien beginnt auch im Bereich des Mesoderms die Anlage der Organe, so dass wir mit der weiteren Ausbildung der Trochophora- larve einen Abschnitt in der Entwicklung des mittleren Blattes unter- scheiden können. a Fassen wir noch emmal kurz unsere Resultate über die Meso- dermentstehung zusammen, so ergeben sie folgende Sätze: 1) Kurz nach der Ausbildung der Gastrula erfolgt die Bildung des mittleren Blattes durch Auswanderung von Ektodermzellen. 2) Die Auswanderung findet an einer beschränkten Stelle der ventralen Wand statt, welche der Verschluss- stelle des Blastoporus entspricht. 3) Ihre Dauer umfasst ungefähr die Zeit, in der die Ver- engerung und der Schluss des Blastoporus vor sich geht. 4) Es kommt zur Ausbildung einer ventralen Mesoderm- schicht, welche die ganze Ventralseite einnimmt und zu bei- den Seiten den Darm umfasst. 5) Dieses einheitliche Mesoderm löst sich im Verlauf der Entwieklung auf, so dass im Trochophorastadium die Meso- dermelemente regellos zerstreut in der Furchungshöhle liegen, ohne dass es je zur vorübergehenden Bildung einer sekundären Leibeshöhle gekommen wäre. IV. Differenzirung des Mesoderms bis zur Anlage des Perikards. Wir haben vorstehend die Entstehung und Fortbildung des Meso- derms verfolgt und gesehen, dass sich im Laufe der Umbildung der Gastrula in einen bewimperten Embryo eine ventral gelegene Mesoderm- masse gebildet hatte, die den sog. »Mesodermstreifen« anderer Gastro- poden ähnelte (Fig. 15, Taf. XXV). Dieses gedrängte Aneinander- liegen der Mesodermzellen währt jedoch nicht lange, denn schon bei 578 Carl Tönniges. der Bildung des Zellenkomplexes sahen wir bereits einzelne Zellen sich von ihm ablösen und weiter in die primäre Leibeshöhle hinein- rücken. Die frühzeitige Auflösung in das typische Molluskenmesen- chym ist ebenfalls kurz erwähnt worden (Fig. 16 und 17, Taf. XXV]). Während des Trochophorastadiums ist keine Spur mehr von einer kompakten Mesodermschicht vorhanden, sie hat sich aufgelöst und ihre einzelnen Zellen liegen als Mesenchym in der primären Leibeshöhle zerstreut. Ich habe auf keinem Stadium einen Vorgang bemerkt, der einer Spaltung der Zellschicht gleich käme und die so entstandenen Hohlräume ein Cölom darstellen würden. Auch nicht der kleinste Rest persistirt, sondern sie wird ganz und gar zu typi- schem Mesenchym. In Verbindung mit der Schilderung dieses Processes haben wir auch die Umbildungen in der äußeren Gestalt und sonstigen Diffe- renzirung des Embryos berücksichtigt, womit wir im vorigen Ab- schnitt abgeschlossen haben. Wir wollen noch mit wenigen Worten auf die nächstfolgende Differenzirung des Mesoderms in das Perikard zu sprechen kommen. Die Untersuchungen, welche über diesen Punkt angestellt wurden, haben mich zu dem gleichen Resultat geführt wie v. ERLANGER, so dass ich die Beobachtungen desselben bis auf eine Abweichung be- stätigen kann. Die nachfolgenden Angaben sind daher wegen der Übereinstimmung nur kurz gegeben worden. v. ERLANGER lässt das Perikard am Hinterende zu beiden Seiten des Enddarmes entstehen. Etwas ventral liegen zwei Mesodermanhäufungen, in denen jeder- seits ein Lumen zu bemerken ist. Aus ihnen geht im Laufe der Entwicklung der Herzbeutel hervor. Derselbe entsteht also paarig, wesshalb die Vermuthung seiner Entstehung aus einer paarigen An- lage (Mesodermstreifen) gewiss nahe liegt und gewiss entspricht er auch so dem Cölom. | Ich habe schon erwähnt, dass ich die paarige Anlage des Herz- heutels ebenfalls angetroffen habe. Ich weiche jedoch bezüglich ihrer Entstehung von der Darstellung v. ERLANGER’s ab. Letzterer glaubt die beiden Bläschen als Rest seines beschriebenen Cöloms ansehen zu müssen und lässt bereits bei ihrer Entstehung einen Hohlraum in ihnen vorhanden sein. Nach meiner Auffassung löst sich die Mesodermschicht auch im hinteren Theil des Embryos vollständig auf, wie ich ausdrücklich bemerken muss, obwohl ieh aus theoretischen Rücksiehten v. Er- LANGER’S Auffassung gern beipflichten möchte. Die Abbildung Fig. 17 Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 579 stellt einen sagittalen Längsschnitt eines späteren Trochophorasta- diums vor. Das Velum ist dorsal gerückt; das Stomodaeum beginnt sich einzustülpen, und die Schalendrüse ist tief eingesenkt. Die Furchungshöhle hat sich etwas vergrößert, und die in ihm zerstreut liegenden Mesenchymzellen weisen an allen Stellen eine gleichmäßige Vertheilung auf. Weder an Quer- noch an Längsschnitten konnte eine Anhäufung von Mesodermelementen konstatirt werden. Fig. 18 stellt dasselbe Stadium im Frontalschnitt dar. Die folgenden Schnitte (Fig. 19—23) führen uns den Process der Perikardbildung vor Augen. Es sind zumeist Querschnitte durch den hinteren Theil der Embryonen abgebildet worden, da Längsschnitte nicht so instruktiv die paarige Entstehung des Herzbeutels zeigen. Es ist in diesen letzteren Zeichnungen weniger Gewicht auf die ge- nauere Wiedergabe der Struktur des inneren und äußeren Blattes gelegt worden, so dass nur ihre Umrisse mit der Camera gezeichnet worden sind. Die Verhältnisse des mittleren Blattes erfuhren jedoch keine Schematisirung. Ich hatte erwähnt, dass auf dem Stadium Fig. 17 noch keine Differenzirung des Mesoderms zu bemerken war. Fertigen wir jedoch durch einen etwas älteren Embryo einen Querschnitt an, so ergiebt er das in Fig. 19 dargestellte Bild. Der Fuß ist etwas stärker her- vorgetreten; die Schalendrüse hat ihre bisherige Gestalt bewahrt. In der Leibeshöhle bemerken wir an der Ventralseite zwei Anhäu- fungen von Mesodermzellen (P und ?’). Sie liegen dem Ektoderm dieht an, während ihr Abstand vom inneren Blatt ein größerer ist. Der Ansicht v. ERLANGER’s entgegen besitzen sie noch keinen Hohl-_ raum, sondern stellen solide Zellhaufen vor, deren Zellen dicht ge- drängt zusammenliegen. Erst auf dem nächstfolgenden Stadium (Fig. 20) tritt in den beiden Zellkomplexen ein Hohlraum (?P und P’) auf. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese beiden Lumina der sekundären Leibes- höhle entsprechen, jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass sie erst sekundär in den beschriebenen Mesodermanhäufungen ent- stehen, so dass die Vorgänge der Cölombildung bei Paludına stark verwischt erscheinen. Es kommt im ganzen Verlauf der Entwicklung nie zur Bildung eines thatsächlichen Cöloms, sondern nur die paarige Entstehung der Perikardialbläschen scheint als Rest desselben auf- gefasst werden zu müssen. Ähnliche Verhältnisse weisen nach ZieGLER die Lamellibran- chiaten auf. Bei COyelas (33) bilden sich in der Trochophora auf 580 Carl Tönniges, beiden Seiten des Darmes solide Haufen von Mesodermzellen. Ein Cölom ist zunächst nicht vorhanden. In den Anhäufungen bildet sich am vorderen Ende je ein Hohlraum und durch Zusammenrücken beider Bläschen entsteht das Perikardium. Derselbe Process geht auch an den in Rede stehenden Zell- komplexen unserer Form vor sich. Die beiden Bläschen vergößern sich mehr und mehr und rücken allmählich ganz nahe an einander, so dass es den Anschein gewinnt, als hätten wir ein Perikardium vor uns, welches durch ein Septum in zwei Theile getrennt sei. Dieses Septum besteht aber thatsächlich aus zwei Lamellen, welche durch enges Aneinanderlegen zu einer Wand verschmolzen sind. Das Lumen des rechtsseitigen Zellkomplexes (P’) ist etwas größer als das des linken (Fig. 21). Der Längsschnitt durch den Embryo der Fig. 22 steht mit dem soeben beschriebenen Querschnitt auf gleicher Entwicklungsstufe. Die Entwicklung der einzelnen Organe ist schon weit vorge- schritten (Fig. 22). Der Fuß tritt deutlicher hervor und der After ist stark ventralwärts verlagert. Das dorsale Ektodermepithel hat sich im Bereich der zurückgebildeten Schalendrüse stark verdünnt und ein dünnes Schalenhäutehen ist aufgetreten. Die lange ekto- dermale Schlundeinstülpung hat sich mit dem Darme in Verbindung gesetzt. Die Leber als Ausstülpung der ventralen Darmwand ist in zwei Schläuchen angelegt. Nicht viel später (Fig. 23) beginnt das Septum sich von hinten nach vorn aufzulösen, wodurch das doppelte Perikard ein einheitlicher Hohlraum wird. Das Herz geht aus einer Einfaltung der Perikardialwand hervor. So weit habe ich die Differenzirung des Mesoderms verfolst und habe gefunden, dass die Angaben v. ERLANGER’S sich diesbezüg- lich in ihren wichtigsten Befunden mit den meinigen decken. V. Kurze chronologische Übersicht der verschiedenen Darstellungen über die Bildung des Mesoderms bei den Gastropoden. Obwohl in den neueren Arbeiten über Molluskenentwicklung die Meso- dermfrage von verschiedenen Seiten beleuchtet worden ist, in Folge des Inter- ' esses, welches dieser Gegenstand in der letzten Zeit bei den Beobachtern wachgerufen hat, so sehe ich mich doch zum besseren Verständnis der vor- liegenden Arbeit genöthigt, ebenfalls eine kurze, historische und vergleichende Übersicht zu geben. Der Umstand, dass die Technik in älterer Zeit noch nicht genügend aus- gebildet war, um die Forscher bei ihren Arbeiten ausreichend zu unterstützen, war es wohl hauptsächlich, der die geringe Beachtung bedingt, welche in der zuerst zu berücksichtigenden, äußerst genauen Arbeit von Leypig (17) über Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 581 Paludina vivipara im Jahre 1850 dem Mesoderm geschenkt worden ist. Auch mag die untergeordnete Bedeutung, welche man in jener Zeit auf das mittlere Blatt legte, dazu beigetragen haben, dass LrvpıG dasselbe erst in ziemlich späten Stadien im Fuß und Mantel des Embryos als helle, verästelte Zellen, welche die Leibeshöhle durchspannen, beschreibt. Auch bei Calyptraea sinensis bemerkt SALENSKY (28), welcher diese Form untersuchte, erst auf einem ziemlich späten Stadium das Auftreten des Meso- derms. Der betreffende mit Wimpern bedeckte Embryo hatte bereits die An- lage der Kopfblase, des Wimpersegels und des Fußes, als der Verfasser zwi- schen dem oberen und unteren Keimblatt das Vorhandensein einer Zellschicht konstatiren konnte, welche im Bau und Farbe sowohl vom Ektoderm wie Entoderm abwich. Die Zellen derselben waren oval, sehr abgeplattet und be- saßen ein feinkörniges, dunkles Protoplasma. Die Abstammung dieses, wie sich später ergab, mittleren Blattes konnte SALENSKY nicht feststellen; er ver- muthete jedoch, dass dasselbe der Lage nach aus dem Ektoderm hervorgegangen sein könnte. Dieses Mesoderm erschien zuerst nur an der Bauchseite, später ging es auch auf die Rückenseite des Embryos über. Die Zellen behielten nur kurze Zeit ihre primitive, abgeplattete Gestalt. Sie dehnten sich allmäh- lich der Länge nach aus und ließen aus sich hauptsächlich die Muskeln des Fußes und der Kopfblase, sowie später auch das Herz entstehen. Gleichzeitig mit Calyptraea untersuchte SALENSKY (28) auch die Entwick- lung von Trochus. Jedoch auch hier erwähnt der Verfasser das Mesoderm ziemlich spät. Nachdem Schale, Vorderdarm und Fuß angelegt sind, beschreibt SALENSKY in dem letzteren, sowie im vorderen Körpertheile des Embryos eine Zellenlage, zwischen Ektoderm und Entoderm liegend, welche er für das Meso- derm hält. Durch das feinkörnige Protoplasma seiner Zellen soll es sehr gut zu erkennen sein. Wenige Angaben über das Mesoderm und seine Entstehung macht GAnINn (11) in seiner Arbeit über die Entwicklungsvorgänge einiger Pulmonaten. Er bemerkte an der Bauchseite der Embryonen, welche schon mit Segel, Mund- einstülpung etc. versehen waren, eine Verdickung, welche sich nach seiner Meinung aus dem äußeren und mittleren Keimblatt zusammensetzte. Vor dem Auftreten dieser Verdickung jedoch konnte er das Mesoderm in Form einiger runder Zellen in der Leibeshöhle liegen sehen. Nach Ganin’s Angaben wie auch der Lagerung nach wird wohl die Verdiekung den Mesodermstreifen entsprochen haben. | RAY-LANkESTER (19) giebt in seiner Arbeit über die Blastoporusfrage bei Paludina auch keine bemerkenswerthen Angaben über den uns interessirenden Punkt. Er bemerkte bei einem, mit schon nach dorsal gerückten Velum ver- sehenen Embryo dehnbare und abgesonderte Körperchen in der primären Leibeshöhle als Mesoderm liegen und vermuthete, dass dasselbe wohl theils vom Ektoderm, theils vom Entoderm entspringen möchte. Bedeutend klarer und bestimmter spricht sich schon RAgL (24) über das Mesoderm bei Zemnaeus aus. Dasselbe entwickelt sich bald nach der Gastrula- tion bilateral-symmetrisch und besteht anfänglich nur aus wenigen Zellen, die sich jedoch bald vermehren. Durch diese Beobachtung der bilateralen Sym- metrie war für die Mesodermfrage der Mollusken ein wichtiges Moment ge- wonnen. Er fasst dann die Entstehung des Blattes als einen Spaltungsprocess des Ektoderms auf; jedoch sind seine Gründe hierfür nicht recht beweisend, denn er giebt z. B. als bestimmend hierfür an, dass die Mesodermzellen auf Schnitten immer am äußeren Keimblatte hängen bleiben. 582 Carl Tönniges, RABL erwähnt dann noch, dass es, in Folge der Undurchsichtigkeit der Embryonen, nicht gut möglich sei, die Entstehung des mittleren Keimblattes von genau bestimmten Zellen abzuleiten. v. IHERING giebt dann wieder bei Zelix (13), wie alle früheren Beobachter, außer RABL, nur wenige und ungenaue Angaben über das Mesoderm und seine Bildung. Er lässt dasselbe zu einer Zeit, wo sich die Ganglien durch Ektoderm- verdickungen abtrennen, auf dieselbe Weise vermittels Zellhaufen vom äußeren Keimblatt entstehen. Sehr früh entsteht dann aus diesen Gebilden das Herz, später Niere und Geschlechtsapparat. Für die beiden Ordnungen der Pteropoden und Heteropoden besitzen wir von älteren Angaben nur die von FoL (8 u. 9). Derselbe berücksichtigte in seinen sonst ausführlichen Arbeiten die Mesodermfrage nur wenig. In neuester Zeit sind, wie wir unten weiter sehen werden, für die Pteropoden (Clione) Urmesodermzellen beschrieben worden. In der schönen Arbeit iiber die Embryonalentwicklung der Pteropoden erwähnt FoL (8) nur ganz kurz, dass in der Fußanlage des schon mit Schalen- drüse, Ösophagealeinstülpung versehenen Embryos sich Mesodermelemente fänden, aus denen die Muskeln etc. späterhin gebildet würden. Er nimmt ferner an, dass wohl diese Mesodermzellen durch Loslösung vom Ektoderm entstehen, ohne uns aber den Beweis dafür zu bringen. Es ist also keine Frage weiter, dass die Thatsachen über das mittlere Keimblatt der Pteropoden nur als wenig bekannt anzusehen sind. Nicht besser finden wir es bei den Heteropoden, die For (9), wie schon erwähnt, ebenfalls bearbeitet hat. Wie in der vorhergehenden Arbeit legt er auch hier sehr wenig Gewicht auf die Entwicklung des mittleren Blattes. Er beschreibt letzteres auf einem bereits mit Schalendrüse versehenen Stadium als einzelne rundliche Zellen, welche vereinzelt in der Nähe des Blastoporus liegen. Die Abkunft derselben konnte er nicht klar verfolgen. Nach der Entwicklung des Ciliengürtels, also nachdem der Embryo in das Trochophorastadium eingetreten ist, machen sich auch, so beschreibt Ray LANKESTER (20) es bei Paludina, an den primären Blättern dieser Form Ver- änderungen bemerkbar. Ekto- und Entodermzellen werden heller, und vor Allem haben die letzteren an Größe abgenommen. Zwischen den ursprüng- lich ziemlich dicht an einander geschlossenen Blättern ist ein Raum aufge- treten, welcher von verästelten Zellen durchsponnen wird. Dieser Raum ist das Cölom und nicht mit dem Blastocoel des Keimes zu verwechseln. Der Ver- fasser hatte in einer früheren Arbeit das Vorhandensein eines Cöloms in Abrede gestellt (19). RAY LANKESTER scheint, obgleich er es nicht bestimmt ausspricht, anzunehmen, dass das mittlere Blatt vom Entoderm stammt, da er von einer Verminderung der Zellen desselben spricht. Ein Jahr später erschien eine Arbeit von BürscaLı (4), welche ebenfalls in sehr guter und ausführlicher Weise die Entwicklung der Paludina behan- delte. Wir müssen etwas genauer und ausführlicher auf seine Angaben ein- sehen, da er zum ersten Male die Entstehung und vor Allem die weitere Ausbildung des Mesoderms gründlicher als alle anderen Beobachter behandelte und die Bedeutung desselben voll und ganz würdigte. Es gelang BürschLı an den sehr kleinen und undurchsichtigen Embryonen die Anlage des mittleren Keimblattes in Gestalt weniger Zellen, am Blasto- Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 583 porus liegend, aufzufinden. Es geschah dieses zu einer Zeit, wo der Embryo eben das Gastrulastadium verlassen und den äquatorialen Wimperkranz ange- legt hatte. Die Bildung dieser Zellen konnte er nicht beobachten, vermuthete jedoch, in Folge ihrer gelblichen Färbung, dass sie wohl vom Entoderm stam- men möchten, da dasselbe in Folge seines Dottergehaltes dem hellen Ektoderm gegenüber dunkelgelblich erscheint. Die erwähnten Zellen wachsen dann zu Mesodermstreifen aus, welche durch Spaltung die beiden Blätter aus sich hervorgehen lassen. Auf späteren Stadien beschreibt er dann jene spindelförmigen und verzweigten Zellen, welche sich in der Leibeshöhle regellos zwischen dem parietalen und visceralen Blatt ausspannen und das charakteristische Mesenchym der Mollusken darstellen. Für sehr wahrscheinlich hält es der Verfasser, dass die Anlage des in Frage stehenden Blattes eine bilateral-symmetrische sei. Bis jetzt hatten die Beobachter zumeist nur das fertige Mesoderm be- schrieben und weniger den ersten Ursprung desselben verfolgt. Dieses ändert sich jetzt und man ist bemüht, mehr den Bildungsherd der Mesodermzellen aufzusuchen. Versuche in dieser Richtung finden wir zuerst in den Arbeiten von BOBRETZKY (3) über einige marine Prosobranchier. Hauptsächlich sind es die drei Formen Nassa, Fusus und Natica, welche derselbe untersuchte. Nachdem der bekannte inäquale Furchungsmodus bei Nassa mutabelıs voll- endet war, bemerkte BOBRETZkY am Rande der hellen Ektodermschicht, dort, wo sie an die Makromeren angrenzt, eine verhältnismäßig große Zelle, welche dureh Theilung die ersten Mesodermzellen aus sich hervorgehen lässt. Diese zeichnen sich durch besondere Farbe und Struktur aus, so dass sie leicht von den Ektodermzellen unterschieden werden können. Ihren Ursprung erfahren wir zwar nicht genau, jedoch kann recht gut angenommen werden, dass sich diese, von den Ektodermzellen, wie schon erwähnt, sowohl durch ihre Größe wie Aussehen unterscheidenden Zellen auf das allgemeine Schema durch Ab- schnürung von einer der Makromeren zurückführen lassen werden. Auf einem etwas späteren Stadium sieht man das erwähnte Mesoderm unter dem Ekto- dermblatt in der Furchungshöhle liegen. Da die Ursprungsstelle des mittle- ren Keimblattes hier bei Nassa an dem Übergang der beiden primären Blätter liegt, so ist dieses genau genommen der Blastoporusrand, welcher noch nicht genügend die Makromeren umwachsen hat, um als solcher bezeichnet werden zu können. Bei dem zweiten Prosobranchier Fusus (3) verläuft die Furchung ähnlich wie bei Nassa. Das Stadium jedoch, auf dem dort die Mesodermzellen auf- traten, zeigt hier noch nichts Derartiges. Dieselben scheinen erst in späterer Zeit zu erscheinen, und auch ihre Entstehung scheint eine andere zu sein. Der Verfasser vermuthet, dass das Mesoderm auch hier am Blastodermrande entspringt. Er nimmt an, dass an der Umbiegungsstelle des Ektoderms in das Entoderm einige Zellen aus dem Verbande in die :primäre Leibeshöhle treten und dort die erste Anlage des Mesoderms bilden. Die betreffenden Zellen sind aus einer Verdickung der Mikromerenschicht hervorgegangen, so dass ihr Ur- sprung ektodermal ist. Bei Natica, von BOBRETZKY (3) ebenfalls untersucht, ist die Anlage des Mesoderms noch dunkler geblieben als bei Fusus. BOBRETZKY sah dasselbe erst auf einem sehr späten Stadium in Form kleiner, ovaler Zellen in der Um- . gebung des Vorderdarmes und der Schalendrüse auf Durchsehnittsbildern liegen. Er behauptet, dass auf Schnitten vor der Gastrula nie Spuren von Mesoderm 22 984 Carl Tönniges. zu finden gewesen wären. Natica würde sich also in diesem Falle genau so verhalten wie Paludina, da bei dieser Form vor und während der Gastrulation nie Mesoderm vorhanden ist. Eine sehr genaue Beschreibung von der Entstehung des mittleren Keim- blattes giebt RABL (25) für Planorbis an. Nach Verlauf verschiedener Theilungsstadien ist der Keim in 24 Zellen zerlegt; vier davon unterscheiden sich durch Größe und Färbung von den an- deren 20. Es sind dieses die bekannten, am vegetativen Pole des Eies liegen- den Makromeren. Die anderen bedeutend plasmareicheren Zellen geben dem Ektoderm seinen Ursprung. In diesem Stadium tritt das mittlere Keimblatt auf, indem eine der Makro- meren, und zwar die, welche das spätere Hinterende des Embryos bildet, sich in zwei gleiche Hälften theilt. Auch die anderen drei Makromeren haben sich während dieser Zeit getheilt, so dass nun nicht weniger als zwölf Zellen am vegetativen Pol liegen, die alle durch Theilung aus den vier Makromeren her- vorgegangen sind. Die bereits erwähnten Mesodermzellen sind als solche in Folge ihrer bedeutenden Größe, ihres Körnchenreichthums und ihrer hellen Kerne sofort erkennbar. Die hellen Zellen des animalen Poles haben sich inzwischen ebenfalls stark vermehrt, so dass der Keim schließlich aus ungefähr 50 Zellen besteht. Dadurch, dass sie den Makromeren entgegenwachsen, drängen sie die beiden Mesoderm- zellen in die Furchungshöhle. Damit ist die Anlage der drei Keimblätter ge- geben. Auch ist hervorzuheben, dass hier ebenfalls die Anlage des Mesoderms eine seitlich-symmetrische ist, genau so wie es der Verfasser schon für Zim- naeus (24) nachgewiesen hatte. Durch Theilung und Auswachsen der beiden Urmesodermzellen wird dann je ein Mesodermstreifen gebildet. Später lösen sich diese Streifen in Mesen- chym auf. Wie wir also gesehen haben, entsteht auch hier das Mesoderm an der Übergangsstelle der beiden primären Blätter. Etwas anders und nicht so genau äußert sich FoL (10) in seiner Arbeit über die Entwicklung einiger Süßwasserpulmonaten, über die Mesodermbildung bei Planorbis. Er beschreibt in der Gastrula zwei helle Zellen, welche symmetrisch und ventral am Blastoporus liegen und giebt zu, dass diese eventuell die Ur- mesodermzellen sein könnten, ist jedoch nicht sicher davon überzeugt. Denn wäre es wirklich der Fall, so würde sich der Verfasser genöthigt sehen, an einen doppelten Ursprung des mittleren Blattes zu glauben, denn bald nach dem Gastrulastadium beschreibt er abermals eine Entstehung des Mesoderms, in Folge Loslösung von Ektodermzellen am verdickten Blastoporusrande. Die Zellenschicht des äußeren Blattes ist hier mehrschichtig geworden und die bereits in der Leibeshöhle liegenden Mesodermzellen unterscheiden sich in nichts von den über einander liegenden Zellen des Ektoderms. Dieses gilt jedoch nur für die Süßwasserpulmonaten, bei denen des Landes bleibt die Mesodermfrage eine offene, da in Folge der Undurchsichtigkeit der Embryonen keine Resul- tate, die diesen Punkt aufklären konnten, gewonnen wurden. An einem Embryo von Zimax mazimus, der mit wenig umfangreicher Schalendrüseneinstülpung versehen war, bemerkte FoL das Mesoderm als be- stimmt charakterisirtes Blatt zwischen Ekto- und Entoderm in dem oberen Theil der Larve liegend; es ist besonders stark lateral ausgebildet, während Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 585 es dorsal und ventral bedeutend schwächer ist. Später finden sich die Meso- dermzellen in größerer Menge im Fuße, in der Umgebung der Schalendrüse und des Mundes. Einige sind verästelt und durchziehen lang ausgezogen die Leibeshöhle. Auch bei Nertitina ist durch BLOCHMANN (1) die Abstammung der Ur- mesodermzellen sehr klar beschrieben worden. Auf einem Furchungsstadium von 36 Blastomeren sah er, wenn er das Stadium im Profil von hinten betrachtete, eine ziemlich große Zelle unter der Ektodermschicht gelagert und wie die Kernspindel bewies, stammte sie von der Makromere ab, welche später das Hinterende des Embryos einnimmt. Diese Zelle war, wie BLOCHMANN aus dem Weiteren ersah, die erste Anlage des Mesoderms. Sie theilt sich bald in zwei neue Zellen, welche je einen Mesodermstreifen aus sich hervorgehen lassen. Auf diese Weise ist die Anlage bilateral-sym- metrisch geworden. Auf einem späteren Stadium verlassen die Mesodermzellen den Ort ihrer Entstehung und wandern dem animalen Pol entgegen. Die weitere Ausbildung des Mesoderms verläuft nach bekannter Art. Nach HAppon (12) entsteht bei Janthina fragilis, deren Entwicklung der Verfasser uns fragmentarisch schildert, nach der in typischer Weise verlaufen- den Furchung und, in Folge des Dotterreichthums und darum ansehnlichen Größe der Makromeren, Bildung einer Umwachsungsgastrula, das Mesoderm am Blastodermrande, und er nahm an, dass es wohl vom Entoderm stammen möchte. Leider sind seine Angaben nicht begründet genug, um etwaige Schlüsse daraus ziehen zu können. Bei Aplysia kommt das mittlere Keimblatt nach BLOCHMANN (2) erst in späteren Stadien zum Vorschein. Jene bekannten, ziemlich leicht zu be- merkenden Urmesodermzellen, welche bei vielen Gastropoden am Ende der Furehung auftreten, finden sich bei diesem Opisthobranchier nicht. Nachdem bereits Velum, Fuß- und Mantelanlage am Embryo sichtbar waren, machte sich das erste Auftreten des Mesoderms bemerkbar und, wie es BLOCHMANN schien, in der Nähe der Ösophagealeinstülpung. Auf keinem der früheren Stadien waren Urmesodermzellen noch Streifen trotz sorgfältigster Nachforschungen zu sehen. Da jedoch die Ösophagealeinstülpung mit ihren anliegenden Mesoderm- zellen der Schlussstelle des Blastoporus entspricht, so ist es sehr leicht mög- lich, dass hier das mittlere Keimblatt zur Anlage kommt, da es in allen jenen Fällen, bei denen es nicht schon während der Furchung ausgebildet wird, zu- meist seinen Ursprung vom Ektodermrande nimmt. In allen diesen Fällen ist es außerordentlich schwierig anzugeben, von welchem Blatt das Mesoderm stammt. Es scheint jedoch nach den bis jetzt vorliegenden Resultaten die Über- gsangsstelle des Ektoderm in das Entoderm der fragliche Bildungsherd zu sein. In welchem Maße das eine oder das andere Blatt daran betheiligt ist, muss dahingestellt bleiben. Eine andere Abhandlung von BLOCHMANN (2), welche einige Jahre nach der von BÜTSCHLI gegebenen Entwicklung der Paludina vivipara erschien und, weniger auf die Keimblätterfrage Rücksicht nehmend, die von BÜTSCHLI bereits klargestellte, dann aber von RABL wieder angefochtene Blastoporusfrage nach- untersuchte, ergiebt auch einige Angaben über das Mesoderm. Seinen Ursprung konnte BLOCHMANN freilich eben so wenig feststellen 586 Carl Tönniges, wie BürscaLı. Er sah die ersten Mesodermzellen ungefähr auf demselben Stadium wie sein Vorgänger am Rande des Blastoporus liegen. Hervorzuheben ist, dass BLOCHMANnN dann die Ausbildung des Mesoderms genau so wie BÜTSCHLI beschreibt. In der Entstehung und Lage der Meso- dermstreifen, wie in der späteren Umbildung der Zellen in spindelförmige und verästelte stimmt er vollständig mit demselben überein. Ich sehe mich ver- anlasst, diese Übereinstimmung zweier vorzüglicher Beobachter hier zu er- wähnen, da auf dieselbe in einer neueren Arbeit von vV. ERLANGER wenig Rücksicht genommen worden ist. P. B. Sarasın (30) sah bei Bythinia in der Blastula einige abgeschnürte Zellen an der Übergangsstelle des Ektoderm in das Entoderm liegen. Er hielt dieselben für Mesodermzellen, konnte aber den Ursprung derselben nicht an- seben. Jedoch erwähnt der Verfasser gleich an dieser Stelle, dass aus diesen Zellen keineswegs das ganze Mesoderm hervorgehe, sondern letzteres einen ganz anderen Ursprung habe. Auf Schnitten, kurz nach der Gastrula, beschreibt SaArAsın das Mesoderm nicht als Blatt, sondern als eine mit dem Ektoderm verschmolzene vielkernige Lage von Zellen. Auf jeder Entwicklungsstufe und an ganz beliebigen Stellen konnte er Wucherungen des Ektoderms wahrnehmen, welche Bindegewebe, Muskel- und Drüsenzellen bildeten. In dem letzten Kapitel bespricht der Verfasser noch einmal zusammen- fassend die Keimblätter der Bythinia und kommt zu dem Schlusse, dass das Ektoderm während der ganzen Entwicklungszeit Mesodermzellen durch Wuche- rung aus sich hervorgehen ließe, so dass man von einem eigentlichen von Ektoderm geschiedenen Mesoderm nicht sprechen könne. Dem zufolge würde natürlich auch bei der Bythinia nicht von einem Haut- und Darmfaserblatt und eben so wenig von einer echten Leibeshöhle gesprochen werden können. Sehr bemerkenswerth ist für uns die Bildungsweise des Mesoderms, wie sie SALENSKY (29) für Vermetus schildert. SALENSKY giebt an, dass es außer- ordentlich schwierig wäre, zu konstatiren, welches der beiden primären Blätter dem Mesoderm den Ursprung giebt. Erst auf einem ziemlich späten Entwick- lungsstadium, denn der Embryo hatte bereits Segel, Schalendrüse und Fuß an- gelegt, sah der Verfasser am Blastoporusrande eine Verdiekung, welche nach- her auf Schnitten als Mesoderm konstatirt wurde. Vor diesem Stadium war nichts vom mittleren Blatte zu bemerken. Die Entstehung dieser Mesodermzellen jedoch, welche man auf den Schnitten ver- folgen konnte, förderte ein ganz anderes Resultat zu Tage als wie man es der Theorie nach erwarten sollte. Es bildeten sich nämlich die Zellen dureh Ab- schnürung vom Ektoderm. Leider war es nun SALENSKY nicht möglich, trotz der größten Sorgfalt und Mühe, welche er verwandte, Kerntheilungsfiguren aufzufinden, um damit schlagend die Abstammung beweisen zu können. So nahm er an, dass die Mesodermzellen durch direkte Theilung der Ektoderm- zellen entstünden, was natürlich sehr unwahrscheinlich ist. Dieses ist der wunde Punkt der Arbeit, obgleich die abgebildeten Schnitte Ektodermzellen zeigen, welche jene hantelförmige Gestalt besitzen, die einer direkten Theilung vorausgeht. Durch diese Abspaltungen vom Ektoderm werden zwei Haufen von Zellen gebildet, die bilateralen Ursprungs sind und mit dem Mesodermstreifen der Anneliden verglichen werden können. Ein zweites Auftreten des Mesoderms, ebenfalls vom Ektoderm ausgehend, Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 587 fand SALENSKY unter der Schalendrüse und beschreibt es als Perikardialmeso- derm. Aus ihm entstehen später Perikardium, Herz ete. Nach PıArrex (23) rücken bei Patella die Entodermzellen aus ihrer lateral- medianen Lage heraus, ehe der Blastoporus anfängt, seine Lage gegenüber dem . Scheitelpole zu verlassen, und lagern sich dorsal. Wenn diese Zellen in ihre bestimmte Lage gekommen sind, so schnüren sie sich senkrecht zur Längsachse durch und die nach der Leibeshöhle zu gelegenen Theilungsstücke werden zu Urmesodermzellen. Diese beiden Mesodermzellen wachsen dann zu den Strei- fen aus. In seiner Arbeit über die Entwicklung verschiedener mariner Prosobran- chier hat MCMUuRrRICH (22) sein Hauptaugenmerk auf die embryonale Entwick- lung von Fulgur gerichtet und eigentlich genauere Beobachtungen über die Entstehung des Mesoderms theilt er nur hier mit. Nach Verlauf des bekannten Furchungsmodus kommt auf einem Stadium mit schon ziemlich großer Anzahl von Mikromeren ein eigenthümlicher Vor- gang vor, welcher bei anderen Gastropoden bis jetzt nicht beobachtet wurde. Es entstehen nämlich auf den Makromeren, und zwar nur auf drei der- selben, während die vierte unberührt bleibt, protoplasmatische Erhebungen. welche mit ihrer Spitze den den animalen Pol bedeckenden Mikromeren ent- gegensehen. Sie liegen am Rande der Mikromerenschicht. MCMURRICH wusste über ihren Zweck nichts Näheres anzugeben, da sich jedoch zu dieser Zeit die erste Anlage des Mesoderms bemerkbar macht, so ist er der Ansicht, dass diese Vorgänge mit der Mesodermbildung im Zusammen- hang stehen und lässt aus der vierten unberührt gebliebenen Zelle die Urmeso- dermzellen hervorgehen. Dieselben schieben sich unter das Blastoderm und beginnen hier zu Mesodermstreifen auszuwachsen. Nach meiner Ansicht scheinen die von MCMURRICH gesehenen Protoplasma- hügel sich bildende Mikromeren gewesen zu sein, und da die Entstehung der- selben meist der Reihe nach geht, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auf einem gewissen Stadium die vierte Furchungskugel noch keine Abschnürung zeigte, Hiermit will ich jedoch nicht behaupten, dass diese abgeschnürten Blasto- meren nicht das Mesoderm bilden oder event. damit nicht im Zusammenhang ständen! Solches kann sehr leicht möglich sein, nur ist der Beweis MCMURRICH’s nicht genügend genug, um etwas Bestimmtes darüber sagen zu können. Auch seine Schnitte sind nicht beweisend genug, denn nach denselben könnte man eben so gut die Behauptung aufstellen, dass die unter der Mikromerenschicht liegenden Zellen von dieser selbst abstammten. Bei Bythinia tentaculata verläuft nach v. ERLANGER (7) die Furchung ganz wie bei den meisten anderen Gastropoden. Auf einem Stadium mit ungefähr 60 Ektodermzellen ist der vegetative Pol dieser Blastula von den sich bei allen Gastropoden findenden vier Makromeren eingenommen, welche ihre charakte- ristische Anordnung zeigen, d. h. zwei schließen im Centrum an einander, während die anderen beiden sich in die übrig gebliebenen Winkel einzwängen. Diejenige der vier Zellen, welche dazu bestimmt ist, das spätere Hinterende des Embryos zu bilden, theilt sich längs. Der abgeschnürte Theil ist als Ur- mesodermzelle zu betrachten, während man den übrigen Theil der Makromere als Entodermzelle nach v. ERLANGER bezeichnen könnte. Bald darauf theilt sich die Urmesodermzelle, jetzt aber quer, und die beiden so entstandenen Polzellen des Mesoderms rücken in die Furchungshöhle. Sie erzeugen durch Theilung jederseits einen Mesodermstreifen. Dieser soeben beschriebene Vor- 588 Carl Tönniges, gang spielt sich sehr früh, nämlich schon in der Blastula ab. Durch die Gastrulation wird das Mesoderm, in Folge der Größe der Entodermzellen, am hinteren Pol zwischen Ekto- und Entoderm eingezwängt. Nach der Gastrula- tion spalten sich die Mesodermstreifen und es entsteht ein Cölom. Dieses löst sich schnell auf und ein typisches Mesenchym wird gebildet. Diesen sehr bestimmt und genau gemachten Angaben v. ERLANGER’s über die Entstehung des mittleren Keimblattes aus dem Entoderm stehen die An- sichten SARASIn’s gegenüber, welcher eben so bestimmt behauptet, dass das Mesoderm vom Ektoderm stammt. Es stehen sich hier zwei Ansichten gegen- über, welche höchst wahrscheinlich erst durch eine nochmalige Untersuchung aufgeklärt werden können. Aus dem kurzen Bericht von Knıpowıtsch (14) geht hervor, dass bei Clione limacina ebenfalls Urmesodermzellen gebildet werden, deren Entstehung eine große Übereinstimmung mit den erwähnten Bildungen anderer Gastropo- den aufweist. In der gewöhnlichen Weise wird bei diesem Pteropoden im Verlauf der Theilung von einer der Makromeren, die das spätere Hinterende des Embryos zu bilden bestimmt ist, eine Zelle abgetrennt, die als Urmeso- dermzelle zu bezeichnen ist. Sie rückt in die Furchungshöhle, theilt sich dort, und die beiden Zellen erzeugen jederseits einen Mesodermstreifen. RaABL (24) hatte im Jahre 1875 nach seinen Beobachtungen vermuthet, dass bei Zimnaeus das Mesoderm wohl vom äußeren Blatt stammen möchte, jedoch waren seine Gründe für diese Annahme nicht ganz ausreichend. WorLr- son (31) hat die Untersuchung über die Entwicklung von Zimnaeus späterhin wieder aufgenommen und findet einen ähnlichen Ursprung des Mesoderms, wie wir ihn für die vorstehenden Formen beschrieben haben, d. h. die beiden Ur- mesodermzellen entstehen von einer der Makromeren. Wenn bei Crepidula ungefähr 20 Ektodermzellen vorhanden sind, schnürt nach CoNKkLIN (5) die hintere linke Makromere die Urmesodermzelle ab. Sie liefert das ganze mittlere Blatt, während die vier Makromeren das Entoderm aus sich entstehen lassen. Über die Bildung des Mesoderms bei Urosalpinz macht der Verfasser keine Angaben. Es wäre von Wichtigkeit, etwas Genaueres über die Mesodermbildung von Aplysia zu erfahren, da hier möglicherweise keine Urmesodermzellen vor- handen sein werden. Bereits BLOCHMANN (2) kommt zu dem Resultate, dass bei diesem Opisthobranchier sicher keine derartigen Zellen vorkommen. STECKER leugnet dieselben ebenfalls und lässt das mittlere Blatt durch Delamination vom Ektoderm entstehen. Dasselbe behauptet MANFREDI, ohne jedoch einen senaueren Beweis dafür zu liefern. Jedenfalls scheint hier wirklich die Meso- dermbildung von der anderer Formen verschieden zu sein. Es ist jedoch hiermit die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass bei an- deren Opisthobranchiern doch Urmesodermzellen vorkommen. Nach neueren Untersuchungen von Hrymons finden sie sich thatsächlich bei Umdbrella, und auch TRINCHESE erwähnt dieselben bei einigen Formen. Zum Schluss der Litteraturübersicht muss ich noch eine Arbeit anführen, welche schon mehrfach in der vorliegenden Abhandlung berücksichtigt worden ist. Sie behandelt die Entwicklung von Paludina, und v. ERLANGER (6) führt darin die Entstehung des Mesoderms auf Cölomsäcke zurück. Es soll an dem Urdarm eine ventrale, zweizipfelige Aussackung entstehen, welche sich im Laufe der Ent- wicklung vergrößert und sich schießlich in der Nähe des Blastoporus vom Urdarm abschnürt (wie z. B. bei den Echinodermen). Die Wände dieses jetzt Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 589 geschlossenen Sackes legen sich dem Ektoderm und Entoderm dicht an, so dass ein somatisches und splanchnisches Blatt zu Stande kommt. Der Cölom- sack löst sich jedoch bald auf und hinterlässt nur zwei bläschenförmige Reste, aus denen späterhin das Perikard hervorgeht. Wie aus meiner Untersuchung zu ersehen ist, befinde ich mich im voll- ständigen Gegensatz zu V. ERLANGER’s Ansicht. Die Verhältnisse liegen durch- aus nicht so, wie dieser Forscher sie annimmt. Durch die Anwendung der Schnittmethode gelang es mir, die Angaben v. ERLANGER’s als haltlos zurück- zuweisen und den ektodermalen Ursprung des Mesoderms Schritt für Schritt zu verfolgen (siehe Abschnitt III). VI. Einige allgemeine Bemerkungen über die Entwicklung des Mesoderms in der Gruppe der Gastropoden. Aus der vorliegenden Litteraturübersicht sehen wir, dass das mittlere Blatt auf zwei verschiedenen Wegen zur Entwicklung kommt. Entweder ist dasselbe schon in der Furchung in Gestalt einer Zelle (Urmesodermzelle) genau bestimmt, wie dieses die neueren Unter- suchungen für die meisten Fälle klargelegt haben, oder es wird auf späteren Stadien, während oder nach der Gastrulation, auf die eine oder die andere Art und Weise gebildet. Im letzteren Falle entsteht es zumeist in der Nähe der ursprünglichen Gastralöffnung am Über- sange der beiden primären Keimblätter in einander oder aber, wie es ebenfalls mehrere Male behauptet worden ist, die Bildung der Mesodermzellen ist gar nicht auf eine abgegrenzte Partie des Keimes beschränkt, und sie erfolgt durch Ablösung resp. Auswanderung von Entoderm-, in überwiegendem Maße jedoch von Ektodermzellen. Alle Beobachtungen machen ihr Recht auf Anerkennung durch möglichst genaue Studien geltend, und es wird sich erst in Zukunft entscheiden lassen, welche der Theorien die am meisten gestützte erscheint. Vorläufig wird es unsere Aufgabe sein, durch kritische Sonderung der gewonnenen Thatsachen und Vergleichung der bereits vorhandenen, ein gewisses Wahrscheinlichkeitsresultat zu ziehen. Nun ergiebt sich aus der angeführten Litteratur das Resultat, dass in der Mehrzahl der Fälle das Mesoderm zweifellos seinen Ur- sprung von den zukünftigen Entodermzellen nimmt. Alle genauer untersuchten Formen haben dieses Verhalten. gezeigt, und oft ist es auch möglich gewesen, die Entstehung der ersten Mesodermzelle zu beobachten, und eine Anzahl von Autoren stimmt in ihren Angaben über das Vorhandensein und die Bildung von zwei Urmesodermzellen so weitgehend überein, dass auch dieses Verhalten als allgemein selten kann. Zumeist ist es eine der Makromeren, welche durch Theilung eine kleinere Entoderm- und eine größere Mesodermzelle Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 39 590 | Carl Tönniges, ‚liefert. Letztere theilt sich, und ihre Produkte sind zwei bilaterale Urmesodermzellen, aus denen dann die beiden Mesodermstreifen her- vorgehen. Dieser letztere Fall. ist bei vielen Formen angetroffen worden. Man hat ihn als typisch angenommen und Modifikationen darauf zurückzuführen versucht. Erwähnen wir in Kürze die Gastropoden, bei denen Urmeso- dermzellen festgestellt worden sind. RABL (25) lässt bei Planorbis die hintere der vier Makromeren sich theilen und aus dem einen Theilstück die beiden Urmesodermzellen hervorgehen. Der gleiche Vorgang findet sich bei Neritina (BLOCHMANN, 1), Orepidula (CONk- LIN, 5), Bythinia (v. ERLANGER, 7) und dem Pteropoden Chone (KxıPpo- WITScH, 14). Schließlich ist das gleiche Verhalten auch neuerdings von Heymons bei dem Opisthobranchier Umbrella nachgewiesen worden. Vorausgesetzt muss natürlich bei allen diesen Fällen werden, dass die konstatirten Urmesodermzellen in ihrer Weiterentwicklung so lange genau verfolgt worden sind, bis man von ihrer Bildung des Mesoderms vollständig überzeugt ist. Oftmals können ähnliche scharf hervor- tretende Zellen bereits im Verlauf der Furchung und der Keimblätter- bildung auftreten, ohne indessen Mesodermzellen zu sein (ich möchte nur an die Genitalzellen mancher Formen erinnern). Haben sich nun die Urmesodermzellen wirklich gebildet, so ist es immer noch von großer Wichtigkeit, darauf zu sehen, ob nicht doch von irgend einem Blatte eine Ergänzung der Mesodermmasse eintritt. Es scheint mir nöthig zu sein, diese beiden Punkte hervorzuheben. Im Übrigen ist es jedoch zweifellos, dass bei den meisten Gastropoden das Mesoderm, entweder in seiner Gesammtheit oder doch theilweise, von zwei Ur- mesodermzellen herrührt, die auf die Makromeren zurückzuführen sind, und die später die Mesodermstreifen liefern. Paludina scheint nach den vorausgegangenen Betrachtungen den meisten anderen Gastropoden in der Mesodermbildung isolirt gegen- über zu stehen, denn obgleich die Zeit und die Art des Auftretens des mittleren Blattes bei den einzelnen Formen eine sehr abweichende genannt werden muss, so ist der Ursprung desselben durch Urmeso- dermzellen der weitaus häufigste. Urmesodermzellen sind nun aber bei Paludina thatsächlich nicht vorhanden, wie meine Untersuchungen und die der früheren Beobachter gezeigt haben, sondern das Meso- derm entsteht aus dem äußeren Keimblatt durch allmähliche Zellaus- wanderung. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 591 Es tritt nun die Frage an uns heran, wie dieser abweichende Modus der Mesodermbildung möglicherweise zu erklären und mit den übrigen Modalitäten zu vereinigen ist. Es wird zu diesem Zwecke von Vortheil sein, einige Formen anzuführen, bei denen die Urmeso- dermzellen nicht so typisch zu Tage treten als bei den bereits ge- nannten Gastropoden, aber doch noch zumeist zu erkennen sind. Im Allgemeinen scheinen typische Urmesodermzellen sehr früh, d. h. meist schon auf Furchungsstadien bei dotterreichen Eiern gebildet zu werden (Neritina, Umbrella, Bythinia, Planorbis ete.. Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Differenzirungen im dotterreichen Ei weiter vorgeschritten sind als in dem dotterarmen. Alle Zellen sind im ersteren schon genau specialisirt, während dieses im letz- teren Falle nicht zutrifft. Derartige frühe Vorgänge der histologischen Differenzirung erkennen wir z. B. im extremeren Fall im Cephalo- podenei (siehe WATASE, ROUX, DRIESCH, WILSON). Ich möchte mich der Ansicht zuneigen, dass auf Grund dieses Prineipes vielleicht auch einige Abänderungen im Verlauf der Meso- dermbildung hervorgerufen sein könnten. Ich habe bereits bei der Beschreibung der Furchung darauf hingewiesen, dass das Fehlen des Nahrungsdotters den abweichenden Bildungsvorgang des Mesoderms bei Paludina veranlasst haben könnte und zugleich einige dotterarme Formen (Chiton, Patella, wie auch Dentalium) angeführt, bei denen ebenfalls Modifikationen in der Bildung des mittleren Blattes auf- treten. Vorstehend ist bereits erwähnt worden, dass nicht alle unter- suchten Gastropoden in ihrer Entwieklung Urmesodermzellen auf- weisen. Einige Modifikationen in dieser Beziehung finden sich bei Nassa, bei welcher sich von den Makromeren Vorsprünge abtrennen sollen, um das Mesoderm zu bilden. Ebenfalls könnten modificirte Verhältnisse bei Zimnaeus, Fulgur und Janthina auftreten, deren Mesodermbildung jedoch noch nicht genügend bekannt ist, um eine sichere Behauptung zuzulassen. Bemerkenswerth ist für unsere Be- trachtung die Furchung von Patella. Zur Zeit, wenn bei den ange- führten Formen die Urmesodermzellen gebildet werden, ist in der Furchung der Patella noch nichts zu bemerken, was auf einen gleichen Vorgang schließen lassen dürfte. Der Process verzögert sich, und die künftigen Mesodermzellen bleiben vorläufig noch im Epithel- verbande liegen, um erst in der Blastula von einer der Makromeren abgeschnürt zu werden. Ich möchte auf diese Verhältnisse besonders hingewiesen haben, da Ähnliches auch bei Paludina auftritt. Bei 30 592 Cari Tönniges, dieser Form ist in der Furchung und selbst während der Gastrula- tion kein Mesoderm vorhanden, so dass hier die Entstehung dessel- ben auf einen noch späteren Zeitpunkt als bei Patella fällt. Wie ich gezeigt habe, entstehen bei ihr die Mesodermzellen kurz nach der Gastrula an einem beschränkten Orte der ventralen Ektoderm- wand. Dieser entspricht jedoch der Verschlussstelle des Blastoporus, so dass demnach auch für Paludina die Mesodermzellen am Über- sange der beiden Blätter entstehen. Der Bildungsherd der Meso- dermelemente, gleichviel ob Urmesodermzellen vorhanden sind oder nicht, ist die Übergangsstelle der beiden primären Keimblätter in einander (bei den Gastropoden). Bei dotterreichen Formen entstehen die Urmesodermzellen bereits sehr früh am Rande des Urmundes. Ist das Ei dotterarm, so verzögert sich zumeist die Bildung der Zellen. Wenn dieselben auftreten, so findet sich ihre Bildungs- stätte am Blastoporusrande, d. h. an der Verbindungsstelle des inneren und äußeren Blattes. Das gleiche Verhalten gilt, wie ge- sagt, ebenfalls für Paludina, nur findet in so fern eine Abwei- chung von dem gewöhnlichen Modus statt, als die Mesodermzellen dieser Form eine so innige Verwandtschaft mit dem Ektoderm auf- weisen, dass man sie direkt als Zellen dieses Blattes bezeichnen muss, während die Urmesodermzellen in näherer Verbindung mit dem Entoderm stehen. Bei unserer Form bleiben diejenigen Zellen, welche das mittlere Blatt zu liefern haben, immer im Ektoderm liegen, wo sie sich theilen und allmählich in die Furchungshöhle rücken. Dieses Verhalten der Mesodermelemente scheint nicht vereinzelt zu stehen, wie neuere Untersuchungen an Anneliden z. B. gezeigt haben. Bei Nereis verbleiben nach Wırsonx (32) Theile des späteren Mesoderms sehr lange im Verbande des Ektoderms, und es wird von derjenigen Makromere, welche später das Mesoderm liefert, zuvor die ganze Ventralwand der Trochophora gebildet. Es ist möglich, dass sich in einer gewissen Reihenfolge Zellen von den vier Makromeren abschnüren, welche dazu bestimmt sind, das Ektoderm zu liefern. Ebenfalls in einer gewissen Periode werden in derselben Weise einige Zellen gebildet, welche gegebenen Falles aus ihrer Lage herausrücken und in die Furchungshöhle treten. Tritt dieser Fall auf, so sprechen wir von Urmesodermzellen. Es scheint aber auch der entgegengesetzte Fall möglich zu sein. Die künftigen Mesodermzellen werden zwar in der Furchung gesetzmäßig abge- schnürt, bleiben aber, durch uns vorläufig unbekannte Einflüsse, mit Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 593 den- übrigen Ektodermzellen im Zusammenhang. Auf diese Weise werden Verhältnisse auftreten, wie wir sie bei Paludına gefunden haben. Da die Mesodermzellen von dem protoplasmatischen Theil der Makromeren abgeschnürt werden, so haben sie ein helleres Aus- sehen als diese. Sie könnten also wohl, entsprechend dieser Eigen- schaft, näher mit dem Ektoderm als mit. dem Entoderm verwandt sein. Ob nun die im Epithelverbande verbleibenden Zellen bei Palu- dina den Urmesodermzellen gleichzusetzen sind, und ob sie denselben Ursprung haben wie die letzteren, konnte nicht ermittelt werden, da die Eier zu klein und ungünstig sind, um das Schicksal der ein- zelnen Blastomeren verfolgen zu können. Es scheint jedoch von sroßer Wichtigkeit zu sein, bei dem Studium der Keimblätter nicht von der ausgebildeten Gastrula, sondern vom Ei auszugehen, wie Wırson, BERGH u. A. in ihren Arbeiten ausgeführt haben. Auf diese Weise kann vielleicht die Möglichkeit gegeben sein, das Dunkel zu lichten, welches über dem Ursprung des Mesoderms ruht. Kurz erwähnen will ich noch, dass bereits mehrfach ein ekto- dermaler Ursprung des Mesoderms bei den Gastropoden behauptet worden ist. SAarasın kann bei Bythimia keine Urmesodermzellen finden und lässt das Mesoderm durch Wucherungen des Ektoderms entstehen. Auch bei Fusus wird von BOBRETZKY das mittlere Blatt vom Ektoderm hergeleitet. Ähnlich verhalten sich nach FoL einige Gastropoden. Vor Allem muss dann die Arbeit SALENsKY’s über Vermetus hervorgehoben werden. Der Verfasser kommt nach einer Untersuchung von Schnittserien zu dem Resultat, dass das Mesoderm am Blastoporusrande aus Ektodermzellen entsteht. Am Schluss dieser Untersuchung sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Professor F. E. ScHULZE für die kasitrehe aus und mannigfaltige Förderung meiner Arbeit zu danken. Ebenfalls ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Professor E. KORSCHELT, damaligem ersten Assistenten des zoologischen Insti- tuts, für die vielfachen Rathschläge meinen aufrichtigsten Dank ‚auszusprechen. | Berlin, den 1. Mai 1893. 594 Carl Tönniges, Nachtrag. Seit dem Abschluss der vorstehenden Untersuchungen ist eine Reihe einschlägiger Arbeiten erschienen, welche ich mit einigen Worten meiner Litteratur beifügen möchte. Ich habe das Nachfolgende absichtlich nieht in meine Arbeit aufgenommen, da ich dieselbe so erhalten wollte, wie sie ursprüng- lich abgefasst wurde, ohne eine Umarbeitung vorzunehmen. Ich muss hinzufügen, dass die Kenntnis der frühen Gastropodenentwicklung seitdem schon wieder Fortschritte gemacht hat und dem entsprechend meine theoretischen Ausführungen hier und da eine Beeinflussung erfahren würden. Auch berühren die Ergebnisse der letzterschienenen Arbeiten weniger den Kern meiner Untersuchungen, da der Erklärungs- versuch meiner Resultate und ihre Zurückführung auf die anderen Modi der Gastropodenentwicklung nur theoretischen Werth bean- spruchen dürfen. | Keinem Forscher, welcher sich mit der Entwicklung von Palu- dina beschäftigte, war es möglich gewesen, trotz sorgfältigster Unter- suchung die typischen Urmesodermzellen der Mollusken im Verlauf der Furchung oder Gastrula nachzuweisen. Es wurde von allen Beobachtern mit großer Sicherheit festgestellt, dass keinerlei Zellen in der Furchungshöhle der Gastrula zu finden seien. Einige Zeit später liegen einige kleinere Mesodermzellen (keineswegs typische Urmesodermzellen) in der Furchungshöhle, und es tritt nun die Frage an uns heran, woher sie gekommen sind. | Ich gebe mich der Hoffnung hin, durch vorliegende Untersuchung die Frage beantwortet zu haben. Drei Möglichkeiten für die Entstehung des Mesoderms waren in unserem Falle vorhanden. Es konnte nach v. ERLANGER (6) ein ven- traler Cölomsack, ein Urdarmdivertikel, gebildet werden. Wir haben aus den vorliegenden Ausführungen ersehen, dass dieses nicht zu- trifft. Weiterhin lag die Möglichkeit vor, dass einzelne Mesoderm- zellen aus dem Entoderm auswanderten oder abgeschnürt wurden. Auch diese Annahme erwies sich als haltlos. Wir sahen, dass die Mesodermzellen aus der ventralen Ekto- dermwand des Trochophorastadiums auswanderten. Schritt für Schritt konnte die Bildung des Mesoderms verfolgt werden, wie man bei der Betrachtung der von mir gegebenen Abbildungen sieht. Dadurch, dass die Zellen an einer lokalisirten Stelle, nämlich an der Ver- Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 595 schlussstelle des Blastoporus entstanden, ließ sich eine Ver- sleichung und Annäherung mit den sonstigen Bildungsweisen des Mesoderms konstruiren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass bei den Gastropoden die Bildung der Hauptmasse des Mesoderms aus Urmesodermzellen, welche vom Entoderm stammen, erfolgt. Ich habe bereits in meiner Litteraturübersicht die Formen zusammengestellt, bei denen Urmeso- dermzellen sicher nachgewiesen worden waren. Neuerdings haben eingehende Untersuchungen von HEYMoNnS (40) bei Umbrella, KorFo1D (42 u. 43) bei Zimazx und schließlich Scnuipr (46) bei Succinea und Limaxz Urmesodermzellen festgestellt. Eine sehr eingehende und genaue Beschreibung der Furchung von Umbrella giebt uns HEymons (40). Derselbe konnte das Schick- sal der einzelnen Blastomeren noch verfolgen, nachdem bereits Sta- dien von 100 Zellen vorhanden waren. Speciell die Bildung der Urmesodermzellen konnte deutlich beobachtet werden und HEYMONS wies nach, dass sie wie bei Planorbis, Neritina, Crepidula ete. aus dem hinteren Makromer entstehen. Letzteres theilt sich und bildet eine Entoderm- und eine größere Mesodermzelle, welche in die Furchungshöhle rückt. Die Urmesodermzelle bildet durch Theilung zwei, aus denen durch fortgesetzte Vermehrung die beiden bilateral selagerten Mesodermstreifen entstehen. Crepidula scheint mit Umbrella, was die Furchung anbetrifft, sehr übereinzustimmen. COoNKLIN (34) publieirte im Zool. Anzeiger im März 1892 eine kürzere Mittheilung über die Furchung von Orepr- dula fornicata. In seiner Untersuchung stellte der Verfasser genau die Lage der Zellen fest. Er beobachtete. dass bereits im Ei, nach- dem es durch eine Querfurche in zwei Blastomeren getheilt worden war, die zukünftigen Körperachsen des Embryos zum Ausdruck kamen. Nachdem durch eine, auf der ersten senkrecht stehenden Furche der Keim in vier Blastomeren zerfallen war, war auch bereits der Ursprung des Mesoderms fixirt. Das linke hintere Makromer enthält neben Ektoderm und Entoderm auch die zukünftigen Urmeso- dermzellen. Innerhalb dreier Theilungen schnürt sich das gesammte Ektoderm in Gestalt von Mikromeren von den Makromeren ab. Aus dem übrigbleibenden Theil der letzteren bildet sich das Entoderm. Ebenfalls konnte KoFoID (42 u. 43) in einer größeren Untersuchung über die Entwicklung von Zimaz nachweisen, dass auch hier in der Bildung des Mesoderms derselbe Typus auftrat, wie er von HEYMoNnSs, CoNKLIn und Anderen beschrieben worden war. Von einer der hin- 596 Carl Tönniges, teren großen Makromeren entstand eine Urmesodermzelle, welche sich durch Theilung zu Mesodermstreifen entwickelte. Der Verfasser erwähnt jedoch, dass es ihm nicht möglich ge- wesen sei, festzustellen, ob nicht doch einzelne Mesodermelemente im Verlauf der Entwicklung von dem äußeren Blatte entweder durch Auswanderung oder durch Theilung geliefert würden. Zu ähnlichem Resultate kommt ScHamiprt (46) bei derselben Form, indem er zwei Urmesodermzellen bei Succinea beschreibt, welche am vegetativen Pol in die Furchungshöhle rücken. Den Ursprung der Zellen konnte SCHMIDT nicht feststellen. Der Verfasser bemerkte bei dieser Form, dass keine Mesodermstreifen zur Ausbildung zelangten, sondern die Zellen zerstreut in der Furchungshöhle lagen. Einige interessante Resultate wurden neuerdings von CRAMPTON (35) bei zwei Süßwasserpulmonaten, Physa heterostropha und Lim- naea columella, gefunden. Physa besitzt eine linksgewundene Schale, während Zimnaea rechtsgewunden ist. Während nun Zimnaea, wie die übrigen untersuchten Formen mit rechtsgewundener Schale, ihre Mikromeren nach rechts abschnürt, wie überhaupt der ganze Verlauf der Furchung eine Rechtsdrehung aufweist, tritt bei PAysa, welche eine linksgewundene Schale besitzt, der umgekehrte Modus in der Furchung auf. Alle Blastomeren zeigen eine ausgesprochene Drehung nach links. Den Ursprung des Mesoderms hat der Verfasser leider noch nicht verfolgt, so dass wir weitere Mittheilungen abwarten müssen. Wür- den jedoch auch hier Urmesodermzellen aufgefunden werden, so würde möglicherweise ihre Abschnürung auch in entgegengesetzter Riehtung stattfinden, wie bei allen übrigen bekannten Formen. Ohne Zweifel haben wir auch bei Siphonaria, welche neuerdings von Fuyıra (37) auf ihre Furchung hin untersucht wurde, ähnliche Verhältnisse wie bei den vorstehend beschriebenen Formen. Das Mesoderm entsteht, wie gewöhnlich, aus dem hinteren, größeren Makromer. Es ist indessen sehr interessant, dass noch ein Theil des Mesoderms aus Mikromeren der vierten Generation gebildet wird. Nach diesen Ergebnissen war es nicht wunderbar, dass der Ur- sprung des Mesoderms allein auf die so häufig auftretenden Urmeso- dermzellen zurückgeführt und nachdrücklich von jeher die Ansicht zurückgewiesen worden war, dass Ektodermzellen aus ihrem Epithel- verbande in die primäre Leibeshöhle rücken könnten, um dort zu Mesodermzellen zu werden. AR Die Angaben betreffs dieses letzteren Punktes haben sich jedoch Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 597 in neuerer Zeit so stark vermehrt, dass sie nicht mehr ignorirt werden können. Ich habe bereits in meiner Litteraturübersicht die Fälle zu- sammengestellt, in denen eine ektodermale Entstehung des mittleren Blattes mehr oder weniger sicher behauptet worden war. In jener Zeit hätten sie nicht die Beachtung gefunden und den Werth ge- habt wie heute, nachdem die speciellen Arbeiten Wıuson’s (31), Litvıe’s (45) ete. der Öffentlichkeit übergeben worden sind. In meiner Arbeit habe ich SarAsıIn (Dythinia), BOBRETZKY (Fusus), For (einige Gastropoden) und SALENSKY (Vermetus) als Vertreter der Auffassung von der ektodermalen Entstehung des Mesoderms ge- nannt. Ich hatte mich auf die Gastropoden beschränkt. LiruıE (45) führt jedoch in seiner speciellen Arbeit noch Fälle aus anderen Gruppen an, und ich will es mir nicht versagen, sie an dieser Stelle ebenfalls kurz zu erwähnen. Verfasser erwähnt, dass die Beobachtungen SarAsın’s wie ForL’s durchaus nicht ganz zu verwerfen seien, obgleich sowohl bei Bythr- nia von V. ERLANGER (7), wie bei Clone von KnIpowıtschH (13) und bei Planorbis von RaBL (24) Urmesodermzellen beobachtet seien. Bei Cyelas sollen nach ZIEGLER (32) möglicherweise an be- stimmten Stellen des Ektoderms Mesenchymzellen in die primäre Furcehungshöhle einwandern. STAUFFACHER (47) wagt dasselbe eben- falls bei Oyclas, wenn auch nur schüchtern anzudeuten, obgleich auf seiner Abbildung Fig. 32 das Auswandern einer Ektodermzelle deut- lich gezeichnet ist. Wir wissen aus den früheren Arbeiten von KLEINENBERG (41) und Wırson (31), dass Ersterer bei Lopadorhynchus, Letzterer bei Nereis die Betheiligung von Ektodermzellen zur Bildung mesodermaler Organe aufgestellt hat. Fernerhin lenkt der Verfasser die Aufmerk- samkeit der Leser auf GoETTE’s Figuren über Anodonta (38), in deren primärer Leibeshöhle Mesenchymzellen liegen, welche LiLLIE vom Ektoderm entstanden denkt. Ebenfalls hatte bereits früher LANKESTER für das Pilidium eine Betheiligung von Ektodermzellen für den Aufbau mesodermaler Organe in Anspruch genommen. Speeiell bei Uno (LILLIE, 45) schnürt sich auf dem 32zelligen Stadium eine große Mesodermzelle von dem hinteren Makromer ab. Diese lässt im Verlauf der Furchung die Mesodermstreifen entstehen. Es ist nun von Interesse, dass nicht das ganze mittlere Blatt 598 Carl Tönniges, aus diesen Mesodermstreifen hervorgeht, sondern mesodermale Ge- bilde der Larvenperiode, wie z. B. die Strangzellen der Autoren, welche allseitig die primäre Leibeshöhle durchziehen, aus einge- wanderten Ektodermzellen gebildet werden. LILLIE nennt dieses Mesenchym im Gegensatz zu den echten Mesodermstreifen »larvales Mesoderm«. Ähnliche Verhältnisse wurden bei Paludina von mir vorgefun- den, ohne dass es jedoch möglich war, Mesodermstreifen, entstanden aus Urmesodermzellen, nachzuweisen. Ich muss nun zum Schluss noch auf eine kleinere Mittheilung, welche nochmals die Mesodermfrage bei Paludina vivipara, der von mir untersuchten Form, behandelt, etwas genauer eingehen. Im Morphol. Jahrb., XXI. Bd. 1894, p. 113—118 (36) findet sich eine Notiz v. ERLANGER's über die Bildung des Mesoderms bei Palu- dina vivipara, welche v. ERLANGER bereits im Jahre 1891 in einer srößeren Arbeit behandelt hatte. Der Verfasser hält hierin auf Grund beigegebener Photogramme seine in vorliegender Abhandlung wider- legte Behauptung über das Vorkommen von Cölomsäcken bei Palu- dina aufrecht, nachdem in dem Lehrbuch der vergleichenden Ent- wicklungsgeschichte von KORSCHELT und HEIDER Zweifel über die Richtigkeit der früheren Befunde v. ERLANGER's geäußert worden waren. Überbliekt man die der Schrift beigegebene Tafel V, so ist er- sichtlich, dass die Photogramme nicht zur Stützung der Befunde v. ERLANGER’s dienen können. Betrachten wir kurz die gegebenen vier Photogramme, so be- merken wir, dass dasjenige in Fig. 1 nahezu vollständig der Zeichnung entspricht, welche rechts daneben nochmals gegeben wurde, obwohl auch diese Abbildung nicht als eine den Schnitt genau erläuternde Zeichnung anzusehen ist, da Zahl und Größe der Zellen (z. B. auf der linken Seite der Figur) in Zeichnung und Photogramm nicht entsprechend sind. Dieses Bild stellt eine ältere Gastrula dar und beweist, dass keine Mesodermzellen in der Furchungshöhle zu finden sind. Solche kommen, wie ebenfalls aus meinen Abbildungen zu ersehen ist, thatsächlich nicht vor. Da auf diesem jungen Stadium die Bildung eines Cöloms noch nicht vor sich gehen kann, weil überhaupt keine Mesodermzellen vorhanden sind, so würde dieser Schnitt für unsere Betrachtung nicht ganz von derselben Bedeutung sein, wie die nachfolgenden. Was die Brauchbarkeit der Abbildung anbelangt, so ist sie die einzige. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 599 auf welcher Zellgrenzen und Zellkerne gut wiedergegeben sind, sonst dient sie nur dazu, um den weniger guten Erhaltungszustand der in den übrigen Figuren dargestellten Schnitte deutlich zu machen. Die nächste Abbildung (Fig. 2) giebt uns ein nicht besonders gut ausgeführtes Photogramm mit verwaschenen Kernen und Zell- srenzen wieder, so dass sich unwillkürlich der Gedanke aufdrängt, man habe es mit minderwerthig erhaltenem Material zu thun. v. Er- LANGER bezeichnet dieses als sein »allerwichtigstes Stadium«. Es ist mir beim besten Willen nicht möglich, das aus dem Schnitt her- auszulesen, was der Verfasser hineinlegt. Speciell an einer sehr wiehtigen Stelle des Präparates, am Übergange des Urdarmes in das Cölom, sind die Zellen undeutlich, so dass sie das Aussehen von Plasmamassen annehmen. an denen eine Zellenstruktur nicht zu unterscheiden ist. In der Zeiehnung freilich findet sich das Fehlende ergänzt; ein Vergleich derselben mit dem Photogramm ergiebt, dass sie diesem noch weniger entspricht, als es bei der vorigen Figur der : Fall war. Nebenbei bemerke ich, dass ich nach meinen Erfahrungen den vermeintlichen Cölomsack für eine Anhäufung von Mesenchym- zellen und das betreffende Stadium für älter halten muss, als v. ERLANGER es thut. Aus diesen Gründen vermag ich dem Stadium die Beweiskraft nicht zuzuerkennen, welche ihm von v. ERLANGER beigelegt worden ist. Ich möchte glauben, dass Jeder, welcher die Abbildung objektiv betrachtet, mir beipflichten wird. Wie v. ER- LANGER das Stadium zu deuten wusste, lehrt die beigegebene sche- matisirte Figur. Die nächste Figur (Fig. 3) stellt einen Querschnitt durch die Mitte eines Eies dar. Der Cölomsack soll sich bereits vom Urdarm abgeschnürt haben. Die Abbildung (Photogramm) ist jedoch noch weit unklarer als Fig. 2, so dass es unmöglich ist, auch nur das Geringste mit einiger Sicherheit daraus zu erkennen. Ich kann nicht recht verstehen, wie der Verfasser die dabeistehende Figur aus dem Photogramm herauskonstruirt hat. Wir können bei dieser Abbildung nicht mit Sicherheit entschei- den, wie der Schnitt geführt worden ist. Die ganze Form des Keimes, die Lage der Velarzellen, das Verhalten der übrigen Zellen scheint beinahe mehr dafür zu sprechen, dass wir hier eher einen Längsschnitt als einen Querschnitt vor uns haben. Eigenthümlich ist auf diesem Stadium das Verhalten des Mesoderms. Es soll als Cölomsack abgeschnürt sein. Es ist nun möglich, ein paar unregel- mäßige Zellhaufen neben dem Entoderm zu bemerken, dass diese 600 Carl Tönniges, aber einen abgeschnürten Cölomsack vorstellen, kann man gewiss nicht sagen. In welcher Weise der betreffende Schnitt durch die Zeichnung ergänzt wurde, eine Art und Weise, die meines Erachtens nicht erlaubt ist, lässt sich durch eine Vergleichung von Zeichnung und Photogramm wieder ohne Weiteres erkennen, und ich halte es nicht für nöthig, auf die Differenzen beider im Speciellen einzu- gehen. Die zuletzt beschriebenen beiden Stadien werden von v. ErR- LANGER als beweisend angesehen. Ob sie es sind, überlasse ich dem Urtheil der Fachgenossen. Das letzte Stadium (Fig. 4) ist von geringerer Me für die Streitfrage des Mesodermursprunges. Ich will jedoch trotzdem ein paar Worte darüber sagen. Es stellt ein älteres Stadium der Ent- wicklung im Frontalschnitt dar und soll beweisen, dass wir ganz »deutlich« ein parietales und viscerales Cölomblatt unterscheiden können. Ich habe mich vergeblich bemüht, eine Andeuiis der beiden Blätter in dem betreffenden Photogramm zu finden. Im Schema, welches der Verfasser zur Erläuterung rechts daneben zeichnet, ist das Cölom vorhanden, aber im Photogramm fehlt es. Ich sehe beim besten Willen immer nur zwischen Ektoderm und Entoderm dieses Stadiums eine (mesodermale) Zellenschicht und kann keine Andeutung einer zweiten auffinden. Fernerhin konstatirt der Verfasser nach noch- maliger genauer Durchsicht seiner Präparate nachträglich auf dem zuletzt erwähnten Stadium zwei Zellen, in der Nähe des Blastoporus in der Furchungshöhle liegend, welche er für Urmesodermzellen an- spricht, so dass also nicht nur durch einen Urdarmdivertikel, sondern auch durch Urmesodermzellen das Mesoderm gebildet würde. Ich habe genau festgestellt, dass die erwähnten beiden hellen Zellen, welche niemals vollständig frei in der Furchungshöhle liegen, sondern im Epithelverbande verbleiben, keine Elemente zur Bildung des mittleren Blattes liefern, sondern höchst wahrscheinlich als sog. »Analzellen« anzusprechen nd Sie sind auf meinen Abbildungen deutlich zu erkennen. Es genügt mir, feststellen zu können, dass auch in der ange-- führten Publikation v. ERLANGER's die Theorie des Cölomsackes nicht die geringste Stütze gefunden hat, sondern durch die Wiedergabe ungenügender Präparate in Photogrammen noch hinfälliger ge- funden ist. Wie die Bildung des Mesoderms vor sich geht, und wie der Schluss des Blastoporus zu Stande kommt, ist aus meiner Untersuchung Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 601 zu ersehen, so dass ich an dieser Stelle nicht nochmals darauf einzu- gehen brauche. | Hervorheben möchte ich hier nochmals, dass ich die Unter- suchungen über den Ursprung des Mesoderms bei Paludina bereits vor drei Jahren abgeschlossen hatte, jedoch bis heute zur Kontrolle - fortgeführt habe, ohne dass es mir gelungen wäre, auch nur im Seringsten meine Ansicht über das Gewonnene ändern zu können. Ich verfügte während dieser Zeit über eine bedeutende Zahl von Furchungsstadien wie älteren Embryonen, so dass ich den wohlge- meinten Rath v. ERLANGER’S, »TÖNNIGEs hätte bei der Gastrulation beginnen und sich alle Stadien bis zur Auflösung des Cölomsackes in Spindelzellen in möglichst großer Anzahl verschaffen sollen«, bereits lange Zeit vorher befolgt hatte, ehe er gegeben wurde. Ich habe nicht nur mit der Gastrulation begonnen, sondern habe mich auch in eingehender Weise mit der Furchung beschäftigt. Ferner- hin habe ich eine große Anzahl von Schnittserien hergestellt, so dass auch nach dieser Seite hin meine Untersuchungen auf sicherer Basis ruhen. Marburg i. Hessen, den 20. Februar 1896. Litteraturverzeichnis, 1. F. BLocHmann, Über die Entwicklung von Neritina Aluviatilis Müll. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 1881. 2. F. BLOCHMANNn, Beiträge zur Erkenntnis der Entwicklung der Gastropoden. Diese Zeitschr. Bd. XXXVIIL 1883. 3. N. BOBRETZKY, Studien über die embryonale Entwicklung der Gastropoden. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XIII. 1877. 4. 0. BürscHuı, Entwicklungsgeschichtliche Beiträge. Über Paludina vivipara. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 1877. 5. E. G. ConkLın, Preliminary Note on the Embryology of Crepidula forni- cata and Urosalpinx cinerea. John Hopk. Univ. Cire. Vol. X. 1891. 6. R. v. ERLANGER, Zur Entwicklung von Paludina vivipara. I. Theil. Morph. Jahrb. v. 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Animil.P, animaler Pol; Oe, Ösophagealeinstülpung;; an, After; Os, Mund; blp, Blastoporus; P, Perikard (? linker, ?’ rechter Ab- D, Darm; schnitt); dors, dorsal; RR, Radulasack; E, Enddarm; Schd, Schalendrüse; F, Furchungshöhle; Scha, Schale; Fu, Fuß; Sept, Septum; L, Leber; Sf, Schalenfalz; M, Magen; vegt.Pol, vegetativer Pol; Mf, Mantelfalte oder Mantelwulst; vent, ventral; ms, Mesoderm; V, Velum. 604 Carl Tönniges, Die Abbildungen sind mit dem App£’schen Zeichenapparat gezeichnet. Die Fig. 1—14 sind bei Zeıss 1/18 Immersion in Verbindung mit Ocular I an- gefertigt. Den übrigen Abbildungen sind die Vergrößerungen beigefügt; zu- meist wurde für dieselben die Vergrößerung F und Ocular I gebraucht. Tafel XXV. Fig. 1. Längsschnitt durch eine Blastula ımit geringer, excentrisch gelager- ter Furchungshöhle. Fig. 2. Längsschnitt durch eine ältere Blastula, deren abgeplatteter vege- tativer Po! die beginnende Invagination anzeigt. Fig. 3. Längsschnitt durch eine junge Gastrula mit geringer Tiefe des Urdarmes. Fig. 4 Längsschnitt durch eine etwas ältere Gastrula. Fig. 5. Etwas weiter entwickelte Gastrula mit verengtem Blastoporus. Fig. 6. Vollendete Gastrula ohne Mesoderm, bei welcher der Urmund seine größte Enge erreicht hat (Längsschnitt). Fig. 7. Sagittaler Längsschnitt durch einen jungen Embryo, bei welchem das Mesoderm in Entstehung begriffen ist. Der Blastoporus ist geschlossen. Fig. 8. Zweiter sagittaler Schnitt durch dasselbe Stadium. Fig. 9. Sagittaler Längsschnitt eines Embryos, welcher auf ungefähr derselben Entwicklungsstufe steht wie der der Fig. und $S. Alle drei Schnitte demonstriren die erste Entstehung des Mesoderms durch Auswanderung von Ektodermzellen (ms). Fig. 10. Sagittaler Schnitt durch ein etwas älteres Stadium mit vermehr- ter Zelleinwanderung. / Fig. 11. Abermals ein sagittaler Längsschnitt mit verstärkter Mesoderm- bildung in die etwas erweiterte Furchungshöhle. Der präorale Wimperkranz ist aufgetreten (7). Fig. 12. Sagittaler Längsschnitt {dieselbe Serie). Fig. 13. Abbildung eines Stadiums, in welchem die Zellauswanderung ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Anlage der Schalendrüse macht sich als Verdickung der dorsalen Ektodermwand bemerkbar (sagittaler Längsschnitt). Fig. 14. Dasselbe Stadium mit neu gebildeter Afteröffnung. Fig. 15. Sagittaler Längsschnitt durch einen Embryo, bei welchem die ventrale Mesodermschicht ausgebildet ist und nur noch vereinzelt Ektoderm- zellen in die primäre Leibeshöhle treten. Vergr. 540. Tafel XXVI. Fig. 16. Sagittaler Längsschnitt durch das Trochophorastadium von Palu- dina. Das Stomodaeum (Oe) beginnt sich zu- bilden. Die Schalendrüse hat sich etwas eingesenkt. Die ventrale Mesodermmasse hat sich aufgelöst. Ver- srößerung 405. I Fig. 17. Etwas älteres Stadium /Trochophora). Der Fuß (Fu) beginnt sich vorzuwölben. Vergr. 405. : Fig. 15. Frontalschnitt durch das Stadium Fig. 17, um die vollständige Auflösung der ventralen Mesodermschicht zu zeigen. Vergr. 540. Fig. 19. Querschnitt durch das Hinterende eines Embryo, welcher etwas Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. 605 älter als derjenige auf Fig. 17 ist. Die Schalendrüse ist getroffen, sie enthält in ihrem ausgeschiedenen Conchiolin den erwähnten Chitinpfropf. Zu beiden Seiten des Darmes an der Ventralläche des Embryos sind zwei Mesoderm- anhäufungen (P und ?’) aufgetreten. Aus ihnen bilden sich die beiden Peri- kardialbläschen. Vergr. 405. Fig. 20. Querschnitt durch ein etwas älteres Stadium. In den beiden Anhäufungen sind Hohlräume aufgetreten. Vergr. 405. Fig. 21. Querschnitt durch ein späteres Stadium. Die Schale beginnt sich zu bilden. Die beiden Perikardialbläschen sind zusammengerückt und bilden durch Aneinanderlegen zweier Wände das Septum (Sept. Vergr. 405. Fig. 22. Längsschnitt (sagittal) durch dasselbe Stadium. Vergr. 145. Fig. 23. Querschnitt durch ein älteres Stadium. Das Septum hat sich aufgelöst, und es ist ein einheitlicher Perikardialraum vorhanden. Vergr. 355 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 40 Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemeinen. Von Prof. Dr. Josef Schaffer in Wien. Mit Tafel XXVII—XXIX. Inhalt. ER 1. Morphologie des Kiemenskelettes von Ammocoetes. . ........ 606 2. Der feinere Bau des Knorpelgewebes von Ammocoetes. ....... 617 A.:Der.hyaline Skelettknorpel . .... er See 618 a:.Die Schädelknorpel. -... .. ......... 22. Eee 620 b. Die Kiemenknorpel.. .:. . 0. 2.2 22.0 2 Ser ee 626 B: Der :Schleimknorpel.. . - .. ».-.. 0... 2% spe 632 3. Die Umwandlung des Skelettes von Ammocoetes in das Skelett von Petromyzon nat ee a N Ne pe 644 a. Die Schicksale des Schleimknorpels. 27.20 rs 645 b. Die Neubildung von Knorpelgewebe im straffen, fibrösen Binde- gewebe rn... 2 ee eo ee ee 619 e. Die Entstehung der oberen Bogenstücke im epi- und para- chordalen Fettgewebe... =... 22.02 we Pe 650 1. Morphologie des Kiemenskelettes von Ammocoetes. Das knorpelige Skelett der Cyclostomen ist so oft beschrieben worden, dass es überflüssig erscheinen könnte, dasselbe einer neuer- lichen Untersuehung zu unterziehen. Eine eingehende Beschäftigung mit der Erforschung des feineren Baues von Ammocoetes, die andere Ziele verfolgte, hat mich jedoch zur Überzeugung geführt, dass sämmtliche Schilderungen, welche über das Kiemenskelett dieses Thieres vorliegen, in irgend einem Punkte mangel- oder fehlerhaft sind, so dass eine neuerliche. Be- schreibung dieser merkwürdigen und den Cyelostomen speeifischen N Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 607 Organisation nicht ohne Interesse sein dürfte. Auch haben sich dabei einige Thatsachen von allgemein histologischer Bedeutung er- seben, welche gleichzeitig bekannt gemacht werden sollen. So einfach sich der Aufbau des Schädelskelettes der COyelo- stomen gestaltet, so verwickelt ist der des Kiemenkorbes, obwohl hier die Larve von Petromyzon viel einfachere Verhältnisse bietet, wie das fertige Geschlechtsthier. Aber gerade dieser relativen Einfachheit wegen müssen wir nach einer möglichst vollkommenen Erkenntnis trachten, obgleich ich den Verhältnissen des Kiemenskelettes bei den Oyclostomen als Grundlage einer vergleichenden Betrachtung des Kiemenskelettes der höheren Wirbelthiere nicht jene Bedeutung beimesse, wie es von manchen Seiten geschehen ist; denn bei den Oyclostomen handelt es sich, wie FÜRBRINGER! mit Recht betont hat, um Verhältnisse, welche durch sekundäre Anpassung, — deren formbestimmender Ein- fluss kaum anderswo so deutlich zu Tage tritt, wie bei dieser Thier- klasse — so sehr verändert und verwischt sind, dass wir den ursprünglichen Grundplan kaum mehr ahnen können. Ich habe die Form des Kiemenkorbes durch die anatomische Präparation mit Schere und Pincette darzustellen versucht, und zwar eisnen sich dazu vorzüglich in MÜLLEr’scher Flüssigkeit erhärtete Objekte. Die Mürter’sche Flüssigkeit erhält die Knorpel elastisch und biegsam, in ihren natürlichen Krümmungsverhältnissen und auch ihre Farbe an längere Zeit in Wasser liegenden Stücken so weiß, dass die feinsten Knorpelspangen sich deutlich von der tiefgebräunten Muskulatur abheben; dabei erscheint letztere so brüchig, dass sie sich leicht entfernen lässt. Schwierigkeiten bieten nur die fibrösen Texturen, doch gelingt es bei einiger Vorsicht auch diese ohne Schaden für das Knorpelgerüst zu entfernen. Diese Art der Präparation bietet gegenüber den Macerationsmetho- den in Salpetersäure (LANGERHANS), kochendem Eisessig (SCHNEIDER) u. A. bei der Zartheit vieler Knorpeltheile bei Ammocoetes große Vortheile und entsprechen die mittels derselben vom Kiemenkorb gewonnenen Bilder in der That vollkommen der Wirklichkeit, wie man sich durch die direkte Beobachtung am lebenden Thier, anderer- seits durch das Studium von Schnittserien überzeugen kann. Die Beobachtung mittelgroßer, S—12 em langer Larven des ! Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Muskulatur des Kopf- skelettes der Cyclostomen. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. IX. 1875. 40* 608 Josef Schaffer, kleinen Neunauges, welehe man in einem durchsiehtigen Glase in Wasser hält, gestattet überhaupt eine ganze Reihe von Thatsachen anatomischer und physiologischer Natur festzustellen, auf die ich diesmal nicht näher eingehen will; ich erwähne nur, dass die Haut der Thiere so durchsichtig ist, dass die unter derselben gelegenen Augen sehr gut als dunkel pigmentirte Flecke wahrgenommen wer- den können. Bei der ziemlich vollkommen entwickelten Retina dieses Auges ist es daher sehr wahrscheinlich, dass die Thiere, trotz der tiefen Lage des Auges Lichtempfindung besitzen, wofür auch ihre beständige Unruhe und das Bestreben, zu entfliehen oder einen dunklen Ort aufzusuchen, sprechen, wenn sie grell beleuchtet werden!. Durch die Haut sieht man aber auch nahezu das ganze Kiemengerüst, mit Ausnahme der dorsalsten Partien desselben vollkommen deutlich und kann man so ein Verhältnis desselben nachweisen, welches bisher allen Beobachtern entgangen ist. Mit der Lupe kann man auch die einzelnen Bündel der Kiemenkorbmuskulatur und ihren Verlauf wahrnehmen. Die dorsale Körpermuskulatur jedoch ist zu diek und verhindert durch die dachziegelartige Anordnung der fibrö- sen Myosepten die Wahrnehmung der unmittelbar unter der Chorda selegenen Theile; hier musste zur Kontrolle der anatomischen Präpa- rate die Rekonstruktion von Quer-, Frontal- und Sagittalschnittserien zu Hilfe genommen werden. Entfernt man die Haut und die ventrale Körpermuskulatur, was leicht gelingt, so bekommt man ohne viele weitere Präparation die ventrale Hälfte des Kiemenkorbes bis zum ventralen Rande der äußeren Kiemenrinne zur Ansicht, wie ich sie in Fig. 3 (von der Seite) und Fig. 2 von unten her dargestellt habe. Die betreffende Larve maß beiläufig 15 cm, der unversehrte Schädel ist in Fig. 1 in natürlicher Größe dargestellt. Gewöhnlich wird in der Beschreibung des Kiemenkorbes von sieben Knorpelquerstäben, die durch vier längsverlaufende mehr oder minder vollständig verbunden erscheinen, gesprochen; der Einfach- heit wegen behalte ich diese Vorstellung zunächst bei und bezeichne ich die vier Längsstäbe ihrer Lage nach als ventralen, hypo- 1 Denselben Grund für ein »unzweifelhaft« vorhandenes Lichtempfindungs- vermögen bei Myxine führt W. Krause an (Die Retina. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Hist. Bd. III, 1886, p. 19). — An Querdern, die im Dunkeln voll- kommen ruhig lagen, konnte ich wiederholt beobachten, dass sie vor plötzlicher Beleuchtung, z. B. durch ein brennendes Streichholz, zurückwichen, wie vor einem unangenehmen Reiz. | Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 609 tremalen, epitremalen und subchordalen, um die schwerfälli- sen Bezeichnungen mittlerer oberer und mittlerer unterer Längsstab zu vermeiden. In Wirklichkeit entspricht eine solche Auffassung nicht vollkommen den thatsächlichen Verhältnissen, sie erleichtert jedoch immerhin die Beschreibung. Betrachten wir den Kiemenkorb zunächst von der Bauchfläche aus, so sehen wir (Fig. 2) die ventralen Längsstäbe (VZS) zu beiden Seiten der ventralen Mittellinie gelegen; sie besitzen entsprechend dem II. bis VII. Kiemensacke sechs mit ihren Konvexitäten ein- ander zugekehrte Krümmungen, deren lateraler Rand den Konstrik- toren des Kiemenkorbes theilweise zum Ansatze dient. Während diese Bogen der ventralen Längsstäbe unter dem V., VI. und VII. Kiemensacke mit ihren Konvexitäten auf kurze Strecke mit ein- ander verwachsen, weichen sie vom V. Kiemensacke an rostrad immer weiter aus einander zur Aufnahme des hier sich vorwölben- den mächtigen Körpers der Thyreoidea (Tr). . Diese Verwachsung der beiden ventralen Längsstäbe (Fig. 2 VLS,—VLS,) kann man bereitsan der lebenden Larve wahrnehmen, und trotzdem wurde dieselbe bisher von sämmtlichen Beobachtern übersehen. | RATHRE! stellt Taf. III, Fig. 15 wohl das Auseinanderweichen der ventralen Längsstäbe zur Aufnahme der Thyreoidea, deren Be- deutung er jedoch noch nicht kannte, dar, lässt aber dieselben voll- kommen getrennt verlaufen. Auch ScHnEiver? beschreibt die beiden Hälften des Kiemenkorbes am Bauche als getrennt; »am fünften und sechsten Kiemenloch berühren sie sich ..... weiter nach vorn ent- fernen sie sich aber immer noch mehr«. Dieselbe Darstellung giebt BuJor’, während nach PARKER! die ventralen Längsstäbe aus einer Reihe kurzer Bogen gebildet erscheinen, die in der ganzen Aus- dehnung der Bauchlinie, also auch im Bereich der Thyreoidea sich ihre Konvexitäten fast bis zur Berührung genähert zukehren (vgl. seine Fig. 9 auf Taf. XXV). ! Bemerkungen über den inneren Bau des Querders und des kleinen Fluss- neunauges. Neueste Schriften d. naturf. Ges. in Danzig. Bd. II, 2. Hft. 1827. > Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbeithiere. Berlin 1879. 3 Contribution a l’&tude de la metamorphose de ’Ammocoetes branchialis en Petromyzon Planeri. These de Geneve. Extrait de la Revue biologique du Nord de la France. T. III. 1891. * On the Skeleton of the Marsipobranch Fishes. Philosoph. Trans. 1883. 610 Josef Schaffer, Dass es sich an den angegebenen Stellen in der That um eine vollständige und echte Verwachsung der beiden Knorpelhälften handelt, kann man am besten an Frontal- oder Querschnitten sehen. Ich halte es für nöthig, dies zu betonen, da SCHNEIDER an einer Stelle (l. e. p. 56) bemerkt, die beiden Hälften des Kiemenkorbes seien durch Schleimknorpel verbunden. In Fig. 5 ist eine solche Verwachsungsstelle im Frontalschnitt dargestellt; ein stärkerer Knorpelgrundsubstanzbalken zeigt die mediane Verwachsungsstelle an und beweist auch, dass diese Verwachsung eine sekundäre ist'. Die tritt jedoch ziemlich früh, bereits bei Larven von 3 em Länge, mög- licherweise auch schon früher auf. Die Bedeutung derselben ist wohl in der erhöhten Festigkeit und Widerstandsfähigkeit zu suchen, welche eine solche Verbindung gegen Druck von außen gewährt. Die rostralen Enden der ventralen Längsstäbe setzen sich, in schönen Bogen nach außen, aufwärts und vorwärts ziehend, in den ersten Querstab fort, welcher in seiner ventralen Hälfte eine kopt- wärts gerichtete Krümmung zeigt (Fig. 3 bei 7), über welcher dann eine noch stärkere, zweite folgt (Fig. 3 VS), die den ersten, äußeren Kiemensackausführungsgang kopfwärts ee Die dorsale Hälfte des ersten Querstabes zeigt ebenfalls wieder eine kleinere, kopfwärts gerichtete Krümmung, über welcher derselbe bald die Chorda er- reicht, um zu beiden Seiten derselben in eine sagittale Richtung kopfwärts umzubiegen (Fig. 4 SZsS’). So zeigt der erste Querstab, welcher zugleich der längste ist, in einem kontinuirlichen Zuge emporziehend drei kopfwärts ge- richtete Krümmungen, wovon die mächtigste mittlere sich zugleich 1 Bei M. S. SCcHULTZE (Die Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Pla- neri. Gekrönte en Haarlem 1856, p. 29) findet sich eine Stelle, welche möglicherweise so gedeutet werden könnte, als ob er die ventrale Verwachsung bereits gesehen hätte. Er sagt bei der Erörterung nach der Natur der Drüse, die wir heute als Thyreoidea bezeichnen: »Das Kiemenkorbskelett schließt sich später an der Bauchseite unter dieser Drüse, so dass diese uch von den Knorpelstäbehen umhüllt liegt.« Durch die beschriebene Art der Verwachsung der ventralen Längsstäbe entstehen in der Bauchlinie zwei hinter einander gelegene rhombische, von Knorpel begrenzte Räume (vgl. Fig. 2), über welchen an Larven, die in Alko- hol gehärtet wurden, die Haut in Form zweier seichter Gruben einsinkt. Diese Gruben finden sich bereits bei KArnscHe (Beiträge zur Kenntnis der Metamor- phose des Ammocoetes branchialis in Petromyzon. Zool. Beitr. v. SCHNEIDER, 3d. II, 1890, Taf. XVIIL, Fig. 1) abgebildet, ohne dass er den Grund dieser Erscheinung weiter verfolgt hätte. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 611 mit ihrer Konvexität lateralwärts ausbiegt, um sich so dem seitlich vorgewölbten ersten Kiemensacke (Fig. 3 /) anzuschmiegen. RATHKE lässt von den zwei kleineren Krümmungen des ersten Querstabes ausgehend noch einen kopfwärts gekrümmten Knorpel- bogen, parallel und vor der mittleren Krümmung verlaufen, der also gleichsam einen achten, d. h. den ersten Querstab vorstellen würde!. Die Beobachtung ist in so fern richtig, als in der That der erste Kiemensack an seiner rostralen Grenze von einem verdickten knorpel- artigen Streifen (Fig. 4 V) umzogen wird, jedoch ist dies, wie NEST- LER? richtig bemerkt, nicht hyaliner Kiemenknorpel, gleich den übrigen Querstäben, sondern der caudale, verdickte Rand einer Platte aus »Schleimknorpel<, einem Gewebe, das zuerst SCHNEIDER be- schrieben hat und worauf ich noch zurückkomme. Die übrigen Querstäbe der ventralen Hälfte des Kiemenkorbes ziehen an der Grenze je zweier Kiemensäcke stets von dem Punkte, wo sich zwei Bogenstücke der ventralen Längsstäbe treffen, an der rechten Körperseite als $-förmig, an der linken als verkehrt S-förmig gekrümmte Stäbe empor, um an den ventralen Rand der äußeren Kiemenrinne angelangt in einer Flucht in einen im Ganzen sagittal gerichteten, immer dünner werdenden Knorpelbogen überzu- sehen (Fig. 3 ZLS), dessen dünne Spitze den nächst vorderen Quer- stab erreicht und sich mit ihm verbindet. Diese dünnen, sagittalen Bogenstücke bilden in ihrer Gesammt- heit den hypotremalen Längsstab, der demnach kein selbständiges Gebilde darstellt. RATHKE übersah die Verbindung der rostralen Spitzen dieser hypotremalen Bogen mit den Querstäben oder glaubte sie vielmehr »durch ein zartes fibrös häutiges« Band hergestellt, so dass seine Fig. 10, Taf. III scheinbar das richtige Verhältnis darstellt. »Bei einigen wenigen Exemplaren des Querders jedoch fand ich einige wenige dieser Bänder vollkommen verknorpelt?.« Als eine gelegentliche Beobachtung von großem Interesse sei erwähnt, dass ich bei einem 9 cm langen Ammocoetes das Rudiment eines achten Querstabes gefunden habe, und zwar in Form eines ungefähr 0,2 mm langen Knorpelstückchens vom typischen Aussehen und Umfange der Querstäbe, rings von Schleimknorpel umschlossen 1 Vgl. seine Abbildungen 9, 10, 15 und Text p. 73. 2 Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Pianeri. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 46. Bd. I. 1890. p. 10 des Sep.-Abdr. Kirerp. 12: 612 Jusef Schaffer, an der vorderen Grenze des ersten Kiemensackes; rechts fehlte er (Fig. 23 RQ). Sein horizontaler Abstand vom ersten vollständigen Querstab entsprach den Abständen der übrigen Querstäbe, sowie auch seine Lagerung ganz analog der Lagerung der übrigen Quer- stäbe auf demselben Frontalschnitte erschien. Demnach muss kopfwärts vom ersten Kiemensack der ausgebil- deten Larve auch ein achter, beziehungsweise wirklich erster Kiemen- sack oder das Rudiment desselben gesucht werden, welches in der That in Form der Pseudobranchialrinne DoHrn’s vorhanden ist. Das Vorkommen eines solchen rudimentären ersten Querstabes ist demnach ein neuer Beleg für die Richtigkeit der Anschauung Donrv’s! über die Bedeutung der Pseudobranchialrinne, für deren besondere Stellung gegenüber dem Wimperstreifensystem — mit dem der Entdecker desselben, SCHNEIDER, die Pseudobranchialrinnen ein Ganzes bilden ließ — ich auch ein besonderes histologisches Ver- halten der letzteren ins Feld führen konnte ?. Der letzte Querstab, welcher zugleich der kürzeste ist, bildet eine ziemlich starke, schwanzwärts gerichtete Krümmung (Fig. 2 und 3 bei 7) und setzt sich ähnlich, wie der erste in einer Flucht in ein hinter der letzten Kiemenöffnung aufsteigendes Stück (Fig. 3 und 4 Z8) und in den dorsalen Theil des Querstabes fort. An dem bisher beschriebenen Präparate, das in Fig. 3 dargestellt ist, lassen sich also nur der erste und letzte Querstab über die äußere Kiemenrinne verfolgen, der zweite bis sechste scheinen am ventralen Rande derselben sich direkt in die hypotremalen Bogen fortzusetzen. Entfernt man nun die dorsale Körpermuskulatur, indem man in der Rückennaht bis auf das häutige Rückenmarksrohr einschneidet und die Muskeln Myomer für Myomer abträgt, so sieht man, dass die dorsale Körperhälfte von einem Knorpelgerüst umschlossen wird, das mit einigen Modifikationen mit dem der ventralen Hälfte sym- metrisch erscheint (Fig. 4), und zwar in Bezug auf die Frontanebene. Unmittelbar unter dem Achsenrohre, welches Chorda und Rücken- mark umfasst (Fig. 4 A), läuft zu beiden Seiten desselben ein un- unterbrochener Längsstab SZsS, den ich als subehordalen bezeichnet habe, bis über den zweiten Kiemensack, um hier zugespitzt zu ‘ Man vgl. die »Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers<. No. VIII, IX, XII und XIII dieses Autors in den »Mittheil. aus der Zoolog. Station zu Neapel« 1885, 1886, 1887 und 1888. 2 Über das Epithel des Kiemendarmes von Ammocoetes ete. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLV. 1895. p. 311. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 613 endigen. Seine Fortsetzung erfährt er durch die kopfwärts sagittal serichtete Krümmung des ersten Querstabes bei SZS’, der weiterhin parachordal zu liegen kommt und sich direkt in die Schädelbalken fortsetzt. Zwischen dem ersten und zweiten Querstab erleidet dem- nach der subchordale Längsstab eine Unterbrechung, wie dies zuerst NESTLER richtig angegeben hat. Wie dieser Autor gezeigt hat, findet sich diese Unterbrechuug da, wo der untere Ast der Vena jugularis aufsteist, um sich mit dem oberen zur Vena jugularis communis zu vereinigen. Während der hypochordale Längsstab, so weit er von den ver- breiterten dorsalen Enden des zweiten bis siebenten Querstabes ge- bildet wird, mit der Chorda durch die fibröse Schicht des Perichon- driums verbunden ist, so dass zwischen Knorpel und Elastica stets noch ein von diesem Gewebe ausgefüllter Raum vorhanden ist (vgl. me Be Ger SZS, Fig. 27, 28 P), lagert sich an der Stelle, wo sich das Kiemenskelett mit dem Schädelskelett verbindet, der Knor- pel so dicht an die Chorda an, dass die Elastica chordae, welche dasselbe färberische Verhalten zeigt, wie die Knorpelgrundsubstanz- balken, als Grenzschicht des Knorpels erscheint. Dabei ist diese Verbindung eine so feste, dass bei Isolation der Elastica fast immer Knorpelreste auf derselben sitzen bleiben. Wir werden auf das histologische Verhalten dieser Verbindungsstelle bei der Besprechung des Knorpelgewebes noch einmal zurückkommen; hier sei nur so viel bemerkt, dass die Verbindung durch einen dünnen Knorpelstreifen zu Stande kommt, welcher sich zwischen parachor- dalen Längsstab und Chorda einschiebt (Fig. 31 X). RATHRE übersah das Vorhandensein dieses subchordalen Stabes und lässt, wie Born? die oberen Enden der Querstäbe durch das Faserrohr der Chorda verbunden sein. SCHNEIDER hingegen lässt seine oberen Längsstäbe immer in der Mitte zwischen zwei Quer- stäben unterbrochen sein. PARKER stellt den oberen Längsstab als drehrundes Gebilde dar und lässt ihn ununterbrochen über sämmt- liche Kiemensäcke hinwegziehen. NESTLER erkannte zuerst das rich- tige Verhalten, indem er bei Individuen von 9—20 cm Länge den oberen Längsstab nur hinter dem ersten Querstabe unterbrochen fand; »doch deutet sein Dünnerwerden nach jedem der folgenden l. e. Sep.-Abdr. p. 9. ; Uber den inneren Bau der Lamprete (Petromyzon marinus). HEUSINGER’s Zeitschr. f. organ. Physik. 1827. Bd. I. p. 172. 1 2 614 Josef Schaffer, Bogen darauf hin, dass die ScHnEIDEr’sche Darstellung jedenfalls für noch jüngere Thiere Göltigkeit hat«. Ich finde das von mir übereinstimmend mit NESTLER dargestellte Verhalten bereits bei Larven von 3 em Länge ausgebildet; jüngere Exemplare (bis 2 em) hat SCHNEIDER zwar untersucht, doch stammt der Taf. X, Fig. 3 abgebildete Kiemenkorb jedenfalls von einem älteren Ammocoetes, so dass seine Darstellung offenbar auf einem Präparationsfehler beruht, der bei der Anwendung von kochendem Eisessig als Macerationsmittel leicht unterlaufen konnte. BUJoR end- lich lässt den dorsalen Streifen unmittelbar unter der Chorda bei Ammocoetes wieder ganz fehlen, was wohl nur durch ein höchst mangelhaftes Studium seiner Präparate erklärt werden kann. Diese subchordalen Knorpelstreifen besitzen übrigens eine ziem- lich komplieirte Form. Als abgerundete oder vielmehr dreikantige Stäbe mit abgerundeten Kanten erscheinen sie nur in der Mitte zwischen zwei Querstäben (Fig. 28 SZS), wo sie auch immer etwas höher an der Seitenfläche der Chorda emporgerückt erscheinen. Gegen die Ansätze der Querstäbe zu verbreitern sie sich zu dünnen, keilförmigen Platten, welche sich mit leichter Konkavität unter die ventrale Fläche der Chorda gegen die Mittellinie vorschieben. Hier erscheinen die Keilschneiden oft bis zur Berührung einander ge- nähert, so dass sie nur durch die dorsale Konvexität der Aorta aus einander gehalten werden (Fig. 27 A). Diese Annäherung kann in der That bis zur Verschmelzung beider Platten gehen, wie ich dies bei einem 14 cm langen Ammocoetes über dem zweiten Kiemensack gefunden habe (Fig. 6 SZS), so dass hier die Chorda auf einem Knorpelstreifen aufruht. In diesem Falle erscheinen also die beiden Hälften des Kiemenkorbes theilweise dorsal und ventral in der Mittel- linie verbunden. Von diesen subchordalen Längsstäben entspringen mit drei- eckigen Verbreiterungen die dorsalen Hälften der Querstäbe, welche in Bezug auf die äußere Kiemenrinne als Mittellinie symmetrische, aber entgegengesetzte Krümmungen zeigen, wie die ventralen Hälften (Fig. 4). Zwischen ihrem Ursprung und der kopfwärts gerichteten Haupt- krümmung zeigen sie eine schwanzwärts gerichtete Verdiekung und biegen, an dem dorsalen Rand der äußeren Kiemenrinne angelangt, in die epitremalen Längsstäbe um (Fig. 4 ELS), welche als feine Knorpelgerten spitz auslaufen, ohne den nächst vorderen Querstab zu erreichen. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 615 Dieses Verhalten der epitremalen Längsstäbe ist von allen Auto- ren richtig dargestellt worden, nur PARKER lässt dieselben sich mit jedem vorderen Querstabe verbinden, so dass ein einheitlicher epi- tremaler Längsstab entsteht. So weit wir das Kiemenskelett bisher geschildert haben, lässt es deutlich zwei Symmetrieebenen erkennen, wenn auch die Sym- metrie in Bezug auf die Frontanebene nicht so vollkommen ist, wie die zur Medianebene. Mit Ausnahme des ersten und letzten Querstabes, die wir ohne Weiteres von der ventralen Fläche bis unter die Chorda verfolgen konnten, scheinen die Querstäbe der ventralen und dorsalen Körper- hälfte mit ihrem direkten Übergang in die hypo- und epitremalen Bogenstücke wie selbständige, von einander unabhängige Gebilde so dass die ursprüngliche Darstellung RArTHke’s, der allein die Krümmungsverhältnisse der Querstäbe richtig dargestellt hat und dieselben in obere und untere theilte, ganz gerechtfertigt erscheinen könnte. Dennoch müssen wir die Querstäbe von der Bauchlinie bis unter die Chorda als einheitliche und selbständige Knorpelstreifen erkennen, während die Längsstäbe sekundäre, von den Querstäben ausgehende Bildungen sind. Zu dieser Annahme zwingt uns vor Allem die Entstehungsgeschichte des Kiemenskelettes. Entfernen wir vorsichtig die Muskelfasern aus der äußeren Kiemenrinne, was wegen der tiefen Lage das schwierigste Stück der Präparation ist, so finden wir weit gegen die Medianebene vor- springende, die caudal- und lateralwärts gerichteten äußeren Kiemen- sackausführungsgänge umfassende Knorpelbogen (Fig. 4 bei 7, 4,5, 6), welche die Verbindung zwischen der dorsalen und ventralen Hälfte der Querstäbe darstellen. Betrachtet man an einem Transversal- schnitt, an dem die Ansatzstellen dieses U-förmig gebogenen Ver- bindungsstückes getroffen sind!, die Textur des Knorpels, so lässt die Anordnung der Grundsubstanzbalken, welche eine gewisse tek- tonische Gesetzmäßigkeit zeigt, an diesen Übergangsstellen in die dorsale und ventrale Hälfte nicht die geringste Veränderung er- kennen. Dourn? hat aber auch gezeigt, dass die Querstäbe zuerst in der Mitte angelegt werden und von da aus ventral- und dorsal- 1 Vgl. PARKER, Taf. XXV, Fig. 5. ?2 Studien zur Urgeschichte des Wirbeithierkörpers. V. Zur Entstehung und Differenzirung der Visceralbogen bei Petromyzon Planeri. Mittheil. aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. V. 1884. p. 152. 616 Josef Schaffer, wärts wachsen, um erst später zu ventralen und dorsalen Längsstäben zu verschmelzen '!. Betrachtet man nun das geschilderte Kiemenkorbgerüst als Ganzes, so muss man, besonders bei der oberflächlichen Lage des- selben, und wenn man sich die mechanische Leistungsfähigkeit des- selben bei den rkytımischen Athembewegungen vorstellt, in diesem Gerüste eine ausgezeichnete Schutzvorrichtung für die Athmungs- organe erblicken, welche hauptsächlich dem Druck von außen, den einerseits die Konstriktionsmuskeln, andererseits das umgebende Me- dium (Schlick [Sand] und Wasser) ausüben, entgegenwirkt. Wären die beiden lateralen Hälften dieses Gerüstwerkes in der medianen Bauch- linie getrennt, so könnten sie einem stärkeren Drucke nicht Widerstand _ leisten; daher ist die nachgewiesene Verbindung geradezu eine mechanische Nothwendigkeit, die auch durch die innige Verbindung der dorsalen Enden der Längsstäbe mit dem elastischen Chordarohr erfüllt wird, manchmal aber noch durch eine theilweise subehordale i v. KUPFFER bestätigt in seinem auf der IX. Anatomenversammlung zu Basel gehaltenen Vortrage die Angabe DoHrn’s, dass der mittlere Theil der Knorpelquerstäbe zuerst auftrete, giebt aber von der Entstehung der hypochor- dalen Längsstäbe eine eigene Darstellung; nach derselben sollen die letzteren nicht durch sekundäre Verwachsung der hammerförmig sich verbreiternden dorsalen Enden der Querstäbe entstehen, worauf das Dünnerwerden des hypo- chordalen Längsstabes zwischen je zwei Querstäben offenbar hindeutet. v. KUPFFER beschreibt vielmehr das Auftreten selbständiger parachordaler, knorpeliger Längsleisten, »die bei ihrem Erscheinen deutlich von dem Kiemen- knorpel abgegrenzt sind, dann aber damit verwachsen. Diese Parachordalia wachsen hierauf in die Länge aus und verbinden sich unter einander jederseits zu dem dorsalen Längsstabe des Gitters und vorn mit den eben so im peri- chordalen Bindegewebe auftretenden Parachordalknorpeln, welche die Verbin- dung der Trabeculae eranii mit der Chorda vermitteln< (Verhandlungen der anat. Gesellsch. IX. Vers. zu Basel. 1895. p. 117ff.). Ich verfüge gegenwärtig nicht über so junge Entwicklungsstadien von Ammocoetes, um diese Behaup- tung v. KUPFFER’s prüfen zu können, halte dieselbe jedoch nach den oben geschilderten Verhältnissen am fertigen Kiemenkorb für sehr zweifelhaft. Aller- dings muss ich erwähnen, dass ich an dem in Fig. 27 abgebildeten Querschnitte durch die Anlagerungsstelle der Querstäbe an die Chorda an dem linken (in der Zeichnung nur in Kontouren wiedergegebenen) Querstab (Q + SZS) ein Knorpelstückehen wie eine Art Aufsatz mit dem dorsalen Rande des Quer- stabes verbunden fand. Diese Verbindung war durch einen dickeren Streifen von Grundsubstanz (n) als sekundär entstanden erkenntlich und entsprach das Knorpelstückchen seiner Lage nach dem subchordalen Längsstab (Fig. 28 SLS, Parachordale v. KUPFFER), so dass dieses Verhalten im Sinne v. KUPFFER’s gedeutet werden könnte. An anderen Stellen vermisste ich es jedoch wieder. | | Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 617 Verwachsung der Knorpelstäbe einen erhöhten Ausdruck erhält, so dass dann der Kiemensack förmlich von einem elastischen Knorpel- ringe umschlossen wird. Wir haben also hier wieder das ausgezeichnete Beispiel einer dureh funktionelle Anpassung höchst zweckmäßig entwickelten Ein- richtung, die nur durch die eigenthümliche Lage der Athemorgane bedingt sein kann und sich weit von den Einrichtungen bei den anderen im Wasser athmenden Thieren entfernt. Daher zeigen auch die Versuche diese, den Cyclostomen eigen- thümliche Organisation den Schutzvorrichtungen der Athemorgane anderer Thiere zu homologisiren große Schwierigkeiten. 2. Der feinere Bau des Knorpelgewebes von Ammocoetes. Über das Knorpelgewebe von Ammoeoetes, wie der Cyelostomen überhaupt, liegen nur wenige, gelegentliche Beobachtungen vor. Die- selben sollen im Laufe meiner eigenen Mittheilungen berücksichtigt werden. Vorausschicken will ich jedoch, dass auch die Schilderung der wenigen Autoren, die sich mit dem Gegenstande beschäftigt haben, nicht übereinstimmt, vielmehr zwei einander entgegengesetzte Ansichten vertreten erscheinen. Nach M. ScHuLTze bestehen die Schädelknorpel von Ammocoetes aus vieleckisen, ohne Intercellularsubstanz an einander gefügten, sehr scharf kontourirten Zellen mit kleinen Kernen. »Der Knorpel gleicht in dieser Bildung dem der erwachsenen Petromyzonten, welcher ebenfalls der Intercellularsubstanz ermangelt und aus eckigen, dick- wandigen Zellen besteht!.«c Dieselbe Anschauung vertritt auch KÖLLIKER?, indem er das Knorpelgewebe von Petromyzon (und die gelben Knorpel von Myxine) als Beispiel für einen Knorpel anführt, in dem die Zwischensubstanz einzig und allein von den Knorpel- kapseln aufgebaut wird. Dem gegenüber betont LANGERHANS? bei der Erörterung über den Unterschied von Chorda- und Knorpelgewebe, dass im fertigen Knorpel überall zwischen den Zellen und eventuell ihren Hüllen eine differente Gewebslage existirt, von welcher in der Chorda des Neunauges auch keine Andeutung vorhanden ist. Er hebt auch hervor, dass diese Zwischensubstanz des Knorpels ähnlich den Zell- 1 Die Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. Haarlemer Preis- schrift. 1856. p. 28. ” Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. 1889. p. 113. 3 Untersuchungen ‘über Petromyzon Planeri. 1. e. p. 36 ff. 618 Josef Schaffer, membranen durch die Thätigkeit der Zellen entsteht, aber eben als eine von den Membranen oder Kapseln verschiedene Substanz. Rawıtz! beschreibt die Zellen im Kopfknorpel des Neunauges alle von einer Kapsel umgeben, deren scharfer Kontour sich klar gegen die wenig färbbare Grundsubstanz absetzt. Diese Intercellular- substanz ist in der Mitte des Knorpels nur gering entwickelt, während sie gegen die Oberfläche zu mächtiger wird. RENAUT? nimmt in der Schilderung des feineren Aufbaues des Cyelostomenknorpels gleichsam eine vermittelnde Stellung ein, indem er in der Mitte des Knorpels der Lamprete nicht die Spur von Grundsubstanz findet und der Anschauung KÖLLIkEr’s folgend diesen Knorpel als einen eigenen Typus >a stroma capsulaire« bezeichnet. Andererseits bildet er eine interkapsuläre Substanz ab (Fig. 125) und beschreibt er dieselbe als eine Hüllmasse in den Zwickeln, wo mehrere Kapseln an einander stoßen. Ist es nun schon der Mühe werth, den Widerspruch, der in diesen Ansichten liegt zu lösen, so bietet das Knorpelgewebe der Cyelostomen auch in anderer Beziehung so eigenthümliche Verhält- nisse dar, dass eine genauere Untersuchung für die Kenntnis des Knorpelgewebes im Allgemeinen von Interesse erscheint. Wir haben bei Ammoecoetes im Wesentlichen zwei Arten von Knorpelgewebe zu unterscheiden: dashyaline Gewebedesknorpe- ligen Skelettes und den sog. Schleimknorpel. A. Der hyaline Skelettknorpel. Das Gewebe des knorpeligen Skelettes lässt wieder zwei Modi- fikationen erkennen. welche nicht nur bezüglich ihres makroskopi- schen Ansehens, sondern auch nach ihrem feineren Bau und ihrer chemischen Zusammensetzung scharf aus einander gehalten werden müssen. Wir haben es hier mit entwicklungsgeschichtlich voll- kommen gleichwerthigen, aber durch verschiedene funktionelle In- anspruchnahme nach verschiedenen Richtungen hin ausgebildeten Gewebetypen zu .thun. Bei der Präparation des Kiemenkorbes an Schädeln von Ammo- coetes, die in MÜLLER’scher Flüssigkeit gehärtet worden waren, fiel mir auf, dass die Knorpel des Kiemenkorbes ein milchartig durch- scheinendes, also hyalines Ansehen darbieten, während die knorpe- ! Grundriss der Histologie. Berlin 1894. p. 60 ff. ? Trait@ d’Histologie 'pratique. Tom. I. Paris. (Vorrede 1888.) p. 366 fi. Über das knorpelige Skelett von Ammoeoetes branchialis ete. 619 ligen Gehörkapseln undurchscheinend und deutlich gelblich gefärbt sind. Diesem Unterschiede in der Farbe gesellt sich ein solcher in der Konsistenz hinzu, indem die Kiemenknorpel weich, biegsam und elastisch erscheinen, die Ohrkapseln hingegen einen starren, knochen- ähnlichen Eindruck machen. Wie die Ohrkapseln verhalten sich im Allgemeinen auch die Schädelbalken. Diese Verhältnisse waren schon J. MÜLLER! bekannt und be- tont er bereits die gelbe Farbe und große Festigkeit der Schädel- knorpel; wegen der letzteren Eigenschaft bezeichnet er die Schädel- balken geradezu als Knochenleisten. Auch LANGERHANS? hebt als besonderes Merkmal des von ihm entdeckten seitlichen Fortsatzes der Trabekel dessen gelbliche Färbung hervor. An den frischen Knorpeln, sowohl junger als älterer Querder jedoch ist dieser Farbenunterschied nicht wahrzunehmen; Kiemenknorpel, wie Schädel- knorpel und Gehörkapseln erscheinen weiß, jedoch mit dem Unter- schiede, dass erstere so hyalin, durchsichtig sind, dass man sie oft schwer wahrnimmt, während letztere schon im frischen Zustande opak, milchweiß, aussehen. Wirft man jedoch die Thiere in toto in Alkohol, dann findet man die Schädelknorpel gelb- bis blutroth gefärbt, während die Kiemenknorpel ihr hyalines Aussehen beibehalten. Diese blutrothe Färbung konnte ich auch an den Schädelknorpeln von Alkoholexemplaren des Petromyzon, sowohl Planeri als marinus, regelmäßig sehen, wobei ich jedoch an Querschnitten durch diese Knorpel auch leicht feststellen konnte, dass es sich um eine ober- Hlächliche Imbibition mit Blutfarbstoff handelte, welche erst post- mortal in der Konservirungsflüssigkeit eingetreten war. Durch langdauernde Maceration können diese roth oder gelb gefärbten Knorpel entfärbt werden. Wenn nun auch nach dem Gesagten die Unterscheidung der Cyelostomenknorpel (wahrscheinlich auch der von Myxine) in gelbe und graue, wie sie seit J. MÜLLER gebräuchlich ist, nur mit dem Vorbehalte, dass es sich dabei um die mit Reagentien behandelten Knorpel handelt, zulässig ist, so deuten jedenfalls diese verschie- denen Färbungen der mit Reagentien behandelten Schädel- und Kiemenknorpel auf verschiedene physikalische oder chemische Eigen- schaften derselben. ! Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Abhandlungen d. kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1834. p. 181. ar 620 Josef Schaffer, Die Festigkeit und Starrheit der Schädelknorpel einerseits, sowie die Biegsamkeit und Elastieität der Kiemenknorpel andererseits finden hren Ausdruck aber auch in auffallenden Unterschieden im histo- logischen Aufbau beider Gewebe. Die verschiedene chemische Natur konnte ich nur durch das verschiedene Verhalten gegen Farbstoffe nachweisen, dem aber gerade beim Knorpel seit den Untersuchungen MÖRNER’sS! von manchen Seiten der Werth einer mikrochemischen Reaktion zuerkannt wird. In beiden Knorpelarten, Schädel- wie Kiemenknorpel, tritt die (Grund- oder Intercellularsubstanz? weit zurück hinter die Zellen. a. Die Schädelknorpel. Im Schädelknorpel — und zwar schildere ich zunächst das Verhalten der Gehörkapsel — erscheint die Intercellularsubstanz an Durchschnitten als ein ziemlich regelmäßiges, starres Balkengerüst mit polygonalen Maschenräumen, welche eine oder zwei Zellen von sroßem Protoplasmareichthum umschließen (Fig. 7). Die Balken sind meist gerade oder in flachen Krümmungen ver- laufend und besitzen eine durchschnittliche Dieke von 3—5 u. Sel- ten trifit man zwei Zellen in einem Maschenraume gelegen, meistens sieht man sie bereits durch eine äußerst dünne Scheidewand getrennt, welche mit dem starren Balkenwerk zusammenhängt und nicht selten verkrümmt erscheint, was auf eine noch weiche Konsistenz derselben schließen lässt. Zwischen dieser dünnen Scheidewand (Fig. 7 a, b) und den ausgebildeten, starren Grundsubstanzbalken kann man alle Zwischenstadien (Fig. 7 c, d) beobachten, so dass die Vermuthung nicht ungerechtfertigt erscheint, dass die dünne Lamelle durch wei- teres Wachsthum zu einem dieken Grundsubstanzbalken wird, worauf ich im Folgenden noch zurückkommen werde. Die Balken besitzen im frischen Zustande ein starkes Licht- brechungsvermögen, ähnlich den ausgeprägtesten Knorpelkapseln im fertigen Säugethierknorpel und erscheinen vollkommen homogen. An Schnitten, die in gewöhnlicher Weise mit Hämalaun-Eosin gefärbt wurden, lassen sie, mit starken Vergrößerungen untersucht, vielfach zarte, rosa gefärbte Trennungslinien erkennen, welche koncentrisch ! Histochemische Beobachtungen über die hyaline Grundsubstanz des Trachealknorpels. Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. XII. 1888. Vgl. auch Su Arch. f. Physiol. B. I. 1889. ? Als solche bezeichne ich die gesammte Masse zwischen den nackten. protoplasmatischen Knorpelzellen (KÖLLIKER’s Protoblasten). Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 621 mit dem Zellkontour um den ganzen Maschenraum verlaufen, der eine Zelle umschließt (Fig. 7 :, Fig. 12). In den dünneren Zellscheidewänden werden sie vermisst und umgrenzen sie in diesen Fällen eine Gruppe von zwei (auch mehr) Zellen, die noch deutlich als Theilungsprodukte einer ursprünglichen Mutterzelle erkannt werden (Fig. 7 bei a, d, c, d). Durch diese Trennungslinien wird der unmittelbar die Zelle um- schließende Theil der Intercellularsubstanz, den ich vorläufig einfach als Kapselsubstanz bezeichnen will, von der Kapselsubstanz der Nachbarzellen abgegrenzt. Wo mehrere solcher Trennungslinien an einander stoßen, also in den Knotenpunkten der Grundsubstanzbalken, entstehen drei- oder vierstrahlige Einziehungen, die von einer Art Kittsubstanz erfüllt werden, welche dasselbe Verhalten zeigt, wie die zarten Trennungslinien. Wir finden demnach die Zellen mit ihrer umgebenden Kapsel- substanz eingebettet in eine Kittmasse, welche als zusammenhängen- des, außerordentlich dünnwandiges Wabenwerk die ganze Grundsub- stanz durchzieht. Diese Kittsubstanz ist schwächer lichtbrechend als die Kapsel- substanz, nimmt gewisse Farbstoffe (Eosin, Methylviolett) auf, wo- durch sie schärfer von der Kapselsubstanz geschieden werden kann und wird durch Maceration in kaltem Wasser gelockert, so dass man beim Zerzupfen solcher Präparate häufig eine Loslösung der Zellen mit ihrer umgebenden Kapselsubstanz in den Kittflächen beobachten kann (Fig. 8 bei R), wobei gelegentlich auch ganze Zellen mit ihrer Kapselsubstanz sich aus dem Verbande mit den Nachbarzellen los- lösen und herausfallen können (Fig. 9 bei a). Die Kapselsubstanz erscheint am frischen Objekt als homogene, einheitliche Masse. Durch verschiedene Färbeverfahren lässt sie sich jedoch in zwei Schichten zerlegen: eine eigentliche Kapsel, welche die Zelle unmittelbar umgiebt und eine nach außen von derselben gelegene Zone, welche an das Wabenwerk stößt. Färbt man einen Freihandschnitt des in Alkohol erhärteten Knorpels einige Minuten in 1°/,iger wässeriger Eosinlösung, extrahirt man dann mit Alkohol, so erscheint nach Aufhellung mit. Nelkenöl an den dünnsten Schnitt- stellen die der Zelle zugewendete Zone der Kapselsubstanz intensiv roth, die Außenzone farblos (Fig. 10, 13, 20). — In ähnlicher Weise gelingt die Trennung mit der Färbung in Methylviolett nach MÖRNER, mittels Eisenhämatoxylin nach HEIDEN- Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXT. Bd. 41 622 Josef Schaffer, HAIN etc., wobei stets die a Kapsel gefärbt, die Außenzone farblos a Was also am frischen Knorpel als dicke Kapsel der Zelle erscheint, muss bereits als ein Analogon eines Zell- territoriums aufgefasst werden, welches die von einer Zelle erzeugte Grundsubstanz mehr der eigentlichen Kapsel um- fasst, welche Auffassung durch das Vorkommen abgegrenz- ter, aus einer Zelle hervorgegangener Zellgruppen, also wirklicher Zellterritorien (groupes isogeniques von RENAUT) eine weitere Berechtigung erfährt. Diese ein- und mehrzel- ligen Territorien werden durch eine chemische und physika- lisch verschiedene Kittmasse gleichmäßig verbunden. Das regelmäßige und lebhaft an ein Pflanzenparenchym erinnernde Aussehen bietet der dünne Ohrkapselknorpel nur in seinen mittleren Partien und ist die Fig. 7 nach einem Flächenschnitte durch den- selben gezeichnet. An Quer- oder Längsschnitten, welche die ganze Dicke des Knorpels treffen, findet man unter dem spärlichen Peri- chondrium, wie bei allen Knorpeln, bedeutend kleinere Zellen und eine reichlichere Intercellularsubstanz (Fig. 13). Diese kleinzellige, grundsubstanzreichere Zone überzieht jedoch nicht, wie bei den übrigen Schädelknorpeln (Parachordalia und Tra- bekel) gleichmäßig die Oberflächen, sondern füllt zwickelförmige Zwischenräume aus, welche an der Oberfläche dadurch entstehen, dass die einzelnen Zellterritorien hier halbkugelförmig vorspringen (Fig. 13 ZT). Die Ausfüllungsmasse dieser Zwickel wird theilweise direkt vom Perichondrium geliefert und umschließt die flachen, kleinen Zellen des letzteren (Fig. 13 2’). Sie färbt sich im Gegensatze zu den be- srenzenden Zellterritorien mit Eosin roth, und überzieht als dünnste, zellenlose Randzone (Fig. 13 0) auch die Konvexitäten der Zellterri- torien. So erscheinen die Zellen der innersten Lage des Perichon- driums, noch ehe sie zu typischen Knorpelzellen heranwachsen, also bereits im Stadium der Chondroblasten eingelagert in eine gemein- same, durch ihre Färbbarkeit ausgezeichnete Kitt- oder Grundsub- Stanz. Bald wachsen diese Chondroblasten zu großen Knorpelzellen heran, erzeugen um sich eine von der Kittsubstanz verschiedene Grundsubstanz und verdrängen durch ihre bedeutende Größenzunahme die primäre, färbbare Grundsubstanz zu jenen dünnen Scheide- wänden und Grundsubstanzzwickeln, die wir am fertigen Knorpel Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 623 beschrieben haben. Gleichzeitig findet jedoch eine Theilung der Knorpelzellen vorwiegend in Ebenen, die radıär zur Oberfläche stehen, statt, wodurch der Umfang der Ohrkapsel zunehmen muss Bei der geringen Apposition müsste dieser Wachsthumsmodus zu einer relativen Verdünnung der knorpeligen Ohrkapseln führen, wenn nicht auch eine Theilung der Knorpelzellen parallel zur Oberfläche stattfände, wie dies in der That der Fall ist. Vergleichende Messungen ergeben auch eine allmähliche Diekenzunahme der Gehörkapseln; so maßen sie an den dünnsten, analogen Stellen bei Exemplaren von 3 cm 25 u, 9 em Länge 36 u und 14,5 em Länge 48 u. Das Wachsthum des Ohrkapselknorpels ist demnach bei Ammo- coetes ein vorwiegend expansives, durch Intussusception, bis das häutige Gehörorgan seine definitive Größe erreicht hat. Die Ver- diekung, die der Knorpel noch weiterhin erfährt, kommt durch ein vorwiegend appositionelles Wachsthum zu Stande, wie an den übri- sen Schädelknorpeln und findet dasselbe in der Bildung einer hauptsächlich an der Außenfläche der Gehörkapsel entwickelten, gleichmäßigen Oberflächenzone von kleinzelligem und an Grundsub- stanz reichem Gewebe seinen Ausdruck. Dieses Bild tritt uns im Ohrkapselknorpel von Petromyzon entgegen. Was den Vorgang bei der Theilung einer Knorpelzelle anlangt, so geht derselbe in der Weise vor sich, dass die Theilungshälften der Zelle (Fig. 10a, z) innerhalb der färbbaren Kapsel % eine mit dieser zusammenhängende, gemeinsame Scheidewand (Fig. 105, s) erzeugen, die durch Intussusception an Dicke zunimmt und in gleichem Maße in ihren inneren Partien eine Umwandlung in nicht färbbare Substanz erfährt (Fig. 10 c, s’). So entstehen wirklich Zellterritorien, welche durch die verdrängte ursprüngliche Kittsubstanz (p) getrennt werden, während letztere in den neuen Grundsubstanzbalken zwischen den durch Theilung einer Zelle hervorgegangenen Tochterzellen fehlt Bneisiteibi.c,d, Die, .10e,:s.). Im Gegensatz zum Knorpel der Gehörkapsel besiinem die Schädel- balken eine ebene Oberfläche und treten uns daher hier die Wachs- thumsvorgänge auf längere Strecken hin reiner entgegen. Auch hier wird die Diekenzunahme des Knorpels theils durch Apposition von der Oberfläche her, theils durch Bildung neuer Grundsubstanz zwi- schen den sich im Inneren des Knorpels theilenden Zellen besorgt, doch ist bei den Schädelbalken, welche nicht eine Umhüllung wachsender Weichtheile, sondern eine solide Stütze derselben dar- stellen, die Apposition viel ausgesprochener, als beim Knorpel der 41* 624 ‚Josef Schaffer, Ohrkapsel, wesshalb sich die feineren Vorgänge des Oberflächen- wachsthums hier genauer und leichter verfolgen lassen. An vielen Stellen grenzt sich die an Grundsubstanz reichere Oberfläche des Knorpels mit scharfem, glattem Rand gegen das peri- chondrale Gewebe ab. Dieses besteht aus unansehnlichen, platt gedrückten Zellen, die ‚ganz verstreut an der Oberfläche des stark mit Eosin färbbaren Knorpels in einer Grundsubstanz liegen, die nahezu keine Färbung angenommen hat und manchmal wenige Züge dünner Bindegewebs- fäserchen erkennen lässt. Solche Stellen befinden sich in Ruhe, es sind aplastische Flächen. An anderen Stellen kann man unzweifel- hafte Wachsthumserscheinungen wahrnehmen, welche anscheinend unter zwei verschiedenen Bildern auftreten. Einmal findet man, und dies z. B. regelmäßig an der rostralen Peripherie der im Bogen ver- einigten Schädelbalken (Fig. 11) im unmittelbaren Anschlusse an die oberflächlichste Schicht des Knorpels, die wieder durch intensive Rothfärbung mit Eosin ausgezeichnet ist, ein Gewebe, welches aus etwas vergrößerten Zellen des Perichondriums besteht, deren Leiber nahezu ungefärbt erscheinen, während zwischen ihnen ein zierliches Netzwerk einer ganz schwach rosa gefärbten Substanz sichtbar ist, das sich ganz allmählich in die ungefärbte Grundsubstanz des Peri- chondriums verliert und den Eindruck eines zusammenhängenden, äußerst dünnwandigen Alveolenwerkes macht, das mit der Grund- substanz des fertigen Knorpels zusammenhängt, und in dessen Lücken die etwas vergrößerten Zellen des Perichondriums eingelagert er- scheinen. Von Kapselbildung ist noch keine Spur zu sehen. Fasst man das Wachsthum der Schädelbalken als Ganzes ins Auge, so muss man in den beschriebenen Veränderungen die ersten Spuren der Knorpelapposition, und zwar einer vorwiegend cellulären Apposition, erkennen. Dieselbe wiederholt theilweise die ersten Vor- gänge beim Auftreten des Knorpelgewebes überhaupt und besteht im Wesentlichen aus einer Größenzunahme der Zellen unter gleich- zeitiger Differenzirung eines die Zellen trennenden Alveolenwerkes. Dieses muss in letzter Linie auf eine Oberflächendifferenzirung der Zellen selbst zurückgeführt werden, da es ganz gleichmäßig jede Zelle umschließt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass bei der Bildung dieses zarten Alveolenwerkes zwischen den Zellen auch feinste Faserzüge des spärlichen Peri- chondriums in dasselbe mit aufgenommen werden. An anderen Stellen, z. B. an den medialen Flächen der Schädel- Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 625 balken, sehen wir eine solehe Apposition unter zweifelloser und aus- sedehnter Betheiligung der faserigen Elemente des Perichondriums vor sich gehen (Fig. 12). | Eine Reihe platter, wenig vergrößerter Zellen des Perichondriums (XZ) erscheint durch eine dünne Spange des letzteren, welche mit der Grundsubstanz des fertigen Knorpels zusammenhängt und bereits das färberische Verhalten derselben zeigt (P’j, abgetrennt vom Peri- chondrium, beziehungsweise zum Knorpel einbezogen. Die Zellen liegen in einem Spaltraume an der Oberfläche des Knorpels, ohne zunächst noch durch Grundsubstanzbälkchen von einander getrennt zu Sein. Diese zarte Grundsubstanzspange entspricht in ihrem Ver- laufe vollkommen dem Zuge der Fasern des Perichondriums und ist nichts Anderes als eine direkte Verknorpelung eines solchen Faser- zuges, welche bestimmt ist in das zelltrennende Alveolenwerk auf- senommen zu werden, welches alsbald durch die Thätigkeit der Knorpelzellreihe vervollständigt wird, indem die Zellen Querscheide- wände zwischen sich produciren, die einerseits mit der alten Knorpeloberfläche, andererseits mit der perichondralen Knorpelspange einheitlich zusammenhängen. In diesen beiden Fällen der Knorpelapposition, — die sich ent- fernt mit den Vorgängen bei der Knochenapposition vergleichen lassen, wobei man auch einmal eine rein celluläre durch die Thätig- keit der Osteoblasten und eine solche mit gleichzeitiger Aufnahme faseriger Elemente des Periosts in die Grundsubstanz beobachten kann — wird also zunächst eine prochondrale Grundsubstanz in Form eines zelltrennenden Alveolenwerkes gebildet, innerhalb welches die weitere Thätigkeit der Zellen sich abspielt. Diese besteht, unter gleichzeitiger Größenzunahme der Zellen, in einer weiteren Bildung von Grundsubstanz an der Oberfläche jeder Zelle, welche jedoch als sekundär abgelagerte Schicht von dem älteren, zelltrennenden Balkenwerk unterschieden werden kann. Letzteres wird nun durch den Wachsthumsdruck bei der Größenzunahme der Zellen, welche eine ziemlich beträcht- liche ist, so eingeengt, dass es schließlich nur mehr als eine dünnste Lage von Kittsubstanz zwischen den Kapselsubstanzen sichtbar ist und an Schnitten jene oben beschriebenen Trennungslinien darstellt. Ist auf solche Weise eine Knorpelzelle in die Tiefe gerückt, so ist ihre Thätigkeit nicht erschöpft. Obgleich sie von ihfer Kapsel- substanz rings umschlossen ist, kann sie sich innerhalb derselben noch theilen, und zwar wiederholt theilen, so dass aus der einen 626 Josef Schaffer, Knorpelzelle eine Knorpelzellgruppe hervorgeht. Zwischen je zwei Tochterzellen wird eine neue Scheidewand in kontinuirlichem Zu- sammenhange mit der Kapselsubstanz erzeugt, welche Scheidewände äurch Intussusception an Dicke zunehmen, ohne jedoch die Dicke der ursprünglichen Grundsubstanzbalken zu erreichen. Die primäre Kittsubstanzalveole wird dadurch beträchtlich gedehnt und erweitert, und so finden wir dann an Durchschnitten der Schädelbalken in der Mitte des Knorpels Zellterritorien, welche von einander durch dickere Wände getrennt werden. In diesen dieken Wänden verlaufen noch, jedes Zellterritorium umschließend, die zarten Kittsubstanzblätter, während solche in den viel dünneren Scheidewänden zwischen den Zellen des Territoriums fehlen. Diesem Entwicklungsgange ent- sprechend muss die Zahl der von einer Kittsubstanzalveole um- schlossenen Zellen von der Oberfläche zur Mitte des Knorpels zunehmen. So entsteht an Querschnitten ein Bild, welches bereits sehr an die Verhältnisse der Hyalinknorpel höherer Thiere erinnert (vgl. Fig. 29 ZX). Der Unterschied ist im Wesentlichen nur ein quanti- tativer, indem einerseits die primäre Kittsubstanz, das prochondrale Alveolenwerk nicht nur keine weiteren, selbständigen Wachsthums- erscheinungen zeigt, sondern sogar eine gewisse Rückbildung erfährt, und andererseits auch die Thätigkeit der Knorpelzellen sehr bald ihr Ende erreicht, indem scheinbar die ganze von ihm erzeugte Grund- substanz zur Kapsel wird. Während dieser ganze Bildungsvorgang bei den Schädelknorpeln von Ammocoetes noch im Aussehen des fertigen Knorpels erkannt werden kann, indem die Zusammensetzung der Intercellularsubstanz aus Kapseln und einem dieselben trennenden (oder verbindenden( dünnwandigen Fachwerke mehr oder weniger deutlich hervortritt, ist dies bei den Kiemenknorpeln, sowie beim Knorpel der Nasen- kapsel von Ammocoetes nicht möglich. b. Die Kiemenknorpel. Das Aussehen des fertigen Kiemenknorpels ist ein wesentlich anderes als das der Schädelknorpel: Die Grundsubstanzbalken sind viel dünner als in den Schädelknorpeln und erreicht ihr größter Durchmesser, bei derselben Larve gemessen, von welchen die frühe- ren Maßangaben gemacht wurden, selten 2 u, wesshalb sie auch viel- fach verbogen und gekrümmt erscheinen. An etwas diekeren Schnit- ten erkennt man hier deutlich, dass es sich um dünne, zelltrennende Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 627 Membranen handelt, die man oft angeschnitten oder von der Fläche zu sehen bekommt, und deren Krümmungen dem ganzen Knorpel ein verknittertes Ansehen verleihen (Fig. 5, 14). An dünnen Schnitten macht so der Kiemenknorpel im Vergleiche mit dem starren Balkenwerk der Kopfknorpel ganz den Eindruck . eines Netzwerkes von geschlängelten Fasern, in dessen Maschenräumen die großen, protoplasmareichen Zellleiber liegen. Dieser Unterschied beider Knorpelarten ist auch anderen Beob- achtern aufgefallen; so hebt PARKER! hervor, dass der Knorpel des Kiemenkorbes bei Ammocoetes von besonders leichter und schwam- miger Natur sei, während BuJor, ohne die geringste Kritik, die ihm die Untersuchung des frischen Kiemenknorpels hätte an die Hand seben müssen, den Bau dieses Knorpels, den er für verschieden von dem der Trabekel erkennt, einfach nach dünnen Schnitten beschreibt. So verfällt er in den Irrthum, die Durchschnitte des intercellulären Fachwerkes für ein Netz elastischer Fasern zu halten. An diesen dünnen Grundsubstanzscheidewänden kann man in der That keine weitere Zusammensetzung erkennen, sie erscheinen am Durehschnitte wie einheitliche Balken ohne Trennungslinien. Zerzupft man ein Stückchen des frischen oder in MÜLLER’scher Flüssigkeit gehärteten Knorpels sorgfältig, so zeigen die Rissränder stets das Aussehen eines dünnwandigen Wabenwerkes, dessen Wan- dungen nicht die geringste Andeutung einer Zusammensetzung aus verschmolzenen Kapselwänden zeigen. Es gelingt niemals Zellen mit Kapseln zu isoliren oder in den Knotenpunkten des Balkennetzes Zwickel einer von den Scheidewänden verschiedenen Substanz nach- zuweisen, wie dies beim Schädelknorpel beschrieben wurde. Die spärliche Intercellularsubstanz bildet demnach beim Kiemenknorpel in ihrer Gesammtheit ein einfaches, zelltrennendes Wabenwerk, in dessen Alveolen dienackten Knorpelzellen gelegen erscheinen. Dieses Wabenwerk ist homolog den Scheidewänden zwischen den Kapseln des Schädelknorpels, welches wir ebenfalls als zusammen- hängendes Alveolensystem erkannt haben und wird auch beim Kiemen- il. ec. p. 447. 2]. c. p. 27. >Er wird von Knorpelzellen mit einem oder zwei großen Kernen, sehr hellem Protoplasma und ohne scharfen Kontour gebildet, zwischen denen in allen Richtungen anastomosirende, sehr durchsichtige elastische Fasern verlaufen, welche ein Netzwerk bilden. Man kann demnach diesen Knorpel dem elastischen an die Seite stellen.« 628 Josef Schaffer, knorpel in derselben Weise gebildet, wie das letztere beim Schädel- knorpel. Betrachten wir die subperichondralen Oberflächen des Kiemen- knorpels an Durchschnitten genauer, so finden wir hier den Knorpel meist durch einen diekeren Saum von Grundsubstanz, der durch seine intensive Blaufärbung mit Hämalaun deutlich hervortritt, gegen das roth gefärbte Perichondrium abgegrenzt (vgl. Fig. 5, 30, 31). Diese reichlichere Grundsubstanzmenge überzieht vielfach gleichmäßig die oberflächlichsten Zellen und macht so ganz den Eindruck einer von sämmtlichen Zelloberflächen einheitlich abgelagerten Masse. An den konkaven Flächen der Knorpelstäbe springt diese oberflächliche Grundsubstanzlage an Durchschnitten festonartig vor, entsprechend den Konvexitäten der oberflächlichsten Knorpelzellen, eine Erschei- nung, die auf den mechanischen Druck, dem die Grundsubstanz in der Tiefe der Biegungen ausgesetzt ist, zurückgeführt werden kann. Aus demselben Grunde erklären sich auch jene stärkeren Grund- substanzbalken, die von der konkaven Oberfläche radienartig in das Innere des Knorpels ausstrahlen, und durch welehe die Knorpelzellen eine Anordnung in Säulen erleiden (Fig. 5). Besonders ausgeprägt finden wir dieses Strukturbild an den U-förmig gekrümmten Mittel- stücken der Querstäbe, welche bei der Athmung rhythmische Biegungen erleiden und haben wir hier ein klares Beispiel vor uns, dass die ' mechanische Leistung eines Knorpels bestimmend ist für den morpho- logischen Bau desselben. Kehren wir nun zur Besprechung der Wachsthumserscheinungen des Kiemenknorpels an seiner Oberfläche zurück, so sehen wir, dass dort, wo Apposition stattfindet (Fig. 14), einzelne Zellen des Peri- chondriums (Z)'gsrößer werden und in Zusammenhang mit der alten Grundsubstanz eine zarte Lage neuer an ihrer Oberfläche erzeugen, die, da es sich um einzelne Zellen handelt, an der freien Fläche derselben wie eine Membran erscheint; dieser Eindruck wird erhöht durch die intensive Färbbarkeit dieser neuen Grundsubstanzlage mit Hämalaun und den Umstand, dass zwischen zwei benachbarten Zellen oft noch ein kleinster trennender Zwickel des mit Eosin roth gefärbten Perichondriums eingeschoben erscheint. Dieser erleidet jedoch unter dem Einflusse der Zellen ebenfalls bald die ehondro- gene Metamorphose, nimmt dieselbe Färbbarkeit an, wie die von der Zelle erzeugte Grundsubstanz und bildet mit letzterer einen immer stärker werdenden Grundsubstanzbalken an der Oberfläche, der bei weiterer Apposition in die Tiefe rückt und durch die Größen- Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 629 zunahme der Zellen eben so eine Reduktion erleiden kann, wie wir dies beim Kopfknorpel gesehen haben. So finden wir auch die erste Grundsubstanz des Kiemenknorpels als eine Art Kittsubstanz zwi- schen den Zellen abgelagert werden, in welche ebenfalls faserige Elemente des Perichondriums einbezogen werden können. Während jedoch beim Kopfknorpel innerhalb der Alveolen eine weitere Bildung einer von der primären Kittsubstanz verschiedenen Kapselsubstanz erfolgt, ist ein solcher Vorgang beim Kiemenknorpel nicht wahrnehmbar. Die primären Kittsubstanzbalken können sich verdieken, durch intussusceptionelles Wachsthum oder Abscheidung neuer Grundsub- stanz an der Oberfläche der Zellen; diese neugebildete Grundsub- stanz nimmt aber nie den Charakter gesonderter Kapseln an, sondern verschmilzt sofort ohne Grenze mit der primären Kittsubstanz. Eben so entsteht durch Theilung von Zellen und Ausscheidung von Scheide- wänden zwischen denselben innerhalb des Knorpels neue Grundsub- stanz in organischem Zusammenhange mit der alten, und ist die Bildung von Zellterritorien nicht so ausgesprochen wie beim Schädel- knorpel, da die neugebildeten Grundsubstanzlamellen ganz dieselbe Beschaffenheit annehmen wie die alten. Demnach bildet die Grundsubstanz im Kiemenknorpel stets ein homogenes, einheitliches Alveolenwerk, das ein- fach als vermehrte primäre Kittsubstanz aufgefasst werden kann. Dieser Unterschied zwischen Schädel- und Kiemenknorpel kann dureh die Eisen-Hämatoxylinfärbung an Schnitten oft sehr deutlich hervortreten. Während die homogenen Grundsubstanzbalken des Kiemenknorpels auch gleichmäßig schwarz gefärbt erscheinen, färbt sich im Schädelknorpel nur die primäre Kittsubstanz, die innerhalb derselben entstandenen Zellterritorien entfärben sich vollkommen, so dass ein Bild entsteht, wie man es bei alleiniger Färbung des Balkennetzes von MÖRNER im Hyalinknorpel erhält. Der Grund, warum in dem einen Falle die sekundäre Bildung von Kapselsubstanz — welche eine wesentliche Erhöhung der mecha- nischen Widerstandsfähigkeit und Verminderung der Biegsamkeit des Knorpels zur Folge haben muss — erfolgt, in dem anderen unter- bleibt, dürfte sich ungesucht aus der verschiedenen mechanischen Leistung beider Knorpelarten ergeben, wofür noch weitere Beob- achtungen sprechen. Eben so auffallend nämlich als wie die angeführten 630 Josef Schaffer, morphologischen Unterschiede zwischen den Kopf- und Kiemenknorpeln ist ihre Verschiedenheit in mikroche- mischer Hinsicht, welche an Interesse noch gewinnt, wenn wir bedenken, dass sie zwei Knorpelsysteme betrifft, deren mechanische Leistung und funktionelle Bedeutung ebenfalls eine deutlich ver- schiedene ist. Während die Stäbe des Kiemenkorbes bei der Athmung rhythmi- sche Biegungen und Streckungen vollführen müssen, stellen die Schädelknorpel (Basilarknorpel und Trabekel, Ohrkapsel) starre un- bewegliche Stützen oder Umhüllungen dar. Die knorpelige Nasen- kapsel hingegen, welche in einem beweglichen Theile des Schädels ihren Sitz hat, indem sie an den verschiedenen Bewegungen der Oberlippe theilnehmen muss, zeigt in morphologischer und mikro- chemischer Hinsicht volle Übereinstimmung mit den Kiemenknorpeln. Diese Thatsache scheint mir für das fernere Studium des Knorpel- gewebes von fundamentaler Bedeutung, indem sie ein Verallgemeinern an einzelnen Knorpeln gewonnener Thatsachen von vorn herein aus- schließt. Struktur und Chemismus eines Knorpels stehen in innigstem Zusammenhange mit seiner Funktion. Was nun den Unterschied im chemischen Aufbau der Schädel- und Kiemenknorpel anlangt, so finden wir, dass die Knorpel der Ohrkapsel und der Schädelbalken bei einer Doppelfärbung mit Hämalaun-Eosin sich fast ausnahmslos intensiv mit Eosin färben, während die Kiemenknorpel eine große Affinität zum blauen Farbstoffe zeigen, immer intensiv blau gefärbt erscheinen. Der Ohrknorpel bleibt selbst bei Überfärbung mit Hämalaun farblos. Da Hämalaun nach Fixirung der Gewebe in Pikrinsäuresublimat ein verlässliches Färbe- reagens auf Chondromueoid ist, kann man diesen Unterschied wohl mit Recht auf einen Mangel dieser Substanz in den Ohrkapseln und Schädelbalken zurückführen. Dies beweisen auch die Ergeb- nisse mit anderen Färbereaktionen, so besonders die Doppelfärbung wit Tropaeolin-Methylviolett nach MÖRNER, obwohl die Handhabung derselben viel schwieriger ist. Aber an gut gelungenen Präparaten erscheinen bei dieser Behandlung die Schädelknorpel lebhaft orange, die Kiemenknorpel und der später zu besprechende Schleimknorpel violett gefärbt. Dass dieser mikrochemische Unterschied ein frühzeitig auf- tretender und zur Knorpelart in innigster Beziehung stehender ist, kann man am schönsten dort sehen, wo sich der Kiemenknorpel mit dem Knorpel der Parachordalia verbindet. Diese Verbindung ist Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 631 eine sekundäre; noch bei Larven von 7,5 mm Länge erscheinen - Kiemenkorb und Schädelknorpel vollkommen getrennt. Später wachsen die ersten Querstäbe zu beiden Seiten der Chorda in zwei kopfwärts gerichtete, parachordale Knorpelstäbe aus, und diese ver- wachsen, wie ich im ersten Abschnitte erwähnt habe, mit den cau- dalen Enden der selbständig entstandenen Schädelbalken. Obgleich nun diese Verwachsung zu einer vollständigen Kontinuität der Knorpelgrundsubstanz führt, bleibt der mikrochemische Unterschied der beiden Knorpelarten erhalten und kann man an dieser Stelle an Längsschnitten, die mit Eosin-Hämalaun gefärbt wurden, den intensiv roth gefärbten Schädelknorpel direkt in den blau gefärbten Kiemenknorpel übergehen sehen (Fig. 26 bei D). Die Verbindung geschieht in der Weise, dass sich die ober- flächlichen Grundsubstanzlagen der beiden Knorpelarten bis zur Berührung an einander legen, so dass die dadurch entstehenden Scheidewände zur Hälfte aus roth gefärbter, zur anderen Hälfte aus blau gefärbter Grundsubstanz bestehen. Das Perichondrium zieht in einem Zuge über diese Verbin- dungsstelle hinweg. Hier ist auch der Ort, mit einigen Worten auf die Art und Weise, wie die Verbindung des Knorpelskelettes mit der Chorda erfolgt, zurückzukommen. Während diese Verbindung im Bereiche des zweiten bis sieben- ten Paares der Querstäbe durch eine dünne Lage des zellarmen Perichondriums (Fig. 27 und 28 ?) erfolgt, indem dasselbe an der Elastica chordae (E) fest anhaftet, gestaltet sich dieses Verhalten für das erste Paar der Querstäbe wesentlich anders und sehr eigen- thümlich. Nachdem die dorsalen Enden der ersten Querstäbe in der oben (p- 612 ff.) angegebenen Weise parachordal zu liegen gekommen sind, erscheinen sie zunächst auch nur durch Periehondrium mit der Chorda- scheide verbunden (Fig. 30). Dieses Periechondrium zeigt aber einen anderen Charakter, als jenes an den Verbindungsstellen der übrigen Querstäbe, indem sich den Zellen desselben groß- und kleinblasige Zellen (Fig. 30 F) des epichordalen Fettgewebes beimengen. Gleich- zeitig zeigen die sonst spärlichen und unansehnlichen Zellen des Perichondriums Vermehrungs- und Wachsthumserscheinungen; viele derselben sind protoplasmareicher geworden (Xb), und einzelne bilden bereits im Anschluss an die oberflächliche Grundsubstanzlage des Knorpels ebenfalls Knorpelgrundsubstanz in Form dünner Kapseln 632 Josef Schaffer, oder Bälkchen (X), in welche wieder auch die Fasern des Perichon- driums mit einbezogen werden. Die groß gewordenen Zellen des Perichondriums, welche man als Chondroblasten auffassen muss, sind im Schnittpräparat, an dem das Fett extrahirt ist, oft schwer von den kleinsten Fettzellen zu unterscheiden, und so kann hier leicht der Eindruck entstehen, als ob das ganze Gewebe zwischen Para- chordalia und Chorda knorpelbildend wäre. Es ist dies jenes Ge- webe, welches GEGENBAUR als skeletogenes bezeichnet hat. Noch weiter kopfwärts haben sich sämmtliche Zellen des Peri- chondriums in Chondroblasten umgewandelt und zwischen sich Knorpelgrundsubstanz ausgeschieden (Fig. 31). So ist zwischen Chorda und dem parachordalen Längsstab eine intercalare Knorpel- masse (X) vom Typus des Kiemenknorpels entstanden, welche zwi- schen beiden eine feste Verbindung herstellt, während die blasigen Zellen des Fettgewebes vollkommen verdrängt worden sind. Dieses ganze Verhalten ist von besonderem Interesse für das Verständnis der Neurapophysenentstehung bei der Metamorphose, von der am Schlusse dieser Abhandlung die Rede sein wird. B. Der Schleimknorpel. Der Schleimknorpel! von Ammocoetes wurde zuerst von SCHNEI- DER als eine Abart des Knorpelgewebes erkannt und beschrieben, wesshalb ich seine Schilderung wörtlich anführe. »Zwischen den Platten des Perichondriums findet sich bei Ammocoetes in einer ziem- lichen Ausdehnung ein Gewebe, welches ich mit dem Namen Schleim- knorpel bezeichne. Es tritt an den Rändern der Schädel- und Kiemenknorpel auf, und obgleich seine Zellen sich vielleicht nicht unmittelbar in Knorpel umwandeln, zeigen sie die Stellen an, wohin sich die Schädel- und Kiemenknorpel ausdehnen und wo sich neue Knorpel ausbilden. Die Platten des Perichondriums weichen aus einander und lassen einen Raum zwischen sich, welcher fast ganz mit Fäden ausgefüllt wird, welche vorherrschend senkrecht zu den ! Mit KAENSCHE ziehe ich den Ausdruck »Schleimknorpel« dem ebenfalls von SCHNEIDER und NESTLER gebrauchten Synonym »Vorknorpel< vor, nicht nur, weil FÜRBRINGER mit dem letzteren bei Petromyzon bestimmte vor dem eigentlichen Schädel gelegene Knorpelstücke bezeichnet, sondern weil es sich in der That um einen Knorpel handelt, der durch seinen reichlichen Gehalt an Chondromucoid ausgezeichnet ist. Diese Eigenschaft unterscheidet ihn auch von dem Vorknorpel STRASSER’s und HAsse’s, obwohl er zum fertigen Hyalin- knorpel des Petromyzon in ähnlichem Verhältnisse steht, wie das prochondrale Gewebe zum fertigen Knorpel. - nn Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 633 Platten des Perichondriums stehen, aber auch in allen anderen Rich- tungen verlaufen. Diese Fäden quellen in kalter Essigsäure nicht. Sie färben sich nur nach langer Einwirkung in Karmin-Ammoniak und werden dann durch Essigsäure nicht entfärbt. Auf den Fäden liegen sternförmige Bindegewebszellen. Zwischen den Fäden und Zellen findet sich keine feste Intercellularsubstanz, sondern Flüssig- keit. Man kann die Fäden als elastische Fasern oder auch als Reste der gallertförmigen Intercellularsubstanz betrachten!«. Diese Angaben wurden von KAENSCHE?, einem Schüler SCHNEI- DER’S, theilweise wiederholt, doch geht aus der Art seiner Darstel- lung hervor, dass er diesen Schleimknorpel mehr für eine eigen- thümliche Modifikation des Perichondriums, als für Knorpelgewebe hält. KAENSCHE schreibt p. 231: »Das Perichondrium ist bei Ammo- coetes nicht auf die Umhüllung des schon vorhandenen Knorpels beschränkt, sondern erhebt sich zunächst von den Schädelbalken nach oben und medial nach innen zur Bildung der festen, fibrösen Schädelkapsel. Außerdem aber weichen, wie SCHNEIDER zuerst angegeben hat, die Platten desselben an den äußeren Rändern der Knorpel etwas aus einander und setzen sich als sehr dünne Lamellen in ganz bestimmten Richtungen durch den Körper fort. Der Raum zwischen je zwei Platten des Perichondriums ist von einer eigen- thümlichen Modifikation des Bindegewebes, die SCHNEIDER Schleim- oder Vorknorpel genannt hat, ausgefüllt.« Auch die Schilderung, die KAENSCHE vom feineren Baue und die Abbildungen (Fig. 31, 32), die er von diesem Schleimknorpel giebt, sind sehr mangelhaft. BuJor endlich erklärt den Schleimknorpel ScHNEIDEr’s einfach für fibröses Bindegewebe, das er der Hauptsache nach aus sehr durch- scheinenden, glasartigen elastischen Fasern zusammengesetzt sein lässt”. Dieser scheinbare Widerspruch darf uns nicht wundern, nachdem derselbe Autor, wie im ersten Abschnitte erwähnt wurde, auch die Grundsubstanzscheidewände der Kiemenknorpel für ein elastisches Fasernetzwerk erklärt. Außer diesen Autoren hat sich meines Wissens Niemand mit dem Schleimknorpel von Ammocoetes beschäftigt, obwohl es sich dabei um ein höchst eigenthümliches Ge- Il. e. p. 34. 2 Beiträge zur Kenntnis der Metamorphose des Ammocoetes branchialis in Petromyzon. Diss. Breslau 1889 und in den Zoolog. Beitr. von A. SCHNEIDER, Bd. II, 1890, p. 219—250. 3]. c. Sep.-Ausg. p. 18. 634 a Josef Schaffer, webe handelt, das schon vom allgemein histologischen Standpunkte aus volle Aufmerksamkeit verdient. Bevor ich auf die Schilderung des feineren Baues dieses Schleim- knorpels eingehe, dessen Einzelheiten die Beschreibung SCHNEIDER’S durchaus nicht erschöpft hat, sei mit einigen Worten auf die Ver- breitung des Schleimknorpels hingewiesen. Dieselbe ist eine sehr ausgedehnte und wieder am eingehendsten von SCHNEIDER beschrie- ben, so dass ich seine Angaben mit wenigen Ausnahmen bestätigen kann. Vor Allem bedarf der von SCHNEIDER allgemein ausgesprochene Grundsatz, dass der Schleimknorpel die Stellen anzeigt, wohin sich die Schädel- und Kiemenknorpel ausdehnen und sich bei der Meta- morphose neue Knorpel bilden, in so fern eine Einschränkung, als nicht alle Knorpel des Petromyzontenskelettes im Schleimknorpel vorgebildet sind und sich nicht sämmtlicher Schleimknorpel von Ammocoetes in Hyalinknorpel umwandelt. Um die folgende Beschreibung anschaulicher zu machen, habe ich in den Fig. 21—26 eine Reihe von Frontalschnitten durch den Schädel eines 9 cm langen Ammocoetes abgebildet, und zwar in ventro-dorsaler Reihenfolge, an welchen der Hyalinknorpel des Schädelskelettes roth, der des Kiemenskelettes dunkelblau, der Schleimknorpel blassblau gefärbt erscheinen. Vergleicht man diese Frontalschnitte mit den Querschnittsbildern, die SCHNEIDER (l. ec. Taf. I) gegeben hat, so wird man eine hin- reichende räumliche Vorstellung über die Anordnung des Schleim- knorpels gewinnen. Die größte zusammenhängende Schleimknorpelmasse finden wir in Form einer der Körperkonvexität entsprechend gekrümmten Platte von 0,12—0,16 mm Dicke, welche den ganzen Raum zwischen den ventralen Längsstäben im Bereich der Schilddrüse ausfüllt, ihr gleich- sam als Boden dient (Fig. 2 Thr und Fig. 21 Schp) und sich rostrad verbreitert fortsetzt in eine die Rachen- und Mundhöhle umschließende Platte, welche bis zum Mundrande reicht (Fig. 2 B und Fig. 21 MRp). Ihr caudaler Ansatz folgt dem Verlaufe der ventralen Längs- und der ersten Querstäbe, d. h. sie steigt dem Übergange der ersteren in die letzteren folgend eine Strecke weit am rostralen Rande der ersten Querstäbe empor (siehe Fig. 3 zwischen VZLS und 7, Fig. 21, 22 bei *). Bald wird sie jedoch durch die seitliche Vorwölbung des ersten Kiemensackes von der Verbindung mit den ersten Querstäben abgedrängt (Fig. 23), so dass sie nicht, wie SCHNEIDER angegeben hat, eine vollständige Fortsetzung des Kiemenkorbes an dessen vor- Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 635 derem Rande bildet. Es läuft vielmehr ihr hinterer Rand, welcher zugleich die rostrale Grenze des ersten Kiemensackes bildet, in weitem Bogen nahezu parallel zu der Knorpelschlinge, welehe der erste Querstab um die erste Kiemenöffnung bildet (Fig. 4 VS) empor, um sich über der Frontanebene wieder caudalwärts wendend am hinteren Rande der Ohrkapsel mit dem ersten Querstabe zu ver- einigen (Fig. 4 V, Fig. 26 V)). Dieser caudale verdickte Rand der Mundrachenhöhlenplatte! erscheint am Frontalsehnitt dreikantig und folgt genau dem Verlaufe der Pseudobranchialrinne (Fig. 22—24 PsBR und HR); in ihm ent- wickelt sich bei der Umwandlung des Ammocoetes in Petromyzon ein achter Querstab, das extra-hyal von PARKER, dessen Rudiment ich, wie erwähnt, auch bei Ammocoetes gelegentlich beobachten konnte (Fig. 23 RQ). Der verdiekte Rand der Mundrachenhöhlenplatte ist es auch, welchen RATHKE als ersten hyalinen Querstab beschrieben hat, worauf ich im ersten Theile hingewiesen habe. Im Übrigen sei betreffs dieser Verhältnisse auch auf die zu- treffende Schilderung NESTLER’s? verwiesen, welcher das beschrie- bene Verhalten der Mundrachenhöhlenplatte an ihrem caudalen Rande bereits richtig erkannt hat. Bei seinem Emporsteigen an der rostralen Grenze des ersten Kiemensackes entsendet dieser Rand eine kurze Schleimknorpelplatte in die laterale Lamelle des Velums, und zwar in den Ansatz des- selben längs der Seitenwand der Rachenhöhle (Fig. 23 VX). Noch weiter dorsal spaltet sich der caudale Rand der Mund- rachenhöhlenplatte in zwei nahezu senkrecht auf einander stehende Platten (Fig. 24 und 25 ZRS und ART), von denen die äußere sagittal verläuft (77RS), mehrfach durchbrochen erscheint zum Durch- tritte hohler Muskelfasern für das Velum und mit ihrem rostralen Ende die Spitze der Seitenhörner der Schädelbalken (pterygoid von PARKER) umfasst (Fig. 25 QF und ZRS); die innere bildet die rostrale Grenze des ersten Kiemensackes, steht daher nahezu quer (ZRT) und lest sich an die caudal-ventrale Fläche der knorpeligen Ohrkapsel, i SCHNEIDER hat diese Platte als »Kiemenplatte« bezeichnet, wie ich glaube ohne Recht, da sie mit den Kiemen nichts zu thun hat. Ich wähle die ent- sprechenderen Bezeichnungen »Schilddrüsenplatte« für den ventral von der Schilddrüse gelegenen Theil, und »Mundrachenhöhlenplatte« für den die genann- ten Räumlichkeiten umschließenden Theil. zZ SCH. 10: 636 Josef Schaffer, welche sie noch weiter dorsal mit dem ersten Querstabe verbindet (vgl. auch Fig. 4 bei V). Auch das vordere Ende der Mundrachenhöhlenplatte, welches dem äußeren Unterlippensaume folgt, steht mit einer rechtwinkeligen Schleimknorpelplatte lose in Verbindung. Dieselbe liegt zu beiden Seiten des medianen Tentakels im Wulste der Unterlippe, so dass die innere Lamelle sagittal, die äußere transversal steht, während der nach vorn und außen offene Winkel das rundliche Bündel des queren Unterlippenmuskels umfasst (Fig. 22 ULK und ULXK’. Wäh- rend ventralwärts die beiden Lamellen getrennt zwischen die Muskel- bündel eindringen, wie dies SCHNEIDER! beschrieben hat und so ganz in die Nähe des Vorderendes der ventralen Kiemenkante gelangen, wan- deln sie sich dorsalwärts in einen dreieckigen Stab um (Fig. 23 ULK), der seitlich in der Begrenzung des Mundeinganges emporsteigt, sich, immer dünner werdend, gegen die Schädelbasis krümmt, um endlich mit einer Schleimknorpelmasse zu verschmelzen, in welche die bogenförmige Vereinigung der Schädelbalken hinter der Nasenkapsel eingebettet erscheint (Fig. 24 SNP). Diese ziemlich mächtige Schleimknorpelmasse hängt rostralwärts, die häutige Schädelkapsel umfassend (Fig. 24 SNP) mit einem Schleimknorpel zusammen, der zu beiden Seiten der knorpeligen Nasenkapsel (NX) sich einerseits an diese anschließt, andererseits lateralwärts sich zwischen das rostrale Ende der Seitenlängsmuskeln und der gekreuzten Oberlippenmuskulatur einschiebt, so gleichsam die Rolle einer knorpeligen Muskelscheidewand spielend (Fig. 25 SV). Dieselbe bildet zugleich den hinteren Rand einer dreieckigen Schleim- knorpelplatte, welche sich unter der offenen Nasenrinne als Stütze derselben nach vorwärts schiebt. Im Velum findet sich außer der Schleimknorpelplatte in seiner lateralen Wurzel ein dreieckiger Knorpelstab als Stütze des rostralen Umschlagsrandes (Fig. 23 und 24 VX’), welcher etwas unter der Frontanebene beginnt und bis zur dorsalen Verbindungsstelle der beiden inneren Lamellen des Velums emporzieht. Eine dünne senkrechte Schleimknorpelplatte dient der ventralen Kiemenkante als Stütze (Fig. 21 VKA) und reicht dieselbe rostral- wärts bis in die Basis des medialen Tentakels. Eine Schleimknorpelspitze zeigen auch die Konvexitäten der kopfwärts gerichteten Krümmungen der Querstäbe (Fig. 22 und 23 FF), 171. ce. p. 61 und Tat. I, Pie. 4. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 637 ‚sowohl dorsal als ventral; die mittlere Krümmung des ersten Quer- stabes besitzt ebenfalls eine zuerst von NESTLER beschriebene Schleim- knorpelspitze. Schleimknorpel findet sich endlich an den der äußeren Kiemen- rinne zugewendeten Rändern der hypo- und epitremalen Längsstäbe ventral und dorsal von den Kiemenöffnungen. Die Beziehungen dieser schleimknorpeligen Anlagen zum Knorpel- skelette des Petromyzon ergeben sich theilweise leicht aus dem Ver- gleiche des letzteren mit dem ungleich einfacheren Skelette von Ammocoetes; theilweise bedürfen dieselben noch einer genaueren Untersuchung und verweise ich auf das Folgende. Was nun den feineren Bau dieses Schleimknorpels an- langt so bietet derselbe eine Reihe von Eigenthümlichkeiten, welche ihn wesentlich vom Knorpelgewebe der höheren Wirbelthiere unter- scheiden und ihn als ein Gewebe sui generis erscheinen lassen. Trotzdem halte ich es für vollkommen gerechtfertigt, dasselbe dem Knorpelgewebe zuzurechnen! und werden wir bei aller Verschieden- heit Anknüpfungspunkte im Aufbaue desselben finden, welche einen Vergleich einerseits mit dem Stützgewebe gewisser niederer Thiere, andererseits mit dem Knorpelgewebe höherer Wirbelthiere gestatten. Im frischen Zustande besitzt der Schleimknorpel ein hyalines, vollkommen durchsichtiges Aussehen, und neben einer gewissen Weichheit und Biegsamkeit jene Elastieität und Festigkeit, welche seine Verwendung am Aufbaue des Skelettes, besonders als schützende Hülle der Mundrachenhöhle verständlich machen. Schneidet man einem eben getödteten Ammocoetes ein Stück der Schilddrüsenplatte heraus, so gelingt es leicht durch Schaben mit dem Skalpell Epidermis und Corium zu entfernen und so den Schleimknorpel allein zur Ansicht zu bekommen. Versucht man ihn mit Nadeln zu zerzupfen, so gelingt dies nur mit einiger Mühe in Folge der Festigkeit des Gewebes und kann man dabei eine gewisse Spaltbarkeit senkrecht zur Oberfläche desselben beobachten. Betrachtet man ein solches Spaltungsstück in !/,0/,iger Kochsalz- lösung (Fig. 15), so scheint dasselbe überwiegend aus Fasern zu- sammengesetzt zu sein, zwischen welchen zunächst nur rundliche Zellkerne spärlich verstreut erscheinen. Die Fasern selbst sind dicht an einander gedrängt, vielfach nach ' Eine Zusammenfassung der Gründe hierfür habe ich in der vorläufigen Mittheilung: »Zur Kenntnis des histologischen und anatomischen Baues von Ammocoetes<, Anat. Anz., Bd. X, 1895, p. 707 gegeben. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 42 638 Josef Schaffer, Art eines Filzes durchflochten, lassen aber im Allgemeinen eine Hauptverlaufsrichtung senkrecht zu den Oberflächen des Perichon- driums (P) erkennen. Das Lichtbreehungsvermögen der Fasern im frischen Zustande ist kein besonders starkes und quellen dieselben nach Zusatz von kalter Essigsäure bald auf, so dass sich nach kurzer Zeit der ganze Knorpel in eine glasartig durchsichtige Masse verwandelt, in welcher nur die Zellkerne deutlich hervortreten; die ganze reiche Faserung ist spurlos verschwunden. Dies muss ich entgegen der Angabe SCHNEIDER’S, dass die Fasern in kalter Essigsäure nicht quellen, besonders hervorheben, weil da- durch die von diesem Autor ausgesprochene Möglichkeit, die Fasern für elastische zu halten, ausgeschlossen erscheint, obgleich, wie wir sehen werden, ihr morphologisches Aussehen im gehärteten Zustande manche Ähnlichkeit mit solchen bietet und auch ihr Quellungs- vermögen so verändert wird, dass sich die Angabe SCHNEIDER’S möglicherweise auf das gehärtete Gewebe bezieht. Nicht viel mehr erfährt man über den Bau dieses Gewebes an Schnitten durch den mannigfach fixirten Knorpel. Die Fasern treten hier jedoch schärfer hervor und glaubt man an vielen derselben Verzweigungen nach Art der elastischen Fasern wahrzunehmen (Fig. 16). An den Oberflächen der Knorpelplatten liegt ein ziemlich derbes, mit spärlichen, flachen Zellen versehenes Perichondrium (Fig. 16 ?’ und ?), welches dort, wo Schleimknorpel an Hyalinknorpel stößt, direkt in das Perichondrium des letzteren übergehen kann. Dieses Perichondrium ist an der Außenfläche der Schilddrüsen- und Mund- rachenhöhlenplatte derber und schärfer begrenzt als an der Innen- fläche, an welcher man gelegentlich auch Fasern des Knorpels büschelförmig in das Perichondrium ausstrahlen und dasselbe senk- recht durchsetzen sehen kann (Fig. 16 2). Der Verlauf der Fasern ist nicht überall derselbe; in der Schilddrüsen- und Mundrachenhöhlenplatte sind sie im Allgemeinen parallel zu einander und senkrecht zu den Platten des Perichon- drium angeordnet. In den Schleimknorpelplatten der Oberlippe er- scheinen sie oft so gedreht, dass an sagittalen Durchschnitten wirtel- förmige Figuren entstehen. Zwischen den Fasern treten nun deutlich verästelte Zellen mit faden- oder flügelförmigen Fortsätzen hervor, welche vielfach unter einander zu anastomosiren scheinen. Zwischen Zellen und Fasern findet sich eine vollkommen hyaline und gleichmäßige Masse, welche Über das knorpelige Skelett vou Ammocoetes branchialis ete. 639 Färbungen gegenüber ein ganz charakteristisches Verhalten zeigt. Auf Grund der Angaben SCHNEIDER’s über die Natur der Fasern versuchte ich zunächst eine Reihe von Färbungen, mittels welcher erfahrungsgemäß der Nachweis elastischer Fasern in den Geweben von Säugethieren leicht gelingt. Versuche mit Orcein nach der Angabe von UnNnA-TÄNZER! er- gaben an Schnitten aus Alkohol betreffs der elastischen Natur der Fasern vollkommen negative Resultate. Aber auch die Elastica der Chorda, sowie die Grundsubstanzbalken der anstoßenden Schädel- trabekel blieben absolut farblos. Dagegen zeigten sich die Schleim- körnchen in den intraepithelialen Drüsen der Kiemensäcke, die oberflächlichste Lage der Epidermiszellen, welche ebenfalls reichlich Schleim produeiren und die Grundsubstanz des Schleimknorpels mit Orcein gefärbt. Wie mittels dieser Färbung, so blieben die Fasern des Schleim- knorpels auch bei Anwendung anderer, specifischer Färbungen auf elastische Fasern ungefärbt. Dagegen zeigte die Grundsubstanz stets deutliche Schleimfärbung. So färbt sie sich intensiv blau mit Häm- alaun und Hämatoxylinthonerde nach DELAFIELD, violett bei MÖRNER’S Doppelfärbung mit Tropaeolin-Methylviolett, während die Fasern lebhaft gelb gefärbt erschienen; eben so die Elastica chordae und die Grundsubstanzbalken der Schädelknorpel. Die Knorpel des Kiemenkorbes erschienen bei gelungener Färbung, wie erwähnt, ebenfalls violett. Diese Farbreaktionen zeigen deutlich, dass die Grundsubstanz des Schleimknorpels größtentheils aus einer schleimhaltigen Masse besteht?, in welche verästelte Zellen und Fasern eingebettet er- scheinen, welche sich färberisch wie Bindegewebsfasern verhalten. Damit ist jedoch der Bau des Schleimknorpels nicht erledigt; ein wichtiges morphologisches Verhalten erkennen wir erst an Iso- lationspräparaten des in MürLter’scher Flüssigkeit erhärteten Ge- webes. Man verfährt dabei am besten so, dass man kleine Stückchen des gut ausgewässerten Schleimknorpels in Eosin oder Congoroth 1 Monatshefte f. prakt. Dermatol. Bd. XII. 1891. p. 394. 2 Ich bemerke hier ausdrücklich, dass sich mit Hämalaun nur der als Chondromucoid bezeichnete schleimähnliche Körper blau färbt, während der Schleim von Becherzellen, in den Schleimsäcken von Myxine etc. absolut un- gefärbt bleibt, sich dagegen mit Hämatoxylin nach DELAFIELD intensiv blau färbt. 42* 640 Josef Schaffer, färbt und dann in Glycerin-Wassergemisch sorgfältig zerzupft. Auf solche Weise wurden die in Fig. 17, 18 und 19 abgebildeten Präpa- rate gewonnen. An solchen Präparaten treten die Leiber der ver- ästelten Zellen gut gefärbt hervor und kann man zweifellos erkennen, dass dieselben durch breitere oder dünnere Fortsätze unter einander in Verbindung stehen (Fig. 17 A, Zund Z’). Die Beobachtung dieser Anastomosen wird einigermaßen dadurch erschwert, dass die Zell- ausläufer sich oft sehr stark abplatten, verbreitern und anscheinend aufgefasert ganz allmählich in die Grundsubstanz verlieren, wie dies an der in Fig. 19 abgebildeten Zelle sehr schön zu sehen war. Auffallenderweise gelingt es nie solche anastomosirende Zellen voll- kommen zu isoliren; betrachtet man dieselben aufmerksam mit den stärksten Vergrößerungen, dann sieht man zwischen ihren Ausläufern und dem Zellleib dünnste Häutehen ausgespannt (Fig. 17 B), und in diese Häutehen, nieht in formlose Grundsubstanz, verlieren sich auch die aufgefaserten Enden der Zellen. Es gelingt nicht schwer größere Stücke solcher Platten zu iso- liren, die streckenweise vollkommen homogen, dann wieder fein ge- streift, wie aus Fibrillen zusammengesetzt erscheinen (Fig. 17, 18). An denselben kann man auch erkennen, dass die Platten ein Bildungsprodukt der Zellen sind, indem die stark abgeplatteten Ausläufer der Zelle sich direkt in die fibrilläre Streifung der Mem- bran fortsetzen, diese fibrilläre Streifung aber auch noch über den Zellleib hinweglaufend gesehen werden kann (Fig. 19). Diese letztere Beobachtung, welche Dank des deutlichen Her- vortretens der Fibrillen durch die Färbung mit Congoroth in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Fibrillen als eine differen- zirte und kontinuirliche Oberflächenlage des Zellprotoplasmas er- kennen lässt, bewahrt uns auch vor der irrthümlichen Annahme, als ob hier die platten, zerfaserten Enden der Zellen direkt in die differenzirten Fibrillen übergehen würden, d. h. als ob letztere aus den Ausläufern der Zelle auswachsen würden. Der Umstand, dass die Fibrillen in gleichmäßigem Zuge auch durch die scharfrandig begrenzten Buchten zwischen den Zellausläufern ausgespannt ver- laufen, lässt vielmehr vermuthen, dass hier Zellprotoplasma schon längst vollkommen in die Differenzirung von Fibrillen aufgegangen ist und ein ähnlicher Process an den wachsenden Enden der Aus- läufer noch immer im Gange ist. Ich befinde mich mit diesen Beobachtungen vollkommen in Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 641 Übereinstimmung mit den Darstellungen, welche Lworr! und Freu- MING? von der Entwicklung der Bindegewebsfibrillen gegeben haben. Wir können demnach die Beziehung der Zellen zu den Platten un- sezwungen als eine Bildung bindegewebiger Platten durch Ober- flächendifferenzirung von Zellprotoplasma auffassen, und zwar sind an der Bildung einer Platte, beziehungsweise Fibrille, mehrere Zellen betheiligt, wie man aus dem ununterbrochenen Hinwegziehen der Fibrillen über benachbarte Zellen schließen muss, woraus auch ohne Weiteres der Zusammenhang der Zellen verständlich wird, der so lange ein protoplasmatischer ist, als die Verbindungsbrücke nicht zur Differenzirung von Fibrillen verbraucht ist. Mechanisch bleibt er auch hernach bestehen und macht der fibrilläre Zusammenhang eine Isolation der Zellen unmöglich. Die Zellen sitzen den Platten mit breiter Fläche auf, und da die letzteren eine bestimmte Anordnung zeigen, ist auch das Aus- sehen der Zellen an Schnitten je nach der Schnittrichtung ein ver- schiedenes. An Schnitten parallel zur Fläche der Membranen erscheinen die Zellen als flächenhaft ausgebreitete, verzweigte Gebilde, auf darauf senkrechten Schnitten dagegen spindel- oder stäbchenförmig. Dieses verschiedene Aussehen gestattet demnach einen Schluss auf die Anordnung der Platten. So auffallend sich nun auf den ersten Blick dieses beschriebene Gewebe von dem, was man gewöhnlich als Knorpelgewebe bezeichnet, unterscheidet, so wird man bei genauem Vergleiche doch eine Anzahl von ähnlichen Geweben finden, welche als Übergangsformen zu typi- schem Knorpelgewebe aufgefasst werden müssen. Das Befremdendste im Aufbau des Schleimknorpels von Ammo- coetes bilden wohl die verästelten Zellen ohne jede Grenzscheiden- bildung und die reichliche Faserplattenbildung in der Grundsubstanz, Verästelte Zellen in echtem Hyalinknorpel sind jedoch vielfach beschrieben worden, und zwar außer bei niederen Thieren (Cephalo- poden, Selachiern, Ganoiden) auch bei Säugethieren, wie z. B. im Kehlkopf des Ochsen an weicheren Stellen (KÖLLIKER), im Patellar- ! Untersuchungen über die Entwicklung der Fibrillen des Bindegewebes. Sitzungsber. der k. Akad. der Wiss. in Wien. Math.-naturw. Kl. Bd. XCVIII Abth. III. p. 184. ? Zur Entwicklungsgeschichte der Bindegewebsfibrillen. Internat. Beitr. zur wise. Med. VırcHow-Festschrift. Bd. I. 1891. 642 Josef Schaffer, knorpel des Neugeborenen (RETZIUS, BUDGE) und in Enchondromen (Vırcnow). Von besonderem Interesse scheint mir das Vorkommen verästelter Knorpelzellen bei Neugeborenen und in den Wachsthums- zonen des Knorpels, wo ich es z. B. in den oberflächlichen Lagen der Gelenkknorpel beim Menschen in ausgezeichneter Weise beob- achten konnte, weil es darauf hindeutet, dass es sich dabei um Jugendstadien von Knorpelzellen handelt. Daher wird auch das Vorkommen verästelter Zellen im Schleimknorpel des Querders, der ja ein ausgesprochen larvales Gewebe darstellt, weniger befremdlich. Was weiter die Fasern und Platten in der Grundsubstanz an- langt, so sind faserige Bildungen in der Knorpelgrundsubstanz längst bekannt. Ganz abgesehen von den eigentlichen Knorpelfibrillen, die sich durch große Feinheit auszeichnen, den Fasern in der Grund- substanz der sogenannten fibrösen Knorpel (Zwischenwirbelband- scheiben), sowie den elastischen Fasern in den Netzknorpeln, finden sich auch echte Hyalinknorpel, in deren Grundsudstanz vom Peri- chondrium aus derbe Bindegewebsfaserzüge einstrahlen, wie z. B. im Bindegewebsknorpel der Elasmobranchier (Hasse). Hierher gehören auch gewisse Knorpel (Zungenbeinkiel) von Myxine, in denen die blasi- gen Knorpelzellen in ein dichtes Gerüstwerk bindegewebiger Platten- faserzüge eingebettet erscheinen. Endlich erinnere ich an die von LAnGHAns! beschriebenen Bilder in den Skleralknorpeln gewisser Fische (Hexanchus) und die von Hasse? beschriebenen Fälle bei Heptanchus und Plagiostomen, wo im echten Hyalinknorpel prochondrale Gewebereste stehen bleiben, in denen die Zellen dann häufig keine Membran besitzen, auswachsen, Fortsätze treiben, wobei dann diese in Verbindung mit der kompri- mirten Grundsubstanz elastische Platten, Kernfasern oder einfache _ elastische Fasern darstellen. | | Elastische Fasern in reichlich entwickelter Grundsubstanz ein- gelagert fand ich in ausgezeichneter Weise auch in den. Wirbel- knorpeln von Acipenser ruthenus. Etwas Ähnliches, wenn auch ir geringerer Entwicklung, kann man auch an den Rändern der Kehl- kopf- und Luftröhrenknorpel beim Menschen sehen. Finden wir so einerseits im Knorpelgewebe der höheren Thiere mannigfache Anklänge an den Schleimknorpel von Ammocoetes, so i Untersuchungen über die Sclerotica der Fische. Diese Zeitschr. Bd. XV. 1865. p. 249. ?2 Über den Bau und über die Entwicklung des Knorpels bei den Elasmo- branchiern. Zool. Anz. 1879. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 643 zeigt derselbe andererseits auch deutliche Übergänge zu dem Typus des Stützgewebes bei Wirbellosen. So beschreibt ÖRLEY! im trichter- förmigen Deckel der Serpula vermicularis ein Gewebe, »welches an den hyalinen Knorpel erinnert«, das er jedoch zu dem bei wirbellosen Thieren so sehr verbreiteten Gallertgewebe rechnet. Seine Beschrei- bung, sowie die Abbildung 32, Taf. XIII, welche er von diesem Ge- webe giebt, erinnert lebhaft an den Schleimknorpel von Ammocoetes, Leider hat ÖrLEY nur mit Karmin gefärbt, so dass wir über das Verhalten der Grundsubstanz des Gewebes keinen näheren Aufschluss erhalten. Ich hebe aus seiner Beschreibung Folgendes hervor: » Wir finden eine homogene Grundsubstanz mit eingelagerten Zellen, die bald mehr, bald weniger zahlreiche Ausläufer entsenden, welche netz- artig unter einander in Verbindung treten..... Die Ausläufer sind immer solid aussehende Fasern..... Auf Längsschnitten wird man öfters gewahr, dass sie parallel der Achse des Stieles sich anordnen und das Aussehen von Lamellen bekommen. .... Dieses eben be- schriebene Gewebe ist unter den Evertebraten besonders bei vielen Würmern und im Mantel der Tunicaten verbreitet. In dem Kragen der Sabelliden und Terebelliden scheint es nach den Untersuchungen von ÜLAPAREDE sehr gewöhnlich zu sein.« Wie nahe das als Schleimknorpel beschriebene Gewebe von Ammocoetes einem gallertigen Füll- oder Umhüllungsgewebe steht, kann man am besten an der Oberlippe dieses Thieres sehen. In der Peripherie der Nasenkapsel, und zwar in ihren dorsalen Partien, geht der Schleimknorpel ohne scharfe Grenze über in ein Gewebe, welches die größte Ähnlichkeit mit ersterem besitzt und die Zwischenräume zwischen den Muskelfasern ausfüllt, wie ein interstitielles Binde- gewebe. Es unterscheidet sich vom Schleimknorpel dort, wo er von Perichondrium umschlossen ist, nur durch eine schwächere Färbbarkeit in Hämalaun und geringeren Gehalt an Fasern in der Grundsubstanz, so dass diese Füllmasse, welche an den Stellen der späteren »Vorknorpel« von FÜRBRINGER gefunden wird, in der That sehr an ein Gallert- oder Schleimgewebe erinnert. Die Formen der Bindesubstanzen sind eben durchaus nicht immer scharf getrennte, sondern gehen vielfach unmerklich in ein- ander über, und zwar wird dieser Übergang um so unmerklicher, je tiefer wir in der Thierreihe herabsteigen. So z. B. erinnert i Die Kiemen der Serpulaceen und ihre morphologische Bedeutung. Mit- theilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. V. 1884. p. 213, 644 Josef Schaffer, das Füllgewebe des Wirbelkanals von Ammocoetes, welches das Centralnervensystem umhüllt, vielfach an eine Form von Zellknorpel, wie er noch bei Myxine und Anuren, ja selbst bei höheren Thieren sefunden wird, wo allerdings seine wahre Knorpelnatur vielfach be- stritten ist. Die mechanische Leistung dieses eigenthümlichen Arach- noidalgewebes ist aber ähnlich, wie die mancher Knorpel und wird durch die ähnlichen Bauverhältnisse auch morphologisch zum Aus- druck gebracht!. 3. Die Umwandlung des Skelettes von Ammocoetes in das Skelett von Petromyzon. Bei der Metamorphose von Ammocoetes treten bekanntlich eine ganze Reihe neuer Skelettstücke auf, die theils selbständiger Natur sind, theils in inniger Verbindung mit dem larvalen Skelette ent- stehen. Das letztere erleidet dabei keine wesentlichen Verände- rungen und ist in seinen Umrissen im Skelette des Geschlechtsthieres noch vollkommen erhalten, wie dies bereits LANGERHANS? erkannt und KAENSCHE? neuerdings bestätigt hat. Der neu hinzukommende Knorpel entsteht nicht überall gleich, beziehungsweise auf gleicher Basis. Es kommen dabei vielmehr verschiedene Ortlichkeiten in Betracht, und zwar entsteht neues Knorpelgewebe 1) an Stelle des Schleimknorpels, 2) im fibrösen Gewebe der Gehirnkapsel um das Schädelende der Chorda, zwischen Schädelbalken und Ohrblasen u. a. a. O., 3) im epaxialen Fettgewebe. An keinem der angeführten Orte entsteht jedoch der neue Knorpel durch direkte Umwandlung, Metaplasie, des unveränderten larvalen Gewebes; wir sehen vielmehr an allen diesen Stellen lebhafte Neubildung oder Zuwanderung zelliger Ele- mente chondroblastischer Natur vor sich gehen, die dann in mehr oder minder übereinstimmender Weise die neuen Knorpel bilden. Unterschiede sind nur in der Genese der Grundsubstanz zu ver- zeichnen. 1 Diese Übergangsformen von gewöhnlichem faserigem Bindegewebe zu echtem Knorpel systematisch untersucht und geordnet zu haben ist zweifellos ein Verdienst der Franzosen, in erster Linie RANVIER’s und seines Schülers RenAUT. Wir. werden auf die einschlägigen Untersuchungen dieser Forscher an anderer Stelle ausführlich zu sprechen kommen. ? Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Verhandlungen der naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B. Bd. VI. 1876. p. 35. ' 3]. c. p. 232. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 645 | a. Die Schicksale des Schleimknorpels von Ammocoetes bei der Umwandlung in Petromyzon sind im Einzelnen nicht genügend verfolgt. Thatsache ist, dass bei Petromyzon keine Spur von Schleimknorpel mehr gefunden wird, und dass viele bei der Metamorphose neu auftretende Knorpel vom larvalen Schleimknorpel aus entstehen. . So entwickelt sich aus dem verdickten caudalen Rand der Mundrachenhöhlenplatte, wie schon erwähnt, der erste Querstab des Kiemenskelettes von Petromyzon, aus dem im unteren Lippensaum gelegenen Schleimknorpel der Lippenring; aus der Schleimknorpel- platte unter und vor der Nasenkapsel vervollständigt sich theils die letztere, theils geht die hintere Deckplatte (Ethmoid) daraus hervor; aus den Fortsätzen der Mundrachenhöhlenplatte, welche sich an die Ohrkapsel und die Seitenhörner der Schädelbalken anlegen, ent- wickeln sich die absteigenden Schädelfortsätze, aus dem Schleim- knorpel im medianen Tentakel und der medianen Schleimknorpel- platte in der ventralen Kiemenkante das Zungenbein und der Zungenbeinstiel, aus den Schleimknorpelspitzen an den Konvexitäten der kopfwärts gerichteten Krümmungen der Querstäbe die haken- förmigen Fortsätze an denselben Stellen des Kiemenskelettes von Petromyzon, aus den schleimknorpeligen Rändern der hypo- und epitremalen Längsstäbe die Knorpelringe der Kiemensackausführungs- gänge etc. SCHNEIDER drückt sich über die Beziehungen beider Gewebe sehr vorsichtig aus, indem er sagt, dass der Schleimknorpel, obwohl sich seine Zellen vielleicht nicht direkt in Knorpel umwandeln, die Stellen anzeigen, wo sich die Schädel- und Kiemenknorpel aus- dehnen und wo sich neue Knorpel ausbilden!. — Eine sehr eigenthümliche Darstellung von der Umwandlung des Schleimknorpels in hyalinen giebt KAENSCHE?: »Die neuen Knorpel entstehen in der Weise, dass an allen eben erwähnten Stellen (d. h. an denen Schleimknorpel vorkommt) zahlreiche rundliche Zellen mit großen Kernen, die fast das ganze Lumen (!) der Zelle einnehmen, auftreten. Dieselben vermehren sich rasch, so dass sie bald, dicht an einander gedrängt, den Raum, den der Schleimknorpel früher einnahm, ausfüllen...... Die Intercellularsubstanz fehlt anfänglich noch vollständig. Sie entwickelt sich erst allmählich, und zwar tritt 646 Josef Schaffer, sie zuerst in der Peripherie des jungen Knorpels auf. Von hier dringt sie allmählich in das Innere desselben vor.« Nach Buwsor! erleidet der Schleimknorpel vor seiner Umwand- lung eingreifende Veränderungen. Die Grundsubstanz wird sehr flüssig und durchsichtig, es treten die ersten Spuren der Fasern (d. h. der Scheidewände, deren Durchschnitte Busor für Fasern hält) auf, und vor Allem eine große Anzahl junger Bindegewebszellen mit hellem Protoplasma, die theilweise unmittelbar zu Knorpelzellen werden. Ich selbst konnte die Vorgänge, welche während der Metamor- phose beim Auftreten der neuen Knorpel an Stelle des Schleim- knorpels sich abspielen, mangels geeigneter Übergangsstadien nicht in allen Einzelheiten verfolgen. Immerhin konnte ich an einigen Petromyzonten, die der Metamorphose noch sehr nahe standen, und bei denen noch nicht sämmtliche Knorpel vollkommen ausgebildet waren, einige Beobachtungen machen, welche bei gleichzeitiger ge- nauer Untersuchung der neu entstandenen Knorpel einen Schluss auf die Art und Weise dieser Neubildung gestatten. Jene Knorpel von Petromyzon, welche im Bereich des Schädels an Stelle von Schleimknorpel entstanden sind, zeigen ein eigen- thümliches Aussehen, welches die Ursache gewesen sein mag für die sonderbare Schilderung, welche KAEnscHE von der Entstehung . derselben gegeben hat. Betrachtet man eines der von FÜRBRINGER als Vorknorpel be- zeichneten Skelettstücke (Cart. annularis, semiannularis, rhomboidea) oder das Ethmoideum am Querschnitt, so findet man eine mittlere, srundsubstanzarme Partie mit großen Zellen allseitig umschlossen von einer subperichondralen Lage eines grundsubstanzreichen, klein- zelligen Knorpels, der ziemlich unvermittelt in den ersteren über- geht. Dieser Übergang ist wiederholt beschrieben und abgebildet worden. So zuerst von JOHANNES MÜLLER? dann von BERGMANN?, von Leyvig* und neuestens wieder von RAWITZ°. Beide Zonen dieser Knorpel unterscheiden sich auch färberisch, indem die centralen Partien sich nieht mit Eosin färben, während 13] .c:6p: 19, 2 Vergl. Anat. der Myxinoiden. 1. c. 1834. p. 134. Taf. IX, Fig. 5. 3 Disquisitiones microsc. de cartilaginibus. 1850. Fig. 4. * Lehrbuch der His‘ologie. 1857. Fig. 78. > Grundriss der Histologie. 1894. Fig. 54. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 647 die peripheren eine große Affinität zu diesem Farbstoffe zeigen, stets intensiv roth gefärbt erscheinen. Sie sind es auch, welche sich mit Blutfarbstoff imbibiren, und letzterer Umstand mag mit ein Grund für die intensive Rothfärbung mit Eosin sein. Die großblasigen Zellen der Mitte sind durch sehr dünne und gleichmäßige Scheidewände getrennt, die keine Zusammensetzung aus Kapselwänden erkennen lassen und vermöge ihrer Widerstands- losigkeit sammt den Zellen meist zu einem centralen Strange ver- drückt erscheinen, der einigermaßen an den Chordastrang erinnert. Gegen die Peripherie zu werden diese dünnen Scheidewände dicker, die Zellen werden kleiner und erscheinen von deutlichen Kapseln umgeben, zwischen denen sich Scheidewände einer andersartigen Grundsubstanz befinden. Endlich gehen die Zellen unter allmäh- licher Abflachung senkrecht zur Oberfläche des Knorpels in ein zellreiches Perichondrium über, in welehem jedoch die dem Knorpel zunächst gelegenen Zellen bereits ebenfalls eine Art zelltrennenden Alveolenwerks zwischen sich ausgeschieden haben, das am Durch- schnitt langgezogene Maschen einer stark lichtbrechenden, nicht färbbaren homogenen Substanz bildet, die sich endlich nach außen unmerklich verliert. Demnach müssen wir die oberflächliche, grundsubstanzreiche Lage des Knorpels als direkt aus dem Perichondrium hervorgegangen ansehen, wobei sich dieselben Vorgänge abspielen, wie sie beim Wachsthum der larvalen Schädelknorpel beschrieben wurden. Die centralen Partien des Knorpels dagegen, welche in ihrem Aussehen mehr an die Kiemenknorpel erinnern, scheinen eine ganz andere Genese zu besitzen. Sie sind es, welche direkt aus den schleimknorpeligen Anlagen hervorgehen. Nach Beobachtungen an den flügelförmigen, absteigenden Fort- sätzen der Schädelbasis (Pterygoquadratum, Hyomandibulare und Hyoideum), welche sich an meinen Präparaten noch im Stadium der Umwandlung befanden, dürfte sich der histogenetische Vorgang dabei in folgender Weise gestalten: Die Zellen des Schleimknorpels vermehren sich durch Theilung und wachsen unter gleichzeitigem Verlust ihrer protoplasmatischen Fortsätze zu typischen Knorpelzellen mit kugeligem Kern heran. Diese Umwandlung betrifft zunächst nur einzelne Zellen des Schleim- knorpels, so dass man im Übergangsstadium neben Zellen, die durch ihren rundlichen Plasmakörper und kugeligen Kern bereits als echte Knorpelzellen angesehen werden müssen, noch verästelte Zellen mit 648 Josef Schaffer, unregelmäßig gestaltetem und stets stärker färbbarem Kern vorfindet, die einigermaßen an die »dunklen, prochondralen Elemente« STRAS- SER’s, wie sie bei der ersten Knorpelentwicklung auftreten, erinnern. Bei der Umwandlung der letzteren in die kugelisen Zellen des definitiven Knorpels scheint auch ein Theil ihres Protoplasmas zur Grundsubstanzbildung verwendet zu werden, wie dies STRASSER von seinen dunklen, prochondralen Elementen beschreibt!. So geht all- mählich die Umwandlung sämmtlicher Zellen des Schleimknorpels in kugelige, protoplasmareiche Knorpelzellen vor sich. Gleichzeitig erleidet auch das Faser- und Plattenwerk der Grundsubstanz eine eingreifende Veränderung, die im Wesentlichen‘ eine ähnliche ist, wie sie die Faserzüge des Perichondriums bei ihrer Aufnahme oder Umwandlung in Knorpelgrundsubstanz erfahren. In den mir vorliegenden Stadien hat es vielfach den Anschein, als ob das Faserwerk noch vorhanden wäre, indem zwischen den perichondralen Überzügen senkrecht ausgespannte Balken und Faser- züge zwischen den Zellen sichtbar sind, die in ihrer Anordnung sehr an die Faserplatten des Schleimknorpels erinnern. Bei genauerer Untersuchung sieht man jedoch, dass es sich bereits um ein stark lichtbrechendes Alveolensystem handelt, welches zwischen den Zellen hindurchgeht. Das Faserplattenwerk des Schleimknorpels scheint demnach unter dem Wachsthumsdrucke der sich vermehrenden und abrunden- den Zellen, — wobei es gleichzeitig eine mikrochemische Verände- rung erfahren dürfte — direkt überzugehen in eine Intercellular- substanz von derselben morphologischen Bedeutung, wie sie die Grundsubstanz des Kiemenknorpels besitzt, das heißt, sie bildet ein dünnwandiges Wabenwerk, innerhalb welches keine weitere Ab- lagerung von Grundsubstanz in Form von Kapseln erfolgt. Auf diesen so entstandenen Knorpel wird aber noch von den Oberflächen her perichondraler Knorpel aufgelagert, welcher durch Kapselbildung ausgezeichnet ist, daher reicher an Grundsubstanz erscheint als die centralen Partien (Fig. 20 A). Demnach besitzen die mittleren Partien der auf schleimknorpeliger Grundlage ent- stehenden Knorpel eine andere Genese als die oberflächlichen. In den ersteren wird man eine Kapselbildung vermissen; was die Autoren hier als Kapseln beschrieben haben, ist, wie beim Kiemen- ! Zur Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen. Habilit.- Schrift. Leipzig 1879. p. 24. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 649 knorpel, nur das Alveolenwerk der einheitlichen Grundsubstanz. Zu diesem kommt in den oberflächlichen Lagen die Bildung von Kapsel- substanz. Daher ist es begreiflich, wenn REexAut! bei der Schilde- rung dieser Knorpel sagt, dass sich in der Mitte des Knorpelstückes nieht die Spur von Grundsubstanz (i. e. nach unserer Auffassung Intereapsularsubstanz) findet. In gleicher Weise, wie hier auf den an Stelle von Schleim- knorpel neu entstandenen Knorpel eine periphere Lage grundsub- stranzreichen Knorpels abgelagert wird, findet an anderen Stellen eine solche Ablagerung auf den schon vorhandenen, larvalen Hyalin- knorpel statt. b. DieNeubildung vonKnorpelgewebeim straffen, fibrö- sen Bindegewebe geht nämlich stets vom Perichondrium der lar- valen Knorpel aus. So hat der caudale Abschnitt der Schädelkapsel, in welchem sie auf eine kurze Strecke zu einem vollständigen Schädeldach geschlos- sen erscheint, seine Wurzeln längs der oberen und inneren, einander zugekehrten Konvexitäten der Gehörblasen; im rostralen Abschnitte entstehen die seitlichen Schädelwände von den Trabekeln aus, eben so wie der Boden der Gehirnkapsel. Der intereraniale Abschnitt des vorderen Chordaendes wird dorsal und ventral von einer dünnen Knorpelplatte bedeckt, welche von den Parachordalia aus entsteht (Fig. 29 SXK), so dass hier die Chorda streckenweise ringsum von Knorpel umschlossen erscheint. Eben so wird die Verbindung zwischen den Ohrblasen und den Parachordalia durch eine Knorpelbrücke verstärkt, die zwischen den genannten larvalen Skelettstücken, vom Perichondrium derselben aus entsteht. In gleicher Weise geht die Bildung der knorpeligen Herzbeutelplatte vom caudalen Rande der letzten Querstäbe (Fig. 4 FS) aus etc. An allen diesen Stellen, wo neugebildeter Knorpel dem larvalen unmittelbar aufgelagert wird, ist die Grenze zwischen beiden sehr scharf markirt, indem der erstere durchwegs kleinzellig ist und direkt der oben beschriebenen oberflächlichen, breiten Grundsub- stanzlage des Larvenknorpels aufsitzt (Fig. 29). Gelegentlich werden diese Anlagerungsstellen noch durch größere Spalten besonders deut- lich hervorgehoben, in welchen die Grundsubstanzbildung unterblieben ist; sie erscheinen entweder von einer formlosen, in Hämatoxylin il. e. p. 36T. 650 Josef Schaffer, stark färbbaren Masse oder von Bindegewebsfäserchen ausgefüllt. So erscheint, was bereits KAENSCHE! betont hat, die neu entstandene Knorpelschicht überall durch eine breite Schicht von Intercellular- substanz von den Larvenknorpeln scharf geschieden (Fig. 29 @). Als einer merkwürdigen Erscheinung muss ich hier noch des Umstandes Erwähnung thun, dass beim interstitiellen Wachsthum der neu entstandenen Knorpelstücke, sowie am Ende der Wachs- thumsperiode der larvalen Knorpel im Skelette von Petromyzon die letzte Phase der. Zellthätigkeit nicht mehr zu einer Zelltheilung, sondern nur zur Kerntheilung führt, so dass man dann nahezu sämmtliche Zellen in den mittleren Partien der Knorpelstücke zwei- kernig findet. Diese Erscheinung ist bereits von mehreren Beobachtern, neue- stens wieder von Rawırz? mitgetheilt worden. Er hält die Unnach- giebigkeit der Knorpelkapsel für den Grund der unterbleibenden Zelltheilung und bezeichnet diesen Vorgang sonderbarerweise als »endogene Zellvermehrung«. Dass hier ganz andere Gründe vorliegen müssen, geht aus dem Umstande hervor, dass die Knorpelkapsel in der That nicht unnachgiebig ist, und dass solche Kerntheilungen ohne nachfolgende Zelltheilung regelmäßig auch in anderen, kapsel- losen Zellen, wie z. B. in den Zirkelkopfzellen der Petromyzonten- haut, in Leberzellen, in den Pigmentzellen der Retina ete. beobachtet werden. c. Was die Entstehung der oberen Bogenstücke im epi- und parachordalen Fettgewebe anlangt, so hat bekanntlich GEGENBAUR dieses Fettgewebe vor längerer Zeit als einen Binnenbe- standtheil des skeletogenen Gewebes bezeichnet, weil er glaubte, dass dieses Gewebe durch eine Verdichtung der Intercellularsubstanz unmittel- bar zu Knorpel werde?. GOoETTE und SCHNEIDER haben das Irrthüm- liche dieser Anschauung nachgewiesen und hat besonders der Erstere! das »skeletogene Gewebe« einer eingehenden Kritik unterzogen. So richtig die aus derselben hervorgegangene Erkenntnis ist, dass jenes 2 cm. 232. ° Grundriss der Histologie. Berlin 1894. p. 60 ff. 3 Über das Skelettgewebe der Cyelostomen. Jenaische Zeitschr. Ba. V. 1870. p. 48 ff. * Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbel- thiere. II. Die Wirbelsäule und ihre Anhänge. Archiv f. mikr. Anat. Bd. N: 1878. p. 315—341. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis etc. 651 sroßblasige Gewebe zwischen Chorda und Rückenmark, sowie zwi- schen dem letzteren und der seitlichen Körpermuskulatur unmittelbar mit der Entstehung der Bogenstücke nichts zu thun hat und somit die Bezeichnung einer Skelettschicht nicht verdient, so ist anderer- seits GOETTE gewiss zu weit gegangen, wenn er dieses Gewebe gegenüber GEGENBAUR als ein einfaches netzförmiges Bindegewebe mit weiteren oder engeren, theils mit Flüssigkeit, theils mit Fett- tröpfehen erfüllten Maschenräumen bezeichnet. Was GoETTE da für Lücken und »bloß mit Flüssigkeit gefüllte Maschenräume des Netz- werkes« hält, sind in der That Zellen, wofür sie GEGENBAUR erklärt hat, und zwar sind es Fettzellen, wie man sich durch die Unter- suchung derselben im frischen Zustande, sowie an osmirten Präpa- raten überzeugen kann. Wenn aber GoETTE die Bogenstücke nur innerhalb der erweiterten Netzstränge oder der Intercellularsubstanz (GEGENBAUR’s entstehen lässt, ohne den von ihm für Lücken, von GEGENBAUR für großblasige Zellen gehaltenen Gebilden hierbei eine aktive Rolle zuzuschreiben, so befindet er sich wieder in Überein- stimmung mit SCHNEIDER; nach den Angaben des Letzteren be- theiligen sich die Fettzellen an der Knorpelbildung nicht. Vielmehr tritt dort, wo die Bogenstücke sich bilden sollen, eine Wucherung der kleinen Zellen ein, welche zwischen den Fettzellen (also in den Netzbalken) und auf dem Perichondrium liegen. Zwischen den jungen Zellen entsteht die Knorpelsubstanz. Die Fettzellen werden entweder verdrängt, oder an den Rändern von dem Knorpel umwachsen!. Eine ähnliche Darstellung giebt auch BuJor?; auch er lässt die Neurapophysen in dem netzförmigen Gewebe der epichordalen Seiten- räume durch Wucherung von kleinen Zellen entstehen. In den | ersten Stadien der Umwandlung verleiht die große Anzahl dieser neu erschienenen Kerne dem Gewebe einen embryonalen Charakter. An einzelnen dieser Zellen hat Busor auch ein dichteres und gelb- liches Protoplasma und eine durch gegenseitigen Druck bedingte polyedrische Form beobachtet. Aus diesen angeführten Darstellungen geht also mit Überein- stimmung hervor, dass GOETTE, SCHNEIDER und BuJoR die oberen Bogenstücke bei Petromyzon aus besonderen Zellen im perichordalen Bindegewebe, also im Gegensatz zur älteren Darstellung GEGENBAUR’s aus einer besonderen Anlage entstehen lassen. Über die Herkunft il.e.p. 43. 2]. e.p. 13ft. 652 Josef Schaffer, dieser »jungen Zellen« von chondroblastischer Natur macht keiner der Autoren eine nähere Angabe. Nach Beobachtungen an meinen Schnittserien durch die Schädel noch nicht vollkommen metamorphosirter Exemplare von Petromyzon Planeri vermag ich die oben angeführten Darstellungen dahin zu erweitern, dass sich der Ursprung jener »jungen Zellen«, welche den Knorpel bilden, genauer feststellen lässt. Die folgende Schilderung betrifft die Entstehungsweise der ersten zwei, normalerweise verwachsenden Neurapophysenpaare des Petromyzon Planeri. Zunächst muss hervorgehoben werden, dass die Entwicklung und Konsolidirung der oberen Bogenstücke in dorsoventraler Rich- tung fortschreitet, d. h. dass man die Spitzen derselben schon voll- ständig ausgebildet findet, wenn ihre basalen Abschnitte noch unfertig erscheinen. An Querschnitten stellen diese Spitzen abgerundete, von einem Perichondrium ziemlich scharf begrenzte Knorpel dar, welche über das Rückenmark leicht divergirend in ein fibröses Septum der dor- salen Körpermuskulatur reichen (Fig. 32). In weiter ventralwärts gelegenen Querschnittsebenen, wo die Knorpelstücke an die Seite des Medullarrohres oder der Chorda und in das Fettzellgewebe zwischen denselben und der seitlichen Körper- muskulatur zu liegen kommen, beginnen ihre Ränder unscharf zu werden, der perichondrale Überzug verliert sich, da und dort er- scheint eine Fettzelle in den Rand des Knorpels halb oder ganz eingeschlossen, so dass der Zusammenhang der Knorpelzellen durch helle, große Lücken unterbrochen erscheint (Fig. 33). Noch weiter ventralwärts drängen sich immer mehr Fettzellen zwischen die Knorpelzellen, so dass diese nur mehr netzförmige Balken und Straßen zwischen den großblasigen Zellen des epiaxialen Fettgewebes darstellen. Die Knorpelanlage wird diskontinuirlich, und außer deutlichen Knorpelzellen, die einzeln oder in kleineren Gruppen die Netzstränge des Fettgewebes bilden, treten nunmehr auch zahlreiche, ebenfalls vereinzelte oder zu Gruppen vereinigte protoplasmatische Zellen von charakteristischem Aussehen in diesen Netzbalken auf (Fig. 33 X). Sie sind durch einen kugeligen, inten- siv und (an Präparaten aus MÜLLERr’scher Flüssigkeit) homogen färbbaren Kern, einen ansehnlichen Zellleib aus diehtem Protoplasma und spindelförmige oder ovale Gestalt ausgezeichnet. Ihr Aussehen erinnert ganz an die Osteoblasten der höheren Wirbelthiere. “ Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 653 Diese Elemente sind die »jungen Zellen« der Autoren. Wo sie in Gruppen beisammen liegen, nehmen sie durch gegenseitigen Druck polyedrische Formen an und erscheinen dann ihre Grenzen ziemlich scharf als helle Linien. Hier kann man auch alle Übergänge dieser Zellen zu echten, in Grundsubstanz eingeschlossenen Knorpelzellen sehen, so dass es keinem Zweifel unterliegt, dass diese Zellen den Knorpel bilden, somit Chondroblasten sind. Noch weiter ventralwärts verlieren sich die Knorpelzellen voll- kommen, dagegen nimmt die Zahl der Chondroblasten zu, welche nunmehr in dichteren Zügen und Gruppen in den Netzsträngen zwischen den Fettzellen eingestreut erscheinen (Fig. 34). Sie bilden hier, zwischen Chorda und fibrösem Gewebe eine ungemein dicht- zellige Anlage, die von Bindegewebszügen, Gefäßen und spärlicher sewordenen Fettzellen durchsetzt erscheint und in ihrer Abgrenzung bereits die Form des zukünftigen Knorpelstückes erkennen lässt. Gelangt man endlich an die parachordalen Längsstäbe, d. h. an jene Stelle, wo die dorsalen Enden der ersten Querstäbe des Kiemen- korbes sich rostralwärts umbiegen, um in dichter Anlagerung an die Chorda zur Verbindung mit den Parachordalia des Schädels nach vorn zu ziehen, so findet man hier das Perichondrium dieser Knorpel auffallend verdickt und aufgelockert durch zahllose eingelagerte Chondroblasten, von demselben Aussehen, wie sie höher oben an der Bildung der Neurapophysen betheiligt getroffen wurden (Fig. 35 P). Man gewinnt an Frontal- wie an Querschnitten den Eindruck, dass diese Chondroblasten von hier, der Stätte ihrer Bildung, in diehtem Zuge auswandern und an der Außenfläche der Chorda ent- lang nach aufwärts ziehen zwischen die großblasigen Fettzellen, wo sie dann ihre Umwandlung in Knorpelzellen durch Produktion von Grundsubstanz erfahren. Der Umstand, dass der Knorpel der Neuralbögen an der Spitze bereits fertig erscheint, während er gegen die Basis zu in diese Züge von Chondroblasten übergeht, weiter die Thatsache, dass die Zahl der Chondroblasten gegen das Perichondrium der parachordalen Knorpelstäbe stetig zunimmt, und dass endlich die Zellen des stark gewucherten Perichondriums vollkommene Übereinstimmung mit den Chondroblasten zwischen den Fettzellen zeigen, Alles dies zusammen- genommen lässt es kaum zweifelhaft erscheinen, dass die Bildungs- zellen der Neurapophysen vom Perichondrium der para- beziehungsweise hypochordalen Kiemenstäbe abstammen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 43 654 Josef Schaffer, So ist die Anlage der Neuralbogen zunächst eine diskontinuir- liche, indem die einzelnen, zwischen den Fettzellen verstreuten Chondroblasten oder Gruppen derselben Grundsubstanz erzeugen. Die von der einzelnen Zelle erzeugte Grundsubstanz muss als Zell- kapsel erscheinen und konnte so der Eindruck entstehen, als ob um einzelne Zellen des epiaxialen Fettgewebes sich die Grundsubstanz verdichte und dieses Gewebe eine Metaplasie zu Knorpel erfahre (Fig. 35 X). Wo die Chrondroblasten in Gruppen beisammen liegen, sieht man wieder, dass sie zunächst zwischen sich eine zusammen- hängende Kittmasse absondern, innerhalb welcher die weiter abge- lagerte Grundsubstanz als Kapsel erkenntlich ist, Es liegen hier aber nur in hochgradig gesteigertem Maße dieselben Verhältnisse vor, wie wir sie oben (p. 631) bei der Verbindung der parachordalen Längsstäbe des Kiemenkorbes mit der Chorda des Ammoecoetes be- schrieben haben. Indem die Zuwanderung von Chondroblasten und ihre Vermehrung an Ort und Stelle fortdauert, vereinigen sich allmählich die getrenn- ten Knorpelinseln zu geschlossenen Anlagen, in welchen jedoch noch immer großblasige Fettzellen wie Fremdkörper eingeschlossen er- scheinen, und welche an ihren Rändern noch ohne scharfe Abgren- zung übergehen in das umliegende Fettgewebe. Mit fortschreitender Ausdehnung dieser Knorpelanlagen jedoch werden einerseits die eingeschlossenen Fettzellen zusammengedrückt und aufgelöst, andererseits verdichtet sich das umliegende Gewebe zu einem perichondralen Überzug. Diese ganze Darstellung steht und fällt mit dem Nachweise der Wanderungsfähigkeit der Chondroblasten. Im Allgemeinen ist dieser Nachweis wohl als erbracht anzu- sehen, besonders durch die Vorgänge bei der Knorpelbildung in den Chordascheiden der Selachier. Aber auch in unserem besonderen Falle konnte ich mich durch einen zufälligen Befund überzeugen, dass diese Chondroblasten in der That aktiv wandernde Elemente sind. Gerade an der Stelle, wo die Wucherung der Chondroblasten im Perichondrium beschrieben wurde, also dort, wo sich die para- chordalen Längsstäbe mit den Schädelparachordalia vereinigen und mit der Elastica externa chordae fest verbunden sind, fand ich bei einem der untersuchten Exemplare von Petromyzon eine Gruppe von Chondroblasten in die Faserscheide der Chorda eingewuchert (Fig. 36). Die Fasern erschienen an dieser Stelle, knapp unter der Elastica Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis etec. 655 externa aus einander gedrängt und theilweise hatten die einge- wanderten Zellen bereits hyaline Grundsubstanz um und zwischen sich erzeugt. Da die Faserscheide der Cyelostomenchorda normalerweise zellen- los ist, wie erst kürzlich wieder v. EBNER! durch eingehende Unter- suchungen nachgewiesen hat, so beweist dieser zufällige Befund, der in der regelmäßigen Verknorpelung der Selachierchordascheide sein Analogon hat, zweifellos die postulirte Wanderungsfähigkeit der Chondroblasten bei Petromyzon. Wien, im März 1896. Erklärung der Abbildungen, Tafel XX VII. Fig. 1. Vorderende eines in MÜLLer’scher Flüssigkeit gehärteten, 15 cm langen Ammocoetes von der Seite gesehen. Natürliche Größe. Fig. 2. Dasselbe mit freipräparirtem Kiemenskelett von der ventralen Fläche gesehen. Etwas über 31/amal vergrößert: A, von den Tentakeln ge- schlossener Mundeingang; 2, Boden der Mundrachenhöhle aus Schleimknorpel bestehend, der direkt übergeht in die Schilddrüsenplatte 7Thr. II—-VII, zwei- ter bis siebenter Kiemensack, beziehungsweise Muskeln desselben; 1—7, erster bis siebenter Knorpelquerstab; VZS, ventraler Knorpellängsstab; VLS;—VLS-, mediale Vereinigung desselben mit dem der Gegenseite unter dem fünften bis siebenten Kiemensack. Fig. 3. Dasselbe Präparat in der Seitenansicht; die ventrale Körper- muskulatur entfernt. VS, Knorpelschlinge des ersten Querstabes um die erste Kiemenöffnung; 48, Knorpelschlinge des siebenten Querstabes um die siebente Kiemenöffnung; ZLS, Bogen des hypotremalen Längsstabes. Die übrigen Be- zeichnungen wie bei Fig. 2. Fig. 4 Dasselbe Objekt nach Entfernung der ventralen und dorsalen Körpermuskulatur der rechten Seite mit vollkommen freigelegtem Kiemen- skelett. A, Achsenrohr, Chorda und Rückenmark umhüllend; $SZS, subchor- daler Längsstab. Unterbrechung desselben über dem zweiten Kiemensacke zwischen SLS und SZS’. ELS, Bogen des epitremalen Längsstabes. 1, 4, 5 und 6, die bogenförmigen Verbindungsstücke zwischen dorsaler und ventraler Hälfte des Kiemenkorbes, welche den mittleren Theil der Querstäbe darstellen. O, knorpelige Ohrblase; Y, caudaler Rand der schleimknorpeligen Mundrachen- höhlenplatte. i Über den feineren Bau der Chorda dorsalis der Cyclostomen. Sitzungsber. der k. Akad. der Wiss. in Wien. Bd. CIV. Abth. III. Januar 1895. p. 7. 43* 656 Josef Schaffer, Fig. 5. Die Vereinigung der ventralen Längsstäbe eines 9 cm langen Ammoecoetes caudal von der Thyreoidea. Vergr. 125. Fig. 6. Dorsale Hälfte eines Querschnittes durch den Schädel eines 14 cm langen Ammocoetes (Alkoholhärtung) im Bereiche des zweiten Kiemensackes. SLS, die zu einer Spange vereinigten subchordalen Längsstäbe; @s, zweiter Querstab; A, Aorta; J, Jugularis; Ch, Chorda; R, Rückenmark; DKK, dorsale Kiemenkante. Vergr. 25. Fig. 7. Knorpel der Ohrblase eines 9 cm langen Ammocoetes; Flächen- schnitt. Pikrinsublimat, Hämalaun-Eosin. Bei : interkapsuläre Kittsubstanz. Bei a, d, c, d in Bildung begriffene Grundsubstanzbalken in verschiedenen Sta- dien. Vergr. 575. Fig. 8. Frischer Ohrkapselknorpel eines 9,1 cm langen Ammocoetes in Wasser macerirt und zerzupft. Bei R Rissrand, an welchem sich die Knorpel- kapseln in den interkapsulären Kittflächen losgelöst haben. Dieselbe Vergr. Fig. 9. Dasselbe Objekt. Bei a eine Knorpelzelle sammt Kapselsubstanz ausgefallen. Fig. 10. Drei auf einander folgende Stadien der Scheidewandbildung zwischen getheilten Knorpelzellen schematisch zusammengestellt. a zeigt die Färbungsverhältnisse der Grundsubstanz nach Anwendung von Eosin (vgl. Text p. 621). Roth gefärbt erscheint die Kapsel X und die primäre Kittsub- stanz p. Farblos die ältere von der Zelle abgelagerte Grundsubstanz g. Bei b Auftreten der färbbaren Scheidewand s; bei ce Verdickung und Differenzirung derselben (s’). Fig. 11. Rostrale Randpartie der Vereinigung der Schädelbalken im sagit- talen Durchschnitt. Ammocoetes 4,9 cm lang. Celluläre Apposition des neuen Knorpels X, X, ältere Knorpelzone mit reichlicher Grundsubstanz; :, erste Spuren der primären Kittsubstanz; KXZ, Knorpelzellen; ?, Perichondrium. Ver- größerung 575. Fig. 12. Ventrale Oberfläche eines Schädelbalkens im sagittalen Längs- schnitt. Objekt und Vergrößerung wie in der vorigen Figur. ?, Perichon- drium; P', verknorpelter Faserzug des Perichondriums, welcher in die primäre Kittubstanz (prochondrale Grundsubstanz) aufgenommen wird; XZ, vergrößerte Zellen des Periehondriums (Chondroblasten), die zu Knorpelzellen werden. Fig. 13. Partie von der äußeren Oberfläche eines Querschnittes durch die knorpelige Ohrkapsel. Ammocoetes 14 cm lang, Alkoholhärtung, Freihandschnitt, Eosinfärbung (vgl. Text p. 621). ZT, halbkugelig vorspringende Zellterritorien. pK, primäre Kittsubstanz, welche die Zwickel zwischen den halbkugeligen Vor- sprüngen ausfüllt, bei o in dünner Schicht die Oberfläche überzieht, bei 2’ zwei eingeschlossene Chondroblasten enthält; z, Knorpelzelle, A, färbbare Kapsel; g, ungefärbte, sekundäre Grundsubstanz; ., Rest der primären Kittsubstanz zwischen den Zellterritorien. Vergr. 575. Fig. 14. Durchschnitt durch den Kiemenknorpel eines 9 cm langen Ammo- coetes (Objekt und Behandlung wie bei Fig. 7). ?, Perichondrium. Bei Zjugend- liche Knorpelzellen. Fig. 15. Frischer Schleimknorpel aus der Schilddrüsenplatte eines 9,3 cm langen Ammocoetes in 3/4%/yjiger Kochsalzlösung untersucht. P, Perichondrium. Tafel XXVIII. Fig. 16. Querschnitt durch den Schleimknorpel der Schilddrüsenplatte eines 9,3 cm langen Ammocoetes. Osmium-Bichromat nach CAsAL. Hämalaun- Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis etc. 657 Eosin. P, Perichondrium der dorsalen, ?’, der ventralen Fläche. Bei B in das Periechondrium austretende Faserbündel des Schleimknorpels. Vergr. 334. Fig. 17A und B. Isolirte Faserplatten mit aufsitzenden Zellen aus dem Schleimknorpel eines ausgewachsenen Ammocoetes. MÜLLER’s Flüssigkeit. Bei A Anastomosen der Zellen Z und Z’. Fig. 18. Eine isolirte, zellfreie Faserplatte. Dasselbe Objekt. Fig. 19. Eine verzweigte Zelle aus dem Schleimknorpel eines erwachse- nen Ammocoetes mit Fibrillendifferenzirung an ihrer Oberfläche. Härtung in MüLrer’s Flüssigkeit. Färbung mit Congoroth. Fig. 20. Oberflächliche Partie eines Querschnittes durch die Deckplatte (Ethmoid) von Petromyzon mar. Alkohol, Freihandschnitt. Eosin. A, grund- substanzreiche, kleinzellige Oberflächenzone; 2, großblasiger Knorpel der Mitte; ZT, Zellterritorium. Die übrigen Bezeichnungen und Vergrößerungen wie in Fig. 13. Fig. 21—26. Frontalschnitte durch den Schädel eines 9 cm langen Ammo- coetes in ventro-dorsaler Reihenfolge. Kiemenknorpel dunkelblau, Schleim- knorpel lichtblau, Schädelknorpel roth. Vergr. 101/. Fig. 21. Der ventralste Schnitt, durch den Boden der Mundrachenhöhle und die Thyroidea gehend. 7ZAhd, Thyroidea, V, Velum; Schp, Schilddrüsen- platte; M Rp, Mundrachenhöhlenplatte; YKXK, Schleimknorpel in der ventralen Kiemenkante; YZ, ventraler Längsstab in den ersten Querstab aufsteigend. Bei * Ansatz der Mundrachenhöhlenplatte an denselben. | Fig. 22. (27 Schnitte = 0,54 mm weiter dorsal.) OZ, Oberlippe; V, Velum; VK, Schleimknorpel in der Wurzel desselben; Ps BR, Pseudobranchialrinne; Z., II., III.. erster bis dritter Kiemensack; HR, verdickte Partie der Mund- rachenhöhlenplatte, welche weiter dorsad zum freien, hinteren Rande derselben wird und zugleich die vordere Grenze des ersten Kiemensackes bildet; bei * Ansatz der Mundrachenhöhlenplatte an den ersten Querstab Qı; @s, zweiter Querstab; 7, schleimknorpeliger Fortsatz; ULK, Schleimknorpel der Unterlippe zu beiden Seiten des medianen Tentakels; bei ULK’ im Zusammenhang mit dem vorderen Rande der Mundrachenhöhlenplatte. Fig. 23. (52 Schnitte = 1,04 mm in vertikaler Distanz weiter dorsad als Fig. 21.) ULK, dorsale Fortsetzung des Unterlippenknorpels; VK, Abzweigung der Schleimknorpelplatte für die Wurzel des Velums von der Mundrachen- höhlenplatte; VXK’, Schleimknorpel im Knie des Velums; RQ, rudimentärer Knorpelguerstab im verdiekten caudalen Rande der Mundrachenhöhlenplatte; PsbR, Pseudobranchialrinne; Q,, Q@, erster und zweiter Querstab; 7, Schleim- knorpelfortsatz am ventralen Knie des zweiten Querstabes. Fig. 24. (77 Schnitte = 1,54 mm weiter dorsad als Fig. 21.) RO, Riech- ‘organ; NK, knorpelige Nasenkapsel; SNP, Schleimknorpel der Schädelnasen- platte; 7, Schädelbalken; @, Gehirn; SchK, häutige Schädelkapsel; ZRS, sagit- tale Lamelle des caudalen Randes der Mundrachenhöhlenplatte; ZRT, trans- versale Lamelle; 7ZS, hypotremaler Längsstab. Die übrigen Bezeichnungen wie bei Fig. 21. Fig. 25. (88 Schnitte = 1,76 mm weiter dorsad als Fig. 21.) OLF, Nervus olfactorius; C%, Chorda zwischen den Parachordalia; QF, Ende des Querfort- satzes der Parachordalia; OK, knorpelige Ohrkapsel; DKK, dorsale Kiemenkante, ELS, epitremaler Längsstab. Die übrigen Bezeichnungen wie oben. Fig. 26. (110 Schnitte weiter dorsad = 2,2 mm vertikal über Fig. 21.) Bei 658 Josef Schaffer, B Verbindung des parachordalen Längsstabes, der die direkte Fortsetzung des ersten Querstabes ist mit den Schädelparachordalia; Y, Vorknorpel. Fig. 27. Querschnitt durch die Verbindungsstelle des dorsalen Endes eines Kiemenquerstabes (Q + SZS) mit der Chorda Ch. 14,5 em langer Ammocoetes. Die Oberfläche des Knorpelstabes erscheint durch eine breitere Grundsubstanz- lage scharf abgegrenzt und durch ein Perichondrium ? mit spärlichen und kleinen Zellen mit der Elastica chordae EZ verbunden. S, bindegewebige Chordascheide; F, epiaxiales Fettgewebe; J, Vena jugularis; Me, Musc. con- strietor; K, Kiemen; DKK, dorsale Kiemenkante; A, Aorta. Vergr. 125. Fig. 28. Ein analoger Querschnitt in der Mitte zwischen den subchordalen Ansatzstellen zweier Querstäbe SZS, subchordaler Längsstab. Objekt, Be- zeichnung und Vergrößerung wie in der vorigen Figur. Tafel XXIX. Fig. 29. Partie aus einem Querschnitt durch den intraeranialen Theil der Chorda eines 15,5 cm langen Petromyzon Planeri, dessen Metamorphose noch nicht vollendet ist. Anbildung neuen Knorpels (SX) vom Perichondrium (P) des Larvenknorpels (ZX) aus. G, breite Grundsubstanzlage als Grenze zwischen beiden Knorpeln; Ch, Chorda; $, Scheide; Z, Elastica derselben. Vergr. 280. Fig. 30. Verbindung des ersten rechten Querstabes mit der Chorda an der Stelle, wo er in den parachordalen Längsstab umzubiegen beginnt. Quer- schnitt. Ammocoetes 15 cm lang. Einzelne Zellen des Perichondriums sind srößer geworden und stellen Chondroblasten dar, X, die theilweise im An- schluss an die Oberflächenzone des Knorpelstabes (Q,) Grundsubstanz erzeugen (X). Hier stoßen sie zusammen mit den Fettzellen (7) des epaxialen Fett- gewebes. Die übrige Bezeichnung und Vergrößerung wie bei Fig. 27. Fig. 31. Ein analoger Querschnitt etwas weiter rostrad. Die Verbindung des parachordalen Längsstabes (PZLS) mit der Elastica chordae (2), die im Präparate etwas umgelegt und daher theilweise von der Fläche gesehen er- scheint, ist eine knorpelige geworden, indem sich das gesammte aan in Knorpel umgewandelt hat (X). Fig. 32—35. Vier, in dorsoventraler Reihenfolge auf einander folgende Querschnitte durch die Anlage des ersten Neurapophysenstückes einer Seite. Dieselben sollen die Entstehung des Knorpelgewebes im epiaxialen Fettge- gsewebe zeigen. Aus der Frontalschnittserie eines Petromyzon Planeri gegen das Ende der Metamorphose. Vergr. 100. Fig. 32. Dorsalster Schnitt. Die Neurapophyse erscheint als geschlosse- ner Knorpel mit Perichondrium und oberflächlicher grundsubstanzreicher Zone. F, eine einzelne Fettzelle; Xd, Chondroblasten. Fig. 33. 0,2 mm weiter ventrad. Die knorpelige Anlage erscheint verstreut im Fettgewebe, ohne scharfe Grenze. Neben geschlossenen Knorpelzellgruppen (K) vereinzelte Inseln von solchen und zahlreiche Chondroblasten (X) zwischen den Fettzellen und Bindegewebssträngen. Vielfach erscheinen Fettzellen in die Knorpelanlage eingeschlossen. Fig. 34. 0,14 mm weiter ventrad. Die gesammte Anlage des Knorpels besteht aus dicht gedrängten Chondroblasten (X), welche das Fettgewebe (F nahezu ganz verdrängt haben. B, Bindegewebsbündel. Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis ete. 659 Fig. 35. 0,06 mm unter dem vorigen Schnitt. Es erscheint die Um- biegungsstelle des dorsalen Endes des ersten Querstabes in den parachordalen Längsstab getroffen (PZLS). Ähnliche Verhältnisse, wie in Fig. 30. Jedoch erscheinen die zelligen Elemente des Perichondriums (?) ungemein gewuchert und erfüllen als Chondroblasten den Raum zwischen Elastica chordae und Knorpel, theils bilden sie bereits eine knorpelige Verbindung (X) zwischen -letzteren. Die Fettzellen (7) spärlich geworden. Fig. 36. In die bindegewebige Chordascheide eingewucherte Chondro- blasten, welche hier einen kleinen, durch vier Schnitte sichtbaren Knorpelkern (X) bilden. Aus einer Schnittebene, die 0,22 mm tiefer liegt als Fig. 35. ti, innere, au, äußere, von der Elastica bedeckte Oberfläche der Scheide. Vergr. 200. Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim weiblichen Geschlechts- apparat von Bombyx mori. Von E. Verson und E. Bisson. (Padua.) Mit Tafel XXX—XXXII und einer Figur im Text. In einer kürzlich erschienenen Arbeit über die Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim männlichen Ge- schlechtsapparat von Bombyx mori!, haben wir schon Gelegenheit sehabt die wenigen Autoren aufzuzählen, welche sich mit diesem Kapitel der Evolutionsgeschichte überhaupt beschäftigt haben. Und mit diesem Hinweise soll auch in der vorliegenden Schrift, die sich speciell mit dem weiblichen Geschlechtsapparat befasst, der Mangel an weitläufigen Litteraturangaben im Voraus gerechtfertigt werden. | In der That, wenn wir von den bekannten Sätzen absehen, welche NusBAum schon im Jahre 1882 aufgestellt hat?, finden sich erfolgreiche Bearbeitungen dieses Themas, mit besonderer Berück- sichtigung des weiblichen Geschlechtes, nur bei WHEELER?® und bei HATCHETT JACKSON? vor. Die Untersuchungen WHEELER’s beschränken sich zwar aus- schließlich auf die embryonalen Phasen der weiblichen Ausführungs- sänge, und lassen daher alle jene wesentlichen Evolutionen, welche ! Diese Zeitschr. Bd. LXI, 2. Heft. ?2 Zur Entwicklungsgeschichte der Ausführungsgänge der Sexualdrüsen bei den Insekten. Zool. Anz. V. Jahrg. 1882. 3 Contribution to Inseet Embryology. Journal of Morphology. VIII. Boston 1893. * Studies in the Morphology of the Lepidoptera. Linnean Society of London 2de Serie. Zoolog. V, 4. 1890. Die postembryonale Entwicklung etc. von Bombyx mori. 661 der ganze Geschlechtsapparat viel später zu durchlaufen hat, voll- ständig bei Seite. Nichtsdestoweniger haben dieselben — unbeschadet ihrer Wichtigkeit vom phylogenetischen Standpunkte aus — auch für unsere Zwecke unschätzbaren Werth, indem nur sie die Zurück- führung der einzelnen morphologischen Entfaltungen auf ihre eigent- liche Bedeutung ermöglichen können. Nach WHEELER ist die erste Anlage der weiblichen Ausführungsgänge, der Oviducte, ebenfalls in einem Cölomsäckchen zu suchen. Aber während beim männlichen Geschlechte die sogenannten Terminalampullen des Samenstranges dem Cölomsäckchen des zehnten Abdominalsegmentes angehören, entstehen die Terminalampullen des weiblichen Embryos aus dem siebenten Sesmente, und die entsprechenden Bildungen des zehnten gehen allmählich ein. Zur Zeit, als der Embryo dem Ausschlüpfen nahe ist, befinden sich die Terminalampullen der weiblichen Genitalstränge neben dem hinteren Rande des siebenten Segmentes, senkrecht zur Längsachse des Körpers gelagert. Sie sind etwas schmäler und länglicher als jene des Männchens und rücken allmählich von den Seiten bis zur Medianlinie vor. Zur gegenseitigen Berührung ge- langen sie jedoch erst nach vollendeter Embryonalperiode. Da fließen sie in einander über und öffnen gleichzeitig ihre gemeinsame Höh- lung in die breite Scheide, welche unterdessen als einfache Haut- einstülpung aus der Grenzmembran zwischen siebentem und achtem Segmente ihnen entgegengewachsen ist. Dieser Darstellung zufolge nimmt WHEELER, der Meinung NusBAaum’s entgegen, an, dass auch der Uterus (aus der Konfluenz der zwei Terminalampullen hervor- gegangen?...) mesodermalen Ursprungs sei; dem Ektoderm ent- stamme dagegen einzig und allein die Vagina, welche bei allen Insekten — nur die Ephemeriden ausgenommen — als mediane und unpaare Bildung auftrete. Auf der anderen Seite hat sich HATCHETT JACKSON in seinen interessanten Studien über Morphologie der Lepidopteren ange- legentlichst mit späteren Entwicklungsstadien des weiblichen Aus- führungsapparates beschäftigt. Aber leider bleibt die ganze Larven- periode als unerforschte Lücke offen. Denn während WHEELER ausschließlich die Embryonalzeit berücksichtigt, haben die Unter- suchungen JACKson’s nur die völlig ausgewachsene, zur Verpuppung reife Raupe der Vanessa Io zum Ausgangspunkte. Bei dieser letzteren findet Jackson die weiblichen Genitalstränge am hinteren Rande des siebenten Abdominalsegmentes befestigt, nahe der Medianlinie, aber durch einen kurzen Zwischenraum von 662 E. Verson und E. Bisson, einander getrennt. Im achten Abdominalsegmente, und zwar in der hinteren Hälfte desselben, befindet sich ohne irgend einen erkenn- baren Zusammenhang mit den Genitalsträngen ein rundliches, durch eine mediane Furche in zwei ovale Hälften getheiltes Körperchen (die HeroLp’sche Masse). Und im neunten Bauchsegmente, aber in dessen vorderen Hälfte, folgt ein noch größeres, eben so bilate- ral angelegtes Körperchen, welches von den vorher beschriebenen Bildungen nicht minder unabhängig erscheint. Im Querschnitte ergeben sich diese zwei Körperchen als flache, bläschenartige Haut- einstülpungen mit weiter Mündung. Das erstere derselben wächst vorwiegend in der Längenrichtung, und bildet vorn die Begattungs- tasche — hinten den Samenbehälter. Das zweite Körperchen, im neunten Bauchsegmente gelegen, verwendet die dorsale Portion seiner zwei symmetrischen Hälften zum Ausbaue der eigentlichen sebaceous glands (Kittdrüsen) sowie ihres Ausführungsganges, während ihr ventraler (basaler) Antheil sich zum äußersten Ende des gemein- samen Oviductes verwandelt!. Was schließlich den gemeinschaft- lichen Eileiter selbst anbelangt, so unterscheidet JACKson an demselben drei Portionen: 1) eine vordere, in der Zeitfolge die erstvollendete, welche zum Theil aus der Vereinigung zweier Hautfalten, zum Theil als solider, sich nachträglich aushöhlender Hautwulst entstehen soll; eine mittlere, aus zwei Falten sich heranbildend, welche auf der einen und auf der anderen Seite des vorderen bläschenartigen Körperchens auftreten; eine hintere, die sich auch am spätesten verschließt, und aus einer tiefen Hautfurche hervorgeht, welche sich mit dem Basaltheil des hinteren bläschenförmigen Körperchens ver- bindet. Die vordere Öffnung des Eileiters, zuletzt nur in die Be- gattungstasche führend, gehört zur medianen Portion desselben; die hintere Öffnung, d. h. die eigentliche Mündung des Eileiters, verbleibt als solche, sobald der basale Theil des hinteren bläschenförmigen Körperchens sich verschließt. Auf die zahlreichen Einzelheiten, welche die Ableitung dieser Hauptresultate begleiten, werden wir im Laufe der folgenden Dar- stellung Gelegenheit haben des Näheren einzugehen. i „The two sebaceous glands of the imago, their vesicles and common duct leading to the azygos oviduct, are derived from the median dorsal portion of the paired posterior vesieles invaginated from the hypodermis of the ninth sternal region, whilst the common or basal ventral portion of the same vesicles becomes the extreme posterior end of the azygos oviduct« (p. 169). Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 663 I. Eine kurze Erinnerung an den Bau des Ausführungsapparates, wie er sich bei den weiblichen Fortpflanzungsorganen vom geschlechts- reifen Bombyx mori ergiebt, wird sicherlich dazu beitragen, das Verständnis der einleitenden Evolutionsphasen zu erleichtern. Die Eiröhren (fo in Fig. 20, Taf. XXXI), zu je vier auf jeder Seite ver- mittels ihrer Endfäden am dorsalen Integumente angeheftet, vereinigen sich am entgegengesetzten Ende zu einem ganz kurzen, paarigen Eileiter (ov@), und von diesen zwei Eileitern geht der gemeinschaft- liche Eigang ab, welcher an der Spitze der terminalen Bauchpapille, neben und mit dem Darmrohre, nach außen mündet. Der unterste Theil des Eiganges, die Scheide vg, zeichnet sich durch die beson- dere Stärke seiner Wandmuskulatur aus, und empfängt dorsalwärts den Ausführungsgang der zwei Kittdrüsen, die von demselben rechts und links abbiegen, um sich zunächst schlauchartig zu erweitern (Sammelblasen), und darauf durch reiche Verästelung in secernirende Tubuli (gr) zu zerfallen. Der oberste Theil des Eiganges, gewisser- maßen der Uterus (xt), gleicht in seinem Aussehen eher den zwei Eileitern ood, in welche er sich unmittelbar theilt. Genau an der Grenze zwischen Uterus und Vagina münden nun das Samenkanäl- chen und das Receptaculum seminis ein. Ersteres stammt vom ver- schmälerten Halstheil der Begattungstasche (d.c) her; letzteres (r.s) trägt am kurzen Stiele eine ansehnliche Anschwellung mit end- ständigen Drüsenröhrchen. Beide hängen mit der dorsalen Wand des Eiganges zusammen. Aber das Receptaculum seminis tritt rechts ein, der Canaliculus seminalis links, — wenn man sich den Schmetterling eben so gelagert vorstellt wie den Beobachter. Und die betreffenden Mündungsstellen sind durch besondere Vorwölbungen markirt, die an einander stoßen und eine rinnenartige Übergangs- furche vom Hauptkanale gewissermaßen abscheiden (vgl. auch Fig. 15). Die Genitalöffnungen selbst sind bei Lepidopteren doppelt: eine vordere, in die Begattungstasche führend, durchbricht das Integu- ment des achten Segmentes nahe seinem hinteren Rande; die Mün- dung des Eiganges befindet sich weiter zurück, am letzten Bauch- segmente. Von all den aufgezählten Bildungen sind an der frisch aus- ‚ geschlüpften Raupe (%—3 mm Körperlänge) nur die Ovarien leicht zu erkennen, welche in einer festen bindegewebigen Kapsel je vier zusammengewundene Eiröhren bergen, und im fünften Bauchsegmente 664 E. Verson und E. Bisson, zu beiden Seiten des Herzens auf dem Darmrohre sitzen. Der hintere Genitalstrang geht in bekannter Weise von jedem Eierstocke aus. Bei seiner Konsolidirung aus den embryonalen Zellenstreifen der splanchnischen Mesodermschicht ist er aber in solchem Maße eingeschrumpft, dass seine ununterbrochene Verfolgung bis zum ent- gegengesetzten Ende, uns wenigstens, nicht gelungen ist. Anderer- seits erscheint die Körperhaut in dieser ersten Larvenperiode so reichlich pigmentirt und dicht behaart, dass etwaige Verdiekungen der Hypodermis an kleinen umschriebenen Stellen der letzten Bauch- sesmente sich der Untersuchung auch bei starker Vergrößerung gänzlich entziehen müssen. Und so bleibt uns nur die Verzeichnung eines negativen Resultates übrig, mit welchem wir jedoch nicht im entferntesten die völlige Abwesenheit von besonderen Keimen für diese bestimmte Entwicklungsperiode behaupten wollen. Erst um die Zeit der zweiten Larvenhäutung (3—10 mm Körper- länge) werden die allgemeinen Verhältnisse zu einer gründlichen Untersuchung von anatomischen Präparaten sowie von mikroskopi- schen Schnitten geeignet. Und der Erfolg belohnt die Mühe. Was zunächst den hinteren Genitalstrang betrifft, so lässt sich jetzt mit voller Bestimmtheit feststellen, dass derselbe beim Weib- chen, auf ähnliche Weise wie beim männlichen Thiere, nach außen und nach unten verläuft. Am achten (vorletzten) Stigma angelangt, wechselt er aber seine Richtung: und statt in das nächste Segment geradlinig vorzudringen, schwingt er sich um einen dorsalen Ast dieses Luftloches, biegt quer gegen die Medianlinie, beschreibt dann eine zweite, etwas flachere Krümmung nach hinten, und befestigt sich schließlich an der Hautfalte zwischen siebentem und achtem Bauchsegment neben der gleichnamigen Bildung der anderen Seite, aber durch einen kurzen Zwischenraum von derselben getrennt. Auch seine Struktur erscheint um diese Zeit nicht wesentlich verschieden von jener des männlichen Genitalstranges. Fast im ganzen Verlaufe anscheinend solid, im Querschnitte etwas elliptisch, besteht er aus einer gleichförmigen plasmatischen Masse mit eingestreuten läng- lichen Kernen, von welcher sich ziemlich früh eine deutliche Grenz- membran abhebt. Sein vorderes Ende ist verdickt und legt sich an die vier rudimentären Eiröhren an, die von ihm strahlig auszugehen scheinen. Dagegen ist am hinteren Ende des weiblichen Genital- stranges vor der Hand nichts zu erblicken, was einigermaßen den Terminalampullen des männlichen Geschlechtes gleichen könnte. Die Stärke des Fadens bleibt ganz unverändert bis zum Punkte, wo Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 665 er in die Zwischensubstanz der Hypodermiszellen aufgeht, und selbst sein äußerster Ansatz erscheint kaum merklich verbreitert. Von ganz besonderer Wichtigkeit für unsere Zwecke ist aber jedenfalls die Thatsache, dass jetzt an den letzten Bauch- sesmenten der Larve zwei Paare ektodermaler Keimschei- ben deutlich erkennbar werden, aus welchen sich die Anhangsorgane des weiblichen Geschlechtsapparates all- mählich heranbilden. Diese Keimscheiben sind für Lepidopteren noch nicht be- schrieben worden, und ist es geboten, vor Allem ihren Sitz in nicht missdeutbarer Weise festzustellen. Zum Unterschied von der älteren Auffassung, nach welcher am Hinterleibe der Raupen nur neun Segmente vorhanden sein sollten, nimmt man heute auf Grundlage embryonaler Befunde (GRABER, KOWALEVSKY, HEIDER, TICHOMIROFF, CHOLODKOWSKY u. A. m.) wohl allgemein an, dass die typische Anzahl derselben zehn betrage; — unter Voraussetzung, dass das vorletzte derselben seinerseits aus der Verschmelzung zweier Somite hervorgegangen seil. PACKARD? hat diese Zahl von zehn Segmenten am Hinterleibe erwachsener Raupen unmittelbar demonstrirt. Und es ist nicht schwer dieselben Verhält- nisse auch bei der Larve des Seidenspinners wiederzufinden. Ein Blick auf die Fig. 4, welche einer spinnreifen Raupe entnommen ist, und die rechte ventrale Hälfte ihres hinteren Körperabschnittes, von innen gesehen, wiedergiebt —, belehrt sogleich, dass das achte Bauchsegment (8.sg) in Ausdehnung und Muskelvertheilung mit den vorhergehenden Somiten völlig übereinstimmt. Dagegen erscheint das neunte Segment, durch eine fast quere Hautfalte (pl.intersg) nach oben und durch einen gekrümmten Falz nach innen scharf begrenzt, so weit seitlich verdrängt, dass seine zwei Hälften in der Mittel- linie (2.m.0) kaum noch durch einen schmalen Hautstreifen zur Be- rührung gelangen. Der Druck, welcher von hinten die seitliche Verschiebung bewirkte, äußert sich noch in der geneigten Lage, welche die Muskelbündel dieses Somites beim medianen Auseinander- weichen angenommen haben, derart, dass in den so geschaffenen Zwischenraum der vordere Theil des zehnten Segmentes sich keil- förmig einschiebt und seine Längsmuskeln sich zum Levator ani (Zev.a) zusammendrängen, wobei sogar die freie Furche verschwindet, 1 V. GRABER, Vergleichende Studien am Keimstreif der Insekten. Denk- schriften der k. k. Akad. der Wiss. Wien 1890. 2 American Naturalist. XIX. 1885. 666 E. Verson und E. Bisson, welche sonst in der Mittellinie die bilaterale Anlage der einzelnen Somite noch kräftiger verdeutlicht. Die vier Keimscheiben, aus denen die Anhangsorgane des weib- lichen Sexualapparates sich später entfalten sollen, bestehen in der zweiten Larvenperiode aus einer schwach elliptischen Hypodermis- verdickung. Das erste Paar derselben liegt im achten Bauchsegmente etwas nach innen von einer geraden Linie, welche die Scheinfüße derselben Seite mit einander verbinden würde, in etwa halber Ent- fernung zwischen seinem vorderen und seinem hinteren Rande. Das . zweite Paar sitzt in der Haut des neunten Segmentes nahe dessen hinterem Rande, so dass es beinahe den Anschein hat, als läge es in der Beuge der letzten Scheinfüße (Nachschieber). Ohne die Zahl der Abbildungen unnöthigerweise zu vermehren, verweisen wir zum besseren Verständnis unserer Beschreibung auf Fig. 4, wo besagte Imaginalscheiben, in Folge vorgeschrittener Entwicklung, nur der Medianlinie etwas näher gerückt sind (ga und gp). Übrigens vertieft sich bald die Epithelverdiekung zu einer seichten Hauteinbuchtung, welche sich von innen als flache knopfartige Hervorragung ansieht, während die äußere Einsenkung durch reichlichere Cutieularbildung ausgeglichen wird. An der Kuppel des Knopfes befestigt sich mit fächerartigem Ansatze ein Ast des intervisceralen Muskelnetzes (ig Fig. 4), welcher unabänderlich ein Trachealzweigchen mit sich führt. Es liegt wohl sehr nahe die Vermuthung auszusprechen, dass unsere Keimscheiben den Imaginalscheiben des achten und neunten Bauchsegmentes entsprechen, von welchen Dewırz! die Legeröhren der Hymenopteren und Orthopteren ableitet. Wegen ihrer Ähn- lichkeit mit den Imaginalscheiben der Corethralarve, aus welchen die Thoraxbeine sich entwickeln, bezog BÜTScHLI? die sogenannten Gonapophysen direkt auf echte Anlagen abdominaler Extremitäten. Und dieselbe Ansicht wurde von KOoWALEVSKY°, HUXLEY*, CHOLOD- KOWSKY> vertreten, während HAAsE® in denselben nur Integumental- i Diese Zeitschr. Bd. XXV und XXVIL. 2 Zur Entwicklungsgeschichte der Biene. Diese Zeitschr. Bd. XX. 3 Diese Zeitschr. Bd. XXII. * A manual of the Anatomy of the Invertebrated Animals. London 1877. 5 Die Embryonalentwicklung von Phyllodromia germanica. K. Akad. der Wiss. in St. Petersburg. 1891. 6 Die Abdominalanhänge der Insekten. Morph. Jahrb. 1889. Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 667 bildungen von etwas höherer Werthigkeit als die gewöhnlichen Hautgriffel und Sporne erblickte. Aber die Beobachtungen WHEE- LER’S (]. e.) entscheiden endgültig die Streitfrage, indem bei Xiphi- dium, wo Hautfalten und andere optische Hindernisse nicht vorliegen, um eine Täuschung zu ermöglichen, nach der Revolution des Em- bryos der unmittelbare Übergang der wahren Abdominalanhänge in die Gonapophysen direkt verfolgt werden konnte. Demnach sind wir wohl berechtigt nicht nur für unsere Keim- scheiben, welche nebstdem beim ersten Bemerkbarwerden die Lage der embryonalen Bauchanhänge noch fast unverändert bewahren, den Werth solcher Bildungen auch wirklich in Anspruch zu nehmen, sondern denselben auch auf die homologen Keimscheiben des Männ- chens auszudehnen, welche in der Herorp’schen Hautinvagination auftreten. Allerdings kann bei letzteren ein kontinuirlicher Über- sang aus den abdominalen-Extremitäten mit dem Auge nicht verfolgt werden. Wir selbst haben an anderer Stelle gezeigt (l. c.), dass in den ersten Larvenperioden von Bombyx mori die Anlage gewisser männlicher Anhangsorgane (Penis und Präputium) nachweisbar nur durch eine einfache Hauttasche repräsentirt wird, an welcher sich seitlich die zwei hinteren Hodenstränge festsetzen, und dass aus den Wänden dieser Hauttasche erst viel später zwei Paare Keimscheiben hervorbrechen, ohne dass früher ihre Differenzirung aus dem um- sebenden Gewebe irgend wie bemerkbar gewesen wäre. Eine tempo- räre Latenz von embryonalen Anlagen, welche später doch wieder zur Entfaltung kommen, ist aber bei Arthropoden gar keine beson- dere Seltenheit. Und anderentheils dürfen wir uns auf die in der eitirten Schrift enthaltenen Ausführungen berufen, um die Ableitung der zwei Paare Keimzapfen im männlichen Sexualapparat aus dem achten und neunten Abdominalsegment für eben so bewiesen anzu- sehen, als sie für die vier Keimscheiben des weiblichen Systems offen zu Tage liegt. Wohl das wesentlichste Unterscheidungsmerk- mal zwischen den zwei Geschlechtern von Bombyx liegt hingegen darin, dass beim Männchen die vier Keimscheiben sich nach außen entfalten und daher dringend einer Schutzvorrichtung bedürfen, wie sie eben. von der eingestülpten Hauttasche des HzroLp’schen Organs provisorisch geboten wird. Beim Weibchen fällt eine solche Noth- wendigkeit ganz weg, indem die vier Keimscheiben desselben umgekehrt nach innen evolviren, wie im Folgenden gezeigt wer- den soll. 668 E. Verson und E. Bisson, 11. Die nächsten Larvenperioden bringen keine nennenswerthe Ver- änderung in den Anlagen des weiblichen Ausführungsapparates, wenn man davon absieht, dass die Genitalstränge mit deutlicher Grenzmembran nun versehen, im Verhältnis zum allgemeinen Körper- wachsthum stärker werden, und die vier angeführten Imaginalscheiben eben so an Größe zunehmen. Letztere erleiden jedoch bald nach der vierten Häutung eine merkbare Verschiebung, wohl in Folge eines beginnenden Involu- tionsprocesses, welcher zu dieser Zeit die Hypodermis der mittleren Ventralfläche in den letzten Abdominalsegmenten trifft. Das erste Paar Imaginalscheiben rückt allmählich der Medianlinie näher, ohne sein Niveau mit Bezug auf die Höhe des achten Abdominalsesmentes zu ändern, oder in kaum merkbarem Maße sich dem hinteren Rande desselben zuneigend (Fig. 4 g.a). Das hintere Paar Imaginalscheiben (9.p) lagert sich mit seinem längeren Durchmesser parallel zu den Muskelzügen des neunten Segmentes, und nähert sich in dieser Rich- tung ebenfalls der Medianlinie. Beide Paare streben daher einem gemeinsamen Mittelpunkte zu, der sich eben am hinteren Rande des achten Segmentes ungefähr befinden würde. Bei der größeren Wegstrecke, die das hintere Paar bis zur Erreichung seines Zieles zu überwinden hat, wird es erklärlich, dass dasselbe von der Medianlinie in gerader Entfernung etwas weiter absteht als das vordere. Gleichzeitig mit der Lagenveränderung und mit der Größen- zunahme macht sich jedoch sehr bald auch in der Form eine nicht zu übersehende Modifikation geltend. Die ursprüngliche Hautein- buchtung, die äußerlich schon durch eine vermehrte Cutieularsekretion ausgeglichen werden konnte, ist noch in der zweiten Hälfte der vierten Larvenperiode ein kleines rundliches Bläschen (g.p Fig. 1), wenngleich dessen Hohlraum durch die Cutieula eZ nicht mehr voll- ständig ausgefüllt wird. Aber schon in den nächst darauffolgenden Tagen, gleich nach eingetretener Spinnreife, knospt und wuchert das verdickte Epithel der heranwachsenden Imaginalscheiben mit auf- flammender Lebhaftigkeit. Die Cutieula (ct in Fig. 2 und 3) hat sich von der Hypodermis vollständig abgelöst, nachdem sie noch zuletzt eine gewaltige Verstärkung erfahren. Die inneren Wände der Imaginalscheiben, oder vielmehr der seichten Imaginalblasen, die nunmehr vorliegen, dehnen sich rasch aus. Aber die Anschwellung Die postembryonale Entwicklung etc. von Bombyx 'mori. 669 findet nicht gleichmäßig nach allen Richtungen statt. Die Muskel- bänder, welche von einem Trachealzweigchen (ir, Fig. 2 und 3) be- gleitet, sich fächerartig an ihrem gewölbten Grunde ausbreiten, produeiren dort zahllose Kernehen mit reichlicher Plasmaansammlung;; der Grund selbst wird dabei uneben, höckerig, und schließlich bildet sich eine ganz eigene Konformation aus, die wohl am einfachsten folgendermaßen aufgefasst werden kann: Jede vordere Imaginalscheibe stellt eine seichte Blase mit weitklaffender Mündung dar, und ist an ihrem Grunde von einer abgerundeten Längsleiste durchzogen, welche in die Höhlung vor- ragt. In Fig. 5 ist dieses Verhalten der vorderen Keimscheiben (g.a) durch entsprechende Schattirung angedeutet. Die hinteren Imaginalscheiben münden durch eine viel kleinere Öffnung nach außen, und die Blase, welche sich hinter derselben vertieft, wächst zu einer Art länglichen Schlauches aus. Letzterer dringt jedoch nicht frei in die Körperhöhle vor, sondern dreht sich zu einer Schneckenwindung eng zusammen, wodurch die all- gemeinen Umrisse eines rundlichen Körpers beibehalten werden. Die Richtung dieses inneren Ganges, welcher die ganze Imagi- nalscheibe durchwühlt, geht zunächst nach vorn und innen, kehrt dann nach hinten außen zurück, biegt nach unten um, und wendet sich zuletzt wieder nach vorn: an den Rudimenten der Kittdrüsen werden wir nach ihrer ersten freien Entfaltung genau dieselbe Orientirung wiederfinden. | Die beschriebene Evolution seitens der Imaginalscheiben ist übrigens kaum vollendet, als gleich darauf, etwa zwei Tage vor der Verpuppung, auch in den anstoßenden Hypodermispartien ein lebhafter Erneuerungsprocess sich kund giebt. Wir betonen, dass diese vermehrte Thätigkeit unter den Hypo- dermiszellen nur ungefähr zwei Tage vor der Verpuppung einsetzt, — denn bei der ungleichen Promptheit, mit welcher auch bei co&tanen Individuen von Bombyx die einzelnen Entwicklungsvorgänge sich äußern, ist eine genaue Zeitangabe überhaupt sehr misslich. In den zwei oder drei Tagen, welche der Verpuppung unmittelbar voraus- gehen und nachfolgen, drängen sich zudem die Partialphasen in fieberhafter Hast zusammen; und ist der Fall gar nicht selten, dass bald die Genitalstränge, bald die vorderen Imaginalscheiben, bald die hinteren — kurz, dass ein beliebiger Abschnitt plötzlich allen übrigen in der Entwicklung um eine ganz bedeutende Strecke vor- auseilt. Bei der wechselseitigen Unabhängigkeit; welche die ver- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXI. Bd. 44 670 E. Verson und E. Bisson, schiedenen Anlagen durch eine längere Weile bethätigen, können ‘wir daher nur annähernde Mittelwerthe aus unseren zahlreichen Beobachtungen für die Zeitbestimmungen verwenden, ungeachtet dessen, dass wir peinlich bemüht waren alle Einflüsse der Um- sebung — die Temperatur in erster Linie — auf die Versuchs- individuen möglichst gleichförmig einwirken zu lassen!. Auch die Hypodermis betheiligt sich also jetzt an den Evolu- tionen der Sexualanlagen, und ist es aus Fig. 5 zu ersehen, dass zwischen dem vorderen Rande des achten Segmentes und zwischen den vier Imaginalscheiben sich Hautfalten nach innen erheben, welche durch ihre dichte Tüpfelung (proliferirende Zellkerne) auch bei schwacher Vergrößerung schon auffallen (pl.vvg). In zwei leicht diver- gsirenden Schenkeln ziehen sie zunächst vom Ansatze der Genital- stränge cg nach hinten, zu den vorderen Keimscheiben g.a; zwischen vorderen und hinteren Keimscheiben stellen andere Hautfalten eine brückenartige Verbindung her, welche die Form eines Kreuzes oder vielmehr eines H nachahmen. Dadurch nun, dass die zwei vorderen Falten — vom Ansatze der Genitalstränge bis zu den vorderen Keimscheiben — nach innen und oben zusammenfließen, bildet sich eine tiefe Hautfurche, ein Halbkanal, der bis zum Querschenkel der H-falte reicht. Sobald die unteren Ränder dieses Halbkanals auf einander stoßen und verkleben, ist ein geschlossener Kanal fertig — der Eigang —, in welchem, wie später sich herausstellen soll, zwei kleine Öffnungen frei bleiben, als Eingang zur Begattungstasche und als Ausgang vom gemeinschaftlichen Oviducte. Jenseits der Querbrücke des H wölben sich die zwei Falten, welche zu den Keimscheiben g.p ziehen, eben so nach innen, und legen hiermit eine zweite tiefe Furche an, die aber gegen das Schwanzende des Thieres allmählich verstreicht, nachdem sie die Mündungen der zwei hinteren Keimblasen g.p rechts und links aufgenommen hat. Auch diese Furche verwandelt sich zu einem Kanale, dem gemeinsamen Ausführungsgange der Kittdrüsen, indem ihre freien Ränder von hinten nach vorn sich vereinigen. Die übrigbleibende Öffnung stößt hart an das Orifieium oviduetus, und fließt zuletzt mit demselben zu- sammen, sobald der zwischenliegende Hautsporn etwasnach oben rückt. In großen Zügen dargestellt wäre dies ungefähr die Art und Weise wie der Ausführungsgang des weiblichen Sexualapparates ! Bei einer Temperatur von + 22°C. verlaufen etwa fünf Tage bis. die spinnreife Raupe von Bombyx mori sich verpuppt; nach weiteren 14 Tagen er- scheint der Schmetterling. Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 671 bei Bombyx mori sich anlegt. Um die successiven Phasen des Vor- ganges besser verfolgen zu können, wollen wir die einzelnen Theil- stücke, aus welchen sich der angehende Apparat aufbaut, in ge- sonderte Betrachtung ziehen. a. Genitalstränge und Uterus. In strikter Homologie zum hinteren Hodenstrange, der nach unse- ren Beobachtungen an seinem vordersten sowie an seinem hintersten Ende eine kleine Lichtung, wohl als Rest von ursprünglichen Cölomsäck- chen führt (WHEELERr’s Terminalampullen), kann man auch beim weib- lichen Genitalstrang das Persistiren ähnlicher Hohlräume nachweisen. Für die frühen Larvenperioden lässt sich nicht in Abrede stellen, dass die hintere Terminalampulle des weiblichen Genitalstranges, wenigstens in temporärer Latenz verharren muss, da weder Schnitte noch Flächenansichten davon auch nur die entfernteste Spur er- blicken lassen. Später ergeben sich viel günstigere Bedingungen zur Beobachtung, und wir wollen uns zunächst bei der Zeitperiode aufhalten, welche der Spinnreife der Raupe unmittelbar folgt. Außer am vorderen Ende erscheint der Genitalstrang der spinnen- den Larve in seinem ganzen freien Verlaufe noch völlig solid. Der im Eierstock befindliche Antheil, d. h. jene äußerste Portion des Stranges, welche von der Kapsel der Genitaldrüse mit umfasst wird, enthält aber schon eine bläschenartige Höhlung, welche nach unten als kurzer keilförmiger Spalt in die umgebende Plasmamasse ein- dringt. Nach vorn theilt sich die rundliche Höhlung in vier Diver- tikel, welche, durch eine fortlaufende Scheide fixirt, mit blindem Grunde an je ein Eirohr sich ansetzen. Es sei ausdrücklich hervor- gehoben, dass die Wände der Terminalblase aus einer einzigen Schicht umschriebener Zellen besteht. Am blinden Grunde erscheinen letztere wohl ausgebildet und verhältnismäßig am größten; gegen den hin- teren Endspalt zu werden sie nach und nach kleiner, verlieren allmäh- lich ihre scharfe territoriale Begrenzung und gehen endlich rasch in das anstoßende kernreiche Plasma auf. Es kann also nicht bezweifelt werden, dass der Eikelch zum Genitalstrang gehört, wie dies übrigens auch von NusBAuMm implieite angenommen wird!, und gewisse Missbildungen per defectum auf das deutlichste demon- striren. Es kommt nämlich bei Bombyx nicht selten vor, dass der i »Die Höhlungen der Oviducte, des Uterus und der Vagina ..... ent- stehen ganz unabhängig von einander und treten nur sekundär in Verbin- dung.< (l. e.) 44% 672 E. Verson und E. Bisson, eine oder der andere Eierstock nur drei Eiröhren aufzuweisen hat, statt der üblichen vier. In solchen Fällen beobachteten wir nun bis jetzt ausnahmslos, dass der Eikelch desshalb nicht dreitheilig endet, sondern eben so wie unter normalen Verhältnissen ein viertes Diver- tikel seitlich abgiebt, welches mit abgerundetem blindem Epithelial- srunde abschließt, während über denselben die Umhtllungsscheide als freilaufender Zipfel hinwegsetzt. Am entgegengesetzten, am hinteren Ende des Genitalstranges, sind die Verhältnisse bei Weitem nicht so offenliegend. Es beginnt auch hier eine lebhafte Proliferation der im Plasma eingebetteten Kerne, und wir werden sogleich darauf zurückkommen. Vorher müssen wir aber ein besonderes Detail hervorheben, welches bei seiner Unansehnlichkeit auch von uns lange übersehen worden war. Beim Männchen von Bombyx mori verläuft bekanntlich der letzte Abschnitt des Hodenstranges in etwas bogenartig gekrümmter Linie, aber ohne besondere Umwege, vom neunten Stigma bis zur HEROLD- schen Hautinvagination.e Beim Weibchen kommt noch eine zweite unmittelbar darauf folgende Krümmung des Genitalstranges hinzu, indem derselbe vom achten Stigma aus zuerst gegen die ventrale Medianlinie sich richtet, nach einer Weile jedoch sich wieder nach hinten krümmt, um nach kurzem geradlinigem Verlaufe neben der gleichnamigen Bildung der anderen Seite zu endigen. Diese $-förmige Doppelkrimmung im Bereiche des siebenten Abdominalsesmentes ist schon von Dr. HEROLD selbst auf Taf. XI seines Atlas genau ver- zeichnet worden. Dagegen ist es allen Beobachtern entgangen, dass während der Spinnperiode gerade an der zweiten, untersten Krümmung eine spindelartige Verdiekung des Genitalstranges sich einstellt, welche nicht leicht zu ent- deeken, doch einmal gesehen leicht sich wiederfinden lässt. Nun ist es uns wiederholt gelungen in dieser Verdiekung eine deutliche Liehtung zu erkennen, während der Eileiter mit Ausnahme des vordersten Endes in seiner ganzen übrigen Ausdehnung noch solid war. Die Verwandlung des soliden Stranges zu einem durchgängigen Rohre — dadurch eingeleitet, dass seine einzelnen Kerne sich be- sondere Plasmaterritorien aneignen und gleichzeitig radiäre Auf- stellung zur Längsachse des Gebildes nehmen — findet ungefähr zur Zeit der Verpuppung statt, und verläuft dann mit solcher Raschheit, dass eine schrittweise Verfolgung des Processes ganz unvermutheten Schwierigkeiten begegnet. Nichtsdestoweniger glau- ben wir nach Zusammenstellung unserer zahlreichen Präparate getrost Die postembryonale Entwicklung ete. vom Bombyx mori. 673 aussagen zu können, dass die Kanalisation des soliden Eileiters, vom Eikelche sowohl als von der eben demonstrirten spindelförmigen Blase aus, einander entgegenrückt, und dass gleichzeitig auch das äußerste kurze Stück bis zur Endinsertion von der spindelförmigen Blase aus eine Höhlung acquirirt. Nach alledem lässt sich die Vorstellung nicht abweisen, dass unsere spindelförmige Blase vom weiblichen Genitalstrange der hin- teren Terminalampulle des Hodenstranges völlig gleichwerthig sein müsse. Es ist allerdings auffallend, dass dieselbe bei ihrem ersten Auftreten nachweisbarerweise nicht am untersten Ende, hart an der Insertionsstelle des larvalen Eileiters, sondern ein wenig mehr nach vorn sich befindet. Aber anderentheils dürfte dieser Umstand eben geeignet sein eine weitere Homologie mit der männlichen Terminal- ampulle ins rechte Licht zu stellen — sobald man den letzten Ab- schnitt des Eileiters, bis zu dessen Endigung an der Hypodermis, als eine Emanation der weiblichen Terminalampulle auslegen will. Bei der nymphalen Involution, welcher die paarigen Eileiter des Bombyx zu unterliegen bestimmt sind — sie schmelzen ja in der kürzesten Zeit von ihrer ursprünglichen sehr bedeutenden Länge zur verschwindenden Kürze der späteren Tubae buchstäblich zusam- men —, wird es leicht erklärlich, dass auch die Emanationsenergie der hinteren Terminalampullen auf ein sehr beschränktes Maß heruntergedrückt sein müsse. Und desshalb finden wir beim weiblichen Sexualapparat gar keine Bildung, welche den Emanationen der männlichen Terminalampulle, d. h. den Samenblasen sowie den accessorischen Drüsen entspreche. Nur der Ductus ejaculatorius wäre eben durch jene letzte Portion des Eileiters vertreten, welche sich von der weiblichen Terminalampulle bis zum äußersten blinden Grunde erstreckt. Dagegen wird später gezeigt werden, dass die Anhangsgebilde und Drüsen, von welchen der weibliche Aus- führungsgang bei Bombyx mori dennoch begleitet wird, mit dem Genitalstrange gar keinen näheren Konnex besitzen, und dass die beliebte Annahme einer, wenn auch nur allgemeinen Gleiehwerthig- keit derselben zwischen Weibchen und Männchen, jeden morpho- genetischen Haltes entbehrt. Es ist weiter oben erwähnt worden, dass, zur Zeit der Spinn- reife, am hinteren Ende der weiblichen Genitalstränge ein lebhafter Proliferationsprocess der im Plasma eingebetteten Kerne sich geltend macht. Was die Art und Weise ihrer Befestigung an der Hypo- 674 E. Verson und E. Bisson, dermis betrifft, gab seiner Zeit BESSELS! für Gastropacha rubi an, dass sie mit vier ungleichen Enden am »Schleimnetz« sich festsetzen, von welchen ein jedes gesondert münden sollte. Nach JAcKSoN (l. e. p. 158) liegt der Ansatz der Eileiter am hinteren Rande des siebenten Abdominalsesmentes, näher der Mittellinie als die Inser- tionen der Ventralmuskeln, aber ein einziger feiner und kurzer Faden geht von demselben ab, um sich gesondert an die Hypodermis zu befestigen?. Unseren eigenen Beobachtungen zufolge dürfte die Verschiedenheit dieser Angaben wohl darauf beruhen, dass sie sich auf ungleich vorgeschrittene Entwicklungsstadien beziehen. Bei Bombyx mori wenigstens zerfallen die Endstücke der soliden Eileiter, sobald die Spinnreife erreicht ist, in mehrere sogar zahlreiche Spitzen, welche mit einem fadenartigen Ausläufer in die Zwischensubstanz der Hypodermiszellen weiter auszugreifen scheinen. Wie unserer Fig. 5 eg entnommen werden kann, und noch deutlicher die viel stärker vergrößerte Fig. 9 zeigt, geht dieses Vorschieben von Greif- armen mit einer Lösung der früher bestandenen Konnexionen ein- her, und so kommt es, dass die neugewachsenen Wurzeläste bald nicht nur in das achte Abdominalsegment eine kurze Strecke weit vordringen, sondern auch die beiderseitigen Genitalstränge durch einzelne Fortsätze mit einander verbinden. Dabei vermehren sich ihre oberflächlichen Kernchen in unermüdlicher Folge und bestim- men eben dadurch eine Verlängerung des endständigen Strang- abschnittes, die zuweilen in spiraligen Krümmungen der abgespal- tenen Kernzüge sich äußert. Als handle es sich um eine Kontaktwirkung, schreitet aber nun die in Gang gekommene Bewegung weiter. A small trachea also approaches the root of the oviduct, but I do not know its destination — drückt sich JACKSON aus. Und wir finden in der That diesen Tracheenast wieder, wie er beiderseits den Imaginalscheiben des ersten Paares zustrebt, und dabei rechts . und links zahllose kurze Kapillärchen abgiebt; wir finden aber, dass gleichzeitig damit, und zwar entsprechend dem Verlaufe der zwei symmetrischen Tracheenäste, sich auch zwei längliche Hautfalten nach innen erheben (Fig. 5 pl.rvog), welche eben so von den vereinigten Wurzeln der Genitalstränge gegen die vorderen Imaginalscheiben g.« mit schwacher Divergenz verlaufen. Wir wissen schon, dass durch Verschmelzung dieser zwei ! Studien über die Entwicklung der Sexualdrüsen bei den Lepidopteren. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 1867. 2 S. auch dessen Taf. XVL, Fig. 32. Die postembryonale Entwicklung etc.. von Bombyx mori. 675 Längsfalten nach innen und oben ein tiefer medianer Halbkanal ent- steht, dessen freie Ränder sich nachträglich zu einem geschlossenen Rohre vereinigen. Letzteres endigt blind nach vorn, und wird von den Ausläufern der Genitalstränge umfasst, welche sich auf seiner Oberfläche allmählich vertheilen und es mit einer mesodermalen Umhüllung versehen. Nach hinten reicht es bis zum ersten Paare Imaginalscheiben, und endet hier ganz offen wie die ersten Bilder der Schnittserie Fig. 6 deutlich zeigen. In Fig. 6@ bringt der Quer- schnitt die vereinigten Wurzeln der paarigen Genitalstränge ov.p zur Anschauung; in Fig. 65 schiebt sich das aus zwei verschmol- zenen Hautfalten hervorgegangene Medianrohr ov.c zwischen die zwei Genitalstränge ov.p ein; in Fig. 6c ist die Verschmelzung der zwei seitlichen Hautfalten zu einem geschlossenen Rohre noch erkennbar; in Fig. 6d macht das abgeplattete Rohr einem offenen Halbkanale Platz, während {rf die an einem anderen Orte! schon erwähnten Riesenzellen versinnlicht, in deren Inneren sich Trachealknäuel.an- legen. Der Uterus, welcher unschwer in diesem neugebildeten Rohre erkannt werden muss, ist demnach eine rein ektodermale Formation — wenn man natürlich von seiner äußeren Umhüllung absieht, welche erwiesenermaßen von den paarigen Genitalsträngen abstammt. Und darin befinden wir uns in vollem Widerspruche mit WHEELER, welcher behauptet, dass Uterus und Samenblasen noch während des Embryonallebens gebildet werden (are formed!) und mesodermalen Ursprungs sind (l. ec. p. 125). Will man unter »Samen- blasen« die noch latente Anlage in den hinteren Terminalampullen der Hodenstränge verstehen, so wird man allenfalls von einer em- bryonalen Periode derselben reden können; vom »Uterus« dagegen ist bei Bombyx mori auch nicht der entfernteste Keim wahrzunehmen bevor nicht die Hautfalten sich erheben, aus welchen derselbe un- mittelbar hervorgeht: und das geschieht erst zur Zeit der Ver- puppung. Anderentheils ergeben sich auch die gegenseitigen Be- ziehungen zwischen Eileitern und Uterus bei Bombyx durchaus verschieden von denjenigen, welche WHEELER für Xiphidium angiebt. Bei letzterem nämlich begegnen sich während des Larvenstadiums (?) die zwei Terminalampullen in der Medianlinie, und während sie sich zunächst mit ihren zugespitzten Enden berühren, sollen sie in ein- ander aufgehen (Uterus!) und sich erst dann in die Vagina öffnen. 1 Auch diese Zeitschr. Bd. LXI. p. 325. 676 E. Verson und E. Bisson, Ein solches Verhalten trifft nicht für Bombyx zu, wo der Uterus derart zwischen die paarigen Eileiter eingezwängt erscheint, dass eine unmittelbare Verschmelzung ihrer Kanäle nicht möglich ist. Die freie Durchgängigkeit des ganzen Ausführungsapparates stellt sich erst am Ende der Puppenperiode ein, kurz vor dem Erscheinen der Imago. Aber auch dann findet eine direkte Kommunikation zwischen den zwei Eileitern nicht statt: sie öffnen sich nicht in einander, sondern jeder mündet auf eigene Rechnung, selbständig, in den gemeinschaftlichen Eigang (s. Fig. 13, 14 und 15). Auch von JACcKSoN wird die ektodermale Natur des Uterus ohne kückhalt postulirt, wenngleich diesem Autor die eigentliche Art und Weise seiner Bildung nicht recht einleuchten will. >My own im- pression is that there is an ingrowth from the hypodermis of cells which subsequently arrange themselves in the form of a tube; in other words the invagination of cells is at first solid.« Das in Fig. 5 abgebildete Präparat sowie die Querschnitte aus Fig. 6a, 5, c und d lehren, dass die Annahme einer zuerst soliden Hautwuche- rung mit nachfolgender Aushöhlung keine Begründung hat, oder vielmehr, dass eine solche Annahme durch die naturgemäß vor- wiegende Wandstärke des blinden Grundes am neugebildeten Uterus ganz und gar nicht gerechtfertigt erscheint. Dagegen stimmen wir vollkommen bei, wenn der vordere Abschnitt des Eiganges, d.i. der Uterus, the first completed in order of time geheißen wird!. Die Bildung der Scheide folgt erst hinterher, und erfordert eine gemein- schaftliche Besprechung mit den b. Imaginalscheiben des ersten Paares. Während der ersten und theilweise auch während der zweiten Larvenperiode, wahrscheinlich wegen optischer Hindernisse unkennt- lich — werden die Imaginalscheiben des achten Abdominalseg- ! Diese Angabe entnehmen wir dem Summary of results 2 (p. 168), welches wohl am treuesten den Absichten des Verfassers entsprechen dürfte. Zwar liest man auf p. 161 eine sehr verschiedene Auslegung. The azygos oviduct, heißt es da, is formed in three portions: first, the part underlying the anterior pair of vesiecles, which is partly developed in the preceding stage; secondly, the part which connects the anterior vesicle to the larval oviduets, which is established next ete. ete. — womit also eigentlich besagt wird, dass der vorderste Abschnitt des Eiganges, der Uterus, in seiner Bildung dem mittleren Abschnitt erst nachfolgt. Da hier oder dort jedenfalls eine Verschreibung vorliegt, so ziehen wir vor, in dem als Endresultat angeführten Satze die. richtige Aus- drucksform zu erblicken. | Die postembryonale Entwieklung ete. von Bombyx mori. 677 mentes von nun an dem bewaffneten Auge fassbar. Anfangs nur eine winzige Hauteinbuchtung von elliptischer Gestalt vorstellend, werden sie im Laufe der Zeit tiefer und ausgedehnter, so dass während der Spinndauer ihre Konfiguration an eine flache Blase mit klaffender Mündung erinnert, deren größerer Durchmesser mit der Längsachse des Larvenkörpers parallel verläuft. Die Blase selbst wird im Sinne ihrer Länge von einer in die Höhle vorspringenden Leiste durchzogen, wodurch ihr Querschnitt sich gewissermaßen aus zwei anstoßenden Halbkanä- len oder Rinnen zusam- menzusetzen scheint. Und gleichzeitig findet, in Folge partiellen Schwundes der ventralen Hypodermis eine Verschiebung der ganzen Imaginalscheiben gegen die Medianlinie statt. Wie bei- stehende schematische Quer- schnitte ersichtlich machen sollen, rücken dabei die gerippten Bläschen — von den Seiten — einander bis zur Berührung nahe; in der ventralen Mittellinie zusammenstoßend, richten sie sich aber mit gegenseitiger Stütze empor, und begrenzen nun, wie die Schalen einer halb offenen Muschel, einen Innenraum, der in seiner ganzen Länge nach außen kommunieirtt. Die zwei seitlichen Imaginalscheiben des achten Abdominal- segmentes haben sich also, wie die Klappen einer halboffenen Gussform, zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt, und die daraus hervorgegangene Bildung ist es, welche seiner Zeit HEROLD zuerst gesehen, und viel später JACKson näher beschrieben hat, als »a rounded body divided by a median furrow into two oval halves, one right, the other left, rarely completely symmetrical and alike«. JACKSON hat keine Ahnung, dass es sich dabei um zwei aus größe- rer Entfernung zusammengerückte und verschmolzene Imaginal- scheiben handelt. Jedenfalls hebt er aber den bilateralen Charakter des besprochenen Körpers hervor, und nachdem er, gewissermaßen als Eigenthümlichkeit, darauf hingewiesen, dass bei Pieris brassicae die mittlere Theilungsfurche tiefer sich einsenkt, und bei Phalera bucephala die zwei Hälften erst von einander unabhängig und durch 678 E. Verson und E. Bisson, einen Zwischenraum getrennt sind, giebt er der Vermuthung Aus- druck, dass letztere »may be originally independent in Vanessa and Pieris; but if so it is at a stage earlier than any I have seen«. Die zwei vorderen Imaginalscheiben richten sich also in der Medianlinie gegen einander empor und vereinigen sich Anfangs nur mit ihren inneren Rändern wie durch ein Scharnier. Unsere sche- matische Abbildung bedeutet aber auch, dass bei weiterer Annähe- rung der noch freien Ränder, d. h. bei weiterer Schließung der nur zugelehnten Klappen, — zunächst die vorragenden Längsleisten in halber Höhe, zuletzt aber auch die untersten (äußeren) Ränder der Imaginalscheiben sich berühren und verschmelzen müssen. Und die Folge davon ist eine Differenzirung zweier über einander liegender Hohlräume, welche übrigens hier und da noch kommunieiren oder gar nach außen sich öffnen können, wo die Verschmelzung eine stellenweise Unterbrechung erfahren hat. Bevor es dazu kommt, schreitet aber das Wachsthum der ver- schmolzenen Imaginalscheiben, oder vielmehr der oberen Hälfte ihrer Doppelrinnen, weiter, und zwar findet dasselbe ganz vorwiegend am vorderen und am hinteren Ende statt, während dazwischen der Mangel einer entsprechenden Ausdehnung sich als eine immer tiefere Einsattelung kund giebt. Zur besseren Orientirung wollen wir wieder die Schnittserie aus Fig. 6 heranziehen, wo der in a, 5 und c schon röhrenartig geschlossene Uterus ov.c, in d und e noch rinnen- artig offen steht. In / treten nun zum ersten Male die median ver- einigten Imaginalscheiben auf. Und aus den darauffolgenden Schnitten 9, h und i wird es gleich klar, dass die zwei ‚unteren Halbrinnen ov.c die unmittelbare Fortsetzung des Uterus selbst vorstellen, dass dagegen die zwei oberen Halbrinnen, mit d.ce und r.s in der Abbil- dung bezeichnet, eine besondere Raumabtheilung bedeuten, welche mit der darunter befindlichen ov.ce übrigens noch weite Kommuni- kation bewahrt. An Querschnitten fällt das ungleichmäßige Wachs- thum der verschiedenen successiven Partien nicht leicht in das Auge. Wenn man aber den Längsschnitt Fig. 11 zu Rathe zieht, ohne sich vor der Hand daran zu stoßen, dass derselbe einem etwas vor- gerückteren Entwieklungsstadium (eben fertige Puppe) angehört und demgemäß die zwei Halbrinnen ov.c aus Fig. 6 sich mit einander vereinigt und von der Außenwelt fast völlig abgeschlossen haben, überzeugt man sich ohne Weiteres, dass vorderes (d.c) und hinteres Ende (r.s) der zweiten Etage eine gewaltige Expansion in entgegen- gesetzter Richtung verfolgen. Auch bei Flächenansichten ergiebt Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 679 sich dasselbe Verhalten. Wir entnehmen der Fig. 7, welche den accessorischen Sexualapparat einer weiblichen Raupe unmittelbar vor der Verpuppung, von oben gesehen, wiedergiebt, — dass der Uterus, die noch soliden Genitalstränge c.g nachschleppend, in Folge Verdichtung seiner jungen Elemente sich nach hinten um ein Be- deutendes verkürzt hat: so dass er zum größeren Theile von der sich entfaltenden Begattungstasche d.c überdeckt wird. In diametral entgegengesetzter Richtung streckt sich eine zweite blasenartige Er- weiterung aus, die Samentasche oder das Receptaculum seminis r.s. Und gleichzeitig werden wir gewahr, dass die dünnen Muskelfäden, welche von Anfang an seitlich zum ersten Paare Imaginalscheiben traten (Fig. 5 m), nun zu ansehnlichen fächerartig ausgebreiteten Bündeln angewachsen sind (Fig. 7 m), wo eine Differenzirung von rings- und längsverlaufenden Elementen beginnt. Es wird gut sein schon jetzt daher festzuhalten, dass zum Unterschiede vom Uterus, wo direkte Ausläufer der Genitalstränge die Epithelialwände all- mählich überziehen, die Scheide sammt den übrigen Derivaten des ersten Scheibenpaares ihre mesodermale Umhüllung aus zwei be- sonderen Zweigen des intervisceralen Muskelnetzes beziehen. In demselben Maße als der tubulare Verschluss des Uterus von vorn nach hinten vorschreitet, wird die längselliptische Basis der medianen Hauteinfaltung (s. Fig. 5) nach und nach kürzer, ‚so dass Sie, nach einer gewissen Zeit, nur vom vorderen Rande der median verschmolzenen Imaginalscheiben g.a bis zum Querschenkel der H-Falte reicht. Demgemäß kommunieirt der Innenraum der aus den ersten Imaginalscheiben hervorgegangenen Sexualblase in seiner ganzen Basalausdehnung ohne Unterbrechung mit der Außenwelt, wie in Fig. 6 die Querschnitte d—m veranschaulichen; die darauf- folgenden Querschnitte 2 und o zeigen, dass hier die letzte Spur der Einfaltung (s.2 in den Schnitten 7 und x) verstrichen und das allgemeine Integument :»p wieder glatt und eben geworden ist. Aber schon die nächste Phase bringt in dieses Verhalten eine gründliche Änderung, wie eine nähere Prüfung der Schnittserie Fig. 10 ergiebt. Wir sehen in derselben die zwei hohl gewordenen Eileiter (ov.p in Fig. 10a) allmählich der Medianlinie sich nähern, bis sie in Fig. 105 auf den Uterus ov.c stoßen und seitlich mit demselben verwachsen. In Fig. 10c und 10d lagert die nach vorn sich ausdehnende Bursa copulatrix d.c über dem Uterus ov.c, und lässt sich bis zu ihrem eigentlichen Ausgangspunkte in Fig. 10e verfolgen, wo die Kommunikation mit dem Eigange persistirt. 680 E. Verson und E. Bisson, Ähnlich ergeht es der Samentasche r.s am hinteren Ende der Sexual- blase, nur in umgekehrter Ordnung. Die ersten Querschnitte (Fig. 10 f und 10g) treffen die Wurzel oder den Stiel der Samen- tasche und demonstriren deren unmittelbaren Zusammenhang mit der darunterliegenden Höhlung des Eiganges; in den Schnitten Fig. 10%—n erscheint dagegen ihr Körper selbst als liegender, iso- lirter Fortsatz, der in Fig. 10%» blind endigt. Andererseits wissen wir, dass der Innenraum der Sexualblase auch nach außen kom- municirt. Während aber im vorhergehenden Stadium (s. Schnittserie der Fig. 6) die respektive Mündung sich als länglich elliptischer Spalt von einem Ende zum anderen der Sexualblase ununterbrochen erstreckte, — belehrt uns Schnitt Fig. 107 aus dem nächstfolgenden Stadium, dass kurz vor dem Grunde der Einfaltung ov.c eine um- schriebene Verwachsung statt hat, welche von oben nach unten sich wie ein Vorhang senkt. Dadurch wird die früher einfache elliptische Mündung der Sexualblase zuletzt in zwei hinter einander gelegene weite Öffnungen getrennt, und diese selbst werden nachträglich verschmälert und zu bleiben- den Löchern abgerundet. Zur Zeit der Verpuppung hat sich also die aus den vorderen Ima- sinalscheiben konfluirte Sexualblase folgendermaßen gestaltet: die untere Abtheilung ihrer zwei seitlichen Wände — man erinnere sich, dass zu einer gewissen Periode jede Wand im Querschnitte die Kontouren einer Doppelrinne reproducirte — hat sich zu einem länglichen Rohre, der Vagina geschlossen und stellt die unmittel- bare Fortsetzung des Uterus vor; die obere Abtheilung hat vorn und hinten je eine blasige Auftreibung erzeugt, die Rudimente der Bursa copulatrix und des Receptaculum seminis, welche, Anfangs gemeinschaftlich, dann aber jedes für sich mit der Vagina kom- munieiren. Letztere mündet ihrerseits nach außen durch zwei Off- nungen: das vordere und das hintere Genitalostium. Diese thatsächlichen Verhältnisse begründen nicht den Vorschlag Jackson’s, den gemeinschaftlichen Eigang (azygos oviduct) in drei Portionen zu theilen. Dieser Autor unterscheidet nämlich einen vorderen Abschnitt an demselben, der das erste Paar Keimschei- ben mit den larvalen Eileitern verbindet; einen mittleren, der basalen Ausdehnung jener Keimscheiben entsprechend; endlich einen hinteren, dem die Verbindung zwischen erstem und zweitem Paar Keimscheiben obliegt. Dieser letzte Abschnitt soll als eine weit offene, nach hinten sich erstreckende Hautfurche entstehen, welche Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 681 bei anbrechender Verpuppung an ihren freien Rändern verschmilzt. Nach unseren Ergebnissen hat er aber — als Derivat der Furche, welche seiner Zeit zwischen Querschenkel der H-Falte und zweitem Paare Imaginalscheiben sich einsenkt — gar kein Recht als ein Be- standtheil des eigentlichen Eiganges angesehen zu werden, wie weiter unten gezeigt werden soll. Und der mittlere Abschnitt JACKSoN’s, der ja doch bis zum Querschenkel unserer H-Falte ge- rechnet werden muss, begreift die gesammte Vagina mit ihren zwei Genitalostien in sich. c. Imaginalscheiben des zweiten Paares. Nach vollendeter Spinnperiode hatten sich die zwei hinteren Imaginalscheiben der Medianlinie am hinteren Rande des achten Abdominalsegmentes genähert und dabei eine innere Evolution voll- führt, welche sie schon als die Rudimente der Kittdrüsen erkennen ließ. Es ist am betreffenden Orte ausführlich dargelegt worden, dass jede Imaginalscheibe mit einer kleinen Öffnung für sich nach außen mündet, und dass hinter denselben ein länglicher Schlauch, zu einer Art Schneckenwindung zusammengedreht, sich fort und fort ausdehnt, ohne Anfangs die allgemeinen Umrisse eines ellip- tischen Gebildes desshalb zu verlieren. Für dieses Stadium nimmt nun JACKsoN, dem die einleitenden Vorstufen unbekannt geblieben sind, einen eigenen Körper an, welcher durch eine Furche in zwei birnförmige Hälften getheilt sein soll: die breiten stumpfen Enden an einander gelegt, die Spitzen oder Stengel nach außen in entgegengesetzte Richtung laufend. Dem entgegen müssen wir für Bombyx mori eine Verschmelzung der zwei hinteren Imaginalscheiben unter einander auf das Be- stimmteste in Abrede stellen. Fig. 7 zeigt ganz deutlich an einer Flächenansicht, dass sie vielmehr ganz unabhängig von einander verharren, und sogar einen Zwischenraum freilassen, der von den Bündeln des degenerirenden M. levator ani (.a) eingenommen wird. An demselben Bilde kann leicht wahrgenommen werden, dass ähn- lich wie beim ersten Imaginalscheibenpaare, die ehemaligen feinen Muskelbündelchen (lg, Fig. 4), die an der primitiven Hauteinbuch- tung sich befestigten, nun zu mächtigen Flügeln angewachsen sind, welche sich fächerartig immer mehr nach vorn ausbreiten, die hin- teren Partien der Imaginalscheiben selbst freilassend.. Und auch diesen Wink wollen wir nicht vergessen, dass die Kittdrüsen, näm- lieh, für ihre mesodermalen Umhüllungen — wo sie sich eben 682 E. Verson und E. Bisson, vorfinden — eine eigene, von jener der Vagina verschiedene Be- zugsquelle benutzen. | Wenn wir aber Querschnitte betrachten, so wird die gegenseitige Unabhängigkeit der zwei hinteren Imaginalscheiben erst recht be- leuchtet. Es ergiebt sich dann unzweifelhaft, dass dieselben wirklich eine gesonderte Mündung besitzen (gm in Fig. 6p), und dass die von einem breiten Zwischenraume getrennten Öffnungen i in einer medianen Hautfurche (ce in Fig. 6g und 6r) verborgen liegen. Diese Haut- furche ist übrigens mit dem hintersten Ausläufer der Vaginaleinfal- tung s.t (Fig. 62 und 6m) nicht zu verwechseln. Der Querschenkel der H-Falte (s. Fig. 5) trennt vor der Hand beide streng von ein- ander, wie auch die Schnitte Fig. 62 und 60 zeigen, wo die Haut :p glatt und eben von einer Seite zur anderen streicht. Die Furche cc aus Fig. 69 und 6r wird später ihre freien Ränder ebenfalls, und zwar von hinten nach vorn, vereinigen, und der neu entstandene Kanal (ce.gm in Fig. 8) wird als gemeinschaftlicher Ausführungsgang der Kittdrüsen sich bis zum hinteren Genitalostium o.p verschieben, mit diesem verschmelzend. Der immer kürzere Hautsporn zwischen den zwei verschmelzenden Öffnungen rückt dabei nach oben (innen), und bringt es allmählich mit sich, dass schließlich der Ausführungs- sang der Kittdrüsen selbst (cc in Fig. 11) von oben her in den Ei- gang sich zu entleeren scheint. Es muss also ganz ausgeschlossen werden, dass die hinteren Imaginalscheiben an der Bildung der Vagina irgendwie theilnehmen. Dieselben erzeugen einzig und allein die paarigen Sammelblasen und die secernirenden Verzweigungen der Kittdrüsen, während der gemeinsame Ausführungsgang der letzteren aus einer medianen Haut- falte hervorgeht, die an ihren freien Rändern verschmilzt!. III. Wenn auch bei der jungen Puppe die einzelnen Nebenorgane des weiblichen Sexualapparates im rudimentären Zustande schon alle vorhanden sind ,-muss man doch zugeben, dass sie von ihrer bleibenden Form, Größe und Lage gewaltig differiren. Die Leb- 1 Die gegentheiligen Schlüsse Jackson’s lauten wie folgt: The two sebaceous glands of the imago, their vesicles and common duct leading to the azygos oviduct, are derived from the median dorsal portion of the paired posterior vesicles invaginated from the hypodermis of the ninth sternal region, whilst the common or basal ventral portion of the same vesicles becomes the extreme posterior end of the azygos oviduct (l. e. p. 169). Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 683 haftigkeit der Evolutionsvorgänge erreicht auch wirklich erst während der ersten Hälfte des Nymphallebens ihren höchsten Grad, und wir brauchen unsere ganze Aufmerksamkeit, um die Details derselben nicht aus dem Auge zu verlieren. Das wechselseitige Verhältnis zwischen Eileitern und Uterus erleidet keine wesentliche Änderung. Die Wände der zwei meist schon hohlen Eileiter berühren sich nicht unmittelbar: sie werden vielmehr durch den dazwischen eingekeilten Uterus aus einander gehalten (Fig. 13 und 14), mit dem sie erst kurz vor dem Imaginal- stadium in Kommunikation treten. Die Eileiter an und für sich erleiden dagegen um diese Zeit eine große Modifikation. Nachdem sie in ihrer ganzen Ausdehnung durchgängig geworden sind, macht sich im Eikelche, d. h. an ihrem vordersten viertheiligen Abschnitte, eine bedeutende Verlängerung geltend. Mag es dadurch zu einer Volumszunahme des Genitaldrüseninhaltes mit vermehrter Spannung der Hülle kommen, oder mögen andere Ursachen ins Spiel treten, welche sich unserer Erkenntnis entziehen, — Thatsache ist es jeden- falls, dass die äußere Kapsel des Eierstockes sich dabei von ihrer Insertion am Grunde des Eikelches löst, und hiermit eine weite Lücke mit zerrissenen Rändern frei lässt, aus welcher die am Kelche hängenden Eiröhren ohne Weiteres hervorquellen. Kaum ist aber der Widerstand gebrochen, den die feste Kapsel bisher jeder Dislo- kation entgegenstellte, so schnellt das lose Ende des Eileiters gegen die feste Ansatzstelle am Uterus zurück, und zieht auf diese Weise die Eiröhren vollends aus der Umhüllung, welche sie auf engem Raume zusammenpresste. Mit der Verkürzung geht nachweisbar eine bedeutende Verbreiterung der paarigen Eileiter einher. Wir sind aber selbstverständlich weit davon entfernt desshalb den ganzen Vorgang auf eine einfache Elastieitätserscheinung zurückführen zu wollen, und stehen nicht an zuzugeben, dass mannigfache Zeichen auf einen ausgiebigen Schwund noch junger Gewebselemente hin- weisen. Unvergleichlich komplieirter stellt sich die endgültige Systemati- sirung der Vagina mit der Begattungstasche und dem Receptaculum seminis. Zur Zeit der Verpuppung war dieselbe zu einem längeren Rohre gediehen, welches mit: einer vorderen und einer hinteren Genitalöffnung nach außen mündete. Dorsal gingen von ihr eine vordere und eine hintere blasige Auftreibung, als rudimentäre Bursa copulatrix und eben solche Samentasche aus (Fig. 11). Es muss jedoch betont werden, dass während Anfangs diese blasigen Auftreibungen 684 E. Verson und E. Bisson, der Vagina mit einer weiten Basis aufsaßen, welche beinahe der ganzen Ausdehnung letzterer gleichkam, nach und nach von den freien Enden aus eine immer tiefere Abschnürung gegen die Mitte zu vor- dringt. Und indem hier, wie in einer neutralen Zone, der Ausdehnungs- process, dem die gegenständigen Blasen d.ce und r.s ihre Entfaltung verdanken, ganz stille steht, — bleibt eine Einsattelung zurück, welche die nun sehr verengten Zugangsöffnungen von einander trennt. Diese beiden Ostien liegen also zuerst eines hinter dem ande- ren in der dorsalen Wand der Vagina. Bald darauf verändern sie aber ihre gegenseitige Stellung, wie es scheint, in Folge eines ent- sprechenden Zuges seitens der Flügelmuskeln (m, Fig. 7), welehe mit breitem Ansatze zum ersten Imaginalscheibenpaare treten. Letztere geben nämlich ihren Zusammenhang mit dem intervisceralen Muskel- netze, der übrigens sichtlich zu zerfallen beginnt, jetzt ganz auf, und ihr junges, proliferirendes Mesodermalgewebe schiebt sich vollständig zur Vagina heran, deren Wände sowie die Wurzeln der Samen- und Begattungstasche mit Rings- und Längsfasern überkleidend. Daher ist auf Fig. 8 von ihren früheren fächerartigen Ansätzen nichts mehr zu erblicken. Den veränderten Zugsrichtungen, welche solch eine Verlagerung mit sich bringen muss, ist es aber wohl zuzuschreiben, wenn das vordere freie Ende der Begattungstasche nun meist nach hinten zurück- geschlagen erscheint, ihre Wurzel dagegen — von einem Stiele kann noch nicht die Rede sein, da die Kommunikation mit der Scheide durch ein einfaches Loch, nicht durch einen Kanal vermittelt wird — nach links rückt, während die Wurzel der Samentasche umgekehrt nach rechts zu liegen kommt. Alles dieses erklärt übrigens noch immer die Hauptfrage nicht, die sich jedem denkenden Beobachter sogleich aufzwingen muss: wie es denn komme, dass die vordere Genitalöffnung, welche bei der jungen Puppe direkt in das Vaginalrohr führt, später mit demselben jede Gemeinschaft verliert, und statt dessen mit der Begattungs- tasche eine neue Verbindung eingeht?... Um diesen dunklen Punkt zu beleuchten, müssen wir jedoch einen Schritt zurückkehren und uns noch einmal bei jener Entwick- lungsphase aufhalten, welche ungefähr dem Übergange ins Puppen- stadium entspricht. Querschnitte in ununterbrochener Reihenfolge von vorn nach hinten werden unseren Zwecken am besten dienen. Und an solchen werden wir ohne große Mühe entdecken, dass, noch ehe das Niveau der ersten Genitalöffnung erreicht ist, die linke Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 685 Falte der rudimentären Begattungstasche (p.c.d in Fig. 10e) eine auffallende Verlängerung und Verdickung erfahren hat. In Fig. 10 f hat sie geradezu das Aussehen eines soliden Auswuchses angenom- men, der sich auf die darunterliegende, homonyme Faltung der Vagina stützt und wenige Schnitte weiter (Fig. 109 und 10%) können wir ihn Schritt für Schritt verfolgen, wie er das Epithel des Scheiden- kanals seitlich durchbricht, um dessen Lichtung zu erreichen. Stellt man sich nun vor, dass dieser solide Auswuchs von oben nach unten ausgehöhlt wird, so ist dadurch ein seitliches Verbindungsrohr zwi- schen rudimentärer Begattungstasche und Scheidenkanal gegeben — unbeschadet der älteren direkten Kommunikationsstelle, welche in Fig. 10e und 10 dargestellt ist. Unmittelbar darauf verwachsen mit _ einander zwei vorspringende Hautleisten des hier sehr verbreiterten Vaginalrohres in der Weise, wie es die punktirte Demarkationslinie dme in Fig. 10% andeutet. Und hiermit ist auch der Sonde- rungsprocess beendigt, welcher jetzt also nicht nur die Begattungstasche vermittels eines eigenen seitlichen Ver- bindungsrohres in die vordere Genitalöffnung münden lässt, sondern auch das Vaginalrohr von derselben Oft nung ganz absperrt. In Folge der geschilderten Evolutionsweise muss der abgetrennte Vaginaltheil, welcher im Collum der Bursa copulatrix aufgeht, links liegen; und daher kommt es, dass, umge- kehrt, zu dieser Zeit und an dieser Stelle Flächenansichten des Ausführungsapparates die Vagina immer etwas nach rechts verbogen zeigen. In wie fern unsere Angaben mit den Vorstellungen JACKSON’s übereinstimmen, ist nicht leicht zu entscheiden, da gerade über diese merkwürdige Evolutionsphase der genannte Autor mit wenigen Worten wegsetzt. The bursa copulatrix is at first a pyriform vesiele, with no stalk at all worth mentioning, heißt es auf p. 163 seiner Abhandlung. Wenige Zeilen weiter wächst the stalk or duet of the vesiele considerably in length, and becomes well marked off from the vesicle itself. Es ist also ein Zweifel zulässig, ob dieser stalk nicht etwa mit der primitiven Wurzel der Begattungstasche verwechselt wird, der eine ganz andere Bestimmung reservirt ist; jedenfalls ist aber nirgends angedeutet, auf welche Weise dieser Stiel zur vorderen Genitalöffnung gelange, welche noch immer mit der Scheide in Verbindung steht. Unsererseits mag es nicht über- flüssig sein, die vorausgegangene Schilderung noch durch Fig. 12 zu ergänzen, welche einen dicken Längsschnitt des Ausführungsapparates Zeitschrift f. wissensch. Zeologie. LXI. Bd. 45 686 E. Verson und E. Bisson, von einer wenige Tage alten Puppe vorstellen soll. In 00.9 ist der linke Eileiter noch sichtbar, der blind gegen den Eigang ov.e endigt. Letzterer liegt jedoch nicht mehr der ventralen Hypodermis, aus welcher er theilweise abgeschnürt wurde (Uterus), unmittelbar auf. Er hat sich vielmehr von derselben nicht unbeträchtlich abgehoben, und so konnte es nicht anders kommen, als dass seine zwei Kom- munikationsöffnungen nach außen, vorderes und hinteres Genital- ostium nämlich (o.a und o.pj, um die ganze Länge des Abstandes zu röhrenartigen Kanälen ausgezogen wurden. Übrigens gehören in der Entwicklungsphase von Fig. 12 nicht mehr beide Genitalöffnungen zum Eigang. Denn wir ersehen aus derselben, dass der Oviduet sich vom vorderen Genitalkanal e.d schon ganz abgeschlossen hat, und nur hinter seiner linken Wand denselben durchscheinen lässt, wie er zum Körper der Begattungstasche d.c sich eben begiebt. Niehtsdestoweniger unterhält letztere noch immer eine direkte Ver- bindung mit dem Eigange, welche durch die Fig. 12 im Profile wiedergegeben ist, und von der Fläche aus in Fig. 14 gesehen wer- den kann. Hier erscheint — nachdem das Receptaculum seminis r.s aus seiner natürlichen Lage, wie sie in Fig. 13 dargestellt ist, nach rechts zurückgeschlagen wurde — die direkte Kommunikation zwischen Eigang und Begattungstasche als ein rundes, kaum etwas spiralig verzogenes Loch c.s. Aber sobald die Bursa sich entschie- dener der linken Seite zuneigt, werden die Ränder des Loches zu einem Röhrchen weiter ausgezogen (c.s in Fig. 16), welches, allmäh- lich verlängert (Fig. 15) und verstärkt (Fig. 19), schließlich das bleibende Samenkanälchen vorstellt (s. Fig. 20). Von den übrigen Anhangsgebilden des weiblichen Ausführungs- apparates haben wir nur wenig mehr zu berichten. Das Recepta- culum seminis bläht sich zu einer in Gestalt mannigfach variirenden Sammelblase auf, von welcher noch eine tubuläre Drüse mit meist zweigetheiltem Ende ausgeht. Auch die Kittdrüsen entfalten je einen langen membranösen Schlauch, der zu reich verästelten Drüsentubulis führt. Die secernirenden Theile bewahren noch während des Imagi- nallebens Cylinderepithel, während der innere Belag jener Partien, welche das fertige Sekret sammeln und dabei eine weite Ausdehnung erfahren, aus Pflasterzellen besteht. Auch muss es ganz naturgemäß erscheinen, dass eine stärkere muskuläre Umhüllung überhaupt sich besonders dort vorfindet, wo die Weiterbeförderung eines volumi- nösen, flüssigen oder soliden Inhaltes erheischt wird: an den secer- nirenden Enddrüsen sind Muskelfäden sehr selten oder fehlen gänzlich. Die postembryonale Entwicklung etc. von Bombyx mori. 687 Nach diesen kurzen Daten allgemeinen Charakters mag zum Schlusse nur noch eine specielle Erörterung über die Begattungs- tasche folgen, deren Funktionirung auf den ersten Blick wenigstens nieht recht einleuchtend ist. Es muss z. B. auffallen, dass das Samenkanälchen so sehr nahe der trichterförmigen Kopulations- öffnung abgeht; und es begreift sich schwer, wie dieses Verhalten zur Entfaltung einer verhältnismäßig so weiten Sammelblase passen soll. Auch ist es mehrfach schon hervorgehoben worden, dass die Begattungstasche nicht einen einfachen Sack vorstellt, da ihr Inneres verschiedene eingestülpte Membranen zu bergen scheint, deren Be- stimmung nicht abzusehen ist. Nach unseren Beobachtungen verhält sich nun die Sache sehr einfach. Vor Allem sei daran erinnert, dass, wenn die zwei Genital- öffnungen, welche im Anfange der Puppenperiode ganz nahe hinter einander lagen, bei der Imago von einem viel weiteren Abstande ‚getrennt sind, — dieses wohl ausschließlich auf Rechnung einer Verrückung des hinteren, des Oviductalostiums, zu setzen ist. Ver- gleicht man Fig. 11 mit Fig. 12, so wird man leicht gewahr, dass die hintere Genitalöffnung, welche bei Beginn des Nymphalstadiums vor den Kittdrüsen zu stehen kam, zwei Tage später sich weit hinter denselben befindet. Der gemeinsame Ausführungsgang der- selben, welcher unmittelbar nach seinem Verschlusse zu einem Kanale sich von hinten nach vorn richtete, um zum Eigange zu gelangen, muss nach wenigen Tagen die verkehrte Richtung — von vorn nach hinten — einschlagen, um sein Ziel zu erreichen. Und diese Dis- lokation geht so weit, dass die Mündung des Oviductes zuletzt an die Analöffnung stößt, und mit dieser gemeinsam die Spitze der terminalen Bauchpapille durchbricht. Die vordere Genitalöffnung ändert unterdessen ihre Lage nicht. Wohl verkürzt sich aber der Kanal, der von ihr zum Körper der Begattungstasche führt, und dabei erleidet er, unmittelbar unter der Insertion des Samenkanäl- chens, eine bedeutende Verengerung (c.d in Fig. 17 und Fig. 19), welche bei der Weite der anstoßenden trichterförmigen Kopulations- mündung um so auffälliger erscheinen muss. Die Lichtung dieses verengten Bursalductus ist aber nicht kreis- förmig im Durchschnitte, sondern mehr rinnenartig, indem eine dünne biegsame Hälfte der Wandung über das viel stärkere untere Wandsegment einsinkt, das durch eine starre Cutieularschicht (ct in Fig. 18) jede Biegsamkeit verloren hat. Die seitlich vorspringenden Ränder dieser ceuticulären Halbrinne können sogar derart anwachsen, 45* 688 E. Verson und E. Bisson, dass sie die Gegenwart wirklicher Längsleisten (z.cz, Fig. 19) in der Flächenansicht vortäuschen. Wo dieselbe aber aufhört und eine zartere Outicularhülle an ihre Stelle tritt, stülpt sich der unterste Theil der laxen Begattungstasche eine Strecke über dem steifen Ductus um (Fig. 19), wodurch eine klappenartige Invagination zu Stande kommt, welche die Einfuhr der männlichen Befruchtungs- masse zulässt, aber deren Wiederausfluss verhindert. Der in die Begattungstasche gelangte Samen kann aber nicht ohne Weiteres vom Oanalieulus seminalis aufgenommen werden. In der zweiten Hälfte der Puppenperiode scheiden die Bursalwände ein glattes Häutchen ab, welches gegen den blinden Grund des Organs immer zarter wird, und am äußersten Ende stellenweise auch ganz aufhört. Da die Wände der Begattungstasche aber noch immer sich zu erweitern fortfahren, trennt sich diese nymphale Cuticula als ein etwas schmälerer, doch zusammenhängender Sack mit lückenhaftem Grunde vom Wandepithel ab, und letzteres über- zieht sich gleich darauf mit einer neuen imaginalen Cuticula, von welcher zahllose winzige Dornen und Stacheln hervorstehen. Die nymphale Cutieula trennt sich bis tief in den Bursalduetus ab, so dass die früher von ihr verklebte Mündung des Samenkanälchens nun ganz offen steht; sie wird aber bei der letzten Häutung nicht mit den übrigen Exuvien ausgestoßen und entfernt, sondern verharrt an Ort und Stelle. Daraus folgt, dass der eingeführte Penis den Samen nur in den aus nymphaler Cuticula bestehenden Sack ejacu- liren kann; dass unter den Kontraktionen der eigentlichen Bursal- wände — mögen sie aktiv oder auch bloß passiv sein — der ein- gespritzte Samen durch die Lücken am Grunde dieses Cuticularsackes ausgepresst wird, und dass schließlich die ausgepressten Samenschläuche — beiihrem Niedersteigen längs den Seiten- wänden bis zur Mündung des Samenkanälchens — durch die stachelige imaginale Cuticula mechanisch ihrer membra- nösen Umhüllung entblößt werden und sich in einzelne Samenfäden auflösen. Als Resultat der vorliegenden Untersuchungen lassen sich also folgende Schlusssätze aufstellen: 1) Schon während der ersten Larvenperioden werden seitlich am achten und neunten Abdominalsegment vom weiblichen Bombyx mori zwei Paar ektodermaler Keim- oder Imaginalscheiben erkenn- bar, welche, gleichwerthig mit den vier Zapfen aus dem Hrrorp’schen „ah Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 689 Organ vom Männchen, aus embryonalen Bauchanhängen abgeleitet werden müssen. Während aber die männlichen Imaginalscheiben sich nach außen entfalten und den Penis sammt seinem Präpu- tium liefern, evolviren die weiblichen Keime nach innen. 2) Während der fünften Larvalperiode konvergiren die vier weiblichen Imaginalscheiben gegen die ventrale Medianlinie, und stoßen ungefähr an der Segmentalfalte zwischen achtem und neuntem Bauchringe zusammen. 3) Die zwei vorderen Scheiben — je ein weitmündiges, ellip- tisches, von einer Längsleiste durchzogenes Einstülpungsbläschen vorstellend — richten sich in der Medianlinie gegen einander empor und begrenzen so, wie die Schalen einer halboffenen Muschel, einen Innenraum, der nach außen in seiner ganzen Länge offen steht, aber durch die zwei seitlichen Längsleisten, welche stellen- weise konfluiren, in zwei über einander liegende Etagen zerfällt. Die obere Etage wächst vorn und hinten in je eine Blase aus, die Rudimente der Begattungs- und der Samentasche, welche gesondert mit der unteren Etage kommuniciren. Die Kommunikationsöffnung der ersteren wird seiner Zeit zum Samenkanälchen ausgezogen; jene der letzteren verschmälert sich zum Stiele der Samenkapsel. 4) Die untere Etage des aus den vorderen Imaginalscheiben entstandenen Hohlraumes liegt in einer Flucht mit einer hypoder- malen Doppelfalte, welche von ihr bis zu den Wurzeln der Genital- stränge sich erstreckt, rinnenartig sich einbuchtet, und durch Ver- schmelzung der freien Ränder zum tubularen Uterus wird. Der Uterus ist daher eine rein ektodermale Bildung. 5) Der Uterus endigt blind nach vorn, wo er von den Genital- strängen seitlich umfasst wird. Nach hinten kommunieirt er mit der noch offenen unteren Etage des unter 3) erwähnten Hohlraumes, welche am entgegengesetzten Ende vom Querschenkel einer zweiten, diesmal H-förmigen Hautfaltung begrenzt wird. Vom Uterus rück- wärts schreitend verschmilzt auch diese untere Etage an ihren freien Rändern zur Vagina, lässt aber zwei Mündungen nach außen frei: die vordere und die hintere Genitalöffnung. 6) Oben genannte H-förmige Hautfalte stellt eine brückenartige Verbindung zwischen dem vorderen und dem hinteren Paare von Imaginalscheiben her. Die hinteren Imaginalscheiben verwachsen aber nicht mit einander, wie das vordere Paar. Sie verwandeln sich jede für sich zur Sammelblase und zu den secernirenden Tubu- lis je einer der zwei Kittdrüsen, welche demnach eben so gesondert 690 E. Verson und E. Bisson, in eine vom hinteren Abschnitte der H-Falte gebildete Hautfurche einmünden. Letztere schließt sich von hinten nach vorn zum ge- meinschaftlichen Ausführungsgange derselben, und verschmilzt am vordersten Ende mit der Oviductalöffnung. | 7) Während Anfangs sowohl vordere als hintere Genitalöffnung in die Vagina führten, bildet sich später ein seitliches Verbindungs- rohr zwischen Begattungstasche und vorderer Genitalöffnung, welche sich gleichzeitig von der Vagina abtrennt. 8) In strikter Homologie zum hinteren Hodenstrange, der an seinem vordersten und an seinem hintersten Ende eine kleine Lich- tung — wohl als Rest von primitiven Cölomsäckchen (WHEELER’S Terminalampullen) — führt, kann man auch beim weiblichen Geni- talstrange das Persistiren ähnlicher Hohlräume nachweisen. Die vordere Ampulle wird zum viertheiligen Eierkelche; die hintere tritt an der zweiten Krümmung auf, welche der weibliche Genitalstrang kurz vor seiner Insertion am hinteren Rande des siebenten Abdomi- nalsegmentes beschreibt. 9) Die hintere Terminalampulle der weiblichen Genitalstränge dient — im Gegensatze zu jener der Hodenstränge — keinen be- sonderen Emanationen zum Ausgangspunkte, wenn nicht etwa dem äußersten Endabschnitte der Eileiter, welcher mit dem Ductus eja- culatorius gleichwerthig zu sein scheint. Dieses negative Verhalten steht wohl in Beziehung zur tiefen Involution, welche die Eileiter in ihrer ganzen Ausdehnung während des Nymphalstadiums erleiden. 10) Zwischen männlichen und weiblichen Anhangsorganen der Geschlechtsausführungsgänge besteht gar keine Homologie, indem jene des Männchens mesodermalen Ursprungs sind, jene des Weib- chens dagegen rein ektodermal entstehen. Was die Muskelhäute der weiblichen Anhangsorgane und Ausführungsgänge betrifft, so ist hervorzuheben, dass jene des Uterus von den Genitalsträngen ab- stammen, während die Derivate des vorderen und des hinteren Imaginalscheibenpaares aus besonderen Zuzügen des intervisceralen Muskelnetzes ihren Bedarf erhalten. | Padua, den 28. März 1896. Die postembryonale Entwicklung etc. von Bombyx mori. 691 Erklärung der Abbildungen, (Mit Ausnahme von Fig. 9 und 20 sind alle übrigen bei gleicher, etwa 50facher Vergrößerung mit Camera clara entworfen.) Tafel XXX, Fig. 1. Eine Imaginalscheibe aus dem neunten Bauchsegmente, am Ende der fünften Larvenperiode, im Querschnitt gesehen. g.p, ektodermaler Keim; ip, Hypodermis; ci, Cuticula. Fig. 2. Eine Imaginalscheibe aus dem achten Bauchsegmente, zwei Tage nach begonnener Spinnreife, im Längsschnitt gesehen. g.a, ektodermaler Keim; ir, Trachee; ct, Cuticula. Fig. 3. Eine Imaginalscheibe aus dem neunten Bauchsegmente derselben Raupe wie die vorhergehende, ebenfalls im Längsschnitt. g.p, ektodermaler Keim; :p, Hypodermis; ci, Cuticula. Fig. 4 Rechte Bauchseite einer fast spinnreifen Raupe mit relativen Imaginalscheiben. Z.m.v, ventrale Medianlinie; sg, achtes, neuntes und zehntes Bauchsegment; g.a, vordere Imaginalscheibe; g.p, hintere Imaginalscheibe; Zig, Muskelband derselben; pl.intersg, Segmentalfalte; lev.a, Musculus levator ani. Fig. 5. Hautfaltensystem, welches die Imaginalscheiben unter einander und mit den Wurzeln der Genitalstränge verbindet, pl.ivg; g.a und g.p, vordere und hintere Imaginalscheiben; m, tracheenführende Bänder, welche vom intervisce- ralen Muskelnetze abstammen; c.g, zerfaserte Wurzeln der noch soliden Genital- stränge; 2.l.a, Insertionsstellen der Muskelbündel vom Levator ani; die Inter- segmentalfalten pl.iniersg begrenzen den achten Bauchring vorn und hinten. Aus einer ruhenden Larve, welche ihren Kokon zu Ende gesponnen. Fig. 6. Schnittserie durch das ventrale Abdominalsegment einer etwas älteren Raupe (fünf Tage nach der Spinnreife). <.p, Hypodermis; ov.p, Genital- stränge; ov.c, Eigang; örf, tracheenbildende Zellen; d.c, rudimentäre Begattungs- tasche; r.s, rudimentäre Samentasche; m, tracheenführende Muskelbänder; s.t, erste Genitalfurche; ir, Tracheen; g.m, Kittdrüsen; cc, gemeinsamer Ausführungs- sang der Kittdrüsen; s./, zweite Genitalfurche. Für die Reihenfolge der abge- bildeten Querschnitte ist zu bemerken, dass a dem vordersten Schnitte entspricht, b dem 3., c dem 6,, d dem 8., e dem 12., fdem16., g dem 23., A dem 26., v dem 30., ! dem 35., m dem 40., n dem 45., o dem 47., p dem 50., qg dem 54., » dem 59., s dem 62., ? dem 70. Die dicke Larvalcutieula ist überall weggelassen. Fig. 7. Flächenansicht des accessorischen Sexualapparates aus einer an- gehenden Puppe. Die zwei vorderen Imaginalscheiben sind an ihrem inneren Rande verschmolzen und haben einen Hohlraum gebildet, der sich nach vorn zum Rudimente der Begattungstasche d.c, nach hinten zu jenem der Samen- tasche r.s erweitert. Die paarigen Genitalstränge cg sind noch solid, reichen aber in Folge einer Retraktion der zum Uterus invaginirten Hautfalten, bis fast zur Mitte des achten Bauchsegmentes herunter. Die Muskelbänder m, welche sich zum Eigange und dessen Anhangsgebilden (Begattungstasche, Samentasche und Kittdrüsen) begeben, differenziren sich schon zu zwei Schichten. Die Bündel 692 E. Verson und E. Bisson, des degenerirenden Musculus levator ani verkürzen sich und verziehen die Ovi- ductalöffnung nach hinten. | Fig. 8. Der nämliche Sexualapparat, aus einer drei Tage alten Puppe, ebenfalls von der dorsalen Seite gesehen. Die paarigen Eileiter ov.p sind, zufällig, noch immer solid, während der schon tubular geschlossene Eigang an seinem Grunde die zwei Genitalöffnungen oa und op durchscheinen lässt. Die Begattungstasche d.c ist von der Samentasche r.s vollständig getrennt und ver- längert sich zu einem theilweise verdeckten Seitenauswuchse ce.d, der später mit Ausschluss des Eiganges in die vordere Genitalöffnung o.a münden wird. Die mesodermalen Bündel m, welche im vorhergehenden Stadium mit vier fächerartigen Ansätzen herantraten, haben ihre Verbindung mit dem intervis- ceralen Muskelnetze aufgegeben und vertheilen sich nun über die Wände der Epithelialbildungen. Die Kittdrüsen gm sprossen an ihrem hipteren Ende und öffnen sich durch Vermittelung eines gemeinsamen Ausführungsganges ce.gm in die hintere Genitalöffnung op. Tafel XXXT. Fig. 9. Endigung eines soliden Genitalstranges cg, der mit fadenartig zu- gespitzten Ausläufern in die Intercellularsubstanz der Hypodermis :p ausgreift. Spinnreife Raupe. Vergr. 300 D. Fig. 10. Schnittserie durch den accessorischen Sexualapparat einer an- gehenden Puppe. In «a ‘erster Schnitt) senkt sich die Hypodermis :p, unter der hier nicht gezeichneten Larvenumhüllung von einer nymphalen Cutieula ce? schon überzogen, zu einer ventralen Medianfurche sl.m ein. Zu beiden Seiten der letzteren sind die schief geschnittenen Enden der paarigen Eileiter ov.p er- kennbar. In 5 (12. Schnitt) breitet sich die Medianfurche si.m zu seitlichen Hauteinbuchtungen aus. Die paarigen Eileiter ov.p sitzen am blinden Grunde des Eiganges ov.c fest, während die äußerste Spitze der Begattungstasche b.e über demselben auftaucht. e und d (15. und 19. Schnitt) treffen den Eigang ov.c und die Begattungstasche d.e in ihrer vollen Lichtung. Der 22. Schnitt e zeigt wie Eigang und Begattungstasche mit einander kommunieiren. Letztere schiebt ihre linke Seitenfalte 2.c.b hervor und verlängert sie zu einem soliden Aus- wuchse cd (vgl. den 25., 29. und 30. Schnitt f, g, A), der mit der darunter liegen- den Seitenfalte des Eiganges sich verbindet. Indem dieser Auswuchs nach- träglich hohl wird, bricht die Begattungstasche unmittelbar zum vorderen Genitalkanal durch, von welchem der Eigang ov.ce in Folge Verwachsung der vorstehenden Ränder in dme endgültig ausgeschlossen wird. Im 33. und 39. Sehnitt © und %) steht der Kanal oa noch weit offen, aber im 41. (/) wird eine umschriebene Verwachsung sichtbar, welche wie ein Vorhang vom Grunde des Eiganges sich nach unten senkt, und eine hintere Genitalöffnung o.p (siehe den 46. Schnitt m, sowie den 48. n) von der vorderen o.a abtrennt. Aus den zwei letzten Schnitten, dem 50. o und dem 53. p geht übrigens hervor, dass um diese Zeit der Eigang noch vor seiner äußersten Endigung, den gemeinsamen Ausführungsgang der Kittdrüsen ce.gm aufnimmt. Dieser Ausführungsgang theilt sich sofort in zwei paarige Schläuche cp.gm, von welchen die secerniren- den Drüsentubuli gm ausgehen. Fig. 11. Medianer Sagittalschnitt durch den accessorischen Sexualapparat einer jungen Puppe. Die Begattungstasche d.c und die Samentasche r.s kommuni- ciren sowohl unter einander als mit dem Eigange, welcher durch ein vorderes Die postembryonale Entwicklung ete. von Bombyx mori. 693 und ein hinteres Loch oa und op nach außen offen steht. Letzteres hat seine Dislokation gegen die Analöffnung schon begonnen, und bedingt somit auch eine Verrückung der Kittdrüsen, welche nicht mehr in das hintere Genital- loch münden, sondern weiter oben in den Eigang sich ergießen. Fig. 12. Ein ähnlicher Medianschnitt durch den accessorischen Sexual- apparat einer zwei Tage alten Puppe. ci.v, Nymphaleutieula; ein, dünne Imaginaleutieula, die an den Genitalöffnungen oa und op in Fetzen aus ein- ander weicht; ov.p, blinde Endigung des linken Eileiters; ov.c, Eigang, vom vorderen Genitalkanal schon vollständig abgeschlossen. Die Begattungstasche b.ce hängt mit dem Eigange noch unmittelbar zusammen und öffnet sich in denselben; sie kommunieirt aber auch mit der vorderen Genitalöffnung ver- mittels eines Seitenkanales, der jenseits des Eiganges durchscheint. Die Samen- tasche r.s hat sich zu einem langen Stiele mit endständiger Samenblase redueirt. Der Ausführungsgang der Kittdrüsen ce.gm mündet in die dorsale Wand des Oviductes. Die Zeichnung ist aus fünf Einzelschnitten zusammengestellt. Tafel XXXII. Fig. 13. Derselbe Apparat aus einer vier Tage alten Puppe, vom Rücken aus gesehen. Die Eiröhren £.o haben die Eierstockskapsel abgestreift; die paarigen Eileiter ov.p erscheinen sehr verkürzt, endigen aber noch blind gegen den Ei- gang ov.c. Die Begattungstasche d.c, deren Ausführungsgang links durchscheint, kreuzt sich über dem Eigange mit dem Receptaculum seminis, das rechts ab- geht. Von den Kittdrüsen ist nur die linke eingezeichnet (gm). Fig. 14. Derselbe Apparat aus einer sechs Tage alten Puppe, von der linken Seite aus gesehen. Von der Samentasche r.s ist nur der Stiel ersichtlich. Die Begattungstasche 5.c hängt an den Rändern eines fast runden Loches c.s mit dem Eigange eng zusammen: dieses Loch wird beim späteren Auseinander- weichen der zwei jetzt anstoßenden Gebilde zum Samenkanälchen ausgezogen. Fig. 15. Derselbe Apparat aus einer sieben Tage alten Puppe, von der Ventralseite aus gesehen. Die paarigen Eileiter ov.p haben sich fort und fort verkürzt, bis sie die bleibenden Dimensionen der imaginalen Tubae ange- nommen. An der Samentasche r.s erscheint die Sammelblase stark erweitert und geht von derselben eine drüsige Endportion aus. Auch in den Kitt- drüsen sind die secernirenden Tubuli g.m von den Sammelschläuchen sgm sowie vom gemeinsamen Ausführungsgange nun scharf zu unterscheiden. Die Be- gattungstasche d.c hat sich vom Eigange zurückgezogen, bleibt aber mit dem- selben durch das Samenkanälchen cs in Verbindung. Fig. 16. Trichterförmiger Zugang der Begattungstasche aus einer neun Tage alten Puppe. Der Genitalkanal ist noch cylindrisch in seiner ganzen Ausdehnung; das Samenkanälchen wird röhrenartig ausgezogen. . Fig. 17. Der Ausführungsgang c.b der Begattungstasche d.c verkürzt sich, und sein Wandepithel erleidet eine lokalisirte Verdickung mit entsprechend vermehrter Cutieularbildung. Aus einer zwölf Tage alten Puppe. Fig. 15. Querschnitt des Ausführungsganges der Begattungstasche, in der Höhe der Einmündung des Samenkanälchens. /, Lichtung des Ausführungs- ganges; ci, stärkere cuticuläre Auflagerung der einen Wandhälfte; cs, Samen- kanälchen, wie es Anfangs durch diese Auflagerung verschlossen bleibt. — Aus einer etwa eben so alten Puppe wie das vorhergehende Bild. 694 E. Verson u. E. Bisson, Die postembr. Entw. ete. von Bombyx mori. Fig. 19. Ausführungsgang der Begattungstasche (vorderer Genitalkanal) aus einem jungen Schmetterlinge. Ein nymphaler Cutieularsack set hat sich von den eigentlichen Wänden der Begattungstasche (die einen besonderen imaginalen Überzug unterdessen acquirirt haben) ganz abgelöst; wo die ver- steifte Portion des Ausführungsganges aufhört, findet eine partielle ringartige Umstülpung der laxen Blasenwände nach unten statt, und geht von diesem Ringwulste das Samenkanälchen cs ab; die vorspringenden Ränder der Cutieu- larverdickung erscheinen im optischen Durchschnitte wie dünne Leisten ..ct. Fig. 20. Sexualapparat einer befruchteten Imago. 2.0, Eiröhren; ovd, paarige Eileiter oder Tubae; «2, Uterus; vg, Vagina; o.f, zu befruchtendes Ei; r.s, Samen- tasche; d.c, Begattungstasche mit ihrem Samenkanälchen; gm, Kittdrüsen. Ver- srößerung 5 D. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. schrift {/ wiss. Zoologie. ba. 1A. = lapıl, BE nem Y = — er e ne SI Ta N ern er LEN. ANSEN EA. DUNKE HELD ZIq FT Esen ig . L> 2 Zoologie. Bd. ZA. uft Kwiss. Zeitschr Anlborn del. a Taf I. Lıth. Anst.u Werner &Winter, Frankfurt?W. Fıg. - + U 2; k j! N N NR Au ha 3 E 20 ; % fi Vr & S D = SRBERY p3 ö v 02 a Ri 3 a \ ) N! ( hi r x ü N 5 ö fi 4 RUN 2 x i A Y N = } ? } h N E N = Pu # < ; b h E zZ - ef ; a « . 1 In * f M 0er X f y ) Zeitschrift f wiss. Zoologie BaLAT. er Te een 3 Taf I. Fıg.1,5,6,7 Moebrus, Fi 5 DR, i ö q Moebius, Fig. 8,3,4,8 Bürger gem. Verlag von Wilh. Engelmann, leipzig Ih Anst.n Werner Winter, Frankfurt®#. Zeits Mey, IT. h STH] WTEE 18.3 \ \' N! 3 WERNER NET I sun saanE EEE = = an sgf \ Sg 0 | ANTEEN) ! | Jith. Anst.v Werner 2&Wintez FrankfurtM. 2 — Zeitschrift f wiss. Zoologie BA.LAT. 210 Bürger gez Verlag vonWih. Engelmann, Leipzig Zeitschrift. f£ wıss. Zoologie Bd.LXT. ap N % RL ; Fe thumbler gez. Verlag vor 7, leıpaig. Lith. Anst.v. Werner &Winter, Frankfurt #M. Zeitschrift Kiss. Z /oologre Ba.LAT. en Verlag vor. Milk Symnann, Teipzin. er Lith. Anst.v Werner &Winter, Frankfürt®M. r D nA z f . ) RE Se - u I I T, Zoologie Da. LAT. . chrift f wısS. LS Zei ze ORTE Jah Anst.v. Werner &Winter, Fronkfurt?M. Zeitschrift f wiss. Zoologie Bd. IX. 2. Khumbler gez NSt Verlag won HARE,, ]ı nann, Teipzig. Lv Ai ÄnstuWerner Winter Frankfürsshe R 2 r Pu Zeutschnfl [wiss Zoologie. Bl INT. es FHlde dei nt ) / / | Figl. die u.dt Fıg.10. Fig.13. Fig.Ir. Fig ll. Frg.15. Fig.I6. & ı tschrfl f' wiss. Roologte. Bel. LT. m ! = Be artlaub del. 7 L R| z10; & L Leip Inh.AnstvEAFınke u . nun -. BERERE 5 — “RT, ee itschrifl f wiss. Zoologie. Ba LK. Y « a tlaub dei. g ai ‚Leipz HS © 4 = re FH Be res) = 7 ES = Zeitschrift wiss. Zoologıe. Ba LM. > - nn . Fig: 7, M a Verlag y Wil Engehan in Leipzig Tarlı Ansı vEARurke Leipzig ne Zeitschrift fwiss. Zoologie. Bd.IAT Fig. 7. / f | | — = \ n \ A \ N rn > e ey ar / => Y Ai x“ ‚D 0 “+ P N Y s n IE 4 \y & r 3% x = e— Sa = N a TI G en /, 2) füz ‚} > \ DI =| nr Hartlaub del Taf IX. MC, Di rlagqV Wilh. Engelmann in Leipzig ae LIT Br MÄR, ee h hi Br .. BERN ENTE > BER Say! eu IOToysrsrerssloyese Zetoler I ae ct = Dei +) a I RS Zoologie Bd.LAT. LSS. | üschrift fw 260,09: \00500 oo, I Ja le EN - S SICH [@) ISO &; f\ \ ION ER kA OODOROST [eje) a 1 te Bd. Zoolog wIS$ Zeüschrift f} NER BER ie 2. DE gie. Ba.LXM. L wıss. Zoolo chrift f Zetts 9 Tr i Tap£XT. pzit unke Lei AF ESER 3% zw % SITEREI SREFEITER NAFUUSAAN IE \ıarx AN ANAN NAHE VIA vn art ANAND N £ DI Fig10. on ET en Taf.XT. N ST na RIM NE FIN RS an RN N MR \ = N DAR > I ool ogıe 5 WISS. Z MPUCH ( etts r, 2 Hitınke Ternrirr LN BATUIKE LEIDZIU Pe TapXIT. | Zeitschrift [wiss Zoologie BAIM. Versen ii Verlag W Engelmann 1 ln, BETumgn Ba.EXT. ge. Zoolo Se. r Zeitschrift f wı RE, Sr Kn% Zeitschrift f wiss Zoologie BAM. gelmann m lenzig, e we Zeütschrift [. wiss. Zoologie BALA. Verlau vWilhiell 6% EN Lu u Verla . Wilhelm Engelmann © 924. un. Zeüschrift f.wiss.Zoologie BA.LM. / \ Verlag WIEN TaßKU- o& DM or» 8 rn © a 90a Pas I IA \ \ = er » r Eee N z | = Imann l Fig3a ln a ET iQ „x Zeitschrift fwiss.Zoologie Ba. ä | Be os \ N \ ( | u. ME Figr2a. ve Verlag \\iielm Bugelmanın cpu —— En apa, ee 2 ne inne Zeitschrift [wiss Zoologie Bd. Tr Ansi #.& Fans Loipe üik IrkAnsir EZ AP Zepl, Sckimkewitsch gez S pa] Verlag v Wilhelm Engelmann nlLapaig. ZW Vintes, Frankfurb EN uch. Anst. v: Werner a (UN FIRRTLEL Dr = 4 EDER DFIEZ ATE ; Mi r LI FIPE i III II NHL ILLHLLSL: IAUNINNENNNININNNN ‚ 7 NEIN USS5 SGERT: ME sc EB N u R DIIEN AL. > IN m 55% MU « — m der .del. Zeitschrift . Schrei @. r I 2 Br 2. e Er m—— . Will. Ergelmanın, Leipzig. Verlag Zoologie Ba. LAT. der de) 2 En AU DET Schrei = Zeitschrift fa wiss, Dd.LÄT. IQLE / Zoolk ıfb f. wuss. eitschr r 4 5 D>_n a > I en SE N x Sy Od ee N Verlag v. Wilh. N ee an m) I u en ee A Jap KULT 7), Leipzig. BA.LAT. N Taf: XVII. Zeitschrift f wiss. Z oologie — =. 0% ZWRENG: mann, Derpzig. Verlag wWilh ER) Pig ih. Ansk v. Werner &Binter, Frankfarb®M Zeitschrift f£ wiss. Zoologre. Ba. LAT. 1a RN. > Dich, Anst. Werner &Winter, Frankfürt 77 Zeitschrift f£ wiss: Zoologie. BA Taufe XIX. mann, Leipzig. Tim Anstıe Wermer & Winden Frasäfircan. en un ur ee —_—.—- bo ne ZZ Zeitschrifi £wiss.Zoologte Bd. BGE, Fig.1. Fig.2. = 7 en z = m | } \ I I] 11 | | I | 2 j A | IM r N je (\) | s (kl | } | rl is | N \ | | u ' » j a | fs u | „ u ei | Wa = { ai & = ze = = I\\ -\ D \.\ | \ ul | ‘ \|| „\ ER g » [ “| KA | | D ‘ ; "% ) | | f 2 ) D \ Wil | % | 7 at i | fi \ An | / \ || | \ \ = 0 | \ N ij [ N N | \(e | \ < LICH > AiE CN 12 TI- Fig.I1 © IN ET IT N ) ID || N | ] nn I\ u | 1 IN} ! [ | N Ih Il ) | NA] | \lla\ I I \ MI U) ini) all! { \ I NN HER FAT I) | | | | elf) I N Y |} N INIMIN N ll) f K L j \ | | \ \ | j IN) | & & | ey | -- NL iR AN ! )) | IA UL I MN et r\ | 1 | | 25} A | DT } ODLN h | ae | J ep 3 _ P— TED wo, ER 9 a 708 IX. 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Figl. animlp = Fig. animLP Im Engelmann in Leipzig. 4 en) “ a A u _ ee ee nn ine a Zeitschrift f wiss. Zoologie. Bd. LAT. InthAnstw EA Funke, erpzäg. Tag xX v1 Zeitschrift F wiss. 4 oologie. BALKL Torniges del. — Ungelmann ın Leipzig. j2 Zeitschrif: f. wiss. Zoologie Bd. LAT. 4 x i T : Sn Bm Se em 5 : ’ : x - H . b \ > 5 £ _—— ee Az em 5 i H r 0 x f fi ae ae ’ r snhapnben hen nn nn Thr N Taf. XAXVI. 4 el, an A) Te YES = \®) x "a In N u} 5 a Sa s 8 } u ee Li um. EN 219. ann, heip Zeitschrift f wiss. Zoologie Bd. IM. 1. A 03, DR ei EDS je Aa © >> EL) IT 5 er nn \ STAR URS DE kı FIT 8 ER (> rg le} & — cn pP, “ ST Q B\ Uh. Ausb v Werner Alinter, Frankfürb#M. 7, Th r Vortag von Alk Eigelmann, Leipzig. S = S = \scrk LU" r IH. & = u > far! Ik. Anst.w Werner 2länter Frank Br Zeitschrift wiss. Zoologre Bd. EA. Zeüschrifl f wıss. Zoologie BA.LAT. Verlag von With. Engelmann, Leivzig Jılh Anst.uWerner&Winter Fankfart?M. : ce Fe En De Zr a Tee er SETZE Tape gie BELA. lo /.wiss.Z00 5 ee er En a en ya yenymynie TEEN I. om. Z Ei 6.h. Tg. y4 OT.C = e IS je IS >= F bu RT n Sn N) N & Ss I A DEN | EZ u Dee u Aa 9 oe Zeilschrift [wiss Zoologie BAALM. Verson del. AT. bdl og Zeitschrift f.wıss.Zool MAR >> ns AERO; CLAN DER, RR En. se Lee emmne nn on ed Te So one „dt © EEE AR | Cam re nn nn nn nn nn nn ne nn men —— _ Taf: AXAT. ep. gm Fig. 10P ze DaC-_ 2 A PS Zeitschrift [wiss.Zoologie Bd. LT. ee UT RP TR Aa Fr ce? Verson del I LESE BE. EEE. EEE EL EEE. r = en ” ER u " Bu ag ur ög Zeitschrift [wıss.Zoologie DalAT. \) N ne b C rk 2 Fra era RER EITET u SS N Wwilhel LACK EI _ r Taf. \ . 1 Kir 1 \) Br PNST N " de 2 a ee = e Zeitschrift [wiss Zoologie Da. erson del Be I nnelffelnann ne ee em. mess, wu. nern meinen u Zeitschrift \ | = | für i | \ WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen. Einundsechzigster Band Erstes Heft. Mit E. Ehlers’ Bildniss in Heliogravure, 9 Tafeln und 10 Figuren im Text. LEIPZIG | Verlag von Wilhelm Engelmann | 1895. Ausgegeben den 31. December 1895. Inhalt. B Seite Über die Bedeutung der Heterocerkie und ähnlicher unsymmetrischer Schwanz- formen schwimmender Wirbelthiere für die Ortsbewegung. Von Fr. Ahlborn. ‘Mit Tafel L.;. » 2. 2.20.20 2 1 Beiträge zur Anatomie, Systematik und geographischen Verbreitung der Nemer- tinen. Von ©. Bürger. (Mit. Taf. TI und IM.) > re re 16 Beiträge zur Kenntnis der Rhizopoden. (Beitrag III, IV und V.) Von L. Rhumbler. (Mit Taf. IV—V und 10 Fig. im Tess) Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden. Von H. Ude. (Mit Taf. VL). 2.0.20. 2. „Ent one 2 111 Die Polypen und Quallen von Stauridium productum Wright und Perigoni- mus repens Wright. Von Cl. Hartlaub. (Mit Taf. VII-IX.) ... 142 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Studien Methodenlehre ind Erkenntniskritik von Friedrich Dreyer. Mit 3 Figuren im Text. 8. MH A—. = Eupar = Zen n Da Pe = 2 Zıeitsehrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Professor a. d. Universitätzu Würzburg Einundsechzigster Band Zweites Heft. Mit + Tafeln, LEIPZIG - Verlag von Wilhelm Engelmann 1896. Ernst Ehlers Professor a.d. Universität zu Göttingen. Ausgegeben den 25. Februar 1896. Inhalt. Seite Über die Bildung der Follikelhüllen bei den Aseidien. Von M. Floderus. (Mit Tat RX): :. 2. 2.2.0200 wu 163 Die Entwicklung der Skulptur und der Zeichnung bei den Gehäuseschnecken des Meeres. Von Gräfin Maria von Linden. (Mit Taf. XL)... 261 Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim männlichen Geschlechtsapparat von Bombyx mori. Von E. Verson und E. Bisson. (Mit Taf: XII u XHE) 2 2 DE Se 318 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nieht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Untersuchungen über die topographischen Beziehungen zwisehen Retina, Optieus und Sekreuziem Tractus optieus beim Kaninchen. Ausgeführt unter Mitwirkung des Privatdocenten Dr. J. Herrenheiser, bearbeitet und mitgetheilt von Professor Dr. Arnold Pick Vorstand der deutschen psychiatrischen Universitätsklinik in Prag. Mit Snraresn: 21.4.2710 (Nova Acta der Ksl, Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Bd. LXVI, Nr. 1.) E Zeitschrift für -_ _WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOÖGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 0 Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen. | Einundsechzigster Band Drittes Heft. Mit 11 Tafeln und 28 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1896. Ausgegeben den 23. Juni 1896. Inhalt. Seite Studien über parasitische Copepoden. Von W. Schimkewitsch. (Mit Taf..xIV-—XVI u. 1 Fig.im Text.) nm . 20. 2 339 Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. Von G. Schneider. . (Mit Taf. XVII XIX), a 363 Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. I. Die Organe der Lichtempfindung bei den Lumbrieiden. Von R. Hesse. (Mit Taf. XX u. 1.Eig. im Text.). . .. 1. or re 393 Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie der Athemwerkzeuge bei den Vögeln. Von M. Baer. (Mit Taf. XXI—XXII u. 26 Fig. im Text.) 420 Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane und des sensiblen Nervensystems der Arthropoden. Von O. vom Rath. (Mit Taf. XXIII u. XXIV.) . .. 499 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlıg druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. | Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. Reiseerlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers Australien, Neu-Guinea und den Molukken von Richard Semon, Professor in Jena. Mit 85 Abbildungen und 4 Karten. gr. 8. geh. # 15.—; geb. 4 16.50. Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albertz. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen Einundsechzigster Band Viertes Heft Mit 8 Tafeln und 1 Figur im Text LEIPZIG Verlag von Wiihelm Besen | | 1896. | | ) Pr ee TREE Ausgegeben den 21. Juli 1896. Inhalt. Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. Von. Tö nniges. (Mit Taf. XXV u. RIM... ....- - 0. 202220 222000 VE 541 Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemeinen. Von J. Schaffer. (Mit Taf. XXVIEERXIN SP... 2. a0 2 606 Die postembryonale Entwicklung der Ausführungsgänge und der Nebendrüsen beim weiblichen Geschlechtsapparat von Bombyx mori. Von E. Verson und E. Bisson.: (Mit Taf. XXX—XXXII u. 1 Fig. im Text) .... 660 Seite Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift' für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sird. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. Reiseerlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers in Australien, Neu-Guinea und den Molukken von > 20} : . (59, Richard Semon, *9 4 $\_ Professor in Jena. Mit 85 Abbildungen und 4 Karten. gr. 8. geh. 4 15.—; geb. % 16.50. INN 3 9088 01316 6061