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Kölliker - und Ernst Ehlers 4 hr], Professora.d. Universitätzu Warzbpre Professor.a. d. Universitätzu Göttingen g; ri { Dreiundsechzigster Band Mit 45 Tafeln und 73 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1898. Inhalt des dreiundsechzigsten Bandes. IINNNNNNn Erstes Heft. \ "Ausgegeben den 17. September 1897. Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe in der Schnauze von Säugern. 2 Blei, 0 Dar AN) ea) OR Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Von O0. Frankl. a EN ea ee ee Se a PR NENE RR R 2 Ae Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus der Adria. Von ee (Ni 2 Fig. im Dext.) . .... 0.20.2200. Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). Von H. Stauffacher. (Mit Taf. III En De ER ee ee a ei a Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibien- gliedmaßen, besonders von Carpus und Tarsus. Von W. Zwick. (Mit N a ER ERS BL Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus dem Maul- Bee Bott: (Mis Taf. VEu VIL). . ... 0. ..000..&5 Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonge zanclea und Acanthometriden- arten vorkommenden Parasiten (Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). eorsert‘ (Mit Lat. VIIL) 2. .0.... 000.02 »02 88. Zweites Heft. Ausgegeben den 12. November 1897. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Von Bnosiın. (Mit TaR X u XL)... 0.220 Die Facettenaugen der Ephemeriden. Von C. Zimmer. (Mit Taf. XII eh er ee. Ra A Uber histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regenerationsprocessen ger Naiden Von P. Hepke., (Mit Taf. XIV u.XV)........ Einiges über die Entwicklung der Scyphopolypen. Von A. Goette. (Mit Be RX u. 25 Big. im Text). 2... 2... Hrn Seite 115 141 292 IV Drittes Heft. Ausgegeben den 29. März 1598. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. Von R. W. Hoffmann. (Mit Taf. XX—XXI u. 7 Eig. im Texte... 2 N 20,20 Epiphysis und Hypophysis von Rana. Von F. Braem. (Mit Taf. XXTII.). Über die periodische Abstoßung und Neubildung des gesammten Mittel- darmepithels bei Hydrophilus, Hydrous und Hydrobius. Von €. Rengel. {Mit Tafel XXIIL). 02. es ee Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Von R. Hesse. (Mit Taf. xXIV) Zur Systematik der Hydroiden. Von Kristine Bonnevie. (Mit Taf. XXV — XXVII und-1.Fis} im ext) u. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. Theil. Von C. Rabl. (Mit Taf. XXVIII--XXXI und 14 Fig. ım Text.) nn er a er ae Melle, 8). —_E Viertes Heft. Ausgegeben den 20. Mai 1898. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. Theil. Die Larven- periode. Von J. Meisenheimer. (Mit Taf. XXXII—XL u. 20 Fig. im ‘Text.). "1. a8 2 a Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose von Oscarella (Halisarea). Von 07Maası (Mit "Dar xl Sr Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata, Triton taeniatus und Spelerpes fuscus; mit Betrachtungen über den Ort der Athmung beim lungenlosen Spelerpes fuscus. VonE.Bethge. (Mit Taf. XLIIu. XLIII.) Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis)bei Schneekengehäusen. Von Gräfin M. v. Linden. (Mit Taf. XLIV u. XLV.) NIE Dr WORT 578 665 680 Te Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe in der Schnauze von Säugern. Von Georg Huss aus München. Aus dem Zoologischen Institute zu Tübingen.) Mit Tafel I. Den ersten Anstoß zu einer Reihe von Untersuchungen über Nerven in der allgemeinen Körperdecke hatte LANGERHANS gegeben durch die Auffindung verästelter Zellen in der Oberhaut des Menschen, die er für Nervenzellen er- klärte; er glaubte, dass feine Nerven, aus der Lederhaut kommend, in diesen Zellen endigen. Die Nachuntersuchung zeigte, dass Nerven in reicher Menge in die Epidermis eintreten und dort mit Knöpfchen endigen; die meisten For- scher (EBERTH, PALADINO, EIMER, MOJSISOVICZ, MERKEL) konnten jedoch einen Zusammenhang dieser Nerven mit den LANGERHANS’schen Zellen nicht fest- stellen, andere (SERTOLI, KROHN) ließen die Frage offen. Besonders interessante Nervenendigungen fand EImEr (8) in der Epidermis, die die Schnauze des Maulwurfs überzieht; sie sind in den Papillen gelegen, die von der Epidermis aus gegen die Cutis pufferförmig vorspringen; diesen inneren Vorsprüngen entsprechen außen kuppenartige Erhebungen der Epi- dermis, die auf der Oberfläche als feine Punkte wahrnehmbar sind. EIMER vergleicht diese Bildungen mit zwei Kegeln, die mit ihrem abgestumpften oberen Ende auf einander sitzen und nannte den oberen derselben, zu dem die Nerven in engere Beziehung treten, Tastkegel. In der Achse eines solchen Organs liegt ein sanduhr- oder eylinderförmiger Raum, in dem die Nerven- fasern in eigenthümlicher Anordnung verlaufen; im inneren Theile hat dieser Raum keine besondere Wandung, im äußeren (im Tastkegel) ist er von einem Epithelialrohr bekleidet, dessen Wand aus eingerollten spindelförmigen Zellen besteht, deren spitze Enden sich über einander lagern. Im inneren Theile ist der Raum mit einer strukturlosen Bindegewebsmasse erfüllt, den äußeren Theil, den Tastkegel, betrachtet Eımer als leere Röhre, die auf der Oberfläche der Papillenkuppe offen nach außen mündet; zuweilen erschien auch dieser Raum von einer strukturlosen Masse ausgefüllt. Der Tastkegel zeigte sich von Epithel bedeckt, das gewissermaßen den Deckel desselben bildet; zuweilen erschien der Deckel von einem kleinen Loche mit eingerissenen Rändern durchbohrt, als Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 1 92 Georg Huss, ob seine Auflösung begonnen hätte. — Die durch Goldfärbung sichtbar ge- machten Nerven verfolgte Eımer in den tieferen Cutislagen als dicke Stränge, die sich nach außen zu mehrfach in dünnere Bündel theilen; jedes Bündel dieser Art tritt in einen pufferartig vorspringenden Zapfen der Schleimschicht, die Nervenfasern verlieren hier plötzlich ihr Mark und steigen fast durch die ganze, Epidermis empor, die meisten der Innenwand des sanduhrförmigen Tastraumes dicht anliegend, zwei oder drei andere in der Achse des letzteren; auf Quer- schnitten erscheinen jene Fasern auf einer Kreislinie um die im Mittelpunkte des Kreises stehenden drei letzteren angeordnet. Im eigentlichen Tastkegel befestigen sich die Nerven an den spindelförmigen Wandzellen, indem sie jeweils mit einer knopfförmigen Anschwellung in eine solche Zelle ein- dringen; so geht es bis unter die äußersten Lagen der Hornschicht; an den axialen Nervenfasern waren gleiche knopfartige Anschwellungen nicht erkenn- bar. Um die Säule strukturlosen Gewebes, welche die letzteren Fasern um- fasst, scheint ein Nervenfaden sich spiralig herumzuwinden; mit voller Be- stimmtheit konnte wohl EImER dies spiralige Gebilde wegen der Schwierigkeit einer vollkommenen Goldimprägnirung nicht bestätigen. Eine Nachuntersuchung von MoJsısovicz (20) stimmt Betrefis der Ver- zweigung der Cutisnerven und der Ausbreitung und Anordnung der Achsen- cylinder in den wesentlichen Punkten mit Eımer’s Darstellung überein. Die »sanduhrförmigen Räume« dagegen erkannte er als solide Epitheleylinder, die sich aus »speciell modifieirten Epithelzellen< aufbauen; sie sind von der Cutis und der übrigen Epidermis scharf abgegrenzt, doch in engem Zusammenhang mit letzterer. Auf Querschnitten durch die »sanduhrförmigen Gebilde< sah er nach Osmiumfärbung große, unregelmäßige, mehr oder weniger rundliche Zellen mit schönen runden Kernen und Nucleolen; nach oben zu erscheinen diese Zellen mehr abgeplattet und gehen schließlich, wie die umgebende Epidermis, in eine dicke Hornlage über. Die Lage der Nervenendknöpfchen hält MoJ- sısovicz für intercellulär, trotzdem die Knöpfehen häufig der Lage nach den Nucleolis entsprechen. Was die centralen Achseneylinder anlangt, so stimmt Mossısovicz mit EIMER überein, kann jedoch die spiralig um dieselben ver- laufende Nervenfaser nicht auffinden. RANVIER (22), der in den achtziger Jahren die Maulwurfsschnauze unter- suchte, entdeckte, dass an der Basis der Epidermiszapfen in der Cutis kleine Pacınr'sche Körperchen liegen, und dass sich in der Tiefenlage der Epithel- masse, welche diese Papille bildet, fünf bis sechs runde Körperchen finden, über deren Bestimmung er sich nicht ausspricht. Er erkennt, dass die Nerven- fasern im Centrum der EımeEr’schen Organe Ziekzacklinien bilden, die nach außen zu ausgesprochener werden und an deren Winkeln zunächst Verdiekungen, weiter außen wahre gestielte Knöpfehen vorhanden sind. Die Randnervenfasern des Eımer’schen Organs verlaufen gestreckt; auch sie tragen Anschwellungen, die in einer Querlinie für alle Fasern liegen. Diese Anschwellungen ragen gegen die Mitte des Organs vor und sitzen weiter nach außen an einem Stiel. Eigene Untersuchungen. Wenn ich trotz dieser eingehenden Untersuchungen so bedeuten- der Forscher es unternehme, mich mit dem merkwürdigen Organ der Maulwurfsschnauze zu beschäftigen, so geschah es in Hinblick Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. B} auf die Meinungsverschiedenheiten, die sich bei der Vergleichung der bisherigen Darstellungen ergeben. Mit Hilfe der jetzt dem Unter- sucher zu Gebote stehenden vorzüglichen mikroskopischen Hilfsmittel und insbesondere unter Zuhilfenahme der erprobtesten Färbungs- methoden glaubte ich, mein Ziel erreichen zu können. Durch mög- licehst genaue Nachuntersuchung der von einander abweichenden Befunde konnte ich nach meinen erhaltenen Bildern die Wahrneh- mung des einen oder anderen Forschers bestätigen; in einzelnen Punkten gewann ich nach reiflicher Überlegung auch eine besondere Ansicht. Vor Allem war ich bestrebt, die Epithelauskleidung der Eımer’schen »sanduhrförmigen Gebilde«, wie sie abweichend von EIMER zuerst Mossısovicz beschrieben hat, näher zu studiren und ihre Beziehungen zu den Nerven einerseits und zu dem umliegenden Gewebe außerhalb der EımEr’schen Organe andererseits zu erkennen. Weiter war es von Wichtigkeit, den Zusammenhang von Nervenfaden und Nervenknöpfehen näher zu beleuchten und die Befestigungsstelle der letzteren an den Zellen oder im Zellkörper festzustellen. Im An- schluss daran beschäftigte ich mich mit der Frage nach einer etwaigen Wechselbeziehung zwischen Kernkörperchen der Epithelzellen und Nervenendknöpfchen, bezw. einer weiteren Verbindung des letzteren mit dem Kernkörperchen. Außerdem suchte ich die von RANVIER schon aufgefundenen in der Tiefenlage der Epithelmasse sitzenden fünf oder sechs kleinen, runden Körperchen zu erklären. Endlich machte ich mir zur Aufgabe, ähnliche Gebilde, wie sie als »EIMER- sche Organe« in der Maulwurfsschnauze jetzt bekannt sind, auch bei anderen mit diesem Thiere verwandten Arten aufzusuchen. 1) Epithelzellen im sanduhrförmigen Gebilde. MoJsıso- vıcz wandte mit Vortheil zur Färbung der Ermer’schen Organe Über- osmiumsäure an. Doch erreichte ich mit Hilfe der Goldimprägnation Färbungen, die mir jenes Mittel entbehrlich erscheinen ließen: es wurden dabei einerseits die Nerven zur Darstellung gebracht, anderer- seits auch Zellgrenzen, Kern und Kernkörperchen deutlich gefärbt. Ich bediente mich dabei der von RAnvIER angegebenen Behandlungs- weise. Von frisch getödteten oder von nicht länger als vor fünf Stunden zum Tode gebrachten Maulwürfen wurden '!/; cm lange und 3 mm dicke Stücke der Schnauze in eine Mischung von acht Theilen 1%/yiger Goldchloridlösung und zwei Theilen 25%/,iger Ameisensäure, die vorher bis zum dreimaligen Aufwallen gekocht war, nach dem Erkalten derselben eingelegt, in die Dunkelkammer gebracht und zugleich kalt gestellt. Nach zweistündigem Einwirkenlassen dieser Mischung auf die Präparate wurden diese mittels Hornpincette vorerst zum 1* 4 Georg Huss, flüchtigen Abwaschen in destillirtes Wasser und dann in eine 200/gige Ameisen- säure gebracht und 36—48h dem Sonnenlichte ausgesetzt. Hier findet ein Reduktionsprocess statt, wodurch die Präparate, die in der Goldlösung einen gelben Ton angenommen hatten, nun eine dunkelviolette Färbung erhalten. Die Intensität der dunkelvioletten Färbung giebt zugleich den Maßstab für die Dauer der zeitlichen Einwirkung der Ameisensäure und des Sonnenlichtes an. Hierauf geschah die Härtung durch 96%/yigen und absoluten Alkohol, und zwar wurden zur Verhütung weiterer Reduktion die Stücke im Dunkeln ge- halten. Bisweilen färbte ich die Goldpräparate im Schnitt mit Hämalaun (nach PAUL MAYER) nach, wodurch ich schöne Bilder erhielt. Wie ist nun die Gestalt und die Aneinanderlagerung dieser Epi- thelzellen im sanduhrförmigen Gebilde ? Mossısovicz giebt nur im Allgemeinen an, dass diese Gebilde von großen, unregelmäßigen, mehr oder weniger rundlichen Zellen mit schönen, runden Kernen und Nucleolen ausgefüllt seien, die nach oben zu gegen die Basis des Eımer’schen Tastkegels mehr keilförmig abgeplattet sind und schließlich mit der das sanduhrförmige Gebilde umgebenden Epidermis in eine dieke Hornlage übergehen. Auf sehr dünnen Längsschnitten durch die sanduhrförmigen Gebilde kann man eine erstaunlich gleichmäßige Anordnung der Epithelzellen sehen. An der Basis des unteren Kegels liegen zu beiden Seiten des Cen- tralachseneylinders je eine große Zelle mit einem großen, runden Kern (Fig. 1). So liegen Zelle über Zelle von gleicher Gestalt ihres Leibes bezw. Kernes bis ungefähr zur Höhe des Gebildes, wo EIMER den eigentlichen Tastkegel beginnen lässt. Hier treten nun ganz all- mählich Veränderungen an den Zellen auf, indem diese mehr und mehr in der Höhe abgeplattet, dafür aber breiter werden. Man kann sich den Aufbau klar machen, wenn man annimmt, dass die Zellen von oben her einen gewissen Druck erfahren haben und so jede einzelne Zelle, dem Drucke ausweichend, mehr in die Breite ge- gangen ist und sich zwischen andere Zellen mit einem Theil ihres Protoplasmas hineingedrängt hat. Diese Veränderung der Zellen geht ganz allmählich vor sich, indem die Zellen auf beiden Seiten des Centralachseneylinders, Anfangs einander gegenüber liegend, mit ihren mehr ausgezogenen Enden sich jetzt über einander legen, später dann eine Zelle die ganze Breite des Tastkegels einnimmt und sich wie ein Keil zwischen zwei andere der gegenüber liegen- den Seite hineingeschoben hat, wodurch endlich Zelle über Zelle zu liegen kommt. Dabei muss freilich ein Ausschnitt übrig bleiben, der den Centralachseneylindern den Weg frei lässt. Schiebt man die Finger der einen Hand zwischen die der anderen, so hat man, die Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 5 Finger mit den Zellen verglichen, ein Bild, wie die Zellen in den Eımer’schen Organen im Tastkegel in einander stecken. Dabei wäre der Grund der Finger der Sitz des großen Kermes, hier auch der srößte Durchmesser der ganzen Zelle, während die Finger selbst die schmal ausgezogenen Fortsätze darstellen und so gegenseitig in einander greifen. Dieser Zellenaufbau ist bis zur dritten oder vier- ten obersten Epithellage in gleicher Anordnung zu verfolgen; von hier an deutet die nur stückweise noch erfolgte Imprägnirung den Beginn des Verhornungsprocesses an. Recht deutlich ist auch die geschilderte Anordnung der Epithel- zellen auf Querschnitten der Eımer’schen Organe zu erkennen. Legt man einen solchen in der Nähe der Basis des unteren Kegels durch, so sieht man zwei gleichgroße Zellen den ganzen Innenraum aus- füllen (Fig. 4). Gegen die Mitte stoßen sie mit ihren Wänden hart an einander und lassen, wenn ein Centralachsencylinder vorhanden, denselben im Centrum des kreisrunden, quergeschnittenen Tastkegels, wenn zwei oder drei solcher vorhanden, diese in ihrem mehr ex- centrischen Verlaufe hindurchtreten. Die Berührungslinie beider Zellen bildet meist eine Gerade, und die Kerne wiederum nehmen je den Mittelpunkt der Hälften ein. Vergleicht man nun einen Quer- schnitt aus dem Tastkegel damit, so bemerkt man zwei ungleiche Hälften, indem ein schmälerer Theil der einen an einen breiteren der anderen Hälfte stößt und umgekehrt. Dazu liegt der Central- achseneylinder, selbst wenn nur einer vorhanden ist, nicht ganz in der Mitte des drehrunden, quergeschnittenen Tastkegels, sondern nimmt, wie das EIMER auch erwähnt hat, zuweilen eine mehr ex- centrische Stellung ein, wodurch der eine oder andere Kern dem Centralachseneylinder, auf dessen Verlauf ich später eingehend zu sprechen kommen werde, näher gerückt ist. An den Kernen der Zellen des Tastkegels fiel mir eine eigen- artige Gestaltung auf (Fig. 4 und 5), und es war desshalb nöthig, an bestkonservirtem Material mit den erprobtesten Kernfärbemitteln diesen Befund zu bestätigen. Ich benutzte dazu Hämalaun und die Eisen-Hämatoxylinfärbung nach HEIDENHAIN. Die mit diesen Methoden erzielten Bilder stimmten alle in der Gestaltung der Kerne überein. Diese Kerne haben ihre runde Form ganz verloren; sie sind langgestreckt und zeigen gegen die Außen- fläche mehrfache deutliche Einbuchtungen; gegen die Innenseite ist meist nur eine ausgesprochene Einbuchtung zu erkennen. Ein Kern ist gewöhnlich deutlicher als der gegenüberliegende Zellkern am 6 Georg Huss, gleichen Querschnitt eingebuchtet. Auf diese Einbuchtungen der Kerne einerseits und das merkwürdige Verhalten des Centralachsen- eylinders andererseits werde ich später noch zurückkommen. Ich versuche jetzt, den Zusammenhang der im Tastkegel vor- handenen Epithelzellen mit dem außerhalb davon gelegenen Gewebe zu schildern. Bei Durchmusterung von Schnitten sehr geringer Größe schon bemerkt man die auf einen Schnitt treffenden 25 bis 30 charak- teristischen sanduhrförmigen Gebilde auch bei schwacher Vergröße- rung sehr deutlich; ohne Darstellung der Nerven sind sie schon wohl zu erkennen. Vor Allem fällt die durchwegs intensivere Fär- bung der Organe auf; außerdem ist ein festeres Gefüge der Zellen unverkennbar. Von den Seiten werden die Gebilde nun, so weit sie in dem pufferförmigen Fortsatz stecken und dem unteren Kegel angehören, von mehrfach über einander geschichteten, hohen, mit schmalen, sehr langen, ovalen Kernen versehenen, dem Rete Mal- pighii angehörigen Stiftzellen umgeben (Fig. 1); darauf folgen viel- eckige, große Stachel- oder Riffzellen des Rete Malpishii mit deutlichen, runden Kernen, und ungefähr von der Basis des eigent- lichen Tastkegels ab werden diese von mehr oder weniger abge- platteten, mit ihren ausgezogenen Enden in einander greifenden, kernhaltigen Epithelzellen umhüllt. Diese Epithelzellen werden nach oben zu allmählich flacher, aber desto breiter und besitzen, ihrem vergrößerten Breitendurchmesser entsprechend, wieder einen länglich- runden Kern, bis sie in der Hornschicht ganz abgeplattet und kernlos seworden sind. 2) Nerven im sanduhrförmigen Gebilde. Den wahren Werth erlangen nun diese in ihrem Zellenaufbau eben beschriebenen Gebilde durch die Nerven, die in ihnen verlaufen und enden. Zum Nachweis des Nervenverlaufs bediente ich mich neben der RANVIER- schen Goldmethode auch der Färbung mit Methylenblau: es wurden 1—1'/, cm sroße Stücke auf zwei Stunden bis zu drei Tagen in eine !/o/sige Lösung von Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung gebracht, dann mit BETHE- scher Flüssigkeit im Eisschrank fixirt und nach BETHE’s Vorschrift bis zur Paraffineinbettung weiter behandelt. Ich beginne nun mit der Betrachtung der in der Achse der Eımer’schen Organe verlaufenden Achsencylinder, der sogenannten Centralachsenceylinder. EIMER hat das gewöhnliche Vorhandensein von zwei bis drei in der Mitte der Tastkegel verlaufenden Achsen- eylindern festgestellt. Auf fast allen Querschnitten konnte ich — wie Mossısovicz und RANVIER — diese zwei bis drei Achseneylinder. Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 7 sehen; in den seltensten Fällen war nur ein Centralachseneylinder vorhanden. Wie erklärt sich nun die von Eimer berührte, oft sicht- - bare excentrische Lage dieser Centralachseneylinder? Wir betrach- ten vorerst, zusammengehalten mit Querschnitten, seinen Verlauf an Längsschnitten. An genügend feinen, genau senkrecht zur Oberfläche seführten Schnitten trifft man stets einen Achseneylinder, da nicht alle drei in eine Ebene fallen. Ein Centralachseneylinder liegt aber sewöhnlich in seinem ganzen Verlaufe fast nur in einer Ebene, und eine glücklich getroffene Schnittrichtung lässt denselben von seinem Anfang an im sanduhrförmigen Gebilde bis zu seinem Ende in sleicher Deutlichkeit erkennen. Im Vergleiche mit anderen, eben- falls im Eımer’schen Organe verlaufenden Achsencylindern erscheinen, was MoyJsısovicz auch beobachtet hat, diese centralen im Bereiche des unteren Tastkegels etwas dieker. Es hat dies lange Zeit die Vermuthung in mir wach erhalten, es könnten dieselben zum Unter- schied von den übrigen, nackten Achseneylindern etwa mit einer Markscheide umgeben sein. Specielle Untersuchungen darüber und Prüfungen mit entsprechenden Färbemethoden ließen aber bald er- kennen, dass man es auch hier nur mit nackten, wenn auch diekeren Achseneylindern zu thun hat. Ein solcher steigt nun vom Grunde des Eimer’schen Organs aus zwischen den ihm anliegenden Zellen in ziemlich gestreckter Richtung hindurch, wobei er regelmäßig auf der Höhe je einer Epithelzelle bald einerseits, bald beiderseits eine in das Protoplasma der Zelle eingesenkte Erhebung zeigt. Den Beweis dafür, dass die Erhebungen innerhalb der Zelle gelegen sind, werde ich weiter unten erbringen. So ist der Verlauf im Be- reiche des unteren Kegels. Nach aufwärts nun, woselbst, wie früher erwähnt, der Übergang von den Anfangs gleichmäßigen, runden, einander gegenüberliegenden zu den nach und nach mehr und mehr abgeplatteten, breitgedrückteren, Anfangs theilweise, später ganz über einander liegenden Zellen stattfindet, zeigt der Centralachsencylinder in strenger Anordnung zur Lage der von rechts oder links herein- ragenden Zelle je auf der Höhe einer solehen eine im Vergleich zum unteren Kegel viel deutlichere, knopfförmige, in die Epithelzelie vollkommen eingesenkte Erhebung. Diese wunderbare Gestal- tung wird nun ganz eigenthümlich an Schnitten, in denen, wie RANVIER dies schon schildert, der Achseneylinder ziekzackförmig verläuft und die knöpfehenförmigen Erhebungen wie abgeschnürt _ vom eigentlichen Achseneylinder mit diesem durch ein feinstes Fäd- - chen erst verbunden sind. Es giebt hierbei die Lage der Kerne in S Georg Huss, den Zellen die Richtungslinie für den Achseneylinder an. Dadurch, dass der Centralachseneylinder den Kernen zustrebt, diese aber schräg einander gegenüber liegen, wie ich durch den Vergleich der Lage der Zellen mit in einander geschobenen Fingern und ihrer Kerne am Grunde der Finger klar zu machen versuchte, kommt dieser zickzackförmige Verlauf zu Stande. An den Winkeln sitzen hier im unteren Theile des Tastkegels die knöpfehenförmigen Erhebungen dieht auf; allmählich werden diese aber von dem eigentlichen Achsen- cylinder mehr und mehr abgeschnürt, und in den oberen Partien des Tastkegels sieht man die Knöpfcehen durch feinste Fädehen mit dem eigentlichen Centralachseneylinder verbunden. Die Erscheinung, dass die Knöpfehen an besonderen Stielen auf- sitzen, die gegen die Oberfläche zu immer deutlicher hervortreten, führte mich zu der Ansicht, dass man es überhaupt in den Erhe- bungen nicht mit Anschwellungen des betreffenden Achseneylinders selbst zu thun hat, wie dies bisher allseits angenommen wurde, son- dern mit besonderen, für sich bestehenden knopfförmigen Endver- zweigungen, und zwar in der Weise, dass diese unterhalb des eigentlichen Tastkegels dem Achsencylinder einfach dicht anliegen, im oberen, dem Bereich des Tastkegels angehörigen Theil durch feine Nervenfäden mit diesem verbunden sind. Es ist dies sehr wahrscheinlich, indem die als Varikositäten bezeichneten Anschwel- lungen nackter Achseneylinder nirgends so halbseitig am Nerven- faden auftretend gesehen wurden, sich vielmehr als kugelige Ver- diekungen der Nervenfäden darstellen. Wie früher von Anderen, so wurden in neuester Zeit diese Varikositäten von SCYMONoVIcz als postmortale Änderungen bezeichnet, denn im Augenblicke, in welchem die Färbung entsteht — genannter Forscher beobachtete die Fär- bung der Nervenfäden mit Methylenblau an Schnitten durch frisches Gewebe — lassen sie sich nicht beobachten und treten erst mit der Zeit auf. Der etwaigen Vermuthung einer hier gleichfalls bestehen- den postmortalen Erscheinung steht die Thatsache gegenüber, dass die Erhebungen am Achsencylinder eine regelmäßige Anordnung und so eine gewisse Beziehung zu den Epithelzellen nicht verkennen lassen. Die Knöpfchen, die dem Achseneylinder entweder direkt anliegen oder mit diesem durch ein feines Fädehen verbunden sind, liegen stets auf der Seite vom Achseneylinder, auf welcher der Kern der die ganze Breite des Tastkegels einnehmenden Zelle liegt. Da dieser abwechselnd bald links, bald rechts vom Centraleylinder seine Lage in der Zelle hat, so ist auch eine alternirende Anordnung Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 9 der Knöpfehen am Achsencylinder wahrzunehmen. Daraus lässt sich wohl mit aller Deutlichkeit ersehen, dass die Knöpfchen selbst dort, wo sie nicht an besonderen Stielen aufsitzen und nur mit einer Seite dem Achseneylinder dicht anliegen, nicht einfache Verdickungen des Achsencylinders sind, sondern als Abzweigungen vom Achsen- eylinder Innervationsorgane für eine Epithelzelle dar- stellen, wobei das Fädchen, wenn es vorhanden ist, als Verbin- dungsglied zwischen Achseneylinder und Knöpfchen fungirt. Damit lässt sich ohne Weiteres auch die Einbuchtung des Zellkernes er- klären, die, abgesehen vorerst von derjenigen an der Außenseite, an der inneren, dem Centralachseneylinder zugewendeten Seite des Kernes vorhanden ist, wie ich oben dargelegt habe. Gegen diese Einbuehtung vorgerückt konnte ich nämlich das Knöpfchen in der Epithelzelle sehen (Fig. 4), womit ein Theil des Beweises erbracht ist, dass das Knöpfchen eine intracelluläre Lage hat. Ich will nun im Anschluss hieran den Verlauf der übrigen in das sanduhrförmige Gebilde eintretenden Nerven einer näheren Be- trachtung unterziehen. Ein Querschnitt durch dasselbe zeigt, wie EIMER zuerst festgestellt hat, dass etwa 19 Achsencylinder, auf dem Querschnitt kreisförmig angeordnet, in ihm verlaufen. Diese be- zeichne ich im Gegensatz zu den centralen als Randachseneylinder, weil sie an den äußeren Rändern des Tastkegels verlaufen und so sewissermaßen die Epithelzellen des Tastkegels von dem übrigen Epithel abgrenzen. Je nachdem man an Längsschnitten mit dem Mikroskop oberflächlicher oder tiefer einstellt, treten die Randachsen- eylinder der entsprechenden Ebenen deutlich hervor; die Schilderung des Verlaufes eines solchen passt für alle, und ich benutze zu meiner Beschreibung zwei Randachsencylinder, die auf dem Längsschnitt mit einem Centralachsencylinder in eine Ebene fallen (Fig. 1 ra). In ihrem Verlaufe zeigen sie nicht viele Verschiedenheiten gegenüber den Centralachseneylindern. Sie sind nur dünner, auch im unteren Theil des Tastkegels, wo sonst jene viel dieker erscheinen als oben; außerdem nehmen sie durchwegs eine gerade Richtung nach oben. Hart am Rande der Epithelzellen des Tastkegels emporsteigengd, lassen sie nun eben so, wie die Centralachseneylinder allmählich stärker und deutlicher werdende Erhebungen wahrnehmen, die im eigentlichen Tastkegel sich als wirkliche Knöpfehen, entweder dicht dem Nervenfaden anliegend, oder wiederum durch feinste Fädchen mit diesem verbunden, erkennen lassen. Abweichend vom Central- - achseneylinder liegen diese Knöpfehen nicht auf. beiden Seiten des 10 Georg Huss, Nervenfadens, sondern nur nach innen, auf der der Epithelzelle des Tastkegels zugewendeten Seite und sind wie jene in den Körper der in gleicher Höhe mit ihnen liegenden Epithelzelle eingesenkt. Aus der bestimmt gerichteten Anordnung der Knöpfehen ist auch hier zu ersehen, dass die Knöpfehen keineswegs einfache Anschwel- lungen der Achseneylinder vorstellen. In eine Epithelzelle sind nun neun bis zehn solcher Endknöpfchen eingesenkt, und es werden so die in einer Zelle hervorgerufenen Eindrücke durch eben so viele Nervenendigungen weiter befördert. Die mehrfachen Einbuchtungen der Kerne der Epithelzellen an ihrer Außenseite entsprechen nun gleichfalls den gegen sie vorgerückten Endknöpfchen (Fig. 4). Eine eigenartige Erscheinung brachte die Färbung mit Häm- alaun hervor. Während die Zellen des Tastkegels mit deutlicher Markirung ihrer Grenzen violette Färbung erhielten und die Kerme darin sich scharf durch dunklere Färbung abhoben, blieben die Nervenknöpfehen völlig farblos, so dass sie im Querschnitte des Tastkegels als weiße Pünktchen ersichtlich waren. Fig. 5 ist nach einem solchen Präparate gezeichnet. Auch auf Längsschnitten er- kannte man die Nerven als weiße Linien in dem sonst violett ge- färbten übrigen Gewebe. Besondere Beachtung verdienen nun noch die Nerven, die in dem zwischen zwei sanduhrförmigen Gebilden liegenden Epithel verlaufen. In geringerer Weise wird hier das Epithel mit Nerven von der Cutis aus versorgt, ein Beweis dafür, dass die sanduhr- förmigen Gebilde zu ganz specifischen Tastorganen umgebildet sind. Außerdem stehen die im Zwischenepithel verlaufenden Nerven nicht in der strengen Anordnung zu einander, wie sie die Achsencylinder im Eımer’schen Organ aufweisen. Als marklose Fasern treten sie gleichfalls aus der Cutis in die Epidermis ein, verlaufen aber dort nieht in der mehr oder weniger geraden Richtung, wie die Achsen- cylinder im Tastkegel, sondern gehen vorerst im Epithel meist eine nochmalige Verästelung ein, treten alsdann mit ihren Verzweigungen aus einander und erhalten, während sie gegen die Oberfläche hin- streben, die gleichen Endknöpfchen, wie sie von den Achsencylindern des Tastkegels her bekannt sind. Einfache, dicht den Nervenfädchen anliesende Knöpfehen kommen auch hier vor neben solchen, die durch letzte, feinste Fädchen mit den Endästchen des ursprünglichen Nervenfadens in Verbindung stehen. Es ist also im Allgemeinen dieselbe Endigungsweise vorhanden, wie ich sie von den im Tast- kegel verlaufenden Achseneylindern gegeben habe. Auch in diesen Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 11 Knöpfehen erkenne ich, um meine Ansicht kurz zu wiederholen, nicht dem eigentlichen Nervenaste zukommende, einfache Ver- diekungen oder Anschwellungen, sondern selbständige Innervations- apparate anliegender Epithelzellen. Die Lage der Knöpfehen ist auch hier, wie dies an Querschnitten am besten zu erkennen ist, im Protoplasma der Zellen gegeben. Wenn auch Eimer die Knöpfchen an den Nerven für Anschwel- lungen des Nervenfadens gehalten hat, so bin ich doch, was die Lage derselben zu den Zellen anbelangt, wie er zu dem Schlusse sekommen, dass die Knöpfchen innerhalb einer Zelle ge- legen sind. Abweichend davon vertritt nämlich Mossısovıcz (20) die Annahme, dass nur eine intercelluläre Endigungsweise der Epithelzellen stattfinde, wenngleich die knöpfchenartigen Anschwellungen häufig der Lage nach den Nucleolis ent- sprechen und je nach der Schnittrichtung mehr oder weniger den Epithelzellen angeheftet erscheinen. Zu gleichem Ergebnis gelangten auch Rerzıus (24) und VAN GEHUCHTEN (11), die beide im Schweinsrüssel die intercelluläre Endigung der Nervenfasern haben feststellen können. RANVIER (21), der eingehende Unter- suchungen über Nervenendigungen in der Epidermis gemacht hat, spricht sich über die Endigungsweise, bezw. die Lage der Endknöpfchen in oder zwischen den Zellen nicht direkt aus; doch ist er zu der festen Überzeugung gekommen, dass die Endknöpfchen, je mehr sie sich der Oberfläche nähern, mit den ver- hornten Epidermiszellen abgestoßen werden. Ob die Endknöpfchen nun mit den Zellen, weil sie in diese eingesenkt sind, oder unabhängig von diesen nur eben so wie sie zeitweisem Abstoßungsprocess anheimfallen, ist nicht gesagt. WALDEYER (27) hatte die Endigung der Nerven im Hornhautepithel studirt und dort eine celluläre Endigung nicht feststellen können; auf Grund der tadellosen Präparate IsQUIERDO’s aber, der am gleichen Material arbeitete, hat sich WALDEYER von der Verbindung der Nervenfäden mit dem Protoplasma der Hornhautzellen vollständig überzeugt. Durch die Erkenntnis, dass die Nervenendknöpfchen nicht ein- fache Verdickungen oder Anschwellungen der Achseneylinder dar- stellen, sondern für sich bestehende, mit dem eigentlichen Achsen- eylinder meist erst durch ein weiteres Fädchen in Verbindung tretende Gebilde sind, ist ihre physiologische Bedeutung in erster Linie Gegenstand viel höheren Interesses geworden, da man sich doch sagen muss, dass solche Einrichtungen ganz besonderen Zwecken dienen müssen. Verfolgt man einen einzelnen Achsencylinder, und beobachtet man, wie viele solcher Endknöpfehen mit oder ohne Fädehen mit diesem in Verbindung stehen, so wird man überzeugt werden, dass in vielfältigster Weise Apparate für Zellen geschaffen sind, mittels deren die Empfindungen dieser durch die Endknöpf- chen zum Achsencylinder und von dort zum Hauptnervenstamm 12 ui Georg Huss, übertragen werden. Gleichzeitig wird es durch diese Betrachtung einleuchtend, dass die Endknöpfehen zur richtigen Aufnahme der Empfindungen ihren Sitz innerhalb der Zellen haben müssen, da sie nur auf diese Weise ihre ganze Oberfläche in den Dienst der Zelle zu Empfindungswahrnehmungen stellen können; bei Lagerung zwi- schen den Zellen wäre das nicht möglich, und es käme immer nur die Seite, mit der das Knöpfchen einer Zelle anliegt, hierzu zur Verwendung. Diese aus rein physiologischen Betrachtungen gezogenen Schlüsse erhalten ihre vollste Bestätigung durch folgende Thatsachen. Wenn die Endknöpfehen mit ihren feinen Stielen zwischen den Zellen ge- legen wären, so müsste man entweder auf Quer- oder auf Längs- schnitten sie auf der Zellgrenze liegend finden, je nachdem sie den seitlichen, oder den äußeren bezw. inneren Wänden der Zelle an- liegen würden. Stets jedoch sieht man auf Schnitten jeder Art die Endknöpfehen zwischen zwei benachbarten Zellgrenzen im Proto- plasma der Zelle liegen (Fig. 1, A, 5). Ferner weise ich nochmals darauf hin, dass den Endknöpfehen besondere Einbuchtungen der Zellkerne im Allgemeinen entsprechen, was besonders deutlich bei den Endknöpfehen der centralen Achseneylinder der Fall ist. Durch beides wird es zweifellos, dass die Endknöpfchen der Nerven in den EIMEr’schen Organen der Maulwurfsschnauze intra- cellulär endigen. Dies Ergebnis verdient besonders betont zu werden, weil neuerdings eine intracelluläre Endigung von Nerven- fasern auf Grund von Untersuchungen, die mit GoreI’s Chrom- silberimprägnation ausgeführt wurden, von vielen Forschern völlig abgeleugnet wird. Es giebt kaum ein besseres Objekt als die Maulwurfsschnauze mit den EIMEr’schen a um diese Ansich- ten zu widerlegen. Mit gewissem Recht könnte man die Zellen, die so im Besitz eines Nervenendknöpfchens sind, zu den wirklichen Tastzellen rechnen. Die Zellen mit den intracellulären Endknöpfehen könnte man nach W. KrAuse’s Vorgang als Terminalkörperchen bezeichnen, eine Eintheilung, die von WALDEYER zweckmäßiger durch eine den physiologischen und auch morphologischen Prin- cipien mehr entsprechende ersetzt wurde. Dieser Forscher unterscheidet näm- lich im Gegensatz zu den Endigungen in freies Auslaufen der Nervenfäden eine Endigung in oder mit einer Zelle, wobei er bei der Endigung in einer Zelle das Nervenende im Inneren der Zelle liegend annimmt, ohne dass dasselbe mit der Zellsubstanz selbst verschmilzt, während bei der Endigung des Nerven mit einer Zelle dieser mit der Zelle derart verschmilzt, dass seine Substanz in die Zellsubstanz kontinuirlich und ohne Grenze übergeht. In letzterem Falle schlägt er die Bezeichnung »terminale Ganglienzelle« vor. In radikalerer Weise Beitr. zur Kenntnis d. Eimer'schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 13 geht, wie auch WALDEYER schreibt, DITLEVSEN (5) zu Werke, indem er bei Untersuchung der Gefühlsnerven die Annahme freier Endigungen der Gefühls- nerven überhaupt für unerwiesen hält und.als einzige Endigungsweise die celluläre gelten lässt. Bei einer Anzahl von Forschern findet sich die Angabe, dass sie die Nervenendigung innerhalb der Zelle bis in das Kernkörper- chen verfolgen konnten. So ist es LIPMAnn (17) gelungen, die Nerven des Hornhautgewebes in den Nucleolis der Hornhautkörperchen endigen zu sehen, wenn auch der Nachweis dieses Verhaltens nicht ohne Schwierigkeit war. Die feinsten Nerven kamen, wie LIPMAnNn schildert, nicht gerade häufig in genügender Weise zur An- schauung, und gerade in solchen Fällen waren wiederum die Corneakörper- chen für die Beobachtung meist nicht günstig. Am besten konnte LIPMANN die Nervenendigung in Nucleolis beobachten an den Präparaten, in denen der Nerv direkt in den Zellkörper selbst einer Hornhautzelle eindrang, während ihm die Verfolgung desselben durch einen Ausläufer hindurch bis an den Nucleolus nicht möglich war. Vor Lıpmann hat HENSEN (13) bereits Nerven- endisungen in den Nucleolis der Epithelzellen des Schwanzes der Froschlarven festgestellt, welche Angaben jedoch von anderer Seite nicht bestätigt wurden; KÖLLIKER und EBERTH (6), die sich mit Nachuntersuchung befassten, erhielten nur negative Ergebnisse. Trotzdem hielt HENnsSEN seine Angaben in einer zweiten Arbeit in vollem Umfang aufrecht. Da schon Eimer in seiner Abhandlung »Die Schnauze des Maul- wurfs als Tastwerkzeug« die Ansicht äußerte, dass solche Nerven- endigungen im Kernkörperchen vielleicht auch in der Maulwurfs- schnauze gegeben sein könnten, so fühlte ich mich veranlasst, weitere Untersuchungen in dieser Richtung an der Maulwurfsschnauze vorzu- nehmen. Da hier gerade die Goldchloridmethode zur Untersuchung feinster Nervenendverzweigungen von unschätzbarem Werthe ist, so behandelte ich meine Präparate nach der erwähnten Methode auch zu diesem Zweck. Es ist mir nun wiederholt gelungen, allerfeinste Fädchen aufzufinden, die entweder in continuo, oder aus lauter feinsten Pünktchen zusammengesetzt, eine Verbindung von Endknöpfchen mit Kernkörperchen andeuteten; öfters konnte ich auch diese Fädchen wenigstens bis zum Kern hin verfolgen. Berücksichtige ich aber, dass selbst bei gewissenhaftester und genauester Durchführung der Färbungsmethode feinste Niederschläge oft nicht hintanzuhalten und dadurch Täuschungen möglich sind, ferner, dass nur in selteneren Fällen solche Verbindungsfädehen zu sehen waren, so darf ich meinen Befund in diesem Punkte nicht für einwandfrei erklären. Auch ließ die Beobachtung, dass das Verbindungsfädchen nicht in seinem ganzen _ Verlaufe in einer Ebene zur Darstellung kam, trotzdem das intra- celluläre Nervenendknöpfehen und das Kernkörperchen in gleicher 14 Georg Huss, Ebene lagen, berechtigten Zweifel zu. Die manchmal ungleich hel- lere Färbung des Verbindungsästchens gegenüber anderer Nerven- substanz, sowohl der Nervenfäden als der Endknöpfchen, ließ eine in tieferer Ebene verlaufende Zellgrenze vermuthen. Es dürfte also bei Berücksichtigung aller dieser Punkte zu gewagt erscheinen, zu er- klären, dass ich feinste Verbindungsrädchen von intracellulären End- knöpfchen mit den Kernkörperchen gesehen hätte. Ich komme jetzt zu den fünf bis sechs runden Körper- chen, die RAnvIER an der Basis der in die Cutis hineinragenden Epidermiszapfen im Epithel aufgefunden hat, über deren Bedeutung und Wesen er jedoch keine weitere Aufklärung giebt. An inten- siver gefärbten Präparaten beobachtet man an der Basis des in die Outis hineingeschobenen, pufferförmigen, epidermoidalen Fortsatzes des Eımer’schen Organs auf Längsschnitten bei tieferer Einstellung des Mikroskopes vier bis fünf durchaus schwarz gefärbte Zellen, die im Vergleiche zu den neben ihnen gelegenen schlank säulenförmigen Epithelzellen kreisrund sind und den doppelten Breitendurchmesser von letzteren besitzen (Fig. 2). Auf Querschnitten sieht man sie in der Zwei- bis Fünfzahl um den Centralachseneylinder des EımEr- schen Organs herumgelagert (Fig. 2 ik) und von den Randachsen- cylindern nach außen begrenzt. Welches ist nun ihre Bedeutung? Nachdem ich weder mit der Hämalaun- noch mit der HEIDENHAIN’schen bezw. BEnDA’Schen Eisen- hämatoxylinfärbung zu einem Ziele kam, griff ich auch hier wieder zur Goldimprägnirung und erreichte auch diesmal mit dieser meinen Zweck. Ließ ich nämlich nur auf kürzere Zeit Goldchloridlösung einwirken, so blieben die Zellen in ihrem Inneren ungefärbt; die Zell- grenzen waren schwach rosaroth imprägnirt, jedoch die der Basis des pufferförmigen Fortsatzes zugewendete Hälfte der Zellgrenze durchwegs dunkler als auf der entgegengesetzten Seite. Es war nun zu erforschen, wodurch in jedem Präparate der untere Rand breiter erschien und sich stets dunkler färbtee An sehr dünnen Schnitten sah ich, dass fast senkrecht aus der Tiefe der Epidermis je ein Nervenfaden auf die Zellen hinzutrat und sich dann verbrei- ternd wie eine Schale um die untere Hälfte dieser Zellen herum- legte. Der untere Rand bestand also aus der Zellhülle und dem beceherförmig umliegenden Nerven und erschien desshalb dieker und dunkel gefärbt. Diese Innervationsweise konnte ich nun auf Längs- schnitten bei allen diesen Zellen beobachten. Hier ist also die Verbindung mit dem Nerven auf andere Weise Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 15 bewerkstellist, als bei den übrigen Zellen des Eımer’schen Organs. Doch wird durch die verschiedenen Einrichtungen in beiden Fällen das Gleiche erreicht; hier wie dort kommt es darauf hinaus, den Nerven mit dem Plasma der Zelle auf einer möglichst großen Fläche in Berührung zu bringen: das eine Mal geschieht dies dadurch, dass ‚eine Verdiekung der Nervenfaser in die Zelle eindringt und so rings von dem Plasma umgeben wird; das andere Mal liegt das Zellplasma nur auf der einen Seite des Nervenendes; aber dieses ist dafür tellerförmig verbreitert und kommt dadurch in möglichst ausgiebige Berührung mit dem Plasma. Beide Mal ist der physiologische Zweck, durch große Oberfläche der nervösen Organe die feinsten Eindrücke von den Zellen aufnehmen zu können, unverkennbar. Solche Zellen, die mit einem Nerven in unmittelbarer Berührung stehen, wurden zuerst von MERKEL (19) aufgefunden; er glaubt, dass die Nervenfaser in das Plasma der Tastzelle übergeht; BoNNET (3) bestätigte MERKEL’s Angaben und will den Nerven bis in den Kern verfolgen. Dagegen erkannte RANVIER (21), dass der Nerv sich an die Zelle mit einem Meniscus anlegt; auch BonnET fand später diesen Meniscus, lässt ihn aber zwischen Zellmembran und Zell- kern, also innerhalb der Zelle liegen. Neuerdings hat Scymonovicz (25) mit der Methylenblau-Methode diese Tastzellen untersucht und äußert sich eben- falls dahin, dass der Meniscus außerhalb der Zelle liege. Er vergleicht sehr passend das Verhältnis von Nervenfaser, Meniscus und Zelle mit Stiel, Frucht- becher und Nuss bei einer Eichel. Es erübrigt noch, die VATErR-PacınTschen Körperchen, die RANVIER (22) in der Maulwurfsschnauze zuerst gesehen und erwähnt hat, kurz etwas näher zu betrachten. In der Cutis, unmittelbar unterhalb jeden Tastkegels, findet man zwischen den Fasern des Nervenbündels, das seine Achsencylinder in den Tastkegel hinein- sendet, meist ein, selten zwei VATER-PacınT’sche Körperchen. Das markhaltige Nervenbündel, das aus den 19 zur Versorgung des Tast- kegels verwendeten Nervenfasern besteht, theilt sich in den meisten Fällen gerade unterhalb des Tastkegels in zwei Hälften, indem je eine Hälfte von links bezw. rechts um das VArtEr’sche Körperchen herum läuft, dasselbe so in ihre Mitte schließt und dann in den Tastkegel eintritt. Eine solch vielfältige Innervation, wie ich sie in der Maulwurfs- Schnauze gesehen habe, wird man kaum in gleichen Hautgebilden bei anderen Thieren mehr finden. Eimer hat berechnet, dass die Tastfläche bei einer Ausdehnung von etwa 30 qmm mehr als 5000 Papillen besitzt, wonach sich bei den Tastkegeln allein eine Ge- sammtsumme von beiläufg 105000 Nerven ergiebt, abgesehen von 16 Georg Huss, denjenigen Nerven, welche außerhalb der Tastkegel noch zwischen den Papillen vorhanden sind. Ihre Bestimmung ist wohl durchwegs auf die Übertragung der feinsten Tasteindrücke gerichtet, die dem Maulwurf auf seinen unter- irdischen Wegen bei fast völligem Mangel von Sehvermögen die Ausführung seiner Höhlenbauten und die Erreichung seiner täglichen Nahrung ermöglichen. Ähnliche Gebilde wie die Eımer’schen Organe der Maulwurfs- schnauze fand Mossısovicz (20) bei Condylura cristata und Chrysochloris inaurata, und es ist wahrscheinlich, dass sie der ganzen Familie der »Talpina« zukommen. ARNSTEIN (1) stellt in seinem Aufsatz über »die Nerven der behaarten Haut« eine beson- dere Abhandlung über die Innervirung der Schnauze von Myogale moschata in Aussicht. Es ist jedoch, wie mir Herr Professor ARrN- STEIN in liebenswürdiger Weise brieflich mittheilte, nicht zum Ab- schluss dieser Untersuchung gekommen, da die Nervenendigungen wegen des Pigmentes, das in dem Epithel in großen Mengen ange- häuft ist, nicht aufzufinden waren. Jedoch konnte er sich, wie er weiter schreibt, davon überzeugen, dass auch bei Myogale die Eımer’schen Organe sehr schön ausgebildet und hauptsächlich auf der vorderen und unteren, spärlicher auf der Rückenfläche der Schnauze vertheilt seien; an jeden Epithelzapfen sah er ein Bündel markhaltiger Nervenfasern treten, das sich vor dem Eintritt in die Epidermis in seine Fasern auflöst; die Nerven verlieren ihre Mark- scheide und steigen als blasse Fädchen ziemlich geradlinig im Epi- thel empor. Einen Übergang zu den Eımer’chen Organen glaube ich in der Schnauze von Spitzmäusen (Crocidura leucodon) gefun- den zu haben. Dieselbe, im Ganzen betrachtet, stellt die Fortsetzung und Endigung der im Vergleich zur Unterlippe bedeutend verlänger- ten Oberlippe dar und besteht aus zwei haarlosen, mäßig pigmen- tirten, mit ihrer Innenfläche zusammenstoßenden und durch den Nasenknorpel gestützten, auf der Außenseite durch eine tiefe Furche getrennten, kuppelartigen Hauttheilen, die vorn, etwas nach außen und unten je eine Öffnung für die Nasen besitzen. Diese kuppelartigen Erhebungen habe ich einer genaueren Untersuchung unterworfen und habe bei Betrachtung des ganzen Gebildes auf der Oberfläche ebenfalls wie bei den talpinen Formen mit Lupenver- Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d Schnauze v. Säugern. 17 srößerung feinste Körnelungen wahrnehmen können, die sich auf die Ausdehnung der beiden kuppelartigen Hautausstülpungen bis zum Übergang zu der mit Tasthaaren reichlich besetzten Haut erstreck- ten. Diesen äußerst feinen Erhebungen entsprechend konnte ich auch auf Durchschnitten in der angegebenen Ausdehnung das Vorhandensein von soliden, deutlich abgegrenzten Epitheleylindern feststellen, die auch gegen die Cutis theils schwächere, theils stär- kere, doch überall scharf abgesetzte Fortsätze vorschieken. Letztere werden an ihren Rändern von hohen, aber schmalen, theilweise spindelförmigen Zellen mit eben so langgestreckten Kernen in mehr- facher Übereinanderlagerung umsäumt und sind im Übrigen von sleichmäßigen, runden bis vieleckigen Zellen mit großen Kernen ausgefüllt, während die eigentlichen Epitheleylinder am Grunde zwar noch dieselben runden bis vieleckigen Zellen besitzen, nach oben zu jedoch mehr breitere, abgeplattete und eng auf einander geschichtete Zellen mit eben so abgeplatteten Kernen führen. Dabei bilden die einzelnen Zelllagen flache Bögen, so dass die äußeren Zellen der einzelnen Epitheleylinder im Winkel zu einander zu stehen kommen, wodurch die Abgrenzung dieser recht deutlich hervortritt. Gegen das Bereich der Hornschicht zeigen sich die Kerne nur noch in ihren Umrissen, bis sie ganz verschwinden und von den Zellen nur einzelne Linien die aufgetretene Verhornung anzeigen. Zur Untersuchung der Nervenvertheilung habe ich die Schnauze gleichfalls mit Goldehlorid nach RanvIer’s Methode behandelt. Die sehr zarte Epidermis litt hier beim Liegen in der Ameisensäure während des Reduktionsprocesses einigen Schaden, indem sich das Stratum corneum von den übrigen Schichten der Epidermis theil- weise ablöste.e Sonst hat mir aber das Goldehlorid auch hier recht gute Dienste geleistet. Die Nerven konnte man im Bereich der Cutis als dicke, schwarzroth gefärbte, markhaltige Stränge leicht verfolgen, in der Epidermis waren sie als schwarze Fädchen von anderen Gebilden wohl zu unterscheiden; auch die Zellen wurden in rosarother Färbung mit deutlicher Erkennung ihrer Grenzen sicht- bar; nur die Begrenzungen der Kerne blieben hin und wieder durch das schwarze Pigment, das sich über sie hinlagerte, verborgen. Zuerst schicke ich nun einen Vergleich über die Art des Nerveneintrittes in die Epidermis bei Spitzmäusen mit den bei an- deren von mir untersuchten Thierarten voraus. Zu meinen Unter- suchungen benutzte ich weiße und graue Mäuse, Kaninchen, Meer- schweinchen, Katzen, Hunde, Füchse, Igel, Fledermäuse, Schweine Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 2 r 18 ' Georg Huss, und Kälber, und bei diesen allen sah ich die Nervenbündel durch die Cutispapillen in die Epidermis übertreten, während bei Spitz- mäusen (Croeidura leucodon) die Art des Nerveneintrittes in die Epi- dermis den Verhältnissen bei der Maulwurfsschnauze gleicht. Bei letzterer haben wir gesehen, dass die Nervenbündel in die von der Epidermis in die Cutis vorgeschobenen, pufferförmigen Fortsätze ein- treten; das Gleiche findet sich bei den Spitzmäusen (Fig. 6). Es werden hier eben so den, wenn auch bedeutend einfacheren, epi- dermoidalen Fortsätzen an ihrem der Cutis zugewendeten Ende markhaltige Nervenbündel, zum Theil von beträchtlicher Stärke, zu- geführt, deren einzelne Nervenfasern als marklose Fädchen in die- selben eindringen. In welcher Art und Zahl die Nervenfäden in dieselben eintreten, ist leider wegen des am Grunde meist reichlicher angehäuften Pigmentes nicht besonders deutlich zu erkennen. Meist sieht man die Nerven in die mit langgestreckten, spindelförmigen Stiftzellen besetzten Ränder der Epidermisfortsätze eintreten und zwischen den Zellen alsdann in die Höhe steigen. Bevor ein Nerven- bimmdel in die Epidermis eindringt, sieht man dasselbe zuweilen noch unterhalb des Fortsatzes in zwei Hälften sich theilen, von denen je eine von der linken bezw. rechten unteren Seite des Fortsatzes in denselben eindringt; zwischen beiden Zügen findet man unterhalb des Fortsatzes ähnlich wie beim Maulwurf ein VATER-PAcınT'sches Körperchen eingeschlossen liegen (Fig. 6 p%). Am Grunde der Fortsätze, aber schon innerhalb derselben, sieht man auch, wie in den pufferförmigen Fortsätzen der Maulwurfs- schnauze zwei, selten mehr große, runde, meist durch Goldbehand- lung sich intensiv schwarz färbende Zellen (Fig. 7 tk). Bei weniger intensiv gefärbten Präparaten kann man leicht erkennen, dass man es, analog den Zellen in der Maulwurfsschnauze, hier gleichfalls mit Zellen zu thun hat, an die je ein Nervenfaden herantritt und sich in der Art einer Schale von der unteren Seite um die Zelle herum- lest. Eine strenge Anordnung der marklosen Nervenstämmchen zu einander, sowie eine solche ihres Verlaufes innerhalb der Fortsätze und der eigentlichen Epitheleylinder schien mir eben so wenig zu bestehen, als eine bestimmte Zahl der jeweilig vorhandenen Nerven- stämmchen; jedoch konnte ich feststellen, dass sie ebenfalls als nackte Achseneylinder im Epithel ihren Verlauf haben und dabei, eine ziemlich gestreckte Richtung einhaltend, selten eine Theilung in mehrere Nervenfädchen eingehen. Es treten vielmehr eben so, wie ich es in der Maulwurfsschnauze habe feststellen können, von den Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 19 nackten Achseneylindern in ziemlicher Regelmäßigkeit bald links, - bald rechts feinste Fädchen ab, die unendlich kurz sind und an ihren Enden je ein Knöpfehen tragen. Diese Knöpfchen konnte ich auch in der Schnauze dieser Thiere in eine der jeweilig an- liegenden Epithelzellen zwischen Zellgrenze und Kern im Proto- plasma eingesenkt finden. Mitunter konnte man das Fädchen auch gar nicht wahrnehmen; es war dann das Knöpfchen mit einer Seite dem Nervenstämmchen dicht angelegt, aber gleichwohl in eine Zelle eingesenkt. Wo die letztere Erscheinung bemerkbar war, dürfte vielleicht das Endfädchen mit dem Knöpfchen in der Richtung sesen das Auge des Beschauers abgetreten sein, so dass das End- fädchen verdeckt blieb und das Knöpfehen dem Nervenfaden direkt aufzusitzen schien. Ich konnte mich also auch in der Schnauze von Spitzmäusen mit Sicherheit davon überzeugen, dass die Knöpfchen nicht Anschwellungen des Nervenfadens, sondern für sich bestehende Gebilde sind, die mit dem Nervenstämmchen noch durch ein aller- feinstes Fädchen in den meisten Fällen in Verbindung treten und nicht zwischen zwei Zellen, sondern innerhalb einer Zelle liegen, wodurch sie befähigt werden, die von der Zelle aufgenommenen Eindrücke durch die Verbindungsfädchen zu den Hauptnervenfäden fortzuleiten. Diese Verzweigung konnte ich nur bis zur vierten oder fünften ober- sten Zellenlage der Epithelzapfen verfolgen. Hin und wieder war es mir auch möglich, ein mit seinem Stielehen vom Faden losge- stoßenes Knöpfehen in den bereits der Verhornung anheimgefallenen Zellen der Epidermis zu erblicken. Stelle ich zum Schlusse die Ergebnisse meiner Untersuchungen zusammen, so ergiebt sich Folgendes: Die Eımer’schen Organe in der Mankerisichkänze sind solide, epitheliale Gebilde, die sanduhrförmige oder eylindrische Gestalt besitzen. Sie zeigen vom Grunde der pufferförmigen Fortsätze bis zur Oberfläche zelligen Aufbau, wobei die Zellen eine streng regel- mäßige Anordnung nicht verkennen lassen. Zu jedem Fortsatz tritt ein markhaltiges Nervenbündel, das sich unmittelbar vor dem Ein- tritt in das Eımer’sche Organ in seine einzelnen Nervenfasern auf- löst. Diese steigen als marklose Achseneylinder theils am Rande _ der Zellen als Randachsencylinder, theils zwischen zwei Zellen bezw. über die Zellen hinweg als sogenannte Centralachseneylinder bis zur dritten oder vierten obersten Zellenschicht empor. Die Knöpfchen, die auf der Höhe je einer Zellenlage. an den Achseneylindern sich 2% 20 Georg Huss, zeigen, sitzen feinsten Fädchen auf, die von den Achseneylindern sich abzweigen, und sind im Protoplasma der jeweilig anliegenden Epithelzelle eingesenkt. Letztere werden dadurch zu besonderen Tastzellen umgebildet. Am Grunde der EımEr’schen Organe findet eine Differenzirung epithelialer Zellen zu bestimmten Tastzellen in wechselnder Anzahl statt, und zwar dadurch, dass zu den Zellen je eine Nervenfaser herantritt und durch schalenartige Umkleidung der unteren Hälfte derselben einen Tastmeniscus bildet. Bemerkenswerth für die Eimer’schen Organe bleibt auch, dass man durchwegs unmittelbar unterhalb der pufferförmigen Fortsätze ein bis zwei VATER-PAcınIsche Körperchen von dem in zwei Hälf- ten getrennten Nervenbündel eingeschlossen findet. In dem Epithelgewebe zwischen zwei EıImMER’schen Organen verlaufen in unregelmäßiger Anzahl marklose Achseneylinder, von denen auch seitlich Fädchen abzweigen und deren Endknöpfchen ebenfalls intracelluläre Lage aufweisen. Einen Übergang zu den Eimer’schen Organen glaube ich in den Schnauzen von Spitzmäusen gefunden zu haben, da auch das Epi- thel hier deutlich abgesetzte Cylinder erkennen lässt, in denen die Zellen eine bestimmte Anordnung zeigen und die Nerven nach ihrem Eintritt durch die gegen die Cutis vorgeschobenen Epidermisfort- sätze in diesen als nackte Achsencylinder verlaufen, wobei ebenfalls seitlich feinste Fädchen abzweigen, die ihr Ende mit einem Knöpf- chen innerhalb einer anliegenden Zelle finden. Außerdem sind auch hier wie in der Maulwurfsschnauze am Grunde der Fortsätze epi- theliale Zellen durch das Herantreten eines Nervenfadens und die Bildung eines Tastmeniseus zu Tastzellen umgewandelt. Endlich sind noch unterhalb der epidermoidalen Fortsätze die VATER- Pacıstschen Körperchen in der Ein-, selten Zweizahl vertreten. Tübingen, im Februar 1897. =1 22. 23. Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 91 Litteraturverzeichnis, ARNSTEIN, Die Nerven der behaarten Haut. Sitzungsberichte der kaiser- lichen Akademie. Bd. LXXIV. III. Abth. 1876. BETHE, Angabe über ein neues Verfahren der Methylenblaureaktion. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XLV. BONNET, Über die Merker’schen Tastzellen in der Haut. Ärztl. Intelligenz- blatt. München 1885. COHNHEIM, Über die Endigung der sensiblen Nerven in der Hornhaut. Vırcaow’s Archiv für pathol. Anatomie. Bd. XXX VII. DITLEVSEN, Jahresbericht über die Leistungen der Mediein. 1876. Citirt von WALDEYER. EBERTH, Über Nervenendigungen in der Haut. Sitzungsber. Naturforschende Gesellsch. Halle a/S. 1892. l EHRLICH, Über die Methylenblaureaktion der lebenden Nervensubstanz. Deutsche mediein. Wochenschrift Nr. 4. 1886. EIMER, Die Schnauze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. VII. Derselbe, Über die Nervenendigung in der Haut der Kuhzitze. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. VIII. 1871. FLEMMING, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. VAN GEHUCHTEN, Les terminaisons nerveuses libres intraepidermiques. Verhandlungen der anatom. Gesellsch. 6. Versamml. in Wien 1892. HEIDENHAIN, Über Kern und Protoplasma. Festschrift für KÖLLIKER. 1892. HENSEN, Über die Endigungen der Nerven im Schwanze der Froschlarven. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. IV. HoG6&An, Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXIII. JOBERT, Contribution & l’etude du systeme nerveux sensitif. Journ. de lanat. et de physiolog. Paris 1870—1871. JoSEPH, Über Zellen und Nerven der kompakten Knochensubstanz. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. VI. LiPmAnn, Über die Endigungen der Nerven im eigentlichen Gewebe und hinteren Epithel der Hornhaut des Frosches. 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SCYMONoVIcz, Beiträge zur Kenntnis der Nervenendigungen in den Haut- gebilden. Archiv für mikr. Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. XLV; 4. Heft. 26. SCHWALBE, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. 27. WALDEYER, Über die Endigungsweise der sensiblen Nerven. (Nach Unter- suchungen von Dr. IZQUIERDO.) Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XVII. Erklärung der Abbildungen. Abkürzungen: ca, eentraler Achsencylinder; pk, VATER-PAcınTsche Körperchen; ek, Endknöpfehen eines Nervenäst- ra, Randachsencylinder; chens; tk, Tastkörperchen. Tafel I. Fig. 1. Eımer’sches Organ aus der Maulwurfsschnauze im Längsschnitt. Vergr. 450fach. | Fig. 2. Querschnitt durch den pufferförmigen Fortsatz des EIMEr’schen Organs, mit Tastzellen; die schwarzen Punkte sind Nervenquerschnitte. Vergr. 560fach. Fig. 3. Tastzellen im Grunde des Eımer’schen Organs aus der Maulwurfs- schnauze. Vergr. 700fach. Fig. 4. Querschnitt durch ein Ermer’sches Organ, auf halber Höhe der Epidermis. Vergr. 560fach. Fig. 5. Querschnitt durch ein Eımer’sches Organ, mit Hämalaun gefärbt; die hier schwarz gezeichneten Nervenendknöpfchen erschienen auf dem Präpa- rate ungefärbt. Vergr. 560fach. Fig. 6. Nervenvertheilung in der Schnauze der Spitzmaus. Vergr. 500fach. Fig. 7. Tastzellen im Grunde eines Epidermisfortsatzes aus der Spitzmaus- schnauze. Vergr. 500fach. Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Von Oscar Frankl. (Aus dem Laboratorium der I. anatomischen Lehrkanzel Prof. ZUCKERKANDL, Wien.) Mit Tafel II. Als ich im Verlaufe meiner Studien über das Urogenitalsystem der Wirbelthiere von ungefähr das Lehrbuch der vergleichenden Ana- tomie der Wirbelthiere von Vor und Yung! durchsah, fiel mir darin eine Stelle besonders auf. Die Autoren beschreiben den Weg, welchen bei den Amphibien der Same vom Hoden durch die Niere in den Harnsamenleiter nimmt: »Die reifen Spermatoblasten, die in den Hodenröhrchen enthalten sind, gehen in die Kanäle über, welche im Parenchym der Niere verlaufen. Dieser Verlauf ist sehr schwer zu verfolgen und erheischte wohl weitere Untersuchungen, die wir nicht angestellt haben....« Mit Bestimmtheit sagen sodann die Au- toren von den Anuren, wofür auch ein Schema vom Frosche bei- gefügt ist, Folgendes: »Nachdem diese Querkanälchen die Nieren- substanz in ihrer ganzen Breite durchsetzt haben, münden sie in den, an den äußern Rand der Niere verlaufenden Harnleiter, ohne in irgend eine Verbindung mit den eigentlichen MALPIGHI- schen Körperchen zu treten. Der Same wird so durch den Harnleiter in die Kloake eingeführt und von dort .... bei der Be- gattung ausgespritzt.« Die Negirung des Zusammenhanges der Ductus efferentes des Hodens mit den MauricHr’schen Körperchen der Niere, welcher für Coeeilien und Urodelen eben so bestimmt zugegeben wird, fiel mir ! Vogt und Yung, Praktische vergleichende Anatomie. Braunschweig 1889— 1894. 34 Oscar Frankl, auf und regte mich an, die Sache speciell einer eingehenden Unter- suchung zu würdigen. Die von mir durchgesehene, auf dieses Thema Bezug nehmende Litteratur schwoll zwar von Tag zu Tag an, konnte mir aber doch nicht entscheidend Aufschluss geben; und so entschloss ich mich, die günstige Frühjahrszeit zu benutzen und wenigstens am _ Frosch, da anderes Material in ausreichender Menge mir nicht zur Verfügung stand, der Frage an den Leib zu gehen. Dass der ein- zige Weg hierzu die Injektion sei, war mir von vorn herein klar. So will ich denn in den folgenden Blättern die Technik der Injektion und deren Ergebnisse beschreiben; doch kann ich mir nicht versagen, vorher Einiges über den derzeitigen, und zwar den allerneuesten Stand unserer entwicklungsgeschichtlichen und morphologischen Anschauungen der Amphibienniere zu referiren, ohne freilich dieselben als ganz unumstößlich hinstellen zu wollen. Haben ja doch gerade in der letzten Zeit die Angaben Semonx’s! lebhafte Anfechtung erfahren. Gleichwohl folge ich denselben, nicht etwa, weil ich sie nachgearbeitet, sondern weil plausiblere und gleich gründlich durchdachte Arbeiten gerade auf diesem Gebiete bislang fehlen. Ich schalte diesen, wenngleich sehr kurzen Überblick, der sich demnach an SEMON’s geistvolle Studie an Ichthyophis, sowie an die Arbeiten von BRAUN? und HorrmAnn?® anlehnt, an dieser Stelle ein, weil ich an diese Prämissen später meine Folgerungen zu schließen gedenke. Entwicklungsgeschichtliches. Der Marrisyr’sche Körper der Vorniere ist nichts Anderes als das abgeschnürte Leibeshöhlendivertikel mit seinem Glomerulus. Doch hat sich an einer Stelle eine offene Kommunikation mit der unseg- mentirten Leibeshöhle, dem Cölom, erhalten; es ist dies der Außen- trichter der Vorniere (SEmon). Das MaArpisursche Körperchen der Urniere ist nach HorrFMmANN als blasig aufgetriebene Kanalstrecke des Urnierenkanälchens aufzufassen, in die ein Gefäßknäuel einge- stülpt ist. Auch Braun beschreibt Ähnliches von den Reptilien, in- ! R. SEMON, Studien über den Bauplan des Urogenitalsystems bei den Wirbelthieren. — Über die morphologische Bedeutung der Urniere etc. Anat. Anz. Bd. V. 1890. — Notizen über den Zusammenhang der Harn- und Ge- schlechtsorgane bei den Ganoiden. Morphol. Jahrb. 1891. 2 M. Braun, Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien. 3 ©. K. HorrMmAnn, Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. — Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Reptilien. Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 35 dem er sagt, dass derjenige Theil des Urnierenkanälchens, welcher der Aorta am nächsten ist, sich einstülpt und zum MarPpicHT'schen Körper wird. Nach Semon’s trefflichen Untersuchungen an Ichthyo- phis glutinosus sind wir bemüßigt, uns zu einer anderen Anschauung zu bequemen: »Von den Vornierenkanälchen spaltet sich eine zweite Generation ab, die Urnierenkanälchen. Eben so spaltet sich der MaArpicHr’sche Körper der Vorniere in einen ventralen und dorsalen Absehnitt. In den ersteren münden die Vornierenkanälchen, in den letzteren die Urnierenkanälchen ein..... Indem sich aber an das Auftreten der dorsalen Generation von Exkretionskanälen bald eine fortschreitende Rückbildung der ventralen und eine Umbildung des Marpigarschen Körperchens der letzteren in Nebenniere an- schließt, kann das Keimdrüsensekret nur noch durch die dorsalen, unverändert gebliebenen MAarpıGHr'schen Körperchen, die der Urniere, fließen. « Die Sache verhält sich demnach so: Aus dem ventralen Theil des abgeschnürten Leibeshöhlendivertikels nebst seinem Glomerulus wird die Nebenniere, während der dorsale Theil als MaLpıGnHT'sches Körperchen der Urniere persistirt. Es erübrist nun bloß noch, über den Zusammenhang des vom Cölomepithel abstammenden Keimwulstes mit dem Mar rıcur’schen Körperchen zu sprechen. Ein solcher besteht nach Semon’s Unter- suchungen zwischen dem MarriGHr’schen Körper der Vorniere und dem Keimepithelwulst ohne Zweifel. Nach Spaltung des Leibes- höhlendivertikels (Marrıcarsches Körperchen der Vorniere) in zwei Theile, dessen ventrales Derivat eben Nebenniere wird, stellen sich die Dinge in folgender Weise dar. Vom dorsalen Derivat, dem nunmehrigen MaArri6Hrschen Körper der Urniere, geht ein Strang ab, Segmentalstrang genannt; von diesem zweigt ein Ast zur Keim- drüsenanlage ab, der Sexualstrang, indess ein zweiter zur Neben- niere geht, daher sein Name Nebennierenstrang. In diesem letzteren dokumentirt sich klar die einstige Verbindung des MaLrıcar'schen Körperchens der Vorniere mit dem Keimepithelwulst. Von den Anuren speciell beschreibt Horruann die Entwicklung der Verbindungen der MALpigHr’chen Körperchen mit der Geschlechts- drüse mittels der »Genitalkanäle«. Aus diesen wird, wie ja selbst- verständlich, das spätere intra- und extratestikuläre Hodennetz. Ihrer Bedeutung nach sind die oben genannten Stränge nichts Anderes als Derivate der ursprünglichen Verbindung zwischen Nephrotom und Seitenplatten (SEMoN). 26 Oscar Frankl, Endlich wäre noch daran zu erinnern, dass beim Amphibien- embryo der Außentrichter der Urmiere eben so ins Cölom mündet, wie jener der Vorniere. Morphologisches. Nach Darlegung des heutigen Standes der Meinungen über die allgemeinen Entwicklungsvorgänge erscheint es mir wünschenswerth, Einiges darüber zu referiren, wie sich die Autoren über den Zu- sammenhang der ausführenden Geschlechtswege mit dem MALPIGHI- schen Körperchen beim erwachsenen Thiere aussprechen. Was die Anuren anlangt, sind die Meinungen der Forscher vollkommen different. BippEr! wusste schon (1846), dass das Sperma, nachdem es den Hoden verlassen, die Ductus efferentes und durch Vermittelung derselben die Niere passiren müsse, um in die Kloake zu gelangen. Bronx? weiß über die Vereinigung der Vasa efferentia mit den Harnkanälchen keine übereinstimmende Angaben wiederzugeben. Die Unklarheit der Begriffe vermehren nur noch die einander dia- metral entgegenstehenden Angaben HyrrrL’s? und HEIDENHAIN’s*. Hyrru (1863), der auf Grund von Injektionspräparaten urtheilt, sagt in seiner kurzen Abhandlung Folgendes: »An einer oder der anderen Niere findet man die Gruben (sc. der MALpıcaTschen Körper- chen) mit Masse ausgefüllt, welche nicht bloß die Kapseln der MaArri6Hrschen Körperchen einnimmt, sondern auch in die Aus- führungsgänge der Hoden eindringt, welche bekanntlich bei Fröschen in diese Kapseln einmünden.« Doch betont im Weiteren HyrTL nachdrücklichst, es sei ihm nie gelungen, alle Kapseln vom Ureter aus zu injieiren, sondern bloß die oberflächlichen, von denen allein er auch annimmt, dass sie zu den Hodenausführungsgängen in Be- ziehung stehen. Allerdings muss man damit zusammenhalten, dass HYRTL mit einer für die feinen Strukturen der Amphibienniere allzu groben Masse arbeitete, wenngleich man sagen muss, dass seine 1 BIDDER, Männliche Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Am- phibien. Dorpat 1846. 2 Bronn’s Thierreich. Bd. Amphibien. Leipzig und Heidelberg 1873— 1878. 3 HyrtL, Über die Injektion der Wirbelthierniere und deren Ergeb- nisse. Wiener Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wissensch. Bd. XLVII. 1. Abth. 4 HEIDENHAIN, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Niere. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. 1874. Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 27 Injektionen nicht bloß für jene, sondern für alle Zeiten als muster- gültig, ja geradezu als vollkommen angesehen werden müssen, — wohlgemerkt, für den mit der Lupe arbeitenden Untersucher, nicht den Mikroskopiker. Doch soll darüber später noch ausführlicher gesprochen werden. HEIDENHAIN (1874) ist anderer Meinung. Was BıpDEr für die Tritonenniere beschrieben hat, dass nämlich in jede MALrıGar’sche Kapsel an der dorsalen Seite ein Samenkanälchen einmünde, kann er weder für Triton, noch für die Batrachier bestätigen. Mit vollster Bestimmtheit sagt er: »Für mich ist es ganz sicher, dass in dem zweifellos den Harn bereitenden Theil der Niere von einer Ver- bindung der Marricutschen Kapseln mit den Samenwegen nicht die Rede ist; sie findet erst in den großen Ausflussröhren des Harns statt.«c Die aus dem Hoden führenden Kanäle seien an der Nieren- oberfläche, und zwar an der ventralen durch Druck des Hodens leicht ersichtlich zu machen. Dazu ist nur zu bemerken, dass HEIDENHAIN sich einer Unter- suchungsmethode bedient hat, die geeignet ist, ein exquisit physio- logisches, nicht aber ein anatomisches Resultat zu liefern. Ich meine die bekannte Fütterung mit indoxylschwefelsaurem Natron. Auch Ecker! leugnet in seiner bestbekannten Arbeit den Zu- sammenhang der Samenwege mit den Marpıcar’schen Kapseln, und schließt sogar daran die Bemerkung, dass bei Rana sich das Be- streben von Seiten der Samenwege, sich von den Harnwegen zu emancipiren, geltend mache, was dann bei Bombinator und Disco- glossus, insbesondere aber bei Alytes weiter gedeiht. Zum Schlusse will ich noch die Worte SPENGEL's? wiedergeben, welcher sagt: »Ich habe viel Mühe darauf verwendet, zu ermitteln, ‚welche von den einander so widersprechenden Angaben Hyrrr’s und HEIDENHAIN’s die richtige ist. So sehr ich dafür eingenommen war, diejenige Hyrrr’s für die richtige zu halten, so entschieden muss ich die HEIDEnHAIN’sche bestätigen. Obwohl sich sehr schnell der Harnleiter mit der weißen Samenmasse füllte, fand ich doch niemals eine Spur derselben in den MArrpısHr’schen Körperchen.« Diese einander vollkommen widersprechenden Angaben bewogen 1 A. ECKER, Die Anatomie des Frosches. Braunschweig 1864. 2 J. W. SPENGEL, Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut zu Würzburg. Bd. III. — Die Segmentalorgane der Amphibien. Verhandlungen der physikalisch-medieinischen Gesellschaft zu Würzburg. Bd. X. 1874. 38 Oscar Frankl, mich also, der Frage meine Aufmerksamkeit zuzuwenden, und ich that dies nicht bloß, indem ich allein der Litteratur noch weiter nachging, um zu erfahren, was über die Verbindung der MALPIGHI- schen Kapseln mit den Samenwegen bei Fischen, Coecilien und Urodelen bereits bekannt und beschrieben sei, sondern, indem ich die Niere des Frosches, des mir am leichtesten zu erlangenden Anuren, eingehender Untersuchung würdigte. Den Weg, welchen ich hierbei verfolgte, will ich nun in den folgenden Zeilen kenn- zeichnen. Technik. In unserem Museum befinden sich Injektionspräparate von Fisch- und Amphibiennieren, die noch von Hyrrr’s Hand herrühren: Die letzten Reste, wohl auch nicht die besten Exemplare jener Menge von Präparaten, die derzeit allenthalben in der Welt zu finden sind, — der berühmten Hyrrr-Injektionen. Mit der Lupe betrachtet zeigen freilich auch diese Präparate, wie groß die Kunst des In- jektors gewesen sei. Allein das mir vorliegende Präparat der Niere von Rana erscheint mir nicht, vielleicht sollte ich sagen nicht mehr für exakte wissenschaftliche Studien geeignet. Aus ihm allein wäre Hyrrr’s Aussage über den bereits mehrfach gedachten Zusammen- hang nicht klar, und dürften ihn hierzu andere Präparate bewogen haben, die indess mir nicht zu Handen sind. Die Masse, mit welcher HyrTL injieirte, bestand aus Kremser- weiß oder Chromgelb, mit Terpentinöl oder Schwefeläther verrieben. Die Objekte wurden nach der Injektion getrocknet, von der Ober- fläche wurde ein mäßig dünner Schnitt genommen und auf schwar- zem Holz unter Glas aufgelegt. Mir aber erschien es unbedingt nothwendig, Injektionen zu machen, welche die mikroskopische Untersuchung‘ gestatten, und so machte ich denn Leiminjektionen der Froschniere. Da meine Injektionsmasse vom gebräuchlichen Recept in einigen Punkten abweicht, will ich hierbei ein wenig verweilen. Ich lasse 10—15 Platten feinster Gelatina animalis, die ganz durchsichtig sein muss, einen Tag lang in Wasser aufquellen. Am nächsten Tag setze ich der weichen Masse das gleiche Quantum Glycerin zu, koche durch kurze Zeit, setze sodann 4—5 Gramm kon- centrirter Sublimatlösung zu und filtrire durch ein nicht zu grob- maschiges Linnen. Die so gewonnene Glyceringelatine lasse ich erstarren, fertige am nächsten Tage eine kalte Lösung von löslichem Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 39 Berlinerblau in Wasser im Verhältnis von 1:20 an, setze es der erwärmten Glyceringelatine zu, erwärme beide mit einander noch eine Weile und filtrire abermals durch ein Linnen. Wenn die nun- mehr fertige Injektionsmasse etwas erkaltet ist, senke ich an einem Faden einen großen Thymolkrystall in die noch halb flüssige Masse, welche so geradezu Jahre hindurch aufbewahrt werden kann. Beim Gebrauche mäßig erhitzt wird sie bald schön dünnflüssig, leistet — so viel mir bekannt — allen üblichen Konservirungs- und Fixirungs- mitteln Widerstand und hat die gute Eigenschaft, während des In- jektionsaktes nicht leicht zu erstarren. Das zu injieirende Gewebe braucht daher nicht erwärmt zu werden. Will man die Masse roth haben, so nimmt man als färbende Lösung 1:20 Karmin. Alles Andere bleibt sich gleich. Zur Injektion verwendete ich gut entwickelte Frösche, an denen der Frühling 1896 nicht eben arm war; an den kräftigen Exempla- ren ist der sonst allzu dünne Leyvig’sche Gang doch von annehm- barer Dicke. Ich tödtete die Thiere mit Chloroform, schnitt das Abdomen auf, legte das Objekt in physiologische Kochsalzlösung und führte nach Ablauf des höchsten Grades der Todtenstarre die Kanüle meiner Spritze in den Leypıg’schen Gang ein. Die Spritze zu dieser und allen ähnlichen Arbeiten sei klein, handlich, — am besten ist es, sich einer gewöhnlichen Ohrenspritze aus Hartgummi zu bedienen. Dieselbe hat den Vortheil, dass man bei einmaligem, kurzem, aber energischem Drucke auf den Stempel die Masse durch längere Zeit aus der Kanüle spritzen sehen kann, so lange, bis das innerhalb der Spritze aufgespeicherte Druckquan- tum, oder, wenn man will, die entbundenen Elastieitätskräfte der Kautschukwand aufgezehrt sind. Dieses Vorgehen gab mir immer gute Resultate und schützte mich vor Extravasaten. Parenchymatöse Injektionen in die Niere ergeben ganz konstant, wie auch schon HyrrTL wusste, Veneninjektionen. Auf eine halb- ' wegs verlässliche Injektion der Harnkanälchen kann man hierbei nicht rechnen. Ich habe die Technik der Injektion etwas genauer geschildert, weil dieselbe dem Leser auch für andere, ähnliche Arbeiten einiges Wissenswerthe in sich bergen dürfte. Und nun will ich an die Schilderung der Injektionsresultate und deren Erläuterung gehen. 30 Öscar Frankl, Resultate der Injektion. Die Kombination, auf Grund derer ich die Injektion des LEYDIG- schen Ganges beim Frosch ausführte, war folgende: Wenn ich den Duetus urospermaticus injieire, muss die Injek- tionsmasse in die Harnkanälchen der Niere eindringen, denn die- selben münden in jenen. Aber auch in den Kanälchen, welche vom Hoden kommend, die Niere durchsetzen, und die ich der Bequem- lichkeit halber fortan nur Querkanäle nennen will, muss sich Injek- tionsmasse finden, denn auch sie münden in den Leypig’schen Gang. Weiter muss ich, vorausgesetzt das Gelingen der Injektion, mit der Masse bis in den Hoden emporgelangen, natürlich auf dem Wege der Ductus efferentes. Ist damit aber schon irgend etwas über die Kommunikation der Samenwege mit den MAnpiGHrschen Körperchen der Niere gesagt? Gewiss nicht! Denn sind die beiden Wege von einander vollkommen getrennt, so können Nieren- und Hodenkanäl- chen zugleich, aber von einander ganz unabhängig injieirt werden, ohne dass zwischen beiden in der Niere ein nachweislicher Zu- sammenhang besteht. Wenn aber ein soleher besteht, so müssen ‚sich bei der mikroskopischen Untersuchung der Niere die Kommuni- kationen zeigen. Meine Voraussetzungen bestätigten sich vollinhaltlich. Wenn die Spritze im Leypıg’schen Gang festgebunden ist, was durch die distal gelegene Erweiterung desselben, die sogenannte Samenblase, wesentlich erleichtert wird, so genügt ein leichter Druck auf den Spritzenstempel, um die Niere in ihrem unteren Antheil blau zu färben; bald sieht man tief blaue Streifen quer über die Oberfläche des Organs laufen, die sich, wenngleich unter Krümmungen, auf das Mesorchium fortsetzen, und in ungemein zierlichen Figuren schießen am weißen Hoden blaue Sterne und Punkte auf. Dieser, vielmehr noch die Nieren, werden bei weiterer Fortsetzung der Injektion stets diffuser blau, was man aber nur bis zu einem mäßigen Grade geschehen lassen soll. Ich fixirte sodann die Objekte in Pikrinsublimat, härtete in Alkohol, färbte sie mit Kochenillealaun und zerlegte sie endlich in vollständige Schnittserien. Und nun der mikroskopische Befund: Injektionsmasse in den Hodenampullen sowie in den intratesti- culären Hodenkanälen, und zwar typisch die Masse central, wand- ständig die massenhaften Spermatozoen, respektive an einzelnen Objekten Spermatoblasten. Die extratesticulären Hodenkanäle, das Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 31 sogenannte Hodennetz, zeigt den gleichen Inhalt. Am medialen Rande der Niere angelangt, erweitert sich an. einzelnen Schnitten der Ductus efferens, beziehungsweise der die Ductus efferentes ver- bindende Längskanal zu den sogenannten Ampullen, welche gleich- falls mit Injektionsmasse gefüllt sind. Und nun sieht man an vielen Schnitten den Querkanal durch die Niere laufen, zwar nicht rein quer, sondern in leichtem Bogen, etwa so, wie die halbschematische Zeichnung (Fig. 1) es andeutet, gegen den lateralen Rand der Niere, woselbst derselbe in den Leypi@’schen Gang einmündet. Der Quer- kanal ist immer mit Berlinerblau gefüllt. Die Anzahl der Quer- kanäle ist großen Schwankungen unterworfen; SPENGEL nimmt die Zahl der Hodenausführungsgänge als 18 an. Nach meinen Präpa- raten schwankt dieselbe zwischen 5 und 18. Wenn man die Schnittserien durchsieht, merkt man, dass nicht bloß sagittal verlaufende Harnkanälchen, von der ventralen Nieren- fläche zur dorsalen ziehend, in die Querkanäle einmünden, sondern dass von der dorsalen Seite der MaurısHr’schen Körperchen Kanäle gesen die dorsale Nierenfläche ziehen, dieselbe aber nicht erreichen, und entweder in den Querkanal einmünden, oder öfter eine Strecke vor demselben aufhören. An den entsprechenden weiteren Schnitten sieht man dann mühelos das fehlende Stück, und es bedarf durch- aus nicht der Anfertigung eines Modells, sondern einige wenige Zeichnungen auf einander folgender Schnitte genügen, die Kom- munikation der Mauri@HT’schen Kapsel mit den Quer- kanälen mittels sagittaler, mit Injektionsmasse erfüllter Kanäle darzuthun (Fig. 3). Ich schlage demnach vor, diese Kanäle als Sagittalkommissuren zu bezeichnen. Der Ductus efferens des Hodens tritt, wie oben erwähnt, am medialen Rande der Niere in das Parenchym ein. Da er jedoch auf der ventralen Seite an die Nierenoberfläche tritt, und der intra- renal liegende Querkanal näher der dorsalen als der ventralen Fläche der Niere zu liegen kommt, wird es begreiflich, dass das Anfangs- stück des Querkanals die Krümmung der Nierenoberfläche an der medialen Schmalseite mitmacht, wie dies aus Fig. 1 ersichtlich ist. Vor Beginn dieser Krümmung, also unmittelbar nach dem Ein- tritt des Kanals in die Niere, geht ein ventraler, fast rein quer ver- laufender Kanal ein kurzes Stück, etwa 1/;—!/, der Nierenbreite ins Parenchym (in Fig. 1 mit z bezeichnet), und Injektionen beweisen, dass auch dieser Kanal, für dessen Bezeichnung ich die Worte ventraler Querkanal wählen möchte, mit einigen wenigen, ventral 32 Oscar Frankl, und medial gelegenen MaArricntschen Körperchen zusammenhängt. Diese MArrıgHr'schen Körperchen sind es, von welchen vermuthlich HyrRrL unter der Bezeichnung »ventrale Reihe« spricht. In Fig. 1 habe ich die drei bis vier ventralen MArLrı@ur’schen Körperchen, welche. bis zz reichen würden, der Einfachheit halber nicht ein- gezeichnet. Nun könnte Jemand sagen, die Resultate einer solchen Injektion seien nicht beweisend, weil durch die vis a tergo die Injektionsmasse an Stellen gedrängt worden sei, an die sie unter normalen Verhält- nissen nie hätte gelangen können. Ein Anderer könnte mir vielleicht gar das Wort entgegenhalten, das so viel sagt und so wenig be- deutet, und jedweder mikroskopischen Injektion, die Einem nicht‘ gelegen ist, vorgehalten wird: das Extravasat. Abgesehen davon, dass Extravasate, Gewebsrupturen u. dgl. m. sich mir gewiss in den Präparaten augenfällig gezeigt hätten, da ich auch darauf prüfte, machte ich mir selbst als strenger Beobachter den gleichen Einwand. Doch gelang es mir, denselben auf folgende Weise abzuwehren. Ich nehme den Frosch, der eben im Coitus begriffen ist, vom Weibchen, tödte ihn und injieire ihn entweder gar nicht, oder bloß ‘ die Niere der einen Körperhälfte, schneide das Organ in Serien und färbe es mit Hämatoxylin, welches, wie bekannt, geradezu ein Reagens auf Froschspermatozoen ist und dieselben intensiv violett färbt. Es zeigt sich nun in Folge der natürlichen Injektion das Sperma in all den Wegen, welche zuvor bei der Injektion als Samenwege blaue Masse enthalten hatten. Die Querkanäle voll- gepfropft mit violetten Samenfäden, eben so die Sagittalkommissuren, oft genug finden sich Spermatozoen in den MaALPrıGHL'schen Kapseln, zumal in denjenigen, welche dem ventralen Querast ent- sprechen. Dieser selbst ist fast überall mit Sperma angefüllt. Freilich enthalten nicht alle Maurıcar'schen Körperchen Sper- matozoen, obwohl zuvor alle eine Kommunikation mit dem Quer- kanale und Injektion ihrer Kapseln zeigten. Aber das ist auch gar nicht anders zu erwarten. Der Spermastrom nimmt einen möglichst geraden Weg, und nur wenn er ganz besonders reichlich ist, oder wenn eine vis a tergo ihn hemmt, wie zum Beispiele eine komplete Anschoppung des unteren Theiles des Leypie’schen Ganges mit Sperma oder Injektionsmasse, ergießt sich das Sekret bis in die MaArrıiscHurschen Kapseln. Doch auch in gar nicht injieirten Objek- ten, die Thieren zur Brunstzeit entnommen sind, findet man zuweilen Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 33 Spermatozoen in den Maupicurschen Kapseln, wofern nur der Spermastrom genügend stark ist. Besonders klar ist das Bild, wenn an injieirten Objekten ein Bezirk von der Injektion frei geblieben ist. Hier handelt es sich denn allerdings um Folgen des Druckes, ohne dass aber irgend eine Extravasation im Spiele wäre. Ein solches Marrıcnr'sches Körper- chen mit dem Anfang der Sagittalkommissur habe ich auch in Fig. 5 wiedergegeben. Interessant ist auch der Befund an Objekten, die bei reichem Spermastrom injieirt wurden. Es zeigt dann der mikroskopische Schnitt die Interferenz, respektive Konkurrenz der beiden Massen. In den breiten Querkanälen vermengen sie sich, während in den engeren Fährten die eine die andere vor sich herschiebt. Dem denkenden Leser drängt sich hier natürlich die Frage auf: Wie sind die oben dargelegten Befunde zu deuten, wie verhalten sie sich zu den bisher gemachten Angaben, und welche Analogien lassen sich zu den Verhältnissen an anderen Thieren finden? In- dem ich an die Beantwortung dieser Frage gehe, will ich vorher nur das Eine bemerken. Auf rein histologische Weise lassen sich solche Dinge nicht abthun; die vergleichende und entwicklungs- geschichtliche Betrachtung im Vereine mit der Anwendung aller modernen technischen Hilfsmittel vermögen für sich das Recht in Anspruch zu nehmen, der Lösung solcher Fragen näher gerückt zu - sein. Mit der Erfahrung, dass beim Frosche eine vollständige Kom- munikation zwischen MarrıgHar’schen Körpern der Niere und den Samenwegen dauernd bestehe, fällt von selbst die Angabe EckEr’s, dass Rana die Reihe derjenigen Anuren eröffne, bei: welchen sich die Samenwege von den Harnwegen loszulösen beginnen. Ich bin vielmehr geneigt, Rana in Bezug auf den Urogenitaltract auf eine morphotisch tiefere Stufe zu stellen. Bei Coeecilien setzt sich, wie bekannt, je ein Ductus efferens immer nur mit einem, und zwar dem primären Marpıschrschen Körperchen in Verbindung, welch letzteres dann vom Sperma durch- lossen wird (SPENGEL, SEMON). Dadurch bleibt die Segmentirung der Niere auch beim geschlechtsreifen Thiere deutlich erkennbar. Bei Urodelen verwischen sich die Verhältnisse in so fern, als keines der Maupısurschen Körperchen überschlagen wird, son- dern sämmtliche ventralen Kanäle jedes Nierensegmentes besitzen Sexualstränge, wie SPENGEL sich ausdrückt. Dabei finden sich im Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 3 34 Oscar Frankl, Geschlechtstheile der Niere auch mehr MarricHrsche Körperchen, als der Anzahl der Urwirbel entsprechen sollten. Zu besonders reich- licher sekundärer Vermehrung der Marrıeurschen Körper kommt es in der Beckenniere. Was die Anuren betrifft, so ist es nur bei Bufo sichergestellt (SPENGEL), dass sich eben so wie bei den Urodelen und Coecilien das Sperma aus dem Längskanal in die bei Bufo zahlreich vorhandenen Querkanäle und dureh Vermittelung derselben in die MaLpiGHrTschen Kapseln ergießt. Sodann muss es, um in den Leypıg’schen Gang zu gelangen, die betreffenden Harnkanälchen ihrer ganzen Länge nach passiren und in die Sammelröhren einströmen. Doch stehen bei Bufo wie bei den Gymnophionen nicht alle, sondern nur die primären Urnierenkanälchen mit der Keimdrüse in Verbindung (SEMON). Die Litteratur lehrt mich, dass bei Bombinator und Discoglossus die Trennung der beiden Systeme, der Harn- und der Samenwege, weitergedeihe, bis sich dieselben endlich bei Alytes von einander fast vollständig isoliren. Ich bin, aufrichtig gestanden, nicht sehr geneigt, diesen Angaben vollständig Glauben zu schenken, da keine auf Grund subtiler mikroskopischer Arbeiten gemacht worden ist. Ich behalte mir jedenfalls vor, diese Frage noch näher zu unter- suchen, sofern es die Gunst äußerer Verhältnisse gestatten sollte. Halten wir nunmehr noch Umschau über das, was von den Fischen in Bezug auf das in Rede stehende Kapitel bereits sicher- gestellt ist, so wäre Folgendes zu erwähnen. SEMPER’S! Verdienst ist es, die Urogenitalbildung der Plagio- stomen vollkommen sichergestellt zu haben, und zwar gelang ihm dies bei Chiloseyllium, Mustelus, Squatina vulgaris, Seymnus lichia, Centrophorus granulosus und Acanthias. An diesen Thieren gelang es ihm nachzuweisen, dass das Sperma aus den Ductus efferentes des Hodens in die Maupisar’schen Kapseln fließen müsse, bevor es die Niere verlasse. Bei Ganoiden findet SEMoN, dass im Gegensatz zu Selachiern und Coecilien eine große Menge von MarriscHrschen Körperchen mit dem Keimdrüsennetz in Verbinndung stehen, und deutet dies in der Weise, dass sekundär entsprechend der riesigen Vergrößerung ! SEMPER, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Bedeutung für das der übrigen Wirbelthiere. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institute zu Würzburg. Bd. II. 1876. » Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 35 der Keimdrüsen ein viel größerer Antheil der Niere zu der Leistung - der Abfuhr herangezogen werde. Nach den von mir erhobenen Thatsachen wäre ich geneigt, über den von mir untersuchten Vertreter der Anuren, den Frosch, Folgendes auszusagen: Die MatrpısHr'schen Körperchen, welche wir in der Froschniere finden, die zweifellos sekundären Ursprunges sind, zeigen Verbindungen mit den Querkanälen, natürlich auch sekundärer Natur. Wie diese entstehen, darüber fehlt es zur Zeit noch ganz an Angaben. Aber der Typus, der sich in der allerersten Anlage zeigt, indem das primäre MArLricHTsche Körperchen der Ur- niere zur Keimdrüse in Beziehung tritt, was beim ausgebildeten Frosch in der Verbindung der ampullären Erweiterungen des Längs- kanales mit dem Hoden (durchs Hodennetz) zum Ausdruck gelangt, der gleiche Typus, sage ich, ist auch bei allen sekundären MAL- pıGHTschen Körperchen festgehalten, indem sie die Sagittalkommis- suren zu den Querkanälchen senden. Demnach sind die Harn- und Samenwege beim Frosch von einander durchaus noch nicht getrennt, wie dies angeblich bei einzelnen Anuren, so zum Beispiel bei Bom- binator, Discoglossus, Alytes zur Beobachtung kommt. Sollte Letz- teres wahr sein, würden die Anuren von den übrigen Amphibien- gruppen, bei welchen beide Systeme mit einander vollkommen vereint sind, zu den Reptilien allmählich hinüber führen, bei welchen die beiden Systeme von einander vollständig isolirt sind. Einzelne Anuren würden sich mehr den Urodelen, einzelne mehr den Amnio- _ ten nähern, bei welch letzteren, wie bekannt, die Geschlechts- niere zum Ausführungsgang für das Sperma er, während die Beckenniere unter Änderung ihrer Form und Ehtstehne eines Ureters allein der Harnbereitung zu dienen bestimmt wird. Dass auch bei Cyelostomen Samen- und Harnwege von einander sich lösen, ist ja wahr; aber die Art und Weise, in welcher dies geschieht, bedeutet keinen morphologischen oder physiologischen Fortschritt, sondern vielmehr einen tiefen Rückschlag in der Entwicklung des Urogenital- apparates. Die vom Hoden herkommenden Ductus efferentes vereinigen sich bei Rana durch einen sekundär entstandenen Längskanal mit einander, welcher am medialen Rande der Niere liegt und dem im Mesorchium liegenden, deutlich sichtbaren Längskanal der Urodelen ganz homo- log ist. Die Erweiterungen des Längskanals, Ampullen genannt, werden von ©. K. HorFmann als Reste der primären Marrısar'schen Körperchen angesprochen, deren Glomerulus sich zurückgebildet habe. 3% 36 Oscar Frankl, »Denn bei ganz jungen Fröschen«, sagt HoFFMmAnn, »hat der Längs- kanal kurze Abzweigungen, welche in MarrıGursche Körperchen einmünden.« Nach meinen eigenen Beobachtungen möchte ich dieser Anschauung beipflichten. Die Ampullen liegen genau in der gleichen Linie und sind gleichgerichtet den sekundären MArrıcHTschen Körper- chen der Niere, und die Abzweigungen, von welehen HoFFMANN spricht, habe ich, wenngleich nicht oft, so doch an einzelnen Schnit- ten gesehen. Es liegt gar kein Grund vor, HOFFMANNS Ansicht zu bezweifeln. Die Reihe der MarrıscHr’schen Körperchen, welche quer durch die Niere zu verfolgen ist, muss man natürlich als sekundär ent- standen erachten. Das primäre MarpisHarsche Körperchen ist nur im Rudiment zu sehen. Aber die Verbindung des primären MAL- pıGHrschen Körperchens mit den Ductus efferentes des Hodens persi- stirt, — wir sehen die Ampulle mit Sperma erfüllt. Liegt da nicht die Deutung nahe — und ich möchte sie nicht leichtweg von der Hand weisen —, dass die primäre MarrIcHrsche Kapsel, welche schon bei den nächst höheren Species verloren geht, hier noch be- stehen bleibt, einzig desshalb, weil ihr eine Funktion geworden? Sie ist, meine ich, ein Reservoir für den sich rückstauenden Sperma- strom. Ich möchte diese Abhandlung nicht schließen, ohne noch Einiges über die Peritonealtrichter gesprochen zu haben. Diese bleiben nach HoFrMmANN bei Urodelen im Zusammenhang mit dem Halse des MAL- pIGuHfschen Körperchens, während sie sich bei Anuren von ihm loslösen und als blind geschlossene Röhren weiterwachsen. Das Gleiche hatte schon durch Autoinjektion, nach Einspritzung von Karmin in das Abdomen des narkotisirten Thieres 1877 NussBAuM! nachgewiesen. Durch ähnliche Versuche bewogen schließt sich der gleichen Ansicht WıcHMmAnN? an. Meine eigenen Resultate bestätigen, wenngleich auf anderem Wege gewonnen, die Angabe obiger Autoren. Denn wenn die Harnkanälchen im erwachsenen Thier mit den Triehtern kommunieiren würden, müsste sich Injektionsmasse in den Außentriehtern deutlich nachweisen lassen. Davon ist nun nicht die Rede. Alle sind frei von Injektionsmasse, wie klar ersichtlich aus Fig. 6. ! NussBAUM, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Niere. Sitzungs- berichte der niederrheinischen Gesellschaft zu Bonn. 1877. ” RALF WICHMANN, Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Nierenorgane der Batrachier. Bonn 1884. Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 37 Um die Resultate meiner Untersuchungen kurz noch einmal zu - resumiren, will ich bloß das Folgende sagen. Die Injektion der Frosch- niere vom LEYDIG schen Gang aus ergiebt ein Aufsteigen der Masse bis in den Hoden, natürlich durch die Ductus efferentes; in der Niere selbst zeigt sich deutlich der vollständige Zusammenhang zwischen MarPpıcHrI’schen Körperchen und Querkanälen mittels sagittaler Kommissurkanäle. Ob letztere zugleich mit dem Sperma auch Harn führen, oder ob die Harnsekretion und der Spermastrom periodisch, zeitlich von einander getrennt erfolgen, wer- den vielleicht später noch anzustellende Experimente mich lehren. An geeigneten Objekten sind alle diese Wege mit Spermatozoen erfüllt zu sehen, auch die MArrısHarschen Kapseln enthalten unter Umständen Samenfäden, sei es in Folge des Injektionsdruckes, oder in Folge des reichen Spermastroms, indem der Same nicht rasch senug abfließen kann, und also jeden ihm verfügbaren Raum für sich in Anspruch nimmt, — natürliche Injektion der MALPIGHI- schen Kapseln (Fig. 2 deutet mit Pfeilen den Weg des Sperma und den der Injektionsmasse an). Geschieht die Injektion an spermareichen Objekten, so mengen sich Spermafäden und Injek- tionsmasse in den Querkanälen, Sagittalkommissuren und MALPIGHI- schen Kapseln (Fig. 4). So wäre die Gestalt der ausgebildeten Froschniere, auch mit Bezug auf ihre Genitalverbindungen, erläutert. Die der embryonalen Niere, zumal für die allerersten Entwicklungsphasen, ist durch die Eingangs erwähnten Beobachter geklärt. Mir drängt sich nun die Frage auf: Wie kommen die sekundären Wege alle zur Ausbildung, wie sind die Übergänge zwischen Anfangs- und Endstadien? Sollten es die äußeren Verhältnisse gestatten, so gedenke ich, an die Beant- wortung dieser Fragen mich zu wagen. Dessgleichen behalte ich mir vor, allenfalls Berichte über Injektionen des Leyvı@’schen Ganges anderer Anuren folgen zu lassen. Nicht der allgemeine Brauch nöthigt mich, es ist mir vielmehr Herzenssache, an dieser Stelle meinem vielverehrten Lehrer, Herınm Prof. Dr. E. ZUCKERKANDL, für seine stete Unterstützung mit Rath und Anregung den geziemenden Dank auszusprechen. 38 Oscar Frankl, Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Erklärung der Abbildungen, Gemeinsame Abkürzungen für alle Figuren: T, Testikel; L.G, LEyDiG’scher Gang; K, Hodenkanälchen; N, Niere; Sp, Spermatozoen; A, Peritonealtrichter; I, Injektionsmasse; Q, Querkanal; D.e, Duectus efferens; S, Sagittalkommissur ; G!, Glomerulus; ‘Nr, Nierenkanälchen. M.K, MAupıGHr sche Kapsel; Tafel II. Fig. 1. Injektion des Hodens und der Niere vom Frosch, gemacht vom Leypi@’schen Gang aus. Halbschematisch. ZEıss Komp. 4, Obj. Lupe. Fig. 2. Schema der Kommunikation zwischen Hodenausführungswegen und den MarrıGHr’schen Kapseln. Die rothen Pfeile bedeuten den Weg des Sperma, die blauen den der Injektionsmasse. Lupenvergrößerung der Kontouren. Fig. 3. Vollständiger Zusammenhang des MArrıcHrschen Körperchen mit dem Querkanal auf einem Schnitte, genau nach einem Schnitte der injieirten Froschniere. ZEIss Komp. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95. Fig. 4. Sperma und Injektionsmasse in der MALpIGHr’schen Kapsel. ZEısS Komp. 8, Obj. Apochr. 4,0 mm, Apert. 0,95. | Fig. 5. Autoinjektion der MALPrIGHTschen Kapsel mit Sperma. Zeıss Komp. 4, Obj. Apochr. 4,0 mm, Apert. 0,95. Fig. 6. Von der Injektionsmasse vollkommen frei gebliebener Peritoneal- trichter. Dieselbe Vergrößerung. Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus der Adria. Von L. L. Breitfufs. Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Berlin.) Mit zwei Figuren im Text. Im Herbst 1896 fand ich während meines Aufenthaltes auf der Zoologischen Station des Berliner Aquariums zu Rovigno, in der Bucht der Stadt in der Tiefe von etwa 5 Meter, ein horizontal ausgebreitetes, polsterförmiges, durch Anastomosen entstandenes Röhrennetzgebilde auf Algen sitzend. Es ist nach HAEcKEr’scher Bezeichnung ein Auloplegmastock von 27 mm Länge, 18 mm Breite und S mm Höhe mit Pseudogastern und Pseudostomen, dessen massige Netze aus 0,2—1,5 mm weiten Röhren bestehen, und welcher sich seiner äußeren Erscheinung nach _ wenig von der so häufig an der dalmatinischen Küste vorkommen- den Ascandra reticulum 0. S. unterscheidet, daher sehr leicht mit derselben zu verwechseln ist. Die Oberfläche ist kurz stachelig. Das Skelett besteht aus kolossalen Rhabden und regulären Tri- und Tetractinen. Die großen spindelförmigen, an den Enden zugespitzten Rhabde (Fig. 1a) von 0,5—0,9 mm Länge und 0,03—0,05 mm Dicke (in der Mitte) kommen im Vergleich zu den Tetraetinen in geringer Menge vor und lagern ohne besondere Anordnung in der Masse des Schwam- mes, dabei durchbohren sie die dünne Dermal- und Gastralmembran und ragen frei aus der Ober- und Gastralfläche heraus. Da, wo der Schwamm in der Unterlage eingesenkt ist, befinden sich etwas kleinere Rhabde von 0,5—0,6 mm Länge und 0,04 mm Dicke, bei welchen das eine Ende mit zweizähnigen (Fig. 19) Auswüchsen versehen ist, 40 L. L. Breitfuß, die zum Festhaften bestimmt sind. Außerdem treffen sich noch in Ausnahmefällen dünne Rhabde (Fig. 1 e), keulenförmige Rhabde (Fig. 1 %) und Rhabde mit griffelförmiger Spitze (Fig. 1 f) vor. Die regulären geradschenkeligen Tri- und Tetractinen (Fig. 15, c,d) sind von gleicher Größe, doch kommen die ersteren nur sehr spär- lieh vor. Auf diese Weise wird das Hauptskelett des Schwammes wesentlich aus Tetractinen gebildet, welche gleich den Rhabden ohne Ordnung in der Fleischmasse lagern. Bıc Spicula. S0mal vergr. a, gewöhnliche Rhabde; b, Triactine; c, Tetractine in horizontaler Projektion; d, Tetractine in vertikaler Projektion; e, f und A, seltene Formen von Rhabden; g, Rhabde zum Festhaften. Die Tetractine der Außenschicht besitzen an Stelle des Apical- strahls kleine knopfförmige Gebilde, dagegen zeichnen sich die in der Gastralmembran tangential gelagerten Tetraetinen durch lange, dünne und sehr spitze Apicalstrahlen aus. Was die Dimensionen der Tri- und Tetractinen anbelangt, so beträgt ihre Schenkellänge 0,08—0,12 mm bei einer Dicke von 0,008—0,009 mm, der dünne Apicalstrahl erreicht bei einer Stärke von 0,004 mm nicht selten eine Länge bis zu 0,09—0,20 mm, ist gerade und senkrecht zur Ebene der Basalstrahlen eingepflanzt. Die Farbe des lebenden Thieres, sowie auch bei Alkoholpräpa- raten ist schmutzig weiß oder graugelb. Die Dermalporen bei dem lebenden Thiere (auch auf frischen Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus d. Adria. 41 Messerschnitten) erscheinen kreisrund, sind unregelmäßig an der Ober- fläche zerstreut und haben (je nach der Kontraktion) einen Durch- messer von 0,009—0,02 mm. Die Kragenzellenschicht (Fig. 2 d) gleicht in ihrer Form derjeni- sen der meisten Asconen. Die frischen feinen Schnitte zeigten Kragen- zellen von 0,004 mm Breite und 0,009 mm Höhe mit einem Kerne in den Proximalenden. Bei den Alkoholpräparaten sind diese Dimen- sionen bedeutend geringer. Das Kragenepithel bildet um den in die Magenhöhle vorspringen- den Apicalstrahl keine Papillen, wie es z. B. bei Leucosolevria eanariensis M. Mel. der Fall ist, sondern wird, wie bei Ascandra Ascandra hermesi. Querschnitt durch eine Röhrenwand im Inneren des Schwammes. 600mal vergr, a, Eizelle; 5, Kragenzellenschicht; c, koncentrirtes Plasma um den Kern; d, Kern; e, große Chroma- tinballen (ca. 0,004 mm); /, kleine Chromatinballen (ca. 0,001 mm). reticulum ©. S., von dem Apicalstrahl einfach durchbrochen (Fig. 2). In der Bindesubstanz, meist dicht unter der Kragenzellenschicht befinden sich viele, mehr oder weniger reife Eizellen (Fig. 2 a) von 0,068—0,17 mm im Durchmesser. Diese Eizellen sind theils kugelig, theils etwas abgeplattet und fehlen nur an jenen Stellen der Röhren- wände, welche die äußere Oberfläche des Schwammes bilden. In stark granulirtem Plasma dieser Eizellen liegt ein großer Kern von ovaler Gestalt (Fig. 2 d) und 0,008 bis 0,015 mm im Durchmesser, in welchem sich ein größerer und mehrere (bis zehn) kleinere auffallend glänzende Chromatinballen (Nucleoli) von 0,001 bis 0,004 mm im Durchmesser befinden (Fig. 2 e und f). Der Kern 43 L.L. Breitfuß, Ascandra hermesi, ein neuer homoc. Kalkschw. ete. ist von einer stark körnigen Plasmapartie (Fig. 2 c) umgeben, welche bei schwächeren Vergrößerungen von dem peripheren helleren Ei- plasma, an frischen Präparaten, so scharf abgesetzt erscheint, dass man versucht sein könnte, diese ganze centrale dunklere Fihanal masse als Kern zu deuten, was auch wohl in ähnlichen Fällen schon gelegentlich geschehen sein dürfte, wodurch dann die Dimensionen des eigentlichen Kernes wesentlich verändert würden. Wie schon vorher erwähnt, erinnert dieser Ascon, den ich zu Ehren des Herrn Direktors und Gründers der Rovigner Station, Dr. Orro Hermes, Ascandra hermesi nenne, in seinem äußeren Bau sehr an Ascandra reticulum ©. S., unterscheidet sich aber von letzterer durch Größe und Form der Rhabden, welche 1) bei dem ersteren eine Länge bis zu 1 mm erreichen, dagegen bei A. reti- culum nicht länger als 0,3 mm sind (vgl. HAECKEL und v. LENDEN- FELD!), 2) sind hier die Rhabden spindel- und manchmal keulen- förmig, dagegen bei dem letzteren Schwamme leicht, meist spiralig sekrümmt und erscheinen desshalb in der einen Ansicht bogen- förmig, in der anderen $-förmig gekrümmt (v. LENDENFELD). Endlich besteht die Hauptmasse des Skelettes bei Ascandra reticulum aus in gleichem Theile zerstreuten Tri- und Tetractinen, hier aber fast ausschließlich aus Tetractinen und Triactinen mit einer knopfförmigen Anlage des Apicalstrahles. Berlin, im April 1897. 1 len, Die Kalkschwämme. 1872. Bd. II. p. 89. — v. LENDENFELD, Die Spongien der Adria. I. Kalkschwämme. Diese Zeitschr. Bd. LIII. p. 223. Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). Von Dr. Heh. Stauffacher in Frauenfeld (Schweiz). Mit Tafel III und 4 Figuren im Text. Die Urniere ist ein sehr charakteristisches Organ im Trocho- phorastadium der Mollusken. Während aber einzelne Abtheilungen der letzteren wiederholt auf Bau und Entstehung ihrer Urniere untersucht wurden, blieben diesbezügliche Studien bei den Lamelli- branchiaten seit längerer Zeit Sanz aus, trotzdem die ersten Befunde sehr lückenhaft waren. In beiden bis jetzt zu unserer Kenntnis ge- kommenen Fällen, sowohl bei Teredo (HATScHER) als bei Cyelas (ZIEGLER), wurden bloß Bruchstücke des Organs sicher konstatirt. Um diese fühlbare Lücke auszufüllen, ganz besonders um An- fangs- und Endtheil der Lamellibranchier-Urniere genauer zu er- forschen, wurden Untersuchungen an Cyelas cornea Lam. angestellt, deren Ergebnisse im Folgenden mitgetheilt werden sollen. Merkwürdigerweise fand sich die Urniere stets unpaarig vor, trotzdem viele Serien auf dieselbe abgesucht wurden; sie lag be- ständig auf der linken Seite des Embryo. Ich habe mich ferner davon überzeust, dass der Verlauf des ganzen Organs ungemein schwer festzustellen ist. Hätte sich unter meinen Präparaten nicht zufällig ein Schnitt vorgefunden, der die Urniere in ihrer Gesammt- ausdehnung enthielt, es wäre mir kaum möglich gewesen mit Sicher- heit anzugeben, welche Zellen zusammengehören und wo diese gegen- seitig ihren Anschluss finden. Dieser Schnitt ist dargestellt in Fig. 1. Das Präparat wurde mit dem Assü'schen Zeichnungsapparat so genau als möglich kopirt; selbst die Färbung mit Boraxkarmin ver- suchte ich, zur leichteren Demonstration einiger Details, nachzu- ahmen. Auch die anderen Figuren der Tafel sind genau nach- 44 Hceh. Stauffacher, gezeichnet und möglichst in der Färbung ihrer Originale wieder- segeben worden. | Fig. 1 ist ein Längsschnitt ziemlich parallel der Medianebene durch die linke Seite der Trochophora. Er zeigt deutlich! die Zellen des Cerebralganglions (cg), die Kopfblase (X), einen Theil des Meso- derms (M7), die Zellen (pg), die bestimmt sind, Pedalganglion und Byssusdrüse zu bilden, die angeschnittene Wand der linken Leber- ausstülpung (Z), den Fuß (7), die Zellen, welche den Mundeingang (m) begrenzen und endlich das Organ, das uns hier am meisten interessirt: die Urniere (Un). I. Beschreibung. Auf der linken Seite des Embryo, an der hinteren und unteren Grenze der Kopfblase, dicht hinter dem Cerebralganglion fallen zwei große Zellen auf (Fig. 1 Z und IT), die in innigem Kontakt mit ein- ander stehen. Eine Furche zwischen diesen Zellen ist außen in ihrem ganzen Umfang vorhanden, eben so eine innere Scheidewand. Letztere ist sehr dünn und enthält ein deutliches, fast kreisrundes Loch, das aber nicht vollständig in der Mitte der Wand liegt, sondern dem unteren Rand derselben genähert erscheint (Fig. 4 2). Die Inhalte der Zellen stehen somit in direkter Kommunikation mit einander. Die Zellen selbst sind rundlich, stimmen auch in der Größe ganz mit einander überein, während ihre Kerne ein total verschiedenes Aussehen haben. Der Kern der Zelle 7 (Fig. 1), der dicht an der Zelle IZ liegt, ist bohnenförmig, normal tingirt und mit zwei starken Kernkörperchen versehen, während der Nucleus der Zelle 77, im Centrum derselben gelegen, Kugelform besitzt. Er ist ferner be- deutend umfangreicher als derjenige der Zelle /; sein Inhalt ist ziemlich gleichmäßig fein gekörnelt und auffallend schwach färbbar. | Nur eine Stelle, die aber nicht scharf kontourirt ist, hat relativ be- deutend Farbstoff aufgenommen (Fig. 1 und 4). Die Kerne werden sanz von Protoplasma umhüllt, während der übrige Theil der Zellen Z und /Z leer und daher vollständig farblos ist. Besonders deutlich zeigt sich diese Erscheinung in Zelle /, deren Kern offenbar passiv an die hintere obere Wand angedrückt wurde; in jener Ecke (Fig. 1 und 4), zwischen Kern und Zellmembran, findet sich ganz deutlich eine kleine Portion von gefärbtem Plasma, das wahrscheinlich den Kern an der oberen Zellwand befestigt. In der Zelle 77 wurde zwar ! Die Schalendrüse wurde von dem Schnitt nicht mehr getroffen. Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 45 neben Kern und der aus ihm entspringenden Geißel nichts Tingir- bares bemerkt, aber rings um den Kern herum verläuft eine sehr feine Linie (Fig. 4), welche möglicherweise als der äußere Kontour einer den Kern allseitig umgebenden Plasmahülle aufgefasst werden kann. Bei starken Vergrößerungen glaubte ich an mehreren Stellen Verbindungsstränge derselben mit der Zellwand zu sehen; sicher kann ich dies nicht behaupten, aber es machte mir immer den Ein- druck, wie wenn der Kern // an einem Plasmanetz in der Zelle aufgehängt wäre. ! Jede der beiden großen Zellen besitzt einen kegel- oder trichter- förmigen Fortsatz. Derjenige (la, Fig. 1 und 4) der Zelle / erstreckt sich über das Cerebralganglion nach oben und vorn und sucht An- schluss an eine Zelle der Kopfblase, während der andere (//a, Fig. 1 und 4) nach unten und hinten tief in das »primäre Schizo- coel« hineinreicht. Dieses Hauptstück der Urniere ist an der Leibeswand (wahr- scheinlich auch am linken Leberlappen) befestigt. Die langgestreck- ten Zellen, welche als Aufhängeband dienen, setzen in der Furche zwischen den großen Zellen / und // an, wo ihr Protoplasma noch etwas tingirt wurde, während es nachher vollständig hyalin ist. Die kugeligen Kerne (in Fig. 1 und 4 mit « und ß bezeichnet) sind gut färbbar. Sie erscheinen allerdings bedeutend blasser (und kleiner) als der Kern der Zelle / und nur um einen kleinen Betrag stärker tingirt als derjenige der Zelle ZZ. Kernkörperchen fanden sich keine; das Chromatin war in ziemlich starken Körnern gleichmäßig vertheilt. Die Kerne « und £ liegen auf dem Schnitt Fig. 1 höher als die Kerne der Zellen Z und II. | Die rechte seitliche Wand der trichterförmigen Verlängerung Ja (Fig. 4) ist weggeschnitten und man sieht in den vollständig freien Raum dieses Gebildes hinein. Von der oberen Wand des Conus ragen lange, auswärts gerichtete Wimpern nach unten in die Höh- lung hinein; sie sitzen auf einer kleinen aber deutlichen wulst- förmigen Erhöhung der Wand (Fig. 2 und 4 w).. An anderen Stellen dieses Trichters habe ich weder im konservirten noch im lebenden Zustand des Embryo Wimpern nachweisen können. Der Trichterfortsatz /a geht schließlich in einen sehr feinen Kanal (Fig. t und 2) über, der in eine kleine kugelige Blase (d2 Fig. 1 und 2) mündet. Links und rechts dicht neben der Einmün- dungsstelle des Kanals liegt je ein winzig kleines aber markirtes Klümpchen einer sehr gut tingirbaren Substanz (r, Fig. 1 und 2). 46 Hch. Stauffacher, Der ebenfalls sehr feine Kanal ex (Fig. 1 und 2), der aus diesem bereits in der Kopfblase liegenden Hohlraum wegführt, zeigt bei seinem Ursprung dieselben Klümpchen (r’, Fig. 1 und 2).. Er wendet sich im Bogen nach oben und vorn und mündet in einer kleinen Öffnung des Ektoderms nach außen (Fig. 1 und 2 p). Es kommen jedoch in meinen Präparaten Fälle vor, wo dieser Porus näher an den Zellen des Cerebralganglions liest. Die Klümpehen r und r’ liegen in der Wandung der Kanäle und nicht auf derselben, was allerdings erst bei sehr starken Vergrößerungen deutlich hervortritt (Fig. 10). Da auf dem Schnitt Fig. 1 sowohl bei r als r’ jederseits ein solches Körperchen auftritt, so liest die Vermuthung nahe, es möchte sich hier um Ringe, und zwar um kontraktile Ringe handeln; jedenfalls haben wir es, wie später noch aus einander gesetzt werden soll, nicht mit zufälligen, sondern mit konstanten Gebilden zu thun. Wie bereits bemerkt, trägt auch Zelle // einen kegelförmigen, nach hinten und unten sich erstreckenden Fortsatz (Z/a, Fig. 1), der in Form und Größe vollständig demjenigen der Zelle 7 entspricht. In dem ganz farblosen Hohlraum dieses Trichters verläuft nun aber eine prachtvoll tingirte, korkzieherartig gewundene Geißel, die im Kern der großen Zelle // selbst entspringt, und zwar in jener Partie, die sich durch stärkere Färbung von der übrigen Kernsubstanz deutlich abhebt (Fig. 1 und 4). Der Conus //a ist zwar von seiner Zelle 7 durch eine sehr feine Scheidewand getrennt, aber in der Mitte der- selben befindet sich ein Loch, dessen Rand nach unten zu einen hyalinen Aufsatz trägt (Fig. 1 und 4). Die Geißel verläuft in dieser kurzen Röhre ganz excentrisch (der oberen Wand derselben näher gerückt) und durchzieht den Fortsatz //a in seiner ganzen Länge. Ich betone: Die Geißel war so intensiv gefärbt, dass man sie leicht schon bei 150facher Vergrößerung sah, während durch stärkere Linsen jede einzelne Windung verfolgt werden konnte. Auch der Trichterfortsatz //a verjüngt sich allmählich in einen äußerst feinen Kanal, der tief im primären Schizocoel Anschluss an die Zelle /7/ (Fig. 1) findet, welche wiederum ganz specifische Eigen- schaften besitzt. Sie liegt etwa in der Hohe der Mundöffnung und stimmt in den meisten Eigenschaften mit den gewöhnlichen, zahlreich im Inneren des Embryo zerstreuten Mesoderm- (resp. Mesenchym-) Zellen überein; nur in der Form weicht sie von diesen Elementen ab und erinnert in diesem Punkt auffallend an ein Glockenthierchen. Der in einen Stiel sich verjüngende obere Theil der Zelle 777 schließt sich an den oben erwähnten Kanal, der von dem Trichter //a Die Urniere bei Cyelas cornea (Lam... 47 herunterreicht, während das stark verbreiterte gegenüberliegende Ende — einstweilen noch von der Membran überzogen — sich der geräu- migen Höhle des Embryo zukehrt (Fig. 1 und 5). Der Kern ist kugelrund, nähert sich dem Stielende und besitzt zwei deutliche Kernkörperchen. Diese merkwürdige Zelle lehnt sich an einen Zellenhöcker an, der seinerseits wieder fest der linken Körperwand aufsitzt und offenbar dazu dient, die Zelle /// in die Leibeshöhle vorzuschieben und zugleich zu stützen. Der Höcker ist im Ganzen auf drei Schnitten sichtbar. Auf dem ersten, also dem der Leibeswand zunächst liegenden (Fig. 6), schließen die Zellen noch relativ fest zusammen; nachher aber tre- ten sie immer weiter aus einander, so dass ein Hohlraum zwischen ihnen entsteht (Fig. 1 A). Die Inhalte erscheinen noch blasser und die inneren Zellgrenzen mehr oder weniger verwischt. Einige diese Bildung an ihrer Außenseite begrenzenden Zellen sind sichelförmig gestreckt (Fig. 1). Beachtenswerth erscheint mir hier noch die mit z bezeichnete Zelle in Fig. 6. Sie ist nicht etwa identisch mit Zelle Z/7 im Fig. 1, sondern liegt links hinter derselben, scheint aber einer ähnlichen Metamorphose zu unterliegen wie jene. Besonders interessant ist die sroße Vacuole (v, Fig. 6), die den Kern an die gegenüberliegende Wand presst. Diesem Druck verdankt derselbe offenbar seine bohnenförmige Gestalt, wie sie uns bereits beim Kern der Zelle 7! (Fig. 1) begegnete. Auch in der Zelle ZIZZ (Fig. 1 und 5) bilden sich bereits Vacuolen, und zwar scheint dies hier an verschiedenen Stellen zugleich, besonders aber vom Stiel aus vor sich zu gehen, der indess einstweilen mit dem Kanal //a noch nicht kommunieirt. Überblicken wir das ganze bisher beschriebene und in Fig. 1 abgebildete Organ, so muss sich uns wohl die Überzeugung auf- ' drängen, dass wir es allerdings mit einem noch unfertigen?, aber sicher nicht mit einem rudimentären Gebilde zu thun haben. Würde die Zelle ZI/ in ihrer einmal eingeschlagenen Tendenz Vacuolen zu bilden fortfahren, bis schließlich ein zusammenhängender innerer Hohlraum zu Stande käme, der nach oben mit dem Kanal I/a, nach unten mit dem primären Schizoecoel Kommunikation schaffen 1 Auch das Plasma in der Ecke der Zelle Z (Fig. 1 und !) zeigt in seiner, dem Hohlraum der Zelle zugekehrten Partie diesen Druck deutlich an. | ? Die Urniere endigt auf diesem Stadium in der That nach innen blind. Das ist auch der Grund, wesshalb in den mittleren und äußeren Partien der- selben keine Sekretkörner zu finden sind. 48 Hch. Stauffacher, könnte, so bedürfte die Zelle 777 nur noch eines geeigneten Strudel- apparates, und sie wäre befähigt, allfällig in der Leibeshöhle sich ansammelnde Flüssigkeit unter Mithilfe des bereits funktionsfähigen Abschnittes nach außen zu befördern. Es war daher wünschens- werth, diese Zelle /ZZ irgendwo in einem vorgerückteren Stadium anzutreffen und dies gelang mir in der That nach langem Suchen in einer Serie, welcher der in Fig. 3 dargestellte Schnitt angehört. Er würde ungefähr einem in der Richtung a—b senkrecht zur Tafel- ebene geführten Querschnitt durch Fig. 1 und 7 entsprechen!. Zur Färbung des Präparates war Hämalaun verwendet worden. Wir finden hier eine Zelle (mit /Z/ bezeichnet), welche uns das in Fig. 1 angetroffene Organ vervollständigt. Sie liegt wieder auf der linken Seite des Embryo, und zwar (wie Zelle //Z in Fig. 1) in der Höhe des oberen Mundrandes. Während dieser noch angeschnitten wurde, zeigt nur ein Streifen loser Zellen den Verlauf des Vorderdarmes an. Wir sehen hier eine deutliche wimpernde Zelle, deren Strudel- apparat indess nicht aus Haaren besteht, sondern dadurch zu Stande kam, dass die sichtlich stark verbreiterte untere Randzone der Zelle zerschlitzte, etwa so, wie die ursprünglich ungetrennte Blattspreite einer Fächerpalme zerreißt. Während die übrigen Theile der Zelle (mit Ausnahme des Kernes) vollständig hyalin sind, erkennt man m jenen wimpernden Partien viele, regelmäßig in Reihen geordnete, sehr feine und intensiv gefärbte Körnchen, die ohne Ausnahme ihren Zug nach dem Kern hin nehmen. In dem mittleren, der in Zelle III Fig. 3 dargestellten Wimperplättchen erkennt man leicht den Zusammenhang zwischen dem Kern und der Körnchenreihe; in den anderen vier Fällen ist er wohl nur durch den Schnitt unterbrochen worden. Zu erwähnen ist auch der Umstand, dass die Körnchen nicht in der Mitte der Wimperplättchen, sondern peripher verlaufen. Der Kern ist sehr deutlich mit feinkörnigem, fast ganz peripher an- selagertem Chromatin versehen. Der Stiel dieser Zelle 777 ist quer abgeschnitten, hyalin, jedenfalls hohl und setzt sich nach oben links in einen Apparat fort, wie wir ihh bereits in Fig. 1 kennen gelernt haben. Eine Scheidewand zwischen Stiel und Kanal der oberen Zelle ist nicht mehr zu konstatiren. Die strudelnde Zelle /Z/ der Fig. 3 ist wie die entsprechende Zelle der Fig. 1 durch einen Aufhängeapparat fixirt. Dieser be- steht aus mehreren fast ganz hyalinen Zellen (e, Fig. 3), die einer- ! Die Zelle ZII in Fig. 1 liegt etwas anders als diejenige in Fig. 3. Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 49 seits gesen die linke Körperwand, andererseits gegen die Zelle ZZ Protoplasmafortsätze schicken. Eben so scheinen sich Ausläufer von Zellen des Mundrandes an der Fixirung der Zelle //7 zu betheiligen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die in Fig. 1 auf dem Wege der Metamorphose angetroffene Zelle /// hier in Fig. 3 die ihrer Bestimmung entsprechende Form erlangt hat. Durch Vereinigung der verschiedenen, in der Zelle entstandenen Vacuolen ist ein zu- sammenhängender innerer Hohlraum gebildet worden, der sich am Stielende der Zelle /77/ in den Kanal des kegelförmigen Fortsatzes /Ia, am breiteren Ende dagegen in das primäre Schizocoel ötinet; der Rand dieser Partie wird in einen Strudelapparat umgewandelt. Es gelang mir nicht, den äußerst feinen Stiel der Zelle = (Fig. 6), welcher dieselbe Richtung einschlägt wie das dünne Ende der Nach- barzelle 777 in Fig. 1, bis zu irgend einem Anschluss zu verfolgen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass auch dieser Fortsatz, wenn nicht schon jetzt, so doch vielleicht später mit dem Raum //a in Beziehung resp. Kommunikation tritt. Sollte sich diese Vermuthung bestätigen, so würden — möglicherweise nicht konstant, aber doch gelegentlich — am inneren Ende der Urniere mehrere wimpernde Zellen anzutreffen sein, was bei Annelidenlarven (z. B. Polygordius) Ja in der That vorkommt, von mir aber an Cyelas bis jetzt in keinem einzigen Fall konstatirt werden konnte. Abbildung 7 zeigt den bereits in Fig. 1 funktionsfähigen äußeren Theil der Urniere mit dem in Fig. 3 fertig gestellten Endapparat kombinirt. Der Kanal ez und der Hohlraum 57 liegen in der Kopf- blase, während der ganze übrige Abschnitt frer in der Leibeshöhle des Beabryo hängt und nur an zwei Punkten fixirt wird: bei Zelle III und zwischen den Zellen I und IT. Dieser Umstand verhilft übrigens noch zur Erklärung einer Er- scheinung, die mir im Verlaufe der Untersuchung auffiel. Trotzdem nämlich die Embryonen einer großen Zahl von Serien auf die An- wesenheit der Urniere geprüft wurden, konnte ich nur in relativ wenigen Fällen dieses Organ mit Sicherheit konstatiren. Die Schnitt- richtung durch die in den Kiemen eingeschlossenen Entwicklungs- stadien war natürlich eine rein zufällige. Nicht nur wurde dadurch sehr oft die Urniere an verschiedenen Stellen unterbrochen, so dass, besonders im Bereich der feinen Kanäle von /a und //Ia der An- schluss dieser Elemente unmöglich weiter zu verfolgen war, sondern es wurden gelegentlich gewisse Stücke des Organs bei der Präpa- ration geradezu entfernt. Ein Schnitt z. B., der zwischen dem oberen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. Es 90 | Heh. Stauffacher, und unteren Aufhängepunkt durchgeht, kann unter Umständen die sanze darin enthaltene Partie der Urniere verlieren; eben so ist es ieicht möglich, dass in anderen Fällen die wimpernde Zone der Zelle Z/I entfernt und dadurch der Urniere ein sehr charakteristi- scher Theil amputirt wird. Es ist, nach meiner Erfahrung, auch zum mindesten sehr unwahrscheinlich, auf Querschnitten mit Sicher- heit. den ausführenden Kanal ex zu verfolgen: Wo die vollständig hyalinen Partien — gleichgültig ob nach innen oder außen — be- ginnen, da verliert der Suchende auf den Querschnitten sofort jeden Anhaltspunkt, es mögen, wie dies in meinen Präparaten nicht selten der Fall war, die anderen Bruchstücke noch so unverkennbar her- vortreten. An lebenden Embryonen ist die Untersuchung nicht minder schwierig. Sicher habe ich hier nur die Wimperbewegung im Raume ITa beobachtet, ohne andere Theile der Urniere deutlich sehen zu können. | il. Entwicklung. Die Bildung der Urniere bei Cyclas cornea beruht ganz beson- ders auf einer Eigenschaft, welche sowohl den Mesenchymzellen als den Elementen der Kopfblase in hohem Grade zukommt, nämlich zu vacuolisiren. Daneben ist allerdings der amöboide Charakter der ersteren nicht außer Acht zu lassen, die Fähigkeit also, nach ver- schiedenen Richtungen sich zu strecken oder gar Ausläufer zu sen- den, die oft von bedeutender Länge sein können. An dem Aufbau der Cyelas-Urniere nehmen sowohl mesodermale als ektodermale Zellen Antheil. Der ganze in der Larvenhöhle suspendirte Abschnitt, welcher an der unteren Grenze des linken Mesodermstreifens liegt, entsteht aus Mesoderm- (Mesenchym-) Zellen, während der in der Kopfblase liegende ektodermalen Ursprungs ist. Der innere Theil der Urniere geht wesentlich aus zwei Zellen her- vor. Die hintere und untere dieser beiden Zellen wandelt sich, wie wir bereits gesehen, allmählich in einen strudelnden Trichter um, indem der erweiterte, der Leibeshöhle des Embryo zugekehrte Rand zerschlitzt, während im Inneren der Zelle Vacuolen entstehen, die nach und nach zusammenfließen und das Plasma sammt dem Kern an die Zellwand zurückdrängen. Jedenfalls bleiben aber noch Ver- bindungsstränge zwischen den Wimperplättchen und dem Kern be- stehen, worauf der Zug von Chromatinkörnchen der Zelle 2/7 in Fig. 3 hinweist. Die Bewegungen des Strudelapparates werden - Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 51 offenbar vom Kern aus besorgt. Die ovale, in anderen Fällen bohnen- förmige Gestalt des letzteren rührt von dem Druck her, den die sich auscdehnenden Vacuolen auf denselben ausübten. Benachbarte Mesen- chymzellen stützen und fixiren die strudelnde Zelle. — Es unterliegt meiner Ansicht nach keinem Zweifel, dass der innere Endabschnitt der Urniere ursprünglich aus lauter äquivalenten Zellen bestand, von denen eine die Funktion eines Strudelapparates übernahm. Da hierzu kein Element der Zellgruppe besonders prädestinirt sein dürfte, so werden wir auch aus diesem Grunde der bereits ange- deuteten Eventualität, es möchten gelegentlich mehrere wimpernde Zellen anzutreffen sein, Rechnung tragen müssen. Die zweite große, weiter oben und vorn gelegene Zelle theilt sich in zwei gleich große Zellen und liefert das sog. Hauptstück der Urniere. Eine Scheidewand zwischen den Tochterindividuen kommt zwar zur Ausbildung, aber sie ist sehr zart und zeigt, dem unteren Rand genähert, ein deutliches Loch. Wenn schon Größe, Form und gegenseitige Lage die Annahme der Entstehung dieser Doppelzelle durch Theilung einer Mutterzelle viel plausibler erscheinen ließen, als die ebenfalls denkbare Bildung derselben aus zwei ursprünglich getrennten Elementen, so wird durch Fig. 9 diese Annahme zur vollen Gewissheit erhoben. Genau an der Stelle, und zwar auf der linken Seite des Embryo, wo in Fig. 1 die Doppelzelle 7 und /I liest, findet sich in Fig. 9 eine mächtige Mesodermzelle (Mz) in ‚ Theilung. Benachbarte Mesenchymzellen übernehmen die Funktion eines Aufhängeapparates, ganz so, wie wir es bei Zelle //Z ange- troffen haben. Im Prineip unterliegen nun die Zellen /Z und // ganz denselben Veränderungen wie Zelle //I: Die Zellen strecken sich in die Länge, und zwar in zwei einander diametral gegenüberliegenden Rich- tungen, und bilden dadurch jene trichterförmigen Fortsätze, die mit Ta und //a bezeichnet sind. Sowohl in den letzteren wie in den Zellen selbst treten Vacuolen auf, die sich wahrscheinlich schon vor- her angelegt und mit den Zellen in die Länge gestreckt haben. In Zelle 7 und ihrem Fortsatz 7a fließen die Vacuolen zu einem ge- meinsamen Hohlraum zusammen, so dass diese Gebilde, mit Aus- nahme jener Ecke, in welche Plasma und Kern zurückgedrängt werden, vollständig leer sind. Etwas anders verläuft wohl die Metamorphose in Zelle ZZ: Der Kern, der eine aktivere Rolle spielt, wie derjenige der Zelle Z, bleibt im Centrum der Zelle ZZ suspendirt und erfüllt dieselbe fast ganz. Das den Fortsatz Z/a ursprünglich alas 52 Hceh. Stauffacher, durchziehende Plasma sammelt sich in einem eentralen Strang und ich nehme an, dass die Geißel aus demselben hervorgeht. Betrachtet man ferner die Ecken des Trichterfortsatzes //a in Fig. 1 etwas genauer, so kommt man wohl zur Überzeugung, dass sich hier die Vacuolen von dem kanalartigen Ende des Stieles aus zu bilden begannen, wie es ganz deutlich bei der Zelle 777 hervor- trat, und wie es sicher auch im Abschnitt /a der Fall gewesen. Während sich aber die Vacuolen der Zelle 7 mit denjenigen des Trichters /a vereinigen und dadurch einen zusammenhängenden Hohlraum bilden, verschmelzen diese Bildungen der Zelle ZZ und ihres Fortsatzes //a nicht mit einander; ihre Wandungen begegnen sich, platten sich ab, und dadurch entsteht die sog. Scheidewand zwischen Zelle // und Trichter 77a. Hierbei zieht sich aber weder die periphere noch die den centralen Plasmastrang bekleidende Vacuolenwand des Fortsatzes //a vollständig auf die Zelle 77 zu- rück: Jene erkennt man noch zum Theil in den Eeken, diese da- sesren in dem kurzen Aufsatz, durch den die Geißel in den Raum I/Ia hineinragt. Die Bildung der kleinen Blase 5/ (Fig. 1) wurde ebenfalls in einer Serie angetroffen und ist in Fig. S dargestellt. Die Zelle der Kopfblase hat eine Vacuole (vo) gebildet und von dem übrigen Zellleib abgegrenzt, an welche sich der von. der Zelle 7 herauf- reichende Kanal anlehnt. Woher die kontraktilen Ringe r und 7’ (Fig. 1) stammen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dafür aber kann ich bestimmter angeben, wie der Kanal ex zu Stande kommt. Die zwei Kontouren, welche diesen Theil der Urniere begrenzen (Fig. 1 und 2), sind zwar sehr deutlich zu sehen; dennoch aber ist die innere der beiden Linien. ziemlich kräftiger als die äußere: Ich halte jene für eine wirkliche Zellgrenze, diese für eine bloße Vacuolenwand. Wäre der Kanal intercellulär, z. B. durch Einstül- pung von außen nach innen entstanden, so hätte er allerdings den- selben Weg verfolgen können, dann aber würde offenbar die andere Linie ebenfalls eine Zellmembran vorstellen müssen. Diese An- nahme scheint mir aber unter den angedeuteten Umständen unmög- lich zu sein, da hierdurch die verschiedene Dicke der Begrenzungs- linien schwer zu erklären sein dürfte. Nach meiner Auffassung ist also der Kanal ex ein intracellulärer Gang, welcher unter Zuhilfe- nahme einer an die Vacuole 52 anstoßenden Kopfblasenzelle ent- steht. Gänzlich ausgeschlossen ist dadurch die Entstehung dieses Abschnittes der Urniere durch Einstülpung allerdings noch nicht. Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 53 Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Urniere bei Uyclas cornea _ paarig angelegt wird, und dieses Verhalten ist, wenigstens in der Abtheilung der Lamellibranchiaten, jedenfalls ein primäres; aber ich zweifle sehr daran, dass diese beiden Urnieren wirklich in Funktion treten, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil, meiner Ansicht nach, eine solche vollständig genügt. Das beschriebene, kräftig funktionirende Organ reicht gewiss vollauf hin, den Körper der noch kleinen Larve vollständig zu reinigen. Ill. Funktion. Die Funktionen des inneren und mittleren Abschnittes der Ur- niere sind aus den im beschreibenden Theil gemachten Angaben leicht ersichtlich. Man sollte nun allerdings meinen, die Bewegungen der Wimperzelle //Z, der Geißel und der starken Haare des Trich- ters /a würden zusammen genügen, um die Sekrete endgültig aus dem Körper zu entfernen, aber es erscheint mir durchaus unstatt- haft, den als kontraktile Ringe gedeuteten Bildungen bei r und »’ jede Bedeutung abzusprechen, obgleich dadurch die Einrichtung wesentlich komplicirter erscheint. Über die Funktion dieser Gebilde mache ich mir einstweilen folgende Vorstellung: Die Blase d/ (Fig. 1) ist ein Reservoir, das von unten her mit Sekreten gefüllt wird. Möglicherweise ist sie selbst kontraktil. Im einen wie im anderen Fall soll der Ring bei r offen- bar verhüten, dass die in den tieferen Abschnitten des Organs ge- machten Anstrengungen, Flüssigkeit aus dem Körper herauszuheben, dadurch eliminirt werden, dass letztere wieder zurückfließt. Die- selbe Bedeutung kommt jedenfalls auch dem Ring r’ zu, der das aus der Blase 52 nach außen entfernte Sekret am Zurückfließen hindert. — Die Existenz eines kontraktilen Ringes bei r’ scheint meiner Ansicht nach entschieden eine Kontraktilität der Blase d/ vorauszusetzen, die zu gleicher Zeit mit der Schließung des Ringes bei » abwechselnd mit derjenigen des Ringes bei r’ funktionire müsste. IV. Litteratur. Wir haben es, wie Eingangs erwähnt, lediglich mit zwei Angaben zu thun, die über die Urniere bei Lamellibranchiaten berichten. HAT- SCHEK schreibt über dieses Organ bei Teredo zuerst (1!, p. 13 u. 14). 1 s. Litteraturverzeichnis. 94 Heh. Stauffacher, Mehr Vergleichungspunkte bietet uns die Abhandlung von ZıEG- LER über Cyelas cornea Lam., wo er p. 544 und 545 schreibt: »An der hinteren und unteren Grenze der Kopfblase, wenig höher als das Ganglion, liegt die Urniere. Sehr nahe am Ektoderm verläuft von vorn oben nach hinten unten ein äußerst feiner flimmernder Kanal (Textfig.! 1 und 2 9); die einzelnen Cilien kann man der Klein- heit und der raschen Bewegung wegen nicht sehen; ich glaubte Anfangs, es sitze am oberen Ende eine lange Wimperflamme an, wie solche bei Plathelmin- Ä ten und Rotatorien vorkommen und ich sie oft bei Uercarien gesehen habe; erst später, als ich den Kanal einmal ausnahmsweise etwas erweitert sah, kam ich zu der Ansicht, dass das feine Rohr eine gleichmäßige Flimmerung besitzt. Dieser Kanal geht in eine auffallend große, mit Srobem. .... Kern (Textfig. 1 z und Textfig. 2) versehene Zelle hin- ein; ein kleiner Theil des Protoplasmas dieser Zelle liegt vor dem Kern, der größere hinter demselben in der Richtung nach hinten und unten. Die hinter dem Kern liegende Protoplasmamasse ist im Trocho- phorastadium kleiner als später. Das Protoplasma der Zelle ist mit feinen und gröberen Körnchen erfüllt. Mit sehr starken Verößerungen bemerkt man, dass vom Hinterende der großen Zelle aus ein äußerst feiner kurzer Kanal seitwärts durch das Ektoderm nach außen führt; man kann die Öffnung dieses Kanals am lebenden Thier zwischen den Ektodermzellen sehen (Fig. 333 — Textfig. 4) und kann den Kanal auf den Schnitten erkennen. Den oben genannten flimmern- 1 Zur leichteren Kontrolle erlaubte ich mir, die die Urniere betreffenden Figuren aus ZIEGLER’s Abhandlung im Text beizufügen. Textfig. 1 = Fig. 37, Textfig. 2 = Fig. 38A, Textfig. 3 = Fig. 35, Textfig. 4 = Fig. 38B in ZIEG- LER’s Abhandlung. Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam... 55 den Kanal kann man bis in den hinteren Theil der großen Zelle hinein verfolgen, und zwar gelang mir dies mit sehr starken Ver- srößerungen am frischen Thier und auf den Schnitten; es ist also sehr wahrscheinlich, dass die große Zelle von dem Kanal ganz durchsetzt wird, dass sie demnach eine sog. durch- bohrte Zelle ist. In Betreff des oberen Endes des flimmernden Kanales sieht man am lebenden Thier, dass das- selbe ein wenig trichterförmig erweitert ist; ob dieser fliimmernde Trichter sich in die Leibeshöhle öffnet oder nicht, habe ich am lebenden Thier nicht entscheiden können, weil viele Mesenchymzellen das obere Ende umgaben. Was ich mit ausgezeichneten optischen Mit- teln an einer günstigen Schnittserie über das obere Ende beobachten konnte, ei ın Fie. 35 (= Textfig. 3) darge- Ball ...... Zu den Seiten des oberen Endes des fimmernden Kanals liegt meistens je ein Klümpchen einer eigenthüm- lichen lichtbrechenden tingirbaren Sub- stanz (Fig. 37 »& = Textfig. 1); da die- ses mn Fig. 35 (— Textfig. 3), wie ich ‚glaube, bei » sich befindet, so scheint der flimmernde Kanal oben in einen schmalen kanalartigen Raum überzugehen, in welchem ich eine Flimmerung nicht bemerkt habe. Dass dieser Raum bei * oder sonst irgendwo mit dem primären Schizocoel in Verbindung stehe, also ein Theil desselben sei, kann ' ich nicht mit Bestimmtheit in Abrede stellen, aber ich zweifle daran; ich habe auch keine theoretischen Gründe es anzunehmen. Da der Urniere zahlreiche Mesenchymzellen anliegen, kann ich nicht mit Sicherheit angeben, welche der umliegenden Kerne der- selben zugehören, also aus wie viel durchbohrten Zellen sie besteht; es ist mir wahrscheinlich, dass der ganze flimmernde Kanal von der sroßen Zelle allein umschlossen wird, und dass dem oberen kanal- artigen Raum nur der am Ende gelesene Kern zugehört...... < Es geht zwar aus der Beschreibung ZiEsLeEr’s nicht mit Gewiss- heit hervor, ob er wirklich nur eine Urniere gesehen hat, oder ob er bloß von einem Organ spricht mit Rücksicht darauf, dass der bilateral-symmetrische Bau der Lamellibranchier a priori ein Paar 8 Fig. 4. 3 Leber 56 ; Heh. Stauffacher, solcher voraussehen lässt. Immerhin glaube ich, dass jene erstere Ansicht zu Grunde liegt, was mit dem durch meine Untersuchung erhaltenen Resultat prineipiell übereinstimmen würde. Auch in ver- schiedenen Details erkennt man unschwer Übereinstimmung in den beiden Arbeiten. Diskutiren wir zuerst die »große Zelle«. ZIEGLER spricht nur von einem derartigen Gebilde mit einem Kern, und im Einverständ- nis hiermit findet sich v. ERLANGER, der jene Zelle Riesenzelle nennt. Ganz abgesehen davon, dass der in Fig. 9 abgebildete Schnitt diese Angaben endgültig widerlegt, sprechen gewichtige theoretische Gründe, die wir, in Ermangelung jenes Präparates, schon aus der Fig. 1 hätten abstrahiren können, durchaus gegen die Behauptung der beiden Forscher. Es wäre in diesem Fall, um möglicherweise Übereinstimmung zu schaffen, die Frage zu prüfen, ob nicht viel- leicht eine der Zellen / oder ZZ in Fig. 1 ihres selbständigen zel- ligen Charakters entkleidet und als bloßer Anhangstheil der anderen aufgefasst werden könnte. Bei einem derartigen Versuch kann zum Vornherein nur Zelle / in Betracht fallen, deren Kern dann irgend einer Aufhängezelle zugeschrieben werden müsste. Diese Möglich- keit ist aber völlig ausgeschlossen, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Die in Fig. 1 auffallende Symmetrie des »Hauptstückes« würde dadurch zerstört. 2) Die Nothwendigkeit des trichterförmigen Ansatzes /a wäre kaum einzusehen. 3) Die charakteristische Form des Kernes / in Fig. 1 könnte nicht erklärt werden. 4) Der mit / bezeichnete Raum ist vollständig entzwei geschnit- ten, und der in Frage stehende Kern / liegt im Inneren und nicht auf der Wandung desselben. Er liest in unserer Fig. 1 genau auf der Höhe des Kernes //: Beide verschwinden bei höherer Einstel- lung zugleich, bei tieferer tauchen beide zugleich in derselben Schärfe auf. Würde der Kern / einer Aufhängezelle oder einer anderen neben der Urniere liegenden. Zelle angehören, so könnte nur ein zum Verlauf des Organs schief stehender Schnitt die beiden Kerne // und / in demselben Maße zugleich treffen und die Fort- setzung der Urmiere nach oben und unten müsste dadurch ohne Zweifel einen Unterbruch erleiden, was leider bei ZIEGLER’S Sehnitt- präparaten gerade der Fall war. \ 5) Die Abbildungen ZIEGLER’s werden, wie wir gleich sehen, Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 57 eigentlich erst dadurch verständlich, dass wir die an mehreren Orten Sezeichneten sroßen Zellen (x) nicht als identisch auffassen, wie er es thut, sondern auf zwei differente Zellen zurückführen, die wohl ohne Weiteres den Zellen / und Z/I/ in Fig. 1 gleichgesetzt werden dürfen. Sehen wir uns nunmehr ZIEGLER'sS Fig. 37 (— Textfig. 1) etwas näher an. Der »äußerst feine, fiimmernde Kanal » verläuft sehr nahe am Ektoderm von vorn oben nach hinten unten« und ent- spricht daher dem Kanal /«a unserer Fig. 1. Die Richtigkeit dieser Annahme wird noch ganz besonders erwiesen durch die »zwei Klümpchen einer eigenthümlichen, lichtbrechenden, tingirbaren Sub- stanz &«, die in Fig. 37 in der Nähe des oberen Endes des Kanals p verzeichnet sind. Sie hängen an einer (von ZIEGLER nicht be- zeichneten) Zelle, in der selbst ein Kern vorhanden sein soll. Es widerspricht wohl nichts der Annahme, dass diese Klümp- chen identisch seien mit den Körperchen r in Fig. 3. ZIEGLER hat also bereits die »kontraktilen Ringe« gesehen, ohne dass er sie, der in nächster Nähe erfolgten Unterbrechung des Kanals p wegen, mit diesem in sicheren Zusammenhang hätte bringen können. Die Zelle, an welcher die eigenthümlichen Körperchen bei w hängen, ist ohne Zweifel identisch mit der kleinen Blase 52 in Fig. 1, die nach meinen Beobachtungen allerdings bloß der vacuolisirte Theil einer Zelle ist. Auch die Anschauung ZıEsLer’s über die Verthei- lung der Wimpern im Kanal kann ich nicht bestätigen. Da der Kern x in Fig. 37 unmittelbar an der unteren Grenze des Kanals p liest, so muss er identisch sein mit dem Kern / unserer Figuren. Eben so könnten die‘(von ZIEGLER nicht bezeich- neten) in unmittelbarer Nähe des Kermes x gelegenen, auffallend gestreckten Zellen wohl in Zusammenhang gebracht werden mit den Aufhängezellen «& und £ der Fig. 1. ZIEGLER glaubt nun, der Kern x seiner Fig. 33 A sei identisch mit dem Kern x der besprochenen Abbildung. Das kann aber nur dann der Fall sein, wenn der Kanal p (Fig. 33 4) identisch ist mit dem Kanal „ der Fig. 37, was ZIEGLER offenbar annimmt, und worauf die gleichnamige Bezeichnung der beiden Kanäle 9 sowohl als der ihnen gegenüberliegenden Öffnungen ı) hinweist. Diese Deutung ZriesLer’s kann wohl kaum richtig sein; denn auf den ersten Blick erweisen sich jene zwei Kanäle als total verschie- ‚den. Während y in Fig. 33 A ein die Zelle durchbohrender Kanal ist, scheint p in Fig. 37 nichts weniger als ein intercellulärer Gang zu 58 Hch. Stauffacher, sein. Aus der bildlichen Darstellung dieses Kanals geht vielmehr hervor, dass er eine Verlängerung der großen Zelle ist, was bei dem analogen Theil (7«) der Urniere in Fig. 1 ja in der That der Fall war. Es mangelt dem Kanal @ der Fig. 35 4 ferner nicht nur jegliche Flimmerung, sondern er entbehrt ganz besonders auch der beiden charakteristischen Klümpcehen. Die gestrichelte, trichter- förmige Erweiterung (Fig. 38 A) darf als rein hypothetisches Ge- bilde überhaupt nicht in Betracht gezogen werden. Es würde übri- gens schwer fallen, dieselbe mit irgend einem in Fig. 37 dargestell- ten Theil in Einklang zu bringen. Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass in (Fig. 384) - überhaupt ein neuer Kanal vorliegt, und dass er dem in unserer Fig. 1 gezeichneten Kanal //a entspricht; denn von dem Hinter- ende (der großen Zelle geht kein Kanal durch das Ektoderm nach außen, wie ZIEGLER meint. Er bemerkt zwar, dass man diesen Kanal auf den Schnitten erkennen könne, und dass ferner die äußere Öffnung desselben am lebenden Thier zwischen den Ekto- dermzellen zu sehen sei, aber eine Abbildung dieses Kanals findet sich in ZIEGLER’s Abhandlung nirgends, und die Möglichkeit, eine so feine Öffnung am lebenden Thier sicher zu sehen, scheint mir recht zweifelhaft zu sein. Da ZIEGLER diesen Porus mit Yu bezeich- net (Fig. 335), so betrachtet er ihn offenbar als identisch mit den Öffnungen ıv in den Fig. 37 und 38 A, und dadurch wird auch der endgültige Beweis erbracht, dass ZIEGLER seine Fig. 37 und 334 vollständig identifieirt hat. Entspricht nun aber der Kanal 9 in Fig. 38 A dem Kanal I//a unserer Fig. 1, so kann der Kern x der Fig. 38 A nicht identisch sein mit dem Kern x in Fig. 37. Wir haben dann vielmehr zwei verschiedene Kerne vor uns, von denen Kern x in Fig. 37 den Kern T, Kern x der Fig. 38 A dagegen dem Kern // unserer Fig. 1 ent- spricht. Der Kern x der Fig. 38 A gehört demnach der großen, hinter und unter dem Kern z der Fig. 37 gelegenen Protoplasma- masse an, und die Fig. 38A ist die Fortsetzung des in Fig. 37 dar- gestellten Theiles der Urniere nach hinten und unten. Die sich in einer gewissen Entfernung von der Zelle bemerkbar machende trichterförmige Erweiterung des Kanals p der Fig. 38 A kann uns in dieser Annahme nur bestärken. ZIEGLER wurde in seiner Untersuchung über die Urniere von Öyclas cornea, wie wir sehen, nur irre geführt durch die zum Ver- lauf des Organs mehr oder weniger schief stehenden Schnitte, aber Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 59 gerade dadurch liefert uns die Arbeit den gewünschten, vollgültigen Beweis für die wiederholt aufgestellte Behauptung, es sei kaum rathsam, die Urniere aus Bruchstücken zusammenzusetzen, diese letz- teren mögen noch so unzweifelhaft vorliegen. | Was ZIEGLER »mit ausgezeichneten optischen Mitteln an einer günstigen Schnittserie über das obere Ende (des wimpernden Kanals) beobachten konnte, ist in Fig. 35 (= Textfig. 3) dargestellt (Zeiss, homog. Imm. 1/18, Oc. IV, Aps£’scher Beleuchtungsapparat)«, und man erkennt chi wirklieh ohne Weiteres die große Übereinstim- mung dieser Abbildung mit dem entsprechenden in unseren Fig. 1 und 4 dargestellten Theil der Urmiere, nur mündet bei * (Fig. 35) der »schmale, kanalartige Raum« nicht ins primäre Schizocoel (was auch ZIEGLER für das Wahrscheinlichere hielt), sondern in die,‚kleine Blase 52 unserer Fig. I, 2 und 7. V. Resume. 1) Die Urniere von Oycelas cornea Lam. ist nicht rudimenfär, sondern ein kräftig funktionirendes Organ. 2) Bis jetzt konnte sie nur auf der einen (linken) Seite der Trochophora konstatirt werden. 3) Die Urniere öffnet sich in das primäre Schizocoel mittels einer wimpernden Zelle; in der »Kopfblase« mündet sie durch einen feinen Porus des Ektoderms nach außen. | 4) Die mittlere Partie, das sog. Hauptstück der Umiere, besteht aus zwei großen Zellen mit zwei trichterförmigen Fortsätzen, die beide in feine Kanäle übergehen. Derjenige der unteren (hinteren) Zelle kommunieirt mit dem Wimpertrichter, derjenige der oberen Zelle erreicht eine kleine Blase. Der von hier nach dem ausmün- denden Porus sich erstreckende Kanal steht Anfangs fast in einem rechten Winkel zum vorigen. 5) Die in der Leibeshöhle der Larve sich ansammelnden Se- krete werden gehoben: a. Durch einen Strudelapparat der untersten Zelle, b. durch eine korkzieherartig gewundene Geißel, die im Trichter- fortsatz der unteren großen Zelle verläuft, e. dureh einen Büschel starker Wimpern im Fortsatz der oberen sroßen Zelle, d. durch zwei kontraktile Ringe an der Einmündungsstelle der beiden Kanälchen in den kleinen Hohlraum der Kopfblase gelegen, 60 Heh. Stauffacher, 6) An der Bildung der Urniere betheiligen sich sowohl meso- dermale als auch ektodermale Zellen. Der ganze in der Larven- höhle suspendirte Absehnitt des Organs entsteht, wenn wir von den Aufhängezellen absehen, aus zwei Mesodermzellen. Von diesen liefert die eine den Strudelapparat, die andere das sog. Hauptstück der Urniere. — Die kleine Blase mit dem nach außen mündenden Kanal nimmt ihren Ursprung aus zwei Zellen des Ektoderms. 7) Das Hohlraumsystem der Cyelas-Urniere ist durchwegs ein intracelluläres. Frauenfeld (Schweiz), im April 1897. Litteraturverzeichnis, 1. B. HATSCHEK, Über Entwicklungsgeschichte von Teredo. in: Arb. Zool. Institut Wien. Bd. III. 1. Heft. 1880. 2. H.E. ZIEGLER, Die Entwicklung von Cyclas cornea Lam. in: Diese Zeitschr. Bd. XLI: 1885. 3. R. v. ERLANGER, Etudes sur le developpement des Gastöropodes pulmon&s. in: Arch. de Biologie. T. XIV. p. 127—138. 1895. Im Übrigen verweise ich auf das Litteraturverzeichnis der Arbeit v. ER- LANGER’S. Erklärung der Abbildungen. Durchgehende Bezeichnungen: bl, kleine Blase im ausmündenden Theil der Urniere; cg, Zellen des Cerebralganglions; I Ruß: K, Kopfblase; L, Leberausstülpung; m, Mund (resp. Zellen, die den Mundeingang begrenzen); p, Ausmündungsporus der Urniere; n, Urniere; v, Vacnole. Tafel III. Fig. 1. Längsschnitt parallel der Medianebene durch die linke Seite der Trochophora. Es ist zugleich ein Längsschnitt durch die Urniere. Das Präpa- rat war mit Boraxkarmin gefärbt. / und II, die zwei großen Zellen, welche das sog. Hauptstück der Urniere bilden. Za und ZIa, ihre trichterförmigen Be TREE RT Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). | Fortsätze. « und ?3, die Kerne der Aufhängezellen dieser Partie. ex, aus- mündender Kanal der Urniere. III, Zelle, die den Strudelapparat der Urniere bildet. Sie repräsentirt den innersten Abschnitt der Urniere. Ah, Zellenhöcker, welcher die Zelle /7Z an der (linken) Leibeswand befestigt. Vergr. 260/1. Fig. 2. Die in Fig. 1 dargestellten oberen äußeren) Partien der Urniere stark wergrößert. » und r’, kontraktile Ringe; w, Wulst an der oberen Wand des Trichterfortsatzes Z/a. In ihm entspringen starke Wimpern. Vergr. 500/1. Fig. 3. Querschnitt durch die Trochophora. Er entspricht einem un- sefähr in der Richtung a—D senkrecht zur Tafelebene durch die Fig. 1 geleg- ten Schnitt. Das Präparat war mit Hämalaun gefärbt. ZZ, wimpernde Zelle. Sie entspricht der Zelle 777 in Fig. 1. «, Aufhängeapparat der Zelle III. vd, einzelne Zellen, die den Vorderdarm begleiten (vgl. hierzu die Fig. 9). Vergr. 260/1. Fig. 4. Stark vergrößertes »Hauptstück« der Urniere. /, Loch in der Scheidewand zwischen den beiden großen Zellen (die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 1). Vergr. ca. 600/1. Fig. 5. Zelle 777 der Fig. 1 stark vergrößert. v, Vacuolen. Vergr. ca. 600/1. Fig. 6. Erster Schnitt durch den der linken Leibeswand aufsitzenden Zellenhöcker A (Fig. 1). z, eine Zelle dieses Höckers, welche dieselbe Meta- morphose anstrebt, wie die ihr benachbarte Zelle /1Z (Fig. 1). Vergr. 260/1. Fig. . Kombination von Fig. 1 und 3. Durch gestrichelte Linien wurden angedeutet: Vorderdarm, Leberausstülpung, Enddarm und Schalendrüse. Die Urniere (Un) liegt links neben diesen Organen. Vergr. 260/1. Fig. 8. Stück eines Längsschnittes durch die linke Seite der Trocho- phora. Das Stadium ist etwas jünger als die in Fig. 1 und 3 dargestellten. Das Präparat war mit Boraxkarmin gefärbt. Vergr. 260/1. Fig. 9. Längsschnitt durch die linke Seite der Trochophora. Der Schnitt steht etwas schief zur Medianebene. Am oberen und vorderen Ende des (auf diesem Schnitte nicht mehr getroffenen) Mesodermstreifens findet sich eine sroße Mesodermzelle (Mz) in Theilung. Sie liefert die beiden Zellen Z und 11 (Fig. 1) des »Hauptstückes« der Urniere. Färbung mit Boraxkarmin. Vergr. 260/1. Fig. 10. Das obere Ende des Kanals Za, die Blase 5! und der Ausführ- gang ex (Fig. 1) der Urniere sehr stark vergrößert, um die Lage der Klümp- chen r und r’ in der Wandung der beiden Kanälchen zu zeigen. Vergr. ca. 1000/1. Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibiengliedmafsen, besonders von Garpus und Tarsus. Von Wilhelm Zwick. (Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel IV und V. Darstellungen der Hand- und Fußwurzel der Amphibien wurden schon von älteren Forschern, wie UUVIER (14), Owen (30), Duges (15), MEcKEL (29) u. A. gegeben. Dieselben waren jedoch entweder rein beschreibender Natur, oder enthielten höchstens in so fern ver- sleichende Angaben, als sie die bei den Amphibien vorliegenden Verhältnisse den entsprechenden am menschlichen Skelett an die Seite stellten, die hier gebräuchlichen Benennungen auch auf jene übertragend. | Dass ein solches Verfahren, welches einerseits den verbinden- den Anschluss an einfache und ursprüngliche Formen vernachlässigte, andererseits die Kluft nicht achtete, welche Anfangs- und Endglieder der großen Wirbelthierreihe trennt, wenig im Interesse einer ver- gleichenden Forschung liegen konnte, dürfte nach unserer heutigen Anschauung wohl selbstverständlich sein. In richtiger Erkenntnis dieser Lücken unternahm es daher GEGENBAUR (19) in seinem im Jahre 1864 erschienenen klassischen Werke »über Carpus und Tarsus«, das Vorhandene in kritischer Weise benutzend und gestützt auf zahlreiche selbständige Unter- suchungen, das Hand- und Fußwurzelskelett der Wirbelthiere in methodisch-übersichtlicher Weise von einem einheitlichen Gesichts- punkte aus zu bearbeiten. Dabei fasste dieser Forscher — und zwar seschah das von ihm auf diesem Gebiete zum ersten Mal — neben ER ERBE WELLE np Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 63 vergleichend-anatomischen auch embryologische Verhältnisse ins Auge. Er stellte den Aufbau der Hand- und Fußwurzel der Salamander- larve als typisch und ursprünglich auf und benutzte das hieraus sewonnene Schema als Leitfaden bei der Beurtheilung der ent- sprechenden Extremitätenabschnitte der einzelnen Wirbelthierklassen. Danach besteht die Handwurzel oder der Oarpus aus einer proximalen oder — weil dem Unterarm direkt folgenden — auch antebrachialen, und einer distalen oder — weil den Metacarpus stützenden — auch metacarpalen Querreihe von Skelettstücken. Ersterer gehören drei Elemente an, von denen die beiden äußeren ihrer Lagebeziehung zum Radius bezw. Ulna wegen als Radiale bezw. Ulnare, und das zwischen beiden eingekeilte Stück als Inter- medium bezeichnet wurden. Die Metacarpalreihe setzt sich aus vier Stücken zusammen, die nach GEGENBAUR von der radialen zur ulna- ren Seite als Carpale 7/7— V gezählt werden. Diese genannten sieben Stücke bilden einen Kreis und umschließen ein inmitten desselben liegendes und desshalb Centrale benanntes Knorpelelement. Die hier gegebene Schilderung des Handwurzelbaues einer Salamanderlarve lässt sich sinngemäß anwenden auf die Zusammensetzung der Fuß- wurzel. Wir finden bei dieser in der proximalen Reihe ein Tibiale, Intermedium und Fibulare, in der distalen die Tarsalia 7—V, und umgeben von all diesen wiederum ein Centrale. Der Hinweis auf eine derartige ursprüngliche Übereinstimmung von Hand- und Fußwurzelbau war für das Gedeihen einer einheit- lichen und ersprießlichen Fortarbeit auf diesem Gebiete von größtem Nutzen; und wenn auch spätere Untersucher Abweichungen von GEGENBAUR’S Schema feststellen konnten, so waren diese doch nur untergeordneter Art, ohne aber dieses selbst in seinem Grundplan zu erschüttern. Eine Erweiterung des Schemas bezog sich auf das Centrale, das Hyrru (23) bald nach dem Erscheinen von GEGENBAUR’s (19) Werk an der Fußwurzel von Cryptobranchus und Menopoma in der Zwei- zahl nachweisen konnte. Fernere hierauf gerichtete Untersuchungen ergaben, dass eine Vermehrung des Centrale, sogar zum Theil über die Zweizahl hinaus, noch weiter in der Reihe der geschwänzten Batrachier verbreitet sei. Dies musste zu der Aufgabe führen, die ursprünglich typische Zahl der Centralia und ihre bestimmten Be- ziehungen zu der Handwaurzel festzustellen. Auf diesen hier nur berührten Erörterungspunkt, sowie auch auf andere sich aufdrängende, werde ich später näher eingehen. 64 Wilhelm Zwick. Zunächst möchte ich die Untersuchungsergebnisse aus dem mir ver- fügbaren Material mittheilen, wobei ich gleich im Voraus beifügen will, dass dieselben nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen, und desshalb auch die schwebenden Fragen nicht endgültig lösen können. Dieselben sind vielmehr als Beiträge zur Lösung einer Frage aufzu- fassen, welche nur durch reichliches Zusammentragen von Einzel- beobachtungen in ihrem ganzen Umfang abgeschlossen werden kann. Da einzelne Fragen die Untersuchung embryonaler Zustände wünschenswerth erscheinen ließen, so suchte ich denselben an der Hand eines reichen Larvenmaterials von Triton taeniatus und erista- er tus näher zu treten. EG Vergleichende Untersuchungen. Archegosaurus. Von den ausgestorbenen Formen, die als Vor- läufer unserer heutigen geschwänzten Amphibien gelten, sind uns zu wenige so gut erhaltene Hand- und Fußwurzeln als Versteine- rungen überkommen, um hieraus durch Vergleich mit den betreffen- den Skelettabschnitten der jetzt lebenden Formen nutzbringende Schlussfolgerungen ziehen zu können. Auf einen verhältnismäßig gut erhaltenen Fuß von Archegosaurus wurde ich durch Baur’s (4) Arbeit aufmerksam, in welcher die Beschreibungen und Abbildungen von QUENSTEDT und FRORIEP wiedergegeben sind. Da derselbe Eigenthum der Tübinger paläontologischen Sammlung ist, so wurde es mir durch die dankenswerthe Güte des Vorstandes derselben, Herrn Professor Dr. KoKEn, ermöglicht, eine eingehende Nachprü- fung vorzunehmen. | Der Fuß ist, wie bekannt, bei der Spaltung der Gesteinsplatte dadurch so günstig zur Ansicht gebracht worden, dass die Spaltungs- ebene annähernd mit der Medianfiläche des eingeschlossenen Fußes zusammenfiele Der größere Theil desselben liest in der zurück- gebliebenen, das entsprechende ergänzende Negativ in der abge- hobenen Platte; zur Gewinnung eines richtigen Bildes ist die Zu- sammenstellung aus beiden nothwendig. Auffällig ist, dass dieser Fuß von Archegosaurus nur vier deutlich erkennbare Zehen aufweist. Man könnte versucht werden, ein tibialwärts von 2, gelegenes längliches Stück (7, Fig. 1) als Rück- bleibsel des Metatarsus einer fünften, bezw. der ersten Zehe anzu- sehen; andererseits liegt es nahe, dasselbe als Ergänzungsstück des zweiten Metatarsus zu betrachten, da beide bei z zusammenzuhängen scheinen. Eine bestimmte Entscheidung für diese oder jene Auffassung - Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 65 möchte ich nicht geben. Übrigens ist ja durch Meyer! schon fest- gestellt, dass der Hinterextremität von Archegosaurus fünf Zehen angehörten. Was die Zusammensetzung des Tarsus betrifft, so finde ich, dass hieran im Ganzen neun Stück theilnehmen. Ich stimme mit FRORIEP darin überein, dass die Anhängsel a und 5 (Fig. 1a) mit ihren größe- ren Nachbarstücken in Zusammenhang zu bringen sind; unzweifel- haft ist dies für 5. Auch die Stücke z und { (Fig. 1a) sind zusammen als ein einziges zu betrachten. Eine Trennung wurde dadurch vor- getäuscht, dass an der Stelle von z die Platte eine glatte, und nicht jene, den anderen Stücken zukommende, poröse Beschaffenheit dar- bietet; im unteren Bereich von x lässt sich jedoch deutlich wahr- nehmen, wie die poröse Masse auch auf # übergreift. Auberdem stellt die scheinbar vorhandene Trennungslinie zwischen x und ? nur einen Riss in der Platte dar; es wird dies dadurch zur Gewissheit, dass in der abgehobenen Hälfte der Gesteinsplatte an Stelle der beiden nur ein einheitliches großes Stück vorhanden ist. Auffallend an der Skizze FRORIEP’s ist noch, dass der Zwischenraum zwischen # und IV (Fig. 1a) so groß ist. Thatsächlich füllt denselben eine Gesteins- erhöhung y (Fig. 1) aus, welche bei der Spaltung stehen geblieben war; nach deren Abmeißelung lässt sich in ihrem Inneren eine poröse Masse feststellen, die ohne Zweifel mit i, (Fig. 1) im Zusammenhang stand. Damit ist auch für mt, ein enger Anschluss an den Tarsus gewonnen. Die Deutung der einzelnen Stücke kann nach dem Gesagten keine Schwierigkeiten bereiten. Die Elemente f, © und (+ x) Fig. 1 bilden die proximale Tarsusreihe und entsprechen dem Fibulare, Intermedium und Tibiale. In der distalen Reihe finden sich vier Stücke, zu jedem Metatarsale ein zugehöriges Basalstück, davon ist Tarsale V am größten. Die noch übrig bleibenden Stücke c und c, sind als Centralia zu deuten. Menopoma (Fig. 2). Die Handwurzel des mir vorliegenden ausgewachsenen Exemplars enthält, und zwar übereinstimmend rechts. wie links acht Carpalia. Hiervon sind das Ulnare und Inter- medium dem distalen Ende der Ulna angefügt — im Gegensatz zu GEGENBAUR’s Angabe, wonach letzteres zwischen beiden Vorderarm- knochen emporragen soll —, während das Radiale die distale Ge- lenkfläche des Radius vollständig für sich allein in Anspruch nimmt. Von den Carpalstücken der distalen Reihe unterhalten nur die i Vgl. BAUR (4). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 5 66 ‚Wilhelm Zwick, beiden mittleren strengere Beziehungen zu den zugehörigen Mittelhand- stücken, während Carpale / und Carpale ZV nur mit dem kleineren ulnaren bezw. radialen Antheil ihrer distalen Gelenkfläche dem proxi- malen Ende des entsprechenden Metacarpale aufliegen. Hervorzuheben ist neben dem distalwärts sehr hervortretenden Auseinanderweichen der beiden Vorderarmstücke deren Verhalten zu den Handwurzel- stücken sowie die Anordnung der letzteren selbst. Diese sind, wie sich leicht erkennen lässt, in drei parallelen Längsreihen gestellt. Die eine davon setzt die Richtung des Radius fort und besteht aus Radiale und Carpale Z; in ihrer Fortsetzung würde sie in den ersten Finger auslaufen. Die beiden anderen Längsreihen stehen in der Verlängerung der Ulna, die radiale derselben enthält das Intermedium des Centrale und Carpale Z/7, während die ulnare, die gegen den ulnaren Seitenrand in geringem Maße ausbiegt, das Ulnare Car- pale ZV und Carpale /// aufnimmt. Beide Handwurzeln enthalten das Centrale nur in der Einzahl, die Fußwurzeln dagegen haben eine Vermehrung dieses Stückes zu verzeichnen. Der rechte Tarsus (Fig. 3) enthält drei Centralia; davon nimmt eines den ursprünglich centralen Standort ein (c, Fig. 3), das zweite liegt lateral (c,), das dritte distal von diesem (c)). Im linken Tarsus (Fig. 4) lassen sich nur zwei Üentralia zählen, die unter einander liegen. Auch im Tarsus lässt sich die Anordnung in drei Längsreihen deutlich wieder finden. In der neuesten Auflage des Grundrisses der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere (p. 190) führt WIEDERSHEIM (38) einen Fall an, wo ein junges, nur 12 cm messendes Exemplar von Meno- poma im Carpus wie Tarsus beiderseits nur ein Centrale besaß. Siredon piseiformis. Von diesem Thiere konnte ich neun Zuchtexemplare untersuchen, von denen einige der Besonderheiten wegen, die sie an Hand bezw. Fuß boten, eine genauere Beschrei- bung beanspruchen können. 1. Exemplar. Die Handwurzeln dieses sehr alten wohlgenähr- ten Exemplars lassen nichts Bemerkenswerthes verzeichnen. Die Zahl der Carpalstücke beträgt beiderseits acht. Das Centrale ist verhältnismäßig klein; mit Ausnahme des Intermedium sind sämmt- liche Stücke knorpelig. Die rechte Hinterextremität weist nur vier Zehen, und diesen entsprechend auch nur vier distale Tarsalstücke auf. Dem Meta- tarsale /7I, dessen distale Epiphyse etwas verdickt erscheint, folgen zwei Anfangs mit den Metacarpalia verwachsene, späterhin gabelig Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 67 auslaufende Äste, die je drei Phalangen besitzen. Es mag vielleicht zutreffen, dass zwischen dieser Abnormität und dem Fehlen einer fünften Zehe ein Zusammenhang besteht, sei es nun, dass dieselbe von Anfang an vorhanden war, oder dass erst nach Verlust der fünften Zehe der Regenerationsprocess in dieser Richtung eintrat; dabei deutet allerdings nichts auf eine Verschmelzung zweier ur- sprünglich getrennter Tarsalstücke zum einheitlichen Tarzale 7/77 hin. "Eine überaus reiche Vermehrung der Fußwurzelsticke bietet die linke Hinterextremität; es lassen sich im Ganzen 15 einzelne Ele- mente zählen (Fig. 5). Die distale Reihe weist nur ein accessori- sches Stück auf (fa), welches wie die übrigen Angehörigen dieser Reihe von runder Form ist und mit dem Metatarsale 7 in Berührung steht, so dass das eigentliche Tarsale 7 die proximale Epiphyse des Meta- tarsus / überhaupt nicht erreicht. In der Antebrachialreihe liegen vier einzelne Stücke, das überzählige erscheint zwischen Intermedium und Ulnare eingekeilt. Die übrige Vermehrung betrifft den mittleren Fußwurzelantheil, in dessen Bereich sich also statt des in der Regel einheitlichen Centrale fünf Elemente zählen lassen. Eine solch reiche Vermehrung der Hand- bezw. Fußwurzelstücke, wie im vorliegenden Falle, war bisher meines Wissens beim Axolotl nicht bekannt. BAUR (4) erwähnt einen ähnlichen Fall, in dem der Carpus eines über 50 Jahre alten Exemplars von Cryptobranchus maximus drei und der eine Tarsus fünf accessorische Knorpelstücke enthielt. Bei einem zweiten noch verhältnismäßig jungen Exemplar erstrecken sich die vorhandenen Abweichungen nur auf die Vorder- extremitäten. Dabei kann die linksseitige außer Acht gelassen wer- den, da es sich hier um einen noch nicht vollendeten Regenerations- process handelt, wie sich an der reichen, noch nicht differenzirten Blastemmasse, die den Carpus zusammensetzt, sowie an den drei vorhandenen zarten Fingern erkennen lässt. Die rechte Vorder- extremität besitzt fünf Finger, der überzählige ist der ulnaren Hand- seite angefügt, sein Metacarpus ist mit demjenigen des vierten Fingers verwachsen. Der Finger selbst, der sehr zart ist, besteht aus einem Metacarpus und zwei Phalangen; die Zahl der Carpalia ist dabei nicht vermehrt. Ebenfalls eine Vermehrung der Fingerzahl finden wir bei einem dritten Exemplar (Fig. 6). Während der vorerwähnte Finger Be- ziehungen zu Muskeln nicht unterhielt, lassen sich hier nach dieser Richtung. keinerlei Unterschiede von den übrigen vier Fingern er- kennen; so schickt z. B. der Muse. palmaris superfieialis platte Sehnen 5*+ 68 Wilhelm Zwick, zu sämmtlichen vorhandenen fünf Fingern. Dazu kommt noch, dass auch die Zahl der distalen Carpalstücke um eines vermehrt ist, so dass jedem Metacarpus auch ein Carpale zukommt. Zu entscheiden wäre noch, welcher der fünf Finger als überzählig anzusehen ist. Da accessorische Finger und Zehen, wie die Erfahrung lehrt, an den seitlichen Hand- bezw. Fußrändern auftreten, so könnte man daran denken, dass ein sonst fehlender erster oder fünfter Finger sich den übrigen zugesellt hat. Die charakteristische, langgestreckte und distal etwas zugespitzte Gestalt des Carpale / sowie dessen Ver- halten zum Metacarpale J weichen jedoch in keiner Weise von dem sewöhnlichen ab, wesshalb nicht wohl anzunehmen ist, dass der erste Finger der überzählige sei; somit käme zunächst nur noch der fünfte oder einer der mittleren in Frage. Die Zahl der Phalangen bei Siredon pisciformis ist gewöhnlich in radio-ulnarer Reihenfolge 2, 2, 3, 2; in vorliegendem Falle von Pentadactylie: 2223 2 Danach wäre also viel wahrscheinlicher, dass der zweite oder dritte Finger neu hinzukam. Damit wäre zugleich die Vermuthung, dass es sich hier um Rückschlag handeln könne, hinfällig. Zu erwähnen ist noch, dass an dieser linken Vorderextremität zwei Centralia in querer Anordnung sich vorfinden (ce und ce,). Die rechte Vorder- extremität bietet keine Besonderheiten; Verknöcherungspunkte zeigen Intermedium, Centrale und Ulnare. Ein viertes Exemplar besitzt an einer Hand nur drei Finger, die von der medialen zur lateralen Seite ein, zwei, drei Phalangen zählen lassen. Die vorhandenen Handwurzelstücke 7, z, v, Centrale und drei Carpalia sind sämmtlich knorpelig. Die übrigen Extremi- täten dieses Thieres zeigen normale Beschaffenheit, das Centrale findet sich durchweg nur in der Einzahl. Außer diesen näher beschriebenen habe ich noch sechs weitere Exemplare von Siredon piscif. untersucht, welche an den Hand- wurzeln stets acht Stück zählen lassen; von diesen sind entweder sämmtliche knorpelig oder einzelne zeigen Verknöcherungspunkte. Die Reihenfolge in der Verknöcherung ist beim Axolotl deutlich wahrzunehmen, und zwar ergiebt sich stets, dass dieselbe nur die Glieder des mittleren und ulnaren Strahles trifft, niemals auch die- jenigen des radialen. Am häufigsten zeigten einen Verknöcherungs- punkt das Intermedium, dann das Ulnare und Centrale, zuweilen auch die Carpalia, ausgenommen dasjenige des ersten Fingers. An den Hinterextremitäten dieser sechs Exemplare konnte ich nur einmal eine Verdoppelung des Centrale beobachten. Die Ver- Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 69 hältnisse in der Verknöcherung entsprechen ganz den für die Vorder- extremitäten angeführten. Wie bei Menopoma, lässt sich auch beim Axolotl eine Anordnung der Carpus- und Tarsuselemente in drei Längsreihen leicht erkennen. Triton. /. Carpus. Von der Gattung Triton konnte ich unsere sämmtlichen vier Arten, Triton taeniatus, eristatus, helveticus und alpestris in großer Anzahl untersuchen; stets zeigten sie den über- einstimmenden Aufbau der Handwurzel aus sieben Stücken. GOETTE (21) hat in Taf. V, Fig. 29 einen Carpus von Triton ceristatus ab- gebildet, in dem nur fünf Theile angegeben sind (r +ca)l,ec-+ u, C, 69, €3, c,); eine derartige Zusammensetzung der Handwurzel von Triton ceristatus konnte ich eben so wenig finden wie die Verschmel- zung von Radiale und Carpale 7, welche nach GEGENBAUR (19) für Triton taeniatus zutreffen soll. Bemerkenswerth ist für sämmtliche Tritonen, dass das Carpale 7 mit seiner distalen Gelenkfläche das zugehörige Metacarpale / nur in ganz geringer Ausdehnung berührt; GOETTE (21) und GEGENBAUR (19) bezeichnen dieses Verhältnis als ein sekundäres; auf Grund meiner entwicklungsgeschichtlichen Unter- suchungen stimme ich STRASSER (33) bei, wonach schon von Anfang an das Carpale /7 Beziehungen zum Metacarpale I unterhält und dadurch das Carpale 7 verdrängt. Die Zahl der Phalangen ist für sämmtliche Tritonen in radio- ulnarer Reihenfolge 2, 2, 3, 2; ich hebe dies besonders hervor, da BAur (4) für den ersten Finger von Triton taeniatus und palmatus nur eine Phalange verzeichnet. Tarsus. Den verschiedenen vorhandenen Beschreibungen ver- mag ich nichts Neues hinzuzufügen; für den Tarsus von Triton palmatus fand ich im Gegensatz zu WIEDERSHEIM (36) stets acht Theile wie bei den übrigen. Salamandra. Die Untersuchung erstreckte sich auf viele Exem- plare von Salamandra atra und maculosa; nie waren jedoch Ab- weichungen in Hand- und Fußwurzel von den vielfachen Abbildungen und Beschreibungen anderer Untersucher festzustellen. | ‚ Beifügen möchte ich noch, dass sich für Triton wie für Sala- mandra die Längsreihenanordnung im Carpus und Tarsus verfolgen lässt; dieselbe ist für den Carpus in so fern abgeändert, als der ulnare und mittlere Strahl nicht mehr ganz getrennt neben einander ver- laufen, vielmehr in dem hier verschmolzenen Ulno-intermedium kon- vergiren. Die Verknöcherung ist stets am weitesten vorgeschritten, bezw. allein vorhanden in den beiden ulnaren Strahlen, während der 70 : or Wilhelm Zwick, radiale am längsten knorpelig bleibt; entsprechend liegen diese Ver- hältnisse für die Hinterextremität. Zi smehlassung: 1) Über das Os centrale. Nach dem Auffinden eines doppelten Centrale lag es nahe, die Annahme einer ursprünglichen Einheitlich- keit dieses Stückes, wie sie das Schema GEGENBAUR’s (19) wiedergiebt, fallen zu lassen und dafür dessen ursprüngliche Doppelnatur als wahrscheinlich anzunehmen, wobei allerdings auf Grund anderer Befunde die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden durfte, dass vielleicht noch mehr als zwei Centralia dem Hand- bezw. Fußwurzel- absehnitt älterer Formen ursprünglich einverleibt sein konnten. Von den Forschern, welche diesen Fragen zuerst nahe traten, sprachen sich WIEDERSHEIM (37) und dessen Schüler KEHRER (26) auf Grund zahlreicher Untersuchungen an niederen Urodelenformen in diesem Sinne aus; seine Mittheilung über die Vermehrung des Os centrale im Carpus und Tarsus des Axolotl schließt WIEDERSHEM (37) folgender- maßen: »Diese Vielheit der Centralia im Carpus und Tarsus weist dem Axolotl eine in der Stammesgeschichte der geschwänzten Amphi- bien sehr weit zurückliegende Stellung an und nähert ihn einerseits den ostasiatischen Salamandriden, andererseits den Derotremen (Menopoma, Cryptöbranchus). Das ungemein häufige Vorkommen eines mehrfachen Centrale deutet übrigens darauf hin, dass die Zeit vielleicht noch gar nicht weit hinter uns liegt, in der jeder Axolotl ein doppeltes oder dreifaches Os centrale besessen hat.« Auch GEGENBAUR (20) änderte später sein Schema zu Gunsten eines doppel- ten Oentrale ab. Baur (4) lässt die Frage nach der ursprünglichen Zahl der Centralia vorläufig noch unentschieden. Emery (17) dagegen vertritt neuerdings bestimmt die Ansicht, dass das Centrale bei den ursprünglichen Formen der Urodelengruppe zwei- oder vielfach vor- handen war. Bei der Beurtheilung eines mehrfachen Centrale stehen nun folgende drei Möglichkeiten offen: 1) Die Vermehrung des Centrale bedeutet einen Rückschlag auf ursprüngliche Formen. 2) Das zwei- oder mehrfache Centrale ist eine phylogenetische Neuerwerbung, die nunmehr in der Reihe der Amphibien typisch zu werden beginnt. 3) Das Vorkommen eines mehrfachen Centrale beruht auf einem / sekundären Vorgang des Zerfalls. Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 71 Für die erste Erklärung wird hauptsächlich geltend gemacht, dass in der Phylogenese des Carpus die Tendenz zur Reduktion der Zahl und zur Verschmelzung der Stücke unter einander hervortrete und sich nur in wenigen Fällen eine Vermehrung der Zahl durch Neubildung oder Differenzirung beweisen lasse. Dies im Allgemeinen zugegeben, kommt doch, wie die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen über den Axolotl übereinstimmend mit den meinigen ergeben, nicht selten eine Vermehrung sogar zuweilen über die Zwei- und Drei- zahl hinaus vor, und zwar dies bei älteren und alten Thieren, während, wie BAur (4) mittheilt, bei jungen Thieren nie mehr als ein Centrale sich im Carpus und Tarsus nachweisen ließ. Eine Be- stätigung hierfür würde auch der von mir mitgetheilte Fall bei Menopoma im Zusammenhalt mit dem von WIEDERSHEIM (38) ange- führten erbringen. Auch ist die Annahme, dass ursprünglich Formen vorhanden waren, welche mehrere Centralia besaßen, bis jetzt noch in keiner Weise einwandfrei durch paläontologische Befunde gestützt. Bei der Besprechung der Fußwurzel von Archegosaurus stellt BAUR (4), meiner Ansicht nach mit Recht, in Frage, ob der Tübinger Fuß normal sei. Zugleich weist er darauf hin, dass das Vorkommen eines mehrfachen Centrale in dieser Fußwurzel ganz wohl auf einen sekundären Zerfall zurückgeführt werden könne. Der zweite Erklärungsversuch würde es in sich schließen, dass Zustände, die sich bei den niederen Urodelenformen einzubürgern begannen, bei den höheren eine bleibende, bestimmtere Gestalt ge- wonnen haben. Man müsste demnach erwarten können, dass z. B. die Salamandrinen oder Tritonen stets oder häufig ein zweites Cen- trale besitzen. Dies trifft aber keineswegs zu, ja es ist sogar meines Wissens bei diesen Gruppen ein vermehrtes Centrale noch niemals zur Beobachtung gekommen. Eine Zusammenstellung der höheren und niederen Formen lässt vielmehr die Thatsache zum Ausdruck kommen, dass eine Vermehrung des Centrale da vorkommt, wo der Carpus ganz oder zum größten Theil aus knorpeligen Elementen sich aufbaut, und wo der Gebrauch der Gliedmaßen sich weniger im Auftreten auf festem Boden äußert, während andererseits für die- Jenigen Formen, welche dem Landleben mehr angepasst sind, solche Erscheinungen nicht zu finden sind. Im Anschluss hieran könnte man auf den Gedanken kommen, dass die niederstehenden Urodelen- abtheilungen in einem allgemeinen Rückbildungsprocess begriffen seien, dass sie von höheren Landformen ausgingen, und dass nun mit der Anpassung an das Wasserleben die in Rede stehenden 72 Wilhelm Zwick, Umwandlungen an Hand- und Fußwurzel sich vollzogen haben. Es müssten sich unter dieser Voraussetzung analoge Vorgänge, z. B. bei den Wassersäugethieren, finden lassen; es ergiebt sich aber aus den Untersuchungen KÜKENTHAL’s (26a), dass diese wohl eine reiche Vermehrung der Fingerglieder, aber nicht auch derjenigen der Hand- wurzel aufweisen. Viel näher liegend, besonders auch weil durch That- sachen gestützt, scheint mir die Annahme, dass die Ver- mehrung des Centrale auf einem sekundären Zerfall be- ruht. WIEDERSHEIM (38), dessen ursprüngliche Stellungnahme zu dieser Frage ich oben wiedergegeben habe, ist bei weiteren Unter- suchungen am Axolotl zu anderer Ansicht gelangt. In der neuesten Auflage seines Werkes über vergleichende Anatomie spricht er sich folgendermaßen aus: »Die Thatsache, dass die Häufigkeit eines doppelten Öentrale mit dem Alter des Thieres stetig zunimmt, wäh- rend wir demselben bei jungen Thieren nur ausnahmsweise begegnen, alles Dies kann die oben als typisch hingestellte ursprüngliche Doppel- natur dieses Stückes als zweifelhaft und eine Art sekundärer Ab- spaltung in mehrere Stücke als plausibler erscheinen lassen.« Dieser Ausspruch findet seine Bestätigung in den von mir mitgetheilten Fällen. Hinzuweisen wäre noch auf die große Unbeständigkeit in der Zahl der vorkommenden Centralia. Spricht aber diese schon dafür, dass es sich dabei nicht um Fälle handeln kann, die in früherer Zeit bleibend waren, so trägt die Veränderlichkeit in der Lage — sie liegen theils quer neben einander, theils hinter einander, theils in schräger Richtung — nur dazu bei, diese Ansicht zu bestätigen. Unter Beachtung von all Dem werde ich in der Annahme be- stärkt, dass es sich hier nicht um Verhältnisse handeln kann, die bei früheren Formen typisch waren, oder es bei den jetzt lebenden werden wollen, sondern dass das Vorkommen eines mehrfachen Cen- trale einem Zerfall während des individuellen Lebens zuzuschreiben ist. Über die Ursache desselben vermag ich zwar nichts Bestimm- tes zu sagen, jedoch wäre in Erwägung zu ziehen, ob nicht abge- änderte Ernährungsbedingungen, der Mangel an Bewegung hierbei wirksam sind, da die von WIEDERSHEIM und mir mitgetheilten Fälle von Vermehrung des Centrale beim Axolotl sich stets auf in der Gefangenschaft gezüchtete Exemplare beziehen, während BAur’s (4) Material, bei dem nie mehr als ein Centrale zu finden war, aus im Freien gefangenen Thieren bestand. Hierüber könnten nur auf Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 73 breiter Grundlage reichen Materials und zahlreicher Versuche an- gestellte Untersuchungen bestimmte Ergebnisse erzielen. 2) Über die ursprüngliche Zahl der Finger an der Hand der Urodelen. GEGENBAUR (19) nahm bei seinen Untersuchungen über den Carpus und Tarsus an, dass die Hand der Urodelen ur- sprünglich fünf Finger besaß, und dass der erste Finger bei den heutigen Formen als ausgefallen anzusehen sei. Zur Stütze der letzteren Ansicht weist dieser Forscher auf die Anuren hin, bei denen der erste Finger nur noch als Rudiment erscheine. Eine solche Schlussfolgerung muss aber bedenklich erscheinen, da meiner An- sicht nach — und ich werde dieselbe bei Gelegenheit der Bespre- chung des Anurencarpus noch näher begründen — durchaus noch nicht feststeht, dass die bei den Anuren als Präpollex bezeichnete Bildung auch in der That das Rudiment eines Fingers darstellt. Ja selbst wenn dies der Fall wäre, so muss doch andererseits daran erinnert werden, dass die Anuren systematisch eine höhere Stellung als die Urodelen einnehmen. Es kann aber gewiss nicht im Sinn des biogenetischen Grundsatzes liegen, dass Zustände, die sich bei jenen finden, unbedingt auch bei diesen ursprünglich vorhanden ge- wesen sein müssen. Erscheint es dessenungeachtet nicht auffällig, dass die Anuren so viel von dem Ursprünglichen erhalten haben, während die Urodelen, die doch der angenommenen pentadactylen Urform viel näher stehen müssen, entweder gar nichts oder nur sel- ten Reste dieses fünften Fingers bewahrt haben? Mehr Berechti- gung hätte die Annahme, dass die Anuren im Laufe der Weiter- entwicklung sich den Präpollex angeeignet haben. Wie wenig sich überdies die Anuren und Urodelen in Beziehung auf ihre Extremitäten gleichen, lässt sich schon aus der entwicklungs- geschichtlichen Thatsache entnehmen, dass bei jenen sich die beiden äußeren, bei diesen die beiden inneren Finger zuerst anlegen. In Anbetracht des einen von mir angeführten Falles, wo neben einem vollständig ausgebildeten fünften Finger noch das zugehörige Carpale vorhanden war, könnte man an einen Rückschlag denken; wie ich oben ausgeführt, verbieten jedoch andere Gründe eine solche Annahme. Die verschiedensten Variationen in der Zahl der Finger und Zehen, wie ich sie beschrieben und wie ich sie auch von an- deren Untersuchern angegeben finde, legen es vielmehr nahe, all diese Fälle zu den Abnormitäten zu rechnen. Dieselben sind zwar in so fern interessant und von Werth, als sie uns zeigen, wie inkon- stant die Verhältnisse bei jenen Formen sind, und wie vorsichtig 74 Wilhelm Zwick, man bei der Beurtheilung sein müsse. Einen morphologischen Werth können dieselben aber sicherlich nicht beanspruchen. Daraus geht auch hervor, dass wir die Vorgänge, die sich beim Regenerations- process abspielen, nicht ohne Weiteres der normalen Entwicklung an die Seite stellen dürfen, wie dies von GoETTE (21) geschehen. Zwar hat KEHRER (26) bei Cryptobranchus japonicus, Ranodon sibiricus und Isodaetylium Schrenckii sowohl am radialen Carpal- als am tibialen Tarsalrand kleine überzählige Knorpel gefunden, und ist auf Grund dieser Funde zu dem Ergebnis gekommen: »So hätten wir also bei der Beurtheilung des Hand- und Fußskeletts der Wirbel- thiere künftighin nicht mehr von einer pentadacetylen, sondern von einer heptadactylen Urform auszugehen, und von diesem Gesichts- punkt aus betrachtet werden auch fürderhin die überzähligen Finger und Zehen, sofern sie am äußeren oder inneren Fuß- oder Handrand auftreten, nicht mehr ohne Weiteres als solche, sondern als atavisti- sche Bildungen angesehen werden dürfen.« | Eine solche Folgerung muss aber als übereilt erscheinen, zumal diese Funde sehr vereinzelt sind. Hyrrı (23) fand bei Crypto- branchus auch ein derartiges Knorpelstück, betrachtete es aber als »Sesambein der Peroneussehne<. WIEDERSHEIM, der ebenfalls ein überzähliges Knorpelstück bei Ranodon sibiricus nachwies, fügte bei, dass dasselbe in Bindegewebe eingebettet und von diesem schwer abzulösen gewesen sei; eine Deutung dieses Stückes im Sinne Hyrrr’s (23) dürfte demnach auch nicht zu fern liegen. Jedenfalls geht KEHRER (26) zu weit, wenn er Hauthöcker, die sich nach seinen Angaben bei einzelnen ostsibirischen Formen im Bereich des Fußabschnittes finden, als Reste eines Prähallux ansieht. Solehe Hautwarzen finden sich auch beim Axolotl und den Tritonen, namentlich bei Triton helveticus, stehen jedoch in durchaus keinem Zusammenhang mit dem Skelett, und der Beweis, dass dies jemals der Fall war, dürfte wohl schwer zu erbringen sein. Es geht somit aus obigen Ausführungen hervor, dass nicht eine einzige wohlbegründete Thatsache für die Annahme einer die Vier- bezw. Fünfzahl ursprünglich überschreitende Anzahl von Fingern bezw. Zehen spricht. | Viel wahrscheinlicher, weil besonders durch die Ontogenese _ gestützt, erscheint mir die Annahme, dass die Vorgänger unserer Urodelen weniger als vier Finger besaßen. Die Entwicklungsgeschichte lehrt, dass sich zuerst nur die beiden ersten Finger anlegen, und dann in größeren zeitlichen Abständen auch Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 75 die übrigen folgen. Da der Zustand der Zweifingrigkeit in der Larvenperiode ein ziemlich langer und sich stets wiederholender ist, so dürfte man auf Grund des biogenetischen Grundgesetzes berechtigt sein zu sagen, dass dieser Zustand in der Stammesgeschichte einmal eine längere Dauer hatte. | | i 3) Über die Strahlenanordnung im Carpus und Tarsus. Schon frühere Forscher, wie GEGENBAUR (19), GOETTE (21), WIEDERS- HEIM (36) u. A. hatten auf die Längsstrahlenanordnung in Hand- und Fußwurzel aufmerksam gemacht. GOoETTE wies sogar entwicklungs- geschichtlich einen ununterbrochenen Zusammenhang der einzelnen ‚Glieder dieser Reihen nach, den ich, wie ich später ausführen werde, nicht bestätigen kann. Hier möchte ich noch einmal an die vor- herrschende Ausbildung der beiden ulnaren Strahlen erinnern, welche zu den beiden mittleren Fingern in Beziehung stehen. Wenn wir nun einerseits sehen, dass der Verknöcherungsprocess nur die beiden mittleren Strahlen trifft, und andererseits die überwiegende Länge der beiden mittleren Finger in Betracht ziehen, so dürften wir mit der Annahme nicht fehl gehen, dass diese beiden Faktoren durch ein ursächliches Moment verknüpft sind, das nur in der Funktion liegen kann. Eine Beobachtung des Gebrauchs der Gliedmaßen be- stätigt dies, und zeigt, dass beim Abstoßen des Körpers von der Unterlage nur die beiden mittleren Finger in Anspruch genommen sind, während die beiden äußeren nur zur Verbreitung der Stütz- fläche des ruhenden Fußes dienen. Eine Bestätigung für diese meine Anschauung finde ich bei KEHRER (26), der anlässlich der Besprechung des Carpus und Tarsus von Isodaetylium Schrenckii in richtiger Erkenntnis folgendermaßen urtheilt: »Offenbar handelt es sich beim Zustandekommen eines ulnarwärts (fibularwärts) platz- sreifenden Ossifikationsprocesses um mechanische Einflüsse, wobei äußere Bedingungen höchst wahrscheinlich eine große Rolle zu spielen berufen sind. Ich will damit sagen, dass bei der Art und Weise der Fortbewegung, d. h. also bei der Abhebelung des Körpers von der Unterlage, die Druck- und Stützverhältnisse sich auf der ulnaren (fibularen) Seite ungleich früher bemerkbar machen werden, als auf der entgegengesetzten.« Zur Entwicklungsgeschichte des Gliedmafsenskeletts der Tritonen. Die von GOETTE (21) und Strasser (38) über die Entwicklung der Tritonextremitäten gegebenen Schilderungen weichen in vielen Punkten von einander ab, ja enthalten sogar in wesentlichen Fragen 716 Wilhelm Zwick, geradezu entgegengesetzte Ansichten; vor Allem gilt letzteres auch für die Entwicklung von Hand- und Fußwurzel. Nach GoFrTTE (21) würde sich der Entwicklungsgang für die Vorder- extremität kurz folgendermaßen gestalten: Als erste Anlage zeigt sich der Humerus, der bei weiterem Auswachsen der Gliedmaße ununterbrochen in zwei getrennt neben einander verlaufende Äste, einen ulnaren und einen radialen, sich fortsetzt, welche kontinuirlich in ‘den ersten bezw. zweiten Finger übergehen sollen. Durch gegenseitige An- näherung bis zur Berührung an einer umschriebenen Stelle und nachträglich hier stattfindende Verschmelzung bildet sich ein Centrum (Carp. rm III GOETTE — Basale commune STRASSER = Carpale 7II GEGENBAUR). Dieses Centrum be- wirkt die Trennung zwischen den beiden Fingern einerseits, Handwurzel und Vorderarm andererseits. Die Abgrenzung der beiden letzteren von einander soll sich in der Weise vollziehen, dass die Skelettäste proximal von dem Carp. rmIII auf kurze Strecke, aber ohne zu verschmelzen, nahe an einander rücken um in ihrem weiteren Verlauf nach oben bis zum Ausgangspunkt der Gabelung für immer durch eine große Lücke getrennt zu bleiben. Die Berührungsstrecke entspricht der Gegend des Carpus, die zwischen diesen und den Oberarm ein- geschalteten beiden Säulen stellen die Anlage von Radius und Ulna dar. Dem- nach würde sich also die Handwurzel zunächst aus einem radialen und ulnaren Strahl zusammensetzen. Durch Wucherung und Abspaltung soll aus dem proxi- malen Ende des letzteren ein Seitenstrahl hervorsprossen, der neben diesem entlang verläuft, sich nach oben mit der Ulna, nach unten mit dem Carp. rm III verbindet und in den vorletzten Finger auswächst. Der vordere ulnare Strahl wird dadurch zum mittleren und die Handwurzel würde also jetzt aus einem radialen, mittleren und ulnaren Strahl bestehen. Als nächster Vorgang stellt sich in den Skelettästen eine Sonderung in Einzelstücke durch Quertheilung ein, die zunächst zur Abtrennung des Radius und der Ulna von der Hand- wurzel führt. Fast gleichzeitig damit vollzieht sich die Gliederung der Finger in die einzelnen Abschnitte. In zweiter Linie zerfallen dann auch die Hand- wurzeläste, und zwar spalten sich vom radialen Ast das Radiale, Carpale 17 und ein Theil des Carpale /IZI ab; aus dem medianen Strahl gliedert sich die eine Hälfte des Ulno-intermedium, das Centrale und die andere Hälfte des Carpale Z/IZ ab, aus dem ulnaren der ulnare Antheil des Ulno-intermedium und das Carpale ZV. Zuletzt entsteht, gleichsam aus dem Carpale 7V heraus- wachsend, das Carpale Y nebst dem letzten Finger. Dieser Auffassung des Entwicklungsganges gegenüber bestreitet STRASSER (33) namentlich den ursprünglichen Zusammenhang der gesammten Skelettanlage und betont eine selbständige Anlage des Humerus ohne jeglichen Zusammen- hang mit der Scapula und auch dessen vom Vorderarm gesonderte knorpelige Bildung. Radius und Ulna sollen distalwärts in die zunächst noch eine ein- heitliche Masse axialen Blastems darstellende Handwurzel übergehen, deren distaler Abschnitt unmittelbar die beiden Finger ausschickt. An der Basis derselben wird dann ein von Anfang an einheitliches Basale commune deutlich, das sowohl im prochondralen Stadium wie auch bei eintretender Verknorpelung mit den Fingern in Zusammenhang bleibt. In der Folgezeit soll sich in dem noch keinerlei Differenzirung aufweisenden Blastem des übrigen Carpus eine Umwandlung dergestalt geltend machen, dass es nunmehr zur Bildung zweieı nur undeutlich von einander gesonderter Zellsäulen kommt, welche zwischen Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 77 das Basale commune und das distale Ende von Radius und Ulna sich ein- schieben; ulnarwärts von diesen bildet sich beim Auswachsen des dritten Fingers eine weitere Säule, so dass sich eine radiale, mittlere und ulnare “unterscheiden lassen. Der Verknorpelungsvorgang vollzieht sich in den beiden Vorderarmsäulen je für sich und zunächst noch unabhängig von demjenigen in der Handwurzel; erst nachträglich kommt auch eine zarte Knorpelnetzverbin- dung mit dieser zu Stande. Im Carpus selbst schreitet die Verwandlung in Knorpelgewebe vom Basale commune proximalwärts auf die mittlere Säule fort, wobei dieselbe im Bereich zweier sich später sondernder Oentren beson- ders intensiv vor sich gehen soll; in gleicher Weise vollzieht sich die Ver- knorpelung an der radialen Säule und greift zuletzt auch auf die ulnare über. Hervorzuheben wäre, dass nach STRASSER’s Auffassung ein knorpeliger Zu- sammenhang sämmtlicher Theile im Carpus angenommen werden muss. Ab- geschlossen wird die Entwicklung durch eine Gliederung in Einzelabschnitte, die im Wesentlichen so vor sich geht, wie sie die obige Darlegung der An- schauung GoETTE’s wiedergiebt. Aus der kurz gefassten Wiedergabe der über vorliegendes Thema bestehenden Litteratur ist also ersichtlich, dass betreffs der Ent- wicklung der Tritonextremitäten durchaus noch keine einheitliche Auffassung erzielt ist. Zugleich geht aber daraus hervor, dass wir gleich von vorn herein ganz wohl berechtigt sind, mit zwei Möglich- keiten der gegenseitigen Verbindung von Gliedmaßenabschnitten zu rechnen. Die eine Vorstellung geht davon aus, dass eine von Anfang an einheitliche Skelettanlage bis zu einem gewissen Stadium sich auch einheitlich weiter entwickelt und erst durch nachträgliche Sonderung in gleichartige Abschnitte sich abgliedert. Die zweite Art, wie die Gelenke entstehen können, — denn um deren Bildung handelt es sich — wäre die, dass in einem noch nicht zu bestimm- tem Gewebe herausgebildeten Blastem sich schon in früher Zeit be- sondere Skelettanlagen differenziren, die einander entgegenwachsen und sich so erst nachträglich einander angliedern. GoETTE’sS Ansicht vertritt folgerichtig den ersten Typus der Gelenkbildung, diejenige von STRASSER nimmt gleichsam einen vermittelnden Stand- punkt ein, indem sie für einzelne Abschnitte die Abgliederung, für andere die Angliederung als zutreffend bezeichnet. EmERY (17) be- stätigt die Befunde STRASSER’S. | Diese Meinungsverschiedenheiten mussten zu einer neuen Unter- suchung auffordern. Dass die beiden Forscher abweichende Schilderungen des Entwicklungs- ganges gaben, findet seine theilweise Erklärung in der Verschiedenheit der von ihnen angewandten Untersuchungsmethoden. GOETTE (21) ließ die frisch abgeschnittenen Extremitäten kurze Zeit in reinem Wasser liegen und brachte sie dann in toto mit Zusatz von solchem unter das Deckglas, worauf sich die Epidermis ablöste; späterhin wurde dann 18 Wilhelm Zwick. noch ein Färbemittel zugesetzt. Ich ahmte dieses Verfahren nach, ohne jedoch selbst im günstigsten Falle Bilder zu erhalten, die auch nur annähernd in Be- ziehung auf Klarheit und Deutlichkeit Serienschnitten vergleichbar gewesen wären und die den oft erforderlichen Einblick in Einzelheiten gestatteten. In der Folgezeit bediente ich mich daher ausschließlich folgender Methode: Die Larven wurden in erwärmter Sublimatlösung abgetödtet, darin behufs Fixirung etwa 15 Minuten belassen und sodann nach dem Vorgehen STRASSER’s, der dabei sehr günstige Bilder erhielt, mit Hämatoxylin nach BÖHMER oder mit PAur MAver’schem Hämalaun im Stück gefärbt. Einige Präparate färbte ich auch mit Boraxkarmin, jedoch boten die Hämatoxylinpräparate stets die günstigsten Bilder. Die gewonnenen Resultate beziehen sich daher immer auf Schnitte, die mit letzterem Färbemittel behandelt waren. Dabei will ich aber anfügen, dass ich die von STRASSER (33) angegebene Hämatoxylinreaktion auf Knorpel nicht immer in solchen Fällen erhielt, in denen man sie nach Maß- gabe der Entwicklung der Gliedmaßen hätte sicher erwarten können; außer- dem kam es vor, dass gewisse Schnitte einer und derselben Reihe die Reaktion erkennen ließen, während sie bei zwischenliegenden nicht eingetreten war; es ist daher bei Folgerungen aus derselben eine gewisse Vorsicht geboten, zu der ja auch STRASSER selbst mahnt; in anderen Fällen, und es war dies die größere Anzahl, war dieselbe überraschend schön gelungen. Die Extremitäten wurden nach entsprechender Vorbehandlung in Paraffin eingebettet und der Fläche nach in Serienschnitte zerlegt, deren Dieke 5—10 u betrug. Eigene Untersuchungen. Als erste Spur einer Gliedmaßen- anlage zeigt sich eine wulstige Zellwucherung innerhalb der von GOETTE sogenannten äußeren Segmentschicht. Dieselbe macht sich bald in Form eines Höckers schon makroskopisch hinter dem Kiemen- apparat bemerkbar. Durch Längsstreekung gewinnt der Gliedmaßen- spross eine zapfenförmige Gestalt, und auf diesem Stadium sind in seinem Innern schon gewisse Umbildungen vor sich gegangen. Wäh- rend die ursprünglichste Anlage sich aus Zellen mit wenig Proto- plasma und runden oder in Folge gegenseitigen Druckes polyedrisch erscheinenden Kernen zusammensetzt und als ein gleichmäßiges Ganzes erscheint, lässt sich nunmehr im Inneren dieses Zapfens schon eine axiale dichtere Partie, in der die Zellen eine zur Wachs- thumsriehtung quere Abplattung zeigen, von einer peripheren zell- ärmeren unterscheiden. An das untere Ende dieser Achse, welche den Humerus in seiner ersten Entwicklung darstellt, schließt sich ohne besonders deutliche Abgrenzung von diesem eine Zellmasse an, von einer Beschaffenheit, wie sie die allersten Anfänge der Glied- maßen darbot. Distalwärts verbreitert sich dieselbe, an manchen Stellen bietet sie in Folge des Vorhandenseins von Lücken ein zer- klüftetes Aussehen, lässt aber im Ubrigen noch durchaus keine An- ordnung in bestimmter Weise erkennen. | Auf dem beschriebenen Stadium bleibt jedoch die Gliedmaße Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 79 nicht lange stehen. Ein zunächst noch seichter Einschnitt an ihrem distalen Ende lässt zwei Zacken sich herausbilden, welche als Vor- läufer der beiden ersten Finger anzusehen sind. Serienschnitte, welche der Länge nach durch eine so weit entwickelte Gliedmaße — die Länge der Larve beträgt etwa Smm — geführt sind, lassen Folgendes erkennen (Fig. 7): Die Humerusanlage (77) tritt schon bei schwacher Vergrößerung durch ihr helleres Aussehen, das sie vor den übrigen auf dieser Stufe erkennbaren Anlagen auszeichnet, hervor. Diese Aufhellung ist in der Diaphyse am weitesten vorgeschritten und nimmt an Intensität sesen die beiden Epiphysen ab. Im Bereich der ersteren hat sich das Knorpelgewebe am weitesten entwickelt, ohne dass jedoch schon vollkommen ausgebildete Knorpelzellen vorhanden wären. Wir finden vielmehr bei Untersuchung mit starken Systemen große runde oder ovale Kerne, die von einem mehr oder weniger breiten hellen Hof ungefärbten Protoplasmas umlagert sind, an das sich nach außen die diehtere Alveolarsubstanz anschließt, welche die einzelnen Zellen von einander trennt!. Zwischen den in verhältnismäßig noch ge- ringer Zahl vorhandenen primären Alveolen finden sich zahlreiche dunkle prochondrale Elemente eingekeilt. Gegen die beiden Epi- physen, und zwar schneller gegen die distale als gegen die proxi- male, gewinnt der Oberarm ein mehr und mehr dunkles Aussehen. Die Kerne nehmen an Menge zu, werden dunkler und kleiner, je näher sie der Peripherie liegen, sind auch stark im Querschnitt ab- seplattet und eng zusammengepresst. Der Übergang von der mitt- leren zu den beiden peripheren Zonen ist jedoch ein ganz allmäh- licher, und wir vermögen den Vorgang zu verfolgen, wie sich jene auf Kosten dieser entwickelt. Man erkennt das Bestreben der peripheren unter Druck befindlichen Elemente, »mehr Luft zu be- kommen«, was sich besonders in der allmählich sich ändernden Form und Größe der Keme und dem Verhalten des peripheren Protoplasmas ausdrückt. Die Kerne suchen sich von ihren Genossen frei zu machen, behalten zwar zunächst noch eine etwas plattge- drückte Form bei, haben jedoch schon an einer oder beiden Schmal- ! Im Lauf der Gewebsentwicklung treten zwischen den einzelnen Kernen Schaltstücke von dichterer Substanz auf, die nach STRASSER durch Umwand- lung der peripheren Protoplasmaschichten entstehen soll. Diese Substanz hängt überall zusammen, ordnet sich »in Flächenwinkeln, Drei- und Vierkantern um die Protoplasmabezirke der einzelnen Zellen und bildet durch das ganze Ge- webe ein zelltrennendes Alveolenwerk<« (STRAssER). In den Alveolen selbs liegen die mit einem Hof hellen Protoplasmas umgebenen Kerne. 80 Wilhelm Zwick, seiten dichteres Protoplasma angesammelt, das in einen scharf zu- gespitzten Fortsatz ausläuft. Während die Kerne eine mehr eirunde Gestalt erlangen, sammelt sich um dieselben ein Hof hellen Proto- plasmas, die dichteren protoplasmatischen Fortsätze verschwinden allmählich, dabei verbreitert sich der helle Ring und die Kerne. betten sich so in große runde oder polyedrische Alveolen ein. Gleichzeitig mit dieser Umgestaltung der zusammengepressten dunklen Elemente zu Alveolen macht sich eine Längsstreckung der Säule bemerkbar, die besonders in der sich ändernden Gestalt der perichondralen Randzellenkerne ihren Ausdruck findet (Az, Fig. S). Dieselben zeigen in der Gegend, wo die großen Alveolen im Innern der Anlage am zahlreichsten vertreten sind, die Neigung, sich mit ihrer Längsachse in der Wachsthumsrichtung zu strecken. Es macht sich dies hauptsächlich in der Umgrenzung der Diaphyse geltend, in geringerem Maße in der Grenzzellenschicht der proximalen Epi- physe, während sie im Bereich der distalen Epiphyse ihre runde Form noch beibehalten haben und sich sehr eng, perlschnurartig an einander reihen. In der Gegend, wo sich das Humerusende gegen die oberen Enden von Ulna und Radius andrängt, ist es nicht so leicht wie in den oberen Theilen, die äußere Begrenzung mit Sicher- heit festzustellen, und an diekeren Schnitten mag es sogar unmög- lich werden, sie von der dichten Ansammlung der chondrogenen Zellen einerseits und den nunmehr von außen an das untere Ende des Humerus herantretenden embryonalen Muskelzellen, die auf dieser Entwicklungsstufe durchaus noch nichts Charakteristisches an sich tragen, sicher zu trennen. Die Abgrenzung gegen die oberen Enden der Vorderarmsäulen ist besonders desshalb auch schwierig, da noch keinerlei Andeutung der späteren Gelenkspalte sich zeigt. Ver- hältnismäßig leicht fällt dies gegenüber dem gegen die Streckseite des Humerus emporstrebenden oberen Ende der Ulna, da dieses in seiner geweblichen Entwicklung noch ganz auf der Stufe des axialen Blastems steht und sich dadurch von dem histologisch schon weiter vorgeschrittenen Humerusende deutlich abhebt; das obere Radiusende dagegen ist ungefähr gleich weit entwickelt wie das distale Hume- rusende. Nur eine genaue Beobachtung an dünnen Schnitten ge- stattet es, am Oberarm die mehr längsgestreckten Randzellen des Mittelstückes in ihrem Übergang zu jenen runden an der unteren Epiphyse besonders auch da zu verfolgen, wo die Kernreihe in scharfer Abbiegung das untere Ende des Humerus umgreift und be- grenzt (vel. Fig. 7 Rz). Es zeigt sich dabei, dass es sich hier nur Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. $1 um eine dichte gegenseitige Anlagerung der hier zusammenstoßenden Skelettenden handelt; ja man ist sogar im Stande, an besonders dünnen Schnitten noch eine Zwischenzelllage zu erkennen, deren Zugehörigkeit weder zu dem einen noch zu dem anderen Skelett- stück aus dem indifferenten Verhalten ihrer Kerne hervorgeht. Gestützt auf obige Ausführungen ist es mir nicht möglich, einer Ansicht beizustimmen, wonach die Humerusanlage ununterbrochen in die beiden Skelettäste übergehen soll. Es ist dies eine Täuschung, der ich bei der Anwendung der Präparirmethode GoETTE’s (21) auch unterlag. Schnitte dagegen — namentlich solche von möglichster Feinheit, etwa 5 « diek — lassen unter Anordnung starker Systeme leicht ein Bild erkennen, wie es Fig. 7 wiedergiebt. Ich kann da- her Strasser (33) vollkommen beipflichten, wenn er sagt: »Der Humerus stellt also gegenüber der Scapula nicht nur vermöge der abweichenden Anordnung der Zellen, sondern auch mit Bezug auf die gewebliche Entwicklung schon sehr frühe und vor der Verknorpe- lung ein besonderes Centrum dar.« Ich möchte nur noch beifügen, dass auch die distale Grenze des Humerus gegen die beiden Vorder- armsäulen schon im prochondralen Stadium zu erkennen ist. Es wird diese Thatsache nicht widerlegt durch den Einwand, dass die sich an- legenden Vorderarmsäulen zu dieser Zeit aus einem Gewebe bestehen, welches auch dem Humerus beim Beginn seines Auftretens zukam. Dies beweist ja nur die Gleichartigkeit der Bildungen; für die Be- stimmung dagegen, ob eine Anlage als isolirt von einer anderen zu betrachten ist, kann nur ein zeitlicher Unterschied in der Ent- wicklung oder eine sicher erkennbare Formumgrenzung maßgebend sein. Vereinigen wir die einzelnen Serienschnitte, um hieraus ein körperliches Bild vom Oberarm zu erhalten, so finden wir, dass derselbe im Verlauf wie auch bezüglich seiner Form noch in keiner vollen Übereinstimmung mit den fertigen Verhältnissen steht. Er nimmt noch nicht jene Winkelstellung zum Vorderarm ein, verfolgt vielmehr noch die Richtung des übrigen Extremitätenstummels; seine Achse würde in ihrer Verlängerung zwischen die beiden ersten Finger eindringen. An seinem unteren Ende sind die beiden Con- dyli noch nicht ausgeprägt, es fehlt daher auch die Fossa intercon- dyloidea.. Der Gelenkkopf ist angelegt, wenn auch nicht in jener dem ausgebildeten zukommenden Gestalt; die beiden Muskelhöcker an seinem oberen Halse fehlen. Die Muskulatur ist in der Umgebung des Humerus in voller Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bad. 6 Ss) Wilhelm Zwick, Entwicklung, sie befindet sich jedoch viel näher dem embryonalen als dem fertigen Zustand. Am weitesten gediehen ist sie in der Nähe des oberen Humerusendes; hier besitzen die Zellen die Form von lang ausgezogenen Spindeln, an denen der langgestreckte Kern besonders vorspringt; in den in der Nähe des unteren Humerus- endes gelegenen Muskelzellen haben die Kerne noch eine runde oder ovale Gestalt. Zu einer Zeit, wo der Humerus in seiner Form, die zwar von der fertigen noch ziemlich abweicht, schon deutlich bestimmbar ist, sind die Vorläufer der beiden Vorderarmknochen nur annähernd als zwei durch eine kleine Lücke getrennte, gebogene und etwa gleich lange Säulen erkennbar. In der ulnaren derselben (U) bieten die Zellen noch ganz das Aussehen des axialen Blastems, im Radius (R) dagegen, der auch schon aufgehellt erscheint, sind sie schon in der Querrichtung abgeplattet, daneben sind zahlreiche dunkle, pro- chondrale Elemente bemerkbar. Die Abplattung der Zellen nimmt gegen das untere Ende der radialen Säule ab, die Zellkerne haben hier noch ihre rundliche Form beibehalten und ermöglichen daher noch keine sichere Erkennung der Grenze zwischen distalem Radius- ende und Handwurzel. Die distale Grenze der Ulna lässt sich Dank dem Vorhandensein einer Gefäßlücke (G/) an ihrem unteren Ende, welche den Querdurchschnitt der späterhin zwischen Ulnare und Inter- medium von der Volar- zur Dorsalfläche übertretenden Arteria per- forans carpi darstellt, zwar annähernd vermuthen, aber noch keineswegs bestimmt feststellen; es besteht vielmehr hier noch ein kontinuirlicher Zusammenhang von axialem Blastem. In der Handwurzel sind auf diesem Stadium noch keinerlei Differenzirungen vor sich gegangen. Den Raum zwischen Vorderarm und Handwurzel sieht man vielmehr auf Schnitten von einem un- seordneten Zellhaufen angefüllt, der sich ulnarwärts in einen Wulst verhreitert, aus dem sich mit der Zeit die beiden äußeren Finger mit ihren Carpalstücken entwickeln. In der Nähe der Basis der beiden Finger zeigt das Carpusgewebe an einer Stelle in so fern etwas Auffälliges, als hier die Zellen etwas lockerer gelagert sind, was dieser Stelle ein helleres Aussehen verleiht. Dies ist der erste Anfang der Entwicklung eines Carpale (Be, Fig. 7). Distalwärts schließen sich an das Gewebe des Carpus, jedoch, wie ich gleich bemerken will, schon auf diesem Stadium von ihm getrennt, die beiden ersten Finger an; dieselben. sind zu dieser Zeit etwa eben so weit entwickelt wie der Radius. - Die Zellen zeigen jene abge- Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 83 plattete spindelförmige Gestalt, mit ihrer Längsachse sind sie quer zur Wachsthumsrichtung gestellt, zwischen diesen finden sich zahl- reiche dunkle prochondrale Elemente, die, wie sich durch Doppel- färbung mittels Hämatoxylin-Eosin erkennen lässt, theils von Kern- masse, theils von dunklem komprimirtem Protoplasma gebildet fand. Die Umgrenzung der Finger wird durch Zellen hergestellt, deren Kerne durchweg noch runde Gestalt aufweisen; dieselben sind dicht neben einander gestellt und lassen sich in ihrer Gesammtheit als zusammengehörige Kernreihe an den beiden Enden wie auch an den Fingerseiten deutlich verfolgen. Larven von 8,5—9,5 mm (Fig. 3). Die vorliegende Entwicklungsstufe der Gliedmaße gehört zu Larven (Triton taeniatus) von 8,5—9,5 mm Kopfschwanzlänge. Makro- skopisch betrachtet fällt an den Extremitäten dieser Stufe im Ver- gleich zu der vorigen besonders eine Längenzunahme auf; auch tritt der ulnare Randwulst bestimmter hervor; der Oberarm hält mit dem Unterarm und der Hand auch noch dieselbe Richtung ein. Die Lage der Gliedmaßen ist noch unverändert: sie sind in sagittaler Richtung mit der späteren Beugefläche an die seitliche Rumpfwand angelehnt, während die Streckfläche nach außen schaut; der ulnare Rand ist nach oben, der radiale nach unten gerichtet. Serienschnitte bieten Folgendes: Die Aufhellung des Humerus ist bedeutend vorgeschritten; das obere Ende hat die Entwicklungs- höhe des Mittelstückes erreicht; in beiden finden sich schön aus- gebildete Alveolen mit großen, blass gefärbten, runden Kernen; im unteren Dritttheil des Humerus macht sich auch ein Bestreben der embryonalen Knorpelzellen geltend, sich auszudehnen und ihre gegenseitigen Abstände zu vergrößern. Die Kerne sind in diesem Bereich noch dunkler gefärbt, von eirunder Gestalt und an einem ihrer Pole oder an beiden ist dichtere protoplasmatische Substanz angesammelt, die in einen spitzen Fortsatz ausläuft. So zeigt sich auch in diesem wie im vorigen Stadium, dass der Knorpelbildungs- process in der Mitte des Oberarms einsetzte und sich von da gegen die beiden Epiphysen ausbreitete, schneller gegen die proximale als gegen die distale..e Am äußersten distalen Ende besteht noch eine Zone von zwei oder drei Zellreihen, deren Kerne noch dichtgedrängt stehen, und klein, rund oder eirund sind; zwischen diesen findet sich nur spärliches Protoplasma eingestreut. Diese Zone erscheint bei schwacher Vergrößerung als schmaler, dunkler Grenzstreifen zwischen 6* . 84 Wilhelm Zwick, den hier an einander stoßenden helleren Nachbaranlagen und liefert damit den Beweis, dass diese nicht unmittelbar in einander fließen. Ein weiteres Merkmal bietet uns dafür sicheren Anhalt, auf das auch STRASSER aufmerksam machte; den Oberarm wie auch die beiden Vorderarmsäulen durchsetzt nunmehr ein rosa-violetter Schim- mer, von dem sich in jener dunklen Zwischenzone nichts bemerken lässt. Wie starke Vergrößerung ergiebt, knüpft sich diese Färbung an die spitzen Ausläufer der zusammengepressten Elemente, wie auch an die Alveolenwände; je nach der Dichte des Substrats ist der Farbenton dunkler oder heller. Da diese röthliche Färbung stets auch der Knorpelgrundsubstanz des fertigen Knorpels eigen ist, so ist es berechtigt, dieselbe als Erkennungsmittel der ersten Knorpelbildung zu benutzen, wie dies von Seiten STRASSER’S (33) geschehen, und damit einen genetischen Zusammenhang zwischen genannten Gewebstheilen herzustellen. Die seitliche Umgrenzung des Oberarms ist sehr scharf, da die perichondralen Zellen mit ihren Kernen stark in die Länge gezogen sind und sich der Säule dicht anschmiegen. Bezüglich der Form lässt sich dem früher Gesagten nicht viel Neues hinzufügen: Die Säule ist länger und schlanker geworden, der obere Gelenkkopf hat seine Rundung vervollkommnet und an der distalen Epiphyse scheint es nun auch zur Ausbildung der Condylen kommen zu wollen, was sich in der Verschiedenheit ihres Durchmessers in den einzelnen Schnitten äußert. Außerdem zeigt auch der radiale Rand des Humerus in der Nähe der unteren Epiphyse eine geringe Einziehung. In Zusammenhang mit dieser dürfte es wohl zu bringen sein, dass auf den der Dorsalfläche näher gelegenen Schnitten zwischen den benachbarten Enden von Humerus und Radius Lücken sich bemerkbar machen, die oft nur durch eine schmale Brücke, hergestellt durch eine stark abge- plattete Zelle, getrennt sind. An einem besonders dünn gerathenen Schnitt konnte ich sogar die beiden Enden durch einen zusammen- hängenden Spalt in ihrer ganzen Breitenausdehnung geschieden sehen. In dieser Spalte liegen einzelne mehr oder weniger platte, spindelförmige Zellen, die nicht etwa von einer der Epiphysen losgerissen sind, sondern einer den Gelenkspalt durchsetzenden Bindegewebsmembran anzugehören scheinen. Von derartigen Spalt- lücken ist im ulnaren Antheil des Ellbogengelenks selbst unter Anwendung schärfster Systeme nichts nachzuweisen; die Enden legen sich vielmehr hier noch dieht an einander, ohne aber zu ver- schmelzen. | Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 85 Das den Humerus umgebende Muskelgewebe ist schon weiter entwickelt; man kann nunmehr, namentlich in seinem oberen Be- reich, Muskelfibrillen als an ihren Enden sich verjüngende Fäden erkennen, an denen ich Querstreifung noch nicht bemerken konnte, und die noch nicht zu Bündeln vereinigt sind. Neben den Fasern finden sich noch zahlreiche spindelförmige Zellen. Radius und Ulna treten in ihren Umrissen bestimmter hervor, sie sind ziemlich länger geworden, beide an Länge etwa gleich. Sie stellen gebogene Säulen dar, die einander ihre konkaven Ränder zukehren und dadurch eine große Lücke zwischen sich lassen; die lateralen Ränder sind entsprechend konvex. Die damit verbundene Längenverschiedenheit der Ränder ist auf Unterschiede im Wachs- thum zurückzuführen. Dasselbe geht am konvexen Rand schneller vor sich als am konkaven. Es drückt sich dies auch darin aus, dass die Grenzzellen in Folge eines hier kräftiger wirkenden Zuges längsgestreckt sind, während sie an den Innenrändern wie auch an den Epiphysen eine runde oder ovale Form beibehalten haben. Wie ich schon oben anführte, lässt sich die Grenze gegen den Oberarm schon bei schwacher Vergrößerung sicher bestimmen, nicht eben so leicht gegen die Handwurzel. Bei Betrachtung einzelner Schnitte dieser Serie mit schwachen Systemen bieten sich Bilder, für die man die Schilderungen und Figuren GoETTE’s theilweise als zu- treffend erachten möchte; man kann zu der Annahme kommen, als ob Radius und Ulna sich ununterbrochen durch den Carpus hindurch fortsetzten. Dabei scheint auf den einen Schnitten der radiale Ast in den ersten Finger überzugehen, auf anderen endigt er vor dessen Basis. Die ulnare Säule dagegen giebt den Eindruck, als ob sie sich oberhalb der Gefäßlücke in zwei Gabeläste theile, von denen der radialwärts gelegene in S-förmiger Biegung gegen den radialen Carpalast abbiegt und eine Strecke weit an diesen angeschmiegt verläuft; vor der Basis der beiden Finger erfährt er eine knoten- förmige Anschwellung, um dann ununterbrochen in den zweiten Finger zu endigen. Der ulnar von der Gefäßlücke verlaufende da- sesen setzt sich, wie es scheint, nach mehrfachen geringeren Biegungen in die Anlage des dritten Fingers fort. Zuhilfenahme der starken Vergrößerung giebt uns den sicheren Aufschluss, dass ein Zusammenhang in angedeuteter Weise nicht besteht. Die Säulen- strecke, so weit wir sie als Radius bezw. Ulna bezeichnen müssen, tritt gegenüber der Handwurzel durch das hellere Aussehen hervor; in ihnen finden sich jene oft beschriebenen, in der Quere abgeplat- Ss6 Wilhelm Zwick, teten Elemente eng auf einander geschichtet, die man in der Hand- wurzel vergebens sucht; eben so vermisst man jene charakteristische rosa-violette Färbung im proximalen Abschnitt der Handwurzel, end- lich vermag man die äußerste Grenzzellenreihe an den abgerundeten Vorderarmenden so genau zu verfolgen, dass wir über die distale Grenze des Vorderarms eben so wenig im Zweifel sein können wie über die proximale. Zu dieser Auffassung wird man sicher geführt, wenn man ganze Schnittserien durchmustert und dabei besonders auch sich an die Schnitte hält, welche der Medianebene näher liegen; weniger über- zeugend sind die der Dorsal- oder Ventralfläche benachbarten. In der Handwurzel haben sich nunmehr, wie wir bei Anwen- dung scharfer Systeme erkennen können, auch bedeutende Verände- rungen im Sinne einer fortschreitenden Sonderung der Anlagen vollzogen: Das auf der vorigen Stufe durch Auflockerung und gleichzeitige Aufhellung seiner Elemente in der Nähe der Basis der beiden ersten Finger in seiner ersten Anlage sichtbar gewordene Centrum (B.c, Fig. 8 und 9) hat sich bedeutend vergrößert. Die Zellen, die anfänglich ordnungslos neben einander lagen, gruppiren sich gleichsam einer vom Mittelpunkt des sich anlegenden Oentrums aus wirkenden Anziehungskraft folgend, zwiebelschalenartig in kon- centrischen Ringen um einander. Diese Umordnung schreitet vom Mittelpunkt gegen die Peripherie allmählich und gleichmäßig weiter. Die äußerste Bogenlinie des Basale commune oder Carpale //I be- rührt fast unmittelbar die proximalen Endstücke der beiden Finger- basen. Hervorheben muss ich, dass dieses Centrum sich schon von Anfang an einheitlich und gesondert von den Fingern anlegt, wie eine große Anzahl von mir hierauf untersuchter Schnitte überein- stimmend ergab. Durch Vertretung dieser Ansicht gerathe ich in Widerspruch sowohl mit STRASSER’s (33) wie GOETTE’s (21) Angaben. Obwohl ich letzterem Forscher, der das Basale commune als Ver- schmelzungsprodukt der Endstücke zweier Carpaläste auffasst und diese Zusammensetzung noch zu einer Zeit beobachten will, wo bei Triton taeniatus schon drei Finger ausgebildet sind (vgl. GoETTE's Fig. 9), hierin ganz entschieden entgegentreten muss, so nähern sich seine weiteren Ausführungen über die Sonderung dieses Stückes viel eher meinen Beobachtungen als diejenigen STRASSER’s (33). GOETTE (21) sagt nämlich Folgendes: »Dieses Vorderende zeigt sehr frühe die schon beschriebene Umbildung in embryonales Knorpelgewebe, wel- ches bisher ohne merkliche Unterbrechung mit dem gleichen Gewebe ie Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 87 der Finger zusammenfließt, um sich erst später wieder von demselben zu sondern; gewöhnlich bleibt es aber von Anfang an von demselben durch eine dunklere, weiche Zwischenschicht, d. h. die noch unver- änderte indifferente Zellmasse der ursprünglichen Anlage geschieden. Diese bald diekere bald schmälere Zwischenschicht bezeichnet das Gelenk der beiden ersten Mittelhandstücke mit dem sogenannten Carpale ///aut. oder dem Carpale rmIII nach der von mir vorge- schlagenen Bezeichnung. Abgesehen von dieser histiologischen Sonde- rung der Mittelhand und Handwurzel ist die Grenze zwischen beiden auch durch eine Einschnürung der Bildungsmasse an jener Gelenk- stelle angedeutet, welche auch dort nicht zu verkennen ist, wo die Knorpelbildung ohne Unterbrechung von der Handwurzel in die Mittelhand übergeht. Endlich ist die Anlage des Carpale rm III ge- wöhnlich etwas schmäler als der quere Durchmesser beider Skelett- äste, was auf eine wirkliche Zusammenziehung der Bildungsmasse während der Verschmelzung schließen lässt. Ähnlich wie gegen die Mittelhand ist jenes Stück auch in proximaler Richtung gegen die übrige Handwurzel durch eine leichte Einschnürung und meist auch durch die deutlich abgesetzte Knorpelbildung geschieden, so dass Carpale rm/II frühzeitig als ein besonderes, rundes Knorpelstück hervortritt.« Ich glaubte diese Stelle, die sich auf die Bildung des Carpale //I bezieht, desshalb ausführlich wiedergeben zu müssen, weil daraus hervorgeht, dass die Annahme einer Gewebskontinuität eine hypothetische ist, und nicht den Thatsachen entspricht. Denn obwohl GoETTE (21) die Diskontinuität der Anlage als den »gewöhn- lichen« Befund bezeichnet, glaubt er dennoch dem bisweilen vor- kommenden gegentheiligen Fall größeres Recht für eine allgemeine Schlussfolgerung einräumen zu müssen. Wäre es den Thatsachen nicht viel entsprechender, die selteneren Fälle als Ausnahmen zu be- handeln, die wahrscheinlich der Ungunst des Objektes zuzuschreiben sind? Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass sich obige Be- schreibung GOoETTE’s auf Untersuchungen an Triton cristatus be- ziehen. Präparate dieser Art mögen allerdings mehr geeignet sein, manchmal Zweifel über Zusammenhang bezw. Trennung von Skelett- anlagen zu veranlassen, jedoch konnte ich immer noch Merkmale finden, die mir hierüber sichere Auskunft verschaffen. Viel zuver- lässiger sind die von Triton taeniatus angefertigten Schnittserien. Diese lassen erkennen, dass an den vermeintlichen Übergängen des Basale commune in die Finger die Kerne verschiedene aber ganz bestimmte Verlaufsrichtungen einhalten. — Es ist hier noch 88 Wilhelm Zwick, nachträglich anzuführen, dass während der Anordnung der Zellen um einen Mittelpunkt deren Kerne eine geringe Gestaltsveränderung annehmen, in so fern sie eine leichte konkave Einbiegung an der dem Mittelpunkt der Anlage zugekehrten Breitseite, eine entsprechende Konvexität an der gegen die Peripherie gelegenen aufweisen. Achtet man auf diese Merkmale genau, so lässt sich an Nachbaranlagen, die mit ihren peripheren Grenzen hart an einander stoßen, die Zu- gehörigkeit der einzelnen Kerne nicht allzu schwer bestimmen. Selbstverständlich sind zu diesem Zwecke neben starken Systemen auch dünne Sehnitte erforderlich. Erleichtert wird die Grenzbestim- mung, wenn eine die Anlagen trennende Zwischenschicht, wenn auch nur von geringer Ausdehnung, vorhanden ist, da die Zellkerne in ihrem Bereich eine indifferente, mehr gerade Verlaufsrichtung er- kennen lassen. Diese verschiedene Kernrichtung beim Übergang des Carpus in die beiden Finger haben GOETTE und STRASSER offenbar übersehen, obwohl sie gerade hier sehr in die Augen fällt. Die äußerste Grenzzellenreihe des Basale commune verläuft in einer Bogenlinie, deren Konvexität gegen die Fingerbasis gerichtet ist. Andererseits lässt sich gut verfolgen, wie die seitliche Grenzzellen- reihe der Finger mit ihren durchweg kleinen, runden Kernen am proximalen Ende in eine gegen den Carpus sich vorwölbende Bogen- linie übergeht; der Krümmungsradius der letzteren ist viel geringer als der für den äußeren Begrenzungskreis des Basale commune. Dadurch, dass hier zwei Bogenlinien nahe an einander rücken, ohne dass es jedoch zu einer vollständigen Berührung kommt, bleibt zwischen beiden ein bikonvexer Spalt übrig, der sich zu beiden Seiten buchtartig erweitert. An diesen seitlichen Buchten (@ und 5 in Fig. 8) hat sich ein dieht gedrängter Haufen von Zellen mit kleinen runden Kernen angesammelt, von denen man einzelne gegen den Spalt vordringen sehen kann, ohne dass sie ihn in seiner Sanzen Breite durchsetzten; es finden sich vielmehr an der Stelle des geringsten Querdurchmessers des Meniscus Zellen, die durch ihre äußerst schmale plattgedrückte Gestalt auffallen und als solche eine Scheidung des Basale commune von den Fingern bewirken. Eben so wie distalwärts gegen die Finger lässt sich die Grenze des Basale commune auch gegen den übrigen Carpus bestimmen. An dünnen Schnitten findet man nämlich bei Benutzung starker Ver- srößerung, dass die Zellmasse, welche den Carpus in seiner Ge- sammtheit zusammensetzt, nicht mehr wie im vorhergehenden Stadium einen ungeordneten Haufen bildet, noch dass sie sich in Zellsäulen EEE Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 89 angeordnet hat, wie dies GOETTE und Strasser behaupten, sondern es ist vielmehr zu einer Sonderung in einzelne Bezirke oder Cen- tren gekommen; der Bildungsvorgang ist dabei derselbe, wie ich ihn oben für das Basale commune beschrieben habe. Wie aus Fig. 8 hervorgeht, lassen sich auf dieser Entwicklungsstufe außer dem Basale commune fünf weitere Centren bestimmt erkennen. Proxi- malwärts von der Anlage des Basale commune hat sich ein Centrum sebildet, das dem Centrale (c) entspricht; es besitzt nicht ganz den- selben Umfang wie ersteres, namentlich nicht denselben Querdurch- messer, woher es auch kommt, dass bei schwacher Vergrößerung der mittlere Handwurzelstrahl an seinem unteren Ende eine knotige Verdiekung zu haben scheint. Proximal von dem Centrale schließt sich die Anlage des Intermedium () an, welche den Querschnitt der A. interossea (A.r) radialwärts und auch theilweise distalwärts um- greift. Das Intermedium drängt sich zwischen die unteren Enden der beiden Vorderarmsäulen in die Vorderarmlücke ein; seine Ent- wieklungsstufe steht noch etwas hinter derjenigen der beiden vor- senannten Centren, jedoch hat in seinem unteren Theil die Auf- hellung als Zeichen einer beginnenden Knorpelbildung eingesetzt. Die Abgrenzung dieses Stückes gegen Ulna und Radius ist deutlich wahrzunehmen. Außer diesen drei Centren sind noch in der Ver- längerung des Radius zwei weitere in Bildung begriffen. Dieselben stehen in ihrer geweblichen Zusammensetzung fast noch ganz auf der Stufe des axialen Blastems, sind aber gleichwohl als solche durch die Centrirung der Kerne deutlich gekennzeichnet. Das mehr proximal gelegene entspricht offenbar dem Radiale (r); es ist wie das distalwärts von ihm gelegene von runder Form, übertrifft jedoch dieses an Größe und ist von ihm durch eine noch nicht differenzirte Gewebsmasse geschieden. Das distal gelegene Stück entspricht dem Carpale // (GEGENBAUR) (c,), dasselbe liegt entfernt von dem Metacarpale //, es legt sich sogar ein radialer Antheil des Basale commune zwischen beide ein; STRASSER (33) hat daher Recht, wenn er die späteren Beziehungen genannter Elemente als sekundäre be- zeichnet. Die übrige ulnarwärts gelegene Handwurzelanlage hat den Entwicklungsgrad des radialen Antheils noch nicht erreicht. Vom späteren Ulnare und Carpale V vermag ich noch nichts zu erkennen; dagegen macht sich ulnarwärts vom Basale commune eine kreis- förmige dichtere Zellansammlung bemerkbar, in der wir das Bil- dungscentrum des Carpale /V (c,) zu sehen haben. Die ulnare wulstförmige Zellwucherung, aus der später die beiden äußeren 90 Wilhelm Zwick, Finger auswachsen, zeigt im Ganzen das Bestreben, eine mehr läng- liche Form zu gewinnen. | Aus obiger Schilderung ist zu entnehmen, dass zusammenhängende Zellsäulen im Carpus nicht vorhanden sind. Gleichzeitigkeit der Ent- wicklung der Stücke einer Längsreihe, Gleichartigkeit oder wenig- stens geringe Verschiedenheit in der Form, Mangel einer ausgepräg- ten, die einzelnen Knorpelstücke trennenden Gewebsschicht, das sind die Faktoren, welche bei der Feststellung einer thatsächlich bestehen- den Trennung Berücksichtigung erheischen, und welche auf der anderen Seite geeignet sind, zu den mehrfach erwähnten Täuschungen Veranlassung zu geben. Die Entwicklung der beiden ersten Finger hält ungefähr gleichen Schritt mit derjenigen des Radius, jedoch sind die Zellen in den Fingersäulen noch mehr abgeplattet als in diesem. Beide Finger sind in der Entwicklung gleich weit gediehen, an Länge steht der erste dem zweiten nach. Näheres über den Ent- wicklungsvorgang werde ich weiter unten erwähnen. Larven von 9—12 mm Länge (Fig. 10). In den folgenden Perioden der Entwicklung behält der Humerus nicht mehr jene gleichsam indifferente Lage gegenüber dem Unter- arm bei, sondern setzt sich in einem etwa 130—140° betragenden Winkel gegen denselben ab. Diesen Grad der Abbiegung hat die Extremität schon bei 11 mm langen Larven von Triton taeniatus er- reicht. Gleichzeitig damit vollzieht sich auch die Entwicklung des Ellbogengelenks. So hat die schon im vorigen Stadium bemerkbar gewordene Einschnürung des radialen Randes am unteren Ende des Oberarms nach und nach einen deutlichen Gelenkkopf von einem schlanken Hals sich abschnüren lassen. Der Oberarm ist dadurch - zu einer leicht S-förmig gebogenen Säule geworden, die in der Haupt- sache schon ihre endgültige Gestalt zeigt. Auch die beiden auf den Oberarm folgenden Knorpelsäulen, Radius und Ulna, zeigen schon sanz die Verhältnisse des Erwachsenen. Dieselben sind vom Hume- rus durch eine verhältnismäßig breite Spalte getrennt. An dieser Stelle soll auf die Entwicklung des Ellbogengelenkes etwas näher eingegangen werden, wobei ich hauptsächlich die von HENKE und REYHER über die Gelenkbildung aufgestellten Beobach- tungen und Folgerungen im Auge habe. Diese beiden Forscher haben in ihren »Studien über die Entwicklung der Gliedmaßen des Men- schen, insbesondere der Gelenkflächen« den Nachweis zu erbringen sich bemüht, dass die Bildung der Gelenke und namentlich der Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 91 Gelenkflächen nicht ohne Weiteres auf Vererbung zurückgeführt werden könne, dass vielmehr ein schon während der Entwicklung sich bethätigender und allmählich auf die Ausbildung der fertigen Formen hinarbeitender Mechanismus in Gang komme. Sie räumten der gleichzeitig mit den Skeletttheilen sich entwickelnden Muskula- tur einen bestimmenden und modellirenden Einfluss auf die Form der Gelenkflächen ein und leiteten im Besonderen das »hypothetische Gesetz« ab, »dass aus einem Stadium der Amphiarthrose — d. h. einem Indifferenzstadium, das sich besonders durch die geringe Ver- schiedenheit der Gelenkflächen kennzeichnet — die Pfanne auf der Seite gebildet wird, auf welcher die Insertionen der überspringenden Muskeln wenig weit vom Gelenk entfernt sind«. Eine derartige Bei- ziehung mechanischer Einflüsse mag ja hypothetisch sehr naheliegend sein und es wäre zu erwarten, dass ähnliche physiologische Ver- hältnisse wie für die Extremitäten des Menschen auch für diejenigen der Tritonen in Betracht kommen. Wie verhält es sich nun aber damit thatsächlich? Die früher besprochenen ersten Anfänge der Bildung von Gelenkkopf und Pfanne kamen, wie wir mit Bestimmt- heit feststellen können, ohne jegliche Einwirkung der Muskulatur zu Stande, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil derselben noch sämmtliche Merkmale fehlten, welche das Muskelgewebe als solches kennzeichnen, und die es befähigten, durch seine Kontraktion Skelett- abschnitte in bestimmter Weise gegen einander zu bewegen. Ja selbst, wenn auch schon ein funktionsfähiges aktives Bewegungs- organ vorhanden wäre, so schließt doch schon die gegenseitige innige Anlagerung der an der Bildung des Gelenkes betheiligten Skeletttheile jede ausgiebigere Lageveränderung aus. Noch viel auf- fallender als für den unteren Gelenkkopf des Humerus ist der Aus- schluss der Muskelwirkung bei der Bildung des oberen Gelenk- kopfes, da dieser schon zu einer Zeit, wo die ihn umgebende Muskulatur noch in dem frühesten Stadium der Entwicklung steht, in einer dem ausgebildeten Zustand schon sehr ähnlichen Gestaltung sich zeigt. Auch für spätere Entwicklungsstadien des Humero- Antebrachialgelenks ist die Einwirkung der Muskeln nicht einwands- frei festzustellen. Zwar macht dasselbe in seiner Entwicklung rasch Fortschritte, und es beginnen sich die Abkömmlinge der vordem spindelförmigen Muskelzellen, die Muskelfasern schon zu Bündeln zu vereinigen,. jedoch kann ich weder von dem diese zusammen- haltenden Perimysium externum, wie auch von einer Querstreifung an den einzelnen Fasern zu einer Zeit etwas bemerken, wo die 92 Wilhelm Zwick, Gelenktheile schon fertig in die Erscheinung treten. Gerade auf letzteren Punkt möchte ich ganz besonderes Gewicht legen, da ja, wie EIMER bestimmt nachwies, die Querstreifung an der Skelett- muskulatur als Ausdruck ihrer Thätigkeit aufzufassen ist. Kann ich also der Muskulatur für die Ontogenese der Gelenke der Tritonextremitäten eine ausschließlich wirksame Antheilnahme an der Bildung der Gelenkformen nicht zuerkennen und muss ich vielmehr den auf Vererbung beruhenden Wachsthumsvorgängen für die erste typische Gestaltung der Gelenkflächen den alleinigen Ein- fluss zugestehen, so ist andererseits die Muskelwirkung für die phylogenetische Bildung der Gelenke durchaus nicht zu unterschätzen. Die Versuche Fıck’s (18a) haben in letzter Hinsicht einwandsfreie Beweise erbracht. Wir werden daher unsern Standpunkt dieser Frage gegenüber am besten kennzeichnen, wenn wir die während der Ontogenese der Gelenke sich abspielenden Vorgänge als auf langem Wege der Phylogenese erworbene ansehen, und zwar in der Weise, dass die im Lauf der Stammesentwicklung durch Thätigkeit entstandenen Umbildungen in der Ontogenese sich wiederholen, auch nachdem die sie erzeugende Ursache aufgehört hat zu wirken. Die Verknorpelung in der Handwurzel, welche an Larven von 9,5 mm Länge im Basale commune eingesetzt hatte, hat sich all- mählich über den ganzen radialen Handwurzelabschnitt ausgedehnt. Die Grenzen der einzelnen Handwurzelstücke sind nunmehr schwie- riger zu erkennen, da die letzteren in Folge der Ausbildung der Alveolen mit ihren Peripherien eng an einander stoßen. Die Beob- achtung der Kernrichtung bietet hier zur richtigen Beurtheilung den hauptsächlichsten Anhaltspunkt. Ein Zusammenfließen des Gewebes der einzelnen Carpusstücke, und zwar sowohl der in querer als der in der Längsrichtung an einander stoßenden kann ich in Rücksicht auf die ursprünglich gesonderte Bildung auch für diese Stufe nicht zugeben. Ich möchte einer gegentheiligen Anschauung besonders auch folgenden Satz GoETTE’s entgegenstellen: »Überhaupt ist wohl zu beachten, dass der Eindruck eines Zusammenfließens der knorpeligen Handwurzeltheile um so eher erzeugt wird, als an ihrer Oberfläche der Faserzug fehlt, den die langen als- bald mit Knochenröhren sich umgebenden Knorpel des Armes und der Finger besitzen und der ihnen schon frühe eine schärfere Abgrenzung verleiht.< In gleichem Sinne spricht sich STRASSER p. 285 aus: »Bedenkt man freilich, dass selbst vollständig getrennte Knorpelflächen sich so vollständig an einander legen können, dass genaue mikroskopische Untersuchung a priori kaum zum Entscheid über die Art des Zusammenhanges verhilft, so begreift man, dass Beobachter, _ die mit gröberen Methoden arbeiten, hier leicht der Täuschung verfallen können.< Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 93 Im Verlauf der weiteren Ausbildung der Stücke treten übrigens bald an ihrer Peripherie dunkle, stark plattgedrückte Zellen auf, welche dann schon bei schwacher Vergrößerung die Grenzbestim- mung der einzelnen Stücke ermöglichen. Das Carpalstück des dritten Fingers hat sich sehr rasch entwickelt und geht in der Verknorpelung dem zugehörigen Finger voran. Noch mehr tritt dieser zeitliche Unterschied in der Ausbildung zwischen dem Basalstück des vierten Fingers und diesem selbst hervor. Bisher habe ich die Entwicklung der Finger als von zusammen- hängenden Säulen geschildert, ohne dabei ihrer Gliederung in Unter- abschnitte zu gedenken. Über eine solche vermag man an den bei- den ersten Fingern nicht ohne Weiteres klar zu werden, sie tritt vielmehr erst an dem sich entwickelnden dritten und vierten Finger hervor, da bei diesen der Vorgang ein langsamerer ist. An geeig- neten Präparaten ist mit Bestimmtheit zu entscheiden, dass eine Gliederung schon bei dem frühesten Auswachsen dieser Finger sich einstellt. Metacarpus und Phalangen sondern sich aus dem undiffe- renzirten Blastem des ulnaren Randwulstes in runder Form ähnlich wie die Carpusstücke, um erst nachträglich mit der Streckung der Fingersäule die langgezogene Gestalt zu erhalten. Die Centrirung der einzelnen Theile erfolgt in proximo-distaler Reihenfolge, dess- gleichen die Verknorpelung. Bei etwas vorgeschrittener Entwicklung der Finger bis zu dem Grad, wie ihn die beiden ersten Finger im vorhergehenden Stadium zeigten, verwischen sich die Gliederungs- stellen, da die Einzelabschnitte in der Entwicklung auf gleicher ‚ Stufe stehen. Der einzige Anhalt ist darin geboten, dass die Enden der Fingerabschnitte mit abgerundeten Flächen gegen einander stoßen, so dass seitlich an den Gelenkstellen Einbuchtungen entstehen, ähn- lich wie ich sie für die Zusammentrittstelle der proximalen Epi- physe mit dem Basale commune beschrieben. Besonders deutlich gekennzeichnet sind die Gliederungsstellen an den Fingerdurchschnit- ten, welche Sehnenanlagen der Flexoren enthalten, da man hier deutlich verfolgen kann, wie ursprünglich drei Zellreihen neben einander verlaufen, und wie die eine nach der anderen am Meta- carpo-Phalangealgelenk, ersten Interphalangealgelenk etc. ihr Ende finden (vgl. Fig. Se, und &). Mit dem Fortschreiten der Verknorpe- lung verbreitern sich die Gelenkanlagen — was namentlich bei Triton eristatus hervortritt —; an diesen Stellen fallen auch dunkle, dichte Zwischenscheiben auf, hergestellt durch quer liegende, lang aus- gezogene, spindelförmige Zellen; an gut gerathenen Schnitten lässt 94 Wilhelm Zwick, sich erkennen, dass die Scheibe aus drei Zellreihen sich zusammen- setzt, von denen je eine zur Abgrenzung der betreffenden Gelenk- enden dient, während eine zwischenliegende als Querdurchschnitt einer dieselben trennenden Gewebsschicht aufzufassen ist (Fig. 10a und d. Späterhin wölben sich die distalen Enden der Metacarpen bezw. Phalangen leicht vor, während die proximalen eine seichte Pfanne bilden. Schon auf früherer Stufe zeigte sich auch die An- lage des Kapselbandes, auf Schnitten als eine zu beiden Seiten der Gelenke vom einen zum anderen Gelenkende verlaufende Kernreihe kenntlich. Aus den bisherigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die einzelnen Theile des Extremitätenskeletts sich sämmtlich aus einem urspünglich gemeinsamen Grundgewebe schon sehr frühe als Sonderanlagen entwickeln. Mit diesem Ergeb- nis ist also die übereinstimmende Entwicklung der säulenförmigen und der runden Skelettstücke je unter sich wie auch dieser beiden Grup- pen unter einander dargethan und sind auch gewisse Widersprüche beseitigt, welche sowohl die Anschauung von STRASSER (33) wie die- jenige von GOETTE (21) nach dieser Richtung enthielt. Die Beschreibung des Entwicklungsganges der Tritonextremitä- ten bezog sich durchweg auf Larven von Triton taeniatus; die Untersuchung erstreckte sich jedoch auch auf solche von Triton eri- status. Ich konnte bei Durchmusterung der vielfachen Schnittserien durch Extremitäten von Larven letzterer Art auf nichts stoßen, was den an jenen gewonnenen Ergebnissen widersprach. Dass ich der Beschreibung Larven von Triton taeniatus zu Grunde legte, ist ein- zig und allein auf die langsamere gewebliche Entwieklung ihres Extremitätenskeletts zurückzuführen, welche uns in deren einzelne Phasen viel besseren Einblick gewährt und damit ein viel zuver- lässigeres Urtheil ermöglicht. Über Hand- und Fufswurzel der Anuren. Schon zu Anfang meiner Arbeit habe ich darauf hingewiesen, dass GEGENBAUR (19) bei der Aufstellung eines typischen Grundplans für den Carpus und Tarsus sich von dem Gedanken leiten ließ, die Hand- und Fußwurzelbildungen der über den Urodelen stehenden Abtheilungen der Wirbelthiere von dem bei jenen gewonnenen Ge- sichtspunkt aus vergleichend zu untersuchen, um etwaige Abwei- chungen richtig zu beurtheilen. Eine Prüfung dieser Extremitäten- - abschnitte bei den Änuren lässt nun die eigenthümliehe Erscheinung Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 95 erkennen, dass diese, die schon so weitgehende Formabweichungen von denen ihrer nächsten Verwandten bieten, es erschweren, hierin den für den Carpus und Tarsus der Salamanderlarve aufgestellten Typus wiederzufinden. Es ist wohl naheliegend, diese Veränderungen mit der eigenartigen Gebrauchsweise der Gliedmaßen der Anuren in Zusammenhang zu bringen. Während beide Gliedmaßenpaare der seschwänzten Amphibien noch in gleichmäßiger und ursprünglicher Weise zu einfacher Schreitbewegung dienen, ist bei den schwanz- losen diese Gleichmäßigkeit in der Benutzungsweise aufgehoben und hat mit dem Übergang in die ausgiebigere Sprungbewegung in so fern einer ausgeprägten Arbeitstheilung Platz gemacht, als die Hintergliedmaßen, welche im Ruhezustand unter dem Körper eng zusammengefaltet liegen, die Aufgabe übernommen haben, bei ihrer Streckung den Körper rasch und kraftvoll von der Unterlage abzu- stoßen, eine Strecke weit zu scehleudern und damit eine Bewegungs- form herzustellen, die wir als »Springen« bezeichnen. Die Ausübung dieser Springthätigkeit hat an dem Skelett der Hintergliedmaßen Veränderungen hervorgebracht, die sich vor Allem in einer bedeu- tenden Verlängerung der beiden Röhrenknochen, des Ober- und Unterschenkels aussprechen, sowie darin, dass dem Extremitäten- stiel noch zwei weitere säulenförmige Knochen (Calcaneus und Astragalus) einverleibt sind, welche ursprünglich dem Mittelfuß ange- hörten. Diese Verlängerung der Hintergliedmaßen ist verhältnis- mäßig am bedeutendsten bei Laubfröschen (Hylidae), welchen sich die Frösche (Ranidae) anschließen, während andererseits die Hinter- sliedmaßen der Kröten (Bufonidae) denen der vorgenannten an Länge ziemlich nachstehen. Dem entsprechend stuft sich auch das Spring- vermögen ab. Nach Kenntnis solch enger Beziehungen zwischen Skelettbildung und Gebrauch dürften wir auch keinen Fehlschluss begehen, wenn wir letzteren in ursächlichen Zusammenhang mit gewissen Umbildungen am Knochengerüst bringen und für diesen besonderen Fall der Ausübung der Springthätigkeit die bedeutende Verlängerung der Hintergliedmaße auf Kosten der Wirbelsäule zu- schreiben. Als Beweis hierfür dürfte auch die Thatsache gelten, dass Thiere, die systematisch weit von einander abstehen, denen aber ähnliche Bewegungsformen eigen sind, auch analog gebaute Hintergliedmaßen aufweisen. Solche physiologische Beziehungen mit den Fröschen finden sich beispielsweise beim Känguruh (Halma- turus), der Springmaus (Dipus) und etwa noch dem Hasen (Lepus). Wenn nicht volle Übereinstimmung des Gliedmaßenbaues bei den 96 } Wilhelm Zwick, erwähnten Thieren besteht, so beruht dies naturgemäß auf Besonder- heiten im Gebrauch oder auf Benutzung der Extremitäten zu be- stimmten Nebenfunktionen. So musste z. B. der Fuß der Anuren, da diese nicht ausschließliche Landbewohner sind, sondern mehr oder weniger lange Zeit im Wasser verbringen, die Funktion des verloren gegangenen Schwanzes übernehmen und als Schwimmorgan dienen. Dem entsprechend ist derselbe stark verbreitert und abge- plattet und vermag gleichsam als Ruderschaufel am Ende eines langen Ruderstiels das Wasser kräftig zu schlagen und den Körper energisch vorwärts zu treiben. Die Vordergliedmaßen spielen bei der Bewegung im Wasser wie auf dem Lande eine mehr oder weniger unthätige Rolle. Wäh- rend des Schwimmens schmiegen sie sich der seitlichen Rumpfwand dicht an, bei der Bewegung auf dem Lande fangen sie nach dem Sprung den wieder zu Boden fallenden Körper auf und stützen den Vorderkörper während der Ruhe. Neben dieser Funktion als Stütz- und Haftorgan, zu welch letzterem Zweck die breitflächige Hand durch Spreitzen der Finger eine möglichst breite Unterlage zu ge- winnen sucht, kommt der Hand bei vielen Anuren noch die Aufgabe eines Greiforgans zu, und zwar dies vermöge eines gegenüberstell- baren Daumens, der sich mit Kraft den übrigen Fingern entgegen- stemmt und damit der Hand dieser Thiere, welche bekanntlich zur Zeit der Begattung die höchste Kraftleistung zu erzielen vermag, die Fähigkeit verleiht wie eine Zange zu wirken. Die Kenntnis solch enger Beziehungen zwischen dem Skelett der Gliedmaßen und deren Gebrauch muss bei der Beurtheilung des ersteren sehr in die Wagschale fallen, da wir nur hierdurch mancherlei sonst unverständliche Formgestaltungen am Knochengerüst verstehen lernen. A. Handwurzel. Die Arbeiten, welche sich mit dem Bau der Handwurzel der schwanzlosen Amphibien beschäftigen, sind sehr zahlreich; mehrere Forscher, wie Cuvıer (14), Owen (30), Duszs (15), MEcker (29), EcKER (16), GEGENBAUR (19), Emery (17), Howes und RıpEwooD (22) u. A. haben hierüber schon Untersuchungen veröffentlicht, ohne dass bis jetzt eine einheitliche Auffassung bezüglich der Deutung der einzelnen Stücke erzielt worden wäre; im Gegentheil wäre man berechtigt zu sagen, dass fast mit jeder neuen Arbeit auch eine neue Ansicht aufgetaucht ist. Auf die Darlegung der verschiedenen Be; Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 97 Meinungen will ich hier nicht eingehen, möchte sie vielmehr in eine am Schluss dieser Abhandlung folgende Besprechung verflechten. Beschreibender Theil. Anmerkung. Bei der Beschreibung der Handwurzel der verschiedenen Anurengruppen will ich mich nicht ganz genau an die systematische Ordnung halten; ich behandle die Aglossa statt in erster in letzter Reihe, weil sie in ihrem Carpusbau Besonderheiten bieten, welche erst nach Kenntnis der mehr typischen Formen richtig beurtheilt werden können. Zunächst benutze ich die von ECKER (16) geübte Bezeichnungsweise (für die zweite Handwurzelreihe in etwas abgeänderter Form). Die vorläufige Umgehung der GEGENBAUrR'schen Benennungsweise geschieht desshalb, weil diese an und für sich schon eine gewisse Bedeutung für die einzelnen Stücke in sich schließt; am Schluss werde ich dann wieder auf diese zurückkommen. Die Beschreibung der Handwurzel der mit einem Stern versehenen Anurenformen ist der durch Benutzung reich- haltigen Materials sich auszeichnenden Abhandlung von HowEs und RIDEWOOD (22) entnommen. Unterordnung Phaneroglossa. I. Sektion. Raniformia. 1. Familie. Ranidae. Gattung Rana (Fig. 11). Die Untersuchung erstreckte sich auf Rana temporaria, R. viridis, R. fascigula; von R. temporaria wurden Gliedmaßen von Larven in den verschiedensten Altersstufen in Schnittserien zerlegt. Die Handwurzel sämmtlicher Angehöriger der Gattung Rana. setzt sich übereinstimmend aus sechs Stücken zusammen. Den mit der Ulna artikulirenden, etwas volarwärts verschobenen Knochen bezeichnet Ecker (16) als Pyramidale (p), seinen den Radius stützen- den Nachbar als Lunatum (?) und das einwärts sich an dieses an- lehnende Knochenstück als Naviculare (2); das letztere erreicht beim Männchen mit seiner oberen randförmigen Fläche das untere Radius- ende, während es beim Weibchen etwas von diesem entfernt bleibt. Durch seine Breiten- wie Höhenausdehnung fällt ein Knochen (AA, Fig. 11) auf, der sich zwischen die zwei erstgenannten Elemente und die proximalen Enden der drei äußeren Mittelhandknochen ein- schiebt und zur Artikulation mit diesen drei Gelenkhöcker besitzt; an seiner Streckfläche ist eine rinnenförmige Vertiefung sichtbar, herrührend von den beim Stützen der Hand sich eindrückenden oberen Gelenklippen der Metacarpuspfannen; am ulnaren Seitenrand sendet er einen starken Fortsatz gegen das distale Ende der Ulna empor. In die distale ausgehöhlte- Fläche des Naviculare (2) senkt Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. H 98 Wilhelm Zwick, sich ein rundliches Stück (m) ein und bildet mit jenem zusammen einen Gelenkkopf, zu welchem die carpalen Gelenkflächen des Meta- carpale / und des sich seitlich an diesen anlehnenden napfartigen Knochens R%A/ die zugehörige Pfanne abgeben. Auf R%/ folgt ein längliches Stück ZAII, dasselbe ist beim Männchen knöchern, beim Weibchen knorpelig. Gattung Pseudes. Howes und RıDEWooD (22) untersuchten die Handwurzel von Pseudes paradoxa*, welche sich von derjenigen der Gattung Rana dadurch unterscheidet, dass das Naviculare unter dem Lunatum liegt, also keine Beziehungen zum Radius unterhält; der erste Randknochen! ist in die Länge gezogen und fast eben so lang wie der zweite. In der Handwurzel der Gattungen Ceratophrys (Fig. 12), Cysti- snathus (Fig. 13) und Leptodactylus* stößt das Navieulare an das untere Radiusende an und bildet mit dem Lunatum und Pyramidale die antebrachiale Knochenreihe, bei Limnodynastes* erreicht das Naviculare das Radiusende nicht ganz. In der distalen Handwurzel- reihe liegen bei Ceratophrys cornuta und Limnodynastes tasmaniensis zwei Knochen, deren besondere Verhältnisse mit den für Rana er- wähnten übereinstimmen. Bei Cystignathus (Fig. 13) stützt das Capi- tato-hamatum (AA) nur zwei Mittelhandknochen, da den beiden ersten je ein besonderes kleines rundliches Stück aufliegt. An der radia- len Randseite weisen Ceratophrys (Fig. 12) und Leptodaetylus drei, . Cystignathus (Fig. 13) und Limnodynastes nur zwei Randknochen auf. Die Größe des proximalen derselben übertrifft mehr oder weniger diejenige des Multangulum maius (m). Der distale Randknochen ist bei Limnodynastes besonders groß und breit, auch erwähnen Howes - und RIiDEwooD (22) besonders noch von ihm: »This consists of a single element, which is in the male shovel-shaped and beset by a horny investment, much in the manner of the Calear in Pelobates or Helioporus.« M 2. Familie. Discoglossidae. In dieser Familie finden wir so ziemlich alle Variationen ver- einigt, welche bei den verschiedenen Anuren in der Handwurzel überhaupt vorkommen. | Bei Megalophrys montana (Fig. 14) strebt das Naviculare in die erste Reihe empor, ohne jedoch das untere Radiusende zu erreichen; sonst verhält sich der Carpus wie der von Rana. ! Diese Bezeichnung ist der Arbeit von A. CARLSSON entnommen. Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 99 Chiroleptes*. Howes und RIDEwooD (22) geben von der Hand- wurzel dieser Gattung zwar keine besondere Beschreibung, jedoch ist zu entnehmen, dass, abgesehen von der besonderen Beschaffen- heit des zweiten Randknochens im Handwurzelbau vollständige Über- einstimmung mit demjenigen von Limnodynastes besteht. Pelodytes*. Bei Pelodytes punctatus artikulirt das Navieculare mit dem unteren Radiusende; dem ersten und zweiten Metacarpale kommt je ein gesondertes Carpalstück zu. Die Randknochen sind stark ausgebildet und in der Dreizahl vorhanden. Discoglossus*. Den Vorderarm stützen bei Discoglossus pietus* nur zwei Knochen. Das Naviculare ist durch das Lunatum radio distal- wärts verdrängt. In der zweiten Reihe findet sich für jedes Meta- carpale ein besonderer Stützknochen, von denen das Hamatum am srößten ist. Nach der Angabe von HoweEs und RıDEWooD zieht vom Capitatum zum Kopf des Metac. ZV ein Band, das ihrer Auffas- sung gemäß den Überrest des eigentlichen vierten Carpalknochens darstellen soll. Die vorhandenen zwei Randknochen sind verhält- nismäßig groß, der zweite übertrifft den ersten, dieser die drei ersten distalen Carpusknochen an Größe. Xenophrys. Xenophrys monticola* stimmt mit der vorhergehen- den Gattung darin überein, dass auch hier der distalen Reihe vier einzelne Knochen zukommen, außerdem soll sich hier auch wieder ein eben solcher Bandzug finden, der in der Nähe seines metacar- palen Ansatzes einen Knorpel in seinem Gewebe enthalten soll; da- segen ist das Navieulare hier Angehöriger der ersten Carpusreihe, die Randknochen verhalten sich ähnlich wie bei Rana. 3. Familie. Alytidae. Gattung Alytes. Alytes obstetricans (Fig. 15) schließt sich in der Zusammensetzung seiner Handwurzel an Discoglossus an. Bei zwei vierbeinigen Alyteslarven fand Born (9) inmitten des Carpus ein freies, wohl abgegrenztes Knorpelehen von halbmondförmiger Gestalt, das bei zwei anderen Handwurzeln von Alytes mit c; (A in Fig. 15) verwachsen war und an demselben einen deutlichen zungen- förmigen Fortsatz bildete. Born (9) hält diesen Knorpel für ein Centrale. 4. Familie. Bombinatoridae. Gattung Bombinator. Der Bau der Handwurzel von Bombinator igneus (Fig. 16) ist derselbe wie von Discoglossus, die Zahl der Rand- knochen ist um einen vermehrt. 15 100 Wilhelm Zwick, Gattung Pelobates. Für Pelobates fuscus (Fig. 17) ist die An- näherung des Naviculare an das Radiusende eine ausgesprochenere als für Bombinator; in der zweiten Reihe finden sich vier Stücke, deren Lage und Größenverhältnis aus Fig. 17 zu ersehen ist. Hin- sichtlich der Randknochen gilt das von Rana Gesagte. Wie bei Larven von Alytes fand Born (9) auch bei solchen von Pelobates dasselbe unabhängige Centrale. Auch EmeryY fand an Larven von Pelobates fuscus ein kleines, wohl unterscheidbares und auf einem sewissen Stadium konstantes Knorpelstück, welches später mit dem Carpale /// verschmilzt und mit dem von Born (9) erwähnten iden- tisch sein soll. Unter den von mir untersuchten verschiedenalterigen Larven von Pelobates konnte ich in einem Fall ein ovales Knorpel- stück als Sonderanlage erkennen, das sich zwischen das Hamatum und das Lunatum einschob und später jedenfalls mit dem Carpal- stück des äußeren Fingers verwächst. II. Sektion. Bufoniformia. 1. Familie. Phryniscidae. Gattung Phryniscus. Bei Phryniscus albifrons (Fig. 18) liegt das Naviculare dem distalen Radiusende nahe, ohne es jedoch zu er- reichen; im Übrigen liegen die Verhältnisse wie bei Rana. Howes und RıpEwoop fanden bei Phryniscus varians* eine Verschmelzung des Carpalstücks des Daumens mit dem Navieulare; bei Phryniscus cruciger* waren sogar die beiden ersten Carpalstücke, die zuge" hörigen Metacarpalia und das Naviculare verwachsen. Bei Brachycephalus“® ist nach Angabe derselben Forscher das Carpale des Daumens mit seinem Metacarpale verwachsen. Pseudo- phryne Bibronii bietet eine Abweichung dahin, dass den beiden ersten Metacarpalia je ein besonderes Carpusstück aufliegt. 3. Familie. Bufonidae. Gattung Bufo. Die von mir untersuchten Arten dieser Gattung (Bufo vulgaris, viridis, agua [Fig. 19], pantherinus) weisen mit an- deren von Howes und RIDEWooD geprüften übereinstimmende Merk- male in ihrer Handwurzel auf: bei allen finden sich in erster Reihe drei Knochen; das große Capitato-hamatum ist gemeinsames Basal- stück für die drei äußeren Metacarpalia. Der Innenseite des ersten Fingers sind drei Randknochen angefügt, von denen der erste am größten und etwa eben so groß wie das Multangulum maius (7) ist. er Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 101 III. Sektion. Hylaeformia. 1. Familie. Polypedatidae. Gattung Polypedates. Von dieser Gattung habe ich Polypedates leucomystax (Fig. 20) untersucht, dessen Handwurzel sich eben so verhält wie diejenige von Rana; erwähnenswerth wäre nur die sichel- föürmige Gestalt des zweiten Randknochens. Limnodytes (Fig. 21) verhält sich wie Megalophrys. Mit Rana stimmen ferner nach Howes und RIDEwooD (22) überein: Ixalus leucorhinus, Megalixalus mada- gascariensis, Rappia marmorata, Rhacophorus und Üornufer. 2. Familie. Hylidae. Gattung Ayla. So weit Untersuchungen vorliegen (H. arborea, cyanea, rubra, peronii, coerulea*, freycineti”, lichenata*, ewingii*) kennzeichnen durchgreifende gemeinsame Merkmale im Handwurzel- bau die Angehörigen dieser Familie (Fig. 22). Das Naviculare liegt unterhalb und einwärts vom Lunatum. Gewöhnlich sind drei Rand- knochen vorhanden. Bei einem der beiden von mir untersuchten Exemplare von Hyla eyanea fand ich jedoch fünf wohl gesonderte Einzelstücke. Die beiden proximalen waren vollständig verknöchert, das dritte und vierte enthielten einen Verknöcherungspunkt, wäh- rend das Endstück noch rein knorpelig war; an den beiden Händen eines weiteren Exemplars waren nur drei Randstücke vorhanden (Fig. 22), ohne dass deren Gesammtlänge derjenigen der fünf Stücke nachstand. Unterordnung Aglossa. Pipidae. Gattung Pıpa. Bei Pipa surinamensis (Fig. 23) sind die beiden Vorderarmknochen innig verwachsen, der fast einheitlich erscheinende Knochen ist stark abgeplattet, der ulnare und der radiale Rand sind sehr zugeschärft. Im Bau der Handwurzel weicht dieses Thier wesentlich von den übrigen Anuren ab. Dieselbe setzt sich ein- schließlich des radialen Randknochens aus sechs Stücken zusammen, deren gegenseitige Lagebeziehung aus Fig. 23 zu ersehen ist. Ich will es unterlassen, die einzelnen Stücke näher zu beschreiben, da ja dies von JUNGERSEN (25) in ausführlicher Weise geschehen. Dieser Forscher hat auch darauf hingewiesen, dass frühere Untersucher bei der Beschreibung der Handwurzel von Pipa entweder die ulnare und radiale Seite (SCHNEIDER, MECKEL, MAYvER) oder die Streck- und 102 Wilhelm Zwick, Beugefläche verwechselten (BrRühL, HoweEs und RıDEwooDp). Erstere Verwechslung hat dazu geführt, dass man früher der Wabenkröte in so fern eine Ausnahmestellung zuerkannte, als sie an den inneren Fingern drei, an den beiden äußeren zwei Phalangen besitzen sollte, während sie in der That wie die übrigen Anuren an den inneren Fingern zwei, an den äußeren drei Phalangen aufweist. Die Dor- salfläche ist besonders dadurch gekennzeichnet, dass sich hier im Bereich des unteren Radiusendes ein Sesambein vorfindet (s in Fig. 23). EmeErY (17) ist geneigt, in demselben das Intermedium zu sehen. Dieser Vermuthung kann ich nicht beipflichten; ich fand ein der- artiges Sesambein auch bei vielen anderen Anuren an derselben Stelle, namentlich auch bei den Fröschen und Kröten (vgl. Fig. 24). Dasselbe ist bei allen in die Sehne der hier zusammentretenden beiden Köpfe des M. antibrachii lateralis superfieialis (ECKER) ein- sebettet (Fig. 24 M.ant.lat.s).. Von der Stelle, welche das Sesambein enthält, zweigen sich zwei Endsehnen ab, von denen die eine das untere Ende der Ulna umgreift, und lateralwärts ihr Ende findet, während die andere sich zum Naviculare begiebt. Derjenige Theil der Sehne, welcher jenes Sesambein einschließt, unterliegt einer stetigen Rei- bung seitens des unteren Radiusendes; der fortwährend ausgeübte Reiz hat dortselbst eine Umbildung des Sehnengewebes in Knochengewebe bewirkt. Howes und RıDEwooD (22) konnten dieses Sesambein bei jungen Exemplaren von Pipa nicht auffinden. Nach all Dem dürfte wohl einwandfrei angenommen werden können, dass dieser Knochen in Folge der Thätigkeit erworben wurde und keinen typischen Hand- wurzelknochen darstellt. Volarwärts artikulirt mit dem proximalen Ende des ersten Mittelhandknochens ein rundliches Knöchelchen, das dem ersten Randknochen an der Hand der übrigen Anuren ent- spricht. Über denselben zieht, wie ich an dem mir zur Verfügung gestandenen einzigen Exemplar sehen konnte, die Sehne eines Mus- kels hinweg, der an der Beugefläche des ulnaren Vorderarmtheils in dessen mittlerem Bereich entspringt, und dessen Sehne am ersten Mittelhandknochen endigt. — Versuchen wir eine Übereinstimmung im Bau der Handwurzel mit derjenigen der übrigen Anuren zu er- zielen, so müssen wir in dem großen ulnaren Knochen (R + p) ein vereinigtes Pyramidale und Hamatum sehen. Das radiale keilförmige Stück (2) entspricht dem Lunatum, das unter ihm gelegene dem Naviculare. Das Multangulum maius ist mit dem proximalen Meta- carpusende verwachsen, da die Epiphyse stark konvex und ver- knöchert ist (vgl. Brachycephalus*). Den beiden mittleren Mittel- Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 103 handknochen liegt je ein besonderes Stück auf, die beide etwas volarwärts verschoben sind. Familie Dactylethridae. Gattung Xenopus*. Bei Xenopus laevis finden wir statt des sroßen ulnaren Stückes je ein gesondertes Pyramidale und Hama- tum. Dem ersten Mittelhandstück liegt wie den übrigen ein geson- dertes Carpale auf; im Übrigen sind die Verhältnisse dieselben wie bei Pipa. Eine nähere Beschreibung der Handwurzel dieses Thieres findet sich bei JUNGERSEN. Zusammenfassende Besprechung. Es ist eine der am meisten umstrittenen Fragen über den Anurencarpus, ob der ersten Reihe desselben drei oder nur zwei Stücke zuzurechnen seien, da, wie eine vergleichende Betrachtung der Handwurzel der verschiedenen Angehörigen dieser Gruppe er- seben hat, das Naviculare bei den einen Thieren innigere Be- ziehungen zu der proximalen Reihe unterhält, bei anderen von der- selben mehr entfernt liegt. Die Ansichten der Forscher, die sich mit dieser Frage beschäftigten, gehen hierüber sehr aus einander. Die älteren, wie Cuvıer (14), Ducks (15), Ecker (16), stellen das- selbe auf Grund ihrer Untersuchungen über die Handwurzel der Kröten und Frösche in die erste Reihe, EckER (16) fügt noch be- sonders bei: »Offenbar ist die von Ducks und hier gebrauchte Benennung die allein richtige, nur dass hier das Os naviculare ganz außer Berührung mit der Gelenkfläche des Os antibrachii gekommen ist.«e Dieser Auffassung trat GEGENBAUR (19) zum ersten Mal ent- gegen. Nach ihm ist das Naviculare Ecker’s das Üentrale, das Lunatum gleich dem Radiale und das Pyramidale gleich dem Ulnare, während das Intermedium ausgefallen sein soll. GEGENBAUR lässt es dabei dahingestellt, ob, wie dies der entsprechende Vorgang bei den Salamandrinen lehrt, das Intermedium mit dem Ulnare ver- wachsen, oder ob es — was er für wahrscheinlicher hält — in die Verwachsung der beiden Vorderarmknochen eingegriffen sei, wobei seine Masse also gleichsam als Verbindungskitt der beiden vordem getrennten Vorderarmknochen verbraucht wurde. Allerdings betont GEGENBAUR (19), dass einer derartigen Aufstellung nur der Werth einer Annahme beizumessen sei. Dass sie aber,auch als solche nicht stichhaltig sein dürfte, geht einmal daraus hervor, dass einerseits für den Fall einer Verwachsung das Intermedium mit dem Ulnare 104 Wilhelm Zwick, auch die Hohlhandpartie der A. interossea ([ZUCKERKANDL) bezw. die A. perforans (Emery) die Masse dieses Stückes durchbohren müsste, wie dies z. B. bei den Salamandrinen für das verwachsene Ulno- intermedium zutrifft, während sie in Wahrheit auswärts vom Luna- tum, zwischen diesem und dem Pyramidale von der Beuge- zur Streckfläche des Carpus dringt. Gegenüber einer Mitbetheiligung des Intermedium an der Verwachsung der beiden Vorderarmknochen wäre andererseits zu betonen, dass es zahlreiche Fälle in der Wirbelthierreihe giebt, wo bei gleichzeitigem Fortbestehen eines Intermedium beide Vorderarmknochen verwachsen sind. Außerdem findet sich das entgegengesetzte Verhältnis, ein Fehlen des Inter- medium neben einer vollständigen Trennung von Radius und Ulna in ausgesprochener Weise bei den Sauriern (Born). In Anbetracht dessen schließe ich mich vollständig der Auffassung Born’s (9) an, dem es viel wahrscheinlicher erscheint, dass beim Zusammenrücken der Vorderarmknochen bis zur Verschmelzung ein am Rande des Car- pus gelegenes Stück, wie das Naviculare, bei einem Theil der Anu- ren seine Unterlage verliert, als dass ein Stück, wie das Intermedium, vollständig verschwindet. Vielmehr müsste ein Zusammenrücken der beiden Vorderarmknochen, wie dies andere Fälle aufs beste bestätigen, die funktionelle Bedeutung des Intermedium erhöhen. Zwar sollen nach Emery’s Untersuchungen bei Larven von Rana esculenta und Pelobates Spuren dieses Intermedium in Form eines nicht mehr ver- knorpelnden Rudiments sich vorfinden, jedoch konnten meine hierauf gerichteten Beobachtungen an demselben Material ein derartiges Vorkommnis nicht bestätigen. Als weiteren und hauptsächlichen Einwand macht GEGENBAUR geltend, die Entwicklungsgeschichte lehre, dass das Navieculare ursprünglich den distalen Vorderarmepi- physen entrückt sei und erst nachträglich bei einigen Formen diese erreiche. Dies könnte aber eben so gut dem Lunatum und Pyra- midale gegenüber behauptet werden, und hängt damit zusammen, dass die Anlage eines jeden Carpusstückes von einem gewissen Centrum ausgeht, das sich durch besondere Merkmale, auf die ich hier nicht näher eingehen will, kennzeichnet; derselbe liegt für das Navieulare allerdings entfernt vom Vorderarm, es trifft dies aber auch für die beiden anderen Stücke der ersten Reihe zu. Sämmtliche drei Knochen kommen der distalen Vorderarmepiphyse erst dadurch näher, dass sich die gewebliche Umbildung, welche ursprünglich nur im Centrum besteht, allmählich auch auf die Peripherie ausdehnt. Von anderen Untersuchern haben JUNGERSEN (25), der sich mit Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 105 dem Carpus von Pipa und Xenopus beschäftigte, sowie HOFFMANN (10) in »Bronn’s Thierklassen« die Deutung GEGENBAUR’s angenom- men, während Emery (17) auf Grund ontogenetischer Untersuchungen am Carpus von Rana esculenta und Pelobates fuscus zu einer ganz neuen Auffassung gelangt. Danach verschmilzt das Radiale GEGEN- BAUR'S mit einem Oentrale / und einem Pisciforme schon sehr. früh- zeitig während des Embryonallebens zu einem Radio-Centrale. Das Naviculare rechnet er der distalen Reihe zu und sieht in ihm das »Carpale ‚praepollieis«. Er begründet diese Auffassung mit der Ähn- lichkeit, welche das Naviculare carpi mit dem gleichnamigen Ele- ment der Fußwurzel hat, und das WIEDERSHEIM als Tarsale des Prähallux bezeichnete. Eine derartige Schlussfolgerung ist jedoch meiner Ansicht nach verfehlt, da bekanntlich an dem Anurenfuß durch die Funktion herbeigeführte Verhältnisse vorliegen, welche von dem ursprünglichen Typus sehr abweichen, und da fernerhin die Bedeutung der einzelnen Fußwurzelstücke durchaus noch nicht einwandsfrei feststeht. Außerdem zeigt sich das Naviculare so sehr als berechtigtes und bleibendes Stück des eigentlichen Carpus, und so wohl ausgebildet, dass man es unmöglich als zu einem Rudiment gehörig auffassen kann. Die Entwicklungsgeschichte lässt auch einen derartigen Zusammenhang durchaus nicht erkennen. Die Stücke des »Präpollex« entwickeln sich vollständig unabhängig von dem Naviculare, das erste Auftreten desselben fällt in eine Zeit, wo von Einzelstücken des »Präpollex« noch keine Spur vorhanden ist. Die Entwicklungsgeschichte bietet auch, wie ich an Larven von Pelobates, Rana esculenta und temporaria, Bufo vulgaris überein- stimmend erkennen konnte, keinen Anhalt dafür, dass in dem Radiale GEGENBAUR’S noch ein Centrale enthalten sei; ich sah dieses Stück stets einheitlich zur Entstehung kommen. Eben so wenig lieferte die Entwicklungsgeschichte Belege für das Vorhandensein eines Pisi- forme oder eines überzähligen Carpale an der ulnaren Handseite, welche damit die Voraussetzung zu einer ehemaligen Existenz eines weiteren Fingers an der ulnaren Handseite aufkommen ließen. Howes und RıpEwoop (22) haben an der Hand eines reichhal- tigen Materials es unternommen, den Carpus der Anuren vergleichend- anatomisch zu untersuchen. Sie kamen dabei zu einer ganz neuen Auffassung. Das Naviculare betrachten sie als Centrale, und zwar »präaxiales Centrale«, während sie das Carpale 5 (% in meinen Figu- ren) als postaxiales Centrale ansehen. Diese Ansicht schien ihnen nahegelest durch die Untersuchung der Handwurzel von Bombinator, 106 Wilhelm Zwick, Discoglossus und besonders von Xenophrys, wo ein Bandzug vom Capitatum zum proximalen Ende des äußersten Metacarpus verlaufen soll. Bei Bombinator fand ich ein derartiges Band, dasselbe zieht aber mehr über die Dorsalseite hinweg und nicht zwischen der Ge- lenkfläche des Metac. /V und dem Hamatum, wie man erwarten sollte. Was den Knorpel betrifft, der bei Xenophrys in die Band- masse eingeschlossen ist, so möchte ich darauf hinweisen, dass in der betreffenden Figur (22, Fig. 16) der dorsale Antheil der proxi- malen Metacarpusfläche sehr ausgeschweift erscheint, und es daher viel naheliegender sein dürfte, dasselbe als losgelösten Theil jener Gelenklippe anzusehen. Der Vergleich, den HoweEs und RIDEWOoD mit dem Tarsus der Anuren ziehen, erscheint mir durchaus nicht gerechtfertigt. An der Fußwurzel ist es erklärlich, dass starker Druck einen Tarsalknochen bis auf einen Bandrest zum Schwinden bringen kann, die stetige Abnahme der distalen Knochen bezw. Knorpel vom tibialen zum fibularen Rand legt dies sehr nahe. Einen gleichen physiologischen Grund können wir für die Handwurzel nicht konstatiren. Im Gegentheil ist das Größenverhältnis der dista- len Carpusstücke gerade ein umgekehrtes: je näher sie dem ulnaren Handrand liegen, um so größer sind sie. Ich kann daher die von Howes und RIDEwooD angeführten Gründe nicht als maßgebend genug erachten, um damit die für GEGENBAUR'S Deutung der dista- len Carpusreihe sprechenden aufzuheben. Von vorn herein erscheint auch die Annahme zweier Centralia im Sinne von Howes und-RiDE- wooD wegen deren excentrischer Lage zweifelhaft. Außerdem steht, wie ich schon früher bei Besprechung der Handwurzel der Urodelen ausführte, durchaus noch nicht fest, ob in der That zwei Centralia als der typische Bestandtheil des ursprünglichen Carpus angenom- men werden dürfen. Wenn ich also die Deutung GEGENBAURr’s für die distale Carpus- reihe annehme, so möchte ich dagegen die Stellung des Naviculare in die erste Reihe besonders vertheidigen. Erwägt man, dass der Vorderarm der Anuren eine Auswärtsdrehung derart erfahren hat, dass nunmehr das untere Radiusende an der aufgestützten Hand ganz ulnarwärts sich befindet, und zieht man weiterhin in Betracht, dass mit der Drehung des Vorderarms gleichzeitig eine mäßige gleich ge- richtete Drehung und Hebung der äußeren Handwurzelstücke vor sich ging, so ist es begreiflich, dass dadurch das Naviculare seinen Anschluss an den Vorderarm etwas verlor. Durch die Drehung wurde radialwärts eine freiere Beweglichkeit des Daumens erzielt. Von Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 107 dieser Drehung des Unterarms konnte das Centrale als ein ursprüng- lieh inmitten der Handwurzel gelegenes Stück entweder gar nicht, oder gegebenen Falls nur in der Weise beeinflusst werden, dass es an den ulnaren, nicht aber an den radialen Rand rückte. Diese physiologische Erwägung ergänzt daher den entwicklungsgeschicht- liehen Befund an Pelobates vollständig, wonach das Centrale mit dem Hamatum bezw. Capitato-hamatum verwachsen ist. Die Größe dieses Stückes ist mit einer derartigen Verschmelzung aus zwei Ele- menten sehr wohl zu vereinbaren. Das von Born bei Larven von Alytes obstetricans gefundene Centrale halte ich für identisch mit dem meinisen, zweifelhaft dagegen ist mir dies in Beziehung auf das Centrale // von EMmERY. Radiale Randknochen (Präpollex). Wie aus dem beschrei- benden Theil zu entnehmen ist, kommen an der radialen Randseite der Anuren »überzählige Handwurzelelemente< vor, und zwar fand sich bei Pipa und Xenopus nur ein derartiges überzähliges Knochensttick, bei dem übrigen Anuren waren dagegen zwei oder drei, und bei Hyla cyanea sogar fünf solche Stücke vorhanden. Diese Randstücke sind entweder sämmtlich verknöchert, oder können alle oder nur ein Theil derselben zeitlebens knorpelig bleiben; für den letzteren Fall betrifft die Verknöcherung nur das eine bezw. zwei proximale Stücke. Sehr wechselvoll ist die Form, welche der sogenannte »Präpollex«< annimmt. Besser als eine Beschreibung vermag eine Vergleichung an der Hand der Figuren dies zu zeigen; zugleich ist dabei die Manmnigfaltigkeit der Größenunterschiede der einzelnen Randstücke unter sich wie auch im Verhältnis zu den eigentlichen Handwurzel- stücken ersichtlich. Beständiger dagegen sind die Lagebeziehungen dieser Elemente, und die für Rana nach dieser Richtung gemachten Angaben treffen fast durchweg auch für die übrigen Formen zu. Auf all die berührten Abweichungen in Zahl, Größe und Form stoßen wir nur bei einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Familien oder mehrerer Gattungen einer Familie, innerhalb einer und derselben Gattung und noch mehr innerhalb der Art sind diese Verhältnisse typisch und bleibend. | Was die Bedeutung der in Rede stehenden überzähligen Rand- knochen betrifft, so gehen die Ansichten fast aller Forscher, die sich damit beschäftigt haben, übereinstimmend dahin, dass sie in ihrer Gesammtheit einen rudimentären Finger, einen Atavismus darstellen, der die Abstammung der Anuren von einer fünf-, oder nach EMERY (18) sogar sechsfingerigen Urform verrathe. Eine solche Annahme 108 Wilhelm Zwick, wird nahe gelegt durch die Lage des »Präpollex« sowie durch die Zusammensetzung desselben aus mehreren sich an einander anglie- dernden Einzelstücken. Über die Bedeutung dieser letzteren gehen die Ansichten etwas aus einander. Duezs (15) sieht das proximale Knochenstück als ein Metacarpale, das folgende als erste Phalanx an ete. EwerY’s (18) Auffassung schließt dieselbe Deutung in sich. GEGENBAUR, und mit ihm viele andere Forscher, bezeichnen das proximale Stück als Carpale, das zweite als Metacarpale ete. Unter der vorläufigen Voraussetzung, dass die Gesammtheit der Rand- knochen in der That einen rudimentären Finger darstellt, möchte ich ersterer Anschauung beitreten, und zwar desshalb, weil der erste Randknochen sich an das benachbarte Metacarpale in ganz derselben Weise anlegt und mit ihm durch ein Band eben so verbunden ist, wie dies für die übrigen Metacarpalia unter einander zutrifft. Diese Deutung würde es in sich schließen, dass bei dem erwähnten Exem- plar von Hyla eyanea der Daumen ein Metacarpale und vier Pha- langen, also mehr als jeder der übrigen vier Finger besaß. Dies ist sehr unwahrscheinlich, da ja im Gegentheil die beiden inneren Finger der Anuren nur zwei Phalangen, also weniger als die mit drei Phalangen versehenen äußeren Finger besitzen; zugleich wird aber dadurch die Auffassung der Randknochen als Rudiment eines Daumens sehr in Frage gestellt. Der Einwand, dass der Fund von fünf Einzelstücken eine große Ausnahme sei, und desshalb wohl auch keinen morphologischen Werth beanspruchen könne, kann wohl nicht mit Recht erhoben werden, da diese Fünfzahl sich an beiden Händen zeigte; ich halte sogar dafür, dass eine die Dreizahl über- schreitende Anzahl von Gliedern ursprünglich stets den »Präpollex< bei Hyla eyanea zusammensetzte und erst nachträglich eine Ver- minderung durch Verschmelzung eintritt; ganz denselben Vorgang hat ja Born für den »Prähallux« von Rana und Bufo festgestellt. Einer Erklärung der Randknochen als Rudiment eines Daumens steht auch der Umstand entgegen, dass keine mehr als vierfingerige Form bekannt ist, von der mit Bestimmtheit die Anuren abgeleitet werden könnten, und unter der bloßen Voraussetzung einer solchen müssten wir doch erwarten, dass die Urodelen dieses Rudiment mindestens in eben so ausgeprägter Weise besitzen wie die Anuren. Der »Rudimenttheorie« KoLLmann’s, wonach der »Präpollex« und »Prähallux< von rudimentären Strahlen abzuleiten wären, welche bei der Umformung der Fischflosse in die Batrachierhand mit aufge- Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 109 nommen wurden, muss dasselbe eben ausgesprochene Bedenken ent- segengesetzt werden. Ist somit die Deutung der Randknochen als »Präpollex« nicht einwandsfrei, so muss auch der Versuch, dieselbe der Anschauung TORNIER’S (35) anzupassen, beanstandet werden. Dieser Forscher fasst den bei einer großen Zahl von Säugern vorkommenden »Prä- hallux« als eine theilweise Verknöcherung der Sehne des M. abduc- tor hallueis auf, die erst postembryonal eintreten soll. Zu den Randknochen begeben sich bei den Anuren zwei Muskeln, die nach Ecker als M. abduetor und adductor pollieis bezeichnet werden (Fig. 25). Ersterer entspringt vom distalen Ende der Ulna und endet mit einer Portion am proximalen Ende des ersten Fingers, mit seiner mehr radial gelegenen setzt er sich an die beiden Randknochen an; jedoch findet er nicht immer hier sein Ende, verläuft vielmehr, wie ich besonders beim männlichen Frosch feststellen konnte, mit einer Endsehne weiter bis zum Ende des Metacarpale Z/ und endet an der hier befindlichen Rauhigkeit. Man müsste demnach TORNIERr’s An- schauung zufolge annehmen können, dass die Randknochen in der Sehne des letzteren Muskels durch Verknöcherung entstanden sind. Die überaus starke Ausbildung der Randknochen bei einigen Anuren- formen, welche zur Breite der Sehne in einem starken Missverhältnis steht, lässt jedoch daran zweifeln. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Randknochen der Anuren sich schon in der Larvenperiode anlegen wie die Finger, zwar etwas später als diese, aber in ganz derselben Weise. Die Anlage der einzelnen Stücke erfolgt in proximo- distaler Reihenfolge, und zwar hyalinknorpelig, nicht faserknorpelig, wie es für Sesambeine verlangt werden müsste, und wie dies für das erwähnte Sesambein am Ende des Radius zutrifft. Eine von den dargelegten Ansichten abweichende ist die neuer- dings von ALBERTINA CARLSSON (11) aufgestellte. Von der Voraus- setzung ausgehend, dass sie keine unübersteigliche Kluft zwischen einem Sesamknochen und einem Skelettknochen herausfinden könne, da sich beide ontogenetisch gleich verhalten, sowie unter Berufung auf die Thatsache, »dass die sogenannten überzähligen Knochen als wirkliche Sesamknochen, d. i. eine Ossifikation in einem Liga- ment oder in einer Sehne entstanden sind«, kommt zunächst CARLS- son zu dem Schluss, »dass Hand und Fuß durch Incorporirung von ursprünglich als Sesamknochen entstandenen Bildungen ihr Volumen vergrößern können«. »Von diesem Stadium leiten sich Zustände ab, wo der Knochen sich vergrößert, Gelenkflächen und Ligamente 110 Wilhelm Zwick, erhält und mehrere Muskeln mit ihm in Verbindung treten, und so an der betreffenden Stelle die Bedingung oder nothwendige Voraus- setzung eines neuen Strahls abgiebt.< In dieser Erklärung, welche also die Randknochen als typisch gewordene Neubildung auffasst, findet A. CARLSSoN zugleich einen Aufschluss für das häufige Vor- kommen der Randknochen bei solchen Thieren, welche graben, klettern oder schwimmen, und desshalb eines breiten Fußes bedürfen, sie zieht weiterhin die Schlussfolgerung, dass »die sechste Zehe« (und wohl auch der »Präpollex«) der Anuren und der Randknochen der Säugethiere als »konvergente Bildungen« zu betrachten seien. Zu Gunsten letzterer Ansicht könnte angeführt werden, dass der Präpollex sich ontogenetisch später anlegt und auch häufig zeit- lebens knorpelig bleibt, während die übrigen Skeletttheile der Hand verknöchern. Daraus kann ein verschiedenes Alter der beiderlei Handwurzeltheile und die phylogenetisch jüngere Stellung der Rand- knochen in Folge späterer Erwerbung abgeleitet werden. Nicht ohne Weiteres vermag ieh dagegen A. CARLSSON beizu- stimmen, wenn sie den Unterschied zwischen Sesambein und eigent- lichen Skelettknochen unter Berufung auf PFIiTzxer's (32) Anschauung von Sesambeinen gering achtet. Diesen Unterschied verwischt aller- dings der von PFITZNER aufgestellte Begriff von Sesambeinen, der- selbe schließt aber andererseits die Betheiligung der Funktion bei der Bildung dieser Sesambeine aus und bezeichnet sie als echte, aber rudimentäre Skelettstücke. Damit, dass A. CARLSSoN die Ent- stehung von Sesambeinen in Sehnen zugiebt, andererseits aber sie zu typischen Skelettstücken werden lässt, muss sie auch in letzter Linie die Umwandlung von Faserknorpel in Hyalinknorpel zugeben, wogegen die Forschungen’ in der Gewebelehre streiten. Dem wider- spricht die histologische Untersuchung, welche feststellt, dass der Vorgang in der umgekehrten Reihenfolge stattfindet. Aus dem Vorhergehenden ist zu entnehmen, dass keine der be- stehenden Auffassungen eine durchaus befriedigende Erklärung für die Bedeutung der Randknochen der Anuren zu geben vermag. Wir wollen daher versuchen, aus den vorhandenen Thatsachen eine be- stimmte Schlussfolgerung zu gewinnen. Aus der hyalin-knorpeligen Anlage der in Rede stehenden Bildung ist abzuleiten, dass dieselbe zu den typischen Theilen des Skeletts gehört; dies spricht sich auch in der Beständigkeit ihrer Form-, Größen- und sonstiger Verhält- nisse bei einer und derselben Gattung bezw. Art aus. Andererseits legt es der große Wechsel dieser Verhältnisse bei den verschiedenen * en a EEE ENT Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 111 Gruppen und die besondere Betrachtung der Randknochen bei ein- zelnen Formen, wie z. B. von Limnodynastes nahe, in den Rand- knochen Bildungen von besonderem funktionellem Werth zu sehen. Die mehr oder weniger selbständige Funktion der Randknochen hängt im Einzelnen von ihrer Größe und ihren Beziehungen zu den benachbarten Handtheilen ab. Dieselbe wird eine selbständige sein können bei Limnodynastes und Discoglossus, während die Bewe- sungen des »Präpollex< mehr solidarisch zusammengehen werden mit denjenigen des ersten Fingers bei den übrigen Formen. Dabei ist es naheliegend, demselben eine Mitwirkung bei der Entgegen- stellung des Daumens zuzuschreiben, wozu er sich durch seine Lage und seine Muskelverbindung sehr wohl eignet. Die Wirkung der Muskeln geschieht der Art, dass das proximale Ende des »Präpollex« auf dasjenige des ersten Metacarpus drückt und denselben dadurch zum Spreitzen veranlasst; verstärkt wird die Wirkung, wenn der M. abductor pollieis sich auch noch an der Gräte des ersten Meta- carpus mittels einer Sehne ansetzt, wie dies für das Männchen von Rana u. a. zutrifft. Diese engen Beziehungen zwischen Präpollex und Daumen geben auch HoweEs und RıDEwooD (22) zu, wenn sie sagen: »In some forms there is a great tendeney for it (i. e. prae- ‚pollex) to enter into direct connection with the 2nd matacarpal either by simple apposition or by fusion with the warted crest of the same.« Da diese Gegenüberstellung des Daumens besonders bei der Begattung zur Geltung kommt, so dürfte auch die Wirkung der Randknochen hierbei von besonderer Wichtigkeit sein; ein Beleg hierfür findet sich darin, dass die Randstücke viel früher bei den männlichen Anuren verknöchern als bei den Weibchen, bei denen dieselben sogar zeitlebens knorpelig bleiben können. Über den Tarsus der Anuren habe ich an Larven von Rana, Bufo und Pelobates Untersuchungen angestellt, welche die aus der Litteratur bekannten, und in vieler Beziehung übereinstimmenden Ergebnisse bestätigen konnten; namentlich möchte ich die von An- fang an einheitliche Entwicklung von Astragalus und Calcaneus besonders hervorheben. Was die Deutung der Stücke der distalen Reihe betrifft, so stimme ich am meisten der ganz neuerdings von ÜBOMIAKOFF (12) aufgestellten Ansicht bei. Den sogenannten »Prä- hallux« halte ich eben so wie die meisten übrigen Untersucher, im Gegensatz aber zu Emery (18) und PERRIN (31), nicht für das Rudi- ment einer sechsten Zehe, sondern für eine typische Bildung des Anurenfußes von besonderem morphologischem und funktionellem 112 Wilhelm Zwick, Werth. Hauptsächlich bestimmend für diese Meinung war für mich ein schon von Dugss (15) und Borx (7) mit Bufo viridis angestellter physiologischer Versuch, dessen Ergebnis ich bestätigen kann, und der deutlich zeigt, dass der sog. »Prähallux< als »Scharrkralle« zum Ein- wühlen in die Erde ähnlich wie diejenige des Maulwurfs benutzt wird. und 12, 19. 14. 15. 16. 7 18. Tübingen, im Juni 1897. Litteraturverzeichnis, K. BARDELEBEN, Zur Morphologie des Hand- und Fußskelets. Jen. Zeit- schrift für Naturw. Bd. XIX. 1885. p. 27—32. Derselbe, Über neue Bestandtheile der Hand- und Fußwurzel der Säuge- thiere, sowie die normale Anlage von Rudimenten »überzähliger« Finger und Zehen beim Menschen. Ibid. p. 149—164. Derselbe, Hand und Fuß. Referat in Verhandlungen der Anat. Gesellsch. Jena 1894. G. BAUR, Beiträge zur Morphologie des Carpus und Tarsus der Vertebra- ten. I. Thl. Batrachier. Jena 1888. Derselbe, Neue Beiträge zur Morphologie des Carpus der Säugethiere. Anat. Anzeiger Bd. IV. 1889. G. 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Fig. I: Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Tri- tion cristatus (zur Zeit des Auswachsens des dritten Fingers). Vergr. 130. Fig. 10. Tafel V. Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Triton taeniatus (12 mm Kopfschwanzlänge). Vergr. 110. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 118 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. Rechte Hand von Rana temporaria (Dorsalfläche). Linke Hand von Ceratophrys cornuta (Dorsalfläche). Linke Hand von Cystignathus bronnii (Dorsalfläche). Rechte Hand von Megalophrys montana (Dorsalfläche). Rechte Hand von Alytes obstetricans (Dorsalfläche). Linke Hand von Bombinator igneus (Dorsalfläche). Rechte Hand von Pelobates fuseus (Dorsalfläche). Rechte Hand von Phrynisceus albifrons (Dorsalfläche). Linke Hand von Bufo agua (Dorsalfläche). Rechte Hand von Polypedates leucomystax (Dorsalfläche). Rechte Hand von Limnodytes (Dorsalfläche). Linke Hand von Hyla cyanea (Dorsalfläche). Linke Hand von Pipa surinamensis (Dorsalfläche). Linke Hand von Rana temporaria (s, Sesambein). Volarfläche. Rechte Hand von Rana temporaria (Volarfläche). Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus dem Maulwurf. Von Dr. med. Amandus Bott. (Aus dem zoologischen Institut Würzburg.) Mit Tafel VI und VII. 1. Befund, Konservirung, Untersuchungsmethode. Das Material, das zu den vorliegenden Untersuchungen verwen- det wurde, stammt aus einem Maulwurf, den der Präparator am hiesigen zoologischen Institute, Herr A. Hock, vor etwa zehn Jahren von einem seiner Freunde erhielt. Das Thier war durch seine enorme Größe aufgefallen, es schien wassersüchtig zu sein. Beim Einschnei- den in die Haut quoll eine schleimig körnige Masse hervor, die nach den Worten des Herrn Hock das Aussehen einer dicken Sagosuppe hatte. Die Masse bestand aus einer serösen Flüssigkeit, in der eine Menge kleiner, weißer Blasen suspendirt war. Bei genauerem Zu- sehen ergab sich, dass diese Blasen Finnen waren; nur musste auffallen, dass die einzelne Finne nicht in einer bindegewebigen Cyste des Wirthes eingeschlossen war, sondern frei im Unterhaut- zellogewebe lag. Aber nicht nur unter der Haut fanden sich jene Blasen, sondern auch in der Bauch- und Brusthöhle und in den verschiedensten Organen, das ganze Thier war von denselben durch- setzt. Ungefähr die Hälfte der Cysticerken wurde in Alkohol kon- servirt und aufbewahrt; die andere Hälfte ging verloren, jedenfalls weil man bei der ungemeinen Anzahl der Blasen kein Gewicht darauf legte, sie alle zu konserviren. Von den aufbewahrten Finnen waren im Laufe der Jahre viele im zoologischen Kurs verarbeitet worden. .Das noch vorhandene Material besteht nach meiner Schätzung aus etwa 17000 Exemplaren, so dass man die Zahl der von dem S* 116 Amandus Bott, einen Maulwurf beherbergten Finnen auf mindestens 30 000 angeben darf. Herr Prof. Boverı hatte, als er aus diesem Material Demon- strationspräparate für seine Vorlesungen anfertigte, Zustände gefun- den, welche ihm eine Vermehrung der Finnen durch am Hinterende der Blasen sprossende Knospen unzweifelhaft machten. Da über eine derartige ungeschlechtliche Fortpflanzung von Cysticerken in den einschlägigen Sammelwerken nichts zu finden war, überwies mir Herr Prof. Boverı das vorhandene Material behufs einer ein- gehenderen Untersuchung, deren Ergebnisse im Folgenden nieder- gelegt sind. Aus den in Alkohol aufbewahrten Finnen suchte ich zunächst eine große Anzahl wohlerhaltener Exemplare aus, färbte sie in Boraxkarmin und hellte sie in Nelkenöl auf. So gewann ich Ob- jekte, welche zum Studium der Formverhältnisse des ganzen Thieres sehr gut brauchbar waren. Da mir sofort eine große Mannigfaltig- keit in der Gestalt und Größe der einzelnen Individuen auffiel, wählte ich nun aus dem gefärbten Material Repräsentanten jeder Form und Größe aus und schloss sie in Kanadabalsam ein. Die- jenigen Exemplare, welche zum Studium der Histologie dienen sollten, übertrug ich aus dem Nelkenöl in Xylol, nachdem ich vor- her bei schwacher Vergrößerung mit Hilfe des ABgE’schen Zeichen- apparates eine Skizze der Formverhältnisse zum Zwecke der späte- ren Orientirung entworfen hatte. Hierauf bettete ich die Objekte in Paraffin ein und fertigte Schnittserien mittels des Jung’schen Mikro- toms. Die Schnitte wurden mit Wasser oder mit Eiweiß-Glycerin aufgeklebt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Da aber die Fär- bung die Details der Struktur nieht genügend hervortreten ließ, auch eine nochmalige Tinktion der Schnitte in Boraxkarmin keine befriedigenden Resultate lieferte, so wurde die Schnittfärbung mit Hämatoxylin versucht, deren Ergebnisse sehr gute waren. Die Iso- lirung der Haken durch Maceration des Gewebes glückte mir nicht, da stets die Haken durch verdünnte Kalilauge ete. eher zerstört waren als der Körper des Thieres. Doch gelang es, an den ge- färbten und in Kanadabalsam eingeschlossenen Cysticerken, sowie auch an zwei ungefärbten, in Glycerin aufbewahrten Exemplaren die Formverhältnisse der Haken genau zu studiren. 2. Beschreibung der verschiedenen Entwicklungsstadien. 3ei der Beschreibung der an Gestalt und Größe so verschie- denen Cysticerken ist es zweckmäßig, mit der Schilderung der ei Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc: 117 kleinsten freien Blasen zu beginnen, weil diese die jüngsten Ent- wicklungsstufen darstellen, von denen ausgehend es mir leicht gelang, eine Reihe von Exemplaren aufzufinden, welche die verschiedenen Entwieklungsstadien bis zum fertigen Cysticereus mit ausgebildetem Skolex repräsentiren. Die kleinsten Blasen, die meist von kugel- runder, seltener von ovaler Gestalt sind, und die noch keine Spur von Skolexanlage erkennen lassen, haben als Mittel zahlreicher Messungen einen Durchmesser von 0,45 mm. Es finden sich aber auch schon junge Finnen von 0,25 mm, andererseits solche von 0,78 mm, die ebenfalls noch keine Spur einer Skolexanlage auf- weisen. Den Beginn der Skolexbildung habe ich an einzelnen Blasen beobachtet, die nur 0,51 mm Durchmesser hatten, während sie in der Regel erst beginnt, wenn die Blasen eine Größe von 0,77 mm erreicht haben. Unter fortwährender Vergrößerung der Blase bildet sich der Kopfzapfen allmählich aus, und wenn Saug- näpfe und Haken vorhanden sind, hat der Blasenwurm eine durch- schnittliche Länge von 2,35 mm und einen Querdurchmesser von 1,28 mm. Dabei ist vorausgesetzt, dass der Skolex noch vollstän- dig in die Blase eingestülpt ist. In diesem Zustande haben die Finnen, wie schon aus den angegebenen Maßen ersichtlich ist, eine ovale, eiförmige Gestalt; doch ist das Verhältnis zwischen dem - Längen- und Querdurchmesser durchaus nicht konstant, sondern es kommen auch Formen vor, die sich der Kugelgestalt nähern, und wieder andere, die walzenartig in die Länge gezogen sind. Diese Unterschiede scheinen vor Allem durch verschiedene Kontraktions- zustände bedingt zu sein. Die Wandung des Kopfzapfens zeigt im eingestülpten Zustande mehrfache Falten oder Runzeln, die mehr oder weniger weit in den Centralraum des Kopfzapfens vorspringen und ein Bild auf Längs- schnitten erscheinen lassen, wie es Taf. VI, Fig. 6 darstellt. In der Regel ist der Kopfzapfen gerade in den Blasenhohlraum hinein- gewachsen, die Fälle, in welchen ich eine Knieckung oder Biesung desselben henkisetei dürften als Ausnahme gelten. An den Exemplaren mit ausgestülptem Skolex lassen sich die Formverhältnisse des Kopfes sehr gut studiren (Taf. VI, Fig. 1). Der Kopf ist walzenförmig, gewinnt aber in der Höhe der Saugnäpfe auf einem Querschnitt fast das Aussehen eines Quadrates, weil die vier kräftigen Saugnäpfe ziemlich weit vorspringen. Der Durch- messer der Saugnäpfe beträgt im Mittel 0,22 mm, die größte Breite des Kopfes in der Höhe der Saugnäpfe 0,585 mm. Der Scheitel des 118 Amandus Bott, Kopfes springt zapfenartig ziemlich weit über die Region der Saug- näpfe vor und enthält zu äußerst das linsenförmige Rostellum, das eine Breite von 0,24 mm aufweist. Es trägt zwei Kränze von je 12, seltener 14 Haken. Die Haken des vorderen Kranzes sind größer als die des hinteren und alterniren mit diesen. Der Haken zeigt eine schön gekrümmte Sichel, einen ziemlich schlanken nach vorn gerichteten Fortsatz, den Wurzelfortsatz, und einen kürzeren, nach hinten und außen gerichteten Zahnfortsatz. Letzterer zeigt an der Stelle, mit der er auf dem Rostellum aufsitzt, eine knopfartig verbreiterte basale Fläche, wie aus Fig. 1Se, Taf. VII ersichtlich ist. Taf. VII, Fig. 18 a—d zeigt die Gestalt der großen und kleinen Haken bei seitlicher Betrachtung. Der Kontour der Sichel geht auf der konvexen Seite in der Weise auf den Wurzelfortsatz über, dass die Grenze zwischen Sichel und Wurzel bei den kleinen Haken durch einen deutlichen Einschnitt markirt ist, während bei den großen Haken an jener Stelle eine buckelartige Erhebung vorhanden ist, die ihrerseits gegen Sichel und Wurzelfortsatz durch mehr oder minder deutliche Einschnitte abgegrenzt wird. Die Gesammtlänge («—b) der großen Haken beträgt nach vielen Messungen 0,19 mm, die der kleinen 0,14 mm. Bei den ersteren misst die Entfernung (a—c) der Sichelspitze von der Spitze des Zahnfortsatzes 0,096 mm, bei den anderen 0,075 mm, der Abstand (d—c) zwischen den Enden von Wurzel und Zahn 0,081 bezw. 0,096 mm; die Länge («—d) der Sichel beträgt 0,1 und 0,12 mm. Der Kopf geht mit einer unbe- deutenden Verjüngung in den Hals über, wie ich der Einfachheit halber den zwischen Kopf und Schwanzblasen liegenden Theil nennen will. Der Hals ist rund, lässt in der Regel fünf bis acht quere Runzeln oder Falten erkennen und nimmt nach hinten an Breite etwas zu. Der Hohlraum des Halses steht mit dem der Schwanzblase in Zusammenhang; letztere ist länglich oval, in an- deren Fällen hat sie eine mehr kugelförmige Gestalt. Im Innern der Blase bemerkt man mitunter Anhäufungen von dem durch die Alkoholbehandlung geronnenen Inhalt. Die Exemplare unseres Blasen- wurms mit ausgestülptem Skolex haben eine Gesammtlänge von 2,8 mm, wobei auf den Hals mit Kopf 1,1, und auf die Schwanz- hlase 1,7 mm treffen. Auch hier sind die Maße nicht starr in ihrem Verhältnis, es kommt, wenn auch selten, vor, dass die Schwanzblase kürzer ist als das Vordertheil. Der kleinste, voll- ständig ausgebildete Cysticercus mit ausgestülptem Skolex maß 1,9 mm (Kopf mit Hals 1, Schwanzblase 0,9 mm), der größte Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 119 33 mm (1,3 bezw. 2 mm). Diese Variabilität scheint mir ganz sut mit den bei den vorausgehenden Entwicklungsstufen gefun- denen Größenschwankungen übereinzustimmen. Das eine Thier ent- wiekelt sich rascher und erreicht schon bei geringerer Größe den fertigen Zustand, während in einer anderen Blase der Skolex erst später angelegt wird, so dass der Blasenwurm eine bedeutendere Größe erreichen kann, bis der Skolex vollständig ausgebildet ist. Nach der Ausstülpung erfährt unser Cysticereus keine Größenzunahme mehr, da gerade das Ausstülpen gewöhnlich die Einleitung zu einem Entwicklungsprocess ist, der zu einer völligen Obliteratioen der Schwanzblase führt, wie unten näher beschrieben werden soll. 3. Histiologie der Blasenwandung. Zur Beurtheilung des unten zu beschreibenden Knospungsvor- Sanges war es geboten, die Histiologie der Blasenwandung so weit als möglich zu analysiren. Neue Beobachtungen auf diesem schwie- rigen Gebiet zu machen, dies war bei der Art der Konservirung von vorn herein nicht zu hoffen, und um so weniger, nachdem inzwischen BLOCHMANN (39) und seine Schüler gezeigt haben, welche ungemein komplieirten Verhältnisse hier vorliegen, und welche speeifischen . und verschiedenartigen Methoden erforderlich sind, um die einzelnen Elemente, welche das Cestodengewebe zusammensetzen, darzustellen und unterscheidbar zu machen. Immerhin ist zu betonen, dass die Bilder, die ich auf Schnitten durch fertige Skoleces erhielt, eine sehr große Übereinstimmung mit dem von BLOCHMANN entworfenen schematischen Durchschnitt (Fig. 1) darbieten: Das Maschenwerk der Grundsubstanz, die Parenchymzellen, die Epithelzellen, die Art, wie deren periphere Enden sich zwischen den hier gelegenen Muskel- fibrillen ausfasern, um an die Cuticula heranzutreten, die Exkretions- kanäle mit ihren Wimperorganen — all Dies stellt sich aufs deut- lichste dar. Es darf also angenommen werden, dass auch die Bilder der Blasenwand im Großen und Ganzen zuverlässig sind. Taf. VI, Fig. 14 zeigt einen Längsschnitt durch den indifferenten Theil einer ausgewachsenen Blase. Die Dicke der Wand beträgt circa 0,05 mm. Zu äußerst erkennt man die Cuticula, die hier im Vergleich zur Skolexanlage sehr dünn ist. Trotzdem lässt sich eine undeutliche Struktur, eine Art von Körnelung oder Strichelung erkennen. Ihre - Innenfläche setzt sich mit einer in Hämatoxylin dunkel färbbaren Grenzschicht scharf gegen das darunter gelegene Parenchym ab. Dieht unter der Cuticula findet sich eine einfache Lage von 120 Amandus Bott, cirkulären Muskelfasern, und weiter nach innen ein System von Längsmuskeln, die zusammen als peripheres Muskelsystem bezeichnet werden können im Gegensatz zu dem in der Skolexanlage und bei der später zu besprechenden Solidifikation auftretenden inneren Muskelsystemen. Das Parenchym lässt das von BLOCHMANN genauer beschriebene Maschenwerk mit spärlich eingestreuten Zellen erkennen. Letztere zeigen die Form multipolarer Ganglienzellen; ihre Ausläufer gehen, indem sie sich verästeln und mit einander anastomosiren, kontinuir- lich in das Faserwerk der Grundsubstanz über, so dass an meinen Präparaten eine Scheidung zwischen beiderlei Bildungen nicht mög- lich ist. In den mittleren Theilen der Wand bilden die Fäserchen ein ziemlich gleichmäßiges Netz mit polygonalen Figuren, nach innen sind die Maschenräume mehr der Fläche nach gestreckt. Durch eine dichtere Verfilzung in den innersten Theilen stellen sie den Ab- schluss der Wand gegen den Hohlraum der Blase her. Eine beson- ders charakteristische Anordnung endlich zeigt dieses Faserwerk unter der Cuticula. Die Bälkchen treten zwischen den Längsmuskeln hindurch, und das Maschenwerk besteht nach außen von dieser Muskelschicht vorwiegend aus radiär gerichteten Zügen, die, sich verästelnd und dadurch entsprechend dichter gedrängt, die Ring- muskeln förmlich umspinnen und mit den peripheren Enden an die Cuticula herantreten. Einzelne Zellen des Parenchyms könnten nach ihren Lage- beziehungen zu den Längsmuskeln vielleicht Myoblasten sein; doch “ist hierüber keine Sicherheit zu erlangen. Schr deutlich heben sich überall die in den verschiedensten Richtungen durchschnittenen Äste des Wassergefäßsystems mit ihren Endorganen ab. Sehr schwierig gestaltet sich für die Blasenwand die von BLOCHMANN auf Grund seiner ausgezeichneten Untersuchungen kürz- lieh erörterte Epithelfrage. Eine epitheliale Zellenanordnung wie im Skolex ist sicher nicht vorhanden; die äußersten Zellen sehen sanz eben so aus, wie die Parenchymzellen, sie liegen in weiten Abständen von einander und zeigen die gleichen Beziehungen zu dem Maschenwerk der Grundsubstanz wie die tiefer gelegenen Zellen. Auf der anderen Seite ist hervorzuheben, dass diese äußeren Zellen mit ihren peripheren Ausläufern in der gleichen Beziehung zur Cuti- cula zu stehen scheinen, wie nach den Untersuchungen von BLOCH- MANN (39) und ZERNECKE (40) sonst die Epithelzellen. Ob dies genügt, um an der Blasenwand von einem »Epithel« zu sprechen, dürfte Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 121 zweifelhaft sein. Zum Begriff: »Epithel« gehört eben doch, worauf BLOCHMANN in seinem Aufsatz merkwürdigerweise gar keine Rück- sicht nimmt, eine bestimmte Zellenanordnung, und wenn man hierin auch eine große Freiheit zugestehen will, so wird man weit zer- streuten, verästelten Zellen, wie sie in unserem Falle vorliegen, doch kaum die Bezeichnung von »Epithelzellen« zuerkennen dürfen. Wollte man es aber doch thun, so besteht gar kein Grund, die tiefer ge- legenen Zellen nicht auch als Epithelzellen zu bezeichnen und die sanze Blasenwand als ein mehrschichtiges Epithel aufzufassen. Jedenfalls kann die Epithelfrage bei den COestoden nicht als völlig selöst betrachtet werden, ehe die Verhältnisse bei den Blasenwürmern vollständig klar liegen. Im Übrigen drängt sich bei Betrachtung der beschriebenen Schnitte die Annahme geradezu auf, dass die ganze Wand der Cysticercusblase aus gleichartigen Parenchymzellen be- steht, und dass die specifische Ausbildung der peripheren Zellen — ihre Beziehung zur Cuticula — lediglich eine Folge ihrer Lage ist. Da nun aus der so beschaffenen Blasenwand Skoleces hervorgehen können, so würde daraus folgen, dass auch das am Skolex auf- tretende Epithel nicht eine specifische Zellenart repräsentirt, die zu den inneren Bindegewebszellen in scharfem Gegensatz steht, son- dern dass wir es hier eben mit epithelial angeordneten Parenchym- zellen zu thun haben, wie ja auch bei den Wirbelthieren Binde- gewebszellen eine epitheliale Anordnung gewinnen können. 4. Progressive Entwicklung der Finne im Zwischenwirth. Wie bereits erwähnt, finden sich in meinem Material Cysticerken mit ausgestülptem Skolex, und zwar dürfte deren Zahl etwa 2% aller vollständig entwickelten Exemplare betragen. Es ist dies eine ungewöhnliche Erscheinung, und man könnte vielleicht annehmen, dass dieselbe erst nach dem Tode des Wirthes, sei es durch einen ungewohnten Reiz innerhalb des erkalteten und sich zersetzenden Körpers, sei es durch die Einwirkung der Konservirungsflüssigkeit, - bedingt sei. Wenn ich nun auch diese Möglichkeit nicht für sämmtliche ausgestülpte Exemplare ausschließen kann, indem ein Theil der- selben ganz den Eindruck macht, als könne die Umstülpung un- mittelbar vor der Konservirung erfolgt sein, so verhält es sich doch bei einem anderen Theil wesentlich anders. Es zeigt sich nämlich bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl der Finnen eine mehr oder weniger vorgeschrittene Umbildung, mit der, wenn auch nicht immer, eine Vorstülpung der Kopfanlage ver- 122 Amandus Bott, bunden ist. Die Tendenz dieser Entwicklung ist Kontraktion der Blase bis zum völligen Schwund des Hohlraumes. Die betreffenden Verhältnisse sind deutlich aus Taf. VI, Fig. 4, 6, 11, 12, 13 zu er- kennen. Die Solidifikation der Blase scheint stets von der Region der Skolexanlage auszugehen und allmählich nach hinten vorzu- schreiten. Der Beginn des Processes giebt sich darin zu erkennen, dass der Hohlraum der Blase, der bei den meisten Finnen nur Flüssigkeit enthält, von einem zuerst ganz spärlichen, dann immer dichteren Schwammwerk durchsetzt wird, in welchem auffallender Weise zunächst Kerne nicht nachweisbar sind. Vielleicht dürfen schon die spärlichen Faserzüge, welche die in Taf. VI, Fig. 4 dar- gestellte Finne im vorderen Theil durchsetzen, als erster Beginn zur Ausfüllung des Hohlraumes angesehen werden. Erst auf späteren Stadien finden sich Zellen in dem Maschenwerk zerstreut und lassen sich Muskelfasern nachweisen. Bei diesem Wucherungsprocess be- sitzt das Parenchym keine scharfe Begrenzung mehr gegen den noch übrig bleibenden Hohlraum, sondern es erscheint zersetzt, einzelne Faserzüge eilen im Wachsthum voraus und ragen in den Hohlraum hinein oder durchsetzen denselben vollständig (Taf. VI, Fig. 6). So wird allmählich die ganze Finne von typischem Cestodengewebe ausgefüllt (Taf. VI. Fig. 12 und 13), und es bilden sich, von vorn nach hinten fortschreitend die Systeme der »Parenchymmuskeln« (LEUCKART) aus. Eine Grenze zwischen »Hals« und Schwanzanhang ist nicht mehr nachweisbar, auch in der äußeren Form nicht mehr, indem mit der Solidifikation eine sehr beträchtliche Verkleinerung der Blase Hand in Hand geht, bis ihr Querdurchmesser dem des Halses ungefähr gleichkommt. Das ganze Gebilde macht nach Struktur und Gestalt den Eindruck eines Skolex. Der Einwand, dass diese in Fig. 12 und 13 dargestellten Finnen die Schwanz- blase bereits durch »Abstoßung« verloren haben könnten, wird hin- reichend widerlegt einerseits durch das Vorhandensein kontinuir- licher Übergangsformen, andererseits dadurch, dass auch diese Finnen an ihrem Hinterende noch Knospen tragen können, eine Erscheinung, die, wie unten dargelegt wird, mit verschwindenden Ausnahmen auf eine bestimmte Zone im hinteren Bereich der Blase beschränkt ist. Wie die beigegebenen Figuren lehren, ist mit der Solidifikation gewöhnlich die Umstülpung des Kopfes verbunden, so dass derselbe schon auf dem Stadium der Fig. 11, Taf. VI meist seine richtige Stellung hat. Doch besitze ich ein Präparat, wo noch auf einem Er Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 123 etwas späteren Stadium die Kopfanlage ungefähr das Bild der Fig. 6, Taf. VI, gewährt. Vielleicht könnte noch die Vermuthung auftauchen, dass solche Finnen, wie sie in Fig. 12 und 13, Taf. VI abgebildet sind, gar nicht den Zustand eines echten Cysticercus mit großer, hohler Blase durchgemacht hätten, sondern direkt aus mehr oder weniger soliden Jugendzuständen hervorgegangen seien. Mein Material ge- stattet jedoch, diese Annahme mit aller Bestimmtheit auszuschließen; alle jugendlichen Finnen kurz vor der Kopfanlage oder während derselben sind »Blasen« mit der oben genauer beschriebenen dünnen Wand. — Die geschilderte Umwandlung kann ein gewisses Interesse dadurch in Anspruch nehmen, dass ihr Endzustand dem »plero- cerken« oder »plerocerkoiden« Jugendzustand anderer Bandwürmer sehr nahe kommt. Da unsere Finne erst sekundär plerocerk wird, so kann man sie wohl kaum als eine Zwischenstufe zwischen Plero- cereus und Cysticereus betrachten, indem ja die erstere Form gewiss als die ursprünglichere anzusehen ist. Gleichwohl verräth sich in der Solidifikation der Schwanzblase ein primitiver Zustand; die Blase hat, wenn ich es bildlich ausdrücken darf, noch nicht vergessen, dass sie nichts Anderes als das blasig aufgetriebene Hinterende eines Skolex ist; sie vermag sich wieder in den ursprünglichen Zustand umzubilden. Es fragt sich, wie unsere Finne sich bei dem Übergang in den definitiven Wirth verhält. In seinem Handbuche sagt Braun (p. 173): Alles was solche Finnen außer dem oder den Skoleces besitzen, z. B. die Mutter- oder Tochterblase, ein zwischen dieser und dem Skolex befindliches, mitunter gegliedertes Zwischenstück stirbt ab, wird verdaut, resorbirt, oder vielleicht auch ausgestoßen. Ob bei den Bothriocephalus-Finnen irgend ein Theil verloren geht, ist nicht sicher, wahrscheinlich jedoch nicht.< Gewiss wird also auch bei unserer Finne, wenn sie im Stadium der Fig. 1, Taf. VI, in den Magen des zweiten Wirthes gelangt, die Schwanzblase abgeworfen. Dagegen muss eine solche Abstoßung des Hinderendes für die plero- cerkoiden Endzustände unseres Thieres wie für die Bothriocephalus- Finne als unwahrscheinlich bezeichnet werden. 9. Regressive Umbildung unserer Finne. Bei der Durchmusterung des Materials fielen mir bald einige Exemplare auf, deren Körper durch eine oder mehrere hellere Stellen von rundlicher Form ausgezeichnet waren. Es zeigte sich bald, dass 124 Amandus Bott, diese durchscheinenden Partien zwar überall in der Finne vorkommen können, gewöhnlich aber am Vorderende sich befinden und dass in diesem Falle der Skolex mehr oder weniger degenerirt ist. Bei der Untersuchung auf Schnittserien ergab sich, dass jene hellen Stellen im Finnenkörper durch blasenförmige Hohlräume im Gewebe des Thieres veranlasst sind, in welchen auf einigen Schnitten noch Detritus zu finden war (Fig. 16, Taf. VII). Von diesen Degenerations- blasen aus wird also der Skolex zerstört (Fig. 17, Taf. VID. In der Umgebung des eingestülpten Skolex oder in seinem Gewebe selbst treten solche Blasen in größerer oder geringerer Anzahl auf, sie vergrößern sich in dem Maße, in welchem die Resorption des Ge- webes vor sich geht, und können in einige wenige oder auch in einen einzelnen Hohlraum zusammenfließen. Ist der Skolex sammt dem ganzen Kopfzapfen geschwunden, so stellt das ganze Thier nur mehr eine einfache Blase dar mit der typischen Finnenwand, und an Stelle des Kopfzapfens liegen eine oder mehrere Degenerations- blasen. Doch sterben während dieser Vorgänge die Blasenwürmer nicht ab, was einerseits hervorgeht aus der Thatsache, dass auch diese degenerirten Cysticerken noch Knospen an dem Hinterrande der Blase erzeugen können, andererseits aus der fortdauernden Größen- zunahme der Blase. Die Größenzunahme wäre nun an und für sich kein Beweis für die Lebensdauer des Thieres, denn es könnte durch Vorgänge rein physikalischer, z. B. osmotischer Natur, die Flüssig- keitsmenge im Hohlraum der Blase vermehrt und dadurch das Vo- lumen der Blase vergrößert werden. Wenn nun die Blasenwand keines Wachsthums mehr fähig wäre, so müsste sie sich, wenn das Volumen wächst, das sie zu umspannen hat, gleich einer gedehnten Kautschukmembran verdünnen; da aber die Wand der Finne mit degenerirtem Skolex nicht verschieden ist von der Wand der in- takten, so ist klar, dass die Größenzunahme jener » Acephalocysten« durch dieselben Wachsthumsvorgänge bedingt ist, wie bei den nor- malen Individuen. Die beschriebenen » Acephaloeysten« erreichen in der Regel eine Länge von 2,6 mm und eine Breite von 4,5 mm; die größte, die ich fand, zeigte die Maße 2,99 bezw. 7,4 mm. Da ich niemals an einem ausgestülpten Skolex Degenerationsblasen ge- funden habe, so scheint es, dass die Rückbildung des Skolex durch das Ausbleiben der Umstülpung bedingt ist. Wenn letztere inner- halb einer gewissen Zeit nicht erfolgt, tritt Degeneration ein. Beide Processe stehen in Wechselwirkung. Doch nicht nur am Skolex, treten die Degenerationsblasen auf, sondern auch, jedoch nur in 0 u u Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. - 125 seltenen Fällen, in der Wand der Schwanzblase, wie aus Fig. 2, 9, 10, 16 ersichtlich ist. Doch ist die Zerstörung hier geringer. Wenn wir in der Litteratur Umschau halten nach Angaben über Degeneration bei Blasenwürmern, so finden wir die erste bei Göze (1). Doch entsprechen seine Beobachtungen eben so wenig, wie die von KÜCHENMEISTER (22) zusammengestellten Fälle von BREMSER und SENDLER den von mir beschriebenen Degenerationsvorgängen, da dort von dem Tode der Finnen und darauf folgender Verkalkung die Rede ist. Der einzige beschriebene Fall, der, wie ich aus der Abbildung zu ersehen glaube, ein Gegenstück zu der erwähnten Degeneration bildet, ist der sogenannte Oysticercus pileatus, den BoJANUSs (5) unter der Haut von Simia inuus in einem Exemplar ohne Hakenkranz und Sauggruben fand. R. LEUCKART (15) erklärte diese Form mit der Entartungstheorie SIEBOLD’s, der er damals noch huldigte und stellte die Degeneration des Skolex auf eine Stufe mit der vermeintlichen hydropischen Entartung der Schwanzblase. Ich glaube, dass dieser Cysticereus pileatus auf dieselbe Weise entstanden ist, wie unsere skolex- losen Blasenwürmer. Wenn ich noch die Angaben von Naunyn (23) heranziehe, der bei Echinokokken die Entwicklung von Tochterblasen durch Degeneration eines Skolex beschreibt, so ergeben sich wieder interessante Vergleichspunkte, denn auch unsere Finnen mit degene- rirtem Skolex haben noch die Fähigkeit, Knospen (Tochterblasen) zu erzeugen. Übrigens ist bei unserem Cysticercus neben der blasigen De- generation des fertigen Kopfes auch noch eine abnorme Entwicklung der jugendlichen Stadien zu beobachten. Diese kann in doppelter Weise auftreten: entweder indem gar kein Skolex angelegt wird, oder indem die Entwicklung desselben auf einer niedrigen Stufe stehen bleibt. In beiden Fällen wird die abnorme Bildung verursacht durch verfrühtes Vorstülpen des Theiles der Blasenwand, wo sich der Skolex anlegen sollte, oder bereits angelegt hatte. Die Ausstülpung, welche in der Entwicklungsgeschichte des Cysticercus mit ausge- bildetem Skolex ein normales Moment bildet, geschieht zu früh; der Process, welcher normaler Weise nach der Bildung des Skolex auf- treten sollte, tritt vor derselben schon ein; ein Theil der Entwick- lung, nämlich die Anlage der Kopforgane, des Hakenkranzes, der Saugnäpfe ete., wird vollständig ausgelassen. So sind die Formen unter dem vorhandenen Material zu erklären, welche als einfache Blasen von ovaler Gestalt erscheinen, deren Wandung an einer als Vorderende zu bezeichnenden Stelle eine zapfenförmige, hohle Vor- 126 Amandus Bott, wölbung mit stark verdickter Wandung zeigt. Diese abnorme Ent- wicklung kann sehr früh beginnen, ich habe solche Blasen von 0,31 mm Länge und 0,52 mm Breite gefunden. Sie wachsen wei- ter, ohne dass sich an dem ausgezogenen Theil der Blase eine Skolexanlage bemerkbar macht. Für die Lebenskraft dieser Blasen spricht wieder die Größenzunahme und die Fähigkeit, Knospen am hinteren Ende zu erzeugen. Die durch die beschriebene abnorme Entwicklung entstandenen »Acephalocysten« können mit den durch die blasige' Degeneration hervorgerufenen nicht verwechselt werden, selbst wenn sie ihnen an Körpergröße gleichkommen, denn bei den letzteren sind im Innern der Finne noch Resorptionsblasen vorhanden, während jene eine einheitliche Oysticercusblase darstellen. 6. Vermehrung der Finne durch Knospung. Die auffallend große Zahl der in dem einen Maulwurf gefun- denen Cysticerken legte zuerst den Gedanken nahe, dass eine un- gemein reichliche Infektion stattgefunden habe. Ferner musste das Vorhandensein einer kontinuirlichen Serie der verschiedenen Ent- wicklungsstadien zu der Annahme führen, dass die Infektion durch lange Zeit ununterbrochen fortgedauert habe. Beides wäre, wenn auch unwahrscheinlich, doch nicht unmöglich. Allein es zeigte sich, wie schon mehrfach erwähnt wurde, dass unsere Finnen die Fähig- keit besitzen, durch reichliche Knospung neue Finnen aus sich her- vorsprossen zu lassen, die heranwachsend offenbar wieder durch Knospung sich vermehren können. Und so wäre es sehr wohl denkbar, dass die ganze ungeheure Zahl von Finnen auf eine ein- malige, nicht sehr reichliche Infektion zurückzuführen wäre und alle die verschiedenen Stadien durch Knospung aus jener entstanden wären. Schon eine flüchtige Betrachtung mit der Lupe lehrt, dass am hinteren Ende zahlreicher Finnen Blasen von verschiedener Größe anhängen, die mit der Schwanzblase in organischem Zu- sammenhang stehen. Eine genauere Untersuchung dieser Anhängsel ergiebt, dass sie mit den oben erwähnten jüngsten freien Finnen vollständig übereinstimmen. Überdies dokumentiren einzelne ihre Finnennatur sofort noch dadurch, dass sie, noch im Zusammenhang mit der Mutterblase, ihrerseits wieder eine Skolexanlage zeigen. Diese Beobachtungen lassen also keinen Zweifel, dass es sich hier um einen Vermehrungsprocess handelt, der Art, dass aus der Blase einer Finne Bläschen hervorsprossen, die, früher oder später en Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 127 sich loslösend, zu neuen Finnen heranwachsen und selbst wieder die Fähigkeit haben, Knospen zu erzeugen. 7. Beschreibung des Knospungsvorganges. Die Fähigkeit, Knospen zu erzeugen, ist bei unserem Cysti- cercus fast auf allen Entwicklungsstufen vörhanden. Schon bei kleinen Bläschen von 0,5 mm Durchmesser, wo noch keine Spur einer Skolexanlage vorhanden war, habe ich Knospen beobachtet. Doch waren diese Fälle selten. Am reichlichsten ist die Knospen- bildung bei den Finnen mit fertigem, ausgestülptem Skolex, doch auch die in progressiver und rückschreitender Umbildung begriffenen erzeugen noch Tochterblasen. Lässt man die noch unentwickelten Stadien außer Betracht, so darf man sagen, dass etwa ein Drittel aller Finnen das Phänomen der Knospenbildung aufweist. Die Bildungsstätte der Knospen ist das hintere Ende der Blase, serade gegenüber der Bildungsstätte des Skolex. Die Regel ist, dass nur wenige (3—8) Knospen vorhanden sind, welche auf eine kleine Stelle zusammengedrängt sind. Ein Bild dieser typischen Erscheinung giebt Fig. 5, Taf. VI. Häufig ist jedoch auch der Fall, dass der ganze hintere Abschnitt der Blasenwand von zahlreichen Knospen besetzt ist, wie Fig. 9 und 16 erläutern. Dann ist nicht selten die Knospungszone von dem übrigen Blasenkörper durch eine Ringfurche abgegrenzt (Fig. 2, Taf. VI. In ganz wenigen Fällen fand ich die Knospung so extensiv, dass keine Knospungszone ab- zugrenzen war, indem multiple Knospen auch am vorderen Theil der Blase hervorsprossten. Die Zahl der Knospen ist manchmal sehr groß; in einer Knospungszone habe ich bei schwacher Vergrößerung über S0 kugelige Hervorragungen von größerem oder geringerem Durchmesser gezählt. Die Trennung der Knospen von der Mutter- blase geschieht durch einfache Abschnürung. Es finden sich Exem- plare, die mit der mütterlichen Wand durch einen soliden gewun- denen Strang zusammenhängen, während in anderen Fällen die Ver- bindung nur mehr durch einen ganz feinen Faden erhalten ist. Die Zeit der Trennung ist sehr verschieden: einzelne Knospen lösen sich sehr bald von der Mutterblase, andere später, wenn der Skolex der Tochterfinne, welcher an dem der Ansatzstelle gerade gegenüber- liegenden Ende der Knospe angelegt wird, bereits eine höhere Stufe der Ausbildung erreicht hat. In einem Falle fand ich eine der Mutterblase noch anhängende Tochterfinne, welche einen Durch- messer von 1,17 mm hatte und einen vollständig fertigen Skolex 128 Amandus Bott, mit Haken und Saugnäpfen besaß. An einigen Knospen lassen sich schon wieder Enkelknospen nachweisen, während andere in jener oben beschriebenen abnormen Entwicklung begriffen sind, wobei die Stelle, an welcher der Skolex sich bilden sollte, in der beschriebenen Weise :zapfenförmig vorgewölbt ist. Bevor ich nun zur Histiologie der Knospung übergehe, möchte ich an dieser Stelle einige Monstra schildern, weil deren Entstehung mit dem Knospungsvorgang in einem gewissen Zusammenhang steht. Dreimal fand ich einen Oysticerecus biceps (Fig. 8, Taf. VI). Es schienen zwei Finnen mit dem hinteren Ende ihrer Schwanzblase verwachsen zu sein. Die einfachste Erklärung dieses Gebildes ist die, dass eine einzige Knospe gebildet worden und so lange mit der Mutterfinne im Zusammenhang geblieben ist, dass sie die gleiche Ausbildung wie diese erreicht hat. Wahrscheinlich sind auch andere in der Litteratur beschriebene Fälle von Doppelfinnen, so die von Monısz (30) bekannt gemachten, in solcher Weise zu erklären. Kein Analogon finde ich in der Litteratur für die nun zu schildernden Monstrositäten, doch dürfte eine Erklärung für das Zustandekommen derselben leicht zu geben sein. In etwa 10 Fällen fand ich Kon- volute von Bläschen in Traubenform in der Art, dass von einem Öentrum aus nach allen Seiten viele kleinere und größere Blasen entsprossen (Fig. 3 und 10, Taf. VD. Von den größeren Knospen hängen einige durch einen gewundenen Strang oder bloß noch durch einen feinen Faden mit der Traube zusammen. Einzelne der Blasen haben Skolexanlagen auf verschiedener Stufe der Entwicklung. Bei einer dieser Trauben (Fig. 10, Taf. VI) finden sich zwei Tochter- blasen, von denen jede eine Skolexanlage besitzt, seitlich mit einander verwachsen. Die Entstehung dieser Trauben ist am einfachsten so zu erklären, dass sich eine der oben beschriebenen Knospungszonen von der Mutterblase vollständig abschnürt, die Tendenz dazu ist ja vorhanden, wie ein Blick auf Fig. 2, Taf. VI lehrt. Durch die Wucherung der zahlreichen Tochterblasen wird dann die Knospungs- zone verdeckt, vielleicht verkleinert sie sich auch. Das wunderlichste Gebilde, das ich fand, ist in Fig. 7, Taf. VI dargestellt. Der deutlich erkennbare, eiförmige Kopf mit den Über- resten der Hakentaschen beweist, dass das Ganze ein, allerdings übel aussehender Cysticercus ist. Ein langer, vielfach gewundener, theilweise erweiterter, theilweise obliterirter Schlauch verbindet den Kopf mit einer Blase, welche an ihrem hinteren Ende zwei einge- stülpte gut entwickelte Skoleces neben einander erkennen lässt. E Über einen dureh Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 129 Offenbar ist durch irgend welche unbekannte Einflüsse der Kopf und Hals des Cysticereus in der normalen Entwicklung gehemmt worden, die enorme Produktionskraft der Finne aber hat dieses Gebilde geschaffen und an dem intakten Rost der Schwanzblase gleich zwei Skoleces erzeugt. Was nun die histiologischen Verhältnisse bei der Knospung be- trifft, so habe ich darüber Folgendes ermittelt. Vor Allem fällt die starke Verdickung der Blasenwand im Bereich der Knospungszone auf (Fig. 15, Taf. VI), welche das Zwei- bis Dreifache der gewöhn- lichen Dicke betragen kann. Der Übergang in die Knospungszone ist ein ganz allmählicher. Die Verdiekung ist einfach durch Vermeh- rung der Parenchymzellen und der Grundsubstanz bedingt; Hand in Hand damit geht eine reichere Ausbildung des Wassergefäßsystems. Die Längsmuskeln sind im Bereich der Knospungszone viel zahl- reicher und erscheinen zu leicht geschlängelten Bündeln mit langen, schmalen Lücken angeordnet, wie das besonders an Flächenpräpa- raten deutlich hervortritt. Die Ringmuskelfasern dagegen liegen wie im übrigen Bereich der Blase in einfacher Schicht unter der Cutieula. Auch die Cuticula nimmt an der Verdickung der Blasen- wand innerhalb der Knospungszone Antheil. Die auffallendste Erscheinung im Bereich der Knospungszone ist jedoch die Vermehrung des Parenchyms in der Schicht zwischen den Ring- und Längsmuskeln. Während in dem indifferenten Be- reich der Blase (Fig. 14, Taf. VII) die Längsmuskeln fast direkt unter den eirkulären Fasern liegen, schiebt sich in der Knospungs- zone zwischen diese beiden Lagen eine sehr beträchtliche Schicht von Grundsubstanz und Parenchymfasern ein (Fig. 15, Taf. VII). Diese Verdickung ist jedoch keine gleichmäßige, sondern sie ist, wie die Längsschnitte und Flächenpräparate zeigen, in Gestalt von größe- ren und kleineren, breiteren und schmaleren cirkulären Leisten ent- wickelt, die gegen das Centrum der Knospungsregion im Allgemeinen an Höhe zunehmen. Es liegt nahe, diese Veränderung, wenigstens in ihrer ersten Entstehung, auf eine starke Kontraktion der Längs- muskeln zurückzuführen. So lange die Falten niedrig sind, findet man keine Parenchymzellen, d. h. eben keine Kerne in ihnen vor. Erst in den höheren Falten treten sie auf, und man kann deutlich konstatiren, wie sie in den Lücken zwischen den Längsmuskelfasern | | nach außen treten. Diese Falten oder Leisten nun bilden den Aus- gSangspunkt für die Knospung. Es treten aus ihnen da und dort stärkere Papillen hervor — besonders die Flächenpräparate zeigen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 9 130 Amandus Bott, die Differenzirung dieser zuerst sehr unscheinbaren Papillen aus den Leisten sehr gut — jede solche Papille ist die Anlage einer Tochter- blase. Sie wächst allmählich zu einem annähernd kugeligen Körper- chen heran, welches durch einen relativ immer dünner werdenden Stiel mit der Mutterblase zusammenhängt. Bei diesem Wachsthum wird die Cuticula offenbar passiv gedehnt, wie aus ihrer starken Verdünnung zu entnehmen ist (Fig. 15, Taf. VII). Auch die Ring- muskelfasern vermehren sich zunächst nicht entsprechend, und so zeigen sich diese vorher dicht neben einander gelegenen Fibrillen nun weit von einander abgedrängt. Das Parenchym der jungen Knospe zeigt dieselbe Beschaffenheit wie die Wand der Mutterblase: gleichmäßig zerstreute Zellen und das polygonale Maschenwerk, dessen Fäserchen nur in dem Stiel der Knospe eine Verdichtung und eine Orientirung parallel zur Längsachse des Stieles erkennen lassen. Wassergefäßtrichter sind in den jungen Knospen, wie eine solche in Fig. 15, Taf. VII, getroffen ist, noch nicht nachweisbar. Den genauen Zeitpunkt ihres Auftretens konnte ich überhaupt nicht feststellen. Doch zeigen sie sich bereits wohl entwickelt in Knos- pen, welche noch völlig solid sind, und ich konnte in einem Fall mit voller Sicherheit den Zusammenhang der Wassergfäßkanäle der Knospe mit dem System der Mutterblase verfolgen. Es darf also wohl angenommen werden, dass der Exkretionsapparat der Knospe aus demjenigen der Mutterblase durch Einwucherung entsteht. Da- gegen scheint ein Übergang von Längsmuskelfasern aus der Wand der Mutterblase in die Knospe nicht stattzufinden. Diese Fasern vermochte ich erst auf einem Stadium nachzuweisen, wo die Knospe anfängt hohl zu werden. Ich muss also annehmen, dass sie zu dieser Zeit neu gebildet werden. Der Übergang der soliden Knospe in die Blase geschieht einfach in der Weise, dass sich im Centrum Flüssigkeit ansammelt, wodurch das Parenchym nach außen ver- drängt wird. Hier ordnet es sich nun mit den inzwischen aufge- tretenen Längsmuskeln und mit dem gleichfalls peripherwärts ver- drängten Wassergefäßapparat in der Weise an, dass die Wand schon bei Knospen, welche die für die kleinsten freien Blasen oben ange- sebene Größe erreicht haben, sich in ihrer Struktur nicht mehr von der Wand der erwachsenen Finne unterscheidet. 8. Über die ungeschlechtliche Vermehrung der Finnen im Allgemeinen. Die Durchsicht der hauptsächlichsten Parasitenwerke bei Beginn dieser Arbeit hatte vermuthen lassen, dass die vorstehend beschrie- Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus etc. 131 bene Vermehrung eines Cysticercus durch nach außen hervorsprossende Knospen bisher noch nicht beobachtet worden sei. Dies stellte sich jedoch bei genauerem Studium der Litteratur als ein Irrthum heraus. Schon BREMSER (2) hat eine diesbezügliche Beobachtung gemacht. In der Brusthöhle der Feldmaus fand er zweimal freischwimmende Blasenwürmer (Cysticereus longieollis), unter denen er auch sein bereits erwähntes Monstrum biceps entdeckte. An mehreren der Cysticerken sah er an der Schwanzblase einen, öfter noch zwei, seltener drei junge Blasenschwänze heraushängen. Er deutete diese Erscheinung bereits als Knospung, als eine Art »Fortpflanzung gleichsam durch Ableger«. Auch hat er in seinen »Icones helminthum« Abbildungen solcher COysticerken gegeben. Der zweite hierher gehörige Fall ist von Hausmann gefunden und von BEnDz (7) beschrieben worden. Die Finnen, um die es sich dabei handelt, sind wohl ohne Zweifel mit den von mir beschriebenen identisch. Wie diese wurden auch die von Benpz bearbeiteten unter der Haut einer wassersüchtigen Talpa europaea in Menge gefunden. BEnDzZ fand die kleinen Bläschen immer an dem der Skolexanlage gegenüberliegenden Theil der Blase, sie waren in verschiedenen Größen vorhanden, einzelne hingen nur noch vermittels eines dünnen Stieles mit der Mutterblase zusammen. Auch Benpz betrachtete die Erscheinung als einen Modus, durch den sich der Blasenwurm vermehrt. Andere Fälle dieser Art sind mir aus der Litteratur nicht bekannt geworden. Es dürfte nun von einem gewissen Interesse sein, die übrigen bekannten Modi, durch welche aus einer zunächst einfachen Finnen- -blase zahlreiche Skoleces sich ableiten, kurz zu betrachten und mit unserem Fall in Vergleich zu setzen. Bei gewissen Cysticerken scheint eine ungeschlechtliche Ver- mehrung in der Weise stattzufinden, dass von der Wand aus Tochter- blasen ins Innere des Hohlraumes sich durch Knospung entwickeln. Wenn auch die Angabe von Göze (1), der in der Schwanzblase eines ÜOysticercus fasciolaris eine Tochterfinne beobachtet haben will, als zweifelhaft bezeichnet werden muss, so bürgt für diese Art von Fortpflanzung doch die Mittheilung LeuckArr’s (14), dass der Cysticereus tenuicollis durch innere Knospung Tochterblasen erzeugt, so dass man in einer Schwanzblase mitunter eine große Anzahl kleiner Bläschen findet. Auch Tscuupr’s (6) Beobachtung, dass bei Cysticercus pisiformis in einer »Blase« eine große Menge kleinerer Blasen mit mehr oder weniger ausgebildeten Skoleces gefunden wurden, dürfte vielleicht für die Möglichkeit einer inneren Knospung gx* 132 Amandus Bott, ; sprechen; allein, wie schon LEuckArT (10) hervorgehoben hat, ist aus Tscuuprs Darstellung nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob er wirklich die Schwanzblase eines Cysticereus, oder die Bindegewebs- cyste des Wirthes vor sich hatte, so dass auf seine Angabe kein Gewicht gelegt werden kann. Jedenfalls geht aus den mitgetheilten Beobachtungen hervor, dass von der als Cysticereus bezeichneten Finnenform, dadurch, dass die Blase durch äußere oder innere Knospung Tochterblasen hervor- bringt, die ihrerseits wieder je einen Skolex bilden, zahlreiche Band- würmer abstammen können, während es früher als Hauptcharak- teristikum für Cysticercus galt, dass er nur einen Skolex und also nur einen Kettenwurm liefere. Dadurch wird der Gegensatz, der zwischen CÖysticerceus einerseits und Coenurus und Echinoeoceus andererseits bestand, wesentlich vermindert, und dies ist noch mehr der Fall, wenn man weiterhin den Polymorphismus in Betracht zieht, der sich für die beiden letztgenannten Finnenformen allmählich herausgestellt hat. Für Coenurus wurde ursprünglich als wesentlich erachtet die Entwicklung zahlreicher Skoleces, die zu Gruppen vereinigt in den Blasenwurm hineinhängen. Seither ergaben sich von diesem Typus nach verschiedener Richtung Abweichungen. So hat bereits 1847 GERVAIS einen Coenurus serialis beschrieben, der, wie ich aus ReEinıtz (31) entnehme, nach der genauen Beschreibung BAILLET’s charakterisirt ist einerseits durch die reihenweise Anordnung des Skolex an der Innenwand der Blase, andererseits durch die Er- zeugung von fertilen Tochterblasen, die sowohl an der inneren als an der äußeren Seite der Blasenwand sprossen und eben so Skoleces produeiren wie die Mutterblase. Reınırz beschreibt selbst noch einige Fälle von Coenurus serialis Gervais in Übereinstimmung mit den Angaben BAıLLErT’s und führt noch mehrere, theils mit den seinigen übereinstimmende, theils mehr oder minder abweichende Fälle aus der Litteratur an, bezüglich deren ich jedoch auf seine Abhandlung verweise, da uns hier die Einzelheiten derselben nicht interessiren. | | Über eine andere Form berichtet Bexnz. Er beobachtete eine Multiplikation bei Coenurus cerebralis des Schafes, durch Abschnü- rung einzelner Theile der Mutterblase. Die Tochterblasen können sich vollständig trennen und liegen frei neben der Mutterblase. Un- vollständige Abschnürung einzelner Theile der Blase bei Coenurus beobachtete M&GnIn (29). Der französische Forscher hat einen on ee ee este ENTE A u ERTETE Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc. 133 Blasenwurm aus der Schenkelmuskulatur von Dipus beschrieben und Coenurus polytubereulosus genannt. Dieser hatte eine unregelmäßig verzweigte Gestalt, bedingt durch herzförmige Abschnürungen von der Hauptblase. Das Lumen der Hauptblase setzte sich fort in die Absehnürungen, auf deren Innenfläche mehrere Skoleces mit vier Saugnäpfen und doppeltem Hakenkranz saßen. Die außerordentliche Vielförmigkeit, welche für Echinococeus beschrieben worden ist, dürfte sich auf eine verschiedene Kombina- tion zweier Vorgänge zurückführen lassen, einerseits die Bildung der sogenannten Brutkapseln, andererseits die Erzeugung von Tochterblasen. Das Specifische der Echinococeusfinne wäre darin zu sehen, dass weder sie selbst, noch die von ihr abstammenden Tochterblasen jemals direkt einen Skolex erzeugen, sondern erst durch Vermittelung der aus dem Parenchym nach innen vorsprossen- den Brutkapseln, welche offenbar nicht mit den nach innen kospen- den Tochterblasen identifieirt werden dürfen, sondern als besondere Bildungen anzusehen sind. Dies zeigt einmal ihre Struktur und Entstehung, andererseits ihre Produktionskraft. Die Tochterblasen des Echinococcus, mögen sie nach innen oder außen sprossen, besitzen stets eine Cutieula und entstehen aus Parenchymgewebe, welches sich zwischen die einzelnen Schichten der Cuticula einge- sprengt findet'. Wie die ursprüngliche Blase selbst, können auch sie entweder abermals neue Tochterblasen auf dem gleichen Weg erzeugen, oder sie können Brutkapseln bilden. — Die Brutkapseln bestehen nur aus Parenchym, sie stellen wahrscheinlich eine be- sondere Differenzirung der inneren Parenchymschichten dar, sie vermögen nicht neue Blasen zu erzeugen, sondern ihre einzige Funktion ist die Bildung von Skoleces. Nach den Angaben der Litte- ratur können diese Skoleces sowohl nach außen, wie nach innen sprossen, woraus hervorgeht, dass ihre Wand andere Eigenschaften besitzt als die gewöhnliche Finnenwand, welche eine differente Innen- und Außenseite besitzt und demgemäß Skoleces nur nach einer Richtung entwickeln kann. Diese Doppelseitigkeit der Wand der Brutkapseln ist in so fern interessant, als sie von einer ganz anderen Seite her die oben bei der Analyse des Finnengewebes auf- gestellte Vermuthung stützt, dass die ganze zellige Blasenwand aus essentiell gleichartigen Elementen besteht. i Der oben referirte LEUCKArRT'sche Fall einer inneren Knospung von Tochterblasen bei Cysticercus pisiformis ist wohl in ähnlicher Weise zu erklären. 134 | Amandus Bott, Sehen wir nun von dieser Einrichtung besonderer Brutkapseln ab, welche, wie gesagt, als etwas dem Echinococcus Specifisches angesehen werden müssen, und die, um in ihrer morphologischen Bedeutung völlig klar zu werden, noch einer genaueren Untersuchung bedürfen, so dürften alle aufgeführten Modi von ungeschlechtlicher Vermehrung im Finnenstadium sich als untergeordnete Modifikationen eines gleichartigen Bildungstriebes darstellen. Alle zielen darauf ab, dass aus einem Bandwurm-Ei zahlreiche Bandwürmer hervorgehen; allen ist gemeinsam, dass ein Stück der ursprünglichen Schwanzblase, deren primäre Bedeutung offenbar die ist, eine Schutzhülle für die Kopfanlage zu bilden, die Fähigkeit gewinnt, neue Skoleces zu er- zeugen. Dieser Process ist entweder in der Weise realisirt, dass ein Theil der Blasenwand zuerst zu einer neuen Blase auswächst, die, sich abschnürend, wieder einen neuen Skolex hervorbringt, oder es entstehen die neuen Skoleces in unvollständig abgeschnürten Divertikeln der Mutterblase (Coenurus polytubereulosus), oder einfach direkt an der stark vergrößerten primären Blase. Dieser letztere Modus kann dann wieder mit der Abschnürung von Blasen kom- binirt sein. Ob ein phylogenetischer Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Modifikationen besteht, dürfte schwer zu entscheiden sein; sollte aber ein solcher angenommen werden, so halte ich es für das Wahrscheinlichste, dass die Entstehung wirklicher Tochter- finnen als Knospen an einer Mutterfinne den ursprünglichsten Modus darstellt. Den at unserer End Die Frage nach dem Namen und nach der systematischen Stel- lung unseres Parasiten gliedert sich in zwei Unterabtheilungen, nämlich 1) gehören die verschiedenen geschilderten Formen einer einzigen Species an, oder ist etwa eine Mischinfektion vorauszu- setzen, 2) ist unser Cysticereus mit einer der in der Litteratur bereits beschriebenen Formen identisch oder ist er als Vertreter einer neuen Species anzusehen? Bei der Entscheidung der ersten Frage kommen natürlich hauptsächlich die ausgebildeten Cysticerken mit vollständig entwickeltem Skolex in Betracht. Das Hauptkriterium seben die Zahl und Gestalt der Haken ab. In diesen beiden Rich- tungen herrscht nun völlige Übereinstimmung zwischen den Exem- plaren mit eingestülptem und denen mit ausgestülptem Skolex. Es gelang mir in einigen Fällen, in denen der eingestülpte Kopf seine. Vorderfläche gegen die Seitenwand der Blase gekehrt hatte, Zahl SE VER Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc. 135 und Gestalt der Haken genau festzustellen. Dazu kommt, dass von den Formen mit eingestülptem Skolex ausgehend, alle Stadien der Umstülpung bis zur Vollendung derselben beobachtet werden können. Unter den Exemplaren mit ausgestülptem Skolex finden sich aller- dings mehrere, welche die Haken, die, wie es scheint, leicht aus- fallen, vollständig verloren haben. Doch kann man immer noch die Hakentaschen am Rostellum erkennen, auch stimmt der ganze übrige Habitus dieser Blasenwürmer mit dem der intakten so gut überein, dass kein Zweifel an der Identität der einzelnen Cysticerken be- stehen kann. Eben so wenig ist ein Grund vorhanden, die noch in der Entwicklung begriffenen Blasen oder die bereits blasig degene- rirten Formen einer anderen Species zuzurechnen, da ja alle Über- Sangsstadien vorhanden sind sowohl von den skolexlosen Bläschen zu den ausgebildeten Finnen, als auch von diesen durch die einzelnen Stadien der Rückbildung des Skolex bis zu den »Acephalocysten«. Es steht also fest, dass wir es mit einer einzigen Species zu thun haben. Ist nun diese Species identisch mit einer der in.der Litteratur beschriebenen Formen? Bei der Beantwortung dieser Frage kommt als Hauptkriterium die morphologische Beschaffenheit des Blasen- wurmes und nach LEUCKART vor Allem Zahl, Größe und Gestalt der Haken in Betracht, in zweiter Linie das Phänomen der Knospen- bildung und schließlich der Wirth des Parasiten. Nach v. Liwstow (28) kommen an Cysticerken im Maulwurf (Talpa europaea) vor: 1) Cyst. longieollis Rud. und 2) Cyst. talpae Rud. Da der von Benpz beschriebene, oben erwähnte Fall von knospen- den Cysticerken aus einem wassersüchtigen Maulwurf mit unserem Falle die allergrößte Ähnlichkeit hat, ist natürlich die allerwahr- scheinlichste Annahme die, dass unsere Finne dieselbe Species re- _ präsentirt, wie die von BENDZ untersuchte. BEnnz selbst hat seinen Cysticereus als Cysticerceus talpae bezeichnet, indem er glaubte, die von RUDOLPHI mit diesem Namen belegte und unter den »Species dubiae« angeführte Finne vor sich zu haben. Nun hat aber KrABBe, wie ich aus Bronw’s (38) Klassen und Ordnungen, aus LEUCKART’S (13) Bericht in TroscHEL’s Archiv und aus Moxızz (30) ersehe, auf das bestimmteste nachgewiesen, dass der Cyst. talpae Bendz mit Cyst. longieollis Rud. identisch ist und dass er den Jugendzustand der Taenia crassiceps darstellt, was für Cyst. longicollis schon LEUCKART unzweifelhaft nachgewiesen hatte. Der Name Cyst. talpae Bendz hat also keine Berechtigung in der Litteratur. 136 Amandus Bott, Nun zu Cyst. talpae Rud.! RuporrHı hat, was auch MonIEz mit Recht tadelt, sich damit begnügt, einen Blasenwurm aus dem Maulwurf, den er aber nicht einmal gesehen hat, mit Cyst. talpae zu bezeichnen und unter die Species dubiae zu stellen. Es kann nicht Wunder nehmen, wenn im Laufe der Zeit von den Autoren die verschiedensten Angaben über diesen ungenügend beschriebenen Cysticereus gemacht wurden. In seiner Monographie sprieht LEUCKART (16) die Vermuthung aus, dass der Cyst. talpae vielleicht der Taenia polyacantha des Fuchses zugehöre; KÜCHENMEISTER (21) bestreitet jedoch diese Meinung und behauptet die Identität von Cyst. talpae und Oyst. innominatus Hypudaei, welchen er bei Feldmäusen und Maulwürfen gefunden hatte; LEUCKART pflichtet dem später bei und beide Gelehrten stimmen darin überein, dass der Cyst. talpae zur Taenia intermedia des Iltisses gehöre. Es war also meine Aufgabe, festzustellen, ob meine Finne den senannten Tänien zugehören könne. Als Grundlage dienten mir dabei die trefflichen Beschreibungen der einzelnen Bandwürmer und die genauen Abbildungen ihrer Haken, die LEUCKART in seiner mehrfach erwähnten Monographie gegeben hat. Das Resultat der eingehenden Vergleichung der Haken unseres Blasenwurmes nach Zahl, Größe und Gestalt mit den Haken der Taenia polyacantha, der T. tenuicollis und der T. intermedia ist die Gewissheit, dass unser Cysticerecus zu keinem der genannten Bandwürmer gehört. Wenn nun einer derselben aus dem Cyst. talpae Rud. hervorgeht, so ist klar, dass unser Cysticercus mit jenem nicht identisch sein kann. Auch bei den übrigen allenfalls zu berücksichtigenden Tänien und Cysticerken habe ich, so weit Beschreibungen vorhanden und mir zugänglich sind, die Verhältnisse: speciell der Haken geprüft, aber nirgends eine Übereinstimmung mit unserem Blasenwurm gefunden. Nach diesem negativen Resultat schien es nun ganz sicher, dass unsere Finne, wie diejenige von BEnDz (HAUsmAnN) mit dem Cysti- cercus longicollis identisch sein müsse. Doch abgesehen von den mehrfach hervorgehobenen gemeinschaftlichen Momenten ergab sich bei der genaueren Vergleichung unserer Finne mit Cysticereus longi- collis eine Reihe von Thatsachen, welche die Identifieirung beider nicht ohne Weiteres zulassen. Die Größe des Cysticercus longi- collis wird von allen Autoren etwas höher angegeben, als wir an unserem Oysticereus gefunden haben. Was die Haken anlangt, so hat LEuUCKART in seiner Monographie die Zahl, Größe und Form N Ze Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 137 der Haken, der zum Cysticereus longicollis gehörigen Taenia crassi- ceps angegeben; diese Tänie hat 16—17 Paare Haken, während unser Blasenwurm nur 12, seltener 14 Paare trägt. Auch die Form der Haken ist verschieden, wie ein Blick auf Leuckarrs Abbil- dungen und meine Zeichnungen lehrt. Schließlich wurde es mir noch möglich, Exemplare von Cyst. longicollis, aus BREMSER's Fund stammend, mit unserem Blasenwurm zu vergleichen. Durch die sütige Vermittelung des Herrn Prof. BovErt stellte mir das Direk- torium des Wiener Museums einige Exemplare zur Verfügung, wofür ich öffentlich den gebührenden Dank abstatte. Die Finnen des Wiener Museums sind etwas größer als die unsrigen, auf gleicher Ent- wicklungsstufe stehenden. Die Haken sind kleiner und schlanker und ihre Anzahl ist größer als bei unserer Finne. Von zwei genauer untersuchten Exemplaren zählte das eine 32, das andere 38 Haken. Ob es nun gerechtfertigt ist, auf Grund dieser Differenzen unsere Finne als eine neue Species anzusehen, dürfte zu bezweifeln sein. Es würde dies zwar der gewöhnlichen Praxis entsprechen, nach welcher der Zahl, Form und Größe der Haken ein so großes Gewicht beigemessen wird. Allein es ist sehr wohl möglich, dass in diesen Verhältnissen bei einer und derselben Species eine viel größere Varia- bilität besteht, als wir gegenwärtig wissen. Ich selbst möchte einst- weilen dem Phänomen der Knospenbildung sowie dem Wohnort eine srößere Bedeutung zuerkennen als den namhaft gemachten Unter- schieden und glaube, dass wir es in unserem Falle mit einer Varietät des Cysticereus longicollis Rud. zu thun haben. Nachschrift. Nachdem die vorliegende Schrift bereits abge- schlossen und von der medicinischen Fakultät der Universität Würzburg als Inaugural-Dissertation angenommen war (Juli 1896), hat Braun (41) in mehreren Mittheilungen über einen knospenden Cysticercus berichtet. Der Fall stimmt, so weit ich es beurtheilen kann, aufs vollkommenste mit dem meinigen überein. Da Braun seine Finne als Cysticereus longicollis bestimmen konnte, wird dadurch die oben ausgesprochene Vermuthung, dass auch unser Cysticercus zu dieser Species gehört, noch wahrscheinlicher. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. BovErı, für die Überlassung des werthvollen Materials und für die gütige Unterstützung bei der Arbeit den gebührenden Dank abzustatten. Würzburg, im Juni 1897. 138 ao 22 Amandus Bott, Litteraturverzeichnis. GÖZE, Versuch einer Naturgeschichte der Eingeweidewürmer thierischer Körper. Blankenburg 1782. BREMSER, Über lebende Würmer im lebenden Menschen. Wien 1819. Derselbe, Icones helminthum 1824. RUDOLPHI, Entozoorum synopsis. Berlin 1819. BOJANUS, in OKen’s Isis 1821. p. 163. TscHhupı, Die Blasenwürmer. 1837. BENDZ, in Oken’s Isis 1844. p. 813. DUJARDIN, Histoire naturelle des Helminthes ou vers intestinaux. Paris 1845. v. SIEBOLD, Über den Generationswechsel der Cestoden. in: Diese Zeitschr. 1850. Bd. IT. p. 226. RuD. LEUCKART, Beobachtungen und Reflexionen über die Naturgeschichte der Blasenwürmer. in: TROSCHEL’s Archiv 1848. Derselbe, Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der niede- ren Thiere. Ibid. 1857. Derselbe, Bericht ete. Ibid. 1859. Derselbe, Bericht ete. Ibid. 1864. Derselbe, Bericht etc. Ibid. 1865. Derselbe, Parasitismus und Parasiten. in: Archiv für physiol. Heilkunde. 11. Jahrg. 1852. Derselbe, Die Blasenwürmer und ihre Entwicklung. Gießen 1856. Derselbe, Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden Krankheiten. I. Aufl. 1863. 2. Aufl. 1879—1886. DiESInG, Systema Helminthum. Wien 1850. Derselbe, Revision der Cephalocotyleen. Abth. Cyciocotyleen. in: Sitzungs- bericht der kaiserl. Akademie. Bd. XLIX. 1864. KÜCHENMEISTER, Über Cestoden im Allgemeinen und die des Menschen insbesondere. Zittau 1853. Derselbe, Amtlicher Bericht über die 32. Versammlung deutscher Natur- forscher und Ärzte zu Wien im Sept. 1856. Wien 1858. Derselbe, Quellenstudien über die Geschichte der Cestoden. im: Deutschen Archiv für Gesch. d. Med. u. med. Geographie. Bd. III. 1880. NAUNYN, Entwicklung des Echinococeus. im: Archiv für Anatomie, Physio- logie ete. von REICHERT u. Du Boıs-ReyMmonxD. Jahrg. 1862. KRrRABBE, 1863; siehe Bronn’s Klassen u. Ordn. von Prof. BRAun. Bd. IV. 1894. p. 1026. RASMUSEN, 1866; siehe ibid. p. 1032. FRIEDREICH, Über multilokulären Leberechinococeus. in: VIRCHOW’s Archiv. Bd. XXXIII. 1865. PROUGEANSKY, Über multilokuläre uleerirende Echinococeusgesehwulst in der Leber. Dissertation. Zürich 1873. v. Linstow, Compendium der Helminthologie. Hannover 1878. MEGnIn, Sur une nouvelle forme de ver vesieulaire trouvee chez une Ger- - boise. in: Comptes rendus Ac. sc. Paris. T. LXXXIX. 1879. p. 1045. Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 139 30. Monızz, Essai monographique sur les Cysticerques. in: Travaux de l'institut zoologique de Lille. Tome III. Fascicule I. Paris 1880. 31. Remırtz, Mittheilungen über einen bisher noch wenig bekannten Blasen- wurm. Dissertation. Dorpat 1885. 32. VIERORDT, Abhandlung über den multilokulären Echinococeus. Freiburg i. B. 1886. 33. MOoRROoT, Quelques eonsiderations sur la degenerescence des Cysticerques ladriques du pore. (Journ. med. veterin. et Zootechnie 1890.) Referat im Centralblatt f. Bakt. u. Parasitenkunde. Bd. IX. 239. 34. GUILLEBEAU, Helminthologische Beiträge. in: VIRCHOW’s Archiv. Bd. CXIX. 1890. p. 116. 35. VoGEL, Über Bau und Entwicklung des Cysticereus faseiolaris Rud. Disser- tation. Erlangen 1888. 36. LürkE, Zweiköpfiger Cysticercus fasciolaris. im: Repert. der Thierheil- kunde. 53. Jahrg. Heft 9. Stuttgart 1892. p. 271. Referat bei BRAUN (siehe 38) p. 1124 u. 1173. 37. BRAun, Die thierischen Parasiten des Menschen. Würzburg 1895. 38. Derselbe, BRonn’s Klassen u. Ordnungen. Bd. IV. 1895. 39. BLOCHMANN, Die Epithelfrage bei Cestoden u. Trematoden. Hamburg 1896. 40. ZERNECKE, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Jena 1895. 41. Braun, Mittheilungen über einen proliferirenden Cysticereus ete. in: Zool. Anz. Bd. XIX, Nr. 514 u. Bd. XX, Nr. 521, sowie im Centralblatt für Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankheiten. Bd. XX. Nr. 16/17. Erklärung der Abbildungen. Abkürzungen: h, Haken; 7, Rostellum; sz, Saugnapf; sbl, Schwanzblase; sc, Skolex oder Anlage desselben; %, Knospen; dbl, Degenerationsblasen; dA, Hohlraum der Blase; kz, Knospungszone; c, Cutieula; /m, Längsmuskeln; rm, Ringmuskeln;; vn, innere Muskelsysteme; %p, Körperparenchym; pz, Parenchymzellen; wg, Wassergefäß- kanäle; wir, Wimpertrichter. Tafel VI. Fig. 1. Ausgestülpter normaler Cysticercus. «, Falte zwischen Hals und Schwanzblase. Vergr. 32. | Fig. 2. Cysticercus mit eingestülptem Skolex und abgegrenzter Knospungs- zone (k2). Vergr. 32. Fig. 3 u. 10. Monstrositäten. Vergr. 32. Fig. 4, 6, 11, 12 u. 13 stellen Längsschnitte durch Cysticerken dar, welche die verschiedenen Stadien der Obliteration der Schwanzblase veranschaulichen. In der Reihenfolge 6, 4, 12, 11, 13 geben diese Figuren ein Bild von der all- mählichen Umstülpung des Kopfzapfens. Fig. 11 zeigt einen Schnitt, auf wel- chem keine Saugnäpfe und Haken getroffen sind. Vergr. 32. Fig. 5. Hintertheil einer Schwanzblase mit typischer Knospung. Vergr. 45, 140 Amandus Bott, Über einen durch Knospung sich verm. Cysticereus ete. Fig. 7. Abnormer Cysticercus mit zwei Skolices an einer Blase. hf, Haken- taschen. Vergr. etwa 12. Fig. 8. Monstrum biceps. Vergr. 32. Fig. 9. Cysticercus mit eingestülptem Skolex, reichlicher Knospenbildung und Degenerationsblasen. Vergr. 32. Tafel VII. ‚Fig. 14. Längsschnitt durch die normale Blasenwand eines ausgebildeten Cysticercus. Vergr. etwa 400. Fig. 15. Längsschnitt durch eine Knospungszone. Vergr. etwa 400. Fig. 16. Längsschnitt durch eine Knospungszone. Degenerationsblasen mit Detritus. Vergr. 80. Fig. 17. Längsschnitt durch das Vorderende eines Cysticercus mit degene- rirtem Skolex. sc, Rest des Skolex. Vergr. 32. Fig. 18a u. db große, ce u. d kleine Haken von der Seite. s, Sichel; z/, Zahn- fortsatz; wf, Wurzelfortsatz. Fig. 18e, Haken von oben gesehen. 5bf, Basalfläche des Zahnfortsatzes. Vergr. 330. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche zanclea und Acanthometridenarten vorkommenden Parasiten (Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). Von Dr. A. Borgert, Assistent am zoolog. und vergl.-anatom. Institut der Universität Bonn, Mit Tafel VII. Als ieh mich im Frühjahr 1895 zum Zwecke verschiedenartiger Untersuchungen an der Zoologischen Station in Neapel aufhielt, fand ich Gelegenheit, mich unter Anderem auch mit dem merkwürdigen Parasiten zu beschäftigen, der in Sticholonche zanclea und verschie- denen Acanthometridenarten angetroffen wird. Wie mir Herr Dr. Lo Bıauco mittheilte, war ihm unter den Organismen des Golfes die Stzcholonche früher nicht zu Gesicht ge- kommen!. Im Jahre 1895 war nun diese Form von Anfang Februar bis in den Mai hinein in wechselnder, bisweilen sogar recht bedeu- tender, Menge im Auftrieb vorhanden, allein es gelangten weder im Anfang noch am Schluss der Periode ihres Auftretens Exemplare mit Parasiten zur Beobachtung. Das erste derartige Individuum wurde am 10. März gefunden. Von da an bis zum Ende des Monats sah ich solche Fälle dann noch in großer Zahl. Im April und Mai fand ich bei Sticholonche keine Parasiten mehr vor, dagegen wurden nun wiederholt Acanthometriden beobachtet, welche einen ganz ähn- lichen Organismus beherbergten. Im folgenden Jahre konnte ich an der Neapler Station meine Resultate noch in einigen Punkten ergänzen. Dieses Mal wurden bereits in der letzten Hälfte des Januar Sticholonchen, und unter 1 Sticholonche zanclea wurde von R. HrrrwiG bei Messina entdeckt und später von FoL und Anderen auch bei Villafranea gefunden. 142 A. Borgert, ihnen auch solche mit Parasiten gefangen!. Auch jetzt zeigte es sich wieder, dass nach Verlauf einiger Zeit, und zwar schon gegen Ende des Februar, die Parasiten bei Sticholonche immer seltener wurden und im Anfang des März gänzlich verschwanden, während bei den in Betracht kommenden Acanthometridenspecies um diese Zeit etwa die ersten Parasiten enthaltenden Exemplare zur Beob- achtung gelangten. Erwähnen will ich auch noch, dass es fast stets der in geringer Tiefe (ca. 20 m) gefischte Auftrieb war, der die meisten Sticholon- chen enthielt. In dem unmittelbar an der Meeresoberfläche ge- sammelten Material fand ich bisweilen nicht ein einziges Exemplar, selbst wenn solche in tieferen Fängen vom gleichen Orte in Menge vorgefunden wurden. | Wegen anderer Untersuchungen, die meine Zeit stark in An- spruch nahmen, sowie wegen der Schwierigkeit, mit welcher die Erforschung der Organisations- und Lebensverhältnisse des Parasiten verknüpft ist, ist es mir leider nicht gelungen, in allen sich dar- bietenden Fragen Klarheit zu schaffen. Wenn ich dennoch nicht davon abstehe, meine Beobachtungen zu veröffentlichen, so thue ich dies einerseits desswegen, weil ich nicht weiß, ob ich die begon- nenen Untersuchungen einmal werde wieder aufnehmen können, andererseits, weil bei der Unvollkommenheit unserer Kenntnisse über die in Rede stehende Thierform jeder Beitrag erwünscht sein wird. Die Litteratur über unseren Parasiten ist wenig umfangreich. Zuerst wurde er 1879 von R. HerrwIe (18) bei gewissen Acantho- metridenarten gefunden. Ein Austreten des Thieres aus seinem Wirthe wurde jedoch nicht beobachtet, und so hielt Herrwıc den dem Kerne dicht anliegenden Organismus irrthümlich für einen Theil des letzteren? Vier Jahre später wurde das Vorkommen eines ganz ähnlichen Gebildes bei Stecholonche durch FoL (7) konstatirt. Ihm verdanken wir die beste Beschreibung dieser interessanten Thier- form. Da indessen For über die Natur des mit Cilien besetzten Körpers, den er frei werden und mit großer Geschwindigkeit sich ! Nach einer mündlichen Mittheilung von Herrn Dr. ArstEın befanden sich schon Ende December 1895 Stieholonchen im Auftrieb. ? Diese Auffassung HErTwıqG’s, auf die ich später noch einmal zurück- kommen werde, ist in Bürscuur’s Bearbeitung der Protozoen in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs (5, p. 424—428) übergegangen und wird auch von | HAECKEL (14, p. 6) getheilt. N LENESIIEIRER N NE. GE, EEE TER ET I u Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 143 durch das Wasser bewegen sah, nicht klar werden konnte, so be- zeichnete er ihn mit dem indifferenten Namen »Spiralkörper«. Er zieht dabei in Betracht, dass es sich möglicherweise um einen Fall von Parasitismus, wahrscheinlicher jedoch um ‘den Austritt eines Fortpflanzungskörpers des Wirthsthieres, einer Art von Spermato- phore, handle. Eben so ist es For’'s Verdienst, als Erster auf die nahen Beziehungen zwischen den in Acanthometriden und Sticho- lonche zanclea sich findenden Bildungen hingewiesen zu haben. Nach For haben noch 1891 KOROTNEFF (27) und später, 1894, KöppEn (26 den Spiralkörper zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht. Beide stimmen darin überein, dass sie den austretenden Körper für einen Parasiten halten. Während jedoch KOROTNEFF ihn als einen den Orthonectiden sehr nahe stehenden Organismus in Anspruch nimmt, verweist KöPpEn ihn unter die Suctorien und giebt ihm den Namen Amoebophrya. Er unterscheidet zwei Arten dieser Gattung: A. sticholonchae und A. acanthometrae. Ich will gleich hier erwähnen, dass ich die Ansicht von der parasitären Natur des Spiralkörpers vollkommen theile.. Ehe ich jedoch näher auf meine eigenen Beobachtungen eingehe, möge es mir gestattet sein, mit einigen Worten die Methode der Untersuchung zu schildern. Wie es der Gegenstand erforderte, wurde sowohl lebendes als auch konservirtes Material untersucht. Um den Parasiten zum Aus- treten zu veranlassen, genügt es, das betreffende Wirthsthier mit einem nur geringen Wasserquantum auf einen Objektträger zu bringen. Bei Gebrauch etwas größerer Wassermengen wird man stets längere Zeit auf den gewünschten Augenblick zu warten haben. Die Zunahme des Salzgehaltes, vielleicht auch die der Temperatur, wirkt augenscheinlich als Reiz. Lässt dennoch das Freiwerden des Parasiten zu lange auf sich warten, so gelingt es auch wohl ge- legentlich, dasselbe durch vorsichtiges Auflegen eines Deckglases mit Wachsfüßchen zu erzwingen. Unter den angewandten Fixirungsflüssigkeiten lieferten koneen- trirte Sublimatlösung, ein Gemisch aus Sublimatlösung und Eisessig im Verhältnis 5:1 und FLemmine’sche Chromosmiumessigsäure die besten Resultate. Bis auf eine Anzahl von Exemplaren, die zur Her- stellung von Totalpräparaten Verwendung fanden, wurden sämmtliche konservirten Individuen einzeln in Schnitte zerlegt!. i Von den früheren Untersuchern war die Schnittmethode auf dieses Ob- jekt noch nicht angewandt worden. 144 A. Borgert, Bei der Einbettung in Paraffın, die bei so kleinen Objekten ihre Schwierigkeiten zu haben pflegt, schlug ich folgenden einfachen Weg ein: Nachdem die Thiere mit KLEINENBERG’schem Hämatoxy- lin vorgefärbt waren, und die verschiedenen Alkoholgrade durch- laufen: hatten, wurden dieselben in Benzol überführt. Als Einbettungs- sefäß benutzte ich ein Uhrschälchen. Dieses wurde zunächst mit seschmolzenem Paraffın gefüllt, wobei zu beachten ist, dass letzteres möglichst frei von Verunreinigungen sein muss, da durch etwa vor- handene Staubtheilchen ete. das Wiederauffinden der minimalen Ob- jekte bedeutend erschwert wird. War das Paraffin im Schälchen erstarrt, so wurde in der Mitte ein kleines, bis auf den Boden des Gefäßes führendes Loch gemacht. In die Höhlung wurden die zu schneidenden Thiere mit einigen Tröpfehen Benzol gebracht und das Schälchen dem Einschmelzofen übergeben. Schon nach kurzer Zeit sind die kleinen Objekte mit Paraffin durchtränkt, und die einge- tragenen Benzolmengen so vollkommen verdunstet, dass mit dem Schneiden begonnen werden kann. Das Wiederauffinden der ein- sebetteten Thiere mittels Lupe oder Mikroskop bereitet keine Schwierigkeit, da dieselben sich nahe dem Boden des Uhrschäl- chens ansammeln. Bei längerem Belassen in kaltem Wasser löst sich, vorausgesetzt, dass die innere Fläche des Glases sauber und glatt war, die Paraffinschicht selbständig von der Wandung los oder kann doch mit leichter Mühe von ihr getrennt werden. Die Schnitte wurden mit destillirtem Wasser aufgeklebt. Nach- trägliche Färbung der Schnitte mit Eosin lieferte mit der voraufge- sangenen Hämatoxylintinktion zusammen eine gute Doppelfärbung. In vielen Fällen wurde auch die HEIDENHAIN’sche Eisenhämatoxylin- färbung angewandt. > Untersuchungen an Sticholonche. Hierzu Taf. VIII, Fig. 1—26. So lange der Parasit sich innerhalb der Sticholonche befindet, stellt er ein annähernd kugeliges Gebilde dar, welches stets an der i Ohne Kenntnis gehabt zu haben von der Anwendung eines ähnlichen Verfahrens durch Andere, bediene ich mich seit Jahren des vorstehend be- schriebenen Modus procedendi bei der Einbettung kleiner Objekte. Derselbe hat vor der von RHUMBLER (32, p. 312—314, 33, p. 303—306) angegebenen Methode den Vorzug, dass die Objekte allmählich mit Paraffin durchtränkt werden und außerdem auch nicht einem so plötzlichen Temperaturwechsel aus- gesetzt sind. Eben so wird die Verunreinigung des Paraffins durch Nelkenöl . oder Glycerin vermieden. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 145 konkaven Seite der eigenthümlichen bohnenförmigen Kapsel des Wirths- thieres und hier wiederum etwas seitlich, gelegen ist. Die Kugel besitzt je nach dem Entwicklungszustande des Parasiten einen größeren oder kleineren Durchmesser. Bei weit fortgeschrittenen Stadien bildet sie einen im Verhältnis zur Größe des Wirthes mächtigen Auswuchs am Körper desselben. Nach außen ist die Kugel rings durch einen scharfen Kontour begrenzt. Der protoplasmatische Inhalt ist durch- sichtig und von blassgelblicher Färbung. Schon bei relativ schwacher Vergrößerung erkennt man im Innern der Kugel einen kegel- oder bienenkorbförmigen Zapfen, dessen abge- rundete Spitze dicht unter der Körperoberfläche der Sticholonche liest. An seiner Außenfläche zeigt der Kegel eine Anzahl von pa- rallelen Querfurchen, die von der Spitze her gesehen sich in ihrem Verlaufe als eine zusammenhängende links gewundene Spirale dar- stellen. Bei jugendlichen Thieren ist die Zahl der Touren eine nur geringe; ältere Exemplare weisen dagegen zahlreiche Windungen auf. Die genaueren Organisationsverhältnisse treten erst deutlich zu Tage, wenn man das Thier dem gelinden Druck eines Deckgläs- chens aussetzt. Man sieht alsdann, dass die Außenfläche des Kegels an seiner Basis sich umschlägt und in ihrer Fortsetzung die Innen- fläche der Kugelwandung bildet, sowie, dass auch die Furchen sich ununterbrochen von ersterer auf die letztere fortsetzen. Weiter be- merkt man, dass gegenüber der Spitze des Kegels sich die Dicke der Kugelwandung von den Seiten her stark vermindert!. For hat die Form, die der Parasit in diesem Stadium besitzt, treffend mit der eines zur Hälfte umgestülpten Handschuhfingers verglichen. Das Austreten des Thieres stellt — um in dem Bilde zu bleiben — eine völlige Umwendung des Fingers dar. Bei Beginn dieses Vorganges sieht man zunächst die Spitze des inneren, kegelförmigen Theiles die vor ihr liegende dünne Stelle der Kugelwandung durchbrechen und langsam aus der entstandenen Öff- nung hervortreten. Gleichzeitig beginnt ein lebhaftes Flimmern von Cilien an seiner Oberfläche und eine Längsstreckung des Körpers. ! Da bei dem lebenden Thiere unter normalen Verhältnissen die Flächen dieht an einander liegen, so sind diese Dinge ohne Weiteres nur schwer zu sehen. Der Druck des Deckgläschens wirkt aber oft als Reiz, der ein vor- zeitiges Ausschlüpfen des Parasiten zur Folge hat. Am besten erkennt man den Bau an konservirten Exemplaren. In der Fixirungsflüssigkeit zieht sich der innere Kegel regelmäßig etwas zusammen, so dass zwischen den Wan- dungen ein srößerer Raum entsteht (s. Fig. 1). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 10 146 A. Borgert, Während der vordere Abschnitt des Thieres! allmählich immer weiter hervortritt, vollzieht sich am hinteren Körperende die Umstülpung, dergestalt, dass hier die innere Wandung der Kugel zur äußeren Körperwandung des freien Parasiten wird und umgekehrt, die äußere Schicht der ersteren im Innern des letzteren zu liegen kommt. Bei dem geschilderten Process bilden sich innerhalb des Thieres ein oder mehrere Hohlräume aus, die in den einzelnen Fällen von sehr ver- schiedener Gestalt und Größe sein können. Die Öffnung, durch die der Parasit hindurchgetreten ist, kommt bei der Umstülpung natur- semäß am hinteren Körperende des Thieres zu liegen. Nach dem Durchtritt des letzteren verengert sie sich wieder und kann sich sogar vollständig schließen. In anderen Fällen bleibt sie bestehen, so dass durch sie der innere Hohlraum mit der Außenwelt kommunicirt. Schon vor der völligen Umstülpung sieht man den Parasiten oft durch seine Cilien in eine rotirende Bewegung versetzt. Ist der Zu- sammenhang mit dem Wirthsthiere gelöst, so schießt er mit großer Geschwindigkeit, beständig um seine Längsachse sich drehend, gerad- linig davon. Stößt er auf irgend einen Widerstand, so stockt die Bewegung für einen Augenblick, um gleich darauf in veränderter Richtung fortgesetzt zu werden. Wie ich bereits erwähnte, kann man den Parasiten sehr leicht zum Ausschlüpfen veranlassen. Sogar bei verhältnismäßig jugend- lichen Stadien gelangt man auf die angegebene Weise zum Ziele. Im letzteren Falle erhält man ein kurzes plumpes Individuum, bei welchem die spiralige Furche nur wenige Touren aufweist (s. Fig. 7). Voll entwickelte Thiere zeichnen sich durch eine gestreckte schlanke Köperform und zahlreiche Windungen der Spiralfurche aus (s. Fig. 2). Ist der Parasit ausgetreten, so thut man gut daran — will man ihn einige Zeit am Leben erhalten — etwas frisches Seewasser zu- zusetzen. Doch auch unter Anwendung aller Vorsicht wollte es mir nie gelingen, die Lebensdauer des Thierchens über etwa eine halbe Stunde hinaus auszudehnen. Gewöhnlich fand der Parasit schon früher seinen Tod dadurch, dass er an den Rand des Tropfens ge- langte oder auf ein anderes Hindernis innerhalb desselben stieß. Die Folge davon war, dass er sich im Moment in minimale Theil- chen auflöste, die, wie von einem inneren Druck getrieben, nach allen Seiten aus einander sprühten, ohne eine Spur zu hinterlassen 2. ! Die Bezeichnungen »vorn« und »hinten« sind nur aus der Lage des Körpers bei der Fortbewegung abstrahirt. ? Schon FoL beobachtete diese Erscheinung bei zwei von ihm isolirten Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten: 147 Auch das Ausschlüpfen selbst ist für den Parasiten, wie es scheint, ein kritischer Vorgang. Mehrfach sah ich, namentlich wenn man einmal etwas längere Zeit vergeblich auf den Augenblick des Freiwerdens hatte warten müssen, dass das Thierchen nicht mehr die Kraft besaß, sich seinen Ausweg aus dem Wirthsthiere zu erzwingen. Es rotirte dann eine Zeit lang innerhalb der Höhlung, wobei es dieselbe bisweilen stark erweiterte und bohrte sich schließ- lich nicht selten tief in das Plasma seines Wirthsthieres ein, wo es dann allmählich abstarb; oder auch es knäuelte sich, nachdem das Aus- treten missglückt war, zusammen und zerfiel in mehrere Theilstücke, die selbständig weiter rotirten. In einem Falle wurden dieselben nach- träglich sogar noch frei. Ein anderes Mal floss der Körper des Thierehens, als ihm das Freiwerden misslang, innerhalb des Wirthes aus einander. Die unregelmäßig gelappte Masse ging zusammen mit dem letzteren zu Grunde. Öfter kommt es vor, dass beim Aus- schlüpfen der vordere Theil des Thieres sich abschnürt und allein fortschwimmt oder dass die Umstülpung nicht ganz bis zu Ende ausgeführt wird und der Organismus in diesem Zustande frei wird (s. Fig. 6). Wiederholt beobachtete ich auch, dass die bohnen- förmige Kapsel der Sticholonche, vereinzelt sogar der ganze proto- plasmatische Inhalt des Wirthsthieres, bei dem Ausschlüpfen des Parasiten von hinten in denselben hineintrat, gewissermaßen von ihm aufgesogen wurde. Der Parasit schwamm dann stets wie ge- wöhnlich davon. Unter solchen Umständen zeigt jedoch sein Körper an der Stelle wo die Kapsel im Innern desselben liegt, eine An- schwellung (s. Fig. 5). Je nach der Lage der Kapsel ist die Körper- gestalt mehr keulen- oder spindelförmig. Bemerken will ich hier ferner noch, dass man das Austreten des Parasiten oftmals selbst dann noch beobachten kann, wenn das Wirthsthier bereits abgestor- ben oder gar schon zerfallen ist. Die bisherigen Angaben über den feineren Bau des Parasiten sind ziemlich unsicher und widersprechend. For (7, p. 17 u. 18) schreibt über die Strukturverhältnisse des unausgeschlüpften Organis- mus: »Deja de bonne heure il est creuse d’une cavite qui, de profil, a la forme d’un 8. Ses parois presque homogenes renferment ce- pendant quelques taches rondes qu’on serait tente de comparer ä frei gewordenen Parasiten, doch vermochte er die Thiere etwas länger lebend zu erhalten. Das eine Exemplar ging nach zwei Stunden zu Grunde, das an- dere theilte das gleiche Schieksal etwa eine Stunde später. 10* 148 A. Borgert, des noyaux, mais qui sont bien moins nets que des noyaux de cel- lules d’animaux superieurs.< Bei voll entwickelten Individuen schildert er die Wandungen als »toujours fort epaisses«, aber scheinbar »homogenes et sans texture histologique«.. An einer anderen Stelle (l. ec. p. 21) giebt For dagegen an, dass bei späteren Entwicklungsstadien die homogen erscheinende Wandung eine Menge kleiner kernartiger Körperchen einschließe, die ohne Ordnung durch ihre ganze Dicke zerstreut seien und von denen jedes mehrere kleine lichtbreehende Granulationen enthalte. Das ausgeschlüpfte Thier weise an seiner Oberfläche eine spiralige Rinne auf, die (in mathe- matischem Sinne) von rechts nach links gewunden sei; außerdem sei sein Körper vollständig mit kurzen feinen Cilien bedeckt, die an allen Stellen die gleiche Länge zeigten. Die Körperwandung erscheine zwar homogen, doch würde eine etwa vorhandene Struktur bei der lebhaften Bewegung der Beobachtung sehr wohl entgehen können. Nach KOoROTNEFF (27, p. 625) ist der Spiralkörper eine »zellige Bildung«. Das jüngste von ihm beobachtete Stadium wird als »ein birnförmiger Körper, der aus vier Zellen besteht und vier längliche Zellkerne einschließt«, beschrieben. Ein anderes, späteres Entwicklungsstadium besteht, wie KOROTNEFF festgestellt haben will, »aus einer inneren Masse und einer Hülle; die innere Masse ist von zwei großen mandelförmigen Zellen gebildet, die zwei große Kerne besitzen; diese Zellen sind nur am Boden der Hülle angewachsen, sonst liegen sie frei und ihren Zipfeln entspricht eine Öffnung der zelligen Hülle Die Hülle ist ganz topflörmig, einschichtig, sie schließt eine bedeutende Anzahl von länglichen Kernen ein und hat, wie gesagt, eine Öffnung«. Bezüglich des frei gewordenen Thieres giebt KOROTNEFF an, dass es eine »längliche Larve« sei, die nicht eine spiralige Furche besitze, sondern aus fünf durch eirkuläre Furchen von einander abgegrenzten Segmenten bestehe. Die Oberfläche des Thierchens sei nicht mit feinen Wimpern, sondern mit großen, geißel- förmigen, einzeln stehenden Cilien besetzt. Weiter bemerkt KoOROT- NEFF, »dass dieser Körper aus einer äußeren mehr homogenen Schicht und einer inneren mit einem Plasmanetze durchsetzten Masse gebildet wird«. Obgleich es ihm nicht gelang, das Thier zu färben, behauptet KoROTNEFF »mit Entschiedenheit«, »dass die innere Masse aus wenigen Entodermelementen gebildet, die äußere, cilientragende Schicht aber ein zelliges Ektoderm ist«e. KörPrEn endlich will nur einen einzigen Kern in dem Parasiten gefunden haben; er giebt von dem feineren Bau des Organismus (26, p. 418) folgende Beschreibung: Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 149 »Son corps eonsiste en un protoplasma et en un noyau. Le proto- plasma est tantöt elair et homogene, tantöt granuleux ou reticuleux, et la couche superficielle en est plus ou moins condensce. Au lieu de noyau, on y remarque souvent de petits globules qui se colorent comme le noyau, ou bien encore les m&mes globules, mais entoures d’une couche claire et souvent aussi d'une membrane. Ils sont dis- perses dans tout le corps de l’Acinetien, et lorsque celui-ei contient un embryon, ce dernier peut en etre aussi rempli, et dans ce cas lui non plus ne contient pas de noyau!.« Der Parasit besitzt nach KÖrpeEn’s Angabe in einem gewissen Stadium die Fähigkeit, nach Art einer Amöbe seine Gestalt zu verändern, während er auf einer anderen Entwicklungsstufe einen mit Cilien besetzten infusorien- artisen Organismus darstellt. Weiter erwähnt KörrpEn kontraktile Vaeuolen, die er sehr selten bei dem im Wirthsthiere eingeschlossenen Parasiten, immer dagegen bei dem frei gewordenen gefunden zu haben berichtet. Endlich theilt Köppen mit KOROTNEFF die Ansicht, dass die Furchen an der Oberfläche des Parasiten parallele, ge- schlossene Ringe, nicht aber eine zusammenhängende Spirale bilden, doch lässt er im Gegensatz zu FOL und KOROTNEFF die Uilien in den Furchen stehen. Ich will bei der Darstellung meiner eigenen Untersuchungs- resultate von dem unausgeschlüpften Thiere ausgehen und zum besseren Verständnis seiner Organisationsverhältnisse auf einen me- dianen Längsschnitt durch ein annähernd ausgewachsenes Exemplar des Parasiten verweisen, wie ein solcher auf Taf. VIII, Fig. 9 sich ab- gebildet findet. Wie ich schon oben aus einander setzte, besteht der Körper des Parasiten in diesem Stadium gewissermaßen aus zwei Abschnitten: einem inneren, massiven Kegel und einer ihn umgeben- den dünneren Kugelschale.e An der Basis des Kegels gehen beide in einander über. Gegenüber der Spitze des Kegels vermindert sich die Dicke der Kugelwandung zu einem dünnen Häutchen, welches den zwischen der äußeren Kegel- und der inneren Kugelwandung gelegenen kappenförmigen Hohlraum nach außen zu abschließt. Das ganze Thier ist von einer scharfen Grenzlinie umgeben, die von i Wie bereits hervorgehoben wurde, deutet KörpEn den Spiralkörper als eine in Stecholonche lebende Suctorienform. Den im Inneren des unausgeschlüpf- ten Thieres gelegenen kegelförmigen Theil desselben spricht er als Embryo an. . ” Bisweilen schien es mir, als ob vor der Spitze des Kegels sich eine Offnung in der Membran befände (s. hierzu FoL, 7, p. 19, Taf. II, Fig. 14 p), doch konnte ich dieselbe auf Schnitten nicht nachweisen. 150 A. Borgert, einer kräftigen, deutlich doppelt kontourirten Membran herrührt!. Die beim Ausschlüpfen zur Körperoberfläche werdenden Wandungen des Hohlraumes sind dagegen von einer sehr zarten Membran über- kleidet. Das Protoplasma des Parasiten zeigt in den äußeren Par- tien des Kegels, namentlich an der Spitze, hin und wieder ein klares, durchsichtiges Aussehen; im Übrigen besitzt es eine gröbere Struktur. Mittels starker Objektive war vielfach eine schaumige Beschaffen- heit desselben deutlich zu erkennen. Bei verschiedenen Exemplaren fand ich in dem kegelförmigen Körperabschnitte einen mehr oder minder großen kugeligen vacuolenähnlichen Hohlraum; in einem Falle besaß fast das ganze Protoplasma ein blasiges Aussehen. Die Kerne, deren unser Parasit eine große Zahl besitzt, sind von kuge- liger oder länglich runder Gestalt. Sie liegen nahe der Körperober- fläche, und zwar in den zwischen den Furchen sich vorwölbenden Wülsten, wo sie sich dicht neben einander zu Reihen angeordnet finden. An gut orientirten Längsschnitten findet man ferner gegen- über der Spitze des Kegels in der Mitte der Basis einen eigenartigen Zapfen, der auf der einen Seite im Plasma des Kegels seinen Ur- sprung nimmt, auf der anderen Seite an die Außenwandung des Thieres herantritt. In seinem Innern erkennt man eine sehr zarte Längsstreifung. Der Zapfen ist von einer Höhlung umgeben, wie diese Dinge auf dem Längsschnitte (Fig. 9) dargestellt sind. Ein Theil desselben Schnittes ist in Fig. 10 bei etwas stärkerer Ver- srößerung wiedergegeben. Man sieht hier an der Oberfläche der Wülste des kegelförmigen Körperabschnittes feine Kanäle nach außen münden, die eine Strecke weit in das Körperinnere hinein zu ver- folgen sind. Ich konnte derartige Bildungen nur an einem einzigen Exemplare deutlich nachweisen. Bei diesem waren sie an jeder Vor- wölbung des Kegels zu finden, doch wage ich nicht zu entscheiden, ob dieselben wirklich am lebenden Thiere vorhanden waren oder nicht vielleicht durch Schrumpfungen bei der Konservirung ent- standen sind. Endlich muss ich noch auf das regelmäßige Vor- handensein feiner Fasern hinweisen, die ringsum die Außenfläche des Kegels mit der inneren Kugelwandung verbinden und jederseits in den Furchen inserirt sind. Bei dem Ausschlüpfen des Parasiten ! Die scharfe Abgrenzung des Parasiten gegen das Wirthsthier tritt bei der angewandten Doppelfärbung (Hämatoxylin und Eosin) besonders klar her- vor, indem sich das Plasma der Sticholonche roth, der Parasit dagegen blau tingirt. Bei parasitenführenden Acanthometriden war dieser Unterschied in der Färbung nicht zu konstatiren. at nd Fe Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 151 werden dieselben zerstört und da sich am gleiehen Orte die Cilien ausbilden, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese aus jenen hervorgehen. Jüngere Individuen unterscheiden sich von den älteren nicht allein durch geringere Größe, sondern auch durch eine weniger be- deutende Anzahl von Windungen der Spiralfurche sowie durch eine kleinere Menge der Kerne. In Fig. 12 und 13 sind die jüngsten Stadien des Parasiten, die als solche mit Sicherheit noch zu erkennen waren, im Längsschnitt dargestellt. Besonders auffallend ist auch die Gestalt der Kerne, die hier eine gestreckte, stäbchen- oder kommaförmige ist. Bei dem größeren der beiden Exemplare schien mir schon eine Andeutung des Zapfens vorhanden zu sein. Der frei gewordene Parasit besitzt eine mehr oder weniger ge- streekte, annähernd cylindrische Gestalt!, und ist in seinem Aus- sehen wohl am besten mit einem kleinen Wurme zu vergleichen. Am vorderen Ende ist er kegelförmig zugespitzt. Dicht unterhalb der Spitze beginnt die Spiralfurche, deren parallele, linksläufige Windungen sich von hier bis zum entgegengesetzten Ende des Thier- chens erstrecken. An seiner Körperoberfläche trägt der Parasit einen Besatz von kleinen feinen Cilien, die jedoch in ihrem Vor- kommen auf die Spiralfurche beschränkt sind. Das Körperinnere des Organismus bietet einen verschiedenartigen Anblick dar. Bei jugendlich frei gewordenen Exemplaren findet man meist eine Höh- lung von runder oder länglicher Gestalt, die bald ringsum abge- schlossen erscheint (s. 7, Taf. II, Fig. 15), bald durch eine Öffnung am hinteren Körperende mit der Außenwelt kommunicirt (s. Fig. 7). Von älteren Individuen lässt die Mehrzahl nach dem Ausschlüpfen im Inneren einen gestreckten, das Thier fast der ganzen Länge nach durchziehenden rohrartigen Hohlraum erkennen. Vorn endet der- selbe blind, während er hinten offen ausmündet. Das Bemerkens- wertheste daran ist, dass der innere Kanal von einem anderen Hohl- raume rings umgeben wird, der einerseits durch die dünne Rohr- wand, auf der anderen Seite durch die diekere Körperwandung des Thieres begrenzt wird. Das Innere des Raumes wird von zahlreichen, die Wandungen mit einander verbindenden Strängen quer durchsetzt (8: Fig. 4). Ob der Hohlraum völlig abgeschlossen ist, vermag ich nieht anzugeben, da ich im Vorderende des Thieres die Einzelheiten in keinem Falle genau genug unterscheiden konnte. Hatte der i Über gewisse Ausnahmefälle s. p. 147. 192 A. Borgert, Parasit vor dem Austreten den plasmatischen Inhalt seines Wirthes in sich aufgenommen, so sah ich nie einen Hohlraum in seinem Körperinneren; auch die Öffnung am hinteren Ende pflegte sich bei solchen Exemplaren zu schließen. Meist blieb dann jedoch als Überbleibsel ein ins Innere führender dunklerer Strang bestehen (8::E1&,55). Was den feineren Bau betrifft, so fand sich bei manchen Exem- plaren unterhalb des dünnen, den Körper äußerlich überkleidenden Häutehens eine Schicht von klarerem körnerfreien Protoplasma, die namentlich an der Spitze des Vorderendes eine bedeutendere Dicke und eine deutliche Querstrichelung zeigen konnte (s. Fig. 8). Auch an unausgeschlüpften Thieren habe ich Derartiges gelegentlich beob- achten können. Überhaupt entsprechen die Strukturverhältnisse des frei gewordenen Parasiten denen des unausgeschlüpften Thieres. Wie bei letzterem so sind auch bei jenem die Kerne in parallelen (Juerreihen oder, richtiger gesagt, in einer zusammenhängenden spiraligen Kette angeordnet. Auffallend ist dabei nur, dass bei dem frei umherschwimmenden Organismus die Kernreihe allgemein dicht neben der Furche herläuft, während man sie bei dem noch in der Sticholonche eingeschlossenen Thierchen mehr in der Mitte zwischen den Windungen liegend findet. Bezüglich der Kerne des Parasiten möchte ich noch auf den bedeutenden Unterschied in ihrer Größe selbst bei gleichen Entwicklungsstadien hinweisen, wie er in den Figuren 2 u. 3, 9 u. 11 zu Tage tritt. Wo die Kerne kleiner sind, sind sie gleichzeitig dichter bei einander gelegen und damit auch in größerer Zahl vorhanden. Ihr Durchmesser schwankt — wenn ich von den stäbehenförmigen Kernen junger unausgeschlüpfter Individuen absehe — zwischen 1 und 3,5 u. Ich will hiermit meine Beschreibung des in Stscholonche vor- kommenden Parasiten schließen, werde jedoch im letzten Abschnitte bei der Erörterung seiner systematischen Stellung auf ihn zurück- kommen. Ich wende mich nunmehr der Besprechung jener eigenartigen Haufen von kleinen Kügelchen zu, die man stets bei denjenigen Exemplaren von Sticholonche vorfindet, die keinen Spiralkörper ein- schließen. FoL meint sogar, dass man sie ausschließlich bei solchen Individuen beobachte, doch kann ich KoROTNEFF's gegentheilige Angabe bestätigen, wonach bisweilen — ich besitze allerdings nur ein derartiges Schnittpräparat — bei demselben Thiere beide Arten von Bildungen angetroffen werden. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 153 Die Kugelanhäufung liegt stets in der Ausbuchtung der bohnen- förmigen Kapsel. Bei kleinen Exemplaren bildet sie hier einen Ballen von geringem Durchmesser. Große Individuen weisen da- gegen einen umfangreichen Klumpen auf, der die Kapsel von der konkaven Seite her beiderseitig umfasst, und, wie schon For be- merkt, den Körper der Sticholonche in dieser Gegend so stark er- weitern kann, dass derselbe im Schnitt fast dreieckig erscheint. FoL giebt weiter (7, p. 17) an, dass die Kügelchen einen helleren sphärischen Raum einschließen, der das Aussehen eines Kernes hat oder, dass man im Inneren auch noch ein stärker lichtbrechendes, einem Nuceleolus ähnelndes Körperchen vorfindet. KOROTNEFF (27, p- 624) berichtet bezüglich der Kugelanhäufung Folgendes: Als Jüngstes Entwicklungsstadium dieser Bildung habe er eine scheinbar von einer feinen Membran umschlossene Zelle beobachtet, die außer srobkörnigem Plasma zwei homogene Kerne mit stark lichtbrechen- den Nucleolen aufgewiesen habe. Durch Theilung der Kerne ent- stehe ein Haufen. Die Kerne oder Kügelchen, welche nebst wenigem Protoplasma denselben bilden, seien von ganz verschiedener Größe, aber alle mit einem glänzenden Punkte versehen. Der Haufen stelle einen kompakten, von einer sehr resistenten Membran umgebenen Körper dar. Später zerreiße die Hüllmembran, worauf sich die Kerne durch den ganzen Protoplasmaleib der Stecholonche zerstreu- ten. Die Theilung der Kerne schreite auch dann noch weiter fort. Dabei bleibe die mütterliche Kernmembran erhalten, doch seien nie mehr als vier Tochterkerne innerhalb derselben Membran angetroffen worden. KÖrPEn unterscheidet (26, p. 418 u. 419) kleine kernartige Kügelehen und eben solche, die aber mit einer hellen Schicht sowie oft auch noch mit einer Membran umgeben seien. Letztere stellen ein späteres Stadium der ersteren dar. Im Inneren der Membran erfolge wiederholte Theilung. Auf diese Weise entstehe ein Haufen von Kügelchen, die Anfangs durch eine Quantität Protoplasma mit einander verbunden seien. Später verschwinde dieses, so dass die mit Membran und Kern ausgestatteten Kügelchen frei im Körper der Sticholonche zu liegen kämen. Von den sich auf diese Dinge beziehenden bisherigen Angaben muss ich die von KörpEn gemachten als die zutreffendsten be- zeichnen, wenn auch im Einzelnen meine Resultate hier und da von ‘den seinigen Abweichungen zeigen. So sah ich z. B. nie den Spiralkörper mit den in Rede stehenden Kügelchen erfüllt, wie 194 A. Borgert, Körrpen dies angiebt!. Auch theile ich nicht die von dem russischen Forscher vertretene Ansicht bezüglich des Ursprunges der genannten Bildungen (nämlich aus dem Kerne des Spiralkörpers), ein Punkt, auf den ich weiter unten einzugehen Gelegenheit nehmen werde. Ganz richtig hat dagegen KÖPrEn Kerne und Bläschen mit Kernen als zwei verschiedene, auf einander folgende, Stadien unterschieden. In Fig. 14 u. 22—25 habe ich einige Schnitte abgebildet, welche mir eine fortlaufende Reihe von Entwicklungsstadien einer Kugel- anhäufung darzustellen scheinen? Nach meinen Schnitten habe ich mir folgendes Urtheil gebildet: Fig. 14 stellt das jüngste der be- treffenden Stadien dar. Der Haufen besteht aus einer relativ ge- ringen Anzahl großer, in einer besonderen Protoplasmamenge ein- gebettet liegender, kugeliger Kerne. Durch wiederholte Theilung entsteht ein großer Haufen aus unzähligen kleineren Kernen (s. Fig. 22). Nun tritt eine Lockerung des Kernhaufens ein, indem sich einzelne Kerne mit einer kugeligen hellen Schicht und einer Membran um- geben (s. Fig. 23). Die Kerne selbst zeichnen sich in diesem Zu- stande durch besonders starke Färbbarkeit aus. Die Auflockerung schreitet immer mehr fort und führt schließlich zur Ausbildung einer Anhäufung von lauter kernhaltigen Bläschen (s. Fig. 24). Diese liegen, da sich inzwischen auch die Plasmamasse des früheren Kern- haufens aufgelöst hat, frei im Körper der Sticholonche, doch treten sie, so weit meine Erfahrung reicht, nie völlig auf die konvexe Seite der bohnenförmigen Kapsel hinüber, wie ich dies KOROTNEFF’sS ent- segengesetzter Angabe gegenüber glaube hervorheben zu müssen. Die Kerne zeigen jetzt ein anderes Aussehen, indem sie größer seworden sind und in ihrer sich weniger intensiv färbenden homogen erscheinenden Hauptmasse ein, bisweilen auch zwei oder drei, dunk- lere Körperchen erkennen lassen. Bei einzelnen Exemplaren hatten die Kerne eine bedeutende Größe erreicht (s. Fig. 25)3. Auffallend ist es übrigens, dass schon auf einer sehr frühen Entwiecklungsstufe des Kernhaufens (s. Fig. 14) sich außerhalb desselben ganz ähnliche 1 Es das Citat p. 149. 2 Auch hier zeigt sich bei Anwendung det erwähnten Doppelfärbung der- selbe scharfe Unterschied wie bei den spiralkörperführenden Individuen, indem das Plasma der Stecholonche einen rothen, der Kernhaufen mit dem zu ihm ge- hörenden Protoplasma einen violetten oder blauen Farbenton annimmt. 3 Eine andere Möglichkeit wäre die, dass nur die dunkler gefärbten Körperchen als Kerne aufzufassen sind, die sich mit einer (heller gefärbten) Protoplasmaschicht umgeben haben. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 155 Bläschen mit dunklen Körperehen im Inneren finden können, wie sie bei späteren Stadien beobachtet werden'. Über den feineren sehr verschiedenartigen Bau der die Kern- haufen bildenden Nuclei und über die Vorgänge, die sich bei ihrer Theilung abspielen, kann ich leider nur einige wenige Angaben machen, was ich um so mehr bedauere, als in diesen Punkten eigen- artige Verhältnisse bestehen ’?. Betrachtet man einen Schnitt durch einen ernhanken in dem Stadium, wie es in Fig. 14 dargestellt ist, bei stärkerer Vergröße- rung (s. Fig. 14a), so lassen die bei Anwendung schwächerer Systeme homogen erscheinenden Kerne eine wabige Struktur erkennen. Jeder Kern umschließt einen sphärischen, mit Eosin sich rosa färbenden, "nueleolusartigen Körper?. Weiter ist überall ein einzelnes oder zwei dieht neben einander liegende, durch Eisenhämatoxylin geschwärzte kleine Körnehen nachweisbar, die dem Kerne unmittelbar anliegen‘. Von diesen Bildungen aus sieht man eine Anzahl — meist waren es sechs — feine Fasern in regelmäßiger Anordnung radiär nach den verschiedensten Seiten in das Kerninnere ausstrahlen. Waren an den eben geschilderten Kernen die Strukturverhältnisse theil- weise nur schwer auszumachen, so traten dieselben bei den in Fig. 15 u. 154 abgebildeten Kernen recht deutlich hervor. Die centrosomenähnlichen Gebilde an der Kernoberfläche sind hier wesentlich größer und regelmäßig als paarige, durch einen schma- len Zwischenraum von einander getrennte, länglich runde Körper- chen entwickelt. In vereinzelten Fällen fanden sich außerdem noch an einer anderen Stelle der Kernoberfläche derartige Körnchen. Die 1 Anmerkungsweise möge hier noch erwähnt sein, dass bei einigen weni- sen Individuen der Bläschenhaufen mit zooxanthellenartigen gelben Zellen durchsetzt war. 2 Da bei der in der größten Zahl der Fälle von mir angewandten Färbung mittels Hämatoxylin und Eosin sich die einzelnen Bestandtheile der Kerne für eine genaue Untersuchung nicht deutlich genug von dem umgebenden Proto- plasma abhoben, so entschloss ich mich, alle Schnittserien mit Kernhaufen- stadien, so weit sie anders tingirt waren, nachträglich noch nach der HEIDENHAIN- schen Methode und mit Eosin nachzufärben. So trat Manches zu Tage, was vorher der Beobachtung entgangen war; Anderes, was vorher zwar schon zu sehen war, wurde jetzt doch wesentlich deutlicher unterschieden. 3 Der Umstand, dass diese Gebilde durch Eisenhämatoxylin nicht tingirt ‚werden, deutet wohl darauf hin, dass sie als echte Nucleolen nicht aufgefasst werden können. * Gelegentlich erblickt man auch an zwei oder gar drei Stellen der Kern- oberfläche derartige Körperchen. 156 A. Borgert, Fasern im Inneren, die bei den in Rede stehenden Kernen gleichfalls, nur noch bedeutend sicherer, nachzuweisen waren, schienen mir auf der einen Seite mit dem nucleolusartigen Körper in Verbindung zu stehen. | Bei einem anderen Kernhaufen befanden sich die Kerne sämmt- lich in einem mehr oder minder vorgeschrittenen Stadium der Knäuel- bildung. In einzelnen Kernen zeigte der Faden eine höckerige Oberfläche, von der man zahlreiche, die Fäden unter einander ver- bindende Fäserchen entspringen sah (s. Fig. 16 u. 16«). Übergangs- stadien, an denen außer der ursprünglichen Maschenstruktur die beginnende Anordnung des Chromatins zu Fäden zu bemerken war, wurden gleichfalls beobachtet. In manchen Fällen ließ sich an dem Chromatinfaden auch schon eine deutliche Längsspaltung nachweisen. Einen zur Abbildung geeigneten derartigen Kern konnte ich leider nicht entdecken, da bei dem einen in Frage kommenden Exemplare die Kerne theils angeschnitten waren, theils eine zu ungünstige Lage hatten; doch war festzustellen, dass die Chromatirfäden immer nach einer Stelle der Kernoberfläche orientirt waren. Centrosomen habe ich nicht mit Sicherheit auffinden können, wenngleich ich hin und wieder solche zu sehen glaubte. Einen vollkommen abweichenden Bau zeigen die in Fig. 17 u. 17a abgebildeten Kerne!. Sie besitzen oft eine abgeplattete scheibenartige Gestalt, wobei die Dicke im Mittelpunkt geringer als an dem Rande ist; andere sind von mehr kugeliger, eckiger oder beinahe gelappter Form? Im Centrum liegt ein eigenthümlicher Körper, der in seinem Aussehen zwei durch eine junge Spindel- anlage mit einander verbundenen Centralkörpern nicht unähnlich sieht. Die Längsachse dieses Gebildes steht bei den scheibenförmigen Kernen senkrecht zu den beiden Hauptflächen, so dass man das- selbe genauer nur von der schmalen Seite des Kernes her erkennen kann. Die Entfernung der beiden mit Centrosomen verglichenen i Die eigenartige Struktur dieser Kerne erinnert lebhaft an Verhältnisse, wie man sie bei den bläschenförmigen Makronuelei gewisser Ciliaten beobachtet hat, wo gleichfalls ein im Centrum des Kernes gelegener Körper (Nucleolus?) vorhanden ist, der durch feine radiäre Fäden mit der dünnen Kernrindenschicht in Zusammenhang steht (s. hierzu 5, p. 1513, Taf. LX). ? Über die Gestalt dieser Kerne habe ich nicht zu voller Klarheit kom- men können. Diejenigen Kerne, bei denen die Längsachse des im Centrum sich findenden Körpers parallel zur Schnittebene lag, besaßen regelmäßig die abgeplattete Form, während mir daneben untrügliche Anzeichen für das Vor- handensein annähernd kugeliger Kerne zu bestehen schienen. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 157 Körper von einander ist eine wechselnde (s. Fig. 17). - Außerdem gelang es mir hin und wieder, jederseits zwei durch einen schmalen Spalt von einander getrennte Körperchen nachzuweisen (s. Fig. 17). Erwähnt sei auch noch, dass die spindelartige Bildung, wo sie stark in die Länge gestreckt war, oftmals aus zwei kugelisen Hälften zu bestehen schien, sowie ferner, dass die an den Polen gelegenen Körper durch Eisenhämatoxylin schwarz tingirt wurden, während der sie verbindende Theil die rothe Färbung des Eosins annahm. Von dem soeben beschriebenen Gebilde strahlen eine Anzahl radiär angeordneter blasser Fäden nach der Peripherie des Kernes. Hier sieht man den Kernraum von einer Gitterwand begrenzt, deren Maschenwerk sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färbt. Dieser eigenartige Bau findet sich, wie ein Vergleich der Fig. 17a u. 18 lehrt, bei Kernen verschiedenster Größe; nur bei den am weitesten fortgeschrittenen Kernhaufenstadien, wo die Kerne einen ziemlich kleinen Durchmesser besitzen, konnte ich denselben mit Sicherheit nicht mehr erkennen. In einem solchen Falle schienen mir die kleinen Kerne dagegen eine ganz ähnliche Struktur wie die in Fig. 14a dargestellten zu besitzen. Über die Vorgänge, die sich bei der Kerntheilung abspielen, habe ich mich bemüht, Genaueres festzustellen, doch kann ich nur über einige wenige einschlägige Beobachtungen berichten. An dieser Stelle sei erwähnt, dass alle Kerne eines Haufens regelmäßig etwa auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen. Bei zwei Individuen nun fand ich eine Reihe merkwürdiger Kernstadien, die ich nur als Theilungszustände aufzufassen vermag. In Fig. 19a«a—f habe ich eine Anzahl derselben wiedergegeben. Sie entstammen sämmtlich einem und demselben Kernhaufen, der aus einer großen Menge kleinerer Kerne vom Typus der zuletzt beschriebenen bestand. Wenn meine Deutung richtig ist, so beginnt der Theilungsvorgang damit, dass an zwei einander gegenüberliegenden Punkten der Peri- pherie des Kernes sich zwei neue Centren anlegen. Im weiteren Verlaufe rücken diese mehr ins Innere! und die radiär vom Mittel- punkt ausstrahlenden Fäden, die Anfangs nur in einem Halbkreis entwickelt waren, treten rings um den letzteren herum auf. Je weiter der Process der Theilung vorschreitet, um so mehr streckt ! Die Einbuchtung an dem unteren Kerne von Fig. 19d, die sich auch an einer ganzen Zahl einzelner Kerne desselben Haufens noch erhalten zeigte, scheint mir beachtenswerth. 158 A. Borgert, sich das ganze Kerngebilde in die Länge, und um so stärker schnürt sich die mittlere Partie desselben ein. Schon auf einem frühen Zeit- punkte geht der im Mittelpunkte des Mutterkernes gelegene Körper zu Grunde. Statt seiner findet man alsdann einen sich stark tin- girenden derben Faden, der nach der Mitte an Dieke zunehmend, die Centren der beiden Tochterkerne mit einander verbindet. Die Überreste dieses Fadens fanden sich noch bei im Übrigen schon völlig getrennten, voll entwickelten Tochterkernen in Gestalt eines kräftigen dunkel gefärbten Zwischenstückes (s. Fig. 19e) oder in späteren Stadien gelegentlich als lange feine verbindende Faser vor (s. Fig. 19 f). In ihrer Struktur entsprechen die Tochterkerne dem Mutterkern. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, handelt es sich hier um eine vollständige Reihe fortlaufender Entwicklungsstadien. Die Zahl der in Theilung begriffenen Kerne war bei beiden in Frage kommenden Kernhaufen relativ groß, so dass ich von einzelnen Sta- dien mehrere in günstiger Lage zu Gesicht bekam. Außer dem eben geschilderten Theilungsmodus und der nach den voraufgegangenen Angaben höchst wahrscheinlich vorkommen- den Mitose trifft man bei den in Rede stehenden Kernen jedoch auch noch die gewöhnliche direkte Kernvermehrung oder Kernzerschnü- rung an. Über die letztere habe ich nur einiges Wenige zu bemer- ken. Sie fand sich nur bei jüngeren, noch aus größeren Kemen bestehenden Haufen (s. Fig. 20). Die Kerne ließen einen wabigen Bau erkennen und es wurden an denselben die verschiedensten Sta- dien der Durchschnürung beobachtet. Bemerkenswerth ist noch, dass auch hier die aus den obigen Ausführungen bekannten kleinen Körperchen an der Oberfläche der Kerne vorhanden waren. Bei den in Theilung begriffenen, länglichen Kernen waren mehrfach mit voller Deutlichkeit zwei, an den Polen der Längsachse gelegene, derartige Körperchen nachweisbar, während solche bei den übrigen Kernen sich nur in der Einzahl fanden. Sie lagen bisweilen in ziemlich tiefen Einsenkungen der Kernoberfläche und zeigten in ihrer Um- sebung die schon bei der Beschreibung anderer ähnlich gebauter Kerne (Fig. 14a) erwähnte Strahlung. Meine Bemühungen, über die erste Anlage der Kernhaufen Näheres zu ermitteln, hatten nur geringen Erfolg. Das jüngste Sta- dium, welches ich hierher beziehe, bestand aus unregelmäßig ver- zweigten chromatischen Massen (s. Fig. 21), die an ihrer Oberfläche, zuweilen gerade an der Spitze der Ausläufer, ein einzelnes oder zwei durch Eisenhämatoxylin schwarz gefärbte Körnchen aufwiesen. ve Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 159 Hierauf folgt wahrscheinlich ein ähnlicher wie in Fig. 14 abgebil- deter Entwicklungszustand. Wie die verschiedenen Kernformen in einander übergehen, habe ich nicht feststellen können, dass sie in einem genetischen Zu- sammenhange mit einander stehen, ist die Voraussetzung, von der ich ausging. Wie es scheint kann bisweilen die Entwicklung aber auch einen anderen Verlauf nehmen. In einem Falle fand ich eine sroße, reich verzweigte, aus chromatischer Substanz bestehende Masse, in deren Umgebung sich isolirte Kerne von ganz ähnlichem Bau wie die in Fig. 17 abgebildeten fanden. Offenbar war die Masse im Begriff, in einzelne Kerne zu zerfallen. Den Übergang vermit- telten größere abgetrennte Klumpen von unregelmäßiger Gestalt, die an ihrer Oberfläche die netzartige Struktur der fertigen Kerne er- kennen ließen, sowie zu zusammenhängenden Haufen vereinigte, noch nicht isolirte Kerne. Dass dieser Entwicklungsmodus häufiger vorkommt, darauf deuten vielleicht die im Inneren mehrerer Kern- haufen angetroffenen Bildungen hin, die wohl die Reste der ursprüng- lichen Masse darstellen könäten. So sieht man z. B. auch bei dem in Fig. 17 abgebildeten Schnitt in der Mitte, die frei von Kernen ist, eine Stelle, an welcher das Protoplasma eine von derjenigen des umgebenden abweichende Beschaffenheit zeigt und einen kleinen dunkel gefärbten Körper umschließt. Hiermit will ich meine Angaben über den Bau der Kernhaufen schließen. Wer Gelegenheit hat, an frischem Material eingehendere Untersuchungen anzustellen, wird wahrscheinlich mit leichter Mühe die bestehenden Lücken ausfüllen können, was mir nicht möglich war, der ich auf eine verhältnismäßig kleine Zahl für diese Unter- suchung speeiell in Betracht kommender, auch gar noch nachträg- lich in geeigneter Weise umzufärbender, Schnittserien angewiesen war. Auf die muthmaßliche Bedeutung der im Vorstehenden behan- delten Bildungen werde ich erst weiter unten einzugehen haben, dagegen möchte ich mir an dieser Stelle noch einige Bemerkungen über den Kern der Stecholonche erlauben. So eingehend diese interessante Protozoenform, über deren Stellung im System bis heute noch Unklarheit herrscht, auch be- schrieben worden ist, so ist doch weder durch ihren Entdecker R. HertwIG, noch auch durch irgend einen der anderen Autoren, die sich mit derselben befasst haben, über die Struktur ihres Kernes Ausführlicheres bekannt geworden. Ja, man ist sich sogar nicht einmal einig, ob die ganze bohnenförmige Kapsel oder nur der rundliche 160 I A. Borgert, Körper in ihrem Inneren als Kern zu bezeichnen sei. Ir seiner Be- schreibung der Stecholonche (17, p. 329) spricht HEerTwIG sich mit einiger Reserve für die letztere Auffassung aus, doch ändert er später (18, p. 48, 49) seine Ansicht und ist mehr geneigt, die Kapsel als Kern, das von ihr umschlossene rundliche Gebilde als Nucleolus zu deuten. Fo entscheidet sich (7, p. 13) für die gleiche Anschauung. Aus zwei Gründen kann ich mich dieser Ansicht nicht anschließen: Erstens weil das mikrochemische Verhalten des intracapsularen Protoplasmas, zweitens aber auch der Bau des in letzterem einge- bettet liegenden Körpers gegen dieselbe spricht. Es ist mir nicht gelungen, die Fortpflanzungsverhältnisse bei Sticholonche klar zu stellen und ich kann auch nur über einige wenige Stadien des Kernes hier berichten!; das Eine aber scheint mir sichergestellt zu sein, dass es sich bei der bohnenförmigen Kapsel der Sticholonche um ein der Centralkapsel der Radiolarien vergleichbares Gebilde, nicht um einen Kern handelt, dass vielmehr der vermeintliche Nucleolus der früheren Autoren der Kern des Thieres ist. Über den Bau des Kernes findet sich bei Herrwie (17, p. 327) nur die Angabe, dass er »ein rundlicher, undeutlich kontourirter Körper« sei, welcher ein excentrisch gelegenes, scharf hervortretendes Korn einschließe. Nach For (7, p. 12) ist der Kern von Stcholonche ein annähernd kugelförmiges homogenes Gebilde ohne äußere Mem- bran mit meist einem weniger stark lichtbrechenden sphärischen Körper in seinem Innern, der wie eine Vacuole aussehe. In anderen Fällen fehle die große Vacuole und sei durch mehrere kleinere er- setz. Außerdem bemerkt FoL noch, eine kleine Anzahl feiner ‚Körnchen gesehen zu haben, über deren Natur er jedoch nichts aussagen könne. Hiermit sind meines Wissens die über diesen Punkt in der Litteratur vorhandenen Angaben erschöpft. Was zunächst die Kapsel als Ganzes betrifft, so besitzt dieselbe als Umhüllung eine feine aber sehr resistente Membran, deren Außen- fläche mit zahlreichen kleinen Erhebungen bedeckt ist?. Letztere i Obgleich ich eine große Zahl von Exemplaren geschnitten habe, fand ich doch niemals einen Kern in Theilung. Da jugendliche Individuen in großer Menge vorhanden waren, so vermag ich mir das Fehlen der gewünschten Sta- dien nur dadurch zu erklären, dass ich meine Thiere zu einer für diese Unter- suchungen ungeeigneten Tageszeit konservirte. Vielleicht beginnen bei Sticho- lonche die Theilungsvorgänge auch erst nach Eintritt der Dunkelheit, wie dies bei so mancher anderen Form beobachtet worden ist. ? For verlegt die Vorsprünge auf die Innenfläche der Membran (7, p. 11, 12). Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 161 stehen entweder in den Knotenpunkten dreier sich unter Winkeln von 60° schneidenden Liniensysteme, wie dies aus den früheren Be- schreibungen schon zur Genüge bekannt ist, oder aber sie finden sich in den Sehnittpunkten zweier, sich rechtwinklig durchsetzenden Systeme (s. Fig. 1). Bei genauerer Untersuchung erweckten sie mir den Eindruck von feinen Röhrchen, die auf minimalen Öffnungen der Kapselmembran sitzen. Unerwähnt ist bisher geblieben, dass die kleinen Erhebungen sich durch eine sehr starke Tingirbarkeit aus- zeichnen. Sowohl durch Eosin wie durch Eisenhämatoxylin werden sie intensiv gefärbt. Der Inhalt der Kapsel besteht aus einem fast homogen erscheinen- den Protoplasma. Bei Anwendung von Kernfärbemitteln wird es gar nicht oder doch nur ganz blass tingirt. In dieser Masse, und zwar dem einen Kapselende etwas genähert, liegt der Kern des Thieres. Er be- sitzt eine annähernd kugelige oder länglich runde Gestalt und ist äußerlich durch einen scharfen Kontour begrenzt, der wahrscheinlich auf das Vorhandensein einer zarten Membran zurückzuführen ist. Das Innere des Kernes zeigt ein wechselndes Aussehen. In Fig. 260«—g ist eine Anzahl verschiedener Zustände des Kernes dargestellt. Im einfachsten Falle (a) bietet sich der Kern als ein homogenes Gebilde dar, in welchem ein kleiner kugeliger Körper von anders- artiger Beschaffenheit eingelagert ist. Meistens trifft man jedoch im Kernraume außerdem noch eine Anzahl mit Kernsaft erfüllter Vacuolen an, deren Menge, Größe und Anordnung eine sehr wech- selnde ist. Bald bemerkt man zahlreiche kleine (d), bald eine geringe Menge größerer Vacuolen (ce und d), bald endlich eine große central gelegene, die von kleineren oder sehr kleinen umgeben ist (e, f, g)- Die Größe der centralen Vaeuole kann dabei zuweilen einen solchen Grad erreichen, dass die chromatischen Bestandtheile des Kernes auf eine dünne Schale redueirt sind. Während die Hauptmasse des Kernes nach Einwirkung von Hämatoxylin und Eosin einen blauen Farbenton aufweist, zeigt sich die eingelagerte Kugel leuchtend roth gefärbt. Dieses Verhalten würde die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, dass man es hier mit einem Nucleolus gewöhnlicher Art zu thun habe, wenn nicht die weiteren Schicksale des Körperchens dasselbe in anderem Lichte erscheinen ließen. Nicht selten beobachtet man nämlich Kerne, bei . denen der kugelige Körper bis dieht unter die Kernoberfläche gerückt ist (s. Fig. 26e), ja, man findet ihn sogar aus dem Kernraume herausgetreten, der Oberfläche des Nucleus an einer abgeplatteten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 11 162 A. Borgert, oder ein wenig vertieften Stelle anliegen. Weiter ist noch zu bemerken, dass derselbe stets sehr scharf kontourirt und von einem schmalen Hofe umgeben ist, wo das Plasma ungefärbt bleibt. Irgend welche feinere Struktur im Inneren der Bildung war selbst bei Anwendung sehr starker Objektive nicht zu erkennen. Ihren Durchmesser stellte ich auf durchschnittlich etwa 2 u fest. Obgleich ich weder vor noch nach seinem Herausrücken aus dem Kerne eine Zweitheilung des sphärischen Körpers, ferner in seiner Umgebung auch keinerlei Strahlung beobachtete, so ist es mir dennoch höchst wahrscheinlich, dass das in Rede stehende Ge- bilde ein Centrosom darstellt. Für diese Annahme spricht meines Erachtens auch sein Verhalten gegenüber Eisenhämatoxylin, dureh welches es selbst dann noch pechschwarz gefärbt bleibt, wenn beim Differenziren in der Eisensalzlösung das Chromatin des Kernes bereits vollständig entfärbt ist. Bekanntlich ist es die Ansicht O. Herrwıe’s (15, p. 48 u. 165) und Anderer, dass die Centralkörper aus dem Kerne hervorgehen; ja, Einzelne haben das Centrosom auch geradezu aus dem Nucleolus hergeleitet. Wenn auch diese Anschauung in verallgemeinerter Form sich nicht wird aufrecht erhalten lassen, so scheint ihre Richtigkeit doch für eine Reihe von Fällen erwiesen zu sein!. Ob der vor- liegende ihre Zahl vermehren wird oder nicht, werden weitere Unter- suchungen lehren müssen. Zum Schlusse habe ich noch kurz ein Stadium zu erwähnen, dessen Bedeutung mir zwar unklar ist, welches ich aber der Voll- ständigkeit wegen doch nicht ganz unberücksichtigt lassen möchte. In zwei Fällen fand ich außer dem Kerne im Kapselplasma noch einen kleineren durch Eosin intensiv roth gefärbten runden Körper. Derselbe war etwas größer als das fragliche Centrosom und ließ beide Male in seinem Inneren zwei dunklere Körnchen erkennen. In Fig. 269 ist der eine der beiden Fälle zur Darstellung gebracht. Außer dem centrosomaähnlichen Gebilde, welches aus dem Kerne herausgetreten ist, und dem in Rede stehenden Körper sieht man noch einige sehr kleine, im Präparat roth gefärbte Körnchen im Protoplasma liegen. Mich erinnert jener größere Körper in seinem Aussehen etwas an die von KEuTeEn (24, p. 223, Taf. XI, Fig. 15—18) bei Kuglena viridis beo bachteten Einschlüsse, über deren Natur aller- dings auch nichts Näheres bekannt ist. 1 Vergl. die Untersuchungen von KARSTEN (22), Vv. WASIELEWSKI (36), JuLin (21), BALBIANI (1) u. A. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 163 Untersuchungen an Acanthometriden. Hierzu Taf. VIII, Fig. 27—33. Wie ich bereits Eingangs erwähnte, war R. HerTwiıc der Erste, welcher das Vorkommen unseres Parasiten bei gewissen Acanthome- triden-Arten beobachtete (s. 18, p. 20 ff., Taf. I, Fig. 9; Taf. III, Fig. 2, 3, 10, 14, 15), doch ist es For’s Verdienst, zuerst die spiral- körperähnliche Beschaffenheit des von Herrwıg und Anderen! irr- thümlich als ein Bestandtheil des Acanthometridenkernes aufgefassten Gebildes erkannt zu haben?. Neuerdings hat dann KörpEn das Austreten des Thieres direkt verfolgen und so die Angabe For’s, dass es sich hier um eine analoge Bildung wie bei Sticholonche handle, bestätigen können. Vier Arten sind es, bei denen Herrwıg den Parasiten ange- troffen hat. Ihre Namen werden von ihm wie folgt angegeben: Acanthometra serrata, Acanthometra Olapareder; Acanthostaurus pur- purascens und Amphiüonche belonoides. HAECKEL fand den Eindring- Ems bei zwei weiteren Speeies (s..13,- Taf. 129, Fig. 6 u. 10): Acanthometron dolichoscıon und Acanthonia tetracopa. Ich selbst sah ihn hauptsächlich bei einer Acanthostaurus-Art, bei der die Stacheln im Centrum zu einem einzigen sternförmigen Stücke ver- schmolzen sind. Sie scheint mir mit der im Challenger-Report (13, p- 771) unter dem Namen Acanthostaurus ceruciatus aufgeführten Species identisch zu sein? Wahrscheinlich werden alle Acantho- metriden-Arten, bei denen nicht gerade die Ausbildung des Skeletts hinderlich ist und sofern sie nur mit dem Parasiten das gleiche Gebiet bewohnen, gelegentlich von demselben befallen werden können. Ehe ich auf die Besprechung des Parasiten selbst näher eingehe, dürfte es sich empfehlen, die Organisationsverhältnisse des Wirths- 1 S. die Anmerkung 2 auf p. 142. * Auch BRAnDT zieht in seiner Monographie der koloniebildenden Radio- larien (2, p. 209) die von HERTwıG vertretene Ansicht in Zweifel, doch weicht seine Deutung nur in so fern von derjenigen HERTwIG’s ab, als er noch einen Schritt weiter geht, indem er vermuthet, dass es sich bei den mit jener eigen- thümlichen Bildung ausgestatteten Acanthometriden um innere Knospenbildung handle. Dieselbe Auffassung scheint BRAnDT auf Grund der von FoL gemach- ten Beobachtungen auch von den einen Spiralkörper beherbergenden Sticho- lonchen zu haben. ' 3 Da eine genaue Bestimmung während der Untersuchungen am lebenden _ Thiere unterblieben war, und bei den in Präparaten eingeschlossenen Exemplaren die angewandten Reagentien die Stacheln stark korrodirt hatten, war eine ganz sichere Identifieirung nicht möglich. 11* 164 A. Borgert, thieres, so weit sie hier in Betracht kommen, sowie die Abgrenzung des Parasiten gegen das letztere klar zu stellen. Ich verweise zu diesem Zwecke auf die Fig. 27, welche einen Acanthostaurus eru- ciatus mit seinem Parasiten wiedergiebt. Nach HERTWIG würde die scharf umschriebene große Kugel, die man in der unteren Hälfte der Figur zwischen den Stacheln er- bliekt, den in der Centralkapsel gelegenen und von einer kräftigen Membran umgebenen Kern des Acanthostaurus darstellen. Der im Inneren der Kugel sich befindende Körper wird von ihm als Nucleolus sedeutet und soll aus zwei Substanzen bestehen: einer sich dunkler färbenden Hauptmasse von rundlicher Gestalt und einem schwächer färbbaren kegelförmigen Theile, der »wie eine Mütze dem dunkleren Abschnitt aufsitzt«. Gegenüber der Spitze des Nucleolus soll sich die Kernmembran in das Innere einstülpen, den Kegel überkleiden und um denselben einen nicht mit Kernsubstanz erfüllten Raum bilden. Innerhalb des Kernes zeige die Membran cirkuläre, an der Einstülpungsstelle radiale Falten. KörrEen (26, p. 423) hat eine andere Auffassung. Nach seiner Ansicht stellt das ganze von Herrwig als Kern bezeichnete Gebilde den Parasiten dar. Der sroße rundliche Körper im Inneren desselben, den HErTwIe als Nucleolus anspricht, wird von KÖörpEn als der Kern der Suetorie, die kegelförmige Bildung als Embryo und der Hohlraum als Brut- höhle gedeutet. Ich vermag weder die eine noch die andere Auffassung zu theilen. Ich halte das, was HerrwIg Nucleolus nennt, für den Kern des Wirthsthieres, nicht wie KörpEn will, für den Kern des Parasiten, betrachte dagegen die ganze den Kern umgebende Schicht mitsammt der äußeren Membran als zu dem Parasiten gehörig. Wenn ich mich hiernach der Darstellung meiner Resultate zu- wende, so muss ich vorausschicken, dass dieselben noch weniger als bei Sticholonche Anspruch auf Vollständigkeit haben. Dies hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass Acanthometriden mit Pa- rasiten nie so zahlreich vorhanden waren wie Sticholonchen, sowie ferner damit, dass es bei den vorhandenen Exemplaren der ersteren obendrein viel seltener gelang, das Ausschlüpfen des Eindringlings zu beobachten als bei letzteren. Es waren immer nur einkernige Acanthometriden, bei denen ich einen Spiralkörper fand'!, doch war bei derartigen Individuen ! BRANDT (2, p. 209) giebt an, eine derartige Bildung einerseits bei Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 165 sein Vorkommen so konstant, dass mir jener Zustand geradezu als eine Folge der Anwesenheit des Parasiten erschien. Ich denke nun nieht daran, den Unterschied zwischen präcoceinen und serotinen - Aecanthometriden! allgemein auf das Fehlen oder Vorhandensein eines Spiralkörpers in der Centralkapsel zurückführen zu wollen. Für sicher halte ich es jedoch, dass sogenannte präcocine Arten gelegentlich durch die Anwesenheit des Parasiten serotin erscheinen können? Dringt dieser Organismus nämlich, wie es offenbar der Fall ist, schon sehr frühzeitig, also noch zur Zeit des Vorhanden- seins eines einzelnen Kernes bei dem Radiolar ein, so wird er in Folge seines Lageverhältnisses zum Kerne des Wirthsthieres bei diesem einen Übergang in das vielkernige Stadium unmöglich machen. Die betreffende Form wird daher, da sie sich im Übrigen ungestört weiter entwickelt, der Einfluss des Parasiten aber so lange andanert, wie dieser in seinem Wirthe verweilt, das Aussehen einer serotinen Art annehmen, selbst wenn sie zu den präcoeinen gehört. Tritt der Parasit endlich aus, so scheint er regelmäßig den Kern der Aecanthometride mit sich zu nehmen. | Was nun zunächst den unausgeschlüpften Parasiten betrifft, so fallen die abweichenden Verhältnisse auf, unter denen man im Ver- sleich mit Sticholonche das Thierchen hier antrifft. Während man bei letzterer den Spiralkörper gesondert für sich im Protoplasma seines Wirthes findet, sieht man ihn bei den Acanthometriden in die Centralkapsel eingelagert, wo er zusammen mit dem von ihm um- hüllten Kerne des Radiolars einen runden, mehr oder minder volu- minösen und von einer derben Membran umschlossenen Körper bildet. Derselbe hat eine stark excentrische Lage und steht an der distalen Seite mit der Kapselmembran in enger Berührung. In dieser Gegend er- blickt man auch im Inneren die für den Parasiten charakteristische Acanthometriden »mit ziemlich zahlreichen Kernen«, andererseits >»in ganz jugendlichen Individuen, die eben erst beginnen, ein Skelett zu bilden«, ge- funden zu haben, während sie in den Zwischenstufen fehlten. Wie gesagt, sah ich nie einen Spiralkörper in mehrkernigen Acanthometriden, dagegen bei einkernigen Individuen des verschiedensten Alters. 1 Präcoein nennt HAECKEL (14, p. 5) diejenigen Acanthometriden, bei denen »der primäre Nucleus schon frühzeitig in viele kleine Kerne sich spal- tet«.. Die Formen, bei denen der einkernige Zustand lange bestehen bleibt, und erst spät bei dem ausgebildeten Radiolar dem vielkernigen weicht, be- zeichnet er als serotin. 2 Ob Acanthostaurus eruciatus zur einen oder anderen Gruppe von Arten gehört, ist bisher nicht festgestellt worden. 166 A. Borgert, Streifung. Die Organisation des Thierchens entspricht in den Haupt- zügen den Verhältnissen, wie man sie bei dem Parasiten der Sticho- lonche beobachtet. Dieselben zwei Körperabschnitte, die man an diesem, so lange er sich in seinem Wirthe befindet, unterscheiden kann, lassen sich auch an dem Parasiten der Acanthometriden er- kennen: eine kegelförmige im Inneren gelegene Körperpartie und ein dieselbe rings umgebender, bei letzterem allerdings auch noch den Kern des Wirthsthieres mit umschließender Theil. An seiner Basis, mit welcher der konische Zapfen auf dem Kerne des Radiolars ruht, schlägt sich seine Wandung nach vorn um, so dass zwischen dem Kegel und dem ihn äußerlich umhüllenden Theile des Körpers ein kappen- förmiger Hohlraum entsteht. Die Oberfläche des Kegels weist eine durch parallele Furchen hervorgerufene Querstreifung auf, die sich ohne Unterbrechung auch auf die gegenüberliegende Wandung des Hohlraumes fortsetzt. Gegenüber der Spitze des inneren Kegels, die übrigens bei dem Spiralkörper der Acanthometriden im Allge- meinen stärker zugespitzt zu sein pflegt als bei dem Parasiten von Sticholonche, befindet sich die Stelle, an welcher das erwachsene Thier beim Ausschlüpfen hindurchtritt. Hier vermindert sich plötz- lich die Dieke der äußeren Schicht bedeutend, so dass ein konischer Fortsatz des den Zapfen umgebenden Hohlraumes entsteht. Eine Öffnung, wie Herrwig (18, p. 21) sie an der Spitze des trichter- förmigen Kanals vermuthet, ist nach meinen Schnittpräparaten jedoch augenscheinlich nicht vorhanden. Betrachtet man den Parasiten von der Spitze her, so bemerkt man im Umkreis der Austrittsöffnung eine radiäre Streifung (s. 18, Taf. IH, Fig. 15). Dieselbe hat ihren Sitz in der äußeren Schicht des Körpers. Auch auf Längsschnitten findet man sie angedeutet, wie aus Fig. 31 und 32 ersichtlich ist. Diese Eigenthümlichkeit wird bei dem in Sticholonche vorkommen- den Parasiten vermisst. Vielleicht stellt sie eine Einrichtung dar, die das Austreten des Parasiten erleichtert und steht so in Beziehung zu gewissen Erscheinungen, auf die ich weiter unten zurückkommen werde. Während sich bei Stcholonche das Ausschlüpfen des Parasiten in der größeren Zahl der Fälle beobachten ließ, gelang mir dies, wie bereits erwähnt, bei Acanthometriden nur ganz vereinzelt. Der Process selbst spielt sich übrigens in beiden Fällen in der gleichen Weise ab. Wie bei Stscholonche beginnt auch bei den Acantho- metriden der Vorgang damit, dass der innere Kegel des Parasiten mit seiner dicht unter der äußeren Schicht gelegenen Spitze an der Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 167 Austrittsstelle hervortritt. Mit dem weiteren Vorrücken des vorderen Körperendes geht eine Umstülpung des hinteren Abschnittes Hand in Hand, in Folge deren die Innenfläche des den Kegel bisher umgebenden Hohlraumes zur Außenfläche des freien Organismus wird. Die eigenartigen Lageverhältnisse des Thieres bringen es bei den Acanthometriden mit sich, dass scheinbar regelmäßig der Kern des Radiolars von dem austretenden Parasiten in sich aufgenommen wird. Die gleiche Erscheinung wurde bezüglich der Kapsel oder selbst des gesammten Protoplasmaleibes auch bei Sticholonche beob- achtet, gehörte hier aber offenbar zu den Ausnahmen. In Folge des geschilderten Verhaltens bekommt der Körper des Acantho- metriden-Parasiten beim Ausschlüpfen eine diekere, plumpere Gestalt als derjenige von Sticholonche und es scheint mir die Annahme nahe- liegend, dass die Strahlung im Umkreise der Austrittsöffnung bei ersterem auf eine Einrichtung zurückzuführen ist, die zur Erleich- terung des Umstülpungsgeschäftes dient. Von weiteren auf das lebende Thier sich beziehenden Beobachtungen will ich nur noch erwähnen, dass ich in einem Falle bei einem ausschlüpfenden Indi- viduum, ähnlich wie bei dem Parasiten von Stecholonche, eine Ab- schnürung des vorderen Körperendes erfolgen sah, das allein fort- schwamm, während die andere Hälfte des Organismus im Wirthsthiere zurückblieb. Züchtungsversuche, die ich anstellte, blieben auch bei dem Parasiten der Acanthometriden wegen des schnellen Absterbens der Thiere erfolglos. Was nun die Einzelheiten der Organisation des Parasiten be- trifft, so existiren über diesen Punkt in der Litteratur nur spärliche Angaben von HErrwıG und Körpen. Letzterer konstatirt (26, p.422)!, dass derselbe aus einem mehr oder weniger körnigen Protoplasma bestehe und einen Kern mit einem Nucleolus enthalte, sowie ferner, dass sein Körper durch Furchen, die mit Cilien besetzt seien, in 8—10 Segmente getheilt werde. Aus der von Herrwic (18, p. 22) gegebenen Darstellung ist nur das Eine hervorzuheben, dass dieser Forscher an Zerzupfungspräparaten das Vorhandensein einer Membran feststellen konnte, die den inneren, kegelförmigen Theil des Para- siten überkleidet und deren Fortsetzung auf die gegenüber liegende Seite er richtig zu vermuthen scheint. Über die Anordnung der 1 Die hier angezogene Stelle bezieht sich nicht, wie dort irrthümlich an- gegeben wird, auf den Parasiten von Sticholonche (Amoebophrya sticholonchae), ‘ sondern, wie aus KÖPpEn’s Anmerkung auf p.418 hervorgeht, auf den in Rede stehenden Organismus (Amoebophrya acanthometrae). | 168 A. Borgert, Furchen äußert sich Herrwie in widersprechender Weise, indem er einerseits ihren Verlauf mit demjenigen der »Windungen eines aufgerollten Taues« vergleicht, also offenbar eine spiralige Aus- bildung annimmt, andererseits aber wiederholt ihre »eirkuläre« An- ordnung betont, die ihn an diejenige der Reifen eines Fasses erinnert. Ich selbst habe über die letztere Frage nicht zu völliger Klarheit selangen können, glaube jedoch nicht annehmen zu sollen, dass in diesem Punkte ein Unterschied zwischen dem Parasiten von Sticho- lonche und dem der Acanthometriden besteht, sondern vermuthe, dass trotz der gegentheiligen Angabe KÖPpEn’s auch im vorliegenden Falle die Furchen eine zusammenhängende Spirale bilden. Wenn auch die Organisationsverhältnisse bei dem Parasiten von Sticholonche und demjenigen der Acanthometriden im Großen und Ganzen als ähnlich bezeichnet werden mussten, so lassen sich doch, abgesehen von den schon erwähnten, im Einzelnen noch eine Reihe von Abweichungen feststellen. Auf die schärfere Zuspitzung des vorderen Körperendes bei letzterem möchte ich nicht allzuviel Ge- wicht legen, da dieselbe auch bei manchen Individuen des Sticho- lonche-Parasiten beobachtet wird und, wie ein Blick auf die in Fig. 32 und 33 abgebildeten jugendlicheren Stadien lehrt, bei dem hier be- handelten Thiere nicht ganz konstant ist. Weit auffallender ist die Verschiedenheit in der Form der zwischen den Furchen gelegenen Vorsprünge. Dieselben zeigen bei dem Spiralkörper der Acantho- metriden an Längsschnitten durch denselben ein wechselndes Profil, indem sie bald als breite Dreiecke, bald als schmale spitze Zacken, bald als fingerförmige Aussackungen in den von dem unausgeschlüpften Thiere umschlossenen Hohlraum hineinragen. An dem mittleren kegelförmigen Körperabschnitt liegen die Vorsprünge bisweilen so dicht, dass sie sich fast wie Schuppen decken. Mit dem Alter des Thieres nimmt ihre Zahl zu; die Neubildung scheint am vorderen Ende des Kegels stattzufinden. Das Protoplasma zeigt im Allgemeinen eine ähnliche Struktur wie bei dem Parasiten der Sticholonche, besitzt jedoch bisweilen, hauptsächlich in der dem Mittelpunkt des Wirthsthieres zugewendeten Körperhälfte, eine viel lockerere, vacuolisirte Beschaffenheit. An der Oberfläche des Kegels kann man bei vorgeschritteneren Stadien eine dünne klare Protoplasmaschicht unterscheiden, die bei stärkerer Vergrößerung eine deutliche Querstrichelung erkennen lässt. Im Inneren des Kegels traf ich bei verschiedenen Exemplaren eine kugelige vacuolenartige Bildung an (s. Fig. 32). Ein ähnlicher Zapfen, Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 169 wie man ihn bei dem Parasiten von Stecholonche an der Basis des Kegels entwickelt findet, konnte dagegen in keinem Falle beobachtet werden. Die äußere Körperoberfläche wird von einer ziemlich dieken Membran überkleidet, während die Wandungen des den Kegel um- sebenden Hohlraumes von einem feinen Häutehen bedeckt sind. Der Hohlraum selbst ist von einem aus zarten Fasern bestehenden Netz- werk durchsetzt, welches die Wandungen mit einander verbindet. Die Kerne liegen auch hier wieder in den Vorsprüngen der Körper- oberfläche, oftmals unmittelbar der Wandung an; ihr Durchmesser ist jedoch außerordentlich klein. Gewöhnlich betrug derselbe kaum I u, selten 2 «. In einzelnen Fällen, namentlich bei sehr jungen Exemplaren gelang es mir überhaupt nicht, Kerne aufzufinden. Das Plasma zeigte alsdann eine gleichmäßig dunklere Färbung, als ob das Chromatin in feinen Theilchen durch dasselbe vertheilt sei. Bevor ich mich der Besprechung anderer Dinge zuwende, möchte ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, den ich bisher un- erwähnt gelassen habe. Jeder, der den unausgeschlüpften Parasiten, namentlich an Längsschnitten, genauer untersucht, wird sich von dem Vorhandensein einer sehr zarten aber bei starker Vergrößerung deutlich erkennbaren Membran überzeugen, welche den Kern des Radiolars nebst der distal von ihm gelegenen, den Hohlraum ein- schließenden Körperpartie des Parasiten gegen das übrige Proto- plasma abgrenzt. Auf der dem Mittelpunkt der Acanthometride zugekehrten Seite liegt die Membran der Kernoberfläche dicht an oder wird doch nur durch eine dünne Protoplasmaschicht von ihr getrennt. Von dort zieht sie sich nach der entgegengesetzten Seite, wo sie allmählich an die den Parasiten äußerlich umhüllende Mem- bran herantritt. In Fig. 30, 31 u. 32 ist der Verlauf des Häutchens durch eine feine Linie angedeutet. Anfangs glaubte ich, dass die erwähnte zarte Membran die Grenze des Spiralkörpers gegen das Wirthsthier bezeichne, doch habe ich diese Ansicht aufgegeben, weil keinerlei Unterschied, weder in der Struktur noch in dem Verhalten Farbstoffen gegenüber zwischen dem auf der einen und dem auf der anderen Seite der Membran gelegenen Protoplasma besteht. Unter solchen Umständen ist die feine Membran oft nur schwer zu entdecken, doch dürfte sie wohl in keinem Falle fehlen. Bemerkens- werth ist auch noch eine andere Sache: dass trotz der vollständigen Umschließung seines Kernes durch den Parasiten, das betreffende Radiolar am Leben bleibt und sogar nieht einmal in seinem Wachs- thum gehindert erscheint. | 170 A. Borgert, Über den frei gewordenen Parasiten habe ich meinen bisherigen Angaben nur noch Weniges hinzuzufügen. Nur in einem einzigen Falle gelang es mir, das ausgetretene Thier der weiteren Untersuchung zugänglich zu machen. Leider wurde auch dieses Exemplar noch in Folge eines unglücklichen Zufalles stark gequetscht. Da eine Ab- bildung von dem ausgeschlüpften Organismus überhaupt noch nicht gegeben worden ist, so habe ich das betreffende Individuum dennoch in Fig. 28 zur Darstellung gebracht. Im Inneren sieht man die Kern- substanz des Wirthsthieres als unregelmäßig begrenzte Masse liegen. Die Furchen an der Oberfläche sind in Folge des Druckes nicht mehr zu erkennen; nur an den seitlichen Kontouren des Thieres findet man sie noch schwach angedeutet. Die Cilien, die in den Furchen stehen, sind stark entwickelt. Ihre Länge ist viel beträcht- licher als bei dem Parasiten von Sticholonche. Am hinteren Körper- ende bemerkt man das Vorhandensein eines in das Innere führenden kurzen Kanals. Ähnliche Hohlräume, wie man sie im Körper des ausgeschlüpften Stcholonche-Parasiten beobachtet, fehlen, gelangen hier, wie es scheint, überhaupt nie zur Ausbildung. Wendet man stärkere Vergrößerung an, so erblickt man am vorderen Körperende in der dünnen äußeren Protoplasmaschicht, die sich durch ihre klare, durchsichtige Beschaffenheit vor dem übrigen Körperplasma aus- zeichnet, eine sehr deutliche, in Fig. 29 wiedergegebene Quer- strichelung. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergiebt, handelt es sich bei dem Parasiten von Stcholonche und demjenigen der Acanthometriden um zwei ganz ähnliche Formen von Organismen und es ist weiter von Interesse, zu erfahren, ob bei Acanthometriden außer dem Spiralkörper auch noch jene anderen bei Sticholonche beobachteten Einschlüsse gefunden werden, die sich als rundliche, mit einem Kern versehene Bläschen darstellen. FoL sowohl wie KörprEn geben — Beide jedoch vielleicht nur auf Grund der Angaben Herrwig’s — das Vorkommen ähnlicher oder gar analoger Körper bei den betreffenden Radiolarien an, fügen jedoch keine Beschreibung derselben bei. Unter diesen Umständen dürfte es erwünscht sein, zu sehen, wie die von Herrwıe (18, p. 23) geschilderten Bildungen beschaffen sind. Die Gebilde, die hier nur in Betracht kommen können, wurden bei vielkernigen Exemplaren von Acanthometra Cla- paredei, Acanthostaurus purpurascens und anderen Arten beobachtet. Es sind wurstförmige gekrümmte Körper, in deren homogener Grund- masse sich zahlreiche stärker gefärbte, von hellen Höfen umgebene, Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 171 Körperehen eingebettet finden. Die Körperchen sind durchschnitt- lich 1,5 « groß und auf die konvexe Seite des wurstförmigen Ge- bildes beschränkt, wo sie in einer Schicht so dicht gedrängt liegen, dass sie nur durch dünne, von der Grundsubstanz gebildete Scheide- wände getrennt werden'!. So nahe hiernach — zumal da neben den erwähnten Bildungen gleichzeitig auch noch zahlreiche der gewöhnlichen kleinen Acantho- metridenkerne vorgefunden wurden, — so nahe, sage ich, hiernach auch die Vermuthung liegen mag, dass die wurstförmigen Körper den bei Stzcholonche vorkommenden Anhäufungen von Bläschen ent- sprechen, so scheint mir die Richtigkeit dieser Annahme doch nicht über jeden Zweifel erhaben zu sein. Ich selbst habe mich bei meinen Untersuchungen in der Hauptsache auf die einkernigen, einen Spiral- körper beherbergenden Individuen beschränkt und habe nur in einem Falle außer jenem kleine vereinzelt liegende Kügelchen angetroffen, die wohl mit den bei Sticholonche sich findenden manches Überein- stimmende. zeigen, jedoch desswegen durchaus noch nicht mit ihnen identisch zu sein brauchen. Ich muss daher meinerseits die Frage noch offen lassen. Über die systematische Stellung des bei Sticholonche und Acanthome- triden sieh findenden Parasiten (Spiralkörper) und die Natur der bläschenförmigen Einschlüsse dieser Thierformen. Die Frage, wo der Parasit im System unterzubringen sei, lässt sich nicht mit einem Worte entscheiden, sondern erfordert einige Erwägung. Natürlich wird man die systematische Stellung, die man dem Thiere anzuweisen gedenkt, von dessen Organisationsverhält- nissen abhängig zu machen haben, und bezüglich dieser stehen, wie schon erwähnt, zwei verschiedene Ansichten einander gegenüber. Nach der einen, von KOROTNEFF vertretenen, handelt es sich um einen Organismus, dessen Körper aus einem zelligen Ektoderm und wenigen Entodermelementen besteht. Auf Grund hiervon rechnet KOROTNEFF ihn zu den Metazoen. Er glaubt, dass derselbe »den Orthonectiden sehr nahe steht und möglicherweise ein Stadium ihrer Entwicklung darstellt. Nach Köppen’s Angaben dagegen, der den Parasiten als eine einkernige Bildung beschreibt, kann nur der | ! Nach Herrwig’s Ansicht bilden sich durch Zerfall der wurstförmigen Körper die vielen kleinen Nuclei der vielkernigen Stadien bei den Acantho- metriden. Die gleiche Auffassung findet sich auch bei HAECKEL (14, p. 6, Acantharia, Taf. I, Fig. 8). 172 A. Borgert, Typus der Protozoen in Betracht kommen. Innerhalb dieses Thier- kreises reiht er ihn der Gruppe der Suctorien ein. Prüfen wir zunächst die Berechtigung der Auffassung KoRoT- NEFF’S und sehen wir, in wie weit seine Ansicht mit der oben ge- gebenen Schilderung von dem Bau unseres Parasiten in Einklang zu bringen ist. Bezüglich des vermeintlichen Entoderms dürfte es nach den voraufgehenden Ausführungen feststehen, dass KOROTNEFF im Irrthum ist, dagegen könnte man im Hinblick auf die äußere Körperschicht wohl zweifelhaft sein, ob dieselbe nicht doch vielleicht ein zelliges Ektoderm darstelle; ja, jeder unbefangene Forscher würde sogar kaum umhin können, den in Fig. 11 wiedergegebenen Theil eines Schnittes durch die äußere Körperpartie eines unaus- geschlüpften Parasiten von Sticholonche auf ein Epithel zu beziehen. Der Einwand, dass keine Zellgrenzen zu bemerken seien, würde nicht allzu sehr ins Gewicht fallen können, da ein sicherer Nach- weis derselben in vielen Fällen selbst da schwer fällt, wo ihr Vor- handensein außer Frage steht. Mehr Bedenken gegen die .epitheliale Natur der äußeren Körperschicht würde allerdings wohl die selbst bei gleichen Entwicklungsstadien stark wechselnde Größe der Kerne erwecken. Sucht man nach weiteren Stützen für KOROTNEFF’s An- sicht, so ließe sich noch auf das beim Zusammentreffen mit irgend welchen Hindernissen erfolgende Zerfallen des frei gewordenen Para- siten hinweisen. Dieser Vorgang erinnert entfernt an eine Erscheinung, welche Juris (20, p. 13 u. 14, Taf. I, Fig. 4—7) bei Orthoneetiden- männchen beobachtete, dass nämlich die Spermatozoen durch Los- lösung der oberflächlichen Zellen des Thieres frei wurden. Ich hätte vielleicht auf die Anführung dieses Punktes verzichten können, da es sich offenbar nur um eine rein äußerliche Ähnlichkeit handelt, doch gewinnt die erwähnte Erscheinung für den vorliegenden Fall an Interesse, wenn man an die Auffassung For’s denkt, nach welcher der austretende Spiralkörper eine Spermatophore des Thieres dar- stellt, in welchem er sich entwickelt. Ich muss gestehen, dass ich anfänglich selbst an die Vielzellig- keit des Parasiten geglaubt und mir unter demselben ein eigen- thümliches, durch parasitäre Lebensweise stark rückgebildetes Metazoon vorgestellt habe, das vielleicht innerhalb eines neuen Wirthes zu einer höheren Organisationsstufe gelange, doch erscheint mir heute die Richtigkeit dieser Annahme so wenig wahrscheinlich, dass ich von derselben vollständig zurückgekommen bin und Amoebo- phrya als zweifelloses Protozoon ansehe. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche eic. vork. Parasiten. 173 Betrachten wir nun einmal die von KÖPPEN vertretene Ansicht etwas genauer. KÖPPEN deutet bekanntlich die im Inneren des un- ausgetretenen Parasiten gelegene kegelförmige Partie desselben als den dureh innere Knospung entstandenen »Embryo« der Suctorie, der von dem mütterlichen Organismus umhüllt werde. Das Freiwerden des Sprösslings kann nun, wie KÖPpEN meint, auf zweierlei Art und Weise vor sich gehen: wie bei Dendrocometes paradoxzus oder wie bei Tokophrya. Bei ersterer Species erfolgt nach den Untersuchungen Bürschurs (4) und Prare’s (30) die Trennung der Knospe von dem Mutterthiere nicht innerhalb der Bruthöhle, sondern außerhalb der- selben, nachdem die Knospe durch die Geburtsöffnung hindurchge- treten ist und sich dadurch aus einer inneren in eine äußere umge- wandelt hat. Köppen überträgt diese Verhältnisse in etwas modifieirter Form auf seine Amoebophrya und glaubt, dass unter gewissen Umstän- den, wo der mütterliche Theil des Suctorienkörpers stark geschwächt sei und seine Kontraktilität verloren habe, der austretende Sprössling sieh nicht abtrenne, sondern das Mutterthier umstülpe und als hinteres Körperende mit sich fortnehme. — Bei Zokophrya quadripartita schnürt sich nach BürscaLı (3) die Knospe schon innerhalb der Bruthöhle vom mütterlichen Organismus ab. Dieser Vorgang vollzieht sich, wie KöPpEn berichtet, bei dem zweiten Modus der Schwärmer- bildung von Amoebophrya. In diesem Falle bleibe der Embryo nur auf einer kurzen Strecke mit dem Mutterthiere in Verbindung, bis schließlich der Zusammenhang durch die Bewegungen der Knospe unterbrochen werde und diese unter Zurücklassung des mütterlichen Organismus frei werde. Rücksichtlich der Veränderungen des Kernes bei der Knospenbildung giebt Köppen an, dass ein Theil desselben sich abtrenne und den Kern des Sprösslings bilde. Während der Theilung werde der Kern fibrillär, wie man dies auch bei anderen Suetorien beobachte. Weiter erwähnt Köppen, dass bisweilen zwei Knospen in demselben Individuum zu finden seien. Er führt diese Erscheinung auf eine Zweitheilung des Embryo zurück. Endlich weiß Köppen auch noch über Tentakelbildung bei dem frei gewor- denen Parasiten zu berichten. In einem Falle sah er, wie der aus einer Acanthometride ausgetretene Organismus nach einiger Zeit freien Umherschwimmens unbeweglich wurde. Seine Cilien ver- schwanden, eben so verwischten sich die Furchen allmählich voll- kommen. In seinem Inneren zeigten sich kontraktile Vaeuolen, wäh- rend an einer Stelle der Körperoberfläche kurze und sehr zarte Tentakeln auftraten. Die letzteren verschwanden jedoch bald wieder, 174 A. Borgert, ohne eine Spur zu hinterlassen. Dann wurde die Körperform un- regelmäßig und der Organismus begann langsame, amöboide Bewe- sungen auszuführen!. Was die von Körpzn geschilderten Vorgänge beim Freiwerden des ‚Parasiten betrifft, so habe ich, wie erinnerlich, die erwähnten Verschiedenheiten vollkommen bestätigen können.: Dagegen hat der russische Gelehrte im Hinblick auf die Kernverhältnisse sich bei seinen Angaben offenbar allzusehr durch die bei verschiedenen Suc- torien gemachten Beobachtungen leiten lassen. Wenigstens bin ich bei meinen Untersuchungen zu durchaus anderen Resultaten gelangt. Trotz der abweichenden Kernverhältnisse aber glaube ich den- noch, dass man bezüglich der Frage nach der systematischen Stel- lung des Parasiten zu dem gleichen Schlusse wie KörrzEn kommen muss. Ich sehe dabei ganz ab von der von KÖPPEN beobachteten Ausbildung von Tentakeln bei dem ausgeschlüpften Thiere. Wenn auch im Zusammenhange mit den übrigen Thatsachen diese Notiz höchst beachtenswerth ist, so möchte ich der einzelnen Beobachtung doch keine allzugroße Bedeutung beimessen. Gehen wir von dem frei gewordenen Thiere aus, so fällt schon bei oberflächlicher Betrachtung die Ähnlichkeit auf, die dasselbe in seiner äußeren Gestalt mit den Schwärmern gewisser Suctorienarten aufweist. Ich erinnere z. B. an die von Maupras (28) unter dem Namen Acineta foetida beschriebene Species. Die Schwärmer dieser gleichfalls marinen Art besitzen eine längliche, gestreckte Körper- form und sind am vorderen Ende zugespitzt. Die Cilien stehen in (Juerfurchen, die in schräger Richtung zur Längsachse um den Körper herumlaufen und zwischen denen die Körperoberfläche wul- stig vorgewölbt ist. Wie es scheint, bilden auch in diesem Falle die Furehen eine einzige Spirale, denn, wenngleich MaAurAs bei seinen ersten Untersuchungen (in Roscoff) fünf geschlossene „Ringe zu erkennen glaubte, die den Körper in sechs nach hinten an Breite zunehmende Segmente zerlegen, so erweckten ihm, wie er angiebt, doch später (in Algier) die Furchen den Eindruck einer zusammen- !ı Ein anderes Mal beobachtete Körpkn, wie der Embryo in zwei Theile zerfiel, von denen der eine aus granulirtem Protoplasma mit mehreren kon- traktilen Vacuolen, der andere aus einem klareren, homogenen Protoplasma bestand. Bald nach der Trennung vereinigten sich jedoch die beiden Theil- stücke wieder. Dieser Vorgang trägt so deutlich den Stempel des Abnormen, dass ich mich darauf beschränke, denselben hier nur anmerkungsweise zu er- wähnen. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 175 hängenden Spirale. Mauras hält es für nicht ausgeschlossen, dass beide Arten der Ausbildung neben einander‘ bestehen, doch bin ich eher geneigt, für den ersten Fall eine Täuschung anzunehmen, deren Möglichkeit übrigens MAaupas selbst zugiebt. Bezüglich der inneren Organisation kommen nur die Vacuolen- und Kernverhältnisse in Frage. Die kontraktilen Vacuolen sind ein weit verbreiteter Bestand- theil des Suctorienkörpers und finden sich auch bei den Schwärmern derselben in der Einzahl oder zu mehreren vor. Nach Körrkx trifft man solche regelmäßig bei dem ausgeschlüpften Spiralkörper an, während sie bei dem im Wirthsthiere eingeschlossenen Organismus nur sehr selten zu beobachten sein sollen. Obgleich ich nie Ge- legenheit hatte, ein »Pulsiren« direkt zu beobachten, so glaube ich doch, dass man die kugeligen Hohlräume, die man hin und wieder bei unausgeschlüpften Thieren in dem Plasma des inneren kegel- förmigen Körperabschnittes findet (s. Fig. 32), als kontraktile Vacuo- len anzusehen hat. Dagegen scheint mir diese Deutung für die bei frei gewordenen Individuen zu beobachtenden verschieden gestalteten Hohlräume nicht sehr wahrscheinlich. Übrigens würde, wie ich noch hinzufügen will, ein eventuelles Fehlen kontraktiler Vacuolen noch nicht als ausschlaggebend gegen die Suetoriennatur einer Thierform anzuführen sein, da es unter den marinen Suctorien auch sonst noch Fälle giebt, in denen es nicht gelang, ihr Vorhandensein festzu- stellen. Die röhrenförmige Einstülpung am hinteren Körperende, die sich namentlich bei vorgeschritteneren Entwicklungsstadien des Parasiten findet, lässt sich gut mit ähnlichen Bildungen vergleichen, wie sie HERTwIG (16) an den Schwärmern von Podophrya (Ephelota) gemmi- para und STEIN (35) an denjenigen einer anderen, von ihm als Vorti- cella microstoma Ehbg. bezeichneten Suctorienart entdeckte. Bei der erstgenannten Form ist die Einstülpung, wenigstens in dem der Aus- mündung zunächst gelegenen Abschnitt, bewimpert. In dem zweiten Falle handelt es sich um einen einfachen, geschlängelten, blind endenden Kanal. Auch außerdem ließen sich, wenn man wollte, noch Beispiele aus der Litteratur anführen. Eine bedeutendere Abweichung in der Organisation besteht augen- scheinlich nur in Bezug auf die Kernverhältnisse. Während bei den nahe verwandten Ciliaten durch die Untersuchungen von MAuPpas (29), GRUBER (J—12), und Anderen eine nicht geringe Zahl von viel- 176 A. Borgert, kernigen Arten! bekannt geworden ist, von denen einzelne sogar eine gewisse Gesetzmäßigkeit in der Anordnung der bisweilen in un- zählbarer Menge vorhandenen Nuclei erkennen lassen, ist innerhalb der Gruppe der Suctorien eine Vielkernigkeit doch nur als vorüber- sehender Zustand, hervorgerufen durch Zerfall des primären Nucleus nach voraufgegangener Konjugation, beobachtet worden. Derartige Fälle können hier jedoch nicht zum Vergleich herangezogen werden und so würde rücksichtlich dieses Punktes die Amoebophrya aller- dings eine isolirte Stellung unter den Suctorien einnehmen. Da die jüngeren Stadien des Thieres aber nicht untersucht sind, so ist immerhin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass in der frühesten Jugend nur ein einziger größerer Kern vorhanden ist. Vielleicht besitzt dieser eine ähnlich verzweigte Gestalt, wie man sie bei den Kernen zahlreicher Suctorien-Arten beobachtet. Bei dieser Annahme ließe sich auf die stäbchenähnliche Form der Kerne junger Indivi- duen hinweisen, die man sich wohl durch Zerschnürung eines größeren verästelten Nucleus entstanden denken könnte. Auf die Übereinstimmung, die der unausgeschlüpfte Parasit mit einer fruktifieirenden, durch innere Knospung sich fortpflanzenden Suctorie zeigt, hat KÖPpen bereits hingewiesen, doch weiß ich nicht, ob nicht in einem Punkte die besonderen Verhältnisse des Parasiten eine modifieirte Deutung erfordern. Ich glaube nämlich kaum, dass man die innere kegelförmige Partie des Thieres als Knospe auf- fassen darf; vielmehr bin ich der Meinung, dass jene nur das vordere Körperende des Parasiten darstellt, welches sich allerdings unter be- sonderen Umständen einmal abschnüren und selbständig davon- schwimmen kann. Ich stütze meine Ansicht auf die Thatsache, dass man bei allen Individuen, selbst in den jugendlichsten Stadien, den kegelförmigen Abschnitt entwickelt findet. Ich möchte das Frei- werden des Parasiten am ehesten mit der bei Suetorien vorkom- menden gelegentlichen Umwandlung des ganzen Individuums in einen Schwärmer vergleichen, wie sie bei 4Asellicola digitata und Dendrocometes paradozus festgestellt werden konnte. Hier pflegt nach PLATE (31, p. 152; 30, p. 178 u. 189) die erwähnte Erscheinung dann aufzutreten, wenn die Thiere durch Häutung des Wirthes, dem sie aufsitzen (Asellus, Gammarus), zu einer Ortsveränderung ge- ! Bürschui (5) äußert Bedenken, ob es sich bei den betreffenden Formen wirklich überall um einzelne isolirte Kernchen, oder nicht vielleicht mehr oder minder häufig um einen rosenkranzförmisen Kern handle, bei welchem die feinen Verbindungsfäden übersehen seien. Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 177 zwungen sind. Der Vorgang vollzieht sich in der Weise, dass sämmt- liehe Stadien der Knospenbildung durchlaufen werden, dass aber schließlich die Knospe nicht zur Ablösung gelangt, sondern bei ihrem Austritt das Plasma des mütterlichen Organismus ganz oder mit Aus- nahme eines kleinen zurückbleibenden Restes mit sich fortnimmt. Ein Unterschied würde nur darin bestehen, dass in den von mir angezogenen Fällen das Ausschlüpfen eine Folge des Eintritts un- Sünstiger Lebensbedingungen ist, während der ganz ähnliche Process bei Amoebophrya, wenn auch durch letztere beschleunigt, doch ein vollkommen normaler Vorgang zu sein scheint. Dass bei der er- wähnten Abschnürung des vorderen Körperendes für unseren Para- siten nebenbei auch Fortpflanzungsvorgänge mit ins Spiel kommen, will ich nieht in Abrede stellen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass der abgetrennte Theil in seinem weiteren Verhalten einem vollstän- digen Individuum gleicht und dass die zurückbleibende Hälfte die verloren gegangene durch Neubildung ersetzt. Immerhin stellt nach meiner Auffassung der Vorgang einen Ausnahmefall dar, über den auch For nichts zu berichten weiß, obgleich er das Austreten des Parasiten zu wiederholten Malen beobachtet hat. Mehr Bedeutung für die Fortpflanzung scheint mir wegen der größeren Zahl der ent- stehenden Individuen der andere Vorgang zu haben, dass vor oder bei seinem Austritt aus dem Wirthe der Parasit bisweilen in eine Anzahl selbständiger Theilstücke zerfällt. Derartige Fälle sind bei den Suetorien mehrfach beschrieben worden. Am ähnlichsten habe ich die Verhältnisse bei der schon einmal zum Vergleich heran- sezogenen Acıneta foetida geschildert gefunden. Auch hier sollen nach Maurpas’ Meinung die wiederholt bis zu vieren in einer Bruthöhle angetroffenen Schwärmer durch Theilung eines einzigen srößeren Embryo entstehen. Die Abbildung, die MAupas (28, Taf. XIX, Fig. 6) von einem solchen Individuum giebt, erinnert so sehr an Zu- stände, wie man sie gelegentlich bei Stecholonche beobachtet, dass man fast versucht sein könnte, die vier Sprösslinge im Inneren des Thieres für die Theilstücke eines amoebophrya-ähnlichen in der Acinete lebenden Organismus zu halten. Allerdings ist die Ähnlichkeit nur eine rein äußerliche, denn die Schwärmer von Acineta foetida sind ein- kernig und außerdem konnte Maupas die Betheiligung des Kernes der Suetorie an der Ausbildung derselben feststellen. Nach alle dem Gesagten trage ich kein Bedenken mehr, unsern Parasiten der Gruppe der Suctorien einzureihen und somit auch den Gattungsnamen, den Köppzn dem Thiere im Hinblick auf seine Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 12 178 A. Borgert, systematische Stellung gegeben, weiterhin beizubehalten. Eben so erscheinen mir die zwischen dem Parasiten von sSticholonche und demjenigen der Acanthometriden bestehenden Unterschiede aus- reichend, um mit KöpPpEn die beiden Formen als selbständige Arten — Amoebophrya sticholonchae und A. acanthometrae — von einander zu trennen. Es bliebe jetzt nur noch die Frage zu erörtern, in welcher Weise wohl der Entwicklungsgang des Parasiten verläuft. - KÖörPpEn will in einem Falle das Eindringen eines Parasiten bei Sticholonche beobachtet haben. Dieser Vorgang soll sich m der Weise vollzogen haben, dass nachdem der erstere mit seinem Wirths- thiere in Berührung gekommen, er sich langsam in dessen Plasma eingesenkt und sich schließlich vollständig in dasselbe eingebettet habe. Über das Aussehen des Thierchens vor oder nach dem Ein- dringen macht KÖPPpen leider keinerlei Angabe. Es ist jedoch wohl als ausgeschlossen zu betrachten, dass es sich hierbei um ein so weit vorgeschrittenes Entwicklungsstadium gehandelt haben könne, wie es der ausgeschlüpfte Parasit oder selbst Theilstücke desselben dar- stellen; denn, wie die Befunde lehren, muss die Infektion durch allerfrüheste Troendansänd. erfolgen. Ich stelle mir den Entwicklungsgang für Amoebophrya Be cirter vor. Nach Allem, was bis jetzt über diese interessante Thier- form bekannt geworden ist, vermuthe ich Folgendes: Nachdem der Parasit innerhalb des Wirthsthieres seine vollständige Ausbildung erlangt hat, schlüpft er — bisweilen unter Zerfall in mehrere Theil- sticke — aus, um nach einiger Zeit freien Umherschwärmens sich in eine festsitzende, tentakeltragende Suctorie umzuwandeln. Wo die Anheftung geschieht, ob der schwärmerähnliche Organismus den Meeresboden aufsucht oder ob er bei irgend einem anderen pela- gischen Wesen ein neues Unterkommen findet, ist fraglich. Suetorien- Arten, die auf der äußeren Körperoberfläche oder in inneren Hohl- räumen anderer Thierformen leben, sind genug bekannt und es würde die letztere Annahme an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn es gelingen sollte, mit Amoedophrya infieirte Sticholonchen oder Acantho- metriden auch auf hoher See zu beobachten. In diesem Entwick- lungsstadium, das, wie gesagt, durch den Besitz von Tentakeln aus- gezeichnet ist, findet eine Fortpflanzung durch (innere oder äußere) Knospung statt. Die jungen Schwärmer sind es, welche nach ihrem Freiwerden in Sticholonchen oder Acanthometriden einwandern. Mit dem Ausschlüpfen des Spiralkörpers würde der Cyclus von Neuem beginnen. | Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 179 Sollten derartige Verhältnisse für unsern Parasiten wirklich be- stehen, so dürfte man daraus vielleicht auf das Vorhandensein näherer Beziehungen zu der Gattung Ophryodendron schließen. Bei den Arten dieses Suetoriengenus, die gleichfalls Meeresbewohner sind, kommen zwei verschieden gestaltete Formen von Individuen vor: sogenannte rüsseltragende und rüssellose (wurm- oder flaschenförmige) Thiere. Die Beziehungen zwischen den beiden Formen von Indi- viduen sind noch nicht genügend aufgeklärt. Das Eine scheint mir durch die Untersuchungen von ÜCLAPAREDE und LACHMANN 6), WriecHTr (37), Hıncks (19), FrAIPoNT (8), GRUBER (10) u. A. sicher- gestellt, dass die wurmförmigen Thiere durch äußere Knospung an den tentakelführenden entstehen. Ob aber, wie man nach den An- saben von CLAPAREDE und LACHMANN (l. e.), KENT (23), FrAIPoNT (]. e.) und GRUBER (l. e.) vermuthen könnte, die ersteren Entwicklungszu- stände der letzteren sind, oder ob ein wirklicher Dimorphismus der Individuen vorliegt, wie Hincks (l. e.) annimmt, ist zur Zeit noch eine offene Frage!. Außer den durch äußere Knospung erzeugten wurmförmigen Individuen, die sich nach ihrer Loslösung vom rüssel- tragenden Mutterthier in dessen Nähe festsetzen, werden nach CLA- PAREDE und LACHMANN (l. e.) und WRIGHT (l. c.) auch noch durch innere Knospung Schwärmer gebildet. WRIGHT giebt an, dass sich diese Schwärmer zu rüsseltragenden Thieren entwickeln. Es wäre an und für sich nicht undenkbar, dass das Spiral- körperstadium der Amoebophrya dem Stadium der wurmförmigen Individuen von Ophryodendron entspricht; doch ich will mich hier nicht weiter in Vermuthungen ergehen, die bei dem Mangel irgend welcher direkten Beobachtungen in der Luft schweben würden und mich auf das Gesagte beschränken. Weiterer Forschung bleibt es vorbehalten, alle fraglichen Punkte aufzuklären. Zum Schlusse bleibt noch die Frage nach der Natur der bläs- chenförmigen Bildungen zu erörtern. Abgesehen von HERTWIG, ! Der Vollständigkeit wegen möge hier noch erwähnt sein, dass v. KocH (25) die von anderen Autoren als Knospung gedeutete Erscheinung als Kopu- lation zweier dimorpher Individuen auffasst. Diese Ansicht erscheint jedoch aus verschiedenen Gründen, die bereits von anderer Seite aus einander gesetzt worden sind, unhaltbar. — Auch als Parasiten sind die wurmförmigen Indivi- duen in Anspruch genommen worden. So betrachtet z. B. RoBIn (34), dem es nicht gelang, einen Kern in ihrem Inneren nachzuweisen, dieselben als para- _ sitisch lebende Wurmlarven unbekannter Zugehörigkeit, eine Auffassung, deren Unhaltbarkeit sich schon aus den voraufgegangenen genaueren Untersuchungen Anderer ergiebt. 12* 180 A. Borgert, dessen Ansicht hierüber bereits weiter oben mitgetheilt wurde, haben nur FoL und KÖPrEn Angaben über diesen Gegenstand gemacht. FoL konstatirt bezüglich Stscholonche (7, p. 20), dass es sich bei dem Spiralkörper einerseits und den Bläschen andererseits um zwei selbständige Bildungen handle, in welche sieh die Individuen gleich- mäßig theilen und zwischen denen keinerlei Übergang bestehe. For neigt der Ansicht zu, dass man es hier mit sexuell differenzirten Fortpflanzungsprodukten der Sticholonche zu thun habe, wobei er die Bläschen als eiartige Keime, den ceilienbesetzten Spiralkörper als eine Art von Spermatophore deutet. Auf Grund dieser Ver- muthung versuchte FoL sogar künstlich Befruchtung zu erzielen, doch verlief das Experiment resultatlos. Die Unhaltbarkeit der Annahme For’s wird übrigens auch schon durch die Thatsache erwiesen, dass bei der Entstehung beider Arten von Bildungen der Kern der Sticholonche unbetheiligt bleibt. Nach Körprpen’s Auffassung stellen die Haufen von Kügelchen nur ein bestimmtes Stadium des Para- siten dar, der sich bald in dieser Form, bald als Spiralkörper dem Beobachter darbiete.e. KÖöPrEn kommt zu dem Schlusse, dass die »globules elairs« die Fortpflanzungsprodukte der Amoebophrya seien. Ihre Entstehung stellt er sich in der Weise vor, dass die Ausbildung des Spiralkörpers auf einer mehr oder minder vorgeschrittenen Ent- wicklungsstufe zum Stillstand gelange. Durch Zerfall des Kernes entständen zahlreiche kleine Kerne, die sich mit einer hellen Sub- stanz und einer Membran umgäben. Im Inneren der Bläschen voll- ziehe sich eine weitere Vermehrung durch Ausbildung einer Reihe von Kugelgenerationen. Die von KÖrPpEn als eine Art Sporen ge- deuteten Bildungen würden Anfangs noch von den Plasmaresten des mütterlichen Organismus umschlossen; später zerfalle der Körper des Mutterthieres, so dass die Bläschen sich nunmehr direkt in der Leibessubstanz der Sticholonche eingelagert finden. In einem Falle giebt KÖPPEN an, das Austreten eines amöboiden Körpers aus einer solchen Cyste gesehen zu haben. Beobachtungen über die weiteren Schicksale desselben wurden jedoch nicht gemacht. Bezüglich der Entstehungsweise der Bläschen giebt KöPren noch an, dass auch FoL im Inneren des Spiralkörpers die jugendlichen Stadien derselben gefunden, die bestehenden Beziehungen zu den frei in der Sticho- lonche sich findenden jedoch nicht erkannt habe. Ich muss hierzu bemerken, dass sowohl nach For’s wie auch nach meinen eigenen Beobachtungen die von KÖPPpEn vertretene Auf- fassung sich mit den bestehenden Thatsachen nicht recht in Einklang Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 1s1 bringen lässt. Was zunächst den Ursprung der Bläschen betrifft, so kann ich Köppex’s Interpretation der Angaben For’s nicht beistimmen. For betont sogar ausdrücklich die scharfe Trennung, die zwischen beiden Arten von Einschlüssen bei Sticholonche besteht. Ich selbst habe auch nie ein Übergangsstadium, wie Körrpen es erwähnt, gesehen: einen Spiralkörper, der in seirem Inneren die in Rede stehenden Kügelehen enthalten hätte!. Vielmehr sieht man sowohl Bläschen- haufen wie Spiralkörper aus minimalen Anlagen selbständig sich entwickeln. Schließlich wäre auch noch anzuführen, dass ein der- artiger Fortpflanzungsmodus, wie KÖPPEN ihn für Amoebophrya an- nimmt, kein Analogon innerhalb der Gruppe der Suetorien besitzen würde. Meine Meinung betreffs der Bläschen geht dahin, dass man in denselben kleine parasitäre Organismen vor sich hat. Obgleich diese Möglichkeit auch von KÖPPEn zugestanden wird, so lassen doch seine Ausführungen keinen Zweifel darüber, dass er diese Annahme für die unwahrscheinlichere hält. Auch würde Körpen, entsprechend seiner Ansicht über die nahen Beziehungen zwischen Spiralkörper und Bläschen, diese als Parasiten des ersteren aufgefasst wissen wollen, während ich sie in ein direktes Verhältnis zu der Sticho- lonche vesp. Acanthometride bringen möchte. Für die Erscheinung, dass man meistens nur eine Form der beiden Arten von Einschlüssen bei demselben Wirthsthiere antrifft, giebt schon FoL eine ganz be- friedigende Erklärung, indem er annimmt, dass das Vorhandensein einer der beiden Bildungen die Entwicklung der anderen bei dem infieirten Thiere verhindert. Bonn, im Mai 1897. Nachschrift. Nachdem ich die Untersuchungen, über deren Resultate ich im Vorstehenden berichtet habe, bereits abgeschlossen hatte, unterwarf ich die Präparate einer nochmaligen Durchsicht. Die Mühe war bei der großen Zahl der Schnittserien und der geringen Größe des Ob- Jekts keine kleine, doch wurde sie belohnt durch die Auffindung einiger weniger (drei) einkernigen Individuen der Amoebophrya sticho- lonchae, die, bisher meiner Beachtung entgangen waren. Wenn ich 1 $. Citat auf p. 149. 182 A. Borgert, mich auch einerseits freue, dadurch bezüglich der Kernverhältnisse des Parasiten in einen weniger schroffen Gegensatz zu KöPPEN’s An- gaben zu treten, so kann ich doch auf der anderen Seite meine Bedenken, ob KöPpen wirklich einkernige Individuen vor sich gehabt hat, nicht unterdrücken. Denn, wollte man annehmen, dass KöÖPPEN richtig beobachtet hat, so müsste man schon von der unwahrschein- lichen Voraussetzung ausgehen, dass gelegentlich das Verhältnis zwi- schen einkernigen und mehrkernigen Individuen geradezu ein um- gekehrtes ist, als ich es bei meinen Untersuchungen in Neapel an- getroffen. Im Vergleich mit den vielkernigen stellten hier die ein- kernigen Exemplare Seltenheiten dar. Ich verzichte darauf, aus den mehr oder minder unsicheren einschlägigen Angaben der früheren Autoren (s. p. 147 u. 148) eine Bestätigung für meine Ansicht herleiten zu wollen; dagegen möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der mir hier Erwähnung zu verdienen scheint, dass ich nämlich in keinem Falle einen ausgeschlüpften Parasiten gesehen habe, der nur einen einzigen großen Kern besessen hätte. Für einen solchen Organismus wäre eine Fortpflanzung durch simultanen Zerfall in mehrere Theil- stücke, wie ich sie für Amoebophrya sticholonchae oben wahrscheinlich zu machen suchte, undenkbar, da nur eines der Theilstücke mit einem Kerne ausgestattet, die übrigen dagegen kernlos sein würden. Ferner muss ich bemerken, dass bei keinem der drei von mir beob- achteten einkernigen Individuen der Kern irgend welche Anzeichen der Theilung, wie KÖPpEn sie bei der Embryobildung beobachtet haben will, erkennen ließ. Das Vorkommen einkerniger Individuen neben vielkernigen ist desswegen besonders bemerkenswerth, weil es sich bei ersteren nicht etwa um kleine, noch jugendliche Thiere handelt, vielmehr waren die kleinsten Exemplare, welche ich beobachtete, sämmtlich mit mehreren Kernen versehen (s. Fig. 12 u. 13). Meine drei einkernigen Amoebophryen sind Thiere von mittlerer Größe. Die Körperform ist im Großen und Ganzen die gleiche wie bei den vielkernigen Indi- viduen, doch ist der innere Theil voluminöser entwickelt und besitzt statt der konischen Gestalt eine mehr kugelige Form. In Folge davon ist auch der Zwischenraum, der die kompakte innere Körperpartie von der dünnen umhüllenden trennt, wesentlich kleiner als sonst. Endlich ist noch zu erwähnen, dass die Furchen, resp. die zwischen ihnen gelegenen Vorwölbungen, nicht so deutlich wie bei den viel- kernigen Individuen hervortreten. Der große, länglich runde Kern liest im Mittelpunkt des Thieres. Sein größter Durchmesser wurde Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 183 auf S—10 u festgestellt. Er besitzt eine deutlich erkennbare Mem- bran. Die chromatische Substanz bildet ein grobes Maschenwerk, dessen Zwischenräume mit Kernsaft erfüllt sind (s. Fig. 34). Über die weiteren Schicksale der einkernigen Individuen kann ich keinerlei Angaben machen. Dass dieselben eben so wie die viel- kernigen als bewimperte Körper das Wirthsthier verlassen, glaube ich aus verschiedenen Gründen nicht annehmen zu sollen. Da nach Lage der Dinge Manches unaufgeklärt bleiben musste, in mehrfacher Beziehung jedoch eigenartige Verhältnisse vorliegen, so wäre zu wünschen, dass erneute Untersuchung bald weitere Auf- klärung über die behandelten interessanten Thierformen brächte. Litteraturverzeichnis, 1. E. G. Bausıanı, Sur la sirueture et la division du noyau chez la Spiro- chona gemmipara. Annales de Microgr. T. VII. 1895. p. 241—260; 289-312. Taf. I u. II. 2. K. 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Erklärung der Abbildungen. Mit Ausnahme der Totalabbildungen Fig. 1—7, 27 und 28, bei deren Her- stellung SEIBERT’'sche Systeme {achromat. Obj. III, periscop. Ocul. 2) zur An- wendung gelangten, wurden sämmtliche Figuren mittels Zeıss’scher Apochromate hergestellt. Die verschiedenen Vergrößerungen, die sich bei den einzelnen Figuren angegeben finden, wurden durch folgende Kombinationen erzielt: Apochr. Obj. 4,0 mm, Compens. Ocul. 4, Tubuslänge 175 mm, Vergr. 400fach. » » 4, 0 >» » >» 6, » 175 > >» 600fach. » ».20 > » 2 6, » 160 >» » 1000fach. Alle Abbildungen wurden mit Hilfe des Aspe’schen Zeichenapparates ent- worfen. Tafel VIII. Fig. 1. Sticholonche zanclea wit Spiralkörper (Amoebophrya sticholonchae). Gefärbtes Balsampräparat. Vergr. 260fach. Fig. 2. Voll entwickelter Spiralkörper nach seinem Ausschlüpfen aus der Sticholonche. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. Fig. 3. Vorderes Körperende eines anderen Exemplares. Kerne bedeu- tend kleiner und zahlreicher als in voriger Figur. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. Fig. 4 Ein anderes Individuum, bei welchem die Hohlräume im Inneren des Thieres wiedergegeben sind. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. Fig. 5. Ein Spiralkörper, in dessen Inneren man die von ihm entführte bohnenförmige Kapsel der Strcholonche erblickt. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. Fig. 6. Ein Exemplar des Spiralkörpers aus Sticholonche, welches vor Be- endigung der Umstülpung frei wurde. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. Fig. 7. Ein besonders kleines Thier. Ungef. Glycerinpräp. Vergr. 260fach. Fig. 8. Vorderstes Körperende des in Fig. 2 abgebildeten Parasiten im eG Längsschnitt; stärker vergrößert. Versr. 600fach. Fig. 9. Medianer Längsschnitt durch den unausgeschlüpften Spiralkörper einer Sticholonche. Die untere Hälfte der Figur zeigt das Wirthsthier im Schnitt. Die Kapsel der Sticholonche ist unter einem spitzen Winkel getroffen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 10.. Ein Theil desselben Schnittes stärker vergrößert. Auf den Wül- sten des inneren kegelförmigen Körperabschnittes sieht man feine Kanäle aus- münden. Vergr. 600fach. Fig. 11. Theil eines Querschnittes durch die äußere Körperpartie eines unausgeschlüpften Parasiten. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 12 u. 13. Zwei jugendliche unausgeschlüpfte Spiralkörper im Längs- schnitt. Fig. 12, isolirtes Exemplar; Fig. 13, ein anderes innerhalb des Wirths- thieres. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 14. Schnitt durch eine Sticholonche mit jungem, aus relativ wenigen großen Kernen bestehenden Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 186 A. Borgert, Beitr. zur Kenntn. des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. Fig. 14a. Drei einzelne Kerne stärker vergrößert, Färbg: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. Fig. 15. Einige (etwas kleinere) Kerne aus einem anderen Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 15a. Mehrere derartige Kerne stärker vergrößert. Färbg.: Eisen- hämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. Fig. 16. Einzelner Kern aus einem anderen Kernhaufen. Das Chroma- tin zeigt fadenförmige Anordnung. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. Fig. 16a. Ein Stück des Fadens stärker vergrößert. Fig. 17. Schnitt durch einen anderen Kernhaufen. Die Kerne besitzen einen vollkommen abweichenden Bau. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 17a. Eine Anzahl derartiger Kerne stärker vergrößert. Vergr. 1000fach. Fig. 175. Zwei spindelähnliche Gebilde aus den vorigen Kernen, unter rechtem Winkel zur Längsachse gesehen. Vergr. etwas mehr als 1000fach. Fig. 18. Kleinere Kerne von dem gleichen Bau wie die in Fig. 17 dar- gestellten. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. Fig. 19a—f. Verschiedene Theilungsstadien derartiger Kerne. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. Fig. 20. Schnitt durch einen jüngeren Kernhaufen. Einzelne der Kerne sind in Durchschnürung begriffen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 21. Schnitt durch ein jugendliches Entwicklungsstadium eines Kern- haufens. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 22. Schnitt durch eine Stzcholonche mit einem aus unzähligen kleinen Kernen bestehenden Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 23. Schnitt durch eine Stecholonche mit in Auflösung begriffenem Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 24 u. 25. Zwei Schnitte durch spätere Entwicklungsstadien. Die Auflockerung hat ihr Ende erreicht. An Stelle der Kerne finden sich Bläs- chen mit Kernen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 260 —g. Verschiedene Stadien des Kernes von Sticholonche. Färbg.: theils Eisenhämatox., theils Hämatox. u. Eos. Vergr. 1006fach. Fig. 27. Acanthostaurus eruciatus mit Spiralkörper. (Amoebophrya acantho- metrae), zum Theil nach einem lebenden Exemplare, zum Theil nach einem ge- färbten Balsampräparat. Vergr. 260fach. Fig. 28. Ausgeschlüpfter Parasit, stark gequetscht. Im Inneren des Thie- res erblickt man die Kernsubstanz des Wirthes als unregelmäßig geformte Masse. Ungef. Glycerinpräp. Vergr. 260fach. Fig. 29. Vorderstes Körperende desselben Exemplares im optischen Längs- schnitt; stärker vergrößert. Vergr. 600fach. Fig. 30 u. 31. Längsschnitte durch zwei ältere unausgeschlüpfte Spiral- körper. Die Lücken zwischen dem Parasiten und dem Kerne des Wirthsthieres sind durch Schrumpfungen bei der Behandlung entstanden. Färbg.:. Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Fig. 32 u. 33. Zwei jüngere unausgeschlüpfte Individuen mit dem Kerne des Wirthsthieres im Längsschnitt. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. Zur Nachsehrift. Fig. 34. Zwei Kerne aus einkernigen Individuen des Parasiten der Sticholonche zanclea (Amoebophrya sticholonchae), Schnitte. Färbg.: Eisenhämatox. Vergr. 1000fach. Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. Von S. Prowazek, stud. phil. (Wien). Mit Tafel IX. Die Methode in das Plasma lebender Protozoen zum Zwecke besonderer Studien Farbstoffe einzuführen, wandte schon GLEICHEN (1777, 81), in der Folgezeit EHRENBERG (1830) an, indem sie die Thiere ihrer mannigfachen Infusionen mit Karmin und Indigo fütter- ten; später bedienten sich dieser Art und Weise der Untersuchung in mehr oder weniger modifieirter Form viele Forscher. In der neueren Zeit stellte BRanpr! Versuche mit Tinktionen von gelösten Farbstoffen, wie Hämatoxylin und Bismarckbraun, an und erzielte mit dem ersteren Mittel, besonders bei Amöben und Heliozoen, blass- violette Kernfärbungen und konnte derart feststellen, dass das Nuclein nicht auf die Kerne allein beschränkt ist, sondern meist noch in Form von kleineren und größeren Körnern vorkommt; mit Bismarckbraun färbten sich bei lebenden Protozoen nur die Fett- körnehen sowie die eigenthümliche celluloseartige Schleimsubstanz braun; CERTES? gelang es, die Fettkörnchen bei Protozoen mit Cya- nine und Bleu de Quinoleine zu tingiren; auch MARIAN PRZESMYCKT? versuchte Methylenblaufärbungen an Infusorien während des Lebens und fixirte sie sodann zum Zwecke der Untersuchung entweder mit gesättigter Sublimatlösung oder behandelte sie nach zwei besonderen Methoden von ALTMANN; auf diese Weise konnte er Körnchen und ! BRANDT, Biologisches Centralblatt. Bd. I. 1881—1882. p. 203. 2 CERTES, Comptes rend. Ac. sc. Paris. T. XCII: No. 8. Zool. Anz. 1881. Nr. 81 u. 84. 3 MARIAN PRZESMYcKI, Biolog. Centralbl. Bd. XIV. 1894. p. 621. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 13 188 S. Prowazek, Zellgranulationen, die entweder in den Vacuolen auftraten oder ihren Sitz im Entoplasma hatten, feststellen. In den nachfolgenden Zeilen sollen die Resultate der Vitalfär- bung, die mit Neutralroth an Protozoen vorgenommen wurde, mit- getheilt werden. Zur Untersuchung wurden hauptsächlich Paramaecien (P. bursaria und aurelia' herangezogen, die direkt auf dem Objektträger unter dem Deckglase mit Wachsfüßchen gezüchtet wurden!. Der Farbstoff, der intensiv und rasch wirkt, schädigt die Thiere scheinbar nicht, da sie in wässerigen Lösungen desselben doch Theilungen eingingen und dabei keine abnormen Erscheinungen zeigten. Das Neutralroth ist selbst bei den größten Verdünnungen wirksam, und seine Färbe- kraft geht sogar so weit, dass die Instrumente, mit denen man eben arbeitete, durch längere Zeit gleichsam mit ihm »infieirt< erscheinen. Setzt man zu einer derartigen Objektträgerkultur von Paramae- cium einen kleinen Tropfen sehr schwacher Neutralrothlösung hinzu, so tritt nach kurzer Zeit am äußeren Rande der sich eben bilden- den Nahrungsvacuole des Paramaeciums eine schwach röthlich ge- färbte, zarte Zone auf, die aus sehr feinen Körnchen zu bestehen scheint. Nach einiger Zeit werden diese Körnchen immer deutlicher, bis sie bestimmte Umrisse und eine bestimmte Farbennuance erlangt haben; sie sind dann schwach lichtbrechend, doch kommen vielfach neben ihnen größere fettähnliche, lichtbrechende, runde dunkle Körn- chen vor, die bei hoher Einstellung des Mikroskops heller roth er- scheinen und den Farbstoff ziemlich stark speichern. Die sich ab- lösende Nahrungsvacuole führt diese Körnchen an ihrer Peripherie theilweise mit sich fort, theilweise werden aber viele durch die auftretenden Strömungen sowie durch die zwei- bis dreimalige Rota- tion der Nahrungsvacuole abgelöst und strömen längs des Bewegungs- schattens der früheren Vacuole gegen die sich von Neuem bildende Nahrungsvacuole zurück. Bekanntlich findet im Zellleib des Paramaecium sowie vieler Ciliaten eine Protoplasmaströmung statt, die, wie schon früher beob- achtet wurde (an Paramaecium bursaria von Focke 1836, an P. aurelia v. dems. 1842), auf der rechten Körperseite nach rückwärts verläuft, um auf der linken ihren Verlauf nach vorn zu nehmen; diese wird '‘ Die Ciliaten wurden zumeist mit Coccen aus faulenden Substanzen oder Heuinfusionen, die auf einem Agaragarnährboden gezüchtet wurden, in der Weise gefüttert, dass man mit einem häkchenförmig gekrümmten Drahte etwas von der Bakterienkultur zum Rande der Objektträgerinfusion hinzusetzte. Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 189 nun im nicht unbedeutenden Maße durch die Bewegungen der Körn- chen gleichwie die Strömung in der Pflanzenzelle durch die Chloro- phylikörner verdeutlicht. Die Körnchen, die sich besonders am Grunde des Schlundes anhäufen, führen an manchen Stellen lebhafte Brown’sche Molekularbewegungen aus und scheinen sich manchmal zu nähern oder zu entfernen!. Da Neutralroth in alkalischen Rinsstekeiten sefällt wird, so könnte man leicht zu der Annahme kommen, dass die erwähten Körnehen nichts Anderes als gefällte Farbstofftheilchen sind; dies- bezüglich ist hervorzuheben, dass sie später immer vom Plasma aus gegen die sich bildenden Nahrungsvacuolen herantreten, in bestimm- ter Menge erscheinen, und sich eine längere Zeit im Körper des Infusors erhalten. Krankhaft aussehende Paramaecien färben sich nicht oder nur schwach diffus; auch verhielten sich bezüglich der Körnehenfärbung ausgehungerte Paramaecien, die wenig Nahrungs- ballen sowie »Exkret<-Körnchen enthielten, in verschiedener Weise als angefressene Individuen. Auf Grund der oben geschilderten Verhältnisse scheinen die Körnehen zur Verdauung und Assimilation in Beziehung zu stehen; nicht unberechtigt wäre vielleicht die Annahme, sie als Träger von »Fermenten« aufzufassen. Da in Folge der Färbung die Peripherie der Nahrunesvacnole wegen der Körnchenansammlung sich deutlicher vom Entoplasma abhob, war man im Stande die Ablösung der Nahrungsvacuolen leichter zu beobachten. Der Vorgang hat im Allgemeinen, wie auch BüTscHLı erwähnt, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, wenn ein Flüssigkeitstropfen aus einem sich verjüngenden Röhrchen sich in i Diese sowie verwandte Erscheinungen könnte man sich in folgender Weise erklären: 1) Die Körnehen werden durch die Zufälligkeiten der aktiven Bewegungen des Inhaltes hervorgerufen; oder 2) die Körnchen ruhen oder be- wegen sich langsamer (oder umgekehrt) als der Strom, der sie von der Seite trifft, und es entsteht so um diese ein Wirbelsystem, die zwischen ihnen gegen die Symmetrieebene befindlichen Theilchen verharren mehr in der Ruhe und werden einander genähert, wodurch eben wieder nach Ablauf der Welle ein Schein einer »Abstoßung« hervorgerufen wird. Dieser Punkt gilt wohl in unserem Fall. 3) Sind die Körnehen elastisch liquid, so treten je nach der Druckverschiedenheit an ihnen Pulsationen auf, die entgegengesetzt oder gleich- gerichtet die erwähnten »Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen« bewir- ken. 4) Das scheinbare Nacheilen, Anziehen und Abstoßen geschieht wohl in der Weise, dass das erste Körnchen dem zweiten einen Druckschutz gegen den Strom bietet, gegen dieses gedrückt, ihm die halbe Bewegungsenergie mit- theilt, es derart »abstößt« ete. 13* 190 S. Prowazek, eine zähflüssige Substanz ablöst. Das Wasser, in dem Bakterien und andere Protophyten stets in Menge fortgeführt werden, gelangt bei der ziemlich lebhaften Bewegung der undulirenden Membran an der Dorsalseite des Schlundes gegen das das Schlundende begren- zende Entoplasma, mit dem es aber keine Mischung eingeht und sich der Art unter dem Druck des immer nachströmenden Wassers am Schlundende zu einem Tropfen formt, der alsdann langsam bis zu einer bestimmten Größe heranwächst; in diesem werden die Nahrungstheilchen, falls sie klein sind, von den innen entstehenden Strömungen herumgewirbelt. Auch größere Theile, wie Spirillen, Algenfragmente ete. sind stets von dem Tropfen, der in Folge dessen oft eine längliche Gestalt annehmen muss, ja manchmal auch in eine Spitze ausgezogen erscheint, umhüllt. Die Form der Vacuole wird der erwähnten Rotationsströmung des Plasmas angepasst und ist oft derart nach der einen Seite unten mehr ausgebuchtet, an welcher Stelle sich auch mehr Körnehen ansammeln. Ihre Größe (d —= ca. 0,071 mm) ist unter normalen Verhältnissen fast immer gleich; be- merkenswerth ist es nur, dass die mit Wasser gefüllte Nahrungs- vacuole ungefähr dasselbe Wasservolumen wie eine der kontraktilen Vacuolen (Größe d = ca. 0,09 mm) fasst; da aber zwei kontraktile Vacuolen vorhanden sind, und diese sich unter den gegebenen Ver- hältnissen bei einer Temperatur von 16° C. in ungefähr 25 Sek. ent- leerten, während die einzige Nahrungsvacuole ungefähr in 120— 125 Sek. sich ablöste — wobei noch der Umstand in Erwägung zu ziehen ist, dass sie nicht in ihrer Gänze Wasser, sondern auch Nahrungspartikeln enthält — so findet wohl auch durch die Um- srenzung der Nahrungsvacuole unter dem Wasserdruck oder sonst wie ein Diffusionsvorgang statt; zu einer. derartigen oder analogen Annahme müsste man wohl auch seine Zuflucht nehmen, sobald die Paramaeecien ungünstigen Einflüssen ausgesetzt, keine eigentlichen Nahrungsvaeuolen bilden, trotzdem aber in dieser Zeit die kontrak- tilen Vacuolen entleeren. In dem Moment der Ablösung kontrahirt sich auf Grund eines Reizes entweder in Folge der allgemeinen Eigenschaft der Plasmakontraktilität oder besonderer Vorrichtungen das Schlundende, was man oft aus dessen Gestalt, da schon wieder neues Wasser nachströmt, entnehmen kann, und die Nahrungsvacuole bewegt sich, da auf diese Weise der Zusammenhang mit der Außen- welt unterbrochen wurde und sie durch die Kontraktion — sie ist unten dann meist gleichsam zugeschärft — sowie die Kraft des nachdrängenden Wassers einen Stoß erhielt, nach oben. Die Ab- Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 191 lösung der Nahrungsvacuole unterstützt auch die Rotationsströmung im Entoplasma, für die, sobald die Nahrungsvacuole ihre definitive Größe erlangt hatte, von unten her eine genügende Angriffsfläche seboten war. Die abgelöste Nahrungsvacuole bewegt sich unter Rotationen gegen das Körperende, welche Bewegungen sich aus dem excentrischen Stoß ergeben, der einerseits aus der Kraft des nach- strömenden Wassers und der der Kontraktion, sowie andererseits der erwähnten Plasmaströmung resultirt. Durch diese Bewegung drückt die neue Vacuole die vor ihr abgelöste Nahrungsvacuole tiefer in den Strom herab, während sie selbst einen geringen Rückstoß von dem Plasma empfing, das sie auf ihrer Bahn vor sich hertrieb, und das an der rascheren äußeren Rotationszone des Entoplasmas sowie dem inneren Theile des »Ektoplasmas« abprallte. Die Ablösung der Nahrungsvacuole kann nicht allein den ento- plasmatischen Strom, wie STEIN meinte, erzeugen, weil dieser theil- weise schon bei der Ablösung eine Rolle spielt, sowie von der bewegten Vacuole zuerst durchkreuzt wird; der Process mag in sekundärer Weise erst das Strömen erhöhen. Durch die weiteren Bewegungen der abgelösten Nahrungsvacuolen wird die Vertheilung der Nahrung durch den ganzen Körper befördert, ja es kann auch, sobald der Verdauungsvorgang weiter vorgeschritten und fast alles Wasser aus der Vacuole entfernt worden ist, die Zertheilung und Chymifieirung des Nahrungsrestes noch weiter vorgenommen und ausgenutzt werden. Die Nahrungsvacuole ist Anfangs groß, bei mit Neutralroth gefärbten Individuen schwach diffus gefärbt und mit einem Körnchenbesatz, der später verschwindet, versehen; sobald die Nahrungsvacuole mehr gegen die Mitte oder das Ende gelangt ist, vermindert sich schon ihr Wasserinhalt bis auf eine geringe Menge, während der Nahrungsinhalt sich ungefähr in der Mitte der Bahn dunkler färbte, bei welchem Vorgange die Thätigkeit des Großkernes irgendwie eine Rolle spielen dürfte. Der Verdauungs- process scheint zuerst im Centrum zu beginnen, da die äußere Partie des Nahrungsballens sich meist noch lange erhält, gegen die viel- leicht auch durch innere Strömungen und Diffusionen die unverdau- ten Theile gedrängt oder geführt werden. Während die Nahrungs- vacuole im Entoplasma umhergeführt wurde, bildeten sich in ihr, wie W. SCHEWIAKOFF beobachtete, aus phosphorsaurem Kalk die Exkretkörner. | / Nach einigen Stunden — oft aber auch schon früher — traten nach der Behandlung mit Neutralroth auf den beiden Enden sowie 192 S. Prowazek, in ein bis drei Streifen um die Schlundregion, dunkelroth gefärbte hyaline Tröpfchen auf; Anfangs wäre man geneist sie als patho- logische Bildungen aufzufassen, doch dürften sie wegen ihres be- stimmten Vorkommens auf einen geringeren Zusammenhang in der feineren Molekularstruktur der äußeren Schichten des Ektoplasmas an jenen Stellen hindeuten, die vielleicht Orte besonderer Diffusions- vorgänge, an denen gewisse ergastische Gebilde als Ausscheidungen des Protoplasten zum Austritt gelangen, darstellen; bemerkenswerth ist die verschiedene Zeitdauer sowie Unregelmäßigkeit in der Ver- theilung der Körnchen. Hans WALLENGREN (Zoolog. Studien, Fest- schrift für W. LILLJEBORG, Upsala 1897, p. 63) machte mit sehr schwachen Lösungen von Bismarckbraun Versuche an Pleurocoptes Hydractiniae und fand gleichfalls 1 u große unregelmäßig angeord- nete Körner unter oder in der Pellicula, die in sich einen Central- körper bargen und nicht selten abgelöst von der lebhaften Cilien- bewegung weggeschleudert wurden; der genannte Forscher legt ihnen eine exkretorische Bedeutung bei und fasst sie als kleine Exkret- vacuolen mit einem central ruhenden Exkretkorn. Bei Monas vivipara kommen auch zahlreiche kleine »Körnchen«, die sich in großer Anzahl in der äußersten Schicht vorfinden, vor; bei Monas lens zeichnete seiner Zeit schon PErTY an der Oberfläche der Protozoen kleine (neun) Höcker, die er als Blastien auffasste; auch ich hatte einmal die Gelegenheit einen kleinen Flagellaten, der wahrscheinlich in den Entwicklungseyklus einer Amoeba radiata verwandten Form gehörte, zu beobachten, der mehrere hervorragende Tröpfehen an seiner Oberfläche besaß. Bei Pleuronema chrysalis erschienen nach der Vitalfärbung zumeist ähnliche, ungefähr in Reihen angeordnete tröpfehenförmige Körner; auch bei dem sonst diffus sich färbenden Prorodon konnten derartige dem Ektoplasma angehörende Bildungen beobachtet werden, gleichwie am Peristom von Epistylis, nur dass sie hier einer tieferen Schicht zukamen. Neben den genannten Protozoen wurde auch die Vitalfärbung mit Neutralroth an Trachelius ovum versucht, bei dem das Entoplasma diffus roth mit einer gelblichen Nuance und die Nahrungsballen dunkel- roth sich färbten, wobei der langgestreckte Kern deutlicher wurde. Bei Bursaria erschienen besonders die runden und die länglichen scharf kontourirten Körnchen, die hart an der Oberfläche des Körpers lagern, in dunkelrother Farbe. Bei den ciliatenfressenden Heterotrichen, wie z. B. Stentor coeruleus und polymorphus, wurde keine besondere Färbung, abgesehen von der des Kernes, wahrgenom- Vitaifärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 193 men, höchstens dass sich weiter unverdaute Nahrungspartikel, neben diesen aber auch Körnchen roth färbten. Bestand aber die Nahrung aus einem unverdauten Stentor coeruleus, so färbte sich auch ohne Anwendung des Farbstoffes nach einiger Zeit der Inhalt der Nah- rungsvacuole, insbesondere aber die Peristomgegend des Nahrungs- thieres röthlich; bei der Anwendung von Kalilauge und der darauf folgenden Behandlung mit Säuren nahm gleichfalls von selbst das Pisment des Peristoms bei Stentor coeruleus eine röthliche Farbe an. An dem Stielmuskel von Carchesium polypinum färbten sich auch gewisse Körnchen, die schon GREEFF seiner Zeit in seine Zeich- nung von dem besagten Thier eintrug, und die in unregelmäßiger Folge in einer Längsreihe dem Muskel folgten, dunkelroth, bei höherer Einstellung erschienen sie heller, stark lichtbrechend. Das Plasma von Opalina ranarum tingirte sich schön rosig roth, wobei sich die Kerne etwas deutlicher abhoben. Schöne Färbungen der doppelten Körnchen erzielte man bei Actinosphaerium Eich., wodurch zugleich die Plasmabewegung verdeutlicht wurde, — oft trat aber nach der Anwendung des Farbstoffes der Tod des Organismus ein. Beim Absterben der Protozoen machte sich vielfach eine Ent- färbung bemerkbar, die man sich in der Weise erklären könnte, dass entweder die sich färbenden Substanzen heraustraten, oder weitgehenden chemischen Veränderungen unterlagen. — Bei den Metazoen färbten sich besonders Drüsenzellen, wie z. B. beim Vortex, Ophryotrocha puerilis, die Anhangsdrüsen der Rotiferen, sowie die obere Partie in den gekörnten Avicularien der Bugula avicularia und zwei Arten von Körnchen oder Tröpfehen in den »Zooecien« in einer hellrothen und dunkelrothen Nuance, besonders aber auch kleine Körnchen, die unregelmäßig in der Wandung des oben sich ver- ästelnden räthselhaften »hohlen Astes« eingelagert waren. Auch ge- wisse kleine Körnchen in den amöboiden Zellen in der Leibeshöhle nahmen einen gelblich rothen Farbenton an, welche Erscheinung mit gewissen alkalischen Reaktionen in Zusammenhang zu bringen wäre. Die Vitalfärbung mit Neutralroth bringt uns derart nicht bloß gewisse ergastische Strukturen des Protoplasten, sei es, dass sie Einschlüsse oder Ausscheidungen dieses sind, die vielfach mit der Verdauung und Assimilation im engen Zusammenhang stehen, zur Anschauung, sondern es wird auch auf diese Art und Weise die mannigfache Plasmaströmung verdeutlicht, ferner mag sie aber auch, sofern sich das ganze Plasma verfärbt, dazu dienen, das Studium 194 S. Prowazek, Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. bezüglich der Permeabilität der äußeren Schichten des lebenden Zellkörpers zu erleichtern; wie MARGHERITA TRAUBE-MENGARINTI fand, sollen die Infusorien mit Ausnahme der parasitisch lebenden von einer impermeablen Schicht umgeben sein, so dass allenfalls nur an der Schlundöffnung eine Osmose eintreten kann, es scheint aber doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein, dass auch eine ander- weitige, allerdings nicht so bedeutende Osmose bei einigen Formen vor sich geht, da beispielsweise bei einem Prorodon in kurzer Zeit mit ziemlicher Intensität die Vitalfärbung eintrat, selbst wenn sich keine Nahrungsvacuolen bildeten, und so die eigentliche Diffusionen ermöglichende innere Schlundfläche eine kleinere Wirkungsfläche darbot. Zum Schlusse erlaube ich mir Herrn Professor Dr. BERTHOLD HarTscHEk und Herrn Privatdocenten Dr. C. J. CorI, die mich bei dieser Arbeit mit wichtigen Rathschlägen unterstützten, meinen wärm- sten Dank auszusprechen. Wien, im Juni 1897. Erklärung der Abbildungen. Nv, Nahrungsvacuole; Cv, kontraktile Vacuole; Nd, Nahrungsballen; Nucl, Kern. Tafel IX. Fig. 1. Paramaecium aurelia, während des Lebens mit Neutralroth gefärbt, die Zahlen —9 bedeuten die Reihenfolge der Nahrungsvacuolen, wobei die mit 1 bezeichnete die älteste, die mit 9 die sich eben bildende ist. Fig. 2. Paramaecium aürelia, im Umriss mit hervortretenden »Exkret- perlen«. Fig. 3. Pleuronema chrysalis, mit »Exkretperlen«. Fig. 4 Trachelius ovum, mit diffus gefärbtem Plasma. Fig. 5. Ein Segmenttheil von Actinosphaerium Eich. mit roth gefärbten Plasmakörnchen. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Von Nic. Kulagin, Professor in Moskau. Mit Tafel X und XI. I. Die Bildung der Keimblätter. Die Lebensart von Platygaster instricator ist bis jetzt sehr wenig untersucht. Die in Bezug auf diese Frage existirenden Litteratur- angaben bestehen in Folgendem: Professor GAnın! fand Eier von Platygaster sp. in den Larven von Cecidomyia, die in den Rändern eingerollter Weidenblätter lebten; es fanden sich in einer Larve 12—15 Eier, für gewöhnlich aber weniger; die Eier wurden in verschiedenen Entwicklungsstadien angetroffen, und daher muss man sie, nach der Annahme von Professor GANIN, als nicht auf einmal, sondern als zu verschiedenen Zeiten gelegt be- trachten. Die Eier wurden in den Larven von Cecidomyia in den Lappen des Fettkörpers, im supraösophagealen Ganglion und im Magen angetroffen. Die weiteren Entwicklungsstadien der Eier, die embryonalen sowie die postembryonalen, fand GAnIn in den gleichen Larven von Cecidomyie. Aus einer Larve von Cecidomyia kam schließlich nur ein Exemplar von Platygaster hervor. Die Art des hervorgekommenen Platygaster hat GAanIn nicht bestimmt; er spricht aber die Vermuthung aus, dass in ein und dasselbe Individuum von Cecidomyra dreierlei Arten von Platygaster Eier ablegen, welche durch die Größe der Eier, sowie durch die Formen der aus ihnen hervorgehenden Larven sich von einander unterscheiden. Später fand A. K. SENGER?, eben so wie ich, Platygaster in den, ! GAnm, diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. p. 381. ? SENGER, Mitth. der k. Gesellsch. der Liebhaber von Naturwissenschaft, Anthropologie und Ethnographie. Bd. III. Lief. 2. p. 158. (Russisch.) 196 Nie. Kulagin, in den Winkeln eingebogener Eichenblätter lebenden Larven von Cecidomyia. Nachher erhielt Professor RıLEY! Platygaster Herricki Pack., der aus den Larven der amerikanischen Cecidomyia destructor Say her- vorgegangen ist. Nach den Angaben von K. LINDEMAN findet sich in Russland in den Larven der gleichen Fliege Platygaster minutus Lind. bis zu elf Exemplaren in einer Larve, und Platygaster sp. Außerdem erhielt Linpeman? noch Platygaster sp. aus den Larven von Lasioptera cerealis. Schließlich beschreibt Professor PACKARD Platygaster lecanıı Fitsch. als in Lecanıum querecitronis Fitsch. parasi- tirend °. Nach meinen Beobachtungen legt Platygaster instricator seine Eier in die Larven von Cecidomyia, die in den eingewickelten Rär- dern der Eichenblätter leben. Die Larven von Cecidomyia erscheinen in den Umgebungen von Moskau bei frühem warmen Frühling Anfangs Mai, bei spätem und kaltem Frühling am Ende dieses Monats. Sie zerfressen gewöhnlich die obere Haut an den Rär- dern der Eichenblätter auf; in Folge dessen biegt sich der untere Rand des Blattes auf die obere Fläche um, und dieser Theil des Blattes nimmt eine weißliche Färbung an. In einer solehen Ein- biegung des Blattes verbleibt eine, manchmal auch zwei Larven von Cecidomyia bis zu dem Zeitpunkte, wo die ganze Epidermis des Blattes aufgefressen ist; nachher kriechen sie auf den benachbarten Blattrand, wo das Gleiche erfolgt. Die Ernährung der Larven und ihr Ortswechsel geschieht in der Nacht. Bis zur Verpuppung er- leiden die Larven vier Häutungen. Die Zeit des Verpuppens wie die Zeit des Erscheinens der Larven ist vom Wetter abhängig und erfolgt am Ende Mai oder im Juni. Ich fand Puppen von Cecidomyia in der Erde in der Nähe jener Eichen, wo die Larven lebten; solche Puppen fanden sich aber auch in den Falten des Blattes — dem Aufenthaltsort der Larven. Larven, die in Gefangenschaft auf Eichenzweigen, die unter einer Glasglocke in Wasser gestellt wurden, erzogen wurden, verpuppten sich immer in den Blattfalten. ! RıLey, On the parasites of the Hessian Fly. in: Proc. U. S. Nat. Museum. Vol. VIII. No. 27. 1885. p. 413. 2 LINDEMAN, Bullet. de la Soc. Imp. des Natur. de Moscou 1870. No. +. p. 388 u. No-21.21887.29. 118192. 3 U. S. Departement of agriculture. Fifth Report of the United States Entomological commission 1890. p. 98. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 197 Am Ende Juni oder im Juli erscheint die zweite Generation Cecidomyia, deren Larven eben so wie die der Frühlingsgeneration in den Falten der Eichenblätter leben; die Verpuppung geschieht hierbei ausschließlich in der Erde. Die Puppen der Herbstgeneration überwintern unter den abgefallenen Blättern in der Erde in einer Tiefe von '/, Meter. Das Legen der Eier von Platygaster habe ich nicht beobachtet. In den von mir untersuchten Larven fanden sich schon gelegte Eier. Die Larven von Cecidomyia, in die von Platygaster Eier gelegt waren, hatten am Körper schmutzige Flecken an jenen Stellen, wo vom Platygaster ein Stich ausgeführt worden war. Auch konnte man in den Blattfalten an den Stichstellen von Platygaster Öffnungen be- bemerken. Es ist Grund vorhanden anzunehmen, dass das Legen der Eier am Abend geschieht (nach 6 Uhr), denn nur zu dieser Tageszeit findet man auf den Eichenblättern erwachsene Exemplare von Platygaster. Platygaster legt seine Eier in Larven, die auf kleinen, am Waldsaume wachsenden Eichen leben. Die Blätter werden von Platygaster an der der Sonne zugewendeten Seite ge- troffen. Das Legen der Eier in die Larven geschieht nach ihrer zweiten Häutung, in der ersten Hälfte des Mai oder im Juni. Ich fand Eier von Platygaster in der Frühlings- sowie auch in der Herbst- generation. Es fanden sich dann zweierlei Eier: längliche im Fett- ‘körper der Larve in der Nähe der Wandungen des Darmkanals an der Grenze zwischen Kropf und Magen (Fig. 1), die anderen — runde im Kropf und im Magen. Es fanden sich auch Individuen von Cecidomyia, die Eier sowohl im Fettkörper wie im Darmkanal hatten. Die einen wie die anderen Eier besaßen im Gegensatz zu den von Professer GAnIn gefundenen keine Stielchen. Eier fand ich im Herbst 1890 und 1891 außer in Cecidomyva auch im Darmkanal der Larven von Dryophanta similis. Die Anzahl der Eier in einem Individuum schwankte von einem bis fünf (Fig. 2). Die Larven, die aus den in den Darmkanal gelegten Eiern her- vorgehen, leben vor der Verpuppung im Fettkörper von Cecidomyia. Die Verpuppung von Platygaster geschieht gleichzeitig mit der Verpuppung von Cecidomyia. Dabei verwandelt sich Cecidomyia in eine Puppe, wenn in sie nur ein Ei von Platygaster gelegt wurde, stirbt aber im Larvenzustande ab, wenn einige Eier in sie gelegt wurden. Die Puppen von Platygaster sind von mir gefunden worden sowohl in Cecidomyien, die sich in den Falten von Eichenblättern 198 Nie. Kulagin, verpuppten, wie auch in solchen, die sich in der Erde verpuppten. Im Winter trifft man die Puppen von Platygaster im Inneren von Cecidomyia-Puppen. Aus einer Cecidomyia-Puppe gehen nicht mehr als zwei erwachsene Platygaster hervor. Die Gattung Platygaster erscheint nach meinen Beobachtungen als ein Parasit, der nicht nur in Larven von Dipteren und Hemipte- ren, sondern auch in Larven von Hymenopteren lebt, folglich ist die Gattung kein polyphager, wie früher angenommen wurde, sondern ein pantophager Parasit. Die ersten Stadien der. Furchung beobachtete ich an Eiern von . Platygaster, die in den Darmkanal von Cecidomyia gelegt waren. Ein soeben gelegtes Ei von Platygaster hat das Aussehen einer riesi- sen ovalen Zelle mit deutlich kennbarem Kern (Fig. 2c). Die Größe des Eies ist in der Längsrichtung 0,09 mm, in der Querrichtung 0,07 mm. Außen ist das Ei von einer sehr dünnen und zarten Membran um- kleidet (Fig. 3, 4 u. 5 ), deren Natur sich bei der geringen Größe des Objektes schwer feststellen lässt. Der Inhalt des Eies erscheint wie aus einer gleichmäßigen hellen, körnigen plasmatischen Masse bestehend (Fig. 2 u. 5 d). Dotter- kügelchen, die für die Eier anderer Insekten charakteristisch sind, fehlen in diesem Falle ganz. Im Centrum des Eies liegt ein sich mehr oder weniger stark färbender Kern, in ihm sind kleine Körnchen bemerkbar (Fig. 2 ec). Bei seinem Aufenthalt im Darmkanale des Wirthes macht das Ei amöbenartige Bewegungen. Bei der weiteren Entwicklung bemerkt man im Ei eine fast bis zur doppelten Größe reichende Zunahme seines Inhaltes; dabei zerfällt sein vorher gleich- mäßiger plasmatischer Inhalt in zwei Schichten: in eine äußere, der Membran des Eies anliegende, die mehr oder weniger dicht und körnig ist (Fig. 3 d’), und eine innere helle und flüssige, die den Kern des Eies umgiebt. Gleichzeitig mit der Bildung der hellen, den Kern umgebenden Schicht erfolgt aueh eine Vergrößerung des Inhaltes des Kernes, wobei dieser eine mehr oder weniger ovale Form annimmt und in ihm Uhromatinfäden bemerkbar werden. In späte- ren Entwicklungsstadien sah ich an der Stelle, wo früher ein Kern war, zwei etwas kleinere, die offenbar auf dem Wege der Theilung des ersten großen Kernes (Fig. 2 c,, c,r) entstanden waren. Die nun entstandenen Kerne haben bei der Färbung mit Karmin eine rund- liche Form und mehr oder minder scharfe Begrenzung. Anfangs liegen zwei Kerne neben einander (Fig. 2 c,, cz), nachher rücken sie an die Peripherie des Eies (Fig. 4 cr, cr). Ferner fand ich Ent- . Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 199 wieklungsstadien der Eier, wo anstatt zwei Kernen 4, 8 etc. vor- handen waren (Fig. 5 c, c, ern Cıır). Diese waren von der gleichen Form wie die ersten und lagen näher an der Peripherie des Eies. Dabei erscheinen auf einigen Präparaten die einen von diesen Kernen größer als die anderen, während auf anderen Präparaten alle Kerne von gleicher Größe sind; es scheint, dass dieses Ver- halten eine rein individuelle Bedeutung besitzt. In allen diesen Fällen habe ich niemals eine Vermehrung der Kerne auf endogenem Wege beobachtet, wie es GAnIn von der von ihm untersuchten Form von Platygaster beschreibt; vielmehr fand ich auf einigen Präparaten deutlich die Vermehrung der Kerne auf dem Wege der Theilung (Fig. 2 ec, cr, diese Abbildung zeigt den Kern, soeben nach der Theilung in zwei Theile). — Zu dieser Zeit verwischt sich der Unter- schied zwischen der äußeren dichten und der inneren hellen Plasma- schicht des Eies mehr oder weniger. Die weitere Entwicklung der von mir studirten Art. von Platy- gaster instricator, besteht nun zunächst darin, dass die Kerne sich in großer Zahl vermehren und die Peripherie des Eies erreichen. Was die Frage betrifft, ob man diese Produkte der Furchung für »innere Körperchen«, für Kerne, oder schließlich für echte Zellen halten soll, so scheint mir in dieser Hinsicht die Ansicht von Professor CHOLOD- KOwS&yY! der Wahrheit am nächsten zu kommen, wonach die Thei- lungsprodukte des Insekteneies ein Syneytium sind, das aus eben so vielen Zellen besteht, als in ihm Kerne enthalten sind. Die Eier von Platygaster, die keinen Dotter besitzen, stehen vor der Furchung dem Schema einer einfachen Zelle näher als die Eier irgend welcher anderer Insekten, ihre Furchung führt aber zu der Bildung eines Syneytiums, wie es bei anderen Insekteneiern auftritt; demnach sind die Produkte der Theilung auch hier Zellen. Indem sich nun diese Zellen an der Peripherie in bedeutendem Abstand von einander an- ordnen, bilden sie das Blastoderm des Embryos (Fig. 6 52). Dabei ist aber zu bemerken, dass in den Eiern, die ich in Dryophanta similis gefunden habe, die Zellen des Blastoderms sich nicht immer direkt an der Peripherie des Eies anordnen, sondern sie liegen hier auch manchmal in einiger Tiefe im plasmatischen Inhalt des Eies und sind außen von dieser Schicht umkleidet. Es ist möglich, dass diese Anordnung des Blastoderms davon abhängt, dass die in Dryo- ! N. A. CHoLODKOWSKY, Entwicklung von Phyllodromia germanica. St. Petersburg 1891. p. 110. (Russisch.) 200 Nie. Kulagin, phanta befindlichen Eier ein an Nährstoffen reicheres plasmatisches Material erhalten, als die Eier in den Larven von Cecidomyia, daher erscheint auch das Ei von Platygaster in den Larven von Dryophanta größer als in denjenigen von Cecidomyria. Eier mit sol- chem Blastoderm entwickeln sich eben so wie Eier mit normalem Blastoderm. Einen ähnlichen anormalen Fall bei der Bildung von einem Embryo im Nährdotter erwähnt GRABER von Zueihia und Callı- phora!. Bei der fortschreitenden Bildung des Blastoderms erreichen die Furchungszellen, wie eine Anzahl von Querschnitten zeigt, die Peripherie des Eies eher auf der Bauch- als auf der Rückenseite (Fig. 6 52, bl), und schneller in der Mitte des Körpers als an seinem vorderen oder hinteren Ende. | Zellen, die an die Peripherie des Eies zur Bildung von Blasto- derm gerückt sind, setzen ihre Theilung fort, worauf das Vorhanden- sein von karyokinetischen Figuren in den Kernen deutet, sowie die Thatsache, dass die so entstehenden Zellen kleiner sind als die Kerne der Blastodermzellen. Die Zellen des Blastoderms ordnen sich schließlich ringförmig an der ganzen Peripherie des Eies an. Sofort nach dem Anlegen des Blastoderms beginnt der Process der Bildung des Primitivstreifens, d. h. jener Provinz, wo die Sonderung der beiden Grundschichten des zukünftigen Insektes geschieht. Das Zusammenziehen der Zellen des Blastoderms zur Bildung des embryo-. nalen Streifehens, welches an einigen Insekten beobachtet wurde (z. B. von Professor TicHoMIROW an Bombyxz mor:) findet bei Platygaster nicht statt. In diesem Falle erscheint das Blastoderm zunächst als ein aus einer Schicht von Zellen bestehender geschlossener Ring; nachher erhalten an der Bauchfläche des Embryos die Zellen des Blastoderms eine mehr oder weniger eylindrische Form, sie rücken nah an einander und erleiden, wie die karyokinetischen Figuren in ihren Kernen zeigen, eine rege Theilung. Diese Stelle muss man als den Embryonalstreif von Platygaster ansehen. Die Bildung dieses Embryonalstreifens geschieht bei Platygaster eher in dem mittleren oder hinteren als auf dem vorderen Theile. Der Embryonalstreifen erscheint Anfangs als ein ganz schmaler Bezirk, wird nachher immer breiter, und nimmt schließlich die Hälfte des Kreisumfanges des Embryos ein. Als Resultat der Furchung der Zellen des embryonalen Streifens erscheint augenscheinlich auch die Thatsache, dass man ! GRABER, Vergleichende Studien über d. Embryo d. Insekten. Denkschr. d. k. Akad. der Wissensch. Wien 1889. Bd. LVI. p. 259. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 201 in ihm zwei (Fig. 8 dl, end), manchmal auch drei Schichten von Zellen unterscheiden kann, die über einander liegen (Fig. 7 bl, end, mes); der übrige Theil des Blastoderms besteht indessen aus un- regelmäßigen, weit von einander abstehenden und nicht scharf ab- segrenzten Zellen. Die Vermehrung der Zellen des embryonalen Streifens geht im mittleren Theil energischer vor sich als im vorderen oder hinteren. Die Fig. S stellt einen Querschnitt durch die Mitte des Embryos vor, und hier sehen wir schon die Sonderung aller drei Keimblätter (end, mes). Auf der Fig. 7, die den Querschnitt des Embryos näher zum vorderen Ende darstellt, sieht man nur den Anfang der Ento- dermbildung (end), und eine Zelle des Mesoderm (mes). Der embryonale Streifen bleibt hier während der ganzen Zeit flach oder schwach konvex. Eine der Primitivrinne anderer Insekten homologe Ver- tiefung ist bei Platygaster nicht vorhanden. Energischer vermehren sich die Zellen in der Mitte des embryonalen Streifens, weniger stark findet diese Vermehrung an seinen Rändern statt, daher erscheint im Querschnitt die innere, aus den Zellen des embryonalen Streifens hervorgegangene Schicht in der Mitte stärker als an den Rändern. Gleichzeitig mit der Theilung der Zellen des Blastoderms erfolgt auch ihre Einwanderung nach innen zur Bildung der inneren Schich- ten. Zellen, die sich von den Zellen der embryonalen Schicht ab- gesondert haben, rücken in das Innere des Eies und theilen sich hier. Übrigens sondern sich Zellen der inneren Schicht nicht nur von den Zellen des embryonalen Streifens, sondern einzelne Zellen des Blastoderms auf der Rückenfläche theilen sich ebenfalls und dienen zur Bildung der inneren Schicht. Schließlich bildet sich auf der ganzen Länge des Embryos eine innere Schicht, die an der Bauchfläche aus drei oder vier Zellschichten, und an der Rücken- Näche aus zwei Zellschiehten besteht. Folglich entsteht das Ento- derm und Mesoderm gleichzeitig auf dem Wege der Theilung der Zellen des Blastoderms und ihrer Einwanderung. Interessant ist das verschiedene Verhalten der peripherischen und inneren Zellen gegen- über der Färbung nach der Methode von E#HrricH-Bıoxpı. Die ersteren erhalten dabei eine rosa, die letzteren eine blaue Fär- bung. Gleichzeitig mit der Bildung des Blastoderms wandert ein Theil der Furchungszellen nach außen und ordnet sich um das Ei Anfangs mehr oder weniger unregelmäßig (Fig. 6, 7 u. 8 am), später aber in Form einer Haube. Die nach außen gewanderten Zellen bilden eine 202 Nie. Kulagin, einschichtige, dem Amnion und der Serosa anderer Insekten analoge Membran des Embryos. Die Zellen der embryonalen Membran sind am Anfang ihrer Bildung nicht scharf von einander gesondert und bestehen aus einem köpnigen Plasma und ovalem Kern. Zwischen dem Blastoderm und der dasselbe umgebenden embryonalen Mem- bran bleibt ein Raum, der von einer körnigen Eiweißmasse er- füllt ist. Am nächsten der von mir studirten Form des Platygaster instri- cator steht Platygaster sp.?, der von Professor GAnIN studirt wurde. Zwischen den Angaben von GAnIn und den meinigen bestehen Unterschiede, die sich auf die Form des Eies, wie auf den Vorgang der Furchung und die Bildung des Keimstreifens beziehen. Die von (GANIN untersuchten Eier hatten ein Stämmchen, an den von mir beobachteten fehlte das Stämmcehen. Nach GAnIn wird mit dem Beginn der Furchung des Eikernes ein Theil desselben zur Bildung des Blastoderms des Embryos verwendet, aus dem anderen Theil geht die embryonale Membran, das Amnion, hervor, wobei der erste Theil sich auf endogenem Wege vermehrt. Nach meinen Beobach- tungen geht die Vermehrung des Eikernes auf dem gewöhnlichen Wege der Theilung vor sich, die embryonale Membran, das Amnion, entsteht aus den Furchungszellen gleichzeitig mit der Bildung des Blastoderms des Embryos. Dieser Unterschied zwischen meinen Angaben und denjenigen von GAnIN erklärt sich wohl dadurch, dass wir es mit verschiedenen Arten von Platygaster zu thun hatten. Darauf deuten die verschie- denen Fundstellen, an welchen von mir und Gaxn die Eier von Platygaster gefunden wurden, sowie die verschiedene Form dieser Eier. Außer der oben erwähnten Arbeit von Ganm ist über die Ent- wicklung von Platygaster eine kleine Notiz von mir in Form einer vorläufigen Mittheilung erschienen !'. In dieser Notiz wurde von mir die Vermuthung ausgesprochen, dass die Zellen, die nach GAnw die embryonale Membran, das Amnion, bilden, als gesonderte Eier von Platygaster angesehen werden könnten. Zur Begündung dieser Ansicht wies ich darauf hin, dass ich manchmal in einer Membran drei Eier im Furchungsstadium sah, und dass bis zum Furchungsstadium kein ausgeprägter Unterschied ! N. KurAcın, Zur Entwicklungsgeschichte von Platygaster instrieator. Tageblatt der Zoolog. Abtheilung. Lief. 2. (Russisch.) Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 203 zwischen jenen Zellen, die später den Furchungsprocess durchmachen und denjenigen, die GAnIN für den Anfangszustand von Amnion hält, besteht. Daraus zog ich die Schlussfolgerung, dass Platygaster seine Eier nicht einzeln, sondern in Kokon legt. Spätere Beobachtungen zeigten, dass ich es in diesem Falle mit einer verunstalteten anor- malen Form von Platygaster zu thun gehabt hatte, und zwar mit einer solehen, wo in ein Ei eines Individuums mehrere Eier von einem anderen Individuum gelegt waren, und wo diese Eier sich weiter entwickelten. Einen ähnlichen Fall beobachtete auch GANIN (Taf. XXX, Fig. 14). Es ist interessant die Befunde über die Furchung, sowie die Bildung der Schichten und der embryonalen Hülle bei Platygaster instricator mit den Angaben zu vergleichen, die in Bezug hierauf von anderen Insekten bekannt geworden sind. Am nächsten den von mir untersuchten Formen kommen selbstverständlich nach den Bedingungen ihrer Entwicklung die parasitischen Arten der Hymen- opteren. Aus der Familie Pieromalinae stehen der von mir untersuchten Form von Platygaster am nächsten die Arten der Gattung Teleas, die von METSCHNIKOFF! und AYyERs studirt wurden. METSCHNI- KOFF untersuchte diejenige Art der Gattung Teleas, die ihre Eier in die Eier von Gerris lacustris legt, welche an den Blättern der Wasserpflanze Polygonum amphibium sitzen, und AyErS? diejenige Art von Teleas, welche ihre Eier in die Eier von Oecanthus ni- veus legt. x Leider geben sowohl METSCHNIKOFF wie AYERS nur eine sehr kurze Beschreibung ihrer Beobachtungen; dennoch kann man dar- aus entnehmen, dass die Ähnlichkeit in der Entwicklung von Platy- gaster und Teleas in Folgendem besteht: 1) Die Eier der bezeich- neten Arten von Teleas besitzen wie die Eier von Platygaster keinen Dotter; 2) als Resultat der Furchung erscheint ein kugelförmiger Embryo, der aus peripherisch angeordneten Zellen besteht, folglich fehlen hier die sog. Dotterzellen; 3) die inneren Blätter entstehen durch Theilung der Blastodermzellen. Was die embryonalen Hüllen betrifft, so .beschreibt METSCHNIKOFF bei der von ihm untersuchten Art ein Amnion, das aus runden Zellen besteht, die über dem ! E. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XVI. p. 479. ? Ayers, On the develop. of Oecanthus niveus and its paras. Teleas. Mem. of the Bost. Soc. of nat. hist. Vol. III. 1884. p. 225. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 14 204 Nie. Kulagin, Blastoderm des Embryos liegen und diesen auf seiner ganzen Ober- fläche umgeben. Bei der von Ayers untersuchten Art fehlen die embryonalen Hüllen gänzlich. Noch weniger Angaben finden sich über die Entwicklung von Pferomalına sp., welche ihre Eier in das Ei von Chrysomela fastuosa legt, über die Entwicklung von Polynema sp., die ihre Eier in die Eier von Agrion virgo legt, und über Ophioneu- rus, welcher in den Eiern von Pieris brassicae parasitirt. Eine vorläufige Mittheilung über die Entwieklungsgeschichte von Pteromalina sp. ist von Professor N. P. WAGNER gegeben!. Die Ent- wieklungsgeschichte von Polynema und Ophroneurus beobachtete Pro- fessor Ganin?. Die Eier der bezeichneten Formen enthalten im Gegensatz zum Ei von Platygaster eine geringe Anzahl von Dotter- körnchen. In Bezug auf die ersten Entwieklungsstadien von Pteromalına sp. weist Professor WAGNER darauf hin, dass das Blastoderm aus Fur- chungszellen entsteht, und dass sich nachher im Ei ein embryo- naler Streifen bildet; embryonale Hüllen fehlen. Professor GAnIn hat keine Bildung von Keimblättern bei Polynema und Ophioneurus beob- achtet, hat aber die Vermuthung ausgesprochen, dass deren Bildung hier in der gleichen Weise erfolgt, wie bei Platygaster, mit Aus- nahme des Fehlens der embryonalen Hülle, welche bei Platygaster vorhanden ist. Ferner beobachtete GAnIn, dass die Keime von Polynema und Opfhioneurus in den ersten Entwicklungsstadien aus einer kompakten Zellmasse bestehen, die keine Differenzirung zu Keimblättern zeigt. Die bezeichneten Entwicklungsstadien von Ophioneurus und Polynema haben große Ähnlichkeit mit den ersten Entwicklungsstadien des von mir untersuchten Mesochorus?; ein Unterschied besteht nur in einer größeren morphologischen Differen- zivrung der Elemente bei Mesochorus. Das kann übrigens daraus erklärt werden, dass die Entwicklung bei Ophroxzeurus und Polynema nicht auf dem Wege der Methode der Schnitte untersucht wurde, und dass daher die Einzelheiten dieser Vorgänge nicht beobachtet wurden. Daraus ergiebt sich die Möglichkeit, dass die Bildung der Keimblätter bei Polynema und Ophioneurus nicht in derselben Weise erfolgt wie bei Platygaster, sondern wie bei Mesochorus. ! N. WAGNER, Arbeiten der ersten Versammlung der russischen Natur- forscher. 1868. p. 11. (Sektion Zoologie.) 2 GANIN, 1. c. > N. Kurasıs, Mittheil. der k. Gesellsch. der Liebh. von Naturwissensch., Anthropol. und Ethnographie. Bd. LXXXV. 1894. (Russisch.) Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 205 Schließlich steht nach den Beobachtungen von Bugnion' die Entwicklung von Zneyrtus fuscicollis ganz vereinzelt da. Die Em- bryonen dieser Art finden sich in den Larven von Hyponomeuta eognatella, und sind mehrere auf einmal in einem, außen von einer Cutieula umkleideten und innen aus Epithelialzellen bestehenden, Röhrchen eingeschlossen. Im Inneren des Röhrchens findet sich Nährmaterial für die Keime. Nach der Annahme des Verfassers entsteht das bezeichnete Röhrchen auf dem Wege der Verschmel- zung der embryonalen Hüllen von einzelnen Individuen. Leider kann man sich auf Grund der vom Verfasser gegebenen Zeichnungen mit dieser Erklärung nicht einverstanden erklären; diese Zeichnungen lassen eher die Vermuthung zu, dass das beschriebene Röhrchen nicht den Embryonen des Parasiten gehört, sondern dass es den jungen Fettkörper des Wirthes bildet. Eine Zusammenfassung aller dieser Angaben ergiebt Folgendes: 1) Bei einigen Formen von parasitischen Hymenopteren besitzen die Eier keinen Dotter (Platygaster, Mesochorus, Teleas), bei anderen Formen besitzen die Eier nur unbedeutende Spuren vem Dotter (Polynema, Ophioneurus und Pteromalina sp... 2) Die Bildung der embryonalen Keimblätter kommt auf zweierlei Art zu Stande. Bei einer Anzahl von Arten (Platygaster, Teleas) erscheint als Resultat der Furchung das typische Stadium einer Blastula. Die Zellen der inneren Blätter bilden sich dann durch Delamination und Einwande- rung von den Zellen der Blastula, wobei ihre Bildung sich nicht auf diejenige Stelle beschränkt, wo der sogenannte Embryonal- streifen liegt, sondern sich auf alle Zellen des Blastoderms ausdehnt. Wir sehen also das, was METSCHNIKOFF? sehr richtig als die pri- märe Art der Bildung vielschichtiger Thiere aus einschichtigen be- schreibt. Dagegen lässt die Bildung der Keimblätter bei Mesocho- rus, vielleicht auch bei Polynema und Ophioneurus nur eine Deutung zu, dass nämlich das erste Entwicklungsstadium dieser Formen das typische Stadium einer Morula vorstellt. Später geht die Bildung der Keimblätter auf folgende Art vor sich: die äußere Schicht der Morula sondert sich als ein vielschichtiges Ektoderm des Embryos ab (eigentlich als Ektoderm und embryonale Hülle), die inneren Schichten als ein Mesoderm und Entoderm. Mit anderen Worten, _ 1 Bu@nıon, Recherches sur develop. postembryon., l’anatom. et les moeurs de !’Encyrtus fuscicollis. Recueil. Zoolog. Suisse. Tom V. No. 3. p. 453. 2 METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Medusen. Wien 1886. p. 126. 14* 206 Nie. Kulagin, bei diesen Formen der parasitischen Hymenopteren erfolgt die Bil- dung der Keimblätter durch typische Delamination. Bei diesen und anderen Formen geht die Bildung der Keimblätter im mittleren Theile des Embryos schneller vor sich, als auf seinem vorderen und hinteren Pol. 3) Der embryonale Streifen kennzeichnet sich durch eine Reihe dicht stehender eylindrischer Zellen. Die Primi- tivrinne fehlt entweder ganz (Platygaster, Mesochorus), oder ist nur schwach ausgesprochen (Teleas, Pteromalina sp... 4) Die embryo- nalen Hüllen fehlen entweder ganz (Pieromalına sp., Polynema, Ophro- neurus), oder erscheinen in Form eines den Embryo von außen ganz umkleidenden Sackes. Sie entstehen aus den allerersten Furchungs- produkten auf dem Wege der Theilung (Platygaster nach GANIN) oder aus abgesonderten Zellen des Blastoderms, die an die Peri- pherie des Eies gerückt sind (Platygaster nach meinen Beobach- tungen), oder trennen sich in Form einer ganzen Schicht von den peripherischen Zellen (Mesochorus). Il. Die Entwicklung der äufseren Form des Embryos. Die Bildung des Ektoderms bei Platygaster geschieht, wie schon gesagt wurde, fast auf der ganzen Länge des Embryos gleichzeitig, nur auf der Abdominalseite und in der Körpermitte bildet es sich etwas früher als auf der Rückenseite und auf dem vorderen und hinteren Körperende. Nach der Bildung des Ektoderms ändert sich die ganze äußere Form des Embryos. Der Anfangs kugelförmige Embryo nimmt eine mehr oder weniger längliche Form an, wobei das vordere Ende rundoval, das hintere mehr oder weniger ver- jüngt erscheint. Dann wird der Embryo der ganzen Länge nach plattgedrückt. Das Ektoderm besteht zu dieser Zeit auf der ganzen Oberfläche des Embryos aus cylindrischen Zellen, die in zwei oder drei Reihen geordnet sind. Ferner erscheint auf der Abdominal- fläche des Embryos eine seichte Querfurche, die den Embryo in zwei Theile theilt, einen größeren und einen kleineren. Das Er- scheinen der Furche erklärt sich, wie unten gezeigt wird, durch die Vertheilung des Mesoderms auf die obengenannten Theile (Fig. 9 fr). - Die Stelle, wo die Furche liegt, entspricht der Grenze zwischen zwei Segmenten. Auf der Abdominalfläche gehen die Ektoderm- zellen des vorderen Theiles direkt auf den hinteren .über. Die Länge des Embryos ist zu dieser Zeit 0,381 mm. Ferner erfolgt wahrscheinlich in Folge des ungleichmäßigen Wachsthums des vor- deren und hinteren Theiles des Embryos ein Biegen des letzteren. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 207 in der Art, dass sein hinterer Theil sich an derjenigen Stelle, wo die Furche erschien, an die Abdominalfläche allmählich anlegt und in der Riehtung zum vorderen Ende fortwächst. Mit der weiteren Entwicklung des Embryos wird der vordere Theil, Dank dem Unter- schiede im Wachsthum, viel größer als der hintere. Nachher er- scheinen auf dem vorderen Kopfabschnitt des Embryos an bestimm- ten Stellen Anhäufungen von hypodermischen Zellen, die kleiner sind als auf den anderen Kopftheilen. Diese Anhäufungen sind die Anfänge der zukünftigen Gliedmaßen der Larve. Sie treten in folgen- der Ordnung auf: Anfangs erscheinen ein Paar Anhänge seitlich am vorderen Ende des Kopfabschnittes, das sind die zukünftigen Fühler der Larve (Fig. 10 ant); gleichzeitig bilden sich zur Seite des Mun- des ein Paar Auswüchse, deren Basen weit aus einander gerückt sind. ° Diese Anhänge liefern, wie weitere Beobachtungen zeigen, die sogenannten Krallenfüße (Fig. 10 mx). In dem Maße, wie die Bildung der genannten Anhänge vor sich geht, bemerkt man eine mehr oder weniger scharfe Sonderung der Segmente im hinteren Theil des vorderen Abschnittes des Embryokörpers (in der Nähe jener Stelle, wo die Furche liegt, die den Körper des Embryos in zwei Theile theilt). Es erscheinen drei solcher Segmente. Nach der Bildung der bezeichneten Segmente besteht der Embryo aus drei Theilen: aus einem vorderen großen Theil, der nieht segmentirt ist, aus drei schmalen Segmenten, und aus dem hinteren Abschnitt, der sich gegen die Abdominalfläche des vorderen Abschnittes einbiegt. Beim Betrachten des Embryos von oben ist nur das Kopfsegment zu sehen. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der bezeichneten Seg- mente erscheinen am hinteren Theile des vorderen nicht segmentirten Abschnittes ein Paar Extremitäten in Form konischer Auswüchse (Fig. 10 f}) Bei Platygaster Herrickiü, welchen ich in den Larven der mi- nirenden Fliege Agromyza gefunden habe, bemerkt man ebenfalls ein Zerfallen des Embryos in zwei große Segmente, wobei der Em- bryo Anfangs in seiner ganzen Länge gestreckt ist, später biegt sich das hintere Ende schwach gegen die Abdominalfläche des vorderen um. Fermer besteht ein zweiter Unterschied in der Entwicklung der äußeren Form des Embryos von Platygaster Herricküi im Ver- gleich zu derjenigen des Embryos von Platygaster instricator darin, dass am vorderen Ende des Embryos sich der Kopf und drei Thora- kalringe absondern (Fig. 11 7, IT, III). Gleichzeitig erscheinen am Kopfe zwei Paar Anhänge, die zukünftigen Krallenfüße und Antennen 208 Nie. Kulagin, (Fig. 11 ant und Ar). Auf jedem der Thorakalsegmente erscheinen ebenfalls ein Paar Anhänge (Fig. 11 f). Der hintere Theil bleibt ungegliedert. Bei Platygaster sp., welcher von mir in der Larve der Fliege Phytomyza gefunden worden ist, geht die Entwicklung der äußeren Form in der gleichen Weise vor sich wie bei Platygaster instricator, nur mit dem Unterschiede, dass die ersten Anhänge, die am vor- deren Theil des Embryos erscheinen, nicht in einer Anzahl von drei Paaren, sondern von vier Paaren erscheinen. Das erste Paar bildet die zukünftigen Antennen der Larve, die folgenden zwei Paare die Mundanhänge und das vierte Paar an der Grenze des vorderen un- segmentirten Theiles lappenförmige Auswüchse. Fermer liegt bei der letzten Art im Gegensatz zu Platygaster instricator das zweite Paar der Anhänge in der Nähe der Mundöffnung, wobei die Basen sich einander nähern. Die Larve von Platygaster, welche ich in der Larve von Hypono- meuta pomonella gefunden habe, hat folgenden äußeren Habitus: ein großes Kopfsegment mit ebensolchen Anhängen wie bei Platygaster instricator, mit der Ausnahme, dass die sogenannten Pseudopodien fehlen. Dem Kopfsegment reihen sich acht Körpersegmente ohne Auswüchse an, schließlich folgt das große hintere Segment. Zur Zeit, wenn bei den von mir beschriebenen Platygaster-For- men die Endglieder am vorderen Ende erscheinen, modifieirt sich auch das hintere Ende; es bildet sich nämlich in der Mittellinie eine kleine Furche, die diesen Körpertheil in zwei Lappen, in die soge- nannten Caudalfortsätze, theilt (Fig. 1 pl). Etwas später bemerkt man im hinteren Theil, dass er sich in zwei Segmente getheilt hat, wobei beide Paare der oben bezeichneten Anhängsel am Endsegment bleiben. Das Wachsen der erschienenen Gliedmaßen geht bei der weite- ren Entwicklung der Platygaster-Embryonen nicht gleichmäßig vor sich. Während ihr vorderes Paar in der Form eines kleinen Hügels verbleibt, wächst das zweite und dritte Paar mehr in die Länge und spitzt sich am freien Ende zu. Noch mehr verlängern sich bei Platygaster instricator die Anhänge des analen Segmentes, und dabei besonders ihr letztes Paar. Ihre Länge erreicht 0,118 mm. Der hintere nicht gegliederte Theil dieses Insektes wird ebenfalls in vier Segmente getheilt, wobei die Auswüchse des letzten Segmentes mehr in die Länge ausgezogen erscheinen, als bei der ersten Art. Etwas später biegt sich ihr freies Ende hakenförmig ein. a: Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 209 Die Thorakalgliedmaßen verbleiben bei Platygaster Herrickii in der Form von kleinen Hügelehen. Später erscheint am ersten Paar der Anhänge von Platygaster (Fig. 10 ant) eine Querfurche, die sie in zwei Gliederchen theilt: in ein breiteres basales und ein schmäleres terminales. Das äußere Aussehen der Platygaster-Larven erinnert zu dieser Zeit an dasjenige eines Cyclops aus der Klasse der Crustaceen. Dabei ist diese äußere Ähnlichkeit am stärksten bei der Art Platygaster instricator ausgeprägt, bei welcher der vor- dere nieht gegliederte Theil viel breiter erscheint im Vergleich zu dem hinteren gegliederten, und außerdem besitzt das hintere letzte Segment vier lange dünne Anhänge (Fig. 10 hf). Bei der Art Platy- gaster Herrickü ist diese äußere Ähnlichkeit mit einem Cyelops ge- ringer, da der vordere nicht gegliederte Theil wenig breiter als die hinter ihm liegenden Segmente ist, und die Anhänge des letzten Segmentes viel weniger entwickelt sind als bei der vorangehenden Art. Ihre Größe ist 0,018 mm. Gleichzeitig mit den ersten Anfängen der Extremitäten wird auf der Abdominalseite des Embryos von Platygaster das Ektoderm nach innen zur Bildung des Mundes eingezogen. Dabei verdickt sich der vordere Rand der Mundöffnung und wird nachher zur Oberlippe. Die Unterlippe wird entweder aus einem Paar nicht scharf abge- setzter, sehr kleiner Hügelchen gebildet, die am unteren Rande der Mundöffnung liegen, so z. B. bei Platygaster sp. aus der Larve der Phytomyza, oder durch die Verdiekung des unteren Randes der Mundöffnung, ähnlich der Oberlippe. Letzteres beobachtet man bei Platygaster instricator und Platygaster Herrickü. Diese Hügelchen verschmelzen bald zu einem Plättehen. — Die anale Öffnung erscheint in Form einer kleinen Vertiefung zwischen dem letzten Paar der Anhänge. Bei Platygaster Herrickü erscheint die anale Öffnung früher als die Mundöffnung. Zur Zeit der Bildung der Gliedmaßen verändern sich bei Platy- gaster instricator und Platygaster Herrickii die embryonalen Hüllen. Die embryonale Hülle hat bei der ersten Art, bis zur Bildung der Gliedmaßen, das Aussehen eines den Embryo von allen Seiten um- kleidenden Sackes; die Wandungen des Sackes bestehen aus großen, von einander nicht gesonderten Zellen mit deutlich bemerkbaren Kernen. Ein Theil soleher Zellen kommt manchmal zwischen der Wandung des Embryos und der Hülle vor. Nach der Bildung der Extremitäten verwischen sich die Grenzen der Zellen der embryonalen Hülle noch mehr; später werden die Zellkerne nach und nach 210 Nie. Kulagin, resorbirt, wobei sie in kleine einzelne Körnchen zerfallen, und schließ- lich erscheint der Embryo, und namentlich sein vorderes Körperende, wie von einer eiweißartigen kleinkörnigen Masse umgeben. Bei Platygaster Herrickii wächst die embryonale Hülle Anfangs sehr stark, so dass sie die Form eines vielgefalteten Sackes erhält. Die Wandungen des Sackes bestehen aus großen kubischen, scharf von einander abgesrenzten Zellen mit runden Kernen (Fig. 12 am). Spä- ter bildet sich auf der äußeren Seite der embryonalen Hülle eine Schicht von Chitin. Vor dem Ausschlüpfen des Embryos nach außen wird die Hülle in Form eines Sackes abgeworfen. Was die äußere Form der Embryonen der parasitischen Hymen- opteren betrifft, so existiren theils Angaben über die Art, wie die eine oder die andere äußere Form der Larve sich bildet, theils sehr viele Beschreibungen der äußeren Form solcher Parasitenlarven, die sich schon fertig gebildet haben. Zu den Beobachtungen ersterer Art gehören folgende. Nach den Angaben von METSCHNIKOFF ! nimmt der Embryo von Teleas zunächst eine verlängerte Form an, krümmt sich nachher bogenförmig und bildet schließlich am vor- deren Körperende den abgesetzten Kopf aus. An diesem erscheinen dann die Anfänge der Kiefer. Bei fernerer Entwicklung des Em- bryos verlängert sich sein hinteres Körperende, das in einer zuge- spitzten Cauda ausläuft. An den Seiten des Embryos erscheinen feine Härchen. | Nach GanIn? geht die Bildung der äußeren Form des Embryos von Platygaster in folgender Weise vor sich. An dem ovalen Em- bryo erscheint in der Mitte eine kleine quere Furche, die ihn in zwei Theile theilt — in einen vorderen Kopftheil und in einen hinteren Caudaltheil. Nachher biegt sich in Folge des ungleich- mäßigen Wachsthums der beiden Theile der hintere Theil stärker segen die Abdominalseite des vorderen und wächst in der Richtung des letzteren. Ferner theilt sich der Caudalschnitt des Embryos in zwei Segmente, wobei am Ende des letzten Segmentes eine kleine Vertiefung erscheint. Bei weiterer Entwicklung des Embryos son- dern sich deutlich an dem Caudalabschnitt vier Segmente, urd an der Kopfabtheilung erscheinen die Anfänge von drei Extremitäten- paaren: Antennen (Fühler), Krallenfüße und lappenförmige Gebilde. Gleichzeitig damit erscheint am Kopfsegment die Mundöffnung und Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. ir am Caudalabscehnitt der After. Die weitere Entwicklung des Em- bryos besteht in der Vergrößerung der Zahl der Segmente des Caudaltheiles (bis 5) und in der Differenzirung der Anhänge des hinter- sten Segmentes. Dabei werden diese Anhänge sehr lang und es erscheinen an ihren Seiten entweder zähnchen- oder fadenförmige Gebilde Vor dem Verlassen der Eischale hat der Embryo eine eyclopsartige Form, die Rückenseite ist mehr oder weniger konvex, die Abdominalseite ist flach. Am Kopftheil des Embryos, welcher breiter ist als das Caudalende, findet sich ein Paar Antennen, stark entwickelte Krallenfüße, und ein Paar lappenförmiger Gebilde. Außerdem ist die Mundöffnung von der unteren Seite her begrenzt dureh ein unpaares Plättchen, die Unterlippe, und unweit von dieser steht hinter ihr ein kleiner unpaariger Haken. Der Caudalabschnitt besteht aus fünf Segmenten, von denen das letzte ein oder zwei Paar Anhänge mit seitlichen Auswüchsen trägt. Die Bildung der äußeren Form der Embryonen von Polynema kommt, ‘nach den Beobachtungen von GAnNIn, auf anderem Wege zu Stande, als bei Platygaster. Bei Polynema hat der Embryo in den ersten Entwicklungsstadien eine verlängerte Form. Später sondern sich am Körper des Embryos Anfangs zwei Theile: der Rumpf und der Caudalabschnitt, nachher drei: ein Kopffortsatz, ein mittlerer ovaler Theil und ein hinterer kurzer und schmaler Theil. An der Grenze zwischen dem Kopftheil und dem mittleren Rumpfsegment erscheint die Mundöffnung. Bei weiterer Entwicklung des Embryos wird sein Körper in sechs Segmente gegliedert. Am Kopfsegment vor der Mundöffnung erscheinen folgende Fortsätze: ein Paar Fühler und ein Paar Krallen, hinter dem Munde vier kleine Cutieularhügel- chen, die in zwei Reihen geordnet sind. Ein Paar ähnlicher Hügel- chen wird auch auf dem Segment gebildet, das hinter dem Kopf liest, und schließlich ein Paar zapfenförmiger Auswüchse auf dem hinteren Segment. Der Embryo von Ophioneurus hat nach den Beobachtungen von GAnIn eine ovale ungegliederte Form; auf seinem einen Ende findet sich die Mundöffnung, auf dem anderen die anale Öffnung. Bei der ferneren Entwicklung bilden sich in der Nähe der Mundöffnung ein Paar Mandibeln. Der Körper ist vollständig ungegliedert. — Die Entwicklung der äußeren Form des Embryos von Teleas geht in folgender Weise vor sich: der ovale Leib des Embryos zerfällt in zwei Theile: in den Kopftheil und Caudaltheil. Die Mundöffnung erscheint am ersten Segment etwas früher als die anale am letzten 212 Nie. Kulagin, Segment. Nachher stehen am vorderen Segment folgende Fortsätze: ein Paar Antennen, ein Paar Krallenfüße, und ein verhältnismäßig fern von der Mundöffnung abstehender unpaariger Anhang, die Unterlippe.e Am Caudaltheil erscheinen Borstchen, die in drei Bündel geordnet sind: zwei an den Seiten und einer am hinteren Ende. Die äußere Form des Teleas-Embryos', welcher von Ayers studirt wurde, bildet sich etwas anders als der der vorangehenden Art. Nach den Beobachtungen von Ayers hat der Embryo die Form eines Halbmondes mit einer Furche, die auf der von ihm gegebenen Zeichnung wenig deutlich bemerkbar ist, dabei ist sein zukünftiger Kopftheil etwas breiter als der hintere Abdominaltheil. Nachher bildet sich unweit des zugespitzten Endes des Kopftheiles die Mundöffnung, um welche in Form von vier Chitinhügelchen die Anfänge der Kiefer erscheinen. Bei weiterer Entwicklung wird die Larve gegliedert, die Anzahl der Glieder variirt zwischen fünf bis acht. Auf der Mittel- linie von jedem Gliede erscheinen zahlreiche Börstehen; das anale Segment wird zum langen Schweifauswuchs ausgezogen, welcher an den Seiten Börstechen und Hügelchen in Form von Zähnchen trägt. Außerdem traf Ayers Larven, bei denen Auswüchse, die dem oben beschriebenen Schweifauswuchs ähnlich waren, sich auf der Rücken- seite des Kopfes, auf dem Thorax und über der Basis des Schweif- ansatzes befanden. Diese Larve von Teleas geht nach den Bee von ÄYERS in ein zweites Stadium über, welches der von Professor GANIN beschriebenen cyelopsähnlichen Larve von Platygaster sehr ähnlich ist. In diesem Stadium hat die Larve am Kopfsegment ein Paar Fühler, ein Paar Krallenfüße und eine Unterlippe; letztere erscheint zunächst in Form eines Chitinauswuchses auf der unteren Seite des Mundes, und nimmt später einen komplicirteren Bau an, entweder die Form einer Rinne, oder eines an den Schnabel eines Raubvogels erinnernden Schnabels. Außerdem befinden sich zwischen den Kie- fern und der Unterlippe jederseits ein Paar Hügelchen, die in ihrem Bau sehr variiren. Der Kopftheil wird vom Abdominaltheil durch eine Furche getrennt; auf dem Rande dieser Furche befindet sich eine kleine Cutieularwelle, von verschiedener Form bei verschiedenen Larven. Das Abdomen erweitert sich an der Basis flaschenförmig, sein anales Ende ist nach unten gebogen und endet mit einem hohlen tl. ec. p. 266. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 313 eylindrischen Ansatz mit zahnähnlichen Auswüchsen an den Seiten. Außerdem befindet sich an der Basis des Abdomens jederseits ein mit Borsten bedeckter Auswuchs. Ferner ist von mir! eine Larve besehrieben worden, die im Darmkanal von Cecidomyia gefunden worden ist; bei ihr war das vordere Kopfsegment im Verhältnis zum hinteren Abdominalsegment wenig erweitert und die Anhänge des hinteren Segmentes sehr verkürzt. Diese Larve nimmt nach der äußeren Form ungefähr den Mittelplatz zwischen der cyclopsähnlichen Larve und der gewöhn- liehen wurmartigen ein. Ihre Mundtheile wurden von mir nicht untersucht, da ich nur ein Exemplar von derselben gefunden habe. Nach den Beobachtungen von BuGnxIon? hat der Embryo von En- cyrtus fusevcollis Anfangs eine ovale, verlängerte Form, später son- dert sich an ihm der Kopf, noch später die Rumpfsegmente in der Zahl von zwölf. Am Kopfe bilden sich Mundanhänge. Über die Form völlig ausgebildeter Parasitenlarven giebt es schr viele Angaben. So z. B. beschrieb Leon Durour? eine Larve von Chaleis foscolombei, die von ihm in der Puppe der Fliege Sarco- phaga gefunden worden ist; RıLey* die Larve von Pimpla con- quisitor, die in der Larve des Schmetterlings Aletia parasitirt, ' PEREZ> die Larve von Pteromalus macronychiworus, RATZEBURG die fischartige Larve von Ichneumon sp., die er in einem Käfer der Gat- tung Polygraphus® gefunden hat. Die gleiche Larve fand später J. SCHEWYREW”? in den Puppen von Pieris crataegi, die in Russland und an vielen anderen Orten vorkommen. Alle bis jetzt beschrie- benen Larven haben eine wurmartige Form; auf dem vorderen - Körperende befindet sich ein abgesonderter Kopf, manchmal von großen Dimensionen; das hintere Ende geht nicht selten in einen Caudalauswuchs über. Die Anzahl der Körpersegmente variirt zwi- schen 12 und 14. Am Kopfe befinden sich Fühler, ein Paar stark 1 N. KuLAcın, Zur Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Tageblatt der Zoolog. Abtheil. der Gesellsch. der Liebhaber von Naturwissenschaften und des Zoolog. Museums. Lief. 2. p. 15. (Russisch.) 2 BuGnIon, 1. c. p. 437. 3 Ann. Soc. ent. France 1841. p. 11. 4 RıLEy, U. S. Departement of Agricult. Entomol. Commission 1885. pP. 112, 5 PEREZ, Ann. Soc. entom. France 1863. p. 631. 6 RATZEBURG, Die Ichneumonen der Forstinsekten. T. III. p. VIII. 7 SCHEWYREW, Über die schädlichen Insekten der Steppenforsten. St. Petersburg 1892. (Russisch.) 214 Nie. Kulagin, entwickelter oberer Kiefer, ein Paar unterer Kinnladen, welche wenig entwickelt sind, eine Ober- und eine Unterlippe. Nach alle Dem kommt bei den parasitischen Hymenopteren die Entwicklung der äußeren Form der Larve in der einen Gruppe, wie es scheint, auf dem gleichen Wege zu Stande, wie bei den frei lebenden Formen. Wenigstens spricht dafür die Thatsache, dass als Endresultat bei diesen wie bei den parasitären Formen die wurm- artige Form der Larve erscheint. Bei den anderen parasitischen Hymenopterenlarven tritt zunächst die Theilung der Larve in zwei Theile auf: in den vorderen Kopftheil und den hinteren Caudaltheil, wobei bei den einen Formen die Larve mit einer solchen Gliede- rung des Körpers das Ei verlässt (Teleas, Ophioneurus), bei den an- deren Formen sich noch eine weitere Theilung des Abdominaltheils in Segmente vollzieht, wobei dessen hintere Strecke entweder ge- gliedert (Platygaster instricator), oder ungegliedert (Platygaster Her- rickit) erscheint. Bei denjenigen parasitären Larven, bei denen eine Theilung in zwei Abschnitte auftritt, unterscheidet sich der vordere Körpertheil entweder wenig an Größe vom hinteren Caudaltheil, oder übertrifft den letzteren ganz bedeutend. Zwischen der Körpergliederung bei den parasitischen Larven der letzteren Art und der Gliederung bei frei lebenden Formen, lässt sich kein scharfer Unterschied konstatiren. Die Bildung der äußeren Körperform bei den frei lebenden Formen beginnt damit, dass das Kopfsegment sich absondert, nachher vollzieht sich eine weitere von vorn nach hinten vorschreitende Segmentirung. Ganz zuletzt sondern sich die Segmente im Caudaltheil des Embryos. Solche Beobachtungen sind von CHOLODKOWSKI an Phyllodromia, von . HEYDER an HAydrophilus, und von vielen Anderen gemacht worden. Die Meinung GRABER’s über die sogenannte Segmentation wird Angesichts der ungenügenden Untersuchung dieser Frage zur Zeit kaum von irgend einem Zoologen getheilt. In einem bestimmten Entwicklungsstadium besteht der Embryo der frei lebenden Formen aus zwei Theilen: aus dem vorderen Kopf- und dem hinteren Thora- kaltheil, welcher mit dem Abdominaltheil verschmolzen ist. Das Gleiche beobachten wir auch bei den Parasiten. Der ganze Unter- . schied lässt sich damit ausdrücken, dass bei einigen Parasiten der Kopftheil von gleicher Größe oder nur etwas kleiner als der Ab- dominaltheil erscheint. Übrigens ist bei einigen Formen, wie z. B. bei der Larve von Platygaster sp., die von mir im Darmkanal von Cecidomyia gefunden wurde, auch dieser Unterschied nicht deutlich Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 215 ausgesprochen, da in diesem Falle der Kopftheil an Größe im gleichen Verhältnis zum Rumpf steht, wie bei frei lebenden Formen. Später vollzieht sich bei den frei lebenden Formen eine weitere Theilung des Körpers in Segmente von vorn nach hinten, wobei, wie schon gesagt, die Segmente im Caudaltheil sich ganz zuletzt absondern. | Bei den parasitischen Larven erfolgt bei den einen eine Gliede- rung in nicht mehr als zwei Segmente, wie z. B. bei Ophioneurus und Teleas, bei den anderen Formen, wie z. B. bei Platygaster Herrickii erfolgt eine Gliederung nur im Caudaltheil, und schließlich findet sich bei Platygaster instricator und Platygaster sp. die Gliede- rung auf dem ganzen Körper. Es scheint somit, als ob die para- sitische Lebensart der Larven ihre Metamerie aufhält, wobei letztere entweder nur im hinteren Theil fehlt, wo später die Gliederung auch bei frei lebenden Formen erfolgt, oder es ist die Gliederung bei der definitiven Form des Parasiten nur durch zwei Segmente repräsen- tirt, durch das allererste Stadium der frei lebenden Formen. Was die definitive Form der Parasitenlarven betrifft, so bemer- ken wir hier: erstens kommen wurmartige Larven vor, die nach dem gesammten Habitus ganz mit den Larven der frei lebenden Formen verwandt sind. Solche sind z. B. die Larven von Mesochorus, Micro- gaster und anderer Arten. Bei anderen Larven erhält sich zwar die alloemeine Gliederung des Körpers, aber zur gleichen Zeit bemerkt man auch eine Modifieirung des vorderen und hinteren Körperendes im Vergleich mit dem, was bei freilebenden Hymenopteren der Fall ist. Eine solche ist z. B. die Larve von Platygaster sp., die von mir im Darmkanal von Cecidomyia gefunden worden ist, und die, leider wegen Mangel an Material, nicht bestimmt wurde. Hierher gehört auch das erste Stadium der Larve der Gattung Polynema, die von GANIN studirt wurde. Eine dritte Gruppe von Larven bilden die sogenannten cycelopsartigen. Von diesen Larven erscheint als am wenigsten modifieirt die Larve von Platygaster Herrickü, an welcher ein Kopf, eine gegliederte Brust mit drei Paaren von Extremitäten, und ein ungegliederter Bauch vorhanden ist, ferner findet sich bei _Platygaster instricator und bei Platygaster sp., die von mir und Prof. GANIN untersucht wurden, ein vorderer, breiter, ungegliederter Kopf- theil und ein hinterer, sich allmählich verjüngender gegliederter Theil, mit Anhängseln am Ende, folglich fehlt bei denselben ein gesonderter Thorax. Schließlich gehören zu der letzten Larvengruppe die Lar- _ ven von ‘Ophioneurus und die Larven der.Familie Teleas, die von 216 Nie. Kulagin, GAnINn studirt wurden. Bei diesen Larven bemerkt man nur zwei Theile, einen Kopf- und einen Rumpftheil, welche beide unge- gliedert sind. Die Extremitäten der parasitirenden Hymenopteren zeigen folgen- des ungleiches Verhalten: einmal giebt es Larven, bei denen die Kopfanhänge gut entwickelt sind, und die aus einem Paar Fühler, der Oberlippe, den Mandibeln, Maxillen und der Unterlippe be- stehen, und wo daneben sich Anlagen von Extremitäten an den Seg- menten des Thorax und des Abdomens finden. Solche haben z. B. die Larven von Pimpla conquisitor, Chalcıs foscolombei, in den spä- teren Stadien die Larve von Mecrogaster und viele andere. Ferner finden sich bei Platygaster sp. aus der Larve der Fliege Phytomyza am Kopfe folgende Anhänge: ein Paar Antennen, ein Paar Man- dibeln und ein Paar Maxillen. Die Oberlippe ist durch eine Haut- falte repräsentirt, und die Anlage der Unterlippe besteht aus zwei Hügelchen, welche nachher mit einander verschmelzen. Die Thorakal- und Abdominalsegmente, mit Ausnahme des allerletzten (wovon unten die Rede sein wird), haben keine Anhänge. Nach der Form der Extremitäten steht der bezeichneten Platygaster-Art die von GANIN beschriebene Polynema sp. sehr nahe. Bei dieser Form stehen am Kopfe ein Paar Antennen, ein Paar Mandibeln und vier Hügelchen, die zu je zwei in einer Reihe stehen (die Maxillen und eine paarige Unterlippe). Ähnliche Hügelchen finden sich auch an den Brust- segmenten. Bei anderen parasitären Hymenopterenlarven sind Extremitäten nur am Kopfe vorhanden, und bestehen aus einem Paar Fühler und einem Paar Mandibeln; die Unterlippe ist ein Chitinauswuchs auf der unteren Seite des Mundes. Eine solche Bildung ist z. B. die Larve von Teleas, die von AYERs studirt wurde. Die Arten von Platygaster instricator, Platygaster Herrickii, Platygaster sp., welche von Professor GAnIN studirt wurden, haben am Kopfe ein Paar Fühler, ein Paar Mandibeln und ein Paar lappen- förmiger Anhänge, die sich an der Grenze zwischen Kopf und Thorax befinden; die Maxillen fehlen. Die Ober- und Unterlippe er- scheint als eine Verdickung des oberen und unteren Mundrandes. Außerdem finden sich bei Platygaster Herrickn Anfänge von Ex- tremitäten an den Thorakalsegmenten. Am schwächsten sind die Extremitäten bei der von METSCHNIKOFF beschriebenen Ophroneurus sp. und Teleas sp. entwickelt. Bei diesen Formen findet sich am Kopfe nur ein Paar Mandibeln. Schließlich fehlen bei den Larven von Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 217 Mierogaster in den ersten Entwicklungsstadien Anhänge gänzlich am Kopfe wie am übrigen Körper. Um das Kapitel über die Entwicklung der äußeren Form der Embryonen der parasitischen Hymenopteren abzuschließen, ist es nothwendig, ihre Extremitäten mit denjenigen der freilebenden For- men zu vergleichen und zu zeigen, welche Extremitäten der frei- lebenden Formen den Extremitäten der Parasiten entsprechen. Bei vielen solchen Parasiten, wie bei Pıimpla conqguisitor, Chalcıs fosco- lombei und anderen, zeigen die Extremitäten des Kopfes wie des Thorax keine Unterschiede von denen der freilebenden Formen. Andere Parasitenformen, wie z. B. Platygaster sp. aus der Larve von Phytomyza, unterscheiden sich von den freilebenden Formen haupt- sächlich durch, im Verhältnis zu den anderen Mundanhängen, stark entwickelte Mandibeln. Dieser Unterschied ist noch stärker bemerk- bar als bei der vorangehenden Form, bei Polynema, bei welcher die Mandibeln und die Unterlippe nur in Form von ganz kleinen Hügelchen erscheinen. Übrigens bemerkt man manchmal eine starke Entwicklung der Mandibeln im Verhältnis zu den anderen Mund- anhängen auch bei den freilebenden Formen der Hymenopteren. Ferner finden sich unter den Parasiten, wie schon bemerkt, auch solche Formen, wie Platygaster instricator, Platygaster Herrickii, die von Professor GAnIN untersuchte Form Platygaster sp., die am Kopf- theil nur ein Paar Fühler, ein Paar stark entwickelter Anhänge, die sogenannten Krallenfüße, und ein Paar lappenförmiger Fortsätze ‚an der Grenze zwischen dem Kopfsegment und den Bauchsegmenten haben. Die letzten zwei Paare der Anhänge unterscheiden sich nach Form und Lage (seitlich am Kopfe) so scharf von dem, was wir an freilebenden Arten sehen, dass sich von selbst die Frage auf- drängt, welchen Fortsätzen der freilebenden Formen sie homolog sind. Eine richtige Lösung dieser Frage kann freilich wohl nur auf Grund des Studiums der Innervation dieser Fortsätze gefunden werden. Leider erscheinen die verschiedenen Nervenganglien der parasitären Larven in eine gesammte Masse koncentrirt, so dass von einzelnen gesonderten Nervenknoten für die verschiedenen Fortsätze nicht die Rede sein kann. Andererseits sind das supra- und das infraösophageale Kopfganglion so nahe an einander gelegen, dass es sehr schwierig ist zu sagen, wo diejenigen Nerven entspringen, die zu den sogenannten Krallenfüßen gehen. Daher kann eine Homo- logie zwischen den Kopfanhängen der parasitischen mit denjenigen 218 Nie. Kulagin, der frei lebenden Formen zur Zeit nur auf Grund des Studiums ihrer äußeren Form durchgeführt werden. Die Krallenfüße kann man von diesem Standpunkte aus als Homologa der Mandibeln der frei lebenden Formen betrachten, und zwar aus dem Grunde, dass bei einigen parasitischen Formen, wie z. B. Platygaster sp., aus der Larve von Phytomyza, solche Anhänge unzweifelhafte Mandibeln sind, da hier die Maxillen und die Unter- lippe in typischer Weise vorhanden sind. Über die Homologie der lappenförmigen Ansätze an der Grenze zwischen dem Kopf- und Thorakalsegment kann, wie es scheint, nur eine Erklärung gegeben werden. Beim Studium der Entwieklungs- geschichte von Bomdbyx mori konstatirte zuerst Professor A. TICHOMI- row!, dass bei diesem Insekt in Form von zwei paarigen Auswüchsen entstehen: 1) eine echte Unterlippe, und 2) eine Pseudounterlippe, die zwischen den zwei unteren Kinnladen erscheint. Bei weiterer Ent- wieklung erhielt die Pseudolippe das Übergewicht, und das Schicksal der echten Lippe bleibt unbekannt, vielleicht erhält sie sich in Form des Hypopharynx. Bei den Platygaster-Arten, die von mir untersucht wurden, entsteht die Unterlippe, die bei der Larve als ein paariges Plättchen besteht, in Form von zwei Hügelchen, und kann mit der echten Unterlippe der Insektenlarven, welche von Professor TICHOMI- ROW gezeigt wurde, verglichen werden. Die obengenannten lappen- förmigen Auswüchse können als paarige Anlagen einer Pseudounterlippe betrachtet werden. Bei den von mir untersuchten Platygaster-Arten erhalten sich somit Mundwerkzeuge nur in solcher Form, wie sie in frei lebenden Formen nur in den allerersten Entwicklungsstadien er- scheinen. Es ist von Interesse hervorzuheben, dass bei parasitischen Hymenopteren die Schnurrbärtchen bei ihrer Entstehung eine post- orale Lage haben, da das nach den Beobachtungen von N. A. CHOLOD- KOWSKI auch bei Phyllodromia germanica der Fall ist. Die Caudalanhänge aller parasitischen Hymenopteren lassen sich in folgende Formengruppen zusammenstellen: bei einigen Arten, wie 2. B. Pimpla conguisitor, Anomalon, Mesochorus splendidus und an- deren, zieht sich das hinterste Segment in die Länge aus und er- scheint in Form eines Caudalauswuchses. Eine Veränderung des hintersten Segmentes ähnlicher Art wird auch bei einigen freilebenden Formen der Hymenopteren beobachtet. Bei anderen Formen dieser Parasiten erfolgt, wie es scheint, ein starkes Auswachsen der lee parat Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 219 Caudallappen; so bei der Larve von Platygaster, die von GANIN be- schrieben wurde (Taf. XXI, Fig. 3). Analoge Thatsachen sind bei freilebenden Insektenformen, so weit mir bekannt, nicht beobachtet worden. Schließlich können die Schweifanhänge von Platygaster instricator und Platygaster sp. (vgl. GAnmn, Taf. XXXI, Fig. 2, 4) als den als Styli bezeichneten Fortsätzen der freilebenden Formen analog betrachtet werden. Ill. Derivate des Ektoderms. Das Ektoderm der von mir untersuchten parasitirenden Insekten- arten aus der Gruppe der Hymenopteren, Platygaster instricator und Platygaster Herrickiü, wird, wie bereits erwähnt worden war, von den Furchungszellen, die an der Peripherie des Eies liegen, gebildet; die Bildung des Ektoderms erfolgt gleichzeitig an der ganzen Ober- fläche und vollzieht sich rascher als die der inneren Organe. Das Hautepithel dieser parasitirenden Hymenopteren bildet sich aus dem Ektodern. Die Zellen des Ektoderms, welche den Embryo von allen Seiten einschließen, und Anfangs mehr oder weniger rund sind, nehmen bald, indem sie näher zusammenrücken, eine eylin- drische Form an, und bewahren diese Form während des Larven- lebens recht lange (Fig. 12 A). Das Chitin bildet sich erst in späteren Stadien, nachdem sämmt- liehe innere Organe sich bereits entwickelt haben. Vor der Bildung des Chitins habe ich an verschiedenen Stellen des Körpers unter der äußeren Schicht der Matrix Zellengruppen wahrgenommen, welehe sich wenig von den anfänglichen Zellen des Ektoderms unterscheiden. Diese Zellen findet man hauptsächlich an den Seiten- flächen und an der Oberfläche der Larve. Vor der Häutung ver- mehren sich diese Zellen und sammeln sich unter der Hypodermis. Während der Häutung schmilzt sowohl die Zahl der einzelnen Zellen- gruppen als auch die Zahl der Zellen selbst zusammen. Die erwähnten Zellengruppen haben, wie es scheint, große Ähnlichkeit mit den Drüsenzellen, die von VERSoN! bei der Raupe von Bombyx morı beschrieben sind, und welche nach seiner Meinung mit der Häutung der Larve in Zusammenhang stehen. Die Funktion dieser Zellen kann nach meiner Meinung neben der drüsigen Bedeutung, die VERsSON annimmt, auch noch eine ! E. VERSon, Altre cellule glandulari di origine postlarvale. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 15 220 Nie. Kulagin, andere sein. Die Untersuchungen von Vırzou! haben nämlich gezeigt, dass das Chitin der Crustaceen nicht als Sekretionsprodukt der Matrixzellen aufzufassen ist, sondern dass sich die Zellen der äußeren Schicht der Matrix selbst in Chitin umwandeln. Dasselbe wurde von mir an der Raupe von Pieris Brassicae und von mehreren Studenten, die im zoologischen Museum gearbeitet haben, an den Raupen von Pieris rapae und Ichneumon beobachtet. Die neue Schicht der Matrix, welche die Stelle der Schicht, die in Chitin umgewandelt ist, einnimmt, verdankt bei den von mir untersuchten Formen ihre Bildung, wie es mir scheint, den oben erwähnten Zellengruppen, die unter dem Hautepithel liegen. Dafür spricht wenigstens erstens deren starke Vermehrung vor der Häu- tung, und zweitens die Verminderung der Zahl dieser Zellen wäh- rend der Häutung der Larve. Die in den Metameren vertheilten Zellengruppen, welche von Professor TıcHomIRow beim Embryo von Bombyz mori, von VIALLANES? bei Eristalis, von Professor KOROT- NEFF bei Gryllotalpa beschrieben wurden, lassen sich möglicherweise als ebensolche Elemente auffassen. Der Vorder- und der Hinterdarm entsteht bei den von mir untersuchten Parasiten durch gleichzeitige Einstülpung der Hypoder- mis am vorderen und hinteren Körperende (Fig. 12 Ad). Dabei kommt die Mundöffnung auf der ventralen Seite des Embryos zwischen dem zweiten Paar der Anhänge zum Vorschein (Fig. 11 md), während die Analöffnung bei den Arten der Gattung Platygaster im hinteren Theil der Larve zwischen den beiden Caudalanhängen entsteht. Der Hinterdarm entwickelt sich rascher als der Vorderdarm und dringt viel tiefer in die Leibeshöhle ein (Fig. 12 Ad) als jener. In den ersten Stadien der Entwicklung des Embryos erscheint der Vorder- und Hinterdarm in Form von cylindrischen Röhren, deren blinde Enden sich an Zellenanhäufungen legen, die gleich- zeitig dem Mitteldarme Ursprung geben. Nach der Bildung des Mitteldarmes, die fast gleichzeitig mit den oben genannten Pro- cessen geschieht, wächst der Vorder- und Hinterdarm mit dem Mitteldarm zusammen, wobei die blinden eingestülpten Röhren allmählich resorbirt werden. Der Hinterdarm verwächst viel später mit dem Mitteldarm als der Vorderdarm. In den ersten Stadien ı A. Vırzou, Recherches sur la struct. et la format. des tegum. chez les une decapod. Archiv de zoolog. experiment. 1892. No. 4. ?2 VIALLANES, Recherches sur l’Histolog. des insectes. Ann. d. Se. Na XIY.. No. 12,6 Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 331 der Bildung des Vorder- und Hinterdarmes bestehen beide aus sleichgeformten eylindrischen Zellen, die den Zellen des Hautepi- thels sehr ähnlich sind (Fig. 12%, Ad); darauf theilen sich die Zellen des Vorderdarmes recht schnell und werden kleiner als die Zellen des Hinterdarmes. Außen sind Vorder- und Hinterdarm vom Be- sinn ihres Erscheinens an von Derivaten des Mesoderms bekleidet (Fig. 12 mes). Sehr eigenthümlich erscheint nach meinen Beobachtungen die weitere Entwicklung des Hinterdarmes beim Embryo von Microgaster glomeratus. Bei diesen geht in den ersten Stadien der Entwicklung die Bildung des Hinterdarmes, wie schon erwähnt war, denselben Weg, wie bei anderen Insekten. Bei der weiteren Entwicklüng des Embryo stülpt sich ein Theil des Hinterdarmes nach außen um. Der völlig umgestülpte Theil des Hinterdarmes nimmt die Form einer Blase an, die am hinteren Ende der Larve liegt (Fig. 13). Die Umstülpung dieses Darmtheiles nach außen geht mehr oder minder langsam vor sich. Dabei zieht der Hinterdarm den Mittel- darm und die MarpicHr’schen Gefäße nach sich, so dass man im Inneren der so entstandenen Analblase der Larve drei Röhren sehen kann: den Mitteldarm und zwei MarLricHtTsche Gefäße, welche sich an der Seite der Blase öffnen (Fig. 14 u. 15 Ad, mp); die Wand der Blase hat an dieser Stelle eine kleine Vertiefung, auf deren Boden die Öffnung des Darmes und der MArpigur’schen Gefäße liegen. Eine solche Analblase existirt während der ganzen Zeit des Larvenlebens von Microgaster glomeratus, verschwindet aber im Puppenstadium. Seine Zellen vermehren sich entsprechend dem Wachsthum des Embryos, theilen sich, und sondern auf der äußeren Oberfläche Chitin ab (Fig. 14 u. 15 ana). Auf der inneren Oberfläche der Blase bildet sich später eine sehr dünne Schicht ringförmiger Muskeln (Fig. 14 ms). Innerhalb der Blase ist vom Moment ihrer Erscheinung an eine koagulirte Eiweißmasse vorhanden, in welcher Blutkörperchen schwimmen (Fig. 13 u. 14 d/z). Wenn man nach der Methode von A. O. Kowa- LEVSKY eine Mischung von Karmin und Indigokarmin in den Körper der Larve einbringt, so kann man nach zwei bis drei Stunden die Anwesenheit des Indigokarmins im Inneren der Zellen der genannten Blase bemerken, sowie auch in den Zellen der Maurısurschen Gefäße. : | Die Bildung der Spinndrüsen habe ich bei den Microgaster glomeratus-Embryonen beobachtet. Sie erscheinen als paarige Ein- 15* 292 Nie. Kulagin, stülpungen der Haut auf der Bauchseite des Embryo, gleich hinter der Mundöffnung. Im Anfange der Einstülpung haben die Drüsen die Form von Cylinderröhren: die Zellen, welche ihre Wände bil- den, unterscheiden sich gar nicht von den Zellen der Haut (Fig. 18 spd.). ‘ Die Anfänge der Tracheen sind bei Platygaster von mir nur im Puppenstadium gefunden worden. Zu den Ektodermbildungen gehören bei den Insekten auch die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane und die inneren Geschlechts- anhänge. Es gelang mir die Entwicklung der Ausführungsgänge bei Embryonen von Microgaster glomeratus zu verfolgen. Die Geschlechts- anhänge und die Geschlechtsgänge erscheinen gleichzeitig in den späteren Stadien der Entwicklung, wenn der Darmkanal schon ganz entwickelt ist; die Entwicklung von beiden geht folgendermaßen vor sich. Auf dem letzten und vorletzten Segmente des Embryokörpers erscheinen auf der Bauchseite neben der Längsachse des Thieres je ein Paar von Hypodermisfalten (Fig. 16), die ins Innere des Kör- pers der Larve hineinragen. Auf der Mittellinie des Embryo ver- einigen sich die Falten jeder Seite mit einander. Auf dem Boden jeder Falte bilden sich, nahe der Medianebene des Thieres, Er- höhungen, die sich schnell verlängern und eine mehr oder weniger konische Form annehmen (Fig. 16 :m). Bald nach der Bildung dieser Anhänge fängt ihr hinteres Paar an sich durch Längseinschnürung in Lappen zu theilen. Das vordere Paar der Anhänge wächst viel schneller als das hintere, wobei sie sich sehr nahe an die Bauchseite der Larve anlegen. Diese Anhänge liefern in der weiteren Entwick- lung bei Microgaster glomeratus die Geschlechtsbewaffnungen des Männchens und Weibchens. Die Wand dieser Erhöhung besteht aus Cylinderzellen, die mehrere nahe an einander rückende Wülste bil- den (Fig. 16 A). In die Höhlung der Anhänge gehen Mesoderm- derivate (Fig. 16 mes), Tracheen und Nerven ein. — Gleichzeitig mit der Anlage der Geschlechtsanhänge geschieht, wie oben erwähnt worden, die Bildung der Geschlechtsgänge. Diese erscheinen auf der Bauchseite des vorletzten Segmentes des Körpers, nahe der Medianebene des Embryos, in Form von röhrigen Einstülpungen der Haut in die Leibeshöhle Bei der weiteren Entwicklung wächst jede der Röhren (Fig. 16 vs) in der Richtung gegen eine der Ge- schlechtsdrüsen, die rechts und links der Medianebene des Körpers liegen, und gelangt zu einer Vereinigung mit ihr. Auf der Stelle der Vereinigung mit der Geschlechtsdrüse erweitert sich jeder der Geschlechtsgänge trichterförmig (Fig. 16 ir). Diese Erweiterung ist Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 223 auf dem ersten Stadium der Entwicklung gegen die Geschlechtsdrüse hin geschlossen (Fig. 17 es, £\. Die weitere Veränderung der Ge- schleehtsgänge besteht darin, dass auf der ventralen Mittellinie des Körpers zwischen den zwei oben beschriebenen Falten eine Einstül- pung der Haut ins Innere erscheint. Diese Einstülpung vergrößert sich mehr und mehr und nimmt die Form einer eylindrischen Röhre an, auf deren Spitze sich die oben erwähnten paarigen Geschlechts- gänge zeigen. Wie die paarigen Gänge, so besteht auch das unpaare Rohr Anfangs aus cylindrischen Zellen, wobei die Zellen der paari- sen Geschlechtsorgane weniger hoch erscheinen als die Zellen der mittleren Röhre. Die Grenzen der Zellen sind in den paarigen wie dem unpaaren Gange schwer zu sehen, und besonders undeutlich in dem Theile der paarigen Geschlechtsgänge, mit welchem sie den Geschlechtsdrüsen anliegen. Gleich im Anfange der Bildung der Ge- schleehtsgänge legen sich von außen her die Mesodermzellen auf sie (Fig. 17 mes), welche sie, wie die unpaare Röhre, mit deren weiterer Entwieklung mehr und mehr umwachsen. Aus diesen Zellen bildet sich mit der Zeit die bindegewebige und die muskulöse äußere Hülle der definitiven Ausführungsgänge. Das Nervensystem der von mir beobachteten Formen der schma- rotzenden Hymenopteren nimmt seinen Anfang in der Form von zwei Strängen, die auf der Bauchseite des Embryo längs deren Mittellinie liegen. Die Zellen, die diese Stränge bilden, sind so dicht an die unter ihnen liegende Hypodermis angelagert und gleichen Anfangs so sehr deren Zellen, dass gar kein Zweifel. ist, dass sie hypodermischen Ursprungs sind. Ob zwischen den beiden Strängen ein mittlerer Strang existirt, wie es bei den freilebenden Insekten der Fall ist, kann ich nicht bestimmt sagen, da die Objekte, mit denen ich zu thun hatte, sehr klein waren. Die sogenannte Nervenfurche, die für die freilebenden Formen charakteristisch ist, fehlt bei den Schmarotzern. Der Mangel dieser Furche bei den Schmarotzern ist verständlich. Bei den freilebenden Formen steht nämlich die Er- scheinung der Nervenfurche, nach den Untersuchungen von N. A. CHOLODKOWSKY, in Zusammenhang mit dem Auftreten der Glied- maßen des Embryo. Wie nun bei den Schmarotzern die Entwick- lung der Gliedmaßen ausbleibt oder ganz gering ist, fällt auch die Entwicklung einer Nervenfurche aus. Danach erscheint bei den freilebenden Formen die Nervenfurche nicht als der erste Anfang des Bauchmarkes, sondern ist eine spätere Bildung; ihre Abwesen- heit bei den Schmarotzern weist daher darauf hin, dass deren 224 Nie. Kulagin, Nervensystem im Vergleich mit dem der freilebenden Thiere einen embryonalen Charakter trägt. — Das Oberschlundganglion erscheint gleichzeitig mit der Bauchkette. Auf den Serien der Präparate, wo man die erste Anlage des Bauchmarkes sehen konnte, fand ich immer auch die Anlage des Oberschlundganglions. Das Oberschlund- ganglion erscheint bei den Embryonen von Mesochorus splendidus in Form sehr deutlicher paariger Verdiekungen des Rückenektoderms auf dem vorderen Ende des Embryokörpers; bei Platygaster sind solche Verdiekungen einander sehr genähert und nur schwach aus- geprägt. Antennen- und Opticusganglien, die sich im Kopfe der freilebenden Insektenformen entwickeln, sind bei den Embryo- nen der untersuchten Schmarotzer nicht vorhanden. Das Fehlen dieser Ganglien erklärt sich erstens mit dem Mangel der Augen und der geringen Entwicklung der Antennen bei den Schmarotzern, und zweitens damit, dass die Kopfsegmente der Schmarotzer viel stärker koncentrirt sind als die der freilebenden Formen; danach sind auch die den einzelnen Segmenten angehörigen Ganglien zusammen ver- einigt. Bei Microgaster glomeratus ist die Bildung des Gehirns etwas komplicirter. Hinter dem Munde bemerkt man auf dem vor- deren Ende des Embryo zwei Paar Verdiekungen des Ektoderms. Die vordere Verdickung bildet sich, wie die Fig. 18 zeigt, durch eine Einstülpung des Ektoderms, wobei im Anfange gar kein Unter- schied zwischen den Zellen des Ektoderms und denjenigen dieser Einstülpung ist; von außen ist sie vom Ektoderm nicht bedeckt. Die zweite Verdickung, die hinter der ersten liegt, besteht aus einer Menge von Zellen, die unter dem Ektoderm liegen und dessen Zellen sehr gleichen (Fig. 18 gr). Bei der weiteren Entwicklung des Microgaster glomeratus wachsen die hinteren Verdiekungen schneller als die vorderen, worauf sie allmählich mit diesen zusammenwachsen (Fig. 18 gn, gm). Durch diese Verwachsung entsteht ein großes, paarig symmetrisches Oberschlundganglion.. Bei einem Vergleich dieser Bildung des Gehirns von Microgaster glomeratus mit dem, was nach den Untersuchungen von CHOLODKOWSKY bei freileben- den Insekten vorkommt, finden wir einen Unterschied in zwei Punkten; bei den freilebenden Thieren: bildet sich das Gehirn aus drei Paar Anlagen, bei Mecrogaster glomeratus aus nur zwei; SO- dann liegt bei Phyllodromia germanica das erste Paar der Anlagen vor der Mundöffnung, die übrigen hinter ihr; bei Microgaster glome- ratus liegen dagegen beide Anlagen hinter dem Munde. Übrigens be- segnet man derartigen Unterschieden auch bei verschiedenen Formen Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 335 der freilebenden Insekten. So giebt z. B. PArTex! an,. dass bei Phryganiden das Kopfganglion aus zwei Paar Anlagen entstehe. Naeh den Untersuchungen von GrassI? bildet sich das Kopfganglion der Biene aus zwei Paar Verdiekungen. Professor CHOLODKOWSKY, der auf diese Verschiedenheiten in den Angaben der Zoologen in der Frage nach der Zahl der Ganglien, die in die Zusammensetzung des Gehirns der Insekten eingehen, hinweist, will sie damit er- klären, dass die Forscher nur gewisse Stadien aus der Entwicklung des Hirns gesehen und andere außer Acht gelassen hätten. Ich habe bei meiner Untersuchung es an der nöthigen Aufmerksam- keit auf diesen Punkt nicht fehlen lassen, und wenn dabei nun doch Widersprüche mit den Beobachtungen von CHoLopkowskY heraus- treten, so scheint mir, dass man diese nicht auf mangelhafte Beob- achtungen überhaupt zurückführen, sondern deren Grund in den Thatsachen suchen muss; freilich können die von mir untersuchten Thiere, als schmarotzende, leicht Ausnahmen von dem zeigen, was als Regel anzusehen ist. Die weitere Entwieklung des Nervensystems geht bei verschie- denen Arten der Schmarotzer ungleich vor sich. Bei Platygaster instricator behält das Nervensystem während der ganzen Zeit seines Lebens die Form eines Stranges, welcher sich vom Ektoderm völlig trennt (Fig. 12 r). Die Zellen, welche diesen Strang bilden, unter- scheiden sich von den hypodermischen Zellen nur dadurch, dass sie etwas kleiner sind und sich weniger intensiv färben als die Zellen der Hypodermis. Bei den anderen von mir untersuchten Formen der Schmarotzer sondern sich die Stränge bei ihrer weiteren Entwick- lung von der Hypodermis ab, die Verdiekungen der Ganglienknoten, die in der Längsachse sehr zusammenrücken, sind weniger deutlich. Bei Platygaster Herrickii und Microgaster glomeratus nähern sich die paarigen Stränge des Bauchmarkes sowohl in den Nervenknoten, wie auch den Konnektiven einander so, dass das Nervensystem auf dem Längsschnitt als ein einheitlicher Strang (Fig. 12 ») mit recht schwachen Einschnürungen erscheint. Bei Mierogaster glomeratus nähern sich die beiden Hälften des Oberschlundganglions, ohne sich ganz zu berühren. — Die Bildung der Kommissuren erfolgt bei Mier»- gaster glomeratus durch das Zusammenwachsen der Zellen des Ober- ! W. PATTEn, The development of Phryganids. Quart. Journ. mier. Seience. ZU 24. 1884. p. 549, ?2 GRASsSI, Intorno allo sviluppo delle Api nell’ uovo. Atti Soc. ital. Scienze Nat. T. XXVI u. Atti dell. Acad. Gioenia. Vol. XVIII. 22,0 Nie. Kulagin. schlundganglions (Fig. 19 cm). Im Anfange bestehen die Nerven- stränge aus Zellen, die sehr denen der Epidermis gleichen, in dem Maße aber, wie ihre Vermehrung erfolgt, werden die Nervenzellen kleiner als die Hypodermiszellen und die Grenzen zwischen ihnen verschwinden. Später sondert sich im Gehirn, sowie im Bauchmark die sogenannte Punktsubstanz (Fig. 19 för). Zwischen den Ganglien- knoten in den Kommissuren erscheint die Punksubstanz nur in der Mitte der Nervenstränge. Das völlig entwickelte Nervensystem des DMierogaster ist auf der Fig. 20» abgebildet. Als Resultat der Beobachtungen über die Differenzirung des Ektoderms bei den schmarotzenden Hymenopteren, welche von GANIN, AYERS, N. P. WAGNER, BUGNIoN! und mir erlangt sind, ergiebt sich Folgendes: I) Unter den schmarotzenden Hymenopteren, welche bis jetzt untersucht sind, giebt es zweierlei Larvenarten: die Formen (Platy- guster, Teleas, Ophioneurus), welche im Laufe ihres ganzen Larvenlebens schmarotzen, haben in dem Larvenstadium eine sehr einfache Or- ganisation; die anderen (Mecrogaster, Encyrtus), welche ihre Wirthe im Larvenstadium verlassen, zeichnen sich durch eine komplieirtere Organisation aus. Die Larven der ersten Art durchlaufen nach den Beobachtungen von GANIN und AyErs zwei Stadien; in dem ersten Stadium hat der aus dem Ei hervorgehende Embryo kein Nerven- system; dieses entwickelt sich bei ihm aus dem Ektoderm gleich- zeitig mit den Anhängen der Geschlechtsorgane im zweiten Stadium nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. Nach meinen Beobachtungen bildet sich bei Platygaster das Nervensystem im Embryo aus dem Ektoderm vor seinem Ausschlüpfen aus dem Ei. Womit man diese Verschiedenheit erklären kann, ob es darin beruht, dass wir ver- schiedene Methoden benutzten (ich benutzte die Methode der Schnitte, Gain und AyErs haben keine Schnitte gemacht), oder darin, dass wir es mit verschiedenen Larvenarten zu thun hatten, das ist augen- blicklich ohne weitere Untersuchungen nicht zu entscheiden. — Das Nervensystem ist bei allen Larven der ersten Art nicht aus dem Ektoderm abgesondert und besteht aus zwei Kopfganglien und dem Bauchstrang. Die Kopfganglien bilden sich entweder als paarige Bildungen (Platygaster instricator), oder als unpaarige (Platygaster sp.); der Bauchstrang beim Mesochorus ist paarig, hat beim Platygaster die Form eines Bandes; die Bauchganglien sind bei Platygaster 1 BuGNIon, 8. p. 141. 4 Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 297 Herrickü sehr schwach ausgebildet, bei Teleas findet man nach AYERS nur das letzte hintere Ganglion, bei Platygaster fehlen sie. — Die Sinnesorgane fehlen bei allen Arten, außer bei Teleas (Cuti- eulargrube). 2) Der Vorder- und der Hinterdarm bilden sich aus dem Ekto- derm; Teleas hat nach Gaxin während des ersten Entwicklungs- stadiums keinen Hinterdarm. Aus dem Ektoderm entwickeln sich die paarigen Speicheldrüsen. Die Drüsen sind von Anfang an Röhren oder dichte Zellstränge, in denen der Hohlraum sich später bildet. Marrisarsche Gefäße fehlen. 3) Bei den Larven der zweiten Art, wie z. B. Mierogaster und wahrscheinlich Zneyrtus (seine Embryonalentwicklung ist, wie früher erwähnt, nicht untersucht) erhält die innere Organisation einen kom- plieirteren Bau zur Zeit des Ausschlüpfens der Larve aus dem Wirthe. Das Nervensystem wird in den früheren Stadien der Ent- wicklung aus dem Ektoderm gebildet. Das Kopfgehirn entsteht durch das Zusammentreten zweier Ganglien. Die Bauchkette ist stärker von dem Ektoderm gesondert als bei den vorhergehenden Formen, und besteht aus einer Reihe von Ganglien und Kommissu- ren. Die Speicheldrüsen ektodermischer Herkunft sind sehr ent- wickelt. Die MarrıcHrschen Gefäße, welche aus dem Hinterdarım entstehen, sind in einem (Encyrius) oder zwei Paaren (Mecrogaster) vorhanden. Bei Mecrogaster besteht eine sehr eigenthümliche Aus- stülpung des Hinterdarmes. Die Rolle dieser Blase ist nicht eine respiratorische, wie RATZEBURG! meint, sondern eine sekretorische. Zur Zeit des Ausschlüpfens der Larve aus dem Wirthe werden bei Mierogaster aus dem Ektoderm Tracheen, Geschlechtsgänge und die Imaginalscheiben zur Bildung der Brustbeine, der Flügel und der Geschlechtsbewaffnungen gebildet; bei Meicrogaster werden die Ge- schlechtsbewaffnungen von zwei Paar Scheiben gebildet, beim En- cyrtus aus drei Paaren. Außerdem bildet sich bei dem letzteren noch ein Paar Kopfscheiben. Schließlich sind bei Microgaster be- sondere Hautdrüsen auf der vorderen Brust vorhanden. IV. Derivate des Meso- und Entoderms. Die Bildung des Mesoderms und Entoderms bei den von mir untersuchten Formen der parasitirenden Hymenopteren war schon im I. Kapitel dieser Arbeit erwähnt worden. In den ersten Entwicklungs- ! RATZEBURG, Die Ichneumonen der Forstinsekten, Berlin 1844, p. 63. 228 Nie. Kulagin, stadien der Embryonen besteht die Anlage des Meso- und Entoderms aus ganz gleichen Zellen. In dieser Zeit kann man die Zellen des Mesoderms und Entoderms nur nach ihrer Lage zu der äußeren Schicht des Ektoderms unterscheiden (Fig. 7 u. 8 end, mes). Die Zellen des Mesoderms erscheinen bei ihrer Bildung .nicht nur an der Abdominalfläche des Embryo, sondern auch an den Seiten- und sogar an der Rückenfläche (bei Mesochorus). Bei der weiteren Entwicklung des Embryo, bei seiner Dehnung in die Länge, ver- größert sich die Zahl der Mesodermelemente, ihre größte Anhäufung sieht man dann in den mittleren und hinteren Theilen des Embryo, sie vertheilen sich von hier an der Abdominalfläche und an den Seiten des Embryo. Zur Zeit der Segmentirung des Embryo entwickelt sich das Mesoderm auf der ganzen Körperlänge des Embryo derartig weiter, dass zugleich mit der Segmentirung des Ektoderms auch die des Mesoderms erfolgt. Bei Platygaster instricator und Platygaster Herrickii zerfällt das Mesoderm zuerst in zwei Abschnitte: den Kopf- und den Körper- abschnitt, später sondern sich bei der ersten Art eine Reihe Ab- dominalsomite ab, bei der zweiten Art drei Somite des Thorax. Die Theilung der Segmente in zwei Hälften, eine rechte und eine linke, findet bei Platygaster instricator nur am Abdomen statt und ist sehr schwach ausgesprochen. Bei Platygaster Herricküi beob- achtet man diesen Process nur am Thorax. Im Inneren der Somite bemerkt man gleich vom Moment ihrer Erscheinung an eine nicht scharf umgrenzte schmale Höhle von un- regelmäßiger Form. Am schwächsten ist die Höhle in den meso- dermalen Elementen entwickelt, die in dem Kopfabschnitt der von mir untersuchten Formen liegen. Bedeutender ist die Höhle im Inneren der Somite, die bei den Embryonen von P/latygaster Her- rickü ım Thorax liegen (Fig. 21 mes). Während der Bildung der thorakalen Anhänge rücken bei dieser Art mesodermale Elemente weiter in die Tiefe und bekleiden das Ektoderm. Wie sich das Mesoderm vergrößert, vergrößert sich auch bedeutend die Höhle der Somite im Thorax, sie dringt sogar in dessen Anhänge vor. Die Somite liegen, mit Ausnahme des Kopfsomites, dicht an einander, so dass ihre Höhlen nur durch dünne Scheidewände getrennt sind. Die Wände der mesodermalen Somite sind nicht überall gleich dick. An der der Achse des Körpers zugewendeten Seite hat die Wand mehr Schichten als an jener, die dem Ektoderm. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 329 anliegt. Besonders bemerkt man das an den Somiten des Mittel- theiles des Embryo; an den Kopfsomiten ist es dagegen sehr schwach ausgesprochen. Während der weiteren Entwicklung der von mir untersuchten Formen erfahren die mesodermalen Bildungen folgende Abände- rungen. Zunächst fließen die Höhlen der einzelnen Segmente zu- sammen, dann löst sich der Zusammenhang der Somitenwände, ein Theil ihrer Zellen trennt sich von den übrigen ab und legt sich an das Ektoderm, der andere Theil bekleidet den Darmkanal, der sich zu dieser Zeit bildet. Die der Oberhaut anliegenden Zellen bilden später den Anfang der Hautmuskelschicht; die Zellen, welche den Darm bekleiden, die Darmmuskelschicht. Beim Zerfalle der Somite vereinigt sich ihre Höhle mit der Segmentationshöhle. — Ferner be- merkt man, dass das Mesoderm an die Rückenseite des Embryo auswächst. — Endlich dienen im Kopfe von Platygaster alle meso- dermalen Elemente hauptsächlich zur Bildung der Muskeln, welche die Kiefer bewegen. Die volle Entwicklung der Muskeln geschieht in späteren Stadien. Am Anfange der Muskelbildung nehmen die Mesodermzellen spindelartige Form an, ihre Enden schmelzen da- ‚ nach zusammen, und es entsteht eine Reihe Zellen in Form eines Stranges, In dem anfänglich ganz gleichförmigen Plasma erscheinen später dunklere und hellere, nicht scharf umgrenzte Stellen, während die Kerne an die Peripherie der Zellen treten. Bei Platygaster Herrickiüi bleiben die Muskeln in diesem Zustande bis zur Ver- puppuns. Von der Bildung der Speiseröhre und des Hinterdarmes war früher die Rede. Die Bildung des Mitteldarmes konnte ich genauer bei Platygaster Herrickii beobachten. Sie verläuft folgendermaßen. Im Stadium der Bildung des Hinterdarmes kann man auf Längs- schnitten sehen, dass bei der Einstülpung des Ektoderms zur Bildung des Hinterdarmes ein Theil der Zellen, die im Inneren des Embryo liegen, vorn sich absondert. Dasselbe sehen wir auch auf Längs- schnitten durch das Vorderende des Embryo, wo die Bildung der Speiseröhre stattfindet; dabei ist die Zahl der Zellen am Ende der Ektodermeinstülpung des Hinterdarmes viel größer als am Ende der Speiseröhre. Auf Querschnitten derselben Entwicklungsstadien durch die Mitte des Embryo sieht man außen das Ektoderm und im Inneren die undifferenzirten Zellen, die Anlagen des Meso- und Ento- derms. Die ektodermale Einstülpung des Hinterdarmes drängt die Zellen ins Innere, wo sie in zwei Gruppen zerfallen: eine kleine 230 Nie. Kulagin, Gruppe, die unmittelbar vor dem blinden Ende des Hinterdarmes liest und eine große Zellengruppe, welche dicht an dem Hintertheile des Embryos liegt, theils am Darme, theils an der Haut, Dieselbe Zertheilung der inneren Zellen geschieht auch am blinden Ende der Speiseröhre. Von diesem Entwicklungsstadium des Embryos an kann man am Embryo drei Blätter unterscheiden: das äußere ekto- dermale Blatt, das innere, welches unmittelbar auf. dem blinden Ende der Speiseröhre und des Hinterdarmes liegt, das Entoderm, und die Zellen, die zwischen ihnen liegen, das Mesoderm. Diese drei Schichten von Zellen unterscheiden sich unter einander nicht nur durch ihre Form, sondern auch dadurch, dass Mesoderm und Ento- derm sich verschieden färben. Die Untersuchung einer ganzen Schnittserie durch den Embryo auf einem weiteren Stadium zeigt, dass die entodermatischen Zellen eine Rinne bildern, deren Ränder sich zur Rückenfläche umbiegen, und diese Rinne steht in Verbindung mit den beschriebenen Anlagen des Entoderms am blinden Ende der Speiseröhre und des Hinter- darmes. Außerdem gehören zu den entodermatischen Zellen auch die Zellen, die sich von der inneren Seite der gemeinsamen, im Mitteltheile des Embryo liegenden Anlage des Meso- und Entoderms abschnüren. Nach alle dem legt sich der Mitteldarm bei Platygaster Her- rickit zunächst mit zwei Zellgruppen an, die an dem vorderen und hinteren Ende des Embryo liegen, und entwickelt sich dadurch weiter, dass zu den Zellen, die durch Vermehrung in diesen Gruppen entstehen, sich die undifferenzirten inneren Zellen gesellen, die im Mitteltheile des Embryos liegen. Der soeben gebildete Mitteldarm besteht aus vielkantigen Zellen, deren Grenzen mehr oder weniger deutlich sichtbar sind, und zwar während des ganzen Larvenlebens. Nach der Vereinigung der Speiseröhre mit dem Mitteldarm in eine gemeinsame Röhre bemerkt man in den Zellen der letzteren viele Fetttropfen. Eine weitere Differenzirung der Zellen des Mitteldarmes erfolgt während des sanzen Larvenlebens nicht, und das hängt wahrscheinlich davon ab, dass der Darmkanal des Parasiten schon fertige, durch die Thätig- keit des Wirthes zubereitete Nahrung bekommt. Der Hinterdarm öffnet sich in den Mitteldarm viel später als es die Speiseröhre thut. Gleichzeitig mit der Bildung des Mitteldarmes und der meso- dermalen Somite geschieht auch die Bildung des Herzens. Ich Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. DE, habe die Bildung des Herzens bei Embryonen von Platygaster Her- rickü ausführlich beobachtet. Bei den Embryonen der genannten Art lösen sich zu der Zeit, wenn die mesodermalen Somite noch nicht ganz abgesondert sind, von deren Rändern einzelne Zellen ab, die an die Rückenfläche des Embryo übersiedeln. Bei ihrer Annäherung an diese Fläche nehmen diese abgesonderten Zellen immer mehr kugelige Form an, man sieht deutlich in ihnen den Kern und den Nucleolus. In der wei- teren Entwicklung finden sich diese Zellen an der Rückenfläche des Embryo oder, richtiger gesagt, seiner Segmentationshöhle. Diese Höhle ist von oben durch Ektoderm, von unten durch Entoderm, an den Seiten durch die jederseits nach oben auswachsenden mesoder- malen Somite begrenzt. Später wachsen die oberen Wände der beiderseitigen mesodermalen Somite immer mehr gegen die Rücken- fläche und verengern damit die Höhle mit den erwähnten kugeligen Zellen. Man sieht auf den Schnittserien desselben Embryo, dass die mesodermalen Somite nicht gleichmäßig in der ganzen Länge des Thieres gegen die Rückenfläche wachsen; sie wachsen schneller in den vorderen und hinteren Theilen als in dem mittleren. Später kommen diese mesodermalen Blätter so nahe an einander, dass sie auf der Rückenfläche nur noch eine Spalte zwischen sich lassen, die oben von dem Ektoderm, unten von dem Entoderm und seitlich von dem Mesoderm begrenzt ist. In dem folgenden Stadium wach- sen dann die mesodermalen Blätter an der dem Ektoderm zugewen- deten Seite zusammen und bilden damit eine Höhle, die gegen das Entoderm hin offen ist, und die in ihrem Inneren die kugeligen Zellen enthält. Später ist diese Höhle von dem Entoderm durch die den Darm- kanal bekleidenden Zellen der Darmmuskelschicht getrennt. Sehr spät erfolgt das Zusammenwachsen der beiderseitigen mesodermalen Somite auf der Seite, die zum Darmkanal gewendet ist. Diese zusammengewachsenen mesodermalen Blätter bilden dann am Rücken des Embryo eine Röhre, das Herz, und die in der Röhre vorhan- denen kugeligen Körper sind nichts Anderes als Blutkörperchen Gleich nach dem durch die Verwachsung herbeigeführten Schluss sieht man am Herzen die spaltenförmige Öffnung, durch die dessen Liehtung mit der umgebenden Leibeshöhle in Verbindung steht. Aus den das Herz umgebenden Zellen bilden sich die flügel- förmigen Muskeln, welehe vom Herzen zu den Körperwänden gehen. 332 Nie. Kulagin, Gleichzeitig mit der Entwicklung des Herzens und der Bildung der Leibeshöhle geschieht auch die Bildung des Fettkörpers. Er entwickelt sich bei allen von mir untersuchten Formen ganz gleich. Den Ursprung des Fettkörpers bilden die mesodermalen Somite; bei ihrem Zerfallen in Zellen, die zum Darmkanal gehen, welche die Darmmuskelschicht bilden, und in Zellen, die zur Haut gehen (Hautmuskelschicht), lösen sich von der inneren Seite der Somite Zellen ab, die in die Höhle gelangen, welche durch das Zerfallen der Somite gebildet ist. Diese Zellen gleichen im Anfang den Zellen der Somite und bilden unregelmäßige Gruppen. Bei weiterer Ent- wicklung der Leibeshöhle vergrößert sich die Menge dieser Zellen, um ihre Kerne bemerkt man die größte Anhäufung des Plasmas. Später erscheinen im Inneren der Zellen Fetttropfen. Dabei sind einige Zellen ganz voll von diesen Fetttropfen; in anderen Zellen vermissen wir sie gänzlich, oder es sind nur schwache Spuren davon vorhanden. Die Grenzen der Zellen, die mit Fetttropfen überfüllt sind, sind gewöhnlich sehr schwach ausgeprägt; die Form der Feitt- körperzellen ist bei verschiedenen Arten und an verschiedenen Stellen des Embryo mannigfaltig. Das allerfrüheste Entwicklungsstadium der Geschlechtsorgane habe ich bei der Larve von Platygaster Herricki beobachtet. Fig. 12 stellt einen Schnitt des Embryo im Stadium der Entwick- lung des Mitteldarmes und der Bildung der mesodermalen Somite dar. Wir sehen hier in der Gegend des Hinterdarmes einen Haufen von Zellen; das ist die Anlage der Geschlechtsorgane. Die Unter- suchung einer ganzen Schnittserie ergiebt, dass die Anlage der Ge- schlechtsorgane paarig ist. Diese Zellen sind den inneren noch nicht differenzirten Zellen des Meso-Entoderms sehr ähnlich, unter- scheiden sich von diesen nur dadurch, dass sie sich intensiver färben als die letzteren. Während der weiteren Entwicklung der Embryonen beobachtet man eine ungleiche Differenzirung dieser Zellen in den männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen: die Anlagen der männlichen Geschlechtsorgane haben eine kugelige Form, während die Anlagen der weiblichen Geschlechtsorgane eine lappenartige Form annehmen. Woraus diese Anlagen der Geschlechtsorgane ihren Ursprung nehmen, konnte ich nicht genau konstatiren. Es scheint, dass er in den noch nicht in Meso- und Entoderm differenzirten inneren Zellen zu suchen ist. Dafür spricht erstens die frühe Absonderung der Ge- schlechtszellen, schon zu einer Zeit, wo das Meso- und Entoderm Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 233 nicht scharf getrennt ist, und ferner die sehr große Ähnlichkeit beider Zellelemente in den ersten Stadien ihrer Entstehung. Die Frage von der Differenzirung des Meso- und Entoderms bei an- deren parasitischen Formen der Hymenopteren ist bis jetzt sehr wenig bearbeitet. Gann und Ayers beschreiben bei den Larven der von ihnen untersuchten Formen Muskeln, welche die Kiefer der Larven bewegen und Muskeln im Abdomen, ohne die Frage über deren Entwicklung zu erörtern. Weiter erwähnen sie die Entwick- lung des Magens aus den Zellen des inneren Blattes. Beide Natur- forscher sprechen von der Entwicklung der Geschlechtsdrüsen aus Zellen der Hypodermis, wobei die Geschlechtsorgane den Anfang der Geschlechtsgänge bilden sollen. N. P. WAGneEr ist der Ansicht, dass der Mitteldarm einer Pfero- malına sp. durch das Zusammenwachsen der Speiseröhre und des Hinterdarmes gebildet wird. Die Angaben von GAnIn und Ayers über die Bildung des Mittel- darmes bei den von ihnen untersuchten Formen stimmen mit meinen oben angegebenen Beobachtungen überein. Was aber die Beobach- tungen von N. P. WAGNER anbetrifft, so unterscheiden sie sich nicht nur von meinen Angaben über die Entwicklung des Mitteldarmes bei Platygaster, Mesochorus, Microgaster, sondern auch von den An- gaben der meisten Untersuchungen anderer Autoren über die Ent- wicklung des Mitteldarmes bei Insekten überhaupt. Mit WAGNER stimmen allerdings in der Frage über die Bildung des Mitteldarmes überein: GAnIn für Blatta germanica, WITLACZIL für Aphiden, und VÖLTZKOW für Musca und Melolontha. Diese An- gaben sind aber bereits von GRUBER und CHOLODKOWSKY beanstandet; GAnIn und WırtaczıL haben ihre Objekte ohne Anwendung der Sehnittmethode untersucht, VÖLTZKOW ist nach GRUBER durch die Unvollständigkeit seiner Untersuchungen zu falschen Schlüssen ge- kommen. So vermuthe ich, dass der Unterschied in den Angaben N. P. Wacner's über die Entwicklung des Mitteldarmes bei Pfero- malina und meinen obigen über den gleichen Vorgang bei Platy- gaster in ähnlicher Weise darauf zurückzuführen ist, dass N. P. WAGNER zu den nur in einer vorläufigen Mittheilung gebrachten Er- Sebnissen gekommen ist, da er bei seinen Untersuchungen die von mir verwendete Schnittmethode nicht in Anwendung gebracht hat. Moskau, im Juni 1897. 234 Nic. Kulagin, Erklärung der Abbildungen. Tafel X. Fig. 1. Der Darmkanal von Cecidomyia mit der Platygaster-Larve. vn, Pro- ventriculus; vn,, Ventrieulus; p/, Caudalfortsätze der Platygaster-Larve. Fig. 2. Platygaster--Ei im Darmkanal der Cecidomyia (Querschnitt). 3, Blastoderm; drm, die Wand des Darmkanals; m, Eimembran; e, e,, c,,, Eikerne. 3.19, 0 Fig. 3. Ein Querschnitt des Platygaster-Eies. m, Eimembran; r, Eikern; d, Körnehen im Kern; d!, die körnige Schicht des Eies. Fig. 4. Platygaster-Ei im Darmkanal von Cecidomyia (Querschnitt). drin, Darmwand der Cecidomyia; m, Eimembran; d, plasmatischer Inhalt des Eies; €, C5p Kerne. Fig. 5. Platygaster-Eier im Darmkanal der Cecidomyia. drm, Grenze der Darmwand der Cecidomyia (Querschnitt). ce, C77 €, €7;n Kerne; d, plasmatischer Inhalt des Eies; m, Eimembran. Fig. 6. Die Bildung der Embryonalblätter bei Plaiygaster. drm, die Wand des Darmkanals; am, Amnion; 5/l, Blastoderm. S. 9, ©. 4. Fig. 7u.8. Die Bildung der Embryonalblätter bei Platygaster instricator (Querschnitt). end, Entoderm; mes, Mesoderm. Die übrigen Buchstaben be- zeichnen dasselbe wie auf den vorhergehenden Figuren. Dieselbe Vergröße- rung. Fig. 9. Platygaster-Embryo. %k, Kopfabschnitt; anl, Analabschnitt; fr, Furche. Fig. 10. Die Larve des Platygaster instricator. lb, Oberlippe; ldr, untere Lippe; mn, Mandibeln; ant, Fühler; /, lappenförmige Gebilde; Af, Hinterfüße. 8. 8, 0. 4. Fig. 11. Die Larve des Platygaster Herricku. md, Mund; Ar, Krallen- füße; f, lappenförmige Gebilde; /, Füße. 8. 8, 0.2 Fig. 12. Ein Schnitt durch die Larve von Platygaster instricator. h, Hypo- derm; mid, Mitteldarm; mes, Mesoderm; gr, Anlagen des Kopfganglions; n, Nervenstrang; spd, Spinndrüsen; Az, Herz; t, Hoden; am, Amnion. .S. 9, O. 4. Tafel XI. Fig. 13. Längsschnitt durch das hintere Ende der Microgaster-Larve mit der Analblase. A, Hypodermis; spd, Spinndrüsen; Z, Hoden; ms, Muskeln; biz, Blutkörperchen; ad, Fettkörper; anz, Zellen der Analblase. 8. 7, O. 3. Fig. 14. Längsschnitt der Analblase der Miecrogaster-Larve. hd, Hinter- darm; mp. MALPpIGHY'sche Gefäße. Die übrigen Buchstaben bezeichnen dasselbe wie auf. der Rio 13, 3.70.2. Fig. 15. Querschnitt der Analblase der Microgaster-Larve. Die Buch- staben bezeichnen dasselbe wie früher. S. 7, O. 3. Fig. 16 u. 17. Schnitt durch die Geschlechtsgänge der Microgaster-Larve. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 335 h, hı, Hypodermis; um, Imaginalscheibe; mes, Mesoderm; vs, Geschlechtsgang; tr, triehterförmige Erweiterung; t, Hode. S. 7, 0.3. Fig. 18 u. 19. Längsschnitt durch das Vorderende der Microgaster-Larve. md, Mund; var, Anfang der Speiseröhre (Ösophagus); oes, Speiseröhre; spd, die Anlage der Spinndrüsen; A, Hypodermis; gn, gnı, Kopfganglien; fbr, Fasern des Kopfmarkes; cm, Kommissur. 8. 7, O. 3, Fig. 20. Längsschnitt durch den mittleren Theil der Microgaster-Larve. h, Hypoderm; rn, Nervenstrang; gr, Nervenganglion; mes, Mesoderm. S.7,0.3. Fig. 21. Längsschnitt durch die Plaiygaster-Larve. Ah, Hypodermis; mes, Mesoderm; f, Fußanlage; td, Mitteldarm. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 16 Die Facettenaugen der Ephemeriden. Von Carl Zimmer. ‘Aus dem Zoologischen Institute zu Breslau.) Mit Tafel XII und XIII. ExNER weist in seiner »Physiologie des facettirten Auges« (1891, p. 112—115) auf den ungleichmäßigen Bau mancher Arthropoden- augen hin. Er macht darauf aufmerksam, dass die Augen vieler Libellen in ihrem oberen Theile eine Verlängerung der Facetten- slieder aufweisen und durch abweichende, meist farbige Pigmentirung von dem unteren schwarz pigmentirten Abschnitt sich unterscheiden. Wie er ausführt, erspäht das Thier mit dem oberen Theile des Auges, der zum Erkennen von Bewegungen geeigneter ist, die in der Luft schwebende Beute, während es mit dem unteren Theile des Auges das erjagte Wild während des Verzehrens sieht. Exner erwähnt dann, dass sich eine solche ungleichmäßige Ausbildung des Auges auch bei den Dipteren und dann in hervor- ragendem Grade bei Phronima findet. Bei diesem Amphipoden hat sich bekanntlich das Auge in zwei Theile gespalten, von denen der obere Facettenglieder zeigt, die an Länge die Facettenglieder des unteren Theiles um das Neunfache übertreffen. CHun fand weiter (1896), dass eine solche Zweitheilung des Auges bei den Krustern durchaus nicht einzig dasteht, sondern sich bei pelagisch lebenden Tiefseekrebsen sehr verbreitet findet. Es selang ihm sogar, die Zwischenformen bis zum völlig getheilten Auge nachzuweisen, so dass er sagen. konnte (1896, p. 242): »Das Phronimidenauge, vielfach untersucht und bisher als ein Curiosum betrachtet, dessen fremdartiger Aufbau unvermittelt und unverständlich in die Erscheinung tritt, erweist sich als ein Glied einer Reihe von Umbildungen, die unter pelagischen Formen weit verbreitet sind.« Die Facettenaugen der Ephemeriden. 237 Er zeigt aber auch, dass eine solche allmähliche Zweitheilung des Auges nicht regellos geschieht, sondern Hand in Hand geht mit der Veränderung der Lebensbedingungen. Während nämlich die an der Meeresoberfläche lebenden Kruster einen ganz regelmäßigen Bau des Auges erkennen lassen, weisen die in der Tiefe lebenden eine immer merkwürdiger werdende Ausbildung auf. In den Tiefen, zu denen nur diffuses Licht dringt, ist natürlich das Pigment im Auge nieht mehr nöthig. So findet man dann, dass bei den Formen, die den Aufenthalt wechselnd an der Oberfläche und in der Tiefe neh- men, auch noch vollständig normale Pigmentirung vorhanden ist und Pigmentwanderung auftritt, dass aber bei Formen, die dauernd in jenen schwach belichteten Tiefen leben, eine der beiden Pigment- arten, sei es nun, wie es meistens geschieht, das Retinapigment, oder sei es das Irispigment, verschwindet. Zugleich aber macht sich eine immer weiter gehende Theilung des Auges in ein »Front- ause« und ein »Seitenauge« geltend. Das Frontauge zeigt dem Seitenauge gegenüber eine auffällige Verlängerung der Facetten- slieder. Im extremsten Falle bleibt dann allein das Frontauge be- stehen und das Seitenauge verschwindet gänzlich. Wir finden in diesen Frontaugen der pelagischen Tiefseekruster, mit ihrem Pig- mentmangel und ihrem ausgezeichneten Superpositionsbilde »die voll- kommensten Dunkelaugen, von denen wir bis jetzt Kenntnis haben«. Zugleich aber passt sich das Frontauge durch die Verlängerung der Facettenglieder immer mehr dem Erkennen von Bewegungen an. Eine solche Fähigkeit muss ja auch dem Krebse, der auf jene durch- sichtigen und daher schwer wahrnehmbaren pelagischen Organismen Jagd macht, von ganz besonderem Vortheile sein. Die auf dem Meeresboden lebenden Tiefseekruster zeigen im Gegensatze dazu Augenformen, die, abgesehen von dem Pigmentmangel, mit denen der Oberflächenkrebse übereinstimmen. Sie, die ja meist von Aas leben, sind auch nicht auf das Erkennen von Bewegungen angewiesen. | Een CHun weist diese Verhältnisse ausführlich bei den Schizopoden nach, macht aber auch darauf aufmerksam, dass sich vollkommen konvergente Erscheinungen auch bei anderen Klassen der Kruster finden, die gar nicht so nahe im System beisammen stehen, nämlich bei den Cladoceren, Decapoden und Amphipoden. Es lag nun nahe zu vermuthen, dass auch bei den Insekten sich eine ähnliche bis zur Theilung gehende ungleichmäßige Aus- ‚bildung des Auges in jenen Fällen würde finden lassen, wo Lebens- 16* 233 Carl Zimmer, bedingungen vorhanden sind, die ein Erkennen von Bewegungen zur Voraussetzung haben. Auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professor CHun, machte ich mich nun daran, nach solehen Erschei- nungen bei den Hexapoden zu suchen. Von vorn herein behielt ich die Ephemeridengattungen Clo& Burm. und Potamanthus Piet. im Auge, bei denen eine Zweitheilung des Auges bekannt war. Bereits die Altmeister der Entomologie, REAUMUR und DE GEER entdeckten die Zweitheilung des Auges bei Qlo&, von der sie auch Abbildungen gaben. REAUMUR sagt (1738, Tom IV, p. 240): »Diese Fliege aus dem Geschlechte der sogenannten Eintagstliegen hat vier Augen. Sie hat zwei an derselben Stelle wie die anderen Fliegen, die aber von ge- ringer Ausdehnung sind. Sie wird wohl für die geringe Oberfläche dieser Augen schadlos gehalten durch zwei andere, deren jedes für sich etwas von der Gestalt eines Turbans hat, und die auf dem Scheitel neben einander stehen. Sie gleichen auch etwas einem Pilze, dessen Hut nur wenig den Stiel überragt, und dessen Ober- fläche mit großer Kunst in äußerst kleine Facetten getheilt ist. Die zuerst erwähnten Netzaugen, die denen der anderen Fliegen gleichen, sind braun. Die Turbanaugen haben eine sehr schöne eitronen- gelbe Farbe.« DE. GEER erkannte dann schon, dass es sich um einen Ge- schlechtsunterschied handelt, in so fern als nur das Männchen die ge- _ theilten Augen hat. Er schreibt (1779, Bd. II, 2. Thl, p. 28): »Der Kopf dieser kleinen Ephemer, welche ein Männchen war, ist darum merkwürdig, weil daran vier netzförmige Augen, zwey große und zwey kleine sizen, welche eben so beschaffen sind als diejenigen, die REAUMUR an einer anderen Ephemerart beschrieben, und Turbansaugen (des yeux en Turban) benennet hat. Zu seiner Beschreibung darf ich nichts weiter hinzusezen, als dass die großen Turbansaugen unserer Ephemer hellbraun; die kleinen aber, die hinterwärts an der Seite der großen liegen, dunkel- braun sind. Die Turbansaugen, welche REAUMUR auch sehr gut mit den Champignons verglichen hat, nehmen beynahe den ganzen Vordertheil des Kopfes ein.« Von einer anderen Art schreibt er (p. 33): »Außer diesen beyden gewöhnlichen Augen aber haben die Männchen dieser Art, oben auf dem Kopf, zwischen denselben, noch zwey andere netzförmige, die senkrecht als zwo Säulen in. Die Facettenaugen der Ephemeriden. 239 die Höhe stehen. Bey Gelegenheit einer anderen Art Ephemer- männchens haben wir dieser Augen schon gedacht. REAUMUR hat sie mit Turbans oder Schwämmen verglichen, deren Huth ein wenig über den Fuß hervorstehet. Blos und allein haben sie die Männchen. Bey unserer Ephemer waren sie gelb braunröthlich. Sie sehen wie ein Paar fast eylindrische Säulen oder Fußgestelle aus, deren Oberende flacherhaben und mit sehr feinem Gitterwerk bezeich- net ist. Sie sind von ziemlicher Höhe, und geben dem Kopf ein sonderbares Ansehen.« Eine genauere Darstellung vom äußeren Habitus dieser zwei- setheilten Augen der Männchen von Clo& Burm. giebt Pıcrer (1845), auf dessen Angaben ich weiter unten zurückkommen werde. EATON (1888) übernimmt von REAUMUR die Bezeichnung »Turbanaugen« und giebt von einigen Arten sehr genaue Abbildungen. Als es mir nun im Herbste vorigen Jahres gelang, ein Exemplar von Clo& pumila Burm. zu erbeuten, fand ich zu meinem Erstaunen bei der mikroskopischen Untersuchung der inneren Struktur eine Ungleichmäßigkeit der beiden Augenpaare, die meine kühnsten Er- wartungen übertraf. Man muss sich wundern, dass eine solche un- gleichmäßige innere Ausbildung bisher so gut wie unbekannt geblie- ben ist. Nur einige kurze Bemerkungen finde ich über diese Augen in der Litteratur. Einerseits giebt CIaccıo (1880) eine Notiz, über die mir nur ein Referat zu Gebote steht (Journ. of the Royal Micer. soc. 1882, p. 609), und andererseits liefert CARRIERE in seinen »kurzen Mittheilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die Sehorgane« (Zool. Anz. IX, p. 479) eine knappe Beschreibung der Augen, ohne aber auf die verschiedene physiologische Wirksamkeit der beiden Augenpaare und ihre biologische Bedeutung einzugehen. Eine ausführliche Publikation, die er vorbereitet hatte, ist nicht mehr erschienen. Nachdem ich bei Clo& Burm. die erwähnte Ungleichheit im mikroskopischen Bau der beiden Augenpaare gefunden hatte, unter- suchte ich auch die Augen der anderen Ephemeriden, so weit sie mir zu Gebote standen. Es gelang mir auch hier eine Reihe aufzustel- len, die uns den phylogenetischen Entwicklungsgang des einfachen ungetheilten Auges bis zu jenem Extrem zeigt. Ich will im Folgenden zunächst die Ephemeridenaugen einer anatomischen Betrachtung unterziehen, um dann die physiologische und biologische Bedeutung der Zweitheilung des Auges bei Clo& Burm. und ihre allmähliche Entwicklung zu besprechen. 240 Carl Zimmer, Materialbeschaffung. Das Material beschaffte ich mir theils durch Einfangen der aus- gebildeten Thiere, theils durch Zucht aus Larven. Clo& pumila Burm. fand ich Anfang August an schnell fließendem Wasser, wo sie am Schilfe sitzen, mit dem etwas in die Höhe gehobenen Hinterleib und den ausgebreiteten Schwanzfäden ständig hin und her wackelnd. In demselben Wasser (dem Schwarzwasser hinter dem Scheitniger Parke in der Nähe von Breslau) und zur selben Zeit bis tief in den Herbst hinein fing ich auch die Larven von Olo& fuscata L. Sie hielten sich hier an den Stellen auf, wo das Wasser reißend über Kies hin- strömt. Dies deutet schon darauf hin, dass sie sehr sauerstoff- bedürftig sind. Hielt man sie in einem nicht gut durchlüfteten Gefäße, so gingen sie rasch ein. Im engen Gefäße schwammen sie schon nach 12 Stunden fast sämmtlich als Leichen auf der Ober- fläche. Wurde durch das Gefäß ein Luftstrom geleitet, so hielten sie sich ganz gut. Wiederum in demselben Wasser fing ich im Frühjahr die Larven von Potamanthus brunneus, und zwar Mitte April ziemlich ausge- wachsen. Auch einzelne ausgekrochene Thiere fand ich in der zwei- ten Hälfte des April. | PICTET giebt an, dass die Larven von Potamanthus Piet. sich mit Pflanzenstückehen und Detritus umgeben. Ich konnte nichts davon bemerken. Auch seine weitere Angabe, dass sie sich nur schwer- fällig im Wasser fortbewegen, kann ich nicht bestätigen. Im Gegen- theil bemerkte ich, dass sie sehr gut zu schwimmen verstehen, wenn sie allerdings auch nicht die Beweglichkeit der Larven von Clo& besitzen. Die verschiedenen Arten von Baötis Leach. fand ich das ganze Jahr hindurch an Mauern, Bäumen, Sträuchern, Pfählen etc., oft ziemlich weit vom Wasser entfernt. Ephemera vulgata flog im Mai in großen Schwärmen auf den Wiesen an der sanft fließenden Ohle. Palingenia virgo Ol. erhielt ich durch Herrn Professor KArscH aus dem Berliner Museum zu- gesendet. Untersuchungsmethoden. Zur Härtung der Augen wandte ich mit gutem Erfolge an: Alkohol, warme Sublimatlösung, Pikrinessigsäure, PERENYT'sche Flüs- sigkeit, und ein von ROSENSTADT (1896, p. 749) angegebenes Gemisch“ Die Facettenaugen der Ephemeriden. 241 von Sublimatlösung und Perx£xylscher Flüssigkeit. Weniger gute Dienste leistete mir Pikrinschwefelsäure, und nach der GoLgT'schen Methode erhielt ich nur negative Resultate. Einige Schnittserien depigmentirte ich mit einem Gemisch von stark verdünnter Salz- und Salpetersäure, wie es ebenfalls RosEx- STADT (1896, p. 749) angiebt. Die Schnitte färbte ich mit alkoholischem Karmin, Pikrokarmin nach CHun und nach WEIGERT, Boraxkarmin und Jodgrün-Säure- fuchsin. Mit Hämatoxylin erreichte ich wenig, eben so mit einer Beitze von schwefelsaurem Eisenammonoxyd und Hämatoxylin, wie es HEIDENHAIN angiebt. Zur Färbung der Kıystallkegel und des Rhabdoms wandte ich mit sehr gutem eluloe eine wässerige Lösung von Säurefuchsin an. Die Schnitte führte ich in einer Dicke von 5—10 u senkrecht zur Körperachse, wobei ich sowohl Längs- als Querschnitte durch die Facettenglieder erhielt. Ich bettete meist in Glycerin ein, Da in Kanadabalsam manche Einzelheiten verschwanden. Anatomie des Ephemeridenauges. Allgemeiner Typus des Ephemeridenauges. Das Ephemeridenauge ist mit einem wohl ausgebildeten Krystall- kegel ausgestattet, gehört demgemäß nach GRENACHER (1879, p. 75) zu dem euconen Typus. Jedes Facettenglied, wie ich nach Exner den zu jeder Uornea- facette gehörigen Theil des Gesammtauges nennen will, zeigt im euconen Auge folgenden Bau: Am distalen Ende liegt die Cornea. Sie zeigt fast allgemein eine Schichtung, wie sie nach Onun (1894, p- 218) besonders auffallend am Schizopodenauge zu sehen ist. Auch bei der bikonvexen Cornea des Ephemeridenauges findet man einen starken lichtbrechenden äußeren und einen schwächer lichtbrechen- den inneren Theil, die zusammen gleichsam ein achromatisches System bilden. Betreffs der Entstehung der Cornea nahm man allgemein an, dass sie eine Ausscheidung der Krystallkegelzellen sei, bis CLAus (1879, p. 73) bei Phronima zwei Hypodermiszellen als Matrixzellen der Cornea beschrieb. Dann fand Cuun (1896, p. 219) bei den Schizopoden durchgängig Corneakerne, die sich allerdings nur schwach färben und daher leicht übersehen werden konnten. 247 | Carl Zimmer, 'So waren denn für die Kruster besondere Matrixzellen der Cornea nachgewiesen; doch für die Insekten nahm man nach wie vor eine Ausscheidung der Cornea durch die Krystallkegelzellen an. JAKOBSEN (1893, p. 472) spricht als Resultat seiner Untersuchung über die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. seine Ansicht mit Entschiedenheit dahin aus, dass sich »kein Zelllager nachweisen lässt, das getrennt von den Kıystallkegelzellen die Aus- scheidung der Cornealinsen übernimmt«. Bei den Ephemeriden fand ich jedoch fast durchgehend den zwischen der Cornea und den Krystallkegelzellen liegenden Raum deutlich zweigetheilt. Er besteht also offenbar aus zwei Zellen. Kerne konnte ich mit Sicherheit allerdings nur im Stirnauge von QClo& Burm. nachweisen, doch waren Reste von solchen verschiedent- lich vorhanden. Ich gebe in Fig. 20 ein solches Bild. Die granu- lirten Massen im Inneren der Zellen sind offenbar Kernrudimente, Es ist ja leicht möglich, dass in den Zellen, die ihre Aufgabe er- füllt haben, der Kern zu schwinden beginnt. | Für das eukone Auge typisch ist der Krystallkegel mit den Resten der vier Zellen, die ihn ausgeschieden haben, und ihren Kernen. Diese Kerne, welche ULAPAREDE als »SEMPER’Sche Kerne« bezeichnet, liegen im Ephemeridenauge kappenförmig über dem Krystallkegel, der die Form eines Konus mit abgerundeter Spitze und Basis hat. Ich brauche wohl nicht erst darauf hinzuweisen, dass sich im Ephemeridenauge durchaus kein Zusammenhang des Krystallkegels mit dem Rhabdom vorfindet, wie ihn PArTEn bei manchen Arthro- poden bemerkt haben will — er hat ja auch seine Ansicht selbst zurückgenommen —, dass sich vielmehr allgemein gerade das Gegen- theil nachweisen lässt. Als lichtpereipirender Apparat fungirt die Reim Sie besteht bei den Ephemeriden, wie ja fast überall, aus sieben Zellen, die ein centrales Rhabdom ausscheiden. Doch macht sich hier schon verschiedentlich die Neigung zum Schwunde einer dieser Zellen geltend. Die Kerne liegen am distalen Ende der Zellen. Der von GRENACHER (1879, p. 78) aufgestellte Unterschied von Haupt- und Nebenpigmentzellen oder von Pigmentzellen erster und zweiter Ordnung, tritt auch beim Ephemeridenauge deutlich hervor. Die Hauptpigmentzellen umgeben hier in der Zweizahl das untere Ende des Krystallkegels. Die spindelförmigen Nebenpigmentzellen sind meist in großer Anzahl vorhanden und liegen um den Kıystall- Die Facettenaugen der Ephemeriden. 343 kegel, die Hauptpigmentzellen um den oberen Theil der Retinula. Die Hauptpigmentzellen und die Retinulazellen führen ein schwarzes, braunschwarzes oder blauschwarzes Pigment im Gegensatze zu dem rothgelben oder rothbraunen der Nebenpigmentzellen. Auch im Gan- slion opticum liegen oft nicht unbedeutende Pigmentmassen (Fig, 22 P). Fassen wir das Gesagte noch einmal kurz zusammen, so ist also der Bau des Facettengliedes im Allgemeinen folgender: Unter einer bikonvexen mehrschichtigen Cornea (Fig. 4 C) liegen zwei Corneazellen (Fig. 20). Dann folgt der Krystallkegel (Fig. 23 X) mit den Semper’schen Kernen (Fig. 23 AK). Hinter diesem liegt die siebentheilige Retinula, die ein centrales Rhabdom ausscheidet (Fig. 23 R). Die Hauptpigmentzellen liegen um den unteren Theil des Krystallkegels (Fig. 23 u. 25 ZPZ), die Nebenpigmentzellen in einem weiteren Kreise um den oberen Theil des Facettengliedes (Fig. 23 =a21.NPZ,. Von diesem »Normaltypus« jedoch finden sich nicht unbedeu- tende Abweichungen. Ich wende mich zur Besprechung der Augen der einzelnen Genera. Pıcrer (1845) unterscheidet folgende Gat- tungen: Ephemera, Palingenia, Baätis, Potamanthus, Qlo&, Caenis und Oligoneuria. Eaton (1888) nimmt zwar noch weitere Genera an, doch will ich mich an Pıcrer halten, wie ich auch die Bestimmung der unter- suchten Arten hauptsächlich nach PıicTET ausgeführt habe. Cloe Burm. Untersuchte Arten: Cl. fuscata L., Cl. pumila Burm., . Cl. translucida Pict. Fig. 1—13. Das Weibchen hat Augen, die nach dem Normaltypus gebaut sind (Fig. 3). Das Männchen (Fig. 2) zeigt außer diesen Seitenaugen noch jene auffälligen Stirnaugen. PıctTET (1845, p. 48) schreibt über diese accessorischen Augen: »Der Kopf zeigt von oben gesehen zwei riesige Augen, die ihn fast ganz bedecken, ja die ihn selbst nach hinten zu über- ragen. An den Seiten nimmt man zwei andere Augen wahr, deren äußerer Rand allein sichtbar ist, und die in ihrer Form an - jene des Weibchens erinnern. Betrachtet man den Kopf von der Seite, so erkennt man, dass letztere Organe den normalen Platz _ des Auges einnehmen, und dass es die eigentlichen Analoga derer des Weibchens sind. Man sieht auch, dass die beiden großen >44 Carl Zimmer, Nebenaugen eine besondere, sehr beachtenswerthe Gestalt haben, wie sie REAUMUR und DE GEER unter dem Namen ‚Turban- augen‘ beschrieben haben. Sie sind gebildet aus einer halbkuge- ligen retieulirten Calotte, oft roth oder gelb gefärbt, die getragen ‚wird durch einen nach der Basis zu verjüngten obkonischen Ring. «< Diese Stirnaugen sind durchaus abweichend vom Normaltypus gebaut: | Die Cornea (Fig. 4 C) ist nach innen zu auffallend stark ge- wölbt. Deutlich ist die stärker und die schwächer liehtbrechende Schicht von einander abgesetzt. Der stärker lichtbreehende Theil ist schon für sich eben so stark gewölbt wie eine Corneafacette des Seitenauges. In dem schwächer lichtbrechenden Theile lässt sich wiederum eine Schichtung erkennen. Unter der Cornea fand ich zwei sich schwach färbende licht- brechende Gebilde, die Kerne der beiden Zellen, welche die Cornea ausgeschieden haben (Fig. 4u.5 CX). Der Krystallkegel (Fig. 4 X) ist ziemlich konsistent: Er schrumpft wenig und wird durch das Messer leicht aus seiner Lage gerissen. Allseitig umgeben ist er von den vier Zellen, die ihn ausgeschieden haben (Fig. 4 XZ). Auf Quer- schnitten zeigt er sich daher ringförmig von diesen Zeilen umgeben (Fig. 7). Die Retinula hat eine ganz eigenartige Ausbildung (Fig. 1 u. 10). Sie hat sich in zwei Theile getrennt, die durch einen licht- brechenden Faden mit einander in Verbindung stehen. Der obere Theil, den ich »Kerntheil« im Gegensatze zu dem unteren »Rhab- domtheil« nennen will, zeigt eine becherförmige Gestalt (Fig. 4 XT). Der Krystallkegel mit seinen Zellen ruht in ihm wie ein Ei im Eierbecher. Eine Ausscheidung von irgend welcher lichtbrechen- den Substanz findet hier nicht statt. Hingegen liegen in diesem Theile die sieben Retinulakerne (Fig. 4, 8, 11 RX). Sehr instruktiv ist ein Querschnitt durch diese Region des Facettengliedes, wie ihn Fig. 8 zeigt. Hier sieht man zu äußerst einen Kranz gebildet aus den sieben Retinulazellen mit ihren Kernen. Ein zweiter Kranz wird gebildet von den Krystallkegelzellen, und zu innerst liegt der vier- theilige Krystallkegel. Bei Clo& pumila allerdings trifft der Schnitt den Krystallkegel nicht mehr. Wir erhalten daher ein Bild, wie es Pie. 11 Zerst. | Der untere Theil, der Rhabdomtheil, zeigt die sieben Retinula- zellen, die nach innen zu das Rhabdom ausgeschieden haben. Außer- dem aber findet noch eine Ausscheidung am Rande der Retinula, und zwar an der Berührungsstelle je zweier Zellen statt. Hier finden Die Facettenaugen der Ephemeriden. 345 sieh sieben stäbehenförmige, stark lichtbrechende Gebilde, die ich als »Nebenstäbehen« bezeiehnen möchte. Sie setzen sich bei Clo& fuseata etwas von der Retinula ab (Fig. 9 N.$St), während sie bei Clo& pumila in diese eingebettet erscheinen (Fig. 12 NSt). Der Abstand beider Theile der Retinula von einander beträgt bei Clo& fuscata über ein Drittel, bei Clo& pumila sogar über die Hälfte der Länge der ganzen Retinula. Clo& pumila, das kleinere Thier, besitzt überhaupt Stirnaugen, welche an Umfang diejenigen von Clo& fuscata L. sowohl relativ wie absolut übertreffen. Der Zwischenraum zwischen den Kerntheilen und den Rhabdom- theilen wird gefüllt von einer homogenen Flüssigkeit, oder dünnen Gallerte, durch welche die Fäden, die jene Theile verbinden, hin- durchlaufen. Von Hauptpigmentzellen ist nirgends auch nur die ge- ringste Spur zu sehen. Die Nebenpigmentzellen (Fig. 4, 5, 6 NPZ) sind in ihrem oberen Theile, d. h. oberhalb des Krystallkegels, kolbenförmig verdickt. Der untere, fadenförmige Theil zeigt nur noch an der Stelle, wo der Kern liegt, eine Anschwellung. Die Retinulazellen sind fast vollkommen pigmentlos. Nur ganz am Grunde zeigen sich Pigmentreste, und auch diese nur bei einem Thiere, das nach Belichtung getödtet worden ist (Fig. 10). Bei Thieren, die vor ihrem Tode im Dunkeln gehalten worden waren, ist alles Retinapigment hinter die Membrana fenestrata gewandert, so dass nun die Retinulae vollkommen pigmentfrei sind (Fig. 1). Bei ganz besonders stark pigmentirten Exemplaren fand ich aller- dings den ganzen Rhabdomtheil der Retinula, wenn auch nur schwach, mit Pigment ausgestattet. Bei solchen Thieren trat auch _ Pigment zwischen den Nervenfasern auf, da, wo sie den von BERGER (1878) als Retina gedeuteten Theil des Ganglion opticum verlassen. Alles Pigment der Stirnaugen zeigt eine gelblichrothe Farbe. Die Retinula ist von Tracheen umgeben (Fig. 9 7), die an ihrem oberen Ende blasenförmig abschließen. Diese Enden überragen den Rhab- domtheil um eine Kleinigkeit (Fig. 1 u. 10 7). Die Krystallkegel sind am Rande des Auges klein und rückgebildet (Fig. 1 u. 10 r.X), während die zugehörigen Retinulae noch wohl entwickelt sind. Für die äußersten Retinulae endlich kommen überhaupt keine Krystall- kegel mehr zur Ausbildung. Schnitte durch den Kerntheil der Retinula ergeben daher Bilder, wie Fig. 13 zeigt. Diese Kerntheile liegen an der Seitenwand des Auges an dem »obkonischen Ringe« PICTET’. Direkt über der Membrana fenestrata liegen um jedes Facetten- 246 . Cari Zimmer, slied etwa zehn bis zwölf ziemlich große, sich stark färbende Kerne (Fig. 12 *). Über ihre Bedeutung bin ich mir vollkommen unklar. Ich vermuthe, dass sie nervöser Natur sind. Was das Ganglion opticum betrifft, so ist auch dieses getheilt, und zwar bis zum inneren Marklager herunter (Fig. 1). Bei dem in Fig. 3 gezeichneten Weibchen fand ich die Tracheen- stimme im Kopfe stark mit Pigment umhüllt. Über den feineren Bau des hier besprochenen merkwürdigen Stirnauges liegen, wie be- reits oben erwähnt, nur die kurzen Mittheilungen von Craccıo und ÜARRIERE vor. CIAccIo scheint nach dem oben erwähnten Referate nur den ausgezogenen Faden, nicht aber den Kerntheil gesehen zu haben. CARRIERE (1886, p. 481) bespricht zunächst die Anlage und Entwicklung des Stirnauges. Nach ihm legt es sich bei den Larven zugleich mit Beginn der Flügelbildung an. Die Epithelzellen ver- längern sich, vom Rande der Seitenaugen aus beginnend, an der Stelle des künftigen Auges und spalten sich in zwei Schichten. Nun beginnt vom Centrum der Anlage aus die Bildung der Facetten- glieder. Aus der oberen Schicht entstehen die Krystallkegelzellen, aus der unteren die Retinula- und Nebenpigmentzellen. ÜARRIERE fährt dann fort: »Die Erhebung des Turbanauges über .die Scheitellläche muss erfolgen, während das Subimago aus- schlüpft, doch gelang es nicht, ein Thier in diesem Momente zu überraschen. Dabei werden nicht etwa die ganzen Augen in die Höhe gehoben, sondern die Retinulaschicht behält annähernd die Stelle, welche sie bei der reifen Puppe einnahm, während die Krystallkegel mit dem trichterförmigen Ende des Rhabdoms, in welchem die Kegelspitze ruht, und den nebenliegenden Retinula- kernen sich um fast die ganze Ommatidienlänge von der Retinula und dem Rhabdom entfernt. Jeder Kegel bleibt daher von einem, von dem Triehter ausgehenden, sehr feinen Faden mit dem übrigen Theil — der Hauptmasse — des Rhabdoms verbunden, und es macht den Eindruck, als ob der. Faden aus der Achse des Rhabdoms herausgezogen sei. Der große Raum zwischen den beiden Schich- ten ist mit einer feinkörnigen gerinnenden Masse erfüllt, so dass die Erhebung nicht durch ein Einpumpen von Luft — was die starken zu den Augen führenden Tracheenstämme nahelegen —, sondern von Flüssigkeit zu Stande gebracht wird; nach innen zu wird die Flüssigkeit (oder Gallerte?) nicht direkt von den Retinulae, sondern von den das distale Ende desselben rosettenförmig umgeben- den Tracheenblasen begrenzt.« Die Facettenaugen der Ephemeriden. 347 Auch mir ist es nicht gelungen die Thiere gerade beim Auskriechen zu beobachten, doch fand ich bei Thieren, die allerhöchstens seit fünf Minuten die Larvenhülle verlassen haben konnten, bereits voll- kommen ausgebildete Stirnaugen. Maße: Olo& fuscata L. J! Durehsehnittliche Länge der Facettenglieder des Seitenauges 0,12 mm der, Simanse ern z, 0,24 >» der Retinula des Stirnauges. ... 0,19 » des Rhabdomtheiles. ... ! 2... DEI Abstand der Theile von einander. 0,07 » Breker der Comet. 0er. 0,017 » Breite der -Gornea "lernen: 0,02 »% Länge der Krystallkegel.. ... x. 0,032 » Dieke der Krystallkesel. 2... ....: 0,009 » Clo&ö pumila Burm. J Bnse der Retinula des Stirnauges. ..........: 0,28 >» des: Bhabdomtheiles . ... .:.......%- 0,127 °% Ahstandsbeider Theile.,.*."x.%..0 01a > Potamanthus Pict. Untersuchte Art: Potamanthus brunneus Pict. Fig. 14—18. Auch hier zeigt das Männchen getheilte Augen. PıcrEr (1845, p. 49) schreibt: »Das Genus Potamanthus hat große Ähnlichkeit mit dem vorigen (Clo&), aber auch einige wesentliche Verschiedenheiten. Das Weibchen zeigt die normalen Verhältnisse, und das Männchen besitzt auch große, den gewöhnlichen aufgesetzte Augen. Der retikulirte Theil dieser Augen ist eben so groß wie bei der vorigen Gattung, aber abgerundet und getragen von einem viel weniger regelmäßigen und weniger sichtbaren Ringe, so dass diese Organe weniger über den Kopf erhoben sind, und dass ihr retikulirter Theil neben dem normalen Auge liegt, statt einen merklichen Zwischen- raum zu zeigen.« Auch bei Potamanthus Pict. zeigt sich eine große Verschieden- heit im Bau der beiden Augenpaare, wenngleich sie nicht so weit geht wie bei Clo& Burm. Das Seitenauge des Männchens und das Auge des Weibchens ist ganz nach dem Normaltypus gebaut. Auch das Stirnauge zeigt im Allgemeinen den Normaltypus, doch finden 248 Carl Zimmer, sich hier noch folgende Eigenthümlichkeiten: Auf Querschnitten er- scheinen die Facettenglieder bis zu einer bestimmten Höhe von einem Ring umgeben, wie es Fig. 18 zeigt. Auf Längsschnitten er- hält man Bilder wie Fig. 19. Die Facettenglieder sind also bis zum zweiten Drittel ihrer Höhe von einer Hülle umgeben, und zwar derart, dass die Hüllen benachbarter Facettenglieder sich dieht an einander legen oder wohl auch verschmelzen. An ihrem oberen Ende laufen diese Hüllen spitz zu und schließen sich an die Facetten- glieder an. Im Längsschnitt erscheinen sie fein gestrichelt. Ich glaube daher, dass sie aus verschmolzenen Tracheen entstanden sind. Auf Schnitten durch das ganze Auge erscheinen die Enden der Hüllen als Strich (Fig. 14). Sowohl Haupt- und Nebenpigmentzellen, als auch Retinulazellen sind im Stirnauge rothbraun pigmentirt. Baötis Leach. Untersuchte Arten: B. cerea Pict., B. fluminum Pict., B. eyanops Pict., B. armata Eat. Fig. 17—22. Das Auge ist nach dem Normaltypus gebaut. Bemerkenswerth ist die große Zahl der Nebenpigmentzellen, deren zu jedem Facetten- sliede etwa 20—24 gehören (Fig. 21 NP). Der untere Theil des Auges des Männchens ist bedeutend stärker pigmentirt als der obere. Die Grenze zwischen beiden Theilen ist scharf (Fig. 22). Die Nebenpigmentzellen sind im unteren Theile stärker pigmen- tirt, die Hauptpigmentzellen reichen weiter am Krystallkegel in die Höhe, und auch die Retinulazellen zeigen, namentlich am Grunde, mehr Pigment. Die Pigmentlage hinter der Membrana fenestrata ist hinter dem unteren Theile des Auges bedeutend dicker als hinter dem oberen. Auch im Ganglion opticum macht sich die ungleichmäßige Ausbildung noch geltend: Im oberen Theile des Auges liegt hinter der »Nervenbündelschicht« CrAaccıo’s (1884, p. 618) Pigment, auch im unteren Theile des Auges findet sich dieses Pig- ment, doch ist es hier etwas weiter nach innen gerückt und nicht so dick. An der Grenze greifen beide Pigmentlagen über einander (Fig. 22). | Maße bei B. cerea Pict. gi. Länge der längsten Facettenglieder ......... 0,5 mm Länge der länssten Krystallkegel .._ . . „22 27 73 Länge der längsten Facettenglieder des Weibchens 0,21 » Die Facettenaugen der Ephemeriden. 349 Erwähnen will ich noch eine von PicTer nicht beschriebene Art, die nach seiner Eintheilung unter die Gattung Baötis zu rechnen wäre, die aber Earon als Chirotonetes ignotus Walk. beschreibt (Fig. 23—28). Diese zeigt im Bau der Facettenglieder den Normal- typus, nur dass die Retinazellen oben sternförmig aus einander weichen (Fig. 26 u. 27). Im Gegensatze zu den bisher beschriebenen Arten von Baätis fehlt ihr die auffallende ungleichförmige Pigmen- tirung. Näheres darüber weiter unten. Die Maße sind folgende: Länge des längsten Facettengliedes des Männchens . . 0,5 mm Länge des längsten Facettengliedes des Weibchens . . 0,2 » Ephemera L. Untersuchte Arten: E. vulgata L., E. danica Müll. © Fig. 29. Das Auge ist nach dem Normaltypus gebaut. Auffällig ist die starke Rückbildung einer Retinulazelle (Fig. 29). Sie legt sich an manchen Stellen so eng an die Nachbarzellen an, dass es den Ein- druck macht, als seien nur sechs Retinulazellen vorhanden. Die Retinulazellen sind nur an ihrem inneren Rande pigmentirt. Die Verhältnisse liegen also hier ähnlich wie bei Palingenia virgo Ol. (siehe weiter unten, vgl. auch Fig. 33). Palingenia Burm. Untersuchte Art: P. virgo Ol. Fig. 30—33. Diese Gattung besitzt Augen, welche vollkommen vom Normal- typus abweichen. Die Cornea ist nach außen zu konvex, nach innen zu konkav. Direkt unter ihr liegen die Krystallkegelzellen (Fig. 30 XZ). Diese scheiden jedoch keinen wohlgebildeten Krystallkegel aus. Nur in ihrem unteren Theile erfolgt eine Ausscheidung, die sich aber nicht scharf gegen die Zelle absetzt. Um daher die Grenze nachzu- weisen, musste ich zu Färbemitteln greifen. Ich wandte eine wässerige Lösung von Säurefuchsin an, durch welche Krystall und Rhabdom intensiv roth gefärbt werden, während die übrigen Theile hellroth bleiben. Die Schnitte müssen aber aus der Flüssigkeit sofort in Glycerin gebracht werden, da Alkohol und Wasser die Färbung wieder auszieht. Es zeigte sich nun Folgendes: Die Krystallkegelzellen bilden nach unten: zu eine theils mehr, theils minder scharf abgesetzte 250 Carl Zimmer, Ausscheidung, die die Form eines bikonkaven Cylinders hat und als Homologon des Krystallkegels zu deuten ist. In der oberen Kavität liegen die Krystallkegelzellen, in die untere ragt die Retinula hinein. Ist schon dieser Theil des Facettengliedes auffallend gebildet, so zeigt auch die Retinula einen ungewöhnlichen Bau: Es sind zwar sieben Retinulazellen vorhanden, doch ist eine von diesen ganz kurz zeblieben. Sie erreicht kaum den vierten Theil der Länge der übrigen. In den oberen drei Viertheilen sind also nur sechs Reti- nulazellen vorhanden (Fig. 32). Diese scheiden ein auffallend dickes, stark lichtbrechendes Rhabdom aus (Fig. 32). Auf Querschnitten hat es etwa die Gestalt eines Rechteckes, bei dem zwei gegenüber- liegende Seiten eingebuchtet sind. Die Kerne der sechs Retinulazellen liegen in zwei Drittel Höhe, der siebente ganz unten (Fig. 30 *). Von Hauptpigmentzellen konnte ich nichts wahrnehmen. Die Nebenpigmentzellen ziehen weit ak- wärts. Ihre Kerne liegen etwas oberhalb der Retinulakerne (Fig. 30). Das Pigment der Nebenpigmentzellen ist vollkommen schwarz. Die Retinulazellen sind nur am inneren Rande pigmentirt; nach außen zu sind sie fast vollkommen pigmentfrei (Fig. 30—33). Was dem Auge an lichtbrechender Substanz durch die rudimentäre Ausbildung des Krystallkegels also abgeht, ist ihm wieder ersetzt durch die starke Ausbildung des Rhabdoms. Es bildet also gleicham eine Zwischen- stufe zu dem pseudoconen und aconen Auge hin, bei denen sich ja auch stets umfangreiche Ausscheidungen der Retinulazellen finden. Maße: Durchschnittslänge des Facettengliedes des Männchens. 0,2 mm des Weibcehens . 0,25 » Größter Durchmesser des Rhabdoms. ........... 0,075 >» Caenis Stephens. Untersuchte Art: C. lactea Hoffm. Auch dies Auge zeigt ein auffallend stark ausgebildetes Rhabdom, doch sind im Gegensatze zu Palingenia virgo Burm. die Krystallkegel sut ausgebildet. Physiologische und biologische Bedeutung des Geschlechtsdimor- phismus der Ephemeridenaugen. Fast durch die ganze Reihe der Ephemeriden können wir ver- folgen, dass die Männchen mit bedeutend größeren Augen ausgestattet Die Facettenaugen der Ephemeriden. 351 sind, als die Weibchen. Man kann also schon a priori annehmen, dass die ersteren mit einem besseren Sehvermögen begabt sind. Dieser Geschlechtsdimorphismus ist, wie wir sehen werden, bedingt durch die Art, wie das Männchen zum Zwecke der Begattung das Weibehen aufsucht. Bevor ich nun die Bedeutung des oft monströs entwickelten Stirnauges für das geschlechtliche Leben der Ephemeriden aus ein- ander setze, wird es zweckdienlich sein, mit wenigen Worten auf die Exver’schen Anschauungen über das Sehen der Arthropoden einzu- sehen. Die MÜLLERr’sche Theorie vom musivischen Sehen des Facetten- auges ist jetzt die allgemein herrschende, nachdem sie von GRE- NACHER (1879) auf Grund morphologischer Untersuchungen und von ExxEr auf Grund physiologischer Studien als die einzig haltbare nachgewiesen worden ist. Nach Exxer (1891) giebt es zwei Möglich- keiten, wie ein Thier mit facettirten Augen sieht, nämlich entweder durch ein »Appositionsbild« oder durch ein »Superpositionsbild«. In jedem Facettengliede eines Auges mit »Appositionsbild« wer- den alle Strahlen, die nicht senkrecht auf die Cornea fallen, durch den als »Linseneylinder<, d. h. als Cylinder, dessen Lichtbrechungs- vermögen nach der Achse zu allmählich zunimmt, wirkenden Krystall- kegel nach den Seiten zu eliminirt und durch das Pigment absorbirt. Jedes Facettenglied wird also nur von den annähernd senkrecht auf die Cornea auffallenden Strahlen eine Lichtempfindung bekommen. Aus diesen einzelnen Lichtpunkten baut sich dann mosaikartig, »musivisch« das Gesammtbild auf. Ähnlich setzt sich auch das Ge- sammtbild im Auge mit Superpositionsbild zusammen, doch tritt hier noch Folgendes ein: Strahlen, die annähernd parallel auf das Auge auf- fallen, werden von den lichtbrechenden Apparaten mehrerer benach- barter Facettenglieder so gebrochen, dass sie sich in einem Licht- punkte am distalen Ende desjenigen Facettengliedes vereinigen, das von den Strahlen senkrecht getroffen wird. Natürlich muss hier zwischen dem lichtbrechenden und dem lichtpereipirenden Apparate sich ein durchsichtiger, pigmentfreier kaum befinden, d. h. die Krystallkegel müssen sich weit vom Rhab- dom entfernt haben. Das ist nach Exner ein Merkmal, woraus man auf das Zustandekommen eines Superpositionsbildes schließen kann. Ein anderes ist das Phänomen der Pigmentwanderung, die den Zweck hat, im Auge mit Superpositionsbild, das dem Lichte ausgesetzt wird, durch Abblenden ein Appositionsbild hervorzurufen. Es entsteht also auch im Auge mit Superpositionsbild ein aus Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. #1 352 Carl Zimmer, einzelnen Lichtpunkten mosaikartig zusammengesetztes aufrechtes Gesammtbild; doch ist hier beim Zustandekommen jedes einzelnen Lichtpunktes eine weit größere Anzahl Strahlen thätig, als beim Auge mit Appositionsbild: Die Strahlen werden besser ausgenutzt. In Folge dessen hat das Auge mit Superpositionsbild den Vorzug größerer Lichtstärke und wird also namentlich zum Sehen in der Dämmerung und in der Nacht geeignet sein. Die Bedeutung des getheilten Auges von Clo&. Betrachten wir von diesen physiologischen Gesichtspunkten aus das Stirnauge von Clo&@ Burm. 9. Zwischen dem lichtbrechenden Apparate und dem oberen Ende des Rhabdomtheiles der Retinula liegt ein durchsichtiger Raum. Das Pigment hat bei einem im Dunkeln getödteten Thiere (Fig. 1) eine andere Stellung als bei einem solchen, das im Hellen getödtet worden ist (Fig. 10). Das Stirnauge stellt sich also als Auge mit Superpositionsbild dar. In den Seitenaugen hingegen schließt sich die Retinula mit dem ausgeschie- denen Rhabdom direkt an den Krystallkegel an; auch findet keine Pigmentwanderung statt. Es entsteht also ein Appositionsbild. So finden wir denn bei Clo& Burm. 51 ein Augenpaar mit Appo- sitionsbild — die Seitenaugen — und eins mit Superpositionsbild, — die Stirnaugen —. Bei einem und demselben Thiere sind also die beiden Modalitäten des Sehens vermittels Facettenaugen verwirklicht. Die Bedeutung eines Auges mit Superpositionsbild ist nun die eines Dunkelauges. Wir erkennen also die Stirnaugen von Clo& g' als besonders für das Sehen in der Dunkelheit geeignet. Doch hat das Stirnauge noch weiterhin seine physiologische Eigenthümlichkeit: Wie wir sahen, ist nur der unterste Theil der Retinula mit Pigment ausgestattet. Das Auge würde also dem »iridopigmentären« Typus . Cuun’s (1896, p. 242) sich nähern. Die Strahlen, die nicht vom Rhabdome gefangen werden, und die bei stark pigmentirten Augen eine Absorption durch das Retinapigment erfahren, werden hier noch eine ganze Reihe der benachbarten Facettenglieder in Erregung setzen. Dadurch entstehen Zerstreuungskreise, die zwar die Schärfe - des sesehenen Bildes beeinträchtigen, die aber andererseits, wie EXNER (1891, p. 182) nachweist, das Sehen von Bewegungen begünstigen. Unterstützt wird diese Fähigkeit eben so wie die des Sehens in der Dunkelheit wohl noch durch die »Nebenstäbehen«, durch welche die pereipirenden Elemente ganz bedeutend vermehrt werden. So finden wir denn beim Männchen von Clo& Burm. accessorische Augen, die Die Facettenaugen der Ephemeriden. 353 ihm das Sehen in der Dunkelheit ermöglichen und die -in hohem Grade für das Erkennen von Bewegungen eingerichtet sind. Fragen wir uns nun, welche biologische Bedeutung dieses Auge für das Thier hat, so müssen wir von vorn herein ausschließen, dass es irgend wie zu dem Nahrungserwerb in Beziehung steht, da ja Subimago und Imago der Ephemeriden verkümmerte Mundwerkzeuge haben, und daher gar nicht auf Nahrungssuche ausgehen. Weiter- hin könnte das Auge dem Thiere auch den Vortheil bringen, die Bewegungen eines nahenden Feindes rechtzeitig erkennen zu lassen und vor diesem zu warnen. Das mag ja wohl auch der Fall sein, wie aus folgender Beobachtung hervorgeht: Während die anderen Gattungen der Ephemeriden den Tag über träge an Bäumen, Sträuchern, Wänden etc. sitzen und sich ohne einen Fluchtversuch zu machen ergreifen lassen, scheint Clo&@ das Herannahen eines Feindes sofort zu bemerken: Wenn man sich nähert, huschen sie sofort auf die andere Seite des Schilfblattes — an solchen fand ich sie meist, — und, wenn man nach ihnen greift, fliegen sie rasch ab. Es ist wohl möglich, dass sie mit den Stirn- augen die Bewegungen rechtzeitig wahrnehmen, möglich ist aber auch, dass sie schon an und für sich mobileren Temperamentes sind als die anderen Ephemeriden. Wenn man sich aber erinnert, dass das Stirmnauge nur dem männlichen Thiere zukommt, so ist es ohne Weiteres klar, dass die Augen in irgend welcher Beziehung zum Geschlechtsleben des Thieres stehen. Wir werden sehen, dass die sonderbare Ausbildung des Auges sich mit Leichtigkeit aus der Art erklärt, wie die Geschlechter bei ihrem Liebesspiel sich suchen und finden. EAron (1888, p. 9) beschreibt den Hochzeitsflug der Ephemeriden folgendermaßen: »Viele kennen die gewöhnliche Flugart einiger der häufigeren Eintagsfliegen, besonders der Männchen. In Folge einer unter- brochenen Aktion der Flügel besteht sie in einer tanzartigen Be- wegung, meist senkrecht auf und nieder: Ein schnelles Aufsteigen und dann ein gemächliches sich Sinkenlassen in steter Wieder- holung. Der Körper wird während des Aufsteigens in einer wenig von der Senkrechten abweichenden Lage getragen, die Füße nach vorn gestreckt, die Schwanzfäden nachschleppend. Heptagenia (Baetis), die, eben so wie ihre Verwandten, auch diese Lage, den Kopf gegen Wind gerichtet, einnimmt, nur dass die Schwanz- fäden gespreitzt sind, hat dadurch im Axe-Thale (Devon) den Namen 11% 254 Carl Zimmer, »gelbe Aufrechte« (Yellow Uprights) erhalten. Während des Sinkens wird der weniger steil gehaltene Körper getragen durch die be- wegungslos halb ausgebreiteten Flügel und die ausgestreckten Schwanzfäden. « ‘Wenn auch dieser Hochzeitsreigen der männlichen Ephemeriden längst bekannt war, so finden sich doch über den Akt der Begattung selbst bei den älteren Forschern die verschiedensten Ansichten, und erst in der neueren Zeit sind genauere und zuverlässigere Beoh- achtungen darüber gemacht und veröffentlicht worden. Wiederum ist es EATon, der am genauesten den Vorgang be- schreibt (1888, p. 10). REN: »Die meisten Ephemeriden begatten sich während des Fluges, das Männchen zu unterst. Es schießt von unten an das Weibchen heran, umklammert den Prothorax mit seinen verlängerten Vorder- tarsen (deren Gelenk mit der Tibia so eingerichtet ist, dass es eine Supination des Tarsus gestattet), biegt seinen Hinterkörper über den Rücken, packt mit seinen Zangen den hinteren Theil des siebenten ventralen Segmentes und mit den äußeren Schwanz- fäden umfasst es das sechste Segment. « Diese Angaben EATon’s geben uns den Schlüssel zum Verständ- nisse für die sonderbaren Stirnaugen des Männchens von Clo& Burm. Diese liegen gerade in der Flugrichtung des Thieres, die in der Hauptsache senkrecht auf und nieder geht. Sie sind es also, mit denen das Männchen bei seinem Hochzeitsfluge, der nach Sonnen- untergang stattfindet — daher das Dunkelauge — die Bewegungen des über ihm schwebenden Weibehens wahrnimmt. Diese weit- gehende Differenz in den Augen der beiden Geschlechter erklärt sich als eine Folge der natürlichen Zuchtwahl aus der bedeutenden Überzahl der Männchen. Nach TAscHENBERG (»BREHM’s Thierleben«, 1877, Bd. IX, p. 508) sollen bei den Ephemeriden unter Tausenden von Männchen nur wenige Weibchen vorkommen. Wenn ich diese Angabe auch für übertrieben halte, so kann ich für Clo& Burm. Folgendes erwähnen: Von Clo@ pumila Burm. fand ich fast nur Männchen. Während des ganzen Herbstes erbeutete ich nur drei oder vier Weibchen, wäh- rend ich nie zum Fange ausging, ohne einige Männchen zu finden. Andererseits krochen mir von Olo& fuseata L., die ich aus Larven zog, Alles in Allem eben so viel Weibchen wie Männchen aus. Allerdings ist es möglich, dass sich gerade die männlichen Larven schlechter hielten als die weiblichen, eine Vermuthung, die dadurch Die Facettenaugen der Ephemeriden. 255 an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass unter den zuerst ausgekroche- nen Thieren die Männchen überwogen, dann später die Weibchen, und dass schließlich zuletzt überhaupt keine Männchen mehr, son- dern nur noch Weibchen auskrochen. Die Augen der anderen Ephemeridengattungen. Eine so weitgehende Ungleichmäßigkeit in der Ausbildung des Auges, wie sie sich in den beiden Augenhälften von Clo& ausspricht, finden wir nicht mehr in der Reihe der Ephemeriden. Hier zeigen sich nur noch Augen mit Appositionsbild.e Doch kann man fast durchgehend wahrnehmen, dass der Augenbau der Männchen das Entstehen von Zerstreuungskreisen begünstigt, dass also die Augen dieser besser zum Erkennen von Bewegungen eingerichtet sind als die der Weibchen. Wie ExxEr (1891, p. 182) bemerkt, arbeiten auch im Auge mit Appositionsbild das Pigment und das gleich einem Glasstabe bei einer Mikroskopirlampe wirkende Rhabdom nicht so genau, dass nicht doch ein größerer oder kleinerer Zerstreuungskreis entstände. Ein einfallender Strahl wird nicht bloß ein Facettenglied in Er- regung Setzen, sondern mehr oder weniger auch auf die benach- barten wirken. Je größer ein Zerstreuungskreis ist, desto besser wird das Auge Bewegungen erkennen: Das Zustandekommen eines solchen wird nun auf verschiedene Weise erleichtert und zwar 1) durch farbige Pigmentirung, 2) durch schwarze, aber schwache Pigmentirung, 3) durch Verlängerung der Facettenglieder. Wir wer- den sehen, in welcher Weise diese Faktoren für Augen der männ- lichen Ephemeriden Gültigkeit haben. Wie bereits erwähnt, zeigt außer Clo& Burm. unter den deut- schen Gattungen noch Potamanthus Piet. getheilte Augen. Wenn auch in dem Stirnauge dieser Gattung kein Superpositions- bild mehr zu Stande kommt, so ist doch der Dimorphismus der bei- den Augenpaare noch ziemlich bedeutend, und das Stirnauge ist durchaus für das Erkennen von Bewegungen eingerichtet. Einmal sind die Facettenglieder bedeutend länger als im Seitenauge, dann findet sich im Stirnauge nur farbiges Pigment, und auch dieses in nur sehr geringer Menge. Das Entstehen von Zerstreuungskreisen und damit die Fähigkeit des Erkennens von Bewegungen ist also auf jede Weise begünstigt. Ich will noch erwähnen, dass ich bei Earon ein Auge abge- bildet finde, das seiner Ausbildung nach zwischen Potamanthus und 256 Carl Zimmer, Clo& stehen würde. Es ist das Auge der in Europa nicht vorkom- menden Gattung Atalophlebia Eat. Auf welche Weise das Stirnauge von Clo& Burm. g' aus einem Auge, wie es Potamanthus zeigt, entstanden sein mag, dafür geben uns die rudimentären Krystallkegel und die Retinulae, zu denen keine Krystallkegel ausgebildet werden, im Auge von Clo& einen Fingerzeig. Sie weisen darauf hin, dass dieses Auge nicht dadurch entstanden zu denken ist, dass alle Facettenglieder im Laufe der phylogenetischen Entwicklung immer mehr ihre Richtung der Verti- kalen näherten, sondern dass die Facettenglieder, die zwischen den annähernd senkrecht nach oben gerichteten und dem unteren Theile des Auges lagen, eine Rückbildung erfahren haben. Also auch hierin zeigt sich eine Analogie mit den pelagischen Tiefseekrustern, nament- lich mit Arachnomysis und Stylocheiron (CHun, 1894, p. 235). Eine noch weniger weitgehende Theilung des Auges, wie bei Potamanthus Pict., aber doch immerhin noch eine innere Theilung, finder wir bei Baetis Leach. Hier zeigen sich die Augen des Männchens hoch über den Scheitel gewölbt. Die oberen Facettenglieder weisen den unteren gegenüber eine ganz bedeutende Verlängerung auf. Endlich lässt das Auge jene bereits erwähnte ungleiche Pigmentirung erkennen. Hier finden wir also immer noch zwei der oben erwähnten Faktoren zur Erzielung von Zerstreuungskreisen angewandt. Gegen Potaman- thus Pict. zeigt sich auch der Rückschritt, dass die obere Hälfte des Auges nicht farbig pigmentirt ist, sondern ein schwarzes, aller- dings weniger dichtes Pigment aufweist als der untere Theil des Auges. | | | Auch äußerlich ist die Theilung des Auges angedeutet: Wir finden hier die tiefe Rinne, die wir bei Potamanthus sahen, als zarte seichte Furche wieder. | Bei Chirotonetes Walk. findet man diese innere Theilung: des Auges nicht mehr. Die Augen sind hier wie bei Baötis Leach. über den Kopf zusammengewölbt, die nach oben gerichteten Facetten- glieder sind bei Weitem länger als die unteren. Wenn diese unteren Facettenglieder immerhin noch etwas dunkler pigmentirt sind als die oberen, so ist der Unterschied doch nicht annähernd so auffallend wie bei Baötis Leach., und namentlich fehlt die scharfe Grenze. Eine äußere Furche ist schwach angedeutet. Hier würden sich wahrscheinlich die Augen von Oligoneuria Piet. anreihen, die auch noch über den Scheitel zusammengewölbt Die Facettenaugen der Ephemeriden. 357 sind, die aber, wenigstens nach der Beschreibung von EATon (1885, p- 29) keine äußere Furche mehr erkennen lassen. | Auf der nächst niedrigeren Entwicklungssiufe steht das Auge des Männchens von Ephemera L. Während die Augen bisher eine so bedeutende Wölbung zeigten, dass sie auf dem Scheitel fast zu- sammenstießen, finden wir dies bei Ephemera L. nicht mehr. Wohl weist das Männchen noch größere Augen auf als das Weibchen, doch sind hier nicht mehr die oberen, sondern alle Facettenglieder gleichmäßig verlängert. Um das Sehen nach oben noch zu ermöglichen, sind die Augen des Männchens knopfförmig vom Kopfe abgesetzt. Aus der bis hierher verfolgten Reihe können wir uns die phylo- Senetische Entstehung der Stirnaugen von Clo& klar machen, die etwa folgendermaßen zu denken wäre: Die Augen des Männchens setzen sich knopfförmig vom Kopfe ab und zeigen eine Verlängerung der Facettenglieder (Ephemera). Die oberen Facettenglieder verlängern sich mehr; es entsteht zugleich ein Zusammenwölben der Augen über den Scheitel (Oligoneuria?). Die obere Hälfte des Auges erfährt eine Verminderung des Pigmentes (Chirotonetes). Die untere stark pigmentirte Hälfte setzt sich scharf gegen die obere weniger pig- mentirte ab; äußerlich tritt eine seichte Furche auf (Baötis). Diese Furche wird tiefer, so dass sie das Auge vollkommen in zwei Theile theilt. Der obere Theil erhält ein farbiges Pigment (Potamanthus). Nur die annähernd senkrechten Facettenglieder des oberen Theiles bleiben bestehen, während die anderen verschwinden. Die Krystall- kegel entfernen sich von den Rhabdomen (ÜUlo&). Palingenia virgo Ol. zeigt auch hier wieder ein völlig. abweichen- des Verhalten. Das Weibehenauge übertrifft hier das Männehenauge etwas an Größe. Dieses letztere zeigt nicht eine Verlängerung der Fa- cettenglieder nach oben hin, sondern eher im Gegentheil der nach unten zu gerichteten, wie Fig. 34 zeigt. Eine Erklärung dieser Erscheinung wäre gegeben, wenn man annimmt, dass die Begattung hier eben so stattfindet, wie sie CORNELIUS (1848) bei Palingenia longicauda Oliv. beobachtet hat. Er schreibt hierüber: »Zur Zeit, wenn die Menge der fliegenden Thiere ihre größte Höhe erreicht hat, schwimmt eine große Zahl von Weibchen ruhig auf der Oberfläche des Wassers, indem sie sich ganz passiv verhalten und den Besuch der Männchen erwarten, welche über dem Wasser dahinfliegen. Jetzt setzt sich ein Männchen auf das Weibchen, das gewöhnlich nur dann unruhig wird, wenn mehrere Männchen sich um seinen Besitz streiten. So- bald nun beide in Ruhe gekommen sind, weiß das Männchen zur 258 Carl Zimmer, rechten Seite des Weibchens sich so hinabzusenken und zu wenden, dass es fast ganz unter das letztere zu liegen kommt..... < In diesem Falle wäre es also klar, wesshalb der untere Theil des Auges die verlängerten Facettenglieder zeigt und zum Erkennen von Bewegungen geeignet ist. Ich halte es für wahrscheinlich, dass auch bei Palingenia virgo die Begattung in derselben Weise stattfindet. Denn dem Fluge scheint jenes Auf- und Niedertanzen zu fehlen. Ich sah die Thiere während der Dämmerung über dem Wasser schweben und gegen den Wind gerade so schnell anfliegen, dass sie ungefähr auf derselben Stelle blieben (cf. Nachtrag). Unter dem Material, das ich durch die Freundlichkeit des Herrn Professor KaArscH aus dem Berliner Museum erhielt, fand ich ein einziges Männchen, während die übrigen Exemplare — etwa 70 bis SO an der Zahl — alles Weibchen waren. Wenn dies Verhält- nis dem natürlichen auch nur annähernd entspricht, so hätten aller- dings die Männchen durchaus nicht nöthig, den Weibchen gegenüber irgendwie begünstigt zu sein. Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass sich eine Zweithei- lung des Auges bei den Insekten durchaus nicht so selten zu finden scheint: Bei Ascalaphus ist sie bekannt. RAmBur theilt in seinen »Nevropteres« (1842, p. 343) die »Ascalaphidei« ein in solche, deren Augen durch eine Furche getheilt sind, und solche, die diese Eigen- thümlichkeit nicht zeigen. Auch Exner erwähnt diese Theilung (1891, p. 128). Eaton scheint sie als allgemein bekannt vorauszu- setzen, denn er beschreibt die getheilten Augen der Ephemeriden durchgehend als »ascalophoid« (1888, Bd. IL, p. 82). CARRIERE er- wähnt die Augen von Bibio als getheilt. Als ich Ende März ein kleines Dipter mit getheilten Augen fing, sah ich die hiesige Dipteren- sammlung darauf hin durch und konnte schon nach flüchtigem Suchen bei folgenden Gattungen theils mehr theils minder getheilte Augen konstatiren: Pentethria, Dilophus, Bibio, Spania, Chrysopila, Callomyia. Überall waren es allein die Männchen, die getheilte Augen haben (nur bei Callomyia kann ich nicht mit Sicherheit angeben, ob nicht vielleicht auch das Weichen solche hat). Ihre Funktion wird also wohl ähnlich sein, wie bei Clo&; eine hellere Pigmentirung des oberen Theiles lässt sich fast überall schon äußerlich leicht erkennen. Eine Anzahl lebender Fliegen, die ich fing, aber noch nicht be- stimmt habe, zeigt ebenfalls gefurchte Augen. Weitere Mittheilungen hierüber behalte ich mir noch vor. | Bei den Formen, welche die weitgehendste Theilung des Auges Die Facettenaugen der Ephemeriden. 259 zeigen, nämlich den Schizopoden und Olo&, sind die accessorischen Augen Dunkelaugen. Daraus jedoch darf man durchaus nicht schließen, dass ein Leben in der Dunkelheit zum Zustandekommen einer der- artigen Erscheinung unbedingt nöthig wäre. Das Gegentheil beweisen die Libellen, Ascalaphus, viele Dipteren, alles Thiere, die im hellsten Sonnenscheine fliegen. Andererseits zeigen die meisten in der Dunkelheit lebenden Formen ein ganz normal gebildetes Auge, wie z. B. die auf dem Grunde der Tiefsee lebenden Kruster, so weit nicht ihre Augen ver- kümmert sind (Cmuun, 1896, p. 256). Wir finden eben eine Ungleichmäßigkeit in der Ausbildung des Auges da, aber auch nur da, wo die Lebensbedingungen das Thier auf ein Erkennen von Bewegungen anweisen. Breslau, im Juni 1897. Nachtrag. Nach Drucklegung der Arbeit ist es mir noch gelungen, Palin- genia virgo näher zu beobachten. Ich sah sie des Nachmittags und gegen Abend etwa !/, Meter hoch über dem Wasser eines ziemlich reißend fließenden Armes der Oder ohne jedes Auf- und Niedertanzen dahinfliegen. Ab und zu schien sich dann ein oder das andere Thier auf das Wasser niederzustürzen. Leider konnte ich nicht so nahe an das Wasser herankommen, dass es mir gelungen wäre, zu kon- statiren, ob die fliegenden Thiere Männchen waren, und ob die Weib- chen auf dem Wasser dahin schwammen; doch halte ich es für höchst wahrscheinlich, dass die Begattung so vor sich geht, wie sie CoR- NELIUS von P. longicauda beschreibt. Dass unter dem aus Berlin übermittelten Material sich nur ein Männchen befand, beruht wohl darauf, dass vielleicht seiner Zeit der Sammler des Materials es nur auf Weibehen abgesehen hatte. Unter den Thieren, die ich fing, befanden sich ungefähr eben so viel Männchen wie Weibchen. TASCHENBERG schreibt über die Häutung der Subimago zur Imago der Ephemeriden (BREHw’s Thierleben, 1877, Bd. IX, p. 508): »Mir ist aus meiner Jugendzeit, wo ich dergleichen Dinge mit anderen Augen ansah als heutigen Tages, noch in der Erinnerung, eine solche Häutung in der Luft während des Fluges wahrgenommen zu haben.« Eine solehe Häutung in der Luft halte ich bei P. virgo Ol. für ziem- lich sicher. In den ersten Abendstunden sah ich unter den fliegen- 260 Carl Zimmer, pn den Thieren sehr viele, welche die Subimagohaut noch am Hinter- leibe hängen hatten und niemals bemerkte ich ein sitzendes Thier, trotz der ungeheuren Menge, in der P. virgo dieses Jahr wieder auftrat. Die enormen Augen des Männchens von Baätis und Chirotonetes entwickeln sich erst während des Puppenstadiums. Die obere Hälfte liegt, wie das Stirnauge von Clo& zunächst noch unter der Haut, um erst bei der Subimago in Funktion zu treten. Ganz ähnlich liegen übrigens auch die Verhältnisse bei den Libellen. Breslau, den 1. September 1897. Litteraturangabe., E. BERGER, Untersuchungen iber den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. Bd. I. 1878. p. 1 bis 48. Taf. I—V. J. CARRIERE, Kurze Mittheilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die - Sehorgane. Zool. Anz. IX. 1893. p. 479—481. C. Chun, Atlantis. Biologische Studien über pelagische Organismen. Biblioth. zoolog. Heft 19. 1896. p. I—V, 1—260. Taf. I-XX. G. V. Cıaccıo, Sopra la notomia minuta degli occhi della Clo& diptera. Rend. Accad. Se. Bologna 1880/81. p. 71—81. Referat: Journ. of the R. Mier. Soc. 1882. II. p. 609. —— Della minuta fabbrieca degli occhi de’ Ditteri. Mem. della R. Accad. dell. Se. dell. inst. d. Bologna. T. IV. 1884. p. 605—660. Abbild. p. 45—51. Taf. I—XIl. C. CrAus, Der Organismus der Phronimiden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. Bd. II. 1879. p. 59—88. Taf. I-VII. CORNELIUS, Beiträge zur näheren Kenntnis der Palingenia longicauda Oliv. Elberfeld 1848. Referat: Arch. f. Naturgesch. 15. Jahrg. Bd. II. 1849. p. 189190. DE GEER, Abhandl. zur Geschichte der Insekten. Aus dem Franz. übersetzt von J. A. E. GöTZzE. 1779. Bd. I—-VI. A. E. EATon, A revisional monograph of recent Ephemeridae or Mapyflies. Transact. of the Linn. soe. of Lond. 2. Ser. Vol. III. Zoologie. 18SS. p. 1—352. Taf. I-LXV. S. ExNnER, Die Physiologie der facettirten Augen von Krebsen und Insekten. Leipzig u. Wien 1891. p. I—-VII, 1—206. Taf. I-VI. H. GRENACHER, Untersuchungen über das Solana der Arthropoden, insbeson- dere der Spinnen, Insekten und Crustaceen. Göttingen 1879. p. I-VIII, 1—188. Taf. I—X1. H. JAKOBSEN, Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. Bd. VI. 1893. p. 445—480. Taf. XXIII-XXIV. F. J. Pıcter, Histoire naturelle des insectes nevropteres. Famille des Ephöme- rines. Geneve 1845. p. 1—X, 1—300. Planches p. 1—19. Pl. I-XLVLH. Die Facettenaugen der Ephemeriden. 361 REAUMUR, Memoires pour servir & l’histoire des insectes. 1742. Bd. I-XIII. B. ROSENSTADT, Beiträge zur Kenntnis des zusammengesetzten Auges bei den Dekapoden. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. XLVII. 1896. p. 748—770. Taf. XXIX u. XXX. A. VayssıurE, Rechesches sur Porganisation des larves des Ephemörines. Ann. d. sc. nat. 6. ser. Zool. T. XIII. 1882. p. 1—137. Pl. I-X1. Erklärung der Abbildungen, | Die Zeichnungen sind mit dem WiInkEr'schen Zeichenapparate angefertigt. Die Bilder der Schnitte durch den ganzen Kopf sind halb schematisch. Allgemein gültige Bezeichnungen: C, Cornea; KZ, Krystallkegelzelle; CK, Corneakern; M, Muskel; CZ, Corneazelle; MT, Mundtheil; Cm, Kommissur zum unteren Schlund- NPZ, Nebenpigmentzelle; ganglion; N St, Nebenstäbchen; D, Darm; P,.. Pigment; FZ, Fettzellen; R, Retinula; G, Gehirn; RK, Kerne der Retinulazellen; Go, Ganglion opticum; RZ, Retinulazelle; HPZ, Hauptpigmentzellen; T, Trachee; K, Krystallkegel; uSG, unteres Schlundganglion. KK, Krystallkegelkern; Tafel XII. Fig. 1—9. Clo& fuscata L. Fig. 1. Schnitt durch Seiten- und Stirnauge des d. rK, rudimentäre Kegel; *, Kerntheile der Retinulae, zu denen keine Krystallkegel mehr ausge- bildet sind. Wiısker III, 3. Vergr. 186. Fig. 2. Schnitt durch den Kopf des 3. Vergr. 54. Fig. 3. Schnitt durch den Kopf des ©. Vergr. 54. Fig. 4. Obere Partie der Facettenglieder des Stirnauges. Rechts ein Krystallkegei mit den Nebenpigmentzellen, links einer ohne diese, in der Mitte ein Längsschnitt. WinkEL I, 8. Vergr. 530. Fig. 5. Querschnitt durch die Region der Corneakerne. Wınken III, 8. Vergr. 889. Fig. 6. Querschnitt durch die Region der Krystallkegelkerne.. WINKEL HI, 5. Vergr. 889. Fig. 7. Querschnitt durch die Region der Krystallkegel. Wınken III, 8. Vergr. 889. | | Fig. 8. Querschnitt durch die Region des Kerntheiles. Wınken III, 8. Vergr. 889. Fig. 9. Querschnitt durch die Region des Rhabdomtheiles. Winker III, 8. Vergr. 889. Fig. 10—13. Clo& pumila Burm. Fig. 10. Schnitt durch das Stirnauge. rK, rudimentäre Kegel; *, Kern- 262 Carl Zimmer, Die Facettenaugen der Ephemeriden. theile der Retinulae, zu denen kein Krystallkegel mehr ausgebildet ist. WINKEL I, 5. Vergr. 288. Fig. 11. Querschnitt durch die Region des Kerntheiles. WıxkeEu III, 8. Vergr. 889. Fig. 12. Querschnitt durch die Basis der Retinula. WınkEL III, 8. Vergr. 889. Fig. 13. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne am äußersten Rande des Auges, wo keine Krystallkegel mehr ausgebildet sind. Tafel XIII. Fig. 14—18. Potamanthus brunneus Pict. Fig. 14. Schnitt durch Stirn- und Seitenauge des 5. Leitz, 1,3. Vergr. 111. Fig. 15. Schnitt durch den Kopf des 3. Vergr. 54. Fig. 16. Schnitt durch den Kopf des ©. Vergr. 54. Fig. 17. Oberer Theil eines Facettengliedes. Leitz I, 6. Verg. 484. Fig. 18. Schnitt durch den mittleren Theil eines Facettengliedes. LEITZ I, 6. Vergr. 484. Fig. 19—22. Baötis cerea Pict. Fig. 19. Oberer Theil eines Facettengliedes. Die Nebenpigmentzellen sind in der Zeichnung bis auf zwei weggelassen. LEITZz I, 6. Vergr. 481. Fig. 20. Schnitt durch die Region zwischen Cornea und Krystallkegel. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 21. Schnitt durch die Region der Krystallkegel. LEITZ I, 6. Vergr. 484. Fig. 22. Schnitt durch das Auge des $. WinkEL I, 3. Vergr. 94. Fig. 23—28. Chirotonetes ignotus Walk. Fig. 23. Oberer Theil eines Facettengliedes. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 24. Querschnitt durch die Region der Krystallkegelkerne Leitz 1, 6. Vergr. Asa. a Fig. 25. Querschnitt durch die Region der Hauptpigmentzellen. LEITZz I, 6. Vergr. 484. Fig. 26. Querschnitt durch die Region des obersten Theiles der Retinula. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 27. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 25. Querschnitt durch die Region unter den Retinulakernen. LEITZ I, 6. Vergr. 484. (In Fig. 26—28 sind die Retinulazellen depigmentirt gezeichnet.) Fig. 29. Schnitt durch das obere Ende der Retinula von Ephemera vul- gata L. Leitz ], !/ıs- Vergr. 1215. Fig. 30—33. Palingenia virgo Ol. =. Fig. 30. Längsschnitt durch ein Facettenglied. Bei * sieht man den siebenten Retinulakern durchschimmern. Leıtz I, 6. Vergr. 484. Fig. 31. Querschnitt durch den obersten Theil eines Facettengliedes. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 32. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne. Leitz I, 6. Vergr. 484. Fig. 33. Querschnitt durch die Region des siebenten Kernes. LEITz I, 6. Vergr. 484. Fig. 34. Schnitt durch den Kopf von Palingenia virgo Ol. $. Vergr. 38. Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regenerationsprocessen der Naiden. Von Paul Hepke, prakt. Thierarzt. (Aus dem zoologischen Institut zu Breslau.) Mit Tafel XIV und XV. Die naidomorphen Oligochäten besitzen bekanntlich in hohem Maße die Fähigkeit, Organe und Körpertheile, deren sie verlustig gegangen sind, zu reproduciren, so dass ein Individuum dieser Fami- lie sich immer wieder zu einem vollständigen Thiere ergänzt, so- bald es bis zu einem gewissen Grade irgend welcher Körpertheile be- raubt wird. In der freien Natur erleiden die Naiden derartige Verstiimme- lungen außerordentlich häufig durch diejenigen Thiere, welchen sie zur Nahrung dienen, und bei der Zartheit und Form des Naiden- körpers ist es erklärlich, dass eine solche Verletzung selten als ein- _ faches Trauma ausfällt, sondern meist einer vollständigen Amputation irgend eines Körpertheils gleichkommt, verursacht durch die Beiß- werkzeuge des naidenfressenden Thieres. Dass hierbei die Art der Amputationswunde hinsichtlich ihrer Lage und Beziehung zur Längs- achse des Thierkörpers die mannigfachsten Verschiedenheiten aufzu- weisen vermag, ist ebenfalls denkbar. Experimentell lassen sich solche Amputationen durch Anlegen von Schnitten am Naidenkörper nachahmen, die in eben so verschie- denen Körperregionen und Richtungen zur Längsachse desselben angebracht werden können, und alsdann ist auch hier unter &eeig- neten Bedingungen eine vollständige Regeneration der fehlenden Körpertheile die Folge. 264 Paul Hepke, l. Litterarisches. Mit Regenerationsprocessen im Allgemeinen hatte sich im vorigen Jahrhundert bereits TREMBLEY beschäftigt, welcher seine Versuche an Süßwasserhydren machte. Ihm folgten dann bald Bonxer (1) und REAUMUR (13) mit ihren Experimenten an Regenwürmern und später- hin hauptsächlich OÖ. F. MÜLLER (10), Duc&s (5), LEUCKART (9) und QUATREFAGES (11). Unter den Autoren, welche in neuerer Zeit die Regeneration zum Gegenstande ihrer Untersuchungen machten, sind besonders SEMPER (14, 15) und BüLow (3, 4) zu nennen. Ersterer giebt in seinem Werke über die Verwandtschafts- beziehungen der gegliederten Thiere (14) an, dass in dem auswachsen- den Afterende einer Nais der centrale Theil des Nervensystems (Cen- tralganglion) durch eine ungegliederte Ektodermverdiekung entsteht, dass dagegen die beiden seitlichen Ganglien (Spinalganglien) aus den medialen Partien der Mesodermplatten sich entwickeln und erst sekundär mit dem Centralganglion verwachsen. Bezüglich der Knospung der Naiden gelangt SEMPER in derselben Arbeit zu folgenden Schlüssen: Die Knospungszone der Naiden, welche sich aus der Rumpfzone des vorderen und der Kopfzone des hinteren Zooids zusammensetzt, entsteht durch Vermehrung und Einwucherung der Epidermiszellen im Bereiche der Seitenfelder. Das neue Mesoderm der Knospungszone bildet sich durch Wuche- rung vom Ektoderm her in Form von Platten, welche später in Ur- segmente zerfallen. | Das Wachsthum des Darmes in der Knospungszone geschieht durch Auftreten von Zellnestern in der Darmwandung. In der Rumpfzone decken sich die weiteren Entwicklungsvor- gänge, besonders auch die des Nervensystems, genau mit denen im wachsenden Schwanzende. Die Kopfzone dagegen hat keine neurale Ektodermverdickung aufzuweisen; jedoch wächst hier das vorderste centrale Rumpfsanglion in diese Zone hinein. Der Schlundring und zum Theil das obere Schlundganglion ent- steht aus dem Kopfkeimstreifen; zur Bildung des dorsalen Theiles des Schlundringes tragen außerdem noch zwei >Sinnesplatten bei, welche gesondert aus dem Ektoderm hervorgehen. Der Schlundkopf entsteht durch Verschmelzung zweier meso- EIN Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 365 dermal entstandener »Kiemenganghöhlen« mit dem Darm, der Mund durch Einsenkung des Ektoderms gegen den Schlundkopf hin. BüLow fasst in seinem Werke über die Keimschichten im wach- senden Schwanzende von Lumbriculus (3) seine Resultate in folgen- den Sätzen zusammen: 1) Das Mesoderm entsteht durch Einwucherung von Zellen, welche aus der Übergangsstelle von Ektoderm und Entoderm ihren Ursprung nehmen. 2) Das mittlere Keimblatt bildet bald zwei Mesodermkeimstreifen, welche sich früher gliedern als die neurale Ektodermverdickung. 3) Der centrale Theil des Bauchnervensystems, dessgleichen die Spinalganglien entstehen aus einer paarigen Ektodermanlage; es kommen zu dem nervösen Theil des Bauchnervenstranges vom Lumhri- eulus keine mesodermalen Elemente hinzu, wie SEMPER dies für die Naiden angiebt. Ferner sagt er: »Die Muskelplatten und die sonstigen musku- lösen Elemente sind mesodermalen Ursprungs, dessgleichen Segmen- talorgane, Leberzellen und Blutgefäßsystem. — Die Borsten und nervösen Seitenlinien stammen aus dem Ektoderm, ihre Nebenappa- rate (Muskulatur) aus dem Mesoderm.«< Ein zweites Werk von BüLow (4) sowie ein solches von SEMPER (15) behandeln die Frage der Regeneration nach einer ganz anderen Richtung hin als die vorliegende Arbeit; dasselbe gilt hinsichtlich der späteren Abhandlungen von Fraısse (6), BRAEM (2), GIARD (7) und HESCHELER (8). Dagegen schließt sich eine Arbeit von RANDoLPpH (12) in ihren Resultaten der erstgenannten von BÜLow (3) im großen Ganzen an. Nur soll nach RawpoLpH das Mesoderm aus großen Peritonealzellen, sogenannten »Neoblasten« (SEMPER’s »Chordazellen«) hervorgehen, nicht aber aus der Übergangsstelle von Ektoderm und Entoderm. Erst nach Abschluss dieser meiner Arbeit erschienen einige an- dere sich mit dem gleichen Gegenstande beschäftigende Abhand- lungen, die hier kurz diskutirt werden mögen. Zunächst kommt eine Arbeit von RIEvEL über »die Regeneration des Vorderdarmes und Enddarmes bei einigen Anneliden« (diese Zeitschr. Bd. LXII, 1896, p. 289—339) in Betracht, durch deren Erscheinen ich mich veranlasst sah, die Resultate meiner nachfolgen- den Abhandlung in Form einer vorläufigen Mittheilung (Zool. Anzeiger - Nr. 250, 1896) zu veröffentlichen. Die Untersuchungen RıEveErL’s führen hinsichtlich der Naiden 266 Paul Hepke, zu folgenden, in wesentlichen Punkten von den meinigen abweichen- den Resultaten: Am Hinterende tritt kurze Zeit nach der Durchschneidung des Thieres ein Verschluss sowohl der Körperwand als auch des Mittel- darmes ein, so dass letzterer innerhalb der nunmehr geschlossenen Leibeshöhle als Blindsack endigt. Herbeigeführt wird dieser Ver- schluss durch »Granulationsgewebe«, welches aus den vorhandenen Mesenchymelementen entsteht und in dem RIEVEL mehrere Arten von Zellen unterscheidet; nur eine dieser Zellenarten kommt kon- stant an einer bestimmten Stelle vor, die übrigen sind als nicht be- sonders lokalisirt beschrieben. Der in seinem Endtheil geschlossene Darm wächst nun weiter nach hinten, gelangt durch das zur Seite tretende Granulationsgewebe bis zum Körperepithel und durchbricht auch dieses, während seine Wandungen mit der Körperwand in Verbindung treten und gleich- zeitig diejenigen Zellen, welche seinen Verschluss bewirken, aus einander weichen, so dass nunmehr das Darmlumen mit der Außen- welt kommunieirtt. Der Darm wuchert darauf noch eine kurze Strecke weit über das Körperende hinaus, zieht sich aber bald wie- der zurück, womit dann die Regeneration des Enddarmes einschließ- lich des Anus ihr Ende erreicht hat. Die Wiederherstellung des Vorderdarmes und Mundes findet in sanz analoger Weise statt, nur mit dem Unterschiede, dass sich hier die Regenerationsvorgänge durch die Ausbildung des birnförmigen Pharynx ein wenig kompliciren. Es entsteht also nach RırveL der Vorder- und Enddarm der Naiden bei der Regeneration aus dem Entoderm, und die Neubildung des Mundes und Afters geht durch Verschmelzung des Mitteldarm- epithels mit dem Körperepithel von statten, ohne dass sich hierbei eine Einstülpung des letzteren betheiligt. Hieraus geht hervor, dass sich die Resultate RiEvEL’s — Re- generation des neuen Verdauungstractus aus dem Entoderm — und die meinigen — Entstehung desselben aus dem Ektoderm — schroff gegenüber stehen. ; Zur Beleuchtung dieser Verhältnisse will ich hier lediglich her- vorheben, dass dasjenige neue Gewebe, welches RIEVEL schlechthin als »Granulationsgewebe« bezeichnet, keineswegs nur so einfach aus mehreren durch einander liegenden Zellsorten besteht, sondern dass sich dasselbe aus den in meiner Abhandlung ausführlicher beschrie- benen, geradezu typisch auftretenden, knospenartigen Organanlagen . Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 267 zusammensetzt, die schon sehr früh als solche zu erkennen ‚sind und in dem steten Zusammenhange ihrer Basis mit dem Ektoderm ein untrügliches Kriterium für ihre ektodermale Herkunft besitzen. Diese Anlagen wachsen dann mit ihren freien Enden in der Richtung nach der Amputationsstelle des von ihnen zu regenerirenden Organs hin, bis sie schließlich letzteres erreichen und sich mit ihm verbinden. Wohl habe auch ich in meiner Abhandlung angegeben, dass der alte Darm an seiner Durchschneidungsstelle einige neue Zellen bildet; allein diese haben anscheinend nur den Zweck, den Darm gegen die Leibeshöhle hin abschließen zu helfen; für die Förderung der Regene- ration selbst ist das Auftreten dieser wenigen Zellen nahezu be- deutungslos. er Die nebenher erwähnte Beobachtung Rırver’s, dass das obere Schlundganglion vom Körperepithel, also vom Ektoderm regenerirt wird, stimmt mit meiner Erfahrung überein; jedoch muss ich der Behauptung, dass das untere Schlundganglion sich durch Theilung derjenigen Zellen ergänzt, welche noch von dem (— wahrscheinlich durchsehnittenen —) Ganglion übrig geblieben sind, ganz entschie- den widersprechen, und da dieser Punkt von RıEvEL mehr als Nebensache behandelt wird, so kann ich hinsichtlich desselben nur auf die diesbezüglichen Stellen meiner Arbeit verweisen. Während sich nun aber zwischen Rırver’s Resultaten und den meinigen fundamentale Unterschiede zeigen, führt eine Arbeit von AUGUSTE MICHEL, »Sur le bourgeon de regeneration caudale chez les Annelides« (Labor. d’Evolution. — Sorbonne — Paris, 7. et 14. De- cembre 1896), fast zu denselben Ergebnissen wie meine Versuche. MiıcHEL sagt am Schluss dieser Arbeit der Hauptsache nach Folgendes: »Die Regenerationsknospe ist ektodermalen Ursprungs, d.h. die Epidermis erzeugt durch Proliferation ein indifferentes Ge- webe, welches sich späterhin differenzirt, und zwar entsteht aus den oberflächlichen Zellen das neue Ektoderm und Entoderm, aus Zellen aber, welche in das Innere eingedrungen sind, Muskelbündel, Binde- gewebe, Gefäße etec.« Was die Bildungsweise des Nervenstranges anbelangt, so be- hauptet MıcHEL, dass derselbe bei den Polychäten ektodermal entstehe, bei den Oligochäten dagegen mesodermal; er scheint je- doch hier den Ausdruck »mesodermal« nieht in rein entwieklungs- geschichtlichem Sinne zu gebrauchen, sondern damit nur topo- graphisch (»simple expression topographique sans grande valeur«) die weiter innen befindliche Lage des betreffenden Gewebes andeuten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 18 268 Paul Hepke, zu wollen, zumal er dasselbe als eine »innere ventrale Masse<« be- zeichnet, »welche noch eben so indifferent ist als das neue Ekto- derm«. In dieser Auffassung bestärkt mich andererseits auch noch der Umstand, dass MicHeL bei der Erwähnung derjenigen in das Innere eindringenden Zellmassen, welche Muskelbündel, Bindegewebe, Ge- fäße, also ausgesprochen mesodermale Gebilde produciren, vom Meso- derm gar nichts verlauten lässt. Wenn ich daher Mıcner richtig verstehe, so will er mit der ‚inneren ventralen Masse«, welche bei den Oligochäten den Nerven- strang bildet und die er »mesodermal« nennt, sicherlich nichts An- deres bezeichnen als die ektodermale Neuralanlage, welche das Ektoderm mit der Durchschneidungsstelle des alten Nervenstranges verbindet. Demnach würden sich unsere Resultate dann auch in diesem Punkte decken. Ferner giebt F. v. WAGNER in einer Mittheilung über die »Re- generation des Vorderdarmes bei Lumbrieulus<« (Zool. Anzeiger vom 15. März 1897, Bd. XX, Nr. 526, p. 69—70) an, dass hier die zuerst entstehende und als Mund bezeichnete Öffnung an der Berührungs- stelle des Ektoderms mit dem regenerirten und an die Oberhaut herangewachsenen entodermalen Darmabschnitt nur provisorische Bedeutung besitzt. Diese Mundöffnung schließt sich nämlich später wieder, und es erfolgt dann eine fortschreitend tiefer greifende, trichterförmige Einsenkung des Ektoderms, wodurch es zur Bildung eines typischen Stomodäums und eines definitiven Mundes kommt, welcher mit der früheren, provisorischen Mundöffnung nichts ge- mein hat. Wie aus meinen Befunden hervorgeht, fällt bei den Naiden das Auftreten einer derartigen provisorischen Mundöffnung vollständig weg. Hier persistirt stets die erste Mundöffnung als definitiver Mund, welcher durch triehterförmige Einsenkung des Ektoderms und Zusammenfließen des Lumens derselben mit dem Pharyngeallumen zu Stande kommt. Die Entwicklungsweise des Mundes der Naiden entspricht also nur derjenigen, welche nach v. WAGNER beim Entstehen des defini- tiven Mundes von Lumbrieulus in die Erscheinung tritt. il. Präparationsmethode. Um an den Naiden in bequemer Weise die Amputation vor- nehmen zu können, legte ich sie auf Objektträger. Dann führte ich Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 269 den Schnitt meist quer durch die Mitte des Thierkörpers, brachte hier- auf die Objekte in geeignete, kleine Aquarien und präparirte sie in den verschiedenen Stadien der Regeneration behufs Anfertigung von Schnitten für die mikroskopische Untersuchung folgendermaßen: Zuerst übergoss ich die in Regeneration befindlichen Thiere auf einer größeren Glasplatte mit kochender, koncentrirter Sublimat- lösung. Nachdem diese erkaltet war, legte ich die Objekte in ein Uhrschälehen mit destillirtem Wasser von 42° Ö©., worin sie 5 Minu- ten lang verblieben. Alsdann übertrug ich dieselben in Pikrokarmi- num CHun (das Recept hierfür ist noch nicht publieirt), welches sich speciell für meine Untersuchungszwecke als ganz vorzügliches Färbe- mittel erwies. Diese Flüssigkeit wurde nun mit den Präparaten auf 42° ©. erwärmt und 8 bis 10 Minuten lang in dieser 'Temperatur- höhe erhalten. Darauf wusch ich die Objekte zuerst in kaltem, dann in war- mem Wasser von 42° C. aus und brachte sie hinter einander für die Dauer von je 2 Minuten in 40-, 70- und 90procentigen und zuletzt zweimal in absoluten Alkohol von stets 42°C. Nachdem der zuletzt verwendete Alkohol bis zur Zimmertemperatur abgekühlt war, führte ich die Präparate in Terpentinöl über, welches ich langsam auf ca. 40° ©. erwärmte. Die Erwärmung wurde stets im Uhrschälehen vorgenommen und durch öfteres Aufsetzen desselben auf die obere Handfläche kontrol- lirt. Wird hierbei ein gerade noch warmes, aber nicht stechendes Gefühl erzeugt, so ist die gewünschte Temperatur von annähernd 42° C. erreicht. Nach der Behandlung mit Terpentinöl bettete ich die Objekte auf die herkömmliche Weise in Paraffın ein, zerlegte sie je nach Bedarf in Sagittal-, Transversal- und Frontalschnitte von durchweg '/aod? mm Dicke und verarbeitete sie alsdann zu Dauerpräparaten. Die Objekte, an welehen ich meine Studien machte, stammten aus Gräben und Tümpeln in der Nähe der Oder bei Breslau; sie sehörten vorwiegend Nais elinguis an, und nur selten fanden andere Nais-Arten (proboseidea und longiseta) Verwendung. Von meinen Präparaten sind einige im Winter, andere im Som- mer hergestellt worden, und da diese sich unter einander ergänzen, so kann ich im Folgenden die einzelnen Stadien der Regeneration nicht als nach numerisch bestimmten Zeiträumen eintretend angeben, zumal durch die bisherigen Forschungen festgestellt ist, dass die Regeneration im Sommer bedeutend schneller von statten geht als 182 270 Paul Hepke, im Winter. Auch einige andere kleine Unterschiede, wie z. B. der, ob die Amputation in der vorderen oder hinteren Körpergegend oder an einem geschlechtsreifen oder im Zustande der Knospung befind- lichen Individuum vorgenommen worden ist, haben wohl etwas Ein- fluss auf die Gesammtdauer des Regenerationsprocesses, keineswegs aber auf die Reihenfolge sowie die Art und Weise des Verlaufs der histo- und organogenetischen Vorgänge. Ich lasse daher diese Unter- schiede, sofern sie sich lediglich auf die Dauer des ganzen Regene- rationsprocesses oder seiner einzelnen Phasen beziehen, vollkommen unberücksichtigt. Ill. Eigene Beobachtungen. A. Verschluss der Wundränder. Sobald einer Nais ein Theil ihres Körpers amputirt worden ist, ganz gleich ob Kopf- oder Schwanzende, geht Folgendes vor sich: Zunächst findet eine heftige Kontraktion der Cirkularmuskel- fasern statt, welche in der Nähe der Durchschneidungsstelle gelegen sind. In Folge dessen werden die Wundränder der Körperwand, die in ihrer Gesammtheit ungefähr einem Kreise entsprechen, einander so sehr genähert, dass die Leibeshöhle des Thieres gegen das um- gsebende Medium hin vollständig abgeschlossen erscheint. Einige Zellen der Epidermis, welche durch den Schnitt etwas gelockert worden waren, dem Wundrande ein zerfetztes Aussehen verleihen und auch dem sofortigen festen Verschluss der Wunde hinderlich sind, werden bald abgestoßen, so dass von denselben schon nach wenigen Stunden nichts mehr zu sehen ist und das betreffende Körper- ende dann eine mehr oder weniger glatte Außenfläche besitzt (Fig. 1 und 2). Gleichzeitig mit dem schnellen Verschluss dieser Wundränder findet auch eine Kontraktion des Darmes statt, welche zur Folge hat, dass das Lumen desselben durch Zusammentreten seiner Wund- ränder, die auch hier einen Kreis repräsentiren, außer Kommunikation mit der Leibeshöhle tritt (Fig. 1). Mit der Kontraktion des Darmes ist aber auch eine Retraktion desselben verbunden, welche bewirkt, dass sein Ende etwas central- wärts zurücktritt. In Folge dessen erscheint nun das Ende des nicht kontraktilen Nervenstranges dem Körperende etwas näher gelesen als das des Darmes (Fig. 2), und es ist dadurch außerdem zwischen der Durchschneidungsstelle der Körperwand einerseits und der des Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 97 1 Darmes andererseits ein freier Raum geschaffen, welcher nunmehr der Leibeshöhle angehört, an dessen Stelle sich aber früher das Darm- rohr befand (Fig. 1 und 2). Ich verfehle nicht, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass RAnDOLPH (12) für Lumbrieulus hinsichtlich des Ver- haltens der Wundränder bei der Theilung des Wurmes angiebt: »The outer wall is curved inward, and the wall of the intestine outward, so as to almost or quite shut in the coelomie cavity of the end ‘somite.), das hinterste dagegen an ein altes Dissepiment, vor dem der Ampu- tationsschnitt gerade geführt worden war. Dass dieser Vorgang identisch ist mit dem Gliederungsprocess der Mesodermplatten, der auch im normalen, wachsenden Schwanzende der Naiden stattfindet, lässt sich hieraus unschwer erkennen. Mittlerweile sind aber auch einzelne Mesodermzellen in ver- schiedenen einschichtigen Gruppen an die Innenfläche der neu ge- bildeten Körperwand, welche jetzt schon aus Epidermis und Ring- muskelfasern besteht, getreten. — Erstere hatte sich nämlich in der Zwischenzeit auf die Weise mit Ringmuskeln versehen, dass einzelne Zellen nach Abschnürung der Neuralanlage aus dem Ektoderm her- ausgewuchert sind, sich dann verlängert und quer zur Längsachse des Körpers an die Innenwand der Epidermis gelest haben (Fig. 16 rm). — ‚Jene zu einschiehtigen Gruppen zusammengetretenen Mesoderm- u Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 385. zellen sind alsdann am Kopf- und Schwanzende allmählich zu Längsmuskelplatten ausgewachsen, unter denen sich nun deutlich eine cardiale (Fig. 24 cm), eine neurale (Fig. 24 nm) und je zwei (dorso- und ventro- [Fig. 24 em! bezw. »mi]) laterale Muskelplatten unterscheiden lassen. Am Kopfende verschmelzen die beiden dorso- lateralen und die cardiale Platte sehr bald zu einer einzigen, wäh- rend am Schwanzende das zuerst geschilderte Verhältnis bestehen bleibt. Kurz bevor sich nun am Kopfende die Mundöffnung, aber lange nachdem sich am Schwanzende bereits die Analöffnung gebildet hat, sieht man an Transversalschnitten, dass die Elemente der ehedem seitlich gesehenen mesodermalen Zellplättchen zu einzelnen Haufen zusammenzutreten beginnen, und zwar ist diese Gruppirung in einem jeden der vier Plättchen am Kopfende gleichmäßig erkennbar, tritt dagegen am Hinterende, das in diesem Stadium schon dieselben Verhältnisse aufweist wie ein normales, wachsendes Schwanzende, in der Nähe der ehemaligen Amputationsstelle deutlicher hervor als weiter hinter derselben. Am Kopfende arrangiren sich nun die Zellen innerhalb eines jeden dieser Plättehen im Querschnitt zu drei Zellhaufen. Zwei derselben liegen in der Lücke, welche sich zwischen Neural- und Ventrolateralmuskel befindet, derart, dass der größere Haufen an der Körperwand, der kleinere mehr nach innen zu gelegen ist (Fig. 24 vd u. 24 sg). Der dritte Haufen liegt zwischen dem Ventro- lateralmuskel und der Muskelplatte, welche durch Verschmelzung der dorsolateralen und der cardialen Platte entstanden ist (Fig. 24 sl). Am regenerirenden Schwanzende kommt zu diesen drei Zell- haufen noch ein vierter hinzu (Fig. 24 db); dieser liegt in der Lücke zwischen der cardialen und der dorsolateralen Muskelplatte, welche bekanntlich am Schwanzende nicht mit einander verwachsen. Von den übrigen Zellen, welche nicht an der Bildung dieser Haufen theilnehmen, haben sich inzwischen einige an die Außen- fläche des neuen Darmes angelegt (Fig. 24 p), andere dagegen sind mit den Blutgefäßen in Verbindung getreten (Fig. 15 vz u. 24 v2), und der Rest dieser Zellen befindet sich scheinbar ohne besonderes Ziel im freien Raum der Leibeshöhle (Fig. 16 /z u. 24 2). Im weiteren Verlaufe der Regeneration treten nun die beiden unteren Zellhaufen, welche zwischen der neuralen und ventrolatera- len Muskelplatte liegen, mit-dem Ektoderm dadureh in Verbindung, dass zuerst in den dem Ektoderm am nächsten gelegenen Haufen 1 236 Paul Hepke, Ektodermzellen hineinwachsen, welche späterhin die Bauchborsten ausbilden, während dieser selbst seine Eigenschaft als Borstenbeutel beweist; alsdann tritt auch der andere, centralwärts daneben ge- egene Zellhaufen, der in Fig. 24 nur rechts zu sehen ist, mit dem Ektoderm in Verbindung und bildet so das Segmentalorgan der ent- sprechenden Seite des betreffenden Segments. Der Haufen, welcher zwischen den beiden lateralen Muskelplatten liegt, von denen die dorsale vorn beiderseits mit der Cardialplatte verwachsen ist, er- weist sich demnächst als Bestandtheil der Seitenlinie und der vierte Zellhaufen, der sich auf Querschnitten am Hinterende zwischen der cardialen und der dorsolateralen Muskelplatte gezeigt hatte, doku- mentirt sich später, nachdem ebenfalls einige Zellen in ihn vom Ektoderm her hineingewandert sind, welche die langen Rücken- borsten abscheiden, als Rückenborstenbeutel seines Segments. Diejenigen Zellen, welche sich einzeln an den Darm angelegt hatten, bekommen nun mit der Zeit Pigment, so dass sie dann als »Leberzellen<« anzusprechen sind. Die anderen zelligen Elemente, die an die Blutgefäße herangetreten waren, helfen dieselben weiter ausbilden. Die übrigen Zellen aber, welche sich frei und scheinbar ohne bestimmtes Ziel in der Leibeshöhle befinden, erweisen sich schließlich als identisch mit den in der Leibesflüssigkeit umher flottirenden zelligen Gebilden. D. Neoblasten und Sexualorgane. Endlich will ich nur noch kurz derjenigen Zellen Erwähnung thun, welche Semper als »Chordazellen«, RANDOLPH als »Neoblasten« bezeichnet. et. Zunächst muss ich bemerken, dass ich dieselben an regeneriren- den Schwanzenden, sobald sich die Mesodermplatten hier zu ent- wickeln begonnen hatten, stets genau nachweisen konnte; sie liegen, wie SEMPER (14) für das wachsende Schwanzende angiebt, zwischen der Neural- und Intestinalanlage und lassen sich von den hinteren Partien des Schwanzendes bis zur Amputationsstelle hin verfolgen, so lange die Regenerationsprocesse in den Theilen, welche derselben zunächst liegen, ihren Abschluss noch nicht erreicht haben. Später konnte ich dort keine Chordazellen mehr entdecken; sie reichten dann eben nur so weit nach vorn wie im normalen, wachsenden Schwanzende (Fig. 18, 19 u. 20c}). In den regenerirenden Theilen des Kopfendes Chordazellen zu finden, ist mir dagegen niemals ge- lungen. Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 337 Was nun RaAwporeH (12) hinsichtlich der Bedeutung seiner »Neoblasten«, also der »Chordazellen« SEMPER’s angiebt, nämlich dass sie dazu da seien, um möglichst schnell wieder neues Mesoderm- sewebe zu bilden, sobald durch irgend einen Umstand dazu Ver- anlassung gegeben ist, hat sich bei meinen Regenerationsversuchen an den Naiden durchaus nicht bethätigt; denn ich hatte hier nie Gelegenheit zu konstatiren, dass von der Gruppe der Neoblasten aus sich jemals Zellen abzweigten oder zur Bildung von Mesodermgewebe beitrugen, und obwohl mitunter eine Theilung derselben stattfand, so behielten die daraus entstandenen Produkte ihren Platz doch be- ständig bei. Über die Regeneration der Sexualorgane kann ich aus dem Grunde nichts berichten, weil ich die regenerativen Processe nur so weit verfolgt habe, bis alle anderen Organe sich wieder neu gebildet hatten. Es fanden zwar bei meinen Versuchen auch geschlechtsreife Thiere Verwendung, aber von einer Regeneration der Geschlechts- organe konnte man zu der Zeit, als die anderen Organe bereits alle wieder hergestellt waren, noch nicht das Geringste sehen, und da diese ersteren, wenn sie überhaupt ersetzt werden, sich offenbar erst bedeutend später bilden, so habe ich die Regeneration derselben nicht mehr abgewartet. . IV. Zusammenstellung der Resultate. Wenn ich nun die Ergebnisse meiner Forschungen in einigen kurzen Sätzen zusammenfasse, so lauten dieselben, abgesehen von ganz ge- ringen Abweichungen unter den einzelnen Nais-Arten, folgendermaßen: Bei den Regenerationsprocessen der Naiden, wie sie im An- schluss an die Amputation von Körpertheilen stattfinden, bildet sich das neue Ektoderm sowohl am Kopf- als auch am Schwanzende aus den alten Epidermiszellen an der Stelle, wo die Wundränder kurz nach der Durchschneidung zusammengetreten sind. Das neue Ektoderm bekommt alsdann die Form einer zunächst einschichtigen, später aber mehrschichtigen Kappe, von deren konkaver Innenfläche her die Anlagen aller zu regenerirenden Gebilde in letzter Instanz ihren Ursprung nehmen. Der neue Verdauungstraetus entsteht als eine knospenartige Anlage, am Schwanzende in der Mittelachse des Körpers, am Kopf- ende etwas mehr ventralwärts, aus dem Ektoderm und wächst dann zu einem soliden Strange aus, dessen freies Ende die Richtung nach der Durchschneidungsstelle des alten Darmes einschlägt, der dort 288 Paul Hepke, seinerseits ebenfalls einige neue Zellen gebildet hat. Das freie Ende jenes ersteren erreicht schließlich den Darm und vereinigt sich mit ihm, so dass dieser nun mit der Ektodermkappe durch einen soliden Strang verbunden ist, zu dessen Entstehung der Hauptsache nach das neue Ektoderm und nur in äußerst geringem Maße der alte Darm selbst beigetragen hat. Dieser Strang bekommt später- hin ein Lumen, welches bald mit einer im Ektoderm entstehenden Einbuchtung konfluirt, so dass nun am Kopfende der Mund mit dem Pharynx und am Schwanzende der Anus mit dem Enddarm regenerirt und dadurch die vollständige Kommunikation der Darmhöhle mit dem umgebenden Medium wieder hergestellt ist. Auch der gesammte Nervenapparat einschließlich der »Spinal- ganglien« entsteht aus dem Ektoderm, und zwar bildet sich am Kopfende das Gehirnganglion aus zwei knospenartigen Verdieckungen der neuen Ektodermkappe, welche etwas dorsolateral von der Längs- achse des Thierkörpers liegen und sich später erst vereinigen; an diese Gehirnanlagen schließen sich die der beiden Schlundkommis- suren jederseits als wulstartige Ektodermverdiekungen an und gehen dicht hinter dem Schlunde in eine stärkere, neurale Ektodermver- diekung über, welche die Anlage des Bauchstranges repräsentirt. Die Zellen dieser letztgenannten Ektodermverdickung treten mit dem alten Bauchstrange, der seinerseits, im Gegensatze zu dem alten Darm, keine neuen Zellen produeirt hat, an der Amputationsstelle in feste Verbindung. Von diesen Anlagen entsteht die cerebrale und neurale zuerst, die der Kommissuren dagegen etwas später. Die weitere Entwicklung des Neuralapparates geht am Kopfende in der Art vor sich, dass die gesammte Anlage sich vollständig vom Ektoderm abschnürt und an ihr Nervenfasern auftreten, welche ın den Gehirnanlagen ungefähr central, in der Anlage des Bauch- stranges dorsal von dem zelligen Theile derselben liegen und in den Kommissuren nur von wenigen Zellen bedeckt sind. Diese Nerven- fasern verbinden sich an der Amputationsstelle mit denen des alten Bauchstranges. Am Schwanzende geht die Regeneration des Bauchnervensystems eben so vor sich, nur behält hier die Neuralanlage in ihren hinteren Partien den Zusammenhang mit dem Ektoderm bei, wie in jedem normalen, wachsenden Schwanzende. Die Ringmuskelfasern entstehen gleichfalls aus dem Ektoderm, nachdem die Abschnürung der Neuralanlage stattgefunden hat, und zwar auf die Weise, dass einzelne Zellen aus dem Ektoderm in das Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 389 Innere der Leibeshöhle treten, sich an die Innenfläche desselben an- legen und quer zur Längsachse des Thieres in lange Muskelzellen auswachsen. Die Borsten entwickeln sich dadurch, dass vom Ektoderm her in die Anlagen der Borstenbeutel Zellen hineinwuchern, welche ihrer- seits allmählich die Borsten abscheiden. | Das neue Mesoderm entsteht aus Zellen, welche am Kopfende zu beiden Seiten der Intestinalanlage, am Schwanzende ebenfalls seitlich von derselben, nur etwas mehr ventralwärts, aus dem Ekto- derm in die Leibeshöhle einwandern. Das Gros dieser Zellen ge- sellt sich nun, am Vorder- wie am Hinterende des 'Thieres, auf jeder Seite zu einer länglichen Platte zusammen, deren laterale Fläche konvex ist und sich an die Körperwand anlehnt und deren dorsaler Rand etwa das Niveau der oberen Grenzlinie des Darmes erreicht, während der ventrale hart an die Anlage des Bauchstranges stößt. Bei diesen Mesodermplatten tritt am Kopf- und Schwanzende schon sehr früh der Länge nach eine Gliederung ein, derart, dass am Kopfende jede der Platten seitlich gesehen in vier hinter einander liesende, kleinere Plättchen von ziemlich gleicher Größe zerfällt, während am Hinterende ebensolche Plättehen in unbestimmter Anzahl entstehen, die aber hier, wie im wachsenden Schwanzende, nach hinten zu immer kleiner werden. Sowohl das hinterste dieser kleinen Plättehen am Kopfende als auch das vorderste derselben am Schwanz- ende grenzt mit seinem centralen Rande an die Durchschneidungs- stelle des alten Gewebes. Charakteristisch ist der Umstand, dass die Gliederung dieser Mesodermplatten an beiden Körperenden früher stattfindet, als die der sich gleichzeitig mit ihnen bildenden ektodermalen Neural- anlagen. Aus den Mesodermplatten bilden sich nun am Kopfende un- gefähr zu gleicher Zeit, am Schwanzende jedoch von der Schnitt- stelle aus in centrifugaler Richtung fortschreitend zuerst die Längs- muskelplatten, dann weiterhin Borstenbeutel, Segmentalorgane, Seiten- linien (letztere wahrscheinlich aber nur theilweise) und Dissepimente, sowie auch schließlich Leberzellen und Blutgefäße. Die Entwicklung dieser Organe geht hier durch Bildung einzelner Zellhaufen inner- halb jener Zellplättchen genau in derselben Weise vor sich, wie im wachsenden, normalen Schwanzende der Naiden, nur mit dem Unter- schiede, dass dieser Regenerationsprocess am Kopfende nach Wieder- 290 Paul Hepke, herstellung der vier Kopfsegmente seinen Abschluss erreicht, wogegen am Hinterende aus sehr naheliegenden Gründen der eigentliche Regenerationsprocess ohne erkennbaren Absatz allmählich in den normalen Wachsthumsprocess übergeht, wie er im wachsenden Schwanzende der Naiden ständig stattfindet. Überblicken wir nun nochmals die einzelnen Entwicklungsphasen bei diesen Regenerationsprocessen der Naiden, so können wir uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass die Natur bestrebt ist, das neue Gewebe hier nicht aus dem alten Zellenmaterial direkt aufzu- bauen, sondern den Vorgang der Regeneration zunächst auf das Ent- wicklungsstadium der drei primären Keimblätter zurückzuführen, da ihre Zellen als embryonale Elemente eine ganz außerordentliche Differenzirungsfähigkeit besitzen, um dann aus diesen auf dem kürzesten und schnellsten Wege alle diejenigen Gewebe und Organe, deren das Individuum verlustig gegangen war, wieder aufs Neue erstehen zu lassen. Breslau, im August 1897. Litteraturverzeichnis. 1. Bonner, Traite d’inseetologie. II part. Paris 1745. 2. BRAEM, Zur Entwicklungsgeschichte von ÖOphryotrocha puerilis. Diese Zeitschr. Bd. LVII. 1894. 3. BüLow, Die Keimschichten im wachsenden Schwanzende von Lumbrieulus variegatus. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. 4. —— Über Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern. Arch. £. Naturgesch. Bd. I. 1883. 5. Duss&s, Recherches sur la eireulation, la respiration et la reproduetion des Annelides abranches. Ann. des Se. natur. 1828. 6. FrAssse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbel- thieren. Kassel :und Berlin 1885. 1. GIARD, Y a-t-il antagonisme entre la Greffe et la Regeneration? Extr. des Comptes rendus des seances de la Soc. de Biologie. Seance du 15. fevrier 1896. Paris. 8. HESCHELER, Über Regenerationsvorgänge bei Lumbrieiden. Jenaische Zeit- schrift f. Naturwiss. Bd. XXX. 1896. 9. LEUCKART, Über die ungeschlechtliche Vermehrung von Nais proboscidea. Arch. f. Naturgesch. 17. Jahrg. 1851. 10. O.F. MÜLLER, Von den Würmern des süßen und salzigen Wassers. Kopen- hagen 1771. 11. QUATREFAGES, Histoire naturelle des Anne&les marins et d’eau douce. Paris 1865. 12. BRANDOLPH, The regeneration of the tail in Lumbrieulus. Boston 1892. Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 391 13. REAUMUR, M&moires pour servir ä l’histoire des Insects. T. VI. Preface 1742. 14. SEMPER, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. Arbei- ten a. d. zoologisch-zootom. Inst. Würzburg. Hamburg 1876. 15. —— Beiträge zur Biologie der Oligochäten. Ibidem. Würzburg 1877—18. Erklärung der Abbildungen. a, Anus; c, Cerebralanlage; ch, Chordazelle; en, Cardialmuskel; cen?, dorsaler Seitenmuskel; com, Kommissuranlage; d, Dissepimentzellen; db, Rückenborsten- beutel; des, Amputationsstelle des Darmes; :, Intestinalanlage; :d, neugebildete Zellen des alten Darmes; /, Lumen; /z, Iymphoide Zelle; m, Mesodermzelle; mp, Mesodermplatte; n, Neuralanlage; nf, Nervenfaserstrang; rn, Neuralmuskel; nmi, ventraler Seitenmuskel; »vs, Amputationsstelle des Nervenstranges; p, Leberzellen; »»r, Ringmuskelfasern; sg, Segmentalorgan; s/, Seitenlinie; vd, ven- traler Borstenbeutel; v, Blutgefäß; vz, Zelle eines Blutgefäßes. Tafel XIV und XV. Die kolorirten Zeichnungen (Vergr. Oc. III, Obj. II SEIBERT) wurden mit dem AssBE’schen Zeichenapparat, die übrigen (Vergr. Oc. III, Obj. V SEIBERT) ohne Hilfsmittel entworfen. Fig. 1—10. Sagittalschnitte durch Kopfenden. Fig. 1 u. 2. Verschluss der Wundränder. Fig. 3 u. 4. Entstehung der ektodermalen Zellkappe; Ein- wanderung von Zellen. Fig. 5 u. 6. Anordnung jener Zellen zu ce, ? und n. bei :d neu gebildete Zellen des alten Darmes; »r, abseits einwandernde Meso- dermzellen. Fig. 7 u. 8. Verwachsung der Anlagen bei rvs und dvs. Fig. 9 u. 10. Senkung der Basis von :; Abschnürung von n. Fig. 11—13. Transversalschnitte durch Kopfenden. Fig. 11. Entwicklung von ce und com linkerseits. Fig. 121. Einwanderung von m (Fig. 12? vergrößert) ; Einschiebung von mp. Fig. 13. Auftreten von »f in e und com; radiäre Stel- lung der Zellen von v. Fig. 14—16. Sagittalschnitte durch Kopfenden. Fig. 14 u. 15. Zusammen- hang von nf in c, com und n; einwandernde m; vz bildet Blutgefäß. Fig. 16. /, Lumenbildung in :; Entstehung von rm. Fig. i7! u. 172. Sagittalschnitt, Schwanzende. Regenerirter a; steter Zu- sammenhang von z mit dem Ektoderm; Verjüngung von nf nach hinten zu. Fig. 18—21. Querschnitte durch Schwanzenden. Fig. 18!u. 182. Bildung des hintersten, jüngsten, rechtsseitigen Spinalganglions; Auftreten von ch. Fig. 19. Letzte interganglionäre Partie. Fig. 201. Entstehung der beiden dritt- letzten Spinalganglien. Fig. 20°. Das rechtsseitige vergrößert. Fig. 21. Weiter vorn gelegenes Spinalganglienpaar. Fig. 22! u. 222. Frontalschnitt durch Schwanzende. Seitliche Einwande- rung von m. Fig. 23. Sagittalschnitt, Kopfende. Zerfall der Mesodermplatten in vier kleinere Plättehen mp und Anlagen von Dissepimenten d. Fig. 24. Transversalschnitt durch Schwanzende. Entwicklung von nm, sg, vb ete. aus den Mesodermplatten. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. Von A. Goette (Straßburg). Mit Tafel XVI—XIX und 25 Figuren im Text. Als ich zum ersten Mal die Entwickelung der Seyphomedusen untersuchte, stützte ich meine Vergleiche dieser Thiere mit den Scyphopolypen wesentlich auf die Mittheilungen KowALEWSKY’s über Cereanthus (23); in der zweiten Abhandlung über denselben Gegen- stand erklärte ich zum Schluss, die seither erschienenen Beobachtungen H. Wırson’s über die Entwickelung einer Koralle (57) im Sinne jener früheren Vergleiche noch nicht verwerthen zu können und dazu weitere Beobachtungen anstellen zu müssen (24). Meine damaligen Bemühungen, solche entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen an Aktinien anzustellen, hatten keinen rechten Erfolg, da ich nur vor- geschrittene Larven von Cereactis aurantiaca, Heliactis bellis und einer unbekannten Art von Corfu erhielt. Nachdem später mehrere einschlägige Arbeiten von anderer Seite erschienen waren, erhielt ich von Helgoland und Neapel passenderes Material, was mich trotz seiner Unvollständigkeit veranlasste, die Untersuchung aufzu- nehmen, in der Hoffnung, dass glücklichere Nachuntersucher bald die mancherlei Lücken ausfüllen würden. I. Die Entwickelung der Cereanthiden. Es ist bisher selten geglückt, die Brut der Cereanthiden direkt von den geschlechtsreifen Thieren zu erzielen: nur HAIME, KowA- LEWSKY und JOURDAN (28, 34, 40) vermochten die Entwickelung von Cereanthus membranaceus auf diesem Wege zu verfolgen. Die ten- takeltragenden Larven wurden nur pelagisch gefischt und seit SARS unter dem Namen Arachnactis beschrieben. Ihre Zugehörigkeit zur Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 293 Gattung Cereanthus scheint mir sichergestellt, theils durch den un- mittelbaren Anschluss der jüngsten Exemplare an die gezüchteten Cereanthuslarven und anderentheils durch das nur dieser Gattung eigenthümliche Merkmal des vollkommen einseitigen Zuwachses der Septen an einem Ende der Richtungsebene!. Ob aber alle bisher beschriebenen echten Arachnactis zu einer Üereanthusart gehören, konnte noch nicht entschieden werden; denn die Unterschiede, die sich in den verschiedenen Beobachtungen herausstellten, betrafen entweder nicht dieselben Altersstufen, wie z. B. das Fehlen oder die Anwesenheit der Septalmuskeln, oder konnten, wie das frühere oder spätere Erscheinen des unpaaren Tentakels an einem Ende der Richtungsebene, als untergeordnete Ausnahmen gelten, so dass aus solehen Erscheinungen auf specifische Verschiedenheiten nicht ge- schlossen werden konnte, Zufällig fanden sich nun unter den Oere- anthuslarven, die ich der Biologischen Anstalt in Helgoland verdanke, zwei deutlich getrennte Arten, deren Unterschiede sich sowohl auf mehrere Merkmale, darunter auch den ganzen Habitus erstreckten, als auch auf gleichen Altersstufen zeigten, so dass ihre Zugehörigkeit zu einer Art ausgeschlossen erscheint, obwohl in der Helgoländer Fauna bisher nur Cereanthus Lloydii Gosse verzeichnet ist (59). Da eine von den beiden Arten nur durch zwei beinahe gleich alte Exemplare vertreten war, werde ich sie erst am Schlusse dieses Abschnitts beschreiben, in der folgenden Untersuchung mich aber wesentlich an die zahlreich vertretene Art halten. So weit es nöthig ist, soll die letztere als Cereanthus a, die andere als Cereanthus d bezeichnet werden. 1. Die Entwickelung des Eies bis zur sechszähligen Larve. Die ersten Entwickelungsstufen von Cereanthus membranaceus sind nur von KowALEwSKY (40) so vollständig verfolgt worden, dass 1 Die angeblichen Arachnactis-Larven BoveErr’s (6, Fig. 2, 7) können schon desshalb, weil sie vollständig dem Edwardsia-Typus entsprechen, nicht zu den Cereanthiden gehören, wie schon E. van BENEDEN zeigte (4). Aber auch die von Busch pelagisch gefischten und »Dianthea nobilis« genannten Larven kann ich als unzweifelhafte Cereanthuslarven nicht anerkennen. v. BENEDEN glaubt freilich, die einer solehen Deutung widersprechende Stellung des sechsten Ten- takels durch ein Versehen des Beobachters erklären zu dürfen (4, p. 127); un- erklärt bliebe aber dann noch immer die Lage der Mundtentakel an der Innen- seite von zwei diagonal entgegengesetzten Außententakeln, die gelegentliche feste Anheftung des außerordentlich dünnen und langen Körpers mit dem aboralen Pol und manches Andere. 294 A. Goette, sie für eine vergleichende Betrachtung alle nöthigen Anhaltspunkte bieten. Ich gebe daher seine Beobachtungen hier auszugsweise wieder. Aus dem Ei unseres Polypen entwickelt sich eine Cöloblastula und daraus durch Einstülpung eine Cölogastrula. Im Grunde der letzteren lösen sich einige der abgeplatteten Entodermzellen aus dem epithelialen Verbande und verwandeln sich in »Fettkugeln«, die den Urdarm mehr oder weniger ausfüllen. Darauf stülpt sich der Pro- stomarand in das Innere der etwas verlängerten Wimperlarve ein und bildet auf diese Weise den ektodermalen Schlund. Er hänst aber nicht mit einem allseitigen Überzug des Entoderms frei in die Mitte des Urdarms hinein, sondern veranlasst vielmehr von vorn herein eine Zweitheilung desselben. In Folge seiner taschenförmigen Ab- plattung liegt er an zwei einander gegenüberliegenden Seiten, also an den Enden einer Kreuzachse dem äußeren Ektoderm an, steht aber in der anderen Kreuzachse von ihm weit ab; in der ersten Richtung oder der späteren »Richtungsebene« bildet er daher eine Scheidewand zwischen zwei seitlich davon liegenden Räumen, in denen während seiner Einsenkung je ein Blindsack des Urdarms zurückbleibt (Textfig. 1). Jede dieser »Magen- taschen« legt sich mit ihrer Innenwand dem Schlund, mit ihrer Außenwand dem äußeren Cereanthusurre Onerdurch. Ktoderm an; die Einstülpungsöffnung des schnitt nach KowALEwsKr, Schlundes wird zum Munde, das stets offene . ee Prostoma im Grunde des Schlundes zur »Schlund- | pforte«, an deren Rande das Schlundektoderm sich in die entodermale Innenwand der Magentaschen umschlägt (vgl. Textfig. 3). Die strahlige Gliederung des Cereanthus beginnt also, wie ich dies schon früher hervorgehoben habe (23), mit zwei einander ent- gegengesetzten Magentaschen, die im Umfange des Schlundes nicht zusammenstoßen und folglich auch keine Septen bilden; die Stelle solcher trennenden Zwischenwände vertritt vielmehr der Schlund selbst. Nach einiger Zeit wird jede der beiden Magentaschen recht- winklig zur Richtungsebene durch ein zwischen der Körperwand und dem Schlunde sich ausspannendes entodermales Septum halbirt (Textfig. 2)!. Über die Entstehung dieser Septen erfahren wir nichts; !1 KowALEWSKY hat nur diesen Zustand mit vier Magentaschen abgebildet, und bemerkt dazu, dass, um sich den früheren Zustand vorzustellen, die beiden Halbirungssepten hinweggedacht werden müssten. Ich erwähne dies, weil keine Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 295 wahrscheinlich wachsen sie als freie Falten des parietalen Entoderms zum Schlund hinüber. Ihr unterer freier Rand setzt sich unterhalb der Schlundpforte in eine dieke, in den Darmraum weit vorspringende Falte fort (Magenfalte). In der Nähe des Schlundes entwickelt sich aus dieser. Falte ein Filament, das offenbar schon von einer Fort- setzung des Schlundektoderms überzogen ist, da dies an wenig älteren Larven zweifellos der Fall ist (s. u.). Über den vier Magentaschen sind die noch kurzen Anlagen der vier ersten Tentakel hervorgewachsen, und die beiden Seitenränder des Mundes, der gleich dem Schlunde in der Richtungsebene ge- streckt ist, erheben sich lippenförmig, woran außer dem Ektoderm auch die darunterliegenden Magentaschen Theil nehmen. Textfig. 2. Weitere Stadien hat KOWwALEWSKY Cereanthuslarve, Querdurchschnitt allerdings gesehen, aber nicht näher unter- 1"? Kowsrewssr. 5, Schlund; mf, Septum; mg, Magentasche. sucht, so dass ihm die Art der späteren Taschenbildung unbekannt blieb. Äußerlich bemerkte er eine Ver- mehrung der Tentakel, namentlich ein paar Mundtentakel. Ferner giebt er an, schon in den 4zähligen Larven, sowohl in der Körper- wand zwischen Ektoderm und Entoderm, wie in den Magenfalten Längsmuskeln angetroffen zu haben, dort in einfacher, hier in doppel- ter Lage. An die Beobachtungen von KowaLewsky schließen sich die- jJenigen von VogT, BovErı, E. van BENEDEN, H. Wırsox, MCMURRICH, Fauror (4, 6, 20, 48, 55, 57) u. A. an, die an pelagisch gefischten Larven angestellt wurden und hauptsächlich die weitere Septen- bildung betrafen. Die erste Entstehung der 5. und 6. Magentasche hat nur vay BENEDEN gesehen; an meinen jüngsten Larven, die jene Taschen bereits besaßen, konnte ich trotzdem van BENEDEN’s genaue Angaben bestätigen, da das Wachsthum dieser Taschen noch nicht abgeschlossen war und daher die dem Munde näher liegenden Quer- durehschnitte die früheren Zustände wiedergeben (Fig. 1). Von der Theilung der 5. Tasche an bis zum Stadium der 12strahligen Larve verfolgte ich die Entwicklung an dem eigenen Material. Der Be- schreibung muss ich aber einige Worte über die Orientirung unserer seiner Figuren den zweizähligen Zustand erkennen lässt, der russische Text aber nur selten gelesen werden dürfte. 296 A. Goette, Larven und die damit zusammenhängende Terminologie voraus- schicken. Bekanntlich lässt sich bei den meisten Sceyphopolypen eine Richtungsebene unterscheiden, die man nach der Anordnung der einseitigen septalen Muskelfahnen oder -polster bestimmt. Bei den Aleyonarien schneidet die Richtungsebene zwei diametral entgegen- gesetzte Magentaschen (Richtungstaschen) so, dass die Muskelpolster beider Körperhälften nach einer und derselben Seite gewendet sind. Die Richtungstasche, der die Muskelpolster zugekehrt sind, nannte KÖLLIker die ventrale, die andere die dorsale (37, p. 301, 418, 419); an die ventrale Tasche grenzt die Flimmerrinne des kom- primirten Schlundes. Da nun die Edwardsien und viele eben so gegliederte Aktinien- und Korallenlarven gleichfalls acht Septen besitzen, deren Muskelpolster in der Mehrzahl einer Richtungstasche zugewendet sind, so wurde dieses Merkmal in demselben Sinne zur Orientirung benutzt wie bei den Aleyonarien. Bei Cereanthus schienen jedoch septale Längsmuskel ganz zu fehlen; daher hielten die Brüder HerTwIG die Schlundrinne dieser Aktinie für das Merkmal einer ventralen Seite wie bei den Alcyonarien (32), wogegen HAACKE (25) in dem größten Septenpaar von Cereanthus, das unter der Schlund- rinne liegt, die dorsalen Richtungssepten der Aleyonarien zu erkennen glaubte, so dass die Schlundrinne von Üereanthus umgekehrt die .dorsale Seite bezeichnete. Endlich hat CARLGREN (12) neuerdings sefunden, dass Cereanthus, wenngleich schwache, doch nachweisbare septale Längsmuskeln besitze, die sämmtlich von der Schlundrinne abgekehrt seien; nach diesem sonst allgemein benutzten Merkmal würde also die Schlundrinne dieses Thieres in der That so wie es HaAACKE vorschlug, an der Dorsalseite liegen. Angesichts dieser verschiedenen Vergleiche muss vor Allem fest- gestellt werden, dass die Namen »dorsal« und »ventral« nicht physio- logisch begründet sind, sondern willkürlich zur Bezeiehnung bestimmter Körperseiten der Aleyonarien gewählt wurden. Die Übertragung dieser Namen auf andere Polypen geschah aber, wie man sieht, in der Voraussetzung, dass die gleichbezeichneten Körpertheile auch wirk- lich homologe sind. Dies ist für die Aleyonarien einerseits und die Hexaktinien (mit Einschluss der Edwardsien) und die Steinkorallen andererseits freilich nicht strikt bewiesen, aber, wie noch besonders erörtert werden soll, doch sehr wahrscheinlich. Die übliche Termino- logie wäre also in diesen Gruppen beizubehalten. Dagegen wird sich durch die folgenden Untersuchungen herausstellen, dass der . Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 397. Gegensatz der beiden Körperseiten, die man die dorsale und die ventrale nennt, bei den eben genannten Polypen und bei den Cere- anthiden sich ganz selbständig und verschieden entwickelt hat, so dass eine bezügliche Homologie in beiden Abtheilungen gar nicht besteht. Es kann daher darüber, welche Seite von Cereanthus ven- tral und welche dorsal genannt werden soll, durch Vergleiche gar nicht entschieden werden, wie denn die verschiedenen Merkmale zu entgegengesetzten Schlüssen geführt haben (s. o.). Ich habe mir daher die Frage vorgelegt, ob nicht vielleicht eine Rücken- und Bauchseite sich naturgemäß, d. h. physiologisch, be- stimmen ließen, indem sich etwa herausstellte, dass die liegenden und kriechenden Formen stets dieselbe Körperseite dem Boden zu- kehrten. Denn dadurch wäre doch die Willkür und Unsicherheit der fraglichen Terminologie bei diesen Formen und ihren näheren Verwandten beseitigt. Zur Entscheidung habe ich von allen kriechen- den oder liegenden Aktinien nur Cereanthus membranaceus benutzen können. v. HEIDER giebt an, dass dieser Polyp in schräger Lage im Boden stecke (31); ich selbst habe ihn häufig ganz flach bogen- förmig, also eigentlich liegend eingegraben gesehen. Ich ließ nun in der Zoologischen Station in Rovigno zweimal an je sechs Cere- anthus, nachdem sie acht Tage ungestört gelegen hatten, also sich vermuthlich in einer normalen Lage befanden, die nach oben gekehrte Seite durch einen Einschnitt am Tentiakelkranz kennzeichnen; das- selbe wiederholte ich selbst an drei Stücken in meinen Aquarien. Die darauf folgende Untersuchung dieser 15 Cereanthus hatte folgen- des Ergebnis: bei neun von ihnen lag die Schlundrinne unmittelbar unter dem Einschnitt oder dicht daneben, also an der Oberseite, bei dreien lag sie seitlich und bei den drei letzten Exemplaren an der Unterseite. Ich glaube daraus folgern zu dürfen, dass die Schlund- rinne in der Regel die wirkliche, d. h. die physiologische Rücken- seite des Thieres bezeichnet, was mit der Bestimmung CARLGREN’S übereinstimmt. Ich werde daher die entsprechende Orientirung bei den Cereanthiden anwenden; aus der Bestimmung einer physio- logischen Rücken- und Bauchseite ergiebt sich die Berechtigung, von rechts und links zu reden. Ich nehme jetzt die Entwickelungsgeschichte von Cereanthus an dem Punkte wieder auf, wo die beschriebenen 4zähligen Larven im Begriff sind, die 5. und 6. Magentasche zu entwickeln. Sie entstehen an den beiden Schmalseiten des Schlundes, zwischen ihm und.dem Außenektoderm, also in der Riehtungsebene; sie ver- 298 A. Goette, dienen daher den Namen der Richtungstaschen, ohne jedoch, wie sich zeigen wird, den Richtungstaschen der Aleyonarien, Hexak- tinien und Steinkorallen homolog zu sein. Sie erscheinen aber nicht gleichzeitig, sondern nach einander, zuerst die ventrale (5.), etwas später die dorsale (6.); ihre Entwiekelung ist jedoch eine durchaus gleiche. Dort wo an den Schmalseiten des Sehlundes das Ektoderm der Schlundpforte in das Entoderm übergeht, zeigt sich zuerst eine plattenförmige Verdickung des letzteren, die gerade abwärts zieht und gewissermaßen die Wurzel der neuen Tasche darstellt (Textfig. 3, 4 x). Aus ihrem oberen Ende, an der angegebenen Grenze, wächst ein solider Fortsatz zwi- schen -Schlund- und Außenektoderm in die Höhe, so dass er ihre Verbindung vollständig löst und gleichzeitig an die rechte und linke Magentasche anstößt. Textfig. 3. Ver In dem Maße als der Cereanthuslarvein derRichtungs- Cereanthuslarve, Querdurch- , ebenenach vanBEnEDEN. 0,Mund; schnitt nach van BENEDEN. Fortsatz vorrückt, wird s, Schlund; mg, Magentasche mf, Magenfalte; x, Ento- x (ventral); &, Entodermplatte. dermplatte. er von unten auf hohl und verwandelt sich so in eine Anfangs noch enge, allmählich aber sich erweiternde und bis zum Munde reichende Magentasche (Fig. 2—4). Durch ihre An- lagerung an die beiden seitlichen Magentaschen entstehen zwischen den drei Hohlräumen zwei neue entodermale Septen, die von der Schlundpforte abwärts sich in zwei niedrige Leisten längs der Ränder der beschriebenen Entodermplatte fortsetzen (Fig. 5). Aus diesen Leisten entwickeln sich später die entodermalen Magenfalten. An der dorsalen Richtungstasche wächst die ganze Schmalseite des Schlundektoderms, woraus die Schlundrinne hervorgeht, bis unter die Schlundpforte hinab (Fig. 8, 13). Dies geschieht an der ventralen Richtungstasche nicht oder in einem viel geringeren Grade; dafür fängt sie sehr bald nach ihrer Entstehung, noch bevor die dorsale Tasche vollendet ist, sich zu theilen an. Nach van BENEDEN er- scheint das Septum, das diese Theilung in der Richtungsebene aus- führt, an der Decke der Richtungstasche und wächst von dort ab- wärts. An den jüngsten meiner Larven reicht es noch nicht bis zur Schlundpforte und hört am Schlunde früher auf als an der Außen- wand, so dass es noch innerhalb der ursprünglichen Tasche in eine Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 299 wandständige freie Falte ausläuft (Fig. 4). Ehe ich aber die weitere Entwiekelung dieses neuen Septums und der sich daran schließenden Neubildungen verfolge, soll hier der übrige Bau derselben Larven beschrieben werden. | Sie haben durchweg eine eiförmige bis kugelige Gestalt und tragen über den vier ersten, seitlichen Magentaschen je einen kurzen Tentakel; die wulstigen Lippen des in der Richtungsebene gestreck- ten Mundes ragen über das Peristom hervor (Fig. 6). Die Körper- wand ist im Allgemeinen bis zur Durchsichtigkeit verdünnt, ihr Ektoderm aus kubischen Zellen!, das Entoderm aus breiten Platten- zellen zusammengesetzt. Nur am aboralen Pol (Afterpol), an den Lippen und den Tentakeln ist das Außenektoderm, unter Verlänge- rung seiner Zellen zu langen Cylindern, verdiekt; in den späteren Stadien ließ sich feststellen, dass dort, wo ein Tentakel entstehen soll, die Ektodermverdickung seiner Erhebung vorausgeht. Am Afterpol bildet die Verdickung eine kreisrunde Platte mit allmäh- lichem Übergang in das dünnere Körperektoderm (Fig. 6); diese Platte enthält außer zahlreichen Nesselkapseln große annähernd kugel- förmige Zellen mit netzförmigem Protoplasma (Drüsenzellen?), die ich sonst nirgends antraf. An der Basis des Ektoderms entwickeln sich Längsmuskeln, die aber an der Leibeswand außerordentlich spärlich, viel dichter an den Tentakeln vorkommen. In den Septen der Larven a habe ich eben so wie vAn BENEDEN bei seinen Larven die Muskeln vermisst, obgleich KowALEws&KY solche schon an den viel jüngeren Larven von Cereanthus membranaceus gesehen hat. Dies halte ich für ein sicheres Zeichen, dass meine Larven einer anderen Art angehören. Das verdickte Ektoderm der Lippen setzt sich unverändert in den Schlund fort. Dieser ist in der Mitte etwas weiter als an den Schmalseiten, wo er beiderseits in gleicher Weise rinnenförmig ver- engt ist (Fig. 1—3); an der Schlundpforte schlägt sich sein Seiten- rand jederseits in Gestalt eines dreieckigen Lappens nach außen um, der mit dem unteren Rand des seitlichen Septums zusammen- hängt, so dass die Spitze des Dreiecks in die das Septum fortsetzende Magenfalte ausläuft (Fig. 3, 4). Auf der Oberseite ist der dreieckige Ektodermlappen von einer Fortsetzung des septalen Entoderms über- zogen, so dass man die ganze Bildung als zwei Flügel des Septen- ! Die Wimpern dieser Zellen konnte ich am konservirten Material nur sSpurenweise erkennen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL, Ba. 20. 300 | A. Goette, randes betrachten kann (Fig. 11). Wo sie an der Magenfalte auf- hören, setzt sich ihr Ektoderm in Gestalt eines wulstigen Saumes an der Magenfalte fort (Fig. 4, 5); längs dieses Randwulstes oder des Filaments ist auch das Entoderm der Magenfalte verdickt, an ihrer Basis und in den eigentlichen Septen jedoch so dünn, dass es an Durchschnitten nicht leicht ist ihre beiden Blätter aus einander zu halten und eine Stützlamelle zu unterscheiden. Von der Fläche gesehen zeigt das septale Entoderm ziemlich langgestreckte und schräg gerichtete Zellen. Das mit dem seitlichen Septum bogenförmig ninabziehende Fila- ment bildet erst in der Nähe der Außenwand jene bekannten Win- dungen, die im zusammengezogenen Zustande immer wieder den Vergleich mit einem, an einem Mesenterium befestigten Darm her- vorrufen (Fig. 6. Da nach KowALewskyY die jüngsten Filament- auswüchse unter dem Rande der Schlundpforte sitzen, so muss das Schlundepithel seinen weiten Umschlag in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgeführt, sich also sehr schnell ausgebreitet haben. Nachdem Acassız für seine Arachnactis-Larven angegeben hatte, dass ihr Darmraum mit großen polygonalen »Dotterzellen« angefüllt gewesen sei (1), hat nur noch KowALEwsKY Ähnliches gesehen, wäh- rend VoGT, BOVERI und VAN BENEDEN ausdrücklich das Fehlen eines solchen Darminhalts hervorheben. Ich habe jene Masse bei meinen Helgoländer Larven nicht nur durchweg wiedergefunden, sondern kann auch KowALewskyY’s Beobachtung über ihren Ursprung bestä- tigen, da ich denselben noch in meinen jüngsten Larven verfolgen konnte. Im Grunde des Urdarmes wird ein Theil der entodermalen Pflasterzellen vacuolisirt, dabei schwellen sie an und springen weit in die Darmhöhle vor, während ihre Kerne an die Wand gedrängt und platt werden (Fig. 6). Zuletzt lösen sich diese metamorphosir- ten Zellen aus ihrem Verbande und treten frei in die Darmhöhle ein, wo sie sich zu einem großen Klumpen zusammenballen (Fig. 5, 6); zuweilen erstrecken sich Fortsätze dieses Klumpens in die Magen- taschen und den Schlund. In den 12strahligen Larven sah ich diese Zellen bereits in Rückbildung begriffen; es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass sie dem Nahrungsdotter anderer Aktinien- und der Korallenlarven homolog sind, wenngleich ihre Bildung etwas anders verläuft. In der Regel entsteht dort der Nahrungsdotter in der Weise, dass an dem indifferenten massigen Entoderm einer Sterrogastrula sich eine peripherische Epithelschicht, das bleibende Entoderm, von der centralen Masse absondert, die allmählich ihren Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 301 zelligen Charakter verliert und als eine Detritusmasse den zelligen Darmsack ausfüllt (s. u.); bei Cereanthus lösen sich dagegen einige Zellen von dem fertigen epithelialen Darmsack ab, und zwar nicht nur in der Coelogastrula (KowALEwsky), sondern, wie ich finde, auch später, um den Nahrungsdotter herzustellen. Ich erinnere mich nicht, die von mir zuerst ausgesprochene An- sicht, dass jede Art von Nahrungsdotter auf ein abgelöstes Stück Entoderm zurückzuführen sei (21 u. 22]), besser illustrirt gefunden zu haben als bei Cereanthus. 2. Die weitere Entwickelung der sechszähligen Larven. Diese Entwickelung betrifft namentlich die fortgesetzte Vermeh- rung der Septen und Taschen und andererseits der Tentakel. Da die neuen Taschen immer ventral in der Richtungsebene oder neben ihr entstehen !, drängen sie die vorher entstandenen rechts und links zur Seite; dabei wird auch das Stück des Schlundes, an das sie an- stoßen, seitlich umgelegt, während er ventral so viel Zuwachs erhält, als die Breite der neuen Taschen beträgt (Fig. 12—16). Dasselbe seschieht natürlich auch am anstoßenden Ektoderm und weiter unten an der ganzen Körperwand. Auf diese Weise bleibt der Zuwachs an neuen Taschen und Septen auf die Ventralseite beschränkt. Das Wachsthum überhaupt erstreckt sich aber natürlich auf die ganze Larve und ist, abgesehen von seiner Unregelmäßigkeit, ein recht ansehnliches. Sie streckt sich dabei und wird walzenförmig. Sowohl BovERI wie VAN BENEDEN sprechen von einer paarweisen Entstehung der neuen Septen in der jeweiligen unpaaren ventralen Magentasche. Dies trifft aber nach meinen Erfahrungen an zwei verschiedenen Cereanthus-Arten nicht zu und geht auch aus keiner der bisher publieirten Abbildungen hervor; richtig ist nur, dass die 1 Diese bereits so vielfach bestätigte Thatsache wurde neuerdings von VANHÖFFEN (54) für irrig erklärt, indem er aus der Länge der Septen einer bereits 19zähligen Arachnactis die zeitliche Reihenfolge der ersteren so konstruirte, dass, wenn man von der dorsalen Seite zu zählen anfängt, nach einander er- schienen die Septenpaare: 4, 6, 5, 3,2,1, 7,8 etc. Die »einfache Lösung« des "Widerspruchs zwischen diesen Angaben und den Beobachtungen von VOGT, BOVERI, VAN BENEDEN u. A. findet VANHÖFFEN darin, dass diese Forscher fort- gesetzt vorn und hinten mit einander verwechselö hätten. — Wenn es über- haupt nöthig ist, wird die folgende Darstellung der wirklichen Entwickelungs- geschichte von Cereanthus beweisen, dass VANHÖFFEN mit seiner so zuversichtlich vorgetragenen bloßen Vermuthung hinsichtlich dieses Vorganges sich selbst gründlich. geirrt hat. 20* 302 A. Goette, schon zur Seite gedrängten kürzlich entstandenen Taschen und Sep- ten sich rechts und links zu symmetrischen Gegenstücken anordnen. Alle neuen Septen entstehen hoch oben in der zu theilenden Tasche und wachsen dann längs der Körperwand abwärts, dringen aber viel langsamer gegen den Schlund vor; desshalb erscheinen sie Anfangs neben ihm als freie Falten und erreichen ihn successiv von oben nach unten fortschreitend. So wird die Theilung einer Tasche oft erst abgeschlossen, nachdem daneben schon ein neues Septum an- gelegt ist. — Sobald ein Septum den Rand des Schlundektoderms an der Schlundpforte erreicht und sich mit ihm verbunden hat, zieht es von ihm eben so wie es von den zwei ersten Septen angegeben wurde, beim weiteren Wachsthum einen Ektodermstreifen (Filament) mit sich hervor. Längs den in Entstehung begriffenen Taschen ist das Ektoderm stets etwas verdickt; über ihnen bedeutet dies die Anlage des zugehörigen Tentakels. In der folgenden Einzelbeschreibung werde ich zur leichteren Übersicht die verschiedenen Taschen durch Zahlen bezeichnen: die unpaar bleibende dorsale Richtungstasche mit 1, das sie rechts und links begrenzende Paar von Taschen mit 2, das folgende mit 3 u. s. f., wobei das rechte und das linke Stück jedes Paares durch r und 1 unterschieden werden. Jede unpaare ventrale Tasche erhält die- selbe Ziffer wie das durch Theilung aus ihm hervorgehende Paar. Die 6zählige Larve, von der wir ausgehen (vgl. Fig. 4), enthält also die Taschen: 1 (die dorsale, nach der zeitlichen Reihenfolge 6. Tasche), die Paare 2’—2! und 3'—3! (die vier ersten Taschen) und die ventrale Tasche 4 (nach der zeitlichen Reihenfolge die 5. Tasche). Das erste neu hinzukommende Septum entsteht, wie wir sahen, in 4, die dadurch Anfangs genau halbirt erscheint; 4" und 4! um- fassen dann schon die anstoßende Schmalseite des Schlundes (Fig. 2, 3). Aber bevor noch dieses Septum die Schlundpforte er- reicht hat, ja meist schon im ersten Anfange der Septenbildung, wölbt sieh die linke Taschenhälfte (4!) unter entsprechender Ver- diekung des Ektoderms stärker nach außen vor, so dass, wenn durch die Halbirung ein diametraler Gegensatz in der Richtungsebene (un- paare 1, paarige 4), also eine Bilateralsymmetrie mit einer Median- ebene gegeben erscheint, auf der anderen Seite anerkannt werden muss, dass das Übergewicht von 4! die spiegelbildliche Gleichheit bis zu einem gewissen Grade wieder aufhebt. Dies steigert sich bald darauf durch das Auftauchen eines neuen Septums, das wie ein seit- Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 303 lieher Auswuchs des vorhergehenden in die kleinere Tasche 4” hin- einragt (Fig. S, 9). Je weiter dieses neue Septum auswächst, desto mehr entfernt es sich vom vorausgehenden, so dass zwischen beiden eine unpaare Tasche 5 hervortritt, die allmählich ganz in die Rich- tungsebene rückt, wobei auch 4" und 4! sich ausgleichen (Fig. 10). Diese neueste Theilung ist also, ungleich der früheren Halbirung von 4 in 4" und 4!, vielmehr eine Abspaltung einer unpaaren 5 von 4", merkwürdigerweise gerade des kleineren Paarlings. Die Folge davon ist ein Szähliger Bau der Larve, der nicht nur die vorher bestandene Asymmetrie von rechts und links, sondern, so weit es sich um Zahl und Lage der Taschen handelt, auch die frühere Bila- teralsymmetrie beseitigt und gewissermaßen einen richtigen (biradia- len) Strahltypus wieder hergestellt hat (Fig. 12, 13). Für die folgenden Stufen kann ich mich kurz fassen, da sie in der That nur eine Wiederholung des beschriebenen Überganges vom 6zähligen zum Szähligen Bau, mit den entsprechend veränder- ten Zahlen, sind. Während der Halbirung von 5 wächst die linke Hälfte schneller (Fig. 14), und die Egalisirung von 5” und 5! ist auch nach dem Erscheinen von 6 (in 5’) noch nicht erreicht, so dass 5" noch immer hinter 5! zurücksteht (Fig. 15, 16). Bei der Thei- lung von 6 ist die linke Hälfte bereits so weit über die rechte Hälfte hinausgewachsen, dass in den höheren Querdurchschnitten, die 6! schon voll trefien, 6" noch gar nicht zum Vorschein kommt (Fig. 18). Endlich ist auch die Entwickelung von 7 von denselben Erscheinungen begleitet: es wird in 6” angelegt, bevor die Halbirung von 6 voll- endet ist (Fig. 19, 20, 28), und 6! überwiegt alsdann so sehr, dass es in der Nähe des Mundrandes über dem zurückgebliebenen 6° wie ein unpaares Stück zwischen 5” und 5! erscheint (Fig. 18, 25—28). Mit anderen Worten: die neuen Septen und Taschen entwickeln sich so ungleichmäßig, dass in den verschiedenen Höhen derselben Schlundregion nicht nur ihre Zahl, sondern auch ihre Bedeutung als paarige oder unpaare Bildung, und folglich die ganze Orientirung wechselt. | Diese Entwiekelung der Septen habe ich an meinen Larven ohne Ausnahmen angetroffen, auch an den beiden Exemplaren der Art 2. Die von anderen Forschern (VoGr, BovERI, Wırson, MCMURRICH, VANHÖFFEN) gebrachten Abbildungen einzelner Entwickelungsstufen bestätigen meine Darstellung; nur die von van BENEDEN abgebildete Szählige Larve — weiter reichen seine Beobachtungen nicht — lehrt, dass dort das achte Septum nicht in 4', sondern in 4! ent- 304 ; A. Goette, standen, und 4" die größere Hälfte von 4 war. Nach Allem scheint aber eine solehe Umkehrung selten zu sein. . Die Tentakelbildung schließt sich in ihrer Zeitfolge durchaus der Taschenbildung an mit der Maßgabe, dass die Tentakeln erst über denjenigen Taschen hervorwachsen, die schon bis zu einem ge- wissen Grade ausgebildet sind. Doch ist schon vorher in der be- schriebenen frühzeitigen Verdiekung des Ektoderms über den in der Entstehung begriffenen Taschen ein Vorbote der Tentakelbildung nicht zu verkennen. Aus den Bildern KowALEwsKY’s entnehme ich, dass die vier ersten Tentakel über 2’—2! und 3’—3! gleichzeitig und sofort nach der Bildung dieser Taschen entstehen. Darauf er- scheint in der Regel gleichzeitig mit der Tasche 5 der Tentakel 4!, wodurch die angegebene Asymmetrie gesteigert wird; der Tentakel 4" folgt bald nach, und um dieselbe Zeit kann nach meinen Beob- achtungen schon der Richtungstentakel 1 hervorzuwachsen beginnen, wogegen Bovkri ihn erst bei 12zähligen Larven antraf. Auch die Tentakel 5! und 6! gehen ihren rechten Gegenstücken voraus: den Tentakel 6! sah ich mehrmals in kurzer fingerförmiger Gestalt, während von 6°" noch keine Spur vorhanden war. Wie regelmäßig das weitere Wachsthum der Tentakel mit dem eben beschriebenen Gang ihrer ersten Entstehung übereinstimmt, er- sieht man am besten aus einer Reihe von Durchschnitten durch die Tentakel einer 11zähligen Larve von der Art d, indem jeder Ten- takel ausnahmslos kürzer und schmäler bleibt als der ihm voraus- segangene (Fig. 21—27). In Folge der Parallele zwischen Taschen- und Tentakelbildung spiegeln jene Durchschnitte auch den Verlauf der Taschenbildung wieder, da aber die letztere immer voraus eilt, so stellen im vorliegenden Fall die Tentakel nach Zahl und Stel- lung — zwei Richtungs- und je vier seitliche Tentakel — einen biradialen Typus dar, die Taschen dagegen — eine unpaare (1) und fünf Paare — einen Bilateraltypus. Die Mundtentakel entstehen bekanntlich zuerst über 3”—3!, worauf diejenigen über 4”—4! folgen; von den letzteren eilt eben- falls das linke Stück voraus und bleibt das rechte Gegenstück oft recht bedeutend zurück. — Eine eigentliche Schlundrinne war an meinen ältesten Larven «a noch nicht vorhanden; dafür war das Ekto- derm am aboralen Pol bereits von einem Entodermzapfen durchbohrt, eine Afteröffnung aber noch nicht vorhanden. | Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 305 Nach dieser Übersicht der Befunde aus der Entwickelungs- geschichte von Cereanthus drängt sich eine Reihe von Schlussfolge- rungen auf, die für die Geschichte nicht bloß dieser Form, sondern weiter Kreise des Cnidarierstammes von Bedeutung sind. Als die charakteristischen Merkmale des Baues der Scyphopolypen sind zu nennen: 1) der central ins Innere hineinhängende Schlund, 2) die ihn im Kreise umgebenden Magentaschen mit ihren Septen und den Tentakeln, 3) die Fortsetzungen der Septen oder die Magenfalten mit ihren Filamenten. Schon dieser Bau an sich und gewisse ent- wiekelungsgeschichtliche Befunde an verschiedenen Scyphopolypen machten es früher wahrscheinlich, dass der Schlund durch eine cen- trale Einstülpung des Prostomarandes oder eines homologen Theiles der Gastrulawand entstände, und dass der ihn alsdann kreisförmig umgebende Darmraum durch centripetal wachsende parietale Ento- dermfalten radiär eingetheilt werde. Cereanthus zeigt uns dagegen einen merklich abweichenden Entwickelungsverlauf. Eine centrale Einstülpung des ganzen zweischichtigen Prostoma- randes findet überhaupt nicht statt, sondern der prostomiale Ekto- dermring senkt sich, indem er sich zugleich in der zukünftigen Richtungsebene streckt, so ins Innere ein, dass seine zwei Schmal- seiten am Außenektoderm hingleiten, seine zwei Breitseiten aber merklich davon abstehen, in welchen beiden Zwischenräumen die zwei primären entodermalen Magentaschen zurückbleiben (Textfig. 1). Das Eigenthümliche dieses Vorganges besteht also darin, dass die ersten Magentaschen ohne Vermittelung von entodermalen Septen und nur im Zusammenhange mit der Schlundbildung entstehen, und dass ferner der Schlund Anfangs nur in einer Kreuzachse vom Außenektoderm absteht, bezw. durch die beiden Magentaschen von ihm getrennt ist. Eben so bemerkenswerth ist der weitere Entwickelungsverlauf von Cereanthus. Die zwei Richtungstaschen, die nach van BENEDEN’s Beobachtung, die ich durchaus bestätigen kann, als selbständige Aus- wüchse des Urdarmes erscheinen, drängen den Schlund in der Rich- tungsebene vom Außenektoderm ab und schließen den Kreis der ihn umgebenden Masentaschen, indem sie sich rechts und links an die Seitentaschen anlegen. Die aus dieser Berührung hervorgehenden Riehtungssepten erweisen sich daher als Folgeerscheinungen der Taschenbildung und nieht als die Urheber der Taschenvermehrung wie die seitlichen und alle folgenden Theilungssepten. Andererseits erhält der Schlund seine definitive centrale Lage wenigstens in der 306 A. Goette, Richtungsebene durch eine sekundäre passive Verlagerung (vgl. Textfig. 3). Es fragt sich daher, ob nicht auch bei der Entstehung des ersten Magentaschenpaares ganz ähnliche Beziehungen obwalten. Dass diese Taschen passiv durch die zwischen ihnen erfolgende Schlundeinstülpung hervorgerufen werden, ist an sich nicht wahr- scheinlicher, als dass sie selbständig in die Höhe wachsen und da- durch den Schlund seitlich vom Außenektoderm abdrängen. Die Entwickelung der Richtungstaschen ist aber ein schwerwiegendes In- dieium für das letztere, und die noch zu beschreibende Entwickelung anderer Aktinien (s. u.) wird eine volle Bestätigung dafür liefern. Dies Alles widerlegt, zunächst für Cereanthus, auf das bündigste die vorhin erwähnte ältere Vorstellung, dass der Schlund sich cen- tral einstülpt und die Magentaschen von Anfang an durch Theilungs- septen in einem kontinuirlichen peripharyngealen Darmraum her- sestellt werden. Der gesammte grundlegende Bau unseres Polypen lässt sich vielmehr auf zwei von einander unabhängige, aber in ein- ander greifende Vorgänge zurückführen: die Einstülpung des Schlundes und das entgegengesetzte Wachsthum der zwei ersten Magentaschen und beider Richtungstaschen. Ohne diese Taschen würde der Schlund von Cereanthus, eben so wie bei anderen, über den Cnidariern stehen- den Thieren glatt in den entodermalen Urdarm übergehen; ihr peri- pherisches Hinaufwachsen zwängt ihn in ihre Mitte und vollendet so den besonderen Bau der Sceyphopolypen, dessen allgemeinere Bedeutung sich darin ausspricht, dass er in den jungen Scyphostomen, den Larven der Scyphomedusen, sich genau wiederholt. In ganz anderer Weise als die vier besprochenen Magentaschen von ÜCereanthus entstehen alle seine übrigen Magentaschen, nämlich durch centripetal einwachsende Entodermfalten in schon vorhandenen Taschen. Dieser Unterschied fällt mit der Thatsache zusammen, dass die vier erstgenannten Taschen sich als die ursprünglichsten ergeben. Für das erste Taschenpaar ist dies selbstverständlich; dass dieses dann durch je ein Theilungsseptum halbirt wird, bevor noch die beiden Richtungstaschen entstanden sind (Textfig. 2), erklärt sich sehr leicht durch eine Verschiebung in der Zeitfolge der Septen- bildung, die, wie wir sehen werden, in der Entwickelung der übrigen Zoantharien eine so große Rolle spielt, und kommt ferner gar nicht in Betracht gegenüber der Bedeutung der beiden Richtungstaschen für den allgemeinen Bau des Cereanthus und der Sceyphopolypen überhaupt. Nachdem durch den Schlund und die zwei ersten Taschen eine bestimmte erste Anordnung hergestellt ist, die aber noch nicht Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 307 den Typus des Scyphopolypen wiedergiebt, wird durch die Halbirung dieser Taschen daran nichts wesentlich geändert, da die Lage- beziehungen der vier Seitentaschen zur Richtungsebene und zum Schlunde dieselben bleiben wie die Lagebeziehungen der zwei ersten Taschen. Erst mit dem Erscheinen der beiden Richtungstaschen wird jene Anordnung in jene aller Seyphopolypen übergeführt, indem der Schlund in seine definitive centrale Lage innerhalb eines geschlossenen Kreises von peripherischen Darmabschnitten hineinrückt. Die zwei ersten Magentaschen überhaupt und die zwei kreuz- weise zwischen sie sich einkeilenden Richtungstaschen sind nebst dem Schlunde die unentbehrlichen und daher ursprünglichen Grund- lagen des Scyphopolypenbaues von Cereanthus, wogegen die zwei ersten Halbirungssepten wie alle folgenden Vermehrungen der Septen und Taschen nur sekundäre Sonderungen innerhalb jener Grundform darstellen. Jene vier peripharyngealen Ausstülpungen des Urdarmes (zwei Seiten-, zwei Richtungstaschen) sind daher als primäre Magen- taschen zu bezeichnen und grundsätzlich von den übrigen oder se- kundären Magentaschen zu trennen, die allein der Vorstellung entsprechen, die bisher für die gesammte radiäre Gliederung der Seyphopolypen maßgebend war. Wie die Magentaschen können auch die zugehörigen Septen als vier primäre (Richtungssepten) und fol- sende sekundäre unterschieden werden. Da die Scyphopolypenform erst mit der vollständigen centralen Lage des Schlundes erreicht ist, bezeichnet das Stadium mit vier primären Taschen die älteste Seyphopolypenform in der Stammesentwicklung von Cereanthus. Eine zweite Reihe von Schlussfolgerungen betrifft die Grundform im Sinne der Orientirung, die in der Entwickelung von Cereanthus zu Tage tritt. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Scypho- polypen entweder einen radialen, bez. biradialen oder einen bilate- ralen Bau haben, und dass der letztere namentlich während ihrer Entwiekelung vorherrsche. Für Cereanthus insbesondere gilt die Bilateralsymmetrie als die ausschließliche Grundform. Dies lässt sich aber mit den angeführten Beobachtungen seiner Entwickelung nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Dass Cereanthus bis zur vollendeten 4zähligen Larvenform, abgesehen von unbedeutenden Größenverschiedenheiten der Taschen- paare 2 und 3, strahlig gebaut ist, unterliegt keinem Zweifel (vgl. Fig. 1). Daran wird auch durch die genauere Bezeichnung dieses 308 A. Goette, Baues als eines biradialen nichts Wesentliches geändert; denn beide Formen haben dieselbe Art der Orientirung durch kongruente Gegen- stücke mit einander gemein (vgl. 22 II, p. 71). Dagegen soll nach VAN BENEDEN mit dem Erscheinen der ventralen Richtungstasche (4), während das dorsale Gegenstück 1 noch fehlt, in den Cereanthus- larven eine Bilateralform geschaffen werden; und während 1 ent- steht, beginnt thatsächlich die Theilung von 4, so dass die Aus- gleichung jenes ersten Gegensatzes verhindert und die Bilateral- symmetrie gewissermaßen erneut wird (Fig. 2—4). Kaum eingeleitet wird aber diese Orientirung dadurch wieder in Frage gestellt, dass 4! stärker wächst und früher einen Tentakel entwickelt als 4°, in welcher Tasche darauf das neue Septum einen weiteren Unterschied gegen die linke Seite hervorruft (Fig. 8, 9). Und sobald diese Stö- rung durch eine gewisse Egalisirung von 4" und 4! und durch das Einrücken von 5 in die Richtungsebene beseitigt erscheint, hat sich die Bilateralsymmetrie gleichzeitig in eine biradiale Anordnung ver- wandelt, indem an beiden Enden der Richtungsebene je eine un- paare Tasche (1 und 5) liegt (Fig. 19, 12). Will man dagegen ein- wenden, dass ja 4’ und 4! viel kleiner sind als die anderen seitlichen Taschenpaare 3’"—3!, 2’—2!, und dadurch immerhin eine bloß spiegelbildliche Gleichheit beider Körperhälften begründet ist, so erwiedere ich, dass auch die Egalisirung von 4’ und 4! noch lange nicht vollkommen erreicht ist, was die Tentakel selbst einer älteren Larve noch beweisen (vgl. Fig. 13, 21), und daher die Bilateral- Symmetrie genau genommen eben so wenig zutrifft. Es ist aber nach der vorausgeschickten Beschreibung leicht zu ersehen, dass die an- gegebenen Störungen jeder regelmäßigen Grundform in der Folge sich noch stärker geltend machen, und dass in Wirklichkeit die Cereanthuslarven die bilaterale Grundform so wenig wie die bilaterale ganz rein wiedergeben. Es liegt hier natürlich der Einwand sehr nahe, dass eine solche Auffassung zu kleinlich sei, da die aufgezählten Unregelmäßiskeiten stets nur vorübergehende sind und daher unbeachtet bleiben könnten. Ich muss dagegen hervorheben, dass sie keineswegs zufällige, sondern offenbar ererbte und fixirte Erscheinungen sind und durch das ganze Leben des Cereanthus sich erneuern. Auf der anderen Seite zweifle ich nicht daran, dass dieser Unregelmäßigkeit ein durchaus regel- mäßiger Entwiekelungsverlauf bei den Vorfahren unseres Thieres vorausging. Denkt man sich also die Unregelmäßigkeit aus der segenwärtigen Einzelentwickelung des Cereanthus eliminirt, so ‚erhält Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 309 | man nicht etwa, wie wenn es sich um unwesentliche Zufälligkeiten handelte, ein klareres Bild dieser selben Entwickelung, sondern jenen ursprünglichen, regelmäßigen Entwickelungsverlauf der nächsten Vor- fahren. Und eine solehe Untersuchung ist allerdings für die Be- urtheilung der Entwickelungserscheinungen der lebenden Cereanthiden ganz unerlässlich. Ich lege dabei kein sonderliches Gewicht auf die zeitliche Differenz in der Entstehung beider Richtungstaschen: denn dieselbe Differenz zeigt sich auch ganz beständig in der Entwickelung der entsprechenden Magentaschen in der Seyphula, der jüngsten Larven- form der Seyphomedusen, ohne dass Spuren davon in den späteren Stadien zurückbleiben (24, Fig. 23). Ich halte daher diese Erschei- nung bei Cereanthus, die zudem von so kurzer Dauer ist, für be- langlos, und in Folge dessen für statthaft, von einer radialen 6zähligen Larve als einem Abbild einer gleichen Vorfahrenform zu sprechen. Auch der darauf folgende einseitige, ventrale Zuwachs an Septen und Taschen braucht nicht nothwendig eine wirkliche Bilateralform im Gefolge zu haben, indem die jeweiligen neuen Glieder in ihrer Zahl und Lage, sowie durch rasche Ausgleichung mit den älteren Gliedern sich sehr wohl dem radialen Bau anpassen können (8. u... Dagegen zeigt der Verlauf dieses Zuwachses bei Cereanthus im Einzelnen unzweifelhaft bilaterale Bilder, die näher zu untersuchen sind. Dabei sollen, wie bemerkt, vor Allem die beschriebenen quanti- tativen Ungleichheiten von rechts und links hinweggedacht werden, so dass nur noch Zahl und Lage der Taschen maßgebend bleiben. Unter dieser Voraussetzung würde nach dem biradialen 6zähligen Stadium das 7zählige Stadium mit der halbirten Richtungstasche 4 gegenüber der ungetheilten dorsalen Richtungstasche 1 eine un- verkennbare Bilateralsymmetrie darstellen (Fig. 2, 3). Sobald sich aber die unpaare Tasche 5 zwischen das Paar 4"—4! einschiebt, tritt eben so bestimmt an Stelle jener Symmetrie wieder eine biradiale Form (Fig. 12). Und jede weitere Halbirung der jeweiligen un- paaren ventralen Tasche und Einschiebung einer neuen unpaaren Tasche hat denselben Erfolg: die 6—-8—10—12.... zähligen Larven müssten daher als biradiale, die 7—9—11....zähligen als bilateral-symmetrische betrachtet werden. Es fehlt also nicht nur eine einheitliche Grundform, sondern der beständige Wechsel zweier entgegengesetzter Grundformen kann auch nicht einen regel- mäßigen ursprünglichen Zustand darstellen. Dieser Widerspruch löst 310 A. Goette, sich aber bei genauerem Hinsehen in einfacher und befriedigender Weise. Die Tasche 5 und jede folgende unpaare Tasche entsteht näm- lich nicht wirklich zwischen dem vorausgehenden Paar, sondern stets in einer Hälfte desselben, in der Regel rechts von der Richtungsebene und dem unpaaren Septum. Daraus folgt, dass von der siebenzähligen Larve mit dem Taschenpaar 4’—4! angefangen, der gesammte Zu- wachs an Taschen, Septen und Tentakeln ausschließlich auf eine ursprüngliche Hälfte der Larve entfällt!, also überhaupt nicht als ein ventraler, sondern nur als ein durchaus asymmetrischer aufgefasst werden kann. Dies wird dadurch verdeckt und in eine rein äußer- liche Regelmäßigkeit gebracht, dass jede neue unpaare Tasche aus ihrer Lage neben der Richtungsebene sich alsbald in die letztere verschiebt, wobei das unpaare Septum, in dem die Richtungsebene vorher auslief, eben- falls zur Seite geschoben wird (Textfig. 5). In der That liegt also die Sache so: die unpaaren ventralen Taschen, durch deren Halbirung die eben beschriebenen bilatera- len Bilder entstehen, gehen selbst aus asym- metrischen Anlagen hervor, die erst nach- träglich zurechtgeschoben werden; jene intermittirenden Bilder sind also die Folge von beständig wiederholten Korrekturen einer eben so oft wiederkehrenden Asymme- Me trie. Oder mit anderen Worten: die genannte Schema der wirklichen Septen. Pllateralsymmetrie in Folge der Halbirungen und Taschenvermehrung vonCere- entwickelte sich erst in asymmetrisch abge- anthus. &, scheinbare ursprüng- _, ; 2 Tiche che span änderten Formen, hat daher mit einem ur- sprünglichen regelmäßigen Zustand nichts zu thun und stellt, was schon das intermittirende Auftreten andeutete im Grunde bloß eine gelegentliche Begleiterscheinung dar. Dies ändert sich auch keineswegs, wenn man jene Asymmetrie in der Entstehung der unpaaren ventralen Taschen zu eliminiren, d. h. den ursprünglichen symmetrischen Vorgang zu eruiren sucht. Sie äußert sich darin, dass jede unpaare Tasche rechts von der ! Es ist dabei ganz gleichgültig, ob bei der einseitigen Entstehung der unpaaren Taschen ein Wechsel von rechts und links eintritt (s. p. 303); denn die erste derart entstandene Tasche entscheidet, wie man aus der Textfig. 5 leicht verstehen wird, unter allen Umständen für alle folgenden. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 311 Richtungsebene und dem unpaaren Septum entsteht; dabei muss man ‚sich aber erinnern, dass die links vom unpaaren Septum gelegene Tasche Anfangs die rechte an Größe überwiegt, sie also offenbar aus ihrer ursprünglichen Lage verdrängt hat (s. o. und Fig. $, 9, 18—20). Sobald man sich daher diese sekundär erworbene Ungleichheit hin- wegdenkt, rückt natürlich das unpaare Septum nach links hinüber und die erste Anlage der unpaaren Tasche in die Richtungsebene (Textfig. 6). Daraus folgt, dass das unpaare Septum früher gar keine Halbirung ausführte, sondern als linksseitige Bildung in einer sym- metrischen Form ein rechtsseitiges Gegenstück haben musste. Dies ist nun zweifellos das in den gegenwärtigen Cereanthuslarven stets später erscheinende rechte Septum der neu entstehenden unpaaren Tasche, das also nur zeitlich vorgerückt ge- dacht zn werden braucht, um die gesuchte vollständige Symmetrie zu erhalten. Durch diesen ganz natürlichen Gedanken- gang kommt man zu der Vorstellung, dass jede gegenwärtig zu beobachtende Halbirung einer ventralen Tasche, die darauf folgende einseitige Bildung einer neuen unpaaren Tasche und ihre nachträgliche Verschiebung in die Richtungsebene ursprünglich in einen Akt zusammenfielen, indem jede unpaare Textfig. 6. Tasche durch zwei gleichzeitig entstehende °hema der ursprünglichen Sep- ten- und Taschenvermehrung von Septen sofort in drei neue Taschen zerfiel, Cereanthus. 4 in 4°—5—41, 5 m ’—6—5!u:8 L (Textfig. 6). Dabei blieb ununterbrochen eine unpaare Tasche an der Bauchseite zurück, in die die ursprüngliche Richtungsebene auslief, und die daher eben so beständig ein Gegenstück zur dorsalen Richtungstasche 1 bildete. Unter diesen Umständen fehlte natürlich damals der sesenwärtig stattfindende Wechsel der Grundformen, zugleich aber auch jede bilaterale Anordnung der Taschen und Septen: ihre beständige Grundform bei den nächsten Vorfahren der 1 Eine solche Annahme ist nicht gleichbedeutend mit der Angabe einiger meiner Vorgänger, dass die Septen sich stets paarweise in der jeweiligen un- paaren Tasche vermehrten (s. o.. Denn dies ist in Wirklichkeit nicht der Fall, sondern kann nur für die Vorfahren der heutigen Cereanthiden angenom- men werden. Und nur, indem man den gegenwärtigen und den früheren Ent- wickelungsverlauf aus einander hält, kann man zu einer richtigen Auffassung des ersteren gelangen. 312 A. Goette, Cereanthiden war eine biradiale, worauf erst in Folge neu erworbener Asymmetrie die beschriebene intermittirende und unvollständige Bi- lateralordnung hinzukam. Damit ist allerdings das letzte Wort über die gesammte Grund- form der Cereanthiden nicht gesprochen. Wenn nach den obigen Ausführungen die Taschen- und Septenordnung wesentlich eine asym- metrisch abgeänderte biradiale ist, wobei die gelegentlichen bilate- ralen Bilder nicht in Betracht kommen, so giebt es doch daneben andere ganz unverkennbare und dauernde bilaterale Erscheinungen in der Organisation von Cereanthus: die außerordentlich überwiegende dorsale Schlundrinne, wogegen die ventrale ganz unkenntlich bleibt (v. HEIDER), ferner die größeren dorsalen Taschen mit ihrer beson- deren Tentakelordnung (vgl. FAuURoT u. A.), die einseitigen septalen Längsmuskeln (CARLGREN) und die Verlängerung bloß des zweiten dorsalen Magenfaltenpaares bis zum Afterpol. Freilich gehören alle diese Erscheinungen der postlarvalen Zeit an, sind also ein späterer Erwerb, der die beschriebene biradiale Vorfahrenform nicht berührt; sie genügen aber, um den gegenwärtigen Cereanthiden ein durchaus bilaterales Aussehen zu verleihen. Und dennoch ist dadurch ihr bilateraler Bau nicht völlig einwandfrei festgestellt. In demselben Maße, als sich diese bilateralen Bildungen ent- wickeln, nimmt die in der ersten Larvenzeit ziemlich vollständige Ausgleichung der ventralen Asymmetrie ab, so dass die neugebildeten rechtsseitigen Taschen sich immer unvollständiger in die Richtungs- ebene verschieben und endlich ein Überschuss der definitiven rechten Taschen entsteht. In dem von Wırsox (57) abgebildeten Exemplar stehen 7 linke Taschen gegen 8 rechte, nach CERFONTAINE (16) 11 gegen 12, nach HEIDER (31) 56 gegen 60, und ich selbst habe ganz ähnliche Verhältniszahlen bei erwachsenen Cereanthus membranaceus gefunden. Diese Asymmetrie beider Körperhälften fällt freilich nicht so in die Augen, wie die vorhin genannten bilateralen Bildungen; es wäre aber willkürlich sie desshalb für belanglos zu erklären. Denn der schwächere Eindruck rührt nicht von einem geringeren Maß der Differenz her, sondern nur von ihrer geringeren Kenntlichkeit für unser Auge, das ja die schwächeren und vollkommener ausge- glichenen Asymmetrien der jungen Larven deutlicher sieht. Es bleibt daher die Thatsache bestehen, dass der Gesammtbau von Cereanthus trotz sehr auffälliger einzelner Bilateralbildungen im Grunde genom- men ein entschieden asymmetrischer ist. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 313 Die Untersuchung über die Grundform der Cereanthiden lehrt, dass sie eine merkwürdig komplexe ist, und nur in ihrer stammes- geschichtlichen Entstehung riehtig gewürdigt werden kann. Ich fasse daher meine Ergebnisse in einer historischen Reihe zusammen. 1) Die Vorfahren der Cereanthiden waren vollkommene Strahl- formen, in letzter Linie Scyphopolypen mit vier primären Magen- taschen, gleich einem 4zähligen Seyphostoma. 2) Dieser vierzählige Polyp erwarb zunächst die zwei seitlichen Theilungssepten (6zähliger Typus), woran sich wahrscheinlich der einseitige ventrale Zuwachs der Septen, aber ohne eine eigentliche bilaterale Anordnung anschloss. 3) Auch die folgende Abänderung bestand keineswegs in einem direkten und vollständigen Übergang zur Bilateralsymmetrie, sondern in der Fixirung von Asymmetrien, die theils selbst gewisse inter- mittirende, also nur scheinbare bilaterale Bildungen der Larven her- vorriefen (Taschenordnung), theils neben wirklichen bilateralen Bil- ‚dungen (Schlundrinne, Septalmuskeln etc.) je länger, desto mehr zunahmen. 4) Die Cereanthiden sind folglich asymmetrisch abgeänderte Strahlformen, in denen gewisse unverkennbare Ansätze zur bilate- ralen Umbildung nicht zur Herrschaft gekommen sind. Anhang: Über die Cereanthidenlarven 5b und einige Lebenserscheinungen der Art «a. Die zwei von mir erwähnten Larven 5 (s. p. 293), die nach ihrem allgemeinen Bau unzweifelhaft einer Cereanthidenart ange- hören, aber sich in mehreren Stücken ganz präcis von den bisher beschriebenen Cereanthidenlarven « unterscheiden, fallen schon äußer- lich dadurch auf, dass sie verhältnismäßig viel kleiner und undurch- sichtig sind (Fig. 21—28). Ihre schon beschriebenen Tentakel (s. p. 304) waren an den konservirten Thieren gerade aufgerichtet und nicht breit gespreitzt wie bei den gewöhnlichen Larven «a. Beide Körper- schichten sind sehr diek, was namentlich am septalen Entoderm ganz ungewöhnlich erscheint. Mund und Schlund sind längs der Septen- ansätze regelmäßig tief eingekerbt (Fig. 25—28); am Mundrande gehen diese Kerben in die Rinnen zwischen den zusammengedräng- ten Tentakelbasen über, und da habe ich es einmal beobachtet, dass ‚von einer solchen über einem Septum verlaufenden Peristomrinne sich ein konischer Zapfen zwischen die beiden Blätter des Septum 314 A. Goette, hinabsenkte, freilich nur bis zu einer geringen Tiefe, aber immerhin mit dem Erfolge, dass er das Septum gegen die angrenzenden Taschen vorwölbte (Fig. 27 st). Eine solche Bildung ist für die weitere Ent- wickelung der Larve sicherlich von keiner Bedeutung, um so mehr aber in einer anderen Richtung, worauf ich später zurickkomme. Ä Die Anordnung der Septen unserer beiden Larven war dieselbe wie bei den gleich alten 11- und 12zähligen Exemplaren der an- deren Art. Die dorsalen Richtungssepten und die jüngeren ventralen Septen hörten an der Schlundpforte auf, setzten sich also in keine Magenfalten fort. Der sogenannte Nahrungsdotter fehlte ganz, da- segen besaß gerade das etwas jüngere, 1l1zählige Exemplar schon einen After. Zum Unterschied von den gewöhnlichen Cereanthuslarven « sind die Längsmuskeln dieser Larven 5 sehr deutlich entwickelt. Das innere Drittel des Ektoderms besteht aus einer fein granulirten, kernlosen und sich wenig färbenden Masse, an deren Rande sich die Muskulatur befindet, eine dichte Reihe von glänzenden Fibril- len. Von den Tentakeln her setzt sich diese Schicht einmal in die Körperwand fort, und dann in das Peristom, d. h. in die erwähn- ten Rinnen zwischen den Tentakeln, wo man die Fibrillen von einer Tentakelbasis zur anderen, also horizontal verlaufen sieht. In einem tieferen Niveau beginnt die entodermale Längsmuskulatur der Sep- ten. In jedem der drei ältesten Septenpaare befindet sich eine relativ starke, sich lebhaft färbende Stützlamelle, die auf einer Seite segen das Entoderm geradlinig abgegrenzt ist, auf der anderen Seite aber einen eben so zackigen Rand besitzt wie die Innenseite des Ektoderms und ebenfalls mit glänzenden Muskeldurchschnitten besetzt ist. Diese septalen Längsmuskeln liegen auf den von der dorsalen Richtungstasche und Schlundrinne abgewandten Seiten der septalen Stützmembranen (s. p. 296). Trotzdem ich in den gewöhnlichen Cereanthuslarven « septale Muskeln weder auf Quer- noch auf Längsdurchschnitten zu erkennen vermochte, ist doch an der aktiven Bewegungsfähigkeit ihrer Septen und Filamente nicht zu zweifeln. Ich schließe dies besonders aus einigen Befunden an solehen Exemplaren, die nicht lange nach der Aufnahme einer Beute abgetödtet waren. Eine Szählige Larve hatte einen Copepoden halb verschlungen, so dass er mit dem Hinter- körper noch aus dem übermäßig erweiterten Munde hervorragte, während die andere Hälfte sich im Schlunde und Magen befand Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 315 und dort auch schon theilweise zerfallen, aufgelöst war. Der Krebs füllte aber den Schlund nicht aus, sondern daneben lag eines der beiden Hauptfilamente (erstes Paar von Theilungssepten) in der Weise, dass es durch die ganze Breite des Schlundes sich mit konvexer Krümmung in den Krebs hineingedrückt hatte. Dieselbe Lage hatte es auch noch im Magen. Die zweite Magenfalte desselben Paares war von dort an, wo ihre Verdickung gegen den Rand hin beginnt, scharf gegen die Körperwand umgebogen und durchbohrte sie, so dass der größte Theil des Randes mit dem Filament außerhalb der Larve hing (Fig. 17). In dem kleinen Loch der Durchbohrung war das Organ zu einem dünnen Stiel zusammengedrückt. Ich kann mir nun nicht denken, dass die beiden Magenfalten und Filamente in die beschriebene Lage rein passiv hineingerathen sind, und nehme vielmehr an, dass während des Ergreifens und Schluckens der Beute, wobei die Hauptaktion den Tentakeln und der Körperwand zufällt, auch die zwei großen Magenfalten mit ihren Filamenten in lebhafte Bewegungen geriethen, worauf die eine sich in den Schlund und zugleich in den Krebs hineinzwängte und die andere genau so wie die Acontien der Aktinien nach außen ge- schleudert wurde. Die Bedeutung dieses letzteren Vorganges dürfte keine andere sein als bei den erwachsenen Aktinien: es ist eine mehr oder weniger spontane Reaktion auf starke äußere Reize, wobei jedoch die Durchbohrung selbst noch einer Aufklärung be- darf, da mir von ständigen Cincliden bei Cereanthus nichts bekannt ist und die kleine Öffnung während der Durchbohrung bedeutend srößer gewesen sein muss. Die Bewegung der anderen Magenfalte ist eben so wenig eine ziellose. Denn durch ihre Anlagerung an die abgestorbene und zerfallende Beute wird der eigentliche Er- nährungsakt, die Überführung kleiner Brocken in das Epithel, sehr befördert. Dies ersehe ich aus den folgenden Beobachtungen. An allen mit zerfallender Beute oder mit Nahrungsresten ge- füllten Larven ist das Entoderm von dunklen, sich lebhaft färbenden Broeken durchsetzt, die durch ihr homogenes Aussehen, ihre ganz unregelmäßige Größe und Gestalt vollkommen mit dem im Magen befindlichen Detritus übereinstimmen und eben die aufgenommene in Verdauung begriffene Nahrung darstellen. Ich finde diese Ein- schlüsse an den verschiedensten Stellen des Entoderms, auch in den Tentakeln, aber nirgends in so reichem Maße wie in dem entoder- malen Randpolster der großen Magenfalten, das in der angegebenen Weise mit der Beute in Berührung kommt. Es dürfte also dieses Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 21 316 A. Goette, Randpolster in erster Linie dazu bestimmt sein, die Aufnahme der Nahrung mitten im Magen und im Schlunde, von wo sie leicht hin- ausgespült werden könnte, zu sichern; das Ektoderm der Filamente und des Schlundes betheiligt sich an dieser Nahrungsaufnahme nicht, wie dies schon WILLEM (56) angegeben hat. il. Die Entwickelung von Cereactis aurantiaca und anderen Aktinien. Mein Material umfasste die Entwicklungsstufen der Cereactis aurantiaca von der Keimschichtung an bis zum Ende des Szähligen Stadiums, ferner S—24zählige Larven von Heliactis bellis und Bunodes gemmacea, endlich eine Anzahl älterer Larven einer un- bestimmten Aktinie von Corfu. Die Cereactis und Heliactis erhielt ich aus Neapel, Bunodes aus Rovigno; diese Embryonen und Larven wurden sämmtlich den Mutterthieren entnommen. Die Larven von Corfu fand ich frei im Wasser. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, stellte ich meine Beobachtungen hauptsächlich an Cereactis an; die übrigen Aktinien ergänzten sie bloß in den späteren Stadien. 1. Die Gastrula. Die jüngsten meiner ÜCereactis-Embryonen befanden sich im Stadium einer einfachen Sterrogastrula, die sich aber äußerlich durch kein einziges sicheres Merkmal orientiren ließ. Bei dem Mangel eines offenen oder sonst kenntlichen Prostoma hätte nur noch die Gestalt über die beiden Pole der Gastrula (Scheitel-, Prostomialpol) orientiren können. Aber abgesehen davon, dass unsere Embryonen häufig kugelig sind, fällt in den übrigen ovalen Individuen die Haupt- achse der Gastrula, die jene beiden Pole verbindet, nicht etwa stets mit dem längsten Durchmesser des Ovals, sondern eben so oft mit irgend einem queren Durchmesser desselben zusammen, so dass die äußere Gestalt über die einzuhaltende Schnittrichtung keine sichere Auskunft giebt. Erst an den Durchschnittsserien solcher Gastrulae kann man eine Polarität der letzteren daran erkennen, dass die Keimschichten an zwei einander entgegengesetzten Seiten verschieden sind, die sich in der Folge als die apicale oder aborale und die prostomiale oder orale herausstellen. Indem ich nun die Embryonen, so weit es anging, stets rechtwinkelig zum längsten Durchmesser zerlegte, erhielt ich neben etwas schrägen und queren Durchschnitten der Gastrula auch solche, die mehr oder weniger genau parallel zu ihrer Hauptachse ‘verliefen, also ihre beiden verschiedenen Pole gleichzeitig trafen. Einiges über die Entwiekelung der Seyphopolypen. 311 Auf solehen Durehschnitten unterscheidet man drei verschiedene Gewebe: das Ektoderm, das Entoderm und den Nahrungsdotter. Das ‚Ektoderm ist von der zweiten Keimschicht scharf gesondert, an der oralen Seite verdickt und gegenüber ein dünnes Plattenepithel (Fig. 29). Die Sonderung des Entoderms vom Nahrungsdotter war ebenfalls überall kenntlich, aber noch nicht bis zu der scharfen Trennung durchgeführt wie zwischen den beiden epithelialen Schichten, wie denn überhaupt die Entwickelung der primären Keimschichten nicht selten über die Gastrulationsperiode hinausgeht. Immerhin wird sie am natürlichsten hier abzuhandeln sein. Der indifferenteste, also auch ursprünglichste Zustand des Ekto- derms unserer Embryonen findet sich in den dünnsten Stellen der äquatorialen und der aboralen Region. Die Zellen dieses Platten- ‚epithels erscheinen, von der Fläche (in Tangentialschnitten) gesehen, polygonal rundlich, mit einer dichten Zone von Dotterkörnern um den Kern (Fig. 30); im senkrechten Durchschnitt zeigen sie in Folge der Verdünnung gegen den Rand hin die bekannte Spindelform (Fig. 31e#’). Im Übergange zu der oralen Hälfte werden die Ekto- dermzellen dieker auf Kosten ihrer Breite, und bis zum Umkreis des Mundpols schreitet diese Formveränderung so weit fort, dass sie dort zu Cylinderzellen geworden sind (Fig. 31, 32). Damit geht die Auf- lösung und der Schwund der Dottersubstanz und eime Art von Vaecuolisirung der Zellen Hand in Hand. In den Vacuolen, die nach innen bis zur Grundfläche der Zellen reichen, nach außen aber und oft auch seitlich eine deutliche Rindenschicht des Protoplasma frei lassen, liegen häufig dieselben großen Kerne wie in den Plattenzellen; zwischen den Vacuolen und in der Außenrinde befinden sich in ‚großer Zahl kleine, sich lebhaft färbende Kerne (Fig. 31y). Später sieht man diese Kerne in dünnen Zellen liegen, die sich durch die ganze Dicke des Ektoderms erstrecken und die Vacuolen mit ihren großen runden Kernen zusammenpressen (Fig. 32). Auch an den ältesten Szähligen Cereactislarven habe ich ein wesentlich anderes Bild des Ektoderms nicht gesehen; über die Entstehung der kleinen Kerne und ihrer Zellen gelang es mir aber nirgends völlige Klarheit zu gewinnen. Im weiteren Verlauf der Entwickelung breitet sich die eben be- schriebene Umbildung des ursprünglichen Ektoderms bis zum aboralen Pol aus, doch so, dass um den Mundpol stets eine verdickte Zone - bestehen bleibt (Fig. 33 u. f.) und andererseits am aboralen Pol sich ebenfalls eine kleine hügelförmige Ektodermverdickung ent- 21* 318 A. Goette, wickelt. Nach dem von mir allein benutzten konservirten Material zu urtheilen, entsteht das Wimperkleid dieser Embryonen an den metamorphosirten Zellen ihrer oralen Hälfte, bevor die aborale Hälfte dieselbe Verwandlung erfahren hat; dieser Zustand einer mehr oder weniger halbseitigen Bewimperung dauert aber nicht lange. Das Entoderm tritt ebenfalls als ein dünnes Plattenepithel auf, dessen Zellen sich darauf verdieken und zusammenschieben, um zu- letzt in ein Cylinderepithel überzugehen (Fig. 31, 32). Dieses ver- diekt sich an denselben Stellen wie das Ektoderm zu einer stärkeren oralen und aboralen Platte und dehnt sich im weiteren Verlauf der Entwickelung so sehr aus, dass es sich in zahlreiche radiär gestellte Falten legt (Fig. 61, 73—75). Neben den großen Kernen des ur- sprünglichen Plattenepithels entwickeln sich im Entoderm eben so wie im Ektoderm zahlreiche kleine, durchweg chromatische Kerne (Fig. 32). Das Entoderm ist vom Ektoderm Anfangs nur durch einen spalt- förmigen Zwischenraum getrennt; an seine Stelle tritt aber noch während des Gastrulastadiums die feste, sich intensiv färbende Stütz- lamelle. Die von dem eben beschriebenen Darmblatt umschlossene cen- trale Masse des primären Entoderms besteht schon in den jüngsten von mir untersuchten Embryonen aus einem Syneytium mit den mehr- fach erwähnten großen Kernen und schließt sich dem zweiten Keim- blatt eng an (Fig. 31). In einzelnen Fällen sah ich aber dieses Syneytium in der Tiefe des Urdarmes in eine Masse von getrennten kugeligen Embryonalzellen übergehen; und da die nächstfolgende Metamorphose dieses ganzen Nahrungsdotters darin besteht, dass er sich unter Ablösung vom epithelialen Entoderm in eine flockige Masse verwandelt, in der die Kerne verschwinden, so ist das Syn- eytium nur der Übergang von den vollkommenen Embryonalzellen zu jener späteren Detritusmasse. Diese Beobachtungen lassen sich mit den Angaben H. WıLson’s über die Keimbildung der Koralle Manicina areolata (57) nicht wohl vereinigen. Dort entsteht ein im ganzen Umfange des Embryo gleich hohes Cylinderepithel, das unzweifelhaft das Ektoderm dar- stellt, aber noch bis nach der Einstülpung des Schlundes mit der inneren Keimmasse, einem Syneytium, das Entoderm und Nahrungs- dotter ungesondert enthält, kontinuirlich zusammenhängt. Erst nach- träglich löst sich das Ektoderm vom Syneytium ab, worauf die ober- flächliche Schicht des letzteren sich als Entoderm absondert. Eine Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 319 solche den ganzen Embryo umfassende Syneytiumbildung ist zum mindesten sehr auffällig; auch kommt sie nach McMurrıc# (47) bei Rhodaectis st. thomae nicht vor. 2. Die Entwickelung des Schlundes, der ersten Magentaschen und Magenfalten. Die ersten Anzeichen der Schlundbildung sehe ich schon an der Gastrula. Das Centrum der oralen Ektodermplatte verdünnt sich, so dass die Oberfläche dort ein wenig einsinkt; die Zellen am Rande dieser Delle neigen sich diesen letzteren zu, wie es auch gleich darauf nach der wirklichen Einstülpung des Ektoderms zu sehen ist. In der Durchschnittsserie Fig. 33—38 sind eigentlich alle Stufen dieser Einstülpung und ihres Durchbruchs in den Urdarm zu sehen, da dieser Durchbruch nur an einer Stelle der Einsenkung vollzogen, daneben aber erst vorbereitet ist. Diese ist so flach, dass sie das darunter liegende verdiekte Entoderm kaum merklich zurückdrängt, aber keinesfalls wirklich einbuchtet (Fig. 33); ihr Boden breitet sich vielmehr seitlich mit zugeschärftem Rand über das Entoderm aus, wor- auf beide an einander gepresste Epithelien mit einander verschmelzen (Fig. 34). Der Durchbruch dieser Schlundeinstülpung erfolgt in der Weise, dass die Mitte der verschmolzenen Partie sich in einen Zellen- brei gleich dem Nahrungsdotter auflöst, um darauf zu verschwinden; die im Umkreise dieses Durchbruchs verschmolzenen Ränder des Schlundektoderms und des Entoderms bleiben aber intakt und bilden eine verdickte Ringfalte (Fig. 35). Die von ihr umschlossene Öffnung ist Anfangs ziemlich weit und annähernd kreisförmig (Fig. 55), ver- engt sich aber sehr bald zu einer äußerlich nicht mehr wahrnehm- baren Spalte (Fig. 49, 54). Die Verschmelzung beider Keimschichten in der Ringfalte ist derart, dass ihre Ränder unmittelbar in einander übergehen, eine glatt fortlaufende Epithelschicht bilden; eine scharfe gewebliche Grenze zwischen ihnen konnte ich nicht wahrnehmen, sondern nur einen solchen kurzen Übergang, wie er in allen solchen Fällen bei anderen Thieren bekannt ist. In der Folge rückt das Ektoderm über die Ringfalte hinaus vor, indem es an die Stelle des von ihm zurückweichenden, dem Außenektoderm anliegenden »parietalen« Entoderms tritt; keineswegs wächst es aber von der Ringfalte aus gleich als ein frei in den Darmraum hineinragender Cylinder aus. Vielmehr greift nach der ersten Anlage des Schlundes in Form der 0 A. Goette, beschriebenen Ringfalte die Thätigkeit des Entoderms in seine weitere Bildung ein. - 8o weit ich ehe geht der Durchbruch der Schlundeinstülpung bei Oereactis in der Hegel den besonderen peripharyngealen Bildungen voraus, die aber gleich darauf beginnen!. Sie bestehen aus den sackförmigen, radiär und aufwärts gerichteten Magentaschen, den sie abwärts fortsetzenden offenen Magenrinnen, den die Taschen trennenden Septen und endlich den die Magenrinnen seitlich be- srenzenden Magenfalten. Die ersten Anlagen dieser Theile sollen hier an einer Serie von Längsdurchschnitten illustrirt werden, die der künftigen Richtungsebene? parallel ausgeführt waren (Fig. 39—43). In den mittelsten Schnitten (Richtungsebene) zeigt sich der Schlund noch genau so, wie er schon beschrieben wurde: sein Epithel schlägt sich von der Ringfalte ganz glatt in das parietale Entoderm um, das aber in einigem Abstand vom Faltenrand etwas wulstig verdickt erscheint (Fig. 41). Die fraglichen Anlagen zeigen sich erst in den Schnitten, die sich beiderseits an jene mittleren Schnitte anschließen; sie verlaufen also rechiwinkelig zur Richtungsebene. Der Schnitt Fig. 40 geht tangential durch die Ringfalte, die seitwärts in die er- wähnte, hier noch quer getroffene Anschwellung des parietalen Ento- derms übergeht. Jenseits der Ringfalte fallen die Durchschnitte tangential durch diese Anschwellung und durch eine meridionale Fort- setzung derselben in Form einer unregelmäßig verdiekten Platte (Fig. 39). Über ihren beiden Seitenrändern wächst die Stützlamelle zu einer niedrigen, im Durchschnitt dreieckigen meridionalen Leiste aus, die das Entoderm zu einer eben kenntlichen und in derselben Richtung verlaufenden Falte erhebt. Unzweifelhaft sind dies die Anlagen von zwei Magenfalten, zwischen denen aber eine Magen- rinne kaum angedeutet ist, da das Entoderm dort unregelmäßig auf- sewulstet ist. Auf der gegenüberliegenden Körperseite befindet sich ein ebensolches Faltenpaar (Fig. 43); die zwischen ihnen liegende Entodermplatte läuft aber nicht glatt in die Ringfalte aus, sondern entsendet einen soliden zungenförmigen Fortsatz zwischen ihre eigene Fortsetzung zur Ringfalte und das Außenektoderm, wie es außer Fig. 42 der aus den Sagittaldurchschnitten konstruirte Durchschnitt in einer Ebene rechtwinkelig zur Richtungsebene (Fig. 44) zeigt. ! Nur ein einziges Mal traf ich die ersten peripharyngealen Entodermbil- dungen an einem Embryo, an dem eine kenntliche Schlundeinstülpung noch nicht erfolgt war (Fig. 45). 2 Über diese Orientirung s. w. u. %5 RK rV a Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 391 Dieser Fortsatz ist die solide Anlage einer Magentasche, die sich später vom Darmraum her aushöhlt; und der Ausgangspunkt dieser Taschenbildung ist eben jener verdickte Entodermstreif zwischen den beiden Magenfalten, der später in Folge der Erhebung der letzteren zu einer Magenrinne einsinkt. Es ist daher nicht zu verkennen, dass diese Taschenbildung von Cereactis genau so verläuft, wie die nach v. BENEDEN geschilderte Bildung der Richtungstaschen von Cereanthus. Aber auch die Folgen dieses Vorgangs sind in beiden Fällen dieselben. Bei Cereanthus wie Cereactis wird durch die ge- nannte Taschenbildung der Schlund vom Außenektoderm abgehoben und in eine centrale Lage gerückt. Ein Unterschied besteht nur in der Gestalt des Schlundes, in Folge der verschiedenen mit einander verglichenen Altersstufen. In den 4zähligen Cereanthus-Larven ver- läuft er von seiner äußeren Öffnung oder dem Mund bis zu seinem unteren Rande oder der Schlundpforte schlauchförmig und gerade abwärts, auch in der Richtungsebene, wo er noch dem Außenekto- derm anliegt (Textfig. 3); bei den beschriebenen Cereactis-Embryonen mit einer Magentasche besteht er dagegen erst aus einer Ringfalte und ihrem Umschlag in das parietale Entoderm in Form eines flachen Ringes (Fig. 44), dessen unterer äußerer Rand von allen Seiten so nach innen zusammengeschoben werden muss, wie an der ersten Magentasche, um zur, wirklichen Schlundpforte eines schlauchförmi- sen centralen Schlundes zu werden. Übrigens muss ich nach dem Aussehen der Zellen der Ringfalte und ihrer nächsten Fortsetzung es bezweifeln, dass das Ektoderm schon in diesem frühen Entwicke- lungsstadium bis zur Innengrenze des künftigen Schlundes, d. h. bis zu der Stelle reicht, wo er in die Magentaschen umbiegt oder um- biegen wird. Vielmehr scheint es langsamer vorzudringen und das Entoderm zu verdrängen als die Grenzen des Schlundes abge- steckt werden. Dadurch wird bestätigt, was schon aus den bisher aufgeführten Thatsachen hervorgeht, dass das fertige Schlundrohr weder nach seiner Gestalt noch nach seiner Lage eine selbständige, ursprüngliche Bildung ist, sondern beides erst durch die Thätigkeit der Magentaschen erhält. Dies ist bei Cereactis um so evidenter, als der in Rede stehende Process dort oft einseitig beginnt und erst allmählich sich auf den ganzen Umkreis des Schlundes ausdehnt (s. w. u.). | Die einseitige erste Taschenanlage lässt noch eine andere That- sache deutlich hervortreten — den ursprünglichen Mangel der Sep- ten: die scharfen Seitenkanten der Tasche und das Fehlen einer 322 A. Goette, anstoßenden ähnlichen Anlage schließen die Möglichkeit einer Septen- bildung ganz aus (Fig. 42). An den ersten, ganz selbständig ent- wickelten (primären) Magentaschen entstehen die Septen erst nach- träglich, und daher hören Anfangs die Magenfalten, wenn sie ‚überhaupt schon hervortreten, am Eingange der Taschen ohne jede Fortsetzung auf, sowie sie andererseits in entgegengesetzter Richtung nach kurzem Verlauf verschwinden. Doch befand sich in dem Em- bryo Fig. 39—43 in demselben Meridian wie eine jener Falten, nur durch einen Abstand von ca. 25 Schnitten von ihrem Ende entfernt, eine Entodermfalte mit einer blattartig dünnen Stützlamelle, die sich bis gegen den aboralen Pol hinzog. Trotz der ganz unzweifelhaften Trennung gehören natürlich beide Falten zusammen und stellen durchaus keine seltene Abnormität dar; denn ich habe solehe Unter- brechungen noch mehrfach an anderen, selbst älteren Embryonen und Larven angetroffen. Zur weiteren Erläuterung und Ergänzung dieser Beschreibung schließe ich diejenige einiger Querschnitte eines unerheblich älteren Embryo an (Fig. 55—61). In Fig. 56, einem Durchschnitt ungefähr in halber Höhe des Schlundes, sieht man seine kreisrunde Lichtung von den radiär gestellten Zellen seines ektodermalen Epithels um- geben, an die sich in etwa ?/, des Umfangs die indifferenteren Zellen des parietalen Entoderms, der glatten Fortsetzung jenes Ekto- derms anschließen. In dem übrigen !/, des Umfangs ist das parie- tale Entoderm durch eine scharf gezeichnete Stützlamelle in Gestalt eines Kreisabschnittes von dem ektodermalen Schlundepithel und dem übrigen Entoderm getrennt. Dieser Abschnitt ist, wie die folgenden Schnitte beweisen, eine solide Magentaschenanlage wie die vorhin geschilderte. In einem etwas tieferen Durchschnitt desselben Embryo (Fig. 57) ist die Stützlamelle in der Mitte unterbrochen, weil der Schnitt dort den Rand der Schlundpforte traf, wo das Schlund- epithel sich in die Magentasche umschlägt. Zugleich zeigt sich an einer Seite der letzteren eine zweite Magentasche, deren Stützlamelle an dem einen Ende nicht ganz bis zum Außenektoderm durchgeht; diese Taschenanlage ist also nicht ganz vollständig, indem sie auf einer Seite noch ununterbrochen in das übrige Entoderm übergeht. Da die beiden Magentaschen sich nur mit scharfen Kanten berühren, kann von einem Septum zwischen ihnen nicht die Rede sein. Von diesem Grenzpunkt setzt sich die ektodermale Stützlamelle daher un- mittelbar in die beiden den Schlund begrenzenden und winklig divergirenden Stützlamellen fort. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 338% Wenn man nun auch für die erste höher gelegene Magentasche annehmen darf, dass sie wie in dem ersten Embryo bis an die Rinsfalte heranreicht, so hört doch die zweite Magentasche etwas tiefer auf, d. h. das Epithel der Ringfalte schlägt sich darüber zu- erst ganz an das Außenektoderm um (Fig. 56), und wird erst nach einer kleinen Strecke von ihm abgehoben (Fig. 57), eine Erscheinung, die natürlich nur an Längsdurchschnitten sich in voller Deutlichkeit zeigen kann (8. u.). In den noch tieferen Durchschnitten (Fig. 58 ff.) zeigt sich schon der Übergang beider Magentaschen unterhalb der Schlundpforte in die entsprechenden Magenrinnen, und zugleich auf der noch freien Seite der ersten Magenrinne eine dritte derartige Bildung, die aber gleich der zweiten Magenrinne noch unvollständig ist, da sie nur einseitig von einer Magenfalte eingefasst ist (Fig. 53 rechts). Bei jenem Übergang öffnet sich jedoch die Scheidewand zwischen Schlund und Magentasche nur je in der Mitte, während über den Seiten der Rinnen Reste der Scheidewand sich noch weiter hinabziehen. Diese an der Grenze zweier Rinnen zusammenstoßenden Reste bilden mit den V-förmig divergirenden Stützlamellen in ihrem Inneren je eine zweiflügelige Falte, die aber mit der einfachen Magenfalte, in die sie tiefer unten ausläuft, nicht ohne Weiteres identisch ist. Denn die beiden Flügel mit der V-förmigen Stützlamelle, d. h. die unmittel- bare Fortsetzung der Schlundwand und zugleich die Anlage der ersten Filamente nehmen abwärts sehr bald ab und verschwin- den zuletzt vollständig, während in demselben Maße durch die Ver- diekung der Rinnenränder unter jenen Filamenten eine einfache radiäre Stützlamelle mit einer Entodermduplikatur hervorwächst, was eben zuletzt als die eigentliche Magenfalte zurückbleibt. In dieser Gestalt erstrecken sich beide Falten bis in die Nähe des aboralen Pols. Dieses Verhältnis der einfachen Falten zu den vom Schlunde hinabziehenden zweiflügeligen Filamenten — dasselbe, was ich bei Cereanthus als den halbseitigen Boden der vier ersten Magentaschen beschrieb (s. p. 299, Fig. 11) — wird besonders gut illustrirt durch eine Querschnittserie eines anderen Embryo, wo zwei benachbarte Magentaschen und deren Rinnen so weit aus einander stehen, dass auch die bezeichneten Flügel erst nach einem kurzen getrennten Verlauf zusammenstoßen, eine gemeinsame Basis erhalten und dann verschwinden, während die letztere als die einfache Falte zurück- bleibt (Textfig. 7). 324 A. Goette, Eine andere Querschnittreihe von einem Embryo desselben Alters wie der vorige bestätigt und ergänzt die obigen Befunde. In diesem Embryo (Fig. 62—68) sind zwei solide aber wohlabgegrenzte Magen- taschen vorhanden, die in verschiedenem Niveau einander schräg gegenüber liegen. Die tiefere von ihnen (Fig. 64, 65) liegt noch vollständig im Bereich des glatten parietalen Entoderms; aber auch die höher befindliche Tasche reicht noch nicht bis in den Grund der Ringfalte, so dass die Bildung der centralen Schlundröhre beider- seits von unten her erfolgt. An den oberen Enden beider Taschen sind Septen noch nicht vorhanden (Fig. 62—64); an ihren unteren Grenzen, wo sich beide Taschen merklich ver- dicken und neben ihnen sich magenrinnenähn- ER liche Buchten entwickelt haben (Fig. 63, 65), uf da bestehen auch schon Septen, trotzdem der Schlund noch nicht fertiggestellt ist. In Fort- an setzung dieser Septen zeigen sich daher iu, NS am Tascheneingang ausgesprochene radiäre Textfie. 7. Magenfalten, theils mit, theils ohne die ie schrägen Flügel. Die beiden schräg gegen- (ng) und Magenrinnen (mr) mit überliegenden Flügelfalten (As, As’) gehen in = Be der Nähe des aboralen Pols bogenförmig in einander über (Fig. 68), und trennen daher, wie aus den Abbildungen hervorgeht, die rinnenförmigen Fortsetzungen beider Taschen (mi u. mt’), die folglich als korrespondirende nicht gelten können. Die einfache zweite Falte der Rinne mt verschwindet nach kurzem Verlauf; an der Rinne m? ist eine solche zweite Falte noch gar nicht entwickelt, weil die zugehörige Tasche sich unregelmäßig seitlich öffnet, so dass auch. ihre ganze Innenwand in den langen Flügel der einzigen Falte übergeht (Fig. 65, 66). Endlich sind hier noch die Längsdurchschnitte Fig. 46—53 — parallel zur Richtungsebene wie Fig. 39—43 — eines älteren Em- bryo zu erläutern, der trotz der bedeutenden Zunahme der Magen- taschen, die den Schlund bereits allseitig umschließen, die Bildung des letzteren noch in einem Vorbereitungsstadium zeigt. Denn das Schlundepithel legt sich noch im ganzen Umkreise vom Munde aus an das Außenektoderm um, wie gleich nach dem Durchbruch der Schlundeinstülpung, und erst jenseits dieses Umschlags drängen die Magentaschen die weitere Fortsetzung des Schlundepithels nach . Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 395 innen und unten, bis es an der Schlundpforte in die Tasche umbiest. Dies lässt sich nieht nur an den mittelsten Durchschnitten (Rich- tungsebene) vollständig übersehen (Fig. 49), sondern auch an den von der Richtungsebene sich entfernenden Schnitten successiv fest- stellen, indem diesseits und jenseits des Mundes nicht gleich die Querdurehschnitte der beiden rechtwinkelig zur Richtungsebene ver- laufenden Taschen folgen, sondern vorher der beschriebene Umschlag siehtbar wird. Die vier Magenfalten, die von diesen beiden Taschen ausgehen, und deren Fortsetzungen die Magenrinnen einfassen, sind übrigens ebenfalls noch ungleich wie in den jüngeren Embryonen. Ein beiderseits korrespondirendes Paar ist stärker entwickelt, so dass es an die Schlundwand in ihrer ganzen Höhe bis zur Schlund- pforte hinab anstößt und in Folge dessen auch ein Filament von der Sehlundpforte mit sich hinabzieht (Fig. 46, 52, 53 As); das an- dere Faltenpaar (d/) erreicht aber diese letztere, und das bis dorthin vorgerückte Schlundektoderm noch nicht, sondern nur die obere Sehlundpartie. In derselben Schnittserie sind noch einige unvoll- ständige Falten (mf) sichtbar, die schräg zur Richtungsebene liegen. Diese Befunde bestätigen in präciser Weise, was schon aus den vorhin besprochenen Querdurchschnitten entnommen werden konnte, dass nämlich das Schlundektoderm, wenn es auch selbstthätig und ringförmig geschlossen ins Innere des Embryo einwächst, dabei keineswegs eine selbständige Formbildung verfolgt. Wo und so weit Ihm noch keine Magentaschen entgegen- ‚treten, da gleitet es, ähnlich wie bei der Schlundbildung anderer Thiere, ein- fach im Niveau des mit ihm zusam- menhängenden parietalen Entoderms hin!, und erst die heranwachsenden Magentaschen biegen es nach unten und innen um. Erscheinen sie früh und dieht an der Ringfalte, so ent- Textfig. 8. fernt sich auch das Schlundektoderm keselförmige, s', ringförmige Schlund- sofort nach der Einstülpung von dem NE | Außenektoderm (Fig. 42, 44); entstehen die Taschen in einiger | t Natürlich hängt es von der Gestalt des ganzen Embryo und namentlich seines oralen Endes ab, ob das Schlundektoderm dabei flach ringförmig oder in der Form eines Kegelmantels auswächst (Textfig. 8). Wesentlich ist nur, dass es bis zur Erscheinung der Magentaschen in der gleichen Flucht mit dem parietalen Entoderm dem Außenektoderm anliegt. 326 A. Goette, Entfernung vom Munde, so zeigt es eben die stufenförmige Verbin- dung des parietalen und des nach innen abgebogenen Verlaufs (Fig. 49). Dieser letztere Zustand des Schlundektoderms wird in die ‘glatte Schlundröhre dadurch übergeführt, dass die Magentaschen bis in den Grund der Ringfalte vorrücken und dabei die stufenförmige Ausbiegung des Epithels ausgleichen (Fig. 54). Sobald dies geschehen ist, zeigt die Schlundröhre einen stark umgebogenen unteren Rand (Schlundpforte); dies bedeutet einerseits unzweifelhaft das fortdauernde Vorrücken des Schlundektoderms, andererseits aber nicht minder, dass es dabei eben so wie früher dem vom Entoderm vorgeschriebenen Wege folgt. Die Schlundbildung unserer Aktinien erreicht ihren Abschluss natürlich erst dann, wenn der Schlund allseitig von den Magen- taschen umgeben ist, d. h. wenn in den Zwischenräumen, die die ersten Taschen trennen, und wo das Schlundektoderm noch dem Außenektoderm anliegt, sich ebenfalls solche Taschen eingeschoben haben und alle sich unter einander berühren. Erst durch diese An- einanderlagerung der Taschen entstehen aus ihren zusammenstoßen- den Seitenwänden echte Septen, die vorher an den isolirt erscheinen- den Taschen gar nicht vorhanden sein konnten. Bevor ich mich aber über die Zahl und die Reihenfolge dieser Septen und ihrer die Schlundbildung veranlassenden Taschen auslasse, sollen die bisher erzielten Ergebnisse noch in einigen Richtungen etwas näher be- leuchtet werden. Sobald der Schlund in der angegebenen Weise fertiggestellt und der Kreis der ihn umgebenden Taschen geschlossen ist, kann von einer Fortsetzung derselben Taschenbildung nicht mehr die Rede sein; eine Vermehrung der Taschen kann dann nur noch durch Theilungen der schon vorhandenen durch frei aus dem parietalen Entoderm hervorwachsende Falten stattfinden, wobei die neuen Taschen mit der Schlundbildung nichts mehr zu thun haben. Damit ändert sich natürlich die genetische Bedeutung der Taschenbildung so wesentlich, dass man die zweierlei Arten derselben genau aus einander halten muss. Die an der Schlundbildung betheiligten älteren Magentaschen von Cereactis nenne ich, wie bei Cereanthus, die primären; sie entstehen theilweise entfernt vom Schlunde (vgl. Fig. 64 mt’) und gelegentlich selbst vor seiner Einstülpung (Fig. 45), also unabhängig von ihm und eben so unabhängig von ihren Septen, die erst nachträglich durch die zusammenstoßenden Taschen gebildet werden. Die aus Theilungen der primären Taschen hervorgehenden Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 397 sekundären Magentaschen sind dagegen rein passive Folge- erscheinungen der selbständig einwachsenden Theilungssepten und als solehe an keinerlei Neubildungen (Schlundröhre, Septen) be- theiligt. Allerdings stehen auch die primären Taschen mit den paarigen Falten in Verbindung, die von beiden Seiten des Taschenostiums aus- sehen und in der Regel vor der Taschenbildung vorhanden sind. Aber da recht häufig eine dieser Falten entweder ganz fehlt (Fig. 57—60, 64—66) oder erst in einigem Abstand von der Tasche beginnt (Fig. 45), so muss davon Abstand genommen werden, die Taschen als eine Art von Fortsetzung der aufwärts wachsenden Faltenpaare oder um- gekehrt anzusehen. Bei Cereanthus geht überdies die Entwickelung der primären Richtungstaschen derjenigen der Richtungsfalten voraus, so dass dabei eine Abhängigkeit der Taschen von den Falten, wie bei der sekundären Taschenbildung, gar nicht in Frage kommt. Auf der anderen Seite ist aber doch eine gewisse genetische Beziehung zwischen beiden Theilen nicht zu verkennen. Die Falten der primären Taschen entwickeln sich erstens stets in denselben Meridianen wie deren Seitenränder oder die künftigen Septen, so dass beide Theile, Falten und Septen, später eben so einheitlich erscheinen wie die sekundären Bildungen derselben Art, nämlich die Theilungsfalten, die unterhalb des Schlundes freie Falten bleiben, neben ihm aber zu Septen werden. Wenn ferner eine primäre Tasche auf einer Seite in der Entwiekelung zurückgeblieben ist, unvollständig erscheint, so wiederholt sich dies regelmäßig an der zugehörigen Falte. Dieser Zusammenhang ihrer Lagebeziehungen und ihres Wachsthums weist auf eine gemeinsame Grundursache hin, die ich in der wenigstens im Anfanse unverkennbaren und durch die analogen Erscheinungen bei Cereanthus bestätigten meridionalen Entodermplatte finde, die zwischen beiden Falten liegt (Fig. 39, 42). Denn indem schon die Verdickung dieses Entodermstreifens auf ein verstärktes Wachsthum hindeutet, so versteht es sich, dass das letztere an beiden Seiten- rändern die meridionalen Falten, am oberen Ende den zungen- förmigen Fortsatz erzeugt, der zur Tasche wird, so dass beiderlei Theile, trotz der gemeinsamen Bildungsursache dennoch unabhängig von einander entstehen und auf der anderen Seite doch wieder ge- meinsam in der Entwickelung zurückbleiben, wenn jenes Wachsthum Sich zuerst einseitig äußert. Weiter folgt daraus, dass die primäre Tasche unter allen Umständen eine einfache einheitliche Bildung ist, und dass die angeschlossenen zwei Falten, als die beiden Ränder 328 5 A. Goette, einer und derselben Platte, ein genetisch zusammengehörendes Paar darstellen, auch wenn sie nach einander auftreten. 3. Die Reihenfolge der Magentaschen und -falten bis zum achtzähligen Stadium. Die Abgrenzung einer solchen Periode bis zum vollendeten Szähligen Stadium ist ganz natürlich, da das letztere in der Regel einen gewissen Ruhepunkt in der Entwickelung der Aktinien und Steinkorallen darstellt. Nach der bisherigen Übung wird die Reihen- folge der Strahlgliederung in dieser Periode durch die Bezeichnung eines 1. bis 4. Paares von Septen oder Falten angegeben. Wie aber schon aus den voranstehenden Beobachtungen hervorgeht, ist eine solche Bezeichnung in mehrfacher Hinsicht nicht angebracht; ich wähle daher für die Beschreibung solche Namen aller peripharyn- gealen Bildungen, die sich aus der bekannten Orientirung der Szähligen Larven ergeben. Dort bestehen neben den diametral entgegen- gesetzten zwei Richtungstaschen — eine dorsale und eine ventrale — 3 Paare seitlicher Taschen, die ich als Mitteltaschen, als dorso- laterale und ventrolaterale Taschen unterscheide (s. Textfig. 18). Die Riehtungssepten bilden ein dorsales und ein ventrales Paar; von den vier seitlichen Septen werden aber, wie bei den Taschen, die Gegenstücke paarweise zusammengefasst: das in die ventrale Körper- hälfte fallende Paar sind die Hauptsepten, das andere die dorso- lateralen Septen. Die zugehörigen Magenfalten führen, so weit nöthig, dieselben Namen!. Ihre Korrespondenz von einer Körper- seite zur anderen ist in Folge häufiger Unregelmäßigkeiten ihres Erscheinens und ihrer Abstände aus ihrer Lage allein nicht immer sicher zu erkennen. Ganz zweifellos ergiebt sie sich aber aus einem Merkmal, das in der Regel schon sehr früh erscheint und sich erst in der fertigen Szähligen Larve oder noch später verwischt und schwindet: die paarig korrespondirenden Falten gehen im Grunde des Magens bogenförmig in einander über (Textfig. 9). Die Unterscheidung der dorsalen und ventralen Seite stützt sich bekanntlich auf die Anordnung der septalen Längsmuskeln ı Es wurde bisher zwischen Septen und Falten wenig Unterschied ge- macht, weil jedes Septum für eine mit dem Schlunde nachträglich verbundene Falte galt. Nachdem sich aber gezeigt hat, dass die Septen der primären Taschen mit den Falten genetisch nichts zu thun haben, müssen diese beiderlei Theile, wo Verwechselungen und Missverständnisse drohen, genau aus einander gehalten werden. Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 329 (s. 0. p. 296). Da diese aber frühestens im fertigen Szähligen Sta- dium, häufig erst später erscheinen, so fehlte bisher die Möglichkeit, jene beiden Körperseiten auch schon auf früheren Entwickelungs- stufen sicher zu bestimmen und danach die ganze jeweilige Glie- derung zu orientiren. Nach meinen Befunden giebt es aber ein sehr gutes Kennzeichen dafür in der besonderen Ausbildung der Hauptfalten, die als Fortsetzung der Hauptsepten, gleich diesen der ventralen Körperhälfte angehören. Sie besitzen nämlich bis zum Szähligen Stadium und meist noch darüber hinaus ganz allein an ihrer Wurzel die erwähnten zwei Flügel, Fortsetzungen derangrenzenden Ab- sehnitte des Schlundpfortenrandes. Diese alsbald vom Ektoderm überzogenen Flügel oder die Anlagen der Filamente sind bis- weilen unregelmäßig krausenförmig und oft allerdings nur oder überwiegend an ‘einer Hauptfalte entwickelt, aber schon von Anfang an vorhanden; ich habe sie kaum einmal vollkommen vermisst. Die Textfie. 9. anderen Falten erhalten solche Filamente (uerdurchschnitt durch die Basis einer Szähligen Cereactislarve. vrs, drs, Rich- frühestens am Ausgange des Szähligen tungsfalten; As, Hauptfalten; dl, dorso- Beiums, in der: Regel noch später und !er=!e Falten; in der Mitte ist eine Einbuchtung der Fußplatte ange- zuerst gewöhnlich in einfacher Form, als schnitten. eylindrische Säume, so dass die Haupt- falten noch länger kenntlich bleiben und die Orientirung auch ohne die septalen Längsmuskeln ermöglichen. Mit Hilfe dieser Orientirung auf den verschiedenen Entwickelungs- stufen ist es auch leicht, die zeitliche Reihenfolge der Falten fest- zustellen, worauf bei der Untersuchung der Gliederung bisher allein Gewicht gelegt wurde, obgleich diese Feststellung in Ermangelung genügender Merkmale der einzelnen Falten unsicher bleiben musste. Die von LAcAzE-DUTHIERS (44) für Aetinia mesembrianthemum an- gegebene Reihenfolge: 1) Hauptfalten, 2) dorsale Richtungsfalten, 3) ventrale Richtungsfalten, 4) dorsolaterale Falten — wurde von HERTwIG (32) und Wırsox (57), denen sich CERFONTAIE (15) speciell für Cereactis anschloss, für Hexaktinien und Korallen dahin abgeändert, dass 1) die Hauptfalten, 2) die dorsolateralen Falten, 3) die ventralen Richtungsfalten, 4) die dorsalen Richtungsfalten auf einander folgen ‚sollten. Aber auch diese Reihenfolge ist nach meinen Beobachtungen an Cereactis nieht ganz richtig, indem die dorsalen Richtungsfalten 330 A. Goette, den ventralen vorausgehen. Indessen erleidet diese Regel häufige Ausnahmen, sei es, dass die Paare 1 und 2 nicht nach einander, sondern gleichzeitig auftreten (Fig. 39—43), oder dass umgekehrt die beiden Stücke jedes der vier Paare statt gleichzeitig zu entstehen auf einander folgen. Einen Wechsel in der von mir angegebenen Zeitfolge der Paare 3 und 4, also die Herrwıg’sche Reihenfolge habe ich nur einmal beobachtet. Übrigens ist man sehr leicht Täuschungen über den wahren Sachverhalt ausgesetzt, sobald man nicht die ganzen Schnittserien von der Schlundpforte an abwärts durchmustert; denn da auch gleichzeitig entstandene Falten eine sehr verschiedene Ausdehnung haben und manche Falten unterbrochen angelegt werden (s. 0. p. 322), so können einzelne Querdurchschnitte Falten vermissen lassen, die thatsächlich vorhanden sind. Diese Ungleichheit des Wachsthums vereinigt sich also mit dem häufigen Wechsel der Reihenfolge zu einer wirklichen Herrschaft der Un- regelmäßigkeit in der Bildung der Magenfalten, so dass daraus auf einen bestimmten ursprünglichen Typus zu schließen kaum mög- lich ist. Nach einem solchen Typus der Faltenbildung zu suchen, hat aber auch nach meinen oben mitgetheilten Beobachtungen keinen rechten Sinn mehr. So lange alle Magentaschen für Erzeugnisse von frei hervorwachsenden Magenfalten angesehen wurden, mussten allerdings die letzteren als die unter allen Umständen frühesten peripharyngealen Theile gelten, die ganz selbständig die gesammte Gliederung bestimmten, so dass ihre Reihenfolge und ihre Lage- beziehungen für die ganze Entwickelung der Polypen maßgebend waren. Nachdem sich aber gezeigt hat, dass bei Cereactis eben so wie bei Cereanthus die ersten Magentaschen unabhängig von den ersten Magenfalten entstehen (primäre Magentaschen), und dass die letzteren bloß auf die Gegend unterhalb des Schlundes beschränkte Begleiterscheinungen jener Taschenbildung sind, wird natürlich in der Anordnung und Zeitfolge der primären Magentaschen der Aus- druck der ursprünglichen peripharyngealen Gliederung zu suchen sein, der sich die darunter angeschlossenen Magenfalten nicht nach ihrer wechselnden Reihenfolge, sondern nach ihren genetischen Be- ziehungen, nämlich nach ihrer paarigen Zugehörigkeit zum selben Wachsthumsstreifen unterordnen. Erst nach dem Abschluss dieser primären Bildungen beginnt die grundsätzliche Bedeutung der spä- teren Theilungsfalten als der die weitere Gliederung ausführenden Theile. Es zerfällt daher der Verlauf der gesammten Gliederung Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 331 unserer Polypen in zwei natürliche Abschnitte, wovon der erste die Anordnung der primären Magentaschen, der zweite die Reihenfolge der Magenfalten, die zur Bildung der sekundären Taschen führen, umfasst. Der letztere Abschnitt wird dann durch das Szählige Sta- dium in zwei Perioden zerlegt. | Die Reihenfolge der primären Magentaschen von Cereactis ist nicht so regelmäßig wie diejenige von Cereanthus, sondern erleidet mancherlei Abweichungen; trotz derselben ist freilich eine bestimmte Regel nicht zu verkennen. Nach der Mehrzahl der von mir unter- suchten Larven zu schließen, entstehen zuerst zwei einander dia- metral gegenüberliegende primäre Magentaschen, die durch zwei srößere aber ungleiche Zwischenräume von einander getrennt werden (Taf. XVIH); in einem Fall (Fig. 39—43) war eine von den beiden Taschen noch in der Entwickelung zurückgeblieben, aber durch die bis an den Schlund reichende meridionale Entodermplatte deutlich vorgebildet (p. 320). Jeder dieser Taschen schließen sich abwärts in der Regel zwei Magentaschen an, von denen eine bereits durch die Flügelform an ihrem oberen Ende, theils durch ihre Ausdehnung bis zum aboralen Pol, wo sie bereits mit dem Gegenstück zusammen- hängen kann, als Hauptfalte gekennzeichnet ist!. Die ventralen Richtungsfalten, die später auf einer Seite neben den Hauptfalten liegen, entstehen, wie gesagt, zu allerletzt von den acht Falten; folglich können jene ersten, aber weniger vollständigen Seitenstücke der Hauptfalten nur die dorsolateralen Falten sein. Die zugehörigen ersten Taschen sind dann natürlich die Mitteltaschen (vgl. Fig. 45). Sie liegen nicht immer genau in einer Kreuzachse, sondern meist der Ventralseite genähert. Die größte Unregelmäßigkeit zeigte sich in einem Embryo (Fig. 55—61), in dem von den Magenfalten nur die Hauptfalten vorhanden waren. Es war dort nämlich nur die linke Mitteltasche und neben ihr eine ventrale Tasche angelegt, die rechte Mitteltasche dagegen kaum angedeutet. Aus der Durchschnittsserie eines etwas älteren Embryo Pie. 46 bis 535) war zu entnehmen, dass die vorhin erwähnten Zwischenräume zwischen den beiden Mitteltaschen von zwei größeren Taschen, einer dorsalen und einer ventralen, ausgefüllt waren. Unterhalb dieser letzteren waren freilich schon neue Falten sichtbar, die aber die i In einem Embryo (Fig. 62—68) fand sich die schon beschriebene Ab- normität, dass die beiden Hauptfalten diagonal, d. h. die Verbindungsebene der zwei anderen Falten kreuzend, gegenüberlagen und zusammenhingen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIH. Bd. 22 3393 A. Goette, Schlundregion noch nicht erreiehten und daher für die Taschenbil- dung noch von keiner Bedeutung waren. Mehr als die genannten vier primären Taschen, nämlich die beiden Mitteltaschen und die zwei sie trennenden großen Taschen, die dorsale und die ventrale, habe ich niemals gesehen; eben so wenig aber auch zwei oder drei primäre Taschen, die den Schlund allseitig umkreist und daher eine weitere Vermehrung der primären Taschen ausgeschlossen hätten. Wo es weniger als vier primäre Taschen gab, da befanden sich an Stelle der fehlenden die genannten Zwischenräume. Die Embryo- nen von Cereactis entwickeln also normalerweise vier primäre Magentaschen, und zwar zuerst zwei zu beiden Seiten der Richtungsebene, die späteren Mitteltaschen, und dann das kreuzweise dazu sich einschaltende Paar, die dorsale und die ventrale Tasche. Daran wird natürlich durch den Umstand nichts geändert, dass jedes Paar ausnahmsweise oder regelmäßig, was zu entscheiden kaum möglich ist, nicht ganz gleichzeitig entsteht; denn die Hauptsache bleibt die Vierzahl aller primären Taschen und ihre Anordnung in zwei sich kreuzenden und auf einander folgenden Paaren. Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, dass dieses Ver- halten der primären Magentaschen von Üereactis genau mit dem- jenigen von Cereanthus übereinstimmt. Denn dass bei Cereanthus die seitlichen primären Taschen die Taschen der Richtungsebene an Größe bedeutend übertreffen, während bei Cereactis gerade das Gegentheil zutrifft, kommt natürlich für die Homologie nicht in Betracht; und selbst die frühzeitige Halbirung der Seitentaschen von Cereanthus, was an den entsprechenden Mitteltaschen von Üereaetis erst nach dem $zähligen Stadium geschieht, kann die ursprüngliche Überein- stimmung beider Formen nicht berühren. Dagegen hat dieses frühe Auftreten der ersten Theilungssepten von Cereanthus und ihre übrige _ Verschiedenheit von den ersten Theilungssepten der Cereactis (zwei Paar Richtungssepten) zur Folge, dass die Reihenfolge aller Septen und Taschen in beiden Fällen von Anfang an mit jener Homologie in Wider- spruch steht (Textfig. 10). Homolog sind: die ungetheilten Seiten- taschen von Cereanthus (erstes Paar) und die Mitteltaschen von Cereactis (erstes Paar), dann die beiden Richtungstaschen von Cereanthus (drittes Paar) und die dorsoventralen Taschen von Cereactis (zweites Paar); homolog sind ferner: die vier Richtungssepten von Cereanthus (zweites und drittes Paar) und die Haupt- und dorsolateralen Septen von Cere- actis- (erstes und zweites Paar). Es steht also außer aller Frage, Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 333 dass die Zeitfolge der peripharyngealen Bildungen dieser Polypen von keiner Bedeutung für ihre Homologie ist, die sich nicht auf die vier ersten Taschen überhaupt, sondern auf die vier primären Taschen beschränkt. Bedeutsamer ist dagegen ein anderer Unterschied beider Akti- nienformen während der Entwickelung ihrer vier primären Taschen: bei Cereanthus entstehen sie ganz regelmäßig, bei Cereactis nicht selten unregelmäßig. Ich lege dabei kein Gewicht auf die Ausnahmen von der normalen Reihenfolge dieser Taschen, sondern habe nur ihre häufig unvollkommene Form im Auge. Wie wir sahen (Fig. 45, 58, 65), beginnt die Ausstülpung einer solchen Tasche auf einer Seite höher als auf der anderen; die Stützlamelle der kürzeren Seitenwand hört dann oberhalb der unteren Grenze der anderen Seitenwand und der Innenwand der Tasche auf und lässt das Taschen- entoderm dort seitlich mit dem parietalen Ento- derm des anstoßenden Darmraums zusammenfließen. Ist die Tasche schon hohl, so erscheint sie auf y einer Seite von unten her aufgeschlitzt (Fig. 65, 66). Geht dieser Defekt einer Seitenwand bis zum Scheitel der Tasche, was nach meinen Beob- 2 achtungen bei Cereactis nur selten geschieht, so eg a ; FR Textfig. 10. hört der Begriff einer wirklichen Magentasche Die Reihenfolge der pri- überhaupt auf; denn es bleibt von ihr nur die "ren Septen (Linien) einseitige Bucht neben der intakten Seitenwand ON ren übrig, was eben erst durch die später sich ein- RaRHIS, u stellende zweite Seitenwand zur Tasche ergänzt | wird; dies dürfte ganz natürlich die Auffassung hervorrufen, dass eine solche Tasche gar keine selbständige und einheitliche Bildung ist, sondern nur durch die unabhängig von einander entwickelten beiden Seitenwände hergestellt wird. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass ein solcher Defekt einer primären Tasche mit einem entsprechenden Defekt der in dem- selben Meridian verlaufenden Magenfalte zusammenfällt (s. o. p. 327), so dass die Herstellung jener Tasche irgendwie von der vorausgehenden Entwickelung zweier nicht immer gleichzeitig auftretender Magenfalten abhängig erscheint. Allerdings habe ich die Gründe bereits angegeben, wesshalb diese Ansicht nicht stichhaltig ist; angesichts der Bedeu- tung des Gegenstandes halte ich es aber nicht für überflüssig, ihn unter einem etwas anderen Gesichtspunkt noch einmal zu erörtern. 225 334 A. Goette, Die dorsolaterale Falte, um die es sich hier allein handelt, bleibt, wie wir sahen, normalerweise im Wachsthum hinter der benachbarten Hauptfalte zurück, deren frühzeitige Filamentanlage schon eine relativ beschleunigte Entwickelung anzeigt. Diese ständige Asymmetrie ist aber der Ausgangspunkt für die spätere Verschiedenheit der dorsa- len und ventralen Seite, also für die darin ausgesprochene Bilateral- symmetrie der Aktinienlarven. Häufig verstärkt sich nun jene Asym- metrie bei Cereactis in der Weise, dass die schwächere dorsolaterale Falte in der Nähe ihrer Mitteltasche zunächst nur spurenhaft vor- handen oder unterbrochen ist, und gelegentlich fehlt sie selbst ganz (Fig. 60, 61, 66). Und gerade mit dieser äußersten Verspätung der Falte verbindet sich die gleiche Erscheinung an der darüber liegenden dorsalen Seitenwand der Mitteltasche, bis in der Folge die beiden Lücken wieder ausgefüllt werden. Diese Korrespondenz im Wachsthum der primären Taschen und ihrer Magenfalten bedeutet aber, wie ich schon nachwies (s. p. 327), keineswegs einen unmittelbaren Causalzusammenhang beider Theile, sondern ist nur die Folge davon, dass sie neben einander einer ge- meinsamen Grundlage entstammen, der meridionalen Entodermplatte, deren Wachsthum am Seitenrande die Falte und am oberen Ende die Tasche hervorruft. Daraus folgt weiter, dass eine Verlang- samung in der Entwickelung der dorsolateralen Falte und der korrespondirenden Taschenwand, gegenüber der Hauptfalte und ihrer Taschenwand, nur der Ausdruck für ein entsprechend asym- metrisches Wachsthum der Platte ist, so dass endlich auch der be- sprochene anfängliche aber nur zeitweilige Ausfall jener schwächeren Theile nur eine extreme Steigerung derselben Asymmetrie bedeutet. Diese bei Cereactis und wohl auch anderen Aktinien ständige, wenn auch in ihrem Maß schwankende, Asymmetrie der meridionalen Wachsthumsstreifen kann aber keine ursprüngliche Eigenthümlich- keit der ersten Scyphopolypen gewesen sein, die doch nur als regel- mäßige Strahlformen gedacht werden können. Wurde sie aber erst sekundär erworben, so gilt dies auch für ihre asymmetrischen Folge- erscheinungen: die primären Magentaschen entstanden also ursprüng- lich ganz symmetrisch, vollständig und einheitlich, und alle abweichen- den Erscheinungen, mögen sie noch so häufig auftreten, ja zur Regel werden, so dass die primäre Taschenbildung ganz in Wegfall kommt, können nur als Ausnahme oder doch nur als sekundär abgeänderte Entwickelungsvorgänge aufgefasst werden. | Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 333: Nach dieser Auseinandersetzung wende ich mich zur Unter- suchung darüber, in wie weit die früheren Beobachtungen über die Entwickelung anderer Zoantharien mit meinen Ergebnissen bezüglich der ersten vier Taschen und Falten übereinstimmen. Die von LACAZE- DUTHIERS an Actinia mesembryanthemum (44) und von KOwALEWsSKY an einer nahe verwandten Aktinie (40) angestellten Untersuchungen ergaben als einzige sichere Thatsache, dass die Hauptfalten allen anderen Falten stets vorangehen; über die eigent- lichen Magentaschen und Septen wird nichts mitgetheilt, da sie von den Magenrinnen und Falten gar nicht unterschieden werden. LACAZE-DUTHIERS kennt ferner das 4zählige Stadium, KOWALEWSKY lässt dagegen auf das 2zählige Stadium gleich ein 6zähliges folgen. — An Rhodactis st. thomae vermochte McMurrichH (47) in Er- mangelung ausreichenden Materials nur andeutungsweise die Beob- achtungen H. Wırson’s an Manieina (s. u.) zu bestätigen. ÜERFON- TAINE giebt an, dass die Falten von Cereactis aurantiaca genau in derselben Reihenfolge wie bei Manieina erscheinen, nämlich zuerst die Hauptfalten, dann die dorsolateralen Falten (15). Weder sein Text noch seine Abbildungen lassen annehmen, dass er mehr als Querdurchschnitte durch die mittlere Höhe der Embryonen gesehen hat; sonst hätte er finden müssen, dass jene Bilder nicht einmal über die wirkliche Faltenbildung einen vollen Aufschluss geben, für die peripharyngeale Gliederung aber völlig bedeutungslos sind. So habe ich mich auf die Vergleiche mit Wınson’s eingehenden Beob- achtungen an Manicina (57) beschränken müssen!. Nach ihm geht die Entwickelung dieser Koralle bis zum 4zähligen Stadium in ganz anderer Weise vor sich als bei Cereactis. Der Schlund soll sich in das noch ungesonderte entodermale Syn- eytium so einsenken, dass er ringsum von dem letzteren, also ge- wissermaßen von einer noch ganz indifferenten ringförmigen Magen- taschenanlage umschlossen ist, die dann durch Septen in die ein- zelnen Magentaschen getheilt würde. Dies hieße natürlich, dass der Schlund von Manieina seine definitive Gestalt und Lage ganz selbständig, unbeeinflusst durch irgend welche Magentaschen erhält, Ja die Gesammtanlage der letzteren selbst hervorruft und, wie wir noch sehen werden, ihre zwei ersten Theilungen durch seine eigene Thätigkeit bewirkt. Ein so schroffer Gegensatz zwischen Aktinien | 1 Die Untersuchung v. Koc#’s an Caryophyllia (36) kann hier nicht in Betracht kommen, da sie erst von dem 4zähligen Stadium ausgeht. 336 A. Goette, und Korallen wäre an sich sehr auffallend, müsste aber angesichts der bestimmten Angaben H. Wırsox’s vorläufig zugestanden werden, wenn nicht seine bezüglichen Abbildungen sich ungezwungen im Sinne meiner Darstellung von Cereactis erklären ließen. Die angebliche centrale Einstülpung der Schlundröhre von Mani- cina wird scheinhar am vollkommensten durch Wırson’s Fig. 7 illustrirt, wo der innerste Ring von radiär gestellten Zellen von dem Syneytium ebenfalls ringförmig umschlossen, also in dasselbe central eingesenkt erscheint. Bei dieser Deutung vermisse ich aber die scharf kontourirte Stützlamelle, die die Schlundröhre als Fortsetzung des äußeren Ektoderms überziehen muss; statt dessen zeigt sich in unserer Figur an der Außengrenze des Schlundektoderms ein unregel- mäßiges Ineinandergreifen seiner Zellen und des Syneytiums (vgl. Textfig. 12), was zu einem richtigen Querdurchschnitt der Schlund- röhre gar nicht passt. Genau dasselbe Bild bietet dagegen meine Fig. 56 von Cereactis, wo der Durchschnitt in der Weise durch eine einfache Ringfalte der Schlundeinstülpung hindurchgeht, dass er ihre radiären Zellen ungefähr nach ihrer Länge, die indifferenten Zellen des sich glatt anschließenden parietalen Entoderms (= dem Syn- cytium von Maniecina) sat schräg trifft (vgl. Textfig. ila). Dass dies sich wirklich so ver- hält, beweist derselbe Durch- schnitt dadurch, dass an einer Seite eine wirkliche SUETTT, GA U, Zn Fe 7 Zug ® a IS > Textäg. 11. und daher durch eine «@, Richtung eines wagerechten, b, eines schrägen Quer- 9 = durchschnittes durch die Ringfalte. deutliche Stützlamelle vom Schlundepithel getrennte Magentaschenanlage vorliegt; folglich kann dieses Epithel in den übrigen 3/, des Umfangs nicht ebenfalls von solchen Anlagen um- geben und vom Außenektoderm abgedrängt sein, sondern sich nur glatt in das parietale Entoderm umschlagen. Daher kann ich auch die angezogene Figur WırLson’s nur in demselben Sinn deuten und vermisse auch in seinen übrigen Abbildungen eine einwandfreie Be- sründung seiner Annahme, dass der Schlund der Manieina-Embryonen frei in das entodermale Syneytium eintaucht. Diese Annahme wird auch durch die Darstellung WıLson’s, wie die beiden Hauptfalten und -septen von Manicina entstehen, nicht gerade unterstützt. Wıuson sah den Schlund gleich nach der Einstülpung an einer oder zwei einander gegenüberliegenden Stellen das Außen- ektoderm berühren, woraus er schloss, dass der vorher angeblich _ Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 337 central eingesenkte Schlund erst nach einer, dann nach der anderen Seite sich bis zum Außenektoderm verlagerte und dabei das ihn umgebende Entoderm theilte. Indem er sich darauf von der Außen- wand wieder entfernte, zöge er von der parietalen Stützmembran eine radiäre Lamelle mit sich, wodurch das ringförmige Entoderm dauernd getheilt und nach der Aushöhlung der getrennten Stücke von unten her in zwei Magentaschen mit ihren Septen verwandelt würde. Es liegt auf der Hand, dass diese oder eine ähnliche Auffassung vorn der Bildung der ersten Magentaschen und Septen ganz noth- wendig ist, sobald man von der Voraussetzung ausgeht, dass der Schlund sich vorher in einer centralen Lage innerhalb des soliden Entoderms befand. Da jedoch diese Voraussetzung sich als nicht stichhaltig erwiesen hat, so ist auch die bezeichnete Vorstellung von der ersten Taschen- und Septenbildung weder nöthig noch möglich. Und in der That enthalten auch Wırson’s Abbildungen nichts, was seine Deutung, namentlich die befremdliche Osecillation des embryo- nalen Schlundes, evident machte. Es können hier nur die Querdurchsehnitte WILson’s in Betracht kommen, da die einzelnen Längsdurchschnitte über das Verhalten der Theile im ganzen Umkreise des Schlundes keinen Aufschluss geben. Von den bezüglichen Querdurchschnitten stellt nun Fig. 11 einen schrägen Schnitt dar, der auf einer Seite unterhalb des Schlundes hindurchging, also für unsere Zwecke ebenfalls wenig brauchbar ist. In einem vollständi- gen Querdurchschnitt eines ähnlichen Schlundes (Fig. 9) liegt der letztere auf einer Seite dem Außenektoderm an und ist im übrigen Umfang von ihm schein- bar durch das indifferente massige Ento- derm getrennt (Textfig. 12). Aber wieder- um zeigt sich dort die unbestimmte un- dulirende Begrenzung des Schlundekto- derms gegen das Entoderm, ohne eine Textfig. 12. Stützlamelle, die sich erst in der Nähe Durchschnitt durch einen Embryo von jener Anlagerung des Schlundes an das “ara mach I Wson- = Alan Außenektoderm einstellt. Wie aus meiner Besprechung der Fig. 7 (s. o. p. 336) hervorgeht, handelt es sich also in Fig. 9 um einen Durchschnitt, der einerseits nur die Ringfalte selbst, gegenüber aber ihre glatte Fortsetzung in das parietale Entoderm traf (Textfig. 115); d. h. in diesem Embryo von 388 A. Goette, Manieina ist so wenig wie in den Embryonen von Üereactis eine wirkliche, ringförmige Magentaschenanlage um den Schlund vor- handen, der vielmehr vom Munde aus sich glatt in das parietale Entoderm umschlägt. Wenn aber dort, wo die Stützlamelle zu beiden Seiten von x sichtbar wird, das Entoderm vielleicht im Be- srifft war, zungenförmig zwischen Schlund und Außenektoderm einzuwachsen, so wäre dies eben ein aktiver Entwickelungsvorgang des Entoderms, die erste Anlage von einseitigen primären Magen- taschen, wie ich sie vorhin von Cereactis beschrieb. Der Wırsox’sche Querdurchschnitt 14 geht, wie die vorher ver- misste, jetzt aber vorhandene peripharyngeale Stützlamelle beweist, in der That durch einen central verlagerten, von zwei soliden Magen- taschenanlagen umschlossenen Schlund (Textfig. 13); diese Magen- taschen stoßen auf einer Seite noch nicht, auf der anderen Seite erst Textfig. 13. Textfig. 14. Textfig. 15. Durchschnitt durch einen Embryo Durchschnitt durch einen Embryo von Durchschnitt durch von Manicina nach H. Wıısox. Manicina nach H. Wırsonx. einen Embryo von Manicina nach H. WILSoN. mit zwei Kanten zusammen, so dass auch noch keine Septen ge- bildet sind. Darunter (Textfig. 14, 15) befinden sich aber zwei wirk- liche, von Ektoderm überzogene Magenfalten, die nach diesem Befund nur die Hauptfalten sein können. Da eine ringförmige Magentaschen- anlage, wie wir sahen, vorher nicht bestand, so können die zwei eben erwähnten Taschen auch nicht als Theilungsprodukte einer solchen Anlage aufgefasst werden (WıLson), sondern müssen als selbständige Auswüchse des Entoderms den Schlund vom Außen- ektoderm abgehoben haben, d. h. es sind echte primäre Magentaschen in dem von mir erläuterten Sinn. Wegen der vollständigen Um- kreisung des Schlundes entsprechen sie aber allen vier primären Taschen von Cereactis und Cereanthus, so zwar dass, da ihre Grenzen Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 339 in die Meridiane der beiden Hauptfalten fallen, die kleinere Tasche die ventrale Magentasche darstellt, die größere beide Mitteltaschen und die dorsale Tasche umfasst. Grundsätzlich ist also durch diese nach meiner Ansicht einzig mögliche Erläuterung der WıuLson’schen Beobachtungen bereits eine Übereinstimmung der Korallen mit den Aktinien hinsichtlich der ersten peripharyngealen Bildungen erzielt: in beiden Gruppen ist der Schlund Anfangs an das Außenektoderm umgeschlagen und in gleicher Flucht mit dem parietalen Entoderm, und wird erst in der Folge durch selbständig aus dem Entoderm aufwachsende und ihn umkreisende, d. h. eben primäre Magentaschen in die centrale Lage gebracht. Aber auch der Unterschied, dass es bei den Aktinien vier, bei den Korallen scheinbar nur zwei Taschen von ungleichem Um- fang und sehr ungleichem Werth sind, erweist sich nicht als ein ursprünglicher und durchgängiger. Denn schon in dem zuletzt be- sprochenen Embryo von Manicina findet sich unmittelbar unter der Schlundpforte (Textfig. 14, 15) eine Bildung, die durchaus mit den unvollkommenen Mitteltaschen von Cereactis (Fig. 65, 66) überein- hi & I N Textfig. 16. Textfig. 17. Durchschnitt durch einen Embryo von Manicina Durchschnitt durch einen Embryo von Manicina nach H. Wırsox. x, primäre Magentasche. nach H. WıLsor. stimmt; und dies wird dadurch bestätigt, dass in der Durchschnitts- serie Fig. 30—33 von Wıuson an derselben Stelle eine vollständige primäre Taschenanlage dargestellt ist (Textfig. 16x), so dass also neben bloß zwei auch drei primäre Magentaschen vorkommen. End- lich zeigt die Serie Fig. 43—45 einen 4zähligen Embryo mit zwei noch ganz platten Mitteltaschen, von denen eine sogar noch solid war (Textfig. 17); diese letztere konnte daher nur primär entstanden und nieht durch ein Theilungsseptum abgegrenzt sein, da ein solches als freie Ektodermfalte innerhalb einer soliden Entodermmasse ein 340 A. Goette, Unding ist!. Aber auch an der anderen Mitteltasche erscheinen die Septen zu unvollkommen, um eins davon von einer frei hervor- sewachsenen Falte abzuleiten, so dass es danach nicht ausgeschlossen ist, dass bei Manieina neben zwei und drei primären Magentaschen die typische Vierzahl derselben vorkommt. WıLson selbst bezeichnet den Befund seiner Fig. 30—33 (Text- fig. 16) als eine Ausnahme und versichert auf das Bestimmteste, dass bei Manicina alle Septen nach den zwei ersten selbständig entständen und nicht durch das Zusammenrücken der Taschen, die vielmehr erst durch die Theilungssepten geschaffen würden. Die Richtigkeit dieser Angaben vorausgesetzt, würden sie doch zunächst nichts weiter besagen, als dass die zwei Mitteltaschen bei Manicina im der Regel rückgebildet erscheinen. Denn wenn W. weiter annimmt, dass jene Ausnahmen nicht Reste ursprünglicher Zustände, sondern gelegent- liche Neubildungen wären, von denen aus erst die primären Magen- taschen, wie sie nach meinen Beobachtungen bei Seyphomedusen vorkommen — W. kannte damals noch keine anderen Beispiele für solche Taschenbildung — sich herausgebildet hätten, so kann ich ihm darin im Hinblick auf meine Beobachtungen an den Aktinien nicht zustimmen. Denn dass bei Manicina die Mitteltaschen, wie es scheint, nur selten vollkommen primär erscheinen, ist ganz untergeordnet gegenüber der Thatsache, die Wırson allerdings entgangen ist, dass die zwei ersten Magentaschen dieser Koralle ohne Ausnahme echte primäre Magentaschen sind und dadurch die für die Aktinien fest- gestellte normale Entwickelung des Schlundes und der ersten radialen Gliederung auch für die Korallen als die ursprüngliche erweisen. Kommen aber innerhalb dieser grundsätzlich übereinstimmenden Embryonalentwickelung aller Zoantharien bei den Korallen neben der gewöhnlichen 2zähligen primären Taschenbildung alle Übergänge zur Azähligen vor, die nachweislich die älteste Vorfahrenform der Aktinien ist, aber auch dort einzelne Rückbildungen erfährt, so be- darf es keines weiteren Nachweises mehr, dass dieselbe Rückbil- dung bei den Korallen eben nur weiter gegangen ist und dadurch eine entsprechend größere Entfernung dieser Gruppe von der ge- meinsamen 4zähligen Ausgangsform aller Zoantharien be- zeichnet. | Ä ! Ich nehme als selbstverständlich an, dass Wıuson die Theilung nicht durch selbständig auswachsende Stützlamellen erfolgen lässt, denn dafür fehlt jeder empirische Anhaltspunkt. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 341 Die weitere Entwicekelung der Cereactis und der Manieina vom 4zählisen bis zum Szähligen Stadium lässt sich mit wenigen Worten angeben. Wie schon erwähnt, entstehen alle Taschen nach den vier ersten ausschließlich durch Theilungen der schon vor- handenen vermittels selbständig einwachsender Falten, die, nachdem sie den Schlund erreicht haben, sich in dessen Bereich in Septen verwandeln. Die vier ersten von diesen Falien, die Richtungs- falten, bez. Richtungssepten, entwickeln sich paarweise in der dor- salen und der ventralen primären Tasche, und zwar nach den früheren Beobachtungen zuerst ventral und dann dorsal (s. o. p. 329), nach meinen Beobachtungen an Cereactis in der Regel umgekehrt (Fig. 45, 70, 71). Ich sah diese Falten ferner von unten aufwachsen und zuweilen bereits in der Tiefe angelegt, bevor die primäre Tasche, die sie theilen sollten, entstanden war. Mit diesem Aufwachsen aus der Tiefe hängt es offenbar zusammen, dass sowohl die dorsalen wie die ventralen Richtungsfalten gelegentlich — ich traf drei solche Fälle — mit ihren oberen Enden noch unterhalb des Schlundes bogenförmig in einander übergehen, so dass die eigentlich Szähligen Larven nur sechs Taschen besaßen (Fig. 72, 73). Jene bogenförmige Verbindung der Richtungsfalten scheint mir anzudeuten, dass jedes Paar in einem ähnlichen genetischen Zusammenhange steht wie jede Hauptfalte mit der benachbarten dorsolateralen Falte, d. h. dass jedes Riehtungsfaltenpaar zu einem gemeinsamen meridionalen Wachs- thumsstreifen gehört. Wenn aber auf diese Weise die paarige Zusammengehörigkeit der beiden dorsalen und der beiden ventralen Richtungsfalten sich als eine ursprüngliche erweist, so muss um so bestimmter gegen eine Gleichstellung dieser Paare mit denen der beiden Hauptfalten und der beiden dorsolateralen Falten Einspruch erhoben werden. Die Aufstellung der beiden letzteren Paare von Gegenstücken hat nur einen praktischen Werth für die jeweilige Orientirung; ihre entspre- _ ehende zeitliche Anordnung — erst die beiden Hauptfalten, dann die beiden anderen — beruht aber thatsächlich nur auf der besprochenen Asymmetrie des ursprünglichen Verhaltens, nach welch letzteren viel- mehr die von einer Mitteltasche - ausgehenden zwei Falten (eine Hauptfalte und eine dorsolaterale Falte) paarig zusammengehören. Daher können auch phyletische Schlüsse aus jener sekundär. ent- standenen Reihenfolge der vier ersten Falten nicht gezogen werden; denn so gut wie die zwei ersten (Mittel-) Taschen müssen 342 A. Goette, auch alle vier zugehörigen Falten als gleichzeitige betrachtet werden !. Die Nichtbeachtung des Unterschiedes zwischen den vier primä- .ren Falten und den Theilungsfalten, sowie die einseitige Berück- sichtigung ihrer gegenwärtigen Reihenfolge hat ferner zu dem Irr- thum geführt, dass die gleiche Ordnungszahl unter allen Umständen die Homologie der bezüglichen Stücke bedeute, dass also z. B. ein Szähliger Cereanthus und eine Szählige Hexaktinienlarve dieselbe Strahlordnung besäßen (BovErI, McMurrıch). Ich zeigte aber schon (8. 0. p. 332), dass die Zeitfolge und die Homologie der Septen und Falten in beiden Fällen ganz aus einander gehen: bei den Hex- aktinienlarven folgen auf einander vier primäre und vier sekundäre (Theilungs-) Falten, bei Cereanthus zwei Theilungsfalten, vier pri- märe Falten und die übrigen Theilungsfalten (Textfig. 10). Die 4- bis 8Szähligen Larven von Cereactis lassen die innere Gliederung äußerlich nicht richtig erkennen. Die Zahl der äußeren meridionalen Einschnürungen und Verfärbungen, sowie der knopf- förmigen Tentakelanlagen bleibt stets hinter der Zahl der bereits gebildeten Taschen zurück, und erst in dem vorgeschrittenen 8zäh- ligen Stadium lässt sich diese Zahl auch äußerlich feststellen. 4. Die achtzähligen und älteren Aktinienlarven. Solche Larven habe ich von den drei Arten: Cereactis auran- tiaca, Heliactis bellis und Bunodes gemmacea genauer untersuchen können. Den jüngsten 8Szähligen Larven fehlen die septalen Muskelpolster (Längsmuskeln) durchweg; ihre Orientirung ist daher nicht anders wie an den Embryonen nur durch die Hauptsepten möglich. Am frühesten treten darauf die Muskelpolster bei Heliactis auf, bei Bunodes und Cereactis erst nach dem Überschreiten des Szähligen Stadiums. Bekanntlich sind sie an den Richtungssepten von den Richtungstaschen abgewendet, an den vier seitlichen Septen der ventralen Seite zugewendet (vgl. Textfig. 18a). — Eine eigent- liche Mesodermbildung ist an denselben Szähligen Larven nicht wahrzu- nehmen; auch die Tentakel pflegen erst gegen das Ende dieser Ent- wickelungsstufe hervorzuwachsen. Der Fortschritt der Entwickelung ist wesentlich an die Vermeh- i BovEr1 glaubte daraus, dass zuerst nur ein Faltenpaar (Hauptfalten) er- scheine, auf eine älteste 2zählige Vorfahrenform schließen zu dürfen (6). Die zwei Hauptfalten allein bedeuten aber schon eine Abänderung des ursprünglichen Zustandes. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 343 rung der Septen und Falten geknüpft. Zur Vereinfachung der fol- senden Beschreibung bezeichne ich die acht ersten Taschen so, dass ich von der ventralen Richtungstasche als 1 beginnend und rechts (r) und links (l) fortschreitend die symmetrischen Seitentaschen zähle: 2— 21, 3’—31, 4"—4l; 5 ist die dorsale Richtungstasche. Nach zahlreichen früheren Beobachtungen entwickeln sich die Septen 9—12 gleichzeitig in den Taschen 2’—2!, 3"—3!, also als Symmetriepaare (Textfig. 185). Sobald aber an diesen vier neuen Septen die Muskelpolster erscheinen, die den Nachbarn zugekehrt sind und da- Ron durch einschließlich der beiden Richtungs- taschen die sechs ersten » Binnenfächer « angelest sind, in denen keine neuen Septen mehr entstehen, müssen die jedes Binnenfach einschließenden zwei Septen ° 7 durchweg als Paare (Jochpaare) zusammen- ee gefasst werden. Diese neue Auffassung hat für die Richtungssepten keine Be- deutung, da sie schon von Anfang an, als Symmetriepaare ihre Binnenfächer, die ee 18. Richtungstaschen begrenzen; die Haupt- u, szählige, d, 12zählige Hexak- septen und und die dorsolateralen Septen “"enlarve. Rs, di, drs, ors, Haupt-, £ dorsolaterale Septen, dorsale und ven- werden aber durch die Aufstellung der trale Richtungssepten. Binnenfächer ganz neu gepaart (s. 0.p. 327). Die Umbildung der Szähligen jungen Aktinie in eine 12zäh- lige mit der Grundzahl 6 (Hexaktinie) kann ich für Heliactis und Bunodes bestätigen, aber nicht den angegebenen regelmäßigen Gang der Septenvermehrung; vielmehr begegneten mir nur folgende Kom- binationen: 1) 9zählige Form mit einer jungen Septenanlage in 2! (Bu- nodes); 2) 10zählise Form mit einem nicht mehr ganz jungen Septen- paar in 3" und 3! (Heliactis); 3) 11zählige Form; zu den genannten ist eine weitere Septen- anlage ganz oben in 2" hinzugekommen (Heliactis) ; 4) 12zählige Form; die Septenanlagen in 3”, 3! und 2! sind gleich stark, diejenige in 2" ganz schwach und umgekehrt wie im vorigen Fall nur in der Tiefe, weit unter dem Schlunde vorhanden (Heliaetis),. Symmetrische aber weit vorgeschrittene 12zählige Formen (Textfig. 185) traf ich bei Bunodes. 344 A. Goette, Die vier neuen Septen entstehen also nicht gleichzeitig und be- ginnen bald in 2, bald in 3, einmal rechts, das andere Mal links; endlich kann dasselbe Septum, bezw. dieselbe Falte entweder ganz ‚hoch oben oder in der Tiefe zuerst erscheinen. Die Unregelmäßig- keit ist nicht geringer als bei der Herstellung der primären Taschen; auch setzt sie sich, so weit meine Beobachtungen reichen, auf den folgenden Stufen fort. | 5) 20zähliges Stadium der Heliactis; die sechs ersten Binnen- fächer sind vollständig hergestellt, in jedem dorsalen Zwischenfach ist ein Septenpaar, in den vier übrigen Zwischenfächern je ein Septum angelegt, obgleich dort ebenfalls Septenpaare zu erwarten sind (Textfig. 19@ und db). Eine weitere Unregelmäßigkeit beruht darin, dass die neuen dorsalen Septen unter dem Schlunde auf eine ansehnliche Strecke verschwinden, um dann. in der Tiefe wieder aufzutauchen und gegen den abo- ralen Pol an Größe zuzunehmen. Dies ist eine Wiederholung der diskontinuir- Textfig. 19. lichen Faltenbildung in den jüngsten Em- a, 20zählige, db, 24zählige Hexaktinien- ey bryonen. | 6) 21zähliges Stadium von Heliactis; zu den eben aufgezählten Septen kam noch eins in dem linken seit- lichen Zwischenfach hinzu, so dass dort statt des einfachen Septum ebenfalls ein Septenpaar vorhanden war. 7) 24zähliges Stadium (Textfig. 195) von-Bunodes; in allen sechs Zwischenfächern befinden sich Septenpaare, die beiden ventralen jedoch bloß in der Tiefe, dicht über der Fußscheibe. Auf Grund dieser und der im vorigen Abschnitt mitgetheilten Beobachtungen über die embryonale und larvale Strahlgliederung der Hexaktinien komme ich zu dem Ergebnis, dass darin durchweg eine vollständige Unregelmäßigkeit herrscht. Allerdings ergiebt sie sich in den meisten Fällen ganz unzweideutig als Folge einer zeitlichen Verschiebung, einer vorzeitigen oder :verspäteten Entstehung einzel- ner Strahlglieder in regelmäßigen Formen und kann sehon desshalb keine ursprüngliche Erscheinung sein. Um aber jene ursprünglichen Grundformen überall sicher wiederzuerkennen, sind umfassendere Vergleiche nöthig, die noch andere Momente als die zeitliche Ver- schiebung zu berücksichtigen haben. Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 345 Bis zum Szähligen Stadium ist es nicht schwer, als die wirk- liehe Grundform unserer Aktinien die strahlige herauszufinden (Textfig. 10a). Denn da die beiden (primären) Mitteltaschen und ihre vier Falten als ursprünglich gleichzeitige aufzufassen sind, so ist die erste Strahlgliederung eine biradiale; und durch das Hinzutreten der zwei weiteren primären Taschen und der vier Richtungsfalten wird daran nichts weiter geändert, als dass jene Gliederung in eine ein- fach radiale übergeht. Allerdings wird in dieser ganzen Periode der Schein einer bilateralen Grundform dadurch hervorgerufen, dass die beiden der Ventralhälfte angehörigen Hauptfalten durch ihre Länge und ihre Filamente einen Gegensatz von Rücken- und Bauchseite bestimmen (Fig. 73). Dies beruht aber ebenfalls nur auf einem zeit- liehen Vorsprung der Hauptfalten vor den dorsolateralen, der schon im $zähligen Stadium durch die Entwickelung der Filamente an den dorsolateralen Falten ausgeglichen wird. So bleibt bis zum Szähligen Stadium die strahlige Grundform bestehen, wenn auch aus anderen Gründen die 4zählige Form von allen folgenden scharf zu trennen ist. | Ganz anders steht es mit der Abänderung der strahligen Grund- form durch die Entwickelung der einseitigen Muskelpolster in den Septen und Falten der Szähligen Larven. Allerdings besteht die dadurch erzeugte Bilateralsymmetrie (Textfig. 18«) nur sehr kurze Zeit, da durch die Entwiekelung der nächsten vier Septen und der seitlichen Binnenfächer wieder eine ausgesprochene biradiale Form geschaffen und jene Bilateralsymmetrie beseitigt wird (Textfig. 18). Trotzdem darf sie nicht eben so wie im 2- und 6zähligen Stadium aus einer verspäteten Bildung der neunten bis zwölften Falte und desshalb‘ ebenfalls für belanglos erklärt werden. Denn in jenen früheren Stadien sind die nachrückenden Falten ursprüngliche Seiten- und Gegenstücke der vorher gebildeten Falten, die daher gelegent- lich oder selbst in der Regel gleichzeitig mit ihnen auftreten; die neunte bis zwölfte Theilungsfalten gehören aber genetisch gar nicht zu den Haupt- und dorsolateralen Falten, deren ursprüngliche Be- ziehungen sie nur durch die neugebildeten einseitigen Muskelpolster verdecken und durch die neue Beziehung zu den Binnenfächern er- setzen. Mit andern Worten: im ersten Fall ist die Bilateralsym- metrie eine alsbald wieder ausgeglichene Unregelmäßigkeit einer Strahl- form, im anderen Fall wird aber die Strahlform durch eine Neubil- dung (Muskelpolster) bilateral, um durch weitere Neubildungen (neunte bis zwölfte Theilungsfalten) zur ersten Grundform zurückzukehren. 346 A. Goette, Zu den zwei ersten, schon erwähnten Grundformen unserer Atinien, der 4- und der Szähligen Strahlform, käme also eine szählige Bilateralform hinzu, die alsdann in die. 12, 24zäh- lige ete. biradiale Strahlform mit der Grundzahl sechs über- geht!. Esist also jene Bilateralform für die meisten recenten Aktinien und Korallen eine bereits überholte Vorfahrenform, die wahrscheinlich unter anderen als den gegenwärtig maßgebenden Lebensbedingungen dieser Thiere entstand. Über diesen Wechsel der Grundform bei jenen Zoantharien hat ja auch bisher kein Zweifel geherrscht; nur ist man in der Regel bei der allgemeinen Thatsache stehen geblieben, dass der einfachen oder biradialen Strahlform dieser Thiere eine bilaterale vorausging. Daraus lässt sich aber eine ausreichende Vorstellung über ihre nächsten Vorstufen nicht entnehmen, selbst wenn man hinzufügt, dass sie frei lebende waren (ÖRTMANN 50). Es muss vielmehr ver- sucht werden festzustellen, wie jene Vorstufen beschaffen waren und unter welchen Bedingungen die Bilateralsymmetrie entstand. Ein solcher Versuch wurde von HAAKE unternommen, der die Bilateral- symmetrie durchweg von der Stockbildung ableitete (25); ihm haben sich HEIDER (39) und neuerdings CARLGREN (14) angeschlossen und folgerichtig geschlossen, dass die einzeln lebenden Aktinien aus den stockbildenden Steinkorallen hervorgingen. Nachgewiesen ist jedoch nur der richtende Einfluss des Stockes auf die Stellung der bilate- ralen Knospen vieler Polypen, keineswegs jedoch der Ursprung der Bilateralsymmetrie selbst aus jenem richtenden Einfluss, was eben zwei grundverschiedene Dinge sind, die nicht verwechselt werden dürfen. Jener angebliche Ursprung der Bilateralsymmetrie lässt sich nicht einmal hypothetisch annehmen, da zahlreiche Thatsachen das Gegentheil beweisen. Die große Masse der stockbildenden Zoantharia, die Stein- korallen sowie die Antipathiden, haben einen einfach strahligen oder einen biradialen Bau, genau so wie die große Masse der solitären Zoantharia, nämlich die Hexaktinien; und den bilateralen stock- bildenden Zoantheen stehen die bilateralen solitären Cereanthiden ! Die 8zähligen Larven von Aiptasia diaphana (HERTwIG, 32) und Tealia sp. (BovERı, 6) durchlaufen niemals das bilaterale Stadium, indem die beiden seitlichen Septen einander zugekehrte Muskelpolster besitzen (Textfig. 205). Die folgende Septenvermehrung dieser Aktinien verläuft daher auch anders als bei den übrigen Hexaktinien. Wahrscheinlich ist die larvale Bilateralsymmetrie bei ihnen nachträglich ganz unterdrückt worden. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 347 und Edwardsien gegenüber!. Die bilateralen Larven der Stein- korallen und Hexaktinien beweisen aber nichts weiter als die Ab- stammung beider Gruppen von bilateralen Vorfahren, deren Grund- form folglich die stockbildenden Korallen, statt sie zu konserviren oder wieder hervorzurufen, wie es HaAckeE’s Theorie entspräche, genau eben so wie die solitären Aktinien zurückgebildet haben, so dass sie nur noch auf das Szählige Larvenstadium beschränkt blieb. Wenn aber die Stockbildung diese ererbte Bilateralsymmetrie nicht einmal zu fixiren vermag, so kann ihr vollends nicht die Wir- kung zugeschrieben werden, sie zu erzeugen. Und in den übrigen angeführten Gruppen gleicht sich das Für und Wider hinsichtlich der fraglichen Hypothese mindestens aus, so dass sie im Ganzen durch die Thatsachen mehr Widerspruch als Zustimmung erfährt. Zu den bei einer Untersuchung über den Ursprung der Bilateral- symmetrie zu berücksichtigenden Thatsachen gehört ferner der zuerst von O. und R. HerTwıG hervorgehobene Zusammenhang zwischen den Edwardsien und Hexaktinien. Die Edwardsien sind schon durch die geringste Septenzahl als die älteren Formen gekennzeichnet; als Vorfahren der Aktinien dokumentiren sie sich aber vor Allem durch den Umstand, dass die bestimmt gerichteten acht Muskelpolster in den Szähligen Hexaktinienlarven wiederkehren (vgl. HApDpox 26, BOVERI 6 u. A.). Dies wurde neuerdings dadurch bestätigt, dass sich in den Edwardsien neben den acht ursprünglichen Makrosepten acht bis zwölf winzige Mikrosepten gefunden haben (FAuror), darunter die uns schon bekannten Septen 9 bis 12 der Hexaktinien als un- verkennbare Merkmale des Übergangs zu den letzteren, wobei die ebenfalls frei lebenden Ilyanthiden (Halcampa, Ilyanthus) weitere Zwischenformen darstellen. An die Hexaktinien schließen sich aber ganz natürlich die Steinkorallen an. Denn die Stockbildung, die übrigens schon in der gelegentlichen Knospung an Stolonen bei man- chen Hexaktinien vorgebildet und bei den Zoantheen zur Regel geworden ist, und die Skelettbildung, die ja wesentlich nur der durch die Weichtheile hergestellten Architektur folgt, ändern nichts an der bei den Steinkorallen wiederholten Grundform der Aktinien, können also nur als Merkmale einer weiter fortgeschrittenen Ent- wiekelung der letzteren angesehen werden. ! Will man als weiteres Beispiel stockbildender Bilateralthiere noch die Aleyonarien anführen, so darf nicht vergessen werden. dass dagegen die stock- bildenden Hydropolypen im Allgemeinen streng radial gebaut sind. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXITI. Bd. 23 348 A. Goette, In dieser zusammenhängenden Reihe — Edwardsien, Hexaktinien, Steinkorallen — vollzieht sich der Übergang vom bilateralen zum Strahltypus lediglich dadurch, dass die später entstehenden Muskel- polster nicht mehr wie in dem Szähligen Stadium beinahe sämmt- lich nach einer und derselben Seite, sondern in ganz regelmäßigem Wechsel dorsal- und ventralwärts schauen. Dieser Unterschied in der Muskulatur der Edwardsien einerseits und der Hexaktinien und Steinkorallen andererseits lenkt die Aufmerksamkeit natürlich auf die verschiedene Lebensweise dieser Thiere. Die frei lebenden Edwardsien und Ilyanthiden bohren sich nicht nur nach Art des Cereanthus in den Meeresboden ein, sondern können auch recht gut mit einer Längsseite kriechen (QUATREFAGES 52, p. 75, FAUROT 20, p. 122, 128, 139, 157), während die Hexaktinien in der Regel mit ihrer Fußscheibe fest angeheftet sind. Für Cereanthus habe ich auch schon den Nachweis geführt (s. 0. p. 297), dass seine Bilateral- symmetrie mit seiner schrägen Lage im Boden! in unverkennbarer Beziehung steht, indem die sogenannte Dorsalseite regelmäßig nach oben, die Ventralseite nach unten gekehrt ist. Andererseits sind die mit dem aboralen Ende befestigten Hexaktinien und Korallen auf eine allseitig gleiche Muskelthätigkeit angewiesen, wozu die Ver- theilung ihrer Muskulatur aufs beste passt. Trotzdem gestatten diese Beziehungen zwischen Bau und Lebens- weise nicht, daraus den Schluss zu ziehen, dass die veränderte Lebensweise den Bau abändertee Denn die 9. bis 12. Septen, die den bilateralen Typus in den radialen verwandeln, entstanden keineswegs erst bei den angehefteten Aktinien, sondern in rudi- mentärer Form schon bei den Edwardsien (s. o.), um bei den eben- falls kriechenden und sich einbohrenden Ilyanthiden bereits bis zu einer vollkommen radialen Anordnung auszuwachsen. Wenn aber die kriechende und liegende Lebensweise aller dieser Polypen die Verwandlung der Bilateralform in die Strahlform nicht hindert, so ist es auch nicht denkbar, dass sie die Ursache der Bilateral- symmetrie gewesen wäre, so wenig wie die Anheftung der Hex- aktinien die Ursache ihrer Strahlform war, die ja schon bei den frei lebenden Ilyanthiden entstand. Die Lebensweise kann also auf keinen Fall eine dieser Grundformen erst hervorgerufen haben. ! Eine ähnliche gebogene Lage nimmt nach ANDRES die Halcampa im Sandboden ein (2, Taf. IX). ‚Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 349 Dagegen ist es wohl zulässig, anzunehmen, dass die Lebensweise den für sie besonders geeigneten Körperbau begünstigte und aus- breitete, sowie andererseits eine Veränderung desselben eine ent- sprechende Anpassung der Lebensweise begünstigen musste. Es ist daher gewiss kein Zufall, dass die Bilateralsymmetrie, wenn auch nicht ausschließlich, doch am vollkommensten bei den kriechenden Aktinien vorkommt, und dass die Strahlform wiederum bei den fest- sitzenden Aktinien am vollständigsten durchgeführt ist, wie z. B. bei Gyractis (BOVERI 7), wo jede Spur einer Richtungsebene fehlt, oder wie bei Aiptasia diaphana (HErTwIG 32) und einer Tealia sp. (BovErI 6), wo die bilaterale Larvenform vollständig ausgefallen ist. Solche allgemeine Beziehungen zwischen Bau und Lebensweise lassen sich aber doch nur in sehr bescheidenem Maße und jedenfalls nur in zweiter Stelle für stammesgeschichtliche Untersuchungen ver- werthen; unsere vorläufige Musterung hat uns vielmehr gezeigt, dass die bestimmenden Änderungen der Körperform ganz spontan auf- traten und dass dabei vor Allem die Entwickelung den Gang der Metamorphosen aufdeckt. An die Schilderung der fortschreitenden Gliederung unserer Larven schließe ich hier noch einige Beobachtungen an, die das Mesoderm und gewisse eigenthümliche, rudimentäre Organe derselben Larven betreffen. Es ist auffallend, wie verschieden das sogenannte Mesoderm in den Larven von gleicher Gliederung aber von verschiedenen Gattungen entwickelt ist. In den Szähligen Larven aller drei Arten ist zwischen den beiden Epithelschichten der Körperwand und der Septen und Falten nichts weiter zu sehen als eine sich lebhaft färbende dünne und strukturlose Lamelle; eine Veränderung dieser Stützlamelle habe ich aber nur in den älteren Larven von Bunodes gemm., nicht in denen von Heliactis bellis angetroffen. Nachdem sie dicker geworden ist, lassen sich in ihr Faserzüge und Zellen unter- scheiden. Die ersteren durchziehen die Körperwand in jeder Rich- tung, bald mehr glatt, bald wellenförmig gebogen, und dringen an der Basis jedes Septum in dieses ein; die mit Ausläufern versehenen Zellen liegen zwischen den Fasern, meistihrem Zuge folgend. Dasparie- tale Ektoderm ist alsdann von dieser Stützlamelle nur noch stellenweise scharf getrennt; dazwischen ist die Grenze ganz unbestimmt und der anstoßende basale Theil des Ektoderms völlig aufgelockert, so dass es bei einzelnen Zellen zweifelhaft bleibt, ob sie noch dem Ektoderm oder 23* 330 A. Goette, schon der Stützlamelle angehören. Ich erblicke darin eine unregel- mäßige Einwanderung oder Einverleibung ektodermaler Theile in die parietale Stützlamelle, deren zellige Elemente daher insgesammt auf das Ektoderm zurückzuführen wären, wie es zuerst KOWALEWSKY angegeben hat. In den Septen, wo die Stützlamelle ganz ähnliche Verhältnisse aufweist, wird wohl das Entoderm dieselbe Rolle spielen wie das Ektoderm der Körperwand. Bei den gleich alten Larven von Heliactis habe ich, wie gesagt, von der eben beschriebenen Mesodermbildung nichts gesehen, statt dessen aber eigenthümliche Einwüchse des Ektoderms in die Stütz- lamelle angetroffen, die wiederum den anderen Larven fehlten. Sie zeigen sich nur in der aboralen Hälfte der Larve und gehen von den scharfkantigen Leisten des Ektoderms aus, die in Folge seiner Einsenkung längs der Septenbasen in diese eindringen. Von diesen Leisten entspringen in den acht ersten Septen solide eylindrische Stränge, die in den Septen hinaufwachsen und unter allmählicher Verschmächtigung nach längerem oder kürzerem Verlauf enden. Gelegentlich spaltet sich ein solcher Strang in zwei oder drei, und bisweilen lässt sich von der äußeren Ektodermbucht her ein feiner Spalt oder Kanal bis in die Basis des Stranges verfolgen'. Was aus diesen Strängen wird, habe ich nicht feststellen können. Vielleicht entwickeln sie sich zu solchen Kanälen, wie sie bei den Zoantheen vorkommen (vgl. MÜLLER, 49) und nach HAppon und SHACKLETON vom Ektoderm abstammen sollen (27, vgl. auch 11); andererseits könnten sie mit den Strängen verglichen werden, die bei der von KoROTNEFF beschriebenen Gastrodes parasitica in zwei symmetrischen Septen von je einer Ektodermeinstülpung aufwärts wachsen (38). Ich erwähne diese Möglichkeit mit allem Vorbehalt, da diese selben Septen von Gastrodes bereits in ganz abweichendem Sinn gedeutet wurden. EHLERS hält sie für rudimentäre Sclerosepten (38, p. 618 Anm.), HEIDER, der Gastrodes für eine Ctenophoren- larve erklärt (30), sieht in ihnen die rudimentären Anlagen der Tentakel und Tentakeltaschen der Otenophoren. KOROTNEFF selbst endlich möchte dieselben Organe von Gastrodes mit den von mir aufgefundenen peristomalen Septaltrichtern der Seyphostomen in Be- ziehung bringen. Ich könnte nun alle diese Deutungen auf sich be- ruhen lassen, wenn nicht diejenige von KOROTNEFF meine weiteren ' Dieselbe Bildung traf ich einmal in einem Septum der noch zu beschrei- benden Tetractis jonica. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 351 Beobachtungen an den Aktinien unmittelbar berührte. Ich kann näm- lieh die Ansicht KoROTNEFF'S nicht theilen, weil die Stränge von Gastrodes den entgegengesetzten Ursprung und Verlauf haben wie die Septaltrichter — aus der Tiefe der Septen hinauf, statt um- sekehrt — und dies keineswegs für die Folge einer Rückbildung erklärt werden kann; denn die rudimentären Homologa jener Trichter habe ich bei Cereanthus, Cereactis, Bunodes, Heliactis in der nor- malen Lage wiedergefunden. Dieser meiner Deutung liegen folgende Thatsachen zu Grunde. Bei zwei Szähligen Cereactislarven zeigte sich je eine taschen- förmige Einsenkung des peristomalen Ektoderms in ein Richtungs- septum (Fig. 74). Durch die mit einer weiten Lichtung versehene Tasche wurde das Septum gegen eine der angrenzenden Magentaschen vorgewölbt. In geringer Tiefe verliert sich allerdings die Lichtung der Tasche, aber ihr Boden setzt sich noch in einen kurzen soliden Zapfen fort (Fig. 75). In beiden Fällen war die trichterförmige Einsenkung gesen das im Übrigen völlig glatte peristomale Ekto- derm ganz scharf abgegrenzt; dies und die solide Fortsetzung schließen jede zufällige Faltenbildung aus. Ganz gleiche peristomale Taschen fand ich bei Heliactis und Bunodes, aber nicht nur in der Einzahl, sondern mehrfach an demselben Thier und in ganz ver- schiedenen Septen. Bei den 24zählisen Bunodes ließ sich besonders gut beobachten, dass die Taschen nach innen von den Tentakelbasen, also unzweifelhaft im Bereich ihres Peristoms lagen. Auch bei Cerean- thus 5 traf ich auf eine solche Tasche (Fig. 27); dort könnte sie aller- dings als eine zufällige Einbuchtung einer der beschriebenen engen Peristomfurchen zwischen den Tentakeln erscheinen, wenn nicht der Vergleich mit Cereactis und Heliactis, wo die septalen Einsenkungen des Peristoms noch vor dem Erscheinen der Tentakel sich am voll- kommensten präsentiren, die Deutung der homologen Bildungen bei Cereanthus als selbständiger Anlagen sicherstellte!. Von einer weiteren Ausbildung dieser peristomalen Taschen in den heranwachsenden Aktinien ist mir nichts bekannt; wahrschein- lich verschwinden sie im weiteren Verlauf der Entwicklung und er- weisen sich folglich als larvale Bildungen, deren unbeständiges Auf- treten ihre Bedeutung als Rudimente vollends bestätigt. Als solche 1 Bei Heliactis beobachtete ich gelegentlich unregelmäßige Peristomfurchen, die sich nicht in septale Einsenkungen fortsetzten und wahrscheinlich durch Kontraktionen erzeugt waren. Damit haben die regelmäßig en Septal- taschen natürlich nichts gemein. 352 A. Goette, weisen sie auf eine Vorfahrenform zurück, die mit ähnlichen aber funktionirenden und daher beständigen, regelmäßig angeordneten Organen versehen war. Von solchen Organen wüsste ich nur die schon genannten Septaltrichter der Scyphostomen und der niede- ren Scyphomedusen (Stauro-, Cubomedusen) zu nennen, die nach Ursprung, Form und Lagebeziehungen mit jenen peristomalen Taschen der Aktinienlarven durchaus übereinstimmen. Dies zwingt uns zur Annahme, dass die beiderlei Organe homologe Bildungen sind, und dass die Stammform der Cereanthiden und Hexaktinien die Septal- trichter der Scyphomedusen besaß. Die natürlichen Folgerungen dieses Ergebnisses werden im nächsten Abschnitt zur Sprache kommen. 5. Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Aktinien. Der Versuch, den stammesgeschichtlichen Zusammenhang der Aktinien unter einander und mit anderen Scyphopolypen festzu- stellen, begegnet dadurch großen Schwierigkeiten, dass die Ent- wickelungsgeschichte nur von ganz wenigen dieser Formen bekannt ist, und dass ferner bei ihnen oft eine außerordentliche Variabilität herrscht, die namentlich auf den späteren Stufen den ursprüng- lichen Typus verdeckt (vgl. PARKER, 51). Es muss sich daher ein solcher Versuch mehr als sonst auf Übereinstimmungen stützen, deren Homologie noch nicht sichergestellt ist. Am besten fügen sich die zwei großen Gruppen der Hexakti- nien und der Steinkorallen nach Bau und Entwickelung zusammen; man könnte die Korallen geradezu als skelettbildende Hexaktinien bezeichnen. Aus der Entwickelung dieser Polypen wurde ferner alsbald erkannt, dass sie von Edwardsia-artigen Szähligen Formen abstammten (HAppox, McMurricH, BovErI); und wenn man davon absieht, dass schon die Edwardsien selbst durch ihre rudimentären Mikrosepten die Metamorphose in echte Hexaktinien andeuten, so offenbaren doch die Halcampa (12zählige Form — HErTwIG, FAv- ror), die Gonaktinien (16zählige Form — BLOCHMANN, BOVERI) und die Protanthea (20zählige Form — CARLGREN, 10) alle einzelnen Stufen jenes Übergangs. Daneben giebt es aber eine größere Anzahl von Aktinien, deren Beziehungen zu der genannten Reihe Edwardsia-Hexaktinien noch nicht unmittelbar festgestellt werden können. Die Monauleae (HERT- wıG, 33) mit sieben Binnenfächern (einschließlich ein Richtungsfach) - und die Holaktinien (Bovekı, 7) mit lauter gleichen Binnenfächern ohne jedes Richtungsfach glaubte Boverr vom Szähligen Edwardsia- Einiges über die Entwickelung der Scyphopoiypen. 353 typus in der Weise ableiten zu dürfen, dass gleichzeitig mit den Haupt- und dorsolateralen Septen auch die dorsalen Riehtungssepten (Monauleae) oder die dorsalen und ventralen Richtungssepten (Hol- actiniae) durch neue Septen zu Paaren ergänzt würden. Nach dieser Auffassung wären also beide Gruppen als selbständige Ausbildungen des Edwardsiatypus den Hexaktinien, deren Grundzahl 6 bei ihnen fehlt, nur koordinirt. Ich halte es dagegen für wahrscheinlicher, dass auch in diesen Fällen, so wie es sonst die Regel ist, zuerst die vier Septen 9 bis 12 das i2zählige Stadium mit den sechs Binnenfächern, also die einfachste Hexaktinienform herstellen, ehe sie durch weitere Septenbildung wieder aufgehoben wird. Diese Auffassung wird ganz besonders dadurch unterstützt, dass nach PARKER das außerordentlich variable Metridium marginatum M. Edw. sehr häufig statt des normalen Hexaktinientypus denjenigen der Monauleae entwickelt, was natürlich nur so zu verstehen ist, dass nach dem 12zähligen Stadium in den Taschen 4’”—4! statt eines neuen Septenpaares (Gonaktinienform) nur ein neues Septum erscheint, das sich mit dem benachbarten Richtungsseptum paarte. Wenn aber unter diesen Umständen die Monauleae sich als abgeänderte Hex- aktinien ergeben, so gilt dies natürlich in gleicher Weise für die Holaktinien. Für die Paraktinien (Herrwiıs) hat BovEr1 selbst die Abstam- mung von echten Hexaktinien angenommen, was mir das Natürlichste scheint. Damit ist aber die Möglichkeit beseitigt, dass die Paraktinien wegen der Grundzahl 4 direkte Beziehungen zu den fossilen Tetracorallien offenbarten (33, p- 86). Ganz anders gestaltet sich die Ent- wickelungsgeschichte von Aiptasia dia- phana (HERTWIG, 32) und von Tealia sp. (BovErı, 7). Auf den weit vorgeschrittenen Stufen sind sie vollkommene Hexaktinien; vorher durchlaufen sie aber kein Edward- siastadıum, da die Muskelpolster beider Textfig. 20. 1414 “LT ® a, normale 12zählige Hexaktinien- seitlichen Septen der Szähligen Larve °, 7. een, einander zugekehrt sind und die Septen tasia diaphana und Tealia sp. 9 bis 12 paarweise innerhalb beider Mitteltaschen auftreten (Textfig. 205). Die radiale Abordnung wird also zu keiner Zeit durch eine wirkliche Bilateralsymmetrie unter- 304 A. Goette, brochen. Für diese auffallende Erscheinung weiß ich keine andere Erklärung anzuführen, als dass das Edwardsiastadium auch in diesen Fällen einst bestanden hatte, aber durch die Umkehrung eines seitlichen Muskelpolsters beseitigt worden ist, worauf auch die Vertheilung der Septen 9 bis 12 sich entsprechend änderte. Diese Annahme wird dadurch gerechtfertigt, dass solche Umkeh- rungen der Muskelpolster ausnahmsweise auch bei anderen Hex- aktinien vorkommen (PArkER), und dass der ganze Vorgang nur einen weiteren Schritt in der Gesammtentwickelung der Hexaktinien darstellt, die auf die Beseitigung der ererbten Bilateralsymmetrie serichtet ist, sie aber in der Regel noch in den Larven konservirt hat. Aiptasia diaphana und Tealia sp. haben auch diesen Rest ein- gebüßt. Am unsichersten ist die genealogische Stellung der Zoan- theen, deren vorgeschrittene Bildungsstufen einen von allen übrigen Aktinien völlig abweichenden Typus zeigen, während ihre Embry- onalentwickelung noch ganz unbekannt ist. Daher ist ihre Ableitung vom Edwardsiatypus (McMurrRICH, FAUROT, BOVERI) eine rein hypo- thetische, während die von v. BENEDEN vertretene Ansicht, dass sie, ganz unabhängig von Edwardsien, von sechszähligen Urformen ab- stammen (3), durch manche Befunde ge- stützt wird, ohne doch volle Beweiskraft zu haben. Nicht besser steht es mit einer kleinen Aktinie, die ich in verschiedenen Alters- stufen an einer seichten, pflanzenreichen Stelle des Meeres bei Corfu fischte. Ihr größter Durchmesser betrug 0,5—1.23 mm, die Farbe war bräunlich; der niedrige Kör- per verschmälerte sich von der breiten Bee, Basis gegen die Mundscheibe zu einer 4, Richinnestasche. ‘ konischen Gestalt, die Tentakel blieben bei der Konservirung gestreckt (Fig. 80). Die ältesten Exemplare besaßen vier ins Kreuz gestellte Makro- septenpaare, eines davon mit nach außen gekehrten, die drei an- deren mit einander zugekehrten Muskelpolstern (Textfig. 21). Jenes erstere Paar umschließt eine breite Richtungstasche (4), mit zwei seit- lichen Tentakeln und einem asymmetrisch dazwischen gestellten Mikro- septum (Fig. 81), worin ich eine künftige Dreitheilung der Tasche an- gedeutet sehe. Die gegenüberliegende Richtungstasche (3) und die. Einiges über die Entwiekelung der Seyphopolypen. 355 beiden seitlichen Taschen (1, 2) waren schmal und ungetheilt. In den vier Zwischenräumen befanden sich Mikrosepten in einer nicht ganz regelmäßigen Anordnung, doch so, dass man die fortschreitende Dreitheilung durch je ein Septenpaar erkennen konnte (Textfig. 21, Fig. Si, S2). Jede mittlere Abtheilung blieb einfach, während die seitlichen sich wieder in derselben Art und zwar von der Basis her theilten. Nach Vervollständigung der eingeleiteten Theilungen mussten 34 Septen vorhanden sein, thatsächlich zählte ich aber erst 28. Unter dem Tentakelkranz buchten sich beide Seitentaschen so weit aus, dass dadurch ansehnliche äußere Vorsprünge entstehen, an der Unterseite mit kleineren warzenförmigen Ausstülpungen be- setzt (Fig. 80, 52). Dicht über der Basis gehen von der einfachen Richtungstasche und den mittleren Abtheilungen jeder Dreitheilung ähnliche Vorsprünge aus. In der Außenwand, namentlich längs der Seitentaschen, liegt eine dünne ektodermale Schicht von Längs- muskeln. Diese älteren Exemplare waren freilich noch nicht geschlechts- reif, aber nach der Zahl der Septen doch schon so weit ausge- wachsen, dass eine spätere grundsätzliche Änderung .der Strahlglie- derung ausgeschlossen ist. Die jüngeren Thiere dieser Art besitzen die Ausbuchtungen noch nicht, nur Spuren der Muskelpolster und eine sehr unregelmäßige Septenbildung, so dass daraus überhaupt kein bestimmter Typus zu entnehmen war. In einigen Fällen konnte ich zwischen zahlreichen Mikrosepten die drei einfachen Binnen- -fächer erkennen, aber nicht die getheilte Richtungstasche, so dass ihre Septen nicht zu den ältesten Makrosepten zu gehören scheinen. Jedenfalls fehlt unserer Aktinie das sonst so weit verbreitete Larven- stadium mit acht Makrosepten und die spätere Gliederung nach der Grundzahl 6, sowie andererseits die Merkmale der Zoantheen. Nach ihrer Größe und den Ausbuchtungen gleicht sie der Bunodeopsis strumosa Andres (2) oder der Hoplophoria coralligens Wilson (58); doch ist die letztere eine regelmäßige Hexaktinie, und von Bunode- opsis ist die innere Gliederung unbekannt, so dass ich die beschrie- bene Form vorläufig noch als eine neue Art betrachten muss, für die ich den Namen Tetractis joniea vorschlage. Das Einzige, was Tetraetis sowie die Zoantheen mit den Hexaktinien und deren nächsten Verwandten gemeinsam haben, sind die Binnenfächer; ob dies aber der Rest einer ursprünglich viel größeren verwandtschaft- lichen Übereinstimmung oder nur eine Parallelbildung ist, wird eine Spätere Untersuchung zu entscheiden haben. 356 A. Goette, Sieht man von diesen zweifelhaften Formen ab, so lässt sich die Hauptmasse der Aktinien nebst den Steinkorallen auf die bi- radiale 12zählige Hexaktinienform, diese auf die bilaterale Szäh- lige Edwardsienform und in letzter Linie auf die primäre Azählige ‚Strahlform zurückführen!. Nur eine Gruppe der Aktinien macht hiervon eine Ausnahme — die Cereanthiden. Allerdings weist auch ihre Entwickelung ganz unzweideutig auf die 4zählige Ur- form hin; statt aber durch eine Dreitheilung der dorsalen und ventralen Tasche in die Szählige Edwardsienform überzugehen, wird sie bei Cereanthus durch die einfache Halbirung der Seiten- taschen in eine 6zählige Form verwandelt, die durch das vorzeitige Erscheinen und die Lage jener ersten Theilungssepten sich scharf von den folgenden Entwickelungsstufen unterscheidet, die durch die fortgesetzten Theilungen der ventralen Richtungstasche gekenn- zeichnet sind. Eben desshalb ist das flüchtige Szählige Stadium der Cereanthiden mit dem Edwardsienstadium gar nicht vergleichbar (p- 332, 342). Ihre Stammesentwicklung divergirte vielmehr schon von der 4zähligen Stammform an mit der Stammesentwiekelung der übrigen Aktinien. In dieser Beziehung schließen sich die Antipathiden durch- aus den Cereanthiden an. Sie besitzen unter ihren sechs Tentakeln zwei kleinere Richtungstaschen und vier größere Seitentaschen; die letzteren sind aber durch vier kurze, nicht bis zur Schlundpforte hinabreichende Septen noch einmal getheilt, und bei A. glaberrima kommt noch ein sechstes Septenpaar hinzu, wodurch die regelmäßige Strahlform bilateral abgeändert wird. Ich habe diese von Koch (35) festgestellten Thatsachen bei A. glaberrima durchaus bestätigt ge- funden. Bei der Untersuchung der jüngeren Individuen bis hinab zu den Knospen, die äußerlich erst durch zwei kleine Höcker (die Richtungstentakel) angedeutet sind, zeigte sich aber, dass jene zwei bis drei kleinen Septenpaare in den großen Seitentaschen nicht gleich Anfangs vorhanden sind, sondern erst später und unregel- mäßig auftreten, so dass man auch ohne Kenntnis der Entwickelungs- geschichte der Antipathiden, die wohl nicht so bald bekannt werden dürfte, annehmen darf, dass die sechs ersten Taschen und Septen ! Ich gehe dabei von der Voraussetzung aus, dass die Edwardsien selbst sich eben so entwickeln wie die entsprechenden Larven der Hexaktinien. MARK beobachtete allerdings tentakellose Edwardsialarven (46), zeichnet aber von der jüngsten Larve, die übrigens schon 6zählig war, nur einen Querdurchschnitt unterhalb des Schlundes, woraus über die Magentaschen nichts zu entnehmen ist. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 357 die ursprünglichen sind, zu denen auch allein die sechs Tentakel gehören. Ein Blick auf dieses früheste 6zählige Stadium der Anti- pathiden bezeugt nun die große Übereinstimmung mit der 6zähligen Cereanthuslarve (vgl. Fig. 4 und 83), so dass man vorläufig nicht umhin kann, beide Gruppen in nähere Beziehung zu bringen und vielleicht mit Einschluss der Zoantheen (s. o. p. 354) als Abkömm- linge einer 6zähligen Stammform denen einer Szähligen Stamm- form (Edwardsien ete.) entgegenzusetzen '. Ich hebe hier ausdrücklich hervor, dass die Abgrenzung dieser zwei Hauptgruppen der Zoantharia in so fern nur eine vorläufige sein kann, als neue Thatsachen, namentlich die Entwickelungsgeschichte der Antipathiden, auch ganz neue verwandtschaftliche Beziehungen aufdecken könnten. Sicher scheint mir aber die angegebene Diver- senz zwischen den Cereanthiden und allen übrigen Aktinien nebst den Steinkorallen, und folglich der gemeinsame Ursprung aller dieser Polypen und wahrscheinlich aller Zoantharien von einer 4zähligen Urform zu sein. Mit nicht geringerer Wahrscheinlichkeit dürfte das Letztere auch für die Aleyonarien Geltung finden. Denn obgleich die unvollkommenen Daten ihrer Entwickelungsgeschichte (KowA- LEWSKY 40) es nicht erkennen lassen?, glaube ich es dennoch aus gewissen anderen Beobachtungen erschließen zu dürfen. An den allerjüngsten Knospen von Anthelia glauca, die einen Schlund noch nicht besitzen, finde ich in den obersten Quer- ' durchschnitten vier ins Kreuz gestellte Magentaschen, die sich im Centrum berühren, aber seitlich entweder gar nicht zusammenstoßen oder doch nur sehr unvollkommene Septen bilden (Fig. 76). Sie können daher nur selbständig entstanden, d. h. primäre Taschen sein. Zwei einander gegenüberliegende von diesen vier primären Taschen er- weitern sich abwärts bedeutend (3, 4), die zwei anderen nicht (1, 2); in einer gewissen Tiefe öffnen sie sich centralwärts in einander, d.h. verwandeln sich in offene Rinnen mit Magenfalten im Umkreise eines gemeinsamen Darmraumes (Fig. 78, 79). Die zwei kleineren (1, 2) und eine große Tasche (4) gehen ungetheilt in ihre Rinnen über; die zweite große Tasche (3) wird aber dort, wo sie sich erweitert, 1 Auf Grund dieses Ergebnisses kann ich den Versuch von BROok (8), die Aktinien überhaupt von Antipathiden-ähnlichen Vorfahren abzuleiten, nicht zustimmen. _ 2 Übrigens ist hier zu bemerken, dass die eben Szählig gewordenen Aleyonarienlarven zwei symmetrische größere Taschen besitzen, von denen KowALEwskY selbst vermuthet, dass sie die zuerst entstandenen seien. 358 A. Goette, von einer Falte durchquert (Fig. 77, 78), und ihre Rinne noch von einer zweiten Falte (Fig. 79). Diese beiden Falten sind offenbar sekundäre Theilungsfalten; dies wird dadurch bestätigt, dass die . zwei noch ausstehenden Falten, die doch nur als die Gegenstücke der erstgenannten in der anderen großen Tasche 4 zu erwarten sind, eben nur als sekundäre Theilungsfalten entstehen können. Die in Entwickelung begriffenen Knospen von Anthelia glauea zeigen also sehr deutlich eine durch vier primäre Masgentaschen hergestellte Gliederung, die durch zwei Dreitheilungen in den bei- den größeren Taschen in eine Szählige Form übergeführt wird — eine genaue Wiederholung der Entwickelung einer Szähligen Aktinie. Allerdings bedarf auch dieser Befund noch der Bestätigung durch die Entwickelungsgeschichte. Dafür giebt es aber noch ein zweites zustimmendes Indieium. Zu den häufigsten Varietäten des Metridium marginatum gehört nach PARKER diejenige mit acht Ma- krosepten und acht Muskelpolstern in der für die Aleyonarien ty- pischen Anordnung (51). Darin spricht sich unzweifelhaft eine nähere Verwandtschaft zwischen den Aleyonarien und den Zoantharien des $Szähligen Typus aus; beide erscheinen nur als späte Divergenten desselben Stammes, was die geschilderte Entwickelung der Anthelia entschieden bestätigt. Daraus folgt, dass die schon charakterisirte Stammform der Zoantharien gleichzeitig diejenige aller Seyphopolypen ist — eine Stammform, die uns auch, wie ich es schon vor Jahren aussprach (23), thatsächlich bekannt ist in dem jüngsten polypoiden Scyphostoma. Diese Schlussfolgerung lässt sich aber gegenwärtig noch viel bestimmter begründen, nachdem ich in den Larven verschiedener Aktinien rudimentäre Septaltrichter nachgewiesen habe, die folglich in der gemeinsamen Stammform dieser Polypen und daher der Sey- phopolypen überhaupt vorhanden gewesen sein müssen!. Danach steht es fest, dass diese Stammform der Sceyphopolypen mit den Scyphostomen nicht nur in der Gliederung, sondern auch in einem i Von der Anwesenheit solcher Rudimente bei anderen Scyphopolypen als den Cereanthiden und einigen Hexaktinien ist freilich noch nichts bekannt; dies kann aber die Annahme, dass jene Organe der Stammform aller Seypho- polypen eigen waren, nicht beeinträchtigen. Denn auch in dem unwahrschein- lichen Fall, dass die fraglichen Rudimente nur auf jene von mir untersuchten Formen beschränkt seien, liegt es auf der Hand, dass, wenn solche Reste schon in der einzelnen Art unbeständig sind, sie in größeren Gruppen ganz in Weg- fall gekommen sein können, ohne dass daraus geschlossen werden dürfte, sie hätten vorher nicht existirt. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 359 Merkmal (Septaltrichter) übereinstimmte, das nur noch bei den Seyphomedusen vorkommt; oder dass mit anderen Worten das polypoide Scyphostoma das Abbild einer gemeinsamen Stammform der Scyphopolypen und Scyphomedusen ist. Die Septaltrichter des Scyphostoma bleiben bekanntlich nur bei den niedersten Scyphomedusen (»Scyphostomiden« 23) erhalten und ver- lieren sich bei den weiter vorgeschrittenen Formen dieser Medusen, so dass ihre Rückbildung in der Stammesgeschichte der Scypho- polypen keineswegs eine Ausnahme bildet. Diese Bestätigung meiner in Kürze schon früher vertretenen Auffassung von der Stammesverwandtschaft der Seyphomedusen und Seyphopolypen enthält auch die bündigste Widerlegung der seither dagegen erhobenen Einsprüche. H. Wırson erkannte zwar jene Verwandtschaft im Allgemeinen an, hielt aber die Scyphostomaform nicht für den gemeinsamen Ausgangspunkt, sondern war der Ansicht, dass sie und folglich auch die Scyphomedusen allmählich aus den embryonalen Zuständen der Steinkorallen hervorgingen; und zwar wesentlich desshalb, weil jene Form in der Entwickelung der Korallen fehle. Ich zeigte aber schon, dass die Grundform ‚mit den vier primären Magentaschen auch in der Entwickelung der Korallen nicht zu verkennen ist (s. p. 340); und nachdem durch die Entdeckung der Septaltrichter der Aktinien ihre Abstammung von der Scyphostoma- form sichergestellt ist, kann für die Korallen erst recht nicht das Gegentheil angenommen werden. Ferner hat sich HEIDER aus ähnlichen Gründen gegen meine Auffassung ausgesprochen (39, p. 80). Er hob namentlich hervor, »dass die Sceyphopolypen (Seyphostomen!) durch den Besitz von Septaltrichtern und die ektodermale Entstehung der Längsmuskeln von den Anthozoen sich trennen, wozu noch als weitere unter- scheidende Merkmale die verschiedene Art der Entstehung der vier 1 Von dem früheren Gebrauch, ausschließlich das Scyphostoma oder die durch dasselbe repräsentirte Polypenform als »Scyphopolyp<« zu bezeichnen, sehe ich nach wie vor ab, und zwar in erster Linie desshalb, weil durch diese Bezeichnung der Irrthum immer von Neuem erregt wird, dass alle Scyphosto- men Polypen seien. Nachdem ich schon längst nachgewiesen habe, dass die Seyphostomen nur eine kurze erste Zeit polypoid und in der viel längeren Folgezeit medusoide Formen sind, ist es zur Beseitigung jedes Missverständ- nisses empfehlenswerther, diesen Medusenlarven ausschließlich ihren ursprüng- lichen Namen >Scyphostoma« zu belassen. Dann liegt aber kein Grund vor, den Anthozoen den Namen »Scyphopolypi« vorzuenthalten, der die Beziehung zu den Scyphomedusen sehr passend andeutet. 360 A. Goette, ersten Magentaschen und manche Unterschiede im histiologischen Gesammtcharakter (stärkere Entwickelung des Mesodermgewebes bei den Anthozoen) kommen«. Dies Alles trifft gegenwärtig nieht mehr zu. Denn die Scyphopolypen (Anthozoen) besitzen als Abkömmlinge von seyphostoma-ähnlichen Vorfahren thatsächlich Rudimente der Septaltrichter, nachdem deren Muskelstränge eben so wie bei den Medusen durch andere Muskeln ersetzt sind; ferner habe ich die von mir zuerst bei den Scyphostomen entdeckte »primäre« Bildung der vier ersten Magentaschen und Septen, wenn auch theilweise ebenfalls in rudimentärer Form, bei recht verschiedenen Seypho- polypen nachgewiesen. Endlich ist das von HEIDER bei den letzteren vermisste schwache Mesoderm wenigstens bei den Cereanthiden und Edwardsien vorhanden (Herrwıg 32, Taf. I, VIO), im Übrigen aber ein sehr fragwürdiges Merkmal, da dieses Gewebe erst spät zur Entwickelung kommt und daher bei den jüngsten polypoiden Scypho- stomen, den einzigen Vorbildern der eigentlichen Stammform, noch gar nicht ausgebildet sein konnte. Es kann daher von einem grund- sätzlichen oder nur wesentlichen Unterschied zwischen jenen Scypho- stomen und der Stammform der heutigen Scyphopolypen gar nicht mehr gesprochen werden. 6. Die Scyphozoa. Nachdem ich die verwandtschaftlichen Beziehungen der Scypho- medusen und Scyphopolypen als divergenter Abkömmlinge einer gemeinsamen Stammform dargelegt habe, ist ihre von mir gleichfalls schon früher vorgeschlagene Zusammenfassung als »Scyphozoa« ganz selbstverständlich. Diese Terminologie ist von einigen Seiten (LANG, HATScHER) gebilligt worden, von anderen nicht. Die hauptsächlichen Einwendungen dagegen stützen sich immer auf den angeblichen, wesentlichen Unterschied zwischen den Scyphostomen und den »An- thozoen« (vgl. HEIDER a. a. O.); nachdem dieser Grund sich als unzutreffend erwiesen hat, ist auch der Widerspruch gegen jene Terminologie gegenstandslos geworden. | Ich bin aber bei der Aufstellung einer gemeinsamen Abstammung der Sceyphomedusen und Scyphopolypen von sceyphostoma-artigen Formen nicht stehen geblieben, sondern glaubte aus der Entwicke- lungsgeschiehte der Seyphostomen selbst entnehmen zu können, dass eine noch weiter zurückliegende Stammform, die Scyphula, neben jenen Seyphostomaformen auch den Ctenophoren zum Ausgangspunkt diente und sich andererseits unabhängig von den ältesten Hydrozoen Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 361 direkt aus planula-ähnlichen Urformen entwickelt habe. Gegen diese Auffassung hat man sich, mit Ausnahme von Lau (45), ablehnend verhalten, indem die ältere Anschauung, dass alle Polypen und Medusen oder die Gesammtheit der eigentlichen Cnidaria von einem hydra-ähnlichen festsitzenden Polyp (Archhydra) abzuleiten seien, maßgebend blieb, und außerdem die neue Auffassung Anklang fand, dass die Ctenophoren von jenen Cnidaria ganz abzulösen und als besonderer Stamm zu behandeln seien. Meines Erachtens geht aber die Archhydra-Theorie in der Centralisirung, die zweite Ansicht umgekehrt in der Trennung zu weit. | Unter der Seyphula verstehe ich die Vorstufe des Scyphostoma, in der der ektodermale Schlund und die vier primären Magentaschen und Septen schon gebildet sind, aber die Tentakel, die Septaltrichter und die festsitzende Lebensweise noch ausstehen (23, p. 14). Sie bewegt sich frei durch Wimpern!. Die ihr vorausgehende Planula stimmt mit der Planula der Hydropolypen vollkommen überein; ich habe desshalb darin das Abbild einer allen Nesselthieren gemeinsamen Stammform und ferner eben so anerkannt, dass der daraus unmittel- bar hervorgehende Hydropolyp, die Archhydra als Stammform aller Hydrozoa anzusehen sei (a. a. 0. p.53). Nun kann man ja a priori die Möglichkeit zugeben, wie ich es selbst gethan habe (p. 54), dass eben dieselbe Archhydra auch der Ausgangspunkt der Sceypho- polypen und Scyphomedusen, d.h. also zunächst der Scyphulaform gewesen sei. Die nähere Untersuchung der Scyphula macht jedoch einen solchen Ursprung nicht wahrscheinlich, und dagegen hilft auch das Anrufen der Cänogenie (vgl. HEIDER 39, p. 80) gar nichts; denn dies hieße nur, eine bloße Möglichkeit durch eine andere stützen. Die Archhydra ist ein einfach schlauchförmiger Polyp, dessen Strahlgliederung allenfalls durch den Tentakelkranz angedeutet ist, und der von der vorausgegangenen Stufe der freischwimmenden Planula vor Allem durch seine Anheftung unter Verlust der Wimpern unterschieden ist. Die Scyphula verliert dagegen ihre Wimpern nicht; und da diese sogar bis weit in das Seyphostomastadium hinein erhalten und funktionsfähig bleiben, kann eine bei gewissen Arten Aurelia aur.) häufige frühere Anheftung der Sceyphula sie nicht schlechtweg zu einem sessilen Polyp stempeln. Man muss nur ! Bei Aurelia aurita befestigt sich allerdings in der Regel schon die Scyphula, bei Cotylorhiza tubereulata aber erst das vorgeschrittene Scypho- stoma, das übrigens Wimpern und Schwimmfähigkeit noch lange behält. 362 A. Goette, beobachtet haben, wie leicht selbst ältere Seyphostomen sich ablösen lassen und wie lebhaft sie alsdann herumschwimmen, um zur Über- zeugung zu gelangen, dass diese Larven erst den Übergang zur fest- sitzenden Lebensweise vermitteln und dass daher die viel jüngere . Seyphula erst recht zu den freien Larven zu rechnen ist. Hand in Hand damit geht die späte Entwickelung der Tentakel der Scypho- z08, die nicht wie bei den Hydropolypen unabhängig von einer inneren Gliederung, sondern im genauen Anschluss an die voraus- gegangene Bildung der Magentaschen, gewissermaßen als deren Fort- setzungen entstehen und daher sich erst nach dem Scyphulastadium einstellen. Mit einem Wort: die Merkmale der Archhydra, die sessile Lebensweise, der Mangel des Wimperkleides und die Tentakelbildung fehlen der Scyphula und stellen sich erst im Seyphostoma ein. Und selbst wenn sie sich schon an der Seyphula zeigten, wäre für die fragliche Archhydra-Theorie nichts gewonnen; denn zweifellos soll doch die mit Schlund und Magentaschen versehene Sceyphula selbst nicht ein Abbild der Archhydra sein, sondern dieses ihr vorausgehen. Eine solche Vorstufe der Scyphula fehlt aber natürlich vollends; denn wenn man ihre besonderen Merkmale, den Schlund und die Magentaschen, in Abzug bringt, so bleibt nur eine einfache Planula übrig!. Die Seyphula geht eben durch die Entwiekelung von Schlund und Magentaschen gerade so unmittelbar aus der Planula hervor, wie die Archhydra durch die Entwickelung der ganz anderen Charaktere der Hydropolypen. Die Herbeiziehung der Möglichkeit, dass diese wesentliche Verschiedenheit nur die Folge einer täuschenden cäno- genetischen Abänderung der Entwickelung sei, wäre nur dann statt- haft, wenn dies durch andere Thatsachen nothwendig schiene; eine solche Nöthigung kann ich aber nirgends entdecken. Folgerichtig müssen die Archhydra mitallen sich anschließenden Hydrozoa und andererseits die Scyphula mitihrer Nachkommenschaft, die ich die Scyphozoa genannt habe, neben und unabhängig von einander aus der ihnen gemeinsamen planula-ähnlichen Stammform hervorgegangen sein. Die beiden Hauptzweige der Nesselthiere divergiren also schon von der Planula aus und nicht erst von der Archhydra. ! Die Mundbildung kommt hier nicht in Betracht, weil in Abwesenheit eines Schlundes Mund und Prostoma, sei es ein offenes oder geschlossenes, identisch sind. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 363 Ich komme jetzt zu dem zweiten hier zu erörternden Punkt, nämlich zu dem von mir vorgeschlagenen Anschluss der Ctenophoren an die Seyphozoen, der, wie sich gleich zeigen wird, in innigster Beziehung zu dem eben festgestellten Ergebnis steht. Die Gründe, warum die Ctenophoren von den übrigen Onidariern bis zur Planula- form rückwärts ganz zu trennen seien, hat HEIDER a. a. O. ausführ- lieh erörtert. Er geht natürlich davon aus, dass alle Cnidarier außer den Ctenophoren von der Archhydra abstammen und unterscheidet unter ihnen nur die festsitzenden Polypen und die freischwimmenden Medusen, Die letzteren, also die einzigen freibeweglichen Cnidarier, ließen sich auf die erstgenannten Polypen zurückführen und entbehrten in Folge dessen ein Wimperkleid als Lokomotionsapparat, wozu viel- mehr eine besondere Muskulatur diene. Sie zeigten ferner eine ge- ringe Neigung an der exumbralen Seite, insbesondere am aboralen Pol, der den polypoiden Vorfahren zur Anheftung diente, besondere Organe zu entwickeln. Die Ctenophoren wären im Gegensatz dazu mit einem lokomotorischen Wimperapparat und mit wichtigen ab- oralen Organen ausgerüstet und bewiesen dadurch eine andere Ab- stammung als die Medusen, d. h. könnten nicht von festsitzenden Polypen, in letzter Linie von der Archhydra abgeleitet und müssten folglich als ein selbständiger Stamm neben den Cnidariern hingestellt werden. Alle diese von HEIDER angeführten Gründe gegen einen poly- poiden Ursprung der Ötenophoren kann ich um so weniger bestreiten, als ich selbst die letzteren niemals von festsitzenden Polypen, am wenigsten von Hydropolypen (Archhydra), die ich ja grundsätzlich von den Seyphozoen trenne, abzuleiten versuchte, und im Gegentheil _ als ihre nächste Stammform die Scyphula bezeichnet habe, die ja gerade die bei jenen Polypen vermissten Merkmale, die freie Be- wegung durch Wimpern und daher den zu jeder Organbildung ge- eigneten freien aboralen Pol besitzt. Der Widerspruch in unseren Schlussfolgerungen rührt also ausschließlich daher, dass HEIDER die Seyphula für eine cänogenetisch abgeänderte Archhydra hält, was ich aber für unbegründet erklärte. Thatsächlich ist sie nach ihrem inneren Bau eine Scyphozoenform, die weder ein Polyp noch eine Meduse genannt werden kann. Ihr ausschließlich in Wim- pern bestehender Bewegungsapparat steht in direktem Widerspruch mit den muskulösen Bewegungsapparaten eines Polyps und einer Meduse; sie unterscheided sich von ihnen ferner durch den Mangel der Tentakel, von der Meduse insbesondere durch den Mangel einer Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 24 364 A. Goette, Subumbrella, — beides entsteht erst im polypoiden und medusoi- den Seyphostoma. Diese indifferente Stellung der Sceyphula gestattet also auch nach HEIDER’s Forderungen für die Stammform der Ctenophoren den Vergleich dieser beiden Formen. Ihre wesentliche Übereinstimmung finde ich.1) in der freien Bewegung durch einen Wimperapparat, 2) in dem Besitz eines ektodermalen Schlundes und der ihn umge- benden Magendivertikel (Taschen oder Kanäle). Allerdings findet sich in dem letztgenannten Punkt auch ein Unterschied: die vier Magentaschen der Scyphula und eines Otenophorenembryo (vgl. CHhux 17 p. 114) sind nicht vollständig homolog. Die Einstülpung des Schlundes trennt freilich in beiden Fällen das Entoderm oder den Urdarm in zwei Hälften, die zwei ersten einander gegenüberliegen- den Magentaschen (vgl. Textfigur 1). Darauf entwickelt die Sey- phula das zweite Taschenpaar in den Zwischenräumen des ersten, in der Richtungsebene; im Ütenophoren-Embryo werden statt dessen die beiden schon vorhandenen Entodermhälften rechtwinklig zur Richtungsebene (Magenebene) getheilt, genau so wie es bei Cerean- thus geschieht, wogegen die Bildung der Richtungstaschen unter- bleibt (vgl. Textfigur 2). Dieser Unterschied kann aber nur als ein verhältnismäßig untergeordneter gelten, weil er sich erst sekundär, nach der Entwickelung des Schlundes und der ersten primären Ma- sentaschen einstellt, und der Ötenophorenembryo daher immerhin als das Abbild eines früheren Entwickelungszustandes der Sceyphula oder eines solchen Abkömmlings derselben wie die erwähnte Cerean- thuslarve aufgefasst werden kann!. Ja, ich sehe selbst gar keine Schwierigkeit darin, von der 4zähligen Scyphula ihre thatsäch- lich vorausgehende 2zählige Vorstufe zu trennen, von der aus die ältesten und einfachsten Ctenophoren direkt, die Seyphopolypen und Scyphomedusen erst nach der Herstellung der 4zähligen Stufe abzuleiten wären. Unter allen Umständen bliebe die Scyphula die gemeinsame Stammform dieser drei COnidarierzweige, i Der merkwürdigen Gastrodes fehlen die Taschen der Richtungsebene ebenfalls, und daraufhin könnte sie mit größerem Recht als in Folge der räthselhaften Ektodermeinwüchse (s. 0. p. 350) für eine Ctenophorenlarve er- klärt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch die Möglichkeit zu be- tonen, dass unter den Scyphopolypen Formen wie die 4zählige Cereanthus- larve fixirt und u. A. zum Ausgangspunkt für. Gastrodes wurden. Das Hauptinteresse bietet also die letztere dadurch, dass auf gewissen mehr indiffe- renten Entwickelungsstufen eine grundsätzliche Unterscheidung von Scypho- polypen und Ctenophoren unmöglich ist. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 365 die, wie ich zeigte, sämmtlich von den Hydrozoa zu trennen sind und daher als Scyphozoa zusammengefasst werden können. 7. Geschichte und Systematik. Bei der Untersuchung über den genetischen Zusammenhang der Cnidarier und insbesondere der Scyphozoa habe ich gewisse Gruppen enger zusammengefasst, andere strenger gesondert als es bisher üb- lieh war; dadurch soll aber keineswegs ohne Weiteres eine Entschei- dung über die systematische Anordnung dieser Thiere getroifen sein. Ich betone dies besonders desshalb, weil, wie mir scheint, häufig die Bedeutung der Genealogie der Thiere für die Systematik übertrieben wird. . Früher klassifieirte man rein deskriptiv, woraus sich das soge- nannte künstliche System ergab, das auch die einzige Übersicht über das gesammte Thierreich darbot.. Nachdem aber die Vorstellung von einer wirklichen Geschichte der Thiere Platz gegriffen hat, er- wachte auch das Verlangen nach einem prägnanten Ausdruck dieser Geschichte in einem genetischen oder genealogischen System. Dazu dienten und werden auch fernerhin dienen die zahlreichen Stamm- bäume der einzelnen Gruppen, die sich zuletzt ganz naturgemäß zu einem einzigen Stammbaum des gesammten Thierreichs zusammen- fügen müssen. Zweifellos ist ein solcher allgemeine Stammbaum ein durchaus natürliches System; wenn aber nun verlangt wird, dass dieses natürliche System an Stelle des vorhin genannten künst- lichen Systems treten, oder diesem die Klassifikation vorschreiben solle, oder endlich beide irgendwie verschmelzen sollen, so wird eben Wesen und Zweck beider Systeme vollkommen verkannt. Der Zweck des künstlichen Systems, das in der Regel als Sy- stem schlechtweg bezeichnet wird, ist eine geordnete Übersicht aller uns bekannten Thiere, worin vermittels passender Diagnosen jede Einzelform identifieirt werden kann. Dazu dient die Klas- sifikation nach Neben- und Unterordnung, so zwar, dass jede Ka- tegorie sich als die Summe aller ihr untergeordneten Kategorien und jede Einzelform sich als eine letzte Kategorie (Art, Varietät) dar- stellt. — Das genealogische System oder der Stammbaum als Schema der wirklichen Geschichte muss grundsätzlich alle Formen umfassen, die je existirten und in ununterbrochenem Fluss in einander über- gingen, mögen sie uns nun bekannt oder bloß hypothetisch angenom- men sein. Da der Stammbaum nur den Zweck verfolgt, die Zeitfolge 24* 366 A. Goette, der stammesgeschichtlichen Metamorphose zu veranschaulichen, so fehlen ihm die Diagnosen, deren Kenntnis er vielmehr voraussetzt. Seine genetischen Kategorien, die jeweilige Stammform und die von ihr ausgehenden Zweigformen stehen auch in einem ganz anderen Verhältnis zu einander als die deskriptiven Kategorien; jede höhere Kategorie (Stammform) ist nicht die Summe aller ihrer Zweigformen, sondern selbst eine Einzelform, eine systematische Art gleich jenen, ihnen aber zeitlich nothwendigerweise vorgesetzt und nur dadurch als höhere Kategorie von ihnen geschieden. Auf Grund dieser Definition beider Systeme lässt sich verstehen, dass der Stammbaum das deskriptive System nicht ersetzen kann; dazu fehlen ihm nicht nur die zur Artbestimmung nothwendigen Diagnosen, sondern vor Allem die Klassifikation. Der Versuch aber, ihm beides einzufügen, muss an dem grundsätzlichen Unterschied beider Systeme scheitern, wie die folgenden Beispiele erläutern wer- „ den. In dem Stammbaum Textfig. 22 ist Aa Aa 7” als Stammform die Oberkategorie zu den Zweigformen Aa’, Aa”; klassifikatorisch müsste, wenn Aa’, Aa” zwei Arten darstellen, in die Oberkategorie Aa deren Gattung bezeich- nen, Aa ist aber weder die Summe von Aa’ und Aa”, noch überhaupt von einem anderen Textfig. 22. deskriptiv systematischen Werth wie diese Arten, sondern ebenfalls bloß eine Art. Denkt man sich ferner Aa neben den daraus entsprungenen Aa’ und Aa” fortexistirend, so bilden sie insgesammt drei Arten mit der Grundform A und dem variabeln Element a, nn d. h. drei Arten derselben Gattung. Die zwei Aa da 4a” Kategorien des Stammbaums, Stammform und Zweigformen, vereinigen sich also zu den koordinirten Elementen der deskriptiven Kate- gorie »Gattung«; dann hat auch die Form der Verzweigung im Stammbaum überhaupt keinen Werth für die Klassifikation, sondern Textfig. 23. müsste durch den graphischen Ausdruck der Koordinirung und Verbindung ersetzt werden, etwa durch das Einrücken von 4a zwischen Aa’ und Aa” und eine sie verbindende Klammer (Textfig. 23). Diese Konsequenz des Versuchs, den Stammbaum klassifikato- risch zu verwerthen, tritt noch prägnanter hervor, wenn man sich Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 367 ’ zu der Gattung «' (Aa, Aa’, Aa”) eine ähnliche zweite Gattung « (Ad, Ab’, Ab”) und ihre Verbindung durch eine gemeinsame Stamm- form A hinzudenkt (Textfig. 24). Denn nun schiebt sich, nach Ana- logie des ersten Beispiels, die gleichfalls einfache Art A als dritte Gattung @ zwischen die zwei ersten Gattungen «’ und «” ein, um mit ihnen eine Familie (7) zu bilden u. s. f. Es wäre aber eine arge Täuschung zu glauben, dass durch solche Schemata die gewünschte Vereinigung von Stammbaum und Klassifikation oder die Verwand- lung des künstlichen Systems in ein natürliches, genetisches erreicht wäre. Der Stammbaum ist in unserem Beispiel vollständig und er- reicht seinen Zweck, den genetischen Zusammenhang der als be- kannt vorausgesetzten hypothetischen oder empirischen Formen übersichtlich darzustellen. Die durch die Klammern ange- deutete Klassifikation ist aber weder richtig noch überhaupt brauchbar. Aa und Ab sind nicht nur Glieder ihrer zwei Gattungen, sondern nach unse- rem ersten Beispiel mit 4 zu koordiniren, das schon wegen seines Einrückens zwischen «’ und «” als eine diesen gleich- werthige Gattung « erscheint. Folgerichtis müssen die drei Textfig. 24. Arten A, Aa, Ab, die unter sich eben so nahe verwandt sind, wie die Arten der Gattungen «’ und «@”, eine neue Gattung «’’ bilden. Dann gehören sie aber noth- wendig zu verschiedenen Kategorien, die zuerst völlig getrennt er- schienen: A als Gattung « innerhalb der ganzen Familie ist zugleich eine Art innerhalb der Gattung «”, Aa gehört als Art zu den beiden Gattungen @' und «’’, Ab eben so zu den Gattungen «”’ und «’”. Oder mit anderen Worten: jede Gattung ist mit den anderen Gattungen derselben Familie unmittelbar verknüpft, geht in sie über. Dies wiederholt sich natürlich im weiteren Ausbau unseres Stamm- baums, so dass auch alle Familien, Ordnungen, Klassen etc. an gewissen Punkten, nämlich da, wo die Stammformen in die Reihe der letzten Zweigformen eintreten, nur durch Artunterschiede von _ einander getrennt werden, also nach systematischen Grundsätzen zu einer einzigen Kategorie zu vereinigen sind, in der schließlich an- ı 368 A. Goette, dere als Artgrenzen zu bestimmen nicht möglich ist. Damit ist aber die versuchte Klassifikation ad absurdam geführt!. Die scheinbar so leichte Verwandlung des künstlichen Systems in ein natürliches auf der Grundlage eines Stammbaums beruht eben in der That auf einer Täuschung. Sobald man aber hier den Einspruch erhebt, dass dieser Miss- erfolg nur daher rühre, dass in dem gewählten Beispiel alle Stamm- formen in die Reihe der zu klassifieirenden Arten hineingerückt seien, wohin sie nach ihrer Mehrzahl, nämlich so weit sie bloß hypothetische Formen sind, gar nicht gehören, so wird dadurch. eben auf den springenden Punkt des Konflikts hingewiesen. Als Abbild des stammesgeschichtlichen Zusammenhangs muss der Stammbaum alle Divergenzpunkte der Zweigformen, auf die sich die Untersuchung gerade richtet, angeben, also alle bezüglichen Stammformen enthalten, mögen sie nun hypothetische oder empirische sein; eine Klassifikation ist aber, wie wir sahen, nur dann möglich, wenn die unmittelbaren senetischen Verbindungen benachbarter Kategorien, also mindestens die Mehrzahl der Stammformen fortfallen, d. h. wenn gerade die Grundlage des Stammbaums aufgegeben wird. In diesem Sinne sind und bleiben Genealogie und Klassifikation Gegensätze, die sich im Allgemeinen ausschließen; und dieser Gegensatz steigert sich natürlich, je weiter Geschichte und Genealogie der Thiere ausgear- beitet und vervollkommnet werden. Trotzdem hebt die historische Untersuchung und Darstellung des Thierreichs die Möglichkeit der künstlichen Klassifikation nicht auf. Denn die genealogisch zu postulirenden kontinuirlichen Reihen: der Thierformen sind in der Empirie durch mehr oder weniger große Lücken unterbrochen, da im Laufe der Stammesentwickelung in erster Linie gerade die für die Klassifikation hinderlichen älteren Stamm- !1 Man darf damit natürlich nicht die häufig benutzten ähnlichen Schemata verwechseln, die den allgemeinen genetischen Zusammenhang bloß der größe- ren Gruppen veranschaulichen sollen, und daher nur Stammbäume der letzteren mit Beifügung ihrer systematischen Namen sind, aber keineswegs eine wirk- liche »genetische Klassifikation« darstellen. Denn das deskriptive System er- reicht seinen Zweck der Identifieirung der Arten natürlich erst nach seiner Vollendung bis zu den letzteren, und ist überhaupt ohne die Kenntnis der Arten nicht denkbar, da sie als die einzigen natürlichen, konkreten Kategorien das Material liefern, aus welchem allein alle übrigen künstlichen Kategorien abstrahirt werden. Jede auf irgend welche Oberkategorien beschränkte Über- sicht kann verschiedenen Zwecken erfolgreich dienen, ist aber nicht das ge- kennzeichnete deskriptive System, dessen Verhältnis zum Stammbaum hier zur Diskussion steht. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 369 formen ausgemerzt wurden; und diese allerdings nur in unserem Wissen bestehenden Lücken bilden die nothwendigen systematischen Grenzen zwischen den benachbarten Kategorien, um so bestimmter, je breiter sie sind. In dem Maße, als sie sich durch neue Funde ausfüllen, nimmt umgekehrt die Sicherheit der Klassifikation ab; und theoretisch könnte man sich vorstellen, dass durch eine vollständige Ausfüllung aller Lücken die Ausübung der Klassifikation, nach der Analogie unseres Beispiels, unmöglich würde. Sie würde aber dann weder bloß ihren Charakter ändern, aus einem künstlichen ein na- türliches System werden, noch durch das genealogische System ersetzt werden können; sondern sie würde einfach aufhören — zum größten Nachtheil der historischen Arbeit, die zu ihren nothwendigen Voraussetzungen auch eine möglichst vollkommene Klassifikation zählt. Da jedoch jener hypothetische Zustand auch nur in erheb- liehem Umfang nie eintreten kann, so wird die Klassifikation im Ganzen bleiben, was sie bisher war. Bezeichnet man also das genea- logische System als das natürliche, die deskriptive Klassifikation als das künstliche System, so wird sie oder die Systematik der Thiere stets eine künstliche bleiben. Eine ganz andere Frage ist die, ob denn die Klassifikation ohne jede Beziehung zur Genealogie bestehen könne? — Ganz gewiss nicht; aber nicht desshalb, weil sie nach ihrem Wesen und Zweck auf die Genealogie angewiesen ist, was eben widerlegt wurde, sondern weil beide Aufstellungen zum großen Theil aus demselben Material abgeleitet werden und daher ihre Kategorien häufig bis zu einem gewissen Grade zusammenfallen. Dieses Material ist die Formverwandtschaft der verschiedenen Arten, woraus die histo- rische Untersuchung deren Zusammenhang in Divergenz und Auf- einanderfolge, die Klassifikation die Neben- und Unterordnung fest- stellt. Wie weit dabei die Parallele zwischen den beiderlei Kategorien gehen kann, haben wir an den besprochenen Beispielen gesehen. Die historische Untersuchung wird ferner oft in der Lage sein, auf Grund ihrer besonderen genealogischen Aufschlüsse der Systematik zu Hilfe zu kommen, sie zu dirigiren, so dass beide Untersuchungen vielfach Hand in Hand gehen. Diese Umstände haben sicher dazu beigetragen, dass die Begriffe der Geschichte und der Systematik der Thiere nicht immer in wünschenswerthem Maß aus einander ge- halten wurden, und die Verwandlung unserer Klassifikation, unseres künstlichen Systems in ein genetisches ins Auge gefasst wurde. In der That bleiben aber trotz aller oft sehr innigen Beziehungen zu 370 A. Goette, einander beide Diseiplinen durchaus selbständig; und dies wird. vollends evident, wenn man sich klar macht, wie weit unter Umständen ihre Aufstellungen aus einander gehen können und müssen. Diese gelegentlichen Divergenzen beider Diseiplinen sind die ganz natürlichen Folgen ihres verschiedenen Vorgehens. Die Genea- logie als abgekürzter Ausdruck der Stammesentwickelung kennt keine trennenden Grenzen, sondern in den ununterbrochenen Formenreihen nur das eine Verhältnis von Stammform und Zweigformen, das je nach den ins Auge gefassten Formen seinen Platz wechselt!. Die Klassifikation bedarf dagegen sicherer und fixer Grenzen ihrer zahl- reichen Kategorien und findet sie in den bezeichneten empirischen Unterbrechungen der ursprünglich kontinuirlichen Formenreihen; aus der wechselnden Weite dieser Lücken leitet sie ferner nach sub- jektivem Werthmaß die zahlreichen verschiedenen Grade der Formverwandtschaft ab, aus denen sich das System aufbaut. Daher muss der Systematiker je nach Umständen eine Stammform mit ihren Zweigformen koordiniren oder sie vollständig trennen, um dann wieder Zweigformen verschiedener Abstammung und. von ihren Ursprüngen gelöst mit einander zu verbinden, so dass dadurch das Bild des Stammbaums ganz verdeckt wird; dies Alles auf Grund der von ihm festgestellten systematischen Verwandtschaftsgrade und zum besonderen Zweck der Klassifikation, der im System nicht zu Gunsten der Genealogie geschädigt werden kann. Natürlich ist ein solches Verfahren nicht der reinen Willkür preisgegeben, sondern davon abhängig, dass der Systematiker das Gewicht der theils genealogisch, theils klassifikatorisch bedeutsamen Formverwandtschaft nach beiden Seiten mit richtigem Takt abschätzt. Die Inkongruenzen zwischen Genealogie und Systematik sind aber überhaupt gar nicht zu vermeiden und bestätigen die oben erörterte Thatsache, dass beide Diseiplinen grundsätzlich verschieden sind, und dass ihr beständiges Ineinandergreifen niemals auf eine Iden- tifieirung beider hinauslaufen kann. Diese Auffassung von der Selbständigkeit der Systematik gegen- über den Hinweisen auf einen abweichenden genealogischen Zusam- menhang ist übrigens keineswegs neu;.selbst in unserem besonderen, die Cnidaria betreffenden Fall finde ich bei einem nächstbetheiligten Forscher, bei Cuun, Bemerkungen, die mit den letzten Ergebnissen meiner Untersuchung in der Hauptsache übereinstimmen. CHUN ! Jede Stammform ist selbst eine Zweigform früherer Stammformen, und jede Zweigform umgekehrt die Stammform späterer Zweigformen. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 371 erklärt nämlich, dass obgleich sich entwickelungsgeschichtliche An- knüpfunsspunkte zwischen den Ütenophoren einerseits und den Seyphopolypen und -medusen andererseits gewinnen ließen, er im Hinblick auf die Divergenz dieser Gruppen in ihrer weiteren Ent- wickelung davon Abstand nehme, sie in einer Kategorie zu vereinigen (18, p. 172). Grundsätzlich ist ein solcher Standpunkt ganz korrekt; nur ist es nicht überflüssig hinzuzufügen, dass dieses Recht der Systematik nicht so gehandhabt werden darf, als wenn die mehr oder weniger selbständige und künstliche Klassifikation die nament- lieh auf entwickelungsgeschichtlicher Grundlage gewonnenen genea- logischen Ergebnisse, besonders unter Berufung auf die sogenannte Cänogenie, desavouiren könnte. Denn indem jene Selbständigkeit . der Systematik gerade darauf beruht, dass sie auf Grund der für sie unentbehrlichen empirischen Unterbrechungen des genealogischen Zusammenhangs diesen bis zu einem gewissen Grade vernachlässigen darf, kann sie am wenigsten den Anspruch erheben, in die genea- logische Forschung bestimmend einzugreifen. Dennoch dürften solche Missverständnisse eben so wie die ent- segengesetzten, dass die deskriptive künstliche Klassifikation in das natürliche genealogische System überzugehen habe, schon vorgekom- men sein und noch vorkommen. Ich wiederhole daher, dass Ge- schichte und Systematik der Thiere nur als selbständige Disciplinen bestehen können, wenn auch vielleicht gerade in Folge dieser Selb- ständigkeit Irrthümer hüben und drüben unvermeidlich sind. Um nun das, was eben erläutert wurde, auf die Cnidarier an- zuwenden, muss zunächst ihr Stammbaum ausgeführt werden, der aber Angesichts der bescheidenen Zahl der entwickelungsgeschicht- lich untersuchten Formen sich nur auf gewisse Grundzüge beschränken muss (Textfig. 25). — Von der planula-ähnlichen gemeinsamen Stamm- form aller Cnidarier gingen zuerst die beiden Zweigformen der Arch- hydra und der Seyphula aus, jene der Ausgangspunkt aller Hydro- zoen, diese der Scyphozoen. Von der Scyphula divergiren wieder zwei Zweige, von denen der eine zu den Ctenophoren, der andere zu den 4zähligen scyphostoma-ähnlichen Polypen hinführt, der Stammform aller Seyphopolypen und Seyphomedusen. Es sind folg- lieh die Ctenophoren, Seyphopolypen und Seyphomedusen nicht koordinirte Ausläufer der Sceyphula, sondern die Ctenophoren der Gesammtheit der übrigen Sceyphozoen entgegengesetzt. Dies könnte ganz wohl auch systematisch zum Ausdruck kommen, nur nicht in 312 A. Goette, der Koordinirung: Hydrozoa-Scyphozoa-Ctenophorae, oder gar in dem vollständigen Ausschluss der letzteren und dem Stamm der Cnidarier: Cnidaria-Otenophorae. Denn der ektodermale Schlund und die ihn umgebenden primären Magentaschen bilden einen so ' prägnanten Charakter der von mir so genannten Scyphozoa, der den Hydrozoa völlig fehlt, dass er eine entsprechende systematische Ein- theilung: Hydrozoa-Scyphozoa und andererseits die Einordnung der Ctenophoren in die letztere Gruppe nothwendig macht. Sepphozoa Hydrozoa ED Planwlaform Textfig. 25. Unter dieser Voraussetzung lässt sich auch der allseitig an- erkannten Forderung, den Ctenophoren eine Sonderstellung zu- zuerkennen, in genügendem Maße nachkommen, wenn man ihnen sesenüber die Scyphopolypen und Scyphomedusen unter einem neuen Namen zusammenfasste. Dann fragt es sich aber noch, ob dieses an sich korrekte Vorgehen für die Klassifikation zweckmäßig wäre, oder ob nicht unter diesen Umständen die Koordinirung: Sceypho- polypen, Seyphomedusen, Ctenophoren- vorzuziehen sei; eine Frage, deren Entscheidung ich dem Takt zuständiger Systematiker überlasse. Die Hauptmasse der Scyphozoen geht von der 4zähligen seypho- stoma-ähnlichen Polypenform aus und zwar in den drei koordi- nirten Zweigen der Medusen, der 6- und der Szähligen Polypen. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 373 Trotzdem ist es systematisch ganz selbstverständlich, jene zweier- ‚lei Polypen als eine Gruppe den Medusen entgegenzusetzen. — Wichtiger als diese unerhebliche Inkongruenz zwischen Genealogie und System ist der Widerstreit beider Darstellungen im Gebiet der Seyphopolypen. Systematisch werden sie noch immer zunächst in die Aleyonaria und die Zoantharia eingetheilt, jene mit gefiederten, diese mit glatten Tentakeln; die Zoantharia zerfallen ferner in die Anti- pathiden, Malacodermen (Aktinien) und Sklerodermen (Steinkoral- len). Eine entsprechende genealogische Verzweigung ist aber nach den bisher vorliegenden Thatsachen ausgeschlossen. Die 6zählige Stammform, von der die Cereanthiden und Antipathiden ausgingen und die Szählige Stammform, die den übrigen Aktinien, den Stein- korallen und den Alcyonarien zum Ursprung diente, divergiren durch die Art ihrer Entwickelung (Halbirung der zwei Seitentaschen — Dreitheilung der dorsalen und der ventralen Tasche) schon von der 4zähligen Urform an (Textfig. 10). Die Edwardsien nebst den sich anschließenden Hexaktinien und Steinkorallen erscheinen daher mit den Aleyonarien weit näher verwandt als mit den Cereanthiden und Antipathiden!. Endlich ist es nicht unmöglich, dass neben den 6- und Szähligen noch andere Zweigformen aus der 4zähligen Ur- form hervorgingen, z. B. solche mit der Grundzahl 4 (im Stammbaum durch z angedeutet), wie vielleicht Tetractis jonica, die dann eben so wie die Cereanthiden von den übrigen Aktinien zu trennen wären. | Wie man sieht, gehen also Genealogie und Klassifikation der Seyphopolypen noch vollständig aus einander; und es ist nicht leicht zu sagen, wie weit eine Annäherung zwischen ihnen, oder was das- selbe ist, eine Anpassung des Systems an die Genealogie möglich und geboten ist. Denn so wenig sich auch die Mängel des gegen- wärtigen Systems verkennen lassen, so bleibt es andererseits doch Traglich, ob gerade die Genealogie bessere Anhaltspunkte für die praktische Klassifikation liefern kann. Jene Mängel beruhen vor Allem in der Aufstellung der Ordnung »Zoantharia« und der Unterordnung der »Malacodermata«. Die Cereanthiden, Antipathiden, Zoantheen, Hexaktinien und Steinkorallen sind zweifellos wohlumgrenzte und systematisch eben so gut definir- bare Gruppen wie die Aleyonarien; warum werden sie aber ins- gesammt als Zoantharien den Alcyonarien entgegengesetzt? Von ihren Unterscheidungsmerkmalen: glatte, nicht gefiederte Tentakel, 1 Auf die Ähnlichkeit zwischen Edwardsien und Aleyonarien hat schon HERTwIG hingewiesen. 374 A. Goette, Besitz von Binnenfächern mit der Grundzahl 6 — stimmt keins aus- nahmslos, am wenigsten die Binnenfächer und ihre Grundzahl; ge- - meinsam ist ihnen nicht einmal der Mangel der besonderen Kenn- zeichen der Aleyonarien (acht gefiederte Tentakel, keine seitlichen Binnenfächer), da die Thalassianthinen gefiederte Tentakel, die Ed- wardsien, Cereanthiden und Zoantheen ebenfalls keine seitlichen Binnenfächer besitzen. Ist aber die Ordnung der Zoantharien hin- fällig, so ist es natürlich auch die Unterordnung der Malakodermen, und es müssen daher, wenn man nicht alle aufgezählten Gruppen einfach koordiniren will, passendere Verbindungen zwischen ihnen gesucht werden. Genealogisch präsentiren sich als zwei natürliche Abtheilungen 1) die nach ihrem Ursprung 6zähligen Seyphopolypen, die man daher füglich Hexacorallia nennen kann!, nämlich die Cereanthiden und Antipathiden, 2) die in demselben Sinn Szähligen Aleyonarien, Hexaktinien mit allen ihren Abkömmlingen und die Steinkorallen (Octocorallia); die Stellung der Zoantheen und einiger anderer Formen bleibt zunächst noch zweifelhaft. Um diese zwei Gruppen in systematische Ordnungen zu verwandeln, müssten aber aller- dings embryologische Merkmale für sie verwendet werden: die 6zählige und die Szählige Grundform, jene mit zwei lateralen, diese mit vier dorsoventralen Theilungssepten zwischen vier primären Septen (Textfig. 10). Die beiden Unterordnungen der Hexacorallien, die Cereanthiden und die Anthipathiden, sind natürlich leicht zu trennen; unter den Octocorallien ständen zunächst die Aleyona- rien mit ihren acht Tentakeln und den ungepaarten seitlichen Septen den mit 16 oder mehr Tentakeln und in der Regel mit seitlichen Binnenfächern versehenen Aktinien und Steinkorallen (Polyactinia) gegenüber, deren gegenseitige Abgrenzung wiederum aufder Hand liegt. Dieses System wäre jedoch zunächst bloß ein provisorisches; denn die definitive Einreihung der erwähnten zweifelhaften Formen könnte nicht nur neue Merkmale verlangen, sondern vielleicht selbst an dem einen oder anderen Punkt solche nähere Verbindungen verschie- dener Gruppen aufdecken, dass dadurch eine brauchbare Klassifikation ! Der Name Hexacorallia kann nur so lange unzuträglich erscheinen, als man an dem Namen der Hexaktinien festhält, der aber gegenwärtig am besten ganz aufgegeben wird. Die Grundzahl 6 der Binnenfächer, auf die er sich bezieht, ist ein selbst in der einzelnen Art sehr variabler Charakter, also am wenigsten zum Merkmal einer Familie geeignet, besonders da durch dasselbe die nächsten Verwandten in unnatürlicher Weise in. verschiedene Familien getrennt werden. Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 375 unmöglich würde, so wie es in dem Beispiel auf p. 367 gezeigt wurde. Auch braucht man sich nur vorzustellen, dass die von PARKER be- sehriebene Variabilität von Metridium marginatum auch bei anderen Seyphopolypen nachgewiesen würde, um zu verstehen, wie schwan- kend die Systematik dieser Klasse werden kann. Unter solchen Umständen bleibt freilich das einzige bestimmte Ziel einer ordnenden Untersuchung die Genealogie, die ja bei jeder solchen Variabilität wie die genannte ohne Weiteres an die Stelle der Klassifikation tritt, indem die Varianten einer Species nicht mehr als Repräsentanten verschiedener systematischer Kategorien, sondern nur noch als zwar unbeständige Zweigformen einer Stammform gelten können. Straßburg, im August 1897. Litteraturverzeichnis, 1. Ar. Acassız, On Arachnactis brachiolata, a Species of Floating Actinia. Boston Journal of Nat. Hist. VII. 1863. 2. AnprEs, Le Attinie Fauna und Flora des Golfes von Neapel. IX. 1884. 3. ED. vAn BENEDEN, Une Larve voisine de la Larve de SEMPER. Arch. Biol. X. 1890. | 4. —— Recherches sur le developpement des Arachnactis. Arch. Biol. XI. 1891. 5. BLocHmann u. HiLgER, Über Gonactinia prolifera Sars, eine durch Quer- theilung sich vermehrende Aktinie. Morphol. Jahrb. XIII. 1888. 6. Boverı, Über Entwicklung und Verwandtschaftsbeziehungen der Aktinien. Diese Zeitschr. Bd. XLIX. 1890. 7. —— Das Genus Gyractis. Zool. Jahrb. Abth. Syst. VII. 1894. 8. BROOk, Preliminary remarks on the homologies of the mesenteries in Anti- patharia and other Anthozoa. Proc. R. Soc. Edinburgh. XV. 1889. 9. Busch, Beobachtungen über Anatomie und Entwicklung einiger wirbel- losen Seethiere. 1851. 10. CARLGREN, Protanthea simplex n. g. n. sp., eine eigenthümliche Aktinie. Öfvers. K. Vetensk. Akad. Förh. 1891. Stockholm. 11. —- Über das Vorkommen von Bruträumen bei Aktinien. Ebenda. 1893. 12, —— Zur Kenntnis der Septenmuskulatur bei Ceriantheen und der Schlund- rinne bei Anthozoen. Ebenda. 13. CARLGREN, Studien über nordische Aktinien. K. Svenska Akad. Handlingar. XXV. 1893—1894. 14. —— Beobachtungen über die Mesenterienstellung der Zoantharien etc. Festschrift für LILLJEBORG. Upsala 1896. 15. 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Querdurchschnitte einer jungen Cereanthuslarve a. Das Ekto- derm dunkel, das Entoderm hell; 1 und 4 die Richtungstaschen, 2, 3 die Seiten- taschen. Fig. 6. Senkrechter Durchschnitt einer gleichen Larve längs den Theilungs- septen mf. Fig. 7. Schlund dicht neben dem vorigen Durchschnitt. Fig. 8, 9. Querdurchschnitte der ventralen Richtungstasche und ihrer Rinne mit den Anfängen ihrer Halbirung und der Bildung der Tasche 5 in Ar. Fig. 10. Ähnlicher Durchschnitt einer etwas älteren Larve. Fig. 11. Das erste Theilungsseptum im Bereich des dreieckigen Umschlags des Schlundes (s. Fig. 4) senkrecht und rechtwinkelig durchschnitten. Fig. 12, 13. Querdurchschnitte einer 8zähligen Cereanthuslarve a. s, dor- sale Fortsetzung des Schlundes. Fig. 14. Querdurchschnitt einer 9zähligen Cereanthuslarve a. Fig. 15, 16. Dasselbe von einer 10zähligen Larve. 378 A. Goette, Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. Fig. 17. Die von einem Filament durchbohrte Leibeswand einer Cerean- thuslarve a. Tafel XVII. Fig. 18—20. Querdurchschnitte einer 11- bis 12zähligen Cereanthuslarve a, in 6r beginnt die Bildung von 7. Fig. 21—27. Querdurchschnitte durch die Tentakel und den Schlund einer 11zähligen Cereanthuslarve 5. Fig. 28. Querdurchschnitt einer 12zähligen Cereanthuslarve 5. 6r ist schon getheilt, 7 hergestellt. Fig. 29. Senkrechter Durchschnitt durch einen Embryo (Gastrula) von Cereactis aurantiaca. Fig. 30. Dasselbe. Ektodermzellen von der Fläche gesehen. Fig. 31. Dasselbe. Keimschichten im Durchschnitt in der Nähe des oralen Pols. ek’, Plattenepithel; y, kleine Kerne. Fig. 32. Dasselbe. Weiteres Stadium. Fig. 33—38. Senkrechte Durchschnitte durch einen Embryo von Cereactis aurantiaca, der Nahrungsdotter ist fortgelassen. Tafel XVIE . Embryonen von Cereactis aurantiaca (in den Durchschnitten ist der Nahrungsdotter fortgelassen). Fig. 39—43. Durchschnitte parallel zur Richtungsebene. Fig. 44. Aus der voranstehenden Serie konstruirter Durchschnitt recht- winkelig zur Richtungsebene. Fig. 45. Außere Ansicht des Entoderms mit Taschen und Falten eines 6zähligen Embryo aus einer vollständigen Durchschnittsserie rekonstruirt, vom oralen Pol gesehen; der Schlund fehlt, die Mitteltaschen sind dorsalwärts noch offen, die dorsalen Richtungsfalten erst in der Tiefe angelegt, die ventralen fehlen noch. Fig. 46—53. Senkrechte Durchschnitte eines älteren Embryo, parallel zur Richtungsebene. Fig. 54. Senkrechter Durchschnitt eines etwas älteren Embryo. Fig. 55—61. Querdurchschnitte eines jungen Embryo. Fig. 55—57 im Bereich des Schlundes, Fig. 58 durch die Schlundpforte, Fig. 59—61 unterhalb derselben. Fig. 62—68. Querdurchschnitte eines ähnlichen Embryo unterhalb des Schlundes. As’ eine abnorm gelagerte Hauptfalte. - Tafel XIX. Fig. 69—71. Querdurchschnitte durch einen $zähligen Embryo von Cere- actis aurantiaca, die ventralen Richtungssepten sind erst in der Nähe des aboralen Pols angelegt und daher in diesen Figuren nicht sichtbar. Fig. 72, 73. Querdurchschnitte durch eine ältere Szählige Larve von Cere- actis aurantiaca, die dorsalen Richtungsfalten vereinigen sich unterhalb des Schlundes. Fig. 74, 75. Querdurchschnitte durch eine Szählige Cereactislarve. Fig. 76—79. Querdurchschnitte durch eine junge Knospe von Anthelia glauca vor der Schlundbildung; das Ektoderm ist weiß gelassen, —4 die vier primären Taschen. . Fig. 80. Tetractis joniea n. g., n. sp., vergrößert. Fig. 81, 82. Dasselbe. Querdurchschnitte durch den Schlund und unter- halb desselben (vgl. Textfig. 21), —3 die ungetheilten Binnenfächer, £ die ge- theilte Richtungstasche. Fig. 83. Querdurchschnitt durch eine junge Knospe von Antipathes glaber- rima. 1, 2 Riehtungstaschen mit Tentakelbasen, 3, 4 Seitentaschen. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. Von R. Wolfgang Hoffmann. Mit Tafel XX und XXI und 7 Figuren im Text. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) Einleitung. Die im Nachfolgenden niedergelegten Studien wurden von mir zunächst in der Absicht aufgenommen, bei solchen thierischen Zellen, welche eine besonders gut ausgebildete Membran aufweisen, deren Beziehung zu der Zellplatte festzustellen und zu untersuchen, ob bei derartigen Zellen dieses Gebilde regelmäßig und in besser entwickel- ter Weise als bei anderen Zellen vorhanden sei. Für eine solche Untersuchung erschienen besonders die Hydroiden mit ihren vielfach recht starken Zellmembranen als geeignete Objekte, und ich begann _ daher meine Beobachtungen mit ihnen; doch stellte sich bald her- aus, dass hier keineswegs außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen, indem die Membranen, wie wir bald sehen werden, durch Erhärtung eines protoplasmatischen Saumes zu Stande kamen. Da außerdem in der Litteratur Fälle bekannt sind, in welchen die Zellplatte wie bei den pflanzlichen Zellen die direkte Anlage der Membran dar- stellt, erschien es mir weniger wichtig, die oben angedeutete Frage zu verfolgen, und ich bemühte mich vielmehr an verschiedenen - günstigen Objekten (Embryonen vom Limax, Lachs und Forelle) ihre Beschaffenheit genauer zu studiren, ihre weitere Umwandlung zu verfolgen und vor Allem festzustellen, auf welchen Theil der Zellplatte der Freuming’sche Körper zurückzuführen ist, sowie, ob er bei dem Modus der Zelltheilung irgend welche aktive Rolle spielt. Bei meinen Litteraturstudien fand ich, dass eigentlich nur we- nige, speciell auf diesen Gegenstand gerichtete Arbeiten vorhanden Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 25 380 R. Wolfgang Hoffmann, sind und dass diese überdies meist verschiedene Seiten desselben behandelten. Alle übrigen Angaben beruhen auf kurzen beiläufigen ‚Notizen, welche in Arbeiten über recht verschiedene Gegenstände . enthalten sind. Obgleich ich mich bestrebte, jede, auch die geringste Bemerkung aufzufinden, welche die von mir behandelte Frage be- rührt, so zweifle ich nicht, dass mir diese und jene Angaben betr. Zellplatten oder Zellplattenrudimente entgangen sind, da sich die- selben, wie gesagt, nur äußerst zerstreut in der fachwissenschaft- lichen Litteratur vorfinden. | | Wo ich im historischen Theile meiner Arbeit eine solche An- sabe nicht erwähnte, um diesen Theil nieht durch unwesentliche- Dinge zu sehr in die Länge zu ziehen, habe ich wenigstens das Werk im Litteraturverzeichnis angeführt. Trotz den vielen Einzelbetrachtungen fand ich, außer in den CarnoY’schen Arbeiten, keineswegs die Bedeutung der Zellplatte und deren größere Rudimente im gegebenen Falle für die Theilung der Zelle genügend gewürdigt; sodann scheint man vielfach den FLEm- Mınaschen Körper, trotzdem man ihn als Zellplattenrudiment an- spricht, als etwas Besonderes, wenigstens als ein Gebilde anzu- sehen, das in gewisser Weise in konstanter Form auftritt. Die Frage nach der Art seiner Entstehung, seiner Morphologie, sowie, welchem Theil der ausgebildeten Zellplatte er entspricht, war bis jetzt über- dies sehr verschieden und nur sehr unvollkommen beantwortet wor- den. Ich hoffe in den folgenden Blättern einen Beitrag zur Klärung dieses Gegenstandes gegeben zu haben; wenngleich mir mancher Punkt dunkel geblieben ist und ich auch bezüglich der Erklärungs- versuche eine gewisse Nachsicht erbitten möchte. An dieser Stelle möchte ich es nicht unterlassen, meinem ver- ehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. KORSCHELT, meinen herzlich- sten, aufrichtigsten Dank auszusprechen für die Liebenswürdigkeit, mit der er überall, wo er konnte, meine Arbeit förderte, mir jeder- i zeit seinen guten Rath angedeihen ließ und mir bereitwillig verschie- denes selbst konservirtes Material opferte. Methoden. Zur Konservirung der Hydroiden, sowie der Knochenfisch- und Limaxembryonen wurden verschiedene Methoden, angewandt. Am günstigsten erwies sich für meine Zwecke die FLEmminG’sche und Hermann’sche Lösung, so dass ich meine Untersuchungen auch nur an solchen Objekten vornahm, die in diesen emischen fixirt wor- Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 381 den waren. Von Hydroiden konservirte ich Obelia gelatinosa, Aglao- phenia pluma, Plumularia pinnata, Eudendrium ramosum, Campa- nularia volubilis, Sertularia und Podocoryne carnea. Außerdem suchte ich von Wirbellosen noch für meine Zwecke zu verwerthen: Die Tentakeln von Aequoria forskalea, junge Appendicularien, sowie Embryonen von Phallusia mammillata und Distaplia. Von allen die- sen zahlreichen Formen war allein Obelia für meine Zwecke einiger- maßen geeignet. Die Polypen letzterer saßen in großer Zahl auf einer Braun- alge (Fucus vesiculosus), von wo ich sie stets entnahm. Unmittelbar nachdem sie aus dem Boot ans Land geschafft worden waren, be- gann ich mit der Konservirung. Ich schnitt Ästehen der Polypen von 1—2 em Größe von den Algen ab und brachte dieselben hierauf möglichst schnell in die HEermAann’sche und FLemmin@’sche Lösung. Hierin blieben sie drei Stunden; dann wurden sie etwa für sechs Stunden in Meerwasser ausgewaschen, kamen hierauf für einige Zeit in Ag. dest. und wurden endlich langsam bis zu Alkohol von 95% gebracht. Da ich guten Erfolg mit den beiden erwähnten Konservirungen hatte, so wandte ich dieselben später auch für meine anderen Ob- jekte, Limax, Lachs und Forelle an. Bei Lachs und Forelle hatte ich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die jüngsten Stadien, die für meine Zwecke wohl am günstigsten gewesen wären, weil hier die Zellen erst wenige Theilungen durchgemacht haben und desshalb sehr groß sind, konnte ich nicht in gutem Erhaltungszu- stande bekommen, da sich die Eihüllen Anfangs sehr schwer abprä- pariren ließen, ohne dass man den Embryo zerstörte und diese Operation unbedingt von Nöthen ist, wenn die FLemminGg sche und HErMmAnN’sche Lösung genügend eindringen und das Gewebe gut fixi- ren soll. Erst später, kurz vor der Anlage der Augenflecke, gelang es mir, die Embryonen lebend aus den Eihüllen zu präpariren. Ich warf sie sofort, nachdem dies geschehen war, in die bereit gehaltene Lösung, wo sie jedoch erst nach einigen Augenblicken starben; dort blieben sie so lange, bis sie äußerlich schwarz geworden waren. Dies dauerte je nach dem Entwicklungsstadium, auf dem sie sich befanden, verschieden lang (drei bis sechs Stunden). Embryonen, die zwölf Stunden und länger in den Fixirungsflüssigkeiten gelegen hatten, schienen mir für meine Zwecke nicht mehr recht tauglich zu sein. Noch eine andere Methode gab mir günstige Resultate. Die- 25* 382 R. Wolfgang Hoffmann, selbe ist um so vortheilhafter, als sie weniger mühevoll und zeit- raubend ist, wie die erstere, wennschon hierbei auch mancher Embryo . zu Grunde geht. Die Eier wurden in zwei Theile geschnitten und zwar so, dass sich in dem kleineren Theil der Embryo befand. Diese Partie warf ich in die Lösung und schüttelte das Gefäß sofort mehrere Male tüchtig. Dies hatte den Zweck, den Dotter aus den Eihäuten mit dem Embryo herauszuschleudern. War ersterer ge- ronnen, so gelang dies freilich nicht mehr. Auch wenn der Embryo an der Schale haften blieb und nur der Dotter dieselbe verließ, gab es noch eine befriedigende Konservirung. Ich nahm für jeden Embryo ein einziges, kleines Reagensgläschen, um die Fixirungs- flüssigkeit nicht durch vielen geronnenen Dotter zu verschlechtern und brachte die Embryonen, sobald ich deren eine genügende Anzahl konservirt hatte, dann noch für einige Zeit in eine frische Lösung. Hierauf wurden sie seche Stunden lang in Aqua dest. ausgewa- schen und kamen nach allmählicher Erhärtung in Alkohol von 95%. Die Embryonen von Limax maximus verblieben dreiviertel bis eine Stunde lang in HErMANnN’scher Lösung. FLEMMIng’sche Lösung kam nicht zur Anwendung. Sie wurden dann 1!/),—2 Stunden in Aqua dest. ausgewaschen und hierauf langsam in Alkohol von Zur der Koncentration gehärtet. Nach vielem Probiren kam ich zu dem Schluss, dass für das Studium der Zellplatten und deren Rudimente die HEIDENHAIN sche Hämatoxylin-Eisenlackfärbung, sowie das FrLEmumin@esche Orange- verfahren die günstigsten Methoden seien. Im großen Ganzen möchte ich erstere noch dem letzteren vorziehen, da die Dreifachfärbung den Zellplattenrudimenten keineswegs eine besondere Tinktion ver- leiht, wie dies mehrfach angegeben wurde, und auch noch den Nachtheil hat, dass sie weniger sicher und bedeutend umständlicher ist, als das HEIDENHAIN' sche Verfahren. Für das Orangeverfahren hielt ich mich ganz an die Vorschrif- ten FLEmMInG’s. Nur fand ich es bei Limax vortheilhaft, die Prä- parate nie unter vier bis fünf Tagen in der Safraninlösung zu lassen. Die Färbungen mit der HEIDEnHAIN’schen Methode wurden derart vorgenommen, dass bei Limax die Objekte eine Stunde in dem schwefelsauren Eisenammonoxyd und zwei Stunden in dem wässeri- gen Hämatoxylin blieben. Die Schnitte von Obelia, so wie von Lachs und Forelle blieben zwei Stunden in der Eisen- und drei Stunden in der Hämatoxylinlösung. | Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 3833 Historischer Theil. Hinsichtlich des Historischen gebe ich zunächst einen Überblick desjenigen, was bis zu Carnoy’s Arbeit »La Oytodierese des Arthro- podes« im Jahre 1885 über das Vorkommen von Zellplatten in den thierischen Zellen bekannt war. STRASBURGER war es, der die Zellplatte bei Pflanzen, wenn auch nicht zum ersten Male beobachtete, so doch zuerst genauer studirte. Ihm müssen wir auch die Entdeckung der thierischen Zellplatte zu- schreiben. In seinem Werke »Über Zellbildung und Zelltheilung « (1875 erste Aufl.) finden wir bei der Beschreibung der Zelltheilung in den Knorpelzellen des Kalbohrs folgende Stelle: »Auch konnte ich in einigen Fällen deutlich zwischen den wei- ter aus einander gerückten Kernhälften feine Fäden ausgespannt sehen, ohne dass noch eine Spur von Theilung am Protoplasma der Zellen zu bemerken gewesen wäre. Im Ädquator der Fäden und im Sanzen Umfang derselben bis an die Mutterzellwand reichend, wurde dann eine Trennungsschicht sichtbar, jedenfalls den Anfang der Zellplatte andeutend.« Nach dieser Entdeckung wurden in rascher Folge von zahl- reichen Forschern bei thierischen Objekten gelegentlich Zellplatten beobachtet. Noch im selben Jahre (Nov. 1875) sah Bürscauı Zell- platten bei Hirudineen, Infusorien und einer Schnecke und erklärte dieselben sofort für Homologa der pflanzlichen Zellplatten. Später beobachteten solche Gebilde: BALBIanı bei einer Orthopterenlarve, MAyzeL (1876—77) in der Hornhaut vom Frosch, bei Triton, Kaninchen, verschiedenen Vogelembryonen, sowie in der Epidermis und in Cancroiden des Menschen. E. van BENEDEN (1876) bei Di- - -eyemiden; einige Jahre danach bei sich furchenden Ascariseiern. SCHLEICHER in mehr oder weniger typischer Ausbildung in Knorpel- zellen. 1879 berichtete MARK in einer vorläufigen Notiz bezügl. seiner Untersuchungen über die Richtungskörperbildung bei Limax agrestis von einer Art Zellplatte, die bei der Abschnürung der Richtungskörper, sowie in der Spindel des befruchteten Eies auf- treten sollte. Trotzdem finde jedoch die Theilung mit Hilfe einer Ein- schnürung statt. In einer Arbeit vom Jahre 1880 erwähnt FLEMMING, er habe in Tochterplattenstadien von Salamanderhodenzellen äqua- toriale Differenzirungen angetroffen, die »offenbar STRASBURGER’S Zell- plattenelementen« entsprächen (p. 173). Sodann wurden zellplatten- 384 R. Wolfgang Hoffmann, ähnliche Gebilde noch beschrieben von R. HERTWIG bei »Spirochona semmipara« (1877), von A. GRUBER bei Actinosphaerium (1882). ÜARNOY war es nun, der zuerst die thierische Zellplatte, und zwar bei Arthropoden, näher untersuchte. Er fand Rudimente der- selben bei diesen Thieren allgemein verbreitet, jedoch in so außer- ordentlich variabler Form, dass ihre mehr oder minder vollkommene Ausbildung ganz dem Zufall anheimgegeben schien. Die thierische Zellplatte hat nach CArnoy, wie die pflanzliche, eine zweifache Konstitution. Sie setzt sich zusammen aus der Cytoplasmaplatte (plaque cytoplasmatique) und der Spindelplatte (plaque fusoriale). Letztere scheint aus äquatorialen Anschwellungen der Verbindungs- fäden hervorzugehen. Wie diese Verdickungen indessen zu Stande kommen, darüber ist sich CArnoy nicht klar. Er ist geneigt mit STRASBURGER anzunehmen, dass die Verbindungsfasern hohle mit einer Substanz erfüllte Schläuche repräsentiren, deren Inhalt kurz vor der Zelltheilung nach dem Äquator der Fäden wandert, um sich dort in kleinen, runden Aussackungen anzusammeln. Diese Knöt- chen können so lange anwachsen, bis sie schließlich mit einander verschmelzen und eine geschlossene Zellplatte bilden. Meistens blei- ben sie jedoch unverbunden. Weit seltener als die Spindelplatte ist die Cytoplasmaplatte. Während erstere oft allein das Rudiment der Zellplatte ausmacht, ist letztere (bei den Arthropoden) unbedingt an das Vorhandensein einer Spindelplatte gebunden. Nur ausnahms- weise ist die Cytoplasmaplatte vollständig. In den meisten Fällen erstreckt sie sich nur bis zu einer sehr geringen Entfernung von der Spindelplatte in das Protoplasma; auch ist sie sehr delikater Natur. Der geringste Druck, die Zufügung eines Reagens, um sie zu fixiren, kann sie in ihre Elemente auflösen. Ihr Wachsthum erfolgt von der Spindel aus nach der Membran zu. Niemals sah Carnoy Cytoplasma- platten, die von der Zellmembran aus nach der Spindel zu wuchsen!'. Nicht selten zeigt die Cytoplasmaplatte, wenn sie ganz zur Aus- bildung kommt, ein merkwürdiges Verhalten: In verschiedener Ent- fernung von der Mutterzellmembran kann sie sich nämlich theilweise oder in ihrem ganzen Umkreise gabeln, so dass ein Ring abgegrenzt wird, der sich an seinem Innenrande keilförmig zuschärft und die Mutterzelle äquatorial umschließt (Textfig. 1). ! Dies gilt indessen nur für die Zellplatten der Arthropoden; die Zell- plattenbildung bei sich furchenden Ascariseiern soll nach CARNOY stets von der Muttermembran aus beginnen. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 385 Der vom Ringe abgegrenzte Cytoplasmatheil fällt nun allmählich der Degeneration anheim. Die Elemente der Zellplatte verschmelzen mit einander, um schließlich im günstigsten Falle in eine Membran überzugehen. Dann reißt für gewöhnlich die äußere Wand des ring- förmigen Ausschnitts ein. Hierdurch wird für den oberflächlichen Besehauer eine Zelltheilung durch Einschnürung vorgetäuscht, indem die Tochterzellen nur noch für ein kurzes Stück mit einander in Berührung stehen, peripher jedoch weit aus einander klaffen. Wie bei manchen Pilan- zenzellen konnte ÜARNOY auch bei den Arthropoden- zellen Fälle beobachten, wo Zellplatten zwar angelegt, jedoch nieht verwerthet wer- den. Dies geschieht nament- lieh dann, wenn nach Bildung des Diasters ein zu starkes Auswachsen der Verbin- dungsfäden erfolgt, so dass sich die Theilungsfigur im weiten Bogen durch die ganze Zelle erstreckt. Im Textfig. 1 (nach CArnoy). extremen Falle nähern sich hierbei die Tochterplatten bis beinahe zur Berührung. In der äquatorialen Zone der Fasern kann dann wohl eine Spindelplatte angelegt werden; — vielleicht sogar eine Cytoplasmaplatte — doch kommt es weder zu einer Verwerthung derselben, noch zu einer Zelltheilung. Auf diese Weise entstehen mehrkernige Zellen. Die Platte selbst kann noch einige Zeit, nachdem die Kerne bereits in das Ruhestadium zurückgekehrt sind, sichtbar sein; schließlich wird sie jedoch von dem Protoplasma resorbirt. Anderenfalls wieder kann eine Zellplatte zwar normal angelest werden, ohne dass sie jedoch bei der Theilung des Zellleibes eine Rolle spielt. Verläuft die Theilung als scharfe Furche, so werden hierbei die Elemente der Zellplatte aus einander gerissen und der Resorption anheimgegeben; ist hingegen die Einschnürung flach, so dass schließlich die Tochter- zellen nur noch durch einen schlanken Faden mit einander in Ver- bindung stehen, so verringert sich die Zellplatte progressiv mit der Verschmälerung der protoplasmatischen Verbindungsbrücke. Kr Ei 02 Sr Sa ler a = 386 R. Wolfgang Hoffmann, Nach den Untersuchungen CArnoyY’s lassen sich in den Hoden- zellen der Arthropoden drei Theilungsmoden feststellen: 1) Theilungen durch einfache Einschnürungen. 2) Theilungen durch Kombination einer Einschnürung mit einer rudimentären Zellplatte. 3) Theilungen mit alleiniger Hilfe einer Zellplatte. Die Trennung zweier Tochterzellen von einander erfolgt durch Spaltung der Zellplatten oder der aus ihnen hervorgegangenen Mem- branen. In einer neueren Arbeit (1888) hat CArnoY nachgewiesen, dass sich auch Nematodeneier und zwar ausschließlich mit Hilfe einer Zellplatte theilen. Hierbei soll, wie bei Spirogyra, die Plattenbildung von beiden Seiten der Muttermembran aus erfolgen. Eine eigent- liche Spindelplatte ist nicht vorhanden. (Neuerdings ist sie in Ge- stalt eines FLemmin@’schen Körpers, der indessen später auftritt, als die Cytoplasmaplatte, nachgewiesen worden.) Zellplatten oder Zellplattenrudimente sind seit jener Zeit noch oft aufgefunden worden. So beobachtete BLOCHMANN solche bei Formica fusca, GEBERG in der Substantia propria der Tritonhornhaut; SOLGER im Amnion der Ratte; HEenkInG in Pyrrhocoris apterus. VAN DER STRICHT fand in der embryonalen Leber von Säugethieren Zelltheilungen durch Bildung einer Zellplatte und nachträgliches Spalten derselben; jedoch auch Theilungen durch Einschnürung. — Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, alle jene Arbeiten aufzuzählen, in welchen beiläufig gesehene Zellplattenrudimente flüchtig erwähnt werden. Das lässt sich indessen schon jetzt sagen, dass sie eine weite Verbreitung besitzen; wahrscheinlich giebt es keine Thierklasse, in welcher sie nicht wenigstens bei einigen Ver- tretern vorkommen. Treten sie gelegentlich vollständig und typisch auf, wie bei den Arthropodenzellen (CArnoy), so kann kein Zweifel darüber obwalten, welche Bedeutung sie für die Zellen haben; sie repräsentiren sodann vollständige Homologa der pflanzlichen Zell- platten. Anders ist es bei den rudimentären Zellplatten. | In letzterer Zeit hat man jenen Gebilden größere Aufmerksam- keit geschenkt. Die Veranlassung hierzu gaben namentlich die Untersuchungen FLEMMING’s über den sogenannten »Zwischenkörper« in Salamanderzellen. In den späteren Dispiremstadien, zur Zeit, wo sich die Tochterzellen eben von einander abgeschnürt hatten, sah ‚dieser Forscher an der Trennungsstelle einen feinen scharf gefärbten Körper von walzenförmiger oder runder Gestalt. Einmal schien sich Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 337 der Körper getheilt zu haben. Auch nach der Zelltrennung und dann, wenn die Kerne sich schon im Ruhestadium befanden, war er vielfach noch zu sehen. Jederzeit schien er in enger Beziehung zu den Verbindungsfäden zu stehen. Letztere vereinigten sich in ihm und bildeten so zwei Strahlenkegel mit sich berührenden Spitzen. Im Laufe der späteren Phasen verkleinerten sich die Doppelkonen allmählich immer mehr, und zwar derart, dass die dem Zwischen- körper zunächst gelegenen Theile am längsten persistirten. Die Zwischenkörper schienen aus kleinen Körnchen hervorzugehen, die in den blassen Verbindungsfasern während der Dispiremphase auf- traten. FLEuMINnG glaubt, dass die Zwischenkörper »in irgend welcher Weise Homologa der pflanzlichen Zellplatte sind«. Noch vor FLEMMINnG hatte PRENANT gefunden, dass der Zwischen- körper auch in den Zellen wirbelloser Thiere vorkommt. Er beschieb ihn für Seolopendra und Lithobius als ein stets zweitheiliges Ge- bilde. Am häufigsten soll er zwischen Tochterzellen im Ruhezustande — niemals im Diasterstadium — zu finden sein. (Im Gegensatz zu GEBER@’s Untersuchungen an Tritonzellen.) Die Zwischenkörperchen entstehen nach der Ansicht PREnANTs durch Koncentration der auf den Verbindungsfäden ausgestreuten Chromatinstückchen (die Ver- bindungsfäden haben nach seiner Ansicht ebenfalls nucleären Ur- sprung). Endlich hat er mehrere Male »accessorische Zwischen- körper« und »Hauptzwischenkörper« ganz nahe am Kern der einen Tochterzelle gesehen. Die Beobachtungen PREnANT's führen uns zu den Untersuchungen v. KostAnEckrts hinüber. | Dieser Forscher fand Zwischenkörper in den Embryonalzellen mehrerer Säuger, sowie einer großen Anzahl anderer Wirbelthiere. Stets sah er, dass die Verbindungsfäden im Diasterstadium jederseits vier bis fünf oder auch sechs umfangreichere Körperchen aufwiesen, daneben aber immer noch eine größere Anzahl kleinerer Körnchen zeigten. Manchmal waren auch nur kleine Körnchen auf den Fibrillen zu sehen. Die beschriebenen Gebilde rückten nach dem Aquator der Theilungsfigur und ordneten sieh dort zu einer Platte an, worauf die Einschnürung des Zellleibes erfolgte. Sobald dieselbe bis zur Centralspindel fortgeschritten war, wurden die peripher gelegenen Fibrillen zerschnitten. Die Körperehen begaben sich dann mit den verkürzten Fasern wiederum polwärts. Die Mehrzahl der Fasern wurden jedoch bei weitergehender Einschnürung mit den darin an- gesammelten Körperchen zusammengedrängt, wodurch dieselben zur 338 R. Wolfgang Hoffmann, Verschmelzung kamen und ein bis zwei Zwischenkörperchen bildeten. Diese theilten sich so, dass je ein Stück die Spitze eines der beiden ‚'Faserkegel bildete, welche letztere alsdann durch Kontraktion ihrer Elemente polwärts geführt wurden. v. KosTAnEckt erblickt in diesen Vorgängen »eine Einrichtung, die Substanz der Centralspindelfasern wieder an jenen Ort gelangen zu lassen, aus dem sie unzweifelhaft stammen, nämlich an die am Polfelde angesammelte Substanz des Archoplasmas«. Auch vow Kostaneckı hält den Fremuine’schen Körper für ein Zellplattenrudiment, das jedoch im Laufe der Zeit einen Funk- tionswechsel erlitten hat. Er vermuthet überdies, dass in den Pflanzen- zellen zwei neben einander herlaufende Processe zu einem einzigen zusammengefasst sind, nämlich eine äquatoriale Differenzirung der Centralspindelfasern zum Zwecke ihrer Halbirung und eine eigent- liche Zellplattenbildung zur Herstellung einer Scheidewand. Der letztere Modus trete nun bei den thierischen Zellen gar nicht auf, wodurch der erstere um so unverhüllter zum Vorschein komme. Lustig und GALEOTTI, die den Zwischenkörper an einem Ob- jekte studirten, das auch von KoSTANEcKI vorlag, — nämlich an menschlichen Careinomen — kommen zu wesentlich anderen Resul- taten. Sie finden, dass die Verbindungsfäden im Diaster und Di- spirem eine zweifache Konstitution aufweisen, sich aus den eigent- lichen Centralspindelfasern und einer dieselben umgebenden Schicht typisch mikrosomaler Fibrillen, den Mantelfasern, zusammensetzen. Letztere sollen sich später in der Mitte erst spindelförmig, dann knötchenförmig verdicken und hierdurch einen Ring bilden, der sich äquatorial um die nicht differenzirten Verbindungsfasern legt. Nun steht nach FLemmine der Zwischenkörper immer in un- lässlicher Verbindung mit der Centralspindel. LustiG und GALEOTTI glauben indessen, dass der Zwischenkörper nichts mit der Central- spindel zu thun hat, sondern einzig und allein aus Differenzirungen der Mantelfasern herstammt. Ferner stehe das Zwischenkörperchen in keinerlei Beziehung zu der Einschnürung der Centralspindel, welche letztere schon vorhanden sei, noch ehe sich von ersterem eine Spur nachweisen lasse. Diesen Angaben stehen wiederum die Untersuchungen PRENANT'S entgegen, der in seiner Arbeit »Sur le corpuscule central« zu folgen- dem Schlusse kommt: »Je pense que le corps intermediaire de FLEMMING represente dans la plaque cellulaire plus specialement cette partie que CARNOY Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. . 389 a nommee plaque fusoriale, et. qui est constituee sur le trajet du fuseau ou de son vestige.< BexpA endlich fand den Zwischenkörper bei den Spermatocyten des Salamanderhodens in Gestalt eines Ringes; eben so METZNER. HEIDENHAIN stimmt ihnen bei; er glaubt, dass der FLEMUINg’sche Körper sich aus zwei Theilen zusammensetzt, dem eigentlichen ring- förmigen Körper und dem Stück der Centralspindel, das er um- schließt. Auf die Frage, woher dieser Ring stammt, weiß er in- dessen keine Antwort zu geben. Bevor ich auf meine eigenen Untersuchungen an der thierischen Zelle eingehe, bedarf es einer kurzen Erläuterung, wie sich die Dinge bei den Pflanzenzellen verhalten. Ich werde mich hierbei an die Arbeiten STRASBURGER’s halten, der ja zuerst die morphologische und funktionelle Bedeutung der pflanzlichen Zellplatten näher unter- sucht hat. Zellplattenbildung bei Pflanzen. Als verbreitetster Theilungsmodus der pflanzlichen Zellen ist wohl derjenige zu betrachten, der mit Zuhilfenahme einer zwischen den Kernen sich bilden- den Scheidewand von statten geht. Nachdem die Toch- terplatten aus einander gewichen sind, bleiben nur noch die primären Verbindungsfäden zurück. Dieselben beginnen nun bedeutend in die Länge zu wachsen. Zu gleicher Zeit dringt Cytoplasma von außen herein und liefert so das Material zu sekundären Verbindungs- fäden. Beim Auseinander- weichen der Tochterplat- ten waren die tingirbaren Bestandtheile des Kern- Saftes, die vordem die 5 ganze Spindel erfüllten, Textfig. 3 (nach STRASBURGER). 390 R. Wolfgang Hoffmann, von ersteren polwärts gedrängt worden (Textfig. 2 und 3); sie wan- dern nun wieder nach dem Äquator der Mutterzelle und vertheilen sich dort auf eine schmale Zone. An ihr Erscheinen ist das Auf- treten von knötchenartigen Differenzirungen (Dermatosomen) im Äquator der Verbindungsfasern gebunden '. Der ganze Komplex der Fäden wölbt sich nun in der Mitte vor, und zieht sich hierauf, nachdem die sekundären Verbindungsfäden die Dieke der primären erreicht haben, von den Tochterkernen zurück. Der hierdurch entstandene Zwischenraum wird mit körnigem Cyto- plasma angefüllt. Gleichzeitig werden am Rande des Komplexes neue Verbindungsfäden angelegt, die durch lokale Anschwellung so- fort zum Wachsthum der Zellplatte beitragen. Dieser Process dauert so lange, bis die Muttermembran erreicht ist. Die Dermatosomen wachsen hierauf in die Dicke, bis sie sich berühren und mit einan- der verschmelzen können. Im Augenblick ihres Auftretens verhalten sie sich gegen Reagentien genau wie die Verbindungsfäden. Später wächst ihr Lichtbreehungsvermögen; sie erleiden dann, wahrschein- lieh durch Imbibition mit Substanzen des Kernsaftes, eine bedeutende chemische Umwandlung. In den meisten Fällen besitzen die Dermatosomen nur ge- ringe Dimensionen. Ist je- doch der Abstand zwischen den Fibrillen ein beträcht- licher, so können sie einen nicht unbedeutenden Umfang erhalten. Derselbe Fall kann jedoch auch bei dichter An- e ordnung der Verbindungs- Textfig. 4 (nach StRASBURGER). fäden eintreten (z. B. häufig in der Endospermanlage von Allium odorum). Aus der direkten Beobachtung ergiebt sich, dass die Scheidewand durch Verschmelzung der Dermatosomen mit ein- ander zu Stande kommt und nicht etwa im Inneren der Zellplatte nach Spaltung derselben ausgebildet wird (Textfig. 4). I STRASBURGER erwähnt ausdrücklich (Kern und Zelltheilung 1888), dass nicht der geringste Zweifel darüber obwaltet, dass man es hierbei mit äqua- torialen Anschwellungen der Verbindungsfäden, nicht etwa mit zwischenge- lagerten Körnchen zu thun hat. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 391 Die Membranen der Hydroiden. Sehen wir uns im Thierreich nach Zellen um, deren Membranen einen Vergleich mit denjenigen der Pflanzenzellen aushalten können, so sind es vor Allem die Hydroiden, die sich durch die Dieke und Starrheit ihrer Zellwände auszeichnen. Ganz besonders auffallend verhalten sich in dieser Beziehung die Entodermzellen ihrer Ten- takeln. Wir haben es hier keineswegs mit einfachen Umhüllungsschich- ten zu thun, die sich von dem eigentlichen Zellleibe als dunkler sefärbte Linien abheben, sondern mit typischen membranösen Wänden, deren pergament- artiges Aussehen auf eine hohe Resistenz und Elastieität schließen lässt. In Fig. 2a u. 25 (Taf. XX) gebe ich das Bild einiger Ten- takelentodermzellen einer craspedoten Meduse (Obelia) und zum Vergleiche nebenstehend (Textfig. 5) die Abbildung einiger Pflanzen- zellen. Die Ähnlichkeit beider tritt klar vor Augen. Fig. 3 stellt einen Schnitt quer zur Längsrichtung der Magenentodermzellen eines Polypen von Obelia gelatinosa dar. Sie sehen zum Verwechseln pflanzlichen Parenchym- zellen ähnlich. Der regelmäßige, im Durch- schnitt polygonale Bau, die Vacuolisirung, die feste Membran, (die hier indessen doch nicht die Dieke der Tenta- kelentodermzellen erreicht) — dies Alles bildet ja Momente, die der Pflanzenzelle ihr typisches Gepräge verleihen. Der Gedanke, jene thierischen Zellmembranen könnten vielleicht auf dieselbe Weise entstehen, wie es im Allgemeinen bei den Pflanzenzellen der Fall ist, d. h. durch Präformation von Zellplatten, lag desshalb sehr nahe. Die Größe der Zellen, namentlich der Tentakelentoderm- ' zellen, schien überdies das Studium ihrer Entwicklung sehr zu be- günstigen. Leider stellte sich nachträglich heraus, dass die obige Vermuthung eine irrige war. Zunächst sind die Entodermzellen der Tentakeln im Stadium, wo sie sich zu differenziren beginnen, so klein als alle übrigen Zel- len. (Wie schon oben erwähnt wurde, zeichnen sich die Zellen der Hydroidpolypen embryonal durch besondere Kleinheit aus.) Ihre spätere bedeutende Größe ist, wie wir gleich hören werden, das Textfig. 5 (nach Sachs). 392 R. Wolfgang Hoffmann, Resultat innerer Umwandlungsprocesse. Die Tentakelentodermzellen lassen sich sehr leicht als solche erkennen, da sie ja im Schnitte beiderseits von der Stützlamelle begrenzt werden und ganz bedeu- tend die sie umhüllenden Ektodermzellen an Größe übertreffen (Fig. 26 Taf. XX). Ausgewachsen haben sie die Form einer Tonne mit schwach gewölbten Seitenwänden und geringer relativer Höhe. Der Querschnitt stellt demnach einen Kreis dar. Auf einem Längsschnitt bildet der gewölbte Theil der Membran mit der Stützlamelle ein Ar- kadensystem (Fig 26), wodurch stets zwischen den gemeinschaftlichen Wänden zweier benachbarter Zellen und der Stützlamelle ein im Schnitt dreieckiger Zwickel abgegrenzt wird. In ihrer frühesten Anlage zeigen diese Zellen noch keinerlei regelmäßige Anordnung. Erst nach und nach nehmen sie eine be- stimmte Lage an; indem sie sich beiderseits keilförmig in einander schieben, ähnlich wie dies von den Zellen der Tunicatenchorda be- schrieben wurde (KraArtsch). Bei dem Einschiebungsakt spitzen sie sich nach innen zu. Dessgleichen nehmen auch die Kerne, die zuerst eine runde Gestalt besaßen, etwa wie ich sie in den Entodermzellen der Magenhöhle Fig. 3 gezeichnet habe, eine mehr längliche an einem Ende sich verjüngende Form an. Konnte man bis dahin nach außen eine Zellgrenze deutlich unterscheiden, wie dies ja bei allen embryo- nalen Zellen der Fall ist, so verschmelzen nun die einzelnen Zellen dermaßen mit einander, dass man nur noch an der Lage der Kerne ihre Anordnung erkennen kann. Letztere rücken jetzt etwa in die Mitte des Zelllumens und man sieht deutlich, wie sich rings um sie eine Sekretvacuole ausscheidet. Dieser Process kann schon anfangen ehe die Entodermzellen ihre definitive lineare Anordnung angenom- men haben. Zunächst bildet sich um den Kern eine Sekretvaeuole aus, die ihn Anfangs in Gestalt eines feinen koncentrisch zu ihm verlaufenden Spaltes im Protoplasma umgiebt. Dieser helle Hof ver- größert sich immer mehr und drängt das Protoplasma nach außen (Fig. 1, Taf. XX). Dort wo sich die Vacuolen zweier Zellen am nächsten kommen, werden sie oft nur durch eine ganz dünne Pro- toplasmalamelle von einander geschieden, oder sie berühren sich sogar direkt und werden nur durch die beiderseitige Oberflächen- spannung am Zusammenfließen verhindert. Durch allmähliche Er- härtung dieser Grenzlamellen kommt wohl die erste Anlage der zemeinschaftlichen seitlichen Membranen zu Stande. Immer weiter wird nun das Protoplasma nach der Stützlamelle hingedrängt, da jedoch der Turgor der Vacuole nicht gleichmäßig wirkt, vielleicht Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 393 auch, weil das Protoplasma nieht überall dieselbe Dichte besitzt, weicht letzteres oft der andringenden Sekretvacuole seitlich aus und begiebt sich wieder mehr der Mitte zu in die Nähe des Kerns. Im ausgewachsenen Zustande der Zelle findet sich das Protoplasma ent- weder nur in Gestalt eines flachen Überzugs an einer oder an beiden lateralen Wänden angelagert, oder es verbindet als schmale Brücke die beiden Trennungsmembranen mit einander (Fig. 2°). Stets findet man den Kern, der nun wieder eine runde Gestalt angenommen hat, in einer größeren Protoplasmaansammlung. Die sekundäre Membran der Tentakelentodermzellen kommt also augenscheinlich dadurch zu Stande, dass die feine Protoplasmalamelle, welche einerseits zwischen zwei Vacuolen, andererseits zwischen Stützlamelle und Vacuole eingegrenzt ist, allmählich erhärtet. Das spätere Dickenwachsthum erfolgt dann durch Ablagerung von aus der Vacuole ausgeschiedenen Substanzen an die primäre Membran. Das übrige Protoplasma hat von nun an an der Bildung der Mem- bran wenig oder gar keinen Antheil mehr. Stets kann man dort, wo ein protoplasmatischer Beleg vorhanden ist, deutlich die Grenze beider Materien erkennen. Schon in frühen Stadien scheint sich das Protoplasma sehr vermindert zu haben. Das beruht jedoch zum sroßen Theil auf Täuschung; man berücksichtigt hierbei nicht, dass die Zellen durch die Vacuolisirung zu außerordentlicher Größe an- geschwollen sind, ohne dass sich das Protoplasma im Verhältnis der Volumzunahme der Zelle vermehrt hat. Eine geringe Verminde- _ rung des Protoplasmas mag: indessen schon früh eintreten. Bei ganz ‚alten Zellen lässt sich mit Bestimmtheit eine Verringerung des- selben konstatiren. Solche Zellen sind nur von ganz dünnen Proto- plasmasträngen durchzogen, der Kern hat ebenfalls an Volumen eingebüßt und ist dann fast immer wandständig. Die dieken Mem- branen sind stark lichtbrechend; sie haben alle ein zerknittertes Aussehen. Die gemeinschaftlichen Zellwände sind ganz dicht auf einander gerückt, so dass die Zellen eine scheibenartige Anordnung erhalten. Fragen wir uns nach der funktionellen Bedeutung dieser Mem- branen, die im ganzen Entoderm der Hydroiden auftreten, jedoch in den Tentakeln am typischsten zur Ausbildung kommen, so scheinen ihnen namentlich zwei Aufgaben zuzukommen: Sie sollen dem Kör- per des Thieres eine Art Stütze und Festigkeit verleihen, sodann aber vor Allem seine Elastieität bedeutend erhöhen. Dass nament- lich Letzteres ganz hervorragend der Fall ist, leuchtet Jedem sofort 394 R. Wolfgang Hoffmann, ein, der je die schlangenartigen geschmeidigen Bewegungen der Tentakeln eines Hydroiden beobachtet hat. Man kann die Entodermzellenreihe der Hydroidententakei, wie e8 KORSCHELT treffend thut, mit der Chorda des Amphioxus ver- gleichen. Auch hier sind es ja außer den verschiedenen Scheiden, durch Vaeuolisirung der Zellen gebildete Membranen, die diesem Gebilde seine hohe Elastieität und Festigkeit verleihen. Zellplatten bei den Hydroiden. Bevor ich zu den eigentlichen Untersuchungen übergehe, möchte ich noch einige Worte vorausschicken. Ich habe schon oben er- wähnt, dass sich die Zellen der Hydroiden durch besondere Klein- heit auszeichnen. Sie bilden desshalb gerade kein günstiges Objekt für die folgenden Untersuchungen. Auch sind die Entodermzellen in Stadien, wo sie sich noch in lebhafter Theilung befinden, nicht größer als die Ektodermzellen. Ihre spätere mächtige Ausdehnung erfolgt erst dann, nachdem Theilungen nicht mehr vorkommen, durch Vaecuolisirung. Als äußerste Grenze muss für sie der Zeitpunkt an- senommen werden, wo sich der Kern gerade mit einem schmalen Sekrethof umgiebt. — In diesem Stadium habe ich ausnahmsweise noch Theilungen angetroffen. — Etwa noch vor einem Stadium, wie es in Fig. 1 abgebildet wurde. Nachdem ich gefunden hatte, dass kurz vor oder nach dem Beginn der Vacuolisirung die Grenzschicht der Entodermzellen ver- schwindet, erwartete ich nicht mehr, dass ein so vergängliches Ge- bilde stets mit Hilfe einer vollständigen Zellplatte zu Stande käme. Ich hatte mich nicht getäuscht. Wie meine späteren Untersuchungen ergaben, kann zwar eine Zellplattenbildung auch in den Tentakel- entodermzellen stattfinden, und zwar in allen Abstufungen, wie wir noch hören werden, eine konstante Bildung jener Zellen ist sie jedoch - nicht. Zellplatten und deren Rudimente sind bei Obelia durch das sanze Thier, sowohl im Ektoderm als auch im Entoderm verbreitet. Von einem regelmäßigen, vielleicht an ein bestimmtes Gewebe ge- bundenes Auftreten derselben kann keine Rede sein. Das Einzige, - was sich diesbezüglich ermitteln ließ, war die Thatsache, dass im Ektoderm häufiger kleinere Zellplattenrudimente auftreten als im Entoderm. Wie wir später noch sehen werden, lässt sich diese Thatsache durch die Lagerungsbeziehungen der einzelnen Zellen zu einander sehr gut erklären. Zunächst muss ich den Befunden Carnor's beistimmen, dass in Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 395 ein und demselben Gewebe Zellplatten in allen nur denkbaren Ab- stufungen zur Ausbildung kommen können. So klein die Zellen der Obelia sind, so deutlich treten hier indessen die Theilungsfiguren auf. Dort, wo die Zellplatte ganz zur Ausbildung kommt, lässt sich mit Sicherheit ihre zweifache Konstitution nachweisen. Fig. 4, Taf. XX siebt ein schönes Bild einer vollkommenen Zellplatte. Klar und deutlich verläuft inmitten der wohlausgebildeten Figur die Spindel- platte, die sich nach beiden Seiten in das Cytoplasma fortsetzt. Der Rand der Mutterzelle zeigt nicht die Spur einer Einschnürung (der wahrscheinlich durch das Mikrotommesser verursachte Spalt tbut der Klarheit des Bildes keinen Eintrag). Da wir es hier schon mit einem späten Diasterstadium zu thun haben, so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass die Zelltheilung jedenfalls mit Hilfe der Zellplatte zu Stande gekommen wäre. Über die Natur der einzelnen Zell- plattenelemente lässt sich leider wegen ihrer Kleinheit bei den Hydroiden nichts Näheres bestimmen; indessen kann man deutlich erkennen, dass die Elemente der Spindelplatte größer sind als die- jenigen der Cytoplasmaplatte. Dasselbe lässt sich von Fig. 5 sagen. Die Spindel nimmt hier fast den ganzen Zellraum ein. Die Centro- some, die sich bei allen Obeliazellen deutlich färben, liegen ganz am Rande der Zelle. Die Cytoplasmaplatte ist nur klein, weil eben kein Platz für sie übrig bleibt. Obgleich wir es nicht mit einem so alten Stadium wie in Fig. 4 zu thun haben, ist auch hier eine Thei- lung vermittels der Zellplatte vorauszusehen. Solehe vollständig ausgebildeten Zellplatten kommen indessen relativ selten vor. Das Gegentheil hiervon, d. h. Bilder, wo auch nicht die Spur einer Zellplatte vorhanden ist, lässt sich jedoch auch nicht allzuhäufig finden; am gewöhnlichsten sind Rudimente von einer Form wie in Fig. 9. Die Zeit für das Auftreten der ersten Spur einer Zellplatte lässt sich nicht genau bestimmen. Zellplatten oder Rudimente derselben zeigen sich schon während des Verlaufs der ganzen Diasterphase. Am frühesten kommt von der Zellplatte die Spindelplatte zur Anlage. Oft sind die Tochterplatten kaum aus einander gewichen und schon zeigen sich zwischen ihnen die charakteristischen Verdickungen. Ein gutes Beispiel hierfür bietet Fig. 6 Taf. XX. Hier bilden in- dessen die einzelnen Elemente der Spindelplatte, die in diesem Falle ‚besonders groß sind, noch keine kontinuirliche Reihe. Deutlich lassen sich zwischen den dunkel gefärbten Elementen derselben einzelne Lückenräume erkennen. Dieses Bild erlaubt uns zugleich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 26 396 R. Wolfgang Hoffmann, einen Einblick in die Entstehungsweise der Cytoplasmaplatte. Wir sehen an dem der Muttermembran nächst gelegenen Theil der Spindel, als Fortsetzung der Spindelplatte, einige Körnchen liegen, während die andere Seite noch völlig frei davon ist. Dieselben repräsentiren die erste Anlage der Cytoplasmaplatte. Noch deutlicher ist dies in Fig. 7 zu sehen. Auch hier zeigt sich erst an der einen Seite eine Körnchenreihe. Wir werden dabei an die Theilung mancher Pflanzen- zellen erinnert, wo erst auf der einen Seite eine Ergänzungsplatte durch Vorbuchtung des Verbindungsfadenkomplexes zu Stande kommt, wonach sich dann die Fibrillen dort zurückziehen und ihre Materie zur Ausbauchung und Bildung der zweiten Plattenhälfte auf der anderen Seite hergeben. Indessen entsteht hier die Cytoplasmaplatte (resp. Ergänzungsplatte) aus äquatorialen Verdiekungen von Fibrillen, was sich in unserem Falle nicht nachweisen lässt. Bilder, wie sie die Fig. 6 und 7 Tafel XX darstellen, sind durch- aus nicht selten. Niemals sah ich dagegen die Cytoplasmaplatte am Rand der Muttermembran beginnen. Immer war die Spindelplatte schon gebildet, ehe eine Spur der Uytoplasmaplatte auftrat. Stadien, wo nur die Spindelplatte angelegt ist, sind natürlich sehr häufig, da diese ja stets vor der Öytoplasmaplatte auftritt. Manchmal ist es nicht ganz leicht festzustellen, ob eine im Äqua- tor der Mutterzelle verlaufende Linie eine Zellplatte repräsentirt, oder ob dieselbe durch Aneinanderlagerung der Ränder zweier Schwesterzellen zu Stande kam. Oft erfolgt die Einschnürung einer Zelle, wie wir später sehen werden, in sehr spitzem Winkel und derart, dass sich die Theilungsränder sofort wieder berühren. Da hierbei zwei Grenzmembranen zu einer einzigen vereinigt scheinen, so hat letztere die doppelte Dicke der Membranen an anderen Stel- len der Schwesterzellen und ist desshalb um so augenfälliger. Ein solches Bild kann für den flüchtigen Beschauer leicht eine Zell- platte darstellen, an deren Enden eine Einschnürung ansetzt. Lässt sich freilich die körnige Natur einer derartigen Linie nachweisen, oder erstreckt sie sich bis zu einem uneingeschnürten Zellrande, so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass wir es mit einer echten Zellplatte bezw. einer aus ihr hervorgegangenen Membran zu thun haben. Im letzteren Falle handelte es sich dann um eine voll- ständige Zellplatte. Wie schon erwähnt, können Zellplatten in allen nur denkbaren Abstufungen angelegt werden. Bald besteht eine Zellplatte nur aus wenigen Körnchen; dann wieder erstreckt sie sich bis zur Mitte des Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 397 Raumes zwischen Spindel und Zellgrenze; oder sie kommt im gün- stigsten Fall vollständig zur Ausbildung. Wie weit ihr Längen- wachsthum fortschreiten kann, hängt sehr davon ab, wann am Rand an der Äquatorialzone eine Einschnürung auftritt. Geschieht dies, ehe sie merklich ausgewachsen ist, so hat sie wohl nicht Zeit zur bedeutenden Entfaltung zu kommen. Eben so wie die Cytoplasma- platte kann auch die Spindelplatte rudimentär sein. Auch hier haben wir alle nur denkbaren Übergänge von einem Rudiment, das nur aus einem bis zwei Körnchen besteht, bis zu einer vollständigen Spindelplatte, die sich durch den ganzen Faserkomplex erstreckt. Die eigentliche Spindelplatte entsteht, wie wir später noch sehen werden, aus den knötchenartigen Anschwellungen der Verbindungs- fäden. Indem sich erstere immer mehr verdicken bis sie sich be- rühren und sodann mit einander verschmelzen, entsteht eine feste Platte, aus welcher im günstigsten Falle eine Membran hervorgehen kann. In einem Spindelplattenrudiment haben entweder nur wenige Fäden äquatoriale Verdiekungen, oder der größte Theil derselben; dann jedoch von so geringen Dimensionen, dass sich die einzelnen Elemente niemals berühren und mit einander verschmelzen können, wofern sie nicht durch gewisse Umstände, die ich gleich erwähne, zusammengedrängt werden. Geschieht Letzteres, so ist in beiden Fällen der Effekt der, dass die Verbindungsfäden, oder ein Theil derselben, einen Doppelconus darstellen, dessen Spitze in das Plat- tenrudiment ausläuft. Wir haben es sodann mit einem FLEMMING- schen Körper zu thun. »Der FLemmin@’sche Körper ist sonach nichts weiter als eine sehr rudimentäre Spindelplatte.« Fig. 12 Taf. XX zeigt uns einen solchen Fremming’schen Zwischenkörper, der aus drei Körnern besteht. In Fig. 9 sind die einzelnen Elemente zu einem Ganzen verschmolzen, eben so in Fig. 13 und 14. Mag auch die Verschmelzung dieser Elemente manchmal durch Wachsthumsbewe- gungen der Spindel in der Diasterphase zu Stande kommen, so dass man in einer noch nicht, oder doch nur wenig eingeschnürten Zelle bereits die beiden charakteristischen Doppelkegel bemerkt, so findet doch die Vereinigung der Zellplattenelemente in weitaus den meisten Fällen auf ganz andere Weise statt. Erfolgt nach Anlage letzterer eine sich im scharfen Winkel vollziehende Einschnürung, so werden die Spindelfasern eine Zeit lang seitlich geschoben. Ihre äquatoria- len Ansehwellungen kommen hierdurch mit einander in Berührung und verschmelzen zu einem einheitlichen Gebilde. Ist die Einschnü- 26* 308 R. Wolfgang Hoffmann, rung einseitig, wie dies sehr oft der Fall ist, so wird manchmal die Spitze des Doppelkegels bis an die Mutterzellenmembran geführt. ‚Andernfalls wieder, wenn die Einschnürung rings um die Äquatorial- zone erfolgt, können die Verbindungsfäden von allen Seiten zusam- mengepresst und so zur Verschmelzung ihrer Elemente gebracht werden; dann bilden die beiden Achsen der Kegel annähernd eine Gerade (Fig. 9; auch Fig. 12 Taf. XX hätte bei weiterer Einschnü- rung ein solches Bild abgegeben). In Fig. 13 verläuft die Theilungs- furche rings um die ganze Mutterzelle. Man sieht, dass bereits die untere Einschnürung bis zur Spindel fortgeschritten war und letztere in der Richtung der Stützlamelle getrieben hatte, als die obere Ein- schnürung erst die Verbindungsfäden erreichte. Für das Auftreten des FLemmmg@’schen Zwischenkörpers gilt dasselbe, was ich bereits für die Spindelplatte erwähnt habe. So- bald die Tochterplatten einen größeren Raum zwischen sich lassen, erkennt man vielfach schon einzelne Körnchen, die dann stets im Äquator der Figur in eine Reihe angeordnet sind. Was nun die Entstehung der Spindelplatte bezw. des Fremmine’schen Körpers anbelangt, so glaube ich bestimmt, dass sie beide auf dieselbe Weise wie bei Limax, Lachs und Forelle zu Stande kommen; nämlich, wie ich schon erwähnte, durch Knötchenbildung der Verbindungsfäden im Äquator. Die Kleinheit der Objekte lässt hier keine nähere Unter- suchung zu. Bilder wie Fig. 12, Taf. XX sind indessen häufig. Wir sehen hier drei körnchenartige Gebilde, ein mittleres, dunkler gefärbtes und je zu beiden Seiten ein schwächer gefärbtes. Von .einem jeden dieser Körnchen geht ein Büschel Strahlen nach den beiden Tochter- platten. Das weist darauf hin, dass wahrscheinlich jedes derselben durch Verschmelzung mehrerer kleinerer Verdiekungen entstanden ist. Die Einschnürung ist von beiden Seiten erfolgt, aber noch nicht vollendet. Das Resultat derselben wäre, wie ich schon erwähnte, die Vereinigung der drei Körner zu einem Freumme’schen Körper ge- wesen — etwa wie in Fig. 9. Ich möchte an dieser Stelle noch nicht näher auf die Unter- suchung v. KoSTANEcKIS eingehen, der die Zwischenkörper aus Mikrosomen ableitet, die in der Diasterphase an den Centralspindel- fäden entlang wandern. Vorläufig verweise ich nur auf Fig. 15 zum Zeichen, dass auch mir solche Bilder begegnet sind. Ich bemerke indessen schon jetzt, dass ich einen mikrosomalen Bau der Verbin- dungsfäden als eine für die Bildung des FLEMmMINnG’schen Körper- chens gar nicht in Betracht kommende Erscheinung ansehe. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 399 Auf noch eine andere, als die eben geschilderte Weise kann ein Freuming’sches Körperchen (hier eigentlich ein Pseudo-FLEMMING- sches Körperchen) zu Stande kommen. In Fig. 16 sehen wir diesen Modus angedeutet. Es hat sich eine ziemlich vollständige Zellplatte ausgebildet. Die Spindelplatte scheint indessen nicht komplet gewe- sen zu sein, da sich die Verbindungsfäden in Gestalt zweier abge- "stumpfter Kegel darstellen. Rechts hat sich die Cytoplasmaplatte bis zur Spindelplatte gespalten. Auf der linken Seite geht die Ein- schnürung ohnedies bis beinahe dicht an die Spindel heran. Be- achtet man nun nicht die feinen Theilstückchen am rechten inneren Rand der beiden Schwesterzellen, so glaubt man ein FLEMuInG’sches Körperchen vor sich zu haben. Dieser Vorgang stellt zugleich einen Theilungsmodus der mit Zellplatten bezw. deren Rudimenten versehe- nen Obeliazellen dar. Hat eine Zelle eine gut ausgebildete Zellplatte, so theilt sie sich durch Spaltung letzterer. Bei kleinen Zellplatten- rudimenten (FLemming’scher Körper) erfolgt die Zelltheilung wie bei sewöhnlichen Zellen durch Einschnürung. Der FrLemuine’sche Kör- per hat hierbei keinerlei Funktion; nicht einmal zur Erleichterung der Zelltheilung trägt er bei, sondern bewirkt eher im Gegentheil eine Verzögerung dieses Vorgangs, indem seine derbe Masse sich der Theilung widersetzt. Entweder wird er schließlich doch ge- theilt, oder er verharrt lange noch, nachdem sich die Kerne der beiden Tochterzellen bereits regenerirt haben, als funktionsloses Ge- bilde an der Theilungsmembran; oft inmitten eines Restes der Ver- bindungsfäden bis er allmählich verblasst und vom Gewebe resorbirt wird. In Fig. 14 hat sich bereits die ganze Centralspindel von oben her zurückgebildet. Das Chromatin der Tochterplatten ist schon in das Knäuelstadium übergegangen. Rings um dasselbe hat sich ein weißer vom Protoplasma scharf abgegrenzter Hof gebildet. Von dem länglichen Zwischenkörper strahlen noch einige kurze Fihbrillen — die letzten Reste der Verbindungsfäden — in den Raum. In Fig. 17 sehen wir einen ähnlichen Vorgang. Auch hier haben sich schon die Tochterplatten zu einem Knäuel umgebildet und sich deutlich mit einer Kernmembran umgeben. Die Theilungszellen sind aus ein- ander gewichen und haben einen breiten Intercellularraum freige- lassen. Jede der Zellen hat eine stumpfe Spitze, an welcher sich ein Theilstück des Zwischenkörpers befindet. In der rechten Zelle liegt der Kern ganz am Rande, so, dass er in unmittelbarer Berüh- rung mit dem betreffenden Theilstück steht. Beide Hälften stehen durch einen Faden mit einander in Verbindung. Wahrscheinlich 400 R. Wolfgang Hoffmann, wurden die beiden Zellen, nach der Theilung des Zellleibes, durch irgend eine äußere Druckwirkung aus einander gerissen. Hierbei zog sich die mittlere Partie des Zwischenkörpers in einen Faden aus. Dieses Bild bietet einen neuen Beleg für den Widerstand, den der FrLemnmin@’sche Körper der Zelltheilung entgegensetzt, sowie für seine zähe Konsistenz. Oft findet man auf einem großen Komplex ruhender Obeliazellen, auf, oder in der Nähe der Membran kleine dunkel gefärbte Körper- chen liegen, welche wahrscheinlich die letzten Reste der FLEMMING- schen Zwischenkörper repräsentiren, die hier, wie es schon FLEMMING angedeutet hat, allmählich zurückgebildet werden. Sind die Zellen jedoch nieht noch durch einige Spindelfäden mit einander verbunden, so lässt sich nicht scharf beweisen, ob man es mit Zwischenkörpern oder mit irgend welchen dort zufällig liegenden Partikelchen zu thun hat; die Färbung bietet eben in keinerlei Hinsicht ein genügendes Kriterium zur Erkennung dieser Thatsache. Für jedes der angeführten Stadien könnte ich zahlreiche Bilder geben; doch beschränke ich mich auf diese geringe Auswahl, da die erwähnten Verhältnisse bei Limax und den Knochenfischen weit deut- licher als bei Obelia zum Ausdruck kommen. Zellplatten bei Limax maximus. War Obelia wegen der Kleinheit ihrer Zellen ein für das Stu- dium der Zellplatten ziemlich ungeeignetes Objekt, so leisten die Limaxzellen in dieser Beziehung Vorzügliches. Sie sind zwar nicht übermäßig umfangreich (die Bilder sind bei verschiedener Vergröße- rung entworfen), doch zeichnen sich die Theilungsfiguren durch sroße Klarheit und die Zellplattenelemente durch außerordentliche Stärke aus. Während bei Obelia die Theilung ohne Zellplatten (wenngleich auch mit einem Zwischenkörper, der indessen keinen Antheil an diesem Vorgang nimmt) die Regel bildet, so sind bei Limax Theilungsfiguren ohne, wenn auch kleine Zellplatten nicht sehr häufig, doch fällt es immerhin nicht schwer, Bilder wie Fig. 19 auf- zufinden. Dass hier nicht noch nachträglich eine Zellplattenbildung aufgetreten wäre, wenn der Theilungsvorgang seinen weiteren Ver- lauf genommen hätte, leuchtet ein. Die Einschnürung der Mutter- zelle ist beiderseits schon sehr weit fortgeschritten, so, dass nur eine relativ schmale Protoplasmabrücke übrig bleibt. Die Chromosome sind zum Theil noch zu erkennen, haben jedoch schon keine scharfe Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 401 Grenze mehr und beginnen mit einander zu verschmelzen. Die Ver- bindungsfäden kennzeichnen sich als ein verwaschenes Band, in dem sich noch hier und da eine Fibrille unterscheiden lässt. Obgleich Zellplatten von ziemlicher Ausdehnung bei Limax eine sewöhnliche Erscheinung sind, so geschieht doch ihre Anlage kaum jemals ohne Zuhilfenahme einer, wenn auch geringen Einschnürung. Ich will damit nicht sagen, dass nicht auch Bilder mit kompletter Zellplatte aufzufinden seien; indessen müssen dieselben sehr selten sein, da ich nur ausnahmsweise solche antraf. Wie bei Obelia fin- det man auch bei Limax alle Übergangsstadien vom kleinsten Frex- MIn@G’schen Körper, bis zur fast vollkommenen Zellplatte. Hier lässt sieh in der That ein bei einem gewissen Gewebe konstantes Auf- treten eines bestimmten Zellplattenrudiments, nämlich des Zwischen- körpers, nachweisen; doch davon später. Die gewöhnliche Form, wie sich bei Limax die Zellplatte präsentirt, ist in Fig. 21 gegeben. Noch auffälliger als bei Obelia tritt uns hier die bedeutende Größen- differenz zwischen den Elementen der Spindelplatte und denjenigen der Cytoplasmaplatte entgegen. Die Spindel ist noch im Diaster- stadium, obgleich die Chromosome schon Anstalt machen in eine einheitliche Masse zusammenzubacken. Die Elemente der Spindel- platte sind bereits mit einander verschmolzen, doch erkennt man noch deutlich ihre körnige Natur; eben so ist dies bei der Cyto- plasmaplatte der Fall, die sich indessen nur nach der einen Seite zu erstreckt. Bei genauem Zusehen hat man jedoch den Eindruck, - dass sie sich auf der der Spindel am meisten genäherten Seite ge- spalten hat. Die beiden Spindeltheile sind hier gegen die Theilungs- ebene in einem stumpfen Winkel geneigt. Dies lässt sich auf zweierlei Weise erklären. Entweder haben die Tochterplatten eine seitliche Schwenkung gemacht, während der mittlere Theil der Spin- del an Ort und Stelle geblieben ist; etwa weil zu jener Zeit Spindel und Cytoplasmaplatte bereits angelegt und in der Zelle in gewisser Weise fixirt waren, oder — und das ist das Wahrscheinlichste — weil die Verbindungsfäden ein nachträgliches Längenwachsthum er- hielten, so dass sie sich, weil die Tochterplatten ihnen Widerstand entgegensetzten, seitlich ausbuchten mussten. Diese Erscheinung ist ja vielfach beobachtet worden, so sucht z. B. DRÜNER durch die Stemmwirkung der auswachsenden Verbindungsfäden das Auseinan- derweichen der Tochterzellen herzuleiten. Auch Carnoy hat dieser Erscheinung seine Aufmerksamkeit geschenkt; in Fig. 44 Tafel II seiner »Cytodierese chez les Arthro- 402 R. Wolfgang Hoffmann, podes« giebt er die Abbildung einer Theilungsfigur, wo das Längen- wachsthum der Verbindungsfäden so ungeheuer ist, dass die Central- spindel einen vollständigen Ring beschreibt. Etwa in der Hälfte der Spindel sind die Fibrillen zu einer Spindelplatte verdickt. Für die Vermuthung, dass wir es in Fig. 21 Taf. XX mit einem etwaigen Längenwachsthum der Verbindungsfäden zu thun haben, spricht auch die Lage der Halbspindeln. Ihre einzelnen Elemente sind zwar schon ziemlich verschwommen geworden, doch kann man noch deutlich die Kegel erkennen, deren Achsen etwa senkrecht zu der Zellplatte stehen. Fast immer setzt das spitze Ende der Einschnürung direkt auf das Ende der Zellplatte an, so dass bei einer Theilung letzterer die beiden Theilplatten in den freien Rand der Mutterzelle übergehen. Anders freilich ist es, wenn sich zwei Zellplatten wie in Fig. 22 Taf. XX gebildet haben. Eine solche Erscheinung ist als Missbildung anzusehen. Ich habe sie nichtsdestoweniger zwei bis dreimal be- obachtet. Die Einschnürung scheint dann zu zögern; es sieht aus, als sei sie unschlüssig, an welcher Zeliplatte sie zuerst ansetzen solle. Die ganze Zelle hat sich biskuitförmig verengt; aber schon ist eine Andeutung dafür vorhanden, wie eine Trennung der Tochter- zellen zu Stande kommen wird. Zwischen den beiden halbkreis- förmigen Zellplatten ist das Protoplasma bereits heller geworden und nur gegen die Ecken des trapezförmigen Zwischenraumes zu finden sich noch größere körnige Ansammlungen. Wahrscheinlich wäre später eine, dem bei der Zellplattenbifurkation entstehenden Vor- gang analoge Erscheinung eingetreten. Das Protoplasma zwischen den beiden Zellplatten wäre degenerirt und hätte zwei Tochter- zellen frei gelassen, deren inneren Rand die Zellplatten gebildet hätten. Auch bei Limax ist das Auftreten einer Cytoplasmaplatte streng an das Vorhandensein einer Spindelplatte gebunden. Nur beobachtete ich hier öfters, dass die Spindelplatte, trotz einer wohl ausgebildeten Cytoplasmaplatte eine sehr geringe seitliche Ausdehnung besaß, wie dies Fig. 23 u. 24 Taf. XX zeigen; vielleicht ist auch Fig. 25 hierher zu rechnen. Betrachten wir zuerst Fig. 23. Wir haben es mit einem sehr späten Stadium zu thun. Die Kerne sind schon fast vollständig regenerirt; es haben sich sogar schon Nucleolen gebildet. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung der Zellen von Limax, dass sich oft schon, noch ehe die Chromatinschleifen ganz zerfallen sind, Nucleolen regenerirt haben, die dann immer von einem hellen Hofe . Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 403 umgeben sind. Die Halbspindeln sind bereits vollständig zerfallen und nur noch als dunkle Schatten angedeutet. Hingegen sind die Verbindungsfäden noch ziemlich gut erhalten. Die Cytoplasmaplatte stellt eine kompakte, körnige Linie dar, die Spindelplatte hingegen ein im Schnitt längliches Gebilde von bedeutender Höhe. Von ihr aus strahlen die Spindelfibrillen in Gestalt zweier Kegel nach den Kernen. Wie konnte sich nun dieser Doppelkonus ausbilden, da doch eine Cytoplasmaplatte vorhanden ist, die eine Zusammenfassung der Verbindungsfäden durch eine Zelleinschnürung ausschließt? Ich muss gestehen, dass mir dieser Vorgang nicht recht klar ist. Es hat zwar den Anschein, als hätte die Oytoplasmaplatte auf die Ver- bindungsfäden in ihrem ganzen Umkreise einen Druck ausgeübt, so dass die einzelnen Elemente mit einander verschmolzen wären, eben so in Fig. 24 u. 25; wie jedoch dieser Druck von der Cytoplasmaplatte auf die Spindelplatte ausgeübt werden konnte, weiß ich mir leider nicht zu erklären. Da der Fremming’sche Körper ja nichts weiter ist, als eine rudimentäre Spindelplatte, so haben wir in den er- wähnten Fällen so zu sagen die Kombination eines Zwischenkörpers mit einer Cytoplasmaplatte. Was nun die Entstehung der Spindelplatte anbelangt, so bin ich in der Lage, nähere Auskunft darüber geben zu können. Zu dies- bezüglichen Studien eignen sich vor Allem die rudimentären Platten. Hier sind die Elemente nicht so dicht gelagert, wie bei einer voll- ständigen Spindelplatte und erlauben desshalb eher einen Einblick in ihre Bildungsweise. So gelang es mir festzustellen, dass die Spindel- platte durch Verschmelzung knötchenartiger Differenzirungen im Äquator der Verbindungsfäden zu Stande kommt, zum Unterschied von der Cytoplasmaplatte, deren Elemente frei im Protoplasma ent- stehen; somit haben wir hier genau denselben Vorgang wie bei den : Pflanzenzellen. STRASBURGER hat beobachtet, dass namentlich dort die Anschwellungen der Verbindungsfäden bedeutendere Dimensionen erlangen, wo letztere durch größere Zwischenräume von einander getrennt werden. Die Dermatosomen verdieken sich hier so lange, bis sie sich berühren und mit einander verschmelzen können. Auf genau dieselbe Ursache sind wohl auch die bedeutenden Verdickungen zurückzuführen, die man manchmal in Verbindungsfäden von Limax- zellen während des Diasterstadiums beobachten kann. Oft treten nur ganz wenige (drei bis sechs) solcher Verdickungen auf (Fig. 27, Fig. 28, Fig. 18, Fig. 29, Taf. XX), dann ist freilich jede Verdiekung umsonst, da die Knötchen zu weit von einander entfernt sind, um 404 R. Wolfgang Hoffmann, sich erreichen zu können'!. Diese Anschwellungen besitzen Anfangs spindelförmige Gestalt und haben dasselbe geringe Färbungsvermögen wie das Achromatin der Verbindungsfäden; erst später nehmen sie die Färbbarkeit einer gewöhnlichen Zellplatte an. (Auch hier haben wir also eine Übereinstimmung mit den pflanzlichen Vorgängen.) Niemals sah ich bei Limax der Knötchenbildung ein Stadium voraus- sehen, wo sich die Fibrillen durch mikrosomalen Bau auszeichneten. Kommen die Knötchen wegen zu geringer Zahl und zu weiter Ent- fernung von einander nicht zur Verschmelzung, so können sie in diesem Zustande ungewöhnlich lange Zeit persistiren, wie z. B. in Fig. 28. In manchen Fällen erfolgt die Vereinigung dieser Ge- bilde doch noch und dann regelmäßig durch eine scharfe Ein- schnürung, welche die Fibrillen vor sich her treibt; das Resultat ist dann ein kleiner FLEMmMIng’scher Körper. Dieser Vorgang lässt sich deutlich aus Fig. 18 Taf. XX ersehen?, wo drei spindelförmige Körperchen durch eine solche Theilfurche zur Vereinigung gebracht werden. Eben so blass, wie in Fig. 18, sind die Knötehen auch in Fig. 29, wo zwar die Einschnürung rings um die Zelle schön weit fortgeschritten, die Spindel aber selbst noch intakt ist. Auf einer späteren Entwicklungsstufe färben sich die Körperchen schon in- tensiver; auch nehmen sie dann eine mehr rundliche Gestalt an. Freilich giebt es auch Fälle, in denen die Spindelform bis zur Zell- trennung beibehalten wird. In Fig. 27 u. 28 haben die Spindel- verdickungen dieselbe Färbbarkeit wie die Zellplatte. Leider sah ich nicht, ob die chemische Umwandlung der Spindel- plattenelemente wie bei den Pflanzen durch Imbibition mit irgend einer Substanz hervorgerufen wird, die sich in jener Zeit in der Gegend ersterer ansammelt oder auf irgend eine andere Weise. In Fig. 25 Taf. XX sind die spindelartisgen Verdiekungen der Ver- bindungsfiden mit einander verschmolzen, ohne vorher in runde Körnchen überzugehen. Die interessantesten Bilder sind zweifellos Fig. 27 und 28, Taf. XX. In Fig. 273 ist eine Cytoplasmaplatte angelegt, deren Elemente sich ! Indessen können sie später noch durch die Einschnürungsfurche zur Vereinigung gebracht werden, wenn dieselbe die Spindelfibrillen vor sich her- treibt — vorausgesetzt, dass die Verdiekungen noch nicht erhärtet sind. ?2 Hier haben wir auch ein typisches Beispiel für den schon oben erwähn- ten Fall, dass die Ränder einer scharfen Einschnürung durch ihre Aufeinander- lagerung eine Zellplatte vortäuschen können. 3 Diese Verhältnisse treten hier leider lange nicht mit der Schärfe der Originalzeichnung hervor. Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 405 zwischen die spindelartigen Verdickungen der Verbindungsfäden ein- schieben. An ihren äußeren Rand setzt sich direkt die Einschnürung an. Die Zelle ist zwar sehr dunkel gefärbt und ganz von einem körnigen Protoplasma erfüllt, die Mittelzone — worauf es hier ja allein ankommt — ist jedoch gerade hell, so dass man die Details ausgezeichnet erkennen kann. In Fig. 28 ist die Cytoplasmaplatte aus einander gesprengt worden. Die Verbindungsfäden blieben hier- bei unverletzt, da ihre Verdiekungen noch nicht zu einer Platte verschmolzen waren, als die Theilung des Zellleibes schon begonnen hatte. Sie haben sich also verhalten wie undifferenzirte Fibrillen. Oft sieht man ja, dass, obgleich zwei Schwesterzellen schon weit aus einander gerückt sind, sie dennoch noch durch den Rest der Central- spindel mit einander in Verbindung stehen. Auch Fig. 26 kann für das zuletzt Erwähnte als Beleg dienen. Hatte nun die Zellplatte in ihrer zweifachen Form bei den Thieren ehemals eine funktionelle Bedeutung, so bestand die Aufgabe der Cytoplasmaplatte unzweifelhaft darin, den Zellleib, diejenige der Spindelplatte, die Verbindungsfäden zu theilen'. Es ist hier darauf hinzuweisen, dass schon v. KosTAnEckI eine ähnliche Vermuthung, jedoch in Bezug auf die Pflanzenzelle aus- gesprochen hat. Er sagt: »Wenn ich aber trotzdem behaupte, dass die Homologie (nämlich des Fremmine’schen Körpers) mit den Vorgängen bei Pflanzenzellen wirklich vorhanden sei, so geschieht dies aus dem Grunde, weil ich mich der Vermuthung nicht erwehren kann, ob nicht in pflanzlichen Zellen zwei parallel neben einander verlaufende " Processe zu einem zusammengefasst worden sind, nämlich eine äqua- toriale Differenzirung der Centralspindelfasern zum Zwecke ihrer Halbirung und eine eigentliche Zellplattenbildung zum Zwecke der Scheidewandbildung, die bei thierischen Zellen gar nicht vertreten ist, wodurch der erste desto deutlicher und unverhüllter zu Tage tritt. « Letzteres gilt jedoch nur im Allgemeinen; da ja, wie ich schon im historischen Theil erwähnt habe, Carnoy und andere Autoren genügend Fälle anführen, wo gelegentlich aus Zellplatten im Thierreich 1 Es ist sehr leicht möglich, dass auch heute noch thierische Gewebe existiren, bei denen die Zelltheilung stets mit Hilfe vollständiger Zellplatten von zweifacher Konstitution und durch den oben erwähnten Theilungsmodus von statten geht. 406 R. Wolfgang Hoffmann, regelrechte Theilungsmembranen hervorgehen. Auch die vorliegenden Blätter bieten ja Beispiele hierfür'. Wurde nun auch, so viel ich weiß, bis jetzt noch nicht bei Pflanzenzellen auf den Zweck einer zweifachen Differenzirung der Zellplatte hingewiesen, so ist ihre doppelte Konstitution doch schon lange von STRASBURGER erkannt worden. Die Spindelplatte der Pflanzen entsteht durch Verdieckungen der primären Verbindungs- fäden; die Cytoplasmaplatte aus den sekundären Verbindungsfäden, die innerhalb ersterer und vom Rande derselben fortwachsend eingeschaltet werden. Die sekundären Verbindungsfäden brauchen indessen nicht einmal die Größe der primären Verbindungsfäden zu besitzen; im extremen Falle sind sie sogar auf die geringe Länge der Dermatosomen reducirt. Etwa ein Dutzend Mal beobachtete ich bei Limax die Bifurka- tion der Zellplatte. In Fig. 24 und 25 Taf. XX gebe ich hiervon zwei Bilder; sie stellen etwa gleiche Stadien dar. Nur ist es in Fig. 25 nicht zur Bildung einer typischen Spindelplatte gekommen. Die Verdiekungen der Verbindungsfäden haben noch spindelförmige Gestalt und sind nicht vollständig mit einander verschmolzen. Hin- gegen haben die in Bifurkation befindlichen Cytoplasmaplatten ein fast homogenes Aussehen. Die Verbindungsfibrillen sind bereits im Begriff zu verschwinden. Zum Theil haben sie sich von den Kernen losgelöst, welche letzteren schon fast vollständig regenerirt sind. Jeder Kern zeichnet sich durch einen dunkel gefärbten Nucleolus mit hellem Hofe aus. Die Trennung der Zellen wird hier wohl auf ! Neuerdings hat v. KoSTANECKI eine Arbeit publieirt, welche hier erörtert werden müsste, die ich indessen nicht berücksichtigen konnte, da sie erst er- schien, nachdem die vorliegenden Untersuchungen schon niedergeschrieben waren (siehe Nachtrag). Er beschreibt hierin die Zellplatten in sich furchen- den Ascariseiern und giebt zugleich eine höchst geistvolle Theorie ihrer Entstehung. Ich bin darüber etwas im Zweifel, ob diese Differenzirungs- schichten dem zu vergleichen sind, was CArnoY bei den Arthropoden und ich als Cytoplasmaplatten beschrieben haben, da trotz Allem ein FLEMMING’scher Körper vorhanden ist, dessen Auftreten zeitlich in keiner Weise an das er- wähnte Gebilde gebunden zu sein scheint. Ich habe übrigens diese äquato- riale Differenzirungsschichten auch in den Blastomeren sich furchender See- igeleier gesehen. Möglichenfalls ist der Theilungsmodus durch sie der einzige bei allen Furchungszellen; alsdann wird er von den späteren Zellen jedoch nicht mehr beibehalten, denn nun spielt die Einschnürung bei der Theilung die Hauptrolle. — Ist dies in der That der Fall, so wäre es möglich, dass die einzelnen Zellgenerationen vom Ei aufwärts bis zum ausgebildeten Thier eine mehr oder weniger vollständige Geschichte der Rückbildung der Zellplatte darstellten. 2 dieselbe Weise von statten gehen, wie CARNoY sie für die Arthro- _ podenzellen mit Bifurkation beschrieben hat: Das außerhalb der Bifurkationsränder liegende Protoplasma wird degeneriren, die Zellplatte sich aber spalten. Von einem Einreißen der Muttermembran ist hier keine Rede. Wir haben es bei den Limaxzellen nicht mit wirklichen Membranen, sondern höchstens mit einer etwas festeren Grenzschicht zu thun. Eine häufige Erscheinung in den Limaxzellen ist der FLEMMING- sche Körper. Er tritt fast immer in sehr späten Stadien auf; da die wenigen, öfters weit aus einander liegenden Körnchen der Verbindungs- fäden vorher durch die Einschnürung zusammengedrängt werden müssen!. Es lassen sich hierbei, wie bei Obelia, alle nur erdenklichen Abstufungen in Bezug auf Höhe und Breite des Körpers finden. Öfters bildet er eine Walze, die mit ihrer Längsrichtung etwa senkrecht zur Richtung der Theilungsebene steht. — In diesem Falle kommen nur wenige, längliche Anschwellungen der Fibrillen zur Verschmelzung (Fig. 23, Taf. XX); oder er bildet eine Walze, deren Höhe geringer ist als ihr Durchmesser (Fig. 31, Taf. XX, Fig. 36, 37, Taf. XXT); oder endlich, er ist sehr klein und unregel- mäßig und wurde dann nur aus wenigen geringen Anschwellungen gebildet. Stets konvergiren nach ihm die doppelkegelartig ange- ordneten Verbindungsfäden. In Fig. 36 besitzt der Zwischenkörper die Form einer dieken Platte. Die Einschnürung der Mutterzelle verläuft in zwei weiten flachen Bogen, die auch in diesem fort- geschrittenen Stadium nicht direkt an den Fadenkomplex ansetzen. Wahrscheinlich kam die Verschmelzung der Knötchen dadurch zu Stande, dass die Einschnürung das Zellplasma vor sich hertrieb, welches die Fibrillen gegen einander schob. Letztere zeigen die ‘ Tendenz auch dort, wo keine Anschwellung vorhanden ist, in ein- ander zu fließen. Zu beiden Seiten des Zwischenkörpers lagern sich schon zwei umfangreiche Massen, die durch Verschmelzung der unteren Theile der Verbindungsfäden gebildet wurden. Solcher Her- kunft sind wohl auch die rundlichen Körper, die manchmal in der Centralspindel gegen das Ende der Diasterphasen auftauchen (man vergleiche Lustis und GALEOTTI, Taf. XI, Fig. 19, sowie PRENANT, Fig. 25). Am häufigsten tritt der FLemmis@’sche Körper wohl bei Mesen- ehymzellen auf. Indessen finden sich auch hier oft gut ausgebildete Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 407 1 Ich spreche hier natürlich von echten Fremmme’schen Körpern, wo selbst nicht das Rudiment einer Cytoplasmaplatte nachzuweisen ist. 408 R. Wolfgang Hoffmann, Cytoplasmaplatten. Es mag sein, dass sich der Zwischenkörper in den anderen Geweben nicht weniger oft ausbildet; in den Mesenchym- zellen bleibt er indessen schon desshalb länger siehtbar, weil sich hier die Zellen durch ganz flache Einschnürungen theilen und lange Zeit, manche wohl immer, auf diese Weise mit einander in Verbin- dung bleiben. So findet man denn häufig Bilder wie Fig. 35, Taf. XX. Hier stehen zwei ruhende Zellen, zweifellos Schwesterzellen, durch eine Protoplasmabrücke mit einander in Verbindung. In der Mitte letzterer liegt in einem kleinen Spindelrest ein FLemmiıng’sches Körperchen. Fig. 37, Taf. XXI zeigt ein ähnliches Bild, ebenfalls bei zwei Mesenchymzellen, nur haben sich hier die Kerne noch nicht voll- ständig regenerirt. Nicht immer braucht sich indessen eine Mesen- chymzelle bei der Theilung in der Äquatorialzone zu einer langen dünnen Protoplasmabrücke auszuziehen. Dies ersieht man aus Fig. 31 und 34, Taf. XX. Hier erfolgt dann eine Trennung der Zellen, falls sich der Zwischenkörper spaltet; dass die Vereinigung zwei solcher Zellen aber recht lange anhalten kann, zeigt die vollständig ruhende Form derselben. - Fragt man sich nun, ob die Zellplatten (bezw. deren Rudimente) bei Limax irgend eine funktionelle Bedeutung haben, so kann man darauf mit ja und nein antworten. Versteht man unter der funk- tionellen Bedeutung der Zellplatten eine sich stets gleich bleibende für irgend einen Vorgang bedeutungsvolle Wirkung derselben, so kann man wohl die Frage mit nein beantworten. Das äußerst variable Auftreten dieses Gebildes, sowie die Thatsache, dass gering- fügige äußere Momente seine Ausbildung außerordentlich beeinflussen können, lassen diese Annahme ja von vorn herein ausgeschlossen sein. Die Auffassung v. Kostanzckr's der funktionellen Bedeutung des Zwischenkörpers für einzelne Objekte scheint mir desshalb schon aus diesem Grunde nicht richtig zu sein. Ich werde auf diesen Punkt später ausführlich zurückzukommen haben. Versteht man je- doch unter funktioneller Bedeutung der Zellplattenrudimente die Ver richtung einer Aufgabe im gegebenen einzelnen Falle, so kann man den letzteren häufig dieselbe nicht absprechen. Wir wollen zunächst - nachsehen, was denn schließlich aus den größeren Zellplattenrudi- menten wird. Fig. 38 zeigt zwei Schwesterzellen, die sich eben von einander abgeschnürt haben. Seitlich von den Kernanlagen liegt je ein Theil stück der gespaltenen Zellplatte, deren Elemente trotzdem noch nicht Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. | 409 mit einander verschmolzen sind. Die Einschnürungslinien setzen beiderseits direkt an die Theilränder der Zeilplatte an. Seltsam _ erscheint es, dass die fast vollständig regenerirten Kerne in gar keiner Beziehung zu dem Spindelrest zu stehen scheinen. Mögen dieselben auch nach ihrer Neubildung aus den Tochterplatten eine Umlagerung erfahren haben, so können sie doch nicht vorher ober- halb der Spindelplatte gelegen haben, da hierzu der Raum gemangelt hätte. Wahrscheinlich wirkten bei der Verlagerung der Spindelplatte an den Rand der Zelle zwei Faktoren zusammen. Einmal ein über- mäßiges Auswachsen der Verbindungsfäden während der Diaster- phase, sodann eine Verschiebung letzterer durch die im Anfang einseitig auftretende Einschnürungsrinne. _ Hier muss der Zellplatte eine gewisse funktionelle Bedeutung zugeschrieben werden, indem ihre Spaltung zugleich auch eine Durch- trennung des Spindelrestes bewirkte Dass die Verbindungsfäden ‚sich oft der Zelltheilung hindernd in den Weg stellen, so dass ihre Fibrillen, lange nachdem der Leib der beiden Tochterzellen bereits von einander getrennt ist, dieselben noch an einander fesseln, kann man gar häufig beobachten. Auch Fig. 28, Taf. XX kann hierfür als Beleg dienen. Als Theilungsmembran hat das kleine Stück Zell- platte wohl keine Bedeutung'!. Von einer Membran im Sinne wie bei den Pflanzen oder den Tentakelentodermzellen der Hydroiden lässt sich ja bei Limax überhaupt nicht sprechen. Auf einige Aus- nahmen komme ich nachher zurück. In Fällen, wie den vorgeführten, _ werden die Elemente der Zellplatte später resorbirt, ohne vorher zu einem Ganzen zu verschmelzen. Dies geschieht oft sehr rasch, so dass man zwischen zwei klaffenden Zellen, die zweifellos durch Aufspringen einer Zellplatte getheilt wurden, nur dort, wo sie noch mit einander in Verbindung stehen, und in ihrer nächsten Nähe, einen Rest der letzteren erkennen kann. Wahrscheinlich verhält es sich ähnlich in Fig. 39, Taf. XXI. Vielfach mögen desshalb auch Bilder vorgetäuscht werden, wo anscheinend eine Theilung durch Kombination einer Einschnürung mit einer Zellplatte von statten geht, wo aber in der That eine vollständige Zellplatte angelegt wurde. Auch mögen Spindelplatten vielfach nur desshalb häufiger als ihre Kombinationen mit Cytoplasmaplatten auftreten, weil die be- 1 Abgesehen davon, dass eine Spindelplatte erst in zweiter Linie als Vor- bildnerin einer Theilungsmembran in Betracht kommt. — Ihre vornehmliche Funktion besteht ja, wie ich oben erwähnte, in der Durchtrennung der Ver- bindungsfäden. 410 R. Wolfgang Hoffinann, deutendere Größe ihrer Elemente zugleich ein langsameres Verschwin- den bedingen. Thatsache bleibt es indessen, dass sich die Zellplatte nur in den wenigsten Fällen in eine Membran umwandelt. Meist theilt sie sich noch ehe ihre einzelnen Elemente zu einer homogenen Masse verschmolzen sind. Oft besitzen sogar nicht einmal alle Fibrillen Verdiekungen, oder wie soll man sonst Fig. 26, Taf. XX verstehen ? | Hier ist eine nahezu vollständige Zellplatte angelegt worden. Leider ist die obere Zelle nicht ganz auf dem Schnitte vorhanden. Die beiden Plattenhälften klaffen weit aus einander; zwischen sie setzt sich jedoch ein Theil der Fasern fort. : | Ob hier ausnahmsweise keine Spindelplatte angelegt wurde, wage ich nicht zu entschei- den; sollte es jedoch der Fall sein, so spräche dies sehr für die Funktionen, welche ich den beiden Konstituenten der Zellplatte zu- E = schreibe. Das Bild entspricht etwa der Textfig. 6 (nach Carxor'. Fig. 35, Taf. II in CArnoys Arbeit »La- Cytodier&se chez les Arthropodes«. Die Figur ist in so fern der meinigen nicht ganz ähnlich, als sich zu beiden Seiten der Tochterzellen große Vacuolen befinden. CARNOY sagt hier- bei zur Erklärung Folgendes: »Pour nous, nous les (les figures) considerons comme l’expression d’un processus normal dont la turgescence serait le principal facteur. Il est & remarquer, en effet que nous n’avons observ& ces sortes de clivages que dans les cellules gorgees d’eau et creusees de grandes vacuoles. « Dies ist nun für die Limaxzellen durchaus nicht allgemein gültig. Dass eine größere Turgescenz das Aufspringen der Zellplatten be- günstigt, steht für mich ebenfalls fest. Vacuolisirte und stark mit Flüssigkeit durchtränkte Zellen sind auch bei Limax keine Selten- heit; indessen lassen doch die meisten Zellen mit gespaltenen Zell- platten gar nichts von diesen Verhältnissen erkennen. Zufällig ge- hört gerade das eben eitirte schöne Beispiel (Fig. 26) zu diesen von Carnoy erwähnten Zellen. Die obere Theilzeile scheint nämlich an ihrem äußeren Abschnitt ziemlich von Flüssigkeit durchdrungen zu sein; eine Spaltung durch Turgescenz ist hier also nicht ausgeschlos- sen. In weitaus den meisten Fällen wird jedoch die Spaltung durch den Druck der Einschnürungsfurche bewirkt. Mit welcher Gewalt dieselbe, namentlich, wenn sie im spitzen Winkel ansetzt, vor sich Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 411 seht, kann man ja recht gut an dem schon mehrfach erwähnten Vor- siehherschieben der Verbindungsfäden erkennen. Ich bin eigentlich erstaunt, dass CARNOY in seinen vielen Präparaten nur etwa acht- mal den Vorgang des Aufspringens der Zellplatte beobachten konnte. Bei Limax ist dies der gewöhnliche Theilungsmodus, sobald größere Zellplattenrudimente auftreten. a Den Fall, dass bei einer Theilung der Zellplatte die Verbindungs- fäden ungetrennt bleiben, habe ich noch mehrmals beobachtet. In Fig. 40 und 42 Taf. XXI haben wir ähnliche Bilder, wie in Fig. 26. Dass beide Zellen vollständig getheilt sind, ersieht man aus dem protoplasmalosen weißen Streifen, der sich zwischen beiden hinzieht. Auch hier hat sich beide Male die Zellplatte getheilt, ehe ihre Ele- mente mit einander verschmolzen waren. In den eben erwähnten drei Beispielen hat also namentlich die Zellplatte die Theilung des Zellleibes bewerkstellig. Es ist möglich, dass aus den kleinen Theilungsstücken der Zellplatte nachträglich noch, indem sie mit einander verschmelzen, Membranen werden. Obgleich ich diesen Fall nie beobachtet habe, will ich ihn nicht bestreiten. Manchmal lässt die Zelltheilung nicht nur kleine Zellplattenelemente, sondern auch größere vollständig unberührt. Sehr interessant ist in dieser Beziehung Fig. 43. Hier ist zwar eine Spindelplatte angelegt, die Theilung der Zelle, die schon vollständig ausgeführt ist, hat jedoch ihren Weg nicht über letztere genommen, sondern hat sich zu bei- den Seiten über sie weg erstreckt. Es macht dies den Eindruck, ‚als hätte die Theilungsfurche die einzelnen Elemente der Platte, die hier freilich ungewöhnlich groß sind, nicht überwinden können. Hier haben wir also einen Fall, wo eine Zellplatte zwar angelegt wird, jedoch ohne Funktion bleibt. In nicht sehr häufigen Fällen kommt es vor, dass sich aus einer - Zellplatte eine typische, doppelt kontourirte Theilungsmembran aus- bildet. So vornehmlich bei einer Zellplattenbifurkation, wie ich sie in Fig. 24 und 25 Taf. XX beschrieben habe. Je größer eine Zellplatte ist, desto mehr Chance hat sie in eine Membran verwandelt zu werden. Eine vollständige Zellplatte ist wohl der günstigste Fall, weil alsdann keine Einschnürung eine vor- zeitige Spaltung hervorrufen kann. Hierin stimme ich vollständig mit CArnoy überein. Dieser Forscher fand, dass stets aus Zellplatten, die sich durch die ganze Zelle zogen, Theilungsmembranen hervor- gingen. Nächstdem sind zur Ausbildung typischer Theilungsmem- branen solche Zellen geeignet, bei denen die Einschnürungsfurche Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIU. Bd. ' 27 412 R. Wolfgang Hoffmann, im flachen Bogen ansetzt, z. B. Fig. 20; weniger gut ist dies Ver- halten in Fig. 41 ausgeprägt. Die Einschnürung vermittels einer flachen Furche geht nämlich niemals so schnell vor sich, als die- Jenige, welche im scharfen Winkel ansetzt, weil erstere keinen be- stimmten Angriffspunkt, sondern deren viele hat. Die Bewegung einer Theilfurche kann überdies nicht unbeschränkte Zeit hindurch fortbestehen, sondern wahrscheinlich nur so lange, als die achro- matischen Fäden nicht zurückgebildet sind (weil dieselben ja, nach neueren Forschungen, geradezu die Urheber der Zelltheilung sind), so liegt in der Verzögerung der Einschnürung zugleich das Moment zu ihrem Unvollständigbleiben; sie kann also nicht mehr durch ihr Vordringen dem allmählichen Umwandlungsprocess der Zellplatte in eine Membran Einhalt thun. Eben so wie die größeren Zellplattenrudimente werden auch die FremmiınG’schen Körper schließlich der Resorption unterworfen. Es gilt hier dasselbe, was ich schon von den Hydroidenzellen gesagt habe und was auch schon FLEMMInG angiebt: Lange Zeit verharren sie in der Theilungsgrenze der beiden Schwesterzellen. In einzelnen Fällen theilen sie sich; für gewöhnlich jedoch nicht. Öfters liegt ein Zwischenkörper, gleichsam in eine helle Nische eingeschlossen (Fig. 32 Taf. XX). (LustiG und GALEoTTI geben ganz ähnliche Bil- der.) Wie lange die Zwischenkörper noch sichtbar sein können, lässt sich schwer sagen; jedenfalls persistiren sie oft noch geraume Zeit nach der Zelltheilung, bis sie allmählich immer blässer und kleiner werden und schließlich ganz verschwinden. Zellplatten bei Lachs und Forelle. Indem von KosTaneckı für eine Reihe von Wirbelthieren die Kontraktion der Centralspindelfäden und die Theilung des FLEM- MInG’schen Zwischenkörpers als Norm aufstellt, — worauf ich in einem letzten Abschnitt zurückkommen werde — nimmt er still- schweigend an, dass letzterer hier das einzige und immer in gleicher Form auftretende Zellplattenrudiment repräsentire. Dies wäre sehr seltsam, da doch, wie viele andere Forscher vor ihm beobachteten, dieses Gebilde in äußerst wechselnder Gestalt und Größe in den Zellen der Wirbellosen auftreten kann. . Man könnte indessen glauben, dass der FLEemmIne’sche Körper vielleicht bei Wirbelthieren in konstanter rudimentärer Form auf- tritt; dies ist jedoch keineswegs der Fall. Nebenstehend (Textfig. 7) gebe ich die Reproduktion eines Bildes der REINKE’schen Arbeit: SEN Über Zellplatien und Zellplattenrudimente. 413 »Zellstudien DR, RIEDL » » 13) ee Diese drei Werthe würden sehr gut zu Obigem passen. Aber die zwei verschiedene Stellen desselben Darmes darstellenden Fig. 2 und 3, welche bei der starken Kontraktion der Ringmuskeln den kleinsten Durchmesser besitzen sollten, ergaben 2,20 mm. Das erklärt sich indess sehr einfach dadurch, dass diese beiden Schnitte in der That von dem Darme eines außergewöhnlich großen Käfers herrühren. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass noch auf einem anderen Wege die Heraushebung der zwischen den Divertikeln liegenden 452 C. Rengel, Muskelbündel möglich ist. Wird nämlich durch einseitige Kontrak- tion der inneren Längsmuskeln der Darm an einer Stelle gekrümmt, so können sich auf der konkaven Seite die äußeren Längsmuskeln leicht durch eigene Kontraktion aus den Spalten zwischen den Diver- tikeln herausziehen. Obgleich man thatsächlich zuweilen Schnitte antrifft, bei welchen die äußeren Längsmuskeln auf der einen Seite noch zwischen den Divertikeln, auf der anderen Seite schon auf diesen liegen, scheint mir dieser an sich mögliche Weg doch wenig Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Sind nun die äußeren Längsmuskeln herausgehoben aus ihrer Lage zwischen den Divertikeln, so beginnen auch sie eine Rolle bei den ferneren Veränderungen zu spielen. Zunächst haben sich die vorher zwischen den Divertikeln eng zusammengedrängten Muskel- stränge mehr oder weniger so neben einander gelagert, dass sie alle in einer zum Darme konaxialen Cylinderfläche liegen. Durch diese Lagerung ist die Öffnung der einzelnen langgestreekten Maschen, welche die äußere Muskulatur bildet® beträchtlich schmaler, ist das Muskelnetz an sich also dichter geworden. Die Längsausdehnung der Maschen dieses Netzes ist die bei Weitem größere; eben so stark überwiegt auch die longitudinale Komponente der Muskelkraft die eirkulare. Aber eine eirkulare Komponente ist bei diesem Längs- muskelsystem doch immer vorhanden, mag sie nun so gering sein, wie sie wolle. Das ganze System ist also sehr wohl in der Lage bei seiner Kontraktion ein festes, dicht maschiges Netz um den Darm und seine Divertikel zu bilden. Wenn auch der Druck, der dabei in proximaler Richtung auf die distalen Pole der Divertikel ausgeübt wird, wohl ein mäßiger ist, so ist doch nun die Möglich- keit vorhanden, ihn zu einem immerhin beträchtlichen zu steigern und zwar dadurch, dass die bisherige scharfe Kontraktion der Ring- muskulatur jetzt etwas nachlässt. Die Folge davon ist, dass der Darm wegen der inneren elastischen Kräfte sich wieder dehnt, dicker wird. Die einzelnen Theile der Darmwandung entfernen sich von der Darmachse. Die Divertikel aber werden durch das äußere Längsmuskelnetz festgehalten. Da giebt es keinen anderen Ausweg, als dass sich die Membrana propria mit dem sie bekleidenden neuen Epithel an der Basis der Divertikel umrollt; oder, wenn man sich das Verhältnis umgekehrt denkt, dass die Divertikel in das Darm- lumen hineingeschoben werden. So sind wir denn zu dem Stadium der Fig. 3 gelangt und wohl auch noch etwas darüber hinaus. FR Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 453 Fig. 4 zeigt uns die äußeren Längsmuskeln schon wieder zwischen den Divertikeln. Die vollständige Erschlaffung der gesammten Mus- kulatur hat den Divertikeln eine distale Bewegung möglich gemacht. Sie sind wieder in die Maschen des longitudinalen Muskelsystems »hineingewachsen<. Man sieht es in Fig. 4 den Divertikeln an, dass die zwischen ihnen liegenden Muskelstränge sie einschnüren. Dieser seitliche Druck auf den Flaschenhals drängt auch noch die letzten der Zellen, welche zur neuen Bekleidung des Darmrohres bestimmt sind, zu einem Pfropfen zusammen, so dass wir bald ein Bild wie Fig. 5 erhalten. Damit sind die mechanischen Vorgänge abgeschlossen. Ich wende mich nun kurz zu Hydrous earaboides und Hydrobius fuseipes, zwei Formen, die dem Hydrophilus piceus nahe verwandt sind. Der histologische Aufbau des Mitteldarmes ist für alle drei Arten der gleiche. Beachtenswerth scheint mir der Umstand zu sein, dass bei Hydrobius fuseipes im Gegensatze zu Hydrophilus piceus die innere Längsmuskulatur des Mitteldarmes sehr kräftig entwickelt ist, und dass die äußere Längsmuskelschicht im Vergleiche zu ihr schwach erscheint. Die Vorgänge, welche die Abstoßung und Neubildung des Epithel- schlauches einleiten und begleiten, sind ebenfalls für alle drei Arten dieselben. Es erscheint genügend, wenn für einen der drei Käfer diese Periode durch Abbildung der einzelnen Entwicklungsphasen veran- schaulicht wird. Von den beiden anderen Käfern steht Hydrous an Größe und Aussehen dem Hydrophilus viel näher als Hydrobius. Desshalb wählte ich für die Abbildung 6 den ferner stehenden Hy- drobius. Die große Ähnlichkeit zwischen den Fig. 5 (Hydrophilus) und 6 (Hydrobius) ist evident. Die vorhandenen Unterschiede dagegen sind belanglos. Über die Konservirungsmethoden, welche bei der Untersuchung zur Anwendung gelangten, genügen wenige Worte. Ich benutzte die- selben Reagentien wie bei meiner Arbeit über Tenebrio molitor!. In der Fixirung der Epithelzellen aller Entwicklungsstadien steht die HermAanN’sche Lösung in der Reihe der Konservirungsmittel oben an und ist jedem anderen durchaus vorzuziehen. Leider gilt von ihr nieht das Gleiche in Bezug auf die Muskeln. Wie bei allen Osmiumpräparaten machte auch hier die Färbung ! Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. 454 C. Rengel, der Schnitte erhebliche Schwierigkeiten. Es ist zwar bekannt, dass derartig gehärtete Stücke mit Pikrokarmin färbbar sind. Die auf diesem Wege erzielten Ergebnisse wollten mich jedoch nicht recht befriedigen. Da die Pikrinsäure das in den Präparaten niederge- schlagene Osmium theilweise beseitigt, machte ich den Versuch, die Schnitte vor der Färbung !/, bis 1 Stunde mit koncentrirter, wässe- riger Pikrinsäurelösung zu behandeln, und fand, dass dadurch that- sächlich die Färbbarkeit, namentlich der Kerne, ganz beträchtlich erhöht wurde. Potsdam, am 1. Oktober 1897. Während der Drucklegung der vorstehenden Arbeit erschien: A. MÖBUSZ, Über den Darmkanal der Anthrenus-Larve nebst Bemerkungen zur Epithel- regeneration. (Inaug.-Dissertation, Leipzig.) Der Verfasser hat gefunden, dass die Larven von Anthrenus verbasei L. und Dermestes lardarius L. bei jeder Häutung auch das Mitteldarmepithel in toto abwerfen. Erklärung der Abbildungen. Bedeutung der Buchstaben: a, Regenerationsherd; m.p, Membrana propria; b u. c, zwei Generationen jugendlicher z./, innere Längsmuskeln; Epithelzellen; r, Ringmuskeln; E, Epithelzellen der Darmwand; al, äußere Längsmuskeln ; e, abgestoßenes Epithel; s, das in dennoch geschlossenen Diver- ch.m, Chitinmembran; tikeln bereitete Sekret. Tafel XXIII. Fig. 1—5 Schnitte durch den Mitteldarm von Hydrophilus piceus (Imago). Fig. 1. Querschnitt durch den Käferdarm, wie dieser bei seiner ver- dauenden Thätigkeit, also für gewöhnlich angetroffen wird. Das Lumen jedes Divertikels ist gegen das Darmlumen erstens durch eine kontinuirliche Epithel- schicht, zweitens durch eine unter jedem Divertikel sich kegelförmig erhebende Chitinmembran verschlossen. Fig. 2. Die Abstoßung des alten Epitheleylinders und der Chitinmem- bran hat begonnen. Der Chitinkegel ist aus dem Halse des Dikertikels hin- ausgedrängt: Die äußere Längsmuskulatur, welche vorher zwischen den Divertikeln gelegen war, findet sich jetzt außerhalb des Gebietes derselben. Fig. 3. Die Abstoßung des alten Epithels und der Chitinmembran ist voll- endet. Die einzelnen Divertikelsind theilweise in das Darmlumen hineingeschoben Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 455 worden. Dadurch ist der größere Theil der neuen Epithelzellen (vgl. Fig. 1 e) in das Darmlumen gelangt. Fig. 4. Die in das Darmlumen beförderten jungen Zellen haben sich be- reits zu einem einschichtigen Palissadenepithel angeordnet. Die letzten dieser Zellen finden sich noch im Halse der flaschenförmigen Divertikel. Sie heben sich in tingirten Präparaten von den jungen Zellen der rächsten Gene- ration (vgl. Fig. 15) durch dunklere Färbung ab. Die äußere Längsmusku- latur liegt schon wieder zwischen den Divertikeln. Bei diesem Schnitte, welcher durch den vorderen Theil des Mitteldarmes geführt wurde, ist der abgehobene Strang des alten Epithels nicht getroffen, weil dieser bald nach seiner Loslösung durch peristaltische Bewegungen des Darmes nach hinten ge- schoben, oft auch geknickt wird. Fig. 5. Die letzten Zellen, welche zur Auskleidung des Darmrohres be- stimmt sind, haben sich in der Divertikelmündung zu einem Pfropfen zu- sammengedrängt. Damit sind die Lumina der Divertikel wieder von dem eigentlichen Darmlumen abgesperrt. Das alte Epithel, welches allmählich resor- birt wird, ist auf diesem Schnitte getroffen. Fig. 6. Querschnitt durch den Mitteldarm von Hydrobius fuscipes (Imago). Die hier wiedergegebene Entwicklungsphase entspricht vollständig derjenigen von Hydrophilus in Fig. 5. Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Von Dr. Richard Hesse, Privatdocenten der Zoologie in Tübingen. (Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel XXIV. Die Beobachtungen, auf welche sich die folgenden Ausführungen sründen, wurden im Sommer dieses Jahres an der Zoologischen Station zu Neapel gemacht. Der Aufenthalt an dieser Pflegstätte unserer Wissenschaft wurde mir durch die Freigebigkeit der König]. Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ermöglicht. Ich benutze diese Gelegenheit, der hohen Akademie meinen tiefgefühlten Dank dafür auszusprechen. - Gelegentlich der Untersuchung eines jungen, noch ganz durch- sichtigen Amphioxus von etwa 1 cm Länge fiel es mir auf, dass die Pigmentanhäufungen im Rückenmark dieses Thieres aus einzelnen kleinen Pigmentflecken von etwa gleichem Umfang bestanden (Fig. 1). Nicht wenige von diesen zeigten eine deutlich halbmondförmige Ge- stalt, und ich wurde dadurch lebhaft an das Aussehen der Becher- augen bei den Turbellarien erinnert. Meine Vermuthung, es könnte sich Lier um ähnliche Organe handeln, wurde nur noch gestärkt, als ich eine bestimmte Anordnung dieser Haufen von Pigmentflecken er- kannte, in offenbarem Zusammenhange mit der Segmentirung. Die nähere Untersuchung dieser Gebilde auf Schnittreihen zeigte denn auch, dass meine Annahme richtig war: jeder einzelne Pigment- fleck stellt eine Pigmentschale aar, und in der Höhlung dieser Schale liegt stets eine Zelle, die sich nach der entgegengesetzten Seite in Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. IV. 457 einen Nerven auszieht, ganz wie bei Planaria torva. Die Pigment- schalen selbst sind von wechselnder Gestalt und zeigen sich dem Be- schauer außerdem in sehr wechselnder Lage; daraus erklärt sich ihr ungleiches Aussehen. Die Pigmentflecke im Rückenmark sind schon lange- bekannt; aber nur wenige Forscher haben ihnen genaue Beachtung geschenkt. Goopsır’s (1) falsche Ansicht, dass ein Streifen schwarzen Pigments längs der Mitte der oberen Fläche des Rückenmarks verlaufe, wurde von JOHANNES MÜLLER (5) richtig gestellt. — STIEDA (12) sagt, die »Pigmentzellen« seien »beim lebenden Amphi- oxus ohne Zweifel« sternförmig; diese Angabe beruht aber, wenn ich den Text riehtig deute, nur auf einem Schluss, nicht auf Beobachtung; an Chromsäure- präparaten fand er die Zellen »immer rundlich, selten eckig<«; er hält sie für bindegewebig. — NüÜssLın (8) macht die Bemerkung, dass das Pigment hier sehr oft auf dem optischen Querschnitte halbmondförmig erscheine, >wohl desswegen, weil es in der bindegewebigen Umhüllung von Ganglienzellen ge- legen ist«. — Eine genauere Beachtung hat zuerst RoHon (11) diesen Pig- mentflecken geschenkt. Er untersuchte sie auf Zupfpräparaten, und kam zu der Ansicht, dass hier multipolare pigmentirte Zellen vorliegen, mit einer An- zahl feiner zerbrechlicher und einem dickeren Fortsatz; der unpigmentirte Kern sollte als lichter Hof in den Zellen hervortreten. RoHoN hatte offenbar die ganzen Becheraugen vor sich, hielt Pigmentbecher und Sehzelle zusammen für eine Zelle, und sah den Nervenfortsatz der Sehzelle als Hauptfortsatz dieser Zelle an. Das Bild auf Schnittpräparaten, wo das Pigment die Zelle nur ober- flächlich umgiebt, schreibt er dem Einfluss der Reagentien zu. Er hält diese pigmentirten Zellen für Ganglienzellen, aus denen ein Theil der vorderen 'Spinalnervenwurzeln entspringen soll. — KRAUSE (4) verlegt das Pigment in die Epithelzellen des Centralkanals und glaubt in ihm eine chemische Grund- lage für die Lichtwahrnehmung (»Sehblau«) sehen zu dürfen, weil es sich in Kalilauge mit blauer Farbe löst. — Rerzıus (9) endlich glaubt zwei Arten solcher pigmentirter Zellen unterscheiden zu können: die einen senden ge- wöhnlich nach allen Richtungen feine schmale Fortsätze aus, die sich bald verlieren; die anderen lassen nur auf einer Seite des Zellkörpers einen oder zwei Fortsätze abgehen, die sich longitudinal umbiegen und weiter verlaufen. Die letzteren Zellen seien nervöser Natur. Ich kann in meinen Präparaten nichts entdecken, was zu einer solchen Unterscheidung veranlassen könnte. Technisches: Die untersuchten Thiere waren in Sublimat oder Subli- mat-Eisessig nach LAnG konservirt. Bezüglich der Färbung erhielt ich die besten Resultate mit der Eisen-Hämatoxylinfärbung nach BenpA’s Vorschrift. Die Vertheilung dieser Becheraugen, wie ich sie gleich nennen will, ist bei allen Exemplaren von Amphioxus, die ich unter- sucht habe, die gleiche. Sie liegen zu beiden Seiten und ventral vom Centralkanal des Rückenmarks, wie man auf Querschnitten (Fig. 3) sehen kann. In der Längsrichtung des Thieres sind sie zu Gruppen geordnet, die der Segmentirung entsprechen: sie beginnen in der Höhe des dritten Muskelsegments; diese erste segmentale Gruppe besteht jederseits aus nur zwei Augen (Fig. 2). Vom vierten Segment 458 Richard Hesse, ab sind die Augen viel zahlreicher, und es liegen in einer Gruppe jederseits etwa 25 Augen. Nach der Mitte zu nimmt die Zahl mehr und mehr ab und ist in der hinteren Körperhälfte viel geringer als in der vorderen; gegen das Schwanzende hin findet man häufig nur ein Auge in einem Segment, öfters gar keines. — Die segmentalen Gruppen sind durch Zwischenräume von einander getrennt, und bei jungen Thieren von etwa 1 em Länge sind die Becheraugen eines Segmentes nochmals in zwei Abtheilungen geschieden, so dass dort zwei Gruppen auf den Raum eines Segmentes kommen (Fig. 1). Bei jungen Thieren ist die Zahl der Augen für ein Segment geringer als bei erwachsenen. Sehr bemerkenswerth ist es, dass die Verschiebung der Seg- mente der rechten gegen die der linken Seite auch in der Anordnung der Augen ihren Ausdruck findet. Die Segmente der rechten Körper- nälfte sind gegen die der linken etwa um die Länge eines halben Seg- mentes nach hinten gerückt, und dem entsprechend liegt das vordere Auge der ersten rechten Augengruppe etwa in gleicher Höhe mit dem zweiten Auge der linken Gruppe, und auch die übrigen Augen- gruppen sind entsprechend gegen einander verschoben. Fig. 2 zeigt dieses Verhältnis für das 3., 4. und 5. Segment. Verfolgt man die Anordnung der Augen auf Querschnitten, so fällt es auf, dass die unter dem Centralkanal gelegenen Becheraugen stets nach unten sehen; die der linken Seite kehren ihre Becher- öffnung nach oben, die der rechten Seite nach unter (Fig. 3, 4a und 45). Während aber die Pigmentbecher der ersteren symme- trisch gebaut sind, ist bei denen der seitlich vom Centralkanal ge- legenen Augen die eine Becherwandung höher als die andere, und zwar jedes Mal die der linken Seite zugekehrte, also bei den linken Becheraugen die äußere, bei den rechten die innere; daher ist die Öffnung des Pigmentbechers bei den linken nach rechts oben, bei den rechten nach rechts unten gerichtet. Auch ein horizontaler Längsschnitt (Fig. 7) zeigt, wie sehr die Richtung der Augen nach rechts überwiegt. Ausnahmslos ist diese Art der Anordnung frei- lich nicht; es finden sich auch nach links hin geöffnete Augen; doch ist ihre Zahl nicht beträchtlich; gleich im 3. Segmente fand ich die Augen beiderseits nach außen und genau seitlich gerichtet. — Liegen auf einem Querschnitt zwei Becheraugen auf einer Seite neben einander (Fig. 4a und 5), so liegt stets das proximale mehr gegen die Bauchseite zu. Aus all diesen Verhältnissen geht hervor, dass die Augen für eine Beleuchtung von der rechten Seite her Unters. über die Organe der Licehtempfindung bei nied. Thieren. IV. 459 eingerichtet sind. Lichtstrahlen, die das Thier von der linken Seite treffen, müssen für viel weniger Sehzellen wahrnehmbar sein; von den meisten werden sie durch die links on höheren Pig- mentwände des Bechers abgehalten. Sicherlich ist es höchst merkwürdig, dass bei einer allgemeinen Symmetrie in der Lage der Becheraugen — zu beiden Seiten und unterhalb des Centralkanals — durch die .Anordnung der Blend- vorrichtungen eine Asymmetrie herbeigeführt wird derart, dass die eine Seite für die Lichtwahrnehmung besonders begünstigt wird. Es drängt sich der Gedanke auf, diese Asymmetrie sei eine Folge davon, dass der Amphioxus, wenn er auf dem Sande ruht, stets auf einer Seite liege, in diesem Falle also auf der linken. Die Wande- rung der Augen bei den Schollen wird ja durch die gleiche Ursache veranlasst. Die Zählungen jedoch, die Herr Dr. List in Neapel freundlichst für mich ausführte, bestätigen diese Annahme nicht; er fand, dass bei den Thieren, die über Nacht in einem Becken unter- gebracht waren, 33 auf der rechten, 27 auf der linken Seite lagen; andere Zählungen ergaben 11 auf der rechten und 11 auf der linken oder 13 auf der rechten und 14 auf der linken Seite. Es wird also keine Seite vor der anderen bevorzugt. — Ein Zusammenhang zwischen der asymmetrischen Anordnung der Augen und den Lebensgewohn- heiten lässt sich also beim Amphioxus vorerst nicht erkennen. Die unverändert symmetrische Lage der unter dem Central- kanal gelegenen Augen muss zunächst überraschen. Doch wird sie erklärlich dadurch, dass für diese Augen eine besondere Verwendung wahrscheinlich ist: wenn der Amphioxus im Sande vergraben liegt, kehrt er die Bauchseite mit dem ventral gelegenen Munde nach oben. Einmal wird nun durch dünne Lagen von Sand das Licht eindringen; dann aber streckt auch das Thier sein Vorderende bisweilen etwas aus dem Sande hervor, wie ich wenigstens an den in einem Gefäße gehaltenen Stücken beobachten konnte. Bei dieser Lage mit aufwärts gekehrter Bauchfläche werden die iventrad gerichteten Augen voll vom Lichte getroffen. Eine genaue histologische Untersuchung der Pigmentbecher ‚und der zugehörigen Sehzellen zeigt Folgendes: der Pigmentbecher besteht, wie bei vielen Planarien, aus einer Zelle; diese ist schalen- förmisg gewölbt und ihr ganzer Körper ist dieht mit schwarzbraunen Körnchen erfüllt. Der Kern ist nicht immer deutlich zu sehen, doch beobachtete ich ihn hin und wieder (Fig 6 und 7 p%): er ist pigment- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIT. Bd. 30 460 ek Richard Hesse, frei, liegt an der konvexen Seite des Pigmentbechers und bewirkt dort eine geringe Vorwölbung des Zellrandes. | Die Sehzelle füllt mit ihrem einen Theil den Hohlraum der Pigmentschale aus; der andere Theil liegt außerhalb der Schale. Der erstere entspricht in seiner Gestalt den Formen der Pigmentschale. Der letztere stellt etwa einen geraden oder schiefen Kegel vor und zieht sich in einen Nervenfortsatz aus, der sich häufig eine Strecke weit zwischen die Fasern des Rückenmarks verfolgen lässt; außer- dem erscheinen hier vereinzelt am Zellkörper Zacken oder Ecken, und man könnte vermuthen, dass von diesen feine Fasern ausgingen wie bei multipolaren Ganglienzellen; doch konnte ich nie solche Fortsätze mit Sicherheit beobachten. In dem außerhalb des Pig- mentbechers gelegenen Abschnitt liegt auch der mittelgroße kuglige Zellkern, meist nahe an der Abgangsstelle des Nervenfortsatzes. So weit die Sehzelle vom Pigmentbecher umschlossen ist, erscheint ihr Rand auf Schnitten dunkler gefärbt; bei genauem Zusehen er- sjebt sich, dass hier das Plasma in kleinen Stiftehen angeordnet ist, die dicht neben einander senkrecht zur Zelloberfläche stehen; hier und da kann man auch sehen, dass die Stiftchen sich in ein feinstes Fäserchen fortsetzen, das sich aber schnell im Fasergewirr des Zellleibes verliert. Dieser Stiftehensaum schließt sich nicht eng an die Wand des Pigmentbechers an, es findet sich vielmehr stets ein schmaler heller Zwischenraum zwischen beiden, und dieser erscheint nicht selten ausgefüllt mit feinen hellen Fäserchen, die in der Verlängerung der Stiftehen zu stehen scheinen. Es wäre nicht un- denkbar, dass dieser Raum durch Schrumpfung der Sehzelle ent- standen ist, und dass die Fäserchen dann auch nichts weiter als Kunstprodukte wären. Jedoch Bilder, wie das in Fig. 85 wieder- gegebene, sprechen wohl gegen diese Auffassung; denn wäre der gleichmäßig breite helle Raum an der Innenwand des Pigmentbechers durch Schrumpfung entstanden, so müsste der schmale, dem Becher- srund zunächst gelegene Theil der Sehzelle verhältnismäßig viel mehr geschrumpft sein als der breitere, der nahe der Becheröffnung liest, und das ist unwahrscheinlich. Maße: Die Becheröffnung eines Auges aus dem dritten Segment misst im Lichten 14,5 u, die Tiefe des Bechers beträgt 6 «u, der Durchmesser des Kernes 5,3 u. Bei den unter dem Centralkanal des Rückenmarks gelegenen Augen sind die Ausmaße des Pigmentbechers noch ein wenig größer. Die eben beschriebenen Organe gleichen ihrem Bau nach durch- aus den Augen von Planaria torva: eine nach der einen Seite in Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. IV. 461 einen Nervenfortsatz ausgezogene Zelle ist mit ihrem anderen Theile in einem einzelligen Pigmentbecher geborgen; sie trägt, so weit sie im Pigmentbecher steckt, einen Stiftchensaum. Wenn hier die Stiftehen, wie es scheint, noch in ein helles Fäserchen verlängert sind, so ließe sich das mit den Verhältnissen bei Drepanophorus vergleichen, wo die stark färbbaren »inneren Stiftehen« sich ebenfalls noch in helle äußere Stiftehen« fortsetzen, wie ich (2) es beschrieben habe. Man kann bei so weitgehender Ähnlichkeit im Bau unbedenk- lieh die gleiche Funktion für beide Organe annehmen, und so die »Pigmentflecken« im Rückenmark von Amphioxus für Becheraugen erklären. Dies um so mehr, als Augen von ähnlichem Bau außer- ordentlich weit verbreitet in der Thierreihe vorkommen: sie finden sich außer bei den Plathelminthen auch im Gehirn und unter der Epidermis zahlreicher Polychäten und bei den Trochophoralarven; wahrscheinlich sind auch die Augen der Räderthiere und Nematoden hierher zu rechnen. Der Pigmentfleck, der am Vorderende des centralen Nervensystems des Amphioxus gelegen ist, wurde früher vielfach als Auge angesehen, und auch jetzt noch findet sich diese Angabe in den Lehrbüchern. Doch ist durch Nüsstın (8), RoHon (11) und Konr (3) die Unhaltbarkeit einer solchen An- nahme zur Genüge dargethan. Ein Gebilde, das sich mit einem Becherauge vergleichen ließe, konnte ich an dieser Stelle nicht finden. Die physiologischen Versuche über die Lichtempfindlichkeit von Amphioxus können die obigen Ergebnisse der morphologischen Unter- suchung nur bestätigen. Solche Versuche wurden zunächst von NüssLın (8) und Anderen vorgenommen; die zahlreichsten hat NAGEL (7) angestellt, und ich bin bei meiner Nachuntersuchung fast in allen Punkten zu den gleichen Ergebnissen gekommen. Wenn man ein Gefäß, in dem sich eine Anzahl Amphioxus befinden, durch einen undurchsichtigen Deckel verdunkelt und nach einiger Zeit den Deckel abhebt, so dass das diffuse Tageslicht auf die Thiere einwirkt, so fahren diese unter heftiger Bewegung aus ihrer Ruhelage auf und schwimmen lebhaft herum; Kontrollversuche zeigen, dass dies nicht etwa durch eine Erschütterung bewirkt wird. Daraus geht sicher hervor, dass Amphioxus überhaupt lichtempfindlich ist. Dieselbe Wirkung tritt ein, wenn man den beschriebenen Versuch mit Thieren macht, denen das Vorderende einige Millimeter weit abgeschnitten ist; es muss sich also in dem kopflosen Rumpf noch Lichtwahr- nehmung finden. NAGEL giebt ferner an, dass von halbirten Lanzett- fischcehen beide Hälften noch prompt auf Lichtreiz reagiren. Bei 30* 462 Richard Hesse, meinen Versuchen sah ich nur die Vorderenden bei Belichtung _ krampfhafte zitternde Bewegungen ausführen, die Hinterenden da- segen blieben ruhig liegen. Es liegt mir fern, auf Grund hiervon NAGEL’s Angabe zu bezweifeln; kleine Ungleichheiten, etwa in der Frische der verwendeten Thiere, können die Verschiedenheit des Er- folges bewirkt haben. Jedenfalls geht aus meinen Versuchen hervor, dass bei den hinteren Hälften die Reaktion auf Lichtreiz viel schwächer sein muss. Alle diese Versuche finden in den angeführten morphologischen Befunden ihre hinreichende Erklärung, der letztere speciell darin, dass in der hinteren Hälfte des Thieres die Zahl der Augenpunkte bei Weitem geringer ist als in der vorderen. Mit der Auffindung von Becheraugen im Rückenmark von Am- phioxus sind natürlich alle früheren Hypothesen über das Zustande- kommen der Lichtempfindung bei diesem Thiere hinfällig geworden: NüssLin’s (8) mit viel Zurückhaltung vorgetragene Ansicht, »dass wir in dem differenzirten Nervenendapparat der Kopfflosse den Sitz für die... Lichtempfindung zu suchen haben«, besteht eben so wenig zu Recht, wie W. Krause’s (4) allzu kühne Hypothese, dass der »in den Epithelien des Centralkanals« enthaltene Farbstoff ein » Seh- blau« vorstelle, oder wie NAger’s (7) Panacee, die Annahme von Wechselsinnesorganen. Freilich ist mit unserem Befunde auch die Hoffnung geschwun- den, beim Amphioxus ein Sehorgan zu entdecken, das sich mit dem Wirbelthierauge homologisiren ließe. Eine phylogenetische Bedeu- tung dieser Becheraugen lässt sich einstweilen nicht erkennen. Jeden- falls ist es von Interesse, dass die Sehorgane bei diesem Thiere im centralen Nervensystem liegen, wo sie bei den Vorfahren der Verte- braten auch gelegen haben müssen. Die weite Verbreitung dieser Art von Becheraugen, wie wir sie hier finden, regt allerdings zu mancherlei Überlegungen an; ich muss mir dieselben aber bis zum Schlusskapitel dieser Aufsatzreihe aufsparen !. 1 Ich möchte nicht versäumen, ein Versehen gut zu machen, das mir im dritten Theile dieser Reihe von Untersuchungen (Über die Augen der Hiru- dineen, diese Zeitschr. Bd. LXII, 1897) untergelaufen ist. Ich habe dort über- sehen, dass APATHY in seinem Vortrag auf dem Leydener Zoologenkongress (Compte rendu dieses Kongresses p. 132 ff.) die nervöse Natur der »großen hellen Zellen« des Hirudineenauges in zweifelloser Weise dargethan hat; er giebt dort zugleich Andeutungen über den feineren Bau dieser Zellen, insbesondere über das Verhalten der »nervösen Primitivfibrillen< in denselben, die weit über das hinausgehen, was ich über die Histologie dieser Gebilde beibringen konnte. Do - 159) m Ir Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. IV. 463 Verzeichnis der angeführten Werke, J. GOODSIR, On the Anatomy of Amphioxus lanceolatus. in: Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XV, pars I. 1841, R. Hesse, Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei nie- deren Thieren. II. Die Augen der Plathelminthen. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1897. €. Konut, Einige Bemerkungen über Sinnesorgane des Amphioxus lanceo- latus. in: Zool. Anzeiger, 13. Jahrg. 1890. Nr. 332. W. Krause, Die Retina. II. Die Retina der Fische. — Amphioxus lan- ceolatus. in: Internat. Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. Bd. V. 1888. Jos. MÜLLER, Über den Bau und die Lebenserscheinungen des Branchio- stoma lubrieum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. in: Abhand- lungen der königl. Akad. der Wissensch. zu Berlin, aus dem Jahre 1842. W. MÜLLER, Über die Stammesentwicklung des Sehorgans der Wirbelthiere. in: Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe für C. Lupwig. 1874. W. NAGEL, Der Lichtsinn augenloser Thiere. 1896. O0. NüssLın, Zur Kritik des Amphioxusauges. Diss. Tübingen 1877. G. Retzıus, Biologische Untersuchungen. Neue Folge. Bd. II. 1891. E. RoupE, Histologische Untersuchungen über das Nervensystem von Amphioxus lanceolatus. in: Zoolog. Beiträge, herausg. von SCHNEIDER. Bd. I. 11. J. V. RoHoN, Untersuchungen über Amphioxus lanceolatus. in: Denk- schriften d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien 1882. 12. L. STIEDA, Studien über Amphioxus lanceolatus. in: M&moires de l’Acad. de St. Petersbourg. VII. Serie. Tome XIX. No. 7. 1873. Erklärung der Abbildungen. ch, Chorda dorsalis; r, rechts; ' ck, Centralkanal des Rückenmarks; rm, Rückenmark; h, hinten; sti, Stiftehenbesatz; l, links; v, VOLn; pk, Kern des Pigmentbechers; III, IV, V, 3., 4., 5. Muskelsegment. Tafel XXIV. Fig. 1. Pigmentflecke im Vorderende des Rückenmarks bei einem jungen (8 mm langen) Amphioxus, über und vor den Kiemenspalten. Vergr. 300fach. . Fig. 2. Horizontaler Längsschnitt durch das Vorderende eines erwachsenen 464 Richard Hesse, Unters. über die Organe der Lichtempfindung ete. IV. Amphioxus, das Rückenmark mit den Becheraugen im IIZ., IV. und V. Seg- ment zeigend. Aus einer Anzahl auf einander folgender Schnitte kombinirt. Vergr. 90fach. Fig. 3. Querschnitt durch das Rückenmark von Amphioxus, in der Gegend des fünften Segments. Vergr. 250fach. Fig. 4a und d. Theile eines Schnittes wie voriger, die Anordnung der Augen um den Centralkanal des Rückenmarks zeigend. Vergr. 350fach. Fig. 5. Unterer Theil eines dorsoventralen Längsschnittes durch das Rückenmark von Amphioxus, seitlich vom Centralkanal. Vergr. 350fach. Fig. 6. Unterer Theil eines dorsoventralen Längsschnittes durch das Rückenmark von Amphioxus, den Centralkanal treffend. Vergr. 350fach. Fig. 7. Horizontaler Längsschnitt durch das Rückenmark von Amphi- oxus, den Centralkanal und die seitlich von ihm gelegenen Augen zeigend. Vergr. 400fach. Fig. 8a und 5b. Schnitte durch Augen von Amphioxus lanceolatus; «a, durch ein unter dem Centralkanal gelegenes, 5, durch ein seitlich vom Centralkanal zelegenes Auge. Vergr. S00fach. Zur Systematik der Hydroiden. Von | Kristine Bonnevie Christiania. Mit Tafel XXV—XXVII und einer Figur im Text. Im Sommer 1896 wurde mir aufgetragen das Material von Hy- droiden zu untersuchen, welches von der norwegischen Nordmeer- Expedition heimgebracht war. Diese Untersuchung ist jetzt in Betreff der athekaten Hydroiden zu Ende gebracht worden. Zum Vergleich und zur Hilfe bei der Bestimmung ist mir von Prof. CoLLETT die Samm- lung von Hydroiden, die der Universität in Christiania gehört, über- lassen worden, und ich habe theils in dieser, theils und besonders unter den Hydroiden der Nordmeer-Expedition Arten gefunden, die früher nicht beschrieben sind. Einige derselben besitzen Eigenthümlich- keiten, welche von Bedeutung für die Systematik der Hydroiden sind, und ich halte es desshalb für geboten, eine vorläufige Mittheilung über diese neuen athekaten Hydroiden zu geben, noch ehe der gesammte Bericht über die Hydroiden der Nordmeer-Expedition vorliegt. Ehe ich zur Beschreibung der Arten übergehe, schicke ich einige Bemerkungen über die Systematik der Hydroiden und über das Prineip, das ich bei der Darstellung zu befolgen für geboten erachte, voraus. Ein ganz genügendes System der Hydromedusen ist wohl kaum aufstellbar, so lange unsere Kenntnis vom Lebenscyklus der einzelnen Arten so unvollständig ist, wie es jetzt der Fall ist; denn wenn das System ein wirklich natürliches werden soll, das auf mehr als auf einzelne äußere Kennzeichen gebaut ist, so muss vor Allem Rück- sicht auf die komparative Anatomie gefordert werden, und es folgt - von selbst, dass eine solche schwerlich genommen werden kann, wenn man von vielen Arten nur die eine der zwei Formen, Polypen oder Meduse, worunter sie auftreten, kennt. Kristine Bonnevie, Die Aufgabe wird leichter bei denjenigen Arten, deren Gono- phoren sich nicht zu freien Medusen entwickeln, und es ist allmählich das Prineip bei den Klassifikationen geltend gemacht worden, dass in jeder größeren Gruppe eine scharfe Grenze gezogen wird zwi- schen solchen Arten, die sessile Gonophoren haben, und solchen, deren Gonosom eine freie Meduse ist. Aus dem Material, das ich für meine Untersuchung über die athekaten Hydroiden benutzt habe, habe ich einige neue Arten der Tubularidae und Corymorphidae gefunden und die Eigenthümlich- keiten dieser Arten liegen wesentlich im Bau der Gonophoren. Wenn ich sie mit den früher bekannten zusammenstelle, so zeigt es sich, dass es unter den Tubulariden Arten giebt, deren Gonosome sind: 1) Gonophor ohne Radialkanäle, 2) Gonophor mit einem, zwei, vier oder mit einer variirenden Anzahl von Radial- kanälen, 3) freie Medusen mit vier Radialkanälen und einem Ten- takel und 4) freie Medusen mit vier Radialkanälen und vier Ten- takeln. Unter den Corymorphidae giebt es Arten, deren Gonosome sind: 1) eine einfache Ausstülpung des Ektoderms und Entoderms, 2) eine neue Form von Gonophoren, wo die Generationselemente von einer ektodermalen und entodermalen Zellenschicht bedeckt sind, 3) ge- wöhnliche Gonophoren mit vier rudimentären Radialkanälen, 4) eine vollentwickelte Meduse, die sich nicht losreißt, 5) eine freie Meduse mit vier Radialkanälen und einem Tentakel und 6) eine freie Meduse mit vier Radialkanälen und vier Tentakeln. Dass es eine ganze Reihe verschiedener Formen von Gonophoren bei Arten giebt, deren Polypen sie unbedingt nahe zusammenstellen, deutet darauf hin, dass der Bau der Gonophoren nicht in erster Reihe zur Grundlage der Eintheilung gemacht werden kann. Es ist eine ganz willkürliche Grenze, die man zieht, wenn man eine eigene Familie aus den Arten bildet, welche freie Medusen haben, und alle die übrigen zu einer anderen zusammenrechnet. Von vergleichend-anatomischem Gesichtspunkte aus besteht kein srößerer Unterschied zwischen solch einer freien Meduse und einem medusoiden Gonophoren, dessen Gefäßsystem voll entwickelt ist, als zwischen diesem und einem solchen, der gar keine Radialkanäle besitzt. Acassız (1) hat dies gesehen und hat ein neues Genus für jede einzelne Form aufgestellt. AuLmAn (2) hat aber wieder dieselben zusammengestellt und nur den früher erwähnten Unterschied zwischen Zur Systematik der Hydroiden. 467 Hydroiden mit freien Medusen einerseits und Hydroiden mit sessilen Gonophoren andererseits beibehalten. . Später (4) hat Aruman die athekaten Hydroiden nach einem neuen Prineip eingetheilt, indem er in erster Reihe berücksichtigt, ob der Polyp allein oder in Kolonien vorkommt, und ob der Perisark von einer Coenosarkschicht bedeckt ist oder nicht. Diesen Ver- hältnissen gemäß theilt er sie in Legionen ein, die mehrere Familien umschließen. Innerhalb der Familien hat er zum Theil sein früheres Prineip verlassen, indem er z. B. Tubularia mit sessilen Gono- phoren und Hybocodon, deren Gonophore sich zu freien Medusen entwickeln, zu einer Familie, den Tubularidae, vereinigt. Dieses sein neues System ist meiner Meinung nach keine Ver- besserung in der Klassifikation der Hydroiden; es bringt sehr nahe- stehende Arten, wie z. B. Tubularia und Corymorpha in verschie- dene Legionen, während Arten, die so verschieden sind wie Clava, Coryne, Eudendrium und Tubularia zu einer gerechnet werden. LEvInsen (7) hat Einwendungen gegen ALLMAN’s System ge- macht und hat in Betreff der athekaten Hydroiden alle diejenigen, deren Tentakel in einem Kreise stehen, zu einer Familie, den Bougain- villidae, zusammengerechnet ohne Rücksicht auf ihre Gonophoren zu nehmen. Nach meiner früheren Erwähnung über den Bau der Gonophoren bei einander nahestehenden Polypen halte ich es für zweckmäßig in der Systematik der Hydroiden das Princip durchzuführen, welches LEVINSEN schon eingeführt hat, nämlich, dass man bei der grundlegenden Gruppirung in Familien ausschließlich auf die Form der Polypen Rücksicht nimmt. Dann kommt, in zweiter Reihe, bei der Eintheilung in Genera, der Bau des Gono- soms in Betracht — aber nicht in der Weise, dass die freien Medusen von den sessilen getrennt werden, sondern dass man die Formen zu verschiedenen Genera sondert, deren Gonophoren ihrer Anlage und ihrem inneren Baue nach verschieden sind, so z. B. Sporosac und Medusoid. Wenn ich jetzt dazu übergehe die bisher unbekannten Arten, die sich in meinem Materiale vorfanden, zu beschreiben, so geschieht das in dem Bewusstsein, dass die Beschreibung der verschiedenen Arten nicht gleich umfassend, und dass sie bei mehreren Arten leider ziemlich mangelhaft ist. Ich habe nämlich öfters nur ein Exemplar zur Verfügung gehabt, und dies oft sehr schlecht konservirt, und ich habe bei der Untersuchung jeder Art so viel oder so wenig 468 Kristine Bonnevie, mitgenommen, als es mir zu beobachten möglich war, ohne einen bestimmten Plan durchzuführen. | Die neuen Arten der Nordmeer-Expedition werden im Bericht über die Hydroiden derselben eingehender behandelt. Verzeichnis über die unten beschriebenen neuen Genera und Species: Fam. Tubularidae. Gen. Tubularia Lin. Gen. Lampra n. gen. T. variabilis n. sp. L. Sarsii n. sp. T. asymmetrica n. sp. L. purpurea n. sp. T. obliqua n. sp. L. atlantica n. sp. T. eornucopia n. Sp. Gen. Gymnogonos n. gen. G. erassicornis n. Sp. Fam. Bougainvillidae. Gen. Eudendrium Ehrh. H. allmanii n. sp. E. stratum n. sp. H. ornata n. sp. E. planum n. sp. H. humilis n. sp. Gen. Hydractinia v. Ben. H. minuta n. sp. Fam. Myriothelidae. Gen. Myriothela Sars. M. mitra n. sp. M. verrucosa n. Sp. M. minuta n. sp. M. gigantea n. Sp. Fam. Corynidae. Gen. Coryne Gaertn. ©. hincksii n. sp. ©. longicornis n. Sp. Ich habe mir erlaubt einige dieser Arten nach den Professoren ALLMAN, HIncKs und SArs zu benennen, deren ausgezeichnete Arbei- ten über die Hydroiden Jedem, welcher sich mit der Systematik dieser Gruppe zu befassen hat, von größtem Nutzen sind. Außer diesen neuen Arten erwähne ich noch folgende früher be- kannte Arten, zu deren Diagnosen ich einige Zusätze machen kann: Corymorpha glacialis Sars. Bougainvillia v. benedenii. C. sarsii Stenstr. (Syn. Eudendr. ramosum v. Ben.) Eudendrium annulatum Nor- Hydractina sarsii. man. Syn. Stylactis sarsii (Allm.). E. vaginatum Allm. Coryne ramosa Sars =(C. pu- silla Gaertner. Zur Systematik der Hydroiden. 469 Fam. Tubularidae. Athekate Hydroiden mit wohl entwickeltem Hydro- caulus, mit einem Perisark bekleidet. Der Hydranth hat fadenförmige Tentakel in zwei Kreisen. Die Gonosome haben ihren Ursprung vom Hydranthen und bilden einen Kreis zwischen den zwei Reihen von Tentakeln. Nach obenstehender Diagnose umfassen die Tubularidae folgende der früher aufgestellten Familien!: Tubularidae, Corymor- phidae und Monocaulidae. Von diesen bleiben die zwei ersten als Genera bestehen, während die Monocaulidae unter der Gattung Cory- morpha rangiren. Zwei neue Genera habe ich für einige Arten aufgestellt, deren Gonophoren einen eigenthümlichen Bau besitzen. Dann enthält die Fam. Tubularidae vorläufig folgende vier Genera: Tubularia, Corymorpha, Lampra und Gymnogonos. Die drei ersten dieser Genera sind einander sehr ähnlich im Baue des Hydranthen, mit einem proximalen Kreis langer, einem distalen Kreis kurzer Tentakel und die Gonophoren in einem Kreis zwischen diesen angeordnet. Die Gonophoren treten in blasenähn- lichen Gruppen auf, rings um Stiele, die ganz dünn sind, oder ein größeres oder kleineres Lumen haben. Es zeigt sich durch das Vergleichen mit anderen Arten, dass diese Stiele der Gonophorenblasen umgebildete Blastostyle sind. Wenn man vom Blastostyl z. B. der Hydractinia ausgeht und dar- & E32 Y © a2 % % M S m Hydractinia. Myriothela. Lampra. Cory- Tubularia. morpha. auf die Gonophorengruppe der Myriothela, der Lampra, Cory- morpha und Tubularia betrachtet, so ergiebt sich deutlich, dass diese alle im Grunde dieselbe Bildung sind (siehe Fig. 1). ne In: derselben Bedeutung, die von ALLMAN in: »Rep. on the Hydroida dredged bv Challenger« angegeben ist. 470 Kristine Bonnevie, Das vierte Genus unterscheidet sich von den übrigen nicht allein durch den Bau der Gonophoren, sondern auch dadurch, dass diese ihren Ursprung vom Hydranthen selbst ohne irgend eine Blastostyl- bildung haben, und weiter noch durch einige eigenthümliche Organe, die sich am Übergang zwischen dem Hydranthen und Hydrocaulus vorfinden — Organe, die auch bei Corymorpha annulicornis Sars vorkommen, welche aber, wie bekannt, sonst niemals bei Hydroiden beobachtet worden sind. Die zwei ersten Genera, Tubularia und Corymorpha haben medusoide Gonophoren, welche bei einigen Arten sich zu freien Medusen entwickeln, während die Gonophoren der Genera Lampra und Gymnogonos von einer eigenthümlichen Form sind. Vergleicht man einen Querschnitt vom Gonophor einer Lampra- Art mit einem ähnlichen Schnitt von Gonophoren der Corymorpha gSlacialis oder irgend einer anderen Hydroide mit medusoiden Gonophoren, so sieht man gleich einen wesentlichen Unterschied. Durch Verfolgung der verschiedenen Zellenschiehten, die an einem solchen Schnitt sichtbar sind, von innen nach außen, sieht man bei Corymorpha glacialis: zu innerst eine entodermale Zellen- schicht (Spadix) von einem Kreise mit Generationselementen umgeben. Darauf, nach einem Zwischenraum, zuerst eine ekto- dermale Schicht, dann eine oder zwei entodermale Schichten mit oder ohne Radialkanälen und schließlich wieder eine ektoder- male Zellenschicht. Dagegen findet man an Querschnitten von Gonophoren der Lampra nur folgende Zellenschichten: zu innerst Entoderm, dann Generationselemente, darauf ohne Zwi- schenraum eine entodermale und eine ektodermale Zellen- schicht. Gonophoren mit einer ähnlichen Entwicklung kommen bei Myriothela vor, und ALLman (3) hat sie bei diesem Genus be- schrieben und abgebildet. Er rechnet sie zu den »simple sporo- sacs«. Sowohl ihrer Anlage als ihrem Baue nach scheiden sie sich aber von diesen. Angelegt werden sie auf dieselbe Weise wie die medusoiden Gonophoren unter Entwicklung eines »Glockenkerns«. Statt aber das Entoderm vor sich her zu schieben, wodurch dieses sich einbuchtet und in einer doppelten Schicht zwischen die zwei ektodermalen Schichten zu liegen kommt, wandert der Glocken- kern in das Entoderm hinein. Auf diese Weise bleibt nur eine einfache Schicht des Entoderms zwischen den Ektodermschichten liegen. Während die eingewanderten Ektodermzellen (der Glocken- kern) im medusoiden Gonophor sich in zwei Schichten spalten, Zur Systematik der Hydroiden. 471 von welchen die eine sich dicht an den Spadix anlegt und zum _ — Sitz der Generationselemente wird, während die andere die der - Subumbrella entsprechende Zellenschicht bildet, findet hier keine solche Spaltung statt; die eine Ektodermalschicht mit Generations- elementen füllt den ganzen Zwischenraum zwischen dem Spadix und der äußeren Wand des Gonophoren aus, und man findet in Folge dessen an Querschnitten die oben erwähnten Zellenschichten. Für Gonophoren dieses Baues schlage ich die Benennung pseu- domeduseid vor. Das vierte Genus Gymnogonos besitzt Gonophoren, die einen sehr primitiven Bau haben, denn sie bestehen nur in einer einfachen Ausbuchtung der ektodermalen und entodermalen Schichten des Hydranthen. Die Generationselemente werden hier im Ektoderm, wo sie ohne irgend eine andere Bedeckung als eine einfache Schicht Pflasterepithelzellen liegen, gebildet. Ich schlage für diese Form die Benennung styloide Gonophoren vor. Gen. Tubularia. Der Hydrocaulus mit cehitinösem Perisark bekleidet. Medusoide Gonophoren (theils freie Medusen) werden aus blasenähnlichen Blastostylen entwickelte Kommt in der Regel in Kolonien vor. Tubularia variabilis n. sp. (Taf. XXV, Fig. 12). Der Hydrocaulus besteht aus einer Vereinigung nicht ver- ästelter Tuben, die unten mit einander verflochten sind. Die Höhe ist ea. 15 cm, der Querschnitt der Tuben ist unten ca. 1 mm, wäh- rend sie am oberen Ende 2—3 mm im Querschnitt haben. Eine deutliche Längsstreifung wird an ihnen wahrgenommen. Ein Kragen wird am oberen Ende nicht gebildet. Die Hydrorhiza besteht aus einer verwickelten Masse stark verästelter Tuben. Der Hydranth hat ea. 30 proximale, 2 cm lange Tentakel, welche in einem Kreise stehen, während die distalen Tentakel in mehreren, nicht scharf ge- trennten Kreisen rings um den Mund aufsitzen. Dieselben sind ca. 3 mm lang. Gonophoren werden von .12—17 Blastostylen, die in einem Kreise oberhalb der proximalen Tentakel aufsitzen, entwickelt. Sie sind mit einer variirenden Anzahl von Radialkanälen und _ auswendig mit Rippen, die der Anzahl der Radialkanäle ent- sprechen, versehen. 472 Kristine Bonnevie, Diese Art ist ihrem ganzen Baue nach T. indivisa ähnlich, trennt sich aber scharf von dieser durch den Bau der Gono- phoren. Diese haben ein sehr eigenthümliches Aussehen, denn sie besitzen auswendig einige schmale, hohe Kämme oder Rippen, welche sich in die Längsrichtung des Gonophoren erstrecken und an Höhe gegen dessen Spitze hin zunehmen. Hier fallen sie rings um den Punkt, wo der Gonophor sich später eröffnen wird, ziemlich schroff ab. Bei Untersuchungen an Schnittserien zeigt sich, dass sich inner- halb jeder Rippe ein Radialkanal befindet, und dass die Rippen durch eine ektodermale Verdickung außerhalb jedes dieser Kanäle gebildet werden. Im Gegensatz zu allen früher bekannten Tubularien ist die Anzahl der Radialkanäle bei dieser Art varıabel; in der näm- lichen Gonophorenblase habe ich Gonophoren mit 3, 5 und 6 Ra- dialkanälen, und eben so vielen äußeren Rippen wahrgenommen. Von diesen waren die zwei Gonophoren, welche 3—6 Radial- kanäle hatten, ungefähr gleich groß, während derjenige, der ‘5 hatte, weiter entwickelt als diese zwei war. Es sieht also nicht so aus, als ob die Anzahl der Radialkanäle mit dem Alter der Gonophoren stiege. In jedem Gonophoren wird eine Actinula entwickelt. Diese Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 31. Juli 1878 in 74°2’ N.B. und 20° 30’ Ö.L. in einer Tiefe von 165 m mit Temperatur 0,9° C. und 14. August 1878 in 79°59' N.B. und 50° 40’ Ö.L. in einer Tiefe von 839 m mit Temperatur — 1°C. ge- funden. Tubularia asymmetriea n. sp. (Taf. XXV, Fig. 13—19). Der Hydrocaulus mit schwach ausgeprägter Längsstreifung; kein Kragen. Der Hydranth hat ca. 20 proximale, 3—4 cm lange Tentakel. Die distalen, 4—6 mm langen Tentakel stehen in mehre- ren Kreisen. Die Blastostyle, an Zahl S—16, sitzen in einem Kreise. Die Gonophoren haben drei rudimentäre Tentakel rings um die Öff- nung, welche eine schiefe Lage hat. Ein Radialkanal ist vollständig entwickelt, zwei andere rudimentär. Diese Tubularia ist wohl die größte der bisher bekannten Arten, und es muss wunderschön sein, sie im Leben ihre langen Tentakel ausbreiten und bewegen zu sehen. Die Exemplare, die Zur Systematik der Hydroiden. 473 ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, sind beide an Röd- bjerget im »Trondhjemsfjord« gefunden. Keines von ihnen ist sanz vollständig, da der Stiel oberhalb des Befestigungspunktes ab- gerissen ist, wesshalb ich nicht über seinen unteren Verlauf urtheilen kann. Der Stiel hat in seinem oberen Theil einen Durchmesser von ca. 2 mm und verschmälert sich nach unten bis 1 mm. Die Längs- streifung des Stieles ist sehr schwach; an einem Exemplare über- haupt nicht wahrnehmbar. Die Breite des Hydranthen ist an dem srößten Exemplare an der Basis etwa über 1 cm; die proximalen Tentakel sind im Verhältnis zu diesen Dimensionen des Hydranthen sehr lang, die Spannweite des Thieres beträgt über die ausgespannten Tentakel hin 7—9 em. Auch die distalen Tentakel besitzen eine außerordentliche Länge, da sie ca. !/; der ganzen Höhe des Hydran- then einnehmen. Die Blastostyle zeigen keine regelmäßige Anordnung der Gonophoren, wie dies der Fall bei den meisten anderen Tubu- larien ist. Man findet hier kleine und große Gonophoren unter einander vor, und immer kleine an der Basis der großen. Das am meisten charakteristische Merkmal dieser Art ist der Bau ihrer Gonophoren. Diese sind nämlich ganz schief. Unten — nahe am proximalen Ende des Gonophoren — stehen drei Tuberkeln, deren einer in der Regel die übrigen an Größe übertrifft, und man kann auch ohne Schwierigkeit einen ziemlich breiten Kanal beob- achten, der sich von den untersten dieser Tuberkeln gegen die Basis der Gonophoren erstreckt. Durch Untersuchungen an Schnittserien und besonders durch Vergleichung mit jungen Stadien der Gonophoren, ergiebt sich, dass diese eigenthümliche Bildung auf dieselbe Weise angelegt wird und den Radialkanälen und Tentakeln der Medusen voliständig entspricht. Die erste Entwicklung der Gonophoren geschieht vollständig normal, durch Glockenkern, welcher sich auf gewöhnliche Weise am distalen Ende bildet, und durch Anlage von drei Radialkanälen. Während der späteren Entwicklung aber geht das Wachsthum schief vor sich, so dass die drei rudimentären Tentakel ein wenig auf der einen Seite aufzusitzen kommen. Die männlichen Gonophoren, welche be- deutend kleiner sind als die weiblichen, halten sich auf diesem Stadium, während bei den letzteren die Schiefheit weit ausgeprägter wird, indem der Sitz der Tentakel in der proximalen Hälfte des Gonophoren sich befindet. Wie vorhin erwähnt, kann man schon von außen den einen Radialkanal wahrnehmen, und an Schnitten zeigt er eine ganz außer- 474 Kristine Bonnevie, ordentliche Entwicklung. Die zwei anderen dagegen, welche gleich- zeitig mit dem ersten angelegt wurden, verschwinden fast ganz während des Wachsthums des Gonophoren. Doch kann man sie an Schnitten sowohl dicht an den Tentakeln wie an der Basis des Gonophoren wahrnehmen. Eine andere Eigenthümlichkeit dieser Art ist, dass die zwei Geschlechter nicht nur in demselben Individuum, sondern auch in derselben Gonophorenblase vertreten sind. Die männlichen Gono- phoren sind kleiner und die Schiefheit ist bei ihnen nicht so ausge- prägt, wie bei den weiblichen Gonophoren, und alle drei Radialkanäle sind bei ersteren wenig hervortretend. Tubularia obliqua n. sp. Der Hydrocaulus besteht aus einer einfachen, ca. 15 em langen Tube, welche 1—1,5 mm im Durchmesser hat. Deutliche Längsstreifung; kein Kragen. Die Hydrorhiza verästelt. Der Hydranth hat ca. 20 proximale, 1 em lange, Tentakel. Distale Tentakel in mehreren dicht neben einander stehenden Kreisen. Gonophoren auf sechs Blastostylen, welche in einem Kreise aufsitzen und bis an die Spitze der distalen Tentakel hinanreichen. Ein Radialkanal ist im Gonophoren entwickelt, und endigt in einem Tentakel. Diese Tubularia lag in einem einzelnen Exemplare vor, welches bei Hammerfest während der Nordmeer-Expedition gefunden war. Der Stamm, der seine größte Dicke in der Mitte hat, ist mit Bryo- zoen und mehreren Arten kleinerer Hydroiden bewachsen; an den unbedeckten Stellen aber sieht man deutlich eine Längsstreifung. Die Gonophoren sitzen in dichten Blasen mit einer unregelmäßigen, etwas einseitigen Verästelung auf, und man nimmt gleich den einen kurzen und dieken Tentakel wahr, der ein wenig an der Seite des Gonophoren aufsitzt, doch immer nahe an der Spitze. Tubularia cornueopia n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 20). Der Hydrocaulus besteht aus einer einfachen, gebogenen, 11 bis 12 cm langen Röhre, welche am oberen Ende 6 mm im Durch- messer hat und sich nach unten in eine feine Spitze verengt, mittels welcher die Röhre am Boden befestigt ist. Weder Ringe noch Strei- fung. Ein großer Kragen wird unter dem Hydranthen, welcher ca. 30 proximale, 3 cm lange, in einem Kreise angeordnete Tentakel besitzt, gebildet. Der Durchmesser des Hydranthen ist am größten ee A Zur Systematik der Hydroiden. 475 an der Mundöffnung, welche von ganz kurzen, distalen Tentakeln umgeben ist. Gonophoren auf ca. 12 eigenthümlich gebildeten Blastostylen sitzen in einem dichten Kreise innerhalb der proximalen Tentakel. Zwei Exemplare dieser Art lagen aus dem Materiale der Nordmeer- Expedition vor. Ihr Aussehen ist so eigenthümlich, und sie unter- scheiden sich in so vielen Punkten von den übrigen Tubulariden, dass sie möglicherweise berechtigt wären, eine Sonderstellung im System einzunehmen; da aber die Gonophoren nur als Anlage bei den zwei vorhandenen Exemplaren vorliegen, und man nichts über ihre weitere Entwicklung weiß, halte ich es für zweckmäßig, vor- läufig diese neue Art den anderen Tubularien beizufügen. Der Hydrocaulus ist blank und hornartig; er besitzt. am oberen Ende eine ziemliche Breite und endigt in einer Spitze, vermittels welcher er an der Unterlage befestigt ist. Oben endigt dies hornartige Rohr in einem dicken, 1 cm langen, durchscheinenden Kragen; und vom Boden dieses becherförmigen Kragens erhebt sich der Coenosark ohne irgend eine Bedeckung. Es ist ein scharfer Übergang zwischen diesem und dem Hydran- then, welcher in seiner Gestalt von den übrigen Tubularien ab- weicht. Statt wie bei den übrigen seine größte Breite in der Nähe der Basis zu baben, wo die proximalen Tentakel ihren Ursprung nehmen, erweitert er sich von hier immer mehr, bis sein Durch- messer zwischen den distalen Tentakeln ca. 1 cm erhält. Gerade innerhalb der proximalen Tentakel sitzt ein Kreis von kurzen Blastostylen, der so dicht ist, dass er wie ein Wulst mit sleichmäßiger Oberfläche aussieht. Die Blastostyle haben vier bis fünf kleine Zweige, deren jeder einzelne sich zu einem halbkugel- förmigen Körperchen ausbreitet, welches an seiner Oberfläche eine Menge kleiner Erhebungen trägt. Durch Untersuchung an Schnitten zeist sich, dass jede dieser Erhebungen die Anlage eines Gono- phoren ist. Sie stehen wie in einem Schirme, denn sie entspringen alle von demselben Punkte als Verzweigungen des gemeinsamen Stammes. Das kompakte Aussehen bekommt der Schirm dadurch, dass sich das Ektoderm verdichtet und den Raum zwischen den Zweigen ausfüllt, wodurch die Gonophoren als kleine Erhebungen aus diesem Ektodermkissen emporragen. Fast alle Gonophoren bei _ den von mir untersuchten Exemplaren sind sehr wenig entwickelt — zeigen sich nur als eine einfache Ausbuchtung des Entoderms und Ektoderms. Doch giebt es einige, deren Entwicklung weiter vor- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 31 476 Kristine Bonnevie, gerückt ist; an diesen sieht man die Anlage des Glockenkerns, die in gewöhnlicher Weise geschieht. Prof. Sars hat während der Nordmeer-Expedition diese Hydroide nach einem lebenden Exemplar abgebildet; seiner Zeichnung nach ist die Farbe des Stammes ziemlich stark gelb, während der Hy- dranth tief roth ist. Diese Art wurde östlich von Spitzbergen ann den 10. Au- gust 1878 in 77°58’ N.B. und 5° 10° Ö.L. in einer Tiefe von 2438 m. mit Temperatur — 1,4° C. Gen. Corymorpha. Der Hydrocaulus von einem membranartigen Perisark bedeckt, dessen proximales Ende mit Haftfäden besetzt ist. Medusoide Gonophoren werden aus blasenförmigen Blastostylen entwickelt: Kommt einzeln vor. Neue Arten dieser Gattung kommen in meinem Material nicht vor. Ich habe aber Gelegenheit gehabt die Originalexemplare für M. Sars’ Beschreibungen der Cor. glacialis und Cor. sarsii, sammt mehreren Exemplaren dieser Arten zu beobachten, Thieren, welche später von den Professoren M. und G. O. Sars gefunden sind, die sie aber wahrscheinlich nicht untersucht haben; ich werde desshalb die früheren Beschreibungen davon mit einigen Bemerkungen ergänzen. Durch Untersuchungen an Schnitten durch Gonophoren bei Corymorpha glacialis fand ich, dass bei ihnen vier Radial- kanäle angelegt sind, deren-Lumen so verengt ist, dass es sehr schwer ist sie durch Untersuchungen der Gonophoren von außen her zu beobachten. Corymorpha sarsii Stenstr. besitzt Gonophoren, die eine interessante Übergangsform zwischen den gewöhnlichen, sessilen Gonophoren und den freien Medusen bilden. In Aurmans Dia- snose (2) dieser Art lässt er sie freie Medusen haben und es sieht so aus, als ob dies auch Sars’ Meinung wäre, obgleich er nie Gelegen- heit gehabt hat das Losreißen einer Meduse zu beobachten, M. Sars hat Exemplare aus verschiedenen Entwicklungsstufen untersucht, und er zeigt, wie das Manubrium während der Entwick- lung verhältnismäßig stärker wächst als die Glocke und bei dem größten von ihm untersuchten Exemplare gerade an den Rand der Glocke reicht. Noch größere Exemplare wurden im Sommer 1866 von G. O. Sars beobachtet, und M. Sars beschrieb deren Manubrium - Zur Systematik der Hydroiden. 477 als etwas länger als die Glocke, mit Eiern und Sperma in seinen Wänden. Schließlich sagt er: »Although, according to these obser- vations, some doubt might be entertained as to the gonozoids of the ©. Sarsii ever becoming detached, seeing that they already produce ova and sperm while still attached to the parent animal yet their complete and medusa-like structure seems on the other hand to warrant the inference that they do really at last detach themselves from the parent animal and become free medusae.« Unter den vielen Exemplaren, die G. O. Sars bei Skraaven in Lofoten 1866 fand, habe ich einige gesehen, aus denen bestimmt zu schließen war, dass die Medusen sich nie losreißen werden. Bei ihnen hat das Manubrium eine Länge, welche wenigstens drei- mal so groß als diejenige der Glocke ist. Zu gleicher Zeit breitet es sich auch oberhalb des Randes der Glocke aus und drückt diese dadurch so zusammen, dass jede freie Bewegung der Glocke aus- seschlossen scheint. Letztere besitzt zahlreiche Querstreifen; ihre Zellstruktur ist sehr undeutlich, und es scheint überhaupt, als ob sie ihrer Auflösung entgegenginge, während das Manubrium eben seine volle Entwicklung mit reifen, in seinen Wänden eingeschlos- senen Generationselementen erreicht hat. Bei den Weibchen hat das Manubrium eine sehr unregelmäßige Form, weil die Eier sich als srößere oder kleinere Erhebungen an seiner Oberfläche zeigen. Lampra n. gen. Der Hydrocaulus ist mit einem membranartigen Peri- sark bekleidet, dessen proximaler Theil mit Haftfäden besetzt ist; pseudomedusoide Gonophoren werden aus blasenförmigen Blastostylen entwickelt. Kommt einzeln vor. Einige Corymorpha-ähnliche Arten, die während der Nordmeer- Expedition gefunden wurden, nehme ich in dieses neue Genus auf, da sie sowohl ihrem Trophosom als Gonosom nach in wesentlichen Punkten sich von den übrigen Arten der Corymorpha trennen, und zugleich innere Übereinstimmung in denselben Punkten zeigen. Leider ist die Konservirung bei diesen Arten nicht so gut, dass die- selbe eine genauere Untersuchung über ihre Histologie gestattet. Vom Hydrocaulus ist in der Regel nur der dünne Perisark vorhanden, an dessen unterem Ende eine Menge feiner Fäden angeheftet sind — oft ist auch der Perisark verloren und nur der Hydranth oder Bruch- stücke desselben liegen vor. | 31* 478 Kristine Bonnevie, Die Farbe kann man ja in der Regel nicht als ein entscheidendes Merkmal betrachten, insbesondere wenn man nur über Spiritus- exemplare zu verfügen hat. Eben desshalb aber ist es mir sehr auf- fallend gewesen, dass die später zu erwähnenden Arten durch Farbe sich von den übrigen unterscheiden, obwohl sie alle ca. 20 Jahre in Spiritus gelegen haben. Sie haben nämlich nicht die gewöhnliche bleichgelbe, den meisten Spirituspräparaten zugehörige Farbe, sondern diese ist dunkel braunroth, und Zeichnungen, welche Prof. G. 0. SAars nach lebenden Exemplaren ausgeführt hat, zeigen, dass die- selben durch und durch brillant purpurfarbig waren. Das charakteristischste Merkmal der Gattung liegt jedoch im Bau ihrer Gonophoren (s. oben). Lampra sarsii n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 21). Der Hydrocaulus ist ca. 8 cm lang, 5—6 mm im Durchmesser am proximalen, 2—3 mm am distalen Ende. Längsstreifung ist wahr- nehmbar. Der Hydranth hat ca. 20 proximale, 18—20 mm lange, Tentakel und viele ganz kleine distale in mehreren Kreisen angeordnet. Zehn Blastostyle mit einem ziemlich großen Lumen stehen in einem Kreise, jeder mit ca. 10 am distalen Ende einen Tentakel tragenden Gonophoren. Mehrere Eier werden in jedem Gono- phor entwickelt. Prof. Sars hat diese Art in einem etwas vergrößerten Maßstabe nach lebenden Thieren abgebildet, und nach seiner Zeichnung eines Blastostyls sieht es aus, als ob die Eier den Genophor auf einem sehr frühen Stadium verlassen. .Der Gonophor öffnet sich am dista- len Ende an der Seite des Tentakels, und die Eier bleiben eine Zeit lang außen am Gonophor liegen, nachdem sie aus ihm ausge- treten sind. Die Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 8. August 1877 in 67° 56’ N.B. und 4° 11’ Ö.L. in einer Tiefe von zZ m mit Temperatur — 1,28° C. gefunden. Lampra purpurea n. sp. Der Hydrocaulus ca. 10 em lang, am proximalen Ende etwas verdickt. Der Hydranth hat ca. 30 proximale, 3—4 cm lange, Tentakel; distale Tentakel sitzen in zwei dichten, wohl getrennten Kreisen auf. Die Blastostyle sind dünn, sehr lang (3>—4 cm) und mit Gonophoren dicht besetzt. Sie besitzen keine Tentakel. Von dieser Art, welche nach Prof. Sars’ Zeichnung, die im Zur Systematik der Hydroiden. 479 Berieht über die Nordmeer-Expedition veröffentlicht werden . wird, eine außerordentlich prachtvolle Hydroide sein muss, liegen leider nur Fragmente vor: ein wenig von der Proboseis, etliche Blastostyle, Tentakel ete. — und selbst dies in so schlechtem Stande, dass es jede genauere Untersuchung ausschließt. Die Zeichnung zeigt jedoch deutlich genug mehrere Eigenthümlich- keiten dieser Art, so in erster Reihe die ungewöhnlich langen Blasto- style, welche fast die proximalen Tentakel an Länge übertreffen. Es sieht auch so aus, als ob der Übergang zwischen dem Hydro- caulus und Hydranthen fast unmerkbar ist. Das abgebildete Exemplar ist ein Männchen. Prof. Sars hat die Art »purpurea« getauft, weil sie alle übrigen Lampra-Arten an Farbenpracht übertrifft. Sie wurde während der Nordmeer-Expedition am 21. Juni 1877 in 67°24 N.B., 8°58’ Ö.L. in einer Tiefe von 827 m mit Tempera- tur — 1° C. gefunden. Lampra atlantica n. sp. Der Hydrocaulus ca. S cm lang, fast gleich dick seiner ganzen Länge nach, ca. 5 mm im Diameter. Der Hydranth hat ca. 20, 10—12 mm lange, proximale Tentakel; distale Tentakel in mehreren dichtgestellten Kreisen. Ca. 10, 4—5 mm lange, mit Gonophoren besetzte Blastostyle. Mehrere Eier werden in einem Gonophor entwickelt. In Betreff auf Größe und Aussehen ist diese Art Lampra sarsii sehr ähnlich, die Gonophoren aber haben keine Tentakel. Sie wurde den 18. Juli 1876 in 63°22' N.B. 5° 29’ Ö.L. in einer Tiefe von 2222 m mit Temperatur — 1,2° C. gefunden. Gymnogonos n. gen. Der Hydrocaulus von einem membranartigen Perisark bedeckt, an dessen proximalem Ende Haftfädchen befestigt sind. Ein Kreis von Papillen am Ubergang zwischen dem Hydrocaulus und Hydranthen. Styloide Gonophoren werden vom Hydranthen selbst entwickelt. Kommt ein- zeln vor. Ich glaube eine eigene Gattung aufstellen zu müssen für eine kleine Hydroide, welche bei Beian im Trondhjemsfjord gefunden ist und von welcher ein Exemplar aus der Universitätssammlung in Christiania vorlag. Dieselbe unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den übrigen Tubulariden aus. So weicht sie nicht 480 ‘ Kristine Bonnevie, allein. im Bau der Gonophoren ab, sondern auch dadurch, dass letz- tere vom Hydranthen ohne irgend eine Blastostylbildung entwickelt werden, und auch durch den Besitz eigenthümlicher Organe am proximalen, stark verdiekten Theil des Hydranthen. Eine ähnliche Verdiekung dieses Theiles mit den nämlichen Papillen hat Prof. Sars früher bei Heterostephanus annulicornis Allm. (Corymorpha annulicornis Sars) beobachtet, und in seiner Beschreibung über diese Art sagt er darüber Folgendes: »On the lower part of the club, far below the circle of the long tentacles, and just where it goes over into the stem, there appeared 6—5 small shortly-eylindrical papillae situated all round in a single row.<« Abgesehen von diesem ist, so weit mir bekannt, nichts über diese eigenthümlichen Organe ausgesprochen worden, und ich theile desshalb die Resultate meiner Untersuchungen über dieselben mit. Da mein Material zu gering und zugleich schlecht konservirt gewesen ist, habe ich mich darauf beschränken müssen, so weit wie möglich über den Bau der Papillen ins Reine zu kommen, ohne Unter- suchungen über ihre Bedeutung als Organ bei den Hydroiden machen zu können. — Außer einem Exemplare dieser Art habe ich zur Untersuchung auch einige junge Exemplare der H. annulicornis benutzt, welche der zoologischen Sammlung der Universität in Christia- nia gehörten, da sich die Papillen dieser zwei Arten als vollständig von derselben Beschaffenheit erwiesen. Auf Querschnitten durch den proximalen Theil des Hydranthen beobachtet man in der Cuticula einige stark gefärbte Ringe, von denen jeder aus einer einfachen Schicht hoher Epithelzellen gebildet wird, in deren Mitte sich eine einzelne sehr große Zelle vorfindet. Die hohen, den Ring bildenden, Epithelzellen sind ektodermalen Ursprungs (Fig. 5, 6); sie haben ein stark körniges Protoplasma, wo- durch sie sich von den übrigen Fktodermzellen unterscheiden, wäh- rend die Kerne von gleichem Aussehen bei allen sind. Die große, den Ring ausfüllende Zelle stammt vom Entoderm her; man kann auf Serienschnitten diese großen, hellen Zellen verfolgen, welche sich auf den oberen Schnitten von der erwähnten Ektodermzellenschicht umgeben zeigen. Die Zellen dieser Schicht werden indessen nie- driger, je mehr man an den Hydranthen hinunter kommt, zuletzt verschwinden sie ganz, so dass nur eine eigenthümliche, ganz und gar kreisrunde Entodermzelle wahrzunehmen ist, die man immer näher am Entoderm sieht — endlich mitten in der Linie der Stütz- lamelle und auf deren anderen Seite im Entoderm selbst. Zur Systematik der Hydroiden. 481 Auf Längsschnitten durch die Papillen sieht man diese als eine Ausbuchtung von umgebildeten Ektodermzellen, und das Lumen in dieser drüsenartigen Bucht von einer Reihe sehr großer Entoderm- zellen ausgefüllt. Das Protoplasma dieser Zellen ist vollständig klar, ungefärbt und mit einem großen, stark körnigen Kern ver- sehen. Außer dem Kern sieht man in der Mitte der meisten Zellen einige lichtbrechende, auch von Boraxkarmin nicht färbbare Punkte. Auf etlichen Querschnitten beobachtet man außerhalb der großen Entodermzelle auch einige kleinere, deren Oberfläche die ihrige be- rührt, und die sich zwischen die Ektodermzellen hineinerstrecken. Die Papillen erstrecken sich über das Ektoderm hinaus, das an dieser Partie des Hydranthen ziemlich dick ist und sich außen in der wohl entwickelten Cuticula in distaler Richtung abbiegt. Am äußeren Ende ist die Ektodermzellenschicht etwas niedriger als auf den Seiten der Papillen. | Die Funktion dieser Organe ist wahrscheinlich die, irgend ein Sekret zu produciren; da aber mein Material mir nicht erlaubt hat, Untersuchungen mit verschiedenen Färbemethoden zu machen, kann ich nichts über die Natur dieses Sekretes mittheilen. Die Organe können eigenthümliche Drüsen im Dienst der Verdauung sein, oder ihr Sekret ist möglicherweise dazu bestimmt, ausgeleert zu werden, um irgend einen Einfluss auf andere Thiere auszuüben, z. B. als ein Vertheiadigungsmittel gegen kriechende Feinde. Dafür, dass das Wirkungsfeld der Organe gegen die Außenwelt gerichtet ist, spricht ihre Lage im und mitunter ganz außerhalb des Ektoderms, sogar eben auch am Übergang zwischen dem Hydrocaulus und Hydranthen, und außerdem noch die Eigenschaft, dass die Ekto- dermzellen an der Spitze der Papillen ziemlich viel niedriger sind als an den Seiten, so dass es denkbar ist, die Ektodermbekleidung könne hier gesprengt und das Sekret ausgespritzt werden. Ohne eingehendere Untersuchungen über die Natur der Zellen und des Sekretes kann man nicht bestimmt über die Bedeutung des Organs im Leben der Hydroiden urtheilen. Gymnogonos crassicornis n. sp. (Taf. XXV, Fig. 1—11). Der Hydrocaulus gleich diek, ea. 2 mm im Durchmesser und 15 mm lang. Der Hydranth hat 12 proximale, 3—4 mm lange, mit einem deutlichen Lumen versehene T'entakel, und distale Ten- takel in mehreren Kreisen. Papillen werden am proximalen Ende 489 Kristine Bonnevie, des Hydranthen in mehreren nicht scharf getrennten Kreisen beob- achtet. Gonophoren sitzen zerstreut zwischen den zwei Reihen von Tentakeln. | Ein einzelnes Exemplar dieser kleinen Hydroide ist bei Beian an der Mündung des Trondhjemsfjords in einer Tiefe von 400 m gefunden. Ihr Hydrocaulus ist so stark gebogen, dass der Hydranth nach unten hinabhängt, und es ist ein vollständig ebener Übergang vom Hydrocaulus über die verdickte Partie des Hydranthen und weiter bis an die proximalen Tentakel, welche sich dem Hydranthen dieht anschließen, selbst wenn man den Hydrocaulus in der Weise aufrichtet, dass die Proboseis nach unten zeigt. Diese proximalen Tentakel sind dick und eylindrisch; auf Schnitten zeigen sie sich bis fast ganz an die Spitze hohl. An ihrer Ur- sprungsstelle stehen sie in ungemein fester Verbindung mit dem Hy- dranthen, indem ihre Anlage durch eine ekto- und entodermale Ein- buchtung zwischen den Tentakeln geschieht, und nicht, wie es sonst der Fall ist, dass sie sich da ausbuchten, wo die Ten- takel stehen sollen. In dieser Weise bilden die proximalen Tentakel eine dichte, schützende Schicht rings um die nackten Gonophoren. Fam. Bougainvillidae. Athekate Hydroiden mit fadenförmigen Tentakeln in einem Kreise um die Proboseis. Von dieser Familie sind in meinem Materiale die drei Genera vertreten: Eudendrium, Bougainvillia und Hydractinia, sämmt- liche mit neuen oder wenig bekannten Arten. Gen. Eudendrium Ehrenberg. Eudendrium annulatum, Norman (Taf. XXVI, Fig. 31 —33). (On undescribed British Hydr. Actin. and Pol.: Ann. and Mag. 1864.) Eine Kolonie von dieser Art lag aus der Sammlung in Christiania vor; und da dieselbe von männlichem Geschlecht war, kann ich mit einigen Bemerkungen über die männlichen Gonophoren NoR- MAN’S Beschreibung dieser Art vervollständigen. Die männlichen Gonophoren sind einkammerig mit einer starken Nesselbatterie in ihrem distalen Ende und sitzen in fast kugelförmigen Gruppen auf kurzen Stielen auf, die ungefähr einen rechten Winkel mit dem Mutterstiel bilden. Die Gonophoren werden im Kreis rings um das Zur Systematik der Hydroiden. 483 Ende dieser Stiele (vollständig atrophirter Hydranthen) angelegt, allmählich aber nehmen sie an Anzahl zu und bilden somit die er- wähnten, kugelförmigen Gruppen, welche vollständig den obersten Theil der Stiele umhüllen. Eudendrium stratum n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 22—-24). Der Hydrocaulus ist unregelmäßig verästelt, ca. 10 cm hoch. Der Hauptstamm und die größeren Zweige bestehen aus mehreren setrennten Röhren, welche alle in einer gemeinsamen Haut ein- geschlossen sind. Hydranthentragende Zweige sitzen sowohl auf den Ästen als auf dem Hauptstamm auf. Ringe werden am Ursprung der Zweige — bisweilen auch anderswo — beobachtet. Die Winkel zwischen den Zweigen sind ziemlich groß — beinahe rechte. Die Hydranthen haben ca. 20 Tentakel. Die männlichen Gono- phoren sind dreikammerig und sitzen in einem Kreise rings um nieht atrophirte Hydranthen. Das wesentliche Merkmal dieser Art liegt in dem eigenthüm- lichen Überzuge des Stieles. Dieser hat eine ebene Oberfläche, an Spiritusexemplaren matt braun gefärbt, und folgt dem Hauptstamm und den größeren Zweigen ein wenig hinauf, worauf er plötzlich aufhört. Auf Schnitten durch den Stamm sieht man, wie diese Substanz den Zwischenraum zwischen den einzelnen je von einer Chitinhülle umgebenen Röhren ausfüllt und dieselben umgiebt. Die Hydranthen sind groß und prächtig, besonders wo sie von den dreikammerigen Gonophoren umgeben sind, welche in einem dichten Kreise ihre Außenseite bedecken. Zwei Exemplare dieser Art, welche aus der Sammlung der Universität in Christiania vorliegen, sind beide oberhalb der Wurzel abgerissen, so dass ich nichts über diese und den unteren Verlauf des Stieles sagen kann. Ihr Fundort ist unbekannt. Eudendelum planum n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 28—30). Der Hydrocaulus in einer Ebene unregelmäßig verzweigt, ca. Scm hoch, der Hauptstamm mit ca. 1 mm im Durchmesser. Die kleineren Zweige haben Ringe an ihrem Ursprung — zuweilen auch anderswo. Die Hydranthen klein. Die weiblichen Gonophoren sitzen in einem Kreise rings um die Spitze ganz kurzer Stiele (vollständig atrophirter Hydranthen) an- geordnet, welche fast senkrecht auf ihrem Mutterstiele stehen. 484 Kristine Bonnevie, Eigenthümlich für diese Art ist die Ausbreitung der Zweigchen in nur einer Ebene und außerdem noch die Anordnung der weiblichen - Gonophoren, welche, statt wie bei den übrigen Arten zerstreut über einen Theil des Stieles aufzusitzen, hier vom Endpunkt des Stieles radiär ausgehen. Eudendrium vaginatum Allman (Taf. XXVL Fig. 24—26). Ein kleines aus der Sammlung vorliegendes Eudendrium muss am besten zu dieser Art, deren Trophosom von ALLMAN beschrieben ist, gerechnet werden. Er hatte nicht Gelegenheit sein Gonosom zu beschreiben, und die Bestimmung wird desshalb unsicher. Voraus- gesetzt aber, dass es dieselbe Art ist, kann ich über das Gonosom noch hinzufügen, dass die weiblichen Gonophoren radiär an der Basis von Hydranthen, die beinahe vollständig atrophirt sind, sitzen, indem nur ein Theil der Tentakel frei bleibt. Gen. Bougainvillia Lesson. Bougainvillia benedenii (Taf. XXVI, Fig. 34—35). Syn.: Eudendrium ramosum van Beneden. Der Hydrocaulus sehr viel und unregelmäßig verästelt, ca. 3 cm hoch. Der Perisark undeutlich geringelt, erstreckt sich um den proximalen Theil des Hydranthen empor; ca. 12 Tentakel auf den Hydranthen aufsitzend. Lange, fadenförmige, von einem Peri- sark umgebene Anhänge gehen von dem Hydrocaulus. aus. Medusoide Gonophoren, welche sich zu freien Medusen ent- wickeln, sitzen an dem Hydrocaulus auf — proximal zu den nicht atrophirten Hydranthen. Bei Espev&zr außerhalb des Hardangerfjordg fand ich eine Bougainvillia, die vollständig mit van BENEDEN’s Eudendrium ramosum übereinstimmt. Die fadenförmigen Anhänge, die er ab- gebildet und im Text erwähnt hat, sind nicht von Parasiten herzu- leiten, sondern scheinen eine Eigenthümlichkeit bei der Art zu sein. Sie sind über die ganze Kolonie weit verbreitet; in der Regel ent- springt ein Faden gerade unten an jedem Hydranthen, sie entspringen aber auch von anderen Stellen des Hydrocaulus. Eine Verdickung dieser Fäden, die v. BENEDEN erwähnt, habe ich nicht gesehen, wie auch nicht seine »oeufs agglomeres«, und ich bin geneigt zu glauben, dass diese beiden Bildungen fremdem Einfluss zu verdanken sind. Zur Systematik der Hydroiden. 485 Eigentlich sollte wohl diese Art den Namen B. ramosa Ben. beibehalten; da aber die andere gewöhnliche Art im Laufe der Jahre unter diesem Namen so wohl bekannt geworden ist, glaube ich weniger Verwirrung in die Benennungen hineinzuführen durch ein Ausziehen von v. BENEDEN’S E. ramosum aus der langen Reihe der Synomyme als durch eine Veränderung der Namen der übrigen. Gen. Hydractinia van Beneden. Zu diesem Genus rechne ich nach meinen obigen Auseinander- setzungen die Gruppen Hydractinia und Podoeoryne. Mit diesen unten zu beschreibenden neuen Arten erhält man innerhalb dieser Gattung eine ähnliche Reihe medusoider Gonophoren, wie die- jenigen, welche sich in den zwei Gattungen Tubularia und Cory- morpha vorfinden — von freien Medusen zu festsitzenden Gono- phoren ohne Radialkanäle. Hydraetinia allmanii n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 36—37). Hydranthen in ausgestrecktem Zustande 6—7 mm lang, mit variirender Anzahl von Tentakeln.. Gonophoren mit vier Radial- kanälen sitzen auf Blastostylen auf, die viel kleiner sind als die Hydranthen; in der Regel werden zwei Gonophoren auf jedem Blastostyle beobachtet, aber auf einer sehr ungleichen Entwicklungs- stufe. Diese Art steht als Zwischenglied zwischen den früher be- kannten Arten der Hydractinia und Podocoryne, indem die Gonophoren vier wohl entwickelte Radialkanäle haben, sich aber nicht zu freien Medusen entwickeln; ihre ganze innere Höhlung ist von Generationselementen ausgefüllt. Zwei Kolonien dieser Art (beide Geschlechter) wurden an ver- schiedenen Stellen während der Nordmeer-Expedition gefunden. Die eine (ein Weibchen) wurde den 22. Juli 1878 in 74° 54° N.B. und 14°5' Ö.L. in einer Tiefe von 1203 m mit Temperatur — 1,23° C. sefunden. Die andere den 21. Juni 1877 in 67° 24’ N.B. und 8°58’O.L. in einer Tiefe von 827 m mit Temperatur — 1° C. Hydractinia ornata n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 41). Die Hydranthen in ausgestrecktem Zustande beinahe 1 cm _ lang, mit ca. zwölf Tentakeln. Die.Gonophoren sind verhältnismäßig groß, 1—2 mm lang, und sitzen auf sehr kleinen Blastostylen auf — nur einer auf 486 Kristine Bonnevie, jedem derselben — welche sich unter diejenigen hinunterbiegen, so dass sie eine aufrechte Stellung bekommen. Sie haben vier von außen deutlich wahrnehmbare Radialkanäle, und am distalen Ende laufen diese Linien in einem viereckigen Schilde zusammen, welches in seiner Mitte eine weiße, vier-kleeblättrige Zeichnung trägt. Nach einer Zeichnung des Prof. G. O. Sars sind die Hydranthen dieser Art ziemlich dunkel gelbbraun, während die Gonophoren rosagefärbt mit dunkelbraunen Zeichnungen sind. Die Kolonie, über welche ich zu verfügen gehabt habe, ist ein Weibchen, und die Eier sind durch die Gonophorenwände als eine regelmäßige, sechseckige Mosaik wahrnehmbar. Die Hydranthen sind in hohem Grade kontraktil; man kann sie in einer Kolonie als tonnenförmige, — kaum über 1 mm lange — und fadenförmige bis auf 9—10 mm beobachten; ihre Proboseis kann sowohl konisch zugespitzt sein, als schalenförmig ausgebreitet, kurz, es giebt alle Übergänge in Form und Größe. Sie wurde während der Nordmeer-Expedition den 30. Juni 1878 in 72°27’ N.B. und 35°1’ Ö.L. in einer Tiefe von 249 m mit Tem- peratur 0° C. gefunden. Hydraetinia sarsii Steenstrup (Taf. XXVI, Fig. 42). Syn. Podocoryne sarsii Stenstrup. Stylactis sarsii Allman. Ich habe Gelegenheit gehabt die Originalexemplare für M. Sars’ Beschreibung über Podocoryne carnea zu untersuchen; bei allen findet sich die krustenförmige Ausbreitung der aus zahl- reichen anastomosirenden Tuben bestehenden und von einer Coeno- sarkschicht bedeckten Hydrorhiza.. Unter dem Namen P. car- nea beschrieb Sars zuerst zwei verschiedene Arten, deren eine den Namen »sarsii« von STEENSTRUP bekam. Für diese letzte hat ALLMAN ein neues Genus, Stylactis, aufgestellt, voraussetzend, dass sie die nackte, die Hydrorhiza der Podocoryne und Hydrac- tinia deekende Coenosarkschicht entbehrte. Da dies indessen nicht der Fall ist, müssen Sars’ zwei Arten: P. sarsiiı und P. fueicola, zum Gen. Hydractinia gerechnet werden. ALLMAan’s Gen. Stylactis enthält dann nur seine eigene Art, S. inermis. Hydractinia humilis n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 39—40). Die Hydranthen — mit und ohne Gonophoren — haben ca. 20, in zwei Reihen dichtgestellte Tentakel. Ihre Höhe beträgt nicht Zur Systematik der Hydroiden. 487 über I—2 mm; die Breite über die ausgestreckten Tentakel ist un- sefähr gleich groß. Verhältnismäßig große Stacheln erheben sich von der Hydrorhiza. Gonophoren stehen, 4—5 im Kreise, um nicht atrophirte Hydranthen. In jedem Gonophor werden so- wohl Eier als Spermatozoen entwickelt. Diese ist wohl die kleinste aller Hydroiden, nur als weiße Pünktchen an dem Schneckenhaus, worüber ihre Hydrorhiza sich ausbreitet, wahrzunehmen. Eine Eigenthümlichkeit, wodurch sie sich von den früher be- kannten Arten unterscheidet, ist, dass Eier und Spermatozoen in dem- selben Gonophor entwickelt werden. | Sie wurde von M. Sars bei Manger nebst H. sarsii gefunden; er hat aber keine Beschreibung von ihr geliefert. Hydractinia minuta n. sp. (Taf. XXV], Fig. 38). Die Hydranthen mit ca. zwölf, 2>—3 mm langen Tentakeln. Diejenigen, welche Gonophoren tragen, sind fast vollständig atro- phirt; große Stacheln ragen von der Hydrorhiza empor. Die Gonophoren sitzen, drei bis fünf im Kreise, um die fast verschwindenden Blastostyle; ca. 6 Eier werden in jedem derselben entwickelt. Diese Art gleicht H. humilis, unterscheidet sich aber durch den Bau der Blastostyle bestimmt von derselben, indem diese bei H. humilis vollständige Hydranthen sind, während sie hier nur als kleine aus der Hydrorhiza emporsteigende Stiele zu beobachten sind. Bei dieser Art sind auch die Geschlechter nach Kolonien getrennt, wie auch bei den übrigen Arten der Hydractinia und Podocoryne. Sie wurde den 22. August 1878 in 78°16’ N.B. und 15°33’ Ö. L. in einer Tiefe von 110 m mit Temperatur 0,7° C gefunden. Fam. Myriothelidae. Aus dieser merkwürdigen Familie, welche in mehreren Punkten eine Sonderstellung innerhalb der Hydroiden einnimmt, wurden von der Nordmeer-Expedition einige von den früher bekannten Arten be- deutend abweichende Exemplare heimgebracht. Leider aber be- finden sie sich in einem so schlechten Zustande, dass die Unter- suchungen über sie sehr schwer werden — ja, zuweilen ist es ganz unmöglich sich eine richtige Vorstellung über das Aussehen des Thieres im lebenden Zustand zu bilden. Sie sind aus einer sehr großen Tiefe, ca. 1200 Faden, heraufgenommen, und es sieht aus, 488 Kristine Bonnevie, als ob sie die dabei eintretende Veränderung des Druckes nicht haben ertragen können, da sie zum Theil nur in ganz kleinen Stückehen vorhanden sind; wo mehrere Exemplare in einem Glase zusammengelegen haben, kann man nicht mit Sicherheit feststellen, was zusammen gehört. | Ich glaube dennoch mit Bestimmtheit sagen zu können, dass es in dem mitgebrachten Material Arten giebt, die früher nicht beschrieben wurden; und ich stelle, so weit wie möglich, die Diagnosen dieser neuen Arten auf; ich sehe aber voraus, dass eine künftige Unter- suchung derselben mit besser konservirtem Material eine Revision dieser vorläufigen Darstellung nothwendig machen wird. Die britische von ViGurs und GossE entdeckte und von ALLMAN beschriebene Form ist nicht vertreten. Alle vorliegenden Arten schließen sich Sars’ Beschreibung von der von ihm bei Finmarken sefundenen Art näher an. Wie G. ©. Sars schon früher (9) darauf aufmerksam gemacht hat, unterscheidet die britische Form sich von der norwegischen wesent- lich durch die Anheftungsweise, indem bei der norwegischen Art sich keine »adherent base« mit chitinösem Perisark vorfindet — ja, überhaupt kein Perisark. Die von ALLmAn beschriebene Art hat noch andere Eigenthüm- lichkeiten, und ich finde es am besten — wie G. O. SARS vorge- schlagen hat — dieselbe zu einer eigenen Gattung (Spadisw GossE) zu rechnen, während die norwegische Art die Gattung Myriothela Sars repräsentirt. Zu dieser letzten Gattung missen auch die neuen Arten von der Nordmeer-Expedition gerechnet werden. Der Perisark bedeckt keinen Theil ihrer Oberfläche, und ihre Befestigung an die Unterlage geschieht bei allen mittels feiner Fädchen, welche ent- weder aus der breit abgerundeten Basis des Thieres oder aus den Seiten einer zugespitzten Verlängerung entspringen, wie die Neben- wurzeln aus der Hauptwurzel einer Pflanze. ALLMAN’S »claspers« kommen bei keiner dieser Arten vor; und man kann voll entwickelte Larven in Gonophoren liegen sehen, die sanz und gar ihre Verbindung mit den Blastostylen beibehalten haben. Der Bau der Gonophoren ist 'bei diesen beiden Gattungen derselbe — eine Form, die auch bei der Tubularidengattung Lampra vorkommt. In Betreff ihrer Entwieklung bemerke ich vorläufig nur, dass ich hier, wie bei Lampra, bei einigen sehr jungen Anlagen eine . Ektodermausstülpung beobachtet habe, die dem »Glockenkern« der Tubularidae vollständig entspricht, und ich bin desshalb geneigt Zur Systematik der Hydroiden. 489 anzunehmen, dass die Generationselemente auch hier aus ektoder- malen Zellen entspringen und nicht wie ALLMAN vermuthet hat, aus dem Entoderm. Myriothela mitra n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 43). Der Polyp ist kegelförmig zugespitzt, ca. 1 cm im Durch- messer an der Basis, und 1—-2 mm an der Spitze; die Höhe ea. - 5 cm. Mit einem scharfen Übergang von der Basis des Polypen er- streckt sich nach unten eine wurzelähnliche Spitze, 1—2 cm lang, mit feinen Haaren bekleidet. Das unterste Drittel des Hy- dranthen ist mit Blastostylen besetzt, während das oberste ganz nackt, ohne Tentakel und ohne Anhänge, ist. Die Gonophoren sitzen zerstreut über die kegelförmigen Blastostyle hin. Diese Spitze ist abgebogen und mit capitaten Tentakeln besetzt. Diese Myriothela unterscheidet sich bestimmt von den zwei früher bekannten Arten durch die Anheftungsweise, durch den voll- ständigen Mangel an Tentakeln und durch den Bau der Blastostyle. Das Ektoderm des Polypen hat eine eigenthümliche Struktur; und ich beklage, dass seine Konservirung nicht gut genug ist, um eine genauere Untersuchung zu gestatten; das Ektoderm besteht aus zwei deutlich getrennten Schichten, zu innerst eine mehrzellige, von Boraxkarmin nur schwach gefärbte Schicht, und außen davon eine Sehicht von Cylinderepithelzellen, welche nicht mit der Stützlamelle parallel liegt, sondern sich aus- und einbuchtet, so dass die Oberfläche des Thieres aus einer so dichten Menge Ektodermpapillen besteht, dass man bei einer flüchtigen Beobachtung den Eindruck bekommt, die Oberfläche sei ganz eben. Diese Art wurde nebst Lampra atlantica den 18. Juli 1876 in 63° 22’ N.B. und 5°29° W.L. in einer Tiefe von 2222 m mit Tempe- ratur — 1,2° C gefunden. Myriothela minuta n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 44. Der Polyp ist schmal, eylindrisch, hat in der Mitte seine diekste Partie, endet nach unten in einer mit Haftfäden besetzten Spitze, und verschmälert sich schwach nach oben gegen den von kleinen eapitaten Tentakeln umgebenen Mund. Die Höhe vom Munde bis an die unterste Spitze ist ca. 12 mm; der größte Durchmesser ea. 2 mm. In ’/, seiner Höhe ist der Polyp mit Blastostylen be- setzt. Die Gonophoren sitzen, einer oder zwei, auf jedem Blasto- | 490 Kristine Bonnevie, style (weiblich), so groß, dass dieser nebst ihnen fast ganz ver- schwindet. Schwach entwickelte Tentakel auf den Blastostylen. Diese Art ist wohl die kleinste, bis jetzt bekannte, Myriothela, eigenthümlich für sie ist die Anordnung der nur oben rings um den Mund stehenden Tentakel so wie auch. das Verhältnis, dass die Blastostyle ihren Ursprung von einem sehr großen Theil des Hy- dranthen haben. Außer dem oder den großen Gonophoren, welche auf jedem Blastostyle beobachtet werden, zeigen sich auf Schnitten auch An- lagen in ihrer Entwicklung gehemmter Gonophoren. Diese Art ist von M. Sars bei Tromsö gefunden. Myriothela verrucosa n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 45). Der Polyp, ca. 4 cm hoch, nur 1—2 mm im Diameter, am dieksten in der Nähe des Mundes. Haftfäden entspringen von seiner Basis. Blastostyle sitzen auf dem untersten Fünftel auf, während der oberste Theil von Tentakeln bedeckt ist. Gonophoren: 1—2 auf jedem Blastostyle. Sie besitzen Ten- takel an ihrem distalen Ende; kleine aus Nesselzellen gebildete Tuberkeln über ihre Oberfläche zerstreut. Die kleinen Ansammlungen von Nesselzellen an den Blasto- stylen sind die wesentliche Eigenthümlichkeit dieser Art. Sie wer- den mit unbewaffnetem Auge kaum wahrzunehmen sein. Auf Schnitten durch junge Blastostyle beobachtet man sie als ziemlich scharfe Ektodermausbuchtungen, mit einer regelmäßigen, dichtgestellten Reihe von Nesselzellen außen im Rande, und inner- halb dieser Ausbuchtungen ist das Entoderm in zwei Schichten mit einem kleinen Hohlraume zwischen beiden gespalten. An vollständig entwickelten Blastostylen sieht man sie nur als schwache Verdickun- sen der Wand; sie erinnern dann im Aussehen sehr an die zu- sammengedrückten Radialkanäle, welche man an den Wänden der reifen Gonophoren wahrnehmen kann; als solche aber können sie kaum betrachtet werden, da sie, so weit ich beobachtet habe, über das Ganze unregelmäßig vertheilt und ohne inneren Zusammenhang sind. Myriothela gigantea n. sp. (Taf. XXVH, Fig. 46—47). Der Polyp, ca. 30 cm lang, hat seinen größten Durchmesser, 7—10 mm, an der Basis und nimmt gleichmäßig nach oben in einem feinen Faden ab. Eine wurzelähnliche Spitze mit Haftfäden erstreckt sich nach unten von der Basis des Polypen. Blastostyle Zur Systematik der Hydroiden. 491 finden sich zerstreut über die unterste Hälfte, und oberhalb der- selben, und zum Theil zwischen ihnen stehen Tentakel. Die Blastostyle sind bei Exemplaren von weiblichem Geschlecht sehr lang (10—20 mm) und dünn mit 1—2 großen Gonophoren und Ten- takeln am distalen Ende. Die männlichen Blastostyle sind kürzer, 6—7 mm, mit vielen Gonophoren. Unter vielen Fragmenten von Myriothela lagen zwei ganze Exemplare vor, die mit der obenstehenden Diagnose übereinstimmten. Sie unterscheiden sich von M. phrygia durch die Anheftungsweise, indem sie einen wurzelförmigen Fortsatz haben, an den die Haft- fäden befestigt sind, — wie auch dadurch, dass die Blastostyle längs des Polypen weit nach oben zerstreut sind. Da die Gonophoren bei dem einen Exemplar weiblichen, bei dem anderen männlichen Geschlechts sind, halte ich es für möglich, dass der gewiss ziemlich sroße Unterschied in der Form der Blastostyle sich von diesem Ver- hältnis herschreibt; vielleicht aber werden spätere Untersuchungen dar- thun, dass die zwei Exemplare zwei verschiedene Arten repräsentiren. Ich habe sie, so weit wie möglich, nach den Spiritusexemplaren senau abgebildet; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das eigen- thümliche, fadenförmige Aussehen der Polypen und Tentakel ein Produkt mangelhafter Konservirung ist. Die Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 19. Juli 1878 in 75°12’ N.B. und 3°2' Ö.L. in einer Tiefe von 2195 m mit Temperatur — 1,57° C. gefunden. Zur selben Zeit wurden auch einige sehr große Exemplare von Myriothela phrygia gefunden, von welchen nur Fragmente vor- handen sind. Prof. Sars hat sie während der Expedition abgebildet, und seiner Zeichnung! nach sind sie ca. 40 cm lang, mit einem Durchmesser an der Basis von ca. 2 cm und weiter nach oben 6 bis 10 mm. Blastostyle sitzen auf dem untersten ca. 8 cm langen Theile auf, sind traubenförmig bei männlichen Exemplaren und dünn mit 1—2 großen Gonophoren bei weiblichen Thieren. Der oberste Theil des Polypen ist mit Tentakeln dicht besetzt. Die vollentwickelten Larven sind oval, S—10 mm lang, und ca.5 mm in ihrem größten Durchmesser. Diese Exemplare sind sonach weit größer als die von SARs be- schriebene M. phrygia; ich rechne sie aber vorläufig zu dieser Art, da ich sie nicht näher habe untersuchen können. ! Wird im Bericht über die Nordmeer-Expedition reprodueirt werden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Ba. 32 492 Kristine Bonnevie, Fam. Corynidae. Athekate Hydroiden mit zerstreuten, kapitaten Ten- takeln. Nach meiner Auffassung der Systematik der Hydroiden muss ich auch hier die zwei Genera Coryne und Syncoryne vereinen. Gen. Coryne. Der Hydrocaulus wohl entwickelt, mittels fadenför- miger Hydrorhiza befestigt; mit chitinösem Perisark be- kleidet. Medusoide Gonophoren. Kommen in Kolonien vor. Coryne pusilla Gaertner. Durch die Untersuchung der Originalexemplare für Sars’ Be- schreibung von Coryne (Stipula, Syncoryne) ramosa habe ich nichts sefunden, wodurch diese sich von C. pusilla bestimmt unterscheidet, und ich glaube desshalb diese zwei Arten zusammenziehen zu müssen. Coryne hincksii n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 48—49). Der Hydrocaulus 3—4 cm hoch, schwach und unregelmäßig verästelt. -. Der Perisark fast ohne Ringe Der Hydranth hat ziemlich kurze Tentakel und ca. S Gonophoren in einem Kreise nahe an der Basis. Gonophoren ca. S mit vier Radialkanälen sitzen in einem Kreise in der Nähe der Basis des Hydranthen auf. Die Art wurde bei Hammerfest in einer Tiefe von 100 Faden sefunden. Ihre Gonophoren, welche vier Radialkanäle haben, ohne den Bau der Medusen übrigens zu erreichen, charakterisiren sie als eine neue Art. Sie bildet eine Übergangsstufe und verwischt die Grenze zwischen den zwei Genera Coryne und Syncoryne. Coryne longieornis n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 50). Hydrocaulus, 1—2 mm hoch, unverästelt. Perisark ohne Ringe. Der Hydranth besitzt Tentakel, welche eben so lang sind wie er selbst und ca. 2 Gonophoren, die proximal zu demselben ge- stellt sind. Die G@onophoren werden wahrscheinlich freie Medusen mit vier Radialkanälen. Diese Art, welche gewiss der kleinste Repräsentant der Familie ist, wurde bei Husö im Ohristianiafjord — leider nur in wenigen Exemplaren — gefunden. Zur Systematik der Hydroiden. 493 Sie wurden an einem Bruchstücke einer Spongie gefunden, mit ihrer Hydrorhiza zwischen den Unebenheiten der Oberfläche dieser so gut versteckt, dass ich nur mit Gefahr das Ganze zu zerstören sie hervorpräpariren konnte. Ich ziehe desshalb vor, die Beschreibung über dieselbe auf später zu verschieben, da es sehr wahrscheinlich ist, dass sie in Bezug auf die Form ihrer Hydrorhiza mit den übrigen Arten der- selben Gattung übereinstimmt. Ihr unverzweigter Hydrocaulus und die außerordentlich langen Tentakel sind — außer ihrer unbedeutenden Größe — Eigenthüm- liehkeiten, die sie als eine neue Art charakterisiren. Alle beob- achteten Exemplare zeigen eine scharfe Biegung des Hydrocaulus gerade unterhalb des Hydranthen. Christiania, im November 1897. Litteratur. Ein vollständiges Verzeichnis über die von mir benutzte Litteratur über Hydroiden wird im Bericht der Nordmeer-Expedition erscheinen, und ich nenne desshalb hier nur die wichtigsten Werke: 1. L. Acassız, Contrib. to the Natural History of the U. States of America. Vol. IV. 1862. 2. G. J. Arıman, A Monograph of the Gymnoblastic or Tubularian Hydroids. 1872. ; 3. —— On the Structure and Development of Myriothela. Phil. Trans. London 1876. 4. —— Report on the Hydroidae dredged by H. M. S. Challenger ete. 1888. P. van BENEDEN, Recherches sur l’embryogenie des Tubulaires. Nouv. Mem. de Acad. Roy. Bruxelles. 1844. Ta. Hıncxs, A History of the British Hydroid Zoophytes. 1868. G. M. R. LEvInsen, Meduser, Cten. og Hydroider fra Grönlands vestkyst, med bemerkn. om Hydroidernes systematik. Vidensk. Med. Nat. Hist. Kjöbenhavn 1893. Er S. LovEn, Bidrag till Kännedomen af slägterna Campanularia och Syn- coryne. Vet. Akad. Handl. 1835. 9. G. 0. Sars, Bidrag til Kundskaben om Norges Hydroider. 1873. 10. M. Sazs, Bidrag til Söedyrenes Naturhistorie. 1829. [Lt N ” 11. —— Beskrivelser og lagttagelser ete. 1835. 12. ——- Über die Fortpflanzungsweise einiger Polypen. Faun.lit. Norv. I. 1846. 13. —— Beretning om en i Sommeren 1849 foretagen zool. Reise i Lofoten og Finmarken 1850. 14. —— Nye og mindre bekjendte Coelenterater. Faun. lit. Norv. III. 1877. 32* 494 Kristine Bonnevie, Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. Fig. 1-11. Gymnogonos cerassicornis n. gen. et sp. Fig. 1. Nat. Größe. Fig. 2a und d. Schnitt durch einen der proximalen Tentakel; a eben an seinem Ausgangspunkt und 5 außen gegen die Spitze. Fig. 3. Schematischer Längsschnitt durch den Hydranthen. 7, Papillen; P.T, proximale Tentakel; Gon, Gonophoren; D.T, distale Tentakel. Fig. 4. Querschnitt durch den Hydranthen gerade unterhalb der proxi- malen Tentakel mit Einbuchtungen zwischen denselben. Fig. 5. Längsschnitt durch eine der Papillen von Heterostephanus annuli- cornis Allman. EXt, Ent, das Ekto- und Entoderm des Hydranthen; P.ekt, P.ent, dieselben der Papillen. Fig. 6. Querschnitt durch Papillen (G.pap) in der Nähe ihres Ursprunges. Fig. 7—8. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch den Hydran- then gerade unterhalb der Papille. ? ist eine Zelle vom Entodermstrang derselben. Fig. 9. Querschnitt durch Papille (@G.»ap). Fig. 10. Querschnitt durch den Hydranthen in der Papillenregion. P, Pa- pillen; ©, Cuticula. Fig. 11. Schnitt durch einen Gonophoren. O, Eier. Fig. 12. Tubularia variabilis n. sp. Nat. Größe. Fig. 13—19. Tubularia asymmetrican. sp. Fig. 13. Nat. Größe. Fig. 14—17. Querschnitte durch einen Gonophoren derselben. Fig. 14 in der Richtung ab von Fig. 19. Fig. 15 durch c—d. Fig. 16 und Fig. 17 durch ef und og Fig. 18. Längsschnitt durch zwei Gonophoren des nämlichen Blastostyles. A, Actinula; p.t, d.t, die proximalen und distalen Tentakel desselben; Sp, Spadix. Fig. 19. Gonophor (weiblicher), vonaußen gesehen. A, Actinula; Sp, Spadix. Tafel XXVI. Fig. 20. Tubularia cornucopian. sp. Nat. Größe. Fig. 21. Lampra sarsii (etwas vergrößert). Fig. 22. Eudendrium stratum n. sp. Schnitt durch den Hauptstamm. Fig. 23. Dieselbe. Nat. Größe. Fig. 24. Theilchen derselben. Vergrößert. Fig. 25. Eudendrium vaginatum Allm. Blastostyl mit Gonophoren. Fig. 26. Dieselbe. Vergrößert. Fig. 27. Dieselbe. Nat. Größe. Fig. 23. Eudendrium planum n. sp. Nat. Größe. Fig. 29—30. Dieselbe. Blastostyl mit Gonophoren. Fig. 31. Eudendrium annulatum. Nat. Größe. Fig. 32. Dieselbe. Blastostyl mit Gonophoren. Fig. 33a und db. Dieselbe (jung). Blastostyl mit Gonophoren. Fig. 34. Bougainvillia benedenii. Nat. Größe. Fig. 35. Dieselbe. Vergrößert. Zur Systematik der Hydroiden. 495 Fig. 36... Hydractinia allmanii n. sp. Nat. Größe. a. Dieselbe. Vergrößert. Fig. 37. Querschnitt durch einen Gonophoren derselben. Fig. 38. Hydractinia minuta n. sp. Vergrößert. Fig. 39. Hydractinia humilis n. sp. Nat. Größe. Fig. 39a. Dieselbe. Vergrößert. Fig. 40. Schnitt durch Gonophoren derselben. Fig. 41. Hydractinia ornata n. sp. Nat. Größe. Fig. 41a. Dieselbe. Vergrößert. Fig. 42. Hydractinia sarsii. Schnitt durch die Hydrorhiza. Tafel XXVII. Fig. 43. Myriothela mitran. sp. Nat. Größe. Fig. 44. Myriothela minuta n. sp. Vergrößert. Fig. 45. Myriothela verrucosa. Nat. Größe. Fig. 4647. Myriothela gigantean. sp. Nat. Größe. Fig. 46 Männ- chen, Fig. 47 Weibchen. j Fig. 48. Coryne hincksii n. sp. Nat. Größe. Fig. 49. Theilchen derselben. Vergrößert. Fig. 50. Coryne longicornis n. sp. Nat. Größe. Fig. 50a. Dieselbe. .Vergrößert. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. (1. Theil.) Von Carl Rabl (Prag). Mit Tafel XXVIII—-XXXI und 14 Figuren im Text. In seiner »Organologie des Auges« macht R. LEUCKART! auf die innigen Wechselbeziehungen aufmerksam, welche zwischen der Schnel- ligkeit der Bewegung und dem Sehvermögen der Thiere bestehen. Je größer die Schnelligkeit eines Thieres ist, um so vollkommener ist auch im Allgemeinen sein Sehvermögen. Wie LEUCKART mit Recht betont, ist dies eine physiologische Nothwendigkeit und lässt sich schon aus der Natur der Gesichtswahrnehmungen ohne Weiteres ab- leiten. Ä Nun hängt aber das Sehvermögen in erster Linie von der Aus- bildung der Augen ab, und dementsprechend treffen wir die voll- kommensten Augen bei den schnellsten, die unvollkommensten bei den langsamsten Thieren. Wir dürfen aber noch einen Schritt weiter sehen. Es ist klar, dass ein noch so vollkommenes Auge nichts nützen würde, wenn nicht zugleich die nervösen Oentralorgane, zu denen die Sehnervenfasern führen, gleich gut ausgebildet wären. Und da in dieser Hinsicht in erster Linie das Mittelhirn in Betracht kommt, so dürfen wir bei den raschen Thieren ein gut entwickeltes, bei den langsamen ein minder ausgebildetes Mittelhirn erwarten. Diese Er- wartung trifft auch in der That vollkommen zu. Freilich ist es schwer, bei erwachsenen Thieren die relative Größe und Ausbildung des Mittelhirns, seine Beziehung zur Größe und Ausbildung der Augen, mit wünschenswerther Genauigkeit abzuschätzen. Dagegen gelingt dies verhältnismäßig leicht bei Embryonen. ! Rud. LEUCKART, Organologie des Auges. Handbuch der gesammten Augenheilkunde von A. GRAEFE und TH. SAEMISCH. I. Bd. Leipzig 1874. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 497 Das Mittelhirn liest bekanntlich der Scheitelkriümmung zu Grunde, und je größer dasselbe ist, um so stärker springt die Scheitel- ‚krümmung hervor. Bei den Embryonen und Larven der Petromyzon- ten ist das Mittelhirn klein, unansehnlich, und eine Scheitelkrümmung fehlt so gut wie vollständig. Damit steht auch die sehr geringe Größe und mangelhafte Ausbildung der Augen in innigem Zusammen- hang. Eine Scheitelkrümmung tritt zuerst bei den Selachiern auf); das Mittelhirn wölbt sich hier schon bei ganz jungen Embryonen mächtig hervor, und im Zusammenhang damit erreichen auch die Augen bald eine beträchtliche Größe. Viel geringer ist die Scheitel- krümmung der Amphibien und damit stimmt auch die verhältnismäßig geringe Größe ihrer Augen überein. Vielleicht besitzen unter allen gnathostomen Wirbelthieren die Urodelen die kleinsten Augen. Da- gegen sind die Amnioten hinwieder durchweg durch eine gut ent- wickelte Scheitelkrümmung ausgezeichnet. Am wenigsten springt sie bei den Säugethieren, am stärksten bei den Vögeln hervor, die über- haupt die stärkste Scheitelkrümmung und das mächtigste Mittelhirn unter allen Wirbelthieren besitzen. Dem entspricht auch die Größe der Augen. Diese ist bei den Vögeln am bedeutendsten, bei den Säugethieren am geringsten. Von dem allgemeinen Satze, dass mit der Größe und Ausbildung der Augen die Scheitelkrümmung wächst, machen nur die Teleostier und vielleicht auch die Ganoiden eine Ausnahme. Bei ihnen ist die Scheitelkrümmung sehr klein, so klein, dass sie einmal von einem Embryologen ganz in Abrede gestellt werden konnte, und doch sind die Augen schon bei ganz jungen Embryonen sehr groß und gut aus- gebildet. Das Missverhältnis ist indessen nur ein scheinbares. Denn Jeder, der das Gehirn der Knochenfisch- oder Ganoidenembryonen kennt, weiß, dass trotz der mangelhaften Scheitelkrümmung das Mittelhirn doch schon frühzeitig mächtig ausgebildet ist. Dass das Mittelhirn hier keine oder nur eine geringe Wölbung hervortreibt, hat lediglich den Grund in den eigenthümlichen Organisationsverhält- nissen des Vorderhirns. Hier ist bekanntlich das Pallium zu einer dünnen epithelialen Platte redueirt, während andererseits die basalen Theile mächtig entfaltet sind. Durch diese mit einer entsprechenden Streckung verbundene, mächtige Ausbildung der ventralen Theile des Vorderhirns wird die Hervorwölbung der dorsalen Hälfte des Mittel- -hirns, welche sonst eine Scheitelkrümmung erzeugen müsste, mehr oder weniger ausgeglichen. So sehen wir, dass Mittelhirn und Auge in ihrer Ausbildung bei 498 Carl Rabl, allen Wirbelthieren Hand in Hand gehen. Dabei ist es gewiss von Interesse, dass schon in der Organisation ganz junger Embryonen die Lebensverhältnisse der erwachsenen Thiere zum Ausdrucke kommen. Eine ganz andere Erklärung erfordern die anderen Krümmungen des embryonalen Körpers, und wenn diese auch zu dem Gegenstande dieser Abhandlung in keiner Beziehung stehen, so will ich sie doch im Anschlusse an das über die Scheitelkrümmung Gesagte hier kurz besprechen. Es dürfte dies um so mehr am Platze sein, als die bisherigen Erklärungsversuche, wie mir scheint, durchaus unzu- reichend sind. Was zunächst die Nackenkrümmung betrifft, so ist bekannt, dass sie sich etwas später, als die Scheitelkrümmung entwickelt, und dass sie ziemlich genau der Grenze zwischen Kopf und Nacken entspricht. So wie der Scheitelkrümmung das Mittelhirn zu Grunde liegt, liegt der Nackenkrümmung das Hinterende der Medulla oblon- gata zu Grunde Und doch kann diese nicht das veranlassende Moment der Krümmung sein; denn sonst müsste die Nackenkrüm- mung gerade bei den niedersten Thieren, bei denen die Medulla oblongata die relativ stärkste Ausbildung zeigt, auch am stärksten entwickelt sein. Nun finden wir aber im Gegentheil, dass den nie- deren Wirbelthieren bis zu den Amphibien hinauf die Nackenkrüm- mung vollkommen fehlt. Auch bei den Amphibien ist sie, wenn überhaupt vorhanden, nur eben angedeutet. Gut entwickelt ist sie erst bei den Amnioten. Aber auch hier ist der Grad ihrer Ausbildung sehr verschieden. Am wenigsten ist sie bei den Reptilien ausgeprägt, viel besser bei den Säugethieren, und am stärksten bei den Vögeln. Sie kommt demnach nur denjenigen Wirbelthieren zu, welche einen Hals besitzen; sie fehlt den Cyclostomen und Fischen vollständig, ist 1 Darüber sind indessen die Ansichten getheilt. So schreibt Minor (Lehr- buch der Entwicklungsgeschichte des Menschen, Leipzig 1894, p. 617): »Bei den Ichthyopsiden ist sie (die Nackenkrimmung) nur sehr schwach ausgebildet, stärker bei den Vögeln und Reptilien, ihr Maximum erreicht sie jedoch erst bei den Säugethieren, und speciell beim Menschen.«< Dass die Nackenkrümmung nicht, wie MınoT meint, bei den Säugethieren und speciell beim Menschen stärker ausgeprägt ist, als bei den Vögeln, davon kann man sich am besten überzeugen, wenn man eine Zeichnung eines Säugethierembryo, am besten eines menschlichen Embryo aus dem Ende der vierten oder dem Anfang der fünften Woche, neben eine solche eines Hühner- oder Entenembryo legt. Die Täu- schung, in welche MınoT und lange vor ihm, wenn ich nicht irre, schon RATHRE verfallen ist, konnte dadurch hervorgerufen werden, dass die Nackenkrümmung bei den Vögeln einen mehr gleichmäßigen Bogen bildet, während sie sich zu- gleich über eine viel größere Strecke ausdehnt, als bei den Säugethieren. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 499 bei den Amphibien, die bekanntlich nur einen Halswirbel besitzen, sehr wenig: entwickelt, tritt bei den Reptilien deutlicher auf und ist bei den Vögeln, die unter allen Wirbelthieren den längsten Hals be- sitzen, am stärksten ausgeprägt. Unter den Vögeln ist bei der Ente der Nacken stärker gekrümmt, als beim Huhn, und unter den Säuge- thieren zeigen, so viel bekannt!, die Cetaceen die geringste Nacken- krümmung. Es muss also wohl in der Art der Entwicklung des Halses das ursächliche Moment für das Zustandekommen der Nacken- krümmung zu suchen sein. Nun ist der Hals entwicklungsgeschichtlich ein sehr komplieirter Körpertheil®. Er baut sich aus Theilen des Kopfes und Theilen des Rumpfes auf; wenn auch im Detail Manches dagegen eingewendet werden kann, so darf man doch im Allgemeinen sagen, dass sich am Hals Kopf und Rumpf in der Weise über einander schieben, dass die dorsale Hälfte des Halses, der Nacken, vom Rumpfe aus . entsteht, während die ventrale Hälfte, der Hals im engeren Sinne, vom Kopf aus den Ursprung nimmt. Diese ventrale Hälfte des Halses besteht zunächst nur aus dem zweiten und den diesem folgenden Kiemenbogen; sie ist also Anfangs sehr viel weniger ausgedehnt, als die dorsale Hälfte, die von sehr frühen Stadien an aus einer größeren oder geringeren Zahl von Rumpfsegmenten, die ungefähr der Zahl der späteren Segmente des Halses entspricht, zusammengesetzt ist. Es ist also gewissermaßen der Rumpftheil des Halses um den Kopitheil herumgebogen, und zwar um so mehr, je größer das Missverhältnis zwischen beiden ist, oder, mit anderen Worten, je größer die Zahl der Segmente des Halses und je kleiner die Zahl der Kiemenbogen . ist. Dieses Missverhältnis gleicht sich später allmählich aus, indem das Kiemenbogengebiet an Ausdehnung mehr und mehr gewinnt. Dabei spielt bekanntlich vor Allem der zweite Kiemenbogen eine wichtige Rolle, indem er die folgenden überwächst und sich all- mählich gegen die Brust vorschiebt. In demselben Maße, als sich das Missverhältnis ausgleicht, streckt sich die Se ourlune, um endlich zu verschwinden. Was die sogenannte Brückenkrümmung betrifft, so ist dieselbe sesenwärtig noch ziemlich schwer zu erklären. Ich möchte sie am 1 Vgl. GUSTAV GULDBERG und FRIDTJOF NANSEN, On the development and structure of the Whale. — I. On the development of the Dolphin. Bergens Museum. V. 1894. 2 Vgl. meinen Vortrag »Zur Bildungsgeschichte des Halses« in der »Prager mediein. Wochenschrift< 1886, Nr. 52. 300 Carl Rabl, ehesten mit der Ausbildung des Kleinhirns in causalen Zusammenhang bringen; denn es scheint, dass sie bei jenen Formen am frühesten ‚und stärksten entwickelt ist, welche das größte Kleinhirn besitzen‘. Die Schwanzkrümmung endlich bietet dem Verständnisse kaum irgend welche Schwierigkeiten. Es bleibt ja bekanntlich bei allen Wirbelthieren die ventrale Hälfte der Caudalregion im Wachs- thum gegen die dorsale zurück, und man kann sogar vielleicht schon bei den Cyelostomen eine erste Andeutung einer Schwanzkrümmung erkennen. Bei dem Zustandekommen dieser Krümmung spielt aller Wahrscheinlichkeit nach die Rückbildung des postanalen Darmes eine nicht unwichtige Rolle. Aus dem Gesagten geht wohl mit Sicherheit hervor, dass wir für die verschiedenen Krümmungen verschiedene Causal- momente in Rechnung zu ziehen haben, und dass es nicht angeht, alle von einem und demselben Gesichtspunkte aus erklären zu wollen. Wie erwähnt, sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Krümmungen zu erklären. So hat RATHKE? die Scheitel- und Nacken- krümmung aus dem Umstande ableiten zu sollen gemeint, dass das Achsenskelet vor dem proximalen Ende der Chorda und an der Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule eine größere Nachgiebigkeit besitze; in Folge dessen sollen an diesen Stellen Kniekungen entstehen, die dann auch am Hirn zum Ausdruck kommen. KÖLLIkEr3 erblickt die Ursache der Krümmungen in Wachsthumsdifferenzen zwischen der dorsalen und ventralen Hälfte des Körpers. Er schreibt: »Was die Ursache dieser Krümmungen im Allgemeinen anlangt, so werden dieselben unstreitig dadurch bedingt, dass der Rücken und vor Allem das centrale Nervensystem .... mehr als die Theile der Bauchseite wachsen, wodurch der Embryo nothwendigerweise nach dem Rücken zu konvex wird. Später rücken dann diese Theile im Wachsthum langsamer vor und beginnen die Organe der Ventralseite sich zu ent- wickeln, worauf dann der Embryo gewissermaßen sich aufrollt.« In ähnlicher Weise erklärt Hıs* die Krümmungen als die Folgen seines »Prineips ungleichen Wachsthums« und erläutert sie an den Form- ı Vgl. die ähnlich lautenden Angaben von Hıs in »Unsere Körperform«. Leipzig 1874. p. 107. 2 Citirt nach OÖ. SCHULTZE, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugethiere. Leipzig 1897. 3 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1879. p. 256. SW. Biıssalaes pro it: Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 501 veränderungen einer sich biegenden elastischen Röhre. Dieser Auf- fassung schließt sich Mınor! vollinhaltlich an, indem er den Gegen- stand mit der kurzen Bemerkung abthut: »Die Entstehungsursache aller Gehirnkrümmungen ist natürlich das ungleiche Wachsthum der verschiedenen Theile des Kopfes.< Auch 0. Herrwiıg? geht über die Krümmungen des Embryo mit ein paar kurzen Bemerkungen hinweg. Er schreibt: »Die Ursache für die Entstehung der Krüm- mungen, die für die Hirnanatomie von grundlegender Bedeutung sind, ist wohl in erster Linie in einem starken Längenwachsthum zu suchen, durch welches sich das Hirnrohr namentlich in seiner dorsalen Wand vor den umgebenden Theilen auszeichnet.< Nun wird es gewiss Niemandem in den Sinn kommen, die Thatsache des ungleichen Wachsthums in Zweifel zu ziehen; aber man darf nicht glauben, eine entwicklungsgeschichtliche Erscheinung dadurch, dass man sie auf das ungleiche Wachsthum der einzelnen Theile des embryonalen Körpers zurückführt, zu »erklären«; man giebt damit keine Erklärung, sondern nur eine Umschreibung des thatsächlichen Verhaltens. — Es wurde früher auf das Wechselverhältnis zwischen der Schnellig- keit eines Thieres und der Ausbildung seiner Augen aufmerksam gemacht und gezeigt, dass der Grad der Ausbildung der Augen wieder in der Entwicklung des Mittelhirns zum Ausdrucke kommt. Die Differenzen in der Größe der Augen und des Mittelhirns treten aber, wie gezeigt wurde, bei den verschiedenen Thieren schon so frühzeitig in die Erscheinung, dass sie einen wesentlichen Einfluss auf die Formverhältnisse der Embryonen nehmen. Auf den folgenden Blättern soll nun gezeigt werden, dass an der Vervollkommnung des Auges auch die Linse einen sehr wesentlichen Antheil nimmt. Da aber der feinere Bau der Linse nur aus ihrer Entwicklung verständlich wird, so habe ich der Darstellung des Baues der fertigen Linse jedes Mal eine kurze Darstellung ihrer Entwicklung vorausgeschickt. Wenn auch bekanntlich über den Bau und die Entwicklung der Linse sehr zahlreiche Arbeiten vorliegen und es fast den Anschein haben könnte, dass nichts wesentlich Neues mehr gesagt werden könne, so hoffe ich doch, dass sich der Leser bald vom Gegentheil überzeugen wird. Es würde mir nicht sehr schwer fallen, eine ziemlich vollständige 1 MmoT, 1. e. p. 617. ?2 0. HerrwıG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 4. Aufl. Jena 1893. Ähnliche Angaben, wie in den eitirten Lehrbüchern, finden sich noch in mehreren anderen. >02 Carl Rabl, Darstellung der Entwicklung des ganzen Auges zu geben, wenigstens eine vollständigere, als sie bisher gegeben wurde. Obwohl dies Anfangs meine Absicht war, bin ich doch davon bald zurückgekom- men, einmal, weil ich die Zahl der Tafeln, die ohnedies eine ziem- lich große ist, um mindestens das Doppelte hätte vermehren müssen, dann auch, weil mich eine solche Arbeit von meinen anderen Arbeiten von mehr allgemein morphologischem Interesse allzusehr abgelenkt hätte. Indessen konnte ich doch nicht umhin, zuweilen eine Aus- nahme zu machen. I. Selachier. A. Entwicklung. Meine Beobachtungen beziehen sich in erster Linie auf Pristiurus melanostomus; außerdem habe ich einige Stadien von Torpedo marmorata und ocellata untersucht. Der jüngste Pristiurusembryo, an dem etwas von einer Linsen- anlage zu sehen war, hatte 45 Urwirbel. Zur Orientirung über die Entwicklung anderer Sinnesorgane theile ich mit, dass die Gehör- srube ihre größte Tiefe erreicht hatte, dass aber ihre Eingangsöff- nung noch keine Tendenz zeigte, sich zu verkleinern. Die Nasen- grube war seicht und von einem dicken, einschiehtigen Cylinderepithel ausgekleidet. — Die Linsenanlage gab sich als eine eben merkbare Verdiekung des Ektoderms über der Mitte der Augenblase zu er- kennen (Taf. XXVIIL Fig. 17); die Zellen lagen aber noch in einfacher Schicht. Ventral von dieser Stelle wurde das Ektoderm zunächst wieder etwas niedriger, um sich aber alsbald wieder in sehr auf- fälliger Weise zu verdicken und zugleich zu einer kleinen, flachen Grube, der Nasengrube (ng), einzusenken. Die Augenblase legte sich dem Ektoderm dicht an und war hier deutlich abgeflacht. Zwischen ihr und dem Ektoderm fand sich ein sehr feiner, vollkommen zellen- freier Spaltraum. In der Wand der Augenblase waren zahlreiche Theilungsfiguren zu sehen, die alle an der dem Lumen zugewendeten Seite gelegen waren. Über den Stiel der Blase zog der Trigeminus hinweg, der auf dem abgebildeten Schnitte zweimal getroffen ist (bei tr und Zr’). An der medialen Seite von ir sieht man (bei m) eine solide Zellmasse, die sich, wie die benachbarten Schnitte lehren, in die Wand der ersten Kopfhöhle fortsetzt. — Vier andere Serien durch gleichalterige Embryonen zeigten wesentlich dasselbe Verhalten. Bei einem Embryo mit 49—50 Urwirbeln ist die Linsenplatte erheblich dieker und in der Mitte zugleich deutlich mehrschichtig geworden (Fig. 2). Dass sie in der That mehrschichtig ist, geht Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 503 nicht bloß aus der Lagerung und Anordnung der Kerne, sondern sanz besonders aus der Stellung der Theilungsfiguren hervor. Be- kanntlich! rücken in einschichtigen Epithelien, wenn dieselben auch noch so hoch sind, die Keme, so bald sie sich. zur Theilung an- schicken, stets gegen die freie Seite des Epithels, ein Umstand, der zweifellos mit der unlängst von M. HEIDENHAIN? nachgewiesenen Lage der Centrosomen in der Nähe des freien Endes der Zellen zu- sammenhängt. Nun trifft man zwar auch jetzt, in der verdicekten Linsenplatte, einzelne Theilungsfiguren dicht unter der Oberfläche des Epithels; andere dagegen, — und dies ist eben von entscheidender Bedeutung, — sind mehr oder weniger tief unter der Oberfläche ge- legen. Dies ist auch bei den beiden Tochtersternen oder Tochter- knäueln der abgebildeten Figur der Fall. — Die Linsenplatte ist nach außen plan, nach innen konvex. An ihrer Außenfläche ist ab und zu (so z. B. an der linken Seite des Embryo, dem der Schnitt der Fig. 2 entnommen ist) eine Spur einer Einsenkung zu sehen. Ihre Innenfiäche legt sich in eine kleine Delle der Augenblase hinein. Diese zeigt also den Beginn einer Einstülpung; ihre mediale Wand ist nicht unerheblich dünner als die laterale: Noch dicker ist die Linsenplatte bei einem Embryo von 52 Ur- wirbeln (Fig. 3); zugleich zeigt sie eine deutliche, wenn auch seichte grubenförmige Einsenkung. Die Vermehrung der Zellen ist jetzt augenscheinlich eine ungemein lebhafte; dort, wo die Platte am dieksten ist, trifft man Theilungsfiguren in allen Schichten. — Die Augenblase ist jetzt so tief eingestülpt, dass es wohl schon erlaubt ist, von einer sekundären Augenblase zu sprechen. Die beiden Schichten derselben sind, wie früher, von verschiedener Dicke — An einem anderen, nur um etwas weniges älteren Embryo (von 53 bis 54 Urwirbeln) war die Grube an der Außenfläche der Linsen- platte viel weniger deutlich als hier. Bei einem Embryo von 55 Urwirbeln ist die Linsenplatte noch dieker und die Linsengrube noch tiefer als bei dem Embryo von 52 Urwirbeln (Fig. 4). Auch jetzt trifft man Theilungsfiguren in allen Schichten. Die Linsenplatte ist jetzt gegen die Umgebung schärfer abgegrenzt, als früher; namentlich nach unten ist die Grenze sehr deutlich. 1 Vgl. meine Bemerkung auf der Versammlung der anatomischen Gesell- schaft in Straßburg im Els. 1894, 2 M. HEIDENHAIN, Über die Mikrocentren in den Geweben des Vogel- embryos ete.. ScHwALBE’s Morphol. Arbeiten. III. Bd. 1. Heft. 504 Carl Rabl, Erheblich weiter entwickelt ist die Linsenanlage bei einem Embryo von 63 Urwirbeln. Sie stellt hier eine annähernd kugelige, solide Zellmasse dar, die außen mit dem Ektoderm zusammenhängt und in die sich hier eine ziemlich tiefe, trichterförmige Grube einsenkt (Fig. 5). An dieser Zellmasse kann man eine peripherische Lage kubischer oder kurz ceylindrischer Zellen und eine centrale Anhäu- fung rundlicher Elemente unterscheiden. An einzelnen Stellen be- merkt man in dieser Zellmasse Theilungsfiguren. — Von den beiden Wänden der Augenblase ist die mediale in der Mitte, also ungefähr in der Höhe der Linsenanlage, dünner und deutlich einschichtig; von da nimmt ihre Dicke gegen den Umschlagsrand zu. Die laterale oder innere Wand zeigt überall die gleiche Dieke. Zwischen ihr und - der Linsenanlage findet sich wieder nur ein minimaler Spaltraum, sanz ohne zellige Elemente. — Eine Serie durch einen Embryo von 62 Urwirbeln zeigte wesentlich dasselbe Verhalten. Dessgleichen eine Horizontalschnittserie durch einen Embryo mit 63 Urwirbeln. Nur war hier die Grube nicht so tief und der Zusammenhang der Linsenanlage mit dem Ektoderm nicht mehr in so großer Ausdehnung erhalten. Die Ablösung der Linsenanlage von ihrem Mutterboden macht nun rasche Fortschritte. Bei einem Embryo von 63 bis 64 Urwirbeln ist der Zusammenhang mit dem Ektoderm auf eine sehr kleine Stelle eingeengt (Fig. 6) und die trichterförmige Grube daselbst ist fast völlig geschwunden. Eine Andeutung davon ist nur mehr an dem Schnitte, welcher dem abgebildeten in der Serie folgt, vorhanden. In der Nachbarschaft ist das Ektoderm abgeflacht. — Ganz solid ist die Zellmasse jetzt nicht mehr. Man sieht vielmehr bei aufmerk- samer Betrachtung in der Nähe der Stelle, an welcher die meisten Theilungsfiguren liegen, ein ganz minimales, spaltförmiges Lumen. Dasselbe ist nur auf wenigen Schnitten zu sehen und seine Lage in der medialen Hälfte der fraglichen Zellmasse lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es mit der Grube, die sich früher von außen her in die Zellmasse einsenkte (vgl. Fig. 4 und 5), in keinem senetischen Zusammenhange steht. Mit dem Auftreten dieses kleinen Lumens ist der erste Anfang der Umbildung der im Übrigen noch sanz soliden Zellmasse in das hohle Linsenbläschen gegeben. Bei einem Embryo von 66—68 Urwirbeln hat sich die Verbin- dung der Linsenanlage mit dem Ektoderm vollkommen gelöst und dieses zieht als niedriges Epithel flach darüber hinweg (Fig. 7). In der medialen Hälfte der Linsenanlage findet sich, als Fortbildung des Über den Bau und die Entwicklung der Linse, I. 505 kleinen Lumens des früheren Stadiums, eine enge, spaltförmige Höhle, aus deren Form und sonstigem Verhalten mit Sicherheit zu entnehmen ist, dass sie durch Dehiscenz der Zellen entstanden ist. An den Wänden der Höhle sieht man nämlich, .wie auch an dem abgebildeten Schnitte, mannigfache Erhebungen und Vertiefungen, die senau in einander passen, ein Umstand, der nur durch die Annahme einer Dehiscenz seine Erklärung finden kann. Die mediale, der Augenblase zugewendete Wand des Linsenbläschens besteht nunmehr aus einem einschichtigen, hocheylindrischen Epithel; die laterale, dem Ektoderm zugewendete, wird dagegen zum überwiegenden Theile aus sanz unregelmäßig geformten Zellen aufgebaut. Nur die ganz an . der Peripherie gelegenen Zellen lassen auch hier die Tendenz, sich epithelial anzuordnen, erkennen, und zwar um so deutlicher, je näher der medialen Wand sie liegen. Zwischen der medialen Fläche der Linse und dem inneren Blatte der sekundären Augenblase ist eine Höhle entstanden von der in der Figur dargestellten Form. Die äußere Wand der Augenblase ist jetzt überall deutlich einschichtig, jedoch nimmt ihre Dicke, wie früher, von der Mitte gegen den Umschlagsrand allmählich zu. Ein anderer Embryo von 67—68 Urwirbeln zeigte im Wesent- lichen das auf Fig. 6 dargestellte Verhalten; er war also in Be- ziehung auf die Entwicklung seiner Augen etwas zurückgeblieben. — Ein Embryo von ungefähr 70 Urwirbeln bot wesentlich dieselben Bilder, wie der Embryo von 66—68 Urwirbeln; nur war am Ektoderm die Stelle, an der die Verbindung der Linsenanlage bestanden hatte, noch in Form einer leichten Verdiekung zu erkennen. Die Höhle des Linsenbläschens nimmt ziemlich rasch an Größe zu. Bei einem Embryo von ca. 74 Urwirbeln (Fig. 8) erscheint sie auf dem Querschnitte ungefähr dreieckig und setzt sich oben und unten noch in eine feine Spalte fort. Die Wand des Bläschens hat fast überall den Charakter eines hohen, einschichtigen Cylinderepi- thels; nur außen, wo die Linse dem Ektoderm anliegt, sind die Zellen noch nicht epithelial geordnet. Mit dieser Wand steht die Zellmasse in Verbindung, die weit in das Lumen des Bläschens vor- ragt. — Der Raum zwischen Linse und sekundärer Augenblase ist bei diesem Embryo etwas enger, als bei dem, dem der Schnitt der Fig. 7 entnommen war. In ihm sieht man ein sehr feines, dem An- scheine nach strukturloses Häutchen, das, wie eine Untersuchung mit Ölimmersion ergiebt, aus zwei Lamellen besteht, zwischen welchen eine feinkörnige Masse eingeschlossen ist. — Ein Embryo von 76 506 Carl Rabl, und ein zweiter von ungefähr 78 Urwirbeln zeigten wesentlich das gleiche Verhalten. . In dem nächsten von mir untersuchten Stadium, bei einem Em- bryo von ungefähr 87 Urwirbeln, ist die Linse erheblich größer ge- worden und ihre Höhle hat an Umfang und Ausdehnung beträchtlich sewonnen (Fig. 9). Die Zellen sind fast durchwegs epithelial an- seordnet. Nur unterhalb der Mitte der äußeren Wand findet sich noch ein unregelmäßiger Zellkaufen, der mit dieser Wand an mehre- ren Stellen innig zusammenhängt. — Die innere Wand ist dicker geworden, indem ihre Zellen in die Länge gewachsen sind und sich zu Fasern umzuwandeln begonnen haben. Gegen das Lumen springt die innere Wand polsterartig vor, während sie an ihrer Außenfläche eine eben merkliche Einsenkung aufweist. Über diese Fläche ziehen wieder zwei ungemein zarte, strukturlose Häutchen hinweg, welche einen engen Spaltraum zwischen sich fassen, der, wie früher, von einer feinkörnigen Masse erfüllt ist. Ein ähnlicher Spaltraum findet sich zwischen dem inneren Häutchen und der Oberfläche der Linse; jedoch enthält derselbe keinen geformten Inhalt. Die Bedeutung der beiden Häutchen, die sich, wie bemerkt, schon bei einem Embryo von ungefähr 74 Urwirbeln bemerkbar machten, ist schwer mit Sicher- heit zu entscheiden; ich halte es für das Wahrscheinlichste, dass das innere Häutchen die in Bildung begriffene Linsenkapsel ist, die sich bei der Härtung von der Oberfläche der Linse abgehoben hat, während das äußere vielleicht eine von der Innenfläche der sekundären Augenblase abgelöste Basalmembran vorstellen könnte. — Der große, zwischen Augenblase und Linse gelegene Raum war wohl sicher von Flüssigkeit erfüllt; Zellen sind in ihm jetzt eben so wenig wie früher zu sehen. Bei einem, um ein Geringes jüngeren Embryo, an dem ich 83 Urwirbel zählte, war die Linse und überhaupt das ganze Auge ein klein wenig weiter entwickelt, als in dem eben beschriebenen Fall. Der jüngste Embryo, bei welchem die Wände des Linsenbläs- chens durchaus epithelialen Bau zeigten, hatte ungefähr 95 Urwirbel (Fig. 10). Die Elemente des Zellhaufens, der in früheren Stadien mit der äußeren Wand im Zusammenhang stand und einen Bestand- theil derselben bildete, haben sich also zwischen die anderen Epithel- zellen eingeordnet. Eine andere Möglichkeit erscheint bei einem Vergleich der Figg. 7—10 ausgeschlossen; denn es ist nirgends auch nur die geringste Spur eines Zerfalls jener Zellmasse oder einer Auflösung derselben zu sehen. — Man mag darüber getheilter Mei- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 507 nung sein, ob das Epithel der äußeren Wand des Linsenbläschens jetzt als einschichtig oder mehrschichtig aufzufassen sei; Zellgrenzen sind ja nirgends deutlich zu sehen. Was mich betrifft, so "halte ich es für einschichtig und zwar auf Grund der Theilungsfiguren; diese haben alle dieselbe Lage, wie in einschichtigen Epithelien. Wäre das Epithel mehrschichtig, so müssten die Theilungsfisuren mehr gleichmäßig durch die ganze Dicke der Wand vertheilt sein. — Die äußere Wand des Linsenbläschens ist in der Mitte am dünnsten; von da nimmt sie gegen den Äquator allmählich an Dieke zu, um dann, jenseits des Äquators, wieder etwas abzunehmen. — Die me- diale oder innere Wand des Linsenbläschens ist erheblich dieker ge- worden; ihre Zellen sind zu kurzen Fasern ausgewachsen. An den mit Kochenillealaun gefärbten Präparaten ist das dem Lumen des Bläschens zugewendete Ende der Fasern dunkler gefärbt, als das entgegengesetzte. Dieses ist als basales, jenes als freies aufzufassen und es giebt sich also in diesem Stadium ein Unterschied in der Diffe- renzirung der beiden Faserenden zu erkennen. — Die meisten Zell- kerne dieser Wand sind langgestreckt; einzelne aber zeichnen sich durch ihre mehr rundliche Form, ihre schwache Tinktion und ihre scharf kontourirten Kernkörperchen aus. — Es ist gewiss von Inter- esse, dass schon in den jüngsten Stadien, in welchen sich ein Unter- schied zwischen Linsenepithel und Linsenfasern bemerkbar macht, die Grenze zwischen beiden ziemlich weit hinter dem Äquator gelegen ist. — Hinter der Linse findet sich wieder ein mit feinkörniger Masse erfüllter Raum, der durch ein dünnes Häutchen abgeschlossen wird. Ein zweites Häutchen ist hier nicht zu sehen. Es hat sich also in diesem Fall die Linsenkapsel bei der Härtung von der Oberfläche der Linse nicht abgehoben. Ein anderer Embryo von ungefähr gleichem Alter (mit 94 Ur- wirbeln) zeigte in Beziehung auf den Bau der Linse wesentlich das gleiche Verhalten. Um eine Vergleichung mit späteren Stadien zu ermöglichen, bemerke ich, dass Embryonen dieses Alters eine Länge von 14—15 mm besitzen. | Die Linse nimmt nun sehr rasch an Größe zu. Bei einem Em- bryo von ungefähr 17 mm Länge hat sie auf dem Schnitt das Aus- _ sehen der Fig. 11. Sie hat sowohl im Durchmesser von Pol zu Pol, wie im Äquatorialdurchmesser um ein volles Drittel gewonnen. Das stärkste Wachsthum weist die mediale Wand auf, deren Dicke auf das Doppelte gestiegen ist; in Folge dessen ist die Höhle des Bläs- ehens, wenn auch nicht absolut, so doch relativ kleiner geworden, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 33 508 Carl Rabl, als sie im vorigen Stadium war. — Im Einzelnen zeigt die Linse in diesem Stadium folgende Eigenthümlichkeiten. Die äußere Wand oder das Linsenepithel ist jetzt in großer Ausdehnung deutlich ein- schiehtig. Man kann höchstens noch darüber im Zweifel sein, ob sie auch in der Gegend des Äquators nur aus einer einzigen oder aber aus mehreren Schichten besteht. Hinter dem Äquator nimmt die Dieke, wie früher, wieder etwas ab. Die innere oder Linsenfaser- wand bildet ein mächtiges, ins Lumen des Bläschens weit vorspringen- des Polster. An der medialen Fläche ist sie etwas eingesenkt und hier hat sich die Linsenkapsel als ein dünnes Häutchen abgehoben. — Die Linsenfasern zeigen zweierlei Besehaffenheit; die centralen enthalten große, mehr oder weniger kugelige Kerne mit deutlichen, scharf kontourirten Kernkörperchen; die peripherischen, eben in Bil- dung begriffenen, besitzen mehr langgestreckte Kerne, die sich sehr viel dunkler färben, als die Kerne der centralen Fasern, und die mehr unregelmäßige chromatische Massen enthalten. Sie sind zu- gleich so gebogen, dass sie ihre Konkavität gegen den Rand des Linsenepithels kehren. Dagegen sind die centralen Fasern mehr gerade gestreckt oder konvergiren etwas gegen den Boden der kleinen Delle der Hinterfläche. Wie im vorigen Stadium sind auch jetzt die freien Faserenden dunkler gefärbt, als die basalen. Die Linse besitzt jetzt an ihrer ganzen Oberfläche eine deutliche Kapsel. Da kein Mesodermgewebe in der Nähe ist, von dem aus sie entstanden sein könnte, so kann sie nur ektodermalen Ursprungs sein. Ich betrachte sie als eine an der Linsenoberfläche zur Aus- scheidung gebrachte Basalmembran. Auf die mediale Wand der Kapsel folgt wieder ein mit feinkörniger Masse erfüllter Spaltraum, der nach innen, gegen die Retina, von einem zweiten sehr dünnen, aber weniger scharf kontourirten Häutchen abgeschlossen wird. Von diesem Häutchen ziehen faserartige Fortsätze oder Stränge mehr oder weniger weit durch den zwischen Linse und Retina gelegenen, offenbar mit Flüssigkeit erfüllten Raum, ohne aber die Retina zu erreichen. Ich werde darauf weiter unten noch zurückkommen und bemerke hier nur, dass ich alle diese Eigenthümlichkeiten für sehr wichtig in Beziehung auf die Frage nach der Entwicklung des Glas- körpers halte. | Bei einem Embryo von 19 mm Länge ist die Linse wieder er- heblich gewachsen (Fig. 12). Ihr Äquatorialdurchmesser beträgt jetzt 0,48 mm, der Durchmesser von Pol zu Pol 0,30 mm. Sie hat in beiden Durchmessern gegen früher um ein Drittel zugenommen. Auch Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 509 jetzt ist es die Linsenfasermasse, die das mächtigste Wachsthum zeigt. Sie ist so dick geworden, dass die Höhle des Bläschens bis auf einen engen, spaltförmigen Raum geschwunden ist. Der Unter- schied zwischen den centralen und peripherischen Fasern ist noch auffallender als früher. Die Kerne liegen in der centralen Masse sehr weit aus einander. Einzelne Kerne der peripherischen Fasern trifft man in Theilung; nie aber findet man Theilungsfiguren in der centralen Masse. — Die Hinterfläche der Linse ist abgeflacht und zeist in der Mitte eine kleine Grube oder Einkerbung, die dadurch zu Stande gekommen ist, dass die mittleren Fasern im Wachsthum zurückgeblieben sind, während sich die sich daran anschließenden verlängert haben. So bekommt es den Anschein, als ob sich an der Hinterfläche eine Einstülpung ausgebildet hätte. Ich werde darauf _ weiter unten noch zurückkommen. | Das rasche Wachsthnm der Linse ist um so auffallender, als gar keine Gefäße in der Nähe sind, die ihr Blut zuführen könnten. Mit dieser Größenzunahme ist eine eigenthümliche Veränderung ihrer Form verbunden. Beides lässt sich aus den folgenden Maßen gut beurtheilen. Bei dem zuletzt erwähnten Embryo von 19 mm Länge betrug, wie angeführt wurde, der Äquatorialdurchmesser 0,48 mm, der Durchmesser von Pol zu Pol 0,30 mm. Bei einem Embryo von 22,5 mm Länge betrugen dieselben Maße 0,54 und 0,35 mm; bei einem solchen von 25,3 mm Länge 0,66 und 0,56 mm; bei einem Embryo von 27 mm Länge 0,70 und 0,63 mm; bei einem Embryo von 30 mm Länge 0,87 und 0,79 mm; bei einem Embryo von 3l mm Länge 0,88 und 0,80 mm und endlich bei einem Embryo von 33—34 mm Länge 1,30 und 1,20 mm. Der zuletzt erwähnte Embryo war in anderer Weise gehärtet, als die übrigen und es war vielleicht die Linse etwas gequollen. Aus diesen Maßen geht hervor, dass das Wachsthum der Linse in der Richtung der Hauptachse, d. h. in der Richtung von Pol zu Pol, ein rascheres ist, als in der Richtung des Äquatorialdureh- messers. Die Folge davon ist, dass sich die Linse mehr und mehr der Kugelform nähert. — Die äußere Fläche der Linse ist Anfangs stärker gekrümmt, als die innere; dies ändert sich allmählich und bei Embryonen von 30—31 mm Länge sind beide Flächen ungefähr gleich stark gewölbt; ja bei dem ältesten Embryo, von dem ich eine Querschnittserie besitze, ist sogar die innere Fläche deutlich stärker gewölbt, als die äußere. — Diese Formveränderung geht mit der Bildung einer Grube an der Hinterfläche Hand in Hand. Wie oben 33* 510 | Carl Rabl, erwähnt, kommt diese Grube dadurch zu Stande, dass die centralen Fasern im Wachsthum allmählich zurückbleiben. Die Fasern, welche am nächsten der Hauptachse der Linse verlaufen, sind also die kürzesten und an sie schließen sich immer längere und längere Fasern an. Erst wenn man sich dem Rand des Linsenepithels nähert, nimmt die Länge wieder allmählich ab, bis sie in die Zellen des Linsenepithels selbst übergehen. Wie schon an dem Schnitte der Fig. 12 zu sehen ist, ist auch die Krümmung der Fasern nicht über- all die gleiche. Ganz oder fast ganz geradegestreckt sind eigentlich nur die ganz central gelegenen Fasern; darauf folgen solche, deren Konkavität gegen die Hauptachse gewendet. ist, dann kommen wieder mehr gerade gestreckte und den Schluss machen Fasern, deren Konkavität nach außen, gegen den Rand des Linsenepithels, sewendet ist. Auch die Form und Lage der Grube an der Hinterfläche ist von Wichtigkeit für das Verständnis des Baues der fertigen Linse. Man bekommt darüber den besten Aufschluss an Sagittalschnitten durch den Kopf, da an solchen die Linse ziemlich genau parallel dem Äquator getroffen wird. Dabei überzeugt man sich, dass die Grube keine kreisförmige Begrenzung hat, sondern dass sie eine ziemlich breite, horizontal gestellte Spalte darstellt (Fig. 5, Taf. XXIX). Die Grube nimmt allmählich an Länge und Tiefe zu. Bei einem Embryo von 25,3 mm Länge hat sie eine Tiefe von 0,15 mm; dabei besitzt sie, wie eine Sagittalschnittserie durch einen Embryo von 24 mm Länge zeigt, eine Länge von 0,08 und eine Breite oder Höhe von 0,03 mm. Bei einem Embryo von 27 mm Länge ist sie gleichfalls ungefähr 0,15 mm tief; ihre Länge beträgt bei einem Embryo von 28 mm Länge 0,28 und ihre Breite 0,03 mm. Die Grube wächst also rasch in die Länge. Wenn sich später die Grube schließt, indem sich dorsale und ventrale Wand an einander legen, entsteht an der hinte- ren Fläche der Linse die bekannte horizontale Naht. Da nun aber die Linsenfasern gleichen Alters ungefähr die gleiche Länge haben, so muss auch vorn, unter dem Linsenepithel eine Naht entstehen, die aber begreiflicherweise nicht horizontal, sondern senkrecht darauf, also vertikal verlaufen muss. Wann diese vordere Linsennaht ent- steht, vermag ich nicht genau anzugeben; bei einem Embryo von 30 mm Länge scheint sie schon vorhanden zu sein. Jedenfalls ist die vordere Naht eine nothwendige Folge der hinteren und diese wieder geht, wie aus einander gesetzt wurde, aus der Verwachsung der Wände einer spaltförmigen Grube der hinteren Linsenfläche hervor. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 511 Diese Grube ist an allen meinen Präparaten von einem fein- körnigen Gerinnsel erfüllt. An den Wänden der Grube sind die basalen Enden der Fasern, wenigstens zum Theil, kolbenförmig an- geschwollen. = Leider war der erwähnte Embryo von 34mm Länge der älteste Pristiurus-Embryo, den ich zu untersuchen Gelegenheit hatte. Dagegen besitze ich zwei Sagittalschnittserien durch den Kopf von Embryonen von Seyllium canieula von 41, bezw. 53 mm Länge, und wenn auch an diesen die Linse nicht so tadellos erhalten ist, als ich gern ge- wünscht hätte, so kann ich doch mit Sicherheit angeben, dass schon bei dem jüngeren der beiden die Linsenfasern eine größere Regel- mäßiskeit in der Anordnung erkennen lassen, als dies bei den unter- suchten Pristinrus-Embryonen der Fall war. Während sie nämlich bisher, abgesehen davon, dass sie von der vorderen zur hinteren Fläche der Linse zogen und dabei im Allgemeinen koncentrisch über einander gelagert waren, keine größere Regelmäßigkeit in der Anord- nung zeigten (vgl. Fig. 4, Taf. XXIX), haben bei den beiden Seyllium- Embryonen die am meisten peripheriewärts gelegenen Fasern begonnen, sich zu radiären Lamellen zusammenzuordnen. Man kann da- her auf einem Äquatorialschnitt jetzt einen großen centralen Kern unregelmäßig angeordneter Fasern und eine verhältnismäßig noch dünne peripherische Zone radiärer Lamellen unterscheiden. Zwischen beiden findet sich eine ziemlich breite Übergangszone, in welcher die Fasern allmählich jene regelmäßige Anordnung zu gewinnen streben. Wie wir sehen werden, setzt diese Regelmäßigkeit in der Anordnung der Fasern eine eben so große Regelmäßigkeit in der Anordnung der Zellen am Rande des Linsenepithels voraus. — Von Torpedo habe ich, wie früher erwähnt wurde, nur wenige Stadien untersucht. Leider fehlen mir gerade die jüngsten Stadien. Von den untersuchten will ich nur drei hervorheben; sie betreffen alle Torpedo marmorata. Bei dem jüngsten dieser Embryonen, einem solchen von 12 mm Länge, lagen in der Höhle des Linsenbläschens ziemlich zahlreiche rundliche Zellen, die gar keinen Zusammenhang mit den Wänden des Bläschens zeigten (Fig. 1, Taf. XXIX). Thei- lungsfiguren waren an diesen Zellen nirgends zu sehen, obwohl solche sonst in der Linse dieses Embryo in großer Menge vorkamen. Dagegen sah es ab und zu aus, als ob die Kerme dieser Zellen im Zerfall begriffen wären. — Falls die Linsenentwicklung bei Tor- pedo im Übrigen in derselben Weise vor sich geht, wie bei Pri- stiurus, so dürfte wohl die Annahme nahe liegen, dass diese centralen. 512 Carl Rabl, Zellen von einer Zellmasse abstammen, die ursprünglich ähnlich, wie bei Pristiurus mit der vorderen Wand des Bläschens in Verbindung stand. | Die Wände des Linsenbläschens sind bei Torpedo auffallend dick, die mediale schon bei dem Embryo von 12 mm Länge etwas dicker als die laterale. Überall liegen aber die Theilungsfiguren nahe dem Lumen, wesshalb ich das Epithel für ein einschichtiges halte. — Auch noch in anderer Hinsicht besteht ein Unterschied gegenüber Pristiurus.. Während hier zwischen Linse und Ektoderm einerseits, zwischen Linse und Retina andererseits in den korrespondirenden Stadien keine Zellen zu finden waren, kommen solche bei Torpedo an den genannten Orten in ziemlich großer Zahl vor. Auf dem ab- gebildeten Schnitte ist ihre Zahl allerdings nur gering, aber in der ganzen Serie ist sie doch ganz erheblich. Bei dem nächst älteren Embryo, der eine Länge von 15 mm hatte, waren nur mehr wenige Zellen in der Höhle des Bläschens enthalten (Fig. 2, Taf. XXIX). Die Kerne dieser Zellen zeigten ein sehr verschiedenes Aussehen. Häufig sah es wieder aus, als ob sie im Zerfall begriffen wären, in anderen Fällen waren sie unge- mein klein und färbten sich mit Kochenillealaun fast ganz gleichmäßig und zugleich ungemein intensiv, viel intensiver, als sich sonst Kerne färben. Nirgends war eine Tendenz dieser Zellen, sich zwischen die übrigen Zellen des Linsenbläschens einzuordnen, zu bemerken, und ich trage daher kein Bedenken, anzunehmen, dass sie thatsäch- lich allmählich zerfallen und die Zerfallsprodukte resorbirt werden. — Die mediale Wand hat sich zu einem Polster erhoben, ihre Zellen sind also stark in die Länge gewachsen. Die laterale Wand ist dünner als früher. Ich halte beide Wände für einschiehtig, und zwar wieder auf Grund des Verhaltens der Theilungsfiguren. Solche sind n der Linsenfaserwand jetzt in sehr großer Zahl zu finden. — Der enge, spaltförmige Raum zwischen Linse und Retina ist größer ge- worden und die Zahl der hier liegenden Zellen hat sich vermehrt. Auch nach auben von der Linse, zwischen ihr und dem Ektoderm, sind einige Mesodermzellen zu finden. Der dritte Embryo hatte eine Länge von 18 mm. Die Linse war mehr kugelig geworden, die äußere Wand noch dünner, als früher, die innere dieker. Die Zellen der inneren Wand waren durchwegs zu langen Fasern ausgewachsen und ließen deutlich einen Unterschied in der Differenzirung der freien und basalen Enden er- kennen. Das Lumen des Linsenbläschens war ganz frei von Zellen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 513 oder Zerfallsprodukten von solchen. Die Mesodermzellen innen und außen von der Linse hatten an Menge erheblich zugenommen. Damit will ich meine Beschreibung der der Selachier- linse schließen. Was die Litteratur betrifft, so bemerkt BALFouR!, dass die erste Entwicklung des Auges der Selachier kein besonderes Interesse biete. »The lens arises in the usual vertebrate fashion. The epiblast in front of the optic vesiele becomes very much thickened, and then involuted as a shallow pit, which eventually deepens and narrows. The walls of the pit are soon constrieted off as a nearly spherical mass of cells enclosing a very small central cavity, in some cases indeed so small as to be barely recognisable.«< Daraus geht hervor, dass BALFOUR alle Eigenthümlichkeiten, durch welche sich die Linsen- entwicklung der Selachier von der aller anderen Wirbelthiere unter- scheidet, übersehen hat. Ich selbst habe in meiner » Theorie des Mesoderms« ? eine Reihe von Stadien beschrieben und dabei auf einige jener Eigenthümlichkeiten aufmerksam gemacht. Da das Interesse, welches diese Eigenthümlich- keiten bieten, weit über das specielle Gebiet, auf das sie sich beziehen, hinausgeht, will ich sie hier nochmals in Kürze zusammenfassen. Zunächst bildet sich, wie wir gesehen haben, eine mehrschich- tige, dicke Platte, an deren Außenfläche bald darauf eine kleine, trichterförmige Vertiefung entsteht. Indem die Platte weiter wuchert, liefert sie eine kugelige, solide Zellmasse, in welcher später eine excentrisch gelegene Höhle entsteht. Diese Höhle, die erste Anlage der Höhle des Linsenbläschens, hat mit der von außen eindringenden Grube gar nichts zu thun, sie entsteht ganz selbständig und bildet sich auch ganz selbständig weiter, während jene Grube verschwindet. Die Art und Weise, in der die Aushöhlung der soliden Zellmasse vor sich geht, hat zur Folge, dass sich zunächst die mediale Wand des Linsenbläschens differenzirt, also jene Wand, welche die speeci- fischen Elemente der Linse, die Linsenfasern, liefert. Im Gegensatze hierzu geht bei allen anderen Wirbelthieren, so weit deren Linsen- entwicklung genauer bekannt ist, die Höhle der Einstülpung direkt in die Höhle des Linsenbläschens über. Die letztere Art der Linsen- entwicklung dürfen wir wohl als die einfachere, ursprünglichere, jene . +F. M. BaLrour, A Monograph on ı the Development of Elasmobranch Fishes. London 1878. p. 184 ff. 2 C. RABL, Theorie des Mesoderms. Leipzig 1897. p. 105, 135, 138, 139, 144, 145, 149. 514 Carl Rabl, der Selachier also als eine abgeleitete, modifieirte, betrachten. Wir haben also hier wieder eines jener Beispiele vor uns, dass ein Organ, welches ursprünglich aus einer hohlen Einstülpung hervorgegangen ist, sich sekundär aus einer soliden Wucherung entwickelt. Dieses Beispiel bietet aber noch ein weiteres Interesse. Es wird gewiss Niemandem in den Sinn kommen, die kleine Grube, die sich in die Linsenanlage der Selachier einsenkt, für eine Bildung sui generis zu halten; vielmehr wird Jeder in ihr ein Homologon jener Grube erblieken, die sich sonst bei der Entwicklung der Linse bildet. Nun entsteht aber die Höhle des Linsenbläschens selbständig, ohne allen Zusammenhang mit dieser Grube, und dies muss wohl den Gedanken nahe legen, dass die beiderlei Gruben doch nicht ganz und gar, in allen ihren Beziehungen, gleichwerthige Bildungen sind. Wir gelangen so zu dem Schlusse, dass die Linsengrube der Sela- chier nicht der ganzen Linsengrube der übrigen Wirbelthiere, son- dern nur der Eingangsöffnung derselben entspricht. Sowie diese Eingangsöffnung verschwindet, indem sie sich schließt, so verschwindet die Linsengrube der Selachier, indem sie sich. allmählich verflacht. Es liegen also hier ganz ähnliche Verhältnisse vor, wie bei der Gastrulation der höheren Wirbelthiere. Die Primitivrinne setzen wir dem Urmund, der Eingangsöffnung des Urdarmes, gleich, unbekümmert darum, ob sie thatsächlich noch in die Darmhöhle führt oder nicht. Es kann vielmehr gerade so, wie bei der Entwicklung der Höhle des Linsenbläschens, die Darmhöhle ganz selbständig und ohne jeden, Zusammenhang mit der Primitivrinne entstehen, und doch kann diese den letzten Rest oder das Rudiment einer Einstülpungsöffnung des Darmes, eines Urmundes, vorstellen. B. Bau. Die Linse der Selachier, wie die der Fische überhaupt wird gewöhnlich als kugelig oder nahezu kugelig beschrieben. In- dessen ist die Abplattung an beiden Polen keine ganz unbeträcht- liche, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. Bei einem jungen Mustelus laevis betrug der Durchmesser von Pol zu Pol oder die Linsenachse 5,4, der Äquatorialdurchmesser 6,3 mm; bei einem älteren Mustelus betrugen die beiden Maße 9,1, beziehungsweise 10,3 mm. Bei einem Pristiurus melanostomus betrug die Achse 7,6, der Äqua- torialdurchmesser 8,6 mm; bei einer Chimaera monstrosa 12,2 bezw. 13,5 mm; endlich bei einer Raja asterias 4,0 und 4,7 mm. Ähnliches gilt von den Knochenfischen; so habe ich beispielsweise bei einer Trigla hirundo eine Achse von 5,0 und einen Äquatorialdurchmesser Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 515 von 6,6 mm und bei einem Lophius piscatorius eine Achse von 8,3 und einen Äquatorialdurchmesser von 10,0 mm gefunden. Immer ist also die Achse erheblich kürzer als der Äquatorialdurchmesser. Nur bei einer Belone acus habe ich einmal beide Durchmesser von un- sefähr gleicher Länge gefunden. Aus den angeführten Zahlen darf indessen nicht mehr geschlossen werden, als unmittelbar aus ihnen hervorgeht. Zur Berechnung eines Index, einer Verhältniszahl zwi- schen beiden Durchmessern, wage ich die angeführten Zahlen dess- halb nicht zu verwerthen, weil ich die betreffenden Linsen nicht selbst konservirt habe. Wenn auch die Art der Konservirung im Wesentlichen bei allen die gleiche war, in so fern alle entweder in Sublimat-Pikrinsäure oder Sublimat-Platinchlorid gelegt wurden, so erfordert doch die Behandlung eine ganz besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit, wenn die Linsen zur Berechnung von Indices ge- eignet sein sollen. Bei Chimaera und sämmtlichen untersuchten Squaliden waren alle Durchmesser, welche man durch die Äquatorialebene legen konnte von gleicher Länge, mit anderen Worten, ein Durchschnitt durch die Ebene des Äquators hatte eine kreisförmige Begrenzung. Anders verhielten sich die untersuchten Rajiden, Raja asterias und Torpedo marmorata; hier war der Horizontaldurchmesser um ein Geringes länger als der Vertikaldurchmesser, und ein Durchschnitt parallel dem Äquator war also kein Kreis, sondern eine Ellipse. Die Linse der Rajıden hat demnach die Form eines abgeplatteten Ellipsoids!. Natür- lich muss das eine Verzerrung der auf der Retina entworfenen Bilder zur Folge haben. Da ich jedoch nur konservirte Linsen untersucht habe, muss ich die Möglichkeit offen lassen, dass die erwähnte Eigen- thümlichkeit der Rajidenlinse durch ungleichmäßige Schrumpfung zu Stande gekommen war. Auf alle Fälle bleibt es merkwürdig, dass nur bei den Rajiden und nicht auch bei den Squaliden die Linse in Folge der Härtung jene eigenthümliche Form annehmen sollte. Die Linse zeigt an beiden Flächen eime lineare Naht (Textfig. 1). Die Naht der Hinterfläche, die meist leichter erkennbar ist, steht horizontal, die der Vorderfläche vertikal; die beiden Nähte stehen also senkrecht auf einander. Sie sind keineswegs immer geradlinig; häufig sind sie mehr oder weniger verbogen und manchmal lassen diese Biegungen eine deutliche Symmetrie erkennen (Textfig. 2 a). Nur selten fehlen die Nähte vollständig; so fand ich unter sehr zahl- 1 Ähnliches fand ich bei Aeipenser ruthenus. 516 Carl Rabl, reichen Linsen von Mustelus eine ohne Naht (vgl. Textfig. 25); an ihrer Stelle war an der hinteren und ähnlich auch an der vorderen Fläche eine unregelmäßige, nach mehreren Richtungen ausgezogene Grube zu sehen. Es war dies die größte aller Mustelus-Linsen, die ich zu untersuchen Ge- legenheit hatte; bei allen anderen waren die Nähte sehr deutlich. Auch bei einem Pristiurus fehlten einmal die Nähte, und auch hier waren die betreffenden Linsen die größten, die mir zu Ge- sicht kamen; bei den kleineren waren die Nähte stets gut ausgebildet. Ab- gesehen von diesen paar Fällen kann man sagen, dass die Länge der Nähte Textfigur 1. mit der Größe der Linsen Linse von Mustelus laevis, von hinten gesehen. im Allgemeinen zunimmt. Bei einem Mustelus, dessen Linsen einen Äquatorialdurchmesser von 6,3 mm hatten, waren die Nähte ungefähr 3,2 mm lang; an einer | \\| a Dexttieur 2. b a, Hintere Linsennaht von Pristiurus. d, Figur an der hinteren Fläche einer Mustelus-Linse. Pristiurus-Linse mit einem Äquatorialdurchmesser von 8,6 mm fand ich sie ungefähr eben so lang; bei Chimaera fand ich eine Naht von 6 mm Länge bei einem Äquatorialdurchmesser von 13,5 mm. Ganz ähnlich verhielten sich die Knochenfische; bei einer Trigla-Linse von 6,6 mm Äquatorialdurchmesser war die hintere Naht ungefähr 3,0 mm | lang, und bei einem Lophius von 10 mm Aquatorialdurchmesser Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 517 5,0 mm. Kleine Abweichungen von der Regel kommen ja immerhin vor, indessen sind dieselben ohne jede Bedeutung. Jeder, der schon Linsen konservirt hat, weiß, wie leicht die- selben springen; er weiß wohl auch, dass sie an die Hinterfläche sehr viel leichter und häufiger springen als vorn. Dies hat einer- seits darin den Grund, dass die Linsenfasern an der hinteren Naht weniger fest an einander schließen, als an der vorderen, andererseits aber auch darin, dass die Linsenkapsel hinten viel dünner ist als vorn und daher dort viel leichter einreißt. Von den Linsennähten sieht man an konservirten Linsen sehr regel- mäßig angeordnete Strahlen auslaufen (vgl. Textfig. 1 und 2). Es sind dies, wie wir noch sehen werden, Spalten, welche mehr oder weniger tief zwischen die Radiärlamellen der Linse einschneiden. — Die Linse der Selachier besteht, wie die der Wirbelthiere über- haupt, aus dem Epithel, den Linsenfasern und der Kapsel. Das Epithel überzieht nicht bloß die ganze Vorderfläche, sondern reicht noch ziemlich weit über den Äquator auf die Hinterfläche hin- über. Hier breitet es sich nicht überall gleich weit bis zur Mitte aus, sondern lässt eine elliptische Stelle frei. Die lange Achse der Ellipse steht horizontal. entspricht also ihrer Lage nach der hinteren Naht. Bei einem jungen Mustelus, dessen Linsen einen Äquatorialdurch- messer von 6,35 mm hatten, war diese epithelfreie Strecke der Hinter- fläche ca. 6 mm lang und 5 mm breit. An mit Kochenillealaun ge- färbten Linsen kann man die Epithelgrenze ganz leicht mit freiem Auge sehen. Legt man eine solche Linse aus Alkohol auf kurze Zeit in Wasser, so gelingt es leicht, das Epithel in großen, zusammen- hängenden Fetzen abzuziehen. An solchen Epithelfetzen, sowie auch an Meridionalschnitten durch die Linse kann man sich von folgenden Thatsachen überzeugen. Das Epithel ist in der Mitte der Vorder- fläche am dünnsten und nimmt ganz allmählich gegen den Äquator und vielleicht noch darüber hinaus an Dicke zu (Taf. XXIX, Fig. 6). Es geht dabei aus einem einschichtigen Plattenepithel allmählich in ein Cylinderepithel über. Am AÄquator sind die Zellen mindestens dreimal so hoch, als in der Nähe des vorderen Poles. Dagegen nimmt die Größe der Zellareale von der Mitte der Vorderfläche bis zum Äquator und darüber hinaus allmählich ab; so kommt es, dass die Kerne in der Mitte der Vorderfläche durch große Abstände von einander getrennt sind (Taf. XXIX, Fig. 7), während sie am Äquator und an der hinteren Fläche so dicht neben einander stehen, dass nur äußerst enge Zwischenräume zwischen ihnen bestehen bleiben 518 Carl Rabl, (Taf. XXIX, Fig. 8, linke Hälfte). In der Mitte der Vorderfläche nehmen die Kerne fast die ganze Dicke des Epithels ein; am Aqua- tor dagegen und hinter demselben stehen sie ungefähr in halber Höhe der Zellen und ihr Durchmesser beträgt kaum ein Drittel von dem senkrechten Durchmesser des Epithels. Zuweilen liegen hier die Kerne näher der freien, als der basalen Seite der Zellen. Ich brauche dazu kaum zu bemerken, dass nach der Art der Entwicklung der Linse die der Linsenkapsel zugewendete Seite der Zellen als ba- sale, die entgegengesetzte als freie aufzufassen ist. — Die Zellen des Linsenepithels lassen an der ganzen Vorderfläche, sowie auch an einem Theil der Hinterfläche keinerlei Regelmäßigkeit in der An- ordnung erkennen. Ungefähr zwölf bis fünfzehn Zellen von der Epithelgrenze entfernt beginnen sie sich aber zu außerordentlich regelmäßigen Reihen zu ordnen, die genau meridional gestellt sind und an deren hinteren Enden die Umbildung -der Zellen zu Fasern erfolgt (Taf. XXIX, Fig. S). Meridionalschnitte durch diesen Theil des Linsenepithels zeigen, dass die Zellen sammt den Kernen hier schief stehen, so dass sie sich zum Theil dachziegelförmig decken (Taf. XXVIH, Fig. 13). Demnach besteht also an der hinteren Linsenfläche eine zwölf bis fünfzehn Zellen breite Zone meri- dional gestellter Zellreihen, die an dem einen Ende, nach vorn zu, ganz allmählich und ohne scharfe Grenze in das ungeord- nete Epithel übergehen, während an dem anderen Ende die Zellen sich zu den Linsenfasern umbilden (Taf. XXIX, Fig. 8). Es ist klar, dass die regelmäßige Anordnung der Epithelzellen dieser Über- sangszone auch in der Anordnung der Linsenfasern zum Ausdruck kommen muss. Von der Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern erhält man an Meridionalschnitten den besten Aufschluss. Solche sind auf Taf. XXVII, Fig. 13 bei starker und auf Taf. XXIX, Fig. 6 bei schwacher Vergrößerung gezeichnet. Man überzeugt sich an ihnen zunächst, dass eine ganz scharfe Grenze zwischen Epithelzellen und Linsenfasern nicht existirt; immerhin wird man aber nicht weit fehl- gehen, wenn man die Grenze etwa an die mit eg (Taf. XXVII, Fig. 13) bezeichnete Stelle legt. Mit r ist auf derselben Figur die Gegend bezeichnet, in welcher das ungeordnete Epithel in die Zone meridional gestellter Zellreihen übergeht. Die Zellen wachsen bei der Umbildung in Fasern an beiden Enden in die Länge; dahei scheint zunächst das freie, nach innen gerichtete Ende dem basalen etwas vorauszueilen. Die Zellkerne werden, indem sie sich der Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 519 Form der auswachsenden Fasern anpassen, länger und dünner und stellen sich mehr und mehr parallel der Oberfläche. Die Kernzone zeigt einen eigenthümlichen Verlauf. Sie wendet sich von der Epithelgrenze zunächst eine Strecke weit nach hinten, biegt dann in scharfem Winkel nach vorn um, zieht darauf in ge- ringer Entfernung von der Oberfläche und zugleich parallel mit ihr bis in die Gegend des Äquators und wendet sich hier zum Schlusse nach innen, um sich allmählich aufzulösen und zu verschwinden (vgl. Taf. XXVII, Fig, 13 und Taf. XXIX, Fig. 6). An der hinte- ren Umbiegungsstelle sind die Kerne außerordentlich dicht gehäuft; viel weniger dicht am Äquator, wo sie allmählich jene Verände- rungen erfahren, welche zu ihrem Schwunde führen. Diese werde ich in dem von der Linse der Amphibien handelnden Abschnitte genauer beschreiben. Meridionalschnitte durch die Linse erwecken leicht die Vor- stellung, dass die Linsenfasern zu Schichten geordnet sind, welche »wie die Schalen einer Zwiebel« koncentrisch über einander liegen. Indess sind die koncentrischen Linien, die man an solchen Schnitten sieht und von denen einige an den auf Taf. XXVII und XXIX ge- zeichneten Figuren dargestellt sind, nicht die Grenzlinien ganzer Schichten von Linsenfasern, sondern lediglich die Kontouren ein- zelner Linsenfasern. Dieselbe Vorstellung einer koncentrischen Schichtung wird auch durch die bekannte Thatsache hervorgerufen, dass man von gehärteten oder getrockneten Linsen mehr oder we- niger- umfängliche Platten abbröckeln kann, die koncentrisch über einander liegen. Jedoch hat dies lediglich darin den Grund, dass die Linsenfasern gleichen oder ungefähr gleichen Alters auch gleiche oder ungefähr gleiche Konsistenz, gleiche chemische nnd physikalische Beschaffenheit, besitzen. Wer an dieser, in alle Lehr- und Hand- bücher der Anatomie und Histologie übergegangenen, durchaus irrigen Annahme einer koncentrischen Schichtung der Linse festhält, wird sich an den Bildern, welche Äquatorialschnitte zeigen, nicht zurecht- finden. Diese zeigen Alles eher, als eine koncentrische Schichtung; und doch müssten sie, wenn eine solche vorhanden wäre, dieselbe eben so deutlich zeigen, wie es Meridionalschnitte thun oder viel- mehr zu thun scheinen. Statt zu koncentrischen Schichten sieht man aber an solchen Äquatorialschnitten die Linsenfasern zu radiären Lamellen vereinigt; statt des Bildes einer Zwiebel erhält man das einer Apfelsine.e Dabei ist die Regelmäßigkeit des Bildes eine geradezu erstaunliche. — Diese Anordnung der Fasern a a ne = mm ss=ss22a2zı2 IS so=m.zzenacen: (===) == ERS sazası Basssl jan = = ee, B=sgzassee SEBER ER Textfigur 3. Schema einer Selachierlinse (Segment eines Äqua- torialschnittes). 7, Hauptfasern, 2, Übergangs- fasern, 3, Centralfasern. iM \ N l " [| N N l i 2; Carl Rabl, zu radiären Lamellen erklärt sich ganz leicht und ungezwungen aus der Anordnung der Zellen des Linsenepithels an der Epithel- srenze. Hier finden sich die er- wähnten meridionalen Reihen und am Hinterende dieser Reihen geht die Bildung der Linsenfasern vor sich. Sowie die letzte Zelle einer Reihe zu einer Linsenfaser um- gebildet ist, rückt die nächste vor, darauf folgt die zweitnächste und so geht es fort, so lange die Linse wächst und sich neue Fa- sern bilden. Jede neugebildete Faser legt sich genau über die vorhergehende hinweg und die Ge- sammtheit aller aus einer meridio- nalen Reihe entstandenen Fasern setzt eine Radiärlamelle zusam- men. Die Zahl dieser Lamellen muss also mit der Zahl der meri- dionalen Reihen an der Epithel- srenze übereinstimmen. — Aber nicht in ihrer ganzen Dicke kann die Linse aus solchen zu Radiär- lamellen vereinigten Fasern be- stehen. Wir haben früher ge- sehen, dass die Linsenfasern jüngerer Embryonen keine der- artige Anordnung besitzen und dies stimmt auch mit der Thatsache überein, dass die Zellen des Linsenepithels am Äquator oder hinter demselben zu dieser Zeit noch nicht zu meridionalen Reihen geordnet sind. Der auf Taf. XXIX, Fig. Aabgebildete Äquatorialschnitt einer Linse eines 24 mm langen Pristiurus-Embryo lässt noch nichts: l Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 521 von der späteren gesetzmäßigen Aufreihung der Fasern erkennen. Es liegt auch gar kein Grund zu der Annahme vor, dass diese Fasern, die später das Centrum der Linse bilden, sich im Laufe der Entwick- lung umordnen und dann gleichfalls Radiärlamellen formiren; eine solehe Annahme wäre geradezu widersinnig. Wir müssen uns also vorstellen, dass die centralen Linsenfasern auch später noch unregel- mäßig angeordnet bleiben. Wenn es mir auch nicht gelungen ist, vollständige, in der Mitte nicht gebröckelte Schnitte durch die Linsen erwachsener Selachier zu bekommen, so darf doch um so mehr aus dem Verhalten der embryonalen Linse auf das der fertigen geschlos- sen werden, als es mir bei anderen Thierformen, bei Amphibien Reptilien und Vögeln, in der That geglückt ist, solche vollständige Schnitte anzufertigen und ich mich an diesen überzeugen konnte, dass die eentralen Fasern nicht jene regelmäßige Anordnung besitzen, wie die, welche die Hauptmasse der Linse ausmachen. Die Bildung von Radiärlamellen beginnt erst gegen Ende des embryonalen Lebens; bei Seyllium-Embryonen von 41 mm Länge hat sie eben begonnen. Sie muss natürlich durch die Bildung meridio- naler Reihen am Rande des Linsenepithels eingeleitet werden. Der Übergang zwischen diesen zu Radiärlamellen aufgereihten und den centralen, ungeordneten Fasern ist ein langsamer, allmählicher und wir können daher an einem Äquatorialschnitt einer Selachierlinse (Textfig. 3) drei Abschnitte unterscheiden. Weitaus die Hauptmasse der Linse wird von den zu Radiärlamellen geordneten Fasern auf- gebaut; diese bilden die eigentliche Grundlage der Linse (7); das Centrum bilden ungeordnete Fasern (3) und den Übergang zwischen beiden stellen Fasern her, welche sich allmählich zu Lamellen ord- nen (2). Wir können also Hauptfasern. Centralfasern und Über- gangsfasern unterscheiden. Das nebenstehende Schema ist übrigens, abgesehen davon, dass es von allen Details absieht, noch in so fern nicht ganz genau, als die Zahl der Fasern, welche in einen solchen Sektor eines Äquatorialschnittes fallen, viel zu klein angegeben ist; auch die faserärmsten Selachierlinsen sind außerordentlich viel reicher an Fasern, als das Schema zeigt. Die Radiärlamellen weichen ganz gewöhnlich bei der Härtung von Stelle zu Stelle aus einander und es entstehen dadurch zwischen ihnen mehr oder weniger breite und tiefe Spalten, welche, wenn sie bis an die Oberfläche reichen, im auffallenden Lichte als dunkle Streifen erscheinen, die von den Linsennähten radiär gegen den Äquator ziehen. Dagegen bilden sich nur sehr selten quere Spalten, 522 Carl Rabl, die senkrecht durch die Lamellen und demnach parallel zur Ober- fläche verlaufen. Diese queren Spalten haben stets unregelmäßige Wände und unregelmäßigen Verlauf. Dieses Verhalten wäre ganz unverständlich, wenn die Linse, wie dies immer behauptet wird, aus koncentrischen Schichten und nicht, wie ich finde, aus radiären La- mellen aufgebaut wäre. Die Radiärlamellen nehmen von innen nach außen an Dicke zu und damit hängt es zusammen, dass die Fasern in derselben Richtung breiter werden. Es ist dies schon aus dem Schema zu ersehen, dann aber auch aus den Figg. 10« und 105, Taf. XXIX, welehe beide einem und demselben Schnitte entnommen sind und von denen die erstere die Linsenfasern an der Oberfläche, die letztere dieselben aus größerer Tiefe zeigt. Bekanntlich sind die Linsenfasern lange, abgeplattete, sechssei- tige Prismen, deren breite Seiten nach außen und innen gewendet sind und deren spitze, nach den Seiten gerichtete Winkel derart in einander greifen, dass dadurch regelmäßige Ziekzacklinien zu Stande kommen. Diese Linien stellen die Grenzen der einzelnen Radiär- lamellen dar (vgl. die Fig. 10—16, Taf. XXIX). Indessen sind die Querschnittsbilder der Fasern ungemein verschieden. Manchmal sehen sie mehr Rechtecken, als Sechsecken ähnlich (Fig. 105 und 12), ein ander Mal sind die breiten Seiten der Sechsecke nach außen (Fig. 15) oder nach innen (Fig. 16) konkav, wieder ein ander Mal trifft man Fasern von verschiedenem Querschnitt in einer und derselben Linse; kurz, man gewinnt den Eindruck, dass die Linsenfasern ungemein plastische Gebilde sind, die auf den leisesten Druck ihre Form zu “ verändern vermögen. Dieht unter der Oberfläche der Linse sind die Fasern nicht nur breiter als in größerer Tiefe, sondern zugleich dünner (Fig. 9 und 10); die Dieke nimmt ganz allmählich zu, um dann in größerer Tiefe wieder abzunehmen. Ganz allgemein kommt es vor, dass sich Radiärlamellen in ihrem Zuge von innen nach außen theilen, und ich habe in der That keine Linse gesehen, in welcher dies nicht der Fall gewesen wäre. Der- artige Theilungen sind auf Taf. XXIX, Fig. 9 von Seyllium catulus und Fig. 15 und 16 von Raja asterias dargestellt. An der Theilungs- stelle erleiden die Querschnittsbilder der Fasern mancherlei Ab- weichungen von der typischen Form, und zuweilen trifft man hier Fasern von außerordentlicher Breite. Wenn nun aber auch solche Theilungen ganz konstant in jeder Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 523 Linse vorkommen und daher zu den regelmäßigen Erscheinungen ge- hören, so sind es doch immer nur verhältnismäßig wenige Radiär- lamellen, welche davon betroffen werden. Weitaus die Mehrzahl verläuft ungetheilt von der Übergangszone bis zur Oberfläche. Immer- hin muss man aber mit diesen Theilungen rechnen; denn es ist klar, dass dadurch die Zahl der Radiärlamellen von innen nach außen zunehmen muss, oder, was im Grunde auf dasselbe hinauskommt, dass die Linsen jüngerer Thiere weniger Radiärlamellen besitzen müssen als die älterer und vollkommen erwachsener. Die Zahl der Radiärlamellen nimmt also mit dem Alter zu. Außerordentlich viel seltener als solche Theilungen von Lamellen kommen Verbindungen derselben vor, in der Weise, dass zwei Lamellen nach außen zu sich zu einer einzigen vereinigen. Wie bei der Theilung einer Lamelle erleidet auch bei einer solchen Vereinigung das Querschnittsbild der Fasern eine mehr oder weniger erhebliche Abweichung von der ge- wöhnlichen Form. Durch derartige Verbindungen der Lamellen muss natürlich die Zahl derselben nach außen abnehmen. Indessen sind diese Fälle ungemein selten, und an Häufigkeit mit den Theilungen der Lamellen gar nicht zu vergleichen; sie ändern daher nichts an - dem allgemeinen Satze, dass die Zahl der Lamellen von innen nach außen zunimmt. Wie diese Theilungen und Verbindungen der Radiärlamellen zu erklären sind, werde ich in dem von der Linse der Amphibien han- delnden Kapitel des Genaueren aus einander setzen; hier will ich nur erwähnen, dass die Ursache derselben in dem Verhalten der meridionalen Reihen am Rande des Linsenepithels zu suchen ist. Häufiger, als die Vereinigung zweier Lamellen zu einer einzigen kommt es vor, dass sich zwei Lamellen mit einander verbinden, um sich sofort oder nach kurzer Zeit wieder zu trennen. Im ersteren Fall stellt gewöhnlich eine einzige Faser die Verbindung der beiden Lamellen her. — Eine andere Unregelmäßigkeit in der Anordnung der Fasern zeigt uns die Fig. 16, Taf. XXIX, wo zwei, im Übrigen ganz selbständige Lamellen an einer Stelle mit einander in Verbin- dung treten. — Manchmal sieht man plötzlich mitten zwischen nor- malen Fasern eine ganz kolossale eingestreut, welche indess in der Regel die Ordnung nur auf kurze Zeit stört. — Schwer zu be- urtheilen sind Fälle, wie der in Fig. 13 von Chimaera abgebildete; es ist hier nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob die zwei großen ovalen Querschnitte Faserquerschnitte oder aber mit feinkörmigem - Gerinnsel erfüllte Lücken sind. Die Granulirung spricht nicht gegen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIHN. Bad. 34 524 Be Carl Rabl, die erstere Annahme; denn eine solche ist ungemein häufig an ganz normalen Fasern zu sehen. Die Zahl der Radiärlamellen hängt, wie gesagt, zunächst von dem Alter des Thieres ab; daher treffen wir bei jungen Thieren einer bestimmten Art weniger Lamellen als bei alten. Ferner hängt aber auch die Zahl der Radiärlamellen von der Art selbst ab, und es können z. B. zwei Linsen von gleicher Größe, aber von verschiedenen Arten eine sehr verschieden große Zahl von Radiärlamellen besitzen. Ich habe an einer Anzahl von Linsen die Radiärlamellen gezählt und bei den Selachiern die größten Zahlen gefunden, die mir über- haupt begegnet sind. Eigenthümlicherweise war es gerade diejenige Form, welche im System an die tiefste Stelle gestellt wird, die die srößte Zahl von Lamellen aufwies; an einer Chimaera monstrosa fand ich nämlich ca. 3880 Radiärlamellen. Allerdings war die betreffende Linse ganz besonders groß; ihr Durchmesser betrug im Äquator 13,3 mm. Erheblich geringer war die Zahl bei einer Linse von Pristiurus melanostomus von 8,8 mm Äquatorialdurchmesser; sie betrug ungefähr 2900. Bei einem jüngeren Pristiurus mit einer Linse von nur 8,0 mm Durchmesser betrug die Zahl der Lamellen 2009. An einer Linse von Mustelus laevis von 6,3 mm Durchmesser zählte ich 2130 Lamellen; an einer anderen, ungefähr gleich großen Linse der- selben Art 2200; an einer solchen von 9,8 mm Durchmesser, also von einem viel älteren Thiere, 2820. An einer Linse von Acanthias vulgaris von 6,3 mm Durchmesser fand ich 1747; an einer solchen eines älteren Embryo, deren Durchmesser 4,4 mm betrug, dagegen nur 1632. An der Linse eines Spinax niger von 6,1 mm Durchmesser waren 1172 Radien vorhanden, und an der Linse eines sehr jungen, ca. 14 cm langen Seyllium catulus 1040. Endlich habe ich noch an der Linse einer Raja asterias von 4,5 mm größtem Durchmesser 1211 Radiärlamellen gezählt. Die Linsen von Torpedo marmorata, die ich schnitt, habe ich leider nicht senkrecht zur Achse getroffen und kann daher die Zahl der schief durchschnittenen Lamellen nicht sicher angeben; aber ich möchte doch bemerken, dass sie mir ge- ringer zu sein scheint als bei Raja. Aus den angeführten Zahlen lässt sich ein Schluss in phyioge- netischem Sinne, etwa dahin gehend, dass bei tiefer stehenden Formen die Zahl der Radiärlamellen eine größere, bei höher stehenden eine kleinere wäre, nicht ziehen. Die Erfahrungen bei anderen Wirbel- thieren sprechen, wie wir noch sehen werden, entschieden dagegen. Ich habe auf Taf. XXIX, Fig. 10 5 bis Fig. 16 kleine Stellen aus‘ Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 5935 Äquatorialschnitten durch Linsen verschiedener Selachier gezeichnet und man kann an denselben die Breite und Dieke der Fasern und die Dicke der Radiärlamellen mit einander vergleichen. Die be- treffenden Stellen waren ungefähr gleich weit (ca. 0,5 mm) von der Oberfläche entfernt und wurden sämmtlich bei derselben Vergröße- runs: (Zeiss, Apochrom. Ölimm. 1,40) gezeichnet. Am schmalsten und zugleich am dünnsten sind die Fasern bei Chimaera (Fig. 13); un- sefähr eben so schmal, dabei aber dicker sind sie bei Mustelus (Fig. 105); etwas breiter sind sie bei Acanthias (Fig. 14); noch breiter bei Pristiurus (Fig. 11); sodann folgt Raja (Fig. 15 und 16), und am breitesten und vielleicht zugleich auch am dicksten sind sie bei Spinax (Fig. 12). Um die Faserbreite richtig zu beurtheilen, muss man sich übri- sens erinnern, dass die Dicke der Radiärlamellen und damit zugleich die Breite der Fasern von innen nach außen zunimmt. Wenn man nun an einer Linse von Chimaera von 13,3 mm Durchmesser un- sefähr 0,5 mm unter der Oberfläche Fasern von derselben Breite findet, wie bei einer Linse von Mustelus von 6,3 mm Durchmesser, so muss man sagen, dass die Linsenfasern der beiden Arten zwar absolut gleich breit, aber doch bei Mustelus relativ sehr viel breiter sind als bei Chimaera. Wenn man ferner findet, dass bei der erwähnten Mustelus-Linse die Fasern nur etwa halb so breit sind als bei einer fast eben so großen Linse von Spinax (Durchmesser 6,1 mm) (vgl. Fig. 105 und 12), so steht diese Thatsache im vollen Einklang mit dem Zahlenverhältnisse der Radiärlamellen beider Linsen a0: 1172). — Wenn man eine Linse, die längere Zeit in Alkohol gelegen hat, in Wasser lest und dann die Kapsel abzieht, so gelingt es leicht, mit einer Pincette ein Bündel von Fasern zu fassen und abzuziehen. Geht man dabei von der hinteren Linsenfläche aus und fasst man ein Bündel, das in der Mitte der hinteren Linsennaht, also am hin- teren Linsenpol beginnt, so kann man es über den Äquator auf die vordere Fläche verfolgen und findet, dass es hier am Ende der Naht aufhört; fasst man umgekehrt ein Bündel, das am Ende der hinteren Linsennaht beginnt, so kann man es über den Äquator bis zur Mitte der vorderen Fläche verfolgen; fasst man endlich ein Bündel, das ungefähr in der Mitte zwischen dem hinteren Linsenpol und dem Ende der Naht beginnt, so kann man es bis zu einer korrespondiren- den Stelle der vorderen Naht verfolgen. Die Linsenfasern zeigen also den in dem umstehenden Schema angezeigten Verlauf. In demselben 34* 526 Carl Rabl, sind die Naht und die Fasern der hinteren Fläche mit vollen, die der vorderen mit punktirten Linien angegeben. Je weiter der Weg einer Faser an der hinteren Fläche ist, um so kürzer ist er an der vorderen und umgekehrt. — Der hier im Schema angegebene Ver- lauf der Fasern entspricht genau dem Verlauf der Spalten, wie er an der getreu nach dem Objekt gezeichneten Textfig. 1 (p. 516) zu sehen ist. Die Fasern gleichen Alters haben also ungefähr gleiche Länge. Fehlerhaft aber ist es, von Fasern einer und derselben Schicht zu reden; denn Schich- ten giebt es in der Linse nicht. Diese sind Kunstprodukte, von denen das histologische Bild nichts weiß. Da sich nun aber die Fasern zu Lamellen ver-. einigen, so können auch diese nicht genau meridional gestellt sein, sondern müssen vielmehr windschief verbogen sein. Frei- lich kann davon an einem ein- zelnen Schnitte durch die Linse nichts zu merken sein; aber Textfig. 4. man müsste sich davon über- zeugen können, wenn man eine lückenlose Serie von Äquatorialschnitten von einer Linse anfertigte, die Schnitte skizzirte und dann die Skizzen zu einem Gesammtbilde vereinigte. ' Zum Schlusse will ich noch ein paar Worte über die Linsen- kapsel sagen. Wie ich schon erwähnt habe, halte ich dieselbe für eine von der Linse zur Ausscheidung gebrachte Basalmembran und nicht für eine mesodermale Bildung. Sie stellt ein strukturloses Häutchen dar, an dem übrigens in seltenen Fällen eine deutliche Schichtung erkennbar ist; so konnte ich an einer sehr großen Mustelus- Linse am Äquator zwei und selbst drei Schichten von gleicher Dicke wahrnehmen. Die einzelnen Schichten waren von hyaliner Be- schaffenheit. — Die Dicke der Kapsel betrug an einer Mustelus-Linse von 6,3 mm Äquatorialdurchmesser in der Mitte der vorderen Fläche ungefähr 0,012 mm, am Äquator 0,016 mm, und in der Mitte der hin- teren Fläche höchstens 0,004 mm. Sie war also am Äquator am beträchtlichsten; von hier nahm die Dieke nach hinten rascher als nach vorn ab; am raschesten war die Abnahme unmittelbar hinter Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 5937 dem Rande des Linsenepithels. Am Aquator einer Pristiurus-Linse von 8,8 mm Durchmesser betrug die Dicke der Kapsel nur 0,0072 mm; am Äquator einer Chimaera-Linse von 13,3 mm hans. sam betrug sie 0,036 mm. Il. Amphibien. A. Entwicklung. Ich habe die erste Entwicklung des Auges und speciell der Linse am genauesten am Axolotl, weniger vollständig an Triton taeniatus untersucht. Zur Untersuchung älterer Stadien habe ich hauptsächlich Larven von Salamandra maculosa und atra und von Triton eristatus verwendet. Bei der Beschreibung halte ich mich zunächst an meine Beob- achtungen am Axolotl und werde hier ausnahmsweise auch Einiges über die Entwicklung anderer Theile des Auges sagen. Der jüngste Axolotl-Embryo, der deutlich und unzweifelhaft eine Linsenanlage erkennen ließ, hatte ungefähr 24 Urwirbel. Er war in Beziehung auf die Ausbildung der anderen Sinnesorgane entschie- den weiter entwickelt, als der jüngste Pristiurus-Embryo, der etwas von einer Linsenanlage erkennen ließ; denn nicht bloß war das Epithel der Nasengrube dicker, sondern vor Allem war das Gehör- bläschen schon vollkommen vom Ektoderm abgelöst. Die Linsenanlage bildete eine dicke, aus Cylinderzellen zusammen- gesetzte Platte, an deren Aufbau sich lediglich die innere oder Sinnes- schicht (»Grundschicht«) des Ektoderms betheiligste, während die äußere oder »Deckschicht« als eine einfache Lage sehr flacher Zellen unverändert darüber hinwegzog (Fig. I, Taf. XXX). Die Zellen der Deckschicht enthielten feinkörniges Pigment, während die Linsen- anlage selbst ganz frei von Pigment war. Es ist dies desshalb auf- fallend, weil sowohl die Riechplatte, als namentlich die Wände des Gehörbläschens Pigment enthielten. Die Linsenplatte zeigte sich gegen die Umgebung nicht scharf abgegrenzt, ihre Zellen wurden nach der Peripherie niedriger und gingen allmählich in ein ziemlich flaches Epithel über. An der Körperoberfläche war die Stelle der Linsen- anlage durch eine Abflachung oder eben merkliche Einsenkung aus- gezeichnet. — Auch die Augenblase unterschied sich nicht unwesent- lich von der von Pristiurus-Embryonen korrespondirenden Stadiums. Während hier die beiden Wände derselben im ersten Stadium der Linsenentwieklung gleich oder nahezu gleich dick sind, sind sie beim Axolotl bereits ganz typisch verschieden. Die mediale Wand ist ungemein dünn und aus sehr flachen Zellen zusammengesetzt, die 528 Carl Rabl, laterale außerordentlich diek und schon deutlich von außen her an der Stelle, wo sich die Linsenplatte findet, eingebuchtet. Beide Wände enthalten geringe Mengen von Pigment; in der lateralen, zur Retina sich entwickelnden Wand ist das Pigment hauptsächlich an der der Linsenanlage zugekehrten Seite gelegen und erstreckt sich von hier in mehr oder weniger langen Zügen nach der entgegengesetzten Seite. Dies stimmt übrigens mit der Thatsache überein, dass auch in der Anlage des Centralnervensystems das Pigment hauptsächlich an der Außenseite abgelagert ist. Der typische Unterschied zwischen den beiden Wänden der Augenblase giebt sich beim Axolotl schon lange vor dem ersten Auf- treten der Linse zu erkennen. Ja, sogar schon bei Embryonen mit 13 Urwirbeln erscheint die laterale Wand der primären Augenblase dicker, als die mediale. Das Mesoderm schiebt sich bei Embryonen mit 24 Urwirbeln zwischen Ektoderm und Augenblase ungefähr bis zum Rand der Linsenplatte vor. I Wesentlich denselben Bau zeigte die erste Anlage der Linse noch bei vier anderen Embryonen gleichen Alters; nur war zuweilen die Einsenkung an der Außenfläche des Körpers etwas tiefer, als in dem beschriebenen Fall. | Bei einem etwas älteren Embryo, dessen Urwirbel ich aber nicht gezählt habe, bot das Auge auf dem Querschnitt das auf Fig. 2, Taf. XXX wiedergegebene Bild. Die Linsenplatte war erheblich dieker und, wenn sie auch noch nicht: zu einer Grube vertieft war, so ließ sie doch schon die Tendenz hierzu deutlich erkennen. Ihre Zellen waren ungemein hoch, zumeist kegelförmig und sichtlich sehr fest an einander gepresst. Ihre Kerne waren, wenn sie auch nicht alle in gleicher Höhe standen, doch fast durchwegs dem basalen Ende mehr, als dem freien, genähert. Die Deckschicht zeigte gegen früher kaum irgend eine wesentliche Veränderung. — Auf der linken Seite desselben Embryo, dem die Fig. 2 entnommen ist, war die Linse um eine Spur weiter entwickelt, indem sich hier in der That bereits eine kleine Grube gebildet hatte. Im Übrigen zeigte das Auge dieses Embryo nicht viel Besonderes. Abgesehen davon, dass die laterale Wand der Augenblase, entsprechend der mächtigeren Ausbildung der Linsenplatte tiefer eingestülpt war, zeigte sie kaum eine Veränderung. Dagegen war es im höchsten Grade auffallend, dass das ganze Auge, obwohl es doch zweifellos . weiter entwickelt war, als das des früher beschriebenen Stadiums, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 529 doch erheblich kleiner war, als dieses. Ganz derselben That- sache begegnen wir auch in späteren Stadien. Da dieser Gegenstand eine weitgehende, allgemeine Bedeutung besitzt, will ich bei dem- selben etwas verweilen. Jeder, der die Figuren der Taf. XXX, die sämmtlich bei der gleichen Vergrößerung gezeichnet sind, aufmerksam betrachtet, wird die Beobachtung machen, dass, wie erwähnt, das Auge im Stadium der Fig. 2 kleiner ist als im Stadium der Fig. 1, dann aber auch in dem der Fig. 4 kleiner, als in dem der Fig. 3, ja selbst kleiner als in dem der Figg. 1 und 2, in dem der Fig. 7 endlich kleiner, als in dem der Fig. 6. Und doch kann es nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass das Auge im Stadium der Fig. 4 weiter entwickelt ist, als in den Stadien der Figg. 1—3 oder im Stadium der Fig. 7 weiter, als in dem der Fig. 6. Da nun von vorn herein nicht die Möglichkeit auszuschließen war, dass das Auge bei einem im Übrigen weniger weit entwickelten Embryo besser ausgebildet sein konnte, als bei einem weiter entwickelten und um- gekehrt, so habe ich auch die übrigen Organisationsverhältnisse, vor Allem die Ausbildung der anderen Sinnesorgane, in Betracht gezogen. Dabei hat sich aber gezeigt, dass eine solche Annahme durchaus un- statthaft war, dass also der Embryo der Fig. 4 auch in seinen übrigen Organisationsverhältnissen weiter entwickelt war, als die Embryonen der Figg. 1—3, und eben so auch der Embryo der Fig. 7 weiter als der der Fig. 6. — Es war nun aber noch an die weitere Möglichkeit zu denken, dass in späteren Stadien zwar das Auge kleiner, aber der Gesammtquerschnitt des Kopfes doch größer sein könnte, als bei jüngeren Embryonen. Ich habe daher bei allen Embryonen die Höhe und Breite des Querschnittes durch den Kopf gemessen; diese Messungen haben gezeigt, dass bei Embryonen mit kleinerem, aber weiter ausgebildetem Auge auch der ganze Kopf kleiner, bei Em- bryonen mit großem, aber weniger weit entwickeltem Auge auch der ganze Kopf größer war. Daraus geht mit aller Sicherheit hervor, dass die Größe eines Embryo noch keinen sicheren Maßstab für das _ Alter oder, richtiger, für die Organisationshöhe desselben abgiebt. Es kann vielmehr ein kleiner Embryo weiter entwickelt sein, als ein sroßer!. Nun erhob sich aber noch eine andere Frage. Vielleicht war bei dem kleineren, aber weiter entwickelten Embryo die Zahl der Zellen größer, als bei dem größeren, aber weniger weit ent- i Vgl. darüber: ALFRED FISCHEL, Über Variabilität und Wachsthum des embryonalen Körpers. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIV. 1896. 530 Carl Rabl, wickelten. Aber auch dies war nicht der Fall. Ein Vergleich der Figg. 1 und 4 lehrt ohne Weiteres, dass die Zellenzahl bei den weiter entwickelten Embryonen keineswegs größer zu sein braucht, als bei den weniger entwickelten; ja sie kann sogar etwas kleiner sein. Es kann also ein kleiner Embryo weiter entwickelt sein, als ein großer, und doch kann seine Zellenzahl eine geringere sein. Diese That- sache ist von höchstem Interesse und regt zu weiterem Nachdenken an. Wir waren immer gewohnt, anzunehmen, dass gleich große Embryonen auch gleich weit entwickelt sind und dass gleich weit entwickelte Embryonen auch ungefähr die gleiche Zahl von Zellen haben und nun sehen wir, dass die Thatsachen diese Annahme durchaus nicht rechtfertigen. Wie diese Thatsachen zu verstehen sind, ist freilich schwer zu sagen. Gewiss wird man annehmen dürfen, dass kleinere Embryonen sich aus kleineren Eiern entwickelt haben, aber diese Annahme erklärt nicht die Thatsache, dass weiter entwickelte Embryonen nicht nothwendig mehr Zellen zu haben brauchen, als weniger weit entwickelte. Ich fahre nun mit der Beschreibung der Entwicklung des Auges fort. Das dritte Stadium (Fig. 3, Taf. XXX) zeigt uns die Linsenplatte zu einer tiefen Grube eingesenkt. In der Höhle der Grube liegt eine Zelle, aus deren Pigmentgehalt hervorgeht, dass sie der Deckschicht des Ektoderms angehört und bei der Einstülpung nur mechanisch in die Grube hineingezogen wurde. Es können übrigens auch Zellen der Sinnesschicht in der Höhle liegen; dies ist z. B. auf der anderen Seite desselben Embryo, dem dieses Bild entnommen ist, der Fall. Solche Zellen müssen aus irgend einem uns nicht näher bekannten Grunde aus der Reihe ihrer Genossen getreten sein. — Die Augenblase ist jetzt noch tiefer eingestülpt, als früher; zwischen ihr und der Linsen- anlage ist auch jetzt nur ein enger, spaltförmiger Raum ohne zelligen Inhalt vorhanden. Die laterale Wand der Augenblase enthält nur noch wenig Pigment, die mediale scheint etwas mehr zu enthalten. In beiden Wänden nimmt die Menge der Dotterplättehen allmählich ab. — Das spärliche, die Augenblase außen umgebende Mesoderm zeigt nichts Besonderes. — Bei einem zweiten Embryo desselben Stadiums war die Linsengrube auf beiden Seiten ganz leer. Rei einem etwas älteren Embryo stand die Linsenanlage auf der rechten Seite eben im Begriff, sich vom Ektoderm abzuschnüren (Fig. 4, Taf. XXX) und auf der linken Seite war die Abschnürung augen- scheinlich schon vollzogen. Solche geringe Differenzen zwischen beiden Körperseiten trifft man nicht ganz selten. Auf beiden Seiten Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 531 des erwähnten Embryo umschloss die Linse eine kleine Höhle ohne zelligen Inhalt. Auffallend weit war bei diesem Embryo schon das Mesoderm zwischen Augenblasenwand und Ektoderm vorgedrungen und reichte fast bis an die Linse heran. Im Übrigen bot dieser Embryo in Beziehung auf sein Auge — von der schon erwähnten Kleinheit der ganzen Anlage abgesehen — keine bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten. Alsbald löst sich das Linsenbläschen vollständig von seinem Mutterboden ab (Fig. 5, Taf. XXX) und die Sinnesschicht schließt sich über ihm, ohne eine Trennungsspur zu hinterlassen. An man- chen Embryonen sieht man allerdings noch unmittelbar nach erfolgter Ablösung das Linsenbläschen sich gegen das Ektoderm andrängen und in eine Grube der Sinnesschicht einlegen. Die Höhle des Linsenbläschens ist ziemlich unregelmäßig; an dem abgebildeten Schnitte war sie mehr dreieckig, als rund und vollkommen frei von zelligen Elementen. — Der früher spaltförmige Raum zwischen Linse und Retina hatte sich bedeutend erweitert, war aber allem Anscheine nach ganz ohne geformten Inhalt. Das Meso- derm zeigte das deutliche Bestreben, sich zwischen Linse und Ek- toderm einzudrängen. Das Pigment in der äußeren Lamelle der sekundären Augenblase war entschieden in reichlicherer Menge ent- wickelt, als früher. In der inneren, zur Retina sich entwickelnden Lamelle war es dagegen fast vollständig geschwunden. Eben so waren nur mehr geringe Reste von Dotterplättchen in Linse und Retina zu finden. Die Mesodermzellen, welche die Augenblase von außen her bedeckten, ließen vielleicht die erste Andeutung einer Gruppirung zu einer zusammenhängenden Schicht erkennen. Bald darauf machen sich an der Linse die ersten Unterschiede zwischen medialer und lateraler Wand bemerkbar. Die Zellen der medialen Wand wachsen zu größerer Länge aus und zwar ist es das freie, dem Lumen des Bläschens zugewendete Ende, welches diese Verlängerung erfährt (Fig. 6, Taf. XXX). In der Höhle des Bläschens können wieder, wie auch in dem abgebildeten Fall, einige Zellen liegen; wie wenig Bedeutung einem solchen Verhalten zuzu- schreiben ist, geht schon daraus hervor, dass auf der anderen Seite desselben Embryo die Höhle ganz frei von Zellen war und nur eine Zelle etwas weiter in das Lumen vorsprang. Ob sich solche Zellen später wieder zwischen die übrigen Epithelzellen einordnen oder ob sie zerfallen und zu Grunde gehen, ist schwer zu sagen. Vielleicht kann beides geschehen. So sieht man in der Linse der Fig. 6 532 Carl Rabl, dorsal von den zwei großen, centralen Kernen ein rundliches, sehr intensiv gefärbtes Chromatinkorn, von dem ich glauben möchte, dass es von einem im Zerfall oder in Rückbildung begriffenen Zellkern stamme. Zwischen Linse und Ektoderm liegt jetzt eine einfache Lage platter Mesodermzellen, und da diese Zellen sich später zweifellos an dem Aufbau der bindegewebigen Grundlage der Cornea betheiligen, so darf man wohl in dieses Stadium die erste Anlage der Hornhaut verlegen. Wichtig scheint es mir, dass zu dieser Zeit die Deckschicht des Ektoderms noch reichlich Pigmentkörnchen enthält. Auch die Augenblase zeigt den Beginn einer Differenzirung. Die Retina ist nämlich an zwei Stellen des Querschnittes abgeknickt und damit ist, wie wir sehen werden, eine Scheidung in die Pars optica und die Pars caeca, mit welch letzterem Namen ich die Pars ciliaris und iridiea zusammen bezeichnen will, eingeleitet. An der Grenze zwischen beiden Theilen der Retina, also an der Knickungs- stelle, weichen die Kerne von innen her zurück. — Die Menge des Pigments der äußeren Wand der Augenblase hat gegen früher ent- schieden zugenommen. — In der Mitte der Außenfläche der Retina, da, wo sich auf dem Schnitt die äußere Wand der Augenblase von der inneren abgehoben hat (bei st), sitzen den Zellen kleine Buckel auf, die rundliche, mit hellem Inhalt erfüllte Vacuolen enthalten. Damit ist der erste Anfang der Differenzirung eines Neuroepithels gemacht. Es scheint mir von Interesse, dass diese Differenzirung am hinteren Pol der Augenachse den Anfang nimmt. — Der Optieus lässt bereits feine Fasern erkennen. — Das der Augenblase auf- liegende Mesoderm ordnet sich deutlicher als früher zu einer Hülle derselben um. Die weitere Ausbildung der medialen Wand des Linsenbläschens macht nun rasche Fortschritte. Im nächsten Stadium springt diese Wand schon als ein kleiner Hügel in das Lumen des Bläschens vor (Fig. 7, Taf. XXX). Dabei färben sich die freien Enden der Zellen mit Kochenillealaun erheblich dunkler, als die basalen. — Im Übrigen hat aber das Auge kaum irgend welche Fortschritte in der Entwicklung semacht. Um so beträchtlicher sind dieselben im nächsten Stadium. Die Linsenfasern erfüllen jetzt (Fig. 8, Taf. XXX) fast die ganze Höhle des Linsenbläschens. Sie sind unregelmäßig koncentrisch über einander gelagert und die am meisten in der Peripherie gelegenen stoßen mit ihren basalen Enden am hinteren Linsenpol an einander. Unter dem Epithel der Cornea findet sich eine dünne Fibrillen- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 533 lage, welche zweifellos den hier liegenden Mesodermzellen den Ur- sprung verdankt und sich kontinuirlich in die oberflächlichste Cutis- schicht fortsetzt. Ich habe mich von dieser Thatsache auch an Larven von Salamandra maculosa und atra aufs sicherste überzeugt und eben so auch an Knochenfischen (Hecht und Forelle) und stehe daher nicht an, die Bowman’sche Membran, die sich aus dieser ersten Fibrillenschicht entwickelt, zusammen mit der oberflächlich- sten Lage von Hornhautkörperchen als Cutisschieht der Cornea zu bezeichnen. Unter der Cornea, nahe dem Rande der Augenblase, finden sich zwei große Gefäßquerschnitte; ich werde darauf bei der Beschreibung der späteren Stadien noch zurückkommen. — Die Scheidung der Retina in eine Pars optica und Pars caeca ist noch schärfer, als früher, und beide Theile haben eine ziemlich weitgehende Differenzirung erfahren. Vor Allem gilt dies von der Pars optica. An ihr kann man schon dieselben Schichten unterscheiden, welche die fertige Retina charak- terisiren. Man trifft von innen nach außen: 1) eine äußerst dünne Lage von Opticusfasern, die nur beim Sehnerveneintritt eine größere Dicke zeigt; darauf folgt: 2) eine einfache Lage von Kernen, die Zellkerne der Ganglienzellenschicht; 3) ein ziemlich breiter, heller Streifen, der bei starker Vergrößerung feine Fäserchen erkennen ‚lässt, die sich vielfach durchkreuzen, die innere reticuläre Schicht; 4) eine sehr dicke Lage von Zellkernen, die fast überall zu dreien über einander liegen, die innere Körnerschicht; 5) ein sehr dünner, eben merkbarer, heller Streifen, die äußere reticuläre Schicht; sodann 6) eine Lage von Kernen, die augenscheinlich zwei Schichten bilden, die äußere Körnerschicht, und endlich 7) die Stäbchenzapfenschicht. Diese hatte sich schon in den zwei vorhergehenden Stadien in Form von rundlichen Buckeln, welche den Kernen an der Außenfläche der Retina aufsaßen und kleine rundliche Vacuolen enthielten, bemerkbar semacht. Jetzt sind diese Buckel fast durchwegs zu flaschenförmigen Körpern ausgewachsen, an denen man deutlich ein Innen- und ein Außenglied unterscheiden kann. — Ich wage nicht die Frage zu entscheiden, ob wir es hier mit Stäbchen oder Zapfen zu thun haben; wenn diese Gebilde auch mehr Stäbchen als Zapfen ähnlich sehen und zwischen ihnen kleinere, zapfenähnliche Gebilde nur in geringer Menge vorkommen, so unterscheiden sie sich doch auch wieder so auffallend von den Stäbehen der entwickelten Amphibienretina, dass es mir gerathen erscheint, zu sagen, es habe noch keine Diffe- renzirung dieser Bildungen zu Stäbchen und Zapfen stattgefunden; 534 Carl Rabl, Stäbchen und Zapfen gehen vielleicht aus einer gemeinsamen Grund- form hervor. Es soll davon weiter unten noch die Rede sein. Das Pigment in der äußeren, zum Tapetum nigrum umgewandelten Wand der Augenblase ist bedeutend vermehrt und namentlich an der der Retina zugewendeten Seite sehr mächtig entwickelt. — An der Grenze zwischen Pars optica und Pars caeca sind wieder, wie früher, kernfreie Stellen. An der Pars caeca, die sich zum überwiegenden Theile wohl zur Pars iridiea entwickelt, ist die äußere, aus dem Tapetum fortgesetzte Lage dicker, als dieses, und ihre Dicke nimmt noch gegen den Umschlagsrand zu. Je höher die Zellen werden, um so ärmer werden sie an Pigment. Das die Augenblase umgebende Mesodermgewebe bildet jetzt eine geschlossene Hülle, in der sich hier und da Pigmentkörnchen finden. Im nächsten Stadium (Fig. 9, Taf. XXX) hat das Auge an Um- fang sehr zugenommen, jedoch hat, von dieser Größenzunahme ab- gesehen, eigentlich nur die Linse eine namhaftere Weiterbildung er- fahren. Am hinteren Pol der Linse bemerkt man eine Grube oder einen Schlitz, dessen Wände von den basalen Enden der jüngsten Linsen- fasern gebildet werden. Der schon erwähnte Unterschied zwischen freien und basalen Enden der Fasern ist auch jetzt an den jüngsten Linsenfasern deutlich zu erkennen. — Auch an den Kernen zeigen sich je nach dem Alter der Fasern bemerkenswerthe Unterschiede. Während die Kerne des Linsenepithels und eben so auch die Kerne der sich unmittelbar daran anschließenden Linsenfasern ein sehr gleichmäßiges, ungemein zartes, chromatisches Gerüst enthalten, wird dieses mit zunehmendem Alter der Fasern gröber und dabei lockerer; es treten größere, weniger tingirbare nucleolenartige Bildungen auf und die Kerne erscheinen demgemäß heller, als die Kerne des Linsenepithels und der jungen Fasern. In dem nächsten, von mir untersuchten Stadium, bei einer Larve, die im konservirten Zustande 13 mm maß, zeigte das Auge auf dem Querschnitte das in Fig. 10, Taf. XXX wiedergegebene Bild. Die Linse war ungemein groß, von ovaler Form, das stumpfe Ende nach innen, das spitze nach außen gewendet. Sie ließ auf dem Median- schnitt einen überaus regelmäßigen Bau erkennen. Ein solches Bild einer Linse sieht aus wie ein Schnitt durch eine Gastrula. Das Linsenepithel zeigte auf der hinteren Fläche den Beginn einer regel- mäßigen Anordnung. Wie nämlich die Anschnitte durch die Linse deutlich erkennen lassen (vgl. Fig. 10 a), beginnen sich die Zellen an der Grenze des Epithels zu meridionalen Reihen zu ordnen. Die Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 535 nothwendige Folge davon ist, dass sich die Linsenfasern von nun an zu radiären Lamellen ordnen. Auf dem Schnitte durch die Mitte der Linse (Fig. 10) sieht man, dass sich die Kerne der Zellen, welche jene Reihen bilden, dachziegelförmig über einander legen. Die Linsenfasern zeigen noch im Wesentlichen dieselbe Be- schaffenheit, wie früher. Basales und freies Ende sind typisch von einander verschieden; das basale ıst verdickt und besitzt einen fein- körnigen, zuweilen, wie es scheint, undeutlich längsstreifigen Inhalt, das freie ist sehr in die Länge gezogen, stark abgeplattet, von homo- sener Beschaffenheit und starkem Lichtbreehungsvermögen. An den Kernen der Linsenfasern sind dieselben Unterschiede, wie früher, zu erkennen. Häufig sieht man in den centralen Kernen helle Vacu- olen, die mit dunkleren Inhaltskörnern erfüllt sind. In der Mitte der hinteren Fläche, da, wo die basalen Enden der Fasern einander begegnen, ist wieder eine tiefe Spalte erkennbar, die sich von der Oberfläche fast bis ins Centrum der Linse verfolgen lässt. — Ob schon eine Kapsel vorhanden ist, konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Das Epithel der Cornea ist jetzt vollkommen frei von Pigment. Die Differenzirung der Retina hat weitere Fortschritte gemacht. Ihre Schiehtung ist nicht überall gleich deutlich; in der Mitte ist sie am besten ausgebildet und sie wird um so undeutlicher, je mehr man sich der Peripherie nähert. In einiger Entfernung von der Grenze zwischen Pars optica und Pars caeca hört sie ganz auf. Namentlich die Stäbehenzapfenschicht lässt gut erkennen, wie die Differenzirung von der Peripherie zum Centrum allmählich zunimmt. Die Pars caeca lässt die Zusammensetzung aus zwei Blättern deutlich erkennen. Das äußere, das eigentlich nur der vordere Theil des Tapetum ist, ist am Rand etwas verdickt und das Pigment in ihm vermehrt. Aber auch in dem inneren, aus der eigentlichen Retina fortgesetzten Blatte hat vom Rande her die Pigmentbildung begonnen. Der äußeren Fläche der Pars iridica liegt oben und unten ein Gefäß auf und an den meisten Schnitten sieht man überdies noch einige flache, zum Theil pigmentirte, Bindegewebszellen. Dieses Bindegewebe mit den Gefäßen stellt die erste Anlage des Stroma iridis dar. Man kann aber nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass die eigentliche Grundlage der Iris die Pars iridica retinae und nicht das bindegewebige Stroma ist. Es wird davon noch in einem späteren Abschnitte die Rede sein. Ein Vergleich der Figg. 8, 9 und 10 (Taf. XXX) lehrt, dass die Gefäße, welche später zu Irisgefäßen werden, Anfangs eine etwas 536 Carl Rabl, andere Lage haben und erst allmählich auf die vordere Fläche der Pars iridica retinae rücken. Eine Thatsache, von der man sich sowohl in diesem, wie in den - nächst vorhergehenden Stadien leicht überzeugen kann, besteht darin, dass weitaus die meisten Theilungsfiguren der Retina an der Grenze zwischen Pars optica und Pars caeca zu finden sind. Dort, wo die Retina bereits in die einzelnen Schichten gesondert ist, habe ich in den letzten Stadien überhaupt keine Theilungsfiguren mehr finden können, obwohl doch sonst die Menge derselben in meinen Präpa- raten eine sehr große ist. Wir dürfen daher der Grenzzone zwischen beiden Abschnitten der Retina eine besondere Wachsthumsenergie zuschreiben. Dies gilt aber nur für die späteren Stadien, in jünge- ren trifft man, wie auch die Figg. 2, 3, 4 und 6 lehren, Theilungs- figuren auch in der Mitte. Eine Eigenthümlichkeit, die allen Stadien gemeinsam ist, besteht darin, dass, wie schon lange bekannt ist und in der jüngsten Zeit von SCHAPER ganz besonders nachdrücklich hervorgehoben wurde, die Theilungsfiguren stets an der äußeren, dem Tapetum: zugewen- deten Seite der Retina gelegen sind. Ob wir aus dieser Eigenthüm- lichkeit, welche die Retina mit dem ÜCentralnervensystem gemein hat, indem auch hier die Theilungsfiguren stets an der dem Lumen zugewendeten Seite stehen, den Schluss ziehen dürfen, dass die Retina Anfangs den Formwerth eines einschichtigen Cylinderepithels besitze, will ich dahingestellt sein lassen. In dem Raum zwischen Linse und Retina habe ich auf den. Schnitten durch das rechte Auge im Ganzen nur drei Zellen ge- funden, darunter eine in Theilung; im linken Auge konnte ich mich aber mit Sicherheit auch nicht von der Existenz einer einzigen Zelle überzeugen. An einem anderen gleich weit entwickelten Embryo fand ich in diesem Raum zwei oder drei Zellen im rechten, fünf bis sechs im linken Auge. Die Zellenzahl schwankt also. — Von der Eintrittsstelle des Optieus zieht ein feiner Faden zur hinteren Linsenfläche (vgl. Fig. 10); dort, wo er sich an diese ansetzt, war in einem Fall ein Zellkern zu sehen. Auch sonst durchziehen ver- einzelte feine Fäden den erwähnten Raum. Das, dem Tapetum außen aufliegende Mesodermgewebe zeigt den ersten Beginn einer Sonderung in zwei Schichten, indem die inneren Zellen Pigment entwickeln, die äußeren zumeist pigmentlos bleiben. Damit ist der Anfang einer Differenzirung in Chorioidea und Sklera gegeben. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 537 Bei den beiden ältesten von mir untersuchten Axolotl-Larven, die im konservirten Zustande 15, bezw. 16,5 mm maßen, war die Linse. schon mehr kugelig als oval; immerhin aber war die Hauptachse noch etwas länger als der Äquatorialdurchmesser. Die Zellen des Linsenepithels waren deutlicher, als bei den 13 mm langen Larven, an der Epithelgrenze zu meridionalen Reihen geordnet. Die inner- sten Linsenfasern hatten ihre Kerne verloren. An der Retina war die Differenzirung der einzelnen Schichten weiter gediehen. Vor Allem war schon ein deutlicher Unterschied zwischen Stäbchen und Zapfen zu erkennen. Ich habe einen Sehnitt durch die Mitte der Retina einer 15 mm langen Larve auf Taf. XXXI, Fig. 2 bei Ölimmersion gezeichnet. Wie schon früher erwähnt, nimmt die Differenzirung der Retina vom hinteren Pol der Augenachse ihren Ausgang und schreitet von da nach der Peripherie weiter. Man trifft also immer an der Peri- pherie jüngere Zustände, als in der Mitte. Ich habe nun in Fig. 2 a, Taf. XXXI, mehrere Neuroepithelzellen von der Peripherie der Retina einer 16,5 mm langen Larve abgebildet. Das erste Bild zeigt uns ein Außenkorn, dem ein kleiner, homogener Buckel auf- sitzt, der sich mit Boraxkarmin ziemlich dunkel gefärbt hat und auf welchem außen noch ein ganz kleiner, heller, ungefärbter Kegel sitzt. Daneben sieht man eine Neuroepithelzelle, deren Buckel stark in die Länge gewachsen ist und im Inneren eine Vacuole enthält. In der zweiten Reihe ist zunächst eine Zelle dargestellt, die ähnlich aussieht, wie die erste Zelle der obersten Reihe. Die zweite Zelle hat in so fern eine Weiterbildung erfahren, als zwischen dem Kern und der homogenen Masse eine ziemlich große Vaeuole aufgetreten ist, in deren flüssigem Inhalte ein paar stark lichtbreenende Körner liegen. Zugleich ist der kleine Kegel länger und dieker geworden und in ihm bemerkt man gleichfalls einige helle Körner. Noch weiter sind diese Eigenthümlichkeiten in der dritten Zelle der ersten Reihe gediehen. — In der ersten Zelle der dritten Reihe ist die Vacuole, die nach außen auf den Kern folgt, von besonderer Größe und Regelmäßig- keit; die zweite Zelle stellt schon eine typische Stäbchenzelle dar. _ An dem Stäbehen können wir, wie auch an den Stäbehen der Fig. 2, ein Außen- und ein Innenglied unterscheiden und zwischen beiden eine quere, ziemlich dunkel tingirte Scheibe, die, wie die Bilder der Fig. 2a lehren, zweifellos aus der homogenen Masse hervorgegangen ist, die den Kernen der jungen Neuroepithelzellen außen aufsitzt. Diese Scheibe stellt den Schaltkörper RAnvIer’s dar, während die 538 Carl Rabl, helle Substanz zwischen ihm und dem Kern, die bei ihrem Auftreten als Inhalt einer Vacuole imponirt, RAnVIEr’s Nebenkörper darstellt. Das Außenglied, das später noch bedeutend in die Länge wächst, und z. B. beim erwachsenen Salamander nach Fixirung in FLEMMING- scher Flüssigkeit sich in zahlreiche quere Scheiben gliedert, ist bei der Axolotl-Larve von stark lichtbrechenden Körnern durchsetzt, die in Reihen geordnet sind und dadurch dem ganzen Außenglied ein streifiges Aussehen verleihen. Es erscheint mir sehr wahrscheinlich, dass bei der Bildung und dem Wachsthum des Außengliedes der Schaltkörper eine wichtige Rolle spielt. Über die Entstehung der sogenannten LAnporr’schen Kolben der Amphibienretina habe ich keine Beobachtungen angestellt. — Es ist schon von vielen Seiten die Frage erörtert worden, ob die Einstülpung der primären Augenblase und ihre Umbildung zur sekundären einfach eine mechanische Folge der Entwicklung der Linse oder aber ein Vorgang sei, der im Grunde selbständig abläuft und nur der Zeit nach mit der Entwicklung der Linse zusammen- fällt. Es hat sich darüber eine ganze Litteratur angehäuft, da fast Jeder, der sich mit der Entwicklung des Auges beschäftigte, sich darüber geäußert hat. Ich will von dieser Litteratur hier absehen, da es sich dabei meistens weniger um wirklich beweiskräftige Beob- achtungen, als um zum Theil vorgefasste Meinungen handelt!; da- gegen will ich eine Beobachtung mittheilen, die mir in dieser Frage ausschlaggebend zu sein scheint. Der Zufall hat mir vor mehreren Jahren einen Axolotl-Embryo in die Hand gespielt, der eine ganz eigenartige Missbildung des Kopfes zeigte. Das Ektoderm und alle ektodermalen Gebilde waren auf der linken Seite kaum halb so mächtig entwickelt als rechts. Der Kopf war in Folge dessen stark nach links gebogen. Die Nasengrube dieser Seite war klein und 1 Nur einen von V. KUPFFER erwähnten Fall will ich hier berühren. Er betrifft einen von HERMANN BECKER beschriebenen Mikrophthalmus beim Men- schen. An dem Bulbus fehlten die Linse, das Corpus ciliare, die Iris und die Pupille. Die Chorioidea adhärirte der Cornea, Tapetum nigrum und Retina waren vorn geschlossen, — alles das sind Umstände, die es möglich erscheinen lassen, dass vor der Geburt eine Verletzung des Auges stattgefunden hatte. So weit ich mir aus der Darstellung v. Kuprrer’s ein Bild machen kann, scheint mir der Fall nicht so beschaffen gewesen zu sein, dass er den Satz rechtfertigte: »hier dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der nor- male Process der Linsenbildung überhaupt nicht stattgefunden hatte<. Vgl. v. Kuprrer, Verhandl. der anatom. Gesellsch. auf der zehnten Versammlung in Berlin 1896. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 539 ihre Wände dünn; das Gehörbläschen schien etwas nach vorn ge- schoben zu sein und war nur etwa halb se groß als rechterseits. Dabei war auch das ganze Gehirn auf der linken Seite, obwohl es dieselben Abschnitte, wie auf der rechten, erkennen ließ, doch außer- ordentlich viel dünner und schmächtiger. Es musste also schon bei der ersten Entwicklung des Embryo ein Defekt im Bereiche des Ektoderms der linken Seite bestanden haben. Das interessanteste Verhalten aber zeigte das Auge. Ich habe einen Schnitt, der beide Augen gleich voll traf, auf Taf. XXX, Fig. 11 abgebildet. Rechts (auf der Figur links) war das Auge ganz normal entwickelt; die Augenblase war tief eingestülpt und die Linse, welche im Anschnitte setroffen ist, hatte sich vollständig vom Ektoderm abgelöst. Auf der linken Seite war dagegen von einer Linse überhaupt nichts, oder wenigstens nichts Sicheres zu erkennen; es müsste denn sein, dass die Ektodermverdickung, die-man bei /! an der dorsalen Seite des Kopfes sieht, und die auf der gesunden Seite kein Analogon hat, als eine rudimentäre, ganz aus der Lage gebrachte Linsenanlage aufzufassen wäre. Jedenfalls konnte aber diese Bildung keinen Ein- fluss auf die Entwicklung der Augenblase nehmen. Nun war auch auf der linken Seite eine sekundäre Augenblase vorhanden (ab!); aber diese war sehr viel kleiner und viel weniger regelmäßig, als rechts. Indess konnte man, wie hier, ganz deutlich zwei Blätter, ein dünnes äußeres und ein diekes inneres, unterscheiden. Unter ihr lagen einige Mesodermzellen, aber nichts, was einer Linse auch nur im entferntesten vergleichbar war. Wir dürfen daher wohl sagen, dass die Einstülpung der primären Augenblase und ihre Um- bildung zur sekundären ein Vorgang ist, der auch unabhängig von der Linsenbildung erfolgen kann, der aber, wenn diese ausbleibt, nicht mit der Regelmäßigkeit abläuft, wie unter normalen Verhält- nissen. — Bei Triton taeniatus geht die Entwicklung der Linse in wesent- lich derselben Weise vor sich, wie beim Axolotl, nur setzt sie schon früher ein. Während man nach dem früher Gesagten beim Axolotl den Anfang der Linsenbildung ungefähr in das Stadium von 24 Ur- wirbeln zu verlegen hat, bemerkt man bei Triton taeniatus schon im Stadium von 16 Urwirbeln eine kleine Einsenkung des Ekto- derms an der Stelle, wo sich die Linse bildet. Interessant ist dabei, dass solche Tritonembryonen in Beziehung auf die Ausbildung ihrer übrigen Sinnesorgane, wenigstens in Beziehung auf das Gehörbläs- chen und die Riechgrube, eben so hoch stehen, wie Axolotl-Embryonen Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 3 540 Carl Rabl, von 24 Urwirbeln. Beim Axolotl dürfte sich das Linsenbläschen im Stadium von etwa 35—36 Urwirbeln vollständig vom Ektoderm ab- lösen; beim Triton kann ich aber schon im Stadium von ungefähr 22 Urwirbeln keine sichere Verbindung mehr zwischen beiden er- kennen. Im Übrigen jedoch bestehen kaum nennenswerthe Unter- schiede zwischen Axolotl und Triton. Wie dort, macht sich auch hier bei der Umbildung der Epithelzellen in die Linsenfasern schon frühzeitig ein Unterschied zwischen freier und basaler Seite der Zellen bemerkbar, und auch hier ordnen sich die Zellen des Epithel- randes schon bald zu meridionalen Reihen. Angesichts dieser Übereinstimmung in der Entwicklung der Linse sind die Differenzen in der Entwicklung der Retina in hohem Grade auffallend. In einem Stadium, welches dem Stadium der Fig. 10, Taf. XXX vom Axolotl entspricht, ist beim Triton die Gan- glienzellenschicht mindestens drei, die innere Körnerschicht minde- stens fünf Zellen diek, während die äußere Körnerschicht eine einfache Lage sehr regelmäßig gestellter Zellkerne enthält. Die Ausbildung der Stäbchenzapfenschicht scheint bei beiden Formen in der gleichen Weise zu erfolgen. Während es mir aber beim Axolotl nicht gelingen wollte, Zwillingszapfen zu finden, sehe ich solche bei älteren Tritonlarven in jedem Schnitt. Wenn man die Querschnitts- bilder der Retina beider Formen mit einander vergleicht, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass das Sehvermögen des Triton ungleich besser sein muss, als das des Axolotl, ein Gedanke, der auch noch, wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden wird, durch andere Erscheinungen nahegelest wird. — Die Entwicklung der Linse geht indessen gewiss nicht bei allen Amphibien, ja nicht einmal bei allen Urodelen in derselben Weise vor sich wie beim Axolotl und Triton. Ich habe zwei junge Em- bryonen von Salamandra atra von 8, bezw. 8,6 mm Länge (nach Pikrinsäure-Sublimathärtung) geschnitten. Während bei dem älteren der beiden die Linse ungefähr das Aussehen hatte, wie bei dem Axolotl-Embryo der Fig. 9, Taf. XXX, bot sie bei dem jüngeren das Bild der Fig. 1, Taf. XXXI. Sie erinnerte sehr an das Verhalten _ der Pristiurus-Linse, etwa im Stadium der Fig. 8 oder 9, Taf. XXVIII. Und vielleicht gestattet diese Ähnlichkeit auch einen Schluss auf eine ähnliche Entwicklung; es müsste dann die Höhle des Linsen- bläschens in anderer Weise entstehen, als beim Axolotl oder Triton. Nun ist es aber noch weiterhin interessant, dass bei dem älteren der beiden Embryonen, bei dem, wie gesagt, die Linse ungefähr Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 541 das Bild der Fig. 9, Taf. XXX bot, die Retina noch nicht die ge- ringste Spur einer Differenzirung in einzelne Schichten erkennen ließ. + Alles das sind Thatsachen, die zum Denken anregen. Ein Axolotl oder Triton verlässt schon sehr früh das Ei und hat dann für seinen Unterhalt selbst zu sorgen; er muss daher auch mög- liehst bald in den Gebrauch seiner Sinnesorgane gesetzt werden. Eine Salamandra atra dagegen verbringt ihre ganze Larvenzeit im Uterus der Mutter und kann sich daher, so zu sagen, mit der Ent- wieklung ihrer Sinnesorgane und speciell ihrer Augen Zeit lassen. — Von der Linse einer Necturus-Larve von 21 mm Länge erwähne ich hier nur, dass das Epithel noch sehr weit auf die Hinterfläche reichte und dass die Zellen am Epithelrand deutlich zu meridionalen Reihen geordnet waren. Eine kontinuirliche Reihe älterer Stadien habe ich nur von Salamandra atra untersucht, und zwar Larven von 2,6, 3,0, 3,9 und 4,9 cm Länge. Der Bau der Linse gleicht schon bei den jüngsten dieser Larven so sehr dem Bau der fertigen Linse, dass ich es für unnöthig: halte, hier genauer darauf einzugehen. Die Linsenentwicklung der Anuren habe ich nicht untersucht. — Es ist wohl selbstverständlich, dass an einem so leicht zu be- schaffenden Material, wie es Amphibieneier sind, schon frühzeitig Untersuchungen über die Entwicklung der Linse und des Auges überhaupt angestellt wurden. — Nachdem RemAkX! im Jahre 1855 sefunden hatte, dass sich ‘die Linse beim Frosch als ein »blasiger Auswuchs« der »inneren weißen Zellenschicht des äußeren Keim- blattes« bilde, und diese Beobachtung später von BARKAN? und LIEBERKÜHN? mit Beziehung auf andere Batrachier bestätigt worden war, gab A. GOETTE zuerst in einem vorläufigen Bericht? und dann in seinem bekannten Werk über die Enwicklungsgeschichte der ! R. REMARK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin 1855. p. 150. 2 A. Barkan, Beiträge, zur Entwicklungsgeschichte des Auges der Batra- ehier. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Math. naturw. Klasse 1866. Der Text dieser kurzen Abhandlung steht, so weit er die Linse betrifft, in einem gewissen Gegensatz zu den Abbildungen, in so fern diese die erste Linsenanlage als solide Wucherung zeigen, während im Text die Angabe REMAR’s bestätigt wird. 3 N. LIEBERKÜHN, Über das Auge des Wirbelthierembryo. Kassel 1872. Schriften der Ges. zur Beförd. der gesammten Naturwiss. zu Marburg. Bd. X. 5. Abth. 4 Au. GoETTE, Kurze Mittheilungen aus der Entwieklungsgeschichte der Unke. Arch. für mikr. Anat. Bd. IX. 1873. p. 401. 35* 542 Carl Rabl, Unke! eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Linse. In dieser trat er REMAK und BARKAN in so fern entgegen, als er die Linse ‚aus einer soliden Wucherung der Oberhaut hervorgehen« ließ, »welche erst nachträglich eine Höhle erhält«. Dieser Angabe trat KESSLER? entgegen, der bei Triton ganz eben so, wie es REMAR in Beziehung auf den Frosch gethan hatte, die Linse »als ursprünglich hohlen Körper« entstehen ließ. Dieser Angabe fügte er noch die Bemerkung bei, dass damit nicht gesagt sei, »dass man sich diesen Hohlkörper, die Linsenblase, leer zu denken hätte; dieselbe ist viel- mehr erfüllt von einer Flüssigkeit, welche im gehärteten Präparat als feinfaseriges Gerinnsel erscheint; in diesem sind in der Nähe der Innenfläche der Blasenwand kleine Körperchen eingebettet, welche nur als ausgetretene Dotterplättehen gedeutet werden können, die sich wohl auch bisweilen so gruppiren, dass sie, umgeben von den Fäden jenes Gerinnsels, Zellen vortäuschen können«. KESSLER meint, dass seine Beobachtung vielleicht auch für die Batrachier Geltung haben möchte. Im Jahre 1886 publieirte KoRANYI® eine kleine Abhandlung über die Entwicklung der Linse, in der er u. A. mittheilte, dass bei Triton »das verdickte Ektoderm« der Linsen- gsrube »mehrere eylindrische Zellreihen« führt. — Vier Jahre später erschien eine unter LEUCKART’s Leitung ausgeführte, sehr fleißige Untersuchung EMIL SCHOEBEL’sS!, die sich zwar hauptsächlich mit der postembryonalen Entwieklung des Auges beschäftigte, aber doch auch die ersten Entwicklungsstadien mit in den Kreis der Beobach- tungen zog. Die Untersuchung bezog sich in erster Linie auf Hyla arborea. SCHOEBEL meint, dass sich zwischen Ektoderm und Augen- blase vor der Bildung der Linse eine dünne Mesodermlamelle ein- schiebe. Was die Linsenbildung selbst betrifft, so findet er, dass die Zellen der inneren Ektodermschicht zunächst zu langen Cylinder- zellen auswachsen und dass sich dann die von ihnen gebildete Platte zu einer kleinen, hohlen Grube einsenke. Dieser Bildungsmodus ı AL. GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke (Bombinator igneus). Leipzig 1875. 2 LEONH. KESSLER, Untersuchungen über die Entwicklung des Auges, an- gestellt am Hühnchen und Triton. Dorpat 1871. — Zur Entwicklung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. 3 Avex. KorAnvı, Beiträge zur Entwicklung der Krystalllinse bei den Wirbelthieren. Internat. Monatsschr. f. Anatomie und Histologie. Bd. III. 1886. p- 235. * EMIL SCHOEBEL, Zur postembryonalen Entwicklung des Auges der Am- phibien. Inaug.-Diss. aus Leipzig. Jena 1890. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 543 finde sich nicht bloß bei Hyla, sondern, wie SCHOEBEL ausdrücklich gegen GOETTE betont, auch bei Bombinator. Er meint, es komme nur auf die richtige Sehnittführung an, um sich zu überzeugen, dass es sich bei der Entwicklung der Linse der Amphibien stets um eine hohle Einsenkung und nicht um eine solide Wucherung handle. — Endlich liest über die Entwicklung der Linse von Triton noch aus der jüngsten Zeit eine Arbeit von ToYoTARO InouyYE! vor, die hin- sichtlich der thatsächlichen Befunde alle Anerkennung verdient, wenn auch das Gesammtergebnis ein etwas dürftiges ist. INnoUuYE findet die Entwicklung wesentlich so, wie ich sie vom Axolotl be- schrieben habe; nur schließt die Darstellung schon mit dem Stadium ab, in welchem die innere Wand des Linsenbläschens dicker zu werden beginnt?. Übrigens beziehen sich nahezu alle Arbeiten über Linsenent- wicklung bloß auf die allerersten Stadien. Nur die Arbeit SCHOEBEL’S macht hiervon eine Ausnahme. Aber, wenn auch in seinen Aus- führungen viel Richtiges vorkommt, so ist er doch vielfach durch die herrschende Lehre von der »Schalenstruktur« der Linse zu irrigen Ansichten geführt worden. SCHOEBEL erwähnt, dass die Höhle des Linsenbläschens nur in den seltensten Fällen vollständig leer sei. >»In der Regel finden sich in derselben eine Anzahl Zellen, die bei der Verschmelzung der Umschlagsränder der noch mit dem Ektoderm im Zusammenhang stehenden Linsenblase als überschüssig aus dem Verbande der einschichtigen Zellenlage ausrangirt worden sind.e Der Bestand dieser Zellen sei aber nur von kurzer Dauer, - da sie rasch der Auflösung und Resorption anheimfallen. — In Beziehung auf die Bildung der Linsenfasern giebt SCHOEBEL an, dass zuerst die der Achse am nächsten gelegenen Zellen die größte Wachsthumsintensität aufweisen und dass diese m dem Maße ab- nimmt, als sich die Zellen von der Achse entfernen. Wenn ich dieser Angabe irgend eine Berechtigung zuerkennen soll, so kann ich sie nur auf Stadien beziehen, ähnlich denen, welche ich auf Taf. XXX, Fig. 6 und 7, abgebildet habe; auf alle späteren finden sie keine Anwendung. — Einige Zeit, nachdem die Faserbildung 1 ToyoTArRoO InouyE, Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Linse. ‚Inaug.-Diss. aus München. München 1895. 2 Gelegentlich einer Arbeit über »die postembryonale Entwicklung der Epidermis des Siredon piseiformis< (Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXIV, 1885) gab - JUSTUS CARRIERE auch eine kurze Beschreibung des Auges junger Axolotl- larven, die indess in Betreff der Linse nichts Neues enthielt, und die ich daher hier nicht referiren zu müssen glaube. 544 Carl Rabl, begonnnen hat, soll nach SCHOEBEL die Stelle, »welche den eigent- lichen Faserbildungsherd abgiebt«, oder, wie wir einfacher sagen wollen, der Epithelrand, »wenn nicht geradezu nach dem proximalen Pol gedrängt, so doch in unverhältnismäßig geringer Entfernung davon gehalten« werden. Diese Angabe enthält eine richtige und eine unrichtige Beobachtung; richtig ist, dass der Epithelrand sehr weit hinten, also sehr nahe dem hinteren Linsenpol liegt (vgl. meine Figg. 7—10, Taf. XXX); wnrichtig aber ist, dass sich dieser Epithel- rand erst sekundär nach hinten verschiebt. Vielmehr liegt er bei den Amphibien von allem Anfang an nahe dem hinteren Pol und. rückt später langsam gegen den Äquator. Die Verschiebung geht also in umgekehrter Richtung, als SCHOEBEL angiebt, vor sich, be- sinnt aber freilich erst in Stadien, auf welche sich seine Unter- suchung nicht mehr bezieht. Es wird davon noch weiter unten die Rede sein. — Was die Entwicklung der übrigen Theile des Auges betrifft, so will ich hier auf eine genaue Berücksichtigung der Litteratur ver- zichten. Ich möchte aber erwähnen, dass auch in dieser Hinsicht die Arbeit SCHOEBEL’s die zuverlässigsten Mittheilungen bringt. Nur was die Retina betrifft, will ich dessen Angaben hier kurz referiren, weil sich dieselben gleichfalls auf den Axolotl beziehen. »Die erste Differenzirung in Schichten, die sich geltend macht, liefert«, wie SCHOEBEL berichtet, »die sogenannte innere granulirte oder innere retieuläre Schicht.< »Unmittelbar darauf, oder wohl häufig auch zu gleicher Zeit« entsteht die äußere reticuläre Schicht. Erst dann soll sich das Neuroepithel differenziren. Wie aus der oben gegebenen Beschreibung hervorgeht, muss ich dieser Darstellung entgegentreten. Ich finde, dass die Differenzirung der Retina mit dem Neuroepithel beginnt. Ob sich ein Stadium findet, in welchem nur eine innere und nicht auch eine äußere retikuläre Schicht vorhanden ist, will ich dahingestellt sein lassen; ich habe keines gefunden. Die Bil- dung der Stäbchen und Zapfen wird von SCHOEBEL in einer Weise seschildert, die deutlich zeigt, dass ihm ganz ähnliche Bilder, wie mir, vorgelegen haben und, wenn seine Beschreibung etwas anders lautet, als die von mir gegebene, so liegt der Grund vielleicht nur in der Verschiedenheit der angewandten Methoden. B. Bau. Das Auge der Amphibien bietet schon desshalb ein großes allgemeines Interesse, weil die Amphibien der Mehrzahl nach Formen sind, welche in ihrer Jugend, als Larven, im Wasser : Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 545 leben, um erst nach zurückgelegter Metamorphose das Land aufzu- suchen. Der Wechsel zweier verschieden stark lichtbrechender Medien muss auch im Bau ihrer Augen zum Ausdrucke kommen; daran wird aber auch die Linse einen hervorragenden Antheil haben. Zwar wird auch die Linse der Amphibien, wie die der Fische, zuweilen als kugelig beschrieben; so sagt z. B. KESSLER, »die Tri- tonenlinse unterscheide sich von der der Eidechse durch ihre vollkom- mene Kugelgestalt« und SCHOEBEL giebt an, dass die entwickelte Linse der Batrachier gleichfalls kugelig sei. Bei BECKER! finde ich sogar folgende merkwürdige Stelle: »Den einfachsten Bau besitzen die kugeligen Linsen einiger Fische, Amphibien und Reptilien, wie Stoekfisch, Triton, Salamander, Frosch und Eidechse.« Indessen kann man sich an jeder frischen und an jeder in situ gehärteten Amphibien- linse leicht vom Gegentheil überzeugen. Ja, die Linse der Amphi- bien ist nicht nur nicht kugelig, sondern sie zeigt sogar stets einen sehr auffallenden Unterschied zwischen Vorder- und Hinterfläche. Die vordere Fläche ist stets weniger stark gewölbt, besitzt also einen A 2 e Textfigur 5. | rei Amphibienlinsen in seitlicher Ansicht. A Salamandra maculosa, B Rana fusca, © Hyla arborea. Bulbi in toto mit FLemmine’scher Flüssigkeit fixirt. größeren Krümmungsradius, als die hintere. Dieser Unterschied ist bei den Anuren bedeutender als bei den Urodelen. Ich habe in oben- stehender Figur je eine Linse von Salamandra maculosa, Rana fusca und Hyla arborea bei gleicher Vergrößerung in reiner Seitenansicht gezeichnet. Man bemerkt, dass die Linse von Rana der von Hyla ı Orro BECKER, Zur Anatomie der gesunden und kranken Linse. Wies- baden 1883. 546 Carl Rabl, viel ähnlicher sieht, als der des Salamanders. — Der Äquator ist iiberall deutlich markirt, deutlicher allerdings bei den Anuren als bei den Urodelen, und zwar in Folge der stärkeren Verschiedenheit der beiden Flächen. | Übrigens ist die Form, welche die Linsen bei der Härtung an- nehmen, nicht immer dieselbe. Sie ist nicht bloß von der Art der Fixirungsflüssigkeit, sondern auch von der Art ihrer Anwendung ab- hängig. Die drei Linsen der Fig. 5 wurden in der Weise gewonnen, dass die Bulbi, nachdem sie ganz rein präparirt waren, in toto auf 34 Stunden in FLemuing’sche Flüssigkeit gelegt wurden. Wenn man dagegen die Bulbi, um sie leichter anschneiden zu können, als dies im frischen Zustande möglich ist, zunächst nur auf kurze Zeit, höch- stens auf eine halbe Stunde, in FLemming’sche Flüssigkeit bringt, dann im AÄquator durchschneidet und nun die vordere Bulbushälfte Textfigur 6. mit der Linse auf weitere 24 Stunden in die erwähnte Flüssigkeit legt, so werden die Linsen viel flacher. Ich habe in Textfig. 6 bei A zwei Linsen von Salamandra maecu- losa und bei B zwei Linsen von Rana fusca über einander gezeichnet. Die Linsen « waren in der zuerst erwähnten Weise fixirt, die Lin- sen 5 in der zuletzt erwähnten. Vielleicht gehen die verschiedenen Formen verschiedenen Accommodationszuständen parallel. Wieder anders sehen die Linsen aus, wenn man sie mit einer Dublimatmischung (Sublimat-Platinchlorid oder Sublimat-Pikrinsäure) fixirt. Man darf daher nicht erwarten, dass Messungen, welche man an in verschiedener Weise fixirten Linsen anstellt, übereinstimmende Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 547 Resultate geben. Aber auch bei gleicher Art der Fixirung begegnet man zuweilen Differenzen, für die man nicht immer den Grund anzu- geben vermag. Wenn ich im Folgenden die Resultate einiger Mes- sungen mittheile, so geschieht dies daher mit aller nur möglichen Reserve. Zunächst theile ich solche Maße mit, die von Linsen abgenom- men wurden, die in einer Sublimatlösung gelegen hatten. Die Fixirung war in der Weise erfolgt, dass etwa eine halbe Stunde nach der Ein- wirkung der Flüssigkeit der Bulbus im Äquator durchschnitten und dann die vordere Bulbushälfte mit der Linse noch ungefähr 24 Stun- den in der Flüssigkeit belassen wurde. Bei dieser Art der Fixirung wurden die Linsen viel flacher als bei der Fixirung mit FLEMMING- ' scher Flüssigkeit. Die Maße sind folgende: Achse Äqu.-Dchm. inmm inmm Axolotl, 10,2 cm langes Exemplar. Pikr.-Subl.. ... 0,88 0,92 Axolotl, 25,5 em langes Exemplar. Pikr.-Subl....... 1,40 1,68 Triton eristatus, 6,3 cm lange Larve, ohne Schwanz- faden gemessen, in Platinchlorid fixirt ..... 0,82 0,84 Triton eristatus, erwachsenes Exemplar. Pikr.-Subl. 1,12 1,36 Salamandra macul., 4,9 cm lange Larve. Pikr.-Subl. 0,598 0,65 Salamandra macul., erwachs. Exemplar. Pikr.-Subl. 2,32 2,84 Salamandra macul., zweites Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,12 2,72 Salamandra macul., drittes Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,20 2,72 Rana fusca, erwachsenes Exemplar. Plat.-Subl. .... 3,16 4,20 Hyla arborea, erwachsenes Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,04 DT? Hyla arborea, zweites Exemplar. Pikr.-Subl. ..... . 2,00 212 Bufo variabilis, erwachsenes Exemplar. Plat.-Subl. . 2,52 3,64 Ich habe nun aus diesen Zahlen nach der Proportion: Achse : Äqu. Durchm. = 1: x die Indices berechnet. Der Index x giebt also an, wie weit sich die Form einer Linse von der Kugelform entfernt. Die Indices lauten: Siredon pisciformis, kleines Exemplar x = 1,045 Siredon pisciformis, großes Exemplar x = 1,20 Brom eristatus, -Larve . . ..: 2... ..2= 1,024 Triton eristatus, erwachsen. ..... 2 1,214 Salamandra maculosa, Larve. .... x — 1,087 Dalamandra maculosa, erwachsen... x = 1,224 (bezw. 1,236 u. 1,273) 548 Carl Rabl, Rana fusca, erwachsen... ...... 2 — 028 Hyla arborea, erwachsen. ...... x = 1,333 (bezw. 1,360) Bufo variabilis, erwachsen. ..... 2 a Man könnte sich versucht fühlen, aus diesen Zahlen den Schluss zu ziehen, dass die Urodelen einen kleineren Linsenindex haben, als die Anuren, ein Schluss, dem ja bis zu einem gewissen Grade viel- leicht die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Dabei er- scheint es auffallend, dass unter den Urodelen der Axolotl den kleinsten Index hat, dass dann Triton folgt und zuletzt der Sala- mander. Vielleicht entfernt sich also die Linse um so mehr von der Kugelform, je vollständiger die Thiere das Wasserleben aufgeben und sich dem Luftleben zuwenden. Mit Sicherheit dagegen darf man, wie ich glaube, sagen, dass junge Thiere und Larven einen kleineren Index haben, als erwachsene, dass also die Linse im Laufe der individuellen Entwicklung sich mehr und mehr von der Kugelform entfernt. Eben so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die relative Größe der Linse, sowie über- haupt des ganzen Auges, d. h. die Größe im Verhältnis zur Größe des ganzen Körpers, so weit sich diese ohne genauere Messung ab- schätzen lässt, vom Axolotl bis zu den Anuren stetig zunimmt. Der sroße, mehr als 25 cm lange Axolotl hatte eine kleinere Linse und einen kleineren Bulbus als die kleine Hyla; ja auch der Salamander besitzt eine Linse, die kaum größer ist als die des Laubfrosches, obwohl sein Körpervolum mindestens doppelt so groß ist. Aus diesen und ähnlichen Thatsachen dürfen wir wohl den Schluss ziehen, dass das Sehvermögen der Anuren auf einer viel höheren Stufe steht, als das der Urodelen. Um indessen zu zeigen, wie verschieden die Zahlen je nach der Art der Fixirung ausfallen, will ich noch ein paar Messungsergeb- nisse mittheilen, welche ich nach Fixirung mit FLemming’scher Flüssig- keit erhalten habe. Zunächst habe ich eine größere Anzahl von Bulbi von Salamandra maculosa, Rana fusca und Hyla arborea in toto mit FrLemming’scher Flüssigkeit fixirt und die Linse nach un- sefähr 24 Stunden herausgenommen. Es ergaben sich dabei folgende Maße: | Achse Äqu.-Durchm. Index Salamandra maculosa «a 2,42 2.79 1,13 Salamandra maculosa 5 2,43 2,76 118 Salamandra maculosa ce 2,51 2,88 1,14 Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 549 Achse Äqu.-Durchm. Index Salamandra maculosa d 2,53 2,87 115 Salamandra maculosa e 2,64 3,00 8 Bana fusca.' ... 2 .i. a 3,00 3,61 1,20 Dana fusear 2... «N. b 3,02 3,48. 1,15 Kana fusea..!....-.. er 316 3,64 1:10 Bana fusca ......d 3,20 3,56 1,11 Eiyla arbagea . >... 02.20 2,79 1,26 Eiylacarborea. ....... za 2,68 1,11 Ela arborea.. ..,. ce 2,44 2,30 1,14 Man erhält also bei dieser Art der Fixirung durchwegs viel niedrigere Indices, als in den früher angeführten Fällen. Auffallend sind die großen Differenzen, die man zuweilen an den Linsen einer und derselben Species erhält. Im Allgemeinen zeigen aber auch hier die Anuren höhere Indices als die Urodelen. Freilich ergiebt eine andere Art der Anwendung der FLemming'schen Flüssigkeit wieder andere Zahlen und erheblich höhere Indices. Wenn man nämlich diese Flüssigkeit zunächst nur kurze Zeit, höchstens eine halbe Stunde, einwirken lässt, so wird die Linsenachse kürzer, der Index also höher. Dies mag aus folgenden Zahlen hervorgehen: Achse Äqu.-Durchm. Index Salamandra maculosa « 2,50 3.12 1,24 Salamandra maculosa 5 2,55 3,18 1,24 Bea füsca ...... 0,3, 12 3,92 125 Binz fusca.. . ... b..3,16 3,88 122 Die Form, welche die Linse bei dieser Art der Fixirung an- nimmt, scheint am besten der Form zu entsprechen, welche die frische, aus ihrer Umgebung befreite und sich selbst überlassene Linse annimmt. Ich habe von frischen, in physiologischer Kochsalz- lösung untersuchten Salamander- und Froschlinsen folgende Maße abgenommen und folgende Indices berechnet: Bei einer Salamanderlinse fand ich eine Achse von 2,70 mm und einen Äquatorialdurchmesser von 3,35 mm, woraus sich ein In- dex von 1,24 mm ergiebt; von einer zweiten Linse, deren Maße ich nicht notirt habe, habe ich denselben Index berechnet und von einer dritten einen Index von 1,20 mm. Bei Rana fusca haben die Mes- sungen ergeben: 550 Carl Rabl. Achse Äqu.-Durchm. Index a 3,46 4,00 1,156 00391 4,00 1,233 ce 34 4,00 1,233 a1 3,78 1,206 30 3,75 1,241 Die Linsen d und c, sowie d und e stammten von je einem Frosch. Bei einer sechsten Linse haben die Maße, die ich nicht notirt habe, einen Index von 1,21 mm ergeben. — Man begegnet also nicht bloß ziemlich erheblichen individuellen Unterschieden, sondern auch Unter- schieden zwischen rechts und links. Dadurch wird es natürlich sehr erschwert, etwas Sicheres über die normale oder gewöhnliche Form der Linse auszusagen. Um in dieser Hinsicht zu einem bestimmteren Resultate zu kommen, würde es sich empfehlen, eine sehr viel größere Zahl von Messungen auszuführen und aus denselben ein Mittel zu ziehen. Dabei müssten selbstverständlich auch die Formveränderungen bei der Accommodation beachtet werden. — Wie schon lange bekannt, besitzt die Amphibienlinse vorn und hinten eine kurze lineare Naht. Wie bei den Selachiern steht die hintere Naht horizontal, die vordere vertikal. In den Fällen, in denen die Nähte so deutlich waren, dass ich sie messen konnte, betrug ihre Länge ungefähr den vierten Theil des Äquatorialdurchmessers; sie sind also relativ kürzer, als bei den Selachiern. Manchmal sind sie sehr schwer oder selbst gar nicht sichtbar; aber auch in diesen Fällen lässt sich ihre Existenz aus der Spaltrichtung der Linse mit Sicherheit erschließen. Nur bei Triton habe ich sie, mit Ausnahme eines einzigen Falles, stets vermisst, und zwar sowohl bei der Larve, wie beim erwachsenen Thiere; hier lässt sich auch aus dem Faser- verlauf schließen, dass eine Naht fehlt. Wie bei den Selachiern, haben auch bei den Amphibien die Linsen die Neigung, bei der Härtung zu bersten, und auch hier ge- schieht dies leichter hinten als vorn; offenbar aus den gleichen Gründen. — Nach diesen allgemeinen Bemerkungen will ich auch hier wie- der der Reihe nach die drei Bestandtheile der Linse: Epithel, Linsen- fasern und Kapsel besprechen. Das Epithel überzieht bei jungen Larven nicht bloß die ganze vordere, sondern auch den größten Theil der hinteren Fläche. All- mählich zieht es sich aber von der hinteren Fläche zurück, und beim erwachsenen Thier hört es stets am Äquator auf. Es ist bei den Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 551 Larven überall von der gleichen Dieke und die Zellkerne liegen in ungefähr gleichen Abständen neben einander; die Zellareale sind also von ungefähr gleicher Größe. Ganz anders ist dies bei den erwach- senen Thieren. Hier ist das Epithel stets in der Mitte der Vorder- Häche viel dünner, und seine Kerne liegen hier viel weiter aus einander als am AÄquator. Obwohl sich hierin alle untersuchten Amphibien im Wesentlichen gleich verhalten, so stehen doch in Beziehung auf die Ausbildung dieser Eigenthümlicheiten die Anuren sehr viel höher als die Uro- delen. Anuren und Urodelen bilden in dieser Hinsicht zwei scharf charakterisirte Gruppen, und die Unterschiede sind so beträchtlich, dass man durch sie in den Stand gesetzt ist, einen Meridionalschnitt durch die Linse eines Anuren sofort und mit Sicherheit von einem Meridionalschnitt durch die Linse eines Urodelen zu unterscheiden. Bei den Urodelen ist die Differenz in der Höhe der Zellen des vor- deren Linsenpoles und des Äquators sehr viel geringer als bei den Anuren, und außerdem sind noch, wie weiter unten gezeigt werden wird, die Linsenfasern am Äquator in beiden Gruppen verschieden gekrümmt. Aber auch die Repräsentanten der beiden Gruppen sind unter einander wieder verschieden. Unter den Urodelen ist die Differenz in der Höhe der Zellen beim Axolotl am geringsten, indem die Zellen am Äquator nur höchstens um ein Drittel höher sind als in der Nähe des vorderen Poles. Die größte Differenz zeigt unter den Urodelen der Salamander, indem die Zellen am Äquator ungefähr dreimal so hoch sind als am vorderen Linsenpol (vgl. die Figg. 11a und 112, Taf. XXXI). Unter den Anuren zeigt Hyla die geringste Differenz; immerhin sind aber auch hier die Zellen am AÄquator 4!/gmal so hoch, als in der Mitte der Vorderfläche. Viel größer ist die Differenz bei Rana und Bufo, die hierin ungefähr auf gleicher Stufe stehen; die Zellen am Äquator sind hier sechs- bis achtmal so hoch, als am vorderen Linsenpol (vgl. Figg. 13a und 13, Taf. XXXI). Ich gebe unten die genauen Maße! und gehe nun zur Beschreibung der De- tails über. - Ich bespreche zunächst das Linsenepithel des Salamanders, 1 Epitheldieke am Pol u. am Ägqu. Epitheldicke am Pol u. am Äqu. Siredon piseiformis . 0,0068 0,0099 Rana esceulenta . . .. 0,0036 0,025 Triton eristatus . ... 0,0099 0,0166 Hyla arborea..... 0,0025 0,01162 Salamandra maculosa 0,0066 0,018 Bufo variabilis. ... .. 0,0033 0,023 Rana fusea ........ 0,0033 0,020 552 Carl Rabl, bemerke jedoch, dass sich wesentlich eben so Triton und Siredon verhalten. Die Zellen lassen an der ganzen Vorderfläche keine be- sondere Regelmäßigkeit der Anordnung erkennen. Am AÄquator stehen sie viel dichter als sonst, und in der Nähe der Epithelgrenze ordnen sie sich ganz so, wie bei den Selachiern, zu überaus regel- mäßigen meridionalen Reihen an, die wegen der Größe der Zellen schon bei ganz schwacher Vergrößerung sehr leicht zu sehen sind (Fig. 3, Taf. XXXT). Jede Reihe besteht aus ungefähr zwölf Zellen; am Ende derselben erfolgt die Umbildung in Linsenfasern. Zell- grenzen sind an diesen meridionalen Reihen nicht zu sehen, und zwar, wie die Schnitte durch den Äquator lehren (Fig. 11 a, Taf. XXXIT), desshalb nicht, weil die Zellen derart schief stehen, dass sie sich theilweise decken. | Die Zellkerne sind, wie es auch die Figuren zeigen (Figg.3und 11), in sehr auffallender Weise gelappt. In der Mitte der Vorderfläche war diese Lappung undeutlich oder fehlte vielleicht ganz; bald aber trat sie deutlich zu Tage und am Äquator und den meridionalen Reihen war sie so deutlich, wie sie auf den Figuren zu sehen ist. Das Präparat der Fig. 3 war mit Pikrinsäure-Sublimat, das der Fig. 11 mit FrLemming’scher Flüssigkeit fixirt; es kann also wohl ausgeschlossen werden, dass die Lappung den Grund in der Art der Fixirung habe. Eine Andeutung einer Lappung war auch bei Triton am AÄquator der Linse zu sehen. Das Linsenepithel der Anuren unterscheidet sich in erster Linie von dem der Urodelen durch die viel geringere Größe der Zellen. Es ist dies nur eine Theilerscheinung der allgemein be- kannten Thatsache, dass die Gewebselemente der Anuren viel kleiner sind, als die der Urodelen. Wie groß dieser Unterschied am Linsen- epithel ist, ist aus einem Vergleich der Figg. 3 und 4, Taf. XXXI, ohne Weiteres zu entnehmen. Die erste stellt, wie gesagt, ein Stück des Linsenepithels von Salamandra maculosa, die zweite ein eben so großes Stück von Rana esculenta dar; beide Figuren sind bei der gleichen Vergrößerung (260fach) gezeichnet. Die Zellgrenzen sind bei Rana esculenta ungemein scharf und in der Nähe des vorderen Linsenpoles und in dessen Umgebung bemerkt man in den Kittlinien eigenthümliche, mit Boraxkarmin sehr intensiv tingirte Krümel oder Gerinnsel. Ähnliche Krümel, nur in viel größerer Menge, liegen unterhalb des Linsenepithels, vor Allem in der Nähe des Aquators. Die Zellen stehen am Äquator außerordentlich dicht, die Zell- areale erscheinen also in der Flächenansicht sehr klein. "Trotzdem Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1.- 553 ist das Volum dieser Zellen zweifellos sehr viel größer, als das der ganz flachen Zellen des vorderen Linsenpoles (vgl. Figg. 13a und 132, Taf. XXXIJ). Diese dichtgedrängten Zellen des Äquators führen schließlieh zu den meridionalen Reihen, die sich bei den Anuren eben so, wie bei den Urodelen, nur in sehr viel. größerer Zahl, finden. Am Anfang der meridionalen Reihen sind die Zellgrenzen noch erkennbar, später werden sie undeutlich und endlich schwinden sie sanz. An dem abgebildeten Stück des Linsenepithels des Frosches habe ich in jeder meridionalen Reihe nur etwa fünf bis sechs Zellen Sezeichnet; an anderen Stellen des Präparates war die Zahl größer und ich bin überzeugt, dass sie mindestens eben so groß ist, wie beim Salamander und Triton. Am Ende der meridionalen Reihen erfolgt wieder die Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern. Meridionalschnitte zeigen, dass sich ganz ähnlich, wie bei den Urodelen, die Zellen an der Epithelgrenze dachziegelförmig über einan- der legen. Bei Bufo sind dabei die Zellgrenzen eigenthümlich wellen- förmig gebogen (Fig. 13«). Zuweilen tritt, wie auch an dem abge- bildeten Schnitt, eine Zelle an der Epitelgrenze etwas aus der Reihe ihrer Genossen heraus; irgend eine Bedeutung kommt diesem Ver- halten nicht zu. Die Zahl der meridionalen Reihen ist Anfangs eine geringe; sie nimmt aber im Lauf der Entwicklung rasch zu und es war mir nun von Interesse, zu erfahren, wie diese Zunahme erfolgt und wie überhaupt das Linsenepithel wächst. Zu diesem Zweck habe ich eine größere Zahl von Linsen von Triton eristatus untersucht. Die Linsen stammten von Larven von 4—6 cm Länge, die in reiner Platinchloridlösung fixirt waren. Die Fixirung war so vortrefflich "gelungen, dass ich dieses Material seit Jahren benutze, um die Er- scheinungen der Zelltheilung zu demonstriren. Die Linsen wurden mit DELAFIELD’schem Hämatoxylin gefärbt, dann langsam in Gly- cerin aufgehellt und nun in toto untersucht. Sie waren noch nahe- zu kugelis und das Epithel erstreckte sich noch weit über den Aquator auf die Hinterfläche. Ich habe in Fig. 5 (Taf. XXXI) ein Stück einer solehen Linse bei schwacher Vergrößerung gezeichnet. Die Linse ist so gedreht, dass der vordere Pol etwas unter die Ebene der Tafel fällt. Bei :r ist noch ein Rest des Irispigments zurückgeblieben. In den Umriss der Linse ist ein Stück des Epi- thels mit einer Anzahl von meridionalen Reihen eingetragen. Man ‚sieht, was für einen wichtigen und wesentlichen Antheil die meri- dionalen Reihen an dem Aufbau der Linse nehmen. Abgesehen 554 Carl Rabl, von diesen Reihen lässt das Epithel keine bestimmte Ordnung er- kennen. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass eine solche Ordnung nicht existirt. Im Gegentheil, ich bin überzeugt, dass jede Zelle ihre gesetzmäßige Lage hat; wenn man eine Linse so dreht, dass der vordere Pol direkt nach oben sieht, so gewinnt man in der That den Eindruck, dass auch hier der Anordnung der Zellen ein bestimmtes Gesetz zu Grunde liegt. Ich habe nun zunächst nach Theilungsfiguren gesucht. Dabei ist es mir aufgefallen, dass unter zwölf Linsen nicht eine einzige eine Theilungsfigur in einer meridionalen Reihe zeigte, obwohl doch sonst die Theilungsfiguren sehr zahlreich waren. Daraus geht hervor, dass sich die Zellen nicht mehr theilen, sobald sie einmal in die meridionalen Reihen eingerückt sind. Die Theilungsfiguren sind auch sonst nicht überall gleich häufig. Am häufigsten sind sie in dem Gürtel zwischen Zonulaansatz oder, richtiger, Irisrest, und An- fang der meridionalen Reihen. Gewöhnlich sind sie so gestellt, dass die Theilungsachse den betreffenden Meridian im rechten oder spitzen Winkel schneidet (vgl. die Figg. 5, 6 und 7, Taf. XXXI). Nur selten stößt man auf Figuren, deren Achse meridional gestellt ist. Über die Häufigkeit der Theilungsfiguren mögen folgende Zahlen Aufschluss geben. An einer Linse zählte ich zwischen Irisrest und meridionalen Reihen 15, vor dem Irisrest 12; an einer zweiten dort 14, hier 8 Theilungsfiguren. Im ersten Fall standen von den 15 Theilungsfiguren der Äquatorialzone 10 schief und 3 senkrecht auf dem betreffenden Meridian; bei zweien war die Stellung nicht zu bestimmen. Im zweiten Fall standen von den 14 Theilungs- figuren der AÄquatorialzone 11 schief, bei dreien war die Stellung nicht zu bestimmen. In toto waren also im ersten Fall 27, im zweiten 22 Theilungsfiguren vorhanden; gewiss genug, um das Wachsthum der Linse befriedigend zu erklären. Die Vermehrung der meridionalen Reihen hat also nicht in diesen selbst den Grund, d. h. sie kommt nicht dadurch zu Stande, dass sich ab und zu eine Zelle einer solchen Reihe quer zum Meri- dian theilt, sondern sie hat zunächst in den Theilungen und Ver- schiebungen den Grund, welche in der Zone zwischen Irisrest und Anfang der meridionalen Reihen stattfinden. Aus dieser Zone schieben sich die meridionalen Reihen vor. Dabei kann nun aber Verschiedenes geschehen. Entweder, es schiebt sich zwischen zwei bestehende Reihen eine neue ein, wie dies in den in Figg. 5 und 7 abgebildeten Fällen zu sehen ist, oder aber es treten an die Stelle Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 555 einer bereits bestehenden Reihe zwei neue, so dass dann eine Reihe gegen die Äquatorialzone zu sich spaltet oder, was dasselbe ist, zwei Reihen sich gegen den Epithelrand zu einer einzigen ver- binden, wie dies der Fall der Fig. 8 zeigt. Beide Fälle müssen eine Vermehrung der meridionalen Reihen zur Folge haben und da- mit zugleich einen Einfluss auf den inneren Bau der Linse nehmen. Außerordentlich viel seltener kommt es vor, dass eine Reihe sich gegen die Epithelgrenze spaltet, dass also zwei getrennte Reihen gegen die Äquatorialzone zu sich verbinden, wie dies die Fig. 6 zeist. Es muss dies nothwendig eine Verminderung der meridionalen Reihen zur Folge haben. Dabei können wieder allerlei Unregel- mäßigkeiten vorkommen, wie eine solche auch auf der erwähnten Figur zu sehen ist; hier sieht man nämlich an der Stelle, wo sich die beiden Reihen nach vorn zu einer einfachen verbinden, zunächst einen durch seine Größe ausgezeichneten Kern, darauf folgen zwei kleinere Kerne, die so gestellt sind, dass dadurch wieder für einen Augenblick eine Spaltung der nunmehr einfachen Reihe resultirt; nach links folgt aber dann wieder eine einfache Reihe von Kernen, oder, mit anderen Worten, die Spaltung, die eben eingeleitet schien, hat sofort wieder einer Vereinigung Platz gemacht. Durch alle diese Unregelmäßigkeiten im Einzelnen wird aber das Gesammtbild so wenig gestört, dass man dieselben, wenn man nicht speciell seine Aufmerksamkeit auf sie richtet, leicht ganz übersehen kann. Wie wenig das Gesammtbild eine Beeinträchtigung erfährt, mag aus der Fig. 5 hervorgehen, die, wie erwähnt, eine derartige Unregelmäßigkeit zur Anschauung bringt. Wie bei den Selachiern, wird auch bei den Amphibien die regelmäßige Anordnung der Zellen an der Epithelgrenze eine eben solche Regelmäßigkeit in der Anordnung der Linsenfasern zur Folge haben. Bevor ich aber: darauf eingehe, will ich noch die Art der Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern besprechen. Obgleich diese bei allen Amphibien in wesentlich der gleichen Weise erfolgt, zeigen sich doch in den beiden Hauptgruppen der- selben so namhafte Differenzen im Detail, dass es nicht gut angeht, beide gleichzeitig in Betracht zu ziehen. Am einfachsten geht die Umbildung bei den Urodelen vor sich. Hier wachsen die Zellen an ihrem unteren Ende in einen bandförmigen Fortsatz aus, der sich unter dem Epithel eine Strecke weit nach vorn schiebt (Fig. 11a). Der Fortsatz der nächstfolgenden Zelle ist etwas länger und schiebt sich weiter nach vorn, als der vorige. Und so geht es eine Zeit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 36 556 Carl Rabl, lang weiter, bis dann die Zellen auch an ihrer Außenseite bandför- mig auszuwachsen beginnen. Bei den Anuren wachsen die Epithel-. zellen zwar gleichfalls in bandartige Fortsätze aus; dies erfolgt aber zunächst mehr an ihrem äußeren, der Kapsel zugewendeten Ende (vgl. Fig. 13a, welche diesen Process von der Kröte zeigt). Alsbald. wächst aber auch hier die Zelle an dem entgegengesetzten Ende in die Länge und die beiden Enden gehen in kolben- oder kegelför- mige Anschwellungen über, von denen die hintere direkt an die Kapsel, die vordere an die Unterfläche des Linsenepithels stößt. Die Länge der Fasern nimmt also vom Epithelrande an zu; aber diese Zunahme ist keine unbegrenzte; sie hört auf, sowie die Fasern mit ihren Enden die beiden Linsennähte erreicht haben. Bei der Kröte dürfte es ungefähr die fünfzigste oder sechzigste Faser, vom Epithelrand an gerechnet, sein, welche bis an beide Linsen- nähte reicht. Damit ist aber nicht bloß das Längen-, sondern auch das Dickenwachsthum der Fasern beendigt. Die Krümmung der jungen Linsenfasern ist bei den Änuren eine. sehr eigenthümliche. Wie die Figg. 12 und 13a erkennen lassen, sind die Fasern, welche auf den Epithelrand folgen, deutlich $S-förmig gebogen, und zwar so, dass die vordere Krümmung ihre Konkavität nach außen, die hintere ihre Konkavität nach innen kehrt. Von einer solchen $-förmigen Krümmung ist bei den von mir unter- suchten Urodelen nichts zu sehen. Auch die Kernzone verhält sich in beiden Hauptgruppen der Amphibien verschieden. Bei den Urodelen zieht sie von der Epithel- srenze zunächst eine Strecke weit nach hinten und biegt dann nach vorn und unten um, indem sich gleichzeitig die Kerne sehr häufen. Bei den Anuren (vgl. Fig. 12). erscheint sie auf Meridionalschnitten deutlich S-förmig gebogen, zeigt also eine Ähnlichkeit mit der der Selachier, die auch noch dadurch zum Ausdrucke kommt, dass in beiden Klassen die Kerne in der letzten Strecke gehäuft sind. Diese letzte Strecke reicht etwas über den Äquator nach vorn und liegt in einiger Entfernung unter dem hohen Cylinderepithel der Äqua- torialzone. — Seit der Entdeckung der Kernzone durch HERMANN MEYER! sind die Veränderungen, welche die Kerne erfahren, oft und z. Th. recht eingehend untersucht worden. Ich werde an geeigneter Stelle i HERMANN MEYER, Beitrag zu der Streitfrage über die Entstehung der Linsenfasern. Briefliche Mittheilung an JOHANNES MÜLLER. Archiv für Anat., Physiol. u. wiss. Medicin. 1851. p.. 202. Uber den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 557 auf die wichtigsten dieser Beobachtungen noch zurückkommen. Hier möchte ich nur ein paar Worte über das sagen, was ich am Axolotl und Salamander in dieser Hinsicht gesehen habe. Ich muss aber ausdrücklich bemerken, dass ich nicht der Ansicht bin, mit dem Wenigen, was ich zu sagen habe, den Gegenstand auch nur zu einem vorläufigen Abschlusse bringen zu können; vielleicht wird aber durch meine Darstellung die Aufmerksamkeit aufs Neue auf diesen für Zellfragen so wichtigen Gegenstand gelenkt. — Das allgemeinste, zugleich aber auch interessanteste Resultat ist wohl das, dass die Kerne schwinden, sobald das Wachsthum der Fasern zum Abschluss gekommen ist; dies ist aber der Fall, sobald die Fasern mit ihren Enden die Linsennähte erreicht haben. Der Kernschwund erfolgt sehr rasch, was daraus zu entnehmen ist, dass die Veränderungen, welche zu diesem Schwunde führen, nur an einer verhältnismäßig beschränkten Zahl von Kernen wahrzunehmen sind. Da kaum daran zu zweifeln ist, dass die jungen Linsenfasern neben dem Kern auch ein Centrosoma besitzen, so erhebt sich die weitere Frage, ob auch das Centrosoma nach Abschluss des Wachsthums der Fasern schwindet und ob dasselbe früher oder später als der Kern zu Grunde geht. ‚Jedenfalls ist es von Interesse, dass das Schwinden des Kerns zeit- lich mit dem Abschluss des Wachsthums zusammenfällt. Man ist dadurch versucht, beide Erscheinungen in einem Causalnexus zu denken und sich vorzustellen, dass das Wachsthum nur so lange stattfinden kann, als ein Kern vorhanden ist, und dass es aufhören muss, wenn der Kern schwindet. Jedenfalls ist es auffallend, dass auch sonst gleichzeitig mit dem Schwunde des Kerns das Wachs- thum der Zelle zum Stillstande kommt. Man braucht sich nur an die Verhornung der Epithelzellen, an die Bildung der rothen Blut- - körperehen der Säugethiere und dergleichen mehr zu erinnern. Die Linsen, an denen ich die Erscheinungen des Kernschwundes untersuchte, waren theils mit Pikrinsäure-Sublimat, theils mit FLEM- MING’scher Flüssigkeit fixirt und dann mit alkoholischem Borax- karmin nach GRENACHER gefärbt. Fig. 10 Taf. XXXI führt eine Reihe von Bildern des Kernschwundes vor Augen, wie man sie beim Axolotl erhält. Die Kerne der jungen und jüngsten Fasern sind kaum wesentlich von den Zellkernen an der Epithelgrenze ver- schieden (a); dann folgen in einer gewissen Tiefe Kerne, die in eigenthümlicher Weise verschrumpft sind und sich mit Boraxkarmin sehr intensiv färben (d). Auf diese folgen Kerne, welche fast den Eindruck machen, als wären sie etwas aufgebläht, und deren chro- 36* 558 Carl Rabl, matisches Gerüst zugleich stark redueirt ist (c); so weit es aber er- halten ist, färbt es sich sehr intensiv. Die gröberen ehromatischen Massen finden sich an der Oberfläche des Kerns, während im Binnen- raum nur wenig gefärbte Körner oder Balken zu sehen sind. Das Merkwürdigste ist aber, dass jetzt auch außerhalb des Kerns, neben ihm, im Zellleib chromatische Substanz aufgetreten ist. Es gewinnt dadurch den Anschein, als wäre die chromatische Substanz aus den Kernen in den Zellleib übergetreten; jedoch bleiben die Kerne dabei stets scharf kontourirt. Zwischen diesen Kernen mit redueirtem chro- matischem Gerüst findet man von Stelle zu Stelle noch solche, welche eine große Menge chromatischer Körner enthalten und dabei mehr abgerundet sind (d). Nun werden die Kerne immer kleiner, sie schrumpfen sichtlich zusammen, während sich gleichzeitig mehr Proto- plasma um sie anhäuft ie). Die Körner und Balken, welche im Proto- plasma liegen, nehmen jetzt keine Farbe mehr an. Auf Äquatorial- schnitten sehen die Kerne wie intensiv rothe Ringe aus, die um so kleiner werden, je tiefer sie liegen. — Endlich ist auch die letzte Spur der Kerne geschwunden und die Fasern zeigen nur mehr an der Stelle, wo sie gelegen hatten, eine spindelförmige Anschwellung mit körnigen oder fädigen Einlagerungen, die sich mit Boraxkarmin nicht mehr färben (f). In noch größerer Tiefe ist auch von diesen Anschwellungen nichts mehr wahrzunehmen. — Bei unserer Unwissen- heit über die funktionelle Bedeutung der einzelnen Bestandtheile des Zellkerns ist es nicht gerathen, irgend eine Vermuthung über die Bedeutung der geschilderten Bilder auszusprechen. — Die Linse der Amphibien besitzt eben so wenig, wie die der Selachier, einen geschichteten Bau; vielmehr ist auch hier die Haupt- masse der Fasern zu radiären Lamellen verbunden. Der Grund davon liegst, wie bei den Selachiern, in der Anordnung der Zellen an der Grenze des Linsenepithels. Hier finden sich die erwähnten meridionalen Reihen und ganz so, wie bei den Selachiern, geht auch bei den Amphibien am Ende dieser Reihen die Bildung der Linsen- fasern vor sich. Es muss sich also jede neugebildete Faser genau über die vorhergehende hinüberlegen; und, indem sich dies hundert- und tausendmal wiederholt, kommt es zur Bildung der radiären Lamellen. Die beste Übersicht über den Aufbau der Amphibienlinse giebt ein Äquatorialschnitt durch die Linse einer älteren Tritonlarve, wie ein solcher auf Taf. XXXI, Fig. 9 abgebildet ist. Wie es kam, dass diese Linse nicht brüchig war, sondern sich so vortrefflich schneiden ließ, kann ich nieht sagen. Die Larven waren in Platinchlorid- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 559 lösung fixirt und hatten dann mehrere Jahre in starkem Alkohol gelegen. Im Centrum einer solchen Linse sieht man die Querschnitte jener Fasern (cf), welche noch keine regelmäßige Anordnung besitzen. Dieser Kern der Linse ist verhältnismäßig klein, viel kleiner als bei den Selachiern, ein Umstand, der sich leicht daraus erklärt, dass - bei den Amphibien die Ordnung der Zellen an der Epithelgrenze schon sehr frühzeitig beginnt. Eigentlich kann man diese centralen, auf dem Äquatorialschnitt gewöhnlich kreisförmig begrenzten Zellen kaum als Fasern bezeichnen. Sie scheinen auch sehr verschieden sestaltet zu sein. Nach außen davon werden die Zellen platter und beginnen sich auch bald zu radiären Lamellen an einander zu legen. Wie bei den Selachiern setzen diese radiären Lamellen weitaus die Haupt- masse der Linse zusammen, und der Kern bildet, dem Volum nach, einen sehr unbedeutenden Bestandtheil derselben. Wir können dem- nach auch an der Amphibienlinse Centralfasern, Übergangs- fasern und Haupt- oder Grundfasern unterscheiden. Außerdem wollen wir die jungen, S-förmig gekrümmten Fasern, die sich am Äquator der Anurenlinse finden und am Rande des Linsenepithels liesen, noch besonders als Randfasern bezeichnen. Sie unter- scheiden sich nur in ihrer Krümmung, nicht auch in ihrer Anordnung von den Haupt- oder Grundfasern. Die radiären Lamellen zeigen bei den Amphibien ein eigenartiges Verhalten, das uns in den Stand setzt, einen Äquatorialschnitt durch die Linse eines Amphibiums leicht von einem solchen durch die Linse eines Selachiers oder Knochenfisches zu unterscheiden. Die Lamellen theilen sich nämlich nach außen zu wiederholt und viel öfter als bei den Selachiern. Es hängt dies, wie mir scheint, vor Allem damit zusammen, dass die Bildung der meridionalen Reihen und damit der Radiärlamellen schon so früh beginnt. Aber auch Verbindungen der radiären Lamellen kommen, wenn sie auch ungleich seltener als Theilungen sind, doch viel häufiger vor, als bei den Selachiern. Auf diese Weise entsteht das auf Taf. XXXI, Fig. 9 gegebene Bild. Auch bei den Amphibien zeigen die radiären Lamellen die Nei- gung, bei der Fixirung aus einander zu weichen, so dass zwischen ihnen Spalten entstehen, die zwei benachbarte Lamellen auf größere ‚oder geringere Ausdehnung von einander trennen. Nur ganz aus- nahmsweise kommt es einmal vor, dass Spalten entstehen, die mehr 560 | Carl Rabl, oder weniger parallel der Oberfläche verlaufen, so dass eine Schich- tung im althergebrachten Sinne vorgetäuscht wird. Die Theilungen der Lamellen bringen es mit sich, dass ihre Zahl von innen nach außen wächst; sie ist also bei Larven und jungen Thieren kleiner, als bei älteren und erwachsenen, Eigen- thümlichkeiten, die, wie wir gesehen haben, ganz eben so auch für die Selachier gelten. Die Zahl der Lamellen ist individuell, namentlich aber nach den Species verschieden. Auch hierin stellen sich, wie in so vielen an- deren Eigenthümlichkeiten die Urodelen in einen gewissen Gegen- satz zu den Anuren. Bei den Urodelen ist die Zahl der Radiärlamellen durchwegs eine sehr viel geringere, als bei den Anuren; im Ganzen aber bleibt sie auch bei diesen weit hinter jener der Fische und speciell der Selachier zurück. — Ich gebe im Folgenden ein kurze Übersicht meiner Zählungen. Zahl der Radiärlamellen: Urodelen Anuren Triton erist.; ca. 6 em lange Larve 60—70 Hyla arborea 529 Triton erist.; erwachsen a... . 99—100 Bufo variabilis 591 Triton erist.; > bb... ..99—100 Rana esculenta 705 Triton erist.; > RN) | im Rana fusca 916 Triton crist.; > dell ‚Mittel Triton erist.; > 025.103 | 100 Triton erist.; > Se le! Triton crist. ; > 7.2100 Siredon pisciformis; 10,2 cm lang 111 _ Siredon piseiformis; 18 cm lang . 144 Siredon pisciformis; 25,5 cm lang 154 Salamandra maecul.;, erwachsen a 216 Salamandra maecul.; > b 222, im Mittel 221. Salamandra macul.; >» c 224] Die Zahl der Lamellen hängt natürlich von der Zahl der meri- dionalen Reihen ab, und wir dürfen daher annehmen, dass für diese Reihen dieselben Zahlen gelten, wie für die Lamellen. Viel geringer als zwischen den Individuen verschiedener Arten sind die Unterschiede zwischen den Individuen einer und derselben Art. Und bei einer und derselben Art sind die Unterschiede wieder um so größer, je größer die Lamellenzahl ist. So sind beim Triton die Variationen geringer, als beim Salamander, und vielleicht dürfen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 561 wir erwarten, dass überhaupt mit der Zahl der Lamellen die Variations- breite wächst. Wie bei den Selachiern muss auch bei den Amphibien die Dicke der Lamellen und damit zugleich die Breite der Fasern von innen nach außen zunehmen. Die letztere hängt natürlich von zwei Faktoren ab: von der Größe der Linse und der Zahl der Lamellen. Kennt man den Äquatorial- umfang einer Linse und die Zahl der Lamellen, so muss es natürlich auch gelingen, die Faser- breite zu berechnen; und eben so muss man die La- Textfigur 7. Triton cristatus. mellenzahl berechnen können, = wenn man die Faserbreite und = den Äquatorialumfang kennt. In- Ss [2 dessen gestaltet sich die Rech- _ | | nung in Wirklichkeit nicht so einfach, als es auf den ersten Blick scheint. Denn es sind a- Sy >———y—— ei. SI —— bei eine Menge von Kautelen zu — | beachten, die sich schwer über- blieken und in Rechnung ziehen SS — ur 2.2 lassen. So muss man z. B. die ITEZ—Z————— Schrumpfung in Rechnung bringen, se. welche die Linse beim Übertragen m aus Alkohol in Chloroform und dann weiter beim Einbetten in Paraffin erfährt; man muss die | |) ı | I i | | Bee der malen m = — 7 Rechnung bringen, die sich bei Br £ Textfigur 8. der Konservirung zwischen den Radiärlamellen bilden u. dgl. m. Schon die sehr beträchtlichen Unterschiede in der Zahl der 'Salamandra maculosa. 962 Carl Rabl, Lamellen — meine Tabelle weist Extreme von 98 und 916 auf — lassen eine große Verschiedenheit in der Breite der Fasern erwarten. Ich habe nun bei derselben Vergrößerung, bei der die Linsenfasern der Selachier auf Taf. XXIX gezeichnet sind (Apochrom. Ölimm. 1,40 mm), auch von den Amphibien kleine Stücke der Lamellen ge- zeichnet und hier neben einander gestellt. Die breitesten Fasern findet man bei Triton eristatus (Textfig. 7); nur um ein Geringes schmäler sind sie bei Salamandra maculosa (Textfig. $), und wieder schmäler beim Axolotl (Textfig. 9). Aber auch diese übertreffen die breitesten Fasern, die sich bei Anuren finden, = noch sehr erheblich. Am breitesten Sn sind sie hier bei Hyla arborea (Text- mm DI “eo — u figur 10), darauf folgt Bufo variabilis = = (Textfig. 11) und den Schluss macht Rana fusca (Textfig. 12. Ein Ver- Textfigur 9. gleich mit den Fasern der Selachier lehrt, dass auch die Fasern von Rana noch breiter sind, als die der meisten Selachier, wobei überdies nicht aus dem Auge gelassen werden darf, dass die meisten der untersuchten Siredon pisciformis. | Selachierlinsen viel größer waren als die von Rana. — Was die Dieke der Fasern betrifft, so gilt wesentlich das von den Fasern der Selachier Gesagte. Es finden sich unmittelbar unter der Oberfläche sehr dünne Fasern, dann folgen allmählich diekere, bis dann von einer gewissen Tiefe an die Dieke wieder langsam abnimmt. Die Breite der Fasern und damit die Dieke der Lamellen nimmt im Allgemeinen von innen nach außen zu. Ab und zu kommen aber merkwürdige Abweichungen von dieser Regel vor, und es kann eine Lamelle in ihrem Zuge von innen nach außen abwechselnd dünner und dieker werden. Der Querschnitt der Fasern ist meistens ein flaches Sechseck, wie bei den Selachiern. Indessen kommen auch hiervon Abwei- chungen vor. So kann er mehr einem Rechteck als einem Sechseck ähnlich sehen (vgl. Textfig. 11 von der Kröte). Übrigens ist das Querschnittsbild ungemein variabel. Man kann in einer und der- selben Linse nahe neben einander sechseckige und viereckige Fasern finden, wie dies auch bei jener Krötenlinse der Fall war. Auch sind die langen Seiten der Sechsecke oder Vierecke bald ganz eben, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 563 bald nach außen oder nach innen konvex; auch in dieser Hinsicht kann man in einer und derselben Linse den verschiedensten Bildern begesnen. Alles das weist darauf hin, dass die Fasern außerordent- lich plastische Gebilde sind. Wie schon erwähnt, nimmt die Zahl der Lamellen von innen nach außen durch Theilung zu. Beispiele dafür findet man in der Fig. 9 Taf. XXXI an mehreren Stellen. Außerdem zeigt die Text- figur 10 eine Theilung bei Hyla und Textfig. 1% bei Rana. Im letz- | [| 11) N NE ! N Hr \ \ | | I | N | | Textfigur 10. Textfigur 11. Textfigur 12. Hyla arborea. Bufo varıabilis. Rana fusca. teren Fall theilt sich die Lamelle 5 nach außen in zwei gleich dieke Lamellen. An der Theilungsstelle findet sich fast regelmäßig eine durch besondere Breite und dreieckigen Querschnitt ausgezeichnete Faser. — Die Zunahme der Lamellen erfolgt aber keineswegs aus- schließlich durch solche Theilungen; sie kann eben so gut durch Interkalation zu Stande kommen. Ein solches Beispiel führt uns die Textfig. 12 von Rana vor Augen, wo zwischen die Lamellen 1 und 3 die Lamelle 2 interkalirt ist. Ob der in der Textfig. 7 darge- stellte Fall von Triton als Theilung oder als Interkalation aufzufassen ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Übrigens schwanken die 564 Carl Rabl, Bilder, welche man von einer Interkalation erhält, ganz außer- ordentlich. Es ist klar, dass sowohl die Theilung, als die Interkalation auf das Verhalten der meridionalen Reihen zurückzuführen ist. Wie wir gesehen haben, kann die Zahl dieser Reihen entweder dadurch eine größere werden, dass an die Stelle einer einfachen Reihe zwei Reihen treten, wie dies die Fig. S auf Taf. XXXI zur Anschauung bringt, oder aber dadurch, dass sich, wie es die Figg. 5 und 7 zeigen, zwischen zwei bereits bestehende Reihen eine neue einschiebt. Der erste Fall wird im weiteren Verlauf eine Theilung, der zweite eine Interkalation einer Radiärlamelle zur Folge haben. Es wurde schon erwähnt, dass Verschmelzungen zweier Lamellen ungleich seltener als Theilungen sind. Einen ziemlich typischen Fall einer Verschmelzung führt die Textfig. 13 von Rana fusca vor Augen. Er leitet sich von einem Verhalten der meridionalen Reihen ähnlich dem auf Taf. XXXI Fig. 3 abgebildeten ab. Außer den bisher besproche- m——Z nen Eigenthümlichkeiten der La- a mellen kommen noch zahlreiche — m — 2 ® . . cc_= andere vor, die, im Einzelnen zu SE besprechen, wohl überflüssig ist. m se Einige solcher Eigenthümlich- FE keiten sind in Textfig. 9 vom Axo- om m — lotl, 11 von Bufo, 12 und 14 von ne Rana dargestellt. Sie sind sämmt- a ae lich auf Störungen in der Ausge- Rana fusca. Rana fusca. staltung der meridionalen Reihen des Linsenepithels zurückzufüh- ren. In der That entrollt uns jeder Äquatorialschnitt durch eine Linse ein höchst instruktives Bild von dem allmählichen Aufbau der radiären Lamellen und von ihren genetischen Beziehungen zu den meridionalen Reihen. Was den Verlauf der Linsenfasern betrifft, so ist derselbe wesentlich der gleiche, wie bei den Selachiern. Es kann daher die Textfig. 4 mit einer ganz geringfügigen Modifikation auch für die Amphibienlinse gelten. Die Modifikation betrifft nur die Länge der Linsennähte, die, wie schon bemerkt, bei den Amphibien relativ kürzer sind, als bei den Selachiern. — Zum Schluss habe ich noch ein paar Worte über die Kapsel zu sagen. Dieselbe ist bei den Urodelen dünner, als bei den Anuren; Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 565 am dünnsten ist sie beim Axolotl. Stets ist sie, so weit sie das Linsenepithel bedeckt, dicker, als an der hinteren Fläche. Die Diekenabnahme erfolgt langsam und allmählich. Die Differenz in der Dicke der vorderen und der hinteren Kapselhälfte ist ausnahms- los bei den Urodelen geringer, als bei den Anuren. Eine Schichtung habe ich nie deutlich wahrnehmen können. — Was die Litteratur betrifft, so glaube ich mich kurz fassen zu dürfen. Außer HexntLe hat Niemand einen tieferen Einblick in den Bau der Amphibienlinse gewonnen. Was vor HENLE, also bis zum Jahre 1882, darüber geschrieben wurde, ist bei HENLE eingehend berücksichtigt; ich habe einen großen Theil der von ihm eitirten Arbeiten gelesen, aber in ihnen nichts gefunden, was eine Bespre- chung an dieser Stelle nothwendig erscheinen ließe. Seit dem Jahre 1882 aber ist, so viel ich weiß, über den feineren Bau der Amphi- bienlinse nichts mehr von Bedeutung erschienen. In seiner ersten Arbeit über diesen Gegenstand! glaubte HENLE noch die Frage nach der Neubildung der Linsenfasern als eine offene hinstellen zu müssen; indessen hob er doch mit besonderem Nach- druck hervor, dass er damit »nicht beabsichtige, die Wahrschein- lichkeit, dass die neuen Fasern von der Oberfläche aus angefügt werden, zu verdächtigen«. Dieser Frage hat er dann in einer zweiten Arbeit? seine specielle Aufmerksamkeit gewidmet und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die von der größten Bedeutung sind und zu dem Besten gehören, was wir über den Bau und die Ent- wicklung der Linse wissen. Er sagt jetzt: »Dass die Linse durch Aurlagerung neuer Fasern an Volum zunimmt, kann nicht bezweifelt werden. Es ist eben so gewiss, dass die neuen Fasern aus den Epithelzellen, durch Verlängerung derselben nach beiden Seiten, hervorgehen und es durfte nach dem gegenwärtigen Stande der Zellenlehre vermuthet werden, dass, um den Nachwuchs an neuen Epithelzellen zu liefern, die alten sich durch Theilung vervielfältigen. Aber dies blieb Vermuthung. Die Angabe KÖLLIKER’s und v. BECKER’S, dass in der fötalen Linse die der Grenze des Epithels nächsten Zellen in einem beständigen Vermehrungsprocesse begriffen seien, vermochte ich nicht zu bestätigen, musste vielmehr die Frage, wie die Neubildung der Fasern an der Oberfläche der Linse vor sich i J. Hente, Zur Anatomie der Krystalllinse. Abhandlungen der kgl. Ge- sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. XXIII. 1878. ? Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse und zur Thei- lung des Zellkerns. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XX. 1582. « 566 Carl Rabl, gehe, als eine offene hinstellen. — Die Untersuchung der Linse von Frosch- und Tritonlarven hat, wenigstens für diese Thiergruppe, das Räthsel gelöst: die neuen Zellen entstehen nicht da, wo man sie suchen zu müssen glaubte, am Rande des Epithels, um direkt zum Ersatz der in Fasern auswachsenden Zellen zu dienen; man findet im Gegentheil die in Theilung begriffenen Zellen mitten zwischen ruhenden oft in beträchtlicher Entfernung von der Stelle, wo die Zellen sich in Fasern umzuwandeln beginnen.< HENLE vergleicht dann das Wachsthum des Linsenepithels mit dem Wachsthum des einschichtigen hinteren Epithels der Cornea, das gleichfalls »nicht durch Anfügung am Rande, sondern durch Einlagerung neuer Zellen erfolge, die aus Theilung von hier und da mitten zwischen den üb- rigen gelegenen Zellen hervorgehen und die vorhandenen vor sich her und dem Rande zuschieben müssen«. HENLE geht aber noch weiter. Indem er die Epithelgrenze ge- nauer untersucht, findet er die meridionalen Reihen. Die betreffende Stelle der Arbeit lautet wörtlich: »An der Linse der geschwänzten und ungeschwänzten Batrachier erstreckt sich, wie an allen kuge- ligen Linsen, das Epithel über den Äquator hinaus und auf die hintere Fläche. Am Äquator haben die Zellen noch sanz die unregelmäßig polygonale Gestalt, wie an der vorderen Fläche; dann folgen mehrere Reihen elliptischer, fast vierseitiger Zellen, deren längerer Durelı- messer quer, d. h. senkrecht zum Verlauf der Linsenfasern steht und an die queren Zellen schließen sich, so lange die Linse im Wachsen ist, Reihen längerer Zellen mit parallel zu den Fasern gerichtetem längeren Durchmesser. Die in einer Reihe gelegenen Zellen der letztern Art decken einander dachziegelförmig; sie enden in einiger Entfernung vom hinteren Pol der Linse und ziehen sich um so weiter von demselben zurück, je älter die Linse wird.«< — Bis hierher ist fast Alles durchaus richtig und findet durch meine Beobachtungen seine volle Bestätigung. Unrichtig ist nur, dass, wie HENLE an mehreren Stellen seiner Arbeiten bemerkt, die Linse der erwachsenen Amphibien kugelig ist und dass an der vollkommen entwickelten Linse die meridionalen Reihen fehlen. Nun folgt aber in der Darstellung ein Irrthum, der verhängnisvoll werden und HEnLE hindern sollte, zu einem wirklichen Verständnis des Baues der Linse und der Be- ziehungen der meridionalen Reihen zu den Radiärlamellen zu gelangen. Es heißt nämlich weiter: »Die Zellenreihen sind schmaler, als die äußersten Linsenfasern, entsprechen ihnen aber der Zahl nach ziem- lich genau, so dass in der Regel jede Faser von einer Zellenreihe » Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 567 bedeckt wird. Doch ereignet es sich häufig, dass die Zellenreihen sich gegen die Fasern etwas verschieben. Und dies ist erwünscht, weil man sonst Mühe hätte, diese zwischen der Kapsel und den äußersten Linsenfasern gelegenen Elemente von den in den äuße- ren Fasern gelegenen Kernen der sogenannten Kernzone zu unter- scheiden.«x Ein Blick auf die Figur, die HENLE. zum Beweise für das Gesagte heranzieht, zeigt mit voller Sicherheit, dass beim Abziehen des Epithels und der äußeren Linsenfasern oder beim Zer- zupfen des Präparates eine Verschiebung der meridionalen Reihen sesen die oberflächlichen Fasern stattgefunden hatte. Hätte HExLE die Linsen der Tritonenlarven in toto, nach vorhergegangener Färbung und Aufhellung in Glycerin (nicht in Nelkenöl), untersucht, so würde er sich auch überzeugt haben, dass die Zahl der meridionalen Reihen der Zahl der äußersten Linsenfasern nicht »ziemlich«, sondern absolut genau entspricht. Er würde dann aber auch um so gewisser die genetischen Beziehungen der meridionalen Reihen zu den Radiär- lamellen der Linse erkannt haben, als er auf die Existenz der letz- teren schon vier Jahre vorher bei der Untersuchung eines Äquatorial- schnittes durch die Froschlinse aufmerksam geworden war. In seiner Arbeit »zur Anatomie der Krystalllinse« schreibt er nämlich in dem Kapitel, welches von der Art der Zusammenfügung der Linsenfasern handelt, Folgendes: »Die von außen nach innen stetig fortschreitende Verjüngung der koncentrischen Schichten, aus welchen die Linse besteht, kann auf doppelte Weise zu Stande kommen; entweder muss in der genannten Richtung stetig die Breite der Fasern oder es muss in jeder folgenden Schicht die Zahl der Fasern sich mindern. Bei den Vögeln, den Reptilien und der Mehrzahl der Fische findet die erstgenannte dieser Anordnungen statt. Der Äqua- torialschnitt der Vogellinse lehrt die Regelmäßigkeit kennen, mit der die Breite der Fasern gegen den Kern der Linse abnimmt. Der Durehschnitt erhält so ein sehr zierlich strahliges Ansehen. Am Aquatorialschnitt der Linse einer Eidechse betrug die Zahl der ‚Strahlen etwa 90, d. h. 90 Fasern, von außen nach innen schmalere, lagen im Umkreis einer jeden Lamelle. Auch bei den übrigen Thier- klassen nimmt die Breite der Linsenfasern von außen nach innen ab... Aber sie (diese Abnahme) ist nicht so regelmäßig, wie bei den Vögeln, und daneben vollzieht sich, namentlich in den äußeren und mittleren Schichten, eine Reduktion der Zahl der Fasern durch Endigung oder Zusammenfließen von Reihen in der Weise, wie sie aus dem Querschnitt der Froschlinse zu ersehen ist.« Das Bild, 568 Carl Rabl, auf das sich HentE hier beruft, zeigt eine sehr große Ähnlichkeit mit meiner Textfig. 12. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass die »Strahlen< oder »Reihen«, die HExLE hier beschreibt, nichts Anderes, als die Durchschnitte der Radiärlamellen sind. Um so merkwürdiger ist es, dass HEexLeE trotzdem an dem alt- hergebrachten Dogma vom koneentrischen Bau der Linse festhielt, ja, dass er die »koncentrischen Schichten« ausdrücklich erwähnt, obwohl die Bilder, auf die er sich bei der Beschreibung bezieht, auch nicht die geringste Spur von solchen erkennen lassen. Es ist ihm dabei offenbar ganz ähnlich ergangen, wie mir selbst,. als ich vor vier Jahren, ohne die Arbeit HExLE's, die ich zwar seiner Zeit gelesen hatte, in Erinnerung zu haben, die meridionalen Reihen und die Radiärlamellen fand und auch die genetischen Beziehungen zwischen beiden kennen lernte. Obwohl ich einen besseren Ein- blick in den Aufbau der Linse gewonnen hatte, konnte ich mich doch noch mehr als zwei Jahre lang nicht entschließen, die Annahme einer koncentrischen Schichtung ganz fallen zu lassen. Erst als alle Versuche, eine solche Schichtung im mikroskopischen Bilde nachzuweisen, fehlgeschlagen hatten, arbeitete sich langsam die Überzeugung durch, dass der vermeintliche Schichtenbau lediglich durch die verschiedene Konsistenz der Fasern verschiedenen Alters vorgetäuscht wird. Ä Außer den eitirten Angaben HENLE’s muss ich noch einige andere, minder wichtige hervorheben, mit denen ich mich zum Theil nicht einverstanden erklären kann. So hebt HEenLE an mehreren Stellen hervor, dass die Fasern beim Frosch vierseitige Prismen vorstellen. Gewiss kann diese Angabe richtig sein, in so fern als der Faserquerschnitt hier und da mehr einem Rechteck, als einem Sechseck ähnlich sehen kann. Indessen habe ich schon oben auf die große Veränderlichkeit dieses Bildes aufmerksam gemacht. Ferner bemerkt HENLE, dass die in Reihen angeordneten Zellen. des Linsenepithels »nur theoretisch als Zellen aufzufassen sind, ihrer Form nach aber viel mehr nackten Kernen gleichen«. Dass sie die Bedeutung von Zellen haben, glaubt er »desshalb annehmen zu dürfen, weil sie nach vorn und hinten an unzweifelhafte Zellen, d. h. an Körper grenzen, welche deutlich in einen Kern und einen den- selben rings umgebenden hellen Saum geschieden sind, nach vorn an die mittleren Epithelzellen der vorderen Kapselwand, nach hinten an die länglichen in zwei Spitzen auslaufenden Zellen, die sich zu. Linsenfasern entwickeln. Diese Angabe erklärt sich zum Theil Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 569 daraus, dass bei Larven und Embryonen die Zellgrenzen meist weniger scharf sind, als bei erwachsenen Tbieren, dann aber auch daraus, dass die Zellgrenzen innerhalb der meridionalen Reihen einen schiefen Verlauf haben (vgl. z. B. Fig. 11a Taf. XXXI vom Salamander) und daher nur an senkrechten Schnitten, nicht aber im Oberflächenbilde deutlich gesehen werden können. HENLE hat auch die regressiven Veränderungen der Zellkerne untersucht und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die sich zum Theil nicht schwer mit den von mir geschilderten in Einklang bringen lassen. In den äußersten Faserlagen finden sich nach HExLE Kerne, welche von denen der hintersten Zellen des Kapselepithels nicht verschieden sind. Später aber werden die Kerne »platter, meist etwas verlängert und entschieden grobkömiger; die einzelnen Körner sind größer und durch größere Zwischenräume getrennt, hell mit dunkeln Kontouren«. Darauf verlieren die Kerne ihre scharfen Kontouren, sie werden gleichsam »angefressen« und an ihrer Ober- Hläche entstehen Lücken, in denen die erwähnten Körner enthalten sind; die Lücken öffnen sich und die Körner gehen spurlos zu Grunde. Darauf werden die Kerne kleiner und die noch in ihnen enthaltenen Körner verfallen gleichfalls dem Untergange. Zum Schluss finde sich in manchen Fasern an der Stelle des Kerns ein heller Fleck, der wohl auch später verschwindet. Aus dem Gesagten dürfte wohl hervorgehen, dass auch HENLE keinen recht befriedigenden Einblick in die Erscheinungen des Kern- schwundes bekommen hat. Prag, 10. Januar 1898. 570 Carl Rabl, Erklärung der Abbildungen, Tafel XX VIII. Entwicklung der Linse von Pristiurus melanostomus. Vergr. der Figg. 1 bis 12 215mal. Fig. 1. Embryo mit 45 Urwirbeln. Fig. 2. Embryo mit 49—50 Urwirbeln. Fig. 3. Embryo mit 52 Urwirbeln. Fig. 4. Embryo mit 55 Urwirbeln. Fig. 5. Embryo mit 63 Urwirbeln. Fig. 6. Embryo mit 63—64 Urwirbeln. Fig. 7. Embryo mit 66—68 Urwirbeln. Fig. 8. Embryo mit ca. 74 Urwirbeln. Fig. 9. Embryo mit 87 Urwirbeln. Fig. 10. Embryo mit ca. 95 Urwirbeln. Fig. 11. Ca. 17 mm langer Embryo. Fig. 12. 19 mm langer Embryo. Fig. 13. Meridionalschnitt durch die Linse eines erwachsenen Mustelus laevis. 570mal vergr. r, Stelle, an der die meridionalen Reihen beginnen; eg, un- gefähre Grenze des Epithels. Tafel XXIX. Bau der Selachierlinse. Fig. 1. Auge eines 12 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 215mal vergr. Fig. 2. Linse eines 15 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 215mal vergr. Fig. 3. Linse eines 18 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 215mal vergr. Fig. 4. Äquatorialschnitt durch die Linse eines Pristiurus-Embryo von 24 mm Länge. ep, Linsenepithel; f, Linsenfasern. Fig. 5. Äquatorialschnitt durch das Auge eines Pristiurus-Embryo von 28 mm Länge. Schwache Vergrößerung. /, Linse; N, hintere Linsennaht; r, Retina; {.n, Tapetum nigrum; pf, Processus faleiformis; g%, geschrumpfter Glas- körper. Fig. 6. Meridionalschnitt durch die Linse eines erwachsenen Mustelus laevis bei schwacher Vergrößerung. Fig. 7. Linsenepithel von der Mitte der Vorderfläche einer Linse von Mustelus laevis. 570mal vergr. Fig. 8. Linsenepithel von der Epithelgrenze, mit den meridionalen Reihen (Mustelus laevis). 570mal vergr. Fig. 9. Aus einem Äquatoriaslehnitt durch eine Linse von Seyllium ca- tulus von ca. 14 em Länge. 570mal vergr. Fig. 10a. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Mustelus Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 571 laevis 'Linse von ca. 6,3 mm Äquatorialdurchmesser mit ‚2200 Radien). 570mal vergr. Von der Oberfläche. Fig. 105. Aus demselben Schnitt aus größerer Tiefe. Fig. 11. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Pristiurus melanostomus 'Linse von 8 mm Äquatorialdurchmesser mit 2009 Radien). 570mal vergrößert. Fig. 12. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Spinax niger (Linse 6,1 mm im Äquatorialdurchmesser, 1172 Radien). 570mal vergr. Fig. 13. Aus einem Aquatorialschnitt durch eine Linse von Chimaera morstrosa (Linse 13,3 mm im Äquatorialdurchmesser, 3880 Radien). 570mal vergrößert. ’ Fig. 14. Aus einem Aquatorialschnitt durch eine Linse von Acanthias vulgaris (Linse 6,3 mm im Aquatorialdurchmesser, 1747 Radien). 570mal vergr. Fig. 15. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Raja asterias (Linse ca. 4,5 mm im Äquatorialdurchmesser, 1211 Radien). 570mal vergr. Fig. 16. Aus derselben Linse. Unregelmäßigkeiten der Radiärlamellen. 570mal vergr. Tafel XXX. Entwicklung des Auges von Siredon piseiformis. Fig. 1—10. Zehn Entwicklungsstadien in gleicher Orientirung bei 215- facher Vergr. Fig. 10a. Anschnitt der Linse des Auges der Fig. 10. Vergr. 215. Fig. 11. Schnitt durch den Kopf eines missbildeten Axolotl-Embryo mit 33—34 Urwirbeln. Schwache Vergr. ab, rechte, ab!, linke sekundäre Augen- blase; /, Linse im Anschnitt; /!, Verdiekung des Ektoderms. Tafel XXXI. Bau der Amphibienlinse. Fig. 1. Linsenanlage eines 8 mm langen Embryo von Salamandra atra. 260mal vergr. Fig. 2. Retina einer 15 mm langen Axolotl-Larve. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. nf, Nervenfaserschicht; gz, Ganglienzellenschicht; :r, innere reticuläre Schicht; :%, innere Körnerschicht mit einigen Kernen von Stützfasern; ar, äußere retieuläre Schicht; a%, äußere Körnerschicht; st, Stäbchenzapfenschicht (drei Zapfen, sechs Stäbchen). Fig. 20. Entwicklungsstadien der Neuroepithelzellen aus der Grenze der Pars optiea retinae einer Axolotl-Larve von 16,5 mm Länge. Dieselbe Vergr. Fig. 3. Linsenepithel von Salamandra maculosa (erwachsen) von der Epi- thelgrenze mit drei meridionalen Reihen. 260mal vergr. Fig. 4 Linsenepithel von Rana esculenta (erwachsen) von Be Epithel- grenze mit dem Anfang von sechs meridionalen Reihen. ?60mal vergr. Fig. 5. Linse einer ca. 6 em langen Larve von Triton cristatus. Etwas schief gesehen, so dass der vordere Linsenpol unter die Ebene der Tafel zu liegen kommt. Die Zellen der meridionalen Reihen sind etwas zu schmal aus- gefallen. 130mal vergr. Fig. 6. Einige meridionale Reihen einer eben solchen Linse. Vergr. 260mal. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL Ba. 37 572 Carl Rabl, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. Fig. 7 und 8. Dessgleichen. In den Figg. 6, 7 und 8 sind die meridio- nalen Reihen nach rechts zu nicht ganz vollständig. Fig. 9. Äquatorialschnitt durch eine Linse einer ea. 6 em langen Larve von Triton ceristatus. 260mal vergr. Fig. 10. Aus der Kernzone eines 18 cm langen Axolotl. Meridional- schnitt: Nahe dem Epithelrand. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. Fig. 11. . Aus einem Meridionalschnitt durch die Linse einer erwachsenen Salamandra maculosa. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. Fig. 11a von der Epi- thelgrenze; Fig. 115 von der Mitte der Vorderfläche. Fig. 12. Aus einem Meridionalschnitt durch die Linse einer erwachsenen Bufo variabilis. 130mal vergr. Fig. 13. Aus demselben Schnitt. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. Fig. 13a von der Epithelgrenze; Fig. 135 von der Mitte der Vorderfläche. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. ll. Theil. Die Larvenperiode. Von Dr. Johannes Meisenheimer. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit Tafel XXXII—XL und 20 Figuren im Text. Während ich im ersten Theile meiner Entwicklungsgeschichte von Limax maximus die Entwicklung vom ungefurchten Ei bis zur Umwandlung der Gastrula in den eigentlichen Embryo verfolgt habe, wird es die Hauptaufgabe des vorliegenden zweiten Theiles sein, die einzelnen Organe in ihrer ersten Anlage und weiteren Aus- bildung zu verfolgen, wobei namentlich der allgemeine Gesichts- punkt ihrer Ableitung von den Keimblättern leitend sein soll, ohne freilich dabei die spätere Entwicklung zurücktreten zu lassen. Denn während die Behandlung des ersten Gesichtspunktes mehr allgemeine Fragen, wie über die Bedeutung der Keimblätter, von Cölom ete. berührt, eröffnet der letztere Einblicke in die Phylogenie der weit von dem ursprünglichen Typus entfernten Gruppe der Nacktschnecken. Nur ein Organkomplex ist hierbei noch nicht berücksichtigt, es sind dies die in ihrer Entwicklung noch recht unklaren Geschlechts- organe. Ihre Entwicklung liest zum größten Theile in der folgen- den, dritten Periode, welche vom Ausschlüpfen der jungen Schnecke bis zur vollendeten Geschlechtsreife zu rechnen ist. In Folge des Umfangs dieser Periode sehe ich mich genöthigt, die Entwicklung der Geschlechtsorgane einem dritten Theile vorzubehalten, und um diese dann im Zusammenhange behandeln zu können, werde ich in diesem zweiten Theile auf jede Behandlung derselben verzichten, zumal etwaige jüngste Befunde nur durch Vergleich mit älteren und ältesten Stadien volle Sicherheit zu gewinnen vermögen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Prof. KORSCHELT Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd, 38 574 Johannes Meisenheimer, für die Theilnahme und das Interesse, welches er auch diesem zweiten Theile meiner Untersuchung entgegengebracht hat, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. _ I. Abschnitt. Die Larvenorgane. Unter Larvenorganen im engeren Sinne verstehe ich diejenigen Organe, welche für die Larve allein typisch sind, und welche all- mählich mit dem Übergange in das erwachsene Thier Funktion und Existenz einbüßen, d. h. resorbirt oder abgeworfen werden. Es sind dies zunächst zwei der Athmung und Pulsation dienende Organe, die Kopfblase und Podocyste, wir werden beide in engem Zusammen- hange betrachten, da ihr Bau und ihre Funktion viele Übereinstim- mung zeigen. Dann werden wir als weiteres und bei Weitem inter- essantestes Larvenorgan die Urniere zu behandeln haben, welche schon früh sich anlegend, mit einem Altersstadium von 10 bis 11 Tagen ausgebildet, in den darauf folgenden Tagen ihre Hauptfunktion zu verrichten hat und dann allmählich, etwa vom 15. Tage an, einen rückläufigen Process der Resorption durchmacht, um schließlich spurlos zu verschwinden. 1. Kopfblase und Podocyste. Die Kopfblase legt sich. bereits sehr früh, unmittelbar nach dem Gastrulastadium an. Sie entsteht dadurch, dass das Ektoderm ‚sich vorn, seitlich und dorsal blasig erweitert, unter sehr bedeuten- der Verflachung des Epithels. Zurückzuführen ist dieser Process auf die Ausscheidung einer hellen Flüssigkeit, welche die ganze Blase erfüllt und mit der Leibesflüssigkeit in unmittelbarem Zu- sammenhange steht (vgl. hierzu die Figg. 75—77 auf Taf. XXXIV und Fig. 5 auf Taf. XXXID). Die Zahl der Mesodermzellen im Inneren des Blasenraumes ist im Anfange sehr gering, bald bemerkt man aber, wie dieselben vom Rande des weit in die Kopfblase vor- springenden Eiweißsackes her in dieselbe hineinwandern und sich zwischen der Wandung der Blase und dem Eiweißsacke lang aus- strecken. | | Ihre relativ enormste Größe im Verhältnis zum übrigen Körper erlangt die Kopfblase etwa am 8. bis 9. Tage, wo ihr gegenüber die übrigen Körpertheile fast ganz zurücktreten (Fig. 1 auf Taf. XXX). Später gleicht sich dieses Verhältnis mehr und mehr aus, die Kopf- blase bleibt im Wachsthum zurück, der übrige Körper dagegen ver- größert sich schnell, namentlich durch das starke Wachsthum des Entwicklungsgeschiebte von Limax maximus L. Il. 575 Fußes (vgl. Taf. XXXI, Fig. 3 und 5, ferner Textfig. 9—14). Auf noch älteren Stadien bildet sie schließlich nur noch eine Umhüllung des Eiweißsackes, mit dem zusammen sie in den Körper der Schnecke eingezogen und resorbirt wird. | Histologisch haben wir also an der Kopfblase die aus äußerst abgeflachten Epithelzellen bestehende Wandung und die im Inneren zerstreuten Mesodermzellen zu unterscheiden. Die ersteren besitzen neben dem Kerne eine Anzahl von Fetttropfen, die gewöhnlich um denselben gelagert sind (Taf. XXXI, Fig. 1, 2). Im Anfange noch dureh deutliche Zellgrenzen getrennt, schwinden diese, eben so wie Kern, Plasma ete. allmählich immer mehr, so dass wir schließlich nur noch ein äußerst dünnes Häutchen vor uns haben (Taf. XXXI, Fig. 3). Auf die Mesodermzellen komme ich gleich weiter unten nochmals zurück. Was nun die Funktion der Kopfblase betrifft, so hat man sie früher stets als Cirkulationsorgan angesehen, welches abwechselnd mit der Podocyste Kontraktionen auszuführen vermag und so die Leibesflüssigkeit eirkuliren lässt (GEGENBAUR, For). Nachdem schon vor etwas längerer Zeit JOURDAIN ihr eine bloß passive Bewegung zuerkannt hatte, tritt in neuerer Zeit namentlich F. ScHMIDT gegen die selbständige Pulsation der Kopfblase auf. Er theilt ihr eben- falls nur eine passive Rolle zu, indem bei einer Kontraktion der Podoeyste die Leibesflüssigkeit in die Kopfblase getrieben, und letz- . tere als Stelle des geringsten Widerstandes zum Anschwellen gebracht wird, während umgekehrt bei der Erschlaffung der muskulösen Ele- mente der Podocyste die Leibesflüssigkeit zurückströmt, und die Kopfblase mit dem sinkenden Druck ähnlich einer Kontraktion zu- sammenfällt. Ich kann mich dieser Ansicht vollständig anschließen. 80 lange die Podoeyste noch nicht ausgebildet ist, ist von einer Kontraktion der Kopfblase bei Limax maximus nichts zu sehen, Ja selbst später sind dieselben kaum merklich, von einer mit der Podocyste abwechselnden, selbst passiven Bewegung habe ich nie etwas beobachten können. Um so auffallender ist die Anordnung der Mesodermzellen im - inneren Raume der Kopfblase, indem dieselben stets eine radiäre Riehtung angenommen haben, theils einzeln, theils, und dies nament- - lieh in jüngeren Stadien, zu Strängen vereint von dem Eiweißsacke zur Blasenwand ziehend, also ganz, wie man es von selbstthätigen Muskelzellen voraussetzen würde (Taf. XXXIL, Fig. 3, Textfig. 9). Später nehmen diese Mesodermelemente an Größe bedeutend zu, 38* 576 Johannes Meisenheimer, um schließlich zugleich mit dem ganzen Organ der Resorption an- heimzufallen. | Die Kopfblase findet sich eben so wie das folgende Organ, die Podocyste, fast stets bei den Landpulmonaten, dessgleichen, im Gegensatze zu letzterer, bei den Wasserpulmonaten, wenn auch freilich nicht in so extremem Maße ausgebildet. Hier bei den Basommatophoren besteht sie in einer Auftreibung vor dem Velar- bezirke, die Bewegungen sind ebenfalls nur passive, wie RABL für Planorbis angiebt. Bei marinen Prosobranchiern ist die Kopf- blase von BOBRETZKY beobachtet worden, eben so von CONKLIN an Crepidula, bei Calyptraea erreicht sie sogar nach SALENSKY eine ziemliche Größe. Als zweites, mit dem vorigen in engem Zusammenhange stehen- des Larvenorgan tritt uns die Podocyste entgegen. Ihre Ausbildung erfolgt etwas später als diejenige der Kopfblase. Das äußere Ende des Fußhöckers, der sich als eine unpaare Vorwölbung des Ekto- derms anlegt, beginnt sich unter Verflachung der Epithelzellen zu erweitern, zumal nach hinten und beiden Seiten hin. Als Resultat dieses Processes erhalten wir schließlich die bekannte, flache, seit- lich stark verbreiterte Form der Podocyste (Taf. XXXIH, Fig. 3—5). Ihr Inneres ist von muskulösen Elementen in regelmäßiger, dorso- ventraler Anordnung durchsetzt. Sie schlägt sich im Leben weit über den ganzen Embryo dorsalwärts herum und führt äußerst energische Kontraktionen aus, ihrer Bedeutung als Cirkulationsorgan entsprechend. Die Bewegungen sind unregelmäßig, oft in Wellen über die Oberfläche hinlaufend oder peristaltisch. Dass sie, wie schon öfter angenommen wurde, auch eine respi- ratorische Thätigkeit entfaltet, ist namentlich im Hinblicke auf so extreme Fälle, wie z. B. bei Helix Waltoni (SAarAsın), sehr wahr- scheinlich. Sie erreicht hier eine so enorme Entwicklung, dass fast die ganze innere Fläche der Eihülle von ihr ausgekleidet wird. Auch bei Limax maximus liegt sie meist der Eihülle fest an und gleitet unter Rotation des ganzen Embryos ununterbrochen an der- selben entlang. Später gegen Ende der Larvenperiode wird sie kleiner und kleiner, um schließlich ganz abgeworfen zu werden. Die Podoeyste findet sich bei sämmtlichen bisher untersuchten Stylommatophoren, mit Ausnahme von Succinea (F. SCHMIDT), Bulimus eitrinus, Vaginulus (nach SEmPER) und Onchidium (nach Joyzux-LAFFUIE). Ist sie vorhanden, so hat sie in der Regel die von Limax maximus beschriebene flache Form, zuweilen jedoch ist sie Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. Il. 577 eylindrisch (bei Arion nach For), oder sie läuft in zwei Zipfel aus (bei Clausilia spec. nach F. Scumipr). Bei den Basommato- phoren fehlt die Podocyste gänzlich, dagegen vermag hier der Fuß selbst rhythmische Bewegungen auszuführen (For). Von sonstigen larvalen Cirkulationsorganen, wie sie in Gestalt von Larvenherzen ganz allgemein bei den Prosobranchiern, aber auch bei Helix (FoL) vorzukommen scheinen, ist bei Limax maxi- mus keine Spur vorhanden. ‘Auch bei anderen Molluskenklassen finden sich ähnliche larvale Cirkulationsorgane, ich erinnere hier nur an die von FoL bei Ptero- poden beschriebenen pulsirenden Fuß- und Mantelsinusse, zwischen denen die Leibesflüssigkeit hin und her strömt, oder an die von LACAZE-DUTHIERS bei Dentalium geschilderten, abwechselnd thätigen Fuß- und Abdominalsinusse. Schließlich will ich an dieser Stelle Betreffs der Bildung des Fußes auf die von F. Schmidt angegebene Entwicklung desselben aus der Verschmelzung zweier Höcker kurz eingehen. Die Ver- schmelzung erfolgt in der Medianlinie, hinter dem Blastoporus, und F. Scaumipr basirt darauf die Hypothese, dass der Fuß aus den mit einander verschmolzenen Lippen des sich schließenden Blastoporus hervorgegangen sei. So weit mir bekannt ist, findet sich in der Litteratur eine ähnliche Angabe einer doppelten Entstehung des Fußes außer von Patella nach PATTEn noch von Helix nach v. IHERING, wo der Fuß aus der Verschmelzung zweier lamellöser Ektodermwucherungen hervorgehen soll. Doch ist seine Darstellung nieht ganz klar. Bei Limax maximus habe ich nichts auf einen ähnlichen Process Hindeutendes beobachten können, nur auf etwas älteren Stadien (vom 7. bis 8. Tage etwa) bemerkt man an der Spitze des Fußes eine deutliche Zweitheilung, die aber für diese Frage wohl belanglos ist, eben so wie die von FoL für Basommatophoren beschriebene Zweilappigkeit des Fußes, die ebenfalls erst auf späte- ren Stadien auftritt. 2. Urniere. Eines der interessantesten und trotzdem sowohl in Entwicklung wie feinerem histologischem Bau noch durchaus ungenügend er- forschten Larvenorgane ist die Urniere der Pulmonaten. Während für die Basommatophoren immerhin einige größere und neuere Ar- beiten vorliegen, beschränken sich die Angaben für die Stylomma- tophoren, abgesehen von den älteren Arbeiten von Van BENEDEN 578 Johannes Meisenheimer, und WINDISCHMANN und weiter von Osc. SCHMIDT und GEGENBAUR, ‚auf die Untersuchungen For’s, die kurzen Mittheilungen JoURDAm’s und MEURON’s und die neuesten Angaben Sarasın’s über Helix Waltoni. Eine ausführliche Besprechung der Litteratur werde ich erst nach meiner Darstellung der Entwicklung der Urniere von Limax maximus geben, um auf diese Weise die Vergleichgspunkte schärfer hervorheben zu können. Die früheste Anlage der Urniere ist unzweifelhaft in einer zuerst schwachen, sich aber bald nach innen tief einsenkenden Einstülpung des Ektoderms zu suchen. Diese Einstülpung, die auf Taf. XXXII, Fig. 6 und 7 in ihren frühesten Stadien zu sehen ist, liegt zu beiden Seiten des vom Entoderm umschlossenen Eiweißsackes, genau sym- metrisch, etwa in der Höhe der ebenfalls ektodermalen Enddarm- einstülpung. Die Wand der Einstülpung liegt dem Eiweißsack an und wächst, sich dicht an ihn drängend, allmählich in der Richtung nach vorn aus, und zwar zunächst in nur schwach gekrümmtem Bogen. Die Ausmündungsstelle liegt jetzt zwar noch in der Höhe des End- darmes, hat sich aber seitlich etwas mehr nach vorn verschoben (vgl. hierfür und Folgendes die Figg. 1—4 auf Taf. XXXII ur). Von der Ausmündungsstelle zieht die Urniere nach abwärts, um in der Nähe der Scheitelplatten vor dem erweiterten Stomodaeum zu enden. Histologisch besteht sie noch aus einfachem Epithel, das innere Ende ist geschlossen, das Lumen nur eng, streckenweise berühren sich sogar die gegenständigen Wände (Taf. XXXII, Fig. Sund 9). Auf letzterem Stadium hat die Urniere schon eine ziemlich langgestreckte Gestalt angenommen. Dieses Längenwachsthum schreitet mit dem Wachsthum der Larve gleichmäßig fort, zugleich aber beginnt das ursprünglich nur wenig gekrümmte Rohr sich in auffallender Weise zu beugen. Die schon angedeutete, schwache, nach unten konkave Krümmung hat sich verstärkt, so dass wir nun einen kürzeren, auf- steigenden und einen längeren, schräg absteigenden Schenkel vor uns haben (Taf. XXXII, Fig. 1). Ohne auf histologische Details jetzt schon näher einzugehen, will ich hier im Zusammenhange zunächst die äußeren Lagerungs- verhältnisse für die nächsten Stadien behufs besserer Orientirung erledigen. Als festliegend haben wir also einen auf- und absteigen- den Schenkel zu betrachten. Im absteigenden Schenkel tritt nun eine weitere Veränderung auf, derart, dass derselbe an seinem vor- deren Ende eine zunächst schwache, dann aber sich verstärkende . nach vorn und oben konkave Krümmung erfährt, so dass nunmehr Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 579 das vorderste Ende nahezu horizontal verläuft (Taf. XXXI, Fig. 3). Das innere Ende behält aber dabei seine Lage unmittelbar unter den Scheitelplatten bei. Eine zweite Veränderung besteht in einer Ver- längerung der Beuge zwischen auf- und absteigendem Schenkel, die zu einem deutlich abgesetzten, mittleren, horizontal verlaufenden Abschnitte führt. Beide Schenkel verändern dabei etwas ihre gegen- seitige Lage. Ursprünglich gegen einander geneigt, verlaufen sie jetzt im Größen und Ganzen einander parallel, schräg von hinten unten nach vorn oben, respektive von vorn oben nach hinten unten. Dabei liegen sie aber nicht etwa streng in einer Ebene, sondern sie passen sich der Rundung des Eiweißsackes an, zuweilen dicht anliegend, zuweilen sich in freien Schlingen davon abhebend (Taf. XXXIL, Fig. 4). Die Form ist nicht stets ein regelmäßiges, ceylindrisches Rohr, zuweilen finden sich blasige Erweiterungen, namentlich im absteigenden Schen- kel, seitliche Verästelungen aber, wie sie GEGENBAUR beschreibt, habe ich nie zu beobachten vermocht. Die äußeren Ausmündungsstellen liegen seitlich, etwas unterhalb des Enddarmes, und verschieben sich allmählich mit der Ausbildung des Mantelfeldes derart, dass die rechte in die Nähe des Mantelschlitzes, die linke an die seitliche Körperwand unter dem Mantel zu liegen kommt (Taf. XXXIL, Fig. 4). Von dem äußersten Interesse sind nun die Umwandlungen, die sich inzwischen in dem feineren histologischen Bau vollzogen haben. Die ersten Phasen derselben sehen wir dargestellt auf Taf. XXXII in den Figg. 10—16. Sie betreffen zunächst nur das innerste Ende der Urniere, im Übrigen bleiben die Zellen, abgesehen davon, dass sie sich vermehren und kleiner werden, ganz unverändert. In Fig. 9 auf Taf. XXXII war das innere Ende noch vollkommen gegen die Leibeshöhle geschlossen. Durch Konservirung mit HermaAn’scher Lösung! bemerkt man aber an einzelnen Stadien dieser Entwicklungs- stufe bereits eine gewisse Veränderung der endständig abschließen- den Zellen, die in einer helleren Färbung der Kerne auffallend hervortritt (Taf. XXXIL, Fig. 11 wz). Die unmittelbar damit ver- bundenen oder sofort darauf folgenden Veränderungen springen noch mehr in die Augen, in so fern die innersten Zellen ihre regel- mäßige, epitheliale Anordnung verlieren. Sie beginnen amöboide Fortsätze in die Leibeshöhle zu entsenden und so den epithelialen 1 Der größte Theil des Materials zu diesem zweiten Theile wurde mit Herman’scher Lösung (Platinchlorid-Osmiumessigsäure) konservirt, da neben scharfen Zellgrenzen namentlich Zelldifferenzirungen durch dieselbe stets schon in den frühesten Anfängen kenntlich gemacht werden konnten. 580 Johannes Meisenheimer, Verband zu lockern (Taf. XXXI, Fig. 10). Die eben bereits ge- schilderte Umwandlung der Kerne verstärkt sich immer mehr, die ganze Zelle nebst Kern nimmt an Größe zu, das Plasma wird dunkler, der hellere Kern besitzt einen großen Nucleolus. Der sanze Process führt schließlich zu einer Loslösung von Zellen aus dem epithelialen Verbande, und zwar derart, dass successive hinter einander eine Anzahl von Zellen sich zwischen die umgebenden Mesodermzellen drängt, von ihnen sofort durch dunklere Färbung und den großen, hellen Kern unterscheidbar. Einzelne Stadien dieses Vorganges geben die Figg. 10—15 auf Taf. XXXIL. In Fig. 12 sind einige Zellen bereits ausgetreten, andere sind gerade im Begriffe, ihnen zu folgen, dasselbe sehen wir in Fig. 13 und 14, wo zu beiden Seiten des Rohres sich loslösende Zellen auftreten, zum Theil noch fest an das Rohr anschließend, sich aber stets durch die oben angesebenen Charaktere von den gewöhnlichen Urnierenzellen unter- scheidend. Diese Auswanderung einer bestimmten Anzahl von Zellen hat außerdem noch die weitere wichtige Folge, dass das bisher deut- lich geschlossene Rohr sich nunmehr, wenigstens für einige Zeit, nach innen in die Leibeshöhle direkt öffnet. Zunächst nur eng vergrößert sich die Öffnung durch Auseinanderweichen der Wände sehr bald, es bildet sich so ein ziemlich weites Rohr. Die Zahl der ausgewanderten Zellen, die nun ganz wie die Mesodermzellen amö- boide Gestalt angenommen haben und im Kranze das innere Ende der Urniere umgeben, beträgt zunächst nur drei bis vier, steigt aber . dann auf sieben bis acht und. noch etwas höher, entsprechend dem Vorschreiten der Auswanderung. Viel größer ist aber ihre Zahl selbst auf älteren Stadien nie. Ein letztes Stadium der Auswanderung stellt uns Fig. 15 auf Taf. XXXII dar, hier liegt nur noch an der einen Seite eine sich eben losschnürende Zelle (wz), im Übrigen haben sich beiderlei Bestandtheile der Urniere, das epitheliale Rohr und die amöboiden Zellen, scharf von einander geschieden und schlagen nunmehr einen verschiedenen, zu ihrer specifischen Funktion hinleitenden Entwicklungsgang ein. Fassen wir von diesen beiden Bestandtheilen zunächst die amöboiden Zellen etwas näher ins Auge. Von dem Stadium der Fig. 12 an ist das Innere des Urnierenrohres von einer eigenthüm- lichen feinen Faserung erfüllt, die durchaus den Eindruck von Wimperflammen hervorruft. Und in der That, wir haben es hier mit solchen zu thun. Zu ihrem genaueren Studium wenden wir uns - vortheilhafter etwas älteren Stadien zu, da solche die Verhältnisse Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. IL. 581 ungleich klarer erkennen lassen. In Fig. 16 und 17 auf Taf. XXXII ist die weite innere Öffnung: des Urnierenganges von einer deutlichen, sich scharf abhebenden Wimperflamme ausgefüllt (wf), sie reicht, sich keilförmig verjüngend, eine kurze Strecke weit in das Rohr hinein. Nach der entgegengesetzten Seite zu verbreitert sie sich und führt schließlich zu den amöboiden Zellen (wz), mit denen sie zu ver- schmelzen scheint. Die einzelnen Cilien der Wimperflamme, oder, wie wir gleich sehen werden, der Wimperflammen, nehmen ihren Ursprung direkt aus den durch Losschnürung vom ektodermalen Rohr entstandenen amöboiden Zellen, die wir jetzt als Wimperzellen (w2) bezeichnen wollen. Die Cilien kann man sich durch direkte Differenzirung des Plasmaleibes einer solchen Zelle entstanden denken, indem ein Theil des Plasmas in eine große Zahl von Cilien zerfällt. Die gesammte Wimperflamme, wie sie sich in die Öffnung des Rohres einschiebt, ist aber nicht etwa das Produkt einer einzigen Zelle, sondern alle Wimperzellen nehmen an ihrer Bildung Theil und zwar derart, dass jede einzelne Zelle für sich einen Cilienbüschel entsendet und diesen den übrigen sich zugesellen lässt; so entsteht dann die starke Wimperflamme, der wir auf allen späteren Stadien begegnen. Die Anordnung der einzelnen Wimperzellen um die innere Öffnung des Rohres ist eine sehr manniefaltige und an keine be- ‚stimmte Ordnung geknüpft. Bald sehen wir sie dicht an die Öffnung angepresst (Fig. 19 auf Taf. XXXL, Fig. 25>—27 auf Taf. XXXII), bald weit davon abstehend (Fig. 20, 21 auf Taf. XXXI, Fig. 24, 25 auf Taf. XXXIN). Zuweilen ist die Entfernung ganz beträchtlich, so dass die Wimperflamme der betreffenden Zelle wohl kaum das Rohr ganz zu erreichen vermag (Taf. XXXILH, Fig. 24, 25). So ungeordnet die einzelnen Zellen aber auch zu liegen scheinen, sie bilden trotzdem einen festen, kontinuirlichen Verband. Stets sind sie nämlich durch eine feine Membran mit einander verbunden, welche den Innenraum der Urniere streng von der sie umgebenden Leibesflüssigkeit trennt. Diese verbindende Membran ist dadurch entstanden zu denken, dass die einzelnen Wimperzellen sich an ihren Rändern flach auszogen und mit einander verschmolzen, wodurch schließlich eine häutige, freilich je nach der Vertheilung der Wimperzellen stark gelappte Kappe zu Stande kommt, die sich an das eine kurze Zeit lang offene Rohr anlegt und so dieses wiederum gegen die umgebende Flüssigkeit abschließt. Ein offenes Rohr hat also nur ganz kurze Zeit bestanden, es ist die Zeit unmittelbar nach und während der Abschnürung, ent- 582 Johannes Meisenheimer, sprechend etwa den Stadien der Figg. 12—16 auf Taf. XXXIL Be- . sonders deutlich tritt die Membran an der Abgrenzung der Wimper- flammen selbst hervor, wie z. B: in Fig. 20 und 21 auf Taf. XXXII (md), wo die Wimperflamme einer jeden Zelle, sich scharf abhebend, in einer besonderen Bahn verläuft, um dann gemeinsam zu enden. Ein etwas anderes Bild tritt uns in den Figg. 24 und 25 auf Taf. XXXIU entgegen, sie erläutern klar die Zusammensetzung der Wimperflamme aus einzelnen Theilen, dessgleichen die Lage der Wimperzellen nebst ihren verbindenden Membranen. So sehen wir in Fig. 24 eine untere Zelle deutlich einen Wimperbüschel entsenden und un- mittelbar darüber eine zweite, welche in ganz ähnlicher Weise, un- abhängig von ersterer, einen solchen entwickelt. Ein gleiches Ver- halten bietet Fig. 25 dar, diese Figur kann zugleich als Erläuterung der Größenverhältnisse der Wimperzellen zu den sie umgebenden Mesodermzellen dienen. Ursprünglich waren beide von nahezu . gleicher Größe, jetzt haben erstere die acht- bis au Größe der letzteren erreicht. : Nach dem bisher geschilderten Bau der Urniere hat man. sich den Process der Exkretion zunächst etwa derart zu denken, dass durch die verbindende Membran hindurch ein Diffusionsstrom von der Leibeshöhle zum Binnenraume der Urniere stattfindet, und dass von hier die Produkte dieses Diffusionsstromes vermittels der Wimperflamme weiter befördert und in den innersten Abschnitt des Urnierrohres geleitet werden. Dass ein derartiger Vorgang statt- finden muss, beweist die Anhäufung von sich schwach färbender Flüs- siskeit um das innerste Ende der Urniere, diese muss aus bereits chemisch veränderter Leibesflüssigkeit bestehen, da letztere in nor- malem Zustande niemals auch nur die geringste Farbenreaktion zeigt. In dem Urnierengange selbst übernehmen nun die Wandungs- zellen die eigentliche Exkretion und zwar im Verlaufe des ab- steigenden Schenkels, d.h. dem innersten Drittel des Ganges. Wir müssen also jetzt die Umwandlungen, welche diese Zellen zum Theil schon während der weiter oben geschilderten Vorgänge durch- semacht haben, näher ins Auge fassen. Schon auf verhältnismäßig jungen Stadien, wie etwa Fig. 17 oder 18 auf Taf. XXXII (ez), be- merkt man in den Wandzellen das Auftreten heller Vacuolen, die von zuerst spärlichen, allmählich aber an Zahl und Größe zunehmenden Körnchen erfüllt sind. Von Herman’scher Lösung werden sie tief gebräunt, bei Sublimatkonservirung sind sie kaum sichtbar, daher auf: einigen Zeichnungen nicht eingetragen. Es sind dies die abgelagerten Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 583 Exkretprodukte, die von den Zellen in flüssiger Form in Gestalt von Vacuolen aufgenommen, in der immer gesättigter werdenden Lösung schließlich als Krystalle ausschießen. Sie wurden bereits von GEGENBAUR bei Limax gesehen und genau beschrieben, dessgleichen von Sarasın bei Helix Waltoni. Ihre Gestalt und Anordnung ver- dient immerhin einiges Interesse. Sie liegen in der Regel der Wandung in kleinen Körnchen dicht an, während größere, rund- liehe Knollen mehr das Innere der Vacuolen erfüllen. Zuweilen sind sie sehr zierlich zu sternförmigen Gebilden angeordnet und er- wecken dann den Eindruck feiner Krystalle, zuweilen bemerkt man eine Anlagerung in koncentrischen Streifen. Das typische Verhalten zeigt ein Querschnitt nahe dem inneren Ende des Urnierenganges (Taf. XXXIIH, Fig. 29), wir treffen hier auf den ersten Blick die oben geschilderten Verhältnisse bei stärkerer Vergrößerung an. Aufmerksam machen möchte ich bei dieser Figur noch auf die Felderung der quer getroffenen Cilien der Wimperflamme zu einzelnen Bündeln. Offenbar entsprechen die durch feine Spalt- räume geschiedenen Felder je einer besonderen Wimperflamme. Mit dem Wachsthum des ganzen Organs nehmen die Vacuolen an Größe stetig zu, sie weiten die Zellen stark aus und drängen ihre Kerne bei Seite, so dass diese oft in plattgedrückter Form einer solchen Vacuole anliegen. Ein immer weiter vorschreitendes Über- handnehmen dieses Processes führt schließlich zu dem Verfall und Untergang des Organs. Bevor wir uns jedoch diesem selbst zuwenden, müssen wir die Betrachtung des Baues der beiden noch fehlenden äußeren Abschnitte nachholen. Am eigenthümlichsten verhält sich der mittlere Theil, d. h. also der horizontal verlaufende Schenkel. Auf einem jüngeren Stadium (Taf. XXXII, Fig. 23) ist bereits eine schwache Abflachung der Zellen dieses Abschnittes bemerkbar, diese schreitet weiter vor- wärts und führt schließlich zu dem äußerst dünnwandigen Rohre, wie es Fig. 31 auf Taf. XXXIII darstellt. Diesen Bau behält der mittlere Theil während des ganzen Bestandes der Urniere bei, der Übergang aus den von Vaeuolen erfüllten Zellen des inneren Schenkels in diese so stark abgeflachten Zellen vollzieht sich ganz allmählich, eben so wie nach der anderen Seite hin in den nach außen führenden dritten Schenkel. Der histologische Bau ist hier wiederum ein ganz anderer. Die Zellen sind hoch eylindrisch und besitzen zahlreiche, kleine Plasmavacuolen, was dem Ganzen einen streiigen oder wabigen Bau verleiht. Jedenfalls ist dieser Theil der 584 | | Johannes Meisenheimer, Urniere der massivste und stärkste (Taf. XXXL, Fig. 22, Taf. XXXII, Fig. 30), er mündet mit einer großen, weiten Öffnung nach außen. Es erübrigt uns nun noch, kurz die Rückbildung dieses Organs zu betrachten, welche mit dem 15.—16. Tage des Embryonallebens ihren Anfang nimmt. Die schon erwähnte Anschwellung der Exkret- vacuolen führt zu einer mächtigen Ausdehnung der ganzen Urniere, so dass sie einen bedeutenden Raum an den Seiten des Eiweißsackes einnimmt. Die Exkretzellen schwellen zu einer ganz abnormen Größe an, ihr Plasma wird durch die Vacuolen fast ganz verdrängt, vereinzelt liegen hier und da noch Konkremente innerhalb derselben. Ein solches Bild stellt uns Fig 28 auf Taf. XXXIII dar. Schließlich schwindet das Lumen des Rohres ganz, indem die Zellen collabiren, und man findet alsdann bei älteren Larven an dieser Stelle nur noch unregelmäßige Haufen solcher blasigen, bei anffallendem Lichte im Leben opak erscheinenden Zellen, die endlich spurlos verschwinden. Schon in den alten Arbeiten von VAn BENEDEN-WINDISCHMANN und ÜSKAR SCHMIDT sind diese blasigen Haufen in treffender Weise an älteren Larven wiedergegeben, freilich ohne dass diese Forscher über die Natur dieser Gebilde ins Klare gekommen wären. Ganz ähnliche Bilder wie die meinigen geben in neuerer Zeit P. und F. SARASIN von der sich rückbildenden Urniere von Helix Waltoni. Auch die Resorption des Ausführganges erfolgt unter ganz ähnlichen Erscheinungen, indem hier ebenfalls zuerst Vaeuolenbildung auftritt, wie in Fig. 32 auf Taf. XXXII an einem Stücke der Wan- dung desselben zu sehen ist. Während sich die blasigen Exkret- zellen am längsten erhalten, gehen die Wimperzellen am frühesten durch eine allmähliche Auflösung zu Grunde. Wir haben also, um obige Resultate kurz zusammenzufassen, in der Urniere ein rein ektodermales Gebilde vor uns, zu dem das Mesoderm auch nicht den geringsten Beitrag geliefert hat. Aus einer ektodermalen Einstülpung entstanden, differenzirt es sich durch eine Zellenabschnürung vom inneren Ende in eine Art modifieirten Wimpertrichter und in einen röhrigen Theil, welch letzterer wiederum durch histologische Differenzirung sich in einen secernirenden Abschnitt und den Ausführgang scheidet. Der letztere seinerseits besteht aus zwei histologisch verschiedenen Theilen, einem inneren, der von abgeplatteten Zellen bekleidet, und einem äußeren, der aus hohen Zellen zusammengesetzt ist. Bei ge- nügender Zurückverfolgung der Anlage dieses Organs stellt es sich also heraus, dass rein ektodermale Zellen hier einen Bau und eine Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 585 Funktion annehmen, die man bisher fast stets nur Mesodermzellen zuschreiben zu dürfen glaubte, und ganz demselben Verhalten werden wir später in noch auffallenderer Weise bei der Entwicklung der definitiven Niere begegnen. Für jetzt aber ist es zunächst unsere Aufgabe, zu sehen, wie sich die an anderen Mollusken, und zwar speciell Gastropoden, gemachten Beobachtungen zu diesen Be- funden verhalten, und zwar wollen wir, von den nächsten Verwandten ausgehend, zu immer weiter entfernteren Gruppen fortschreiten. In erster Linie hätten wir also den Stylommatophoren unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Das Urnierenrohr wird hier ganz all- gemein als ektodermale Bildung in Anspruch genommen. For be- schreibt die Stelle der Einstülpung richtig als zwischen Mund und Schalendrüse gelegen, jedoch der letzteren genähert. Weiter wurde die ektodermale Entstehung für Helix von MEURON nach- gewiesen. Das innere Ende des Rohres wurde von den älteren Beobachtern als geschlossen betrachtet, so von GEGENBAUR bei Limax agrestis und Clausilia, dessgleichen von FoL bei ver- schiedenen Stylommatophoren, eine innere Öffnung mit Cilien dann aber für Helix von MEURON wahrscheinlich gemacht und für Limax von JOURDAIN nachgewiesen. Es ist sicher, dass diese innere Öffnung das allerdings offene Ende des Rohres ist, an welches sich aber dann noch die Membran der Wimperzellen anschließt. Am deutlichsten wurde eine innere Öffnung bisher von P. und F. SARASIn an Helix Waltoni beobachtet. Letztere unterscheiden auch scharf von den Drüsenzellen einen rechtwinklig dazu gestellten Fortsatz, welcher eine innere Öffnung besitzt und Flimmern trägt. Sie nennen diesen Theil den Trichter, über seine Herkunft geben sie nichts an. Dieser Bau weicht zwar stark von der Urniere von Limax maximus ab, namentlich in Bezug auf Zahl und Lagerung der Trichterzellen, die allein meinen amöboiden Wimperzellen ent- sprechen können, aber eine ektodermale Entstehung gemäß der Lage am Ende des eingestülpten Rohres würde hier sehr plausibel sein und die eigenthümliche ektodermale Bildungsweise der Wimperzellen von Limax maximus erklärlicher machen. Anzunehmen, dass das von SARASIN dargestellte Stadium nur ein einzelnes, vorübergehendes Entwicklungsstadium wäre, entsprechend etwa der Stufe der be- sinnenden Abschnürung der Wimperzellen, daran hindern wohl die bereits reichlich vorhandenen Exkretvacuolen in den Exkretzellen, die eben ein bereits funktionsfähiges Organ voraussetzen. Alle übrigen Beobachter nehmen diesen innersten Theil unbe- 586 | Johannes Meisenheimer, denklich als Mesodermzellen in Anspruch, da sie stets von einem Mesodermhaufen sprechen, in welchem die Urniere enden soll, nur Meuron äußert bei Helix einen leichten Zweifel. Die Eintheiluns in drei Theile aber, nämlich in Ausführgang, Exkretionstheil und Region der Wimperzellen, scheint für alle Stylommatophoren konstant zu sein, die beiden ersteren hat bereits GEGENBAUR bei Limax und Clausilia unterschieden, alle drei Sarasın bei Helix Waltoni, wie bereits oben erwähnt. | Anführen will ich hier noch, dass JOoYEUX-LAFFUIE auch von OÖnchidium celticum innere Urnieren beschreibt, da diese Notiz in der neueren Litteratur übersehen worden zu sein scheint. Von einem runden, mit Konkrementen erfüllten Körper geht ein Strang ab, an dessen Ende Cilien sitzen, doch sind seine am lebenden Ob- jekte gemachten Beobachtungen zu unsicher, um daraus weitere Schlüsse ziehen zu können. An die Stylommatophoren schließen sich direkt die Basomma- tophoren an. Ich muss mich hier zunächst an For halten. Den ersten Ursprung der Urniere beschreibt dieser Forscher als eine Ek- todermeinstülpung, die schließlich zur Bildung eines Rohres führt, in dem drei Abschnitte zu unterscheiden sind, ein innerer, röhren- förmiger Abschnitt, der bewimpert ist und in einer kleinen Zellen- anhäufung mit sehr feinem Porus nach außen mündet, ferner ein stark aufgeblasener Theil, dessen Zellen mit Exkretbläschen und Konkretionen erfüllt sind, und schließlich ein Ausführgang, dessen Wandung von einfachem Epithel ausgekleidet ist und der direkt nach außen führt. Hiernach würden die Beziehungen zu der Urniere der Stylommatophoren leicht zu finden sein, der wimpernde Theil würde den Wimperzellen von Limax maximus entsprechen, der aufge- blasene Theil dem Exkretionstheil, und die Ausführgänge würden identisch sein. Diesen Beobachtungen stehen nun diejenigen anderer Forscher, wie WoLrson’s, BÜTSCHLT’s, RABL’s und in neuerer Zeit Vv. ERLANGER’S gegenüber, und zwar in ziemlich schroffer Weise. Die innere, be- wimperte Röhre erkennen wir zwar auch bei diesen Forschern in ihren Hauptzügen wieder, sie ist in neuerer Zeit am genauesten von v. ERLANGER beschrieben worden, wonach am inneren Ende ein feiner Porus und eine deutliche Wimperflamme zu unterscheiden ist, die mittlere Partie aber wird von einer einzigen großen Zelle ein- genommen, welche diesen von v. ERLANGER mit Ampulle bezeichne- ten Theil erfüllt. Kleine Granulae von Exkretstoffen sind in sie Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 587 eingelagert. Diese große Zelle würde also die sonst in großer Zahl entwickelten Exkretzellen vertreten. Die Angaben über die Entwicklung der Urniere von Planorbis sind noch nicht genügend begründet. Rast leitet sie ganz aus dem Mesoderm ab, indem sie sich durch Aushöhlung einer großen und einiger kleinerer, später hinzutretenden Mesodermzellen bilden soll, v. ERLANGER will dies höchstens für den inneren Theil gelten lassen, den äußeren möchte er eher auf eine Ektodermeinstülpung zurückführen. Aus einer durchbohrten Zelle leitet auch WoLFsoNn die Urniere von Limnaeus ab, und zwar soll sich eine große Velarzelle unter das dorsale Velumende in die Leibeshöhle schieben. In ihrem Inneren bildet sich dann der Urnierenkanal aus. Sehr schwach entwickelt erscheint die Urniere bei den Süß- wasserprosobranchiaten, bei Paludina und Bythinia. Bereits BürscHhLi beobachtete dieselben bei Paludina, seine Resultate wurden dann von v. ERLANGER bestätigt und erweitert. Demnach ist ein innerer, mesodermaler Theil, der au seinem inneren Ende in Flimmerzellen ausläuft, und ein ganz kurzer, ektodermaler Aus- führgang zu unterscheiden. Innere Öffnung und Exkretkörner fehlen. Einen ganz ähnlichen Charakter zeigt die Urniere von Bythinia, nur ist der Ausführgang bedeutend stärker ausgebildet. Erwähnen will ich noch, dass RABL bei Bythinia den Bau der Urniere in ähnlicher Weise wie von Planorbis beschreibt, indem er auch hier von durchbohrten Zellen spricht, v. ERLANGER’S Untersuchungen sprechen jedoch entschieden gegen eine solche An- nahme. Aus der Sarasın’schen Abhandlung über Bythinia ist nicht mit voller Sicherheit zu entnehmen, ob er bei der von ihm be schriebenen Urniere nur Theile des Velums vor sich hatte, oder ob beide Organe in seiner Darstellung mit einander vereinigt sind. Wenden wir uns nunmehr zu den marinen Prosobranchiern, so ist für diese das Fehlen innerer, und das Auftreten äußerer Ur- ' nieren charakteristisch. SALEnskY beschreibt dieselben bei Calyp- traea und Nassa als von Konkrementen erfüllte Kugeln an der Außenseite des Körpers, in ähnlicher Weise BoBRETZkY von Fusus, weiterhin Boutan von Fissurella. Bei Capulus besteht sie nach V. ERLANGER aus einer einzigen großen Ektodermzelle, jederseits hinter dem Velum. Die genaueste Beschreibung dieser Gebilde fin- den wir in der neuesten Arbeit von ConkLın über Crepidula. Die äußere Urniere entsteht hiernach direkt aus Ektodermzellen, 588 Johannes Meisenheimer, welche große, später zusammenfließende, mit Konkrementen erfüllte Vacuolen in ihrem Inneren ausbilden, dann vom Ektoderm unter- wachsen und schließlich abgeworfen werden. Wie bei den inneren Urnieren haben wir also auch hier vorübergehende Organe vor uns, die nach Vollendung ihrer Funktion vom Organismus als unbrauch- bar abgestoßen werden. Direkte Beziehungen dieser äußeren Ur- nieren zu den inneren sind zur Zeit noch nicht vorhanden, wenn auch die vollständig ektodermale Entstehungsweise, wie ich sie für Limax maximus nachgewiesen habe und wie sie sich vielleicht allgemeiner durchführen lässt, für diese Frage von Bedeutung werden kann. Dass etwa Paludina und Bythinia eine verbindende Brücke darstellen, ist wohl kaum anzunehmen, da der einfache Bau der Urniere hier schließlich eher auf eine Reduktion zurückzuführen ist, zumal Konkremente, das deutlichste Zeichen eines aktiven Ex- kretionsorgans, hier gänzlich zu fehlen scheinen. Am unklarsten sind die Angaben über die Urnieren der Opistho- branchier. Zunächst müssen wir hier die Angaben MAZZARELLT’S vorwegnehmen, wonach die Opisthobranchier zwei innere meso- dermale, von Konkrementen erfüllte Urnieren besitzen, die keine Kommunikation mit der Außenwelt besitzen. Sie sollen aus zwei Mesodermhäufchen entstehen, die in ihrer Mitte eine Höhlung aus- bilden, und eine farblose, mit gefärbten Konkrementen erfüllte Flüssig- keit enthalten. Daneben findet sich nun noch ein zweites, meist unpaares, zu- weilen aber noch paarig sich anlegendes (bei Umbrella nach Heymons) Organ, welches im Laufe der Zeit die verschiedenartigsten Deutungen erfahren hat und in neuester Zeit theils als Urniere (HEymons), theils als definitive Niere (MAZZARELLI, V. ERLANGER) betrachtet wird. Wir finden die Geschichte dieses seltsamen Or- gans bei MAZZARELLI und HEYMoNS zusammengestellt, ich verweise hier auf dieselbe, zumal eine sichere Entscheidung über diese Frage erst nach erneuten Untersuchungen über das spätere Schicksal dieses Organs möglich sein wird. Sein ektodermaler Ursprung scheint mir nach den Untersuchungen von HryMmons sicher nachgewiesen zu sein. Zu Gunsten einer Deutung als Urniere spricht schließlich noch eine Beobachtung von LACAZE-DUTHIERS, wonach dieses Organ bei Bulla hydatis noch vor dem Ausschlüpfen der Larve rückgebildet und resorbirt wird. In seiner neuesten Publikation, die mir leider bis zum Abschlusse meiner Arbeit nicht zugänglich war, bleibt jedoch MAZZARELLI auf seinem Standpunkte bestehen. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. Il. 589 Mit Absicht habe ich die älteren Arbeiten von LANGERHANS, Ray LANKESTER und einigen Anderen hier nicht angeführt, da außer- ordentlich schwer ohne eigene Anschauung in diesen widersprechen- den Angaben sich zurechtzufinden ist. Von den übrigen Molluskengruppen kommen schließlich, was das Vorhandensein einer Urniere anbetrifft, noch die Lamellibran- chiaten in Betracht. Ich glaube aber, dass jeder Versuch einer etwaigen Homologisirung bei unseren jetzigen Kenntnissen vollständig in der Luft schweben muss, zumal wenn wir den höchst sonderbaren, komplieirten Apparat betrachten, den neuerdings STAUFFACHER von Cyelas als Urniere beschrieben hat. In einigen neueren Aufsätzen hat v. ERLANGER versucht, eine Eintheilung dieser Larvenorgane durchzuführen, indem er äußere ektodermale und innere mesodermale unterschied. Mir scheint diese Eintheilung, namentlich da sie auf der Ableitung von den Keimblättern beruht, etwas verfrüht. Über den Bestand der äußeren ektodermalen Urnieren kann zwar wohl kaum ein Zweifel bestehen, sie bilden ein scharf charakterisirtes Organ der marinen Prosobranchier. Die zweite Gruppe zerfällt nach v. ERLANGER in rein mesodermale, nur bei Opisthobranchiern beobachtete, und in zusammengesetzte, deren secernirender Theil mesodermal und deren Ausführgang mindestens zum Theil ektodermal ist. Betreffs der Opisthobranchier ist, wie aus den obigen Bemerkungen zu ersehen ist, die Frage noch nicht end- gültig erledigt, und betreffs der zusammengesetzten Urnieren hoffe ich, dass es mir gelungen ist, zunächst wenigstens für einen Ver- treter die rein ektodermale Herkunft mit Sicherheit nachgewiesen zu haben, während noch für keine einzige Form aus der Klasse der Pulmonaten die v. ERLANGER’sche Forderung sicher bewiesen ist. Um endlich die Betrachtung der Urniere abzuschließen, sei mir gestattet, noch einen letzten Punkt, betreffend den histologischen Bau, hervorzuheben. Wimperflammen finden wir häufig als End- apparat eines Exkretionsorgans, namentlich bei Würmern. In einer neueren Bearbeitung des Exkretionsorgans von Bdellodrilus hat Moore diesen Wimperflammen ebenfalls genaue Beachtung geschenkt, und die Übereinstimmung im Bau der Wimperzellen dieser so weit von einander entfernten Gruppen ist außerordentlich groß. Zunächst entsenden große Zellen im Wimpertrichter Cilienbündel von fast der- selben Form und Größe wie in der Urniere von Limax maximus, dasselbe sehen wir weiter an den Wandzellen der Nierenkanälchen. Von einer näheren Beziehung dieser beiden Formen ist natürlich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 39 ; 590 Johannes Meisenheimer, keine Rede, es genügt mir hier, festgestellt zu haben, wie in weit entfernten Gruppen die gleiche Forderung einer bestimmten Leistung so überraschend ähnliche Gebilde hervorzubringen vermag. il. Abschnitt. Die definitiven Organe. An die Betrachtung der Larvenorgane schließen wir die Be- handlung des Entwicklungsganges der definitiven Organe an. Ich halte es für besser, dabei jedes Organ einzeln zu betrachten, und nicht in einer Schilderung des allmählichen Werdeganges eines Embryos die successive Ausbildung der einzelnen Organe zu ver- flechten. In ersterem Falle ist es eher möglich, die Bedeutung und Eigenthümlichkeit der Entwicklung eines einzelnen Organs scharf hervorzuheben, ohne dass, wie ich glaube, das Bild des Embryos in seiner Gesammtheit dadurch dem Blicke entschwinden wird, da ich nach Möglichkeit Sorge tragen werde, den Beziehungen der einzelnen Organe unter einander in meiner Schilderung Rechnung zu tragen. Wir beginnen mit der äußeren Ausbildung der Mantel- und Athemhöhle, schließen daran die noch mit den jüngsten Larvenstadien verknüpfte Entstehung der Schalendrüse an, und wenden uns dann den animalen Organen zu, um endlich mit den vegetativen den Be- schluss zu machen. 1. Mantel und Lunge. Das Mantelfeld ist in seiner frühesten Anlage durch eine Vor- wölbung des Theiles angedeutet, auf dem die Schalendrüse ihre Entwicklung nimmt. Vom Fuße ist es durch eine Furche getrennt, nach oben und den Seiten geht es allmählich in die Kopfblase über (Taf. XXXL, Fig. 1, 3, 5). An Organen finden wir in dem Mantel- feld zunächst nur Schalendrüse und Enddarm. Ursprünglich ganz oder nahezu in der Mittellinie des Körpers gelegen, erfährt es im Laufe der Entwicklung eine Drehung nach der rechten Seite hin. Der untere Mantelrand bildet sich zuerst aus, indem der Rand des Schalenfeldes sich vorzuwulsten beginnt, verbunden zugleich mit einer Einsenkung des Epithels zwischen Schalendrüse und Eiweiß- sack. Diese Einstülpung, die wir in successiver Entwicklung in den Figg. 93—96 auf Taf. XXXV (lhe) dargestellt sehen, bildet die erste Anlage der Lungenhöhle. Die äußere Abgrenzung des Mantelfeldes vollzieht sich nun rasch derart, dass allenthalben der Rand sich aufzurollen und abzuheben beginnt. Zunächst bildet sich dorsal- Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 591 wärts ein Wulst aus, der, anfänglich nur als flache Erhebung ange- deutet sich zipfelförmig auszieht und weit über die Nackenblase hinüberschiebt (vgl. Textfigg. 9—13 mt). Dieser Theil bildet später den ganzen vorderen Abschnitt des Schildes, in den sich die Schnecke zurückzuziehen vermag. Durch die Drehung des Mantelfeldes kommt der ventrale Wulst mit der Athemöffnung ganz auf die rechte Seite za liegen, entsprechend der späteren normalen Lagerung. An den Seiten ist die Umfaltung bedeutend schwächer. Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit wieder dem inneren Lungenraume zu. Wir verfolgten ihn bereits bis zu einer mäßig tiefen Einstülpung, die aus regelmäßigem kubischen Epithel besteht. Ihrer Lage nach befindet sich die Einstülpung auf diesem Stadium noch der Mittellinie des Körpers genähert, mit der Vorschiebung des Mantelfeldes erleidet aber auch sie eine Drehung nach rechts und zwar genau um 90°, so dass sie auf späteren Stadien vollständig an der rechten Seite des Embryos liegt. Schematisch deuten diese Drehung die Textfigg. 3—6 an. Durch die Einrollung des Schalenfeldes wird die nshriineliche Einsenkung zur Bildung der Lungenhöhle weiter ins Innere ver- lagert (Taf. XXXV, Fig. 95, 96), so dass wir also schon jetzt zwei Theile zu unterscheiden vermögen, nämlich die Mantelhöhle, hervor- segangen aus der sekundären Einrollung des ventralen Schalenfeldes, und die Lungenhöhle, die ihren Ursprung einer scharf ausgeprägten Einstülpung verdankt. Erstere behält stets ein kubisches bis cylin- drisches Epithel bei und ist bestimmt, die Ausführgänge der einzelnen Organe aufzunehmen. So finden wir ganz zu äußerst in einem etwas abgesonderten Abschnitt von vorn kommend die rechte Urniere ausmünden, es folgen dann nach innen zu von hinten und oben kommend zunächst der Enddarm und schließlich der Nierenausführ- gang. Ganz im Inneren hätten wir dann noch die Lungenhöhle in die Mantelhöhle einmünden. Im Einzelnen vermag ich jetzt auf diese Gänge noch nicht einzugehen, es muss dies bei der Betrachtung der einzelnen Organe selbst geschehen. Auch genügen zum Verständnis Ja wohl zunächst diese kurzen Angaben. Wichtiger für uns sind jetzt die Veränderungen, die sich in dem inneren Zipfel der Lungeneinsenkung abgespielt haben. Dieser Theil beginnt nämlich unter starker Abflachung seines Epithels sich weit zwischen Schalendrüse und Eiweißsack vorzudrängen (Taf. XXXVI Fig. 106 2%). Zugleich beginnt ein Lymph- oder Blutgefäß sich seit- lich gegen dieses abgeflachte Epithel vorzubuchten (Taf. XXXIIL, 592 Johannes Meisenheimer, Fig. 35 7g). Diese Vorwölbung legt sich sehr bald in Falten (Fig. 35 /g), die immer stärker werden und sich regellos verbindend die erste Anlage des Gefäßnetzes der Lungen bilden (Taf. XXXII, Fig. 34 /g und /f). Die Lungenhöhle selbst gewinnt allmählich eine enorme Ausdehnung, sie erstreckt sich schließlich bis weit in die linke Körperhälfte hinüber und umschließt auf jüngeren Stadien von der vorderen, später auch von der ventralen Seite her den ganzen Organkomplex von Herz und Niere. Indem sie schließlich theilweise auch noch seitlich sich zwischen Schalendrüse und die eben ge- nannten Organe eindrängt, wird vollständig der Zustand des er- wachsenen Thieres erreicht, indem diese Mantelorgane wie ein in der Mantelhöhle aufgehängter Sack erscheinen. Interessant ist bei der ganzen Anlage der Lungenhöhle die außerordentlieh frühe Verbindung mit dem Gefäßsystem, wie sie sich durch die Faltenbildung kund giebt. Da die Lungenhöhle in der Regel von dem die Larve umgebenden Eiweiße erfüllt ist, so findet sicher schon früh hier ein Austausch des in demselben vorhandenen Sauerstoffes mit der Lymphflüssigkeit statt, ich werde hierauf noch- mals bei der Besprechung des Gefäßsystems zurückkommen müssen. Eben so werde ich auf das gegenseitige Verhältnis von Mantel- und Lungenhöhle später gelegentlich der Schilderung der Nierenaus- führgänge noch ausführlicher einzugehen haben. Ganz allgemein legt sich bei den Pulmonaten die Lungen- höhle in Form einer Vertiefung des Ektoderms an, ich führe hier nur die Untersuchungen For’s an. Auch GEGENBAUR hat bei Clau- silia bereits die Anlage der dünnen Lungenwandung beobachtet und ihr eine respiratorische Thätigkeit zugeschrieben. Etwas anders stellt sich die Bildung der Mantelhöhle bei Paludina nach v. ERLANGER dar. Hier entsteht zunächst nicht eine eigentliche Grube, sondern der Mantelrand umwallt einen Theil der Bauchwand, die sich dann erst vertieft und zu weiteren Um- bildungen führt. An Stelle der Lunge treten hier in der Mantelhöhle die Kiemen als eine Reihe hohler Vorstülpungen der Wandung auf. Der Mantel selbst entsteht in der Regel bei den Gastropoden als eine Aufwulstung des Randes der Schalendrüse, oder wie v. ERLANGER bei Paludina will, gleichsam durch ein Umrollen der Schalendrüse nach außen. Die Schale kommt dann in die Mitte des Mantelfeldes zu liegen, eben so wie ja auch bei Limax die hier freilich innere Schale innerhalb des Mantelfeldes liegt. Bei Unter- drückung der Aufrollung der Schalendrüse kommt bei Limax der Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 593 dem Mantel entsprechende Schild durch eine besondere Faltenbildung der Haut zu Stande. 2. Schalendrüse. Die Schalendrüse ist eines der am frühesten sich anlegenden Organe. Sie entsteht an der hinteren Körperseite über dem Fuße als eine zunächst kaum wahrnehmbare, weite, flache Vertiefung (Taf. XXXIV, Fig. 75 sd). Diese Vertiefung nimmt bald an Stärke zu und berührt schließlich nach innen das Entoderm. Nach oben srenzt sie direkt an das abgeflachte Epithel der Kopfblase, nach unten geht sie in das kubische Ektoderm über. Zwischen Entoderm und Ektoderm sich nach unten schiebend nimmt sie dann eine lang- sestreckte, ovale Form an, die von hinten nach vorn abgeplattet ist. Die einzelnen Phasen dieses Processes zeigen die Fig. 36 —39 auf Taf. XXXII und Fig. 77 und 79 auf Taf. XXXIV. Im Quer- schnitt (Taf. XXXIII, Fig. 40) tritt deutlich die abgeplattete Form hervor, das Lumen ist eng und seitlich ausgezogen. Zuweilen wird beim Abschnüren Eiweiß aus der Umgebung mit in die Schalendrüse eingeschlossen, das dann allmählich von den Zellen derselben resor- birt wird. Bei der weiteren Ausbildung tritt an der bisher aus gleich- mäßigem, kubischem Epithel bestehenden Wandung eine Differen- zirung auf, indem die dem Entoderm anliegende, innere Wandung ihr hohes Epithel beibehält, während die vordere, dem Ektoderm zu- gekehrte sich stark abflacht. Zunächst weitet sich dabei das Lumen der Schalendrüse stark aus (Taf. XXXIIL Fig. 41), ein Process, der auf den folgenden Stadien sich noch schärfer ausprägt. In Fig. 42 und 43 ist die Abflachung der äußeren Wandung [üuß.sd) weiter vorgeschritten, sie erreicht einen so hohen Grad, dass die Kerne nur noch als kleine Höcker hervortreten. Bemerkenswerth ist, dass die Wandung sich dabei stets dicht an das Ektoderm anlegt, und wir gelangen so zu dem auffallenden Stadium, welches Fig. 44 auf Taf. XXXII darstellt, wo die Schalendrüse vollständig mit dem Ek- toderm, das sich ebenfalls an dieser Stelle sehr stark abgeflacht hat, verschmilzt, so dass eine Trennung beider Schichten hier stellenweise kaum möglich ist. Der ganze Process scheint darauf hinauszugehen, einen sekundären Durchbruch herbeizuführen, zu einem solchen kommt es jedoch thatsächlich nicht, nie habe ich wenigstens eine Spur eines solehen aufzufinden vermocht. Mehr Bedeutung gewinnen die eben beschriebenen Vorgänge, 594 Johannes Meisenheimer, wenn wir sie mit ähnlichen Erscheinungen bei beschalten Formen, nämlich Olausilia und Succeinea vergleichen. Nach den älteren Untersuchungen GEGENBAUR'sS und den neueren F. ScHmipr’s schnürt sich nämlich hier ebenfalls die Schalendrüse ab und scheidet ein Schalenhäutehen aus, dann aber beginnt die Schalendrüse wieder mit dem Ektoderm zu verschmelzen und nach außen durchzubrechen, so dass die Schale frei zu Tage tritt. Bei Limax maximus sehen wir den rückläufigen Process nur bis zur Verschmelzung mit dem Ek- toderm vor sich gehen und dann wieder umkehren. Da aus anderen Gründen schon die Nacktschnecken sicher von beschalten und ge- wundenen Formen abzuleiten sind, so scheint auch obiges Verhalten auf eine derartige Verwandtschaft, etwa mit Formen, die eben diesen sekundären Durchbruch zeigen, hinzudeuten. Vielleicht ist dieser Process noch allgemeiner verbreitet, da sich bei v. IHERING eine ähn- liche Angabe über Helix findet, wo die Schale von einer frühe wieder einreißenden Zellenlage bedeckt sein soll, For freilich giebt für diese Art eine trichterförmige, sich nicht schließende Schalen- drüse an, die sich in normaler Weise wieder ausstülpt. Der Zustand, dass Schalendrüse und Ektoderm eng verschmolzen sind, erhält sich nicht lange, beide Schichten trennen sich wieder, indem die äußere Wandung der Schalendrüse abermals nach innen rückt (Taf. XXXII, Fig. 45). Wir haben jetzt im Allgemeinen den definitiven Bau der Schalendrüse vor uns, eine weite Höhlung, die nach außen von einem stark abgeflachten, nach innen von kubischem Epithel begrenzt wird. Die Grenze beider Regionen ist scharf aus- geprägt, an ihr sind rings herum die Zellen etwas höher, so dass es scheint, als ob hier die Abscheidung des Schalenhäutchens, welche im Verlaufe der oben geschilderten Vorgänge sich vollzogen hat, be- sonders thätig wäre. Die Verdickung des Randes des Schalenfeldes ist auch bei den Formen mit offener und sich aufrollender Schalen- drüse eine ziemlich konstante Erscheinung, es ist keine Frage, dass wir in der unteren Epithelschicht der abgeschlossenen Schalendrüse mit ihrem verdiekten Rande das Homologon des ausgebreiteten äußeren Schalenfeldes der beschalten Formen vor uns haben, zumal wenn wir annehmen, dass der Versuch eines sekundären Durch- bruchs weiter nichts als die Aufrollung der offen bleibenden Schalen- drüse der meisten übrigen Mollusken darstellt. Mit dem frühzeitigen Hinzutreten von Kalkablagerungen zu dem chitinösen Schalenhäutchen, das auf den aufgehellten Schnitten nur Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 595 schwer und in Bruchstücken zu sehen ist, ist die Entwicklung der Schale abgeschlossen. Als eine besondere Bildung der Schalendrüse ist der von BürscaLı zuerst bei Paludina beschriebene chitinöse Pfropf zu er- wähnen, der sich nach RAY LANKESTER auch bei Neritina und Aplysia findet. Auch bei den Heteropoden ist nach For die Sehalendrüse Anfangs von einer bräunlichen Masse erfüllt. Eine Abschnürung der Schalendrüse finden wir schließlich ver- einzelt auch in anderen Molluskengruppen, abgesehen natürlich von den Cephalopoden. For giebt für einen Pteropoden, Cym- bulia, an, dass sich die Schalendrüse unter Abscheidung stark licht- breehender Massen schließt, und dass sich dann darüber auf dem Ektoderm die Schale ausbildet, während die Schalendrüse selbst der Resorption anheimfällt. 3. Nervensystem. Betreffs des Nervensystems kann ich mich ganz kurz fassen, da wir über die Entwicklung desselben bei Limax maximus bereits eine sehr ausführliche Arbeit besitzen, nämlich von A. P. HENCHMAN, betitelt: The development of the nervous system in Limax maximus. Dazu kommt dann noch die Arbeit F. Scumipr’s über das Nerven- system der Pulmonaten und eine ganze Reihe anderer Arbeiten über die verschiedensten Formen. So weit meine Untersuchungen reichen, kann ich die Resultate von A. P. HencHmAn vollständig bestätigen. Die beiden wichtigsten Momente sind die ektodermale Entstehung durch Auswanderung von Zellen aus dem Körperepithel und dann die getrennte Anlage und allmähliche Koncentration der einzelnen Ganglien um den Ösophagus. Wenn ich der Vollständigkeit halber die Resultate der oben ge- nannten Arbeit und meiner Nachprüfung kurz zusammenfassen soll, so entstehen die Cerebralganglien aus einer tiefen Einstülpung der Scheitelplatte (den Cerebraltuben), verbunden mit lebhaften Zell- wucherungen des umgebenden Ektoderms. Die Pedalganglien bilden sich am frühesten aus, sie lösen sich als Zellwucherungen von der Ventralseite des Fußes los. Die Visceralganglien entstehen ebenfalls ektodermal, unmittelbar über der Pleuralfurche, beide liegen an der rechten und linken Körperseite, während das Abdominalganglion sich nahezu in: der Medianebene, aber etwas später anlegt. Auch die Pleuralganglien entstehen aus dem Ektoderm, und zwar ebenfalls seitlich über der Pleuralfurche. Die Anlage der Buccalganglien 396 Johannes Meisenheimer, schließlich liegt beiderseits in dem Winkel zwischen Radulatasche und Ösophagus, des Riechganglions am Rande der Lungenhöhle. Durch Auswachsen der einzelnen Ganglienhaufen entstehen die ver- schiedenen Kommissuren und Konnektive, die sich bei fortschreiten- der Koncentration der Ganglien stark verkürzen. Auf die Litteratur über das Nervensystem brauche ich hier nicht näher einzugehen, sondern verweise auf die oben angeführten Arbeiten, welche dieselbe ausführlich behandeln. Betreffs einiger Details der Ganglienbildung siehe -._ unten in 4. Sinnesorgane. b. Hautsinnesorgane. 4. Sinnesorgane. ® a) Tentakel. Wir beginnen unsere Betrachtung mit den Tastorganen, den Tentakeln. Sie nehmen ihren Ursprung aus den Scheitelplatten, d.h. zwei mehrschichtigen Zellenplatten zu beiden Seiten des Mundein- ganges (Taf. XXXH, Fig. 2 und 4 sp). Zu ihrer Bildung ver- brauchen die Tentakel den größten Theil derselben, weiter gehen daraus die Cerebralganglien und Oerebraltuben hervor, sowie die ge- sammte vordere Kopfanlage. Die Differenzirung dieser Scheitel- platten ist bereits sehr genau von F. ScHmipr beschrieben worden, ich kann die von ihm gemachten Beobachtungen in den meisten Punkten bestätigen und will sie hier kurz rekapituliren. Zunächst bildet sich der laterale, äußere Theil zum ersten Tentakel um, dann entstehen aus dem mehr median gelegenen Theile zweiter und dritter Tentakel. Die Anlage der beiden letzteren erfolgt bei Limax maximus nahezu gleichzeitig, indem sich zunächst ein einheitlicher Höcker bildet, der sehr bald in zwei Theile zerfällt. Hiermit stimmen auch die Beobachtungen For’s überein. Die beiden vorderen Höcker wachsen allmählich zu den beiden Tentakeln aus, der dritte wandelt sich in die Mundlappen oder subtentakulären Lappen um. Aus dem innersten Theile der Scheitelplatten entwickelt sich jederseits in Gestalt einer Reihe von Wülsten das SEMPER’Sche Or- gan, welches zunächst in einiger Entfernung vom Munde verlaufend, sich diesem allmählich nähert und schließlich mit einem Kranze von Falten umgiebt. b) Hautsinnesorgane. Von P. und F. Sarasın wurden bei Helix Waltoni eigenthüm- liche Sinnesorgane beschrieben, die sich in typischer Ausbildung bei Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 597 Limax maximus wiederfinden. Sie liegen zerstreut fast am ganzen Körper, vor Allem am Fuße und den Scheitelplatten, hier namentlich in den Cerebraltuben. Aber auch sonst finden sie-sich, wie z.B. an der Mantelfalte oder am Mundeingange. An der Oberfläche bilden sie in der Regel eine Grube, die zuweilen eine ziemliche Tiefe er- reichen kann. Ihrem histologischen Bau nach bestehen sie aus einer centralen birnförmigen Zelle, die schalenförmig von einer An- zahl abgeplatteter Zellen umgeben ist. Letztere sind stets durch ihren heller gefärbten, scheibenförmigen Kern ausgezeichnet. Die sroße centrale Zelle ist in den meisten Fällen nur in der Einzahl vorhanden, der Längs- und Querschnitt des Organs lässt sie deut- lich erkennen (Taf. XXXIH, Fig. 46, 47 cz), selten fand ich zwei oder gar mehrere, wie es bei Helix Waltoni die Regel ist. Ob die Hüllzellen nur als Stützzellen funktioniren, scheint mir zweifel- haft, da die feinen Sinnesstäbchen, die man mit starken Systemen zuweilen im Inneren der Sinnesgrube erkennt, direkte Beziehungen zu diesen sogenannten Stützzellen zu haben scheinen. Auch sind sie stets in der Mehrzahl vorhanden, während sie doch wohl nur in der Einzahl vorhanden sein dürften, wenn sie mit der birnförmigen Zelle in Verbindung ständen. Die Sinnesstäbchen selbst bestehen aus den fein ausgezogenen Spitzen der Stäbehenzellen, indem wahr- scheinlich durch eine Art Cuticularisirung der Zellmembran ein der Zelle direkt aufsitzendes kegelförmiges Zäpfchen gebildet wird. Die histologischen Bestandtheile sind vielleicht derart zu deuten, dass die Hüllzellen oder Stäbchenzellen als die vorzüglich pereipiren- den Organe aufzufassen sind, während die centrale birnförmige Zelle den Reiz von diesen aufnimmt, also gleichsam als Ganglienzelle funk- tionirt. Im Allgemeinen scheinen diese Sinnesorgane nicht die Ausbildung _ und Größe der entsprechenden Organe bei Helix Waltoni zu er- reichen, nie sah ich solche von so großem Umfange wie sie P. und F. Sarasın für Helix Waltoni abbilden. Auffallend ist die kurze Zeitdauer, während welcher diese eigen- thümlichen Organe im Embryonalleben auftreten. Am 8. bis 9. Tage beginnen sie sich anzulegen und bereits am 12. Tage sind sie nur noch spärlich und schwer nachzuweisen. Sie verschwinden wieder spurlos aus dem Ektoderm und vielleicht dienen die folgenden Beobachtungen dazu, einiges Licht auf diese Erscheinung zu werfen. | Während ihres Auftretens ist die Bildung der Ganglienzellen durch auswandernde Ektodermzellen noch immer im Gange, und- man 598 . Johannes Meisenheimer, kann alsbald die eigenthümliche Beobachtung auf diesem Stadium ' machen, dass sie an der Bildung derselben Theil nehmen, indem unter Verlagerung des ganzen Organs in die Tiefe einzelne Zellen sich den Wucherungsstreifen der Ektodermzellen anschließen. Ich habe dieser Frage eine größere Aufmerksamkeit geschenkt und bin in der Lage, eine vollständige Serie dieser Auswanderung vorlegen zu können. In Fig. 48 auf Taf. XXXII sehen wir, wie das Sinnes- organ sich erst wenig aus dem Epithelverbande heraus nach innen geschoben hat, auf Fig. 49 ist die Auswanderung bereits in vollem Gange. Deutlich kann man rechts noch zwei Zellen als die um- hüllenden Stäbchenzellen an Färbung und Gestalt der Kerne erkennen (stz), während unmittelbar nach innen sich die birnförmige Zelle (cz) anschließt, die noch ganz ihr typisches Aussehen in dem großen Kerne bewahrt hat. Die übrigen Zellen haben bereits zu große Modifikationen erlitten, als dass man sie noch mit Sicherheit als Sinneszellen bezeichnen könnte, aber höchst wahrscheinlich gehörten auch sie diesem Sinnesorgan an. Fig. 50 auf Taf. XXXII endlich zeigt die ganze Sinnesknospe auf dem Wege nach dem Pedalganglion, welches nur eine kurze Strecke davon auf demselben Schnitte noch in vollständig embryonalem Zustande liegt. (Bei allen drei Figuren handelt es sich um Sinnesknospen an der Ventralseite des Fußes.) Auf sämmtlichen drei Stadien ist noch die ursprüngliche Sinnesgrube als Vertiefung im Ektoderm zu sehen, auf dem ersten sogar noch die Sinnesstäbchen. Erwähnen will ich noch, dass auch A. P. Hexcuwman ein solches in der Auswanderung begriffenes Sinnesorgan darstellt, frei- lich ohne seine Bedeutung zu erkennen (l. e. Taf. VI, Fig. 72), sogar die Sinnesgrube und die große centrale Zelle ist in der Figur deut- lich wahrzunehmen. Dass sich gerade in den Cerebraltuben, die sicher später einen Theil des Nervensystems bilden und von Sarasın als alte, den Geruchsorganen der Anneliden entsprechende Sinnesorgane gedeutet werden, die fraglichen Sinnesknospen in größerer Anzahl finden, bildet eine weitere Stütze für diese Umwandlung von Sinneszellen in Ganglienzellen. Wir haben hier einen typischen Fall einer Substi- tution von Organen vor uns, wie sie von KLEINENBERG zuerst in seiner Lopadorhynchus-Entwicklung aufgestellt und begründet worden ist. | Im Allgemeinen sind diese Sinnesorgane nur als rudimentäre zu bezeichnen, da von irgend einer Funktion innerhalb des den Embryo Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 599 umgebenden Eiweißes wohl kaum die Rede sein kann. Interessant ist es nun, dass bei den Vorfahren dieser wohl am Ende der ganzen Entwicklungsreihe stehenden Gruppe, den marinen Prosobran- ehiern, ganz ähnliche Gebilde im erwachsenen Zustande be- obachtet wurden. B. HALLER fand bei Fissurella in der unteren Lateralwand der Mundhöhle becherförmige Organe, die aus. einer Anzahl mehr oder weniger schmalen Sinneszellen und dazwischen liegenden Stützzellen bestehen. Die Sinneszel- len tragen einen kurzen Fortsatz (s. Textfig. 1). Das ganze Organ liegt gewöhnlich in einer kleinen Grube versenkt und ist hier wohl als Geschmacksorgan zu deuten. Es genügt mir hier, festzustellen, dass also ähnliche wie die oben beschriebenen Sinnesorgane sich thatsäch- lich bei erwachsenen Prosobranchiern finden. Ist die eben von Fissurella angeführte Sinnes- Textfigur 1. knospe ihrem Bau nach auch nicht identisch Sinreskaospe aus der Mund- höhle von Fissurella. (Kopie mit den embryonalen Sinnesknospen von Li- . nach B. Haurer.) max maximus, so ist die Übereinstimmung doch eine ziemlich weitgehende, in diesen oder ähnlichen Organen haben wir den Ausgangspunkt zu suchen. Als die frei umher- schwärmende Larve ihr Schwärmstadium aufgegeben hatte und sich in besonderen Eihüllen entwickelte, da verlor das Sinnesorgan seine Bedeutung, es sank in die Tiefe und nahm an der Bildung des Nervensystems thätigen Antheil. c) Otolithenblase. Die Otolithenblase ist das am frühesten sich anlegende Sinnes- organ, sie entsteht an den Seiten des Fußes, ziemlich weit nach vorn zu, und zwar durch einen Wucherungsprocess von Ektoderm- zellen. Die Stelle der ersten Entstehung ist außerordentlich schwer mit Sicherheit festzustellen, da die Mesodermzellen noch dicht gedrängt den Raum innerhalb des Fußes erfüllen und eng dem Ektoderm an- liegen. Die beiden ersten Figuren (Taf. XXXIH, Fig. 51 und 52) stammen von einer einzigen Schnittserie, auf der einen Seite ist die Otolithenblase bereits abgeschnürt und liegt als solides Bläschen noch innerhalb des Ektoderm, auf der anderen Seite ist sie gerade im Ab- schnüren begriffen, sein Zusammenhang mit dem Ektoderm ist voll- kommen deutlich. Solche Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung der Otolithenblase beschreibt For als konstant bei den Pteropoden, 600 Johannes Meisenheimer, er sieht darin den Ausdruck einer sich schon früh ausprägenden Asymmetrie. Bald macht sich diese Anlage ganz vom Ektoderm frei, erhält im Inneren ein kleines Lumen und liest nun frei dem Ektoderm als rundes Bläschen an (Taf. XXXII, Fig. 53). Nach einiger Zeit be- sinnt es sich in das Innere zu verlagern und nach dem Pedal- sanglion hin zu wandern, bis es fest an dessen Seite anliegt, wo es auf späteren Stadien stets als dünnwandiges Bläschen zu finden ist. Von einer Bildung von Otolithen habe ich bis zu den von mir untersuchten Altersstadien noch keine Andeutung aufzufinden ver- mocht. Betreffs der Entwicklung der Otolithenblase stimmen im Allge- meinen die Angaben darin überein, dass sie vom Ektoderm abzuleiten ist, widersprechen sich aber zum Theil darin, ob sie auf eine Ein- stülpung oder eine Einwucherung zurückzuführen ist. Als ektoder- male Einstülpung entsteht sie bei Limnaeus nach WoLrson, bei Paludina nach BürscHLıi und v. ERLANGER, bei Bythinia eben- falls nach v. ERLANGER, bei den marinen Prosobranchiern nach SALENSKY, BOBRETZKY, PATTEN und ConkLIn. Für die Basomma- tophoren giebt dagegen FoL eine Entstehung aus einwandernden Ektodermzellen an, während RagL bei Planorbis über ihre Bildung nicht ganz ins Klare kommen konnte, aber mehr dazıa neigt, eine Einstülpung auch hier anzunehmen. Hier bei Limax maximus ent- stehen sie sicher durch Einwucherung, wie auch A. P. HENCHMAN in ihrer Entwicklung des Nervensystems bereits angiebt, während For die Frage nicht zu entscheiden vermochte. JOURDAIN leitet im Gegensatze hierzu die Otolithenblase bei Limax aus einer Einstül- pung ab, drückt sich jedoch nicht ganz bestimmt aus. Aus dem mittleren Keimblatt leitet nur FoL die Otocysten ‚bei den Pteropoden ab, und zwar aus dem Mesoderm des Fußes, das nach ihm aus einer direkten Abspaltung vom Ektoderm seinen Ur- sprung nehmen soll. Der Otolith entsteht in einer Zelle der ver- diekten oberen Wandung und fällt später frei in das Bläschen hinein. Bei den Heteropoden dagegen entsteht nach demselben Autor die Otolithenblase wieder aus einer Einfaltung des Ektoderms. Die Abscheidung der Otolithen wurde außer bei den Ptero- poden von FoL auch bei den Basommatophoren bereits be- obachtet, dessgleichen von RagL bei Planorbis und von GEGENBAUR bei den Landpulmonaten. Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. 1. 601 d) Auge. Als letztes Sinnesorgan bleibt uns schließlich noch die Betrach- tung des Auges übrig. Dieses entsteht durch eine große, deutliche Ein- stülpung des Ektoderms, die an der Basis des ersten Tentakelhöckers liest, und zwar an der Außenseite desselben, am hinteren, oberen Winkel. Die zunächst flache Einstülpung (Taf. XXXIIL, Fig. 54) ver- tieft sich bald (Fig. 55) und schnürt sich schließlich ganz vom Ek- toderm ab (Fig. 56), Das so gebildete Bläschen bleibt dicht unter dem Ektoderm liegen und ist oft in seinem Inneren von Eiweiß er- füllt, das mit der Abschnürung ins Innere gelangte. Als weitere Differenzirung legt sich nun zunächst die Linse an, und zwar durch Ausscheidung von Seiten der umgebenden Wand- zellen. Diese Ausscheidung ist leicht zu verfolgen, da das Produkt derselben auf Herman’sche Lösung, d. h. wohl auf die in derselben enthaltene Osmiumsäure, mit tiefschwarzer Färbung reagirt. Auf ganz jungen Stadien sieht man nun zuweilen nicht ein größeres Kügelchen, sondern eine Anzahl kleiner, an Größe verschiedener Tropfen, die durch Zusammenfließen die einheitliche Linse bilden (Taf. XXXIL, Fig. 58 [2]. Dass die einzelnen Kügelchen künstlich in Folge irgend einer Druckwirkung aus einem einzigen, größeren entstanden seien, ist bei der Unversehrtheit des umliegenden. Gewebes kaum anzu- _ nehmen. Die Lage der Linse entspricht gewöhnlich der dem Ekto- derm anliegenden Seite des Bläschens (Taf. XXXII, Fig. 57). Das Ganglion opticum lest sich etwa auf demselben Stadium an, indem Zellen vom Cerebralganglion aus sich an die innere Wandung des Bläschens heranrücken (Taf. XXXIH, Fig. 57 g.opt). Eine letzte Entwicklungsstufe des Auges, auf welcher der Bau desselben in seinen Hauptzügen vollendet ist, bietet ein etwas älteres Stadium, etwa vom 20. Tage, dar (Taf. XXXIIL, Fig. 59). Zunächst haben sich die beiden Wandungen der Blase verschieden aus- gebildet. Die innere Wandung ist zur Retina geworden, in ihr hat sich Pigment abgelagert, das also verhältnismäßig sehr spät auf- tritt, die vordere Wand bildet sich zum inneren Epithel der Cornea oder Pellueida (ic) um, indem die Zellen streng einschichtig bleiben, die Kerne an die Außenwand rücken und das Plasma sich aufhellt. Das äußere Epithel der Cornea (üuß.c) wird von dem Epithel des Tentakels gebildet. Zwischen den beiden Epithelschichten der Cornea zieht sich eine feine Schicht von Bindegewebszellen hin. Die Linse hat sich stark vergrößert, sie erfüllt den größten Theil 602 Johannes Meisenheimer, des Binnenraumes der Augenblase, ist stark lichtbrechend und be- sitzt eine eigenthümlich körnige, koncentrische Struktur im Inneren, die übrigens schon früh auftritt. Die feinsten Details der Retina- differenzirung zu verfolgen, habe ich unterlassen, da dies wohl eher Aufgabe einer Specialuntersuchung ist. Während sich diese Processe abspielten, ist das Auge von der Basis des Tentakels, wo es entstand, mit der weiteren Ausbildung desselben allmählich nach oben bis in dessen Spitze gerückt, wie auch FoL bereits richtig beobachtete. Vergleichen wir die Stelle der ersten Anlage hier bei Limax maximus mit der Lage des ausgebildeten Auges der Basommatophoren, so erkennen wir so- fort, dass beide Stellen sich genau entsprechen, man stelle nur For’s Abbildung eines älteren Embryos von Limax maximus neben einen ausgebildeten Embryo von Planorbis in Ragr’s Arbeit. Die Verhältnisse des Augententakels bei den Stylommatophoren lassen sich also entwicklungsgeschichtlich direkt aus denen der Basom- matophoren ableiten. Auch über die ektodermale Entstehung des Auges herrscht bei sämmtlichen Beobachtern kein Zweifel, und zwar wird fast stets eine Einstülpung angegeben. Nur FoL behauptet, dass bei den Basommatophoren die Augenblase durch Abspaltung vom Ekto- derm entstehe, wogegen aber RAaBL bereits die Einstülpung bei Planorbis gesehen hat. Eben so giebt SALENSKY für Vermetus eine Bildung des Auges durch Delamination an, aber seine Abbil- dung auf Taf. XXIX in Fig. 202 lässt die Vermuthung zu, dass es sich um eine schräg getroffene Einstülpung handelt, da der Spalt in der sich loslösenden Anlage auffallend früh aufträte. Die weitere Ausbildung des Auges, bestehend in der Abschei- dung der Linse und in dem Auftreten von Pigment, ist von allen Forschern übereinstimmend geschildert worden, ich erinnere hier nur an GEGENBAUR (bei Limax), an For, an RasL (bei Planorbis) und an v. ERLANGER (bei Paludina). Nur WoLrson giebt eigen- thümlicherweise für Limnaeus einen ganz anderen Bildungsmodus der Linse an. Dieselbe soll hier eine metamorphosirte Zelle der Augen- blasenwandung darstellen, entstanden dadurch, dass das Plasma einer Zelle unter Schrumpfung des Kernes homogen und stark lichtbrechend werde. 5. Darmkanal. Als ersten Anfang der Differenzirung eines Darmkanals haben wir die Gastralhöhle anzusehen; an diesen entodermalen Theil Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 603 gliedern sich dann Vorderdarm einerseits und Enddarm nebst einem Theil des Mitteldarmes andererseits an, beide ihren Ursprung aus - dem Ektoderm nehmend. Als Drüsen des Darmkanals treten weiter- hin Speicheldrüsen und Leber auf, von denen erstere sich aus dem ektodermalen Vorderdarm ableiten, letztere aus dem entodermalen Theile des Mitteldarmes. Ä Das ursprünglich aus gleichmäßig hohem Epithel bestehende En- toderm zeigt sehr bald nach der Gastraleinstülpung eine Differen- zirung, derart, dass die vordere, seitliche und obere Wandung eine sich rasch verstärkende Vacuolisirung der Zellen aufweist, hervor- gerufen durch massenhafte Aufnahme von Eiweiß aus der Gastral- höhle, welches dann in Gestalt großer Vacuolen in den Zellen nieder- _ gelegt wird. Dieser Process beginnt unmittelbar nach der Gastrula- Ben (siehe 1. Theil), der weitere Verlauf ist auf Taf. XXXIV, Fig. 74—77 zu sehen. Die Vacuolen werden allmählich so groß, dass sie die Kerne vollständig bei Seite drängen und von dem Plas- ma kaum noch eine Spur übrig bleibt. Die hintere Wandung behält ihr einfaches Epithel unverändert bei, es ist dies die Stelle, aus welcher der spätere Magen hervorgeht, während der ganze vordere in die Bildung der Leber mit eingezogen wird. Mit diesem mittleren, entodermalen Theile verbinden sich nun, wie schon erwähnt, ektodermale Bestandtheile, die Vorderdarm, Theile des Mitteldarmes und Enddarm liefern. Schon auf sehr frühen Sta- dien bemerkt man, wie der vacuolisirte Theil, d. h. die Eiweißzellen, nicht mehr direkt in das Ektoderm am Blastoporus umbiegt, sondern dass eine Schicht einfachen Epithels sich ebenfalls nach innen zu schieben beginnt. Diese sekundäre Einstülpung stellt das Stomo- daeum dar, aus ihr differenziren sich Mund, Radulatasche, Speichel- drüsen und der Ösophagus zum großen Theile. Die Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm ist nicht leicht zu ziehen, betrachten wir daraufhin ein Stadium, wie es Fig. 63 auf Taf. XXXIV darstellt, etwas näher. An der später ventralen Wandung der Mundhöhle finden wir ein hohes Epithel, die erste Anlage der Radulatasche, welche sicher rein ektodermal ist. Die unmittelbar nach innen anschließenden Zellen sind bereits nicht mehr mit Sicherheit auf ihre Zugehörigkeit zu bestimmen, wir haben an dieser Stelle den unmerklichen Über- sang beider Keimblätter vor uns. Anders ist es auf der gegen- überliegenden, später dorsalen Wandung. Hier heben sich die va- cuolenreichen Entodermzellen durch einen scharfen Kniek von den Ektodermzellen ab, wir haben hier mit ziemlicher Sicherheit die 604 Johannes Meisenheimer, scharfe Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm vor uns. Die dor- sale Wandung des Ösophagus ist also rein ektodermaler Natur, die ventrale nur zum Theil, an den Seiten haben wir uns einen all- mählichen Übergang dieser beiden extremen Fälle zu denken. Bei den Heteropoden ist nach FoL der ganze Ösophagus ektodermal, alle übrigen Beobachter vermögen die Grenze nur unbestimmt zu ziehen. Ehe ich aber jetzt auf die speciellere Differenzirung der einzel- nen Theile eingehe, will ich die erste Anlage des Darmes schildern, damit wir dann wenigstens der Anlage nach sämmtliche Theile des Darmtractus als geschlossenes Ganzes vor uns haben. Die Entwick- lung des Darmes widerspricht so sehr den meisten bisherigen An- gaben, dass ich dieser Frage eine große Sorgfalt gewidmet habe und viele Embryonen eigens zu diesem Zweck konservirt und geschnitten habe. Die weiter unten folgenden Resultate sind fast nur dadurch zu sewinnen, dass die Schnittrichtung aufs genaueste vorher bestimmt wird, und dass die Schnitte bei vollständigen Serien ziemlich dünn ausgeführt werden. Auf sehr jungen Stadien tritt zwischen Fußhöcker und Schalen- drüse eine kleine Einstülpung des Ektoderms auf (Taf. XXXIV, Fig. 73 d.e), die sich zunächst rosettenförmig ins Innere drängt (Fig. 74) und allmählich stark vertieft (Fig. 75). Das Lumen der- selben ist sehr eng und nur bei sehr genauer Orientirung scharf und klar zur Anschauung zu bringen. Auf weniger gut orientirten Schnitten sieht man stets hier an dieser Stelle nur einen rundlichen Zellenhaufen, der weder zur äußeren noch zur inneren Körperwandung deutliche Beziehungen besitzt. Das nächstfolgende Stadium steht in vollem Einklange mit den bisherigen (Taf. XXXIV, Fig. 76). Die Einstülpung ist vollkommen klar zu sehen, die Abgrenzung gegen das Entoderm noch sehr scharf, aber die ganze Anlage drängt sich bereits etwas gegen dasselbe vor. Noch weiter ausgebildet ist dies in Fig. 77 und 79. In Fig. 77 ist das Lumen sehr eng, da die gegenüberliegenden Wandungen sich dicht an einander gelegt haben, aber deutlich ist der Umschlag beider Schichten in das Ektoderm zu beobachten. Ein nur wenig älteres Stadium stellt Fig. 79 dar, es besitzt im Inneren der Einstülpung ein weites Lumen, die Öff- nung gegen das Ektoderm hat sich ganz verengt, die Abgrenzung gegen das Entoderm besteht noch in voller Schärfe. Ein überraschen- des Bild zeigen uns die nunmehr folgenden Stadien. In dem Quer- schnitte auf Fig. 80 schnürt sich die Darmanlage unter Verlust der Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. - 605 äußeren Öffnung vom Ektoderm ab und tritt mit dem Entoderm in Verbindung. Die Verbindung mit dem Ektoderm wie Entoderm ist hier ganz gleichmäßig scharf ausgeprägt, nur dass wir auf der ekto- dermalen Seite die Endphasen eines Abschnürungsprocesses, auf der entodermalen Seite eine beginnende Verschmelzung zweier Schichten vor uns haben. Nach dem Ektoderm zu ist das Lumen abgerundet, nach dem Entoderm hin zieht es sich etwas in die Länge. Im All- semeinen stellt sich die Darmanlage nunmehr als rundes, abge- schlossenes Bläschen dar, bis sie vollständig mit dem Entoderm ver- löthet. Fig. 81 auf Taf. XXXIV zeigt diesen Process in der Vollendung, die Darmanlage (d) erscheint uns nunmehr als eine reguläre Aus- stülpung des Entodermsackes, und doch ist ihre Bildung von ihm völlig unabhängig. Das Ektoderm zieht in kontinuirlicher Schicht darüber hinweg, bis auch hier auf bedeutend älteren Stadien ein sekundärer Durchbruch stattfindet, der zur Bildung des Afters führt. Wir haben also bei Limax maximus den ganzen Darm vom After bis zur Einmündung in den Magen als ektodermales Gebilde aufzufassen, ein gewiss sehr auffallendes Verhalten. Es versteht sich von selbst, dass bei der Beurtheilung obiger Vorgänge die Anlagen der um- liegenden Organe aufs genaueste mit berücksichtigt wurden, um jeden Irrthum auszuschließen. Dass die Stadien ihrem Alter nach in der an- gegebenen Reihenfolge sich an einander anschließen, kann man aus den Figuren selbst sofort an der Entwicklung der Kopfblase und Schalen- drüse erkennen. Von den in der Nähe sich anlegenden Organen können auf den fraglichen Stadien nur Schalendrüse und Urnieren in Betracht kommen. Für die Längsschnitte brauche ich nur die Urniere zu diskutiren, da die Schalendrüse ja stets auf dem Schnitte selbst zu sehen ist. Die Urniereneinstülpungen liegen ganz seitlich, sie können auf einem genauen Medianschnitte unmöglich getroffen werden und sind zudem stets zu .beiden Seiten auf den betreffenden Serien nachweisbar. Dasselbe gilt natürlich auf den Querschnitten für die Schalendrüse, die auf allen Serien scharf von der unmittel- bar darunter liegenden Darmanlage zu trennen ist. Die Deutung als einfache Ektodermfaltung, bedingt durch das übrigens auf diesem Stadium nur äußerst schwache Wachsthum des Fußes, ist ebenfalls ausgeschlossen. Einmal könnten allerhöchstens Schnitte, wie sie Fig. 75 und 76 darbieten, zu einer solchen Deutung verleiten, und dann lehrt ein näheres Studium der Serien, dass das Lumen auf diesen Stadien nicht etwa sich flach ausziehend verläuft, wie es bei einer bloßen Falte der Fall sein müsste, sondern dass Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIH. Bd. ee \ı) ! 606 Johannes Meisenheimer, sofort auf den nächsten Schnitten seitliche Wände es begrenzen, dass wir also eine regelrechte, tief eingesenkte Grube vor uns haben. Die tiefe Furche, wie sie bei bedeutend älteren Embryonen zwischen Fuß und Mantel auftritt (siehe Textfig. 9, 10), beschreibt auf den jüngeren Stadien nur eine flache Kurve (siehe Fig. 5 auf Taf. XXXII) und ist auf noch jüngeren Stadien überhaupt kaum ausgeprägt (vgl. Fig. 77, 79, 81 auf Taf. XXXIV). Nachdem wir nunmehr die Anlage des Darmtractus in seinen Hauptbestandtheilen kennen gelernt haben, wenden wir uns einer Sonderbetrachtung der Differenzirung der einzelnen Theile zu und beginnen mit dem Vorderdarme. | Das Verhältnis beider Keimblätter in Bezug auf ihre Betheiligung am Aufbau des Vorderdarmes ist bereits besprochen. Die dorsale, ektodermale Wandung der Mundhöhle beginnt sich in einer- eigen- thümlichen Weise umzubilden, indem sie in ihrer Mitte einen bis in den Ösophagus hinein verlaufenden, langgestreckten Wulst bildet. Am deutlichsten ist er auf Querschnitten zu erkennen (Taf. XXXIII, Fig. 60). Die mittleren Zellen dieses Wulstes, der nach vorn sich bis auf die Außenseite des Embryos fortsetzt, beginnen stark zu vacuolisiren und sind dicht mit feinen Cilien besetzt, deren Aufgabe es ist, das Eiweiß in die Mundhöhle und von da in den Ösophagus zu befördern. Dieser Wimperwulst erhält sich ziemlich lange und macht erst später einem regelmäßigen Epithel Platz. Dieser bewimperte Vorsprung längs der Dorsalwand der Mund- höhle ist für alle Stylommatophoren charakteristisch (FoL, F. SCHMIDT). Dass derselbe nichts mit einem rudimentären Velum zu thun hat, wie v. IHERING bei Helix annimmt, ist wohl sicher festge- stellt, zumal sich bereits bei den Wasserpulmonaten, also Formen mit deutlich erkennbarem Velum, ähnliche Bildungen zur Beförderung des Eiweißes in den Mund finden. So liest bei Planorbis (nach RABL) längs der Dorsalwand der Mundhöhle eine einfache, körnchen- reiche Zellenreihe, die mit dicken Flimmern besetzt ist, also sehr wohl mit dem fraglichen Wulste bei den Landpulmonaten in Parallele zu setzen ist. In ähnlicher Weise spricht FoL bei den Wasser- pulmonaten von drei, Cilienreihen, die vom Außenrande der Mund- höhle konvergirend dem Ösophagus nach innen zustreben. Auch bei den Pteropoden erwähnt derselbe Autor einen freilich sehr bald wieder schwindenden dorsalen Wulst im Ösophagus. Um nochmals auf das Velum zurückzukommen, so fehlt also bei Limax maximus jede Spur desselben, während bei Helix Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 607 nach FoL sich noch ein letzter, ganz rudimentärer Rest erhalten haben soll. Es liest in der Höhe des Mundes und zieht als bewimperter Vorsprung vom Munde zur Schalendrüse. Ein zweites sich in der Mundhöhle anlegendes Dies ist die Ra- dulatasche. Die erste Andeutung derselben besteht in einer beträcht- lichen Verdiekung der hinteren Wand des Stomodäums (Taf. XXXIV, Fig. 63 rt). Diese Verdickung vertieft sich bald zu einer Einstülpung (Taf. XXXIV, Fig. 77 und 64), die unter Verengung ihres Lumens bedeutend nach innen wächst (Fig. 65). Als zweiter Bestandtheil treten an diese Einstülpung Mesodermzellen heran und lagern sich fest an. Sie sind bestimmt, die muskulösen Bestandtheile der Radula- tasche zu bilden und nehmen sehr schnell an Zahl zu, so dass sie eine mächtige Hülle um die ektodermale Tasche bilden (Taf. XXXIV, Fig. 64—68). Die Differenzirung der einzelnen Theile der Radula- tasche erfolgt durch einen etwas komplieirten Faltungsprocess. Den Verlauf dieser Faltungen stellen die Fig. 66—70 dar. Zunächst 'wölbt sich die vordere Wandung stark in die Mundhöhle vor und bildet so die erste Anlage der Zunge (Z). Ihr späterer, stark mus- kulöser Bau tritt schon hier in Gestalt des mächtigen Mesoderm- haufens hervor, der sie vollständig erfüllt. Die hintere Wandung zeigt eine schwache Faltung (Fig. 68), die sich auf den Stadien der Fig. 69 und 70 stärker ausbildet und zur Trennung der Radula- scheide von einer darüber gelegenen Einfaltung, der Subösophageal- falte (soe), führt. Schließlich tritt vor und unter der Zunge noch eine letzte Faltung auf (Fig. 70), welche eine ventrale Tasche der Pharyngealhöhle darstellt, die sogenannte Sublingualfalte (s/f). Diese letzteren Taschen sind namentlich auf Frontalschnitten durch das _ ganze Organ deutlich zu erkennen (Taf. XXXIV, Fig. 71, 72). Fig. 71 entspricht etwa dem Stadium von Fig. 69, der Schnitt führt von der Zungenscheide quer durch die Zunge schräg nach oben vorn und trifft so zuletzt die Mundhöhle mit dem dorsalen Wimperwulst und den noch schwach angedeuteten, seitlichen Sublingualfalten. Dagegen entspricht Fig. 72 dem Sagittalschnitte von Fig. 70. Alle Theile sind hier wie dort vollständig ausgebildet. Die Schnittrichtung ist ungefähr dieselbe wie in Fig. 71. Zu hinterst treffen wir die Zungen- scheide (zsch) mit der angeschnittenen dorsalen Wandung derselben, ‚dann stoßen wir auf die innere Epithelbekleidung der Zunge, welche die Radula trägt, alsdann auf die muskulöse, innere Zellen- masse derselben, in der sich bereits eine histologische Diffe- renzirung bemerkbar macht, die wahrscheinlich zur Bildung des 40* 608 EB Johannes Meisenheimer, Zungenknorpels (2%) führt. Auf die muskulöse Masse folgt die äußere Epithelbekleidung der Zunge und schließlich die Mundhöhle mit den beiden tief eingesenkten Sublingualfalten (s/f) zu beiden Seiten und dem Wimperwulste in der dorsalen Wandung. Nachholen muss ich jetzt noch, um den Bau der Radulatasche zu vollenden, die Entwicklung der Radula selbst. Diese legt sich schon früh als feines, hellglänzendes Häutchen an, welches die ven- trale Wandung der Radulatasche bekleidet. An ihrer Ausscheidung nimmt sicher die ganze ventrale Wandung Theil, da von einer Spe- cialisirung einzelner Zellen auf den jüngsten Stadien noch nichts zu sehen ist. Sehr lange lässt dieselbe freilich nicht auf sich warten, in Fig. 67 auf Taf. XXXIV, welche ein immerhin noch recht junges Stadium darstellt, treten einzelne Zellen im Grunde der Radula- tasche durch ihren größer und heller gefärbten Kern gegen- über den anderen deutlich hervor (od). Ihre Zahl ist nicht ganz leicht zu bestimmen, doch sind es gleich im Anfange vier oder fünf. Auf den ‚jüngsten Stadien ist" mir ihre Differenzirung nur durch Konservirung mit Herman’scher Lösung und Färbung mit HEIDENHAIN’s Hämatoxylin gelungen. Auf den übrigen Figuren treten sie in Folge der schwachen Vergrößerung kaum hervor. Diese Odontoblasten übernehmen nun den weiteren Aufbau der Radula, den ich nicht im Einzelnen verfolgt habe, da dies eine Specialuntersuchung erforderte, die nicht im Rahmen dieser Arbeit liegt. Über die Bildung der Radula besitzen wir zudem bereits eine ganze Anzahl von Arbeiten, sowohl anatomischer wie entwieklungs- geschichtlicher Art. Entwicklungsgeschichtlich besonders untersucht ist die Radula von Paludina vivipara von J. BLocH. Derselbe fand ebenfalls, dass die erste chitinöse Anlage auf einer Ausscheidung der sesammten ventralen Zellenlage der Radulatasche beruht, und dass erst später die Exkretzellen sich auf den hinteren Theil der Radula- tasche koncentriren, von wo dann die weitere Ausbildung der Radula vor sich geht, zunächst durch eine Anlagerung von Substanz an die bereits vorhandene, und dann durch ein Vorwärtsschieben der sanzen Anlage, verbunden mit der Bildung der einzelnen Zähnchen. Betreffs des weiteren Aufbaus verweise ich ganz auf die Arbeit J. BLoc#H'’s, da ich, wie gesagt, diese Verhältnisse nicht näher unter- sucht habe. | Am erwachsenen Thiere ist die Bildung der Radula .schon viel früher untersucht worden. Auch hier kann ich nur kurz auf einige Arbeiten verweisen, wie diejenige von RÜCKER, der als einer der Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 609 ‘ Ersten die Odontoblasten als Bildungsstätte der Zähnchen und Basal- membran erkannte, und dann vor Allem auf die umfassende Arbeit von RÖSSLER, der seine Untersuchungen über verschiedene Mollusken- klassen ausdehnte und den Unterschied zwischen solchen mit nur wenigen, großen Odontoblasten (Pulmonaten, Opisthobranchier) und solehen mit sehr vielen schmalen Odontoblasten aufstellte (Proso- branchier, Placophoren, Heteropoden, Cephalopoden). Zum Schlusse dieses Abschnittes will ich noch bemerken, dass hinter der Radulatasche auf eine kurze Strecke hin im Ösophagus ähnlich vacuolisirte Zellen auftreten, wie sie der dorsale Wimper- wulst zeigt. Sie sind auf einzelnen Figuren angedeutet (Taf. XXXIV, Fig. 64, 65, 68). Die Bildung des Oberkiefers habe ich bis zu den von mir unter- suchten Stadien noch nicht beobachten können, GEGENBAUR beschreibt den Bildungsprocess desselben bei Limax agrestis als eine Ver- hornung von Cylinderzellen. Eben so spricht Leyvıe bei Paludina von einem Verhornungsprocess bei der Entstehung der selllinen Kiefer dieses Prosobranchiers. Als ein letztes Organ der Mundhöhle haben wir schließlich noch die Speicheldrüsen anzusehen, die ihre Entstehung jederseits aus einer Einstülpung der Mundhöhle oberhalb der Radulatasche nehmen (Taf. XXXIH, Fig. 61 spei). Sie senken sich schnell in die Tiefe und wachsen dem Ösophagus entlang nach hinten, der Mundmasse als einfaches Rohr eng anliegend (Taf. XXXII, Fig. 62). Durch Verästelung dieses einfachen Rohres nähern sie sich dann im Laufe der Entwicklung ihrem späteren, stark gelappten Bau. Aus der Mundhöhle gelangen wir durch den Ösophagus, der sich von seiner ursprünglichen, kurz gedrungenen Form zu einem langen, engen Schlauche ausgezogen hat (Taf. XXXIV, Fig. 64—66) und dieht unter dem Entoderm hinzieht, in den Eiweißsack. Wir hatten denselben Eingangs als den nepsinglichen Entodermsack ver- lassen und wenden uns jetzt seiner weiteren Differenzirung zu, die ‘zur Bildung des Magens und der Leber führt. Zur Erläuterung der ersten Umwandlungsprocesse möge Fig. 5 auf Taf. XXXII dienen, welche nicht etwa ein Kombinationsbild, son- dern einen einzigen, glücklich geführten Schnitt darstellt. Wir sehen, wie die Mundhöhle mit der Radulatasche durch den Ösophagus in den weiten mit Eiweiß erfüllten Entodermsack führt, der seinerseits durch eine enge Öffnung in den scharf abgesetzten, ektodermalen Mittel- und Enddarm übergeht. Uns interessirt jetzt. zunächst nur 610 Johannes Meisenheimer, dieser mittlere, entodermale Theil. Oben wurde schon erwähnt, dass wir zwei Theile hieran scharf zu unterscheiden haben, die histologisch sehr different gebaut sind, einen hinteren, der aus normalem kubi- schen Epithel besteht, und einen vorderen, an Größe weit über- wiegenden, dessen Zellen vollkommen von Eiweißvacuolen erfüllt sind. Der hintere Theil beginnt sich nun durch eine rings ver- laufende Furche von dem vorderen abzusetzen, wobei ersterer sich zugleich nach hinten in die Länge zieht. Während dieses Verhalten in Fig. 5 auf Taf. XXXII noch wenig angedeutet ist, ist es auf dem etwas älteren Stadium von Textfig. 9 bereits scharf ausgeprägt, deut- lich ist ein hinterer Magenabschnitt, in den der Ösophagus mündet, von dem vorderen Eiweißsack zu unterscheiden. Die Einmündung des Darmes in den Magen ist hier nicht getroffen. Wenn ich eben vom Magenabschnitt sprach, so ist dies nur mit einer gewissen Beschränkung hinzunehmen, denn nur zum kleinsten Theile liefert dieser Abschnitt den wirklichen, späteren Magen, zum srößeren Theil nimmt auch er an der Bildung der Leber Theil. Auf Schnitten durch dieses Stadium trifft man den Magenabschnitt höchst eigen- thümlich gefaltet. Bei genaue- Ä ? rem Studium lassen sich diese un... SI ne Falten stets auf zwei Aus- R stülpungen des ursprünglichen 2 Magenabschnittes zurückfüh- Textfigur 2. ren, nämlich auf eine rechts Frontalschnitt. Anlage der beiden Leberlappen. Die gelegene (rd), die sich etwas Kommunikationsstelle zwischen linkem Leberlappen (22) i und Eiweißsack bei a von einem wenig entfernten dorsalwärts verschiebt, und Schnitte a ee eine links & ele gene (7), die sich mit ihren vorderen Rän- dern direkt in den Eiweißsack fortsetzt (Textfig. 2). Wir haben also bis jetzt eine Sonderung in drei Theile vor uns, der mittlere bildet den Magen, der rechte den späteren rechten Leberlappen, der linke den linken hinteren Leberlappen. Den Zerfall des linken Lappens in zwei Theile, einen vorderen und hinteren, können wir entwick- lungsgeschichtlich auf zwei getrennte Anlagen zurückführen, in so fern der hintere Lappen eben aus dem ausgestülpten Magenepithel, der vordere aus dem umgewandelten Epithel des Eiweißsackes her- vorgeht. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 611 Wir wollen nunmehr die Ausbildung dieser Verhältnisse an einer Reihe von Sagittalschnitten noch näher erläutern. Anfänglich ist es nieht leieht, die drei Abschnitte, um die es sich handelt, scharf aus einander zu halten, aber bereits in Textfig. 10 (p. 619) sehen wir deut- lieh die Ausstülpung des linken, hinteren Leberlappens (All), während der rechte überhaupt nicht getroffen ist, und der Eiweißsack noch in den Magenabschnitt mündet, in welchen, von unten kommend, auch der Ösophagus führt. Allmählich schiebt sich nun der linke Lappen immer weiter nach links, er nimmt die Kommunikationsstelle mit dem Eiweißsacke, die ursprünglich dem eigentlichen Magensacke ange- hörte, mit der allmählichen Trennung von demselben völlig in sich auf, diese Verbindungsstelle liegt also jetzt nicht mehr in der Median- ebene des Körpers, wie es ursprünglich der Fall war, sondern seit- lieh auf der linken Körperseite (Textfig. 11 und 2). Der rechte Leberlappen hat sich inzwischen ebenfalls nach links oben verscho- ben und kommt so dorsalwärts über den Magen zu liegen, wie wir in Textfig. 12 (r/) sehen, wo in den mittleren Magenabschnitt von oben der rechte, von unten der linke Leberlappen mündet, letzterer deutlich seine beiden Abschnitte erkennen lassend. Vielleicht können zum besseren Verständnis dieser sehr komplieirten Verhältnisse noch die Textfisg. 5—7 (p. 615) herangezogen werden, welche die oben ge- schilderten Vorgänge schematisch in toto erkennen lassen. Die bei- sefügten Bezeichnungen machen wohl eine nochmalige Erläuterung überflüssig. Also, um das Obige kurz zusammenzufassen, nicht allein die vacuolenreichen Zellen des Eiweißsackes bilden die Leber, wie bis- her meist behauptet wurde, sondern umfangreiche Theile des Magen- abschnittes werden mit zur Bildung derselben herangezogen. Und es ist in der That von vorn herein sehr unwahrscheinlich, dass die so außerordentlich stark umgewandelten Eiweißzellen sich wieder in das einfache, mit zunächst ganz mäßig großen Vacuolen erfüllte Epithel der Leber umwandeln sollten, zumal dieselbe im Körper der Schnecke bald einen so gewaltigen Umfang annimmt, wie wir sie beispielsweise in Textfig. 13 sehen. Dazu bedarf es eines’ noch wenig differenzirten, umbildungsfähigen Zellenmaterials, und dieses finden wir eben in dem ursprünglichen Magenabschnitt. Betreffs des histologischen Baues dieser einzelnen Theile möchte ich noch auf Fig. 35 auf Taf. XXXII hinweisen, wo wir Eiweißzellen (es), Magen- zellen (ma) und Leberzellen (rZ) neben einander sehen, die beiden letzteren besitzen noch vollkommen übereinstimmenden Bau. 612 Johannes Meisenheimer, Die doppelte Einmündungsstelle der Leber erhält sich noch bis auf späte Stadien, allmählich rücken sie an einander, aber selbst im erwachsenen Thiere sind die einzelnen Lappen bis dieht an ihre Mündung von einander geschieden, wobei freilich die beiden linken Lappen stets enger zusammenhängen, wie sie ja auch schon früh gemeinsam einmünden. | Die Funktion der Leber ist um diese Zeit noch genau dieselbe wie diejenige des Eiweißsackes, der allmählich ganz in sie über- seht, d. h. sie verarbeitet das Eiweiß, welches ihr ganzes Lumen erfüllt. Demgemäß ist auch der Bau ihrer Zellen noch genau der- selbe, wie der früheren Eiweißzellen, nur ist die Vaeuolenbildung nicht so extrem entwickelt. Man könnte sagen, dass die ganze Leber auf diesem Embryonalstadium in allen ihren Theilen noch als selbst- thätig verdauendes Organ funktionirt, während der eigentliche Magen nur einen verhältnismäßig geringen Raum einnimmt. Auf die Umwandlungen, welche die Leberzellen nach dem Aus- schlüpfen des Embryos eingehen, um zu ihrem definitiven Bau sich herauszubilden, kann ich hier noch nicht eingehen, ich muss die -Sehilderung dieser Processe ebenfalls dem dritten Theile vorbehalten. Die Besprechung der Litteratur über diesen Abschnitt will ich » hier gleich einschieben, damit die Vergleichspunkte noch völlig gegen- wärtig sind. Ziemlich übereinstimmend wird angegeben, dass Magen und Leber sich aus dem ursprünglichen Entodermsack entwickeln, derart, dass aus einem vorderen, vacuolisirten Theile sich die Leber, aus einem hinteren, mit einfachem Epithel ausgekleideten der Magen bildet. Beide scheiden sich durch eine Verengung, die zwischen ihnen auftritt, die Leberlappen bilden sich durch Theilung des vor- deren Sackes und erleiden dann Verschiebungen, welche das Auf- treten der Windung des Körpers mit sich bringt. So wird die Ent- wieklung angegeben von FoL, JOURDAm und Anderen bei den Pulmonaten, von RAsL bei Planorbis, bei Paludina und By- thinia von BüÜrTscHLI und v. ERLANGER, etc. Uns interessirt hier speciell die Leberbildung. Meist wird eine direkte Umwandlung des Eiweißsackes in dieselbe angegeben, aber doch sind auch einige entgegenstehende Beobachtungen vorhanden. So entspricht sicherlich die »glande hepatique annexe«, welche JOURDAIN für Limax beschreibt, und die einen besonderen Ausführ- gang hat, dem rechten Leberlappen von Limax maximus. Weiter spricht WoLrsox bei Limnaeus direkt von einer Entstehung der Leber aus zwei kleinen Blindsäcken des Magens, der Eiweißsack Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. ; 613 hat nichts mit ihrer Bildung zu thun, er wird resorbirt. Genau’die- selben Beobachtungen finden wir für dasselbe Onyeh bei Ray Lan- KESTER. Auch bei den Pteropoden (Cavolinia, Hyalaea) geht nach FoL die Leber durchaus nicht etwa aus dem Eiweißsack hervor, sondern dieser verschwindet in vielen Fällen nahezu vollständig und aus Aus- stülpungen des Magenepithels gehen zur Zeit der Metamorphose be- sondere Lebersäcke hervor. Bei den Heteropoden dagegen nimmt nach demselben Autor der Eiweißsack wieder vollen Antheil an der Leberbildung. Theile des Magens scheinen auch bei Bythinia nach v. ERr- LANGER an der Bildung der Leber Theil zu nehmen, der eigentliche Eiweißsack bildet nur den vorderen Lappen, der hintere Lappen 'steht in engerer Beziehung zum Magen, er geht aus einer gemein- samen Anlage mit ihm hervor. Der vordere zerfällt alsdann in zwei Lappen, so dass hierdurch die Dreilappigkeit ebenfalls erreicht ist. Die sogenannten Dotterzellen Ragr’s, die derselbe bei Bythinia als dritten histologischen Bestandtheil des Entodermsackes bezeichnet, hängen jedenfalls mit der Anlage des hinteren Lappens zusammen. Weiter erwähnt For bei den Basommatophoren, dass sich an der Mündung der Leber in den Magen Epithelgewebe von hier nach innen schiebe, um die Lebergänge zu bilden. Sehr stark abgeändert erscheinen die Verhältnisse der Darm- und Leberbildung bei einzelnen Prosobranchiern mit extrem ent- wickeltem Dotterreichthum, wie sie BOBRETZKY bei Fusus und Nassa beschreibt. Die Entwicklung der Opisthobranchier scheint mir auch in diesem Punkte noch lange nicht genügend aufgeklärt zu sein, Ursprung und Schicksal der hier auftretenden, verschieden gefärbten Darmdivertikel. bedürfen zu einer sicheren Beurtheilung nothwendig erneuter Untersuchungen. Um noch einige weiter entfernte Molluskengruppen heranzuziehen, so entsteht die Leber bei den Lamellibranchiaten ganz allgemein als Darmdivertikel, und eben so liegen wahrscheinlich die Verhält- nisse bei Chiton nach KowALEvsKY. Fassen wir das Obige kurz zusammen, so müssen wir als Aus- gangspunkt der Leberentwicklung eine Divertikelbildung der Magen- wandung annehmen, die dann durch das Auftreten des Eiweißsackes Modifikationen derart erlitten hat, dass der Eiweißsack zwar mehr oder weniger thätigen Antheil an de Leberbildung nimmt, dass aber die Grundzüge der Divertikelanlagen in der Regel noch zu erkennen 614 Johannes Meisenheimer, sind, und wohl nur in seltenen Fällen, wenn überhaupt, ganz unter- drückt werden!. | Es erübrigt uns nun noch, den dritten und letzten Haupttheil des Darmtraetus zu betrachten, den Mittel- und Enddarm. Wir verließen denselben auf einem Stadium, wo er als einfacher Schlauch nahezu in der Medianebene des Körpers vom Magen zur Körperwand zog. Die ganze weitere Ausbildung besteht nur in der Anlage der Limax maximus auszeichnenden Darmwindungen. Ich habe versucht, die successive Entwicklung derselben an einer Reihe von schemati- schen Figuren, die theils nach Totalpräparaten entworfen wurden, theils auf Kombination von Schnittserien beruhen, darzustellen. Die erste Änderung des geraden Verlaufes macht sich in einer schwachen Biegung nahe der Einmündung in den Magen bemerkbar (Textfig. 3 @), sie wird alsbald sehr stark und führt zu einer deutlichen Schlinge (Textfig. 4). Wir können diese Schlinge uns auf folgende Weise er- klären. Die beiden Endpunkte des Darmes liegen einmal in der Einmündungsstelle in den Magen und dann in der Verlöthung mit dem Ektoderm. Von diesen ist nun der letztere fixirt, der erstere aber beweglich, und naturgemäß wird sich bei dem thatsächlich stattfindenden Wachsthum des Magens nach hinten hier eine Schlinge bilden müssen, zumal der Darm selbst während dieser Verengung seines Raumes an Größe zunimmt. Zugleich mit dieser ersten Schlingenbildung vollzieht sich aber noch eine zweite Lageverschiebung des Darmkanals. Wir haben oben bereits gesehen, wie die Öffnung der Mantelhöhle eine Ver- schiebung von der Hinterseite nach rechts um 90° durchmacht, und dieser muss der Enddarm, der an ihrem Ausgange einmündet, folgen. Das Resultat dieses Vorganges sehen wir in Textfig. 4 und 5. Auf die Verhältnisse der Leberlappen in diesen Figuren habe ich oben bereits hingewiesen. Einen wichtigen Fortschritt in der Schlingenbildung zeigt Text- figur 5. Der bisher in einer flachen Kurve nach außen verlaufende ı Zu einem ganz ähnlichen Resultate gelangte auch M. H. FiscHer, ein- mal durch seine Untersuchungen an Nudibranchiern, wo er ebenfalls ein paar Entodermdivertikel als Leberanlage nachwies, und dann durch seine Beob- achtungen an Paludina. Nach ihm ist die auch von anderen Forschern be- schriebene Umwandlung des Eiweißsackes in die Leber als ein Ausstülpungs- process aufzufassen, der zur Bildung eines größeren linken, und kleineren rechten Abschnittes führt, die dann durch die Aufwindung bestimmte Ver- schiebungen erleiden. Der kleinere, ursprünglich rechte, geht bald zu Grunde, der größere allein bildet die Leber. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 615 Theil zeigt die Andeutung zweier neuen Schlingenbildungen, zunächst eine unmittelbar über dem rechten Leberlappen (2 und 3). Ihr nach Textfigur 5. der linken Seite hin gerichtetes Wachsthum führt bald zu einer scharf ausgeprägten Doppelschlinge, die sich über die zuerst beschriebene hinwegschiebt (Textfig. 6, 2und 3). Wir können diese neue Falten- bildung sehr wohl mit der oben be- schriebenen Verschiebung des rechten Leberlappens nach links in Zusam- menhang bringen. Auf entsprechen- den Sagittalschnitten erkennen wir, wie diese Darmschlingen sich der Leber dicht anlegen (Textfig. 12 d, und d;), ja tief in sie einsenken (Textfig. 13 d, und d,), und demgemäß Textfig.3—8. Schematische Darstellung der Schlingen- bildung des Darmes, von der Dorsalseite gesehen. Fig.7 und 8 sind Kopien nach Sınmroru. Das Nähere siehe im Texte. Erklärung der Bezeichnungen siehe am Schlusse p. 659. Dazu kommen: Ail, hinterer lin- ker Leberlappen; 11, linker Leberlappen; »I/, vorderer linker Leberlappen. Textfigur 6. Textfigur 7. Textfigur 8. 616 | Johannes Meisenheimer, müssen beide Organkomplexe sich in ihren Lageveränderungen be- einflussen, die sich nach links schiebende Leber zieht die Darmschlinge mit sich. Auf Textfig. 6 ist der rechte Leberlappen der Klarheit des Bildes halber weggelassen, er liegt jetzt genau über dem Magen unter den beiden Darmschlingen 2 und 3. Schließlich ist in Textfig. 5 noch eine letzte Faltung (Z und 5) angedeutet, die, wie namentlich das folgende Stadium (Textfig. 6) zeigt, scharf nach hinten gerichtet ist und mit der Verlagerung des ganzen Organkomplexes in den Fuß sich weit nach hinten auszieht. Sie zeigt keine Beziehung zur Leber, sondern zieht als sogenannte Rectalschlinge frei von derselben an der Rückenwand hin, um schließ- lich am Rande der Mantelhöhle durch den After nach außen zu führen. Dieses letztere Stadium schließt sich direkt an zwei ältere an, die ich Sımrorm’s »Versuch einer Naturgeschichte deutscher Nackt- schnecken« entnehme, Textfig. 7 ein jüngeres, Textfig. 8 ein erwach- senes Thier von Limax maximus darstellend. Die Beziehungen der Jüngeren Stadien zu diesen älteren sind sofort in die Augen springend, es ist unnöthig, dieselben noch lange zu erörtern. Aber einen anderen Punkt möchte ich hier noch hervorheben, er betrifft die Benennung der einzelnen Schlingen. In SIMRoTH’s eben erwähnter Abhandlung finde ich die Schlingen vom Magen an- fangend mit 7/ bis 6 bezeichnet. Mit Rücksicht auf die total ver- schiedene Herkunft möchte ich den entodermalen Abschnitt nicht als Darmschlinge bezeichnen, sondern nur die, welche aus dem Ektoderm sich ableiten. Diese verdienen allein mit Recht den Namen von Darmschlingen. Ich zähle also an der ersten Schlinge nach dem Magen mit 7 beginnend und mit dem eigentlichen Enddarm als 5 endend. Meine Schlingen 7 bis 5 entsprechen also den bisherigen Zahlen 2 bis 6. Ich will an dieser Stelle die Litteratur sowohl betreffs Bildung wie Weiterentwicklung von Mittel- und Enddarm einschieben, indem ich hierbei auf meine Schilderung betreffs der „unieiehuoz dieses Darmtheiles zurückverweisen muss. Im Allgemeinen wird der Darm als Ausstülpung des Entoderm- sackes in Anspruch genommen, die mit dem Ektoderm verschmilzt und unter Bildung des Afters nach außen durchbricht. Höchstens wird, wie von KOwALEvsky bei Chiton, von Wourson bei Lim- naeus, von v. IHERING bei Helix und von JOURDAIN bei Limax, eine schwache Ektodermeinsenkung als Proctodäum aufgefasst. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. I. - 617 Eine älteste Angabe über eine rein ektodermale Entstehung des Enddarmes finden wir bei LEREBOULLET von Limnaeus. Es! ist aber keine Frage, dass dieser Forscher die Schalendrüse mit der Darmbildung verwechselt hat, nicht nur seine Figuren zeigen dies auf den ersten Blick, es geht auch aus seiner Beschreibung, nament- lieh aus der Schilderung des Entstehens des Mantels hervor. Eine zweite Angabe über einen ektodermalen Enddarm findet sieh von Purpura lapillus bei SELENkA. Leider lassen die beiden hierher gehörigen Figuren Zweifel darüber bestehen, ob die in der ersten Figur mit ax bezeichnete Einstülpung wirklich dem späteren Enddarm entspricht, und nicht etwa der Schalendrüseneinstülpung, zumal die "nächste Figur die Schale schon wohl entwickelt zeigt. | Eine etwas sicherere Grundlage besitzen die Beobachtungen RAy LANKESTER’s an Limnaeus. Hier entsteht an der Stelle des ge- schlossenen Blastoporus eine Ektodermeinstülpung (pediele of invagi- nation), die nach innen wächst und als Enddarm mit dem Eiweiß- sack verschmilzt. Der After bricht erst später durch, Zwar muss ich RABL Recht geben, wenn er die Figuren und Beschreibung RAY LANKESTER’sS etwas unklar findet, an einer Stelle aber (in der Sum- mary) drückt er sich klarer aus mit den Worten: »From behind now over-against the mouth — a new in-sinking is formed, anus and rectum, which grows up against the primitive alimentary cavity, and finally unites with it.«< Man sieht, dieser Satz ließe sich in derselben Fassung für Limax maximus anwenden. Die Schalen- drüse kann Ray LANKESTER unmöglich hiermit verwechselt haben, da er ihre Bildung und Gegenwart stets berücksichtigt. Bei Pleuro- branchidium dagegen ist seine Darstellung direkt unklar, auch vermag er nicht scharf den Ursprung und das gegenseitige Verhältnis seiner Zellhaufen z und pme auf Plate VII anzugeben. Jedenfalls aber scheint mir die RaBL’sche Darmplatte bei Planorbis durchaus keinen Gegenbeweis gegen RAY LANKESTER zu bieten, da die Beob- achtung sehr leicht durch schiefe Schnittrichtung auf Täuschungen geführt werden kann, wie oben bereits ausgeführt. Solche Bilder, wie sie RaBL als Darmplatte von Planorbis giebt, habe ich bei Limax maximus ebenfalls aufzuweisen, muss sie aber stets für schief durch die Anlage geführte Schnitte erklären. Eine direkte Entstehung des Enddarmes aus dem Ektoderm wird aber für Limax maximus bestimmt bereits ausgesprochen von A. P. Hewcuwman. Er soll durch Wucherung entstehen, sich als Bläs- chen abschnüren und dann wieder mit dem Ektoderm verschmelzen. 618 Johannes Meisenheimer, Wie wir gesehen haben, ist dies nur zum Theil richtig, da eine re- suläre Einstülpung vorhanden ist, die freilich nur schwer mit voller Klarheit darzulegen ist. Schließlich muss ich hier noch die Angaben P. Sarasın’s über die Entstehung des Darmes bei Bythinia besprechen. Sie stehen mit den Angaben v. ERLANGER’s in direktem Gegensatze, in so fern SARASIN den gesammten Darm aus dem Ektoderm ableitet. Für den Vorderdarm ist dies ja nicht auffallend, für die Bildung von Magen und Leber erscheint mir seine Darstellung nicht überzeugend genug, so dass ich hier v. ERLAnGEr’s klareren Bildern den Vorzug geben muss, betreffs des Enddarmes aber scheinen manche Punkte in seiner Schilderung sehr wohl für eine ektodermale Entstehung auch hier bei Bythinia zu sprechen. Jedenfalls ist in diesem Punkte die Frage noch nicht endgültig erledigt. | Vielleicht ist die ektodermale Herkunft dieses Darmabschnittes überhaupt allgemeiner verbreitet, da etwas zu alte Stadien, in Folge der Abschnürung vom Ektoderm und Verbindung mit dem Entoderm en * >» 2? NY 3 f os N a m A: 4 >» # ie dd , w< > a E23 -f 20 Ser 29 Textfigur 9. Textfig. 9—13. Darstellung der Verschiebung der Eingeweide aus dem Rückenschilde in den Fuß. Mit Zeichenprisma entworfene Sagittalschnitte; Textfig. 9—11 mit IT A, 12 und 13 mit IA. Erklärung der Bezeichnungen siehe am Schlusse p. 659. Dazu kommen die Bezeichnungen von Textfig. 2—8 und außerdem: cc, Cerebralkommissur; sh, Schalenhäutchen. Alles Weitere siehe im Texte. sehr leicht zu Irrthümern führen können. Solche Stadien werden fast stets als jüngste bezeichnet, aber der sichere Beweis, dass sie. es wirklich sind, erscheint mir in vielen Fällen noch nicht erbracht Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 619 zu sein. Mit am überzeugendsten ist der entodermale Ursprung des Darmes in neuester Zeit von ConkLIn für Crepidula nachge- wiesen worden, und dann natürlich für Paludina, wo der After direkt aus dem geschlossenen und sich wieder öffnenden Blastoporus Textfigur 10. nt vn : > 19 oe gped. mm _spei Textfigur 11 (Erklärung nebenstehend). ce hervorgeht. Wie diese mit den meinigen Resultaten in direktestem Widerspruch stehenden Beobachtungen zu vereinigen sind, darüber ist zur Zeit noch kaum ein Anhaltspunkt zu gewinnen. Schließlich bleibt uns hier beim Darmtractus noch ein letzter 620 Johannes Meisenheimer, Punkt zu betrachten übrig, und dieser betrifft Verschiebungen des sanzen Organkomplexes in seiner Gesammtheit. Wir nehmen zur Erläuterung dieser Verhältnisse wiederum unsere fünf Sagittalschnitte von verschiedenen Altersstufen vor. Bekanntlich liegen bei den 2 4 ped. = LER All ma a1 Be g.ped vu Textfigur 13 (Erklärung p. 618). Nacktschnecken im erwachsenen Zustande sämmtliche Organe im Fuß. Sehen wir uns auf diesen Punkt hin die Textfigg. 9 und 10 an, so bemerken wir, wie der Fuß noch vollkommen frei von Or- ganen ist. In seiner dorsalen Hälfte liegt weiter nichts als ein großer Lymphraum und in der ventralen ein Blutgefäß nebst Pedal- ganglion und Fußdrüse, die sich als eine einfache Einsenkung des Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. _ 621 Ektoderms an der Grenze zwischen Mund und'Fuß tief in den Körper einschiebt!. Dagegen liegen alle Theile des Darmtractus, sowie die hier nicht getroffenen Herz- und Nierenanlagen vollständig außerhalb des Fußes unterhalb der Schalendrüse in einem ausgeprägten Ein- seweidesack. Ganz allmählich verschiebt sich nun der Organkomplex in den Fuß hinein, der linke, hintere Leberlappen (All) voran (Text- figur 11), worauf dann die ganze Leber mit Magen und Darm folgen (Textfig. 12), und endlich auch Herz und Niere sich anschließen (Textfig. 13). Letztere Figur zeigt uns bereits vollständig die Lagen- verhältnisse der erwachsenen Schnecke. Der Mantel hat sich zu dem flachen Schild umgewandelt, in ihm liegt die Schalendrüse, darunter folst dann Niere und Herz und schließlich den ganzen Fuß erfüllend Darm und Leber. Im vorderen Theile liegen Osopha- sus und Mundmasse nebst dem Ganglienkomplex, in der Nacken- segend besitzt die Kopfblase noch einen ziemlichen Umfang, um schließlich ebenfalls ganz in den Fuß als Leberlappen aufgenommen zu werden. | Angaben über diese Verlagerungen und zugleich über die Schlingen- bildung finde ich bei FoL, doch sind seine Beobachtungen in diesem Punkte nicht ganz der Wirklichkeit entsprechend, da er die Leber allein aus dem Eiweißsack ableitet, und seine Annahme einer Tor- sion des Magens und Nährsackes bei der Verlagerung in den Fuß sich als unbegründet erweist. Diese Umlagerungen, die aufs klarste entwicklungsgeschichtlich die Abstammung der Nacktschnecken von aufgewundenen Formen dar- thun, lassen sich auch vergleichend anatomisch nachweisen. Ich ent- nehme eine solche Serie von Formen Lang’s » Lehrbuch der vergleichen- den Anatomie<. Helix zeigt uns eine typisch aufgewundene Form, bei Vitrina vermag die Schale bereits nicht mehr das ganze Thier aufzunehmen, bei Daudebardia ist dies noch stärker ausgeprägt, der Eingeweidesack beginnt zu verstreichen und wird in die Rücken- seite des Fußes aufgenommen, bei Testacella endlich sind alle 1 Ich habe die Entwicklung der Fußdrüse bis jetzt noch nicht weiter verfolgt, da sich die Hauptveränderungen erst gegen Ende der Larvenperiode und am ausgeschlüpften Thiere vollziehen. Ich hoffe, im dritten Theile auch über dieses Organ Weiteres berichten zu können. Bis zu den von mir genau unter- suchten Stadien fand ich bei älteren Larven bereits eine starke Verdiekung des ventralen Theiles der ganzen Drüse. Näheres über ihre Entwicklung bei Arion findet sich übrigens in einer neueren Arbeit von Anpr£. Auch BRock bringt einige Mittheilungen über Bau und Entwicklung derselben bei Agrio- limax. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 41 622 Johannes Meisenheimer, Eingeweide in den Fußrücken verlagert und eben so ist es mit Limax und Arion. Nur liegt bei ersterer der rudimentäre Mantel am Hinter- ende des Körpers, bei letzteren am Vorderende, hinter dem Kopfe. 6. Gemeinsame Anlage von Herz und Niere. Wenn ich jetzt an die Entwicklung von Herz und Niere herangehe, so geschieht dies mit einer gewissen Bangigkeit, da ich mir wohl bewusst bin, dass sich meine Beobachtungen nur schwer mit unseren bisherigen Anschauungen vereinbaren lassen werden. Aber ich kann versichern, dass diese Beobachtungen auf sorgsamst geprüfter Grund- lage beruhen, dass sie meine festeste Überzeugung bilden. Ich habe allein zu dem einen Punkt der ersten Entstehung dieser Anlage einige hundert Embryonen konservirt und geschnitten, nachdem ich im Laufe des vorhergehenden Jahres bereits aufs schärfste das Alter dieses Stadiums fixirt hatte. Bei der Behandlung der Schnitte bin ich mit unseren best ausgebildetsten Methoden vorgegangen, zur Fär- bung habe ich auf diesen Stadien nur die HEIDENHAIN’sche Eisen- hämatoxylinmethode angewandt und dadurch Serien erhalten, die bequem die stärkste Immersion aushielten. Als Konservirungsmittel habe ich die auch hier sich vorzüglich bewährende Heruan’sche Lösung benutzt. Wir wollen bei unserer Betrachtung von einem etwas älteren Stadium ausgehen. In einem gewissen Alter der Larve, etwa am 8. Tage!, tritt in der rechten Hälfte des Embryos, in geringer Ent- fernung vom Enddarme und etwas unterhalb der Schalendrüse ein kleiner Zellenhaufen auf, der dicht dem Ektoderm aufliest und sich auf den ersten Blick scharf durch eine kompakte Begrenzung von den rings umher liegenden Mesodermzellen unterscheidet. Dieser Zellenhaufen stellt die erste Herz-Nierenanlage dar. Ich gebe zur genauen Orientirung seiner Lage im Embryo zwei auf einander senk- rechte Schnitte in den Textfigg. 14 und 15. Erstere stellt einen Sagittalschnitt dar, geführt durch die rechte Körperhälfte des Em- ! Ich will hier bemerken, dass diese wie die früheren Altersangaben nur als ungefähre Anhaltspunkte aufgefasst werden dürfen, da recht bedeutende Schwankungen in dem zeitlichen Verlaufe der Entwicklung auftreten können. Im Spätsommer 1595, als ich mein erstes Material sammelte, ging die Entwick- lung in Folge der damals herrschenden abnorm hohen Temperatur um einige Tage schneller vor sich als im folgenden Jahre, und am langsamsten entwickel- ten sich die Embryonen im vergangenen Jahre, da hier in die Hauptlegezeit (Ende August) gerade eine Anzahl rauher Tage fiel. Ich bitte also, obige Zeit- angabe mit dieser Beschränkung, d. h. als Mittel aufzunehmen. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L.II. 623 bryos, etwas der Medianebene genähert, entsprechend der Linie ed auf Textfig. 15. Letztere dagegen stellt einen auf Textfig. 14 senkrechten Frontalschnitt dar, und zwar in der’ Höhe des End- darmes, unterhalb der Schalendrüse, entsprechend der Linie a/b we Pextfie. 14. Ich Ä hoffe, dass wir jetzt über die Lage dieses Punktes genau unter- richtet sind, man wird sich nach meiner bishe- rigen Schilderung der Organanlagenleichtauf beiden Schnitten zu- rechtfinden können. Lassen wir das spätere Schicksal die- ses Zellenhaufens zu- nächst bei Seite und s fragen wir uns nach ee seiner Herkunft.- Zwei Sagittalschnitt zur Veranschaulichung der Lage der Wucherungszone, Möglichkeiten sind hier *" voske die Her Mierennlag herorgeit, here In Te vorhanden, entweder er entsteht aus einer Zusam- _ menballung der umliegen- den Mesodermzellen, oder aber durch Auswanderung aus dem Ektoderm. Hier- bei ist zu bemerken, dass die erstere Art der Ent- stehung eigentlich mehr Texthieur 15. auf Grund negativer Be- Frontalschnitt zur Erläuterung derselben Verhältnisse, senk- fu B recht zu Textfig. 14. Das Nähere 'siehe ebenfalls im Texte. nde : bewiesen werden Bezeichnungen wie vorher. kann als dürch positive. Denn nehmen wir an, wir finden einige wenige Zellen im Mesoderm etwas zusammengeballt liegen, die eventuell die erste Anlage dieses Haufens sein könnten, so dürfen wir sie nur dann vom Mesoderm ableiten, wenn irgend ein Zusammenhang mit dem äußeren Blatt unter keinen Umständen nachweisbar ist. Die zweite Entstehungsart dagegen aus dem Ektoderm muss durch direkte Beobachtung dar- getkan werden. Allerdings sind diese Processe, die auf Wucherungen 41* 624 Johannes Meisenheimer, beruhen, ungleich schwieriger zu verfolgen, als Anlagen, die aus Ein- stülpungen und Faltungen hervorgehen, aber diese von Mesenchym erfüllten Formen neigen immer wieder zu dieser eigenthümlichen Entwicklungsweise hin. Wir fanden dies bereits bei der Otolithen- blase und beim Nervensystem, welch letzteres eben aus diesem Grunde bis in die neuere Zeit als mesodermal gegolten hat, wir finden es hier bei der Herz-Nierenanlage wieder. Kehren wir also zu unserem Zellenhaufen zurück, von dem ich vorausgreifend gleich angeben will, dass er sich in der That durch Auswanderung von Ektodermzellen bildet. Ich gebe zu seiner Ent- wicklung eine sorgfältigst ausgewählte Serie von Schnitten in den Figg. S2—90 auf Taf. XXXV, die unter Benutzung der Zeıss’schen apochromatischen Ölimmersion und Ocular II entworfen wurden. Der dargestellte Abschnitt des Schnittes passt stets genau in Textfig. 14 hinein, entsprechend der dort dunkel gehaltenen Partie, Schalen- drüse, Eiweißsack wie Fuß sind also in der dort angegebenen Weise auf den einzelnen Schnitten zu ergänzen. Jeder Schnitt ist natürlich einer besonderen Serie entnommen. Als erstes Zeichen der Auswanderung macht sich an der Wuche- ungsstelle eine Verdickung des Epithels bemerkbar, verbunden mit einem sofortigen Austritt einzelner Zellen (Fig. 82 wen). Die austreten- den Zellen wandern nicht von der Wucherungsstelle weg, sondern bleiben dicht daran liegen, sie lagern sich an der Seite derselben an, indem sie von den nachdrängenden, auswandernden Zellen ein wenig nach vorn und unten gedrängt werden, wie wir zunächst auf zwei jünge- ren Stadien in den Fig. 83 und 84 sehen. Wie mächtig diese Wucherungszone werden kann, das zeigt uns Fig. 85, wo außerdem eine Anzahl ausgewanderter Zellen auf dem nächstfolgenden Schnitte dieser Serie liegen .würde. In voller Stärke zeigt uns weiter noch die Auswanderung Fig. S6, welche Figur eben so wie die folgenden auch recht deutlich die kurze Verschiebung des Haufens erkennen lässt, aber stets bleibt derselbe dicht dem Ektoderm anliegen. Ein Nachlassen der Auswanderung tritt in Fig. 87 auf, das Ektoderm zeigt an der Auswanderungsstelle gleichsam einen Defekt, die Zahl seiner Zellen hat sich hier durch den starken Verlust erschöpft und bedarf wieder der Ergänzung. Diese stellt sich auch alsbald in Ge- stalt zahlreicher Theilungsfiguren ein, die wieder neues Zellenmate- vial liefern. Wir sehen solche Theilungen in Fig. 87, 89 und 90, ihr Auftreten an dieser Stelle ist für dieses Stadium charakteristisch. Die letzten Endphasen des ganzen Processes stellen die Figg. 88s—90 Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. - 625 dar, sie äußern sich im Austreten einzelner Zellen, gleichsam von Nachzüglern, die sich den nunmehr bereits scharf begrenzten und kompakten, stets seinem Mutterboden, dem Ektoderm, fest anliegen- den Zellenhaufen zugesellen. Wir sind somit mit der Bildung dieses Haufens auf unseren Ausgangspunkt zurückgekommen, wir kennen jetzt genau die einzelnen Phasen seiner Entstehung. Aber nochmals muss ich die Schilderung der weiteren Entwick- lung etwas hinausschieben, um noch einige Punkte, welche die Ent- stehung dieser ersten Anlage betreffen, zu diskutiren. Zunächst muss ich hervorheben, dass die Schnitte aufs sorgfältigste darauf hin ge- prüft sind, dass nicht etwa Flachschnitte des Ektoderms vorliegen, die eine Auswanderung vortäuschen könnten, rings um die ganze Anlage bewahrt das Ektoderm seinen einschichtigen Bau. Weiter besitzt der Zellenhaufen auf dem letztbeschriebenen Stadium, nament- lich wenn wir noch das an Fig. 90 sich direkt anschließende Stadium von Fig. 91 hinzunehmen, bereits eine solche Größe, dass eine etwaige Verwechslung mit anderen Organanlagen vollständig ausgeschlossen ist. Aber wie steht es mit den früheren Stadien? So überzeugend auch die oben gegebene Serie erscheinen mag, lassen sich nicht vielleieht doch noch Einwände gegen dieselbe erheben? Ich muss diese Frage bejahen, ich habe diese Einwände mir selbst gestellt und habe sie widerlegt. Es handelt sich darum, ob nicht etwa andere Organe in der Nähe sich gleichzeitig und auf ähnliche Weise anlegen. Gewiss ist dies der Fall, die Anlage der Ganglien bildet den erhobenen Einwurf. Hier in der hinteren Körperhälfte des Em- bryos entstehen hinter einander Visceral-, Pleural- und Abdominal- ganglien. Vor Allem kommen hier die am frühesten sich anlegen- den Visceralganglien in Betracht, und zwar naturgemäß das rechte. Zunächst muss ich hervorheber, dass die Anlage des Visceralgan- glions bedeutend seitlicher liegt als die oben als Herz-Nierenanlage beschriebene Wucherungsstelle, ferner dass sie tiefer liegt, d. h. mehr der Pleuralfurche genähert, drittens dass sie zeitlich später auftritt, viertens, dass ihre Zellen sofort nach der Auswanderung die Natur von Ganglienzellen erkennen lassen, und fünftens schließlich, dass sie sich sofort von ihrem Entstehungsorte ablösen und nach innen ihrer Vereinigung mit dem Schlundringe entgegenwachsen. Die beiden letzteren Punkte brauche ich nicht näher zu beweisen, man wird sie allenthalben in den Figuren von A. P. HENCHMAN be- stätigt finden. Namentlich ist die frühe Differenzirung zu Ganglien- zellen von Wichtigkeit, bestehend in einer sehr auffallenden Ver- 626 Johannes Meisenheimer, srößerung und Aufhellung des Kernes. Niemals ist bei den Zellen, um, die es sich hier handelt, ein solcher Vorgang zu bemerken, im Gegentheil, die Zellen heben sich gerade durch ihren dunkleren Ton scharf ab. Zuweilen findet man eine Zelle mit ganz hellem, sröße- rem Kerne, aber mit durchaus von Ganglienzellen verschiedenem Charakter, dies ist ohne jede Bedeutung, sie finden sich allenthalben hier und da im ganzen Körper zerstreut, im Ektoderm sowohl wie Mesoderm, und hängen wahrscheinlich mit Theilungsphasen zusammen, wie solche Veränderungen sich ja auch auf den ersten Alitelnngs- stadien mit Sicherheit nachweisen lassen. Wir kommen nunmehr zu Ort und Zeit der Entstehung. Um diese beiden genau zu fixiren, nehmen wir wieder den Frontalschnitt der Textfig. 15 vor, der in möglichst genauer Anpassung an die hier maßgebenden Stadien entworfen wurde. Die Zeit lässt sich aus der Größe der verschiedenen Anlagen ermessen, die Herz-Nierenan- lage bildet bereits einen mächtigen Haufen, die Visceralganglien da- gegen sind eben erst in der Anlage begriffen. Der Ort der Ent- stehung liegt viel seitlicher, der Urniereneinstülpung genähert und ferner, was auf der Figur nicht darzustellen war, in einem tieferen Niveau als Enddarm und Herz-Nierenanlage. In Wirklichkeit stellt der Schnitt also die Kombination zweier Ebenen dar, von denen die eine, wie schon erwähnt, der Richtung a/d von Textfig. 14 ent- spricht und Enddarm nebst Herz-Nierenanlage enthält, die andere derjenigen von «/ß und Amy unnume nebst Visveralganziien in sich fasst. Aber weiter — wie kommt es, dass A. P. HEncHMman in ihrer genauen Arbeit über das Nervensystem von Limax maximus nichts von diesem Zellenhaufen erwähnt. Ich kann nur annehmen, dass sie Ganglien- und Herz-Nierenanlage zuweilen vermengt hat. Prüfen wir darauthin einige ihrer Figuren, so unsicher und schwierig es auch ist, aus dem Stücke eines Schnittes heraus genau auf Schnitt- richtung und Ergänzung zu schließen. Auf Pl. I in Fig. 7—9 (l. e.) finden wir einen Embryo vom 7. Tage, an dem die Visceralganglien bereits mächtig entwickelt sein sollen. Vergleichen wir hiermit Stadien vom 8. Tage, wie etwa Fig. 16 auf Pl. II, so ist die Gan- glienanlage hier bedeutend schwächer angegeben, überhaupt erscheint der ganze Embryo jünger. Zunächst muss ich bemerken, das sämmt- liche hier abgebildete Embryonen, welche die früheste Ganglienan- lage zeigen, bedeutend älter! sind, als die Stadien, um die es Ich sehe dabei von der Bezeichnung nach Tagen ganz ab, die mit der Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 627 sich oben bei mir handelt, die Ausbildung des Fußes allein lässt dies sehon zur Genüge erkennen. Aber sehen wir nun jetzt einmal etwas genauer-Fig. 8 auf Pl. I an. Zwischen Fuß und Mantelfeld verläuft hier nicht mehr die flache Mulde, wie sie bei mir selbst noch auf Fig. 92 vorhanden ist, also einem für mich schon recht späten Stadium der Herz-Nierenanlage, sondern tiefe Faltungen sind .an ihre Stelle getreten, genau ent- sprechend meiner Fig. 94 auf Taf. XXXV. Diese Falten stellen, wie ich hier voraus bemerken will, die Bildung von Lungenhöhle und Nierenausführgang dar und sie liegen auf der rechten Seite. Der fragliche Schnitt muss also von der rechten Seite des Embryo sein und nicht von der linken, wie A. P. HENcHMAN angiebt, der mit esc.s bezeichnete Zellenhaufen stellt ohne Zweifel die Herz-Nieren- anlage dar (vgl. meine Fig. 94). Ein Irrthum im Auflegen der Sehnitte kann leicht diesen Fehler hervorrufen, die Serie muss mit Fig. 7 (42) beginnen und mit Fig. 9 (18) und Fig. S (16) enden. Die wirkliche Anlage der Visceralganglien haben wir dagegen in Fig. 17 und 18 auf Pl. II vom 7. Tage, und in Fig. 16 auf Pl. I vom 8. Tage vor uns. Die in Fig. 7 und 9 von der oben besproche- nen Serie ‚dargestellten Ganglienhaufen mögen denselben in Wirk- liehkeit entsprechen, sind aber schon recht späte Stadien derselben und haben bereits einige Verschiebungen nach innen erlitten, wie namentlich das rechte (vsc.s) zeigt, wofern nicht letzteres, was mir wahrscheinlich erscheint, noch ein Theil des Zellenhaufens von Fig. 8 ist. Zweck dieser ganzen Auseinandersetzung war nur, meine Än- sicht von der örtlichen wie zeitlichen Entstehung der Visceralganglien noch schärfer darzuthun, die allgemeinen Resultate der vorzüg- lichen Arbeit von A. P. HencHwman werden durch diese Kritik ein- zelner Figuren nicht im geringsten beeinträchtigt. Betreffs der Pleural- und Abdominalganglien kann ich mich kürzer fassen, beide entstehen noch später als die Visceralganglien, beide liegen ebenfalls in einem tieferen Niveau, erstere ganz seitlich, letzteres mehr dem linken Visceralganglion genähert, Zeit und Ort. ihrer Entstehung können also noch weniger zu Verwechslungen führen. Die oben für die Visceralganglien angegebene frühe Diffe- renzirung im Bau der Zellen und die baldige Ortsverschiebung gelten natürlich in gleichem Maße auch für sie. meinigen Entwicklungsreihe gar nicht stimmt, in so fern in Cambridge die Entwicklung um einige Tage schneller zu verlaufen scheint. 628 Johannes Meisenheimer, Nunmehr wollen wir endlich in der Betrachtung der weiteren ‘ Differenzirung unseres Zellenhaufens fortfahren. Zunächst nimmt er schnell an Größe zu, ohne seine Lage dicht am Ektoderm zu ver- ändern. Ein etwaiges Hinzutreten von Mesodermzellen habe ich nie zu beobachten vermocht, dieselben liegen regelmäßig vertheilt in der Umgebung des Haufens, etwas dichter in der Regel am Rande der Schalendrüse und um den Enddarm. Die Herz-Nierenanlage hebt sich stets durch ihre kompakte Geschlossenheit scharf von ihnen ab. Allmählich wachsen ihre Zellen in einer ganz bestimmten Rich- tung aus und zwar beginnen sie, sich nach oben in den freien Raum zwischen Schalendrüse und Eiweißsack vorzuschieben (Fig. 92). Dieses Auswachsen führt schließlich zur Sonderung zweier Theile dieses Haufens, eines, der dicht dem Ektoderm anliegend bleibt, und eines zweiten, der eben ins Innere des Körpers hineinwuchert. In ersterem macht sich eine früheste Differenzirung darin bemerkbar; dass seine Zellen sich allmählich epithelial anzuordnen beginnen, ganz schwach ausgeprägt in Fig. 93, stärker in Fig. 94 (2 und %), noch mehr in Fig. 95, und schließlich in Fig. 96 ist daraus ein kleines Bläschen mit deutlichem Lumen hervorgegangen. Die Abtrennung von den übrigen Zellen veranschaulicht am deutlichsten Fig. 95, wo das Rohr zu drei Viertel fertig gebildet ist, zu einem Viertel aber noch ohne Abgrenzung in die gemeinsame Zellenmasse übergeht. Es stellt dieses Bläschen nichts Anderes dar als die bleibende Niere. Am Ek- toderm erkennen wir außer der oben bereits geschilderten Einstül- pung der Lungenhöhle eine darüber gelegene zweite Einstülpung (ze), wie wir später sehen werden, die erste Anlage des primären Ureters. Ihm liegt das Nierenbläschen dicht an. Alles übrige mit der Niere aus gemeinsamem Mutterboden her- vorgegangene Zellenmaterial liefert Herz und Perikard, die weitere Ausbildung besteht zunächst in einer Verschiebung des ganzen, immer mächtiger werdenden Komplexes zwischen Schalendrüse und Eiweiß- sack, resp. die während dieser Vorgänge sich nach oben vordrängende Lungenhöhle. Aber wir sind jetzt in der Entwicklung so weit gediehen, dass es gut sein wird, beide Organkomplexe getrennt zu behandeln, und dies wollen wir in den beiden folgenden Kapiteln thun. 7. Herz und Perikard. Herz und Perikard gehen, wie wir eben gesehen haben, aus einer gemeinsamen Anlage mit der Niere hervor, ein und derselbe Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. LI. 629 Zellenhaufen differenzirt sich in diese beiden, in ihren Funktionen so verschiedenen, aber stets in engem Zusammenhange bleibenden Organe. Nach unseren bisherigen herrschenden Anschauungen müsste ich nun die Schilderung mit der Bildung des Perikards beginnen, da dieses im Allgemeinen als das Primäre angesehen wird. Wir werden gleich sehen, dass bei Limax maximus der Process ein ge- rade umgekehrter ist, dass nicht die Anlage des Perikards die Grund- lage für den weiteren Fortgang der Entwicklung ist, sondern der Herzschlauch. Wir hatten die Herz-Nierenanlage verlassen, als sich der Nieren- kanal zu differenziren begann, und die übrige Masse sich in der Richtung der Schalendrüse auszog. Diesen Process weiter fortge- schritten sehen wir in Fig. 97 auf Taf. XXXVI. Noch liegt eine ziemlich kompakte Zellenmasse (A) dicht der Lungenhöhle (/}) an, ein Theil hat sich lang in Gestalt eines unregelmäßigen Stranges ausgezogen und bereits die gegenüberliegende Schalendrüse erreicht. Ich möchte hier zur Orientirung noch bemerken, dass wir, wie ich übrigens schon andeutete, zur Fixirung der uns hier interessirenden Organe stets zwei feste Punkte in Schalendrüse und Lungenhöhle haben, zwischen diesen beiden spielen sich alle im Folgenden ge- schilderten Vorgänge ab, auf allen Figuren, der Schnitt mag geführt sein, wie er will, stets sind diese beiden Organe in derselben Lage- rung vorhanden, was außerordentlich den Überblick erleichtert. Die Bildung des Herzschlauches (}) weiter vorgeschritten zeigt uns Fig. 98 auf Taf. XXXVI. Mehr und mehr schieben sich die fraglichen Zellen nach links unter die Schalendrüse hin, einen Hohl- raum von unregelmäßiger Gestalt umschließend, von dem übrigens eine Andeutuung bereits auf Fig. 96 auf Taf. XXXV vorhanden ist. _ Denselben Hohlraum zeigt auch Fig. 106 auf Taf. XXXVI (Al), nur hier ebenfalls im Querschnitt, d. h. das Organ ist im Querschnitt ge- troffen, das Ganze ist natürlich ein Sagittalschnitt. Unterhalb des Herzschlauches ist der Nierenkanal getroffen, beide Organe sind noch eng mit einander verbunden und durch das Wachsthum von Lungen- höhle und primären Ureter nach innen gedrängt. Näheren Aufschluss über den Hohlraum innerhalb des Herzstranges und zugleich einen bedeutenden Fortschritt in der Entwieklung giebt uns Fig. 99. Der Strang (A) ist hier genau in der Längsrichtung getroffen, der Hohl- raum im Inneren ist nach beiden Seiten offen, er geht direkt in die Lymphräume des Körpers zwischen den Mesenchymzellen über. Wir haben also hier den einfachen Process vor uns, dass ein Zellenhaufen 630 Johannes Meisenheimer, sich in die Länge streckt und mit seinen Zellen einen Hohlraum umspannt, um auf diese Weise sich in das Lymphgefäßsystem des Körpers einzuschalten und ein das Ganze treibendes Organ, eben das Herz, zu bilden. Seine Wandung wird aber nicht von Mesen- chymzellen, wie bei den Blutgefäßen, dargestellt, sondern von Zellen, die ihrer Genese nach scharf von denselben zu trennen sind. | Noch ein zweiter Punkt ist auf diesem Stadium von außer- ordentlicher Wichtigkeit. Wir sehen, dass der Schlauch nicht in gleicher Dicke die Höhlung im Inneren umschließt, sondern dass er nach der Mitte an Umfang zu, nach den Seiten dagegen allmählich abnimmt und schließlich im Mesenchym verläuft. Diese Bildung stellt nichts Anderes dar, als die Anlage des Septums zwischen Vor- hof und Kammer, wie dies beim Vergleiche mit den sich direkt an- schließenden Stadien klar zu Tage tritt. Betrachten wir nochmals kurz dieses Stadium, so sind jetzt bereits alle Theile des Herzens in den ersten Zügen angelegt. Wir haben eine Herzhöhlung, ferner ein Septum, welches Vorhof und Kammer trennt, die ihrerseits in die Lymphräume des Körpers übergehen, von denen der mit dem Vorhof in Verbindung stehende die Vene, der in die Kammer mün- dende die Aorta liefert. Nur eines fehlt noch gänzlich, nämlich das Perikard, nicht die geringste Spur eines solchen ist auch nur an- deutungsweise vorhanden. | Wenden wir uns nunmehr zum folgenden Stadium, zu Fig. 100. Diese stellt eine einfache Weiterbildung der von Fig. 99 beschrie- benen Verhältnisse dar, wenigstens so weit es den Herzschlauch selbst betrifft. Das Perikard, welches sich auf diesen Stadien anlest und hier bereits in den ersten Anfängen (p%) vorhanden ist, lassen wir augenblicklich unberücksichtigt, um in einem besonderen Ab- schnitte seine Bildung im Zusammenhange zu betrachten. Eben so lasse ich die auf diesen Schnitten getroffenen Nierenabschnitte hier unbesprochen, man wird dieselben nach dem Studium der Nieren- entwicklung sich ohne Schwierigkeit verständlieh machen können. Der Fortschritt in der Herzbildung besteht auf diesem Stadium vor Allem darin, dass sich nunmehr das Septum (sept) zwischen Vorhof und Kammer schärfer auszuprägen beginnt, was noch mehr in Fig. 101 hervortritt. Eine weitere Veränderung ist fernerhin die, dass die Wandung des Herzschlauches in Folge der Perikardbildung sich ver- dünnt, da letzterer Process sich auf Kosten eines Theiles des ur- sprünglichen Herzschlauches vollzieht, den wir also streng genommen gar nicht als solchen kurzweg bezeichnen dürften. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. | | 631 Die folgenden Figuren sollen nun noch die weitere Ausbildung des bereits vollständig differenzirten Herzschlauches erläutern. Be- trachten wir zunächst die Schnitte Figg. 102, 103 und 105 auf Taf. XXXVI im Zusammenhange. Auf allen dreien sehen wir das aus massiven Zellensträngen gebildete Septum (sepz), welches in der Mitte eine kleine Kommunikationsöffnung beider Abschnitte frei lässt. Die Weiterentwicklung beschränkt sich fast vollständig auf die Aus- bildung und Differenzirung der Herzwand. Nach Abschnürung des Perikards tritt eine Scheidung der Zellen der Herzwand auf, ein Theil wandelt sich in abgeflachte Endothelzellen (}.ez) um, ein Theil verlagert sich als langgestreckte Muskelzellen (R.mz) ins Innere. Am vollendetsten ist dieses Verhalten in Fig. 105 ausgeprägt, nur das Septum behält seine ursprüngliche Beschaffenheit bei. Weiter ist zu bemerken, dass die Kammer gegenüber dem Vorhof einen bedeutend stärkeren Bau besitzt. Stets ist erstere von einem feinen Häutchen, eben den Endothelzellen, scharf begrenzt und besitzt in ihrem Inneren zahlreiche Muskelzellen, der Vorhof dagegen zeigt auf diesen Stadien noch eine oft unterbrochene Wandung, die sich im Mesenehymgewebe verliert und erst allmählich auf späteren Stadien schärfer ausprägt. Natürlich mündet auf allen diesen Stadien auch die Kammer in einen solchen Lymphraum aus, da aber in Folge der schiefen Lage des Herzens diese Mündung gewöhnlich nur seitlich getroffen ist, und diese Schnitte vom übrigen Herzen nichts oder nur sehr wenig zeigen, so mussten zur Erläuterung dieser Vorgänge hauptsächlich solche Schnitte genommen werden, auf denen die Kammer als ab- geschlossener Raum erscheint. Der Lage nach erstreckt sich das Herz fast quer von rechts nach links durch den Körper, der Vorhof rechts, die Kammer mehr nach links gelegen, wie es auch beim erwachsenen Thiere der Fall ist. Das ganze Organ dreht sich nur etwas in die Längsachse des Körpers, eine schiefe Lage behält es aber stets bei. Zum Schlusse will ich nun noch eine bisher ganz unberücksich- tigt gelassene Figur besprechen, nämlich Fig. 104 auf Taf. XXXVI. Wir sehen hier innerhalb einer ziemlich weiten Höhlung, dem Peri- kard, einen massiven Zellenstrang liegen, der durch einen tiefen Einschnitt in einen kleineren und größeren Abschnitt getheilt ist, derart, dass zwischen beiden eine enge Verbindungsbrücke bestehen bleibt. Nach allem Bisherigen müssen wir diese beiden Abschnitte als Vorhof und Kammer ansprechen, den Einschnitt zwischen beiden als Stelle des Septums. Es stellt diese Figur das Herz in stärkster 632 | Johannes Meisenheimer, Systole dar, hervorgerufen, und dies ist das Interessanteste hierbei, durch die Art der Konservirung. Der Embryo, von dem dieser Schnitt stammt, wurde nämlich mit Pikrinschwefelsäure behandelt, und alle derartig behandelten Embryonen zeigten mir diese Bilder (auf späteren Stadien mit engem Lumen) mit so absoluter Sicherheit, dass ich aus dem Verhalten des Herzens auf die Art der Konser- virung schließen konnte. Das entgegengesetzte Verhalten zeigen die mit Sublimat behandelten Embryonen, hier findet sich das Herz stets in Diastole, ein mittleres und wohl natürlichstes Verhalten ruft HERMAN’Sche Lösung hervor. | Diese Beobachtung verdient ein besonderes Interesse desshalb, weil sie zeigt, wie sehr unter Umständen die Beobachtung von der Art der Konservirung abhängig ist und von ihr beeinflusst wird, wie die einseitige Anwendung einer einzigen Methode leicht zu funda- mentalen Irrthümern führen kann. So würde hier ein Beobachter, der nur mit Pikrinschwefelsäure behandelte Objekte vor sich gehabt hätte, sicherlich über die Anlage der Herzhöhle auf falsche Bahnen seleitet worden sein. Auch mir haben diese Präparate Anfangs große Schwierigkeiten gemacht, da das Fehlen einer centralen Höhlung mit meinen anderen Serien in direktem Widerspruch zu stehen schien. Wenden wir uns nunmehr, nachdem wir das Herz in seiner vollen Entwicklung kennen gelernt haben, zu der bisher vernach- lässigten Perikardbildung. Wir müssen zu diesem Zwecke wieder auf verhältnismäßig junge Stadien zurückgehen. Als Ausgangspunkt möge ein Stadium der Herzentwicklung wie etwa Fig. 106 auf Tafel XXXVI dienen, welches uns das Herzrohr im Querschnitt zeigt. Vom Perikard ist nocb keine Spur vorhanden. Ein etwas älteres Stadium dagegen (Fig. 107) lässt sofort einen sehr bemerkens- werthen Unterschied erkennen. Zur Erläuterung des Folgenden will ich hier kurz einschieben, dass wir diese ganze Anlage am besten auf Querschnitten des Herzens verfolgen, natürlich in stetem Ver- gleiche mit Längsschnitten. Fig. 107 zeigt also, wie der Herzschlauch die ganze Breite zwischen Lungenhöhle und Schalendrüse eingenommen hat und wie ferner außer der Herzhöhlung innerhalb des Herzstranges noch weitere Spalträume aufgetreten sind, unter denen namentlich zwei zu unterscheiden sind. Der eine liegt mehr nach hinten und dorsalwärts, direkt unter dem Schalendrüsenepithel (A.p4), der andere nach vorn gegen die Lungenhöhle zu (v.p%). (Vgl. hiermit Serie I, or} Entwicklungsgeschichte von Limax maxımus L. II. 633 g—k auf Taf. XXXVIIL) Noch deutlicher prägen sich beide Spalt- räume auf den beiden folgenden Stadien aus, in Fig. 108 ist die Zunahme noch gering, in Fig. 109 aber haben sie das Herz schon nahezu umschlossen (vgl. Serie II, e—: auf Taf. XXXVII und XXXIX). Das Zustandekommen dieser Spalträume ist auf eine An- sammlung von Flüssigkeit innerhalb des ursprünglichen Herzstranges zurückzuführen, die Wandung des Perikards wird also direkt sebildet von der äußeren sich loslösenden Schicht des Herzschlauches, aber nicht etwa von neu hinzutretenden Mesenchymzellen, wie man vielleicht vermuthen könnte und wie, wie wir weiter unten sehen werden, auch bereits geäußert worden ist. Der innige Zusammenhang beider Schichten schließt einen solchen Bildungsprocess vollkommen aus, zumal auf jungen Stadien bereits die ganze Herzanlage so dicht Schalendrüse wie namentlich Lungen- höhle anliegt, dass neue Zellen gar keinen Raum zu weiterem Ein- dringen hätten. Nie bemerkt man außerdem in der Umgebung irgend wie eine besondere Verdichtung oder ein Zuwandern von Mesoderm- zellen, sondern sie erfüllen ganz gleichmäßig die Leibeshöhle, ohne von diesen Vorgängen im geringsten berührt zu werden. Hätte man nur spätere Stadien vor sich, wie etwa von Fig. 110 an, so würde eine solche Auffassung vielleicht plausibler erscheinen, aber in Rück- sicht auf die jüngeren Stadien, die natürlich allein Ausschlag gebend sein könnten, ist ein solches Verhalten ganz undenkbar. Die Lage der beiden zuerst auftretenden Spalträume ist eine sanz konstante, stets lassen sie sich auf diesen Altersstadien in der gleichen typischen Weise darthun. Der hintere, dorsale Spaltraum (h.pk) ist schmäler und ausgebreiteter als der vordere, ventrale (v.p%), der sich durch seine Geräumigkeit auszeichnet und mit einem Zipfel schon frühzeitig weit nach rechts reicht, eine Stelle, die genau der späteren Einmündung des Perikardialnierenganges entspricht, ja an dieser Stelle erfolgt überhaupt die erste Anlage (Fig. 107), während die Niere ebenfalls schon frühe eine Ausbuchtung in die Nähe dieser Stelle sendet. Die sich allmählich immer mehr ausdehnenden Spalträume schälen den Herzschlauch gleichsam aus einer Hülle heraus, und die Hülle bildet dann das Perikard. In Fig. 109 sind die Verbindungs- brücken beider Zellschichten schon weniger zahlreich und breit als in Fig. 108. Gegenüber Fig. 107 bemerkt man, wie das dort noch reichlich an der Lungenhöhle aufgehäufte Bildungsmaterial, welches sich in Fig. 108 bereits durch einen feinen Spalt vom Herzschlauch 634 Johannes Meisenheimer, getrennt hat, nunmehr zum größeren Theile bereits in der Bildung des Perikards aufgegangen ist, um schließlich in Fig. 110 einen weiten, aus einschichtigem Epithel bestehenden Sack zu bilden, der nur noch an der Stelle, wo früher die Hauptmasse des Bildungs- materials angehäuft war, nämlich an der Lungenhöhle, mehrschichtig ist. Schließlich reißen auch noch die letzten Verbindungsbrücken ein, und der Herzschlauch ragt frei in das Perikard hinein (Fig. 111 auf Taf. XXXVI. Die vollständige Abschnürung des Herzschlauches, die aber natürlich nur so weit zu verstehen ist, dass sowohl am Ende des Vorhofes wie der Kammer Herz und Perikard kontinuirlich zusammenhängen, erfolgt derart, dass nach der Seite der Kammer hin die Perikardialhöhle vor Allem dorsalwärts um sich greift, während ventralwärts die Verlöthung, resp. der Übergang in die Aorta vor sich geht (Fig. 111). Dass aber nach der Mitte der Kammer zu auch ventralwärts das Perikard sieh vom Herzschlauch völlig trennt, das zeigt Fig. 112 auf Taf. XXXVI. Nach dem Vorhofe zu greift dagegen die Perikardialhöhle nur wenig über das Septum hinaus vor, seine stärkste Ausbildung liegt zunächst nur auf der Seite der Kammer, von weleher Region auch die Querschnittserie stammt, die sanze Anlage beginnt überhaupt auf der Seite der Kammer. Die eben geschilderten, etwas komplieirten Verhältnisse erläutern am besten zum Schlusse noch einige der Längsschnitte des Herzens. Zunächst zeigen uns die Fisg. 100 und 101 auf Tafel XXXVI den oben »vorderen« genannten Spaltraum deutlich in einer noch ge- . ringeren Ausdehnung (pA), während in Fig. 102 das Perikard die Kammer bereits vollständig frei gelegt hat, am Vorhof aber nicht über das Septum hinaus vorgedrungen ist. Ähnlich ist die Ausbil- dung des Perikards in Fig. 103, wo es durch das diastolische Herz fast ganz verdrängt ist. Schließlich zeigen die Figg. 104 und 105 den Herzschlauch frei in dem Perikard liegen, nur an beiden Enden mit ihm verlöthend (in beiden Fällen ist nur die Verlöthungsstelle mit dem Vorhofe getroffen). _Der Vorhof ist jetzt auch schon zum größ- ten Theile vom Perikard losgelöst. Fig. 105 erläutert zugleich auch die Art der Niereneinmündung, welche auf dem Schnitte mit getroffen wurde (png). Die freie Lage des Herzschlauches im Perikard zeigen uns schließlich auch noch Querschnitte der ganzen Anlage wie auf den Figg. 121 und 122 auf Taf. XXXVI. Schließlich will ich zur Erläuterung der oben geschilderten Ver- hältnisse noch eine Serienreihe vorlegen, welche die Perikardbildung in einem mittleren Stadium der Entwicklung zeigt (siehe Serie IV aut Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 635 Taf. XL). Wir schreiten von der rechten Seite zur linken fort und be- sinnen in Fig. IVa mit dem Vorhofe, der über dem Nierenkanal im Querschnitt getroffen ist. IV zeigt das Auftreten des äußersten Peri- kardzipfels (vp%) mit der Einmündung des Perikardnierenganges (pxg), IVe die Vergrößerung des vorderen Perikardialraumes und Hinzu- treten eines zweiten, nach hinten gelegenen (h.p%), weiches Verhält- nis auch in IVd gewahrt bleibt. wo wir übrigens bereits die Kammer im Querschnitt vor uns haben. In IVe verschmelzen dorsalwärts über der Kammer beide Hohlräume, um endlich in IV/ wieder zu schwinden, während der Herzschlauch in ein Lymphgefäß (2g) überführt. Das Hauptergebnis unserer Untersuchung in diesem Kapitel hätten wir also darin zu suchen, dass nicht das Perikard das Primäre ist, aus dessen Wandung sich der Herzschlauch entwickelt, sondern dass gerade umgekehrt der Herzschlauch das Primäre ist, und sich von diesem erst das Perikard durch Abspaltung bildet. Gehen wir in der Anlage noch weiter zurück, so treffen wir auf den aus Ek- todermzellen bestehenden Zellenhaufen, es kann also keine. Frage sein, — so unwahrscheimlich es auch klingen mag —, bei Limax maximus sind Herz und Perikard rein ektodermale Bildungen. Es fragt sich nun, wie sich hierzu die bisher vorhandene Litteratur stellt. Stellen wir zunächst die meinen Beobachtungen am nächsten kommenden Untersuchungen zusammen. Sehr auffallend ist es, dass wir in der ältesten Arbeit über die Entwicklung von Limax, m derjenigen von VAN BENEDEN und WINDISCHMAN, bereits ganz ähn- _ liehe Angaben über die Herzentwicklung finden, wie die hier vorge- tragenen. Das Herz erscheint zunächst als rundliche, einheitliche Höhlung, die sich durch eine Einschnürung in der Mitte in Vorhof und Kammer zerlegt. Alsdann tritt eine Membran um diese Anlage auf, eben das Perikard. Weiter lässt LEREBOULLET bei Limnaeus zuerst das Herz mit Vorhof und Kammer entstehen, dann erst das Perikard. Hieran schließen sich die Untersuchungen For’s an Wasser- pulmonaten. Danach entsteht hier das Herz als ein Hohlraum im Mesoderm, der von platten Zellen umgeben ist und sich in Vorhof und Kammer theilt.. Das Perikard freilich soll sich dann durch eine Umhülluns: von Mesodermzellen bilden, wahrscheinlich aber wird die Perikardbildung hier in gleicher Weise wie bei Limax verlaufen, da der Delaminationsprocess beim Fehlen nur weniger Zwischenstadien leicht übersehen oder falsch gedeutet werden kann (vgl. übrigens meine Bemerkungen oben über diesen Punkt). Die Differenzirung 636 Johannes Meisenheimer, der Herzwandung in Endothel- und Muskelzellen hat FoL eben so wie die meisten folgenden Beobachter richtig beschrieben. An den Landpulmonaten hat er nur Weniges über die Herzanlage ermitteln können, dieses steht in Übereinstimmung mit den Wasserpulmonaten. GEGENBAURS Angaben über die Herzentwicklung von Limax agrestis sind zu spärlich, als dass sie hier mit Nutzen verwandt werden könnten, bei Clausilia soll es als ein Zellhaufen über der Leber entstehen, der sich durch eine ringförmige Einschnürung in Vorhof und Kammer theilt. Auf SCHALFEEW’s Ansichten über die Herz-Nierenbildung von Limax komme ich erst weiter unten zurück. | Leider hat RAßL bei Planorbis die Herzentwicklung nicht zu verfolgen vermocht, den kleinen, freilich nach ihm mesodermalen Zellhaufen, in dem wir die ganze Herz-Nierenanlage erkannt haben, hat er von allen bisherigen Beobachtern allein bereits mit voller Schärfe beschrieben, bei der Nierenentwicklung komme ich darauf zurück. Von Wichtigkeit sind weiterhin die Beobachtungen JoYEux- LAFFUIE’s an Onchidium celticum. Zwar ist seine Darstellung etwas unklar; wie bereits v. ERLANGER hervorhebt, aber ich will versuchen, auf Grund meiner oben dargelesten Anschauungen das Verständnis derselben zu erleichtern. Zunächst treten zwei mit einander kommu- nieirende Bläschen auf, Vorhof und Kammer, welche Kontraktionen auszuführen vermögen. Die nun folgende Beschreibung ist so zu erklären, dass sich von der Wandung dieses Herzschlauches, der mitten im Mesenchym liegt und sich so nur schwer abhebt, das Peri- kard loslöst, die vorher nicht sichtbaren Wände des Herzschlauches werden dadurch frei und treten nun klar zu Tage. Man sieht also, wie ungezwungen sich Onchidium in seiner Herzentwicklung an Limax anschließen lässt. | Von höchster Bedeutung für meine Auffassung sind endlich die Beobachtungen For’s an einer etwas entfernteren ‘Gruppe, den Pteropoden. Dicht neben der Niere, die sich aus einer Ektoderm- verdickung bildet, entsteht das Herz aus einer Anhäufung von Meso- dermzellen, so dass dann zwei kleine Bläschen eng neben einander liegen. Wenn es auch voreilig wäre, hier ohne Weiteres ebenfalls eine gemeinsame Anlage anzunehmen, deren Trennung FoL übersehen hätte, so ist dies doch jedenfalls nicht ausgeschlossen. Sicher ist, dass das Herzlumen auch hier das Primäre ist, das Perikard das Sekundäre, welch letzteres freilich hier ebenfalls sich durch eine Um- Entwicklungsgeschichte von Bimax maximus L. 11. | 637 hüllung von Mesodermzellen bilden soll. Seine Beschreibung, wie der Perikardial-Nierengang zuerst unmittelbar an der Herzwand mündet und beim Auftreten des Perikards sich in diesen öffnet, entspricht vollkommen den Verhältnissen bei Limax maximus. Bei Nassa giebt BOBRETZKY die Herzentwicklung nur andeutungs- weise an, indem am Grunde der Kiemenhöhle eine kompakte An- häufung von Mesodermzellen auftritt, in welcher sich späterhin eine Höhle bildet, aus der das definitive Herz hervorgeht. Leider sind diese Angaben zu unklar, um sichere Schlüsse daraus zu ziehen, jedoch will ich hervorheben, dass er im Texte nichts von einem Perikard erwähnt und dass er das Herz nur als diekwandiges Bläs- chen zeichnet (siehe seine Fig. 22 auf seiner Taf. IX). Nunmehr komme ich zu einer Reihe von Untersuchungen, die mit meinen Resultaten in direktestem Widerspruche stehen, in so fern sie das Perikard als das Primäre hinstellen, den Herzschlauch erst sekundär davon ableiten, ich meine hier vor Allem die Ent- wicklung von Paludina, wie sie uns von BürscHLı und dann von V. ERLANGER dargestellt wird. Die erste, paarige Anlage des Peri- kards besteht aus zwei Mesodermhaufen, die ein deutliches Lumen besitzen, mit einander verschmelzen und zunächst noch durch ein Septum getrennt, schließlich einen einheitlichen Raum bilden. Das ‘ Herz entsteht in diesem weiten Sacke als eine Einstülpung an der hinteren Wand, eine lange, sich zum Herzschlauche abschließende Rinne bildend. Vorn und hinten bleibt dieser mit dem Perikard verbunden, eine Einstülpung in der Mitte führt zur Bildung von Vorhof und Kammer. Dies ist in kurzen Zügen die v. ERLANGER- sche Darstellung. Schärfere Gegensätze als zwischen unseren beiden - Entwieklungsmoden kann es kaum geben, es ist vor der Hand unmög- lich, beide irgend wie in Beziehungen zu setzen, ehe nicht entweder _ durch erneute Untersuchungen die eine oder die andere in anderem Lichte erscheint, oder aber vermittelnde Zwischenstufen aufgefunden werden, was freilich nicht leicht vorstellbar ist. Die frühesten Stadien der Perikardbildung nach v. ERLANGER’S Angaben haben übrigens durch TÖNNIGES eine theilweise Bestätigung erfahren, nur besteht die erste Anlage in zwei soliden Anhäufungen von Mesodermzellen, die dicht dem Ektoderm anliegen, dann einen Hohlraum in ihrem Inneren bilden und schließlich zu einer einheit- liehen Höhle verschmelzen. So weit gehen die Beobachtungen von TÖNNIGES, er spricht zwar dann noch von der Bildung des Herzens als einer Einfaltung der Perikardialwand, unterlässt aber leider, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 42 638 Johannes Meisenheimer, gerade diese unmittelbar folgenden Stadien, die von größter Bedeu- tung wären, in Schnitten näher darzulegen. Wenn v. ERLANGER zu seinen Gunsten die Angaben SCHALFEEW’S über Limax agrestis verwerthet, so ist hier zu bemerken, dass dessen Angaben sicherlich auf vollständig falscher Basis beruhen hervorgerufen durch das Fehlen einer großen Zahl von Zwischen- stufen. Nach SCHALFEEW soll nämlich das Perikard aus einem kom- pakten Zellenhaufen entstehen, der sich aushöhlt. An der unteren Wand des Perikards soll dann durch eine Verdiekung das Herz entstehen. Es ist keine Frage, dass er die Herzhöhle mit der Peri- kardhöhle verwechselt hat und dass seine Herzbildung auf einer falschen Deutung späterer Stadien beruht. (Im Übrigen vgl. über denselben Punkt unter »Niere«.) Was nun Bythinia betrifft, so scheinen mir hier die von v. Er- LANGER gegebenen Stadien durchaus nicht so sicher die Überein- stimmung mit Paludina zu beweisen, wie dieser Autor möchte. Die früheste Anlage des Herzens, die er darstellt, ist durch sein Stadium J repräsentirt, wo das Perikard erst wenig größer ist als die Niere, wo aber die Bildung des Herzens schon weit vorgeschritten ist. Man vergleiche den diesem Stadium J entsprechenden Schnitt in Fig. 14 seiner Taf. XXVI, welcher die erste Herzanlage dar- stellen soll, mit meinen Bildern, und man wird sofort erkennen, dass er den ältesten Stadien meiner Darstellung vollständig entspricht siehe meine Figg. 110 und 111 etwa). Dass das Herzlumen bei v. Er- LANGER nach außen führt, beruht darauf, dass der Schnitt nahe der Einmündung in die Aorta geführt ist (vgl. meine Fig. f auf Serie IV). Auf jeden Fall fehlen die Zwischenstufen zwischen diesem Stadium J und den vorhergehenden G und HZ. Ich vermisse den Beweis, dass der auf diesen Stadien als Perikard gedeutete Hohlraum auch wirklich dieses ist und nicht etwa der Herzschlauch selbst, aus dem sekundär das Perikard hervorgeht. Nicht bewiesen erscheint mir ferner die Auffassung der Herz-Nierenanlage als Rest eines ursprüng- lich paarigen Cöloms, man betrachte die Fig. 9 seiner Taf. XXVL sie passt sofort in die von mir aufgestellte Entwicklungsreihe hinein (vgl. meine Fig. 96 auf Taf. XXXV), indem wir hier die erste Differenzirung aus dem gemeinsamen Zellenhaufen seiner Fig. S vor uns haben. Das frühere Schieksal dieses Zellhaufens scheint mir durchaus noch nicht in genügender Weise klar gestellt zu sein. Die Angaben Sarasın’s sind leider über diesen Punkt zu spär- lich, als dass man daraus ein sicheres Urtheil gewinnen könnte, nach Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 639 ihm entsteht der Herzbeutel aus einer Anzahl von Mesodermzellen. Das von ihm gegebene Stadium der Herzentwicklung ist ebenfalls zu alt, die sanze Anlage ist bereits scharf differenzirt, eine Entscheidung, welches Lumen das primäre ist, nicht mehr möglich. Am energischsten tritt neben v. ERLANGER für die Existenz eines Cöloms bei den Mollusken SALENSKY ein. Das Mesoderm, aus welchem das Perikard hervorgeht, soll unpaar unter der Schalendrüse direkt aus dem Ektoderm hervorgehen, in seinem Inneren eine Höhlung entstehen lassen und so das Perikard darstellen, aus dessen Wandung sich schließlich der Herzschlauch herausbildet. So ver- loekend es für mich wäre, diese Beobachtungen in dem Sinne umzu- deuten, dass die ektodermale Wucherungsstelle unter der Schalen- drüse nicht einen Bildungsherd des Mesoderms darstelle, son- dern eine direkte Organanlage, eben des Herzens und Perikards, repräsentire, ich wage nicht, allein auf seinen Darstellungen fußend, es zu thun. Seine Bilder erscheinen mir bei Weitem nicht über- zeugend genug, die Entstehung von Herz und Perikard kann auch hier bei Vermetus noch nicht als endgültig erledigt betrachtet werden. | Der Vollständigkeit halber will ich weiter hier noch GANIN an- führen, der für eine ganze Anzahl von Formen ebenfalls eine Ent- stehung des Herzens aus einer Verdickung der rückständigen Peri- kardwandung angiebt. In der Mitte des verlängerten, soliden Herzwulstes bildet sich dann eine Einschnüruug aus, die Atrium und Ventrikel scheidet. Eine gemeinsame Anlage von Herz und Niere nimmt übrigens auch SALEnSKY von Calyptraea an, aber seine Darstellung er- scheint mir nicht klar genug. Das Perikard soll sich vor dem Herzen bilden. Fassen wir endlich das Obige kurz zusammen, so ist nicht zu leugnen, dass meine Auffassung des Herzschlauches als des primären Gebildes durchaus nicht so ganz ohne Stütze da steht, dass namentlich in der Gruppe der Pulmonaten mit Ausnahme der Angaben GAnIn’s und SCHALFEEW’s alle übrigen den von mir geschilderten Typus mehr oder weniger klar erkennen lassen. Die Hauptschwierigkeit einer Verallgemeinerung bietet einzig und allein die Paludina-Ent- wicklung. Eine Deutung des Perikards als Rest eines Cöloms ist Jedenfalls mit meiner Auffassung ganz unvereinbar. Betreffs der Ableitung des ganzen Organkomplexes aus dem Ektoderm stehe ich ganz vereinzelt bis jetzt da, wenn auch aus 640 Johannes Meisenheimer, einzelnen der oben besprochenen Untersuchungen sich vielleicht An- deutungen eines derartigen Processes herauslesen ließen. Jedoch halte ich ein noch weiteres Eingehen darauf’zunächst für wenig ersprießlich, und nur erneute Untersuchungen werden die Berech- tigung meiner Auffassung zu stützen, und ihre Ausdehnung auf andere Formen zu bestimmen vermögen. Man könnte vielleicht versucht sein, die vollständige oder theil- weise Entstehung des Mesoderms aus dem Ektoderm (TÖNNIGEs von Paludina, WIERZEJSKI von Physa) mit diesen Vorgängen in Be- ziehung zu setzen. Ich kann mich hiermit nicht einverstanden erklären. Hier tritt die ganze Schwierigkeit in der Definirung und Bedeutung des Begriffes »Mesoderm« hervor. Etwa anzunehmen, dass die Herz-Nierenanlage solche verspätet austretende Mesoderm- zellen seien, halte ich für ein Unding, mit ganz demselben Rechte könnte man die schon früher sich anlegende Otololithenblase oder die gleichzeitig entstehenden Pedalganglien für Mesodermgebilde hal- _ ten, und dies wird sicherlich Niemand einfallen. Nun ist aber auch bei Limax maximus sicher eine Urmesodermzelle vorhanden; was aus ihr hervorgeht, ist allein Bindegewebe nebst Gefäßen und Muskelgewebe. Wie sich dieses Verhältnis bei anderen Formen ge- staltet, das müssen eben erneute Untersuchungen lehren. Betreffs der Entstehung der Genitalzellen vermag ich zur Zeit noch nichts absolut Sicheres anzugeben, doch nehmen diese eine in den verschiedensten Thierklassen mehr und mehr hervortretende Sonder- stellung gegenüber den anderen Organen ein. | | 8. Definitive Niere. | Wie beim Herzen, so nehmen wir auch bei der Niere unseren Ausgangspunkt von dem Stadium, wo sich in der gemeinsamen An- lage die Trennung beider Organsysteme vollzogen hat. Diese Tren- nung habe ich bereits oben in Kapitel 6 beschrieben, so dass wir direkt daran anknüpfen können. Die Niere besteht also bereits aus zwei verschiedenen, zunächst noch von einander getrennten Theilen, einmal dem Nierenbläschen (2) und dann einer Einsenkung des Ekto- derms (z.e), welehe in Fig. 94 eben angedeutet, in Fig. 95 schon schärfer ausgeprägt ist, und in Fig. 96 bereits eine beträchtliche Tiefe erlangt hat. Diese Einsenkung, welehe den Ausführgang der Niere in seiner ersten Anlage darstellt, drängt im Vereine mit der Lungen- höhle die ganze Herz-Nierenanlage ins Innere, wie oben bereits aus einander gesetzt ist. | Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 641 Ein etwas älteres Stadium der Vertiefung des ektodermalen Ausführganges und des Wachsthums des Nierenbläschens stellt Fig. 113 auf Taf. XXXVII dar im Querschnitte, während Fig. 106 auf Taf. XXXVI in einem Sagittalschnitte allein den nunmehr weit nach innen geschobenen Nierenkanal (x) zeigt, unmittelbar unter dem Herzschlauche gelegen. Eine weitere Differenzirung erläutert das nächstfolgende Stadium der Fig. 114 auf Taf. XXXVII, welehe einen Sagittalsehnitt darstellt. Wir sehen nämlich, wie sich hier ein Zapfen vom Nierenkanal aus gegen die Herzwandung hin vorschiebt (229) und direkt an dieselbe anstößt; es ist hierin die erste Anlage des Perikardialnierenganges zu suchen, d. h. des Ganges, der die direkte Kommunikation zwischen Perikard und Niere darstellt. Der Aus führgang hat inzwischen ebenfalls einige Modifikationen erlitten, eı hat sich an seinem inneren Ende stark plattenförmig erweitert, liegt dem Nierenbläschen dicht an und führt durch einen ganz kurzen Kanal in eine Rinne der Mantelhöhle nach außen (vgl. Serie I, pr). Noch klarer werden diese Verhältnisse auf Frontalschnitten. Fig. 115 auf Taf. XXXVII zeigt zunächst den plattenförmig erweiterten Aus- führgang (prk) im Querschnitt; wie eine Verfolgung der Serie lehrt, führt er in einem kleinen Bogen nach außen. Ihm hart anliegend erkennen wir hierauf das Nierenbläschen, welches aber jetzt nicht mehr einen einfachen Schlauch darstellt, sondern eine Differen- zirung in drei Äste erlitten hat. Der eine nach der Schalendrüse zu gerichtete bildet die eigentliche Niere (»), der zweite nach dem Ausführgang hin bezeichnet die Stelle der späteren Vereinigung bei- der Theile, und schließlich der dritte, der sich einem von unregel- mäßigen Zellen umschlossenen kleinen Spaltraume, dem äußersten Zipfel des Perikards, anlegt, den Perikardialnierengang (png). Hier- mit sind alle Theile der Niere gegeben, sie bedürfen jetzt nur noch der Vereinigung und weiteren Ausbildung. Die bisherigen Resultate will ich kurz nochmals an der Betrachtung einiger Schnittserien zusammenfassen. Serie Iund II (Taf. XXXVII und XXXIX) entsprechen etwa dem bislang geschilderten Stadium, erstere etwas jünger, letztere etwas weiter ausgebildet. Auf dem Schnitte « der Serie I erkennen wir die Mündung des Ausführganges in eine Rinne (seh), auf 5 und c den Übergang in den plattenartig erweiterten Theil desselben (prh), auf d letzteren selbst im Flachschnitte, auf e dessen Übergang in den eigentlichen Nierenkanal (r), auf f letzteren selbst im Querschnitt, auf 9 den gegen die Herzanlage vorspringenden Zapfen (rg) und auf % schließlich den Endzipfel des Nierenkanals. 642 Johannes Meisenheimer, Dieselben Verhältnisse, nur etwas weiter vorgeschritten, zeigt Serie II, wir bemerken die Verlängerung des Ausführganges (5 und ce und diejenige des zur Herzanlage führenden Zapfens (e). Fahren wir jetzt in der Betrachtung der Entwicklung weiter fort In Fig. 116 auf Taf. XXXVII sind die einzelnen Schenkel der Niere noch schärfer ausgeprägt als in Fig. 115, im Inneren der Niere er- kennen wir nunmehr auch einen Spaltraum, der das künftige Lumen des ganzen Organs darstellt. Die Verbindung mit dem Ausführgang ist noch nicht hergestellt, eine solche (c) zeigt uns erst das Stadium von Fig. 117, wo allerdings die beiden anderen Äste nur in ihrem Ursprunge getroffen sind. Der mit der Niere in Kommunikation stehende Theil des Ausführganges (pr%) führt in einem Bogen zu der ebenfalls getroffenen Mantelhöhle (m.%) nach außen. Betreffs des Ausführganges will ich hier gleich hervorheben, be- hufs leichterer Verständigung, dass wir in dem erweiterten Theile des Ausführganges, der aus einer Ektodermeinstülpung hervorgegangen ist, den primären Ureter oder rücklaufenden Schenkel vor uns haben, während der durch die Rinne in der Mantelhöhle gebildete und später durch Verschluss derselben zum Kanal sich abschließende Theil den sekundären Ureter darstellt. Diese Verhältnisse werden uns später noch sehr genau zu beschäftigen haben, für jetzt genügen diese Be- merkungen. Eine völlige Vereinigung aller Theile zeigt uns schließlich Fig. 118. Der Schnitt ist durch eine Ebene geführt, in welcher beide Mün- dungen der Niere liegen, sowohl nach der inneren, wie nach der Außenseite hin. Zunächst erkennen wir sofort den bauchig aufge- triebenen eigentlichen Nierentheil /*), der also jetzt bereits ein weites Lumen besitzt. Von diesem ausgehend sehen wir rechts sich mit enger, eben durchbrechender Öffnung einen runden Kanal an- legen, den äußersten Zipfel des primären Ureters (pr). Links von der Niere liegt, durch eine mehrschichtige Epithelgrenze geschieden, ein zweiter Hohlraum, das Perikard (p%)j, und beide verbindet ein scheinbar massiver Zellstrang. Dieser Strang ist nichts weiter, als die Wand des bogenförmig verlaufenden Perikardialnierenganges (png), dessen Öffnung nach der Niere zu nur angedeutet, nach dem Perikard dagegen deutlich erhalten ist und den bereits vollzoge- nen Durchbruch im Gegensatz zu Fig. 115 und 116 zeigt... Sehr xlar tritt auf diesem Schnitte die vollständige Ausfüllung des Rau- mes zwischen Schalendrüse und Lungenhöhle durch Herz und Niere hervor. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 643 Wiederum will ich zur nochmaligen Erläuterung des bis jetzt erreichten Stadiums eine Schnittserie geben (Serie III, Taf. XXXIX und XL), und zwar diesmal in Frontalschnitten. Fig. « zeigt eine Rinne, das Ende des sekundären Ureters (seh), Fig. d und ce den bogenförmigen Ver- lauf desselben nach innen mit seinem bereits geschlossenen Theile, Fig. € seinen Übergang in den primären Ureter (pr) und zugleich die ersten Schnitte des Nierenkanals (z), Fig. e und f die Ausbildung des Peri- kardialnierenganges (png) und seine Einmündung in das Perikard, Fig. g und % das Näherrücken und Verschmelzen von Nierensack und primärem Ureter, Fig. i die abermalige Trennung beider und Fig. schließlich das Schwinden des letzteren und Verbreiterung des Nieren- sackes über das Herz hin. Von Bedeutung ist auf dieser Serie vor Allem die scharf aus- geprägte Krümmung des Ausführganges, die primären und sekundären _ Ureter klarer unterscheiden lässt, wenn auch eine absolute Grenze zwischen beiden nicht zu ziehen ist. Wir haben uns diesen Process Textfigur 16. Textfigur 17. Textfigur 18. Textfigur 19. Schematische Darstellung der Ausbildung und Verschiebung vom primärem und sekundärem Harnleiter. Das Weitere im Texte. Bezeichnungen wie vorher. ; derart vorzustellen, dass der plattenartig erweiterte primäre Ureter sich gegen die Niere umzuschlagen beginnt, wobei die Einmündungs- stelle als Fixpunkt der ganzen Bewegung dient. Der am anderen Ende der Platte sich anschließende sekundäre Ureter wird durch diese Bewegung gezwungen, sich immer länger ins Innere auszu- ziehen. Vielleicht tragen zum Verständnis dieser Vorgänge einige Schemata bei, die ich in engem Anschlusse an BEHME’s Figuren, der dieselben Verhältnisse bei Helix untersucht hat, nach Kombi- nationen meiner Schnittserien frei entworfen habe. Textfig. 16 stellt uns die früheste Entwicklungsstufe dieser Vor- gänge dar, ein von außen kommender Kanal stößt dicht an das Nierenbläschen an. In Textfig. 17, dem darauf folgenden Stadium, 644 Johannes Meisenheimer, ist der Durchbruch erfolgt, der primäre Harnleiter hat eine Drehung in der Richtung des Pfeiles erfahren, während der sekundäre Ureter durch Zuwachs von außen sich verlängert hat und nach innen der- selben Richtung folgt. Weiter vorgeschritten ist dieser Process in Textfig. 18, so dass wir jetzt zwei über einander geschobene Platten vor uns haben, die aber noch durch Mesenchymzellen ziemlich weit von einander getrennt sind, entsprechend etwa der Fig. 120 aut Taf. XXXVIH. Die Kommunikation beider Theile ist sehr weit, eben so hat der Perikardial-Nierengang jetzt seine volle Ausbildung erlangt (ie. 119): Eine weitere Komplikation tritt uns im eigentlichen Nierensack selbst entgegen und besteht in einer Faltung seiner Wandung, schwächer ausgebildet in Fig. 121 und 122, stärker bereits in Fig. 123. Auch die Weiterentwicklung der übrigen Theile, ihre oben ange- deuteten Wachsthums- und Verlagerungserscheinungen treten auf diesen Schnitten klar zu Tage. Auf Fig. 121 sehen wir in’ einem älteren Stadium den Perikardialnierengang vom Perikard zur Niere ziehen. Letztere schiebt sich allmählich über das Perikard hinweg (Fig. 122), und in derselben Richtung folgt ihr der primäre Ureter, der schließlich der Niere dicht anliegt (Fig. 123). Die Kommuni- kation beider Säcke (c) zeigt uns Fig. 122 auf dem Altersstadium von Fig. 121. Auf Fig. 123 sehen wir schließlich außer Perikard, Niere und primärem Harnleiter auch noch den sekundären nebst der Rinne (sei), in welche letzterer einmündet, getroffen. Wir haben jetzt im Ganzen bereits das Stadium vor uns, wel- ches Textfig. 19 schematisch als Ergänzung der oben besprochenen Verhältnisse darstellt. Um das Ganze zu vervollständigen, seien zum Schlusse noch zwei Stadien gegeben, welche uns das Organ in seiner vollen Funk- tion darstellen. Betrachten wir zunächst Fig. 125 auf Taf. XXXVII. Etwas Neues zeigt uns dieses Stadium nur in’ so fern, als das Organ seine sekretorische Thätigkeit nunmehr begonnen hat, wie die zahl- reichen von Konkrementen erfüllten Vacuolen beweisen. Die Falten haben sich stark vertieft, und in dieselben sind zu ihrer Stütze Mesen- chymzellen eingewandert, ein Process, der sich schon auf jüngeren Stadien, wie etwa Fig. 121—123 bemerkbar macht. Die Niere einer erwachsenen Schnecke zeichnet sich vor diesem Stadium nur durch die weitere Verästelung der Nierenkanälchen aus. Mit der Niere in- Kommunikation sehen wir einen engen Kanal, der weiter nichts ist als ein Schnitt durch den die Niere umkleidenden primären Harnleiter Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 1I. I 645 (prh), der sich jetzt sehr stark abgeplattet hat und der Niere dicht anliegt. In einem Winkel gelangen wir aus diesem Theile in einen zweiten Kanal (se), den sekundären Harnleiter, der schließlich auf einem wenig entfernten Schnitte an der rechten Seite nach außen mündet. Der ganze Komplex liegt dicht dem Perikard an. Eine sehr instruktive Ergänzung zu diesem Schnitte giebt Fig. 124 auf Taf. XXXVI. Die Schnittrichtung steht senkrecht auf Fig. 125 und verläuft durch die Längsachse des Komplexes an der Stelle der Einmündung des primären Ureters in die Niere. Zu oberst an dem Schnitte treffen wir auf das untere Epithel der Schalendrüse (.sd). Darunter liegst linkerseits ein kleiner Zipfel der Niere (n), an einigen vaeuolisirten Zellen kenntlich, links davon die Kommunikation mit dem primären Ureter (c), und noch weiter nach links der Querschnitt des sekundären Ureters (se}.. Wenden wir uns nunmehr nach der rechten Seite (auf dieser einen Figur müssen rechts und links ver- tauscht werden, um mit der Wirklichkeit übereinzustimmen, es hängt dies natürlich von dem Auflegen der Serie ab), so finden wir hier den größten Theil des Schnittes vom Perikard eingenommen, direkt unter der oberen Kommunikationsstelle (c) zwischen Niere und pri- märem Harnleiter liegt aber eine zweite, diejenige zwischen Perikard (p%) und Niere (n); der kurze Gang, der sich an das Perikard nach links anschließt, ist der Perikardial-Nierengang (png). Abgeschlossen wird das Ganze nach unten durch die Lungenhöhle (7), wir haben also schon jetzt, ganz wie beim erwachsenen Thiere, den Herz- Nierenkomplex frei als einen Sack in der | Lungenhöhle hängen. Vielleicht erleichtert es den Überblick über diese Verhältnisse, wenn ich zum Schlusse eine schematisirte Darstellung der gegenseitigen Lagerung der hier in Frage kommenden Organe beim erwachsenen Thiere gebe, wie ich sie SIMROTH’s »Ver- Textfigur 20. S s Darstellung der Lagebeziehung von such einer Naturgeschichte deutscher Nackt- Pperikara, Niere und Hamleiter bei Sineeken< entnehme. Ich brauche der max maximus. Kopie nach Sım- Figur kaum etwas hinzuzufügen, man wird en en oa die direkten Beziehungen zu meinen zuletzt 2 oc geschilderten Stadien sofort erkennen. Betrefis der Entwicklung der am Ende des Ausführganges ge- legenen Schleimdrüse, mag sie nun wirklich als solche oder als 646 Johannes Meisenheimer, Theil des Ureters aufgefasst werden, habe ich bis zu den von mir untersuchten Stadien nichts mit Sicherheit ermitteln können. Wohl bei keinem anderen Organe sind die Angaben betreffs seiner Herleitung schwankender als bei der Niere. Entweder soll sie ganz mesodermal sein, oder ganz ektodermal, oder schließlich sollen beide Keimblätter an ihrer Bildung Theil haben. Ich will versuchen, im Folgenden einen kritischen Überblick unserer bisheri- sen Kenntnisse im Hinblick auf die oben von mir entwickelten Ge- sichtspunkte zu entwerfen. Beginnen wir mit den Angaben, welche die Niere vom Ektoderm ableiten. Hier müssen wir sofort eine Scheidung in Wucherung und Einstülpung vornehmen. Aus einem ektodermalen Zellenwulste leitet For die Niere der Wasserpulmonaten ab, freilich sind die Gründe, die er für die Herkunft des Zellhaufens angiebt, nicht durchaus be- weisend, aber ich vermuthe, dass es sich um den von mir beobachte- ten Zellenhaufen auch hier handelt, nur dass FoL ihn erst auf einem späteren Stadium gesehen hat. Die Anlage höhlt sich dann aus und sondert sich in Perikardialnierengang, drüsigen Theil und Ausführ- gang. Bei den Landpulmonaten soll die frühe Entwicklung ähn- lich verlaufen. Ferner entsteht nach JoyEux-LAFFuIE die Niere bei Onchidium als eine Zellverdickung am Mantelrande, die in ihrem Inneren einen Hohlraum ausbildet, der sich in eigentliche Nierenhöhle und Aus- führgang differenzirt. Nach dem Perikard zu entsendet die Niere einen verlängerten Fortsatz, der mit dem Perikard kommunicirt. Diese Verbindung ist aber hier nur von kurzer Dauer, sie schwindet bald wieder. | | Auch bei Bythinia entsteht nach Sarasıy die Niere aus einer Ektodermverdickung an der rechten Seite des Embryos. Später tritt in derselben eine Höhlung auf, und mit der Torsion verschiebt sie sich nach links. Aus dem Ektoderm leitet ferner BOBRETZKY die Niere von Fusus durch Abschnürungen von der Wand der Kiemenhöhle ab, in ähnlicher Weise bei Murex echinatus (?) derselbe Autor und schließlich FoL bei einer entfernteren Gruppe, den Pteropoden. Die Anlage besteht hier aus einer Ektodermverdiekung am unteren Rande der Mantelhöhle, sie löst sich los, bildet ein Lumen und einen Ausführgang zur Mantelhöhle aus und tritt mit dem Perikard in Ver- bindung. Auf die Bedeutung dieser Angaben For’s bin ich oben bereits eingegangen. Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 647 Ebenfalls aus dem Ektoderm, aber durch eine Einstülpung, leiten Braun und BEHME die Niere von Helix ab. Es ist offenbar, dass beiden Forschern die jüngste Anlage entgangen ist, sie nehmen die Einstülpung des primären Ureters als die ganze Anlage in Anspruch und haben das Stadium der Verschmelzung der beiden Bestandtheile übersehen. Sehr genau und vollständig korrekt beschreiben sie da- sesen die Ausbildung des primären und sekundären Harnleiters, die schematischen Figuren BEHMmE’s haben mir das Verständnis dieser komplicirten Vorgänge erleichtert. Es hieße, mich wiederholen, wenn ich hier noch genauer darauf eingehen wollte, so ähnlich sind die Verhältnisse bei Helix und Limax. Freilich in der Deutung einiger allgemeinen Punkte kann ich nicht mit ihm übereinstimmen, wir werden dies weiter unten sehen. Eine Betheiligung beider Keimblätter an der Anlage der Niere - nimmt zunächst MEuURON bei Helix an. Eine ektodermale und eine mesodermale Anlage verschmelzen mit einander, so dass die Grenze zwischen beiden nicht mehr zu ziehen ist. Dies ist nun nicht ganz richtig, wie wir gesehen haben lässt sich diese Grenze stets mit aller Schärfe bestimmen und was die mesodermale Anlage betrifft, so ist es sehr leicht möglich, dass MEURON eben die Aus- wanderung übersehen hat. Zugleich spricht aber doch diese Angabe für die Berechtigung meiner Deutung der Befunde von BRAUN und BEHME, da auch hier für Helix die Verschmelzung zweier Bestand- theile angegeben wird. Ich komme nun zu der Entwicklung der Nierch von Paludina nach den Angaben v. Ertanger’s. BürschLı lässt zwar hier die Niere aus einer blindsackartigen Ausstülpung der Mantelhöhle her- vorgehen, v. ERLANGER aber betrachtet diese Ausstülpung nur als Ausführsang, der mit einer mesodermalen Anlage verschmilzt. Und zwar bildet sich diese Anlage, eben so wie die Ausführgänge, zu- nächst paarig aus in Gestalt zweier Ausstülpungen des Perikards, von denen die linke bald wieder schwindet. Die Schwierigkeiten einer Vereinbarung sind hier ganz dieselben wie beim Perikard, sie liegen auch hier in der Auffassung des letzteren begründet. Die Faltenbildung der Niere verläuft in ganz ähnlicher Weise wie bei Limax, auch hier treten in die Falten der Nierenwandung Mesenchym- zellen ein. Da ScHALFEEW’s Schilderung der Nierenentwicklung bei Limax, eben so wie die Herzentwicklung, mit v. ERLANGER’s Resultaten übereinzustimmen scheint, so will ich dieselbe hier kurz anfügen. 648 Johannes Meisenheimer, Nach ihm soll sich an der Dorsalwand des Perikards eine Falte bilden, welche dasselbe in zwei Theile zerlegt, von denen der rechte die Niere liefern soll, die ihrerseits mit einer Ektodermeinstülpung verschmilzt. Wie dieser Forscher zu dieser Auffassung gekommen ist, ist mir ganz unerklärlich. Bei Limax maximus ist sicherlich nicht die geringste Spur davon zu bemerken, wie hoffentlich meine Darstellung darzulegen vermocht hat. Ich könnte mir höchstens denken, dass seine Falte des Perikards identisch mit der Anlage des Septums zwischen Vorhof und Kammer ist, aber etwas Sicheres lässt sich aus den kurzen Angaben nicht entnehmen. Eine doppelte Anlage aus Bestandtheilen beider Blätter nimmt schließlich noch SALENSKY für Vermetus an, indem eine meso- dermale Anlage mit einem ektodermalen Ausführgang verschmilzt. Rein mesodermal ist nach v. ERLANGER die Nierenentwicklung von Bythinia, und er steht hiermit in vollstem Gegensatze zu SARASIN. Betreffs der frühesten Entwicklung verweise ich auf das über diesen Punkt bereits beim Perikard Erwähnte. Die spätere Entwicklung zeigt große Ähnlichkeit mit Limax. Das Nierenbläschen sondert sich in drei Schenkel, die in T-Form angeordnet sind, der eine ist nach oben gerichtet und endet blind, es ist die eigentliche Niere, der rechte Schenkel liegt horizontal und entspricht dem Ureter, der dritte Schenkel führt in das Perikard. Die Differenz beider For- men in der späteren Entwicklung liegt also nur darin, dass bei Limax noch ein umfangreicher, ektodermaler Ausführgang hinzukommt. Ein dritter Autor über Bythinia, RABL, giebt direkt einen mesodermalen Ursprung der Niere an, freilich ohne genügende Be- weise beizubringen. Von weit größerer Bedeutung sind dagegen für mich die Unter- suchungen Ragr’s an Planorbis. Wie bereits oben erwähnt, ist er der Einzige, der den fraglichen Zellenhaufen mit Sicherheit ge- sehen hat. Er liegt hier auf der linken Seite des Enddarmes und ist nach ihm mesodermalen Ursprungs, da er eben nie einen Zusammen- hang mit dem Ektoderm konstatiren konnte. Ich habe an mir selbst erfahren, wie schwierig es ist, das Stadium der Auswanderung zu erhalten, und ich muss eben seinen negativen Befunden positive gegenüber stellen, die stets maßgebender sein müssen. Der Haufen. streckt sich dann nach RABL in die Länge, höhlt sich aus und öffnet sich nach außen. Es erfolgt schließlich die Sonderung in drüsigen’ Theil und Ausführgang, von denen ersterer mit dem von Konkre- menten freien Ende mit dem Perikard in Verbindung tritt. Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 649 Dass schließlich SALENsKY für Calyptraea eine gemeinsame Anlage von Herz und Niere angiebt, ist oben bereits erwähnt. In wie weit die Kritik, die ich hier zu Gunsten meiner Auffassung im Einzelnen übte, richtig ist, das werden allein erneute Untersuchungen darzuthun vermögen, hier muss ich noch auf einen Punkt zurückkommen, der allein mit der Entwicklung der Ausführ- sänge zusammenhängt, auf die v. Imering’sche Eintheilung der Pulmonaten in Branchiopneusten und Nephropneusten. Bei den Nephropneusten soll der ursprünglich einheitliche uro- pneustische Apparat sich in Lungenhöhle und Ureter getheilt haben, während bei den Branchiopneusten die Lunge eine umgewandelte Kieme darstellt. Diese Anschauungen wurden vor Allem auf ver- sleichend-anatomischer Grundlage erworben, und neuerdings glaubt nun BEHME diese Ansicht, wenigstens von der Ableitung des sekun- dären Ureters aus einem Theile der Lungenhöhle, durch seine ent- wicklungsgeschichtlichen Resultate stützen zu können, da der sekun- däre Ureter ja durch Verschluss einer Rinne der Wandung der Lungenhöhle zu Stande komme. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Das Entstehen des sekundären Ureters aus einer Rinne ist mit Sicherheit nachzuweisen, aber die Stelle, wo diese Rinne liegt, hat mit der Lungenhöhle nichts gemein. Beide, Ureter wie Lungenhöhle, legen sich ursprünglich als zwei scharf geson- derte Einstülpungen an und erst allmählich kommt die Mündung des Nierenausführganges in Folge verstärkten Einrollens des Mantel- randes in die Mantelhöhle zu liegen. Wir haben in diesem äußersten Theile, in den, wie wir an anderer Stelle sahen, noch Darm und Urniere münden (letztere übrigens, wie ich gegen BEHME hervorheben will, stets scharf vom Ureter getrennt), nur einen gemeinsamen Aus- führgang vor uns, in den mit demselben Rechte wie die eben ange- führten Organe auch die Lungenhöhle mündet. Von einer Umwand- lung eines Theiles der Lungenhöhle in den Ureter kann also ontogenetisch keine Rede sein, beide Anlagen sind scharf von einander zu scheiden, von einem einheitlichen Ursprung beider, wie v. IHERING in einer neueren Arbeit, gestützt auf BEumE’s Resultate, behauptet, ist nichts zu erkennen, zumal BEHME selbst erklärt, die Entwicklung der Lungenhöhle nicht ins Einzelne verfolgt zu haben. Diese eben dargelegte Ansicht ist übrigens nicht neu, For ist für die Pulmonaten bereits zu ganz ähnlichen Resultaten gekommen, er scheidet streng die Lungenhöhle (cavite pall&ale) ven einer nach- folgenden sekundären Einstülpung, der cavite du manteau. 650 Johannes Meisenheimer, Wenn PLATE sogar so weit geht, auch den primären Ureter der Testacellen als abgegliederten Theil der Lungenhöhle anzu- sehen, freilich nur gestützt auf histologische Thatsachen, so muss dies zum mindesten erst eine. Bestätigung durch die Entwicklungs- geschichte erfahren. Aber die von IHErRIn@’sche Theorie von einer Trennung der Pulmonaten in Nephropneusten und Branchiopneusten ist auch vergleichend-anatomisch nicht haltbar, in so fern sie einen ver- schiedenen Ursprung der Lungenhöhle von Land- und Wasserpulmo- naten annimmt. PLATE kommt auf Grund des Vorhandenseins eines Geruchsorgans in der Lungenhöhle beider Gruppen zu dem Ergebnis, dass bei beiden dieselbe als modifieirte Kiemenhöhle aufzufassen ist. Freilich hält er an der Ableitung des Ureters aus der Lungenhöhle fest, was ontogenetisch für den primären bei Limax maximus sicher nicht zutreffend ist, und rür den sekundären nur mit der Beschränkung, dass eine Mantelhöhle von einer Lungenhöhle abzu- trennen ist. | 9. Blutgefäßsystem. Die ersten Andeutungen eines Blutgefäßsystems ei sich schon früh bemerkbar, und zwar wird die Mitte des Fußes dorsal- wärts von einem geräumigen Sinus durchzogen, der einerseits in die Podoeyste führt, andererseits nach vorn zur Kopfblase und nach oben bis zur Schalendrüse zieht, überall sich in unregelmäßige Lückenräume im Mesenchym auflösend.. Wir haben in diesen Lymphräumen un- zweifelhaft die ersten Anlagen des Venensystems vor uns. Etwas schärfer lässt sich die Entwicklung der Arterien verfolgen, da diese schon früher eine, wenn auch sehr feine, festere Begrenzung von Seiten der Mesenchymzellen erhalten. Zuerst treten im ventralen Theile des Fußes jederseits je ein Gefäß auf, welche nach hinten in die Lymphsinusse übergehen, nach vorn dagegen sich über der Fußdrüse, zwischen dieser und dem Pedalganglion, vereinigen, um dann rechterseits zwischen Pedal- und Visceralganglion emporzuziehen und sich nach links hinten zum Herzen zu wenden, wo das Gefäß schließlich in die Herzkammer eintritt. Dieses Gefäß stellt ohne Zweifel die Aorta cephalica dar, welche im Fuße sich bereits in die Arteriae pedales theilt. Dehr auffallend ist auf jüngeren Stadien, dass diese Aorta cepha- lica stets in weiter Kommunikation mit dem Lungengefäße steht, eben demjenigen, welches wir oben bei der Entwicklung der Lunge Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. -651 kennen lernten, indem es durch die Faltenbildung seiner Wandung zur Entstehung des Lungennetzes führte. Das eben erwähnte Ver- halten deutet jedenfalls darauf hin, dass wir auf ‘diesen Stadien, trotz der fertigen Ausbildung des Herzens, noch keinen geordneten Kreislauf vor uns haben. Die Podocyste ist noch in voller Thätig- "keit, ihre Kontraktionen treiben das Blut in unregelmäßigen Stößen durch die Gefäße, und wenn wir uns hierzu noch das Herz pulsiren denken, so kann von einer geregelten Bewegung innerhalb der Ge- fäße noch keine Rede sein. GEGENBAUR erwähnt übrigens ebenfalls schon ein gleichzeitiges Pulsiren von Herz und Larvenorganen. Zuweilen bemerkt man von der Einmündung der Kopfarterie in das Herz ein zweites, bedeutend schwächeres Gefäß sich abzweigen, das sich nach unten in den Darmtractus hineinzieht, und wohl die Aorta visceralis aus sich hervorgehen lässt. Auf ganz jungen Stadien sieht man in der Regel aus der Herzkammer nur ein großes Gefäß nach unten ziehen und sicn sehr bald in den Lymphräumen ver- lieren. _ Die in den Vorhof mündende Lungenvene besteht noch sehr lange einfach aus den umgebenden Lymphräumen, ohne irgend welche festere Abgrenzung. Nur in einzelnen Fällen ist bisher der Entwicklung des Blut- sefäßsystems bei Mollusken größere Beachtung geschenkt worden. GANIN giebt an, dass sich das Blutgefäßsystem zum größten Theile unabhängig vom Herzen entwickle, und dass nur kleine Theile der Aorta und Lungenvene vom Herzen aus entständen.. FoL er- wähnt bei den Wasserpulmonaten, dass die Aorta durch Ver- längerung des Ventrikels entstündee Sarasın giebt bei Helix - Waltoni zwei Blutgefäße im Fuße an, die einerseits zur Podocyste, andererseits vom Fußrücken zu Eingeweide und Leber, von da zum Gehirn und schließlich zur Fußsohle ziehen. Die genaueste Schilderung finden wir bei v. ERLANGER für Paludina. Hier tritt die erste Anlage in Gestalt eines Ursinus in der vorderen Gegend des Fußes unter dem Darme auf. Er pulsirt und bildet den späteren vorderen Ast der Aorta. Derjenige Theil der Aorta, welcher direkt mit dem Herzen in Verbindung tritt, ent- steht aus einem zweiten Ursinus um Magen und Leber. Auch die Kiemenvene bildet sich als Lückenraum im Mesenchym. Die Ent- stehung der venösen Sinusse erfolgt erst auf einer verhältnismäßig späten Entwicklungsstufe, indem das Mesoderm von Magen, Ele: und Darm zurücktritt. 652 Johannes Meisenheimer, Schluss. Einer Arbeit muss ich hier zum Schlusse gedenken, deren Resul- tate nahezu mit den meinigen übereinstimmen, wenn sie auch sicher- lich zum T'heil auf anderer Grundlage beruhen, ich meine die Arbeit P. B. Sarasın’s über Bythinia tentaculata. Der richtige Ge- danke, der ihn bei der Aufstellung seiner am Schlusse ausge- sprochenen Sätze leitete, war die Ableitung der Organe aus dem Ek- toderm durch Wucherungen, aber eben diese Annahme verführte ihn auch dazu, eine Trennung von Ektoderm und Mesoderm, von beiden na- türlich hier nur streng topographisch gesprochen, überhaupt zu verneinen und so die Klärung der Sachlage zu erschweren. Dies lag daran, dass es ihm nicht gelang, die in großer Zahl vorhandenen Wucherungen aufs schärfste in ihrem gegenseitigen Verhältnisse nach Ort und Zeıt zu trennen, wodurch allein die Auffassung der Organogenese eine feste und sichere Basis gewinnen konnte. Ganz ferne liegt es mir, jetzt, wo ich am Ende meiner Dar- stellung angekommen bin, etwa lange theoretische Erörterungen an dieselbe anknüpfen zu wollen, dazu fühle ich mich nicht berufen, so lange ich nicht meinen Gesichtskreis durch fernere Untersuchungen, zunächst an anderen Molluskenklassen, erweitert habe. Nur wenige Worte seien mir gestattet. Man wird verschiedentlich vielleicht einen Einfluss KLEINENBER@’scher Theorien auf meine Darstellung bemerkt haben, und ich kann nicht leugnen, dass mich das Studium seiner Lopadorhynchus-Arbeit, als ich am Ende meiner Unter- suchung angelangt war, außerordentlich angezogen hat, dass es namentlich der Begriff der Substitution ist, der als wesentlich fördernder Faktor in der Entwieklungsgeschichte auftreten kann. Freilich das Studium der Entwicklungsgeschichte wird, wie KLEINEN- BERG selbst hervorhebt, sicherlich dadurch zunächst kein leichteres; volle Sicherheit darüber zu gewinnen, ob die beobachtete Anlage auch wirklich die früheste ist, wird in vielen Fällen sehr schwierig, wenn nicht überhaupt unmöglich sein. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 653 Zusammenfassung der wichtigsten Resultate, 1) Kopfblase und Podocyste zeigen im Allgemeinen das bereits bekannte Verhalten. Die Podocyste übernimmt bei Weitem in erster Linie die pulsatorische Thätigkeit. 2) Die Urniere ist ein rein ektodermales Gebilde. Sie differen- zirt sich in einen schlauchartigen Theil und in eine Anzahl von Wimperzellen, welche das innere Ende abschließen. Der Urnieren- schlauch zerfällt in einen exkretorischen Abschnitt mit stark vacuoli- sirten Zellen, die zahlreiche Konkremente enthalten, und in einen Ausführgang, der in seiner inneren Hälfte aus stark abgeplatteten Zellen, in seinem äußeren Schenkel aus regelmäßigem Cylinder- epithel besteht. Das ganze Organ fällt gegen Ende der Larvenperiode der Resorption anheim. 3) Die Lungenhöhle entsteht als eine besondere, deutlich aus- geprägte Einstülpung des Ektoderms, der sich dann eine sekundäre Einrollung zur Bildung der eigentlichen Mantelhöhle anschließt. Durch Abplattung des die Lungenhöhle begrenzenden Epithels, durch Hinzu- treten von Blutgefäßen und Faltenbildung entsteht die typische Lunge. 4) Die Schalendrüse bildet ein vom Ektoderm sich abschnürendes Bläschen. Die dem Ektoderm zugekehrte Seite desselben flacht sich sehr stark ab, verschmilzt mit dem Ektoderm, und löst sich dann wieder los, um als nach außen dünnwandiges, nach innen von kubischem Epithel ausgekleidetes Bläschen seine Lage inmitten des Mantelfeldes beizubehalten. 5) Die Bildung des Nervensystems entspricht völlig der Schil- derung, welche A. P. HrncHmAan von demselben gegeben hat. 6) Die Tentakel entstehen aus den Scheitelplatten. 7) Die von P. und F. Sarasın beschriebenen Hautsinnesorgane finden sich auch bei Limax maximus, wenn schon in etwas ver- änderter Form. Sie wandern später aus und liefern Theile des Nervensystems. 8) Die Otolithenblase entsteht durch Ektodermwucherung. 9) Das Auge entsteht aus einer Ektodermeinstülpung. Die Linse bildet sich durch Ausscheidungen von Seiten der Bläschenwandung. Das Pigment tritt relativ spät auf. Ursprünglich am Fuße des Ten- takels gelegen, wandert es allmählich an dessen Spitze hinauf. 10) Die erste Anlage des Darmkanals stellt der Entodermsack vor. An diesen Theil gliedern sich einmal der ektodermale Vorder- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 43 654 Johannes Meisenheimer, darm an, aus dem Radulatasche, Speicheldrüsen und Theile des Ösophagus hervorgehen, und dann der ebenfalls ektodermale Mittel- und Enddarm, der sich aber für einige Zeit vom Ektoderm loslöst. Aus dem entodermalen Theile gehen Magen und Leber hervor. Letztere bildet sich nur zum geringeren Theile aus dem eigentlichen Eiweißsacke, zum größeren vielmehr aus zwei Ausstülpungen des Magensackes. 11) Der ganze Eingeweideknäuel liegt ursprünglich in dem Mantel über dem Fuß, die Verschiebung in denselben erfolgt successiv, ein Leberlappen voran. 12) Herz und Niere gehen aus einer gemeinsamen Anlage hervor, die rein ektodermaler Natur ist. 13) Das Herz entsteht aus dieser Anlage als ein sich aushöhlendes Rohr, in welchem durch eine Verdiekung in der Mitte die Scheidung in Vorhof und Kammer erfolgt. 14) Das Perikard bildet sich erst sekundär durch Loslösung der äußeren Zellenschicht vom ursprünglichen Herzschlauche. 15) Die Niere entsteht aus zwei Anlagen, einmal aus der mit dem Herzen gemeinsamen ektodermalen Wucherungszone und damn einer ebenfalls ektodermalen Einstülpung. Beide verschmelzen mit einander, ein Theil sondert sich als eigentliche Niere ab, ein zweiter Ast bildet den Perikardial-Nierengang, ein dritter geht in den Ausführ- gang über. Der durch die ursprüngliche Einstülpung entstandene Theil desselben wird zum primären Harnleiter, er legt sich dicht der Wandung der Niere an. Durch Verschluss einer Rinne inner- halb der Mantelhöhle entsteht der sekundäre Harmnleiter. Durch Faltenbildung innerhalb des Nierensackes erhält schließlich die Niere ihr typisches Aussehen. 16) Die Blutgefäße entstehen direkt aus Lymphes äumen des Körpers. Am ehesten und schärfsten ausgeprägt sind die Aorta cephalica und die Arteriae pedales. | Marburg i. H., Mitte November 1897. Litteraturverzeichnis, (Fortsetzung. 66. E. Anpr&, Recherches sur la glande pedieuse des Pulmones. Revue suisse de Zoologie. Tome II. 1894. (Referat in: Zoologisches Centralbl. II. Jahrgang. Nr. 19. 1895.) 68. 69. 80. 31. 82. 83. 84. 85. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 655 TH. 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Derselbe, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Cephalophoren. (Mit Nachschrift von C. GEGENBAUR.) Diese Zeitschr. Bd. V1I. 1856. AT. WIERZEJSKI, Über die Entwicklung des Mesoderms bei Physa fonti- nalis. Biologisches Centralblatt. Bd. XVII. 1897. Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 659 Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Figuren sind mit dem Zeichenprisma entworfen. Die Ver- srößerung ist hinter jeder Figur in Zeıss’schen Linsensystemen angegeben. Erklärung der allgemein durchlaufenden Bezeichnungen: äuss.e, äußeres Epithel der Cornea; äuss.sd, äußeres Epithel der Schalen- drüse; äuss.un, äußere Urnierenöffnung; aug, Augenblase; aug.g, Augengrube; bg, Bindegewebszellen; c, Kommunikationsstelle zwischen pri- märem Ureter und Niere; ct, Cerebraltuben; ez, centrale Zelle der Hautsinnesorgane; d, Darm; d.e, Darmeinstülpung ; ect, Ektoderm; ed, Enddarm; eis, Eiweißsack ; eiz, Eiweißzellen; ent, Entoderm; ep, Körperepithel; ex, Exkretzellen; F Fuß; g.bucc, Ganglion buccale; g.opt, Ganglion opticum; g.ped, Ganglion pedale; h, Herzschlauch ; h.ez, Herzendothelzellen; h.mz, Herzmuskelzellen; hl, Herzlumen; hn, Herznierenanlage; h.pk, hinterer Spaltraum des sich bil- denden Perikards; ic, inneres Epithel der Cornea; 2.sd, inneres Epithel der Schalendrüse; k, Herzkammer; kb, Kopfblase; /, Linse; !f, Lungenfalte; !g, Lymph- oder Blutgefäß; ih, Lungenhöhle; Ih.e, Lungenhöhleneinstülpung; m, Mund; ma, Magen; mb, Membran der Wimperzellen der Ur- niere; mes, Mesodermzellen; mh, Mantelhöhle; mm, Mundmasse; mt, Mantel; mz, Magenzellen; n, Niere; n.a, Nierenausführgang; n.e, Einstülpung des Nierenausführ- ganges; od, Odontoblasten; 0e, Ösophagus; otb, Otolithenblase; pc, Podocyste; pf, Pleuralfalte; pi, Pigment des Auges; pk, Perikard; png, Perikardialnierengang; prh, primärer Harnleiter; r, Radula; ret, Retina; rl, rechter Leberlappen; rt, Radulatasche; sd, Schalendrüse; seh, sekundärer Harnleiter; sept, Scheidewand zwischen Vorhof und Kammer; sg, Sinnesgrube; s/f, Sublingualfalte; soe, Subösophagealfalte ; sp, Scheitelplatte: spei, Speicheldrüse; st, Sinnesstäbchen; stom, Stomodäum; stz, Stäbchenzellen; sz, Sinneszellen ; un, Urniere; vh, Vorhof; v.pk, vorderer Spaltraum des sich bil- denden Perikards; w, Wimperwulst; 660 . Johannes Meisenheimer, wf, Wimperflamme; z, Zunge; wz, Wimperzellen; z%, Zungenknorpel; wzn, Wucherungszone der Herz-Nieren- zsch, Zungenscheide. anlage; Tafel XXXII. Fig. 1. Totalansicht einer jungen Larve, etwa vom 8. Tage, mit extrem entwickelter Kopfblase. Theils nach dem Leben, theils nach Präparaten ver- fertist IR: Fig. 2. Dasselbe Stadium, schräg von hinten und unten gesehen. II. B. Fig. 3. Älteres Stadium, die Ausbildung der Podoeyste und Urniere zei- send. IV. az. Fig. 4. Noch etwas älteres Stadium, von unten gesehen, um den Verlauf der Urniere zu zeigen. I. A. Fig. 5. Sagittalschnitt durch einen Embryo vom Stadium der Fig. 3 etwa. Übersichtsbild des Darmtractus. II. A. Fig. 6. Hälfte des Frontalschnittes einer ganz jungen Larve, die erste Anlage der Urniere zeigend. II. E. Fig. 7—9. Allmähliche Vertiefung der Urniereneinstülpung zu einem Schlauche. II. E. Fig. 10—15. Inneres Ende des Urnierenrohres im Längsschnitte getroffen. Beginn der Auflösung des inneren Endes (Fig. 10, 11), und Lostrennung der Wimperzellen. II. E. Fig. 16—18. Ausbildung der typischen Wimperflammen und der defini- tiven Lagerung der Wimperzellen. II. E. Fig. 19—21. Die Urniere auf dem Höhepunkte ihrer sekretorischen Thätig- keit. II. E. Fig. 22. Querschnitt durch den äußeren, aufsteigenden Schenkel, auf dem Stadium der letzten Figuren. II. E. Fig. 23. Querschnitt durch den horizontal verlaufenden, mittleren Schen- kel von gleichem Stadium. II. E. Tafel XXXIIL. Fig. 24, 25. Die Urniere nochmals in ihrer höchsten Ausbildung. II. E. Fig. 26, 27. Etwas älteres Stadium. Die ersten Andeutungen der Rück- bildung machen sich bemerkbar. II. E. Fig. 28. Querschnitt des in Zerfall begriffenen Urnierenrohres. 1. E. Fig. 29. Querschnitt des innersten Endes des Urnierenrohres zur Zeit seiner energischsten Thätigkeit. IV.E. Fig. 30. Querschnitt des äußeren, aufsteigenden Schenkels auf späteren Stadien. II. E. Fig. 31. Querschnitt des mittleren, horizontalen Schenkels von demselben Stadium. II. E. Fig. 32. Ende des Ausführganges im Zerfalle begriffen. III. E. Fig. 33. Frontalschnitt. Ausbildung der Lungenhöhle. I.D. Fig. 34. Sagittalschnitt. Ausbildung der Lungenfalten. RE. Fig. 35. Frontalschnitt. Ausbildung der Lungenhöhle I.D. u Fig. 36—39. Successive Abschnürung der Schalendrüse. Sagittalschnitte. IED. Fig. 40. Schalendrüse im Querschnitt. II. D. Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 661 Fig. 41, 42. Beginn einer Differenzirung zwischen innerem und äußerem Epithel der Schalendrüse. II. D. Fig. 43. Äußeres Epithel der Schalendrüse stark abgeflacht. Sagittal- schnitt. II.D. Fig. 44. Sagittalschnitt. Dargestellt ist die dem Ektoderm anliegende Seite der Schalendrüse. Verschmelzung beider Schichten. II. E. Fig. 45. Typisches Verhalten der Schalendrüse auf späteren Stadien. Die Loslösung vom Ektoderm ist wieder erfolgt. II. D. Fig. 46. Hautsinnesorgan im Sagittalschnitte (aus dem Fuße). Comp. oc. VI, homog. Imm. apochr. 2,0. Fig. 47. Dasselbe im Querschnitte (aus den Cerebraltuben). Comp. oc. VI, homog. Imm. apochr. 2,0. Fig. 485—50. Auf einander folgende Stadien der Auswanderung dieser Hautsinnesorgane (aus dem Fuße). II, homog. Imm. apochr. 2,0. Fig. 51—53. Suecessive Abschnürung und Ausbildung der Otolithen- blase. IV. E. Fig. 54—56. Einstülpung und Vertiefung der Augengrube. II.D. Fig. 57. Abgeschnürte Augenblase mit Linse und Ganglion opticum. II.D. Fig. 58. Augenblase mit den ersten Ausscheidungen der Linse. II. E. Fig. 59. Späteres Stadium der Augenblase. Entwicklung und Differen- zirung der einzelnen Theile. II. E. Fig. $0. Querschnitt der vorderen Mundhöhle, den Wimperwaulst auf jünge- ren Stadien zeigend. II. D. Fig. 61. Frontalschnitt der Mundhöhle. Einstülpung der Speicheldrüsen, (die eine Ausstülpung von einem anderen Schnitte ergänzt und kombinirt). 1. C. Fig. 62. Querschnitt der Mundmasse, seitlich die Speicheldrüsen zei- gend. 1.C. Tafel XXXIV. Fig. 63. Sagittalschnitt durch das Stomodäum, die erste Anlage der Radulatasche erkennen lassend. II. E. Fig. 64. Dessgleichen, etwas älteres Stadium. II. D. Fig. 65. Sagittalschnitt durch den Vorderdarm. I1.C. Fig. 66. Dessgleichen, älteres Stadium. Beginn einer Differenzirung der Radulatasche. 1. C. Fig. 67. Sagittalschnitt durch die Radulatasche auf jüngerem Stadium. Erste Anlage der Radula und der Odontoblasten. II, homog. Imm. apochr. 2,0. Fig. 68. Sagittalsehnitt durch die Radulatasche. Beginn der Faltungen. 1.C. Fig. 69. Dessgleichen, weitere Ausbildung der Falten. I. C. Fig. 70. Dessgleichen, älteres Stadium, fertige Ausbildung der Falten. 1.C. Fig. 71. Frontalschnitt der Radulatasche vom Stadium der Fig. 69. Kom- binirt aus zwei auf einander folgenden Schnitten. 1. C. Fig. 72. Frontalschnitt der Radulatasche vom Stadium der Fig. 70. 1.C. Fig. 73. Frontalschnitt eines ganz jungen Stadiums, die erste Anlage der Darmeinstülpung zeigend. II. E. Fig. 74. -Dessgleichen, Darmeinstülpung etwas tiefer. II. E. Fig. 75. Sagittalschnitt eines jungen Embryos. Darmeinstülpung noch tiefer. 11. E. Fig. 76. Sagittalschnitt eines anschließenden, älteren Stadiums. II.D. 662 Johannes Meisenheimer, Fig. 77. Weitere Ausbildung derselben Verhältnisse. Darmeinstülpung tief nach innen vordringend (die einige Schnitte entfernte Öffnung der Schalen- drüse hinzu kombinirt). II. D. Fig. 78. Querschnitt der Darmeinstülpung, das enge Lumen zeigend. II. E. Fig. 79. Sagittalschnitt. Erste Andeutung der Abschnürung der Darm- einstülpung. II. D. Fig. 80. Frontalschnitt. Ablösung der Darmeinstülpung vom Ektoderm und Verschmelzung mit dem Entoderm. 1. D. Fig. 81. Sagittalschnitt. Vollzogene Abtrennung vom Ektoderm und Ver- bindung mit dem Entoderm. II.D. Tafel XXXV. Fig. 82—90. Successive Entstehung der Herz-Nierenanlage durch Wuche- rung aus dem Ektoderm (die gezeichnete Stelle entspricht stets dem dunkel gehaltenen Stück von Textfig. 14). II, homog. Imm. apochr. 2,0. Fig. 91. Sagittalschnitt. Die Herz-Nierenanlage bildet einen scharf ab- geschlossenen Haufen. I. E. Fig. 92. Sagittalschnitt. Die Herz-Nierenanlage beginnt sich zu ver- srößern. I. E. Fig. 93. Sagittalschnitt. Erster Beginn einer Differenzirung der Herz- Nierenanlage. Auftreten der Lungenhöhle. I. E. Fig. 94. Sagittalschnitt. Weitere Ausbildung dieser Differenzirung. Ver- schiebung eines Theiles der Anlage nach innen. Auftreten des Nierenausführ- ganges und weitere Ausbildung der Lungenhöhle. I. E. Fig. 95. Sagittalschnitt. Etwas älteres Stadium. Abtrennung des Nieren- kanals von der Herzanlage (der einige Schnitte entfernte innerste Zipfel der Lungenhöhle hinzu kombinirt). I. E. Fig. 96. Sagittalschnitt. Nierenbläschen und Herzanlage scharf geschie- den. Nierenausführgang und Lungenhöhle tiefer eingesenkt. I. E. Tafel XXXVI. Fig. 97—105. Herzentwicklung. Der Herzschlauch stets im Längsschnitt getroffen. Fig. 97. Frontalschnitt. Auswachsen der Herzanlage zu einem Strang zwischen Lungenhöhle und Schalendrüse. I. E. Fig. 98. Frontalschnitt. Dasselbe Stadium, etwas weiter vorgeschritten. I.E. Fig. 99. Querschnitt. Weitere Ausbildung des Herzstranges. Scheidung zwischen Vorhof und Kammer. 1. E. Fig. 100. Frontalschnitt. Herzschlauch deutlich ausgebildet. Erstes Auf- treten des Perikards. I. E. Fig. 101. Frontalschnitt. Dessgleichen, etwas älteres Stadium. II.D. Fig. 102. Frontalschnitt. Noch schärfere Ausbildung der Scheidewand zwischen Vorhof und Kammer. Perikard völlig ausgebildet. II. D. Fig. 103. Querschnitt. Älteres Stadium. Differenzirung in Endothel- und Muskelzellen. I. D. Fig. 104. Frontalschnitt. Herz in Systole, sonst Stadium von Fig.103. II. D. Fig. 105. Querschnitt. Völlige Ausbildung des Herzschlauches und Peri- kards. 11. C. Fig. 106—110, Taf. XXXVII, Fig. 111, 112. Perikardbildung. Herzschlauch im Querschnitte getroffen. 2: Js Entwicklungsgeschichte von Limax maximus LH. re Fig. 106. Sagittalschnitt. Herzschlauch noch ohne jede Andeutung des Perikards. I. E. Fig. 107. Sagittalschnitt. Erstes Auftreten der Spalträume zur Bildung des Perikards. 1. E. Fig. 108. Sagittalschnitt. Vergrößerung dieser Spalträume. I. E. Fig. 109. Sagittalschnitt. Dessgleichen, älteres Stadium (der zwei Schnitte entfernte, hintere Spaltraum hinzu kombinirt, da der Schnitt etwas schräg ver- lief). I. E. Fig. 110. Sagittalschnitt. Dessgleichen, noch älteres Stadium. Beide Peri- kardialanlagen beginnen zu verschmelzen. I. E. Tafel XXXVII. Fig. 111. DiePerikardanlage bildet nunmehr einen einheitlichen Raum. I1.E. Fig. 112. Dessgleichen. Schnitt näher dem Septum, aber noch auf der Seite der Kammer. 1. E. Fig. 113—125. Nierenentwicklung. Fig. 113. Querschnitt. Vertiefung des Ausführganges, dem das Nieren- bläschen dicht anliegt. 1. E. Fig. 114. Sagittalschnitt. Erste Anlage des Perikardial-Nierenganges. 1. E. Fig. 115. Frontalschnitt. Differenzirung der Niere in drei Schenkel. Pri- märer Harnleiter tief eingesenkt. II.D. Fig. 116. Frontalschnitt. Weitere Ausbildung des vorigen Stadiums. II.D. Fig. 117. Querschnitt. Einmündung des primären Ureters in die eigent- liche Niere. II.D. Fig. 118. Frontalschnitt. Vereinigung sämmtlicher Theile des Herz-Nieren- komplexes. II.D. Fig. 119. Querschnitt. Einmündung des Perikardial-Nierenganges in das Perikard. I.D. Fig. 120. Frontalschnitt. Verbindung von Niere und primärem Ureter. Verschiebung des letzteren über die erstere. I.D. Fig. 121. Querschnitt. Älteres Stadium. Perikardialnierengang getroffen. Erstes Auftreten der Nierenfalten. I.D. | Fig. 122. Frontalschnitt. Einmündung des primären Ureters in die Niere. Verstärkung der Nierenfalten. I.D. Fig. 123. Querschnitt. Primärer Ureter über die Niere hinweggescho- ben. Falten der Niere tief ausgeprägt. II. C. Fig. 124. Querschnitt. Ausgebildetes Stadium. (Beschreibung siehe im Texte p. 645.) 1.C. Fig. 125. Frontalschnitt. Ebenfalls ausgebildetes Stadium. (Beschreibung im Texte p. 644.) 1.C. Erklärung der Serienzeichnungen. Tafel XXXVIII—XL. Serie I. Sagittalschnitte, ein junges Stadium der Nierenentwicklung vor der Verschmelzung beider Bestandtheile vorstellend. Zugleich ist die erste ‚ Perikardanlage auf dieser Serie dargestellt. (Nähere Erklärung siehe im Texte p- 632 und 641.) III B. 664 Joh. Meisenheimer, Entwicklungsgesch. von Limax maximus L. II. Serie II. Sagittalschnitte, ein etwas älteres Stadium darstellend, sowohl der Nieren- wie Perikardentwicklung. (Nähere Erklärung siehe im Texte p. 633 und 641.) III. B. Serie III. Frontalschnitte. Beide Bestandtheile der Niere sind ver- schmolzen. Perikardialnierengang völlig ausgebildet. Der primäre Ureter schiebt sich über die Niere. (Nähere Erklärung im Texte p. 643.) III. B. Serie IV. Sagittalschnitte, die Perikardanlage in einem mittleren Sta- dium der Entwicklung darstellend, anschließend an Serie II. (Nähere Erklä- rung im Texte p. 635.) 1.C. Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose von Oscarella (Halisarca). Von Dr. Otto Maas (München). Mit Tafel XLI. »La diffieulte de l’embryog£nie des Eponges n’est pas d’observer les differents stades, mais bien de recon- nailtre la succession normale dans le nombre consi- derable de formes anormales que l’on rencontre.« CH. BARROIS. 1876. Im Gegensatz zu den früheren Angaben über Spongienent- wicklung, die für jede Art und bei jedem Autor abweichend lauteten, lässt sich in den neueren Arbeiten eine stets größer werdende Über- einstimmung feststellen, und ein gemeinsames Bild aus den in ver- schiedenen Gruppen gewonnenen Ergebnissen herausschälen. Im typischen Fall besteht die Larve der Spongien aus zwei deutlich getrennten Lagern, aus Geißelzellen am vorderen Pol, die aus den Mikromeren der Furchung hervorgehen, und aus größeren Körnerzellen am hinteren Pol, resp. im Inneren der Larve, die den Makromeren entsprechen. Bei der Metamorphose liefern, umgekehrt, wie man erwarteu sollte, die letzteren die äußere Haut und das Spieulalager, die ersteren die Auskleidung der kammerartigen Hohl- räume. | Dieses Verhalten, in seinen Grundzügen von F. E. ScHuLzeE (78) und METSCHNIKOFF (74) bei Sycandra beschrieben, stand so lange isolirt da, bis durch Derage’s (92) und meine Untersuchungen (92 « und 93), zunächst für Esperella, dann für eine Reihe von Kiesel- und Hornschwämmen eine ganz entsprechende Metamorphose fest- gestellt, und auch das weitere Schieksal der Zellen verfolgt werden konnte. Allerdings besteht hier die den Körnerzellen entsprechende 666 Otto Maas, Schicht schon aus einer Anzahl recht verschiedener Elemente, Nadel- bildnern, Plattenzellen, kontraktilen und amöboiden Zellen ete. Es lässt sich jedoch nachweisen, dass sich alle diese aus einer einheit- liehen Keimschicht, den Makromeren, heraus differenziren. Den neueren Untersuchungen von E. A. MincHin (95) gebührt das Verdienst, dieser Anschauung von der Metamorphose auch bei den Kalkschwämmen eine breitere Basis zu geben, indem von ihm ein ähnliches Schicksal der Larvenschichten bei den Asconen nach- gewiesen, und die Fortentwicklung noch lange nach der Metamor- phose beobachtet wurde. Vor Allem aber konnte MincHIn zeigen, dass auch scheinbar andersartige Larven, die sog. Parenchymellae, bei denen die Zweischichtigkeit nach dem Stadium einer hohlen Blase durch Einwanderung körnig werdender Zellen zu Stande kommt, sich in ihrer Weiterentwicklung ganz entsprechend verhalten. Auch hier werden die Körnerzellen, obschon sie im Inneren, völlig umschlossen von den Geibelzellen, liegen, zum Haut- und Spieula- lager, und die Geißelzellen zur Auskleidung der gastralen Hohlräume. Es liegen danach nur mehr zwei Formen, jedoch aus anderen Spongiengruppen, vor, deren Einreihung in dem oben besprochenen Entwicklungstypus einige Schwierigkeit bietet, Plakina und Os- carella (Halisarca). Von Plakina lassen sich die einzelnen, durch größere Intervalle getrennten Stadien vor und nach der Metamorphose, die F. E. ScuuLze zeichnet (80, Figg. 22 und 27), wie ich gezeigt zu haben glaube (93, p. 423), recht gut auch in unserem Sinne auslegen. Die zusammenhängende Darstellung der Metamorphose von Öscarella dagegen, die HEIDER gegeben hat (86), ist von ihm selbst und von nachfolgenden Autoren in recht ver- schiedener Weise verwerthet worden. Hier sollen aus einer hohlen Blastosphäralarve durch Einstülpung der Zellen des hinteren (vegetativen) Pols (ausnahmsweise auch des vorderen!) zwei Schichten, Ektoderm und Entoderm, entstehen. Die innere, etwas körniger und großzelliger, soll die Kammern, resp. das ausführende Kanalsystem, die äußere Geißelzellenschieht die Ober- haut des Schwammes bilden. Es wäre nun möglich, sich mit diesen abweichenden Befunden unter völliger Anerkennung der Beobachtungen, lediglich durch Theo- retisiren, abzufinden, wie es z. B. DELAGE in einer sehr interessan- ten Erörterung gethan hat. Laut ihm (92, p. 404) stellt die Larve von Osecarella trotz der leichten Differenz der Pole nur ein noch in- differentes Zelllager dar, und erst durch die Einstülpung selbst werde Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Öscarella (Halisareca). 667 der betroffene Larventheil, sei es nun zufällig der vordere oder der hintere Pol, zum Gastral-, der außenbleibende zum Dermallager'!. In meiner ausführlichen Revision der Spongienentwicklung habe ich im Gegensatz dazu die Ansicht ausgesprochen (93, p. 422), dass die Oscarella-Larve wohl keine Blastosphära sei, sondern ähnliche Unterschiede der Zellen, resp. Regionen, wenn auch in schwächerer Ausprägung, wie die anderen Schwammlarven aufweise, ferner, dass sich normalerweise der vordere Pol einstülpe.. Auch MıncHin hat sich, namentlich in Berücksichtigung der Angaben früherer Autoren, BARROIS (76) und SoLLas (82), dieser Ansicht angeschlossen (94, p. 229). Bei einem kurzen Aufenthalt am adriatischen Meer in der zo0- logischen Station zu Rovigno bekam ich mehrfach Oscarella-Krusten, die auch im September Larven aussandten. Eine Anzahl der letz- teren konnte ich lebend beobachten und konserviren, andere bis zum Festsetzen und darüber hinaus verfolgen. In quantitativer Hinsicht ist mein Material recht gering und erstreckt sich nur auf wenige Stadien, die aber gerade die HEipEr’sche Darstellung in einigen Lücken ergänzen, resp. modifieiren. Ich glaube desshalb diese weni- sen Beobachtungen bringen zu dürfen, weil sie einerseits meine Vermuthungen über die Larven bestätigen, andererseits die späteren Stadien bei HEIDER leichter, als ich gedacht, in den allgemeinen Rahmen zu bringen erlauben. Den bisherigen Darstellungen der »Blastosphära«, die für die gerade ausgeschlüpfte Larve fast übereinstimmen und erst bezüg- lich des späteren Larvenlebens und der Metamorphose aus einander . gehen, dürfte kaum etwas hinzuzufügen sein; namentlich sind durch HEIDER auch die minutiösesten Einzelheiten der Histologie genau beschrieben worden. Hervorheben möchte ich, dass, wie HEIDER schon vermuthet, die Larven stets Nachts ausschwärmen und sich dann an der Licht- seite des Glases sammeln. Die Farbendifferenz der Pole fand ich bei meinen Larven sehr beträchtlich; das hintere Drittel schön 1 DELAGE scheint geneigt, hierin. ein Zeugnis von großer Tragweite gegen die Vererbungstendenz und für die Einwirkung der während der Onto- genie thätigen Faktoren zu erblicken, also die Schwamm-, spec. die Oscarella- Entwicklung für eine sehr aktuelle Frage im Sinne der Entwiceklungsmechanik zu verwerthen. So sehr ich die Berechtigung dieser Fragen und ihre Anwend- barkeit auf dieses Gebiet anerkenne, so erscheint es mir doch zuerst nöthig, den normalen morphologischen Entwicklungsgang vorher mit aller Sicherheit festzustellen. 668 Otto Maas, karminroth, die vorderen zwei Drittel dagegen nicht röthlieh oder selb, sondern rein weiß, wenigstens im auffallenden Licht. Eine Differenz in der Länge der Geißeln habe ich dagegen bei frisch ausgeschlüpften Larven nicht finden können und glaube mit SCHULZE (77), dass die von CARTER (74) und BArRoIs (76) angegebenen Unter- schiede durch die beim Schwimmen verschiedene Stellung der Geißeln bedingt sind. Anders steht es jedoch mit dem Größenunterschied der Zellen selbst, den ich schon bei der jungen Larve im hinteren Drittel um ein Bedeutendes gegenüber dem vorderen ausgesprochen finde. Aller- dings lässt er sich an Zupfpräparaten kaum konstatiren, weil die iso- lirten Zellen aus den natürlichen Lagerungs- und Druckverhältnissen der Blastosphära gebracht sich kontrahiren und ganz andere Formen annehmen können. Betrachtet man aber die Larve als Ganzes, so sieht man schon am lebenden Objekt bei Einstellung auf den opti- schen Schnitt, dass die Dicke der Blastosphärawandung (die ja der Höhe der einzelnen Zellen entspricht), im hinteren, roth gefärbten Theil um ein Drittel und noch mehr zunimmt, und zwar gilt dies nicht nur für den mit glashellem Exoplasma versehenen Theil, son- dern für das ganze hintere Drittel, wenn auch gerade der Pol selbst etwas niedrigere Zellen aufweist (Fig. 1. Wie HEIDER angiebt, sollen bei der großen Formveränderlichkeit der Larve »diese Verhältnisse mannigfachen Variationen unterliegen«; indessen halten sich diese Unterschiede doch stets innerhalb gewisser Grenzen, so zwar, dass im Allgemeinen am hinteren Drittel die Zellhöhe stets beträchtlicher ist wie vom. Auch am Totalpräparat der konservirten und gefärbten Larve ist das ersichtlich, nicht nur dass die Wanddieke hinten stets größer erscheint, auch die einzelnen Kerne liegen hier deutlicher und weiter aus einander, was ja für größere Ausdehnung der ein- zelnen Zellen spricht, und die Kerne selbst sind, wie auch Schnitte lehren, merklich größer. Die Larve ist im Inneren noch durchaus frei an zelligen Ele- menten, und in dieser Hinsicht eine typische Blastosphära; ihre Höh- lung ist im Vergleich zur Wandungsdieke sehr beträchtlich (im Gegensatz z. B. zu der Larve von Sycandra und anderer Kalk- schwämme), und desswegen ergeben sich leicht Dellen und Einstül- pungen, größerer und kleinerer, vergänglicher oder länger dauernder Art, die jedoch keinerlei morphologische Bedeutung besitzen. Schon bei den kompakteren Kieselschwammlarven kommen solche Ein- treibungen öfters vor; um wie viel eher sind sie also bei diesen Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 669 hohlen Larven möglich, ja durch das Anstoßen im De Raum des Züchtungswassers beinahe unvermeidlich! Ich habe solche Einstülpungen meistens am vorderen Ende, wie es durch die Richtung des Schwimmens bedingt ist, mitunter auch am hinteren Pol, selten seitlich an beliebigen Stellen beobachtet, ohne ihnen irgend welchen morphologischen Werth beizumessen. Als freischwimmende Gastrulä möchte ich sie um so weniger bezeichnen, als sich in vielen Fällen die Einstülpung wieder ausgleicht, und die Larve ihren Entwicklungsgang weiter fortsetzt. In anderen Fällen ist die Delle zu tief, und die Larve geht nach und nach zu Grunde. Eine wirklich bedeutsame und bleibende Lageverschiebung der Zellen der Larve geht erst dann vor sich, wenn dieselbe keine ein- heitliche Blastosphära mehr vorstellt, sondern eine Reihe weiterer Veränderungen im histologischen Charakter ihres Zellmaterials durch- gemacht hat. Es sind dies dieselben Veränderungen, die BARROIS schon ge- sehen und in optischen Schnitten abgebildet hat (76, Figg. 31 und 32), und die wohl auch F. E. ScHULZE meint, wenn er sagt (77, p. 23), dass er »gewisse nicht unerhebliche Veränderungen mit einiger Regel- mäßigkeit eintreten sah«, die jedoch von HEIDER (86, p. 177) »als höchst wahrscheinlich abnorme« bezeichnet werden, weil alle die Forscher vor ihm kein Festsetzen beobachtet haben, sondern höch- stens noch ein oder das andere, lange danach folgende Stadium eines jungen Schwämmchens abbilden. Auch diese Stadien, wie z. B. SCHULZE’s Fig. 23, wo Geißelkammern, Kanalsystem und meso- dermales Gewebe abgebildet ist, werden von HEIDER nicht an- erkannt. Meinen Beobachtungen nach sind aber gerade diese Verände- rungen, die Differenzirung der Zellen des hinteren Pols und dessen Volumsvergrößerung die normalen; denn ich habe solche Larven sich anheften und zu jungen Schwämmehen gleich der Schuzze’schen Ab- bildung auswachsen sehen. Da mir nicht nur die Betrachtung der lebenden Larve, sondern auch Schnitte durch mit Chromosmiumsäure gehärtetes Material dieselben Resultate von den Zellveränderungen geliefert haben, möchte ich darauf kurz eingehen. Die erste Veränderung, die an den Zellen des hinteren Drittels sich bemerkbar macht, ist die, dass der Unterschied zwischen dem peripheren. hellen Exoplasma und dem nach innen gelegenen, mehr granulirten Endoplasma verwischt wird, und die ganze Zelle gleich- mäßig, aber schwach granulirt erscheint. Von einem besonderen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 44 670 Otto Maas, »Kragen« kann dann an der Zelle keine Rede mehr sein; auch die Geißel wird kürzer und in ihren Bewegungen matter. Manche Zellen sind auch ganz ohne Geißel und zeigen, isolirt, amöboide Fortsätze. Die Granulirung spricht sich nach und nach stärker aus und die ein- zelnen Zellen nehmen an Volumen zu; insbesondere sieht man auch am ÖOberflächenbild, dass ihre Außenflächen sich sehr verbreitert haben. Man könnte zuerst daran denken, dass sich einige der schlan- ken Geißelzellen mit einander verschmolzen hätten; doch ist dies nicht der Fall, sondern es hat gleichzeitig sowohl eine Verkürzung der Zellen in ihrer Hauptachse stattgefunden (Fig. 2), so dass sie bedeutend weniger schlank sind, auch hat jede einzelne, wie man sich durch Übergangsstadien überzeugen kann, in Folge der Auf- nahme von Granula an Volumen zugenommen. | Dieser Vorgang spricht sich immer deutlicher aus; manche Zellen sind fast kubisch oder irregulär geworden und zeigen sich mit größeren und kleineren Körnchen, die sich durch Osmium schwärzen, dicht erfüllt. Allerdings haben auch die Geißelzellen der vorderen Hälfte an Höhe verloren (Fig. 2); aber ihr Plasma ist ziemlich unverändert und hell geblieben, und ihre Geißeln erscheinen noch in voller Länge. Dadurch wird der schon vorher äußerlich durch die Farbe angedeutete Gegensatz zwischen der vorderen und hinteren Larven- partie auch dem inneren Wesen nach sehr ausgesprochen, und man könnte auch hier geradezu von einer »Amphiblastula« reden, wenn nicht auf diesem Stadium bereits einige der vorhin erwähnten granulirten Zellen in die innere Höhlung eingewandert wären. Auf jeden Fall sehen wir nunmehr eine aus zwei Zellsorten, oder Schichten bestehende Larve vor uns, durchaus vergleichbar der von Sycandra und den Kieselschwämmen; am vorderen Ende schlan- kere und helle Geißelzellen, am hinteren Ende größere granulirte Zellen mit und ohne Geißel, die letzteren theilweise schon im Inneren parenchymartig. | In einigen extremen Fällen — allerdings betraf dies Larven, die nicht zum Ansetzen gekommen waren — waren die Unterschiede noch weiter ausgebildet, und die beiden Larvenhälften durch eine leichte Einschnürung, wie sie auch bei den Kieselsechwämmen an der Grenze beider Schichten vorkommt (MAAs 93, Figg. 41, 68 u. a.) von einander getrennt. Diese Einkerbung wurde immer stärker und schien geradezu die Larve in zwei differente Theile zerschnüren zu wollen (Fig. 3). Dies letztere Verhalten ist offenbar pathologisch, aber selbst im normalen Fall heben sich die beiden Theile nicht nur Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Öscarella (Halisarea). 671 im Charakter ihrer einzelnen Zellen sondern auch als Ganzes scharf von einander ab. Auch das weitere Schicksal der Zellschichten der Larve sowohl beim Ansetzen, wie später, entspricht ganz den an Sycandra und den Kieselschwämmen gewonnenen Resultaten. Die Larve heftet sich, wie ich bestimmt versichern kann, stets mit dem vor- deren, unpigmentirten, geißeltragenden Pol an. Ein Festheften mit dem hinteren, röthlichen Körnerzellenpol habe ich niemals beobachtet, höchstens ein gelegentliches Liegenbleiben von immer schwächlicher schwimmenden Larven, das ohne die Folgen blieb, die mit dem normalen Ansetzen verbunden sind. Es steht dies im anscheinend direkten Gegensatz zu den Be- obachtungen HEIDER’s über diese Phase; jedoch sind dieselben gerade an dieser Stelle, seinen eigenen Angaben nach, nicht so bestimmt; sie lassen sich sogar theilweise in unserem entgegengesetzten Sinne deuten. HEIDER selbst sagt (86, p. 199): »Die Treue meiner Schil- derung nöthigt mich einzugestehen, dass ich in einigen Fällen auch Bilder gesehen habe, welche auf eine Einstülpung des vor- deren, gelblich gefärbten Pols schließen ließen;« jedoch hält er diese Individuen nicht für lebenskräftig.. An anderen Stellen, wo noch von der frischen, munter schwärmenden Larve die Rede ist, (p- 182) spricht er von deren »Neigung, sich an feste Körper oder die Oberfläche des Wassers zeitweilig festzuankern. Dieses Sich- festheften geschieht immer mit dem vorderen Körperpole< .... »das hintere Drittel lest sich jedoch nie an die Unterlage an.« Je mehr das Larvenleben sich seinem Ende nähert, desto häufiger wird, auch ' nach HEIDER, dies Anheften; es ist nun durchaus nicht einzusehen, warum diese für das Larvenleben von HEIDER klar erkannte Ten- denz der beiden Pole sich beim definitiven Festhaften auf einmal umkehren soll. Im Gegentheil, gerade die spät eintretenden Er- scheinungen neigen leicht zum Anormalen, »le meilleur eriterium est la rapidite du development« (BARROIS 76, p. 47); die Anfangs auftretenden Ansatzversuche mit dem vorderen Pol zeigen das Ty- pische, während die anderen nur ein eenlieie Liegenbleiben altersschwacher Larven bedeuten. Ich kann also auch nicht mit DELAGE eine dritte Möglichkeit annehmen, nämlich die, dass erst durch das Ansetzen selbst der eine oder der andere Pol je nachdem seinen gastralen oder dermalen Charakter gewänne; vielmehr finde ich hier eine bemerkenswerthe Unabhängigkeit der morphologisch-typischen Veränderungen von den 44* 672 Otto Maas, biologischen Faktoren, wie dies auch früher schon GOETTE für die Spongienentwicklung betont hat, und wie es auch z. B. von METSCHNI- KOFF bei der Sycandra-Larve beschrieben worden ist (74), bei der die Differenzirung des Körnerzellenlagers in Spieulabildner und Epithel- zellen gelegentlich schon in der freischwimmenden Larve vor sich sehen kann. Eben so nehmen hier die Zellen des hinteren Drittels schon in der Larve ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Festsetzens ihre körnige Beschaffenheit an und zeigen auch mitunter schon eine Ein- wanderung nach der Höhlung, also Differenzirung der Parenchym- schicht vom Epithellager. Das Festsetzen erfolgt nach äußerlichen biologischen Bedingungen je nach Gesundheit der Larve, passendem Platz ete., und findet dann die Larve in mehr oder minder vorge- schrittener Differenzirung der beiden Lager. Charakteristisch mit dem Festheften verbunden ist nicht eine Änderung im Charakter, sondern in der Lagebeziehung der Zellen. Die schlanken Geißel- zellen am Vorderende gerathen durch die Einstülpung des Festsetzens ins Innere, und die körmigen Zellen des hinteren Pols kommen außen um sie herum zu liegen. Je nach Beschaffenheit und Ausdehnung der Ansatzbasis bilden dann die Geißelzellen im Inneren entweder die Auskleidung eines halboffenen Sacks, oder eine kompakte Schicht, oder im extremsten Fall eine breite Platte (wenn z. B. die Wasseroberfläche die Ansatzflläche abgegeben hat). Damit wird aber für das Wesentliche des Vorgangs nichts geändert; zwei schon diffe- rente Schichten werden nun auch in verschiedene Lagebeziehung zur Außenwelt gebracht. Das nach dem Ansetzen resultirende- Bild ist also nach meinen Beobachtungen ein umgekehrtes wie das von HEIDER (86, Fig. 25), das auch in verschiedenen Lehrbüchern zu finden ist, und zeigt gerade die schlankeren Zellen im Inneren, die körnigen, erößeren außen (Fig. 4), wie es übrigens ganz dem Verhalten von Sycandra, Esperella ete. entspricht. Für die weiteren Stadien kann ich den bisherigen Beobach- tungen kaum Neues hinzufügen; nur hervorheben möchte ich, dass mir dieselben von Anfang an nicht so einfach lamellenartig, aus gefalteten Epithelien zusammengesetzt erschienen sind, wie es den Heiper’schen Abbildungen (27—31) entspräche, sondern mehr parenchymartig, ähnlich der Abbildung bei F. E. ScHuLzE (77, Fig. 23), mit wohl entwickeltem Grundgewebe und darin befind- lichen Bindesubstanzzellen, die ja bereits in der Larve sich theil- weise gesondert hatten. Sowohl SCHULZE wie HEIDER haben ferner Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 673 beobachtet, wie lange die Einstülpung der Geißelzellen nach außen geöffnet bleiben kann, noch auf einem Stadium, wo sich schon die Divertikel der Geißelkammern angelest haben, was ich nur zu bestätigen habe. Bemerkenswerth ist ferner besonders, dass die Divertikelbildung um den primären Hohlraum herum zuerst in einem, dann in mehreren einander genäherten Kränzen erfolgt (Fig. 5 g), sSanz wie bei Sycandra die Tubenbildung. Die einzelnen Buckel, die einen Kranz zusammensetzen, stoßen dabei direkt an einander, ohne durch andersartige Auskleidungszellen des centralen Hohl- raums von einander geschieden zu sein; eben so nahe liegen sie den Buckeln des nächstfolgenden Kranzes. Es muss dahingestellt bleiben, ob die nachher zwischen den Divertikeln sich hinziehende Ausklei- dung platter Epithelzellen ebenfalls von diesen Geißelzellen stammt, durch Abflachung, wie es HEIDER annimmt, oder ob wir es hier nicht vielmehr mit eingewanderten Dermaizellen zu thun haben, wie es für die ausführenden Lakunen bei den Kieselschwämmen von DELAGE und mir beschrieben worden ist; die Geißelzellen würden sonach nur die Kammern selbst bilden. Mehrere Umstände, wie die oben er- wähnte Lage der Kammerdivertikel, die sich stets mit ihrem Geißel- epithel berühren, weisen darauf hin, das letztere anzunehmen, so dass mit dem Verschluss der Ansatzöffnung die Dermalzellen stets weiter nach innen wachsen und dann zwischen die Kammerdivertikel ge- rathen. Auch geschieht die Neuanlage eines Divertikels niemals von einer Stelle mit plattem Epithel aus, sondern stets von da, wo richtige Geißelzellen vorhanden sind, also von der Basis d. i. Mündung eines früheren Divertikels. Doch können diese Fragen erst an neuem Material, oder durch den Vergleich mit den späteren, ja ebenfalls noch nicht bekannten Stadien von Sycandra nach der Metamorphose gelöst werden. Auch sind sie von minder wichtiger Natur und lassen die Hauptfrage, die Verwendung der Larvenschicht bei der Metamor- phose unberührt. | In dieser Hinsicht ist für Oscarella als Resultat festzuhalten, dass ihr Entwicklungsgang keinen besonderen Typus darstellt, sondern ebenfalls ein (nur später eintretendes) zweischichtiges Larvenstadium aufweist, aus körnigen Zellen am hinteren, aus schlanken Geißel- zellen am Vorderende bestehend, und dass diese Schichten für den Aufbau des. erwachsenen Schwammes ganz dieselbe Verwendung finden, wie bei Sycandra, den Aseonen, den Kieselhorn- und Horn- schwämmen. 674 Otto Maas, Für die Homologisirung der Schichten innerhalb des Spongien- stammes bestehen also keinerlei Schwierigkeiten; im Gegentheil, die Übereinstimmung ist größer als in mancher anderen Gruppe; die Zer- legung des ursprünglich einheitlichen äußeren Lagers in eine bloß epitheliale bedeekende Schicht und in die Parenehymschicht mit den Skelettbildnern ist ein bei Kalkschwämmen wie bei Kieselschwämmen paralleler Vorgang, wie ich schon früher erörtert habe (92£). Die geringen Verschiedenheiten, die im Entwicklungsgang auf der einen oder anderen Seite bestehen, lassen sich als zeitliche Verschiebungen und mit den Verschiedenheiten der erwachsenen Schwämme ohne Zwang begründen. Schwieriger jedoch steht es mit der Frage, wie diese Schichten mit ‘den Keimschichten der übrigen Thiere, die typischen Cölente- raten inbegriffen, zu vergleichen sind, und wie und ob dem zufolge den Spongien Stellung innerhalb der Metazoen zugewiesen werden soll. Man kann zweierlei Standpunkte mit je zwei Unterabtheilungen unterscheiden: A. Will man überhaupt vergleichen, so giebt es zwei Möglichkeiten: 1) Man geht vom erwachsenen Schwamm aus und betrachtet die Verwendung der Keimschichten als für den Vergleich maßgebend. Dann müssen die Geißelzellen dem Entoderm, die Körner- zellen trotz ihrer inneren Lage dem Ektoderm plus event. Mesoderm der übrigen Thiere verglichen werden. 2) Man geht vom Verlauf der Entwicklungsgeschichte aus und hält die zuerst und länger dauernde Lagebeziehung für maßgebend. Dann sind die Geißelzellen Ektoderm, die Körnerzellen Entoderm, trotz ihres späteren Schicksals, zu nennen. B. Man verzichtet auf jeden Vergleich der Spongien mit den übrigen Thieren, sei es: 1) weil man sie der erwähnten Schwierig- keiten und anderer anatomischer Gründe wegen für einen von den übrigen Metazoen getrennt entstandenen Thierstamm hält, wobei die Homologie der Keimblätter bei den anderen Metazoen gar nicht tangirt wird, oder 2) weil man den Standpunkt hat, auf den Vergleich der Keimblätter im Thierreich überhaupt zu verzichten, und in ihnen nur eine von den jeweiligen Umständen beeinflusste, passende Anordnung des Zellmaterials zu sehen. Bei letzterer Annahme fallen natürlich alle Erörterungen für oder gegen eine Homologie von selbst fort, in den ersten Fällen hat man die Wahl, das Keimblatt, wie es BRAEM in seinem interessanten Aufsatz (Biol. Centralbl. 1895) ausdrückt, entweder als morphologi- schen oder als physiologischen Begriff zu fassen. Es wäre ferner Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella’(Halisarca). 675 noch auf eine mehr phyletische Betrachtungsweise hinzudeuten, bei der die Keimblätter als Primitivorgane eines Urthieres gedeutet wer- den. Dabei werden sich im Allgemeinen für die beiden primären Keimblätter die Begriffe morphologisch und physiologisch decken, d. h. die zum Entoderm zu rechnenden Zellen des zweiblätterigen Keims werden das Material zum Mitteldarm des fertigen Thieres, die zum Ektoderm gehörigen Zellen werden das Material zur äußeren Haut und der damit in Zusammenhang stehenden Organe liefern. Ge- wisse Einschränkungen kommen wohl da und dort vor, die sich je- doch — es ist hier nur von den beiden primären Blättern die Rede — schließlich wieder in den allgemeinen Rahmen einfügen. Bei den Spongien handelt es sich jedoch nicht um bloße Einschränkungen, sondern um einen direkten Gegensatz zwischen morphologischem und physiologischem Keimblattbegriff. So lange nur die Entwicklungsgeschichte von Sycandra bekannt war, trat dieser Gegensatz nicht so scharf hervor, man konnte, allerdings mit einigem Zwang, das spätere Schicksal der Keimschichten mit dem Verlauf der Entwicklungsgeschichte in Einklang bringen und die großen Körnerzellen trotz ihrer Lage am vegetativen Pol und ihrer zeitweiligen Einstülpung als Ektoderm, die Geißelzellen am animalen Pol als Entoderm bezeichnen. Nachdem wir aber bei den Kieselschwämmen durchaus vergleichbare Larven kennen gelernt _ haben, bei denen die beiden Zellschichten nicht an verschiedenen Hälften einer hohlen Blase liegen, sondern bei denen die Geißel- zellen die Körnerzellen mehr oder minder vollständig umwachsen, ganz wie es sonst bei einer epibolischen Gastrulation geschieht, da war für die Spongien der Gegensatz zwischen früheren Entwicklungs- stadien und späterem Schicksal gegeben. Schon früher hat sich GOETTE in einer zu wenig beachteten Mittheilung dagegen ausgesprochen (86, p. 294), dass laut HEIDER »an den Blastulae verschiedener Schwämme sich die entgegengesetzten Hemisphären zum Entoderm einstülpten, d. h., dass nicht der Ur- sprung sondern die späteren Leistungen eines Keimtheils für seine Homologie maßgebeud wären...... eine solche Auffassung würde die Bedeutung der vergleichenden Entwicklungsgeschichte in Frage ‚stellen.« Auch DELAGE sagt (92, p. 411) »si l’on admet dans toute sa rigueur la theorie des feuillets, il faut quil y ait quelque chose de renvers6 par rapport aux metazoaires;« und ich selber habe sehr ausführlich (93, p. 428ff.) die Gründe erörtert, bei den Spongien zunächst eine Entodermbildung durch Gastrulation und darauf einen 676 Otto Maas, sekundären, mit dem Ansetzen verbundenen Umwachsungsprocess anzunehmen. Inzwischen sind noch weitere Thatsachen aus der Entwicklung der Spongien bekannt geworden, die diese Auffassung stützen können. Zunächst die von MincHIn untersuchte Metamorphose von Asconen, bei denen eine Art Planulalarve, außen aus Geißelzellen, innen aus einer Masse körniger Zellen gebildet, vorhanden ist. In Bezug auf das spätere Schicksal werden auch hier nach »Umkehr der Schichten«, die Körnerzellen zur Haut und den Nadelbildnern, die Geißelzellen zur Auskleidung des Gastralraumes. In Bezug auf Herkunft kommen aber die Körnerzellen nach dem Stadium einer Blastula durch einen Process zu Stande, den man sonst nur als »multipolare Entodermbildung« bezeichnen würde. Hierzu gesellt sich jetzt noch die Metamorphose von Oscarella, bei der die Bildung der Körnerzellen mehr polar geordnet ist, und bei der dann ebenfalls die Geißelzellen des animalen Pols zur Gastralauskleidung werden. Alle diese früheren Vorgänge haben trotz der Verschiedenheiten im Einzelnen bei Sycandra, Kieselhornschwämmen, Asconen und Os- carella das Wesentliche gemeinsam, zwei nach Lagebeziehung und Charakter verschiedene Zellschichten herzustellen, die man sonst im Thierreich als Ektoderm und Entoderm bezeichnen würde; und dieses allen gemeinsame Stadium der Zweischichtigkeit dauert — ein Umstand, dem bisher stets in der vergleichenden Ent- wicklungsgeschichte Bedeutung beigelegt wurde — längere Zeit hin- durch an. Alle diese Bildungen kommen auch bei den typischen Cölenteraten als »multipolare, unipolare Entodermbildung durch Ein- wanderung, als epibolische oder invaginirte Gastrulation vor; bei den Cölenteraten bleiben jedoch die Schichten der dadurch zu Stande kommenden Planulalarve auch für den erwachsenen Zustand in gleicher Lage, während bei den Spongien sich Lage und Verwen- dung umkehren. Diejenigen Autoren nun, die trotz der typischen bei Spongien vorkommenden »Entoderm«-Bildungsweisen, trotz des lange an- dauernden Planula ähnlichen Zustandes, dies Alles für nebensächlich halten und nur den definitiven Zustand nach Umkehr der Schichten zum Vergleich nehmen (Standpunkt 41), die scheinen mir in Wirk- lichkeit auf dem Boden der negirenden Anschauungsweise (32), den Keimblättern gegenüber zu stehen. Damit soll nicht gesagt sein, dass diese Anschauung nicht vertreten werden könne; ich glaube nur, dass diese meisten dieser Autoren eine so radikale Meinung Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 677 selbst nicht theilen, sondern auf dem Boden der Keimblätterlehre zu stehen glauben, wie ja aus ihrer Nomenclatur, die Umkehr der Sehiehten Gastrulation, die Geißelzellen Entoderm zu nennen, hervor- seht; dass aber in Wirklichkeit ihr Standpunkt (A1) mit einer völligen Negirung der Blätterlehre (52) zusammenfällt. Ein anderer, noch vertretbarer Standpunkt wäre der (51), die Spongien als unabhängig von den übrigen Metazoen entstandene Gruppe anzusehen, so dass deren Keimblättervergleich hier überhaupt nieht in Frage käme. In diesem Sinne hat sich zuletzt DEIAGE un- sefähr so ausgesprochen: die Spongien zeigen ebenfalls eine fort- schreitende Differenzirung ihrer Elemente, aber dieselbe vollzieht sich nicht im Sinne von Blättern, sondern zellenweise, indem sich einzelne Zellen zu dieser, andere zu jener Leistung umbilden. Ich habe dagegen schon früher geltend gemacht, dass alle diese Zellsorten der mittleren Schicht und äußeren Bedeckung ursprünglich ein ein- heitliches Keimlager bilden und sich, die skeletbildenden Elemente meist zuerst, in verschiedenen Phasen der Ontogenie von einander sondern (92%, 93), eine Anschauung, die jetzt namentlich durch die Beobachtungen MrmchHin’s an jungen Kalkschwämmen (95), wo noch die Epithelzellen selbst Spicula ausscheiden, ihre weitere Bestätigung erhalten hat. Ferner muss hervorgehoben werden, dass gerade die Oscarella-Metamorphose, die von DELAGE zur Stütze der direkten Abstammung von Protozoen benutzt werden konnte (92, p. 415), jetzt ein anderes Ansehen gewinnt und ebenfalls darauf hinweisen kann, auch in den Spongien zweiblättrige Thiere, jedoch mit Umkehr der Schichten, zu sehen. Es liegen also außer dem negirenden Standpunkt der sich durch das Zusammenfallen von Ansicht A1 mit 52 ergiebt, noch zwei Auffassungen vor, die beide vertreten werden können, für deren eine jedoch außer früher angeführten theoretischen Gründen (Mmn- CHIN 97, p. 33) jetzt auch solche der Beobachtung in die Wagschale fallen. 1 In einem mittlerweile erschienenen Referat v. LENDENFELD’s über MIncHIN (97), Zoolog. Centralbl. (TV. Jahrg. p. 910—913), ist die Ansicht ausgesprochen, dass der Begriff Cölenteraten nicht phyletisch, sondern »morphologisch« gefasst werden soll, und die Spongien also hier einzureihen seien. »Ob sie für sich aus Protozoen (Choanoflagellaten) hervorgegangen sind, oder ob sie sich aus den Gastraeadenvorfahren der Cnidaria entwickelt haben, kommt dabei gar nicht in Betracht.< Damit scheint mir über das Wesen der Streitfrage nichts gesagt, und nur äußerlich durch Andersfassung eines Wortes, so zu sagen ein Modus vivendi resp. distribuendi für den Systematiker hergestellt zu sein. 678 Otto Maas, Wie die definitive Entscheidung fällt, ist damit doch noch nicht gesagt; es soll aber hier hervorgehoben werden, dass diese früher im Beobachtungsmaterial aus der Spongiengruppe selbst lag, dass heute aber letzteres so weit vorliegt, dass die Entscheidung außerhalb der Untersuchungen selbst gerückt ist, und nur noch vom allgemeinen Standpunkt, von theoretischen Gründen, abhängt. München, Zoolog. Institut, December 1897. Gitirte Litteratur, 1874. H. J. CARTER, On the development of marine Sponges etc. Ann. S. Mag. (ser. 4.) Vol. XIV, ’74. E. METSCHNIKOFF, Zur Entwicklungsgeschichte der Kalkschwämme. Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 6. CH. BARROoIS, Memoire sur l’embryologie de quelques Eponges de la Manche. Ann. Se. Nat. (ser. 6. Zoolog.) T. Ill. ’77. F. E. SCHULZE, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. II. Die Gattung Halisarca. Diese Zeitschr. Bd. XXVIII. ’78. —— V. Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Ibid. Bd. XXXI. ’80. —— IX. Die Plakiniden. Ibid. Bd. XXXIV. | ’82. W. J. SOLLAS, On the development of Halisarca lobularis. Quart. Journ. Mier. Se. Vol. XXIV. ’86. K. HEIDER, Zur Metamorphose der Oscarella lobularis 0. Schm. Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. VI. ’86. A. GOETTE, Nachträgliche Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Spongien. Zool. Anz. Bd. IX. ’92«@.0. MAAs, Die Metamorphose von Esperia lorenzi ete. Mitth. Zool. Stat. Neapel. Bd. X. "928. —— Die Auffassung des Spongienkörpers ete. Biolog. Centralbl. Bd. XII. ’'92. Y. DELAGE, Embryog£enie des Eponges ete. Arch. Zool. Exp. ser. 2. TAX 93. 0. Maas, Die Embryonalentwicklung und Metamorphose der Cornacuspon- gien. Zool. Jahrb. Abth. für Anat. Bd. VII. '94. E. A. MincHhin, The Embryology of the Porifera. Science Progr. '95. —— Note on the larva and postlarval development of Leucosolenia etc. Proc. Roy. Soc. Vol. LX. 96. O0. Maas, Erledigte und strittige Fragen der Schwammentwicklung. Biolog. Centralbl. Bd. XV. '97. E. A. MincHin, The position of Sponges in the animal kingdom. Science Progress. New Ser. Vol. I. Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella 'Halisarca). 679 Erklärung der Abbildungen, Tafel XLI. Die Figuren sind bei etwa 150facher Vergrößerung gezeichnet, theils nach optischen Durchschnitten der lebenden, theils nach wirklichen Durchschnitten der konservirten Larven und sind, umgekehrt wie bei HEIDER, so orientirt, dass der beim Schwimmen vordere, pigmentarme Pol auf der Tafel nach unten gerichtet ist. Geißeln und Pigment sind weggelassen. Es bedeutet: g, Geißelzellen des vorderen Pols (spätere Gastralzellen) ; k, Körnerzellen des hinteren Pols (spätere Dermalzellen); m, eingewanderte Parenchymzellen; A, Ansatzbasis. Fig. 1. Frisch ausgeschlüpfte Larve, mit bereits beträchtlichen Unter- schieden in der Zellhöhe etc. Fig. 2. Ältere Larve. Zellen am Vorder- und Hinterende in Größe und Charakter noch verschiedener. Fig. 3. Etwas pathologische Larve, beide Zellschichten durch Ein- schnürung getrennt. Fig. 4. Jung angesetztes Stadium, die Ansatzstelle noch weit offen. Fig. 5. Etwas älteres Stadium, noch vom ersten Tag, Ansatzstelle enger. Geißel-(Gastral-)zellen bereits die Divertikel der Kammern bildend. Das Blutgefälssystem von Salamandra maculata, Triton taeniatus und Spelerpes fuscus; mit Betrachtungen über den Ort der Athmung beim lungenlosen Spelerpes fuscus. Von Dr. Emil Bethge. Mit Tafel XLII und XLII. Die in Nachstehendem mitgetheilten Untersuchungen wurden im Zoologischen Institute der Universität Halle-Wittenberg während der letzten drei Semester (Sommer-Semester 1896 bis Sommer-Semester 1897) angestellt. Ich will auch an dieser Stelle Herrn Professor Dr. (GRENACHER für das Interesse, das er an meinen zoologischen Studien und besonders an dieser Arbeit nahm, und für die bereitwillige Be- schaffung des Materials meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Nachdem vor wenigen Jahren das Fehlen der Lungen bei mehre- ren Salamander-Arten festgestellt worden war, musste natürlich auch der Frage näher getreten werden, auf welche Weise diese land- lebenden, lungenlosen Thiere ihr Sauerstoffbedürfnis befriedigen. Herr Privatdocent Dr. BRANDESs, der die Anatomie einer großen Reihe von lungenlosen Salamandern untersucht und mehrere Exemplare des interessanten italienischen Höhlensalamanders (Spelerpes fuscus) lebend beobachtet hatte, hielt es für wünschenswerth, dass von morphologischer Deite aus eine einschlägige Untersuchung unternommen werde, be- sonders weil ihm die von physiologischer Seite angestellten Versuche und die daraus gezogenen Folgerungen keineswegs einwandsfrei und überzeugend schienen. Ich bin Herrn Dr. BrAanpEes zu großem Danke verpflichtet, dass er nicht nur zu meinen Gunsten auf die weitere Verfolgung dieser Frage verzichtete und mir die eingehende Untersuchung anver- traute, sondern dass er auch an dem Fortgange meiner Studien den vegsten Antheil nahm und mich mit seinem Rathe in jeder Hinsicht auf das wirksamste unterstützte. Auch der Gräfin Fräulein Dr. MARIA Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 681 VON LINDEN, die während des Winter-Semesters 1896/97 Herrn Dr. BRANDES vertrat, habe ich aufs herzlichste zu danken besonders für ihre liebenswürdige Mühewaltung bei den sehr schwierigen In- jektionen, deren Gelingen ich zum größten Theil ihrer außerordent- liehen Geschicklichkeit zu danken habe. Injieirt wurde mit warmer Masse, Gelatine mit Preußisch Blau oder Chinesisch Zinnober. Davon eignete sich die blaue Injektions- masse besonders für mikroskopische Präparate, während für makro- skopische Untersuchungen die Zinnoberinjektion vorzuziehen war. Es wurden stets Totalinjektionen ausgeführt, indem die Kanüle in den Konus eingebunden wurde, eine Manipulation, die bei Spelerpes wegen der Enge des Konus mit großen Schwierigkeiten verknüpft war. Von lungenlosen Salamandriden stand mir nur Spelerpes fuscus zur Verfügung. Die Untersuchung hatte einerseits den Verlauf der größeren Gefäße festzustellen, andererseits die Vertheilung der Kapil- laren, besonders derjenigen, die geschickt sind, Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen. Zur Vergleichung musste naturgemäß der Kreis- lauf der Lungen-Salamander herangezogen werden; ich wählte dazu Salamandra maculata und Triton taeniatus, die in hinreichender Menge leicht zu beschaffen waren. Aber bald stellte es sich her- aus, dass das über den Gefäßverlauf der Salamandriden Bekannte durchaus unzureichend genannt werden muss. Daher war ich ge- nöthigt, vor Allem erst einmal den Verlauf der größeren Gefäße bei Salamandra maculata und Triton taeniatus festzustellen, sodann zu untersuchen, wie sich die Kapillaren bei diesen Formen verhalten an Stellen, wo Athmung möglich ist. Die Fragestellung also lautet: I) Wie verlaufen die stärkeren Blutgefäße bei den lungenlosen Salamandriden, und in wie fern unterscheidet sich ihr Verlauf von dem der Lungen-Salamander? | 2) Wie verhalten sich die Kapillaren in der Haut und in den- jenigen Theilen, die von der atmosphärischen Luft umspült werden, bei lungenlosen Salamandriden, und wie unterscheiden sich diese Verhältnisse von denen der Lungen-Salamander? Um uns die nöthigen Vergleichsobjekte zu beschaffen, müssen wir aber zuerst das Gefäßsystem von Lungen-Salamandern genau kennen lernen. Ich schildere daher zuerst die Ergebnisse meiner Untersuchungen an Salamandra maeulata und Triton taeniatus. 682 Emil Bethge, Salamandra maculata. (Taf. XLII, Fig. 1.) Aus dem Bulbus arteriosus gehen jederseits vier, seltener drei Arterienbögen hervor. Der erste (7)! endet in der Carotidendrüse, aus der zwei Gefäße entspringen, die Arteria carotis interna (cr) und die Arteria carotis externa (ce). Die erstere geht um den Ösopha- gus herum, verläuft eine kurze Strecke auf der Schädelbasis und dringt dann in die Schädelhöhle ein (Taf. XLII, Fig. 10 cz). Auf ihrem Wege giebt sie dünne Äste an Pharynx und Gaumen ab. Die Arteria carotis externa (ce) tritt an die Zungenbeinbögen heran und spaltet sich hier; ein Zweig zieht am Zungenbein entlang zur Zunge, der andere versorgt die Muskeln des Zungenbeinbogenapparates, sendet einen Ast an die Haut und vereinigt sich schließlich in der Unterkieferspitze mit dem gleichwerthigen Gefäß der anderen Seite. Der zweite (/7) und dritte (//7) Arterienbogen vereinigen sich an der lateralen Seite des Ösophagus zur Aortenwurzel. Aus dem zwei- ten Bogen entspringt häufig ein dünnes Gefäß, das sich auf der Kehl- haut verzweigt. Der vierte Arterienbogen (/V), der mit dem dritten durch den Ductus Botalli verbunden ist, setzt sich in die Arteria pulmonalis (p) fort. Aus dieser und auch häufig aus dem Duetus Botalli geht ein schwaches Gefäß ebenfalls an die Kehlhaut. Einige Seitenäste der Pulmonalarterie verzweigen sich auf der ventralen, ein Zweig auf der dorsalen Seite des Ösophagus. Die Aortenwurzel (Taf. XLIIH, Fig. 10 aow) greift nach vorn um den Ösophagus herum gegen die Wirbelsäule und vereinigt sich hier mit der Aortenwurzel der Gegenseite zur Aorta (ao). Vorher giebt sie in ihrem mittleren Theil ein Gefäß ab, die Arteria maxil- laris externa 2 (Fig. 10 me), die zum Kieferwinkel zieht und sich hier # spaltet; der stärkere Zweig, den ich in der Fig. 10 mit einem Kreuz bezeichnet habe, zieht an dem Unterkieferknochen entlang, der schwächere verästelt sich auf dem Oberkiefer. | In einiger Entfernung von der Arteria maxillaris externa entspringt aus der vorderen Wand der Aortenwurzel ein Gefäß, das sofort nach unten umbiegt und sich dann an den Wirbeln entlang nach hinten zieht, die Arteria vertebralis collateralis (Fig. 1 und 10 oc). An der 1 Die in Klammer befindlichen Zahlen und Buchstaben beziehen sich auf die in der Überschrift genannte Tafelfigur. ° J. Hyerr, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomieum. Wien 1865, Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeculata ete. 683 Umbiegungsstelle, also gleich im Anfang, entsteht aus der Arteria vertebralis collateralis ein Gefäß (Fig. 10 o), das sich in der Gaumen- deeke verästelt und auch Zweige an das Auge abgiebt; EcKEr! be- schreibt beim Frosch ein analoges Gefäß, das er Arteria oceipitalis nennt. Die Arteria vertebralis durchdringt die Öffnungen an der Basis der Querfortsätze, die HATscHEK-Corı1? abbildet, und giebt hier jedes Mal einen Seitenzweig, Ramus costalis (rc) ab, der an den Rippen entlang verläuft, die Muskeln durchdringt und sich mit seinen letz- ten Verästelungen auf der Haut ausbreitet. In gleicher Vertheilung findet man auch Rami dorsales, die Muskeln und Haut des Rückens versorgen. Die Arteria vertebralis collateralis setzt sich bis in die Spitze des Schwanzes fort und kommunieirt in ihrem ganzen Ver- laufe durch Verbindungsgefäße mit der Aorta. Aus der Aorta (ao) entspringen in der Höhe der vorderen Ex- tremitäten die Arteriae subelaviae (sc) und geben am Sehultergürtel angekommen je einen ziemlich starken Ast an die Haut ab, die Arteria eutanea magna (cm), die zuerst in gleicher Richtung, wie die Arteria subelavia verläuft, dann umbiegt und in der Längsrichtung des Thieres nach hinten zieht. Sie giebt nach beiden Seiten zahl- reiche Seitenzweige ab und verschmilzt in der Mitte des Rumpfes mit der Arteria epigastrica (e), die ihren Ursprung aus der Arteria liaca communis (ic) nimmt und deren Seitenäste sich ebenfalls auf der Haut verzweigen. An der Ursprungsstelle der Arteriae subelaviae entsteht aus der Aorta die Arteria gastrica anterior (ga), ein dünnes Gefäß, das sich auf dem Magen und Ösophagus verästelt. Im weiteren Verlaufe giebt die Aorta Zweige an den Magen, das Mesenterium, die Leber, an den Mitteldarm und den Enddarm ab; sie versorgt weiter die Ge- schlechtsorgane und die Nieren; zu den hinteren Extremitäten sendet sie die Arteriae iliacae (ze). Die Venen vereinigen sich, bevor sie in den Sinus venosus (so) eintreten, zum Duetus Cuvieri, der auf der linken Seite sehr kurz ist oder auch ganz fehlt. Das Blut der Kopf- und Halsregion wird durch die Vena jugularis externa (ie) und die Vena jugularis interna (Taf. XLII, Fig. 1 und Taf. XLIH, Fig. 10 %) herbeigeführt. Die Vena jugularis externa entsteht aus der Vena lingualis (2) und zwei Gefäßen, von denen das eine aus den Geweben des Unter- i ECKER, Die Anatomie des Frosches. Abth. 2. Freiburg i. B. 1881. ? HATSCHEK-CoR1, Elementarkurs der Zootomie. Jena 1896. Taf. 684 Emil Bethge, kiefers und dem vorderen Theil der Kehlhaut seinen Ursprung nimmt, während das andere aus den Kapillaren des Pharynx her- vorgeht, sich dorsal von den Arterienbögen auf den Pharynx aus- breitet und vielleicht Vena pharyngea (p%’) zu nennen sein dürfte. Die Vena lingualis beginnt in der Zunge, zieht am Zungenbein und dem letzten Zungenbeinbogen entlang und bildet über den Arterien- bögen ein Rete mirabile. Die Vena jugularis interna («) entsteht aus dem Kapillarnetz, das sich auf dem Oberkiefergaumenapparat ausbreitet, und aus Ge- fäßen der Schädelhöhle und des Auges. Sie wird dann verstärkt durch die Vena maxillaris superior (Fig. 10 ms), die das Os maxil- lare begleitet, und durch die Vena maxillaris inferior (Fig. 10 mo), die am unteren Kieferbogen entlang zieht und Äste aus dem Ge- webe des Unterkiefers und aus der Kehlhaut aufnimmt. Im weiteren Verlauf empfängt die Vena jugularis interna kleine Zweige aus dem Pharynx, biegt dann um den Ösophagus herum und mündet neben der Vena jugularis externa (ze) in den Sinus venosus. Das Blut der Schwanz- und Rumpfhaut wird durch eine der Haut dieht anliegende starke Vene, ich nenne sie Vena cutanea magna (cm’), zurückgeführt, die im Schwanze ihren Ursprung nimmt und von dort geradeswegs nach vorn verläuft, indem sie den Rücken- längsmuskel begleitet, bis sie etwa vom fünften Wirbel in einem starken Bogen zur Vorderextremität zieht, aus der die Vena subela- E via (sc’) zu ihr stößt. Sie wendet sich dann zum Herzen und em- # pfängt kurz vor ihrer Mündung in den Sinus ein Gefäß, das aus den Kapillaren der Kehlhaut entsteht und das ich als Vena cutanea parva. (cp) bezeichnen möchte. In der Rumpfgegend nimmt die # Vena cutanea magna jederseits sowohl aus der Haut des Rückens als auch aus der der Seitentheile Aste auf, von denen die letzteren immer zwischen zwei Rami costales der Arteria vertebralis eollateralis # verlaufen und desshalb vielleicht als Rami intercostales der Vena cuta- nea magna zu bezeichnen sind; die ersteren können Rami dorsales genannt werden. | Das Blut des Schwanzes wird durch die Vena caudalis (c) fort- geleitet, ein unpaares Gefäß, das mit der Aorta in dem durch die Hämapophysen gebildeten Kanal eingeschlossen ist, sich vor dem Eintritt in die Nieren spaltet und zu jeder Niere einen Ast sendet, der sich in die Venae advehentes des Nierenpfortaderkreislaufs auf- löst. Ebenfalls zu den Nieren geleitet wird das Blut jeder hinteren Extremität und zwar durch die Vena iliaca (ic’). Diese giebt aber dicht Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 685 vor den Nieren einen Ast ab, der sich mit dem entsprechenden Ast der Gegenseite in der Medianlinie der Bauchseite zur Vena abdomi- nalis (a) vereinigt, nachdem die Äste vorher noch Gefäße aus der Kloake und dem Darm aufgenommen haben. Die Vena abdominalis liegt den Muskeln der Bauchwand auf und empfängt auf ihrem Ver- laufe nach vorn aus jedem Muskelsegment von jeder Seite einen Zweig; auch nimmt sie einen Ast aus der Blase auf. In der Höhe der Leber biegt sie an diese heran, nimmt vorher ein Gefäß auf, das aus den Bauchmuskeln des vorderen Rumpfes kommt, und vereinigt sich mit der Lebervene (/e), einem Gefäße, das aus Venen des Magens, des Mitteldarmes und der Leber entstanden ist; sie löst sich beim Eintritt in die Leber in die Venae advehentes des Leberpfort- aderkreislaufs auf. Das aus den Venae revehentes entstehende Gefäß ergießt sich in die Vena cava, die aus den Venae revehentes des Nieren- pfortaderkreislaufs hervorgegangen ist, die Venen der Geschlechts- organe aufgenommen hat und außerdem mit den Kardinalvenen in Verbindung steht; letztere verlaufen längs der Wirbelsäule und münden in die Vena cutanea magna kurz vor ihrem Eintritt in den Sinus. Die Vena cava geht in das hintere Ende des Sinus venosus über. Diese zuletzt genannten Gefäße sind in der von mir entworfenen Figur nicht zur Darstellung gekommen, weil sie die Übersichtlichkeit des Verlaufes der uns besonders. interessirenden Gefäße stark beein- trächtigen würden. Triton taeniatus. (Taf. XLII, Fig. 2.) Aus dem Bulbus arteriosus entspringen jederseits nur drei Ar- terienbögen. Aus dem ersten (7) entstehen die Arteria carotis externa (ce) und die Arteria carotis interna (ci). Erstere verläuft an dem Zungenbein entlang zur Zunge, ohne wie bei Salamandra ein starkes Gefäß an die Muskeln abzugeben. Die Carotis interna (cz) hat denselben Verlauf wie die von Salamandra. Der zweite Arterien- bogen (/7) bildet allein die Aortenwurzel. Der dritte Arterien- bogen fehlt immer!. Der vierte (/V) ist mit dem zweiten nur durch einen sehr zarten Ductus Botalli verbunden. Die Arteria pul- monalis (2) giebt vor ihrem Eintritt in die Lunge einen Zweig an die Haut und einen oder zwei an den Ösophagus ab. Sie durchläuft die Lunge in gerader Linie und in ziemlich gleichbleibender Stärke 1 Boas, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. VII. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 45 686 Emil Bethge, bis zur äußersten Spitze. Von ihr gehen in regelmäßigen Abständen unter rechtem Winkel nach beiden Seiten Gefäße in das Lungen- gewebe. Die Arteria mel externa (me, Fig. 9), die Arteria verte- bralis collateralis (Fig. 2 und 9 vc) und die Arteria oceipitalis (Fig. 9 o) entstehen und verlaufen ähnlich wie bei Salamandra. Der am Unter- kiefer sich hinziehende Seitenast der Arteria maxillaris externa, von dem in der Fig. 9 nur der Anfang gezeichnet und mit einem + ver- sehen ist, giebt wie auch bei Salamandra außer an die Gewebe des Mundbodens auch zahlreiche Zweige an die Kehlhaut ab. Die aus der Arteria subelavia (sc) entstehende und mit der Ar- teria epigastrica (e) verschmelzende Arteria cutanea magna (cm) ist sehr dünn und sendet wenig Ausläufer an die Haut. Der Verlauf der die Eingeweide versorgenden Blutgefäße hat große Ähnlichkeit mit dem der entsprechenden Gefäße von Sala- mandra. Die unpaare Vena caudalis (c) nimmt auch das Blut aus der Schwanzhaut auf. Vena abdominalis («@) und Vena cava zeigen gleiche Entstehung und gleichen Verlauf wie bei Salamandra. Wesentlich verschieden ist die Vena cutanea magna (cm’). Sie verläuft nicht auf dem Rücken in der Nähe der Wirbelsäule, sondern an den Seiten des Körpers, nicht weit von der Arteria ceutanea magna (cm) ent- fernt; außerdem beginnt sie nicht im Schwanz, sondern erst im Rumpf, dieht vor dem Beekengürtel. Mit ihrer Lage hängt zusam- men, dass ihre Rami dorsales außer aus der Rückenhaut auch Blut aus der Haut der Seitenwandungen fortführen, während die Intercostal- zweige hauptsächlich das Blut der Bauchhaut aufnehmen. Im wei- teren Verlaufe empfängt die Vena cutanea magna die Vena sub- clavia (sc’) und mündet gemeinsam mit der Vena cutanea parva ®) in den Ductus Cuvieri. | Das Blut der vorderen Körperregion wird durch die Vena Jugularis interna (Taf. XLIII, Fig. 9 «) und die Vena jugularıs ex terna (ie) zurückgeführt. Von den Ästen, die bei Salamandra die Jugularis externa bilden, konnte ich hier jenes Gefäß, das seinen Ursprung aus den Kapillaren der Unterkiefermuskeln und des vor- deren Theiles der Kehlhaut nimmt, an keinem meiner zahlreichen Präparate nachweisen. Vielleicht wird es durch einen Seitenzweig der Vena lingualis (7) vertreten, der aus den Muskeln hervortritt und am letzten Zungenbeinbogen mündet. | Die Vena pulmonalis (p') entsteht in der Spitze der Lunge, ver- Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 687 läuft gegenüber der Lungenarterie und nimmt von beiden Seiten Gefäße auf, die mit den Seitenzweigen der Arterie alterniren. Spelerpes fuscus. Rat REIN Riga.) Aus dem Bulbus arteriosus entstehen jederseits nur drei Arterien- bögen. Ich schließe aus den von Boas! an Triton taeniatus und anderen Urodelen angestellten entwicklungsgeschichtlichen Unter- suchungen, dass auch hier der dritte Arterienbogen verloren geht. Aus dem ersten Arterienbogen (/) gehen die Carotis externa (ce) und interna (cz) hervor, die gleichen Verlauf wie die entsprechenden Ge- fäße von Triton zeigen. Aus dem zweiten Bogen (//) entspringt ein dünnes Gefäß, das sich an die Haut der Kehle begiebt. Der vierte Arterienbogen (/V) geht in die Arteria pulmonalis (p) über, ohne mit dem zweiten Bogen durch den Ductus Botalli verbunden zu sein; wenigstens habe ich eine solche Verbindung nie beobachtet. Die Lungenarterie ist trotz des Fehlens der Lunge nicht verkümmert, sondern als starkes Gefäß ausgebildet, das sich auf dem Magen in mehrere starke Zweige auflöst, die durch Verbindungsgefäße mit einander kommunieiren. Sie giebt drei bis vier Äste an den Öso- phagus und ein schwaches Gefäß an die Haut ab. Gleich nach dem Austritt aus dem Bulbus entspringt aus dem vierten Arterienbogen ein Gefäß, das unterhalb des zweiten und ersten Bogens auf dem Pharynx nach vorn zieht und sich verästelt, die Arteria pharyngea (pl). Bei Salamandra und Triton konnte ich ein solches Gefäß nicht beobachten. Wenn die Aortenwurzel (Taf. XLIII, Fig. S aow) die Dorsalseite des Ösophagus erreicht, entspringen aus ihr in kurzer Entfernung von einander die Arteria maxillaris externa (Fig. 8 me), die Arteria oceipitalis (Fig. 8 o) und die Arteria vertebralis collateralis (Fig. 8 ve); die Arteria oceipitalis ist hier also nicht wie bei Salamandra und Triton ein Ast der Arteria eollateralis, sondern ein selbständiger Zweig der Aortenwurzel. Die Arteria vertebralis collateralis (ve) von Spelerpes liegt im Gegensatz zu der von Salamandra und Triton, wo sie durch die Löcher der Querfortsätze hindurchzieht, im Rumpf oberhalb der Quer- fortsätze und ist desshalb verhältnismäßig leicht frei zu präpariren. Sie kommunieirt mit der Aorta durch Verbindungsgefäße, von denen 1 BoAs, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien Morphol. Jahrb. Bd. VIl. 1882. 45* 688 Emil Bethge, die zwei oder drei vorderen merkwürdigerweise von der Aorta aus nach vorn zu der Arteria collateralis verlaufen, wodurch der Eintritt von Aortenblut nothwendig erschwert werden muss; die weiter hinten folgenden verhalten sich wie die homologen Gefäße bei Salamandra und Triton. Die Arteria eutanea magna (cm) ist ein sehr dünnes Gefäß und lässt sich von der Arteria subelavia (sc) nur eine kurze Strecke weit verfolgen. Ein kurzes Stück hinter den Arteriae subelaviae entspringen aus der Aorta zwei ziemlich starke Arteriae gastrieae anteriores (ga), die sich auf den dorsalen und seitlichen Wandungen des Ösophagus und Magens verzweigen und mit den Ästen der Arteria pulmonalis durch Verbindungsgefäße kommuniciren. Das Blut des Schwanzes wird nicht von einer unpaaren Caudal- vene zu den Nieren geleitet, sondern durch zwei Venen (c), die der Wirbelsäule lateral anliegen und zahlreiche Äste aus den Muskeln und der Haut des Schwanzes aufnehmen. Kurz vor dem Eintritt in die Nieren sind sie durck ein starkes Gefäß mit einander verbunden. Die aus den Seitenästen der Venae iliacae (.c’) hervorgehende unpaare Vena abdominalis («) nimmt nicht nur Blut aus der Kloake, dem Enddarm, der Blase und den Leibesdecken auf, sondern em- pfängt auch zahlreiche Gefäße aus der Haut des Bauches, die im hinteren Rumpftheil, wo die Vene den Bauchdecken anliegt, senk- recht zu ihr verlaufen, im vorderen aber zu einem größeren, in der Längsrichtung ziehenden Gefäße vereinigt sind, das an der Stelle in die Vena abdominalis einmündet, wo sie zur Leber aufsteigt. Um die Übersichtlichkeit nicht zu stören, konnte ich die vorderen Seiten- zweige der Vena abdominalis in der Fig. 3 nicht zeichnen. Die Lebervene (le) empfängt außer den Magenvenen ein Gefäß, das vom Ösophagus entspringt, da, wo sich die Zweige der Pulmo- nalarterie an ihm verästeln, die Vena oesophagea (oe). | Die Vena cutanea magna |cm’) verläuft längs der Wirbelsäule, hat also gleiche Lage wie die von Salamandra, entsteht aber erst wie die von Triton im Rumpf vor dem Beckengürtel. Ihre Rami intercostales sind kürzer wie die von Salamandra und nehmen nur Blut aus der Haut der Seitenwandungen auf, während das Blut der sauchhaut durch die Seitenzweige der Abdominalvene fortgeführt wird. Die Hautvene wendet sich wie bei Salamandra am fünften Wirbel im Bogen zu der vorderen Extremität, nimmt aber hier nicht die Vena subelavia auf, sondern nur ein kleines Gefäß, das aus den Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 689 Muskeln des Schultergürtels kommt. Die Vena cutanea parva (cp) empfängt sie noch ein beträchtliches Stück vor dem Eintritt in den Ductus. _ Die Vena subelavia (sc’) bleibt selbständig bis zum Eintritt in den Duetus Cuvieri; sie nimmt nur ein kleines Gefäß aus den Nacken- muskeln auf. Die Vena jugularis interna (Taf. XLIII, Fig. 8 «) und externa (Fig. 8 ie) zeigen mit ihren Seitenästen gleichen Verlauf, wie bei Triton; es fehlt nur der aus den Muskeln kommende Seitenast der Vena lingualis. | Die Vena pulmonalis ist nicht vorhanden. Vergleichen wir diese Resultate meiner makroskopischen Unter- suchungen mit den Ergebnissen der Arbeiten anderer Forscher, so wird es sich hauptsächlich um Salamandra maculata und Triton taeniatus handeln, da über das Blutgefäßsystem von Spelerpes fuscus noch nichts veröffentlicht ist. Die Arbeiten von BoAs! und Brücke? beschäftigen sich nur mit den Arterienbögen. BoAs’ Beobachtung, dass bei Salamandra ge- wöhnlich vier, bei Triton drei Arterienbögen aus dem Bulbus arterio- sus hervorgehen, konnte ich bestätigen. Das von BrÜckE bei Sala- mandra entdeckte kleine Hautgefäß, das aus dem zweiten Bogen entspringt, konnte ich bei dem gleichen Objekt und bei Spelerpes stets nachweisen, dagegen scheint es bei Triton nur gelegentlich vorzukommen. Dass aus dem Ductus Botalli bei Salamandra jeder- seits ein sich sofort verästelndes zartes Gefäß seinen Ursprung nimmt, welches sich zur Haut und zur Ohrdrüse des Thieres begiebt, konnte ich nur zuweilen beobachten. Nur spärliche Angaben über das Blutgefäßsystem sind im Text der Arbeit von Rusconı3 enthalten; in seinen Figuren erkenne ich vor Allem eine zahlreiche Seitenzweige abgebende Arteria cutanea magna. Bei WIEDERSHEIM* findet sich ein Schema vom Arteriensystem 1 BoAs, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. Morph.- Jahrb. Bd. VII. 1882. ? BRÜCKE, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Gefäßsystems bei Amphibien. Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wissensch. zu Wien. Bd. III. 3 Ruscont, Histoire naturelle de la salamandre terrestre. Pavia 1854. * WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1888. 2. Aufl. 690 Emil Bethge, von Salamandra, worin aber fast nur die von der Aorta ausgehenden und für die Eingeweide bestimmten Gefäße berücksichtigt sind; eine Arteria vertebralis ist nicht gezeichnet. HOFFMANN schildert in »Broxn’s Klassen und Ordnungen der Amphibien« den Arterienverlauf im Anschluss an die Arbeit Hyrrr’s! und beschreibt die Arteria vertebralis collateralis, ohne aber ihre Seitenzweige zu erwähnen. Sonst beschäftigt er sich hauptächlich mit dem Verlauf der Arterien in den Extremitäten. Über das Blutgefäßsystem des Triton hoffte ich in einer von HoFFMANN (Bronn’s Klassen und Ordnungen der Amphibien, p. 475) eitirten Arbeit von H. Mıune EpwARrDs, »De l’appareil eireulatoire du Triton (Ann. des science. nat. 3. Serie. Zool. Taf. VIII. 1847) Näheres zu erfahren, musste aber leider konstatiren, dass es sich in dieser Arbeit nicht um den Molch, sondern um die Schnecke Triton (!) handelt. Durch Hyekrv's! vorzügliche Arbeit erfahren wir für Cryptobran- chus Näheres über den Verlauf sowohl der Arteria vertebralis collate- ralis als auch der beiden anderen aus der Aortenwurzel entstehenden Gefäße. Es ist die einzige Arbeit, in der ich über diese Gefäße ausführ- lich berichtet gefunden habe. Er sagt darüber ungefähr Folgendes: »Von den beiden Zweigen, die gleich nach der Vereinigung der bei- den Arterienbögen aus der Aortenwurzel hervorgehen, erstreckt sich der vordere theils oberhalb des letzten Endes des Hyoidknochens nach abwärts und vorn, theils wendet er sich zum Kieferwinkel und tritt von da in den Mundboden ein. Der innere Zweig, der von bedeu- tenderer Stärke ist, eilt nach innen und vorn, berührt die Basis des >chädels, das membranöse Dach des Mundes und die ihm aufliegen- den Muskeln, versieht mit einem kleinen Ast den Augapfel und ver- zweigt sich, nachdem er in die Schädelhöhle eingetreten, im Gehirn. «< Wir haben gesehen, dass die von Hyrru bei Cryptobranchus japonicus - beschriebenen Gefäße auch den von uns untersuchten Formen nicht‘ fehlen, bei Spelerpes sogar genau in der gleichen Weise verlaufen. Über die Seitenzweige der Arteria vertebralis eollateralis und namentlich über die Verästelung ihrer letzten Ausläufer in der Haut habe ich für Urodelen nirgends etwas erwähnt gefunden. An Rana hat Ecker? diese Seitenzweige und ihre Verästelung beobachtet. Mit dem Venensystem der Urodelen beschäftigen sich die schon ! Hyrtı, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomiecum. Wien 1865. ” ECKER, Die Anatomie des Frosches. Abth. 2. Freiburg 1881. Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeculata ete. 691 genannten Arbeiten von Hykrt und Ruscoxt und eine neuere von HOCHSTETTER!. HyrrL behandelt in seinem Cryptobranchus japoni- eus nur die Vena portarum und die Abdominalvene genauer, RUSCONI beschäftigt sich im Text nur sehr flüchtig mit den Venen, und in seinen Figuren sind nur die Venen der Leibeshöhle berücksichtigt, und HocHsTETTER verfolgt hauptsächlich die Entwicklung der Cardi- nalvenen. | Bei Stannıus?2 und in Broxn’s »Klassen und Ordnungen, Am- phibien« ist das Venensystem der Urodelen sehr kurz behandelt. WIEDERSHEIM, der wieder ein Schema des Venenverlaufs von Sala- mandra bietet, hat in dieser Abbildung nur die Resultate von Hyrr, HOCHSTETTER und Ruscoxı verarbeitet. Von einer Vena cutanea masna ist nirgends die Rede, ein Umstand, der bei der Größe dieses Gefäßes auffallend genannt werden muss. Eben so habe ich die Vena oesophagea an keiner Stelle erwähnt gefunden; auch mit dem Verlauf der Vena jugularis interna hat man sich anscheinend nicht beschäftigt. Von besonderem Interesse erscheint das völlige Fehlen einer Vena pulmonalis bei Spelerpes. Anfänglich wollte es mir gar nicht einleuchten, dass dieses Gefäß gänzlich verschwunden sein sollte, da doch die Lungenarterie kräftig entwickelt ist. Als ich aber trotz der senauesten Untersuchung ein solches Gefäß nicht entdecken konnte, musste ich wohl an ein Fehlen desselben glauben. Mit diesem negativen Befund stehen nun aber auch die Resultate einer Unter- suchung des Herzens der lungenlosen Salamander in schönster Über- einstimmung. G. S. Hopkıns? hat sieben Species von amerikanischen lungenlosen Salamandern untersucht und festgestellt, dass in den Atrien die Öffnung der Pulmonalvene gänzlich fehlt, und dass der Sinus venosus in den linken Vorhof mündet, während bei Lungen- Salamandern der Sinus in den rechten Vorhof und die Lungenvene in den linken eintritt. Außerdem ist bei den lungenlosen Formen die Vorhofsscheidewand von einer so großen Öffnung durchbohrt, dass von einer Trennung beider Vorhöfe im physiologischen Sinne nicht die Rede sein kann. 1 HocHsTETTER, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Venensystems der Amphibien. Morph. Jahrb. Bd. XII. ? STANNIUS, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Berlin 1846. 3 G. S. Hopkins, The heart of some lungless Salamanders. Amer. Naturalist. Vol. XXX. p. 829. 692 Emil Bethge, Durch die makroskopischen Untersuchungen sind also vor Allem folgende Thatsachen festgestellt. Aus der Aortenwurzel entspringt an der Stelle, wo sie die Dorsalseite des Ösophagus erreicht, bei unseren drei Urodelen ein Gefäß, die Arteria maxillaris externa (Fig..8, 9, 10 me), das sich auf dem Ober- und Unterkiefer verästelt. In kurzer Entfernung von ihm entsteht ein zweites Gefäß, die Arteria oceipitalis (Fig. 8, 9, 10 o), entweder direkt aus der Aortenwurzel (Spelerpes) oder aus der Arteria vertebralis collateralis (Salamandra, Triton); diese breitet sich in dem Gewebe des Gaumens aus und dringt mit einem Aste auch in das Auge ein. Die Arteria vertebralis collate- ralis (Fig. 1, 2, 3, 8, 9, 10 ve), die mit der Aorta durch Verbindungs- sefäße kommunieirt, giebt im Rumpftheil an jedem Wirbel einen Ramus dorsalis und einen Ramus costalis ab, deren letzte Ausläufer sich auf der Haut ausbreiten. Die Arteria eutanea magna (Fig. 1, 2, 3 cm) ist bei Salamandra ein ziemlich starkes Gefäß mit zahl- reichen Seitenzweigen, bei Triton ist sie bedeutend schwächer und hat nur wenige Seitenäste, bei Spelerpes kann man sie von der Ar- teria subelavia aus nur eine kurze Strecke weit verfolgen. Die Arteria pulmonalis giebt vor ihrem Eintritt in die Lunge einen Zweig an die Haut und bei Salamandra mehrere, bei Triton ein bis zwei Seitenäste an den Ösophagus ab und durchzieht dann die Lunge in ziemlich geradem Verlauf, nach beiden Seiten zahlreiche Äste sen- dend. Bei Spelerpes ist die Pulmonalarterie trotz des Fehlens der Lunge nicht verkümmert, sondern sie ist ein kräftiges Gefäß, das wie bei Salamandra und Triton Äste an den Ösophagus und die Haut schickt, das sich dann aber auf dem Magen in mehrere Zweige auf- löst. Sie kommunicirt auf der Oberfläche des Magens durch Ver- bindungsgefäße mit der Arteria gastrica anterior. Im Rumpfe unserer drei Urodelen verläuft auf der Haut die starke Vena ceutanea magna, die von beiden Seiten zahlreiche Zweige aufnimmt und vor ihrem Eintritt in den Ductus Cuvieri durch die Vena cutanea parva verstärkt wird. Bei Salamandra und Triton empfängt sie aus der vorderen Extremität die Vena subelavia, die bei Spelerpes direkt in den Ductus einmündet. Das Blut wird aus dem Ösophagus durch die Vena pharyngea fortgeführt, bei Spelerpes außerdem noch durch die Vena oesophagea. Bei Spelerpes sind zwei Venae caudales vorhanden; die Vena pulmonalis fehlt ihm. Es ergeben sich also im Verlauf der größeren Gefäße Unter- schiede zwischen den Lungen-Salamandern Triton taeniatus und Salamandra maculata einerseits und dem lungenlosen Spelerpes fuscus Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 693 andererseits hauptsächlich in der Ausbildung der Lungengefäße. Die Arteria pulmonalis hat beim Spelerpes eine andere Aufgabe über- nommen; da sie nicht mehr Blut in die Lunge führen kann, damit es OÖ aufnehme und CO? abgebe, so versorgt sie damit den Magen, der es zur Ernährung gebraucht und nicht zur Athmung, wie wir später sehen werden. Die Vena pulmonalis ist rückgebildet, da das unbrauchbar gewordene Blut aus dem Magen durch die Magenvenen fortgeführt werden kann; aus dem Ösophagus leitet die Vena oeso- phagea das Blut zur Lebervene. Weitere Unterschiede haben wir kennen gelernt in dem Vorhandensein einer Arteria pharyngea bei Spelerpes, in dem paarigen Auftreten der Vena caudalis, in der direkten Einmündung der Vena subelavia in den Ductus Cuvieri und in der überaus schwachen Entwicklung der Arteria cutanea magna und der damit in Korrelation stehenden kräftigen Ausbildung der Costaläste der Arteria vertebralis collateralis. Wir gelangen jetzt dazu, das Verhalten derjenigen Kapillaren zu untersuchen, die der atmosphärischen Luft zugänglich sind. Da kommen zuerst die der Haut in Betracht. An gut injieirten Exem- plaren von Salamandra, Triton und Spelerpes sieht man ein eng- maschiges Kapillarnetz sich über den ganzen Körper ausbreiten. Es beginnt in der äußersten Spitze des Schwanzes, dringt bis in die Zehen vor, umfasst Bauch- und Rückenseite und ist auf dem Nacken und der Kehle zu finden. An Schnitten durch die Haut sieht man, dass die Kapillaren dicht unter der Epidermis liegen und von Pig- ment umhüllt sind. Sie umfassen die Ausführgänge der reichlich in der Haut vorhandenen Drüsen; bei Totalpräparaten sieht man in Folge dessen innerhalb einer Masche immer eine Drüsenöffnung. Von Kommunikationsröhren, wie sie die Gebrüder Sarasın! für Ichthyophis beschrieben haben, konnte ich nichts entdecken. Das Material ist für die Entscheidung dieser Frage aber auch nicht ge- eignet, da das Epithel sehr dünn ist. Die Weite der Kapillaren ist bei den drei Species verschieden. Ich maß bei Salamandra einen Durchmesser von 7—12 u, bei Triton einen solchen von 12—16, während ich bei Spelerpes 24—30 u fest- stellen konnte. Ich habe diese Resultate auf Taf. XLIII in Fig. 4, ö und 6 durch die genaue Wiedergabe dreier Präparate mittels Prisma ! Dr. Pur und Dr. FrıTz Sarasın, Ergebnisse naturwissenschaftlicher For- schungen auf Ceylon. 1887—1893. Die letzten Endigungen der Blutkapillaren in den Intercellularräumen der Epidermis. 694 Emil Bethge, und mit der gleichen Vergrößerung zur Darstellung gebracht und kann nur noch bemerken, dass ich Individuen zur Vergleichung ge- wählt habe, bei denen die Injektion in gleicher Weise gut ge- lungen war. | Eine weitere Frage war die, ob nicht vielleicht irgend welche Theile des Darmtractus der Athmung dienen könnten. An Serien- querschnitten durch den Ösophagus erkennt man, dass die subepithe- liale Lage desselben reichlich von Kapillaren durchsetzt ist, dass aber diese Kapillaren bei Salamandra und Spelerpes auch zwischen das Epithel eindringen, während dies bei Triton nicht der Fall ist. Dass das Eindringen der Kapillaren ins Epithel nieht eine Täuschung ist, indem Bindegewebe mit Blutgefäßen durch Faltung zwischen die Epithelzellen gerathen ist, sieht man besonders deutlich an Längs- schnitten, wo sich das Epithel häufig auf weite Strecken abgehoben hat. Auch hier liegen die Kapillaren zwischen den Epithelzellen. Die Figuren 11, 12 und 13 auf Taf. XLIII zeigen diese Verhält- nisse. Besonders zahlreich sieht man Blutkapillaren zwischen Epithelzellen bei Salamandra in der Gegend der Glottis und bei Spelerpes nicht weit vor dem Magen an einem Vorsprung, der viel- leicht den letzten Rest einer früher vorhandenen Glottis darstellt. Im Magen und Darm reichen die Kapillaren nur bis an das Epithel heran, dringen aber nicht zwischen die Zeller ein. Ihr An- theil an der Athmung wird also mindestens bei Weitem geringer sein, als im Ösophagus, wenn überhaupt noch sauerstoffreiche Luft bis hierher dringt. Als meine Untersuchungen so weit gelangt waren, erschien eine Arbeit von MAURER! über das Eindringen von Blutgefäßen in das Epithel der Mundschleimhaut bei Amphibien. Er konstatirt die Thatsache, »dass in der subepithelialen Lage nicht das letzte ober- flächlichste Kapillarnetz sich findet, sondern dass von diesem aus- sehend Kapillaren auch in das Epithel eintreten, indem sie sich nicht nur zwischen die Zellen der basalen Lage, sondern noch weiter bis zwischen die Elemente der mittleren Epithellage fortsetzen, so dass sie die Becherzellen zum Theil umspülen und bis an die basale Fläche der oberflächlichen Flimmerzellen verfolgbar sind«. Bei Salamandra und Triton alpestris findet er, dass die Kapillaren stets über der basalen Zellenlage enden und nicht wie bei Rana bis in die mittleren Zellenlagen vordringen. Ich kann die Resultate für ! MAURER, Blutgefäße im Epithel. Morph. Jahrb. Bd. XXV. 1897. Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeulata ete. 695 Salamandra bestätigen und für Triton taeniatus ein gleiches Ver- halten, wie MAURER für Triton alpestris, feststellen. Wie verhalten sich nun die Kapillaren in der Mundhöhle von Spelerpes? Um Übersichtsbilder zu bekommen, wurden die Ober- und Unterkiefer von Salamandra, Triton und Spelerpes entwässert, in Xylol aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Es zeigte sich sowohl im Gaumen als auch im Mundboden bei allen dreien ein reiches Kapillarnetz, dessen Maschen ungefähr die gleiche Weite wie die des Hautkapillarnetzes hatten (Taf. XLIIH, Figg. 4, 5, 6 und Figsg. 14, 15). Beim Vergleich der Figg. 15 und 5, die Theile aus dem Kapillarnetz des Mundes und der Haut von Triton taeniatus darstellen, fällt nun auf, dass der Durchmesser der Mundkapillaren auf Fig. 15 bei Weitem geringer ist wie der der Hautkapillaren auf Fig. 5, trotzdem die Figuren bei gleicher Vergrößerung mit Hilfe des Prismas gezeichnet sind. Ich glaube aber nicht, dass dies that- sächlich der Fall ist, schreibe diesen Unterschied vielmehr dem Um- stande zu, dass das Mundkapillarenpräparat von einem mit Zinnober injieirten Thiere stammte, während das Hautkapillarenpräparat einem Thiere entnommen war, bei dem die Injektion mit Berliner Blau ausgeführt war. Da nun Berliner Blau die Gefäße bei Weitem praller füllt als Zinnober, so ist eine Differenz natürlich. Bei Spelerpes zeigen die Kapillaren der Mundschleimhaut ganz eigenartige Verhältnisse. Schon mit guter Lupe erkennt man, dass sie nicht glatte Gefäße sind, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung ein fast traubenförmiges Aussehen zeigen, an manchen Stellen so deutlich, dass man einen gemeinsamen Stiel und daran sitzende Beeren unterscheiden kann (Taf. XLIH, Fig. 14. Es erschien mir diese Ausbildung der Kapillaren zuerst so wunderbar, dass ich sie für krankhaft hielt; neue Präparate zeigten mir aber dieselben Bilder. _ Auf Schnitten durch den ganzen Kopf lässt sich die Lage der Kapillaren erkennen. Wir finden ein mehrschichtiges Epithel; die Zellen der unteren und mittleren Lage zeigen unregelmäßig kubische Form, die Zellen der äußersten Schicht sind von eylinderförmiger Gestalt. Zwischen den Epithelzellen der mittleren und oberen Lage erstrecken sich Becherzellen. Die Kapillaren breiten sich nun zwischen den Zellen der basalen Lage aus und treiben Ausstülpungen zwischen die mittleren Zelllagen hinein, die häufig bis an die oberste Schicht heranreichen (Taf. XLIH, Fig. 7 «a und 2). Jetzt erkenne ich auch auf der damals schon fertiggestellten Zeichnung eines Querschnittes durch den Ösophagus, dass hier ähn- 696 Emil Bethge, liche Verhältnisse vorliegen müssen. Mir war bei der Untersuchung des Ösophagus schon die eigenthümliche Form mancher Kapillaren aufgefallen; ich hatte derselben aber nicht weiter nachgeforscht, weil ich sie durch schlechte Injektion und ungünstige Schnittrichtung hervorgerufen glaubte. Nur in dem Bestreben, naturgetreue Bilder wiederzugeben, hatte ich genau das mikroskopische Bild mit Hilfe des Prismas gezeichnet und so auch das für ungünstig gehaltene‘ Bild der Kapillare am. Grund der Zotte (Fig. 13) mit auf die Zeichnung bekommen. Beim Vergleich der mikroskopischen Serien- schnitte mit neu hergestellten Aufhellungspräparaten konnte ich jetzt mit Sicherheit konstatiren, dass im Ösophagus ähnliche Verhältnisse vorliegen wie in der Mundschleimhaut, nur dass eine so deutliche Trennung der Divertikel von den Kapillaren nicht vorhanden ist. Eine Zeit lang hatte ich gemeint, in dieser Oberflächenvermehrung ein dem lungenlosen Spelerpes eigenthümliches Verhalten gefunden zu haben, aber das war eine Täuschung. Bei genauer Durchsicht aller einschlägigen Litteratur stieß ich auf eine alte Arbeit von LANGER!, in der ebenfalls Divertikelbildung der Kapillaren für Mund- höhle und Ösophagus des Frosches angegeben wird. Er sagt darüber: »Das Eigenthümlichste an allen den Kapillaren der Schleimhaut des Mundes und des Schlundes (mit Ausnahme jener der Zunge) bis hart an den Mageneingang heran, besteht darin, dass sämmtliche mit knotigen Anhängen versehen sind. Als ich diese Eigenthümlichkeit das erste Mal sah, glaubte ich es mit engen und kurzen Verschlin- gungen der Röhrchen zu thun zu haben, wofür schon der wellenför- mige Verlauf der Kapillaren zu sprechen schien. Bei näherer Untersuchung aber zeigte es sich, dass diese Knötehen Ausbuchtungen der Kapillargefäßwand, wahre Divertikel sind.« Über das Verhält- nis der Kapillaren zum Epithel sagt er nichts, und ist auch nichts aus seinen Figuren zu ersehen; aber da er erwähnt, dass das Kapillarnetz sehr hoch liegt, kann man wohl schließen, dass die traubigen Anhänge weit ins Epithel heraufragen und dass sie es sind, die MAURER? bei seiner Untersuchung erwähnt und abbildet, ohne den seit 30 Jahren bekannten Bau der Kapillaren von Neuem zu erschließen. ! LANGER, Über das Lymphgefäßsystem des Frosches. Sitzungsberichte der math.-naturw. Klasse der kaiserl. Akad. der Wissenschaften. Bd. LV. 1. Abth. 1867. 2 MAURER, Blutgefäße im Epithel. Morph. Jahrb. Bd. XXV. 1897. Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 697 Es fragt sich jetzt, welche Schlüsse wir aus den Ergebnissen der morphologischen Untersuchungen auf den Ort, wo Athmung statt- findet, ziehen können. — Schon am Anfang dieses Jahrhunderts stellte man beim Frosch fest, dass dieser außer durch die Lungen auch noch durch die Haut athmet. W. F. Epwarps! stellte im December 1818 Versuche an und konstatirte, dass der Lungen be- raubte Frösche noch bis zu 40 Tagen lebten. PıuL BERT? kommt zu ähnlichen Resultaten bei einem Axolotl, dessen Lungen und Kiemen er entfernt hatte. Beide schließen daraus auf die große Wichtigkeit der Hautathmung. Dissarp? kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Ausscheidung von CO? durch die Lunge sowohl in trockner wie in feuchter Luft größer ist als durch die Haut, dass beim Fehlen der Lungen die Hautathmung in feuchter Luft bedeutender ist, als in trockner. Hautathmung allein hatte im Wasser den Tod des Thieres nach sieben Tagen, in der Luft nach neunzehn Stunden herbeigeführt. | BERNARD* hatte die Resultate seiner Arbeit in dem Satze zu- sammengefasst: »Les grenouilles respirent au moins autant par la peau que par les poumons.« Gegen Letzteren hauptsächlich wendet sich MarcaAccı’. Er hält die CO2-Bestimmung BERNARD’s nicht für einwandsfrei, da nach seiner Ansicht die Ausscheidung der Kohlensäure nicht die Aufnahme von Sauerstoff erfordert. Außerdem behauptet er, dass zur Lungen- und Hautathmung noch die Mundhöhlenathmung hinzukommt. Er schließt dies aus der lebhaften Bewegung der Kehlhaut, dem »di vä e viene«, die dazu dienen soll, die Luft in der Mundhöhle zu er- neuern. Die Versuche, durch Exstirpation der Lungen die Haut- athmung zu- bestimmen, sind nicht maßgebend gewesen, weil es sich hierbei nicht um die Bestimmung der Hautathmung allein, son- dern um die der Haut- + Buccopharyngeal-Athmung gehandelt hat. ı W. F. EDwArDs, De l’influence des Agens physiques sur la vie. IV. — Bruence de la respiration eutanee. p. 67. Paris 1824. 2 PAuL BERT, Ablation chez un Axolotl des branchies et des poumons. Compt. Rend. Soc. Biol. 4 ser. Vol. V. 1868. — Compt. Rend. p. 21—22. 1869. Lecons sur la physiologie comparee de la respiration. p. 244. 1870. ® DissArD, Influence du milieu sur la respiration chez la grenouille. Compt. Rend. Ace. Se. Paris. Vol. CXVI. * BERNARD, Lecons sur les Anesthesiques et sur l’Asphyxie. > A. Marcaccı, L’asfissia negli animali a sangue freddo. Atti Soc. toscana. Se. nat. Memorie. .Vol. XIII. 1894. 693 Emil Bethge, Er findet, wenn er die Mund- und Lungenathmung der Frösche durch Zubinden des Mundes und Verstopfen der Nasenlöcher ver- hindert, dass die Frösche nur noch wenige Stunden leben, ob ihnen die Lungen exstirpirt sind oder nicht. Auf andere Weise sucht er die Mund- und Lungenathmung zu verhindern, indem er ein Stück- chen Holz von der Form des Mundbodens dadurch an der. Kehle befestigt, dass er drei Fäden hindurchzieht und damit die Kiefer zusammennäht, und außerdem die Nasenlöcher verstopft. Es ist mit diesem Apparat auch die Kehlbewegung unmöglich gemacht. So eingepackte Thiere starben nach 9—22 Stunden; in ihrem Herzen fand sich schwarzes Blut. — Trotz seines Einwandes gegen die Ver- suche B&RNARD’s, aus der CO2-Abscheidung auf die Bedeutung der Athmung zu schließen, macht er ein ähnliches Experiment. Er sucht die CO’-Abscheidung des Frosches an der Gewichtszunahme von pulverisirtem »Calce sodata« zu bestimmen; er führt zwei Versuche aus. Im ersten beträgt die Gewichtszunahme des »Calce sodata«, auf 100 & des Thiergewichts ausgerechnet und als Zeitdauer 24 Stun- den genommen, 5,579 & beim Frosch, dem die Lungen entfernt sind, und 5,293 g, dem außerdem durch oben beschriebenen Apparat die Mundathmung unmöglich gemacht ist (Differenz gleich 0,256); beim zweiten Versuch ergeben sich unter den gleichen Bedingungen 1,275 & und 0,866 g (Differenz gleich 0,409). Aus diesen geringen Differenzen glaubt er schließen zu können, dass die Mundhöhle große Bedeutung für die Abscheidung der Kohlensäure hat. »La dimi- # nuzione di g 0,286 di CO? nella prima esperienza, e di g 0,409 nella seconda dimostrano che quello che io chiamo vestibolo respiratorio ha una notevole importanze forse nello assorbimento dell’ ossigeno, certo nella emissione dell’ anidride carbonica.« Auf die ersten Versuche MarcAccers geht CAMERANO! ein. Er glaubt für seine Zwecke Spelerpes fuscus und Salamandrina perspi- cillata außerordentlich geeignet, da man bei diesen lungenlosen Sala- mandern die Lungenthätigkeit nicht durch operative Eingriffe aufzu- heben braucht. Er verhindert die Mundhöhlenathmung durch den oben beschriebenen Apparat MarcaAccr’s und verstopft die Nasenlöcher mit Vaseline. Der Tod tritt bei Salamandrina nach ungefähr 20 Stun- den, bei Spelerpes nach ungefähr 16 ein. — Eine Salamandrine in Wasser gesetzt und verhindert an die Oberfläche zu kommen, lebte ! CAMERANO, Ricerche anatomo-fisiologiche intorno ai Salamandridi nor- malmente apneumoni. Atti della R. Accad. delle Seienze di Torino. Vol. XXIX. 1894, Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 699 bei 15° noch 40 Stunden. Bei einer Steigerung der Temperatur von 17 auf 27° trat der Tod nach 14 Stunden ein. Nach MarcAccrs Manier eingepackt und in Wasser gesetzt, lebte eine Salamandrine bei 15° 29 Stunden, eine andere bei 22° 9 Stunden. Aus diesen Versuchen schließt CAMERANO, dass die Hautathmung weder in der freien Luft noch im Wasser die Athmung durch Mund und Pharynx zu ersetzen im Stande ist, dass also die Lungenathmung bei Speler- pes und Salamandrina in der Athmung durch die Mundhöhle und den Pharynx, mit Unterstützung der unwesentlichen Hautathmung ihren Ersatz gefunden hat. »Dagli esperimenti sopra riferiti si puö ‚eonchiudere che nella Salamandrina perspieillata e nello Spelerpes fuscus la respirazione polmonare viene sostituita dalla respirazione della cavita boccofaringea, risultando essere di nessun aiuto efficace la respirazione cutanea.« Die vor der Arbeit von Marcaccı eitirten Versuche können für eine Bestimmung der Hautathmung nicht in Betracht kommen, da bei ihnen ja die Buccopharyngealathmung nicht mit in Rechnung gezogen ist. Die Bestimmung der Kohlensäureabsonderung von MAR- CACCI ist nicht einwandsfrei, denn aus zwei Versuchen, die außer- dem eine so überaus große Differenz zeigen (Abscheidung von CO? in 24 Stunden [auf 100 & berechnet]), wenn Lungen- und Mundhöhlen- athmung unmöglich gemacht sind (einmal gleich 5,293, das andere Mal gleich 0,866 g), beweiskräftige Schlüsse ziehen zu wollen, ist doch wohl nicht gut möglich. Dann zeigt vor Allem der erste Ver- such das Gegentheil von dem, was Marcaccı beweisen will, dass nämlich die Hautathmung bei Weitem kräftiger ist als die Buecco- pharyngealathmung, wenn man das aus der Kohlensäureabsonderung schließen darf, und ich glaube, das kann man. Die CO2-Abschei- dung stellt sich nämlich für die Haut auf 5,293 g, für die Mundhöhle und den Pharynx aber nur auf 0,286 & (5,579—5,293). Aus den anderen Versuchen von Marcaccı und auch aus denen von CAMERANO scheint mir nicht mit Nothwendigkeit hervorzugehen, dass die Buecopharyngealathmung so bedeutend, und die Haut- athmung unwesentlich ist. Dazu gehört der Gegenbeweis. Das ist der Einwand gegen die Resultate der beiden Autoren, dass aus dem baldigen Eintreten des Todes bei Verhinderung der Lungen- und Mund- und Ösophagusathmung auf die geringe Wichtigkeit der Haut- athmung geschlossen wird. Wie würden die Versuche ausgefallen sein, wenn man die Hautathmung verhindert hätte? Wahrscheinlich würde der Tod auch sehr bald eingetreten sein. 700 Emil Bethge, Ich bin übrigens der Meinung, dass durch die angeführten Ver- suche nie ein sicheres Resultat erzielt werden kann. Es sind dabei immer Eingriffe in die Lebensthätigkeit des Thieres nöthig. Auch das Eintauchen in Wasser, das Zunähen des Mundes wird das Thier in Aufregung versetzen, der Stoffwechsel wird beschleunigt und es wird bald Athemnoth eintreten, wenn dem Thiere das eine oder andere Organ zum Athmen nicht zur Verfügung steht. Eben so führt das Ausschließen der Hautathmung durch Überziehen mit Lack oder Gummi arabieum, durch Eintauchen in Öl Störungen der normalen Lebensthätigkeit herbei. Ich bin darin der Ansicht Krug's!, der behauptet, dass man nur zu sicheren Ergebnissen kommen könne, wenn man das Verhältnis beider Athmungsweisen zugleich bestimme. Um dies’ zu können, hatte er folgenden Apparat konstruirt. In ein durch eine Kautschukplatte verschlossenes Gefäß wird ein Frosch so eingespannt, dass der Körper sich im Inneren befindet, der Kopf nach außen sieht. Dieser Behälter wird in einen größeren, eben- falls verschlossenen gestellt. Es wird auf diese Weise bewirkt, dass die aus dem Mund ausgeathmete Kohlensäure in das größere Gefäß, die durch die Haut ausgeathmete in das kleinere Gefäß gelangt. Jetzt wird zu beiden Gefäßen durch Baryumhydroxyd von CO? be- freite Luft zugeführt und an anderer Stelle wieder abgeleitet und wieder durch Barytwasser gebracht. Aus dem Niederschlag bestimmte er dann das Verhältnis von Lungen- (richtiger Lungen + Mund- und Ösophagusathmung) und Hautathmung als ungefähr 1: 3. Ich hatte die Absicht, mir den Krug’schen Apparat zu konstru- iren und damit das Verhältnis von Haut- und Boccopharyngealathmung beim Spelerpes zu bestimmen. Aber die Erfahrungen, die ich ge- legentlich eines Vorversuchs machte, brachten mich von diesem Vor- haben wieder zurück. Bei diesem Vorversuch hatte ich einen Spelerpes so in ein durch eine Kautschukplatte verschlossenes Gefäß einge- spannt, dass der Körper sich im Inneren befand, der Kopf nach außen sah; auf dem Grunde des Gefäßes befand sich Barytwasser. Ich ließ den Apparat einen Tag in der Feuchtkammer stehen und fand, dass sich ein ziemlich beträchtlicher Niederschlag gebildet hatte. Dann wiederholte ich das Experiment in umgekehrter Weise, dass der Kopf sich innerhalb des Gefäßes befand. Der Niederschlag war unbedeutend, vielleicht hauptsächlich durch das CO? der im ! Fern. Kuuc, Über die Hautathmung des Frosches. Archiv für Anatomie und Physiologie. Physiologische Abtheilung. 1884. Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 1701 Gefäß befindlichen Luft verursacht. Ich lege diesem Versuch durch- aus keinen Werth bei, sondern erwähne ihn nur, weil ich dabei be- merkte, dass die Kehlbewegung des Spelerpes nach der Einspannung aufhörte, jedenfalls durch die umgebende Kautschukplatte verhindert wurde. Da nach Marcaccı die Bewegung des Mundbodens für die Erneuerung der Luft in der Mundhöhle sehr wesentlich ist, ist hier also die Mundathmung sehr beschränkt, wenn nicht unmöglich ge- macht worden. Da bei den Versuchen von Krug doch jedenfalls dieselbe Erscheinung eingetreten ist, sind auch seine Resultate un- sicher. Da mir alle die physiologischen Versuchsanordnungen nicht ge- nügende Sicherheit boten, mein Material an Spelerpes außerdem er- schöpft war, glaubte ich auf die physiologische Lösung der Frage nach der Bedeutung der verschiedenen Athmungsweisen verzichten zu müssen. Ich will mich damit begnügen, Schlüsse aus meinen morphologischen Untersuchungen zu ziehen. Es ergiebt sich auf Grund der Vertheilung und Ausbildung der Kapillaren, dass bei Salamandra maculata Athmung möglich ist in der Lunge, im Ösophagus, in der Mundhöhle und durch die Haut, und dass beim Triton taeniatus die Athmung im Ösophagus fehlt oder wenigstens unwesentlich ist. Der Durchmesser der Hautkapillaren bei Triton ist nun bedeu- ‚tend größer (12—16..) wie bei Salamandra (7”—12u). Es ist jetzt die Frage, ob die größere Weite der Hautkapillaren für die Athmung günstig ist. Wenn die Größe der Blutkörperchen ungefähr die gleiche ist, ist eine schnellere Cirkulation und damit ein schnellerer Wechsel von Sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut möglich. Ob aber ein kür- zerer Aufenthalt in den der Luft ausgesetzten Kapillaren genügt, um alle schädliche Kohlensäure abzugeben und Sauerstoff dafür einzutau- schen, ist nicht zu entscheiden. Eins ist aber sicher: Eine größere Weite der Kapillaren bei ungefähr gleicher Weite der Maschen des Hautkapil- larnetzes führt eine Oberflächenvermehrung herbei. Diese würde aller- dings besser bewirkt werden durch größere Enge der Maschen; eine solche ist aber wegen der unter der Epidermis liegenden Drüsen un- möglich. Dem Spelerpes fuscus fehlt die Lungenathmung. Dafür besitzt er sehr weite Hautkapillaren (24—30 u), die den doppelten Durch- messer der Hautkapillaren von Triton haben. Außerdem besitzen die Kapillaren der Mundhöhle und des Ösophagus zahlreiche Aus- stülpungen, die sich im mehrschichtigen Epithel der Mundhöhle bis Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 46 702 Emil Bethge, an die oberste Schicht erstrecken. Diese Divertikelbildung führt einerseits eine starke ÖOberflächenvermehrung herbei, andererseits verringert sie den Zwischenraum zwischen Kapillaren und atmosphä- rischer Luft. Dieser Grund wird nicht etwa hinfällig dadurch, dass auch die Kapillaren des Mundes und des Ösophagus bei dem mit kräftigen Lungen ausgerüsteten Frosch Ausstülpungen getrieben haben; der lebhafte Frosch hat eben ein viel größeres Sauerstoffbe- dürfnis als die trägen Urodelen. Das Fehlen der Ösophagusathmung und die kräftigere Ausbildung der Hautkapillaren beim Triton kann man vielleicht durch den langen Aufenthalt im Wasser erklären, wo ja nach den Untersuchungen von Dissarp die Hautathmung bedeu- tender ist als in der Luft; dasselbe geht auch aus den Versuchen ÜAMERANO'S hervor. ÜAMERANO behauptet nun, dass beim Spelerpes die Buccopharyn- gealathmung die Lungenathmung ersetzt, und dass die Hautathmung unwesentlich ist. Das ist nach den Ergebnissen meiner morpholo- gischen Untersuchungen unwahrscheinlich. Das Kapillarnetz der Haut breitet sich über den ganzen Körper aus und lässt weder die Fußspitzen noch irgend eine andere Stelle der Körperoberfläche frei. Dagegen ist die Oberfläche des Kapillarnetzes, das im Mund und Ösophagus der Aufnahme von Sauerstoff fähig ist, äußerst klein; sie stellt nicht den vierten Theil der Oberfläche des Hautnetzes dar. Nun wird ja allerdings durch die Divertikelbildung die Oberfläche der Mund- und Ösophagus-Kapillaren vermehrt. Die Bewegungen des Mundbodens aber, die nach MarcAccı und CAMERANO die Aufnahme der Luft in die Mundhöhle bewirken, sind äußerst unregelmäßig, wie ich selbst beobachten konnte, und wie auch BErG! berichtet hat. Er sagt darüber: »Ich möchte nur erwähnen, dass die sichtbare Ath- mung durch die Bucco-pharyngeal-Höhlung eine sehr unregelmäßige ist. Oft bewegt sich die Kehldecke des Molches minutenlang gar nicht, während sie zuweilen in fast zitternde Bewegung geräth. Letzteres ist hauptsächlich bei Erregung des Thieres der Fall und kann bei hungrigen Stücken schon beim Anblick einer Fliege her- vorgerufen werden.« Aus den bisher angeführten Gründen darf man wohl schon schließen, dass die Hautathmung im Vergleich zur Buccopharyngeal- Athmung nicht unbedeutend sein kann. Wenn wir nun noch die ' JOHANNES BERG, Zur Kenntnis des Höhlenmolches (Spelerpes fuscus Bonap.). Zoolog. Garten. 37. Jahrg. Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 703 größeren Gefäße, die das Blut zu den verschiedenen Athmungsstätten führen und von ihnen ableiten, mit einander vergleichen, so werden wir auch hierin einen Grund für die große Leistungsfähigkeit der Haut als Athmungsorgan erkennen. Zu den Kapillaren der Mundhöhle führen das Blut jederseits die Arteria maxillaris externa (Fig. 8 me) und die Arteria oeceipi- talis (Fig. 8 o), zu denen des Pharynx und des Ösophagus die Arteria pharyngea (Fig. 3 pA) und die Seitenzweige der Arteria pulmonalis (Fig. 3 p); außerdem werden noch einige kleine Äste der in den Schädel eindringenden Arteria carotis interna (Fisg. 3 und Sc.) an den Pharynx abgegeben. — Abgeleitet wird das in den Kapillaren der Mundhöhle und des Pharynx durchgeathmete Blut durch die Vena jugularis interna (Figg. 3 und 8 «). Diese nimmt die Vena maxillaris superior (Fig. 8 ms) und die Vena maxillaris inferior (Fig. 8 mi) auf, die ebenfalls sauerstoffreiches Blut führen; außer- dem mündet aber in sie ein Ast ein, der das sauerstoffarme Blut des Auges enthält, und sie selbst entsteht im Gehirn, aus dem sie das unbrauchbar gewordene Blut ableitet. Sie führt also gemischtes Blut zum Sinus venosus. — Die Vena pharyngea (Fig. 3 pA’) und die Vena oesophagea (Fig. 3 oe) nehmen das Blut aus dem Pharynx und dem Ösophagus auf; die erstere vereinigt sich aber bald mit der Vena lingualis, d. h. ihr sauerstoffreiches Blut vermischt sich mit dem sauerstoffarmem der Zungenvene; die Vena oesophagea mündet gar in die Lebervene ein. Wir haben also in allen Gefäßen, die das in den Kapillaren der Mundhöhle und des Ösophagus durchge- athmete Blut aufnehmen, bei ihrem Eintritt in den Sinus hochgradig gemischtes Blut. | a Vergleichen wir hiermit die Gefäße, die das Blut zu den Haut- kapillaren führen und von ihnen zum Herzen zurückleiten! Die Rumpf- und Schwanzhaut wird mit Blut versorgt durch die zahlreichen kräftigen Rami dorsales und Rami costales der Arteria vertebralis collateralis (Fig. 3 ve). Zur Kehlhaut wird Blut geführt durch die kleinen Seitenäste des zweiten Arterienbogens (Fig. 3 ZZ) und der Pulmonalarterie (Fig. 3 p). Ein Theil des Blutes der Arteriae sub- elaviae (Fig. 3 sc) und iliacae (Fig. 3 ic) gelangt in die Hautkapil- laren der Extremitäten; auch die Arteria eutanea magna (Fig. 3 cm) ist nicht ganz funktionslos geworden und führt Blut zur Rumpfhaut. Sauerstoffreiches Blut enthält bis zum Eintritt in den Sinus venosus die Vena cutanea magna (Fig. 3 cm’), die durch ihre Dorsal- und Intercostalzweige das Blut aus den Kapillaren der Rumpfhaut 46* | 704 Emil Bethge, _ aufnimmt, und die Vena eutanea parva, die aus den Kapillaren der Kehlhaut entsteht. Die Größe dieser Gefäße lässt darauf schließen, dass bei jeder Zusammenziehung des Herzens nicht viel weniger Blut aus der Hautvene in den Sinus eindringt, wie aus den beiden Jugularvenen. Wenn nun auch das Blut in den Kapillaren der Mundhöhle und des Ösophagus bedeutend sauerstoffreicher geworden ist, wie in den Kapillaren der Haut, so hat es sich doch bald mit bedeutenden Mengen sauerstoffarmen Blutes gemischt, so dass es beim Eintritt in den Sinus wohl kaum noch sauerstoffreicher ist, als das Blut der Hautvene, die nur ein ganz kleines Gefäß mit sauer- stoffarmem Blut aufgenommen hat. Es wird also durch die Hautvenen allein ungefähr so viel sauerstoffreiches Blut zum Herzen geführt, wie durch die Jugular- venen. Nun wird aber auch noch in den Hautkapillaren durch- seathmetes Blut durch Gefäße aufgenommen, die hauptsächlich für die Leitung des venösen Blutes der Gewebe bestimmt sind. So führen die Venae subelaviae (Fig. 3 sc’) und die Venae iliacae (Fig. 3 :c’) das Blut der Hautkapillaren der Extremitäten, die Venae caudales (Fig. 3c) das der Schwanzhaut, und die Vena abdominalis (Fig. 3 «) nimmt das Blut der Bauchhaut auf. Die Caudalvenen und die Venae iliacae treten in die Nieren ein und lösen sich in die Venae advehentes des Nierenpfortaderkreis- laufs auf; sie werden hier schon einen großen Theil ihres Sauerstoffs abgeben. Die Gefäße, die das Blut aus den Hautkapillaren des Schwanzes zu den Caudalvenen leiten, müssen an den großen Drüsen entlang ziehen und die Muskeln durchdringen; auch sie werden auf ihrem Wege schon eine große Menge Sauerstoff den Geweben über- lassen. Eben so ergeht es dem Blut, das durch die Abdominalvenen (Fig. 3a) und durch die Vena oesophagea (Fig. 3 oe) in den Leber- pfortaderkreislauf gelangt; auch hier wird der größte Theil des Sauerstoffs dem Blute schon entrissen werden. Wir sehen, dass ein Theil des Blutes den Sauerstoff schon wieder abgiebt in der Nähe der Orte, wo es ihn aufgenommen hat, oder wenigstens noch vor dem Eintritt in das Herz. Wir erkennen aus diesen Betrachtungen ferner, dass wir beim Spelerpes fuscus, und das trifft auch bei Salamandra und Triton zu, nicht zwischen Arterien und Venen als Gefäßen mit sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut unterscheiden können. Auch das Herz hat: es vollständig aufgegeben, eine Trennung zweier Blutarten zu ver- suchen, indem nicht nur die Scheidewand beider Vorhöfe von einer Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 705 großen Öffnung durchbrochen ist, sondern indem hauptsächlich alles Blut durch eine Öffnung in den linken Vorhof eindringt. Das Herz hat also beim Spelerpes nur die Aufgabe, die Bluteirkulation im Körper zu regeln. Schreiben wir der Hautathmung, wie e8 ÜAMERANO thut, nur ge- ringe Wichtiskeit zu, d. h. wird durch die Hautkapillaren nur eine unbedeutende Menge von Sauerstoff aufgenommen, so müssten die Hautvenen sauerstoffarmes Blut zum Herzen führen, und es würde nur durch die Jugularvenen durchgeathmetes Blut zum Herzen ge- langen; dieses kann aber auch nicht sehr sauerstoffreich sein, da es schon mit dem sauerstoffarmem Blut des Gehirns und des Auges ge- mischt ist. Diese geringe Menge von nicht sehr sauerstoffhaltigem Blut wird sich- im Herzen mit dem aus dem ganzen übrigen Körper herbeiströmenden sauerstoffarmen Blut im Herzen mischen und ein Gemenge erzeugen, in dem die schädlichen Bestandtheile des Blutes überwiegen. Das Thier würde mit solchem Blut unmöglich lange leben können und bald erstickt sein. Diese Betrachtungen führen mit ziemlicher Sicherheit zu dem Schlusse, dass die Hautathmung für Spelerpes fuscus sehr wichtig sein muss. Mögen die Kapillaren der Mundhöhle und des Ösopha- sus durch ihre Lage im Epithel und durch ihre Divertikelbildung um Vieles geeigneter sein als die unter dem Epithel gelegenen, glattwandigen Hautkapillaren, so wird dieser Vorzug doch durch die sroße Ausdehnung des Hautkapillarnetzes gemindert, wenn nicht aufgehoben. Ferner fehlt jeder Versuch einer Trennung zweier Blut- arten. Es kursirt im Körper hochgradig gemischtes Blut. Um dieses so sauerstoffreich zu erhalten, dass das Thier nicht erstickt, genügt die Athmung in der Mundhöhle und dem Ösophagus nicht; es muss die Hautathmung hinzutreten. Auch der Umstand, dass einzelne Gewebe einen großen Theil ihres Sauerstoffs direkt aus dem in den Hautkapillaren durchgeathmeten Blut beziehen, spricht für die Wichtig- keit der Hautathmung. Wir wollen nun nicht darüber streiten, welcher der beiden Athmungsweisen die größere Bedeutung zukommt; das ist unwichtig, eben so wie es unmöglich ist, ihr Verhältnis genau festzustellen, weil dieses vom Individuum, der Temperatur und dem Feuchtigkeits- gehalt der Umgebung abhängt, also immer wechselt. Es muss nur der Behauptung CAMERANo’s entgegengetreten werden, dass die Hautathmung beim Spelerpes fuseus unwesentlich ist. Weder allein die Hautathmung ist im Stande, die Lungenathmung zu ersetzen; 706 Emil Bethge, noch vermag dies die »Boecopharyngealathmung«. Es sind beide Athmungsweisen nöthig, um das Leben des Thieres zu ermöglichen. Halle (Saale), im September 1897. Erklärung der Abbildungen, Tafel XL. Sämmtliche Figuren etwa 2/l der natürlichen Größe. Fig. 1. Blutgefäßverlauf von Salamandra maculata. Fig. 2. Blutgefäßverlauf von Triton taeniatus. Fig. 3. Blutgefäßverlauf von Spelerpes fuscus. Erklärung der gemeinsamen Bezeichnungen. I, erster Arterienbogen; II, zweiter Arterienbogen; III, dritter Arterienbogen; IV, vierter Arterienbogen; a, Vena abdominalis; ao, Aorta; c, Vena caudalis; ce, Arteria carotis externa; ci, Arteria carotis interna; ie, Vena jugularis externa; ii, Vena jugularis interna; !, Vena lingualis; le, Vena hepatica; oe, Vena oesophagea; p, Arteria pulmonalis; p', Vena pulmonalis; ph, Arteria pharyngea; ph’, Vena pharyngea; cm, Arteria cutanea magna; rc, Ramus costalis der A. vertebralis cm’, Vena cutanea magna; collateralis; cp, Vena cutanea parva; sc, Arteria subelavia; e, Arteria epigastrieca; sc', Vena subelavia; ga, Arteria gastriea anterior; sv, Sinus venosus; ic, Arteria iliaca communis; vc, Arteria vertebralis collateralis. ic’, Vena iliaca communis; Tafel XLIII. Fig. 4. Kapillarnetz der Haut von Salamandra maculata. ZEIss A, 2, Prisma. Fig. 5. Kapillarnetz der Haut von Triton taeniatus. ZEISS A, 2. Prisma. Fig. 6. Kapillarnetz der Haut von Spelerpes fuseus. Zeıss A, 2. Prisma. Fig. 7a und d. Schnitte durch die Mundschleimhaut von Spelerpes fuscus. ZEISS C, 2. Prisma. Fig. 8. Größere Gefäße und Kapillaren des Oberkiefers von Spelerpes fuseus. Viermal vergrößert. Fig. 9. Größere Gefäße des Oberkiefers von Triton taeniatus. Fig. 10. Größere Gefäße des Oberkiefers von Salamandra maculata. Erklärung der Bezeichnungen von Fig. 8, 9, 10: A, Auge; ci, Arteria carotis interna; aow, Aortenwurzel; ei, Vena jugularis interna; Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete.. 1707 me, Arteria maxillaris externa; 0, Arteria oceipitalis; mi, Vena maxillaris inferior; vc, Arteria vertebralis collateralis. ms, Vena maxillaris superior; Fig. 11. Schnitt durch den Ösophagus von Salamandra maculata. Zeıss C, 2. Prisma. 3 Fig. 12. Schnitt durch den Osophagus von Triton taeniatus. ZEIss C, 2. Prisma. + Fig. 13. Schnitt durch den Osophagus von Spelerpes fuscus. ZEISS C, 2. Prisma. Fig. 14. Kapillarnetz des Oberkiefers von Spelerpes fuscus. Zeıss A, 2. Prisma. Fig. 15. Kapillarnetz des Oberkiefers von Triton taeniatus. ZEISS A, 2. Prisma. Anm.: In den Figuren 1, 2, 3 auf Tafel XLII sind die Nieren nur der besseren Orientirung wegen gezeichnet; die Arteria iliaca und die A. verte- bralis collateralis mit ihren Seitenzweigen, die durch sie theilweise verdeckt werden, sind an jenen Stellen ausgezogen, um eine bessere Übersicht zu ge-' winnen. Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis) bei Schneckengehäusen. Von Dr. Gräfin M. v. Linden (Tübingen). (Aus dem zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel XLIV und XLV. In meiner Inauguralschrift »Entwicklung der Skulptur und der Zeichnung bei den Gehäuseschnecken des Meeres«! habe ich zu zeigen versucht, dass nicht nur die Zeichnungsformen, welche wir besonders farbenprächtig auf den Gehäusen der Meeresschnecken vorfinden, sich innerhalb der verschiedenen Gattungen in vollkommen sesetzmäßiger Weise umbilden, sondern dass auch die Skulptur bei ihrer Entwicklung ähnliche bestimmte Richtungen einschlägt, so dass ‚auf beide, auf Zeichnung und auf Skulptur, von ihrem ersten Auf- treten an bis zu ihrem Verschwinden die von EIMER aufgestellten Artbildungsgesetze Anwendung finden. Ich habe indessen nicht be- tont, dass diese Entwicklungsgesetze, welche Schalenskulptur- und Zeichnung gestalten, in gleicher Weise auch auf die Schalenform einwirken und innerhalb verschiedener Gruppen zu Gestaltungen führen, welche, obwohl durch keine nähere verwandtschaftliche Be- ziehungen verbunden, sich so ähnlich sehen, dass oft nur ein gut geschultes Auge die Merkmale, welche die Arten und Gattungen scheiden, wahrzunehmen vermag. Die Übereinstimmung der morpho- logischen Charaktere derartiger Schalen ist häufig so groß, dass es zu verwundern ist, wenn noch kein Vertreter der Nützlichkeitstheorie von mimetischen Formen unter den Mollusken gesprochen hat. Ermer nennt diese Erscheinung Homöogenesis oder unabhängige Entwicklungsgleichheit. Nach seiner Auffassung können zwei Gruppen I Diese Zeitschrift LXI. Bd. 2. Heft. Unabh. Entwicklungsgleichh. |‚Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 709 von Individuen ganz unabhängig von einander ähnliche oder gleiche Entwicklungsrichtungen einschlagen auf Grund gleichen phyletischen Wachsthums, gleich lange Zeit hindurch wirkender physiologischer Vorgänge. Für die Entstehung homöogenetischer Formen braucht keineswegs von ursprünglich gleichen Grundlagen ausgegangen und angenommen zu werden, dass sich dieselben im Lauf der Zeit viel- leicht in getrennten Gebieten durch die Einwirkung analoger äußerer Bedingungen in ähnlicher Weise umgestaltet haben. Um die Erschei- nung der Homöogenesis zu verstehen, genügt die vielfach bewiesene Thatsache, dass die Organismen im Allgemeinen unter dem Einfluss äußerer Verhältnisse nur nach wenig bestimmten Richtungen abändern können, und nach einem kürzeren oder längeren phyle- tischen Wachsthum auf gleichen oder ähnlichen Stufen der Entwick- lung stehen bleiben. | Ich habe in meiner oben genannten Arbeit gezeigt, wie in den verschiedensten Gastropodengattungen dieselben Skulptur- und Zeich- nunssformen phylogenetisch wie ontogenetisch in ähnlicher Reihen- folge auftreten, wobei Schalenzeichnung und Skulptur sehr häufig gleichen Schritt halten. Wenn nun aber die Schalenform in gleicher "Weise nur wenige, bestimmte Entwicklungsrichtungen einschlägt, die in den verschiedenen Gruppen ihre Wiederholung finden, und ebenfalls in gewisser Korrelation mit Skulptur und Zeichnung stehen, so ist es erklärlich, dass unter Umständen ganz unabhängig von ein- ander ähnliche Formen zu Stande kommen. | Besonders schöne Beispiele finden sich in dieser Hinsicht inner- halb der Gattung Melania. Wir beobachten hier Formen, die bei oberflächlicher Betrachtung für Cerithium, Mitra, Turritella, Pyramidella, Terebra, andererseits für Purpura, Ricinula, Neritina gehalten werden können, trotzdem, dass weder verwandt- schaftliche Beziehungen, noch eine Gleichförmigkeit der durch den Aufenthaltsort bedingten Lebensweise der verschiedenen Formen be- stehen. Wenn aber Süßwasserschnecken ähnliche Formen aufweisen wie die ihnen verwandtschaftlich fern stehenden Meeresbewohner, so müssen wir annehmen, dass die Erscheinung der Homöogenesis in erster Linie in der Konstitution der Organismen begründet ist, und unter den verschiedenartigsten Bedingungen zur Entfaltung ge- langen kann. Die Ergebnisse bei Melaniiden veranlassten mich auch anderen Gruppen nach dieser Richtung hin größere Aufmerksamkeit zu schenken, und wenn auch meistens weniger Mannigfaltigkeit zu be- 710 M. v. Linden, obachten war, so konnte doch überall die Wirkung unabhängiger Entwieklungsgleichheit verfolgt werden. Ich bin durch diese Unter- suchungen überhaupt zu dem Schlusse gelangt, dass den Gastro- podenschalen im Allgemeinen wenige Formen zu Grunde liegen, die in den verschiedensten Gruppen wiederkehren und durch extreme Ausbildung einzelner Theile durch Skulp- tur oder Zeichnung für die Gattungen typisch werden. Homöogenesis in der Familie der Melaniiden d’Orbigny. Die Familie der Melaniiden d’Orb. steht nach BroT (MARTINI- CHEMNITZ, Conchylienkabinet, Bd. I, 24) im System zwischen den Cerithiiden und den Paludinen, und schließt sich durch die Pirenen an die Cerithien, und zwar an die Gattung Potami- des, durch die nordamerikanischen Strepomatiden zunächst an die amerikanischen Paludinen an. Obwohl die Gehäuse beider Gruppen nur wenig unterscheidende Merkmale bieten, so müssen dieselben doch desshalb getrennt werden, weil die Strepömatiden einen ganzen Mantelrand besitzen und eierlegend sind, während alle übrigen zur Familie gehörenden Gattungen einen gefransten Mantel haben und lebendige Junge gebären. Die Strepomatiden stellen somit in morphologischer wie in biologischer Hinsicht die ursprüng- licheren Formen dar und sind paläontologisch älter als die übrigen Vertreter der Familie. Sie finden sich schon im oberen Jura und Wealden, während die andern erst in der Kreide und dem Tertiär. erscheinen. Die geographische Verbreitung der Melaniiden ist eine sehr ausgedehnte. Man findet dieselben in allen Welttheilen, jedoch nur in den wärmeren Zonen zwischen dem 51° nördl. und dem 40° südl. Breite. Sie leben meistens im süßen Wasser in Sümpfen, Seen, Bächen, Flüssen und Bergströmen; nur die Pirenen, welche den Übergang zu den Cerithien bilden und nach Gassıcs auch einige Melanopsiden aus Neu-Caledonien machen eine Ausnahme, indem man sie oft mit Cerithien und Potamiden zusammen in braki- schen Gewässern antrifft. Einige Arten der Gattung Pirena (M. tuber- culata Müll., Pirena spinosa Lam.) und einige Melanopsiden bewohnen manchmal warme Quellen. Wenn auch die weite Verbreitung unter den verschiedenen Lebensbedingungen sehr wahrscheinlich zur großen Variabilität der Melaniiden die Veranlassung gegeben hat, so ist die absolute Größe der Arten dennoch unabhängig von der Aus- dehnung des Gewässers, worin sie leben, denn gerade die größten Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 711 Melanien aus Central-Amerika bewohnen nach MOoRELET ganz unbe- deutende Bäche. Ich habe soeben erwähnt, dass die jetzt noch in Nord-Amerika erhaltenen Strepomatiden den Ausgangspunkt für die eigentlichen Melaniiden bilden. Nach der Beschaffenheit ihrer Gehäuse wer- den dieselben von Tyron (Land and fresh water shells of North America, Vol. IX, 1873) in fünf Genera getheilt. Die Schalen der ersten Gattung Pleurocera sind oval oder pyramidenförmig, die basilare Mündung ist mit kanalartigem Ausguss versehen, die Außen- lippe buchtig gebogen. Bei dem Subgenus Io ist die Schale spindel- förmig (fusiformis), der Kanal sehr lang. In der Gattung Lithasia finden sich eiförmige bis konische Gehäuse, deren Basis mit kleinem kanalförmigem Ausguss, deren Columellarrand mit Callus versehen ist. Die Schalen von Leptoxis sind meist kugelig, selten pyra- midenförmig, und haben eine kreisrunde Mundöffnung ohne Ausguss. Der Gattung Lithasia ähnlich sind die Gehäuse von Gyrotoma, dieselben unterscheiden sich von den ersteren nur durch einen Schlitz an der Außenlippe. Die Vertreter der letzten Gattung Goniobasis haben eine ei- förmige oder gethürmte Schale und eiförmige Mundöffnung. Wir treffen somit schon unter diesen ursprünglichen Formen eine ziem- lich große Mannigfaltigkeit in der Schalengestaltung an, es werden hier schon Entwicklungsrichtungen eingeschlagen, die sich auch bei den echten Melanien wiederfinden. Nur in Bezug auf die Schalen- skulptur sind die Strepomatiden viel weniger weit fortgeschritten als die Melanien der alten Welt und bilden einen neuen Beweis dafür, dass die Formen der amerikanischen Fauna in mancher Be- ziehung auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stehen geblieben sind, als die der übrigen Kontinente. | Bei den eigentlichen Melaniiden unterscheidet BRoT 13 Gat- tungen, von denen Melania selbst wieder in 14 Untergattungen zerfällt. Fünf dieser Untergattungen sind in den paläontologischen Schichten — Tertiär — vertreten. Die Untergattung Melanoides ist im Miocän mit großen thurmförmigen Gehäusen gefunden wor- den (M. Escheri, Brongt., M. Albigensis, Nonlet [Oligocän], M. ingui- nata Defr., Eocän, M. alpina Ch. Mayer [Ob. Eocän]) ete. Zu Mela- nella gehören kurze eiförmige Schalen mit großer, vorn etwas vor- gezogener und gerundeter Mündung (M. Holandri Fer.), zu Striatella verlängerte, zugespitzte, stets spiral gestreifte und meist quer ge- faltete Formen (wie M. horrida, muricata Wood, curvieosta Desh. ete.); 712 M. v. Linden, zu Melania Adams sens. striet. zugespitzte, verlängerte, glatte Arten mit ovaler Mündung. Dieselben Entwicklungsriehtungen finden wir unter den leben- den Repräsentanten der Gattung Melania. Die überwiegende Arten- zahl trägt den Pyramidella-Terebra-Charakter und besitzt ge- thürmte, mehr oder weniger glatte Schalen mit oder ohne Zeichnung. Wenn Zeichnung vorhanden ist, so entspricht dieselbe ebenfalls der Terebra-Zeiehnung. Die Mundöffnung dieser Gehäuse ist oval, der Mundrand nicht ausgeschnitten, unterscheidet sich also sowohl von der Terebra- als auch von der echten Pyramidella-Mündung. Bei einzelnen zu dieser Gruppe gehörigen Melanien aus Zanzi- bar (M. zengana Morelet) beobachten wir eine eigenthümliche Miss- bildung der Schale, welche sonst besonders unter den fossilen Pyramidellen (Eulima polita L.) angetroffen wird und darin be- steht, dass die Schalenspitze seitlich gekrümmt ist. Eine ausgesprochen Terebra-ähnliche Form bildet die schön gezeichnete Melania pantherina v. d. Busch (Fig. 1). Die abge- bildete Varietät hat auf dem vorletzten Umgang zwei, auf dem letz- ten fünf Reihen dunkler Flecke, welche in deutlichen Längslinien stehen und große Neigung zeigen in querer Richtung zu verschmelzen. In der Größe und Gestalt ihrer Schale stimmt die abgebildete Melania in sehr auffallender Weise mit Terebra muscaria Lm. (Fig. 2) überein, in ihrer Zeichnung gleicht sie mehr der Terebra corrugata Lm. (Fig. 3), welche auf dem letzten Umgang vier bis fünf Punktreihen trägt. Die Zeichnung der M. pantherina ist jeden- falls aus einer längsgestreiften Form, wie z. B. aus der ihr nahe verwandten M. punetata Lm. (Bd. I, 24, Taf. XX, Fig. 4, 4a, p. 168)! abzuleiten, bei der die Längsstreifen schon zum Theil in Punktreihen aufgelöst sind, oder aber von M. mindorensis Lea (Bd. I, 24, Taf. XX, Fig. 6, 6«, p. 169), wo die Längsstreifen in ihrem ursprünglichen Zusammenhang erhalten sind. Die Zeichnung der M. pantherina v. d. Busch zeigt sich ziemlich variabel bezüglich der Zahl der Punkt- reihen, so dass sich der Zeichnung der Terebra muscaria noch ähnlichere Formen finden. Ausgesprochene Terebra-Formen, theils mit, theils ohne Zeich- nung, finden sich auch auf Taf. XVII in M. terebriformis Brot (Fig. 1, 1a, p. 144), M. tubulata Lam. (Fig. 4, p. 145). M. zeleborii ! Diese und die folgenden Figurenangaben beziehen sich auf MARTINI- ÜHEMNITZ, Conchylienkabinet. Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 713 Brot (Fig. S, Sa, p. 150 etc... Die M. terebriformis in Fig. 1a zeichnet sich durch sehr wenig konvexe Umgänge aus, eben so die M. tubulata in Fig. 4, eine Entwicklungsrichtung, welche ganz unab- hängig von den Melaniiden bei Terebra ihren Höhepunkt er- reicht: während nämlich die flachen Umgänge bei Melania nur vereinzelt auftreten, werden sie innerhalb der Gattung Terebra vorherrschend. Die aufgeführten Melania-Arten kom- men alle im süßen Wasser vor, während die Vertreter der Gat- tung Terebra Meeresbewohner sind. Die Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Formen beider Gruppen kann somit weder auf nähere _ verwandtschaftliche Beziehungen, noch auf Mimikry, noch aber auf Anpassung an eine analoge Lebensweise zurückgeführt werden, sie bildet im wahrsten Sinn des Wortes den Ausdruck für unabhängige Entwicklungsgleichheit. Von diesen langgestreckten glatten Formen ausgehend, welche zum Theil so vollkommen mit Terebra übereinstimmen, dass nur der verschieden gestaltete Mund die Zugehörigkeit zu einer anderen Familie verräth, kommen wir zu Formen, deren Gehäuse bedeutend verbreitert ist, und die mit ihren immer noch ziemlich flachen Umgängen zu Gestalten überleiten, welche wir in der Gattung Chem- nitzia unter den Terebellen wiederfinden (vgl. die glatten Varie- täten von Melania immanis Morelet, Taf. II, Fig. 1a—9, p. 19 mit Chemnitzia lineata Roem. — sp. Coralrag |[Zırrer, Paläontologie. II. p. 237). Nun beobachten wir aber sowohl bei den schlanken als bei den breiteren Melaniiden-Gehäusen das Auftreten einer schwa- chen Querskulptur in Gestalt von schmalen rippenartigen Er- höhungen. Bei vielen Schalen, besonders bei den schlanken Terebra- Formen, nimmt diese Skulptur nur die ersten Umgänge ein, bei anderen erstreckt sie sich auf die ganze Schale, oder beginnt erst — bei vielen breiten Formen z. B. — auf den letzten Umgängen. So- bald sich nun diese Querskulptur kräftiger entwickelt, so erhalten wir typische Cerithium-Gestalten, besonders da, wo sich auf diesen Querrippen eine oder mehrere Knotenreihen entwickelt haben. Ein schönes Beispiel ist Melania spinata Godw. (Fig. 4) verglichen mit Potamides ebeninum Brug. (Fig. 5). Noch größere Ähnlichkeit hat die genannte Potamides-Art mit M. spinosa Bens. (Bd. I, 24, Taf. XII, Fig. 2, p. 92), weil diese wie ebeninum nur eine Knotenreihe auf den späteren Windungen hat, und vorher noch deutliche Querrippung zeigt. Die Melanien geben überhaupt zahlreiche Beispiele für den _ Übergang der Querrippen in Knoten und zuletzt in Stacheln. Schon 714 M. v. Linden, der Vergleich mit den fossilen Formen lehrt, dass Querrippung der Knotenbildung vorangeht. So stellt z. B. ZITTEL für die Untergattung Melanoides Oliv. folgende Diagnose auf: »Zu Melanoides ge- hören große thurmförmige längsgekielte und quergerippte Gehäuse«, während Bror als Kennzeichen der lebenden Formen betont: »Die Rippen sind häufig geknotet.« Auch die meisten Formen der Me- lania asperata Lam. (Taf. VIII, Fig. 1, 1a—g, p. 73) sind Ceri- thien täuschend ähnlich, doch auch hier zeigt die Gestalt der Mün- dung, dass wir es mit den Vertretern einer anderen Familie zu thun haben. Ich habe in meiner früheren Arbeit beschrieben, wie häufig Knotenreihen, welche aus Querrippen entstanden sind, in scharfe Längskiele umgewandelt werden, dadurch, dass die Knoten in der Längsrichtung mit einander verschmelzen. So entsteht aus der Ceri- thium ähnlichen Form der M. asperata Lm. (Fig. 6) die Varietät 1a, deren Schale mit einem Turritella-Gehäuse verwechselt wer- den könnte, eine Umbildung, welche indessen in so vollkommener Weise bei Melania selten ist, dagegen bei der verwandten Gattung Claviger und außerdem auch bei Cerithium (Fastigiella cari- nata Reeve, Bd. I, 26, Taf. XXVIU, Fig. 1, p. 146) häufiger vor- kommt. Eine weitere mit den bisher beschriebenen Melanien in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehende Entwicklungsrichtung führt zu ausgesprochen Mitra-ähnlichen Gehäusen. Einige, allerdings wenig zahlreiche Übergänge lassen mich vermuthen, dass- diese Entwick- lungsrichtung ihren Ausgangspunkt von Achatina-ähnlichen Formen genommen hat. Die Mitra-Formen zeichnen sich allerdings durch treppenförmig abgesetzte Schalen aus, was bei den Achatina-ähnlichen Schalen nicht allgemein ist, wir finden indessen unter den letzt- genannten Ausnahmen, welche gerade diese Eigenthümlichkeit des Gewindes in vollkommener Ausbildung besitzen. Die meisten Mitra-ähnlichen Melanien tragen Gitterskulptur, wie aus den Abbildungen (Bd. I, 24, Taf. XXXIII) hervorgeht, und: gleichen darin der Mitra granulosa (Bd. V, 2, Taf. XII. Fig. 3, 4, p. 69) u. and. Wir finden indessen auch Umgestaltungen von Me- laniengehäusen, die zu Formen ähnlich Mitra pontificalis (Fig. 7) führen. Diese tragen, wie die abgebildete Melania eybele Gould (Var.) (Fig. 8), einen gekrönten Kiel und besitzen. sonst ein glattes eiförmig gestaltetes Gehäuse. - Die Mitra-ähnlichen Melanien-Arten Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 715 sind indessen nicht so zahlreich wie diejenigen, le den Terebra- oder Cerithium-Charakter tragen. An die hoch gewundenen längs- und querskulptirten Formen der Gattung Melania schließen sich zunächst die Vertreter der in Süd- Amerika heimischen Gattung Doryssa an. Dieselben tragen alle mehr oder weniger den Cerithium-Typus, aber nicht wie er in der Gruppe Potamides, sondern wie er bei Pyrazus zum Ausdruck - kommt. Die Schalen sind durch oft recht kräftige Längskiele und Querrippen ausgezeichnet und unterscheiden sich, wie aus der Ab- bildung ersichtlich, besonders durch die Bildung des Mundes und durch die Richtung der Naht (vgl. Doryssa macapa J. Morie. [Fig. 9] und Cerithium [Pyrazus] suleatum Born. Var. [Fig. 10). Doryssa macapa findet sich am Amazonenstrom, während Pyrazus sulca- tum in China, auf den Philippinen, den Mascarenen, und namentlich in Madagascar vorkommt. Also auch hier Ähnlichkeit der Formen ganz getrennter Verbreitungsbezirke. Auch die auf der Westküste von Afrika heimische, hehe lich im Brackwasser lebende Gattung Claviger ist durch Cerithium- ähnliche Formen gekennzeichnet. Wenige Arten dieser Gattung tragen noch die der Doryssa eigene Längs- und Querskulptur (Claviger matoni Gray) (Bd. I, 24, Taf. XXXVLU, Fig. 3a —f, 4, 4a, p. 366). Bei den meisten haben sich die Querrippen in Knotenreihen auf- gelöst, von welchen sich eine oder mehrere zu kräftigen Dornen- reihen entwickeln, während sich die übrigen zurückbilden (Olaviger byronensis Gray, Tab. XXXVI, Fig. 10«—c, p. 359). Es kommt aber auch vor, dass sich die Knotenreihen zu scharfen, weit vorspringenden Längskielen vereinigen, so dass wir mehr oder weniger Turritella-ähnliche Formen erhalten (Claviger matoni Taf. XXXVIL, Fig. 3, 3a, 3 f, p. 366). Öfters tragen die ersten Windun- gen der Olaviger-Gehäuse Gitterskulptur, und die späteren erst scharfe Längskiele und spitzige Dornen. Die durch sich schneidende Längs- und Querskulptur hervorgebrachte Gitterung ist indessen auch hier stets der Ausgangspunkt für jede andere Skulpturform. Während die auf Madagascar im Süßwasser, bisweilen aber auch in warmen Quellen lebende Gattung Melanatria Bowdich, sowie ‚die Gattungen Pirenopsis Brot und Faunus Montfort der Unter- gSattung von Melania melanoides nahe stehende, also auch Ceri- thium-ähnliche Formen aufweist, finden wir bei Hemisinus Swain- son zwei von einander abweichende Entwicklungsrichtungen. Die 716 M. v. Linden, eine erzeugt niedergewundene Columbella-Mitra-artige Formen, die andere hochgewundene Cerithium-ähnliche Gehäuse. Die Arten mit hochgewundenen Schalen sind indessen hier sel- tener, als die mit niederen Gehäusen. Vorherrschend niedere Mitra- ähnliche Schalen treffen wir auch bei dem Genus Melanopsis (Bd. I, 24, Taf. XLV—XLIX). Da nun hier die meisten Formen neben der eigenthümlichen Schalenform einen starken Callus besitzen, so erinnern dieselben zum Theil vielfach an Olivella, z. B. Olivella zonalis Lm. (Bd. V, 1, Taf. XXXVI, Fig. 9 und 10) und Mela- nopsis buceinoides Oliv. (Bd. I, 24, Fig. 1—12, p. 419). Dieselbe Entwicklungsrichtung findet sich übrigens auch bei Mitra und führt hier zu Mitra erenulata Chem. (Bd. V, 2, Taf. XVI, Fig. $ und 10). Es bleiben jetzt noch vier Gattungen unter den Melaniiden, welche einen von den Vorhergehenden sehr verschiedenen Typus ver- treten, da sie alle weite niedrige Gehäuse besitzen. Die von ihnen eingeschlagenen Entwicklungsrichtungen führen daher zu Formen, welche von den bisher beschriebenen in hohem Grade abweichen, Die Schalen der Gattung Tanalia tragen einen ausgesprochenen Nerita-Charakter. Tanalia Gardneri Reeve (Fig. 11) entspricht sowohl durch Gestalt des Gewindes, als durch ihre Skulptur der Nerita exuvia L. (Fig. 12). Bei manchen Tanalia-Arten bestehen statt der Längskiele noch Längsreihen von Knoten, und diese bilden sich bisweilen zu mehr oder weniger kräftigen Stacheln um, die dann in mehreren Reihen das Gehäuse umgeben. Auf diese Weise kommen Formen zu Stande, wie Tanalia loricata Var. erinacea Reeve (Fig. 13), eine Entwicklungsrichtung, die wir bei Nerita ver- missen, dagegen bei Purpuriden (Purpura, Ricinula) wiederfinden, wie aus den Figuren von R. horrida Lm. (Fig. 14), Purpura pa- tula L. (Fig. 15) und Turbo histrio Kien. (Fig. 16) ersichtlich ist. Eine weitere Gattung, welche zu der Familie der Melaniiden gestellt wird, ist Paludomus, deren Gehäuse ausgesprochene Natica-Zeichnung tragen und sich in der Gestalt an Paludina an- # schließen. | | Die Vertreter der letzten Melaniiden-Gattung Philopotamis haben am meisten Ähnlichkeit in Gestalt, Zeichnung, sowie zum Theil wenigstens in der Form des Mundes ihrer Gehäuse mit Ampullarien. Zusammenfassung. Wenn wir die vorstehenden Ergebnisse kurz überblicken, so sehen wir, dass in der Familie der Melaniden drei Entwicklungsriehtungen Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 7 vorherrschen, welche die Gestalt der Gehäuse beeinflussen. Die erste, welehe die Mehrzahl der Arten umfasst, führt zu hohen, gethürmten Schalen, welche je nach Gestalt, Zeichnung und Skulptur der Um- sänge Terebra-, Pyramidella- oder Cerithium-ähnliche Formen ergeben. Im Gegensatz zu diesen finden wir breite niedergewundene Gehäuse, die von Ampullaria-Paludina-Gestalten ausgehend in den Nerita-ähnlichen Tanalia-Arten ihre äußerste Grenze erreichen. Zwischen beiden stehen die mittelhohen Achatina-ähnlichen Mela- nien-Schalen, die sehr wahrscheinlich dadurch, dass ihre Umgänge treppenförmig abgesetzt werden, zu Mitra-artigen Gehäusen über- führen. Es ist besonders hervorzuheben, dass in den meisten Fällen Skulptur und Zeichnung der Schale mit deren Form gleichen Schritt halten, d. h. dass eine ihrer Gestalt nach COerithium-ähnliche Schale auch Cerithium-Skulptur besitzt, eben so wie Terebra- Form und Terebra-Zeichnung auf den Melanien-Gehäusen zu- sammentreffen. Anders ist es mit der Gestaltung der Mündung. Die Form des Mundes verändert sich wohl in so fern, dass er bei niedergewundenen weiten Schalen weiter und mehr kreisförmig, bei hochgewundenen derselben Familie eng und elliptisch ist, aber meistens bleibt er in seiner feineren Ausgestaltung Kanal, Ausbuchtungen, Ausschnitte innerhalb einer und derselben Gattung konstant und dadurch für dieselbe charakteristisch. Dass es aber auch hierin Ausnahmen giebt, haben wir bereits gesehen, und werden es im Folgenden noch an schöneren Beispielen beobachten können. Homöogenesis in der Familie der Pleurotomiden. Auch die Familie der Pleurotomiden umfasst zum größten Theil nur hochgewundene, mehr oder weniger zugespitzte Gehäuse. Die- selben verlieren indessen den ausgesprochenen Cerithium-Charakter, durch einen an der Schalenbasis befindlichen meistens sehr lang aus- gezogenen Kanal. Die Familie gehört ebenfalls zu den formenreich- sten unter den Gasteropoden und hat schon in der Tertiärzeit den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Die Geschichte der Systematik der Pleurotomiden lässt aufs deutlichste erkennen, wie auch hier die Mannigfaltigkeit, welche dadurch erzeugt wird, dass die Schalen verschiedene Entwicklungs- richtungen einschlagen, eine den verwandtschaftlichen Beziehungen dieser Thiersruppe entsprechende Stellung im System erschwert hat. Die große Ahnlichkeit der typischen Arten von Pleurotoma mit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL. Bd. 47 718 M. v. Linden, Fusus sowohl in Schalenform als Schalenzeichnung und Skulptur (vgl. Pleurotoma australis Roissy (Fig. 17] und Fusus tenuiliratus Dkr. [Fig. 18), eben so Pl. marmorata Lm. [Bd. IV, 3, Taf. II, Fig. 4, p- 16] und F. variegatus Perry [Bd. III, 36, Taf. XLVIH, Fig. 2, 3, p- 153]) bestimmten LAmArck das Genus Pleurotoma in seine Familie der Canaliferen einzureihen. Die genauere Kenntnis des Thieres erwies indessen diese von LAMARCK aufgestellte Beziehung als unrichtig und hatte zur Folge, dass Pleurotoma zu den Coniden gestellt wurde. Dazu kam noch, dass nicht nur die anatomischen Merkmale der Schnecke eine derartige Anordnung nöthig machten, sondern dass auch die Schalen einer großen Anzahl besonders fossiler Arten als gute Übergangsformen zu Conus betrachtet werden mussten. Diese verbindenden Glieder sind theils als Subgenera, bei Lepto- conus, theils als gute Genera unter der Bezeichnung Conorbis und Oryptoconus ausgeschieden worden. Eine weitere Eigenschaft, welche außerdem für die Verwandtschaft der Pleurotomiden mit den Coniden sprach, war der bei Pleurotoma meistens, allerdings nieht immer (Halia, Lachesis, Paranis) vorhandene Schalenschlitz in der Nähe der Naht, der sich bei vielen, besonders bei hoch ge- wundenen Conus-Arten als Schlitz oder als weniger tiefe Ausbuch- tung wieder findet. Die Pleurotomiden bilden daher nach WEIN- KAUFF und KOBELT eine Subfamilie der Coniden und stehen neben Conus, Dibaphus und Terebra. Zırreu schaltet sie als besondere Familie zwischen Terebriden und Coniden. | Die Umstellungen, welche die Pleurotomiden im System er- fahren haben, lassen schon darauf schließen, dass sich die Schalen in zwei Hauptrichtungen entwickelt haben. 1) Nach den Canaliferen (Fusus) hin, indem die Gehäuse gethürmt und mit langem Kanal versehen werden, und an ihrer Außenfläche Längs- leisten und in Querstreifen zusammenfließende Fleckenreihen auftreten. 2) Nach den Coniden hin, indem der Kanal schwindet, das Ge- winde, dessen Höhe von der der letzten Windung übertroffen wird, sich verkürzt, verflacht und die einzelnen Windungen sich weniger deutlich von einander absetzen. Ich habe bereits auf die Ähnlichkeit der Schalen von Pl. austra- lis Roissy (Fig. 17) mit Fusus tenuiliratus Dkr. (Fig. 18), Pl. marmorata Lm. mit Fusus variegatus Perry hingewiesen. Wir beobachten indessen auch Verbindungen mit anderen Familien der Canaliferen z. B. mit den Fusus-ähnlichen Turbinella-Arten, mit den durch langen Kanal ausgezeichneten Murex-Arten und den kleinen Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 719 Bueceinum-ähnlichen Triton-Formen. Columbarium spini- cinetum Martens (Fig. 19) ist eine solche Form, welche bis auf die Bedornung des Kanals, bis auf die Gestalt der Dornen am Munde an Murex martinianus Reeve (Fig. 20) erinnert, und andererseits dem Fusus pagoda Lesson (Fig. 21) nahe steht. Eine ganz ähn- lich gerichtete Entwicklung führt bei Trophon zu der bedornten langgestreckten Art Tr. variegatus Lm. (Bd. III, 2, Taf. LXXI, Fig. 13—16, p. 286). Ähnlichkeit mit einzelnen Triton-Arten, z. B. Triton bracteatus Hinds. (Bd. III, 2, Taf. LXVIIL, Fig. 13, 14, p- 255) haben die Bela-Formen B. cancellata Migh. (Bd. IV, 3, Mat. XXXI, Fig. 16, p. 149). Die Formengsruppe, zu welcher Pl. Lühdorffi Lischke gehört, wird meiner Meinung nach von KogeErr fälschlicherweise als »Mitrae- formis« bezeichnet, die Ähnlichkeit ihres Gehäuses mit Conus- Formen ist viel größer als mit Mitra (vgl. Pl. Lühdorffi Lischke, Bd. IV, 3, Taf. VL Fig. 8, p. 32, mit Conus Orbignyi Aud., Bd. IV, 2, Taf. XLIH, Fig. 2, p. 258). Größer ist die Übereinstimmung von Pl. mitraeformis Kiener und Pl. papalis Reeve (Bd. IV, 3, Taf. VII, Fig. 4, 6 und 7, 8) mit einer Mitraschale, eben so gut lassen sich diese Gehäuse indessen in die Nähe von Conus eylindra- ceus Brod. (Bd. IV, 2, Taf. XLVI, Fig. 9, p. 274), ©. mitratus Hwass. (Taf. XLVI, Fig. 10, p. 274), C. violaceus Reeve (Taf. XLVI, Fig. 11, p- 276) stellen, Formen, die allerdings selbst wieder zu Mitra über- führen. Zusammenfassung. Die Mehrzahl der Pleurotomiden-Schalen tragen, wenn wir von der Gestalt der letzten Windung absehen, Cerithium-Charak- ter. Die Entwicklung der Schalenbasis des letzten Umganges zu einem lang ausgezogenen Kanal verleiht der Schale den Typus des Fusus-Gehäuses, dessen Windungen im Allgemeinen jedoch mehr abgesetzt und gewölbt und dadurch weniger Cerithium-artig sind. Auch mit den Vertretern anderer Gattungen unter den Canaliferen, die sich der Fususgestalt nähern, sind Verbindungen zu beobachten. Bei den phylogenetisch früher auftretenden Formen finden sich häufig Schalen, welche den Übergang zu den Coniden bilden, eine Entwicklungsrichtung, welche, wie die Anatomie des Thieres und einzelne Eigenschaften der Schalen (Schalenschlitz) lehren, durch die verwandtschaftlichen Beziehungen beider Gruppen erklärt werden muss. 47* 720 M. v. Linden, Homöogenesis in der Familie der Cancellariiden. Eine weitere Familie unter den Toxoglossen, die sich durch sroßen Formenreichthum auszeichnet, ist die der Cancellariiden. Ihren Hauptbestandtheil bildet die Gattung Cancellaria, und es ist kaum möglich, wie LÖBBECKE sagt, eine befriedigende Gesammt- diagnose von derselben zu geben, so veränderlich ist das Gehäuse in seiner ganzen Erscheinung. Die Entwicklungsrichtungen, die wir innerhalb der Gattung Cancellaria antreffen, sind sehr verschieden von denjenigen, die wir bei den Pieurotomiden gefunden hatten. Die Schalen der Cancellarien sind meistens eiförmig, es kommen indessen auch fast spindelförmige und gethürmte Schalen vor. Glatte und stark skulptirte Gehäuse finden sich neben einander, und beide tragen an ihrer Basis einen kurzen weiten, fast nur ausgussförmigen Kanal. Apams scheidet die Gattung Cancellaria in drei Unterabthei- lungen: Trigonostomes, Purpuriformes und Mitraeformes, eine Eintheilung, welche zwar die Gehäuseformen berücksichtigt, allein gerade eine Gruppe nicht erwähnt, welche besonders charak- teristische homöogenetische Formen aufweist, nämlich die Arten mit Cassis- und Cassidaria-ähnlichen Gehäusen. Wir finden Vertre- ter dieser Gruppe auf Taf. II—V des IV. Bandes des Conchylien- kabinets abgebildet und sehen, dass dieselben bis auf den Spindel- 8 umschlag und die Skulptur ihrer Schalen mit Cassis abbreviata Lm. (Fig. 22) und der Cassidaria echinophora L. (Bd. II, # Taf. LIV, Fig. 1—7, p. 46) Ähnlichkeit haben. Ich erwähne von diesen Cancellarien namentlich ©. Reeveana (Fig. 23). Auch Cancellaria cancellata L. (Taf. XI, Fig. 1—9, p. 34) hat den Cassis-Charakter beibehalten, entwickelt indessen so kräftige Gitterskulptur, dass sie beinahe das Aussehen von Triton cancel- 8 linus Roissy (Taf. LVIL, Fig. 5, 6, p. 200) erhält. Neben den lang- gestreckten Purpura-förmigen Gehäusen, z.B. Cancellaria Speng- leriana Desh. (Bd. IV, 4, Taf. VIL, Fig. 1—8) finden sich aber auch typische Turbo-Formen, wie ©. tuberculata Sow. (Fig. 24), deren Schale mit drei bis vier knotigen Längskielen versehen ist. Die Umgänge sind treppenförmig abgesetzt, die Naht ist vertieft, die Mündung fast kreisrund, und das Gehäuse erinnert in seiner ganzen Gestalt an Turbo japonicus Reeve (Fig. 25). Im Gegensatz zu den Pleurotomiden und Cancellariiden finden wir bei den beiden übrigen zu der Gruppe der Toxoglossen Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 721 gehörigen Schnecken bei den Coniden und Terebriden eine sehr geringe Variabilität der Schalenform. Bei Conus ist hauptsächlich eine Entwieklungsrichtung nach Oliva hin zu beobachten, wie die dem Conus tulipa ähnlichen Gehäuse beweisen; innerhalb der Gat- tung Terebra finden sich von dem Typus der Gruppe abweichende Gehäuse, die dadurch, dass die einzelnen Umgänge mehr gewölbt erscheinen und die Schalenbasis breiter wird, an einzelne Vertreter unter den Cerithien erinnern. Homöogenesis in der Familie der Rissoiden. Die Rissoiden geben wegen ihrer geringen Größe einen der besten Beweise dafür ab, dass unabhängige Entwicklungsgleichheit ohne irgend welche Beziehung zum Nutzen entstehen kann. Die Schalen der meisten Vertreter dieser Familie tragen eine sehr charak- teristische Skulptur, die Gehäuse sind: indessen so klein, dass die- selbe erst durch die Lupe betrachtet zur richtigen Geltung kommt. Die Familie, welche nach ForBEs und HaxLey aus den beiden Genera Rissoa Freminville und Rissoina d’Orbigny bestehen, wur- den von LAMARCK zwischen Paludina und Truncatella-Palu- dinella gestellt. Nach der neueren Auffassung, welche von WEIN- KAUFF vertreten wird, sollte diese Familie indessen neben oder unter den Litoriniden stehen und zerfällt in die Genera Rissoina, Rissoa, Hydrobia, Barleia und Jeffreysia. Hydrobia unter Beschränkung auf die der H. ulvae verwandten Arten, alles sonst zu diesem Genus Gerechnete zu Bithynia und Amnicola verweisend, die zu den Paludinideen gehören. Die Rissoinen sind wie die Rissoen Meeresbewohner und finden sich fast ausschließlich in den tropischen Meeren, besonders an den Philippinen und in Westindien, nur drei Arten kommen im mittelländischen Meere vor. Die Rissoen haben eine viel ausgedehntere Verbreitung. Die Gehäuse der Rissoiden sind meistens hochgewunden, und eine ganze Reihe zu der Gruppe Rissoina gehörigen Arten erinnern uns sowohl was Schalenform als was Skulptur betrifft an Cerithien. Ich nenne nur Formen wie Rissoina erythraea Phil. (Fig. 26), R. labrosa Schwarz (Bd. I, 22, Taf. XI, Fig. 4, p. 37), R. bellula A. Ad. (ibid. Fig. 8, p. 39) und verweise im Übrigen auf die Tafeln X, XII, XV a—d. Von den genannten Formen kommt erythraea im rothen Meer vor, labrosa auf Cuba, bellula auf den Philippinen. Ich habe im Vorhergehenden schon öfters betont, dass bei homöogenetischen Formen die Familieneigenthümlichkeiten häufig in 722 M. v. Linden, der Gestalt der Mundöffnung erhalten bleiben. Bei den genannten Rissoinen ist es nun auffallend, dass auch der Mund in seiner ganzen Beschaffenheit Cerithium-ähnlich ist. Die Mundöffnung ist schmal elliptisch und wie bei einer Reihe von Cerithien sowohl an der Basis als am oberen Ende mit einer kleinen ausgussförmigen Erweiterung versehen. Auch eine wulstartige Verdickung der Außen- lippe, wie wir sie bei manchen Cerithien antreffen, wird bei vielen Rissoinen beobachtet (R. bellula A. Ad... Je nachdem nun die Rissoinen Querrippen, Gitterskulptur oder Längsreihen von Knöt- chen tragen, erinnern sie mehr an Pyrazus oder Cerithium s. str. Die Gestalt der Pyrazus-artigen Rissoinen-Gehäuse ist weniger spitzig als die der Cerithium s. str.-artigen, und ihre Umgänge sind häufig deutlicher abgesetzt als die der letzteren. Sehr verschieden ist die Gestalt der meisten Rissoa-Schalen. Dieselben sind weniger hoch, die Umgänge nehmen schneller an Breite zu (mit Ausnahme der drei ersten), so dass die Gehäuse einen kürzeren aber breiteren Kegel bilden, und haben eine mehr kreis- förmige als elliptische Mündung. Durch diese Eigenthümlichkeiten in ihrem Bau nähern sich die Rissoen den Schalen der Gattung Oyelostoma. Bei jenen Arten, wo ein Wachsen der späteren Umgänge nicht eintritt, ist die Ähnlichkeit mit Truncatella-Formen größer. Sehr interessant ist die Entwicklungsrichtung, welche die Ris- soa cimexL. (Fig. 27) und R. erenulata Mich. (Fig. 9—12, p. 115) eingeschlagen haben und die zu Mitra-ähnlichen Formen führt. Eine ähnlieh gedrungene Gestalt wie R. eimex L. hat Mitra ecan- cellaroides Ant. (Fig. 28) (Bd. V, 2, Taf. XIV, Fig. 17—19, p. 79), welche in derselben Weise wie die genannten Rissoen von Knoten- reihen umzogen ist. Diese Knoten scheinen, wie Fig. 12 von R. ere- nulata zur Anschauung bringt, aus einer Gitterskulptur hervorzu- sehen. Sehr häufig wird diese Skulpturform bei Trochus. Zusammenfassung. Wir ersehen aus dem Vorhergehenden, dass der Formenreichthum unter den Rissoiden kein übermäßig großer ist. Die eine Gruppe, die der Rissoinen, hat hochgewundene Gehäuse, welche ihrem ganzen Bau nach den Cerithien-Schalen sehr nahe stehen. Die zweite Gruppe, die Rissoen, haben eine von den ersteren sehr. verschiedene Entwicklungsrichtung eingeschlagen, die Schalen sind weniger hoch, an der Basis breiter, die einzelnen Umgänge mehr Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneekengehäusen. 723 sewölbt, die Mundöffnung ist kreisrund, kurz, die Gehäuse nähern sich denjenigen der Gattung Cyclostoma.‘ Indem die Schalen eine noch gedrungenere Gestalt annehmen, und ihre Skulptur in längs- verlaufende Knotenreihen aufgelöst wird, kommen Mitra-ähnliche Formen zu Stande, welche, selbstverständlich ohne verwandtschaft- liche Beziehungen zu haben, der Mitra cancellarioides Ant. nahe stehen. Da indessen diese letzte Schalenform der R. cimex aus der gewöhnlichen Cyelostoma-ähnlichen Schale abzuleiten ist, so können wir bei den Rissoideen eigentlich nur von zwei Haupt- entwieklungsrichtungen sprechen, von denen die eine mit Ceri- thium, die andere mit Cyclostoma so ziemlich parallel verläuft. Das Interessante dieser gleichgerichteten Entwicklung innerhalb der besprochenen Familie liegt meiner Ansicht nach darin, dass sich auf den zierlichen Rissoideen-Gehäusen die homöogenetischen Formen nur in kleinstem Maßstab entfalten können, und dass dadurch bewiesen wird, wie wenig ihre Entstehung von der natürlichen Zucht- wahl beeinflusst worden sein konnte. Homöogenesis in der Familie der Columbelliden. Sehr verschieden von den Entwicklungsrichtungen innerhalb der bisher besprochenen Gasteropodengruppen sind diejenigen, welche unter den Columbelliden angetroffen werden. Die Vertreter dieser Familie sind gleich den Melaniiden über die ganze Erde verbreitet. Sie besitzen fast ausschließlich kleine Gehäuse, deren Formen wohl weniger in die Augen fallend sind, aber dennoch so weit aus einan- der gehende Gestaltungen aufweisen, dass es nothwendig wurde die Zungenbewaffnung des Thieres als wesentliches systematisches Merk- mal aufzustellen, denn nur auf diese Weise konnten die Gruppen einigermaßen zusammengehalten werden. Nach PAFTEL stehen die Columbelliden zwischen den Marginelliden und Harpiden, obwohl, wie KoBELT bemerkt, ihre Grenze eigentlich gegenüber den Buceeiniden conchyliologisch strittig ist. Die schlanken, glatten, glänzenden Arten der Gattung Mitrella wurden früher allgemein zu Buceeinum gestellt. Die Radula der Columbelliden ist echt rachi- gloss mit drei Reihen Platten, von denen die mittleren im Gegensatz zu denen der Buceiniden zahnlos sind. Nach der Gestalt der Gehäuse theilt KoBELT die Columbelliden in acht Untergattungen ein, und aus den Namen Strombina und Conidea, welche für zwei dieser Abtheilungen gewählt sind, geht hervor, dass in dieser Eintheilung bereits den verschiedenen Entwick- 124 | M. v. Linden, Jungsriehtungen Ausdruck gegeben wird. Am ausgesprochensten ist die Ähnlichkeit der Columbellen mit Strombus-, Conus- und Buceinum-Gehäusen, und wir sehen, dass neben Schalenform und Skulptur auch hier wieder die Zeichnung den Gesetzen der Homöo- genesis folgt. Wie zu erwarten, werden die Buecinum-ähnlichen Schalen bei den Columbelliden am häufigsten angetroffen, nicht nur innerhalb der Untergattung Mitrella, sondern auch unter Columbella s. str. Ich führe z. B. Columbella aspersa Sw. (Fig. 29) und Buceinum maculosum Lm. (Fig. 30) an. Der Bau des Mundes lässt wohl die Familienverschiedenheiten der beiden Arten sofort erkennen, um so ähnlicher ist indessen die Zeichnung der beiden Schalen. Von größerer Bedeutung für den Nachweis homöogenetischer Aus- bildung sind die Entwicklungsreihen der Columbelliden, welche zu Conus- und Strombus-ähnlichen Formen führen. Ich habe mich darauf beschränkt je eine Art abzubilden, die Tafeln IV und VII im III. Bd. 1d bringen indessen eine größere Anzahl von Columbellen- formen, die man ohne Weiteres für kleine Strombus-Arten halten möchte. Eine der auffallendsten ist Columbella (Strombina) dor- sata Sow. (Fig. 31), die in ihrem Zeichnungsmuster dem Strombus canarium L. (Fig. 32) sehr nahe steht. Die Schale selbst gleicht allerdings mehr den hochgewundenen Strombus-Formen mit mäßig erweiterter Lippe. Auf Taf. IV, Fig. 3, 4 möchte ich besonders auf C. (Strombina) recurva Sow. aufmerksam machen, deren Schale sogar bis auf die Skulptur dem Strombus urceus ähnlich sieht. Die Conus-artigen Vertreter der Untergattung Meta der Columbelliden tragen wie C. philippinarum Reeve (Fig. 33) mehr oder weniger breite Ziekzack-Querbinden, welche sich bei einigen Arten zu Netzzeichnungen vereinigen. So entsteht die Zeich- nung von Columbella cedo-nulli Reeve (Fig. 34), welche etwa derjenigen des gleichnamigen Conus entspricht. Die Ähnlichkeit der Columbella dupontiae Kiener (Fig. 36) mit Conus ist so groß, dass dieselbe Art im Conchylienkabinet einmal unter Conus und einmal unter Columbella aufgeführt wird (Bd. II, 1d, Taf. LXX, Eis; 11, 12,9. 182, und»d.. IV, 2, Auf Taf. XXVI, Bd. III, 1d, Fig. 6, 7 findet sich eine conus- fürmige Columbella abgebildet, welche sich besonders durch einen. lang ausgezogenen Pteroceras-ähnlichen Flügel auszeichnet. In derselben Weise bildet sich die Mündung auch in anderen Familien Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 725 um, z.B. bei Turbinella cassiformis Kiener (Bd. III, 3, Taf. IX, Fig. 10, p. 44). | Wir treffen unter den Columbelliden auch Mitra-ähnliche Gehäuse, sowohl glatte Formen: ©. (Atilia) fulgida Reeve (Bd. III, ea Var XIX, Fig. 17, 18, p. 135) und M. erenifera Lm. (Bd. V, 2, Taf. XVIIe, Fig. 10, p. 126), als auch solche mit Querskulptur, mit Querwülsten, wie ©. (Atilia)hotessieri d’Orb. (Bd. III, 1d, Taf. XXXIV, Fig. 4, p. 252) und Mitra erispata Schmidt (Bd. V, 2, Taf. XVII, Fig. 5, 6, 10, p. 115). Während bei diesen Columbella-Arten eine ausgesprochene Entwicklungsrichtnng nach den typischen Formen der Gattung Mitra hin besteht, finden sich andererseits bei Mitra ein- zelne Arten, in welchen die gethürmte Mitra-Schale die gedrungene Columbella-Gestalt angenommen hat. Ich nenne nur Mitra leueozona Küster (Bd. V, 2, Taf. XVII, Fig. 9, 10, 11, p. 104) und deren Verwandte, die der C. (Eugina) zatricium Melvill (Bd. III, 1d, Taf. XXXIIL, Fig. 15, p. 250) vollkommen entspricht. Auf Taf. XIV, Bd. V, 2 ist in Fig. 17, 18, 19 die Mitra cancellarioides Ant. (p. 79) abgebildet, welche auch in der Skulptur der C. (Eugina) monilifera Pease (Bd. III, 1d, Taf. XXXIIL, Fig. 4, p. 245) sehr ähn- lieh ist. Schließlich sei noch erwähnt, dass einzelne Columbella-Arten durch ihre Skulptur sowie durch die Gestalt ihres Gehäuses den Purpuriden nahe stehen; man vgl. Murex cristatus Brochi (Bd. III, 2, Taf. XXXI, Fig. 1—3) und C. (Eugina) pulchra Reeve (Bd. III, wi Var XXXV, Fig. 15, 16, p. 269). | Zusammenfassung. Auch innerhalb der Familie der Columbelliden ist, wie wir sehen, die Höhe der Gewinde und damit der Habitus der Schalen sehr veränderlich. Allerdings bewegt sich die Schalenhöhe in viel engeren Grenzen, als es in den übrigen Familien beobachtet wurde. Turritella- oder Cerithium-ähnliche Formen finden sich nicht, die höchst gewundenen Columbellen gleichen den schlanken Vertretern der Familien Mitra und Strombus, die gedrungenen Formen haben Conus-Gestalt. Charakteristisch sind die Entwieklungsriehtungen in der Bildung des Mundes und in der Gestaltung der Zeichnung, und es ist interessant, dass auch hier Schalenform, Lippenbildung und Zeichnung häufig auf derselben Entwicklungsstufe zusammen- treffen, wie wir es bei Strombus- bezw. Conus-Arten beob- achten. | 726 M. v. Linden, Allgemeine Zusammenfassung und Schlussfolgerung. Ich habe in der vorstehenden Übersicht an vereinzelten Bei- spielen nachzuweisen versucht, wie auf Grund unabhängiger Ent- wicklungsgleichheit in verwandtschaftlich weit von einander entfernten Gastropoden-Gruppen Schalenformen zu Stande kommen können, die häufig bis auf wenige Unterschiede vollkommen identisch erscheinen. Derartige homöogenetische Formen treten in den selten- sten Fällen unvermittelt innerhalb einer Familie auf; gewöhnlich sind dieselben durch Übergänge mit der für die Familie typischen Ge- häuseform verbunden und stellen sich als Endprodukte gleichgerich- teter Entwicklungsreihen dar. Sehr oft hält die Entwicklung der Schalenzeichnung und Skulptur gleichen Sehritt mit derjenigen der Schalenform, häufig sestaltet sich sogar die im Allgemeinen für die einzelnen Familien charakteristisch bleibende Mündung bei ganz fernstehenden Arten in gleicher Weise um, indem sie sich von der ganzen Gehäuseform in hohem Maße abhängig zeigt. Die Anzahl der Entwicklungsrichtungen, die innerhalb einer Familie angetroffen werden, ist, wie wir sahen, sehr verschieden, auch erreichen die der Umbildung unterworfenen Arten nicht überall gleich hohe Endstufen in ihrer Entwicklung. Große Variabilität zeigt z. B. die Familie der Melaniiden, und deren Vertreter weisen gleichzeitig die größten Extreme in ihrer Gehäusebildung auf, indem sie sich einerseits zu hochgewundenen stark skulptirten Cerithium- ähnlichen Schalen umbilden, andererseits niedere weitgewundene, mit einfachen Längsleisten versehene Nerita-ähnliche Schalen dar- stellen. Große Beständigkeit sowohl in der Schalenform als auch in der Skulptur finden wir bei Conus; in Form, Skulptur und Zeichnung bei Terebra. Auch die Vertreter der Familien der Olividen und Cypraeiden weichen nicht erheblich von den ihnen eigenthümlichen Gehäuseformen ab. Im Allgemeinen schlagen die Familien mit schlanken, gethürmten Schalen (z. B. Cerithium, Terebra, Turri- tella ete.) unter einander ähnliche Entwiceklungsrichtungen ein, so dass wir Terebra- oder Turritella-ähnliche Cerithien erhalten. Dasselbe gilt für diejenigen Familien, deren Vertreter gedrungene, weitgewundene, niedere Gewinde besitzen; viel seltener ist es, dass, wie bei den Melaniiden, beide Extreme neben einander vorkommen. Wie zu erwarten, bieten die artenreichsten und am weitest verbreiteten Familien den größten Formenreichthum dar. Gruppen, Unabh. Entwieklungsgleiehh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 727 die auf engere Gebiete beschränkt sind, weichen viel weniger von der ihrer: Familie eigenen Grundform ab (Oliva, Conus). Die Ent- stehung gleichartiger Gehäuseformen innerhalb der verschiedenen 'Gastropodenfamilien ist nicht auf die Wirkung der Auslese, wie es mimetische Gestaltung voraussetzen würde, zurückzuführen. Mimikry ist in den vorliegenden Fällen vollkommen ausgeschlossen, da die Träger der einander ähnlichen Gehäuse gewöhnlich nicht zusammen vorkommen. Es muss vielmehr angenommen werden, dass die Ent- wicklungsrichtungen der Gastropodengehäuse durch die Konstitution bedingt sind und von den umgebenden Verhältnissen beeinflusst werden, so dass verschiedene Beschaffenheit der Organismen durch die Einwirkung entgegengesetzter äußerer Verhältnisse eben so gut zu gleichartigen Gestaltungen führen kann, wie die Entwicklung gleichartiger verwandter Wesen unter analogen Bedingungen. So lange wir über die biologischen Verhältnisse der Meeres- schnecken nicht eingehender orientirt sind, als es heute der Fall ist, dürfte es natürlich schwer sein die Frage zu entscheiden, wie weit bei der Gehäusebildung der Mollusken eine solche Beeinflussung durch äußere Faktoren reicht. Für unsere Land- und Süßwasser- mollusken hat CLessix (Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, 5°. Jahrgang, 1897, p. 68) diesbezüg- liche Beobachtungen angestellt und ist zu dem Schluss gelangt, »dass alle Variationen, welche sich in der Schale unserer Mollusken ausprägen, durch die eigenartige Beschaffenheit der jeweiligen Um- gebung bedingt sind«. Wenn wir berücksichtigen, in welch nahem Zusammenhang die Beschaffenheit des Thieres mit seiner Schale steht, so gewinnen die : beim Studium der Schalenumbildungen erhaltenen Ergebnisse noch wesentlich an Bedeutung. Die gesetzmäßige Umbildung der Molluskenschale setzt ein eben so gesetzmäßiges Abändern der diese Schale erzeugenden Theile des Organismus vor- aus, in erster Linie der Form des Mantels, der Gestalt seiner Ober- fläche, seiner Anhänge ete. Da aber ferner die Gestalt des Mantels sowohl die Beschaffenheit der pallealen Organe als auch die Gestalt und Lagerungsverhältnisse der Eingeweide beeinflusst, so muss einer Abänderung in der Schalenform eine entsprechende Veränderung in den Organen des Eingeweidesackes vorausgehen und es wäre von großem Interesse für die Kenntnis der Artbildung bei den Mollusken, wenn festgestellt werden könnte, in wie weit mit der Schalenform innerhalb der einzelnen Gruppen Veränderungen in den morphologi- 738 NM. v. Linden, Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) ete. schen Eigenschaften der Thiere verbunden sind. Die vorliegende Arbeit macht keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie konnte nur ein Bruchstück bleiben, da mir leider zu einer eingehen- den Untersuchung das nöthige Material nicht zu Gebote stand. Ich glaube indessen, dass wir von den hier niedergelegten Gesichts- punkten ausgehend an der Hand vollständiger Sammlungen zu Resul- taten kommen würden, die für die Kenntnis des systematischen Zusammenhangs der Formen und des Wesens der Artbildung nicht weniger wichtige wären, als die Studien, welche von EIMER für die Schmetterlinge gemacht worden sind. Tübingen, im Februar 1898. Erklärung der Abbildungen. Tafel XLIV. Fig. 1. Melania pantherinav. d.Busch. Fig. 13. Tanalia loricata var. erinacea Fig. 2. Terebra muscaria Lm. Reeve. Fig. 3. Terebra corrugata Lm. Fig. 14. Ricinula horrida Lm. Fig. 4 Melania spinata Godw. Fig. 15. Purpura patula L. Fig. 5. Potamides ebeninum Brug. Fig. 16. Tnrbo histrio Kien. Fig. 6. Melania asperata Lm. Fig. 17. Pleurotoma australis Roissy. Fig. 7. Mitra pontificalis Lm. Fig. 18. Fusus tenuiliratus Dkr. Fig. 8. Melania cybele Gould. Fig. 19. Columbarium spinieinetum Fig. 9. Doryssa macapa var. G. Moric. Martens. Fig. 10. Cerithium (Pyrazus) sulcatum Fig. 20. Murex martinianus Reeve. var. Born. Fig. 21. Fusus pagoda Lesson. Fig. 11. Tanalia gardneri Reeve. Fig. 22. Cassis abbreviata Lm. Fig. 12. Nerita exuvia L. u Fig. 23. Cancellaria Reeveana Crosse. Fig. 24. Cancellaria tuberculata Sow. Tafel XLV. Fig. 25. Turbo japonicus Reeve. Fig. 32. Strombus canarium L. Fig. 26. Rissoina erythraea Phil. Fig. 33. Columbella philippinarum Fig. 27. Rissoa cimex L. Reeve. Fig. 28. Mitra cancellaroides Ant. Fig. 34. Columbella cedonulli Reeve. Fig. 29. Columbella aspersa Sw. Fig. 35. Conus speciosus Sw. Fig. 30. Buceinium maculosum Lm. Fig. 36. Columbella dupontiae Kiener. Fig. 31. Columbella (Strombina) dor- sata Sow. Die Zeichnungen sind nach MARTINI-CHEMNITZ Conchylienkabinet. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. la ee SE a Er BE re er we ER f ni Sa 0% > \, En ‚SO a8 Ab a, en 4 Ss Bee | =) 8 ; $ ; > a = >, $ Re Re N & | BEN hr m\ > FURTE ANSEN RA U 02 A SON Es Fig. 6 st VerlagyWilhelm Engelmann in Le ipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba. LAN. I LifhAnst'v. E.A.Funke Leipzia. Zeitschrift fwiss.Zoologie Ba. LN. ; Taf. Ofrankl dei BE Verlag v Wilhelm Engelmann inLeipzig TihcanstwB.ATunke,Leiprig. hr Se S N Rn RS "I Sn S 2 N e | & Zeitschrift f.wiss.Zoologie Bd.LXIH. Taf. Ina =, = Is = ih Anstv. EAFunke/Leipein “lag vMWilhelm Engelmann in Lapau . > N ‚ ; .% >£ En h v } v s jEr 7 Zeitschrift f.wiss.Zoologie Bad. YBDSGODE PigT. S = ER n AO DOS De 20 SH 3) & vn ERSTER j Ri DER ee & DL f N} % : Ar> ER EA TERN TURN TE Fe DE ee De a U nn WESER FEN EN L PN EEE NS u u no 2 Er pr, > H 4 a Verlag Wilhelm Engelmann + & Fig.1@ TIL Zoologie Bd. Wiss. N I 3 % = e I, ce “ Zelischrft f.wıss.Zoologie Ba. LAT Fig.10. u/p) _ fe)l — fergzc,)khı khicc,) 1344 Taf. I -$ i A _furc+e,)prh # 28,79 ; \ EIER /%)K I Am | € | N [EK kihletc,;,,,) - / 2 IN In & / | La am pta) o)._ EA, AN khfe:c)- u ___ WP Mabapoll._ | iM le ehmarn in Leipzig. Zeitschrift wiss. Zoologie Bd. LAT Fig. 10. 2 = ? er, Fig. Ib. £ a Fig. 13. I Fig1t. 19.29. | ufpl ) )l _ foge,)hlı (6) m" ph : 6). 1 : SS ) Ei Ihle:c)- - bs - DJ) ZR fax I 27) em) S e,(m) (rn) IP Mabdpon.__ 97 RKfn- / f 3= Ge 2 Yerlas v Wilhelm Engelmam 7 Anz " TiflAnst.0E.AFunke‚Leipzig. Zitschrift wiss. Zoologie Bd. LXM. Tuh Arch Herner &phnler Frankfuz rk WISS. F EZ . LU LET EEE Tr 7 2 V [) ) Zoologie Bd. "öle, \e/N\ SM: er . RE lg ur VI. S Zeitschrift Ewiss. Zoologie Bd.) Verlag von Wilh Engelmann.leipeig | N ne er u en (Of & = | | | ı j | "zab 7436.10 INT PZ 21007007 :ssım] AJ1.19SN0Z "ze Quabrog Diza:a7 Ananimak, a aloh bonzi i . R TUXTPg 91b07007 'ssunf Aj11os119Z una Jo] — 7 u Zeitschrift f.wiss. Zoologie Ba.LX. nn = _ fer Fr Mar = [U AÄnsbrWerner & Lilh. en 72 rlag von Wilhelm Engelmann, Jeiyzig, V "S. 5 ©: DAAD: U .Zoolog WISS Du fi I # Zeitschr ar (&) &: CT -.(eN ‘ > EA Te wer ER ‚hith.Anse.wWerner &Winter, Frankfart?M. ‚dem Al Jih.AnsewWerner «Winter, Frankfurt, TB A, JH] Y Y F Uh. Ausb uWWerner Winter Frankfur gie Ba.LXM. 0C A Zeitschrift f wıss. Zool < DD: = B = a EEE > 2 [ LEN / IR DIN en CK NPZ S Taf-_vu. er CK KK K KT | NRZECHK » 18 | one IR? KENN NN OA Hy & AN | ge J Juh Ausb u Werner Winter Frankforo | | 77 zn FF 4 Yy DR DI Die 4 /TLEe J: wiss. Zooloc f rıft Zeitsch < Ss) K-K N r EBEN S Qu Zeitschrift [wess. Zoologu Bd.LXI. Zu [e) > 1 en u ET u " - i ” 63 # Fi} . | % £ ä Zeitschrift f.wiss.Zoologie Ba.LAHL | as = _ FT Tu ——— ante >” RR 5 >7 8__ — ® PIE a „BD na geBBRELSITT | e c$ I | Pe ur | E 3? iz 2 u -- o ES Er >) IU-—- =. pe RL A DOODOo RL 89a 380» IS ZITOBTDR TEE Taf? 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Werner ZMinter- Frank a .. ei | an, R BaEX. Taf. XXL. Zoologie Zeitschrift Fwiss. Th. Anst u Warner Winter Frankfurt. Taf. XXV. Fiq1. Zeitschrift f wiss. Zoologie Dd. LAD. Zum a yIE 8 Tr Ben ck 0 0000 E 76; Fe sa llee a a 0®y DEN, SH RER ‘|. a a er SCH ® f VEN ERR ah, u. ea A © ° De N Saar “ | EE | OR: @ g n ara nat _ 4 S 1 meiäiE un LEINEN UL pl R ri F Men LALRKETEATTTLLLUTTITIT TITELN sonst Ten Be ® ı | | u ,,( Be = Ei | de | | Fe ee Te 1 | j & | Tr BET ) | - | | N > F ] . mn Lara ER) E hu N | | n En > > |. ‘ we N | ! | \\ [ 5 {} PIE ae Bar Suhl LE dd Tin. P Er Per ‚I 2 : a \ | I E Ca) | | Eu vun CSU Teen RTKLLLNTTLLER 5 Bi Mn | SD ehralas Lil. u [6] IILl 13,10 I a4 am Wilhelm Engelmann era verlag N 7 ü 3 ü N | Zeülschrüt f.wiss.Zoologie Ba.LX. a TE ET ER SUNTTTTIITe nn nen m SUSE L.----Pıen£. \ \ { | -} rl? NER $| Funke,Leipzig. MAR iihAnstv. l RN . Pia, N ne ea Fre RE Ein Co ae RE SEEN ES pen op. RT ee en (} R IR N cal A Bonnevie del ein man a). 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Zoologie BA.LKI. [ ee Gi I ul \ N d ee, \ IR ne , \\ were ;* 1.6 \ I it N INTBINARNINN Il N = =; =>& ES © a, BR. Zt ur? ao 5 = 9080 = — ab? | BEN RT 6 2) eg ex ih, Anst.vWerner &Wintez Frankfurt Mi. Zeitschrift Kwiss. Zoologie Bad.LXI. Q EN N N) DZ Sen Verlag von Wilhelm Engelmann, Iripxig, LA Ansew Werner @Wlnten Praxklüne®M. 4 | | £ a NONE: BT MUrG MM, TAKE NN. - Initschrift Ewiss. Zoologie Bd. LAUT. 2 NER N IN N IR Verlag vor Wilkeim Engelmann, Inpaus. - Zeitschrift Ewıss. Taf XXI. SEES - = — =! Lith Anst.u. Werzer ZWinter Zranktars®N. Meiserheimer gez. Znitschmilll Kwı3s Zoologte DAL. Verlaavonph, Yerlag vor Hilkelm Ergelmann, Deieaig. Fevf. KAXDE A Ei i Zeitschrift fwı ZI. 02, L Th. Anst.vWerner @Wintey Frankfuri 27 Zeitschrift Kwiss. Zoologie Da.2NIT. mes” Fi one 5° GG gbuce- Lüh Aust wWerner alizter Frankfurt”. _ | - Se zen 297 r 2 TEEN A ee 6; s ee een er Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba.LX. &) 2 N TEN Sr a BR BIS Zith.Anst.zWerner Winter Frankfurt? M. Zeitschrütt I. wiss. Zoologie BaA.LXL. ET LT a — = St x % “ Ö s | x = 2 . 2 = g i | M ö S | = = - 3 f x ß E E u - L2 ı 0 a 3 x y ” 2 ? — pr ö r ur er n > vo = e., Sei : wur 2: = - = = 7 36) on = 5 = Zu * ” i 6 "us x > N Pr f ie] Pe U Zeitschrift £ wiss. Zoologie DA, LAN: Verlag ver Wi NER "nn, AENSE im ie NE Y Ri \ & le N N } TE EN) Noyerr © ar \ @ = = cf ZXXV. 1p219. 04 ! = Er; Hert, LE Zeitschrilt 1. wiss. . Zoologie DA LXU. mes EOREON BIOPTE> 1 TUNKAT. Jith. Anst. v Warner Wörter, Franklärt®M. 5 7 . x \ 5 5 ö 2 . 5 D \ e =, _ 5 x \ y. zn v i ; | - ie . f vr Fe 4 Ä 4 22 ver x % “ U N 5 5 ? F 2 ; : - ° . x ' = S I 4 p . + £ ' \ : Ne 4 = f % a 1 ; ” 5 Y k E 4 Een at, : N ® . e) ß > = : ; ; ; Be z ’ I. B | h) k . > ! ‘ „r S in Y' 2 > 2 \ = r r r . ; 5) ) . = “ D "2 1 . ie a ir Zeitschrift f. wıss. Zoologie Bd. IX. 7 (N er ee, 7 > OFO3LIO OS: ): Ye oo. i Verlag von Wille ee Y > RE LTEN RS N NS OD IS I Irre = SomS> z € ‘ - f j 7 } t 1 102 | 13 N I j \ 5 | h ? ıram, Deipzig. i 3 EEE = : 5 BerpZg ih. ANst.v. Werner &Winter Frankbart?M. Zeitschrift [. wiss. Zoologie Del LAU, 2 NOS ER NR KIO8 a8 ER Er 08 sepk auss.sd Jüh. Anstw Werner. Winter, Frankfüref, Zeitschrift Fwıss.2 : = ak, SERRlZINE | | | SZ @ v ven 9a 72 (0) Ex > o Bi < > 0,2 2020 © 27 do 6990099555000 SS AN se —_ 7 CORE : SEHEEREPPFEECSPPFEREN INDIE: z „Ze So sen ©,° SOIOTTTOLTPREZD Base en 90 E97 Sog. ST nn ©, 009% » SEE Tr X R EN Seo SIT B>2 085558995 Z I an 4 III I ? So = hi pl [ CDSILITDOSCLICBERTET> I = ae 5002909, = Q> 5 —, Fu 3, E 2 — & I. 0 - 8 NEE EST, ON 5° D; Eee SB,” NS“ | S a < a b 0 be o oe [9 e © EC & P Paso) OR 20 we > 4e „RA S TA: e' S - 99/8 a) CS: Sm s\e Sp Er 6 2 0 “ 2 o\ \ORRGB Oy I RR ö St © » B > a = 5» I 68 IP > Pe - EipE u 0 h fi EL 2 SCHEN? Se Zee! I Ba cn Fa en nn ren F: Yu a I ER UI TE TZSINEZ N * ‘ En 2 _ —ig au . 8 R — — — ! \ P ”7 f { \ ‘soo \ DE 5 € Ih | Juh.Enst.v.Werner &Winter Frankfurt? MW. itschrift Lwiss. Zoologie Ba. LX. 7 zZu6ı Verlag von Wilkelm Engelmann, leipzig. a 171 4 st. Jul ih.Ar f fec. J.Meisenheimer Tar MAT. ZeitschritfKrviss.Zoologie Ba... Th Sa sd Lf.(9) r sd I.h.(15) sd Se ].Meisenheimer fec. Verlag v.Wilhelm Engelmann, Leipzig, | U Zeitschrift [. wiss.Zool J.Meisenheimer fee. < Lith,Anst. Julius Rinkhardt, Leipzig... Zeitschrif£kiss.Zoologie Ba.2Il. ITf. (15) > I.h.(18) A 1 I I | | / I N-Meisenheiimer fer. 5 Lifn.Anst, Julius Klinkhardt, Leipzig. | Verlag v.Wilhelm Engelmann, Leipzig. —. gr = $ - Zeitschrift f ‚Zoologie Bad. IDISS J.Meisenheimer fec. Zeitschrüff kiss. Zoologie Ba.LKM. TarxlL. Ul.k.(23) IVie(12) J-Meisenheimer fec. Lith.Anst. Julius Rlinkhardt,Leipzlg. Verlag v.Wilhelm Engelmann, Leip zig. Ber RIEF Zeitschrift f wiss. Z oologie. Bd. 1X, ET 7 = j 4 a O.Maas ger. Verlag v Wilhelm Engelmann ın Leipzig. Taf: XLY en en N an VE da m nlkelm Ergelmann, Terzia. Bd. XII. Zeitschrift F WISS. Zoologre Et WISS. Zoolo > isch Zeitschrift E wiss. Zoologie Ba, LXUT. Yerlag vor Wilkelm Engelmann, Keinzig. To Anst eWermer a Winter In ba. LXII. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. ın v. Linden del. c (zrä ee uranasrn EEE ERITREA u HERSEE: a a un an um - ae = 2 2 a nenn Z =. FE er m Ann ati una nn msn mm an Tee er a EEE er SE nn ge - FT men ‚einzıor Me ee EEE En Er nein OT er TEE ann nee Gen Lichtdruck von C. G. Röder. I | Taf. XLIV. Zeitschnift f. wiss. Zoologie. Ba. LXIL. & g von wilhelm Frgelmann in Leipzig _. Gräfin v. Linden del, ee Gräfin v. Linden del. Verlag von Wilhelm Engelmann Taf. XEya Lichtdruck von C. G. Röder, Leipzig. in Leipzig. l Y ER “ a LA Er un, 7 Ce . BR. \) wi Wrr A _ 2 / a TE An . (d e ' P . Zr y a Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universitätzu Göttingen Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker | | Dreiundsechzigster Band Erstes Heft Mit 3 Tafeln und 6 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann h | € | 1897. | B 4 Ausgegeben den 17. September 1 897. Inhalt. Seite Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe in der Schnauze von Säugern. Von G. Huss. (Mit Taf. L).. „20. . 12 207% So ee 1 Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Von O. Frankl. (Mit Tat IL). 2 oa se ee ee 23 Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus der Adria. Von L. L. Breitfuß. (Mit 2 Fig..im Text.).. . 2 er 39 Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam... Von H. Stauffacher. (Mit Taf. III u.4 Fig, im Text). © 2.2.0.0: „00 002 43 Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibienglied- maßen, besonders von Carpus und Tarsus. Von W. Zwick. (Mit N Taf. IV u Ve. 020.00 Sms neo 62 Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus dem Maul- wurf.. Von A. Bott. (Mit Taf. VI u. VL) =. N Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche zanclea und Acanthometridenarten vorkommenden Parasiten (Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). Von A. Borgert. (Mit Taf. V.EIL)... .. 2222 Pose 141 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Wilhel m Roux o.ö. Professor der Anatomie und Director des anato- ’ mischen Institutes zu Halle a/S., Pr ogramm und Forschungsmethoden der Entwickelungsmechanik der Orga- nismen. lueichtverständlich dargestellt. —- Zugleich eine Er- widerung auf 0. Hertwie’s Schrift: Biologie und Mechanik. oT... Preis 4 3.—. (Separatausgabe der Abhandlung: „Für unser Programm und seine Ver- wirklichung“ in dem Archiv für Entwickelungsmechanik Bd. V.) Inhalt: I. Das Ziel und die besonderen Aufgaben der Entwickelungsmechanik. a. Programm. b. O. HErTwIG’s Kritik. c. „Die Physik und Chemie kennen keine gestaltenden Kräfte“: O. HERTWIG etc. — II. Die Methoden. a. Frühere Darlegungen. b. Besprechung der Einwendungen O. HERTwIG’s und O. BÜTScHLI's. c. Verwendung des „anorganischen“ Experimentes etc. d. Zulässigkeit und Bedingungen des Schlusses vom Experiment am Lebenden auf das normale Gestaltungsgeschehen. e. Das causal-analytische Experiment als die besondere Forschungsmethode der Entwickelungsmechanik für schärfere Unterscheidung der Begriffe. f. Regel, Norm und Gesetz in der Zoobiologie. 9. Nächste Aufgaben und Aussichten. — III. Der Name Entwickelungsmechanik. — IV. Über 0. Hertwig’s Kritik meiner speciellen entwickelungsmechanischen Untersuchungen. — V. Zusammenfassung. ma 3 Zeitschrift für | WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen u Dreiundsechzigster Band Zweites Heft Mit ll Tafeln und 25 Figuren im Text LEIPZIG | Verlag von Wilhelm Engelmann | | 24896 Ausgegeben den 12. November 1897. | Seite Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. Von 8. Prowazek. (Mit Taf. IX)... 20. 2 2 ame 2. 2 DS 187 Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Von Nie. Kulagin.: Mit Taf Xu: XI). 202 se 195 Die Bar a ne der Ephemeriden. Von C. Zimmer. (Mit Taf. XII und XUL) „U. 2 ©. 20.202... 2 So 236 Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regenerationsprocessen der Naiden. Von P. Hepke.: (Mit Taf. XIV Sry 263 Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. Von A. Goette. (Mit Taf. XVI XIX u. 25 Fig. im Text.) „ 2 See Se 292 Mittheilung. Inhalt Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesss einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Betrachtungen über die Farbenpracht der Insekten von Brunner von Wattenwyl. Mit 9 Tafeln in Buntdruck. Mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien aus dem Legate Wedl. Fol. In Mappe .4 36.—. Dasselbe mit englischem Text unter dem Titel: Observations on the Coloration of Insects by Brunner von Wattenwyl. With nine coloured Plates. Aided by a grant from the Wedl fund of the imperial academy of Seiences in Vienna. Translated by Edward J. Bles B. $c., King’s College, Cambridge. Fol. In Mappe 4 36.—. Enz SH AN 1.8 | . N > Ne | 1 6 u | J ; i ) ) 7 | j se r i - Er Zeitschrift | WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOÖGIE Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Dreiundsechzigster Band Drittes Heft Mit 12 Tafeln und 22 Figuren im Text | LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann | Ausgegeben den 29. März 1898. nn ET nenn u naeh rei ne er nn an TE Inhalt. | ee Seit Über Zellplatteı und Zellplattenrudimente. Von R. W. Hoffmann. (Mit = Taf. XX—XXI u. 7. Eig. im Text... . 0. Se 379 Epiphysis und Hypophysis von Rana. Von F. Braem. (Mit Tat, XXIT).. 433 Über die periodische Abstoßung ünd Neubildung des gesammten Mittel- darmepithels bei Hydrophilus, Hydrous und Hydrobius. Von C. Rengel, (Mit Tafel XXI). ...... 2 2 440 Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Von R. Hesse. (Mit Taf. XXIY.) 456 Zur Systematik der Hydroiden. Von Kristine Bonnevie. (Mit Taf. XXV bis XXVII und 1 Pig. im Text.) . . . . 00 2 ne 465 Über den Bau und die Entwicklung der Linse. r Theil. Von C. Rabl. Mit Taf. XXVIIE-XXXT und 14 Fig, im Text) Pe 496 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Soeben erschien und steht auf Verlangen gratis und franco zu Diensten: Ant. Katalog 3%. Zoologie (Bibl. des 7 Herrn Professor Dr. Ü. Vogt in Genf.) 1366 Nummern. Ferner ist noch in Gültigkeit: Katalog 332. Zoologie (Bibl. des F Herrn Professor Dr. J. Noll.) 2755 Nummern. Wir bitten diese Kataloge zu verlangen. Joseph Baer & Co., Buchhändler u. Be Frankfurt a. M. für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLÖGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen Dreiundsechzigster Band Viertes Heft Mit 14 Tafeln und 20 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann | 1899. Ausgegeben den 20. Mai 1898. Inhalt. Entwicklungsgeschichte von Limax maximusL. II. Theil. Die Larvenperiode. Von J. Meisenheimer. (Mit Taf. XXXII—XL u. 20 Fig. im Text.) 573 Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose von Oscarella (Halisarca). Von:O. Maas. (Mit Ta. XL)... . 22 Vs 665 Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata, Triton taeniatus und Spelerpes fuscus; mit Betrachtungen über den Ort der Athmung beim lungen- losen Spelerpes fuscus. Von E. Bethge. (Mit Taf. XLII u. XLIIIL) 680 Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis) bei Schneckengehäusen. Von Grm: M- v. Linden. : (Mit Taf. XLIV ver ggeer 708 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Die Protozoen als Krankheitserreger des Menschen und der Hausthiere. } Für Ärzte, Thierärzte und Zoologen von Prof, Dr. Georg Schneidemühl Privatdocent der Thiermedicin an der Universität Kiel. Mit 37 Abbildungen im Text. gr. 8. Geh. #4 5.—, geb. # 6—. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. DAS WACHSTUM DES MENSCHEN ANTHROPOLOGISCHE STUDIE Dr. FRANZ DAFFNER, gr.8. 1897. 4 2.50. Peneroplis Eine Studie zur biologischen Morphologie und zur Speciesfrage von Friedrich Dreyer. Mit 25 Figuren im Text und 5 Tafeln in Lichtdruck. 4. 1898. 4 10.—. — Drihogenesis der Schmetterlinge. Ein Beweis bestimmt gerichteter Entwicklung und Ohnmacht der natürlichen Zuchtwahl bei der Artbildung. Die Entstehung der Arten. II. Theil. Zugleich eine Erwiderung an August Weismann von Dr. G. H. THEODOR EIMER Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Tübingen. Unter Mitwirkung von Dr. C. FICKERT I. Assistent an der Zoologischen Anstalt daselbst. Mit 2 Tafeln und 235 Abbildungen im Text. gr. 8. 1897. geh. .% 18.—, geb. .Z 20.50. Darwin und nach Darwin. Eine Darstellung der Darwin’schen Theorie und Erörterung darwinistischer Streitfragen von George John Romanes MA,DTD: ERS I. Band: Die Darwin’sche Theorie. Mit Bewilligung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter. Mit dem Bildnis Charles Darwin’s und 124 Figuren im Text. 8. 1892. geh. 4 9.—, geb. # 9.80. II. Band:$Darwinistische Streitfr agen. Vererbung und Nützlichkeit. Mit Bewilligung des Herausgebers aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Nöldeke. Mit dem Bildnis G. J. Romanes’ und 4 Figuren im Text. 8. 1895. geh. 4 7.—, geb. 4 7.80. III. (Schluss-)Band: Darwinistische Streitfragen. Isolation und physio- logische Auslese. Mit Bewilligung des Herausgebers’aus dem Englischen übersetzt von Dr.B. Nöldeke. Mit dem Bildnis von Ray 7 5 ick. 8. 1897. geh. X 3.—, geb. 4 3.80. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. au NN 3 9088 01316 6087