nn ea he a am Andante tt at En a ne Nenn einen ve 5 a en ln A a ee a an Ag An A n DE Verne a Te A ni A ET en Maren an a a an na TE DD A A nn fin, BE „ PR “ n n ” DI ne u en . w n "Laune un nn m En En EEE nn A en Se a 1 Amen run VD A nn m nn min m u - n N pn ee N AR A nn nn er u ne un nm un Bi « ni Br nen n a m nn . jr na NER er an men a 150.5:0, Yacbepı memiet nase num, Sorol Si Dee Be ee er ann, 1er = = m. — Aut anr.n - ur x r » - ver un . . SEEN ie fen a P nn \ FE Brig De L - ö > . Te ur) 5 PR Das tee 7 u nen nn . - u... ——n Une m . nt .. E m . - a te Lu s si. . FREE \ nt ? Eugen nr E una n nn nn n . 5 - un x . nenn Seh bet - f a una ne TEE a a ld een De Dur % “ ‚ a Ze = . > gr “ = ns »=a in An bee ee Aue -. BE = A a tn te une men vn ee « r 2 a ee : he > . . - " um ns fie IE u ee ee un tn en en ne et u. . ee un fe I u Ta gen N N" nn ET MT ic » tn fan en ae! ME W ye M i ee Se A Te De pen en tn en tn na un Rn en A ne ne. 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Bun? ee Be nur + . = v ‚ INen vr eos . i Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker _ und, Ernst Ehlers Professor a.d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Siebenundsechzigster Band Mit 37 Tafeln und 76 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1900. 5423 5909 Inhait des siebenundsechzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben den 21. November 1599. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. Theil: Die Linse nn der Säugethiere. Rückblick und Schluss. Von Carl Rabl. (Mit BE md As Bio! ım Best an. u, a ee. 1 Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gedka (Epi-, Para- und | Eiypophyse.. Von Fritz. Melchers. (Mit Taf. V u. VL).‘.. .. 139 Zweites Heft. Ausgegeben den 9. April 1900. Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). Von Reinbard Gast. las Tai NR DS) er ee 167 Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. Von Otto ee Nit Datei IN SEN en 215 Über die Aufnahme fester Theilchen durch die Kragenzellen von Sycandra. Dmairez em lit sehkas. Mit 2 Kig. im Text... . ....... 200. 241 Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. Von F. Vejdovsky. 1.25 Tarell ZOUDW)B we Ne eo 247 Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. Von Ludwig Cohn. (Mit Tafel NT RN ee ee N Re 255 Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. Von Briedrich Merkel. (Mit Tar XVI u XVII u. 2 Fio. im Text) . 231 Drittes Heft. Ausgegeben den 22. Mai 1900. Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. Von Franz Ladewig. ES Da SO Eee a a 323 Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. Von Otto Babies Ma Mat XIX und: IrRioy im Wezt.). .. 2... 2... 340 Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’'schen Körperchen. Von Er Diocseln und KK Willanen (Mit Pat RX)... 2202... 349 Einige Bemerkungen über den Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. Von Oswald Seeliger. (Mit Taf. XXI—XXIllund i Fig. im Text.) 361 IV Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. Von W. Hein. Mit Taf. XXIV u. XXV und 5 Fig. ım Text.) 2 Bau und Entwicklung des männlichen Begattungsapparates der Honigbiene. | Von.Georg Michaelis. (Mit Ta XxXVlL). 7 ‚Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Hymen- opteren. Von Enoch Zander. (Mit Taf. XXVII und 13 Fig. im Text.) Viertes Heft. Ausgegeben am 7. August 1900. Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 'I. Cephalopoden. Von W1. Schimkewitsch. (Mit Taf. XXVIII-XXXI.)..... Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten von deren Ab- kühlungsgeschwindigkeit. Von P.Bachmetjew. (Mit 3 Fig. im Text.) Untersuchungen über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis und von anderen Arthropoden. Von Em. Rädl. (Mit Taf. XXXIIL).. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Ter- mitennestern. I. Theil. Äußere Morphologie und Biologie. (113. Bei- trag zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.) Von EB: Wasmann. (Mit Taf. XXXIE). . 27.0 ss Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. Zur Kenntnis der Urnieren von Nephelis vulgaris Moqu. Tand. und Aulastomum gulo Moqu. Tand. Von Boris Sukatschoff. (Mit Taf. XXXIVu. XXXV u. 3 Fig. im Text.)... -. 2.0.0 20. 22 2) De Weitere Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues einiger Infusorien aus dem Wiederkäuermagen und dem Coecum des Pferdes. Von Adolf Günther. (Mit Taf. XXXVIu. XXXVIl). . 2 Sessgpeee Seite 401 439 461 599 618 640 Über den Bau und die Entwicklung der Linse. (II. Theil: Die Linse der Säugethiere. Rückblick und Schluss.) Von Carl Rabl (Prag). Mit Tafel I—-IV und 46 Figuren im Text. V. Säugethiere. A. Entwicklung. Die Entwicklung der Säugethierlinse unter- scheidet sich in mehreren Punkten nicht unerheblich von der Ent- wicklung der Linse aller bisher betrachteten Formen. Ich habe die- selbe hauptsächlich am Kaninchen untersucht und werde mich daher auch in der Beschreibung zunächst an diese Form halten. Eine größere Reihe von Stadien habe ich auch vom Schwein, einzelne vom Schaf, der Katze und dem Menschen untersucht. Was ich über die Ent- wicklung der Linse des Maulwurfs mitzutheilen weiß, werde ich im Zusammenhang mit der Beschreibung der entwickelten Maulwurfslinse vorbringen. Leider kann ich nicht so genau, wie vom Huhn und der Ente, angeben, wann beim Kaninchen die Entwicklung der Linse beginnt. Bei Embryonen von 9 Tagen 7 Stunden zieht das Ektoderm noch, ohne eine Verdickung zu zeigen, über die primäre Augenblase hin- weg. Was aber an diesen Embryonen gegenüber den Embryonen aller anderen Wirbelthiere auffällt, ist, dass sich zwischen die Außen- fläche der Augenblase und das Ektoderm eine dünne, aber allem Anscheine nach kontinuirliche Schicht locker mit einander verbun- dener Mesodermzellen einschiebt. Diese Thatsache ist um so auf- fallender, als bei einem viel jüngeren Embryo, einem solchen mit 10 Urwirbeln, das Mesoderm an dieser Stelle sicher fehlt; indessen beginnen sich schon bei einem Embryo mit 13 Urwirbeln von oben her einzelne Mesodermzellen und Gefäße in den Spaltraum zwischen Augenblase und Ektoderm einzudrängen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVIL. Bd. il p) Carl Rabl, Wesentlich dieselben Bilder, wie von Embryonen von 9 Tagen 7 Stunden, erhält man auch von etwas älteren Embryonen, solchen, bei welehen die Gehörbläschen schon im Begriffe stehen, sich vom Ektoderm abzusehnüren. : Der jüngste Embryo, der eine a: erkennen ließ, dürfte etwa zehn Tage alt gewesen sein. Ich habe einen Schnitt durch _ die Augenanlage desselben in Fig. 1, Taf. I abgebildet. Man sieht an demselben die stark vorgewölbte primäre Augenblase und über derselben die gleichfalls gewölbte, sowohl dorsal- als ventralwärts ziemlich gut abgegrenzte Linsenplatte. Diese besteht aus einer ein- fachen Schicht kurzprismatischer Zellen. Zwischen Ektoderm und Augenblase liegen vereinzelte, spindelförmieg; ausgezogene Mesoderm- zellen; sie sind wohl von der früher viel mächtigeren, kontinuirlichen Mesodermschicht zurückgeblieben. In geringer Entfernung von der Linsenplatte bemerkt man im Mesoderm ziemlich weite Gefäßquer- schnitte. Was die Entirzellune der übrigen Sinnesorgane in diesem Sta- .dium betrifft, so ist vor Allem zu bemerken, dass das Gehörbläschen bereits vollkommen vom Ektoderm abgelöst ist, dass aber die Stelle, an welcher die Ablösung erfolgte, noch als trichterförmige Einsenkung des Ektoderms deutlich erkannt werden kann. Eine Riechgrube ist zwar noch nicht vorhanden, aber die Riechplatte oder das sogenannte Riechfeld ist schon leidlich gut markirt. — Es ist von Interesse, die Wirbelthiere in Beziehung auf die relative Ausbildung ihrer Sinnes- organe mit einander zu vergleichen. Wie aus den früher mitge- theilten Thatsachen hervorgeht, ist bei Pristiurus in dem Stadium, in welchem sich die erste Anlage der Linsenplatte bemerkbar macht, das Gehörbläschen nicht bloß noch sehr weit offen, sondern es lässt sogar die Öffnung noch keine Tendenz erkennen, sich zu schließen. Ganz dasselbe gilt von der Eidechse, dem Huhn und der Ente. Beim Axolotl dagegen ist in dem entsprechenden Stadium ganz ähnlich, wie beim Kaninchen, das Gehörbläschen schon vollständig vom Ekto- derm getrennt. Was die Riechgrube betrifft, so ist sie bei Pristiurus in diesem Stadium noch ganz seicht, etwas tiefer ist sie beim Axolotl und der Eidechse, dagegen fehlt sie noch vollständig bei den Vögeln und Säugethieren. Ein Stadium, welches die Abflachung der Linsenplatte zeigte, besitze ich vom Kaninchen nicht; dagegen habe ich nicht weniger als 15 Embryonen untersucht, welche die Bildung des Linsenbläschens von der ersten Einsenkung an bis zur völligen Abschnürung zeigten. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 3 Von diesen Embryonen stammten fünf aus einem und demselben Uterus; die anderen waren sämmtlich verschiedenen Mutterthieren entnommen. Von den fünf, aus dem gleichen Uterus stammenden Embryonen zeigte einer eine Linsengrube von mäßiger Tiefe, bei dreien war sie sehr tief eingesenkt und bei einem war das Linsen- bläschen schon ganz geschlossen und stand eben im Begriff, sich vom Ektoderm abzulösen. Ich erwähne dies desshalb, weil es wieder die schon von anderer Seite hervorgehobene Thatsache illustrirt, dass die Embryonen aus einem und demselben Uterus durchaus nicht immer auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen; sie können vielmehr ver- schiedenen, allerdings nicht sehr weit aus einander liegenden Stadien angehören. Ich könnte auch mit Rücksicht auf die Entwicklung anderer Organe derartige Beispiele anführen. Am meisten ist mir diese Ungleichartigkeit in der Entwicklung bei der Katze aufgefallen. In solchen Fällen pflegen stets die der Tube zunächst gelegenen Embryonen die am wenigsten weit entwickelten zu sein. Die seichteste Linsengrube, die ich beobachtete, ist auf Taf. I, Fig. 2 abgebildet. Sie wird ventralwärts allmählich tiefer und unter- scheidet sich hierdurch sehr auffallend von der Linsengrube der Sauropsiden, die, wie wir gesehen haben, an ihrem dorsalen Ende tiefer ist, als an ihrem ventralen. Diese Eigenthümlichkeit scheint allen Säugethieren gemeinsam zu sein; wenigstens beschreibt sie KEssLER vom Schaf und von der Maus und wir werden sehen, dass sich die Linsengrube des Maulwurfs ganz ähnlich verhält. Die Linsenplatte ist an ihrem dorsalen Ende etwas schärfer be- srenzt, als an ihrem ventralen. Sie besteht aus sehr hohen, schmalen Oylinderzellen, die so dicht gestellt sind, dass die Kerne nicht in ‚einer Höhe Platz finden, sondern gezwungen sind, sich durch die ganze Dicke der Platte ziemlich gleichmäßig zu vertheilen. Trotz des letzteren Umstandes kann ich kaum daran zweifeln, dass das Epithel, ähnlich wie bei den Reptilien und Vögeln, als ein einschich- tiges aufzufassen sei. Dafür scheint mir namentlich wieder die Lage der Theilungsfiguren zu sprechen, welche dieselbe ist, wie sonst in einschichtigen Cylinderepithelien. Auch beim Kaninchen liegen sie sämmtlich dieht unter der freien Fläche des Epithels. Die Augenblase zeigt eine leichte Delle und wo diese am tiefsten ist, sind in ihre Wand kleine, rundliche, stark lichtbrechende, mit Boraxkarmin sich intensiv tingirende Körner eingelagert. Zwischen Augenblase und Boden der Linsengrube liegen einige plattgedrückte, spindelförmige Zellen, die man leicht für Mesodermzellen halten und 1% 4 Carl Rabl, von.den in früheren Stadien zweifellos daselbst vorhandenen Meso- dermzellen abzuleiten sich veranlasst sehen könnte. Indessen halte ich es für wahrscheinlicher, dass wir es hier mit Gefäßsprossen zu thun haben, welche von unten her zwischen Linsenanlage und Augen- blase eingewuchert sind; in der That trifft man auch in der Nähe des unteren Endes der Linsenplatte im Mesoderm ganz konstant ein ‚größeres Gefäß, von dem man Sprossen nach aufwärts ziehen sieht. Damit soll übrigens keineswegs gesagt sein, dass nicht auch ver- einzelte Mesodermzellen in Begleitung jener Gefäße eindringen kön- nen; nur glaube ich, dass diese Mesodermzellen gegenüber den Ge- fäßsprossen eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Ähnlich wie an der ventralen Seite der Linsenanlage sieht man auch an der dorsalen im Mesoderm ganz regelmäßig einige größere Gefäßquerschnitte. In diesem Stadium ist die Riechplatte schon deutlich abgeflacht, aber noch nicht grubig vertieft. Bei einem etwas älteren Embryo, dessen Riechplatte eine eben merkliche Vertiefung erkennen ließ, war die Linsengrube etwas tiefer geworden (Fig. 3, Taf. I), bot aber im Übrigen das gleiche Bild. Erheblich weiter war sie bei dem Embryo entwickelt, dem das Bild der Fig. 4 entnommen ist. Sie ist nicht bloß tiefer geworden, als sie früher war, sondern lässt auf dem Boden der Grube noch einen unregelmäßigen, von der Linsenplatte auf den meisten Schnitten sehr scharf abgegrenzten Zellhaufen erkennen. Aber so scharf diese Grenze in den meisten Fällen ist, so kann es doch nicht zweifelhaft sein, dass die Elemente des Zellhaufens aus der Wand der Linsen- grube stammen; denn erstens findet sich der Zellhaufen gerade dort,‘ wo am Boden der Linsengrube die meisten Theilungsfiguren vor- kommen, und zweitens trifft man ab und zu auf Stellen, an denen die Grenze eine minder scharfe ist oder selbst vollständig fehlt. Hier sieht man dann, wie sich einzelne oberflächlich gelegene Zellen der Linsenplatte aus der Reihe ihrer Genossen herausdrängen, um in den Zellhaufen einzutreten. — Wenn nun aber auch die meisten Zellen, die sich aus der Oberfläche der Linsenplatte herausdrängen, sich dem Zellhaufen beimischen, so ist dies doch keineswegs bei allen der Fall. ‘Man trifft vielmehr auch an anderen Stellen ver- einzelte, dem Boden der Grube nur locker anhaftende Zellen. Alle diese aus dem epithelialen Verbande sich loslösenden Zellen, mögen sie nun dem Zellhaufen angehören oder eine isolirte Lage haben, zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihre Kerne mit den gewöhn- lichen Färbemitteln viel intensiver tingiren, als dies sonst zu sein Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 5 pflegt. Es weist dies auf eine mit dem beginnenden Zerfall einher- sehende Umwandlung ihres chromatischen Gerüstes hin. In der That sieht man auch nach außen von dem Zellhaufen poch einige kugelige Gebilde, welche in ihrem Inneren statt eines Kernes nur mehr einige sehr scharf gefärbte, vollkommen homogene ehromatische Klumpen oder Körner enthalten. Die Zellkerne scheinen also beim Zerfall sanz ähnliche Veränderungen zu erleiden, wie die Kerne der Linsen- fasern in den verschiedenen Stadien ihres Schwundes. Noch etwas tiefer ist die Linsengrube im Stadium der Fig. 5, Taf. I, sie ist namentlich auch dorsalwärts schärfer begrenzt als früher, indem ihr Rand hier lippenartig nach unten vorspringt. Im Übrigen bemerkt man dieselben Eigenthümlichkeiten, wie früher. — Zu dieser Zeit kann man die Linsengrube, namentlich wenn die Embryonen mit Boraxkarmin gefärbt sind, bei guter Beleuchtung schon mit freiem Auge deutlich erkennen. Die Einstülpung schreitet rasch fort, und das Linsensäckchen wird immer tiefer. Ich habe in den Figg. 6 und 7, Taf. I zwei sich ziemlich eng an einander anschließende Stadien der Einstülpung wiedergegeben. Man sieht, dass sich auch in späteren Stadien das Linsensäckchen der Säugethiere von dem der Reptilien und Vögel dadurch unterscheidet, dass es sich ventralwärts mehr vertieft, als dorsalwärts, während bei diesen gerade das Umgekehrte der Fall ist; dazu kommt noch der Zellhaufen, der dem Boden des Säckchens aufliegt und der den Sauropsiden fehlt. Dieser Zellhaufen nimmt, so lange die Einstülpung dauert, immer mehr an Größe zu, scheint aber bei Embryonen gleichen Alters nicht immer gleich _ mächtig zu sein. Wie früher, grenzt er sich auch in späteren Stadien sehr scharf und deutlich vom Boden der Grube ab, so dass man nur an wenigen Stellen vereinzelte Zellen aus der Wand direkt in den Zellhaufen übertreten sieht. Einmal habe ich übrigens an einer Horizontalschnittserie eine Einfaltung des Bodens des Säckchens ge- sehen, wobei die Falte direkt und ohne Grenze in den Zellhaufen überging. Das betreffende Linsensäckchen stand ungefähr in der Mitte zwischen den in den Figg. 6 und 7 abgebildeten. Schon zur Zeit, wenn die Einstülpungsöffnung noch sehr weit ist, bemerkt man in den Zellen, welche die Öffnung begrenzen, ein- zelne, stark lichtbrechende homogene Körner; dieselben verhalten sich gegen Färbemittel (Boraxkarmin, Hämatoxylin, Alaunkochenille) ganz so, wie die chromatische Substanz der Kerne, sind aber von dieser leicht zu unterscheiden, da sie ganz außerhalb der Kerne 6 Carl Rabl, liegen. Ich glaube nicht, dass sie auf den Zerfall von Kernen zu beziehen sind, sondern halte sie für Zelleinlagerungen oder Zellpro- dukte mehr sekundärer Art. Sie kommen zwar auch an anderen Stellen der Linsenanlage vor, sind aber nirgends so konstant und zahlreich, wie an den Rändern der Einstülpungsöffnung. Hier sind sie von allem Anfang an am unteren Rande zahlreicher als am ‘oberen und können zuletzt dort so überhandnehmen, dass sie die Zellkerne fast ganz verdecken. Etwas Ähnliches habe ich schon von der Ente berichtet, wo allerdings die Körner nicht so zahlreich sind, wie beim Kaninchen. Im nächsten Stadium (Fig. 8, Taf. I) hat sich die Einstülpungs- öffnung vollständig geschlossen, jedoch hängt das Bläschen mit dem Ektoderm noch innig zusammen. An der Verlöthungsstelle sind so- wohl im Ektoderm, als auch in der Wand des Bläschens zahlreiche Körner der erwähnten Art zu sehen. Die Form des Bläschens ist eine sehr eigenthümliche; sie ist auf dem Schnitt mehr dreieckig, als rund, und wenn auch vielleicht in dem abgebildeten Falle der Druck jenes Gefäßes, dessen Schiefschnitt zwischen der Wand des Bläschens und der Augenblase zu sehen ist, etwas zur Abflachung der medialen Wand beigetragen haben mag, so war sie doch auch bei einem zweiten Embryo des gleichen Alters, bei welchem jenes Gefäß weniger ausgedehnt war, wesentlich eben so beschaffen. Die Zellmasse in der Höhle des Bläschens ist kleiner geworden, dafür hat aber der Detritus, der sonst noch darin zu sehen ist, an Menge sehr zugenommen. An manchen Schnitten füllt er die Höhle fast vollständig aus. Aus dem Umstande, dass die Zellmasse kleiner wird, sowie sich das Bläschen schließt, geht hervor, dass der Aus- tritt von Zellen aus der Wand des Bläschens jetzt aufgehört hat. Schon jetzt kann man am Linsenbläschen einen deutlichen Unterschied zwischen der äußeren Wand, welche zum Epithel wird, und der inneren, welche die Linsenfasern entstehen lässt, erkennen. Eine Andeutung dieses Unterschiedes war übrigens schon in den letzten Stadien der Einstülpung (Fig. 6 und 7) wahrzunehmen. Zur Zeit des Verschlusses der Einstülpungsöffnung ist die Riech- srube nicht nur schon ziemlich tief eingesenkt, sondern es ist an ihr auch schon die erste Anlage des JAcoBson’schen Organs deutlich zu erkennen. Der ganze Process der Einstülpung und Abschnürung des Linsen- bläschens scheint ziemlich rasch zu verlaufen. Ich glaube nicht fehl- zugehen, wenn ich den Beginn der Einstülpung in die Mitte des ‘Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 7 elften und die Abschnürung in die zweite Hälfte oder an das Ende des zwölften Tages verlege. Damit soll nicht gesagt sein, dass man nicht auch noch am Beginn des dreizehnten Tages gelegentlich in einem Uterus Embryonen finden kann, bei denen das Linsenbläschen sich noch nach außen Öffnet. Im nächsten Stadium (Fig. 9, Taf. I) ist die Verbindung mit dem Ektoderm vollständig gelöst. Das Bläschen erscheint auch jetzt auf dem Sehnitt noch mehr dreieckig als rund. Die Zellen der medialen Wand sind stark in die Länge gewachsen und bilden ein rundliches Polster, das in die Höhle des Bläschens vorspringt. Die Kerne der dieses Polster zusammensetzenden jungen Linsenfasern liegen, wenn sie auch nicht alle in gleicher Höhe Platz finden, doch zumeist nahe der Mitte und das Protoplasma zeigt, wie bei allen Wirbelthierem- bryonen korrespondirenden Alters, zu dieser Zeit eine deutliche polare Differenzirung, indem sich das freie, dem Lumen zugewendete Ende der Fasern mit Alaunkochenille intensiver färbt, als das basale. Theilungsfiguren kommen in der Linsenfaserwand jetzt nur mehr in äußerst geringer Menge vor; ihre Zahl dürfte in dem Linsenbläschen, dem der abgebildete Schnitt entnommen ist, kaum mehr als zwei oder drei betragen, während ich im Epithel desselben Bläschens min- destens 70 zähle. Nun lehrt ein Vergleich mit den früheren Stadien, dass Anfangs gerade in demjenigen Theil der Linsenplatte, der später die Linsenfasern hervorgehen lässt, die Menge der Theilungsfiguren eine ungemein große war. Hier erfolgte auch der massenhafte Aus- tritt von Zellen, der früher beschrieben wurde. Von dem Zellhaufen, der dieser Stelle früher anlag, ist jetzt nichts mehr zu sehen. Wohl finden sich in der Höhle noch vereinzelte Zellen oder Zerfallsprodukte von solchen, aber sie sind nicht mehr zu einer kompakten Masse vereinigt. In dem abgebildeten Schnitte bemerkt man nur zwei Zellen im Lumen des Bläschens, beide der Wand dicht angelagert; in anderen Schnitten ist ihre Zahl eine größere und sie können auch - ganz frei in der Höhle liegen. Es kann also keinem Zweifel unter- liegen, dass der Zerfall der Zellmasse und die Resorption des von ihr zurückbleibenden Detritus ungemein rasch erfolgt. Das Bläschen nimmt bald eine rundliche Form an (Fig. 10, Taf. D), und die jungen Linsenfasern wachsen rasch in die Länge und ver- drängen dadurch mehr und mehr das Lumen. Dieses stellt einen, auf dem Querschnitte sichelförmigen Raum dar, in welchem noch einige zerstreute Zellen und Zellreste zu finden sind. In der Linsen- faserwand nehmen die Kerne eine breite mittlere Zone ein, welche 8 | Carl Rabl, auf beiden Seiten von kernlosen, ungefähr gleich dieken Schichten begrenzt wird. Ich zähle an dem Linsenbläschen, dem der abgebildete Schnitt entnommen ist, ungefähr 72 Theilungsfiguren, wobei ich immer je zwei zusammengehörige Tochtersterne oder Tochterknäuel als eine Figur in Rechnung bringe. Von diesen Theilungsfiguren gehören etwa 50 der äußeren Wand an, etwa 20 liegen nahe der Epithel- _ grenze, aber entschieden noch im Epithel, und nur zwei sind so ge- stellt, dass sie schon der Linsenfasermasse zugerechnet werden können; aber auch sie sind noch in nächster Nähe der Epithelgrenze gelegen. Daraus geht hervor, dass die Linsenfasern, nachdem sie eine gewisse Länge erreicht haben, die Fähigkeit verlieren, sich durch Theilung zu vermehren. Sie wachsen nur noch in die Länge und die Ver- größerung der Linsenfasermasse erfolgt von nun an lediglich durch Apposition von der Peripherie her. Wie früher, giebt sich auch jetzt noch in der verschiedenen Tinktionsfähigkeit der Fasern an ihren beiden Enden die polare Differenzirung derselben deutlich zu er- kennen. | Im nächsten Stadium (Fig. 11, Taf. I), das sich auf einen Embryo bezieht, der in der Nackensteißlinie 10 mm, in der Scheitelsteißlinie ungefähr 11 mm maß, ist das Linsenbläschen fast ganz kugelig ge- worden. Der Äquatorialdurchmesser beträgt jetzt 0,41 mm, die Achse knapp 0,40 mm. Das Epithel, das im vorigen Stadium überall die gleiche Dieke hatte, ist jetzt in der Mitte der Vorderfläche am dünn- sten und nimmt von da ganz allmählich gegen die Epithelgrenze an Dicke zu. In derselben Richtung werden auch die Kerne zahlreicher. ‘Die Epithelgrenze liegt jenseits des Aquators, vorausgesetzt, dass wir als Aquatorialebene eine Ebene bezeichnen, welche durch die Mitte der Linse gelegt ist. Von irgend einer Regelmäßigkeit in der An- ordnung der Zellen ist hier, wie die Anschnitte der Linse lehren, noch keine Rede. — Die Linsenfasermasse ist nicht bloß sehr viel mächtiger geworden, als sie früher war, sondern zeigt auch sonst noch einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Vor Allem fällt die andere Lage der Kerne auf; während diese in den früheren Sta- dien ungefähr in der Mitte der Fasern gelegen waren, finden sie sich jetzt der Mehrzahl nach an der Grenze zwischen mittlerem und innerem Drittel. Das Wachsthum der Fasern ist also zu dieser Zeit an dem freien Ende ein lebhafteres, als an dem basalen. Gleichzeitig ist auch der Unterschied in der Färbbarkeit der beiden Enden, wenn er auch noch nicht ganz geschwunden ist, doch erheblich geringer seworden. Die Kerne der Fasern sind blasser als früher, sehen fast Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 9 wie gequollen aus und ihr Chromatin hat, wenn auch nicht absolut, doch relativ an Menge abgenommen. Nur in der Nähe der Epithel- srenze haben sie noch das ursprüngliche Aussehen bewahrt. — Auch der Verlauf der Fasern lässt gegen früher einen Unterschied wahr- nehmen, indem die Mehrzahl derselben flache, mit der Konkavität gegen die Epithelgrenze gekehrte Bogen beschreibt; nur die der Achse am nächsten liegenden sind ganz gerade gestreckt. — Außer in der nächsten Nähe der Epithelgrenze ist in keiner Linsenfaser eine Theilungsfigur zu sehen; und auch dort kommen solche nur äußerst selten vor. — In dem relativ engen Lumen des Bläschens findet man, ähnlich wie früher, noch einige unbedeutende Zellreste. Nachdem schon im vorigen Stadium die Mesodermzellen im Um- kreis der Linse sich zwischen Ektoderm und Linsenepithel vorzuschieben begonnen hatten, haben sie sich jetzt zu einer kontinuirlichen Schicht verbunden, welche die erste Anlage der Tunica propria corneae vor- stellt. Das nächste Bild (Fig. 1, Taf. II) führt uns eine Linse vor Augen, die sich vor Allem in Beziehung auf ihre Form von der des letzten Stadiums unterscheidet. Die Linse ist jetzt auf beiden Seiten ab- geflacht; ihr Äquatorialdurchmesser beträgt 0,47 mm, ihre Achse 0,37 mm. Dass die Länge der letzteren im Vergleich mit früher geringer geworden ist, hängt damit zusammen, dass die Höhle des Bläschens jetzt vollständig geschwunden ist. Die Länge der central- sten Fasern ist nämlich in beiden Stadien genau dieselbe; sie beträgt sowohl im Stadium der Fig. 11, Taf. I, als in dem der Fig. 1, Taf. II, 0,35 mm. Immerhin ist es interessant, dass sie nicht größer geworden ist. Diese Thatsache ist um so -merkwürdiger, als die Lage der Kerne sich gegen früher wieder etwas geändert hat; wie schon in den ersten Stadien der Linsenfaserbildung liegen nämlich auch jetzt wieder die meisten Kerne ungefähr in der Mitte der Fasern. Es scheint dies darauf hinzuweisen, dass sich die Kerne nach vorn ver- schieben, eine Annahme, die auch in Anbetracht der weiter unten zu schildernden Erscheinungen wohl nicht von der Hand zu weisen sein dürfte. — Die Linsenfasern sind um so schärfer gebogen, je näher der Epithelgrenze sie liegen. — Das Epithel ist in der Mitte der Vorderfläche viel dünner, als am Rand; seine Dicke beträgt dort 0,015 mm, hier 0,035 mm. Das nächste Stadium, das ich der Beschreibung zu Grunde lege (Fig. 2, Taf. II), zeigt uns eine Linse eines 14 bis 15 Tage alten Embryo. Der Äquatorialdurchmesser beträgt 0,63 mm, die Achse 10 Carl Rabl, ungefähr 0,48 mm. An der Hinterfläche sieht man eine flache, un- regelmäßige Grube, über welche die zu dieser Zeit deutlich werdende Kapsel hinwegzieht. Der Raum zwischen der Kapsel und dem Boden der Grube wird von zahlreichen blassen, feingranulirten Kugeln ver- schiedener Größe erfüllt. Da bei einem etwas älteren Embryo die Grube und die Körnermasse fehlen und die Kapsel der hinteren _ Linsenfläche unmittelbar "aufliegt, so darf ich annehmen, dass sie hier nur unter der Einwirkung der Fixirungsflüssigkeit entstanden sind. Es besteht aber gewiss eine Neigung der Linsenfasermasse, sich von der Kapsel zurückzuziehen und dabei jene Körnermasse auszupressen. Im Übrigen zeigt die Linse gegenüber dem früheren Stadium keine sehr auffallenden Unterschiede. Wichtig ist nur wieder die Lage der Kerne in den Linsenfasern; wie ein Vergleich mit der ‚Fig. 1, Taf. II lehrt, liegt die Mehrzahl derselben dem vorderen Ende der Fasern noch näher, als früher. Die oben erwähnte Verschiebung der Kerne hat also noch weitere Fortschritte gemacht. Zugleich tritt an den Kernen noch eine andere Erscheinung zu Tage, die sich übri- sens gleichfalls schon in den vorhergehenden Stadien vorbereitet hatte. Man sieht nämlich, dass sich dieselben vom Epithelrande bis zur Achse immer mehr zerstreuen, so dass die Abstände zwischen ihnen stetig zunehmen. Der älteste Embryo, dessen Linsen ich untersuchte, war in der Entwicklung schon sehr weit vorgeschritten. Er hatte eine Länge von 47 mm. Der Äquatorialdurchmesser seiner Linsen betrug 2,0 mm, die Achse 1,37 mm. Etwas mehr als die Hälfte eines Meridional- schnittes, der genau durch die Mitte der Linse geht, ist auf Taf. II, Fig. 3 bei schwacher Vergrößerung abgebildet. Man sieht, dass die vordere Fläche viel stärker gewölbt ist, als die hintere, und dass der Äquator, an welchem die beiden Flächen an einander stoßen, als eine scharfe Leiste vorspringt. Die durch den Äquator gelegte Ebene schneidet die Achse der Linse weit hinter ihrem Hal- birungspunkt. Das Linsenepithel besteht überall aus einer einfachen Lage von Cylinderzellen. Die Höhe derselben beträgt in der Nähe des vorderen Poles 0,02 mm, an der Epithelgrenze 0,035 mm. Bei stärkerer Ver- srößerung überzeugt man sich, dass sich überall zwischen breitere Cylinderzellen mit großen, blassen, bläschenförmigen Kernen sehr schmale Zellen mit langgestreckten, sehr intensiv gefärbten Kernen einschieben. Es macht den Eindruck, als wären die letzteren durch jene von der Seite her zusammengepresst. Ob die Zellen an der Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 41 Epithelgrenze bereits zu meridionalen Reihen geordnet sind, kann ich nieht sicher sagen, halte es aber für wahrscheinlich. Keinesfalls weisen aber diese Reihen, falls sie vorhanden sein sollten, schon einen großen Grad von Regelmäßigkeit auf. An der hinteren Fläche der Linse war schon bei schwacher Vergrößerung eine kurze unregelmäßige lineare Naht zu erkennen. Dasselbe war an der vorderen Fläche der Fall, nur stand die hintere Naht senkrecht auf der vorderen. Die Linse wurde nun senkrecht auf die hintere Naht geschnitten und man sieht daher an den Schnitten (vgl. Fig. 5) von der Mitte der hinteren Fläche eine enge Spalte in die Tiefe ziehen, die bis zum Centrum der Linse reicht. Vorn, unter dem Epithel, ist nur eine unregelmäßige, nicht sehr tiefe Grube zu sehen, die zum Theil mit einem feinkömigen Gerinnsel erfüllt ist. Wenn ich nun auch die erste Entstehung der Linsennähte beim Kaninchen nicht untersucht habe, so darf doch schon aus dem Mitgetheilten ge- schlossen werden, dass dieselbe ganz eben so erfolgt, wie bei Pristiurus oder dem Axolotl, wo sie früher beschrieben wurde. Es wird also wohl auch beim Kaninchen die hintere Naht früher entstehen, als die vordere; darauf weist schon die große Tiefe der hinteren Spalte der Linse der Fig. 3 hin. Die vordere Naht entsteht auch beim Kaninchen im Anschluss und als eine direkte Folge der hinteren und die Thatsache, dass beide Nähte senkrecht auf einander stehen, ist - wieder darauf zu beziehen, dass die Linsenfasern gleichen oder un- sefähr gleichen Alters auch gleiche oder ungefähr gleiche Länge haben. — Die Tiefe der hinteren Spalte beträgt zu dieser Zeit 0,7 mm, die der vorderen 0,15 mm und die Länge der centralsten Fasern, d. h. derjenigen, welche mit ihrem einen Ende an den Boden der vorderen, mit ihrem anderen an den der hinteren Spalte stoßen, un- sefähr 0,5 mm. Es lässt sich daher mit annähernder Sicherheit sagen, dass die Bildung der hinteren Naht in einem Stadium beginnt, in welchem die in der Achse verlaufenden Fasern eine Länge von un- 'gefähr 0,5 mm erreicht haben. Die Länge der Fasern nimmt von der Epithelgrenze an allmählich zu; die längsten sind jene, welche mit ihrem hinteren Ende den Rand der Eingangsöffnung der hinteren Linsenspalte erreichen. Von da an nimmt die Länge bis gegen die Achse wieder ab. Die Fasern sind um so schärfer gebogen, je jünger sie sind, d. h. je näher der Epi- thelgrenze sie liegen. Von hier nimmt die Krümmung in der Rich- tung gegen die Achse mehr und mehr ab, bis sie endlich ganz oder fast ganz verschwindet und die Fasern sich gerade strecken. Die 19 | Carl Rabl, ältesten Fasern aber, d. h. diejenigen, welche der Achse am nächsten liegen, weisen abermals eine Krümmung auf, aber eine Krümmung, welche der der jüngeren und jüngsten gerade entgegengesetzt ist. Während nämlich diese Bogen beschreiben, die ihre Konkavität nach außen kehren, sehen die ältesten Fasern mit ihrer Konkavität gegen die Achse. Zu dieser Zeit besitzen noch alle Fasern Kerne; aber die der centralsten sind schon sehr klein, fast punktförmig, von nahezu homo- senem Aussehen und färben sich ungemein intensiv, kurz, sie tragen alle jene Erscheinungen zur Schau, welche wir schon früher als die des fortschreitenden Kernschwundes kennen gelernt haben. Wie ein Blick auf Fig. 3, Taf. I lehrt, liegen die Kerne der vorderen Linsen- fläche viel näher, als der hinteren. Sie zerstreuen sich um so mehr, je näher der Achse sie liegen. — Äquatorialschnitte durch die Linse lassen es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass die Fasern in der Nähe des Äquators sich bereits zu radiären Lamellen zu ordnen begonnen haben; etwas Sicheres kann ich aber darüber nicht aus- sagen. — Meine Beobachtungen am Kaninchen werden vervollständigt und ergänzt durch meine Untersuchungen am Schwein. Ich habe mich hierbei hauptsächlich auf spätere Stadien beschränkt, da ich die jün- seren in genügender Vollständigkeit am Kaninchen untersucht zu haben glaube. Zu dieser Untersuchung musste mich schon der Um- stand anregen, dass weitaus die meisten Säugethiere Linsen besitzen, welche nicht, wie die des Kaninchens, einfache lineare Nähte, son- dern die bekannten dreistrahligen Linsensterne zeigen. Ich gebe zunächst eine Übersicht der untersuchten Stadien und theile gleich im Zusammenhange damit die Durchmesser der betreffen- den Linsen und des Epithels mit. £ | nat | | Dicke des Epithels Stadium Dauee.® a | Durchm. Sn vorderer | Epithel- | hinterer der Linse Linsenpol srenze | Linsenpol I NS = 10 mm 0,24 0,25 0,035 0,047 0,058 II NS — 14. 859.— 15 0,43 0,40 0,05 0,08 0,21 III INS? 15, 198, 7 0,51 0,43 0,025 0,041 0,37 IV. N = 18, SI — 0,79 0,68 . 0,015 0,044 V. | Größte Länge 26 mm | 1,10 0,87 0,01 0,036 v1. » » 36 » 1,25 0,98 0,01 0,03 vn. » » 43 >» 1,85 1,35 — 0,034 VII. » » 50 » 1,90 1,46 -- 0,035 IX. » » 54 » 1,96 1,55(?) — 0,036 X. » » 68 >» 2,32 1,70 — 0,033 xl. » > 16 » 2,50 1,96 0,01 0,031 Über den Bau und die Entwieklung der Linse. III. 13 Ägquat. Dicke des Epithels Stadium | ze d ee nbra Durchm. a vorderer | Epithel- | hinterer | der Linse Linsenpol | grenze | Linsenpol XII. | Größte Länge 89 mm | 2,63 | 210 I — | 003 XIII. » » 101 >» 2,80 2,26 0,01 0,022 XIV. » »..1190> 3,40 2,40 0,01 0,017 XV. » » 413072 3,40 2,40 — 0,018 RVTI » = #190 > 4,38 3,28 0,01 0,016 XVII. | » > 21072 4,81 3,39 0,008 0,016 Im ersten Stadium stellt die Linse noch ein kleines Bläschen dar, dessen mediale Wand aber schon erheblich dieker ist, als die laterale. Die Form des Bläschens ercheint auf dem Horizontalschnitt durch den Kopf mehr viereckig als rund und in der weiten Höhle liegen einige unbedeutende Zellreste. Theilungsfiguren trifft man jetzt noch in der Linsenfaserwand eben sowohl wie anderwärts. Im zweiten Stadium wölbt sich die mediale Wand schon polster- artig in die Höhle vor. Im dritten Stadium ist die Höhle bereits sehr eng, auf dem Schnitt sichelförmig und enthält keine Zellen oder Zellreste mehr. Dieses Stadium entspricht dem auf Taf. I, Fig. 11 vom Kaninchen abgebildeten. Im vierten Stadium ist die Höhle geschwunden; die Linsen- fasern reichen also schon bis ans Epithel. Ähnlich, wie bei der in Fig. 2, Taf. II abgebildeten Kaninchenlinse hat sich auch hier die Kapsel in großem Umfange von der hinteren Fläche der Linse abgehoben und zwischen ihr und den Linsenfasern liegen zahlreiche blasse, fein granulirte, offenbar von den Linsenfasern bei der Fixirung ausgepresste Kugeln. Im fünften Stadium beginnt die Bildung der hinteren Linsen- naht. Eine Skizze eines Meridionalschnittes ist auf Taf. II, Fig. 1 abgebildet. Man sieht an derselben, dass die centralsten Fasern im Wachsthum gegenüber ihren Nachbarn zurückgeblieben sind. Ich will, um die Darstellung auch der folgenden Stadien zu erleichtern, diese centralsten Fasern als Achsenfasern bezeichnen; diese stellen also so zu sagen die centralsten Centralfasern dar. Indem nun diese Achsenfasern im Wachsthum stehen bleiben, während gleichzeitig ihre Nachbarn hinten über sie hinauswachsen, entsteht hier eine Spalte, die bis an die Oberfläche reicht. An einer Äquatorialschnitt- serie durch eine Linse eines 30 mm langen Embryo habe ich mich überzeugt,. dass die Spalte an der Hinterfläche der Linse als eine kurze lineare Naht erscheint. Wir werden sehen, dass die Naht diese 14 Carl Rabl, Form noch durch längere Zeit beibehält, ein Umstand, der desshalb von Wichtigkeit ist, weil er uns lehrt, dass die einfache lineare Naht, wie sie sich zeitlebens beim Kaninchen und den meisten tiefer stehen- . den Wirbelthieren findet, als die ursprüngliche Form der Linsennaht erscheint, von der sich der drei- oder mehrstrahlige Stern als eine ‚sekundäre Form ableitet. — Das Epithel zeigt in diesem und den folgenden Stadien dieselbe Eigenthümlichkeit, wie bei älteren Ka- ninchenembryonen. Man sieht also wieder zweierlei Zellen in dem- selben: solche mit blassem, bläschenförmigem Kern und solche mit sehr intensiv tingirtem, von den Seiten her komprimirtem Kern. An der Epithelgrenze sind die Zellen noch nicht zu meridionalen Reihen geordnet. Im sechsten Stadium hat auch die Bildung der vorderen Naht begonnen. Wie zwei Äquatorialschnittserien durch Linsen dieses Sta- diums lehren, stellen beide Nähte lineare Spalten dar, welche so gegen einander orientirt sind, dass die vordere Naht senkrecht auf der hinteren steht. Fertigt man Meridionalschnitte an, die so orientirt sind, dass sie die hintere Naht senkrecht treffen, so erhält man Bilder, wie ein solches auf Taf. III, Fig. 2 wiedergegeben ist. Der abgebildete Schnitt ist also senkrecht auf die hintere und parallel zur vorderen Naht durch die Linse gelegt; die hintere Naht erscheint daher als eine enge Spalte, die vordere als eine grubenförmige Ver- tiefung. — Das Epithel zeigt an der ganzen Vorderfläche wesentlich dieselbe Beschaffenheit, wie früher; Tangentialschnitte durch den Äquator lassen aber erkennen, dass sich die Zellen hier bereits zu meridionalen Reihen zu ordnen beginnen. Allerdings sind diese Reihen noch nicht sehr regelmäßig; aber die Tendenz, sich zu solchen zu ordnen, ist ganz unverkennbar. Dementsprechend sieht man an Äquatorialschnitten die jüngsten Fasern schon im Begriff, sich zu radiären Lamellen an einander zu schließen; diese Lamellen sind noch sehr kurz und unregelmäßig. In dieses Stadium fällt also die Bil- dung der Übergangszone, d. h. jener Zone, in welcher an Stelle der ungeordneten Centralfasern die zu Radiärlamellen vereinigten Haupt- fasern zu treten beginnen. Im siebenten Stadium hat die hintere Naht an der Oberfläche nicht mehr das Aussehen einer geraden Linie, sondern ist in einem stumpfen Winkel abgebogen, so dass man an ihr zwei Schenkel unter- scheiden kann. — An der Epithelgrenze sind die Zellen etwas regel- mäßiger geordnet, als früher. Im achten Stadium beginnt an der hinteren Fläche die Bildung Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 15 des dreistrahlisen Linsensterns. Dort, wo die beiden Schenkel deı Naht im stumpfen Winkel an einander stoßen, beginnt nämlich ein dritter Schenkel herorzuwachsen, der die Anlage des dritten Strahles des Linsensterns darstellt. Äquatorialschnittserien durch die Linse sind daher in diesem Stadium von besonderem Interesse. Geht man in der Serie von hinten nach vorn, so sieht man zunächst einen, allerdings in seinem dritten Strahl noch etwas mangelhaft ausgebil- deten Stern; sodann kommt man zu Schnitten, welche eine im Winkel abgebogene Linsennaht zeigen; darauf folgen Schnitte, in denen sich der Winkel immer mehr verflacht und endlich wird die Naht zu einer geraden Linie. Noch weiter vorn, wenn schon die Achsenfasern ge- troffen sind, verschwindet die Naht vollständig, tritt aber vor den Achsenfasern wieder als eine lineare Spalte auf, welche sich nun bis an die Oberfläche der Linse verfolgen lässt. — Ein Meridionalschnitt durch die Linse dieses Stadiums ist auf Taf. II, Fig. 3 abgebildet. Es fällt an den Achsenfasern auf, dass ihre Krümmung gegen früher eine andere geworden ist; sie sind nicht mehr in ihrem ganzen Verlauf gleichmäßig gebogen, sondern in ihrer vorderen Hälfte viel stärker, als in ihrer hinteren. Die Gesammtmasse der Achsenfasern besitzt in Folge dessen eine Form, welche an die antiker Urnen erinnert. Aber auch sonst haben sich die Achsenfasern verändert. ‚Sie sind augenscheinlich kürzer und dieker geworden; selbverständ- lich kann dabei nicht an eine aktive Kontraktion gedacht werden, sondern nur an eine Kompression von Seiten der Nachbarfasern. Wohl im Zusammenhang damit sind auch ihre Kontouren nicht mehr so gerade und glatt, wie früher, sondern erscheinen unregelmäßig wellig verbogen. Wie wir sehen werden, tritt diese Eigenthümlich- keit später noch deutlicher zum Vorschein, und sie soll daher weiter unten noch genauer geschildert werden. — Die Kerne der Achsen- fasern sind klein, punktförmig, stark lichtbrechend, fast homogen und färben sich mit Boraxkarmin ungemein intensiv. Die meridionalen Reihen des Epithelrandes sind etwas länger und regelmäßiger ge- worden, als sie im letzten Stadium waren. Im neunten Stadium zeigt die Linse nichts wesentlich Neues, sondern nur eine Weiterbildung der geschilderten Eigenthümlich- keiten. | Auch im zehnten Stadium hat sich die Linse, obwohl sie er- heblich größer geworden ist, im inneren Aufbau wenig verändert. Ein Meridionalschnitt durch eine Linse dieses Stadiums ist auf Taf. III, Fig. 4 abgebildet. — Es ist von Interesse, die Veränderungen der 16 Carl Rabl, äußeren Form, welche die Linse in den letzten Stadien durchgemacht hat, im Zusammenhang zu verfolgen. Ein Vergleich der Figuren 1—4, Taf. IH lehrt, dass diese Veränderungen keineswegs ganz unbeträcht- liche sind. Anfangs ist die Linse vorn entschieden stärker gewölbt als hinten (Fig. 1); später zeigt sie vorn und hinten eine ungefähr ‘gleich starke Wölbung (Figg. 2 und 3); schließlich aber flacht sich die vordere Wölbung mehr ab und die Linse erscheint hinten stärker gewölbt, als vorn (Fig. 4). Damit hat sie jene Form erlangt, welche sie, wie wir sehen werden, auch im vellkommen entwickelten Zu- stande charakterisirt. Im elften Stadium bestehen die meridionalen Reihen schon aus 8—10 Zellen. Der Linsenstern der hinteren Fläche besitzt drei Strahlen, von denen der zuletzt entstandene sich wieder in zwei Schenkel spaltet, ein Verhalten, das von ganz nebensächlicher Be- deutung ist. Im zwölften Stadium ist hinten ein sehr schöner, dreistrahliger Linsenstern vorhanden; nur ist der jüngste der drei Strahlen noch etwas kürzer, als die beiden anderen. In den folgenden Stadien, über welche ich ganz kurz hinweg- sehen kann, wird der Linsenstern der hinteren Fläche immer regel- ‘mäßiger und tritt allmählich auch vorn ein solcher in die Erscheinung. Wann sich dieser letztere zuerst bemerkbar macht, kann ich nicht genau sagen; jedenfalls entsteht er später, als der hintere, und in Abhängigkeit von demselben. — Das dreizehnte Stadium ist das letzte, in welchem die Achsenfasern noch Kerne besitzen; im vier- zehnten sind sie sowohl in den Achsenfasern, als auch in den sich diesen nach außen anschließenden Centralfasern spurlos geschwunden. Die letzte Spur, die sich von ihnen wahrnehmen lässt, ist ein kleines, rundliches Korn, das sich mit Boraxkarmin nicht oder kaum mehr färbt. Je älter die Embryonen werden, um so länger und regelmäßiger werden die meridionalen Reihen des Linsenepithels und im Zusammen- hange damit die Radiärlamellen der Linsenfasermasse. Bei dem ältesten der von mir untersuchten Embryonen, der eine Länge von 21 em hatte, betrug die Zahl der Radiärlamellen 1580; eben so groß musste natürlich auch die Zahl der meridionalen Reihen sein. Wir werden sehen, dass diese Zahl noch weit hinter jener der entwickelten Linse zurückbleibt; es müssen also noch zahlreiche Theilungen und Intercalationen stattfinden, bis die volle Zahl erreicht ist. Damit will ich die Beschreibung meiner Beobachtungen über die Entwicklung der Linse des Schweines schließen. — Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 17 Auch vom Schaf habe ich eine größere Reihe von Stadien unter- sucht, will aber, da die Entwicklung vollkommen mit der des Schwei- nes übereinstimmt, nicht weiter darüber berichten. — Von der Katze besitze ich nur ein paar Stadien; die beiden jüngsten von ihnen zeigen eine noch nicht abgeflachte Linsenplatte, die gegen ihre ekto- dermale Umgebung keine scharfe Begrenzung besitzt. Im Übrigen zeigen die untersuchten Stadien keine Unterschiede gegenüber den bereits geschilderten Befunden. — Vom Menschen habe ich eine junge Linse auf Taf. I, Fig. 4 abgebildet. Sie stammt von einem 30—31 Tage alten Embryo und zeigt in so fern eine Besonderheit, als die Zellen und Zellreste, welche in der Höhle des Bläschens liegen, der Innenfläche der lateralen und nicht, wie beim Kaninchen, der me- dialen Wand angeschlossen sind. Dies dürfte übrigens kaum von srößerem Belange sein, da auch in dem jüngsten, von mir unter- suchten Linsenbläschen des Schweines einzelne Zellen und Zellreste der lateralen Wand anlagen. Dagegen ist die Thatsache, dass auch beim Menschen die Höhle des Bläschens Zellen enthält, von Inter- esse; sie scheint den Schluss zuzulassen, dass die erste Entwicklung der Linse hier wesentlich dieselbe ist und dieselben Eigenthümlich- keiten bietet, wie beim Kaninchen. Ich habe im Vorhergehenden nichts über die Entstehung der Linsenkapsel gesagt; es wurde zwar erwähnt, wann sie beim Kanin- chen zuerst in die Erscheinung tritt, aber ich habe es unterlassen, mich über ihren Ursprung zu äußern. Es ist das mit Absicht ge- schehen; ich bin zwar der Überzeugung, dass die Linsenkapsel auch bei den Säugethieren ein Produkt der Linsenzellen selbst ist und nicht etwa eine bindegewebige Biläung, indessen lässt sich der Be- weis hier viel weniger sicher führen, als bei den niederen Wirbel- . tkieren. Der Grund davon liegt nicht bloß darin, dass man schon frühzeitig Mesodermzellen in der Umgebung der Linse findet, sondern vor Allem darin, dass schon in sehr frühen Stadien zwischen Linse und Augenbecher Gefäße eindringen, welche vielleicht von verein- zelten Bindegewebszellen begleitet sind. Es lässt sich daher eine Betheiligung des embryonalen Bindegewebes an der Bildung der Linse nicht mit jener Sicherheit ausschließen, wie bei den niederen Wirbelthieren, wo diese Gefäße und das sie begleitende Bindegewebe fehlen. Auch von der sogenannten gefäßhaltigen Linsenkapsel (Tunica vasculosa lentis) habe ich nicht gesprochen. Wenn ich auch selbst- verständlich an jeder meiner Serien die Gefäße, welche die Linse Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVIL Ba. 2 ai 18 Carl Rab], umspinnen, sehe, so gehen doch meine Befunde nicht über das darüber Bekannte hinaus. Ich verweise daher vor Allem auf die älteren "Angaben ArnoLp’s! und v. KÖLLIKER’s? und auf die neueren ÜSCAR SCHULTZE’S?. Aus der jüngsten Zeit liegt ferner eine Arbeit voN CIRINCIONE? vor, welche sich fast ausschließlich mit der Ent- wicklung der »Capsula perilentieularis« befasst. Wenn mir dieselbe auch in manchen Details unverständlich geblieben ist, so scheint sie mir doch einige nicht unwichtige Beobachtungen zu enthalten. — Die Untersuchung der Entwicklung der Säugethierlinse wurde erst verhältnismäßig spät in Angriff genommen, lange nachdem die Entwicklung der Amphibien- und Vogellinse in ihren Grundzügen gut bekannt war. Im Jahre 1869 beschrieb Womow>5 einige ältere Stadien der Entwicklung der Linse des Kaninchens. Der Erste, der die Einstülpung des Ektoderms und die Bildung des Linsensäckchens an Säugethierembryonen (Hund und Maus) gesehen hat, scheint KEssLER® gewesen zu Sein. LIEBERKÜHN? bemerkt in seiner im Jahre 1872 erschienenen Arbeit über das Auge des Wirbelthier- 'embryo, dass »die primitive Augenblase des Säugethierembryo nicht bloß von dem oberen Keimblatt, sondern auch von einer feinen Lage des Gewebes der Kopfplatten bedeckt« sei. Diese Angabe bezieht sich zwar nicht direkt auf die Entwicklung der Linse selbst, ich habe sie aber angeführt, weil sie sich mit einer meiner Angaben deckt. Der Erste, der zielbewusst und in großem Umfang an die Untersuchung der Augenentwicklung der Säugethiere herangetreten ist, war J. ARNOLD°®. Er hat. seine Untersuchungen an einem sehr reichhaltigen Material von Rindsembryonen, deren jüngster 6 mm, i Jut. ARNOLD, Die Linse und das Strahlenplättehen. Handbuch der Augen- heilkunde, herausgeg. von A. GRAEFE u. TH. SaEMIscH, Leipzig 1874, und Bei- träge zur Entwicklungsgeschichte des Auges, Heidelberg 1874. 2 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. 3 O0. SCHULTZE, Zur Entwicklungsgeschichte des Gefäßsystems im Säuge- thierauge. Festschr. für A. v. KÖLLIKER zur Feier seines 50jährigen mediein. Doktorjubiläums. 1892. 4 &. CIRINCIONE, Zur Entwicklung des Wirbelthierauges. Über die Ent- wicklung der Capsula perilenticularis. Leipzig 1898. 5 M. Woınow, Über die Entstehung der bipolaren Anordnung der Linsen- fasern. K. Akad. d. Wiss. II. Abth. Wien 1809. 6 L. KESSLER, Untersuchungen über die Entwicklung des Auges. Dissert. Dorpat 1871. 7 N. LIEBERKÜHN, Über das Auge des Wirbelthierembryo. Kassel 1872. arlaic) Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 19 deren ältester 30 cm lang war, angestellt und dadurch eine Basis geschaffen, auf der alle späteren Beobachter weiterbauen konnten. Bei dem jüngsten, von ARNOLD untersuchten Embryo war noch keine Linsenplatte vorhanden; zwischen Ektoderm und sekundärer Augen- blase »lag eine Schicht eines lichten Gewebes, welches die ge- nannten Theile trennte«. Der jüngste Embryo, der eine Linsenplatte zeigte, hatte eine Länge von 7 mm. Auch bei ihm war noch jener »schmale Streifen eines lichten Gewebes« zwischen Augenblase und Linse nachweisbar. Der nächstältere Embryo von 9 mm Länge zeigte, wie aus der betreffenden Abbildung unzweifelhaft hervorgeht, bereits eine Linsengrube. Freilich widerspricht diese Auffassung der Beschreibung, die ARNOLD von dieser Linsenanlage giebt. ARNOLD beschreibt sie nämlich als eine »solide Wucherung« oder »kugelige Verdiekung« des äußeren Keimblattes, an der man drei Lagen unterscheiden könne: »eine äußere, mehr längsstreifige, eine innere, radiär gezeichnete und eine mittlere, etwas lichtere und gekörnte«. Er meint, dass »sehr bald in den mittleren Abschnitten der soliden Masse Metamorphosen eintreten, durch welche die central gelegenen Zellen in kugelige, lichte Gebilde umgewandelt werden, durch deren fortschreitende Degeneration es endlich zur Bildung einer centralen, mit lichten Kugeln gefüllten Höhle kommt«. Bei dem nächsten Embryo von 12 mm Länge war das Linsenbläschen schon vollständig vom Ektoderm losgelöst. — Die Beschreibung der folgenden Stadien bezieht sich in erster Linie auf die allmähliche Ausbildung der Linsenfasern und die Entstehung des Linsensterns. Sie gründet sich auf eine Reihe vortrefflicher Beobachtungen und, wenn mir auch manche Angabe erst verständlich "wurde, nachdem ich selbst den Gegenstand untersucht hatte, so muss ich doch der Genauigkeit und - Gewissenhaftigkeit der ganzen Untersuchung das vollste Lob spenden. In ähnlicher Vollständigkeit hat keiner der Späteren mehr die Ent- wicklung der Säugethierlinse untersucht. Ein Jahr später (1875) erschien eine kurze Mittheilung von v. MIHALKoVIcs!, in der einige junge Stadien der Linsenentwicklung des Kaninchens und eines des Rindes beschrieben wurden. v. MIHAL- Kovics ist der Erste, der am Kaninchen und Rind die Linsenein- stülpung sah, allerdings beschreibt er dieselbe in etwas eigenthüm- licher Art. Er unterscheidet nämlich am Ektoderm des Kaninchens, 1 V. v. MiHArkovics, Ein Beitrag zur ersten Anlage der Augenlinse. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI. 1875. y% 20 Carl Rabl, wie GOETTE und STRICKER schon früher am Ektoderm der Amphi- bien gethan hatten, zwei Schichten: eine aktive Schicht oder das Sinnesblatt und eine passive oder das Hornblatt. Von der Linsen- anlage des Kaninchens theilt er mit, dass an ihrer Bildung nur das Sinnesblatt betheiligt sei, während das Hornblatt »eine eigenthüm- liche Wucherung am Grunde des Linsengrübchens eingeht, die aber für die weitere Bildung der Linse ohne Bedeutung ist, indem ihre Zellen zerfallen und zu Grunde gehen«. Diese Zellmasse glaubt er »als Modell, als Ausfüllungsmasse, um die sich die aktive Schicht des oberen Keimblattes zu einer Kugel formt«, auffassen zu sollen. Auf Grund seiner Beobachtungen tritt er ARNOLD entgegen und schließt sich KEessLER an. — Die dünne Mesodermschicht zwischen Linsenanlage und Augenblase hat auch v. MıHALKkovics gesehen; er glaubt, dass sie zur Anlage der Linsenkapsel und des Glas- körpers werde. Im Jahre 1877 erschien dann die bekannte, schon oft eitirte Arbeit KessLer’s!, welche auch über die Entwicklung der Säuge- thierlinse werthvolle Angaben enthält. KessLerR meint, dass »die Entwicklung der Linse bei Säugern nicht bei allen Repräsentanten dieser Klasse ganz übereinstimmend vor sich zu gehen« scheine. Seine Beobachtungen beziehen sich auf die Maus, das Schaf und den Menschen, erstrecken sich aber nur auf die ersten Stadien bis zur Abschnürung des Linsenbläschens.. Bei der Maus bildet sich nach KEssSLER eine einfache Einsenkung des Ektoderms, ohne dass es zu einem Austritt von Zellen aus dem Boden der Grube kommt. Beim Schaf geht aber die Entwicklung wesentlich so vor sich, wie ich sie vom Kaninchen beschrieben habe. Auch beim Schaf scheint der Zellhaufen am Boden der Grube nicht immer von der gleichen Größe zu sein. Vom Menschen hat KEssLEr nur ein Stadium unter- sucht; wie er angiebt, war an dem betreffenden Embryo aus der vierten Woche die Linsengrube schon mit freiem Auge deutlich zu sehen. Auf Schnitten sah sie ganz so aus, wie bei der Maus, eine Angabe, aus der hervorzugehen scheint, dass der Zellhaufen am Boden der Grube fehlte. KEssLEr hat schon darauf aufmerksam ge- macht, dass bei den Säugethieren »die stärkste Kniekung der Ein- buchtung (der Linsengrube) der Bauchseite, beim Hühnchen dagegen der Rückenseite näher liegt«. 1 LEONHARD KESSLER, Zur Entwicklung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 31 Zwei Jahre darauf erschien die »Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere« von v. KÖLLIKER!, in welcher auch eine genaue Beschreibung der ersten Entwicklung der Linse des Kaninchens nach eigenen Untersuchungen enthalten ist. Bei der jüngsten Linsengrube, die v. KÖLLIKER beobachtete, war der Boden noch »vollkommen glatt, ohne Spur einer Auflagerung oder Hervor- ragung«. Auf dem Boden der nächstälteren Grube fand sich die zuerst von KESSLER genauer beschriebene, aber offenbar schon von ARNOLD und v. Minarkovics gesehene Zellmasse. Über das weitere Schicksal derselben theilt v. KÖLLIKER nichts mit. Die Unter- suchungen sind an Horizontalschnitten angestellt und die Bilder weichen daher von denen, welche KessLErR und ich gegeben haben, etwas ab. — Aus der Darstellung der weiteren Entwicklung hebe ich nur einige wichtigere Angaben heraus. So giebt v. KÖLLIKER ganz richtig an, dass sich »die Stelle, wo das Epithel der Linsen- kapsel in die eigentliche Linse sich umbiegt, im Laufe der Ent- wicklung von hinten nach vorn verrückt und bei jungen Linsen sanz hinten gelegen ist«. Über die Bildung der Linsensterne sagt v. KÖLLIKER: »Der spätere koncentrisch blätterige Bau kommt dadurch zu Stande, dass nach und nach die jungen, neu sich anlagernden Fasern der Oberfläche der Linse parallel sich krümmen und die erst gebildeten Fasern überwuchern, so dass zuletzt die fötale Linse zum Kerne des fertigen Organs wird. Hierbei tritt dann auch die Bildung der Linsensterne ‘ein, die unter der Voraussetzung, dass alle Linsenfasern eine gleiche Wachsthumsgröße besitzen und gleich lang sind, im Allgemeinen leicht verständlich ist, wenn auch. auf die Erklärung der besonderen Form der Sterne für einmal verzichtet werden muss.« In demselben Jahre (1879) gab van BAMBEKE? eine gute Be- schreibung des Auges eines etwa vier Wochen alten menschlichen Embryo. Von der Linse wird mitgetheilt, dass dieselbe ein kleines Bläschen darstellte, das mit dem Ektoderm noch durch einen breiten, kurzen Stiel in Verbindung stand. Die Höhle des Bläschens war mit einem körnigen Gerinnsel erfüllt, in dem sich spärliche Kerne befanden. In dem im Jahre 1880 erschienenen ersten Hefte der » Anatomie 1 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. 2 CH. VAN BAMBERE, Contribution & l’histoire du d&veloppement de l’oeil humain. Annales de la societe de Mödeceine de Gand. Voi. LVII. 1879. 32 Carl Rabl, menschlicher Embryonen« sagt Hıs! von der Linse eines 7,5 mm langen Embryo: »Die Linse ist mit dem Hornblatt durch einen ein- geschnürten Stiel verbunden und der Zugang zu ihrer Höhlung scheint noch nicht vollständig geschlossen zu sein.« Die leider nur bei zwanzigfacher Vergrößerung wiedergegebenen Schnitte scheinen die Angabe KessLer’s zu bestätigen, dass am Boden der Grube keine Zellen liegen. Bald darauf beschrieb v. KÖLLIKER? vier frühe Stadien der Linsenentwicklung des Menschen. Wie aus den Schnitten durch das Gehirn und die Augenblasen hervorgeht, waren die betreffenden Embryonen durchweg mehr oder weniger stark macerirt und ich hebe daher nur hervor, dass das jüngste Stadium eine weit offene Linsengrube zeigte, dass im folgenden das Linsenbläschen eben ab- geschnürt war, dass im dritten die Zellen der medialen Wand zu Fasern auszuwachsen begannen und dass im vierten die Höhle des Bläschens geschwunden war. Einige gute Bemerkungen über die Bildung des Linsensterns finden sich in der Dissertation RUBATTEL’s aus dem Jahre 18853. Dieselben lassen sich, der Hauptsache nach, mit meinen Ergebnissen leicht in Einklang bringen. Anders steht es mit seiner Ansicht über die Bildung der Kapsel, die er für ein Produkt des Mesoderms hält. In einem auf der Naturforscherversammlung in Berlin 1886 ge- haltenen Vortrage schloss sich GoTTscHAU*! auf Grund seiner Präpa- rate von der Linsenentwicklung des Kaninchens, Rindes, Schafes und Schweines der Darstellung ARnoLD’s und MIHALKOVICS’ an. Mehrere der in den letzten Jahren erschienenen Lehrbücher der Entwieklungsgeschichte bringen mehr oder weniger brauchbare Ori- ginalzeichnungen von der Entwicklung der Säugethierlinse, so Minor, OÖ. ScHULTZE® und J. KoLLMANN’. Zu den besten Zeichnungen, die ı W. Hıs, Anatomie menschlicher Embryonen. I. Leipzig 1880. p. 49. 2 A. KÖLLIKER, Zur Entwicklung des Auges und Geruchsorgans mensch- licher Embryonen. Verh. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg. 1883. 3 R. RUBATTEL, Recherches sur le developpement du Cristallin chez ’homme et quelques animaux sup£erieurs. Diss. inaug. Geneve 1885. 4 GOTTSCHAU, Zur Entwicklung der Säugethierlinse. Anat. Anz. 1886. p.381. 5 CHARLES SEDGWICK MınoT, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Leipzig 1894. Fig. 408, 409 u. 412 vom Kaninchen. 6 0. SCHULTZE, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugethiere. Leipzig 1897. Fig. 242 vom Schaf, Fig. 243 vom Hund, Fig. 244 von der Maus; Fig. 252 von der Fledermaus. 7 J. KOLLMANN, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898. Fig. 343 u. 344 vom Menschen. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 93 in der Litteratur darüber vorliegen, gehören diejenigen im Lehrbuch der Augenheilkunde von E. Fuchs!; sie sind nach Präparaten HocH- STETTER'S angefertigt und beziehen sich auf die Entwicklung der Linse des Kaninchens. Das große, seiner ganzen Anlage nach recht sonderbare und von ganz unhaltbaren histogenetischen Ansichten ausgehende Handbuch der Histologie von RENnAUT? bringt u. A. ein Bild eines noch offenen Linsensäckehens eines »tr&s jeune embryon de Mouton<; so merkwürdig es klingen mag, so kann ich doch nicht umhin zu behaupten, dass die Zeichnung nicht die Linsenanlage eines Schafes, ja überhaupt nicht die eines Säugethieres, sondern die eines Vogels, wahrscheinlich eines Huhnes, zeigt. Mit dieser Annahme lässt sich der Text ganz wohl in Einklang bringen, nicht aber die Figurenerklärung. In der vor Kurzem erschienenen, schon oben erwähnten Abhand- lung über die Entwicklung der »Capsula perilentieularis« beschreibt CIRINCIONE?® theils nach eigenen Präparaten, theils nach solchen Hıs’ mehrere Linsengrübehen und Linsensäckchen des Kaninchens und des Menschen. Was die auf den Menschen bezüglichen Abbildungen betrifft, so erscheinen sie mir desshalb bemerkenswerth, weil sie die Linsengrube und das Linsenbläschen stets leer darstellen, was zwar mit der eitirten Angabe KEssLer’s, nicht aber mit meinen eigenen Befunden übereinstimmt. Endlich ist noch einer Dissertation HErr’s? zu gedenken, in welcher eine vortreffliche Beschreibung des Auges eines menschlichen Embryo aus der ersten Hälfte des zweiten Monats gegeben wird. Die Beschreibung der Linse stimmt in allen wesentlichen Punkten mit der von mir gegebenen überein. B. Bau. Die Formenmannigfaltigkeit der Säugethierlinsen ist zwar nicht so groß, wie die der Reptilien- und Vogellinsen, immer- hin aber größer, als man bisher angenommen zu haben scheint. Ich gebe vor Allem wieder eine Übersicht der untersuchten Arten: 1 ERNST Fuchs, Lehrbuch der Augenheilkunde. 6. Aufl. Leipzig u. Wien 1897. Fig. 68—72. | 2 J. RENAUT, Traite d’histologie pratique. Tome II. Paris 1899. Fig. 805. p. 1118. zue Eaf. Van. VI. 4 FRANZ HERR, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges. Diss. Berlin 1893. HERR schätzt das Alter des Embryo entschieden zu hoch, wenn er meint, er gehöre der 6. bis 7. Woche an; ich würde ihn an das Ende der 5. Woche stellen. 24 ; Carl Rabl, Perissodaetyla, Unpaarzeher. Equus caballus, Pferd. Pachydermata Sus scrofa dom., Schwein. Öervus capreolus, Reh. Rupicapra rupicapra, Gemse. Ruminantia . |Ovis aries, Schaf. Bos taurus, Rind. [Lepus timidus, Hase. Lepus eunieulus, Kaninchen. Caviacobaya, Meerschweinchen. N Mus rattus, Ratte. Mus musculus, Maus. | Seiurus vulgaris, Eichhörnchen. Insectivora, Insektenfresser . Talpa europaea, Maulwurf. Canis familiarıs, Haushund. Canis vulpes, Fuchs. Mustela martes, Edelmarder. Felis domestica, Hauskatze. Vesperugo noctula, frühflieg. Fledermaus. Vesperugo pipistrellus, Zwerg- fledermaus. Rhinolophus hipposideros, kleine Hufeisennase. Macacus rhesus, Bunder oder Rhesus. Pitheci, Affen Inuus erythraeus, Magot. Cynocephalus babuin, Mantel- pavian. Artiodactyla, Paarzeher Rodentia, Nagethiere . Carnivora, Raubthiere Chiroptera, Fledermäuse Primates: 25: | Mensch Von den Linsen dieser Arten werde ich diejenigen der Fleder- mäuse und des Maulwurfs getrennt von den übrigen besprechen. Die untersuchten Linsen wurden der Mehrzahl nach in der gleichen Weise fixirt, wie die der Vögel und Reptilien. Eine Aus- nahme wurde nur bei den ganz kleinen Formen gemacht, bei denen sich diese Methode nicht gut in Anwendung bringen ließ. — Die Lin- sen des Menschen habe ich nicht selbst konservirt und sie wurden auch nicht in der von mir angegebenen Weise fixirt; ich kann daher nicht sagen, in wie weit sich die von denselben abgenommenen Maße mit denen der anderen Linsen vergleichen lassen. — Wenn man einen Zeitschrift f. wiss. Zoologie. LXVII. Bd. Zu Seite 25—27. . En N 4 r \ | er, | | Pextiis. 2. | Schwein. \ 1. / \ / N 2 Nexus: N Reh. \ ; „7 mw N DR wa 7: N “ N Texte. /E Meerschweinchen. / = EEE un Textfig. 1. / | Pferd. \ ae | | | | t \ | | | Textfig. 10. \ / Maus. Textfig. Al. \ j Eichhörnchen. N a a nn 22 SR S a ER SER re N Textfig. 4. NS & \ emse. S mu ee — nn Textfüg. 6. Textfig. 5. Rind. Schaf. Textfig. 8. Textfig. 13. Se Kaninchen. Fuchs. Textig. 7. Hase. Da 2 DS \ | a b x x Textfig. 14. \ Edelmarder. Textfig. 12 a und d. Hund. | ea b c N 7 Seziu ID a—. N en / | Textfig. 16. Textüg. 17. Textfig. 18. Textfig. 19. Inuus. Macacus. Pavian. Mensch. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 35 möglichst rein präparirten Bulbus, nachdem er je nach seiner Größe eine halbe bis eine ganze Stunde in der Fixirungsflüssigkeit gelegen hat, im Äquator durchschneidet und wieder in die Fixirungsflüssigkeit zurückbringt, so sieht man alsbald an der hinteren Fläche der Linse den Linsenstern deutlich werden. Dabei erscheint der Stern selbst hell, während sich seine Umgebung trübt. Wenn die Trübung weiter- schreitet, wird der Stern wieder undeutlich oder kann selbst ganz unsichtbar werden. Der sogenannte Kern der Linse trübt sich zu- weilen überhaupt nicht; es scheint dies bei den Linsen älterer Thiere der Fall zu sein. — Manchmal kommt es vor, dass eine Linse bei der Fixirung oder bei der Übertragung in Alkohol in den Nähten berstet; dies geschieht viel häufiger hinten als vorn. Bei einiger Aufmerksamkeit und Übung lässt sich aber dieses Bersten gewöhnlich vermeiden. Was die allgemeinen Formverhältnisse der Säugethierlinse betrifft, so bemerke ich Folgendes. | Die Linse des Pferdes (Textfig. 1) ist vorn sehr flach, hinten stark gewölbt; der Äquator ist in Folge der großen Wölbungsdifferenz der beiden Flächen deutlich markirt. Die durch ihn gelegte Ebene schneidet die Achse der Linse ziemlich genau zwischen ihrem äußeren und mittleren Drittel; der Durchschnittspunkt liegt also weit vor dem Centrum der Linse. Beim Schwein (Textfig. 2) ist zwar gleichfalls die hintere Fläche stärker gewölbt, als die vordere, aber der Unterschied ist doch sehr viel geringer als beim Pferd. In Folge dessen markirt sich auch der Äquator weniger scharf; jedenfalls aber schneidet auch hier die Äquatorialebene die Achse der Linse vor ihrer Mitte. Unter den Wiederkäuern lässt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Hausthieren (Schaf und Rind) und den jagdbaren Thieren (Reh und Gemse) konstatiren. Beim Reh (Textfig. 3) ist der Unterschied zwischen den beiden Flächen ähnlich wie beim Pferd; der Äquator erscheint daher wieder als eine Art Leiste und die Äquatorialebene schneidet die Achse weit vor dem Centrum der Linse. Bei der Gemse (Textfig. 4) sind sowohl vordere, als hintere Fläche — diese wenigstens in der Umgebung des hinteren Poles — stark abgeflacht. Im Ganzen ist aber auch hier die hintere Fläche stärker gewölbt, als die vordere. Am Äquator ist die Linse abge- rundet, so dass es sich nicht genau sagen lässt, wohin er zu ver- legen ist. Auf alle Fälle aber schneidet auch hier die Äquatorial- ebene die Achse vor ihrer Mitte. Beim Schaf (Textfig. 5) und Rind (Textfig. 6) ist zwar auch der Krümmungsradius der vorderen Fläche 96 Carl Rabl, srößer, als der der hinteren, aber doch ist namentlich die vordere Fläche viel stärker gewölbt, als beim Reh und der Gemse. Der Äquator ist weder beim Schaf noch beim Rind deutlich markirt, sicher aber geht die Äquatorialebene in beiden Fällen durch die vordere Hälfte der Linse. Bei den Nagern treffen wir sehr mannigfache Linsenformen. Beim Hasen (Textfig. 7) und Kaninchen (Textfig. 8) ist die Wölbung der vorderen Fläche gewöhnlich eine ziemlich geringe, der Äquator ist leidlich gut markirt und die Äquatorialebene schneidet die Linsen- achse vor ihrer Mitte. Beim Meerschweinchen (Textfig. 9) sind beide Flächen, wenigstens in der Umgebung der Pole, stark abgeflacht, die Wölbung nimmt aber gegen den Äquator erheblich zu. Die Äquatorialebene fällt in die vordere Hälfte der Linse. Bei der Ratte und der Maus (Textfig. 10) ist die Linse mehr kugelig, der Krüm- mungsunterschied der beiden Flächen also gering. Dem entsprechend lässt sich auch die Lage des Äquators schwer mit Sicherheit angeben; die Äquatorialebene dürfte die Linsenachse knapp vor ihrer Mitte treffen. “Sehr merkwürdig ist die Linse des Eichhörnchens (Text- fig. 11) geformt. Sie erinnert etwas an die Linse des Rehes und noch mehr an die des Pferdes. Wie hier, ist der Unterschied der beiden Krümmungsradien ein sehr bedeutender; der Äquator bildet wieder eine Art Leiste und die Äquatorialebene schneidet die Achse etwa an der Grenze zwischen erstem und zweitem Viertel. Ich habe eine srößere Zahl von Eichhörnchenlinsen untersucht und bei allen genau dieselbe merkwürdige Form gefunden; nur in Beziehung auf die Größe bestanden Unterschiede; vermuthlich gehörten sie verschieden sroßen oder verschieden alten Thieren an. Auch die Linsen der Carnivoren bieten manche Eigenthümlich- keiten. Das gewöhnliche Verhalten scheint das zu sein, dass die vordere Fläche stärker gewölbt ist, als die hintere, und zwar scheint der Wölbungsunterschied meistens ein recht beträchtlicher zu sein. Dies sieht man beim Hunde (Textfig. 12«), dem Fuchs (Textfig. 13) und der Katze (Textfig. 15 a«—c), und zwar sowohl bei jungen, als alten Thieren. Der Äquator ist überall leidlich gut markirt und die Äquatorialebene schneidet die Achse etwas hinter ihrer Mitte. Einmal habe ich aber bei einem Hunde Linsen getroffen, welche vorn schwächer gekrümmt waren, als hinten (Textfig. 122). Was die Linsen des Edelmarders (Textfig. 14) betrifft, so kann ich über die Form’nichts ganz Bestimm- tes aussagen, da dieselbe bei der Fixirung etwas gelitten hatte. Die Linsen der drei untersuchten Affenspecies zeigten sämmtlich Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 37 einen sehr auffallenden Wölbungsunterschied der beiden Flächen; alle waren vorn viel flacher, als hinten. Der Äquator war überall deutlich markirt und die Äquatorialebene traf die Achse vor ihrer Mitte. An den beiden Linsen eines Inuus (Textfig. 16) war hinter dem Äquator eine seichte ringförmige Furche vorhanden; eine An- deutung einer solchen fand sich auch an den Linsen des Macacus (Textfig. 17); beim Pavian aber (Textfig. 18) war die hintere Fläche überall gleichmäßig gewölbt. Was den Menschen betrifft, so ist bekannt, dass auch bei ihm die vordere Linsenwölbung geringer ist, als die hintere, dass der Äquator ziemlich gut markirt ist und die Äquatorialebene die Achse vor ihrer Mitte schneidet. Diejenige Linse, welche mir in ihrer Form am besten erhalten zu sein schien, habe ich in Textfig. 19 abgebildet. Sie stammt von einem 25jährigen Mann und war mit doppeltehromsaurem Kalium und Osmiumsäure fixirt. An allen menschlichen Linsen, welche ich untersuchte, und eben so auch an den Linsen der Affen war noch eine andere sehr merk- Textfig. 20. Textfig. 21. Vom hinteren Linsenpol. Vom Äguator. würdige Eigenthümlichkeit zu sehen, die von Wichtigkeit ist. Der Äquator war nicht glatt, sondern zeigte eine große Zahl meridional gestellter, leistenartiger Erhebungen von nicht ganz gleicher Höhe und Breite. Die Zahl derselben dürfte ungefähr der Zahl der Ciliar- fortsätze entsprechen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, 28 Carl Rabl, dass diese äquatorialen Leisten dem Ansatz der Zonulafasern ihre Entstehung verdanken. Die obenstehenden Figuren geben ein an- schauliches Bild dieser Leisten in der Ansicht vom hinteren Linsen- pol (Textfig. 20) und vom Äquator (Textfig. 21). Übrigens ist die Beziehung der Zonulafasern zu diesen Leisten des Linsenäquators noch im Detail zu untersuchen. Dabei werden hauptsächlich die Bilder in Frage zu kommen haben, welche man von Äquatorialschnitten durch den Ciliarkörper, die Zonula und die Linse erhält. Solche Schnitte zeigen ganz merkwürdige und, wie mir scheint, noch nicht genügend bekannte Verhältnisse.- Man sieht nämlich, dass stets zwei Bündel von Zonulafasern einen Ciliarfort- satz zwischen sich fassen, und dass sie in ihrem Zuge gegen die Linse schließlich pinselförmig aus einander weichen. Man überzeugt ‘sich leicht, dass die in den meisten Lehr- und Handbüchern ver- breitete Angabe, dass ein Theil der Zonulafasern von den Spitzen der Ciliarfortsätze entspringe, dem thatsächlichen Verhalten nicht ent- spricht. Ja, ich möchte es überhaupt bezweifeln, dass jemals eine . Zonulafaser von einem Ciliarfortsatze ihren Ursprung nehme. Höch- stens ganz tief unten an der Basis können einige Fasern entspringen. Zur Entscheidung dieser Frage sind Meridionalschnitte ganz unge- eignet. — Das Hauptursprungsgebiet der Zonulafasern liest zweifel- los in einer Zone, welche unmittelbar vor der Ora serrata gelegen ist; von dieser Zone erstreckt sich das Gebiet in den Thälern zwi- schen den Ciliarfortsätzen nach vorn. In Beziehung auf die histologische Bedeutung der Zonulafasern schließe ich mich an SCHOEN! an, wenigstens in so fern als er einen Theil der Fasern von den Zellen der Pars ciliaris retinae ausgehen lässt. Vom genetischen Standpunkte aus haben wir die dem Glas- körper zugewendete Seite der Zellen der inneren Lamelle der Pars ciliaris retinae als die basale Seite zu betrachten, und demgemäß müssen wir die Zonulafasern als basale Ausläufer dieser Zellen auffassen. Sie sind also der Retina im weiteren Sinne des Wortes zuzurechnen. Aber nicht bloß die Zonula, sondern auch den Glas- körper sehe ich für eine Bildung an, welche genetisch mit der Re- tina zusammengehört. Man sehe sich nur einmal die Stelle an, wo beim Embryo der Glaskörper zur Entwicklung kommt. Überall ent- spricht diese dem Übergang der Pars optica retinae in die Pars caeca. Hier tritt, wie in den früheren Kapiteln wiederholt betont 1 W. SCHOEN, Zonula und Ora serrata. Anat. Anz. Bd. X. Nr. 11. Jan. 1895. p, 360364. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 39 worden ist, der Glaskörper zuerst in die Erscheinung, und von hier breitet er sich weiter aus. In diesem Raum sind aber bei allen niederen Wirbelthieren bis zu den Säugethieren hinauf gar keine Mesodermzellen gelegen, welche den Glaskörper bilden könnten. Nur hinsichtlich der Säugethiere könnte man durch die zahlreichen, viel- leicht von etwas Bindegewebe begleiteten Gefäße, welche sich zwi- schen Linse und Augenblase eindrängen, in Versuchung geführt werden, an einen mesodermalen Ursprung des Glaskörpers zu den- ken; aber die Verhältnisse, die hier vorliegen, sind rein sekundärer Natur, sie finden ihre Erklärung lediglich in dem außerordentlichen Wachsthum der Säugethierlinse, aber sie haben nichts mit der Bil- dung des Glaskörpers zu thun. Retina, Zonula und Glaskörper sind rein ektodermale Bildungen und gehören genetisch innig zusammen. Mit dieser Auffassung stimmt auch das inter- essante Bild überein, das unlängst Rerzıus! von der Faserung des Glaskörpers des Frosches gegeben hat. — Ich setze mich durch meine histogenetische Auffassung des Glaskörpers in Widerspruch mit der bisherigen Lehrmeinung. Nur TORNAToLA? hat kürzlich eine ähnliche Auffassung geäußert; mag auch seine Darstellung, die ich nur aus dem Referate in ScHwALBE’s Jahresberichten kenne, wenig vertrauenerweckend sein, so trifft sie, wie mir scheint, in der Haupt- sache doch das Richtige. — Ich hoffe, auf diesen Gegenstand noch in einer späteren Arbeit zurückkommen zu können. Ich habe versucht, von einigen Linsen die Krümmungsradien der beiden Flächen zu berechnen und habe dabei u. A. folgende Werthe gefunden. Bei der Linse eines Schweines betrug der Krümmungs- radius der vorderen Fläche 5,62, der der hinteren 5,00 mm; an einer zweiten Schweinelinse fand ich viel größere Werthe, nämlich 6,37, bezw. 5,25 mm. Bei der Linse eines Schafes betrug der Krümmungs- radius der vorderen Fläche 8,79, der der hinteren 8,09 mm. Bei der Linse eines Rindes betrugen die beiden Maße 11,91, bezw. 10,22 mm; bei einer zweiten Linse 11,77, bezw. 10,33 mm; bei einer dritten 10,87, bezw. 9,77 mm. Bei einer der beiden untersuchten Inuus- linsen betrug der Krümmungsradius der vorderen Fläche 4,77, der ! G. Rerzıus, Über den Bau des Glaskörpers und der Zonula Zinnii in dem Auge des Menschen und einiger Thiere. Biologische Untersuchungen. Neue ‚Eolge. VI. Taf. XXX1lJ, Fig. 10. ? TORNATOLA, Origine et nature du corps vitre. Resum& de la communi- cation faite au XII. congres internat. de med. de Moscou. Rev. gener. d’Ophthalm. XIV ann. Referirt von H. VIıRcHoW in SchwAupge’s Jahresberichten für das Jahr 1897. Neue Folge. Bd. III. 1898. 30 | Carl Rabl, der hinteren 3,87 mm; bei der anderen 4,97, bezw. 3,75 mm. Bei der abgebildeten menschlichen Linse fand ich für die vordere Linsen- fläche einen Krümmungsradius von 5,31, für die hintere von 5,07 mm. Ich habe aber diese Berechnungen nicht weiter fortgesetzt, weil sie doch nur einen sehr fraglichen Werth besitzen. Die Linse ist eben ein in ihrer Form sehr veränderlicher Körper und die Maße, die wir von der gehärteten Linse abnehmen, beziehen sich immer nur auf eine ganz bestimmte Form, nämlich auf jene, welche sie bei der be- treffenden Methode der Fixirung und Konservirung gerade annimmt. Diese Form weicht vielleicht eben so sehr von jener ab, welche die Linse bei vollständig entspannter Zonula besitzt, wie von jener, welche sie bei ad maximum angespannter Zonula annimmt. Daher kann es z. B. auch nicht als ein Beobachtungsfehler angesehen wer- den, wenn die von mir angegebenen Werthe für die Krümmungs- radien der menschlichen Linse hinter den von v. HELMHOoLTz u. A. für die lebende Linse berechneten weit zurückbleiben. Aber noch ein anderer Umstand erschwert die Berechnung der 'Krümmungsradien nach fixirten Linsen. Die beiden Flächen stellen nämlich, wenn überhaupt, nur in den seltensten Fällen reine Kugel- sesmente dar, sie sind durchaus nicht immer nach einem einzigen, einheitlichen Krümmungsradius gewölbt, sondern dieser ändert sich fortwährend vom Pol gegen den Äquator. Dies kann ich allerdings mit Sicherheit nur von den fixirten Linsen sagen; aber ich halte es für wahrscheinlich, dass es bis zu einem gewissen Grade auch für die Linsen der lebenden Thiere gilt. Bekanntlich besitzen alle Säugethierlinsen, so weit sie unter- sucht sind, Nähte. Diese haben aber nur bei den Leporiden, dem Hasen und Kaninchen, eine einfach lineare Form; bei allen anderen sind mehr oder weniger komplieirte Linsensterne vorhanden. Nicht bloß die Thatsache, dass wir bei den niederen Wirbelthieren, so weit überhaupt Linsennähte vorkommen, nur einfache lineare Nähte an- treffen, sondern auch der Umstand, dass jene Säugethiere, welche, wie das Schwein, im entwickelten Zustande dreistrahlige Linsen- sterne besitzen, in frühen embryonalen Stadien einfache lineare Nähte aufweisen, zwingt uns zu der Annahme, dass diese die ur- sprüngliche Form darstellen, von welcher sich die I u als eine sekundäre Form len Es wird angegeben, dass beim Kaninchen die hintere Naht hori- zontal, die vordere vertikal stehe. Ganz genau trifft dies nicht zu, indem die hintere Naht schief von vorn und oben nach hinten und Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 31 unten, die vordere von hinten und oben nach vorn und unten zieht. Jedoch ist der Winkel, den die hintere Naht mit dem horizontalen, die vordere mit dem vertikalen Meridian einschließt, nur ein ganz kleiner; er dürfte kaum mehr als 20° betragen. Übrigens wird eine genaue Bestimmung der Lage der Nähte oft dadurch erschwert, dass dieselben nicht immer gerade Linien vorstellen, sondern mehrfach winkelig abgeknickt oder wellenförmig gebogen oder selbst sichel- förmig erscheinen können; ja es kann vorkommen, dass sie aus zwei Schenkeln bestehen, welche in einem stumpfen, abgerundeten Winkel in einander übergehen. Von den dreistrahligen Linsensternen wird angegeben, dass an der hinteren Fläche ein Strahl senkrecht nach unten, einer nach vorn und oben und der dritte nach hinten und oben verlaufe. Ich habe nur beim Hund die Lage der Sterne bestimmt und gefunden, dass der untere: Strahl nicht genau vertikal steht, sondern etwas nach vorn gerichtet ist. Dem entsprechend war der vordere obere Strahl steiler gestellt als der hintere obere. — Bekanntlich schließen die drei Strahlen mit einander Winkel von je 120° ein, und der Stern der vorderen Fläche ist gegen den der hinteren um 60° gedreht. Dies trifft gewiss in der Mehrzahl der Fälle zu, und oft genug begegnet man Linsensternen von außerordentlicher Regelmäßigkeit und Schön- heit. Aber es kann auch vorkommen, dass die Winkel, welche die Strahlen mit einander einschließen, nicht gleich groß, dass die Strah- len nicht gleich lang sind, dass sie nicht gerade verlaufen, dass sich ein Strahl spaltet, und dass endlich statt eines dreistrahligen Sternes ein vierstrahliger erscheint. Zuweilen stimmen sogar die beiden Linsen eines und desselben Thieres nicht mit einander überein. Meine Beobachtungen am Schwein lassen den Schluss zu, dass von den drei Strahlen der hinteren Linsennaht die beiden oberen zu- sammen der hinteren Linsennaht des Kaninchens und also auch der niederen Wirbelthiere, so weit hier Linsennähte vorkommen, entsprechen. Beim menschlichen Fötus und Neugeborenen besitzt die Linse be- kanntlich dreistrahlige Sterne; beim Erwachsenen sollen sechs- und neunstrahlige vorkommen. Einen sechsstrahligen habe ich selbst nicht beobachtet, will aber sein Vorkommen nicht in Abrede stellen; da- gegen habe ich sehr schöne neunstrahlige Sterne gesehen. Die Strah- len vereinigen sich am hinteren und ähnlich auch am vorderen Linsen- pol und ihrer Umgebung (vgl. Textfig. 20). Die Strahlen sind nicht geradlinig, sondern zeigen ziekzackförmige Knieckungen, und das ganze Bild erinnert sehr an das von Blitzfiguren. 32 | Carl Rabl, Ich lasse nun wieder eine Zusammenstellung der Durchmesser der Linsen und der aus denselben berechneten Indices folgen: Aquatorialdurchm. Achse in Inder in mm mm „Kguus caballus 2.2... ..2,.2044 12,28 1,64 Sus serefa dom a. - - 22.1000 7,62 1,31 es en 1,28 Cervus capreolus a. . . . 14,68 10,31 1,42 » > Die wine al 10,37 1,41 Rupicapra rupicapra . . . 14,21 8,82 1,61 Oyis aries ae ne de 12,44 1,25 ie ee a 12,04 1,28 Bos taurus.e.... 2.0.2... 2 1955 14,60 1,33 ee. ee es 14,38 1,29 eo 14,76 1,29 Lepus; timidus a ..02 2 2... 1415 10,78 1,31 : ee aa 9,37 1,42 Lepus euniculus 2.2.2.2 1189 813 1,35 Caviascobayan ı 2202002020955 3,84 1,44 Mus, museulus. .....=. .2.2,49 2,00 1,24 Sciurus vulgaris «@ 3,0 4,23 1,30 ; ae 5,23 4,03 1,29 > » Go . . . 9,07 3,66 1,39 \ en en 3,40 1,43 Canis familiaris «a 10,60 7,13 1,48 ; : b.:M . 109 7,69 1,42 Canıs sulpesey 22 2... 01.45 7,75 1,47 Mustela martes , 27.2.2661 4,30 1,93 Felis domestiea, jung . . . 10,37 6,83 1,52 > > erwachsen « 10,56 7,50 1,40 ; 3 > b 11,59 8,18 1,411 ; ; 5 c 13,25 8,93 1,48 Macaeus.rhesus .., ......072 4,67 1465 Inuuservthraens ao, 2)... 588 5,07 1,54 s 08 5,42 1,48 Cynocephalus babuin . . . 7,84 4,88 1,40 Mensch, erwachsen a . . . 7,58 an 1,56 » » Da CLN) 4,69 1,70 Die aus den beiden Durchmessern berechneten Indices beziehen sich natürlich nur auf jene Form der Linse, welche diese bei der Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 33 Fixirung annimmt. Dasselbe gilt auch für die beiden Durchmesser selbst. Index und Durchmesser müssen sich bei der Accommodation fortwährend ändern und es wäre daher von Wichtigkeit, die extrem- sten Werthe für dieselben kennen zu lernen. Die Zahlen, welche in der vorstehenden Tabelle mitgetheilt sind, besitzen also nur einen relativen Werth; trotzdem konnte ich mich nicht entschließen, auf eine Mittheilung derselben ganz zu verzichten. Im höchsten Grade auffallend ist die außerordentliche Ver- schiedenheit der relativen Größe der Linsen. Die relativ größten Linsen dürften wohl auch unter den Säugethieren die nächtlichen Formen, wie die Ratte und die Maus, besitzen. Ihre Linsen sind nicht bloß groß im Verhältnis zur Größe des Auges, dessen verfüg- baren Raum sie fast ganz erfüllen, sondern auch groß im Verhältnis zur Größe des ganzen Thieres. Relativ große Linsen besitzen auch der Hase und das Kaninchen, Linsen, deren Aquatorialdurchmesser beträchtlich größer ist, als z. B. der der Linsen des Schweines. Auch die Linsen der Carnivoren zeichnen sich durch eine sehr erhebliche Größe aus. Die Katze z. B. besitzt eine Linse, deren Aquatorial- durchmesser den der Linse des Schweines übertrifft. Die relativ kleinsten Linsen besitzen die Primaten und unter ihnen wieder die kleinsten der Mensch. Seine Linsen sind absolut und um so mehr . relativ kleiner, als die der Katze oder des Kaninchens, kleiner als die des Schweines, kaum halb so groß, als die des Schafes oder des Rehes. Zugleich sind, wie schon oft hervorgehoben wurde, die Linsen des Menschen die flachsten von allen; es giebt ja immerhin Säuge- thierlinsen, die vorn noch mehr abgeflacht sind, als sie, aber nirgends ist die Wölbung beider Flächen so gering, wie bei ihnen. Ich wende mich nun wieder zur Beschreibung des feineren Baues. Was das Epithel betrifft, so kann man in das gröbere Verhalten desselben schon makroskopisch einen Einblick gewinnen. Wenn man nämlich eine Linse, nachdem sie von den Glaskörperresten gereinigt ist und die Zonulafasern möglichst entfernt sind, in alkoholischem Boraxkarmin färbt und dann den überschüssigen Farbstoff mit salz- saurem Alkohol gut extrahirt, so erkennt man schon mit freiem Auge, wie weit das Epithel reicht. Die ganze Vorderfläche einer solchen Linse erscheint intensiv roth gefärbt, wobei die Intensität der Färbung gegen den Äquator zunimmt; vielleicht ist es richtiger, zu sagen, am Äquator befindet sich eine, je nach der Größe der Linse verschieden breite Zone von besonders dunkler Farbe, welche nach Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Ba. 3 94 Carl Rabl, vorn keine scharfe Grenze hat, sondern ganz allmählich an Intensität verliert, während sie nach hinten mit einem scharfen Rande endigt. Dieser Rand ist die Epithelgrenze. Dieselbe entspricht bei allen Linsen, mögen sie so flach sein, wie die des Menschen, oder so kugelig, wie die der Maus oder der Ratte, mag der Krümmungs- unterschied der beiden Flächen ein großer oder ein geringer sein, - ziemlich genau dem Äquator. Aber nicht bloß in diesen allgemeineren Verhältnissen zeigt das Linsenepithel eine große Übereinstimmung bei allen Säugethieren, sondern auch im feineren Bau. Überall ist es in der Mitte der Vorderfläche am dünnsten, unmittelbar vor der Epithelgrenze am dieksten. Wenn auch die Dickenzunahme ganz allmählich erfolgt, so wird sie doch erst in einiger Entfernung vom Äquator erheblicher, so dass also die Zone, innerhalb welcher das Epithel ein kubisches oder cylindrisches ist, keine sehr große Breite besitzt. Mit diesen Eigen- thümlichkeiten hängt auch das Bild zusammen, welches man bei der Untersuchung ganzer, in der angegebenen Weise gefärbter Linsen erhält. Im Einzelnen ergeben sich zwischen den verschiedenen von mir untersuchten Arten Differenzen, die ich zunächst nach den Bildern, welche man auf Meridionalschritten erhält, kurz beschreiben will. Beim Pferd ist das Epithel fast an der ganzen Vorderfläche ungemein flach und seine Kerne sind hier durch große Abstände von einander getrennt. Erst gegen den Äquator werden die Zellen höher, nehmen kubische Formen an und ihre Kerne runden sich ab und rücken gegen die Linsenfaserseite des Epithels. Unmittelbar vor der Epithelgrenze sind die Zellen etwa fünfmal so hoch, als in der Um- gebung des vorderen. Linsenpoles. Viel geringer ist diese Differenz beim Schwein; das Epithel ist zwar in der Nähe der Epithelgrenze ungefähr von der gleichen Höhe, wie beim Pferd, in der Mitte der Vorderfläche aber ist es mehr als doppelt so hoch, als bei diesem. Damit hängt auch der Umstand zu- sammen, dass hier die Kerne nicht so abgeplattet sind, wie beim Pferd, und dass sie viel dichter neben einander stehen. In den kubischen Zellen der Äquatorialzone liegen sie wieder der Linsen- faserseite benachbart. Diese Seite haben wir, wie aus der Entwick- lung hervorgeht, als freie, die entgegengesetzte, der Kapsel zugewen- dete, als basale zu betrachten. Die Lage der Kerne in der Nähe des freien Endes der Zellen wiederholt sich bei allen untersuchten Formen in wesentlich derselben Weise und ich werde daher in der Folge dieses Verhaltens nicht mehr speciell Erwähnung thun. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 35 Bei den Wiederkäuern ist zwar das Epithel an der Vorderfläche nur um ein Geringes niedriger als beim Schwein, die Kerne sind aber doch durch viel größere Zwischenräume von einander getrennt; die Zellareale sind also größer. In der Nähe der Epithelgrenze sind die Zellen beim Schaf, Rind und Reh etwa doppelt und bei der Gemse fast dreimal so hoch als am vorderen Linsenpol. Unter den Nagern treffen wir verschiedene Zustände. Beim Hasen ist das Epithel sowohl in der Mitte der Vorderfläche, als am Äquator etwas dünner, als beim Kaninchen. Bei beiden ist es hier etwa dreimal so diek als dort. Größer ist die Differenz beim Meer- schweinchen, indem es am Äquator etwa viermal so dick ist, als in der Umgebung des vorderen Linsenpols. Ganz ähnlich verhalten sich auch die Ratte und die Maus. Nur ist das Epithel sowohl vorn, als am Äquator absolut niedriger. Relativ hoch ist das Epithel an der gan- zen vorderen Linsenfläche beim Eichhörnchen; es ist hier so hoch, wie ich es sonst nur beim Schwein gefunden habe. Die Kerne sind daher auch nicht so plattgedrückt wie sonst, sondern erscheinen mehr kugelig oder oval. Die Abstände zwischen denselben sind gering. Am Aquator sind die Zellen kaum doppelt so hoch als am vorderen Linsenpol. Bei den Carnivoren ist das Epithel fast an der ganzen Vorder- fläche außerordentlich niedrig, niedriger als bei den Wiederkäuern und den meisten Nagern; am Äquator ist es vier- bis sechsmal so hoch, als in der Mitte der Vorderfläche. Am größten scheint diese Differenz beim Hunde zu sein. Bei den Primaten ist das Epithel vorn gewöhnlich etwas dicker, als bei den Carnivoren, aber dünner, als bei den Wiederkäuern; am dünnsten scheint es beim Menschen zu sein. Am Äquator besitzt es überall die drei- bis vierfache Höhe. Ich gebe eine tabellarische Übersicht meiner Messungen der Epitheldicke: Dieke des Epithelsin Millimetern vord. Pol | Aquator vord. Pol | Äquator Pferd 0,008 | 0,015 Eichhörnchen 0,007 | 0,0125 Schwein 0,007 0,015 | Hund,kleineRasse | 0,002 0,0125 Reh 0,006 0,01 » mittelgr. » | 0,002 0,0125 Gemse 0,006 0,017 » große » 0,003 0,0135 Schaf 0,006 | 0,01 Fuchs 0,002 | 0,01 Rind 0,006 0,01 Marder 0,003 | 0,013 Hase 0,003 0,01 Katze 0,003 | 0,01 Kaninchen 0,005 0,013 || Macacus 0,004 | 0,012 Meerschweinchen 0,004 0,016 ‚‚,Inuus 0,003 | 0,012 Ratte 0,0025 ı 0,01 Cynocephalus 0,004 | 0,008?) Maus 0,005 Mensch 0,0025 | 0,009 | 3#+ 36 Carl Rabl, Einen weiteren Einblick in den Bau des Epithels, namentlich, was die Anordnung der Zellen betrifft, erhält man bei der Unter- suchung abgelöster Epithelfetzen. Präparate davon sind leicht an- zufertigen; man braucht nur eine gut fixirte und gehärtete Linse auf kurze Zeit aus Alkohol in Wasser zu bringen, so gelingt es gewöhnlich sehr leicht, das Epithel sammt der Kapsel in großen zusammenhän- - genden Stücken abzuziehen. Es empfiehlt sich, zuvor die Zonulafasern so viel als möglich zu entfernen, da dieselben sonst gerade den- jenigen Theil des Epithels bedecken, auf dessen Untersuchung es in erster Linie ankommt. | An solchen Epithelfetzen grenzen sich die einzelnen Zellen mei- stens durch recht deutliche, zuweilen durch außerordentlich scharfe Linien von einander ab. Man überzeugt sich leicht, dass die Größe der Zellareale von der Mitte der Vorderfläche gegen den Äquator konstant abnimmt; sie nimmt also in derselben Richtung ab, in welcher die Höhe der Zellen zunimmt. — Die Kerne erscheinen in der Mitte der Vorderfläche an gefärbten Präparaten heller, als in der Nähe des Äqua- tors, ein Umstand, der sich einfach daraus erklärt, dass man dortin der Richtung des kürzeren, hier in der Richtung des längeren Durchmessers durch dieselben blickt. Sie enthalten ein ungemein zartes Chromatin- gerüst, in welchem sich ein oder mehrere nucleolenartige Bildungen finden. Es ist sehr auffallend, dass die Kerne, wenn überhaupt, so nur in den seltensten Fällen genau in der Mitte der Zellareale liegen; weitaus in der Mehrzahl der Fälle haben sie eine excentrische Lage und manchmal liegen sie dicht an der Grenze der betreffenden Areale. Diese Erscheinung ist mir ganz besonders am Linsenepithel des Rindes und Hundes aufgefallen, das sich zu solchen Untersuchungen in vor- züglicher Weise eignet. Eine bestimmte Anordnung lässt sich an den Zellen der Vorder- fläche der Linse bis zum Äquator nicht erkennen; aber trotzdem scheinen mir gewisse Thatsachen dafür zu sprechen, dass auch hier die Anordnung der Zellen eine regelmäßige ist. Ich glaube dies vor Allem aus der Lage der Kerne innerhalb der Zellareale schließen zu müssen. Schon bei mäßiger Vergrößerung sieht man, dass die Kerne die Neigung haben, sich in bestimmter Weise zu gruppiren, so dass sie förmliche Nester bilden. — So wenig sicher aber auch die Regel- mäßigkeit in der Anordnung der Zellen hier ist, so entschieden tritt sie wieder an der Epithelgrenze hervor. Unmittelbar hinter der Streeke, in welcher die Zellen am dichtesten stehen, folgt wieder die Zone der meridionalen Reihen. Ich habe diese nirgends ver- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 37 misst, wo ich danach gesucht habe. Die schönsten Bilder habe ich vom Rind, Schwein, Hund und Eichhörnchen erhalten. Die Zone scheint nicht überall gleich breit zu sein; beim Schwein misst sie 0,26 mm, beim Rind mindestens 0,22 mm; etwas schmäler dürfte sie beim Hund, Kaninchen und Eichhörnchen sein. Sie grenzt sich nach hinten an abgezogenen Epithelfetzen durch eine gerade Linie ab, während sie nach vorn in das ungeordnete Epithel übergeht. Die Umordnung der Zellen erfolgt, wie bei allenWirbelthieren, sehr rasch. Die Breite der Zone hängt natürlich von der Länge der meri- dionalen Reihen und diese selbst wieder von der Zahl der Zellen ab, die sich zu einer Reihe an einander fügen. Die längsten Reihen scheinen die Ungulaten, das Schwein und Rind, zu besitzen; ich zähle hier in jeder Reihe 16 bis 20 Zellen; etwas kürzer scheinen sie bei den übrigen Säugethieren zu sein. Etwas Bestimmtes lässt sich aber meistens darüber desshalb nicht sagen, weil man nur selten eine sichere Gewähr dafür hat, dass beim Abziehen des Epithels auch wirklich die ganzen Reihen mitgegangen sind. Daher lässt sich ge- wöhnlich nur eine untere Grenze für die Zahl dieser Zellen angeben, keine obere. Wenn ich also finde, dass beim Hund, Kaninchen, Eichhörnchen und der Ratte acht bis zehn Zellen eine Reihe bilden, so soll damit nicht gesagt sein, dass diese Zahl nicht eine größere sein kann. Übrigens ist dies eine Frage von nebensächlicher Be- deutung; die Hauptsache ist, dass auch bei den Säugethieren die Zellen an der Epithelgrenze zu meridionalen Reihen geordnet sind. Am hinteren Ende dieser Reihen bilden sich die Zellen zu den Linsenfasern um und da diese Umbildung nicht plötzlich, sondern allmählich erfolgt, so liegt darin ein weiteres Moment, welches eine sichere Angabe über die Zahl der eine Reihe zusammensetzenden Zellen erschwert. Innerhalb der meridionalen Reihen sind äquatorialer und meri- dionaler Durchmesser der Zellen ungefähr gleich groß; in Folge dessen erinnern die Bilder mehr an die der Amphibien, als an die der Saurier. Auf Taf. IV, Fig. 2 u. 3 sind kleine Stücke von der Epithel-- srenze des Schweines (Fig. 2) und des Rindes (Fig. 3) abgebildet. Die Figuren sind aber kaum im Stande, den überwältigenden Ein- druck von Regelmäßigkeit wiederzugeben, welchen die Präparate selbst hervorbringen. Je größer nämlich die Zahl der meridionalen Reihen ist, die man überblickt, um so mehr treten die kleinen Un- regelmäßigkeiten, die sich innerhalb derselben finden, zurück. — Von ganz besonderem Interesse ist das Bild der Fig. 3, weil hier die 38 | Carl Rabl, Zellgrenzen sehr scharf hervortreten. In der untersten der sechs abgebildeten Reihen sind die Kerne innerhalb der Zellen nicht ganz gleichmäßig gelagert; die Mehrzahl liegt oben, eine geringe Zahl unten oder in der Mitte (in Beziehung auf die Orientirung der Figur). In den folgenden drei Reihen liegen die Kerne fast ausnahmslos an der unteren Seite, eben so auch in der obersten der sechs Reihen, _ während in der vorletzten einige Kerne eine abweichende Lage ein- nehmen. Beim Menschen scheinen die Reihen ziemlich kurz und nicht so regelmäßig zu sein, wie sonst; vielleicht gilt dies auch von den Affen. Ich habe im Linsenepithel jüngerer Thiere nach Theilungsfiguren gesucht und es hat sich dabei ergeben, dass solche nie in den meridio- nalen Reihen auftreten; dagegen trifft man sie in der Zone dicht ge- drängter Epithelzellen, also vor den meridionalen Reihen, nicht selten. Wenn auch meine Beobachtungen an Säugethieren in dieser Be- ziehung weit hinter jenen an Amphibien zurückstehen, so stimmen doch ihre Ergebnisse mit den dort gewonnenen überein. Die Ver- mehrung der meridionalen Reihen hat also auch bei den Säugethieren nicht in diesen selbst den Grund, sondern sie ist auf Rechnung der Theilungen und Verschiebungen zu setzen, welche in der vor den meridionalen Reihen gelegenen Epithelzone stattfinden. Am hinteren Ende der meridionalen Reihen bilden sich die Zellen zu Linsenfasern um. Die Art dieser Umbildung ist bei allen Arten und Ordnungen wesentlich dieselbe und nur in gewissen Details zeigen sich geringfügige Unterschiede. Ich habe einerseits um diese Unterschiede zu zeigen, andererseits um die principielle Überein- stimmung zur Anschauung zu bringen, auf Taf. IV, Fig. A—-8 fünf Fälle abgebildet. Die erste Figur (Fig. 4) zeigt uns die Linsenfaser- bildung beim Schaf. Die Zellgrenzen stellen sich am hinteren Ende der meridionalen Reihen schief und die Zellen selbst wachsen an ihrem unteren Ende in eine feine Spitze aus, die sich allmählich zu einem dünnen, bandförmigen Fortsatz verlängert, der sich unter dem entsprechenden Fortsatz der nächst vorderen Zelle nach vorn schiebt. Die äußeren Enden der Zellen erscheinen breit und auf dem Meri- dionalschnitt mehr oder weniger dreieckig oder kolbenförmig. Bald aber gleieht sich der Unterschied der beiden Enden der jungen Fasern aus und man findet, dass nun auch die vorderen Faserenden zu lang- sestreckten Kolben auswachsen. Die zweite Figur (Fig. 5) führt uns die Linsenfaserbildung der Gemse vor Augen. Sie ist namentlich desshalb interessant, weil sie Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 39 uns zeigt, wie groß nicht bloß die Zellen an der Epithelgrenze, son- dern wie dick auch die jungen Linsenfasern im Vergleich mit dem Schafe sind. In der Hauptsache zeigt aber das Bild eine volle Über- einstimmung mit dem vorigen. Wie bei diesem wenden sich auch hier die Kerne der jungen Linsenfasern in sehr geringer Entfernung von der Epithelgrenze in die Tiefe. Anders ist dies beim Eichhörnchen (Fig. 6), wo die Kerne der jungen Linsenfasern hinter der Epithelgrenze noch eine Strecke weit dicht unter der Kapsel liegen. Eine Mittelstellung nimmt in dieser Beziehung die Ratte (Fig. 7) ein, während Inuus (Fig. 8) in so fern einiges Interesse bietet, als die Zellgrenzen, wie es scheint, schon un- sefähr in der Mitte der meridionalen Reihen eine schiefe Stellung anzunehmen beginnen. Die Umbildung der Epithelzellen zu den Linsenfasern erfolgt aber auch hier in derselben Weise, wie bei den übrigen Formen. Ganz ähnliche Bilder, wie von Inuus, Macacus oder Cynocephalus erhält man auch von Meridionalschnitten durch die Linse des Menschen. In Anbetracht dieser weitgehenden Übereinstimmung in der Um- bildung der Epithelzellen zu den Linsenfasern ist es einigermaßen auffallend, dass sich die Kernzone bei den einzelnen Ordnungen und Arten nicht ganz gleich verhält. Bei allen Ungulaten, sowohl den _ Perissodaetylen, als den Artiodactylen, wendet sie sich, nachdem sie von der Epithelgrenze an nur eine ganz kurze Strecke nach hinten Sezogen ist, alsbald centralwärts. Ein Theil der Kerne zieht dabei nach vorn, ein anderer direkt nach innen, ein dritter nach hinten. Dabei ist mir mehrmals ein merkwürdig asymmetrisches Verhalten der Kernzone aufgefallen: Ein Meridionalschnitt durch eine Linse trifft natürlich die Kernzone zweimal; die beiden Bilder derselben entsprechen nun aber keineswegs immer einander, indem sich die Kernstraße auf dem einen nach vorn, auf dem andern nach hinten wenden kann. Am auffallendsten ist diese Asymmetrie der Kernzone - beim Schaf und Reh, aber auch beim Schwein habe ich einmal ganz ähnliche Bilder gesehen. Wie diese Asymmetrie zu erklären ist, kann ich nicht sagen; bei keinem der anderen ums u thiere war davon etwas zu sehen. Auch unter den Nagern zeigt die Kernzone nicht überall das gleiche Verhalten; beim Hasen und Kaninchen wendet sie sich, nach- dem sie von der Epithelgrenze an eine kurze Strecke unter der Kapsel nach hinten gezogen ist, nach innen und vorn; die Kernstraße ist dabei von ziemlich beträchtlicher Länge und Breite. Beim Meer- 40 Carl Rabl, schweinchen und Eichhörnchen zieht die Kernzone von der Epithel- grenze an fast direkt nach innen und nur wenig nach vorn und die Kerne zerstreuen sich sehr rasch. Bei der Ratte und Maus wenden sich die Kerne zuerst nach hinten, liegen dabei dicht unter der Kapsel und ziehen dann nach vorn und innen, um sich jedoch sehr bald zu zerstreuen. — Die untersuchten Carnivoren zeigen alle we- sentlich das gleiche Verhalten. Überall wendet sich die Kernzone, nachdem sie wieder eine Strecke weit von der Epithelgrenze an nach hinten gezogen ist, in einem spitzen Winkel nach vorn. Die Strecke von der Epithelgrenze bis zur Umbiegungsstelle der Kernzone ist beim Hund und der Katze länger, als beim Fuchs und Marder; zu- gleich ist die Kernstraße bei den beiden erstgenannten Arten von auffallender Länge, länger als ich sie sonst bei einem Säugethier an- getroffen habe. Bei allen untersuchten Primaten wendet sich die Kernzone bald hinter der Epithelgrenze nach innen und vorn. Dabei ist ganz be- sonders die Armuth an Kernen auffallend. Bei keinem Säugethier besteht die Kernzone aus einer so geringen Zahl von Kernen, wie bei den Primaten; die geringste Zahl habe ich bei Cynocephalus und dem Menschen gefunden; etwas größer, aber immer noch viel ge- ringer, als bei den anderen Säugethieren, war sie beim Inuus und Macacus. Von diesen beiden Arten habe ich aber nur jüngere Exem- plare untersucht, während der Cynocephalus erwachsen war. — Ich gehe nun wieder zur Beschreibung der Linsenfasern über. Wie in den Linsen aller anderen untersuchten Wirbelthiere, haben wir auch in denen der Säugethiere Centralfasern, Übergangs- fasern und Haupt- oder Grundfasern zu unterscheiden. Wie überall bauen auch bei ihnen die Hauptfasern weitaus den größten Theil der Linse auf. | Die Central- und Übergangsfasern kann ich nur nach den Bildern beschreiben, welche ich an Schnitten durch die Linse von Embryonen erhalten habe. Die Linsen der erwachsenen Thiere werden bei der Fixirung im Innern so spröde, dass es unmöglich ist, von den Cen- tral- und Übergangsfasern brauchbare Bilder zu bekommen. Wesent- lich anders als bei älteren Embryonen dürften diese Fasern aber wohl auch bei den erwachsenen Thieren nicht aussehen. Es wurde schon früher erwähnt, dass die centralsten Fasern, diejenigen, welche ich, weil sie der Achse am nächsten liegen, als Achsenfasern bezeichnet habe, Anfangs etwas länger und dünner sind, als später. Sowie sie dann kürzer und dicker werden, verlieren sie ihre glattrandigen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 41 Kontouren und erscheinen von mehr oder weniger wellenförmigen Linien begrenzt. Auf Taf. III, Fig. 5 sind solche Achsenfasern aus der Linse eines 101 mm langen Schweineembrye abgebildet. Zu dieser Zeit enthalten die Fasern noch Kerne; aber diese sind schon sehr klein, ihr Durchmesser beträgt höchstens 0,0025 mm, und sie erscheinen als ganz homogene Kugeln. Weiter nach außen werden die Kontouren der Fasern regelmäßiger und glatter. Wie schon er- wähnt, war dieses Stadium das letzte, in welehem ich in den central- sten Fasern noch Kerne nachweisen konnte; schon bei einem Embryo von 115 mm Länge waren sie spurlos verschwunden. Auf dem Äquatorialschnitt bieten die Centralfasern sehr mannig- fache Bilder. Weitaus der Mehrzahl nach stellen die Faserquerschnitte unregelmäßig sechseckige Felder von verschiedener Größe dar; aber es fehlen auch fünfeckige oder selbst viereckige Felder nicht. Zwischendurch trifft man stets auch einige Faserquerschnitte von sanz außerordentlicher Größe und mehr rundlicher Form. — Wenn auch die Fasern weder zu koncentrischen, noch zu radiären Lamel- len vereinigt sind, so lassen sie doch deutlich eine Centrirung gegen die Linsenachse erkennen; es gilt in dieser Beziehung von ihnen dasselbe, wie von den Centralfasern aller anderen Wirbelthiere. Die Centralfasermasse liegt bei Embryonen, bei welchen die Linse schon ganz die Form des entwickelten Organs besitzt, der Vorderfläche näher als der Hinterfläche. Ihr Durchmesser dürfte beim Schwein etwa 1,2 mm betragen, also größer sein als bei der Ente und dem Huhn. Die Übergangszone ist außerordentlich breit. Wenn es auch nicht möglich ist, dieselbe nach innen oder nach außen scharf abzugrenzen, so glaube ich doch nicht weit fehl zu gehen, wenn ich den Äqua- torialdurchmesser der gesammten, aus den Central- und Übergangs- fasern bestehenden Masse beim Schwein auf ungefähr 2,5 mm schätze. Die in Bildung begriffenen Radiärlamellen sind zunächst noch ganz unregelmäßig und machen auf Äquatorialschnitten den Eindruck, als ob sie vielfach durch einander geschoben wären. Man trifft in dieser Zone Theilungen und Intercalationen in auffallend großer Zahl; aber auch Verschmelzungen von Lamellen kommen nicht selten vor. Die Faserquerschnitte werden allmählich regelmäßiger und erscheinen im Allgemeinen kleiner als in der Centralfasermasse. Aber auch jetzt kommen ab und zu noch rundliche Faserquerschnitte von auffallen- der Größe zwischen den kleinen polygonalen Feldern vor. Kerne oder Kernreste habe ich schon bei älteren Embryonen in den Übergangs- fasern nicht mehr finden können, 42 Carl Rabl, So groß die Masse der Central- und Übergangsfasern in der Säuge- thierlinse ist, so wird sie doch von jener der Haupt- oder Grundfasern weit übertroffen. Ich gebe zunächst wieder eine Übersicht über die Zahl der Radiärlamellen bei den untersuchten Arten: Equus caballus ...... ca. 43500 Canis familiaris 2 | erwachsen, kleine Rasse Sus serofa domest. @.... .. 2503 (5920 & schwer) ... ... 2894 > > » De. 2122 erwachsen, mittelgr. Rasse Cervus capreolus ...... 3387 (9500 & schwer) ... . . 3190 Rupicapra rupicapra . .... . 3320 erwachsen, große Rasse Oyisraries no. or 3105 (20200 & schwer). ... . 3330 Bosstaurus‘. 0. 00. ca. 3950 °“ Canis vulpes 2 re 3168 | — Mustela martes . . 2 ca. 2070 Bepusıtmidus ar an 2816 Felis domestica » » Ve jung (41 cm lang von der Lepus cuniculus Schnanzebisz.Schwanz- sskase allem 2 2.008 1706 wurzel).. 2 ee 3209 erwachsen@a 2 09 2444 erwachsen ao rer 3623 erw. 5b links 2551, rechts 2569 erw. 5 links 3411, rechts 3411 Cavia cobaya Erw. ce... 00 ee 3531 links 1131, rechts 1123 — Mus raltusen. a. er 1273 Macacus rhesus, jung @ . . 1739 Mus musculus . 2.2.2 20.7 646 >» > mr 1184 Seiurus vulgaris a ..... 1332 Inuus erythraeus, jung... 1740 > » be BR. 1286 Cynocephalus babuin (8 kg San schwer) .... esse 1578 Canis familiaris Homo, 3 Monate alt .... 1474 jung, 1372 g schwer. . . 2236 erwachsen vo 2258 erwachsen, kleine Rasse 5 A 2 3111 (5220 &g schwer) .... . 2915 Mit Ausnahme der Gemse habe ich überall die Radiärlamellen im ganzen Umkreise der Linsen gezählt. Bei der Gemse war dies nicht durchführbar; ich konnte sie hier nur im halben Umkreise sicher zählen und habe daher das Doppelte der gefundenen Zahl als Gesammtzahl der Radiärlamellen angesetzt. Auch beim Marder war die Zählung nicht ganz sicher; die Linse war beim Einbetten im Bereiche des hinteren Linsensterns geborsten. Groß war aber der Fehler der Zählung gewiss nicht. Von allen anderen Zählungen darf ich sagen, dass sie vollkommen sicher und verlässlich sind. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 43 Ich habe, um mich davon zu überzeugen, in mehreren Fällen die Radiärlamellen einer Linse zwei und dreimal gezählt und dabei nur ganz geringfügige Differenzen bekommen. Wie gering diese Diffe- renzen waren, wie genau also die Zählungen sind, mag aus folgen- den Beispielen hervorgehen. An der Linse eines Meerschweinchens habe ich einmal 1123, ein zweites Mal 1122 Lamellen gezählt; an der anderen Linse desselben Thieres das eine Mal 1131, das andere Mal 1128. An der Linse eines dreimonatlichen Kindes habe ich bei einer Zählung 1474, bei einer zweiten 1477 Lamellen gezählt; an der Linse eines Erwachsenen fand ich das erste Mal 2246, das zweite Mal 2258 Lamellen. Nach diesen Beispielen kann die Genauigkeit der anderen Zählungen beurtheilt werden. Ich hebe dies desshalb hervor, weil ich die hier und in den früheren Kapiteln mitgetheilten Zahlen später verwerthen werde, um allgemeine Schlüsse daraus zu ziehen, und weil es mir von Wichtigkeit erscheint, die Verlässlich- keit der thatsächlichen Grundlagen zu zeigen, auf welche sich diese Schlüsse aufbauen. Aus der obigen Zusammenstellung geht vor Allem hervor, dass die Zahl der Radiärlamellen bei den Säugethieren im Allgemeinen eine sehr viel größere ist, als bei allen anderen Wirbelthieren. Sie ist nicht bloß sehr viel größer, als bei den Vögeln, Reptilien und Amphibien, sondern auch größer, als bei den Fischen, bei denen sie doch im Allgemeinen gleichfalls eine große ist. Worin der Grund dieser Erscheinung liegt, ist schwer zu sagen. Es ist immerhin wahrscheinlich, dass die absolute Größe der Linsen hierbei eine Rolle spielt; aber sicher spielt sie nicht die einzige, ja aller Wahrschein- lichkeit nach nicht einmal die wichtigste Rolle. Ich werde auf diesen Gegenstand in den allgemeinen Betrachtungen wieder zurückkommen. Eine zweite Thatsache, die aus unserer Zusammenstellung her- vorgeht, ist die, dass unter den Säugethieren die kleinsten Formen die kleinste, die größten die größte Zahl von Radiärlamellen be- sitzen. Die Maus besitzt 646, das Pferd ungefähr 4300, das Rind 3950 Lamellen. Man könnte dadurch versucht sein, wenigstens für die Säugethiere der absoluten Größe der Linse einen entscheidenden Einfluss auf die Zahl der Radiärlamellen zuzuschreiben. Indessen überzeugt man sich leicht, dass ein solcher Schluss nicht berechtigt wäre. Die Linse der Maus besitzt einen Umfang von 7,8, die des Pferdes einen solchen von 63,3 mm; legt man der Rechnung die Zahl der Radiärlamellen der Maus zu Grunde, so müsste das Pferd 5240 Lamellen besitzen; legt man derselben die Zahl der Radiär- 44 Carl Rabl, lamellen des Pferdes zu Grunde, so müsste die Lamellenzahl der Maus 530 betragen. Es bedarf übrigens gar nicht einer solchen Berechnung, um sich zu überzeugen, dass auch innerhalb der Säuge- thiere die absolute Größe der Linse keinen entscheidenden Einfluss auf die Zahl der Lamellen hat. Die Linse des Kaninchens hat un- sefähr den gleichen Durchmesser, wie die der Katze, und doch ist die Zahl der Radiärlamellen dort um ein Drittel kleiner als hier; die Linse des Pavians ist ungefähr so groß, wie die des Menschen, und doch ist die Zahl der Lamellen dort um 500 bis 600 geringer, als hier. Wir können also sagen, dass auch innerhalb der Säugethiere die absolute Größe der Linse keinen entscheidenden Einfluss auf die Zahl der Radiärlamellen hat. Damit soll selbstverständlich derselben nicht jedweder Einfluss abgesprochen werden. Dagegen dürfen wir sagen, dass innerhalb einer engbegrenzten Ordnung oder vielleicht Familie die größeren Formen, welche auch in der Regel größere Linsen besitzen, mehr Lamellen haben, als die kleineren. So sehen wir, dass unter den Wiederkäuern das Schaf und das Reh weniger Lamellen haben, als das Rind, dass unter den Nagern die Maus die kleinste Zahl aufweist, dass aber auch bei der Ratte, dem Meerschweinchen und dem Eichhörnchen die Lamellenzahl weit hinter jener des Kaninchens und des Hasen zurückbleibt, dass unter den Carnivoren der Marder viel weniger Lamellen besitzt, als die anderen untersuchten Arten und dass endlich unter den Primaten die Affen, die durchwegs kleineren Arten angehörten, eine viel geringere Lamellenzahl aufweisen, als der Mensch. Aber ganz uneingeschränkt gilt diese Regel auch für die einzelnen Ordnungen nicht: der Pavian hatte eine kleinere Lamellenzahl, als die viel kleineren Meerkatzen. Ganz ausnahmslos finden wir, dass bei jungen Thieren die Zahl der Lamellen eine viel geringere ist, als bei alten. Schon früher habe ich erwähnt, dass ich bei einem Schweineembryo von 21 cm Länge 1580 Lamellen gezählt habe; beim erwachsenen Thier habe ich in einem Falle 2503, in einem zweiten 2722 gezählt; bei einem drei Tage alten Kaninchen zählte ich ungefähr 1706 Lamellen, bei erwachsenen Thieren dagegen 2144, beziehungsweise 2551 und 2569; bei einer jungen, 41 em langen Katze fand ich 3209 Lamellen, bei alten erwachsenen Thieren 3411, beziehungsweise 3623; bei einem jungen, 1372 g schweren Hunde fand ich in der Linse 2236 Lamellen, eine Zahl, welche selbst hinter der erwachsener Exemplare der kleinsten untersuchten Rassen (2394 und 2915) weit zurückbleibt; endlich zählte ich in der Linse eines drei Monate alten Kindes 1474, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 45 in zwei Linsen von Erwachsenen 2111, beziehungsweise 2258 La- mellen. Die Säugethiere unterscheiden sich hierin sehr auffallend von den Reptilien und Vögeln, bei welchen schon in ganz frühen Stadien die volle Zahl der Lamellen erreicht ‚wird. Nur die Kroko- dile machen unter den Reptilien hierin eine Ausnahme; denn aus dem Bilde, das uns ein Äquatorialschnitt durch die Linse eines jungen Alligators bot, müssen wir schließen, dass hier im Laufe der Entwicklung die Zahl der Lamellen eine bedeutende Vermehrung erfährt. Nun wird bekanntlich gerade den Krokodilen eine besonders tiefe Stellung im System zugewiesen. Damit steht in Übereinstim- mung, dass sich die Krokodile im Bau ihrer Linsen am meisten unter allen Reptilien an die Amphibien anschließen. Eben so finden wir, dass auch die Säugethierlinse im Verhalten ihrer Radiärlamellen, wie in ihrem feineren Bau überhaupt, sich viel inniger an die Linse der Amphibien, als an die der Sauropsiden anschließt. Die Vermehrung der Radiärlamellen kommt in der Säugethier- linse in derselben Weise zu Stande, wie sonst, wo eine solche an- getroffen wird: erstens durch Theilung bereits bestehender und: zweitens durch Intercalation neuer Lamel- len. Daraus resultiren wieder die mannig- = faltigsten Bilder. Aber auch Verschmel- /_, me zungen zweier oder mehrerer Lamellen zu \ einer einzigen kommen nicht selten vor; \ Se freilich werden sie an Häufigkeit von den = “es Theilungen und Intercalationen weitaus N = übertroffen. ea Die Bilder, welche die Radiärlamellen IK ) auf Aquatorialschnitten darbieten, erleiden aber auch abgesehen von den durch Theilun- EN en el gen, Intercalationen und Wiederverschmel- zungen bedingten Eigenthümlichkeiten die Sbamle ‚mannigfachsten Komplikationen. Es kann DR vorkommen, dass eine Faser sehr viel u. , schmäler ist, als die übrigen Fasern der- Bl | ie selben Radiärlamelle, wie ein solcher Fall ar \ von der Gemse (Textfig. 22) abgebildet ist; ee ” umgekehrt kann eine Faser die doppelte Gemse. oder selbst dreifache Breite einer gewöhn- lichen Faser besitzen und sich also über zwei oder drei Lamellen erstrecken. Dadurch kommt aber eben so wenig, wie bei den niederen 46 | Carl Rabl, Wirbelthieren, eine Verschmelzung der betreffenden Lamellen zu Stande. Zuweilen kommt es vor, dass sich zwischen zwei Lamellen von ge- wöhnlichem Aussehen plötzlich, durch Intercalation, eine neue ein- ‚schiebt, dass aber diese intercalirte Lamelle nur aus einigen wenigen Fasern besteht, so dass sich alsbald wieder die beiden Lamellen, die sie von einander trennte, an einander legen. Ein Fall dieser Art ist vom Pferde (Textfig. 23) abgebildet. Nicht selten kommen aber noch viel tiefer = greifende Störungen m TE > er . h m... 2... vor; ein oder meh- ze... 22 rere Lamellen kön- an oh Z mean ’ en ae von innen nach au- I eg I Eee ßen zeraderu unter ee Ze S —— me _e SQ brochen sein, indem en an die Fasern die regel- —asa ee, ze. mäßige Anordnung —— — vollständig aufge- ben und sich ganz bunt und ohne jede erkennbare Ordnung durch einander schieben, bis sich oe E endlich weiter nach Pferd. außen die Ordnung wieder herstellt. Ein solcher Fall ist in Textfig. 24 von der Katze wiedergegeben. Manch- mal sehen die Lamellen auf dem Schnitte wie durch einander zeflochten aus. Übrigens kommen Störungen im Verlaut der Radiärlamellen keineswegs in allen Linsen gleich häufig vor; es bestehen in dieser Beziehung Unterschiede zwischen den einzelnen Ordnungen und selbst zwischen den einzelnen Arten. Es giebt Linsen, die auf Äquatorial- schnitten fast eben so regelmäßig aussehen, wie die Vogel- oder Saurierlinsen. Namentlich zeichnen sich hierin die Linsen der klei- neren Nager, des Meerschweinchens, des Eichhörnchens, der Ratte und der Maus, aus. Die Textfig. 25 führt uns ein Stück eines Äqua- torialschnittes durch eine Eichhörnchenlinse vor Augen, das in Be- ziehung auf die Regelmäßigkeit des Verlaufes der Lamellen und die Anordnung der Fasern jeden Vergleich mit einer Vogel- oder Ei- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. ‘ozyey ‘pr 'S4XOL | Se > Ze szene Da. 0 == zesunmses>- se . EB ne Senn Se ussssmmesseo Sc mnnsu ns neo en Sa TED ES nn Dr m an nn a anne = = III IE a N ru were en zu... ee u WEB- ERSTER a a en ee en U a ea SE Lean nn ER zu ers ve. ene une Bznen Szuzsmspnzmunram ntatnnne = u > ei — ERLEBEN = EEE an II I— == — ER w- Re car BEER RB SR ER om zussa22 2222222 —\ N en I en nE>H Kay v Bet 62 Carl Rabl, zu a Ve‘ | y | ———— lm smempm, ——— — BZ = — EGEGESG —= Tr a zs ss —_—= a —eE — - — —_ —_—= ——Z I ———g I — 2] mer = >: ss z— z— an = > > ar ZZ — > DIRAED zz se ar —Z ——— Ze Be — > et SEE —g zu —me— = I zz _ _ 2.2 eg, u , — > Ta ea re == —__. 2% = — m un FI >, en? —— GEH —I CI 5% — >—< ya ———= —. | —— = e_ nes En? = zT zz — > u —— —Zm zz ss zZ ER — —IeE$ Da Tat = u et I ET Zen a ne — ya Zu > GE a Zu zer —— ——— > Er > ———m == E> =... 2 32 = Dealer >, =>) FI ——e,— u —Q ——S Cum, ar I mer eo. ED u u. ea) —? I, zeug u =z_z——— (TAGE) $ — —— 5 — I zes ee ==> > ua, use: ——S en ? szz._—__% EI I = _ 2. 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Das Bild war um so eigenthümlicher, als die Verwerfung der Lamellen nur auf eine bestimmte, übrigens ziemlich ausgedehnte Strecke der Peripherie beschränkt war und im Übrigen die Lamellen ein ungemein regel- mäßiges Aussehen boten. | Etwas häufiger, als bei den Nagern, kommen Unregelmäßigkeiten bei den Wiederkäuern vor, ohne dass ich aber auffallendere Unter- schiede in Beziehung auf die Häufigkeit derselben bei den verschie- denen Arten wahrzunehmen vermochte. Auch beim Schwein fehlen solche Unregelmäßigkeiten nicht. Viel größer aber, als hier und bei den Wiederkäuern, sind sie beim Pferde; sie sind hier von der mannigfachsten Art und man trifft die verschiedenartigsten Bilder dicht neben einander (vgl. Textfig. 23); merkwürdig ist dabei, dass zwischen solchen gestörten Strecken Stellen von der größten Regel- mäßigkeit vorkommen. Unter den Carnivoren finden sich sehr auffallende Differenzen - je nach den einzelnen Arten. Beim Marder und Fuchs herrscht in der Anordnung und dem Verlauf der Radiärlamellen ein hoher Grad von Regelmäßigkeit, eine Regelmäßigkeit, die selbst von den Nagern kaum übertroffen wird. Bei der Katze dagegen kommen Störungen sehr häufig vor (vgl. Textfis. 24) und an manchen Stellen kann der Verlauf der Lamellen geradezu unterbrochen sein. Noch viel häufiger sind aber die Störungen beim Hunde; gestörte und ungestörte La- mellen dürften hier. ungefähr in gleicher Zahl vorhanden sein. Dabei spielen Alter, Größe und Rasse gar keine Rolle; die Unregelmäßig- "keiten sind vielmehr gleich groß und gleich häufig bei jungen, wie bei alten Thieren, bei Vertretern kleiner, wie bei solchen großer Rassen. | Alles aber, was an Unregelmäßiskeit des Verlaufes der Lamellen und an Mannigfaltiskeit der Faserquerschnitte von den. Säugethier- linsen geboten wird, wird von den Linsen der Primaten, der Affen und des Menschen, bei Weitem übertroffen. Die Bilder, welche Äquatorialschnitte hier gewähren, machen jede Detailbeschreibung illusorisch; ein Blick auf die Textfiguren 26, 27 und 28 genügt, um Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVIL. Bd. - 4 dease 2 TIERE HNINIK | NNNTTITLIGOLT U | I Ü Rn SHE 11 IN (BT TEN RUN t NULRERCRIEENS ” I is I HUN Aa IN Mn Ki eN N a ‚ll All) ii N IN YHURLN! N ' N Ei | \ Nm a I En Ih N, u BHRRLNE: I) I NULL N N Bin ei in un NUN N N N an n 7 \\ M MIN Bi NUNLNN \\ N Rn NN N INN Hl il j in NN) T—G Fefe FIT FH — FT Hg = = je - | =S7 = | l | | & | =, a N N (Se>7 F—Z F— Gy N N u N I I SS I Ne il \ ni {| EN N un N RTL DR m, I —— | = = y>= Eezees- =Ensun=®. Ns —. ZH x SS el ZEN — —— Carl Rabl, == ge} I mu == Auch hier scheint das Alter keine oder a " en az NZeS Ä 7 HisiaıoR HINLKAN ALLEN IOSINSEENLRRNN IR in 0. | un N \\\ \ NINA HIN \ IN INS wenigstens keine nennenswerthe Rolle zu spielen. sich davon zu überzeugen. Mi NNLSIRU N AN ll IN 0 _ 51 Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. Auffallend ist, dass die oberflächlichsten, also jüngsten Fasern, noch die meiste Regelmäßigkeit in Form und Anordnung zeigen, dass = ——ı I III SS II MANN nl M Ann NR } Hi FE Ai INIITIN nl rv/l/ NN /{ SI T— — err 5 = BOosße® > ——— — I I a. = N———1 I —— RS ee! —— IT D——— OLE NER Rn! a KAPIIRSS ann —- = SD — ALU. A HR Isa [11 si, 1 ji Ne 7 ANDIN ni Ne INN ı A u N N u | u N N ET Ss == N I Sa se! SRH a} Sa = we Be an Textfig. 27 ge SRENS —__ EEE —— ———-BRe —————— N —— er e—Z Mensch (dreimonatliches Kind). => ) — RT HN) HaralN, Bun 1 IR an er Ha A nE =, = > EEIASSSSi E33 ——— m = —— ——— =: — — 4 N 2 S— m — Hi Hell l[l [| A BIN Bi NOIPHAl MH hr f ut) 777 BF | ‚it il a NEBNGLCGNDOBUINEBNNIHINBLEE N SUNn a neh \\ bl" N | | Il I un | Fe | JH) IN ii ‚el FR 3 —— Li —S —— or —— ——— N eo ala aber schon in geringer Tiefe die Unregelmäßigkeiten ihren Anfang nehmen. — Von den untersuchten Affen besitzt der Pavian etwas. AR 52 Carl Rabl, regelmäßigere Lamellen, als die beiden anderen Arten, aber auch bei ihm sind die Störungen ungleich häufiger, als bei allen übrigen Säugethieren. Wir werden gewiss nicht fehl gehen, wenn wir die Mannig- faltiskeit der Faserquerschnitte und die damit einhergehende Un- regelmäßigkeit der Lamellen als Ausdruck einer ganz außerordent- II Fe, = zer era — AR gera..7 u \ x ZN nie Sean I > NEN D = } III N 7 < = c ® E= , Textfig. 28. Mensch (erwachsen). lichen Plastieität der Fasern und also auch als Ausdruck einer ganz auberordentlichen Elastieität und Schmiegsamkeit der ganzen Linse ansehen. Im Vergleich mit der Linse der Primaten muss uns die der übrigen Säugethiere als eine relativ starre Masse erscheinen, die einem auf sie einwirkenden Zug oder Druck nur verhältnismäßig träge folgt. Wie lebhaft dagegen die Primatenlinse auf die Kräfte, welche ihre Form zu verändern vermögen, reagirt, lehrt uns schon Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 53 die Thatsache, dass der Zug der Zonulafasern genügt, um am Äquator meridional verlaufende Leisten emporzuheben. Je elastischer und schmiegsamer aber eine Linse ist, um so mehr wird sie den Anforderungen der Accommodation zu entsprechen vermögen. So berechtigen uns schon die anatomischen Thatsachen allein zu dem Schlusse, dass die Accommodation bei den Primaten eine sehr viel vollkommenere sein werde, als bei den übrigen Säuge- thieren. Und dieser Schluss wird durch die Erfahrungen der neueren Zeit vollauf bestätigt. Allerdings weiß man noch nicht mit Sicher- heit, wie sich die Schnelligkeit der Accommodation bei den ein- zelnen Ordnungen und Arten verhält, dagegen weiß man, dass die Accommodationsbreite beim Menschen und den Affen eine sehr viel größere ist, als bei den übrigen Säugethieren. Namentlich ist in dieser Hinsicht eine vor Kurzem erschienene Arbeit von Hess und Heine! von Interesse. Ich hebe aus derselben nur jene Resultate heraus, welche die beiden Beobachter bei lokaler Reizung des Ciliarmuskels, d.h. durch Anlegen der Elektroden an mehr oder weniger bei einander liegende Stellen der Sklera erzielt haben; sie konnten auf diese Weise eine stärkere Kontraktion des Ciliarmuskels auslösen, als es durch Reizung vom Ganglion ciliare aus möglich war. Hess und Heine fanden nun, dass beim Kanin- chen ein Einfluss der lokalen Reizung auf die Refraktion überhaupt nicht nachweisbar war, dass dagegen bei der Katze die Refraktions- zunahme 1—2,5, beim Hunde 2,5—3,5 Dioptrien betrug. Die beiden Autoren fassen ihre Ergebnisse in die Worte zusammen: »Die vor- stehend mitgetheilten Erfahrungen haben somit übereinstimmend die merkwürdige Thatsache ergeben, dass unsere gebräuchlichen Ver- suchsthiere, Hunde, Katzen und Kaninchen (auch in der Jugend) im Vergleich zum Menschen nur eine ganz rudimentäre Accommodation besitzen.ce Hess und Heine haben ihre Untersuchungen aber auch auf die Affen ausgedehnt und die Accommodationsbreite bei zwei Exemplaren von Macacus rhesus geprüft. Sie fanden hier eine Refraktionszunahme von 10—12 Dioptrien, also eine Accommoda- tionsbreite, die der des Menschen nahe kommt. — Ich kann mir keine größere Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der funktionellen ı C. Hess u. L. Heine, Arbeiten aus dem Gebiete der Accommodations- lehre. IV. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der Accommo- dation auf den intraocularen Druck, nebst Beiträgen zur Kenntnis der Ac- commodation bei Säugethieren. Archiv für Ophthalmologie. 44. Jahrg. Bd. LVI. 1898. 54 Carl Rabl, Prüfung und jenen der anatomischen Untersuchung der Linse denken, wie sie hier vorliegt. Die Thatsache, dass die Accommodationsbreite der Primaten eine so sehr viel größere ist, als die der übrigen Säugethiere, dürfen wir wohl damit in causalen Zusammenhang bringen, dass rien Ben die Primaten in Folge der viel u Reh freieren Beweglichkeit der obe- ren Extremitäten und der viel größeren Mannigfaltigkeit der Pt Pferd Bm Gemse a ak Du Dr ausführbaren Bewegungen im ae Bel ar Bing Stande sind, die Gegenstände no Hase beliebig nahe ans Auge zu brin- | es gen und sie viel genauer zu be- trachten, als es irgend einem an- deren Säugethiere möglich ist. — FH +4 Meerschweinchen an RI. Sole Aue Es erübrigt noch, einige Be Maus Worte über die Breite und Dicke ee nenn, Eichhörnchen der Fasern: zu sagen. Ich habe | ie in beistehender Figur (Textfig. 29) | N die Faserbreiten der untersuch- ten Arten bei 250facher Ver- DET TEE Marder srößerung aufgetragen; um die a Katze Unterschiede deutlicher hervor- pe a paar =) treten zu lassen Era enes Mal zehn Faserbreiten gezeichnet. Ein Vergleich mit den früher mitgetheilten Skizzen lehrt, dass PH. 4 4 Inuus mm Cynocephalus ng aan die Faserbreite bei den Säuge- Pe an ».d thieren im Allgemeinen eine viel BL RIBEON USE 87 geringere ist, als bei den Vögeln Textfig. 29. und Reptilien. Nur die Faser- breite der Nachtraubvögel, des jungen Alligators und der Riesenschlangen ist eine ähnliche, wie sie bei der Mehrzahl der Säugethiere gefunden wird. Wenn wir von der Maus absehen, welche auffallend schmale Fasern besitzt, so dürfen wir sagen, dass der Unterschied zwischen den einzelnen Arten ein sehr geringer ist. Er würde, wenn ich, wie bei den Vögeln und Reptilien, immer nur drei Faserbreiten aufgetragen hätte, kaum deut- lich zum Ausdrucke gekommen sein. Auch möchte ich, obwohl wir Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 55 beim Pferde die breitesten, bei der Maus die schmalsten Fasern finden, doch sagen, dass im Ganzen und Großen die Körpergröße eines Thieres keinen nennenswerthen Einfluss auf die Faserbreite hat: das Schaf hat fast eben so breite Fasern, wie das Rind, das Eichhörnchen fast eben so breite wie das Kaninchen, die unter- suchten Affen fast eben so breite, wie der Mensch. Es ist natürlich von Wichtigkeit, die Fasern stets an korrespondirenden Stellen zu messen; ich habe die Messung in allen Fällen unmittelbar vor der Epithelgrenze, und zwar in geringer Entfernung von der Oberfläche vorgenommen. Übrigens erhält man auch bei einer und derselben Linse, wenn man an verschiedenen Stellen der Peripherie misst, nicht immer genau die gleichen Resultate; groß sind aber die Unterschiede nicht. Auch habe ich nicht immer bei allen Individuen der gleichen Art genau dieselben Maße gefunden; aber auch in dieser Beziehung waren die Unterschiede nicht groß und ich glaube daher von einer genaueren Beschreibung derselben absehen zu dürfen. Was die Dicke der Fasern betrifft, so geht schon aus dem früher über die Art der Umbildung der Epithelzellen zu den Linsen- fasern Gesagten hervor, dass man in Bezug auf die jüngsten Fasern verschiedene Resultate bekommen muss, je nachdem man die Äqua- torialschnitte genau durch die Epithelgrenze oder aber in einiger Entfernung vor oder hinter derselben durch die Linse legt. Die jüngsten Linsenfasern sind eben, wie aus den auf Taf. IV abgebil- deten Meridionalschnitten hervorgeht, vorn in eine feine Spitze aus- gezogen, während sie hinten verbreitert sind und mehr oder weniger kolbenförmigs enden. Darauf folgen Fasern, deren beide Enden kolbenförmig verdickt sind, und endlich solche, die vorn und hinten sleich dick oder vielleicht sogar dünner, als in der Mitte sind. Fertist man daher Aquatorialschnitte durch die Epithelgrenze oder unmittelbar vor derselben an, so trifft man dicht unter der Ober- fläche außerordentlich dünne Fasern; ihre Dieke nimmt aber alsbald 0. An Äquatorialschnitten, welche hinter der Epithelgrenze oder etwas weiter vor derselben durch die Linse gelegt sind, erscheinen die äußersten Fasern sehr dick, dieker als die, welche in größerer Tiefe folgen. | Die Faserbreite muss natürlich im Allgemeinen, wie bei den anderen Wirbelthieren, von innen nach außen zunehmen. Die Zu- nahme ist aber nicht so groß, wie bei jenen Formen, bei welchen, wie bei den Sauriern und Vögeln, eine Vermehrung der Lamellen überhaupt nicht oder nur in ganz beschränktem Maße erfolgt. Bei 56 | Carl Rabl, einem Schweineembryo von 21 cm Länge betrug die Faserbreite auf einem AÄquatorialschnitte durch die Epithelgrenze unmittelbar unter der Oberfläche 0,0078 mm, beim erwachsenen Thier an der korre- spondirenden Stelle 0,0104 mm. Aber auch die Dicke der Fasern scheint von innen nach außen zuzunehmen. Ich fand sie bei dem erwähnten Schweineembryo in geringer Entfernung von der Ober- fläche 0,0038, beim erwachsenen Thier 0,0057 mm. Übrigens ist es sehr schwer, darüber zu einem ganz sicheren Urtheile zu gelangen. Die Dieke der Fasern scheint eben nicht überall und vielleicht auch nicht in allen Formzuständen der Linse die gleiche zu sein; das Stück eines Äquatorialschnittes durch eine Eichhörnehenlinse, welches in Textfig. 25 abgebildet ist, kann als Beleg dafür dienen. Der Schnitt geht durch die meridionalen Reihen, wie daraus zu entnehmen ist, dass die Zahl der Lamel- len der Zahl der Epithel- zellen genau entspricht; dicht unter dem Epithel liegen sehr dünne Fasern, dann nimmt die Dicke rasch zu, um aber in größerer Tiefe wieder ab- zunehmen. Wie solche Eigenthümlichkeiten zu erklären sind, kann ich nicht bestimmt sagen. Gerade so, wie bei allen niederen Wirbelthie- ren, kommt es auch bei ze an < £ I—X = an = a .. BES e _p ma a den allen häufig | ee vor, dass die Radiärlamel- Textfig. 30. len bei der Fixirung aus Schwein. | einander weichen und dass | sich dadurch radiäre Spal- ten bilden, die mehr oder weniger tief ins Innere der Linse eindringen. Solche Spalten sind wohl zu unterscheiden von anderen, die gewiss von der Art der Fixirung unabhängig sind und wohl schon im Leben existirt haben müssen. Es sind das Spalten von linsenförmiger oder ovaler Gestalt, die entweder von einer fast ganz homogenen Masse Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. | 57 erfüllt sind oder in welchen man ein gröberes, körniges oder flocki- ges Gerinnsel findet. Die Radiärlamellen, welche die Wände dieser -Spalten bilden, erscheinen mehr oder weniger stark komprimirt und ihre Fasern in ihrer Form verändert; häufig färben sich die betreffen- den Lamellen stärker, als unter normalen Verhältnissen. In größter Menge habe ich diese Bildungen in der Linse des Schweines und des Marders gefunden; außerdem auch bei der Gemse, dem Schaf und dem Rind; endlich ist mir eine ähnliche Bildung einmal bei einem Hunde begegnet. Bei den Nagern und Primaten habe ich sie stets vermisst. Vom Schwein ist eine solche Bildung in Textfig. 30 abgebildet. Was für eine Bedeutung diesen Spalten und ihren Ein- schlüssen zukommt, ist ohne speciell darauf gerichtete Untersuchung nicht zu entscheiden; ich möchte sie für pathologische Bildungen halten und die Annahme nicht unbedingt von der Hand weisen, dass die körnigen Massen, welche die Spalten erfüllen, parasitärer Natur sind. In Beziehung auf die Kapsel kann ich mich kurz fassen. Dieselbe ist wieder vorn dicker als hinten, zeigt aber in den ein- zelnen Ordnungen und Arten sehr auffallende und zum Theil merk- würdige Unterschiede. Ich stelle zunächst die Messungsergebnisse zusammen: Dicke der Kapsel | vorn |Äauator | hinten I | vorn \Äquator | hinten Pferd 0,047 0,015 | 0,005 | Hund, kleine Rasse 0,027 | 0,0065 0,0025 Schwein 0,017 | 0,008 | 0,004 » mittelgr. » | 0,012 |0,0075| 0,0015(?) Reh 0,027 0,012 | 0,0051 >» große >» 10,014 10,01 [0,0015 Gemse 0,022 | 0,007 | 0,006 | Fuchs 0,032 | 0,012 Schaf 0,018 | 0,006 | 0,003 | Marder 0,008 | 0,004 0,032 | 0,007 Katze I 0,017 | 0,0045| 0,003 ase 0,016 | 0,003 |0,0025| >» II 0,023 | 0,0065 Kaninchen 0.005 | 0.004 | 0,002 |Macacus 0.006 | 0.003 | 0,002 Meerschweinchen] 0,004 | 0,003 | 0,0015, Inuus 0,006 | 0,003 | 0,003 (?) Ratte 0,004 | 0,0035 „uam | Cynocephalus 0,0075! 0,0045| 0,0035 Maus 0,003 Mensch 0,0065| 0,008 | 0,002 _ Eichhörnchen | 0,011 | 0,0041] 0,002 de Mar Ich habe die Kapsel keineswegs in allen Fällen genau am vor- deren Linsenpol am dieksten gefunden; beim Pferd, dem Reh, der Gemse, dem Fuchs u. A. war sie in einiger Entfernung vom vorderen Pol dicker, als am Pol selbst; aber ich bin nicht ganz sicher, ob diese Differenz nicht vielleicht auf Rechnung des Umstandes zu setzen war, dass die Fasern im Bereiche des vorderen Linsensterns etwas aus einander gewichen waren, wodurch natürlich die Kapsel etwas gedehnt worden sein müsste. 58 Carl Rablk Die Dicke der Kapsel nimmt im Allgemeinen in demselben Maße ab, als die Dicke des Epithels zunimmt; sie ist daher am Aquator geringer, als am vorderen Linsenpol. — Die Primaten zeigen« auch in Beziehung auf die Linsenkapsel einen sehr auffallenden Unterschied gegenüber allen anderen Säugethieren. Wenngleich dieselbe auch hier am hinteren Linsenpol stets dünner ist, als am vorderen, so ist sie es doch nicht in der ganzen Ausdehnung der hinteren Fläche. Vielmehr nimmt ihre Dieke bei allen untersuchten Formen hinter dem Äquator wieder zu. Sie erreicht hier bei Cyno- cephalus einen Durchmesser von 0,007 mm, bei Inuus und dem Men- schen einen solchen von 0,012? mm und beim Macacus sogar einen solchen von 0,024 mm, ist also an dieser Stelle viermal so groß, als am vorderen Linsenpol. Wir dürfen also sagen, dass bei den Primaten die Kapsel vom vorderen Linsenpol gegen den AÄquator allmählich an Dicke abnimmt, dass sie dann hinter dem Äquator wieder zunimmt, um schließlich wieder dünner zu werden und am hinteren Linsenpol den geringsten Durchmesser zu erreichen. Die Stelle. wo die Kapsel am dicksten ist, hat bei den verschiedenen Arten nicht die gleiche Ausdehnung; sie entspricht jener Region der hinteren Fläche, wo wir an der Inuuslinse eine seichte Furche wahr- senommen haben (vgl. Textfig. 16). Sehr auffallend sind die individuellen Verschiedenheiten, denen man zuweilen in Beziehung auf die Dicke der Kapsel be- gegnet. Ich verweise in dieser Hinsicht auf die obige Tabelle und mache nur darauf aufmerksam, dass bei dem Hunde der kleinsten ' Rasse die Kapsel sehr viel dicker war, als bei den Hunden größerer Rassen. | In den meisten Fällen erschien die Kapsel vollkommen homogen und ohne Andeutung einer Schichtung; in einzelnen Fällen aber war sie sehr deutlich und überaus regelmäßig geschichtet, am schönsten und regelmäßigsten beim Pferd und Fuchs, also bei Formen, welche sich durch eine ganz besonders dicke Kapsel auszeichnen. Beim Fuchs zählte ich in einiger Entfernung vom vorderen Linsenpol, wo die Kapsel dicker war, als am Pol selbst, etwa 26, beim Pferd 22 bis 24 Schichten. Die äußerste Schicht war bei der letztgenannten Art etwas dieker und, wie es schien, auch etwas dichter als die übrigen. Ich zweifle. nicht, dass es bei geeigneter Behandlung und eigens darauf gerichteter Aufmerksamkeit gelingen wird, auch in der Kapsel anderer Arten, ja vielleicht überall, eine Schichtung nach- zuweisen. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 59 Ein Theil der geschilderten Eigenthümlichkeiten ist auf den Figuren der Taf. IV zu sehen. Anhang A. Die Linse der Fledermäuse. Von der bisherigen Darstellung wurde die Linse der Fleder- mäuse desshalb ausgeschlossen, weil sie sich in ihrem feineren Bau sehr wesentlich von der Linse der übrigen Säugethiere unterscheidet. Aber auch ihr makroskopisches Verhalten bietet manche Eigenthüm- liehkeit. — Die nebenstehenden Figuren 31—33 zeigen uns die Linsen der drei unter- suchten Arten bei 20- facher Vergrößerung, EN also bei einer Vergröße- rung, die fünfmal so | bedeutend ist, als jene, \ ) bei welcher die Linsen der übrigen Säugethiere Textfig. 31. Textfig. 32. Textfig. 33. gezeichnet waren. 31. Frühfliegende Fledermaus (Vesperugo noctula). 32. Zwergfleder- Ss P R maus (Vesperugo pipistrellus). 33. Kleine Hufeisennase (Rhino- Die Linsen sind lophus hipposideros). entweder, wie bei Vesperugo noctula und Vesperugo pipistrellus, auf beiden Flächen un- sefähr gleich stark gewölbt oder, wie bei Rhinolophus, vorn stärker als hinten. Die durch den Äquator gelegte Ebene schneidet daher die Achse entweder ungefähr in der Mitte oder aber hinter derselben. Äquatorialdurchmesser, Achse und Index verhielten sich folgender- maßen: Äquat.-Durchm. Achse Index Frühfliegende Fledermaus (Vesperugo noctula) . 1,43 1,03 1,38 Zwergfledermaus (Vesperugo pipistrellus) .... . . 0,74 0,80 1,23 Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros). 0,68 0,49 1,38 Die Linsen sind also sehr viel kleiner, als die Linsen der klein- sten bisher untersuchten Form, der Maus; es gilt dies nicht bloß für die beiden kleinen, sondern auch für die große Art, welche bekannt- lich zu den größten einheimischen Fledermäusen gehört und deren Körpergröße jene der Maus sicher nicht unbedeutend übertrifft. Die Linsen der Fledermäuse sind also im Verhältnisse zur Körpergröße eher klein als groß zu nennen. Es ist dies um so merkwürdiger, als die Fledermäuse Nacht- oder wenigstens Dämmerungsthiere sind und als wir nach unseren bisherigen Erfahrungen bei ihnen gerade 60 Carl Rab], ‚sehr große Linsen hätten erwarten sollen. Die Linsen der Fleder- mäuse sind aber nicht bloß relativ kleiner, als die der Mäuse und Ratten, sondern, wie mir scheint, auch relativ kleiner als die der meisten Tagthiere. Aber nicht die Linsen allein sind kleiner, son- dern auch die ganzen Augen. Jedenfalls sind diese bei Weitem nicht so groß, wie wir sie sonst bei nächtlichen Thieren finden. Ein tüch- tiger Fledermauskenner hat, bevor ich daran ging die Augen der Fledermäuse zu untersuchen, mir gegenüber die Ansicht ausgesprochen, dass Augen und Ohren dieser Thiere in einem gewissen kompensa- torischen Verhältnis zu stehen scheinen, dass also jene Formen, welche große Ohren besitzen, kleine Augen haben und umgekehrt jene mit kleinen Ohren große Augen. Ich habe daher bei der Untersuchung darauf geachtet, kann mich aber dieser Ansicht nicht anschließen. Außer den drei genannten Arten habe ich noch eine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus) untersucht, die sich, wie schon der Name sagt, durch sehr große Ohren auszeichnet; BREHM bemerkt, dass sie die »verhältnismäßig größten und längsten aller Ohren« be- sitze. Über die Linse dieser Art kann ich leider nichts berichten; ich hatte, weil ich die Frage nach der Existenz der Zapfen in der Retina untersuchen wollte, die Bulbi in toto in FLEMMINg’scher Flüssigkeit fixirt; dabei wurden aber die Linsen so brüchig und spröde, dass sie beim Schneiden zu Grunde gingen. Leider konnte ich trotz vielfacher Bemühungen bisher nicht m den Besitz eines zweiten Exemplars dieser Art gelangen. Was aber die ganzen Bulbi betrifft, so muss ich sagen, dass ihre Größe gewiss keine geringere ist, als bei den Arten mit kleinen Ohren. Mit dem auffallenden und ganz exceptionellen Verhalten der Linsen in Beziehung auf ihre Größe steht das Verhalten ihres feineren Baues im vollsten Einklang. Das Epithel erstreckt sich bis zum Äquator oder vielleicht eine Spur darüber hinaus. Seine Dicke be- trägt bei den drei untersuchten Arten: vorderer Linsenpol Äquator Vesperugo noetula . . ... . 0,001 0,003 Vesperugo pipistrellus ... . 0,002(?) 0,0065 Rhinolophus hipposideros . 0,002 0,0035 Das Epithel lässt an der ganzen Vorderfläche eben so wenig, wie bei den andern Säugethieren, eine bestimmte Ordnung erkennen. Am Äquator sind die Zellen diehter gedrängt und an der Epithel- grenze zeigen sie das Bestreben, sich bis zu einem gewissen Grade Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 61 einer bestimmten Ordnung zu fügen. Einzelne Stellen machen den Eindruck, als ob die Zellen thatsächlich zu meridionalen Reihen an einander gefügt wären, andere aber lassen jede Ordnung vermissen. Die Bilder erinnern in hohem Grade an die, welche man von embryo- nalen Linsen in jenen Stadien bekommt, in welchen sich die meri- dionalen Reihen eben zu bilden beginnen. Nie aber erreicht die Regelmäßigkeit der Reihen auch nur annähernd jenen Grad, wie bei den übrigen Säugethieren. | Diesem Verhalten des Epithels entsprechen auch die Bilder, welche Äquatori- alsehnitte zeigen. Leider werden auch bei der von mir geübten Art der Fixirung die Fledermauslinsen sehr spröde, aller- Wexthg. 34. dings lange nicht Vesperugo noctula. so, wie bei der Fixi- rung in FLEMMING- scher Flüssigkeit. Die oberflächlichen ‚Fasern lassen sich doch stets gutschnei- den und es ist mir in einzelnen Fällen, namentlich bei Ves- perugo noctula, ge- lungen, die Faser- querschnitte bis in größere Tiefen hin- ee er nn ch — ea one ein sicher zu erken- Pen Sen ea nen; an manchen ur Stellen Bo sie a sogar bis zur 80. oder | 100. Faser, von der Oberfläche an gerechnet, deutlich erkennbar. Das genügt vollkommen, um sich in der Frage, ob dieselben zu Ra- diärlamellen geordnet sind oder nicht, ein sicheres Urtheil zu bilden; denn wenn eine solche Ordnung an den oberflächlichsten Fasern fehlt, so fehlt sie sicher auch in größerer Tiefe. — Ich habe nun in 62 Carl Rabl, den umstehenden Textfig. 34 und 35 zwei Stücke von solchen Äqua- torialschnitten gezeichnet, welche darüber Aufschluss geben. Die Bilder sind in hohem Grade instruktiv; sie lehren, dass hier und da Ansätze zur Bildung von Radiärlamellen vorhanden sind, dass aber die gebildeten Lamellen gewöhnlich nur sehr kurz sind und bald ‚wieder ungeordneten Fasern Platz machen. Oft findet man ein paar kurze Radiärlamellen mitten zwischen ungeordneten Fasern. Die Bilder erinnern an jene, die man von Äquatorialschnitten embryonaler Linsen aus den Stadien, in welchen die Radiärlamellen erst in Bil- dung begriffen sind, erhält. So dürfen wir also sagen, dass die Linsen der Fledermäuse uns einen Zustand vor Augen führen, welchen die übrigen Säugethier- linsen nur während einer kurzen Zeit ihrer Entwicklung aufweisen, einen Zustand, in welchem die Zellen an der Epithelgrenze eben erst anfangen, sich zu meridionalen Reihen zu ordnen und in welchem dem entsprechend auch die Fasern sich hier und da zu Radiärlamellen an einander reihen. Aber auch das übrige Auge scheint im Begriffe zu stehen, rudi- mentär zu werden. In diesem Sinne möchte ich namentlich den Umstand deuten, dass die Stützsubstanz der Retina stärker ausgebildet ist, als dies sonst der Fall zu sein pflegt. Die Ciliarfortsätze sind relativ plump und wenig zahlreich, der Ciliarmuskel scheint auf einige wenige Fasern redueirt zu sein. Dasselbe scheint vom Sphineter pupillae zu gelten, während derselbe z. B. bei der Ratte sehr mächtig entwickelt ist. Auf meinen Präparaten von Plecotus auritus springen die beiden inneren Schichten der Retina in Form flacher, unregel- mäßiger und verschieden großer Polster gegen den Glaskörper vor. Die alte Streitfrage, ob es auch Zapfen in der Fledermausretina- giebt, muss ich unerledigt lassen. Die mitgetheilten Befunde erlauben mir nicht, den Fledermäusen den Gesichtssinn ganz abzusprechen; sie nöthigen mich aber zu dem Schlusse, dass ihr Auge funktionell minderwerthig sei. Dieser Schluss wird auch durch die Beobachtungen, welche über die Lebens- weise dieser Thiere angestellt worden sind, unterstützt. Die Ver- suche SPALLAZANTsS! mit geblendeten Fledermäusen sind bekannt; sie sind später von SCHÖBL? und von Anderen wiederholt wor- ! SPALLANZANI, Lettere sopra il sospetto di un nuovo senso nei pipistrelli con le risposte dell’ Abate Antonmaria Vassalli. In der Gesammtausgabe der Werke. Bd. II. Mailand 1826. 2 Jos. ScHöBL, Die Flughaut der Fledermäuse, namentlich die Endigung ihrer Nerven. Archiv f. mikr. Anat. Bd. VII. 1871. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. | 63 den und haben immer zu den gleichen Resultaten geführt. Sowie man aber einerseits weiß, dass geblendete Fledermäuse noch genau eben so geschickt und sicher umherfliegen, wie unverletzte Thiere, und dass sie es meisterhaft verstehen, allen möglichen Hindernissen auszuweichen, so hat man andererseits gefunden, dass sie in ihrem Fluge ganz irre werden und überall anstoßen, sobald man ihnen die blattartigen Ansätze der Nase oder die Ohrlappen und Ohrdeckel wegschneidet (BREHM). Anhang B. Die Linse des Maulwurfs. Während über den feineren Bau der Fledermauslinse keine An- gaben in der Litteratur vorliegen, ist über die Linse des Maulwurfs bis in die neueste Zeit hinein viel gearbeitet worden. Wenn ich trotzdem die Resultate meiner Untersuchungen mittheile, so geschieht dies aus einem doppelten Grunde: erstens wurden meine Unter- suchungen von ganz neuen Gesichtspunkten aus — eben den Ge- sichtspunkten, welche meine Arbeit über die Linse überhaupt ergeben hat, — angestellt, und zweitens habe ich ein sehr werthvolles ent- wicklungsgeschichtliches Material zur Verfügung gehabt, dessen Bearbeitung über den Bau der fertigen Linse manches Licht ver- breitet hat. Die beiden jüngsten Embryonen waren leider weniger gut kon- servirt, ließen aber immerhin noch die Anlage der Linse deutlich erkennen. Der jüngste Embryo hatte, von der Nacken- bis zur Steib- krümmung gemessen, eine Länge von 0,51 mm. Sein Sinus cervicalis war weit offen und im Grunde desselben bemerkte man den dritten und vierten Kiemenbogen. Die Linsenanlage stand in einem Stadium, das dem auf Taf. I, Fig. 3 vom Kaninchen abgebildeten ungefähr entsprach; nur war die Grube an ihrem ventralen Ende erheblich tiefer. Sie unterschied sich von der Linsenanlage des Kaninchens vornehmlich in zwei Punkten: erstens war sie zellenärmer und zwei- tens hatte sie eine viel geringere Ausdehnung. Die Grube war voll- kommen leer; es waren also aus dem Boden der Grube keine Zellen ausgetreten. | Die Länge des nächsten Embryo betrug vom Scheitel bis zum Steiß 6,76 mm, vom Nacken bis zum Steiß 6,25 mm. Der zweite Kiemenbogen war schon über den Sinus cerviealis hinübergewachsen, vom dritten und vierten Kiemenbogen war daher an der Oberfläche nichts mehr zu sehen. Im äußeren Blatte der sekundären Augenblase war es schon zur Bildung von Pigment gekommen. Das Linsen- 64 Carl Rabl, bläschen war geschlossen, stand aber noch mit dem Ektoderm in Zusammenhang; das Stadium entsprach also genau dem auf Taf. I, Fig. 8 vom Kaninchen abgebildeten. Die Linsenanlage unterschied sich noch viel auffallender, als früher, von der des Kaninchens; ab- gesehen davon, dass das Bläschen ganz leer war, war es sehr viel kleiner und zellenärmer. Ich zählte an einem Schnitte durch das Linsenbläschen des Maulwurfs ungefähr 90 Zellkerne, an einem gleich dieken vom Kaninchen, abgesehen von den Zellen, welche in der Höhle lagen, mindestens 140. Die mediale Wand war schon etwas dicker als die laterale. Die folgenden Embryonen waren durchwegs vortreffllich kon- servirt. Schnitte durch ihre Linsen sind auf Taf. I, Fig. 5—9 ab- gebildet. Die erste Figur (Fig. 5) zeigt uns die Linsenanlage eines Embryo, dessen größte Länge 9,7 mm betrug; sie entspricht ungefähr der auf Taf. I, Fig. 10 vom Kaninchen gezeichneten. Die beiden Figuren sind bei gleicher Vergrößerung gezeichnet und man sieht daraus, wie außerordentlich viel kleiner und zellenärmer die Linsen- anlage des Maulwurfs im Vergleich mit der des Kaninchens ist. Das Lumen erscheint auf dem Schnitt sichelförmig, zeigt aber vorn eine kleine trichterförmige Erweiterung; wahrscheinlich ist das die Stelle, an welcher sich das Bläschen bei der Ablösung vom Ektoderm ge- schlossen hat. Dafür spricht auch der Umstand, dass man hier in den Zellen dunkle Körner von derselben Beschaffenheit findet, wie sonst an der Verschlussstelle des Linsenbläschens. In der Linsen- faserwand habe ich bei diesem. Embryo noch zwei Theilungsfiguren gefunden. — Was die übrigen Theile des Auges in diesem Stadium betrifft, so erwähne ich nur ganz kurz, dass die Retina sich schon an der Glaskörperseite aufzuhellen begonnen hat, dass aber an der entgegengesetzten Seite noch zahlreiche Theilunssfiguren zu sehen sind; dass ferner das Tapetum nigrum schon überall stark pigmentirt ist, dass der Glaskörperraum, wie übrigens schon im vorigen Stadium, von zahlreichen Gefäßen erfüllt ist, und dass endlich die Substantia propria corneae sich bereits zu bilden begonnen hat. Der nächste Embryo hatte eine größte Länge von 10,8 mm während aber seine übrigen Organe entschieden weiter ausgebildet waren, als bei dem vorigen, war seine Linse eher etwas kleiner. Es spricht dies wieder für einen gewissen Grad von individueller Varia- bilität, wie wir einer solchen schon mehrmals begegnet sind. Übrigens war die Linsenfaserwand doch entschieden dicker als früher (Fig. 6). In der äußeren Wand waren wieder an der schon erwähnten Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 65 Stelle einige dunkle Körner zu sehen. Im Übrigen bot das Auge gegenüber dem vorigen Stadium nichts Besonderes; nur war die Furche um dasselbe tiefer geworden und die Lider begannen schon über das Auge hinüberzuwachsen. Es folgt nun ein Embryo von 14 mm Länge; ein Schnitt durch seine Linse ist auf Taf. II, Fig. 7 abgebildet. Die Höhle des Bläs- chens schien in Folge der sonst sehr guten Konservirung etwas er- weitert und im Zusammenhange damit die äußere Wand etwas ver- dünnt zu sein. Die Lidspalte war schon sehr eng geworden. Der folgende Embryo war 19 mm lang; der auf Taf. II, Fig. 8 abgebildete Schnitt zeigt, dass die Höhle des Linsenbläschens bis auf eine enge Spalte seschwunden ist. Die Kerne sind in der Linsen- faserwand jetzt etwas gleichmäßiger vertheilt als früher. Die Faserung ist deutlich, aber trotzdem ist es nicht möglich, die Kontouren der Fasern durch die ganze Masse hindurch zu verfolgen. Die Lidspalte ist jetzt geschlossen, das Epithel der Lidränder verklebt. An der Verlöthungsstelle ist aber außen noch eine kurze Furche zu sehen. Der älteste Embryo, den ich untersuchte, war 25 mm lang; er hatte schon ganz die Körperform des erwachsenen Thieres. Ein Schnitt durch die Linse desselben ist auf Taf. II, Fig. 9 abgebildet. Von einem Lumen ist nur mehr auf wenigen Schnitten eine Spur zu sehen, auf den meisten liegt das Epithel unmittelbar der Linsenfaser- masse auf. Dieses ist überall von gleicher oder nahezu gleicher Höhe und seine Kerne sind größtentheils sehr unregelmäßig gelagert. Weder in einem der früheren Stadien, noch auch in diesem, sind an der Epithelgrenze die Zellen zu meridionalen Reihen geordnet; es ist auch nicht etwa, wie bei den Fledermäusen, hier und da doch wenig- stens die Tendenz, solche zu bilden, wahrzunehmen. In der Linsen- fasermasse sind die Kerne ziemlich gleichmäßig vertheilt; nur hinten entfernen sie sich etwas mehr von der Oberfläche. Hier sind auch die Zellkontouren deutlicher zu erkennen, während dies sonst kaum möglich ist. Dagegen bemerkt man fast in der ganzen Linsenfaser- masse eine sehr feine Granulirung, welche namentlich im Centrum sehr stark in die Erscheinung tritt. — Das Auge ist jetzt tief unter der Haut versteckt, der Bindehautsack steht aber vorn noch mittels einer ziemlich breiten Epithelbrücke, welche aus der Verschmelzung der Lidränder entstanden ist, mit der Oberfläche in Verbindung. Die Linse des erwachsenen Thieres scheint in Größe und Form nicht unbeträchtlich zu variiren. In einem Falle fand ich einen Äquatorialdurchmesser von 0,4 mm und eine Achse von 0,25 mm; die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 5 66 Carl Rabl, Linse war vorn und hinten flach und beiderseits ungefähr gleich stark gewölbt. In einem zweiten Fall betrug der Äquatorialdurch- messer 0,41 mm, die Achse 0,37 mm; die Linse war beiderseits stark gsewölbt und näherte sich in ihrer Form mehr einer Kugel. Der Index betrug also im ersten Fall 1,6, im zweiten 1,1. Aber auch im feineren Bau bestehen individuelle Unterschiede. So reichte im ersten Fall das Epithel etwas über den Äquator hinaus, während es im zweiten nicht einmal die ganze Vorderfläche bedeekte. Den ersten Fall habe ich auf Taf. I, Fig. 10 abgebildet. Wenn wir bedenken, dass die Linse bei den beiden ältesten Embryonen (Fig. 8 und 9) nahezu kugelig war und das Epithel den Äquator nicht ganz erreichte, so müssen wir sagen, dass in dem zweiten Falle die Linse den em- bryonalen Charakter reiner bewahrt hatte, als im ersten. Die Epithelzellen zeigen nirgends eine bestimmte Ordnung und auch an der Epithelgrenze ist nicht die leiseste Andeutung von meri- dionalen Reihen zu sehen. Aber auch sonst ist das Epithel ganz unregelmäßig; die Kerne liegen nicht in gleicher Höhe, die einen liegen näher der basalen, die anderen näher der freien Seite, sie sind bald dichter, bald weniger dicht gestellt, das Protoplasma geht zu- weilen an der Linsenfaserseite in unregelmäßige Fortsätze aus und entbehrt hier überhaupt der regelmäßigen geradlinigen Begrenzung. Noch eigenthümlicher aber als das Epithel, sieht die Linsenfasermasse aus. Die Zellen, die sie zusammensetzen, können nur zum Theil auf den Namen von Fasern Anspruch erheben; zum andern Theil er- scheinen sie ganz unregelmäßig und haben die mannigfaltigsten Formen. Jene Zellen, welche eine faserähnliche Beschaffenheit haben, laufen meistens nur an ihrem hinteren Ende in einen Fortsatz aus, ohne sich auch nach vorn zu verlängern. Ich verzichte darauf, eine genaue Beschreibung der verschiedenen Formen zu versuchen, sondern verweise lieber auf die Figur, welche das Bild eines Meridional- schnittes möglichst getreu wiedergiebt. — Wie in der embryonalen Linse, besitzen alle Zellen Kerne; man trifft solche also auch im Centrum der Linse. Dieselben sind der Mehrzahl nach kugelig oder oval und enthalten im Inneren ein zartes chromatisches Gerüst. Das Protoplasma der Zellen lässt wieder die schon bei älteren Embryonen bemerkbare Granulirung erkennen. — AÄquatorialschnitte, wie ein Stück eines solchen in Fig. 11 abgebildet ist, zeigen, dass die Zellen der Linsenfasermasse ganz unregelmäßig durch einander liegen und dass auch die oberflächlichsten keine Neigung haben, sich zu radiären Lamellen an einander zu reihen. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. IIL 67 Wenn wir den Schnitt durch die Linse des ältesten untersuchten Em- bryo (Fig. 9) mit dem durch die Linse des erwachsenen Thieres (Fig. 10) vergleichen, so fällt uns auf, dass die Zahl der Kerne hier ungefähr um ein Drittel kleiner ist als dort; eine weitere auffallende Erscheinung ist, dass die Kerne in der embryonalen Linse viel dichter stehen als in der Linse des erwachsenen Thieres. Die Zellen sind also größer geworden, haben aber wohl sicher keine Vermehrung mehr erfahren. Es ist klar, dass wir aus der Thatsache, dass auf dem Schnitte durch die fertige Linse weniger Kerne zu sehen sind, als auf dem durch die embryonale, nicht den Schluss ziehen dürfen, dass ein Zerfall von Kernen stattgefunden habe; indem die Menge des Protoplasmas der Zellen zunimmt, werden eben die Kerne auf eine größere Masse ver- theilt, und es erscheinen daher dann auf einem Schnitte weniger als früher. Die Kapsel ist dünn; ihre Dieke beträgt über dem Epithel etwa 0,001 mm. — Nach dem Gesasten bietet die Linse des Maulwurfs sowohl in ihrer Entwicklung, als in ihrem fertigen Zustande ein großes, allge- meines Interesse. Was ihre Entwicklung betrifft, so ist es vor Allem auffallend, dass schon die erste Anlage des Organs kleiner und zellen- ärmer ist, als bei den übrigen Säugethieren. Je weiter sich die Linse entwickelt, um so mehr tritt die Differenz gegenüber den korrespon- direnden Stadien der übrigen Säugethiere zu Tage. Die Linse ent- wickelt sich also beim Maulwurf relativ langsam. Sie erreicht aber auch nie auch nur annähernd den hohen Grad der Ausbildung, wel- chen sie bei den übrigen Säugethieren im entwickelten Zustande zeigt. Nie wird auch nur der geringste Versuch gemacht, meridionale Reihen zu bilden, und dementsprechend kommt es auch nie zur Bildung von radiären Lamellen. Vielmehr verfällt die Linsenfasermasse alsbald einer Rückbildung; die zu einer gewissen Zeit (vgl. Fig. 8) ganz deutliche faserige Struktur geht ‚später wieder fast völlig verloren. So treffen wir denn auch in der fertigen Linse weder meridionale Reihen an der Epithelgrenze, noch auch radiäre Lamellen in der Linsenfasermasse. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Zellen, welche die Linsenfasermasse des Maulwurfs aufbauen, wenn sie auch noch so rückgebildet sind, den Centralfasern in den Linsen der übrigen Wirbelthiere entsprechen, und dass es also beim Maulwurf weder zur Bildung einer Übergangszone, noch auch zur Bildung von zu radiären Lamellen an einander gereihten Haupt- oder Grundfasern 68 Carl Rabl, kommt. Von den drei Arten von Fasern, welche wir an jeder gut entwickelten Wirbelthierlinse unterscheiden können, kommen also beim Maulwurf nur die Centralfasern zur Entwicklung, und auch sie verfallen alsbald einer Degeneration. Wenn wir damit den Bau der Fledermauslinsen vergleichen, so sehen wir, dass es hier zwar zur Bildung einer Zone kommt, welche der Übergangszone einer gut entwickelten Linse entspricht, dass aber diese Zone sehr schmal und unvollkommen ist. Die einmal gebildeten Linsenfasern verfallen bei den Fledermäusen keiner Rückbildung. Es stimmt demnach das Resultat unserer Untersuchungen mit dem Hauptergebnisse, zu welchem Kont bei seinen ausgedehnten Unter- suchungen über rudimentäre Wirbelthieraugen gelangt ist, überein. Dieses Hauptergebnis fasst KouL am Schlusse seiner Arbeit in folgende Worte zusammen: »Für die in vorliegender Arbeit behandelten Augen besteht also die Rudimentarität in Entwicklungshemmung, wenn und so weit das Organ oder Theile desselben noch zu funktioniren haben, in Rückbildung, wenn und so weit das Organ oder Theile desselben vollständig außer Funktion getreten sind. — Rückbildung tritt aus- nahmslos nur nach vorhergegangener Hemmung ein.« Wir können vielleicht folgende phylogenetische Stadien des Rudimentärwerdens der Linse aufstellen: I. Stadium: Es kommt nicht mehr zur Bildung regelmäßiger meridionaler Reihen, und in Folge dessen auch nicht mehr zur Bildung von zu radiären Lamellen an einander gereihten Haupt- oder Grundfasern; wohl aber lassen die Zellen an der Epithelgrenze noch eine Andeutung einer Ordnung er- kennen, und dementsprechend sind auch die oberflächlichsten Linsen- fasern zu kurzen, unregelmäßigen Radiärlamellen, die den Lamellen der Übergangszone in gut entwickelten Linsen entsprechen, geord- net. — Diesen Fall sehen wir bei den Fledermäusen verwirklicht. II. Stadium: Die Zellen zeigen an der Epithelgrenze nirgends mehr die Neigung, sich zu meridionalen ‚Reihen zu ordnen, und dement- sprechend besteht die ganze Linsenfasermasse aus Fasern, welche den Centralfasern gut entwickelter Linsen entsprechen. Ob ein der- artiger Fall in der Wirbelthierreihe verwirklicht ist, lässt sich ohne Nachuntersuchung der über den Bau rudimentärer Linsen vorliegen- den Arbeiten nicht sagen; immerhin erscheint es möglich, dass Typh- lops einen solchen Fall repräsentirt. II. Stadium: Es kommt, wie im zweiten Stadium, nur zur Ausbildung von, den Centralfasern gut entwickelter Linsen vergleichbaren Fasern, diese aber verfallen bald nach ihrer Bildung einer Degeneration. Dieser Fall ist beim Maul- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 69 wurf und, wie es scheint, auch bei Siphonops verwirklicht. IV. Sta- dium: Es bildet sich nur mehr ein Linsenbläschen, die Zellen seiner medialen Wand wachsen aber nicht mehr zu Fasern aus. Ein Fall dieser Art scheint bei Proteus vorzuliesgen!. Endlich V. Stadium: Es kommt auch nicht mehr zur Bildung eines Linsenbläschens, und die Bildung der Linse erscheint also vollständig unterdrückt. Dieser Fall dürfte vielleicht in Myxine einen Repräsentanten haben; jedoch lässt sich darüber ohne entwicklungsgeschichtliche Untersuchung nichts Bestimmtes sagen. — Wie schon erwähnt, ist die Maulwurfslinse schon wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen. Ich nenne nur Leypig?, Kapyı®, Ciaccıo!, Hess’, KouL® und RıTtTEr’. Ich werde nur die Angaben der drei letztgenannten Autoren berücksichtigen, da die der anderen bereits von Hzss und Kon sehr ausführlich besprochen worden sind. Ich beginne mit der Arbeit von RITTER, obwohl sie die jüngste ist, welche über diesen Gegenstand erschienen ist. RIT- TER hat die Arbeiten von Hzss und Kout nieht gekannt und es fiel ihm daher nicht schwer, zu Befunden zu gelangen, welche seiner Ansicht nach neu waren. Die Beschreibung, welche er von dem Bau der Linse giebt, ist nicht so unrichtig, als es auf den ersten Bliek scheinen könnte. Er hat erkannt, dass das Epithel der Linse aus sehr unregelmäßigen Zellen besteht und dass die Zellen der Linsenfasermasse die mannigfachsten Formen besitzen. Es entspricht der Eigenart Rırter’s, dass er meint, dass bei der Maulwurfslinse die Wirbelbildung nicht im Äquator oder der hinteren Kapsel zu Stande kommt, sondern schon an der vorderen Kapsel«. Eine Wider- legung dieser Ansicht halte ich für überflüssig. — Was Hess be- trifft, so finde ich seine Beschreibung im Allgemeinen richtig und 1 Vgl. R. WIEDERSHEIM, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Pro- teus anguineus. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXV. 189. 2 Fr. LeyDıG, Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebelehre. Archiv f. Anatomie, Physiologie und wiss. Mediein. Jahrg. 1854. 3 Kapyı, Das Maulwurfsauge. Krakau 1878. 4 G. V. Cıaccıo, Osservazioni anatomiche comparative intorno agli occhi della talpa illuminata e a quelli della talpa ecieca. Mem. dell’ Istituto di Bologna. 1884. 5 CArıL Hess, Beschreibung des Auges von Talpa europaea und von Pro- teus anguineus. v. GRAEFE’sS Archiv. Bd. XXXV. 6 C. Kour, Rudimentäre Wirbelthieraugen. II. u. III. Theil. Bibliotheca zoologica. Bd. V. 1893—1895. 7 C. RITTER, Die Linse des Maulwurfes. Archiv für mikr. Anat. Bd. LIIl. 1899. 70 Carl Rabl, halte das ziemlich absprechende Urtheil Konr’s nicht für gerecht- fertigt. Direkt fehlerhaft finde ich eigentlich nur die Angabe, dass der Maulwurfslinse das Epithel fehle und dass die Kapsel »ziemlich dick« sei. Hess tritt der Auffassung Leypie’s und Ciaccıo’s ent- gegen, dass die Maulwurfslinse einen embryonalen Charakter habe, und sagt: »wir haben es hier mit einer Erscheinung sui generis zu thun, für die sich ein Analogon in der Wirbelthierreihe bisher nicht findet, und für deren Erklärung uns vor der Hand jeder Anhalts- punkt fehlt«. Die ausführlichste Bearbeitung der Maulwurfslinse verdanken wir KontL. Er hat nicht bloß die fertige Linse, sondern auch ihre Entwieklung eingehend untersucht. Der entwicklungsgeschichtliche Theil der Untersuchung steht hinter dem anatomischen weit zurück; er bezieht sich auf nicht weniger als elf Stadien, deren Beschreibung sehr viel kürzer, aber auch sehr viel richtiger sein könnte. Seine Abbildungen tragen durchwegs etwas Schematisches an sich; so wie er sie zeichnet, sehen embryonale Linsen nie aus, weder beim Maul- wurf, noch bei irgend einem anderen Wirbelthier. Indem er jede Zelle mit einem sehr scharfen Kontour versieht, thut er des Guten entschieden zu viel. — Besser ist die Beschreibung und Abbildung des fertigen Organs. KontL hebt vor Allem die außerordentliche Variabilität der Form der Linse hervor; er hat Linsen gefunden, deren Index zwischen 1,15 und 1,59 schwankte. Vom Linsenepithel sagt er, dass seine Dicke sehr verschieden sei und dass die Form der Zellen demgemäß sehr varüre. Auch in Beziehung auf die Zu- sammensetzung der Linsenfasermasse hebt er die große Mannisfaltig- keit der Befunde hervor. »Es kommen Linsen vor, die fast aus- schließlich aus Zellen sich aufbauen; nur in nächster Nachbarschaft der Auswachsungsstelle liegen dann einzelne deutliche, jedoch eben- falls ziemlich breite Fasern. Sonst besteht die ganze Linse aus sroßen Zellen mit kugeligen Kernen.... Weitaus die Mehrzahl der Linsen zeigt jedoch einen Aufbau aus Faserzellen, wenn man diese Bezeichnung auf Zellen anwenden darf, die in ihrem Bestreben, sich zu Fasern umzubilden, schon ziemlich weit fortgeschritten sind.... Eine Kernzone existirt niemals.« In allen diesen Punkten kann ich Kour beipflichten. Nur in einem Punkte muss ich ihm widersprechen; er sagt, »die Auswachsungsstelle der Zellen zu Fasern« oder, einfacher ausgedrückt, die Epithelgrenze finde sich »stets proximal vom Linsen- äquator«. Dies kann gewiss zutreffen, trifft auch z. B. bei der von mir in Fig. 10 gezeichneten Linse zu, muss aber nicht so sein. — Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. u Dass trotz dieser weitgehenden Übereinstimmung die Mittheilung meiner Befunde keineswegs überflüssig war, wird, wie ich denke, Jeder zugeben müssen, der meine Figuren mit denen Konr’s ver- gleicht. Überdies musste mir eine Beschreibung meiner Befunde von den Gesichtspunkten aus, zu welchen meine Untersuchungen des Baues der Wirbelthierlinse überhaupt geführt haben, wünschenswerth erscheinen. — | Was die über den Bau der Säugethierlinse im Allgemeinen vor- liegenden Litteraturangaben betrifft, so will ich vor Allem die- jenigen erwähnen, welche sich auf die allgemeine Form der Linse beziehen. Ich sehe dabei von den Angaben HELMHoLTz’s, KnApp’s, Krause’s u. A. über die Form der menschlichen Linse ab, da die- selben in jedem Lehrbuche zu finden sind!. Zahlreiche Angaben liegen über die Linsen einiger Haussäugethiere vor. So giebt FRAncK? an, dass beim Pferd die Achse (»Tiefe«) der Linse 12 mm, der Äqua- torialdurchmesser (»die Höhe und Breite«) 21,4 mm betrage, Werthe, die mit den von mir gefundenen gut übereinstimmen. Über eine srößere Reihe von Messungen berichtet KOSCHEL?; er findet für die Achse beim Pferd 12,6 mm, beim Rind 12,0 mm, beim Schaf 10,4 mm, beim Schwein 7,9 mm und bei der Katze 7,3 mm. Nach MATTHIES- SEN? beträgt die Achse beim Pferd 13,0 mm, beim Rind 12,0 mm, beim Schwein 7,5 mm und bei der Katze 7,5 mm. KoscHEL giebt an, dass der Äquatorialumfang der Linse nicht vollkommen kreis- rund sei, sondern dass der vertikale Durchmesser hinter dem hori- zontalen etwas zurückstehe; die Differenz betrage beim Pferde bei einem Horizontaldurchmesser von 20 mm 1,3 mm, beim Rind 1,1 mm, (Horizontaldurchmesser 18,7 mm), beim Schaf 1,2 mm (Horizontal- 1 Die Werthe der Linsenachse werden an lebenden Linsen kleiner gefun- den als an todten. HELMHOLTZ hat an letzteren Werthe von 4,2 und 4,3 mm sefunden; KRAUSE fand solche von 4,05 bis 5,4 mm (vgl. HELMHOLTZ, Handbuch der physiologischen Optik. 2. Aufl. 1896). Diese Werthe stimmen mit den von mir gefundenen (4,69 und 4,77) gut überein. 2 Lupw. FRAncK, Handbuch der Anatomie der Hausthiere. Stuttgart 1871. 3 OrrTo KOSCHEL, Über Form-, Lage- und Größenverhältnisse der Orbita, des Bulbus und der Krystalllinse unserer Hausthiere. Zeitschr. f. vergl. Augen- heilkunde. Jahrg. 1883. 4 Nach KoscHEL eitirt. In KoscHErL’s Arbeit finden sich auch Angaben über die relative Größe der Linse und des Auges bei den von ihm untersuch- ten Hausthieren. Vgl. darüber auch: E. EMMERT, Vergleichend - anatomische Untersuchungen über Größen- und Gewichtsverhältnisse des Augapfels unserer Hausthiere und seiner Bestandtheile. Zeitschr. für vergl. Augenheilkunde. 4, Jahrg. 1886. 12 Carl Rabl, durchmesser 14,5 mm), beim Schwein 0,5 mm (Horizontaldurchmesser 11,1 mm) und bei der Katze 0,4 mm (Horizontaldurchmesser 10,4 mm). Etwas andere Werthe für den Horizontaldurchmesser findet MAT- THIESSEN: für das Pferd 22,0 mm, das Rind 17,75 mm, das Schwein 11,0 mm und die Katze 9,0 mm!. Wie man sieht weichen die von den beiden Autoren gefundenen Werthe zum Theil ziemlich weit von einander ab. Die von mir gefundenen stimmen bald mehr mit denen KoscHer’s, bald mehr mit denen MATTHIESSEN’s überein; zuweilen weichen sie aber auch beträchtlich von ihnen ab. Wie sehr hierbei ' individuelle Verschiedenheiten eine Rolle spielen mögen, geht aus den früher von mir für die Linse von drei erwachsenen Katzen an- geführten Maßen hervor; ich fand hier in dem ersten Fall für Achse und Äquatorialdurchmesser 7,50 bezw. 10,56 mm, im zweiten 8,18 bezw. 11,59 mm, im dritten 8,93 bezw. 13,25 mm. Geringe Unter- schiede zwischen den verschiedenen, durch die Äquatorialebene ge- legten Durchmessern sind auch mir aufgefallen, doch betrugen sie z. B. beim Schaf kaum mehr als 0,5 mm. Übrigens wird auf diese Frage bei erneuten Untersuchungen noch genauer zu achten sein. Die von den einzelnen Autoren gefundenen Werthe sind natürlich nur dann mit emander vergleichbar, wenn sie genau in derselben Weise gewonnen sind. Daher sind auch die von mir gefundenen Werthe zunächst nur unter einander vergleichbar. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, so habe ich stets den gleichen gemacht. Ich habe mir kein bestimmtes Urtheil bilden können, ob die Form, welche die Linse bei der von mir geübten Methode der Fixirung annimmt, mehr jener Form entspricht, welche sie in vivo bei straff gespannter Zonula zeigt, oder aber jener, welche sie bei erschlaffter Zonula an- nimmt. — KoscHEL berechnet das Verhältnis der Linsenachse zum Äquatorialdurchmesser, welches ich als anatomischen Index bezeichnet habe, beim Pferd zu 1,6, beim Rind zu 1,4, beim Schaf zu 1,2, eben so beim Schwein, endlich bei der Katze zu 1,3; diese Angaben stimmen ziemlich gut mit meinen Befunden überein. Er hat endlich auch für die von ihm untersuchten Linsen die Krümmungsradien be- rechnet; indessen will ich von einer Mittheilung seiner Ergebnisse absehen, da dieselben nach dem früher darüber Gesagten doch nur eine relative Bedeutung beanspruchen können. Wichtig erscheint mir ! Man vergleiche mit Rücksicht auf die Linse des Pferdes noch: W. ELLEN- BERGER und H. Baum, Topographische Anatomie des Pferdes. II. Theil. Berlin 1894. Daselbst sind auch noch die Angaben von MARTIN und BERLIN berück- sichtigt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 73 die Angabe, »dass die vordere Linsenfläche bei allen Hausthieren, mit Ausnahme der Katze, stets eine flachere Wölbung zeigt«, als die hintere. Andere Carnivoren, als die Katze, hat KoscHEL nicht unter- sucht; er würde sich sonst überzeugt haben, dass diese Eigenthüm- lichkeit auch anderen zukommt. ELLENBERGER und Baum! fanden bei einem mittelgroßen Hunde den Krümmungsradius der vorderen Fläche größer, als den der hinteren, was nach dem früher Mitge- theilten ausnahmsweise vorkommen kann, aber nicht das gewöhnliche Verhalten zu sein scheint. Die eigenthümlichen meridionalen Leisten am Linsenäquator der Primaten wurden schon vor mehreren Jahren von MAaanus? und To- POLANSKI? an der Linse des lebenden Menschen gesehen. MAacxus beschrieb sie als eine Blasenbildung und meinte, dass dieselbe durch einen Flüssigkeitserguss unter die Kapsel zu Stande komme. Rich- tiger urtheilte ToPoLAnskı, der die Leisten als »zeltförmige Er- hebungen des Linsenrandes< bezeichnete und ihre Entstehung auf die Zugwirkung der Zonulafasern zurückführte; er war auch im Stande, die Ansicht Magnus’, dass es sich um hohle, mit Flüssigkeit erfüllte Blasen handle, zu widerlegen und den Nachweis zu führen, dass sich an ihrer Zusammensetzung nicht bloß die Kapsel, sondern auch das Epithel uud die Linsenfasern betheiligen. Was den feineren Bau der Linse betrifft, so muss ich vor Allem eine Angabe KÖLLIKER’S?! aus dem Jahre 1855 eitiren, welche zeigt, wie nahe dieser Forscher schon damals daran war, die meridionalen Reihen des Epithelrandes zu finden und dadurch zu einem besseren Einblick in den Bau der Linse zu gelangen. In einer kurzen Notiz über die Entwicklung der Linse heißt es: »Um Anderen einen Fingerzeig zu geben, erwähne ich noch, dass die hinteren Enden der eben auswachsenden Epithelzellen, sowie der jüngsten Fasern stark verbreitert an die hintere Wand der Linsenkapsel sich an- setzen und von der Fläche gesehen oft sehr regelmäßig polygonal erscheinen. Zieht man die Linsenkapsel von der Linse ab, so bleiben nicht selten zarte Abdrücke dieser Polygone an derselben haften, 1 W. ELLENBERGER u. H. Baum, Systematische und SL en Anato- mie yes Hundes. Berlin 1891. 2 H. Magnus, Über Blasenbildung am Linsenäquator. Klinische Monatsbl. für Augenheilkunde. 29. Jahrg. 1891. 3 A. TOPOLANSKI, Linsenranderhebungen. Ebenda. 30. Jahrg. 1892. 4 A. KÖLLIKER, Über die Entwicklung der Linse. Diese Zeitschr, Bd. VI. 1855. 74 Carl Rabl, welche an ein Epithel glauben machen könnten, welches sicherlich nicht da ist; ferner findet man an einer solchen abgezogenen Kapsel am Rande der Epithelialschicht ohne Ausnahme eine Lage junger Fasern mit Kernen, welche rückwärts wie in Reihen äußerst zarter, polygonaler kernloser, aber feinkörniger Zellen auslaufen. Ich glaubte zuerst dieses Bild wirklich auf Zellenreihen beziehen zu dürfen, über- zeugte mich dann aber später, dass jedes Polygon das letzte Ende einer besonderen Faser ist.« Die Art der Umbildung der Epithelzellen zu den Linsenfasern wurde bekanntlich zuerst in ihren Hauptzügen von HERMANN MEYER! an der Linse eines neugeborenen Hundes erkannt. Von ihm wurde auch die Bezeichnung »Kernzone« eingeführt, die seither allgemein üblich ist. Später haben zahlreiche Forscher das Verhalten dieser Kernzone, sowie den feineren Bau der Linse überhaupt, genauer untersucht und namentlich durch die Arbeiten aus den siebziger Jahren wurden unsere Kenntnisse über den feineren Bau der Linse in so her- vorragender Weise gefördert, dass sie bald zu einem gewissen Ab- schlusse gediehen zu sein schienen. Aus dieser Zeit sind vor Allem die ausgezeichneten Arbeiten von BABUCHIN?, JUL. ARNOLD® und HenLE? zu nennen. Dem letztgenannten Forscher verdanken wir u. A. auch die beste Abbildung der Kernzone, die bisher vorlag. Sie stellt die Kernzone eines Hundes dar und zeigt das Auswachsen der Zellen an und hinter der Epithelgrenze in durchaus korrekter Weise’. HENLE hat aber auch ganz zweifellos die Anordnung der Linsenfasern zu radiären Lamellen gesehen, wenn er auch die Bedeutung dieser Lamellen nicht erkannt hat. Er bildet radiäre Lamellen vom Hund, Schaf, Schwein, Kaninchen und Menschen ab und hat, wie aus eini- sen der Zeichnungen zu entnehmen ist, auch gewisse Störungen im Verlaufe der Lamellen gesehen. — Im Jahre 1883 erschien dann die, namentlich von pathologisch-anatomischer Seite sehr geschätzte Arbeit 1 HERMANN MEYER, Beitrag zu der Streitfrage über die Entstehung der Linsenfasern. Briefliche Mittheilung an JoH. MÜLLER. Arch. f. Anat., Physiol. u. wiss. Mediein. Jahrg. 1851. 2 BABUCHIn, Die Linse. Handb. der Lehre von den Geweben, herausges. von $. STRICKER. Bd. II. 1872. 3 JuLıus ARNOLD, Die Linse und das Strahlenplättchen. Handbuch der sesammten Augenheilkunde von A. GRAEFE u. TH. SAEMISCH. Bd. I. 1874. “4 J. HEnLe, Zur Anatomie der Krystalllinse. Abh. d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Bd. XXIII. 1878. 21. sc. Tara Eie22: Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 75 von OTTO BEckeEr! über die gesunde und kranke Linse. Was die Darstellung des Baues der gesunden Linse betrifft, so geht sie nicht weit über das damals Bekannte hinaus. BECKER giebt namentlich eine gute Beschreibung der Kernzone der menschlichen Linse; ob er die radiären Lamellen gesehen hat, ist aus der Arbeit nicht mit Sicherheit zu entnehmen; jedenfalls hat er ihre Bedeutung nicht er- kannt. Indessen verdient erwähnt zu werden, dass auf zwei von PETERS angefertigten Zeichnungen nach Äquatorialschnitten durch kranke Linsen die radiären Lamellen ganz deutlich zu erkennen sind? — Ziemlich nahe scheint RUBATTEL? dem Verständnis der ra- diären Lamellen gekommen zu sein. In seiner Dissertation über die Entwicklung der Linse beschreibt er einen Äquatorialschnitt durch die Linse eines Neugeborenen folgendermaßen: »Chez le nouveau-ne on observe, que les fibres ont la forme des prismes aplatis, ranges en series assez regulieres. Par places, on voit de grandes fibres qui correspondent & deux ou trois rangees et affectent la forme de grands prismes, de trapezes, de losanges, ou d’autres formes moins regulieres. « Und von der Linse des Schweines heißt es: »Sur des coupes equa- toriales, il est facile de voir que les prismes cristalliniens sont aplatis, reguliers, ranges par series, sans qu’on puisse distinguer des fibres notablement plus grandes que les autres, comme chez le nou- veau-ne.« Was die über den Bau der Kapsel vorliegenden Litteraturangaben betrifft, so hebe ich nur eine mir besonders wichtig erscheinende Angabe BEcKEr’s hervor. BECKER theilt über die Kapsel der Linse des Neugeborenen mit, dass sie eine Strecke weit hinter dem Äquator die größte Dicke besitzt. Er fährt dann fort: »Ich fand dies aus- nahmslos an Linsen neugeborener Kinder. Die Stelle liegt unmittel- bar hinter der hinteren Begrenzung des Canalis Petit. Die Kapsel erreicht dort die enorme Dicke von 0,024 mm.« Er fand also die Kapsel hier genau eben so dick, wie ich an der Linse eines jungen Macacus. Beim Erwachsenen ist sie nach dem früher Mitgetheilten nur mehr halb so dick. Wenn ich hiermit die Litteraturbesprechung schließe, so bin ich mir wohl bewusst, dass ich nur die wichtigsten Angaben berücksich- tigt habe; aber es scheint mir, dass eine eingehendere Berücksichti- 1 Otto BECKER, Zur Anatomie der gesunden und kranken Linse. Unter Mitwirkung von DA GA=mA Pinto und SCHÄFER. Wiesbaden 1883. 2318 ei: Taf--IV., Fig. 18°u. 20, 31, e. p. 26 u. 27, 76 Carl Rabl, gung kaum sehr fruchtbringend wäre. Damit soll den Verdiensten meiner Vorgänger kein Abbruch geschehen. VI. Rückblick und Schluss. A. Die Entwicklung der Linse. »Die Entwicklungsgeschichte ist der wahre Lichtträger für Unter- suchungen über organische Körper. Bei jedem Schritte findet sie ihre Anwendung, und alle Vorstellungen, welche wir von den gegen- seitigen Verhältnissen der organischen Körper haben, werden den Einfluss unserer Kenntnis der Entwicklungsgeschichte erfahren.« Ich stelle mit Absicht diese Worte CARL Ernst v. BAER’s, die oft eitirt, aber selten beherzigt werden, voran, um meinen Standpunkt gegenüber jener Richtung in der Anatomie zu präeisiren, welche nicht müde wird, die Ergebnisse entwicklungsgeschichtlicher Forschung als minderwerthig mit Geringschätzung zu behandeln. Die Anhänger dieser Richtung pflegen den entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen nur so lange und so weit Rechnung zu tragen, als sie den Speku- lationen, zu denen sie auf vergleichend-anatomischem Wege gelangt sind, eine Stütze zu bieten vermögen. In diesem Falle finden sie zuweilen nicht Worte genug, um den Werth und die Bedeutung der Entwicklungsgeschichte zu preisen. Setzt sich aber eine Thatsache mit ihren Spekulationen in Widerspruch, so wird nicht erst geprüft, ob und in wie weit diese Spekulationen auch wirklich jene Berech- tigung haben, die ihnen vindieirt wird, sondern es werden Beispiele herbeigeholt, welche beweisen sollen, dass uns die Entwicklung eines Organismus eigentlich nicht viel mehr als eine kontinuirliche Kette von Fälschungen der phylogenetischen Urkunde vor Augen führt. Die Fälschungen, sagt man, beginnen schon in den ersten Stadien und dauern so lange, bis der fertige Zustand erreicht sei. Das Hühnerei besitze einen mächtigen Nahrungsdotter: nun kenne aber Niemand ein Wirbelthier, das mit einem Nahrungsdotter am Bauche umherliefe; am Hinterende der Keimscheibe bilde sich der Primitiv- streif: kein Wirbelthier habe aber an seinem Hinterende eine Bildung, die damit vergleichbar wäre; später bilde sich eine Mundbucht und diese setze sich erst lange nach ihrem Erscheinen mit dem Vorder- darm in Verbindung: es sei aber ganz widersinnig, anzunehmen, dass einmal in der Vorfahrenreihe des Huhnes ein Wirbelthier gelebt habe, bei dem der Darm nieht durch einen Mund sich nach außen öffnete; darauf erscheinen die Kiemenbogen, aber das seien Kiemenbogen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 77 ohne Kiemen und solche gebe es bei keinem entwickelten Wirbel- thier; auch umhülle sich der Embryo mit einem Amnion: aber »wir kennen keine Wirbelthiere, die zeitlebens mit einem Amnion umhüllt blieben! Wir können solche Zustände uns vernünftigerweise nicht einmal denken.« Ja wohl! Wir können uns solche Zustände vernünftigerweise nicht einmal denken. Wir sollten aber auch eine so verständnislose Betrachtungsweise entwicklungsgeschichtlicher Erscheinungen für aus- geschlossen halten dürfen. Und doch ist das thatsächlich die Art, in welcher von der Mehrzahl der heutigen Vertreter der sogenannten vergleichend-anatomischen Richtung die Entwicklungsgeschichte be- urtheilt wird. Die Entwicklung eines Organismus besteht nach ihnen aus nichts als einer Aneinanderreihung eänogenetischer Erscheinungen; sie ist nichts als eine Kette von Fälschungen der phylogenetischen Urkunde; sie ist nicht »der wahre Lichtträger für Untersuchungen über organische Körper«, sondern sie leitet uns auf Irrwege und stürzt uns in Abgründe, aus denen kein Entrinnen möglich ist. Eine solche Auffassung entwicklungsgeschichtlicher Vorgänge ist nur möglich bei vollständiger Verkennung dessen, was Entwick- jung heißt. Wer will von einem Huhn verlangen, dass es die Ent- wicklung eines Salamanders, wer von einem Salamander, dass er die Entwicklung eines Fisches wiederhole? Thatsächlich aber verlangt man dies, wenn man von einem Hühnerembryo fordert, dass er Kie- men an seinen Kiemenbogen zur Ausbildung bringe. Wiederholt nicht jedes Thier, ja jeder Organismus überhaupt, nur die Entwicklung seiner unmittelbaren Vorfahren? Ist nicht die ganze Kette von Vorgängen, welche ein Organismus während seiner individuellen Ent- wicklung durchläuft, nur eine Wiederholung eben derselben Kette von Vorgängen, die seine Eltern durchlaufen haben? Und haben nicht diese während ihrer Entwicklung nur die Kette der Vorgänge wiederholt, welche die Großeltern durchlaufen haben? Und so fort durch ungezählte Generationen. Dabei hat es nie und nirgends eine Fälschung der phylogenetischen Urkunde gegeben; nie hat ein Kind bei seiner Entwicklung ein Stadium seiner Eltern unterdrückt oder ein neues eingeschoben; nie haben die Eltern die Entwicklung der Großeltern verleugnet. Von diesem Gesichtspunkte betrachtet, kann es in der Entwicklung eines Organismus keine Cänogenese geben, man müsste denn als solche jene Störungen in dem normalen Ab- lauf der Erscheinungen bezeichnen wollen, welche zu Missbildungen führen. 173 Carl Rabl, Vor zwanzig Jahren habe ich in meiner Arbeit über die Ent- wicklung der Tellerschnecke! den Begriff und die Bedeutung der Entwicklungsgeschichte in folgenden Sätzen zum Ausdrucke gebracht: »Die vergleichende Entwicklungsgeschichte ist nichts An- deres, als die vergleichende Anatomie der Embryonen in korrespondirenden Lebensaltern; es steht ihr daher für die Ermittlung der verwandtschaftlichen Beziehungen ganz dasselbe Recht zu, wie der Anatomie.< Auf diesem Standpunkte stehe ich, der Hauptsache nach, noch heute; nur möchte ich statt des zweiten Satzes heute schreiben: es steht ihr für die Ermittlung der verwandt- schaftlichen Beziehungen ein viel größeres Recht zu, als der ver- eleichenden Anatomie. Diese Überzeugung hat sich mir durch meine entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten immer mehr aufgedrängt. Die vergleichende Anatomie beschäftigt sich nur mit einem einzigen Sta- dium der Entwicklung eines Organismus, mit dem sogenannten ferti- sen Zustand, d. h. einem Zustand, von welchem an die Organisation keine wesentliche Veränderung mehr erfährt. Sie sucht, indem sie die Endstadien der Entwicklung verschiedener Organismen mit einander vergleicht, indem sie das Gemeinsame aufsucht und auf die Ver- schiedenheiten hinweist, zu einem Urtheil über die früheren Organi- sationszustände zu gelangen. Die vergleichende Entwicklungsgeschichte dagegen hat zu ihrem Objekte die ganze lange Reihe von Zuständen, welche die Organismen vom Beginn ihrer individuellen Existenz bis zur Erreichung jenes fertigen Zustandes durchlaufen. Sie sucht zu- nächst die Zustände auf, in welchen zwei oder mehrere, ihrer Art nach verschiedene Organismen wesentlich die gleiche Organisation besitzen; sie hebt das Gemeinsame dieser Zustände hervor und sucht die Ursachen der Verschiedenheiten durch Erforschung der Lebens- und Entwicklungsbedingungen zu ergründen. Auf diesem Wege ge- langt sie durch Abstraktion des Verschiedenartigen und durch Zu- sammenfassung des Gemeinsamen zur Aufstellung bestimmter Regeln, aus denen sie dann die Gesetze, von welchen die Entwicklung be- herrscht wird, ableitet. Es ist von vergleichend - Anatonkiahler Seite oft betont worden, dass die Vergleichung der fertigen Zustände, also der Endstadien der Entwicklung, für das Verständnis des Baues der Organismen ungleich wichtiger und förderlicher sei, als die Vergleichung der zahlreichen aus einander hervorgehenden Zustände, welche nur von kurzer Dauer ! CARL RABL, Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. p. 613. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 79 sind und rasch wieder vorübergehen. Jedoch lehrt eine einfache Über- legung, dass für die phylogenetische Verwerthung eines Zustandes, mag dieser das Endstadium der Entwicklung oder irgend ein anderes sein, die Dauer desselben und seine physiologische Bedeutung nicht maßgebend sein können. Wir kennen genug Fälle, wo die Dauer des fertigen Zustandes nur eine ganz kurze ist, wenigstens kurz im Vergleich mit der Dauer der zahlreichen Zustände, welche durchlaufen werden mussten, um dieses Endstadium zu erreichen. Eben so wenig kann der Umstand entscheidend sein, dass die Organismen in diesem Endstadium ein selbstthätiges Leben führen, dass sich während des- selben die zahllosen Relationen zur Außenwelt, welehe das Leben eines Organismus charakterisiren, ausbilden und dass erst in diesem Stadium die Wechselbeziehungen zwischen Form und Funktion klar und unzweideutig und in vollem Ausmaße in die Erscheinung treten. Ich verweise nur auf die zahlreichen Fälle, wo Thiere schon im Larvenzustande geschlechtsreif werden, auf die Fälle, wo im Ent- wicklungseyklus sich in regelmäßiger Folge zwei oder mehrere Generationen abwechseln, auf die Fälle, wo, wie bei den metaboli- schen Insekten, einzelne Stadien weit über das gewöhnliche Maß hinaus in die Länge gezogen sind und wo die betreffenden Formen während dieser Stadien ein selbstthätiges Leben führen und mit der Außenwelt nicht selten in viel intensivere Beziehungen treten, als im vollkommen entwickelten Zustande. Für die Ermittlung der ver- wandtschaftlichen Beziehungen der Organismen, für die Erkenntnis ihres phylogenetischen Zusammenhanges, sind also die Endstadien der Entwicklung nicht von größerer Bedeutung, als alle anderen Stadien, die während der Entwicklung durchlaufen werden. Ja, es kann die phylogenetische Verwerthbarkeit eines Stadiums — mag es das Endstadium oder ein anderes sein — gerade dadurch, dass es über das gewöhnliche Maß in die Länge gezogen wird und der Organis- mus während desselben ein selbstthätiges Leben führt, erheblich be- einträchtigt werden. Niemandem wird es in den Sinn kommen, dem Endstadium der Rhizocephalen oder der Cirripedien eine größere phylogenetische Bedeutung zuzuschreiben, als etwa ihrem Nauplius- stadium. | | Die von vergleichend-anatomischer Seite vorgetragene Doktrin, dass den Endstadien der Entwicklung eine überwiegende Bedeutung in phylogenetischer Beziehung zukomme, konnte unter den Zoologen nie festen Fuß fassen. Dagegen ist es begreiflich, dass sie auf Seiten der Anatomen zahlreiche Anhänger finden konnte. Die meisten Ana- 80 Carl Rabl, tomen, so weit sie überhaupt vergleichende Anatomie treiben, kennen die Wirbellosen nur vom Hörensagen; sie wissen wenig oder nichts von den zahlreichen Larvenformen, deren phylogenetische Bedeutuig für Jeden, der auf dem Boden der Descendenztheorie fußt, ganz außer Zweifel steht. Wie viele Anatomen giebt es, denen die phylo- genetische Bedeutung des Trochophorastadiums klar zum Bewusstsein gelangt ist? Die immer weiterschreitende Arbeitstheilung hat, so segensreiche Früchte sie einerseits gezeitigt hat, doch auch anderer- seits den Nachtheil gebracht, dass die Zoologen und Anatomen ein- ander immer mehr entfremdet wurden. Der Zoologe kennt heute den Anatomen nicht mehr und der Anatom den Zoologen nicht; sie glauben fast, von einander nichts mehr lernen zu können. Und doch wäre eine gegenseitige Korrektur in vielen Fällen sehr erwünscht; bestände eine solche, so würde sich auch nie jene Doktrin der vergleichenden Anatomen haben Geltung verschaffen können. Übrigens ist dieselbe nicht von allem Anfang an mit jener Schärfe und Schroffheit vorgetragen worden, wie heute. Noch vor zwanzig Jahren wurde gerade von jener Seite, welche sie jetzt mit der größten Entschiedenheit und Energie vertritt, der vergleichenden Entwicklungsgeschichte volle Anerkennung gezoll. Aber in dem- selben Maße, als sich diese vertiefte und an Umfang und Ausdehnung gewann, in demselben Maße als sich zeigte, dass alle großen, auf rein vergleichend-anatomischem Wege, — lediglich durch Vergleichung der fertigen Zustände, — gewonnenen Theorien in der Entwicklung der Thiere keine Stütze fanden, verschärfte sich der Gegensatz zwischen vergleichend-anatomischer und entwicklungsgeschichtlicher Richtung. Während die vergleichende Anatomie an Gedanken mehr und mehr verarmte und sich schließlich fast nur mehr darauf be- schränkte, auf längst bekannte Melodien neue Variationen zu ersinnen, schritt die Entwicklungsgeschichte rüstig und jugendfrisch vorwärts. Keine große Frage der Morphologie blieb von ihr unberührt; überall hat sie befruchtend und segenbringend gewirkt, überall hat sie neue Gesichtspunkte eröffnet und neue Wege gebahnt. So haben sich jene herrlichen Worte CArL Ernst v. Baer’s im vollsten Maße bewahr- heitet. — Wenn nun aber auch den Endstadien der Entwicklung Keine srößere phylogenetische Beweiskraft zuerkannt werden kann, als allen anderen Stadien, welche ein Organismus während seiner individuellen Existenz durchläuft, so kommt ihnen doch andererseits in physio- logischer Beziehung eine ganz hervorragende Bedeutung zu. Diese Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 81 Bedeutung leitet sich in erster Linie von dem Umstande her, dass sewöhnlich erst während dieser Endstadien die Wechselbeziehungen zwischen Form und Funktion deutlich und unverkennbar in die Er- scheinung treten. Im Grunde genommen wären freilich alle Stadien, in welchen ein Organismus ein selbstthätiges Leben führt, — seien es nun Larvenstadien oder fertige Zustände — in physiologischer Beziehung gleich werthvoll; nur sind die Endstadien in den meisten Fällen der physiologischen Forschung leichter zugänglich, als jene Frühstadien. Übrigens hat man bekanntlich bereits begonnen, die Methoden der physiologischen Forschung, namentlich das physio- logische Experiment, auch auf die Untersuchung jener Stadien aus- zudehnen, in welchen der Organismus noch kein selbstthätiges Leben führt. Diese, bis im die frühesten Furchungsstadien des thierischen Eies ausgedehnten Untersuchungen haben zu den überraschendsten und werthvollsten Ergebnissen geführt und es kann nicht dankbar genug anerkannt werden, dass durch dieselben eine ganze Reihe der wichtigsten entwicklungsgeschichtlichen Fragen geklärt und zahlreiche neue Probleme aufgeworfen worden sind. Wiein jedem Wissenszweige kommt es auch hier in erster Linie auf eine klare, präcise und ziel- bewusste Fragestellung an; sie ist die Grundbedingung eines jeden Fortschrittes. Verirrungen sind namentlich im Beginne der Entwick- lung einer Wissenschaft nicht zu vermeiden, aber es kann durch sie der Werth des sicher Erreichten nicht verringert werden. Bei aller Anerkennung der auf diesem Felde der Entwicklungs- geschichte, das sich den Namen einer Entwicklungsmechanik bei- gelegt hat, faktisch geleisteten Arbeit, kann doch nicht eindringlich genug vor den Ausschreitungen und Überhebungen gewarnt werden, die leider gerade hier zu den täglichen Erscheinungen gehören. Der kleine Gernesroß kann die Zeit nicht erwarten, da er die Kinder- schuhe wird abstreifen können; er glaubt schon Alles zu wissen oder wenigstens Alles besser zu wissen, als die Anderen. Man hat sich eine eigene Sprache zurecht gelegt und hantirt mit Begriffen, denen nur allzu oft jede reale Basis fehlt. Die schlichte, kritische Be- schreibung einer beobachteten Thatsache wird gering geschätzt und nur den auf experimentellem Wege gewonnenen Erfahrungen ein erkennt- nistheoretischer Werth beigemessen; höchstens als Mittel zum Zweck wird der Beschreibung noch einiger Werth zuerkannt. So hat Roux! 1 Vgl. die Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft auf der 10. Ver- sammlung in Berlin 1896. Diskussion zu dem Vortrage Kopsc#’s über »Experi- mentelle Untersuchungen über den Keimhautrand der Salmoniden«. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 6 82 Carl Rabl, vor einigen Jahren gegen mich geäußert: »RABL sucht die Ge- staltänderungen richtig zu beschreiben; wir streben gegenwärtig den Sitz der Ursachen dieser Änderungen zu ermitteln.e Nun ist es allerdings richtig, dass ich zunächst und in erster Linie bemüht bin, die auf einander folgenden Formzustände möglichst genau zu beschreiben; aber ich bin nie bei dieser Beschreibung der Zu- stände stehen geblieben, sondern bin immer bestrebt gewesen, die einzelnen Zustände von einander abzuleiten, ihren Zusammenhang zu ermitteln und auf diese Weise zu einem causalen Verständnisse der Vorgänge selbst zu gelangen. Nicht die Beschreibung der Zustände, sondern jene der Vorgänge ist der eigentliche Zweck einer entwicklungsgeschichtlichen Arbeit. Dass das entwicklungs- geschichtliche Experiment uns über diese Vorgänge einen Aufschluss zu geben vermag, steht außer Frage; eben so sicher aber ist, dass die Beobachtung der im normalen, ungestörten Entwicklungsgange auf einander folgenden Formzustände die unerlässliche Grundlage für die Erkenntnis des causalen Zusammenhanges der Erscheinungen bieten muss. | Ich bin in der erfreulichen Lage, für meine Auffassung der Aufgaben der Entwicklungsgeschichte, wie der Naturforschung über- haupt, sehr gewichtige Bundesgenossen anführen zu können. So hat schon im Jahre 1850 Jun. RoB. MAYER gesagt: »Ist einmal eine Thatsache nach allen ihren Seiten hin bekannt, so ist sie eben damit erklärt und die Aufgabe der Wissenschaft ist beendigt.«< Vierundzwanzig Jahre später hat KıircHHoOFF die Aufgabe der Mechanik dahin festgestellt: »Die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen vollständig und auf die einfachste Weise zu beschreiben.« Ferner hat MAcH in einer im Jahre 1872 erschienenen Schrift »Über die Erhaltung der Arbeit« die Ansicht vertreten, »dass es der Naturforschung durchaus nur auf den ökonomischen Ausdruck des Thatsächlichen ankomme«. Endlich hat sich auch BOLTZMANN der Auffassung KIRCHHOFF'S an- geschlossen!. Ich bin der Überzeugung, dass diese Auffassung der Physiker auch auf die Entwicklungsgeschichte, sowie überhaupt auf die ganze Naturwissenschaft, Anwendung findet? In der That ist ı Vgl. darüber: E. Mach, Über das Prineip der Vergleichung in der Phy- sik. Vortrag, gehalten auf der Naturforscherversammlung zu Wien 189. ? Roux hat sich gegen die Anwendbarkeit der von KIRCHHOFF gegebenen Definition der Aufgabe der Mechanik auf die Entwicklungsgeschichte ausge- sprochen, und zwar auf Grund der ganz willkürlichen Annahme, dass wir nie im Stande sein werden, die Entwicklungsgeschichte als eine deskriptive Wissen- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 83 jede gute entwicklungsgeschichtliche Theorie nichts Anderes als der einfachste Ausdruck für die beobachteten Thatsachen. — Es wurde früher gesagt, dass jeder Organismus während seiner individuellen Entwicklung nur die Entwicklung seiner unmittelbaren Vorfahren wiederholt; ein Kind wiederholt nur die Entwicklung seiner Eltern, die Eltern haben die Entwicklung der Großeltern wiederholt, und so ist es gegangen, so lange es Organismen auf der Erde gegeben hat. Es ist selbstverständlich, dass damit nicht gesagt sein soll, dass die Vorfahren des Menschen auch während der frühen Tertiärzeit oder während der Kreidezeit Menschen gewesen seien, oder dass es Hühner gegeben habe, so lange es überhaupt Organismen giebt. Ich stehe vielmehr voll und ganz auf dem Boden der Descendenztheorie und erblicke in derselben auch wieder nur den einfachsten und natür- liehsten Ausdruck der entwicklungsgeschichtlichen, vergleichend-ana- tomischen und paläontologischen Thatsachen. Die Vorfahren haben sich langsam und allmählich verändert, sie haben sich von einfacheren zu komplicirteren Formen umgebildet. Diese Umbildung hat aber keineswegs die fertigen Formen allein betroffen, sondern den ganzen langen Entwicklungscyklus vom Beginne der individuellen Existenz eines Organismus bis zur Erreichung des fertigen Zustandes. Wir haben immer im Auge zu behalten, dass das, was wir den fertigen Zustand nennen, nichts ist als das Endstadium einer langen Kette - von Formzuständen, die alle nothwendig aus einander folgen und alle nothwendig mit einander verbunden sind. Sie bilden eine Ent- wicklungseinheit, aus der kein Zustand genommen werden kann, ohne die ganze Einheit zu zerstören, bei der aber auch andererseits kein Zustand geändert werden kann, ohne eine Änderung: des Ganzen herbeizuführen. Die Änderungen konnten und durften nur ganz unbedeutende sein, wenn sie die Entwicklung nicht stören oder aufheben sollten. Sie konnten zu jeder Zeit der Entwicklung vom Beginne der individuellen Existenz an bis zur Erreichung des fertigen Zustandes auftreten. Ihrem Schicksale nach konnten sie zweierlei Art sein: schaft im Sinne KIRCHHOFF’s zu behandeln. Er schreibt: »Wir werden dieses Ziel nicht nur nie erreichen, sondern auch nicht einmal uns ihm bloß durch Beobachtung des normalen Geschehens erheblich viel weiter zu nähern ver- mögen, als es bereits geschehen ist.<« — Wenn es wirklich so schlimm mit dem durch Beobachtung der normalen Entwicklung Erreichbaren stünde, so wäre es wohl am besten, den Tempel der Wissenschaft zu schließen und darüber die Worte zu schreiben: »Laseiate ogni speranza!« (Vgl. Roux, Ges. Abhandl. über Entwicklungsmech. der Organismen. Bd. II. 1895. p. 3.) 6* 84 Carl Rabl, erstens solche, welche im weiteren Verlaufe der Entwicklung durch regelnde Einflüsse oder Vorrichtungen, wie vor Allem durch die Kor- relation der sich entwickelnden Organe, wieder ausgeglichen wurden, und zweitens solche, welche keine Ausgleichung erfuhren, sondern durch alle folgenden Stadien bestehen blieben und auch im fertigen Zustande zum Ausdrucke kamen. Weitaus die Mehrzahl der im Laufe der Entwicklung auftretenden Variationen fällt in die erste Gruppe; sie waren schon v. BAER bekannt und sind in neuester Zeit wieder genau studirt worden!: In phylogenetischer Beziehung scheinen sie ohne Belang zu sein. Viel wichtiger sind dagegen die Variationen der zweiten Gruppe, jene, welche keine Ausgleichung erfuhren und welche wir daher als bleibende den anderen gegenüberstellen müssen. Dass in der That solche bleibenden Variationen im Laufe der Ent- wicklung auftreten und dass sie dann auch den Bau des fertigen Organismus und seiner Theile beeinflussen, kann keinem Zweifel unterliegen. Sie lassen sich, wie weiter unten gezeigt werden soll, zum Theil sogar ziffermäßig feststellen. Diese bleibenden Variationen nun sind von der allergrößten Be- deutung in phylogenetischer Beziehung. Sie mussten sich im Laufe der Generationen summiren und diese Summation musste schließlich dazu führen, dass eine Entwicklungseinheit von heute nicht mehr dieselbe ist, die sie vor tausend und abertausend Generationen war. So werden sich denn auch unsere Vorfahren aus der Tertiärzeit nicht bloß in ihrem entwickelten Zustande, in ihrem Endstadium, von uns unterschieden haben, sondern auch in allen früheren Stadien ihrer Entwicklung vom Beginn ihrer individuellen Existenz an; ihre Embryonen werden andere gewesen sein, als die menschlichen Em- bryonen von heute. Und noch größer werden die Unterschiede zwischen uns und unseren Vorfahren aus der Kreidezeit gewesen sein. Auch hier werden die Unterschiede die ganzen Entwick- lungseinheiten und nicht bloß die Endstadien betroffen haben. Zu Anfang unseres Jahrhunderts wurde namentlich von J. FE. MECKEL und OkEN die Behauptung aufgestellt, »der Mensch durch- laufe in seiner Entwicklung die verschiedenen höheren Thierformen. Er sei also nach einander Infusorium, Insekt-Fisch, Amphibium- Vogel, niederes Säugethier und endlich Mensch«2. Diese Auf- 1 ALFRED FISCHEL, Über Variabilität und Wachsthum des embryonalen Körpers. Morph. Jahrb. Bd. XXIV. 1896, 2 Vgl. C. E. v. BAER, Studien aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. 2. Hälfte. Petersburg 1876. V. Über Darwıw’s Lehre. p. 242. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 85 fassung wurde von v. BAER aufs entschiedenste bekämpft und sein Widerspruch hat auch ziemlich allgemeine Anerkennung gefunden. Später aber, als die Descendenztheorie ihren Siegeszug durch Europa und namentlich durch Deutschland hielt, kehrte man wieder darauf zurück. Wenn man sie auch nicht in ihrer ursprünglichen Schroff- heit hinstellte und der besseren vergleichend-anatomischen Einsicht manches Opfer bringen musste, so blieb sie doch dem Wesen nach aufrecht. Wie zur Zeit Oken’s hatte man sich wieder verleiten lassen, »gewisse Ähnlichkeiten als Gleichheiten anzusprechen und zu behandeln< und so war man zur Aufstellung des Satzes gelangt: »Die Keimform wiederholt durch Vererbung die betreffende Stamm- form.« So richtig dieser Satz ist, wenn man unter Stammform nur die Form der unmittelbaren Vorfahren versteht, so unrichtig ist er, wenn man dabei eine Stammform im Auge hat, die etwa zur Kreide- oder Jurazeit gelebt hat. Nun könnte man vielleicht daran denken, den Satz in der Weise zu modifieiren, dass man sagte: Der Keim wiederholt nicht die Stammformen, wohl aber die Keimformen der- selben. Aber auch in dieser Fassung wäre der Satz nicht haltbar. Der Mensch wiederholt während semer individuellen Entwicklung nicht die Keimformen seiner entfernteren Vorfahren, sondern nur die seiner Eltern. Es ist ein weit verbreiteter Irrthum, dass die Embryonen der Wirbelthiere und vor Allem der einzelnen Wirbelthierklassen, einander in den früheren Stadien der Entwicklung »bis zum Ver- wechseln ähnlich« sehen. Wenn auch, wie schon BAER erkannt hat, die Embryonen der verschiedenen Arten einer Klasse einander ähn- licher sind, als die erwachsenen Thiere, so weiß doch jeder erfahrene Embryologe, dass ein menschlicher Embryo ein anderer ist, als ein Kaninehenembryo und dass dieser hinwiederum mit einem Schweine- oder Katzenembryo nicht verwechselt werden kann. Jede Art hat ihre eigenen wohlcharakterisirten Embryonen. Der Mensch durchläuft nicht seine Stammformen, und auch nicht deren Keimformen, sondern er ist Mensch vom Beginne seiner Entwicklung an. Er wird nicht erst Mensch zur Zeit seiner Geburt, er ist schon Mensch als Fötus, schon Mensch zur Zeit, da er noch Kiemenbogen besitzt, ja schon Mensch in dem Stadium, wo der Keim noch aus einem scheinbar ungeordneten Zellhaufen besteht. Er ist Mensch vom Beginn seiner Entwicklung an und diesen Beginn haben wir in jenen Zeitpunkt zu verlegen, in welchem die Befruchtung perfekt geworden ist!. Die 1 In seinem Vortrage über »Befruchtung und Vererbung« (Gesellschaft deutscher Naturforscher u. Arzte. Verhandl. 1897. Allgem. Theil) sagt WALDEYER 6 Carl Rabl, ganze lange Reihe von Zuständen und Vorgängen, welche der Mensch vom Beginn seiner Entwicklung an durchläuft, stellt eben eine ein- zige, untheilbare Entwicklungseinheit dar, eben jene Entwieklungs- einheit, die wir als Mensch bezeichnen. Ganz dasselbe gilt auch von jedem anderen Organismus. Um meine Auffassung der Entwicklung — sowohl der phyloge- netischen, als der ontogenetischen, sowie auch der Beziehungen zwi- schen beiden — klarer darstellen zu können, will ich ein specielles Beispiel, etwa die Entwicklung unserer Hausente wählen. Aus der langen Kette ihrer Vorfahren will ich nur ein paar Glieder heraus- heben. Ich will zunächst annehmen, dass zu dieser Kette die BLAncHARD’sche Ente (Anas Blanchardi) aus dem Miocän gehört habe, die sich nur in geringfügigen Eigenthümlichkeiten ihrer Organi- sation von der heute lebenden Wildente unterschied. — Als ein zweites Glied der Vorfahrenkette will ich die Archaeopteryx litho- sraphica aus dem Jura herausheben; ich will also die, wie ich weiß, ganz willkürliche Annahme machen, dass sie zu den direkten Vorfahren unserer Ente gehört habe; ob dieselbe tausend oder hundert- tausend oder noch viel mehr Generationen vor der BLANCHARD’schen Ente gelebt hat, ist für den Zweck unseres Beispiels gleichgültig. — Ein drittes Glied der Vorfahrenkette soll der gleichfalls dem Jura angehörige, aber vielleicht wieder durch Tausende von Generationen von der Archaeopteryx getrennte Leptosaurus vorgestellt haben; er gehörte zu den Rhynchocephalen und war unserer jetzigen Hatte- via ähnlich, nur beträchtlich kleiner. — Als ein viertes Glied wollen wir Branchiosaurus, einen Stegocephalen aus der Steinkohle, be- trachten, und endlich möge Phaneropleuron, ein Crossopterygier aus dem Devon, ein fünftes Glied der Vorfahrenkette unserer Ente über das Perfektwerden ‘der Befruchtung: »Von dem Punkte nur ausgehend, dass es sich bei der Befruchtung stets um eine Konjugation zweier Zellen mit allen ihren Bestandtheilen handelt, müssen wir den Moment des Perfekt- werdens der Befruchtung dann für gekommen erachten, wenn diese Verschmelzung sich vollkommen vollzogen hat. In denjeni- sen Fällen also, in welchen die beiden Vorkerne nicht zum Furchungskerne verschmelzen, wie z. B. bei der Maus und bei Cyelops, wird, meines Erachtens, die Befruchtung erst später perfekt, und zwar erst während des Furchungs- aktes, bei dem es immer in irgend einem Stadium auch zur Verschmelzung der beiderlei Chromosomen nachträglich kommt.« Diese Auffassung halte ich für unrichtig. Mir scheint vielmehr, dass die Befruchtung dann perfekt sei, wenn das erste Centrosoma sich getheilt hat; denn damit ist der Anstoß zu allen weiteren Theilungen gegeben. Über den Bau und die Entwieklung der Linse. III. 87 vorstellen. Weiter zurück wollen wir, da die paläontologische Ur- kunde unsicher zu werden beginnt, nieht greifen. — Unserer An- nahme nach würden also Anas Blanchardi, Archaeopteryx, Leptosaurus, Branchiosaurus und Phaneropleuron direkte Vorfahren unserer Haus- ente gewesen sein. Sie würden uns allerdings nur eine äußerst unvoll- ständige Vorstellung ihres Stammbaumes zu bieten vermögen; denn sie würden uns nur fünf Bilder aus einer Ahnengalerie vor Augen führen, die so groß ist, dass sie ein Schloss mit tausend Sälen nicht zu fassen vermöchte. | Nun wird wohl die individuelle Entwicklung der BLANCHARD- schen Ente nicht viel anders gewesen sein, als die unserer Hausente. Wie diese, wird sie hartschalige Eier mit großem Dotter gelegt haben, auf der Keimscheibe wird sich ein Primitivstreif gebildet haben ganz ähnlich dem unserer Ente, dann wird es zur Bildung der Chorda, des Medullarrohres, der Kiemenbogen u. s. f. gekommen sein und das Alles wird sich so ähnlich abgespielt haben, wie bei der Ente, dass wir, wenn wir heute in die Lage kämen, thatsächlich die Entwick - lung der BLAncHARrD’schen Ente zu untersuchen, wahrscheinlich in Verlegenheit kämen, irgend welche tiefergreifenden Unterschiede gegenüber der Entwicklung unserer Hausente herauszufinden. Anders wird schon die Entwicklung der Archaeopteryx, des zweiten Gliedes aus der Vorfahrenkette, ausgesehen haben. Die Eier werden wohl kaum eine so harte Schale, wie die der Ente, besessen haben, der Dotter wird wahrscheinlich kleiner gewesen sein, es wird nicht zur Bildung eines eigentlichen Primitivstreifs, sondern vielmehr einer Art Mittelding zwischen Primitivstreif und Primitivplatte ge- kommen sein und auch sonst wird die ganze Entwicklung die Charak- tere der Entenentwicklung mit der der Eidechsenentwicklung in eigen- artiger Weise vereinigt haben. Noch auffallender wird sich die Entwicklung des Leptosaurus von der unserer Ente unterschieden haben. Seine Eier werden in Größe und Form, in der Beschaffenheit der Schale und der Menge des Dotters nicht viel anders, als die Eier unserer gewöhnlichen Zauneidechse ausgesehen haben. Da von allen jetzt lebenden Rep- tilien Hatteria am nächsten mit Leptosaurus verwandt ist, so werden wir wohl annehmen dürfen, dass auch seine Entwicklung am meisten mit der der Hatteria übereinstimmte. Wir würden uns also, wenn wir ein Bild derselben entwerfen wollten, an die Beschreibung zu halten haben, die uns SCHAUINSLAND vor Kurzem von der Hatteria- Entwicklung gegeben hat. 88 Carl Rabl, Das vierte Glied aus der Vorfahrenkette der Ente, der Branchio- saurus, der seine Jugend als Larve im Wasser verbrachte und während dieser Zeit, einer Tritonlarve ähnlich, durch Kiemen. athmete, wird seine Bier wohl ins Wasser an Steine oder Pflanzen abgesetzt haben. Die Eier werden von einer Gallerthülle umgeben gewesen sein und die relativ geringe Menge des Nahrungsdotters wird eine totale Durch- furchung des Eies gestattet haben. Die ganze Entwicklung wird der Hauptsache nach ähnlich der eines Triton oder Axolotls verlaufen sein. Darüber, wie die Entwicklung des letzten der angeführten Vor- fahren der Ente, des Phaneropleuron, ausgesehen haben mag, fehlt uns jeder sichere Anhaltspunkt, da wir von der Entwicklung der heute lebenden Crossopterygier keine Kenntnis besitzen. Vielleicht dürfen wir aber mit einigem Rechte vermuthen, dass sie eine ge- wisse, wenn auch nur entfernte, Ähnlichkeit mit der eines Störs ge- zeigt habe. So mangelhaft auch das Bild sein mag, das uns diese fünf Formen vom Stammbaum der Ente und der Entwicklung ihrer Vorfahren zu geben vermögen, so zeigt doch das gewählte Beispiel, dass in dem- selben Maße, als sich die fertigen Zustände, die Endstadien, änderten und von einander verschieden wurden, auch die ganze Reihe der früheren Zustände eine Änderung erfuhr. Die Umbildung: betraf also nie einen einzelnen Formzustand, sondern stets die ganze Entwick- lungseinheit. Wenn nun auch innerhalb zweier oder mehrerer, unmittelbar auf einander folgenden Generationen die Übereinstimmung der Entwick- lungseinheiten eine außerordentlich große und die Differenzen so geringe sind, dass sie der Beobachtung meist ganz entgehen, so ist doch die Übereinstimmung eine um so geringere, je weiter die Ent- wiceklungseinheiten zeitlich von einander getrennt sind. Jeder Organismus hat also seine specifische Entwicklung, und die Ursache davon muss schon in dem anatomischen Bau des Eies gelegen sein. Wir können dies auch mit den Worten ausdrücken: Die Wesenheit eines Organismus beherrscht seine Ent- wicklung!. ı Vgl. das zweite Scholion in v. BAER: »Über Entwicklungsgeschichte der Thiere«. Königsberg 1828. p. 147ff. Nachdem v. BAER aus einander gesetzt hat, dass während der Entwicklung die Verschiedenheiten ausgeglichen werden, und jede Abweichung, so viel möglich, zur Norm zurückgeführt wird, schreibt er: »Daraus ist aber ersichtlich, dass nicht der jedesmalige Zustand ganz allein und nach allen seinen Einzelheiten den zukünftigen bestimmt, sondern allge- meinere und höhere Verhältnisse ihn beherrschen. So kann, glaube ich, die Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. | sg In der vergleichenden Entwicklungsgeschichte gehen wir nun in der Weise vor, dass wir die Entwicklungseinheiten verschiedener Organismen neben einander stellen und untersuchen, in wie weit dieselben mit einander übereinstimmen und in wie weit sie sich von einander unterscheiden. Dabei nehmen wir ein Stadium oder einen Formzustand nach dem andern vor und suchen diejenigen Stadien zu ermitteln, in welchen die Entwicklungseinheiten dem Wesen nach den gleichen Bau besitzen. Diese Stadien sind es, welche wir als korrespondirende bezeichnen. Nach dem Grade der Übereinstimmung beurtheilen wir die natürliche Verwandtschaft. Je zahlreicher also die korrespondirenden Stadien sind, je länger mit anderen Worten zwei oder mehrere Entwicklungseinheiten einander parallel laufen, um so größer ist auch, unserem Urtheile nach, die natürliche Ver- wandtschaft. — Wir wollen nun von diesen Gesichtspunkten aus das kleine, aber nicht unwichtige Stück Entwicklungsgeschichte, das sich uns in der vorliegenden Arbeit entrollt hat, genauer betrachten. Ich habe oben gesagt, dass wir die Variationen, die während der individuellen Entwicklung auftreten, in vergängliche und bleibende unterscheiden müssen, in solche, welche später durch regelnde Ein- flüsse oder Vorrichtungen wieder ausgeglichen werden, und solche, welche keine Ausgleichung erfahren, sondern ihren Einfluss bis zur Erreichung des fertigen Zustandes, des Endstadiums der Entwicklung geltend machen. Für beide Fälle von Variationen finden wir in der Linsenentwicklung Beispiele. Als vergängliche Variationen werden wir wohl jene auffassen dürfen, wo in einem bestimmten, durch die Zahl der Urwirbel oder in anderer Weise wohl charakterisirten Sta- dium das eine Mal die Linsenanlage weiter ausgebildet ist als das andere Mal. Fälle dieser Art wurden von der Eidechse und der Ente mitgetheilt. Zu den vergänglichen Variationen werden ferner auch jene zu rechnen sein, die von der Linsenentwicklung des Kanin- chens mitgetheilt worden sind, wo die Zahl der Zellen, die ins Lumen des Linsensäckchens austreten, eine sehr verschieden große sein kann, ein Umstand, der auf eine verschieden lebhafte Proli- Naturforschung, der man so gern den Vorwurf macht, dass sie materialistische Ansichten begünstige und nähre, aus der Beobachtung selbst die rein materia- listische Lehre widerlegen und den Beweis führen, dass nicht die Materie, wie sie gerade angeordnet ist, sondern die Wesenheit (die Idee nach der neuen Schule) der zeugenden Thierform die Entwicklung der Frucht be- herrscht.« 90 Carl Rabl, feration der die Wände des Säckchens konstituirenden Elemente hinweist. Schwieriger sind schon die merkwürdigen Variationen zu deuten, denen wir bei der Entwicklung der Linse und des ganzen Auges des Axolotls begegnet sind. Sie lehren uns, dass ein klemer Embryo weiter entwickelt sein kann als ein großer, und dass trotzdem die Zellenzahl eine geringere sein kann. Ob derartige Variationen später wieder ausgeglichen werden können, oder ob sie erhalten bleiben und auch die Organisation des Endstadiums, des fertigen Zustandes, beein- flussen, dürfte schwer zu entscheiden sein. Ganz sichere Fälle von bleibenden Variationen hat uns die Linsen- entwieklung der Eidechse kennen gelehrt. Es wurde erwähnt, dass es bei der Eidechse jenseits der Übergangszone nie zu einer Vermeh- rung der radiären Lamellen kommt. Jede Lamelle verläuft mit der denkbar größten Regelmäßigkeit ungetheilt von innen nach außen, und es kommt auch nie zu einer Interealation einer neuen Lamelle zwischen zwei bereits bestehende. Wir dürfen daher mit voller Sicherheit sagen, dass eine Eidechse genau eben so viele Radiärlamel- len, als sie im erwachsenen Zustande besitzt, schon als ganz junger Embryo besessen haben muss. Die Zahl der Radiärlamellen betrug bei erwachsenen Exemplaren von Lacerta agilis in vier Fällen: 114, 119, 123 und 128. Vergleichen wir damit die Zahl der Radiärlamel- len bei Embryonen: bei einem Embryo von 2 cm und einem anderen von 2,4 cm Länge betrug sie 112, bei einem Embryo von 2,9 cm Länge 120, bei einem Embryo von 3,3—3,4 em Länge 119, bei einem - Embryo von 4,6 em Länge 116 und bei einem Embryo von 5,6 em Länge 121. Wir begegnen also derselben Variabilität, die uns die er- wachsenen Thiere zeigen, schon bei den Embryonen. Wenn wir nun annehmen, dass Linsen mit 112 und 128 Radiär- lamellen die extremsten Fälle darstellen — wiewohl es nicht unwahr- scheinlich ist, dass die Extreme noch weiter aus einander liegen —, und wenn wir weiter annehmen, es betrage die Zahl der eine Radiärlamelle aufbauenden Linsenfasern beim erwachsenen Thier 500, so würde also die Zahl der Hauptfasern der Linse zwischen 56 000 und 64000 schwanken können. Bei den relativ kleinen Zahlen, mit denen wir es hier zu thun haben, repräsentirt das eine ganz außer- ordentliche Variabilität. Und diese Variabilität ist zurückzuführen auf Vorgänge, die sich schon in sehr frühen Stadien abgespielt haben. Wie die Entwicklung der Linse ganz unzweifelhaft darthut, hängt die Zahl der Radiärlamellen ab von der Zahl der meridionalen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 91 Reihen an der Epithelgrenze. Die Zahl dieser meridionalen Reihen selbst wieder hängt, wie uns namentlich die Beobachtungen an Tri- tonlarven gezeigt haben, von Vorgängen ab, die sich im Linsenepithel vor der Zone der meridionalen Reihen abspielen. Die Art und Weise, wie sich die Zellen hier gegen einander verschieben, und wie sich bei einer Theilung die Theilungsachse gegen den betreffenden Meri- dian der Linse stellt, nimmt einen direkt bestimmenden Einfluss auf die Bildung der meridionalen Reihen und damit zugleich der radiären Lamellen. Eine einzige Zelltheilung kann, wenn sie in einer bestimm- ten Richtung erfolgt, die Bildung einer neuen meridionalen Reihe ein- leiten. Wir werden also die Ursache der in der verschiedenen Zahl der radiären Lamellen zum Ausdruck kommenden Variabilität in jenen Vorgängen zu suchen haben, welche sich zur Zeit der Bildung der meridionalen Reihen im Linsenepithel abspielen. Die Zellen besitzen bei der Arbeit, die sie verrichten, einen gewissen Spielraum, und dass sie einen solchen besitzen, muss seinen Grund in ihrem anatomischen Bau haben, der alle Vorgänge, die das Leben der Zelle ausmachen, beherrscht. In Beziehung auf die radiären Lamellen sind wir in einer ganz besonders günstigen Lage, da wir ihre Zahl an Äquatorialschnitten durch die Linse leicht feststellen können. Weniger günstig steht es mit Rücksicht auf die Entwicklung des Ringwulstes. Wenn wir aber sehen, dass schon bei ganz jungen Embryonen die Zahl der radiären Lamellen und demnach auch der meridionalen Reihen schwankt, so dürfen wir vielleicht annehmen, dass auch die Ringwulstfasern nicht immer in der gleichen Zahl und Stärke zur Ausbildung kommen werden. Vielleicht werden auch in der Ringwulstbildung schon bei ganz jungen Embryonen kleine Differenzen auftreten, welche dann gleichfalls den Bau der fertigen Linse zu beeinflussen vermögen. Da nun der Ringwulst nach dem früher Gesagten höchst wahrscheinlich ein Accommodationsorgan der Linse vorstellt, ein Organ, dessen Aus- bildung mit der Schnelligkeit der Accommodation gleichen Schritt _ hält, so würde also eine exquisit nützliche Bildung ganz ohne »Zielstrebigkeit«, einfach auf Grund der in dem Bau der Zellen begründeten Variabilität entstehen und sich ver- vollkommnen können. Zur vollen Ausnutzung dieser Bildung wird es allerdings erst kommen können, wenn sich gleichzeitig auch der übrige Accommodationsapparat des Auges, vor Allem der Ciliarmuskel, vervollkommnet; aber es liegt kein Grund vor, die Möglichkeit einer solchen Weiterbildung zu bezweifeln. — Wenn unsere Auffassung von der Bedeutung der Entwicklungs- 92 Carl Rabl, einheiten richtig ist, so muss jeder Organismus seine specifische Ent- wicklung haben. Die Wesenheit eines Organismus beherrscht seine Entwicklung, und dies muss wieder, da sich der Organismus aus Organen aufbaut, in der Entwicklung der Organe zum Ausdrucke kommen. Nun sehen wir in der That, dass die Entwicklung der Linse bei den verschiedenen, daraufhin untersuchten Formen eine verschiedene ist. — Aber sehen wir zunächst von diesen Verschieden- heiten ab und fassen wir vor der Hand nur das Gemeinsame ins Auge. Überall entwickelt sich die Linse aus dem Ektoderm; überall kommt es, mag sich die erste Anlage von einer soliden Wucherung oder von einer hohlen Einstülpung ableiten, im Laufe der weiteren Ent- wicklung zur Bildung eines hohlen Bläschens; überall bildet sich aus der lateralen Wand des Bläschens das Linsenepithel, während die Zellen der medialen Wand zu Fasern auswachsen; überall liegt die Epithelgrenze Anfangs hinter dem AÄquator; überall ordnen sich die Zellen an der Epithelgrenze in einem bestimmten Stadium zu meri- - dionalen Reihen und endlich legen sich überall die von nun an ent- stehenden Linsenfasern zur Bildung von radiären Lamellen an einander. In allen diesen Punkten stimmt die Linsenentwieklung bei allen Wirbelthieren mit einander überein. Nur in jenen Fällen, in welchen die Linse, wie beim Maulwurf, rudimentär ist, werden die letzten Stadien der Entwieklung nicht mehr erreicht; aber diese Fälle müssen wir, eben weil sie rudimentäre Linsen betreffen, von der Betrachtung ausschalten. — Trotz dieser principiellen Ubereinstimmung zeigt aber jede Wirbelthierklasse ihre Besonderheiten. Bei Pristiurus stellt die erste Anlage der Linse eine solide Wucherung des Ektoderms vor, in die sich nur noch ein kleines, trichterförmiges Grübehen als letzte . Andeutung oder als letzter Rest einer Einstülpungsöffnung einsenkt. Beim Axolotl besteht, wie bei allen Amphibien, das Ektoderm aus zwei Schichten, von welchen sich nur die innere an der Bildung der Linse betheiligt, während die äußere unverändert über die Linsen- anlage hinwegzieht. Bei der Eidechse, der Ringelnatter und der Ente bildet sich ein kleines Grübchen, das sich allmählich zu einem hohlen Säckehen umwandelt, und dieses Säckchen wendet sich nach der dorsalen Seite, so dass seine Ausmündungsöffnung mehr oder weniger weit an das ventrale Ende des Säckchens zu liegen kommt. Beim Kaninchen endlich entsteht die erste Linsenanlage zwar gleichfalls in Form eines kleinen Säckchens, dieses wendet sich aber von allem Anfang an ventralwärts, es vertieft sich in dieser Richtung mehr, als dorsalwärts, und zugleich treten schon frühzeitig Zellen aus der Wand Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 93 des Säckchens heraus, welche das Lumen desselben mehr oder weniger erfüllen. — Aber nicht bloß in diesen gröberen Verhältnissen, son- dern auch in den feineren Details zeigen sich sehr bemerkenswerthe Unterschiede. Ich habe in den umstehenden Textfiguren die Linsen- anlage des Pristiurus (Textfig. 36), des Axolotl (Textfig. 37), der Ei- dechse (Textfig. 38), der Ringelnatter (Textfig. 39), der Ente (Text- fisur 40) und des Kaninchens (Textfig. 41) neben einander gestellt. Das Stadium ist überall das gleiche: die Linsenanlage hat sich noch nicht vom Ektoderm getrennt, ist aber von dieser Trennung nicht mehr weit entfernt. Die Figuren stellen also die Linsenanlage der sechs genannten Formen in einem korrespondirenden Stadium dar. Nun vergleichen wir einmal die sechs Bilder mit einander und achten wir dabei in erster Linie auf die Zahl der Zellen. Die Linsen- anlage des Pristiurus stellt eine solide Zellmasse dar, im der die Zellen ungemein dicht gedrängt in großer Menge neben einander liegen. Das gerade Widerspiel in Beziehung auf die Zahl der Zellen führt uns die Linsenanlage des Axolotl vor Augen; nur elf Zellen setzen hier auf dem Schnitt die Anlage der Linse zusammen; dabei sind die Zellen auffallend groß, weit größer als bei irgend einem anderen Wirbelthier. — Viel größer ist die Zahl der Zellen in der Linsenanlage der Eidechse; wenn sie auch weit hinter der des Pri- stiurus zurückbleibt, so übertrifft sie doch andererseits eben so weit die des Axolotl. — Noch größer als bei der Eidechse ist die Zellen- zahl in der Linsenanlage der Ringelnatter. Die Kerne sind hier so dieht gedrängt, dass ein großer Theil an der basalen Seite der Wand des Bläschens keinen Platz mehr findet. — Viel größer noch ist die Zellenzahl in der Linsenanlage der Ente; die Kerne sind demgemäß, wenn sie auch noch die Neigung zeigen, hauptsächlich die basale Seite der Wand in Anspruch zu nehmen, auch sonst in der ganzen Dieke der Wand zerstreut. — Weitaus am größten aber ist die Zellen- zahl in der Linsenanlage des Kaninchens; hier ist die Proliferation eine so lebhafte, dass zahlreiche Zellen den epithelialen Verband verlassen, in die Höhle des Säckchens treten und später zu Grunde gehen. Es wird also ein Überschuss an Material geliefert, der beim Aufbau der Linse keine Verwendung findet. Diese Verschiedenheit in der Zellenzahl der Linsenanlagen, der wir auch in jenen Stadien begegnen, die dem als Beispiel gewählten vorausgehen oder nachfolgen, muss natürlich einen ganz bestimmten Grund haben. Nun müssen wir wohl in erster Linie daran denken, ob dieselbe nicht vielleicht der Verschiedenheit der Zellenzahl der 94 Carl Rabl, Sb Ta ) uU z 27 ger 6 ne, 00850%,8: N g Ay DH Textfig. 36. Textfig. 37. Textfig. 38. Textfig. 39. Linsenanlage des Pri- Linsenanlage des Linsenanlage der Linsenanlage der Ringel- stiurus. Axolotl. Eidechse. natter. SL ES) RENT N Textfig. 41. a \ Linsenanlage des Kaninchens. Textfig. 40. Linsenanlage der Ente. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 95 entwickelten Linse parallel gehe. Wenn sich nun auch die Zellen- zahl der Linse eines erwachsenen Thieres nicht mit Sicherheit be- stimmen lässt, so lässt sich doch die Zahl der Radiärlamellen genau feststellen, und da die Radiärlamellen weitaus den größten Theil der Linse aufbauen, so gewinnen wir aus der Zahl derselben einen ziem- lieh guten Einblick in die Zahl der Zellen überhaupt. Nun haben wir beim erwachsenen Pristiurus ungefähr 2900 Radiärlamellen ge- zählt. Bei einem erwachsenen, 25,5 cm langen Axolotl betrug die Zahl 154; bei der Eidechse im Mittel aus vier Fällen 121; bei der Ringelnatter im Mittel aus zwei Fällen 249; bei der Ente 807 und beim Kaninchen im Mittel aus drei Fällen etwa 2500. Diese Zahlen laufen nun allerdings mit der Zellenzahl der Linsenanlagen nicht parallel, zeigen aber immerhin eine so weitgehende Übereinstimmung, dass wir vermuthen dürfen, dass wir uns auf richtiger Fährte befinden. Greifen wir daher zunächst nur zwei Fälle heraus und vergleichen wir dieselben genauer mit einander. Wie die Textfig. 37 und 38 zeigen, ist die Zahl der Zellen in der Linsenanlage des Axolotl viel geringer, als in der der Eidechse, und doch ist die Zahl der Radiär- lamellen beim Axolotl größer als hier. Gehen wir aber auf frühere Stadien der Entwicklung zurück! Bei einem 18 em langen Axoloti betrug die Zahl der Radiärlamellen 144, und bei einem 10,2 cm langen nur 111. Bei noch jüngeren Thieren ist dieselbe noch geringer und in dem jüngsten Stadium der Axolotlentwicklung, in welchem wir meridionale Reihen unterscheiden konnten, betrug die Zahl derselben kaum mehr als 20. Beim Axolotl findet eben, wie bei den Amphi- bien überhaupt, im Laufe der Entwicklung eine fortwährende Ver- mehrung der meridionalen Reihen und der von ihnen abhängigen radiären Lamellen statt; überall stößt man auf Äquatorialschnitten auf Theilungen bereits bestehender und Intercalationen neuer Lamellen. Ganz anders ist dies bei der Eidechse; hier ist die Zahl der meri- dionalen Reihen und der radiären Lamellen von den frühesten Stadien an fixirt. — Wenn wir nun bedenken, dass die Zahl der zuerst ge- bildeten meridionalen Reihen beim Axolotl etwa 20, bei der Eidechse etwa 120 beträgt, und damit die Zahl der auf einem Schnitt durch die Linsenanlage sichtbaren Zellen vergleichen, so finden wir zwi- schen beiden eine volle Übereinstimmung. Wir zählen in der Linsen- anlage des Axolotl in dem abgebildeten Stadium 11, in der Linsen- anlage der Eidechse 62 Zellen. Diese Zahlen stehen in demselben Verhältnis wie die Zahlen der zuerst gebildeten meridionalen Reihen und der von diesen abhängigen radiären Lamellen. 96 Carl Rabl, So kommen wir also zu dem Schluss, dass die Zahl der Zel- len einer Linsenanlage in einem bestimmten Verhältnisse steht zu der Zahl der zuerst gebildeten radiären Lamellen. Damit stimmt auch überein, was uns die anderen Bilder lehren. Nur darf man sich nicht allzu peinlich an die Zahlen halten, sondern wird - gut thun, mehr auf den allgemeinen Charakter der Figuren zu achten. Auch ist zu bedenken, dass wir nur in den seltensten Fällen in der Lage sind, die Zahl der zuerst gebildeten radiären Lamellen genau oder annähernd senau anzugeben; gewöhnlich sind wir darauf ange- wiesen, uns nach der größeren oder geringeren Zahl der Theilungen und Intercalationen, welche wir auf Äquatorialschnitten durch eine Linse sehen, ein ungefähres Urtheil über die Zahl der zuerst gebil- deten Lamellen zu bilden. Wenn wir finden, dass eine Linse eines Pristiurus von 8,8 mm Äquatorialdurchmesser ungefähr 2900, eine Linse eines etwas jüngeren Pristiurus von 8,0 mm Äquatorialdurchmesser dagegen nur 2009 radiäre Lamellen besitzt, so werden wir wohl schließen dürfen, dass die Differenz zwischen der Zahl der zuerst ge- bildeten und jener der schließlich erreichten radiären Lamellen eine sehr große sein werde; sie wird wohl größer sein, als etwa bei dem Kaninchen, wo wir im fertigen Zustande im Mittel etwa 2500, und bei einem drei Tage alten Thiere 1706 Lamellen gezählt haben. In der That kommen Theilungen und Intercalationen beim Kaninchen viel seltener vor als beim Pristiurus, und obwohl daher die Linse des er- wachsenen Pristiurus mehr radiäre Lamellen enthält als die des er- wachsenen Kaninchens, so wird doch wahrscheinlich die Zahl der zuerst gebildeten Lamellen hier eine viel größere sein als dort; damit stimmen dann auch wieder die Bilder überein, welche uns die Linsenanlagen der beiden Formen in korrespondirenden Stadien vor Augen führen. So sehen wir also, dass die Linsenanlagen der verschiedenen Thiere typisch von einander verschieden sind. Die Verschiedenheiten sind so groß, dass Niemand die Linsenanlage eines Pristiurus mit der eines Axolotls, oder diese mit der einer Eidechse, diese mit der einer Ringelnatter, diese mit der einer Ente, diese endlich mit der eines Kaninchens verwechseln wird. Die Verschiedenheiten treten schon gleich bei der allerersten Anlage auf und erhalten sich bis zur Er- reichung des fertigen Zustandes. Wir können also in den in der vor- liegenden Arbeit mitgetheilten Thatsachen einen Beweis dafür erblicken, dass in der That jeder Organismus und jedes Organ eines Organismus seine specifische Entwicklung besitzt, dass also, mit anderen Worten, die Wesenheit eines Organismus seine Entwicklung beherrscht. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 100 E5 97 Sehr interessante Schlüsse ergeben sich, wenn wir die korrespon- direnden Stadien der einzelnen Entwicklungswege mit einander ver- gleichen, wenn wir also untersuchen, in wie weit und wie lange die Entwicklungseinheiten der verschiedenen Formen einander parallel laufen. Ein solcher Vergleich lehrt vor Allem, dass die Linsenentwick- lung der Amphibien sehr lange Zeit der der Selachier parallel läuft. Ähnlich, wie bei den Selachiern und den Fischen überhaupt, bei welchen die Epithelgrenze zeitlebens weit hinter dem Aquator liegt, finden wir dieselbe auch bei den Amphibien noch während des Larven- lebens an dieser Stelle. Wie es scheint, zieht sie sich erst während der Verwandlung, beim Übergang vom Wasser- zum Landleben, mehr und mehr gegen den Äquator zurück. — Bei den Sauropsiden, den Reptilien und Vögeln, treffen wir, wenigstens mit Ausnahme der Schlangen, die Epithelgrenze zwar ähnlich, wie bei den Fischen, hinter dem Äguator, aber dies hat den Grund lediglich in der Ausbildung des Ringwulstes, welcher für ihre Linse charakteristisch ist. Mit dem Auftreten des Ringwulstes entfernt sich die Linsenentwicklung der Sauropsiden von der der Amphibien und Fische. Damit soll natür- lich nicht gesagt sein, dass nicht schon viel früher, ja von den ersten Stadien an, die Linsenanlage einer Eidechse oder einer Ente von der eines Axolotl oder Pristiurus specifisch verschieden ist. — Von sroßem Interesse ist, dass, obwohl bei den Schlangen kein Ringwulst auftritt, doch ihre Linsenanlage durch lange Zeit eine große Ähnlich- keit mit der der Eidechsen aufweist, wie schon aus einem Vergleich der Textfiguren 38 und 39 hervorgeht. Diese beiden Linsenanlagen sind einander sehr viel ähnlicher, als etwa jene der Eidechse und der Ente. Die Schlangen haben sich erst in der Kreidezeit von den Lacertiliern getrennt, während die Trennung der Vögel von ihren eidechsenähnlichen Vorfahren schon sehr viel früher erfolgt war. Übri- sens giebt sich die Verwandtschaft der Vögel mit den Reptilien auch noch in ihrer Linsenentwicklung sehr deutlich zu erkennen. — Die Linsenentwicklung der Säugethiere unterscheidet sich von der der Vögel entschieden mehr als von der der Reptilien; auch die Unterschiede gegenüber der Linsenentwicklung der Amphibien sind entschieden srößer, als jene gegenüber den Reptilien. Die Linsenentwicklung der Säugethiere läuft also Anfangs durch längere Zeit der der Fische, Amphibien und Reptilien parallel. Dieser Parallelismus muss aber von einer Wiederholung der Entwicklung einer niederen Thierform von Seiten einer höheren sehr wohl unterschieden werden. Ich will, um diesen Unterschied zwischen ‚Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bad. B 7 98 Carl Rabl, Wiederholung und Parallelismus deutlich zu machen, zu einem Gleich- nis greifen. Wir wollen annehmen, es würden zwei oder mehrere Geleise von einem und demselben Breitengrade, aber von verschie- denen Längengraden aus eine Strecke weit nach Süden führen. Die Geleise würden zunächst durch längere oder kürzere Zeit einander mehr oder weniger parallel laufen, um sich, je mehr sie sich der Endstation nähern, um so mehr von einander zu entfernen. Wenn ich nun das eine Mal einen Zug benütze, der auf dem einen Geleise fährt, und ein zweites Mal einen Zug, der auf einem anderen Geleise fährt, so wird der Weg, den ich in beiden Fällen zurücklege, ein ganz verschiedener sein. Die Ausgangsstation ist im zweiten Fall eine andere, als im ersten, ich passire in beiden Fällen auf der Fahrt ganz verschiedene Stationen, und ich lange schließlich auch in verschiedenen Endstationen an. Und doch können die beiden Strecken durch längere Zeit parallel gelaufen sein. Gewiss habe ich bei der zweiten Fahrt nicht den Weg wiederholt, den ich bei der ersten Fahrt, auf einem anderen Geleise, zurückgelegt habe. So sind auch die Entwicklungswege oder die Entwieklungseinheiten der verschiedenen Organismen von einan- der verschieden. Ihre Ausgangsstationen oder Anfangsstadien sind verschieden, die Stationen oder Stadien, die sie passiren, sind ver- schieden, und verschieden sind schließich auch die Endstationen oder fertigen Zustände, die sie erreichen. — Ein ganz specielles Interesse bietet von diesen Gesichtspunkten aus noch die Entwicklung der Linse des Maulwurfs. Wie jedes Thier, ja jeder Organismus überhaupt, hat auch der Maulwurf seine speci- fische Entwicklung; auch bei ihm beherrscht die Wesenheit des Organismus und die Wesenheit seiner einzelnen Organe die ganze Entwicklung. Die Linse des Maulwurfs ist rudimentär; sie wird aber nicht erst im Laufe der Entwicklung, nicht erst beim erwachsenen Thier rudimentär, sondern sie wird schon von Hause aus als rudi- mentäres Organ angelegt. Schon in dem ersten Stadium, wenn sie noch eine ganz flache Grube darstellt, ist die Anlage der Linse kleiner und zellenärmer, als sonst bei den Säugethieren; eben so ist sie auch in allen folgenden Stadien weniger entwickelt, weniger differenzirt, als bei den übrigen Säugethieren; und wenn zuletzt die gebildeten Linsenfasern einer Degeneration anheimfallen, so bildet diese nur das letzte Glied einer langen Kette von Zuständen, die alle nothwendig mit einander verknüpft sind und alle nothwendig aus einander folgen. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 99 B. Der Bau der Linse. Durch die vorliegende Arbeit ist an die Stelle der bisherigen Lehre vom Bau der Linse eine neue getreten: an die Stelle der Lehre von der koncentrischen Schichtung die Lehre vom Aufbau aus radiä- ren Lamellen. Wenn auch nicht alle Fasern der Linse an der Bil- dung dieser Lamellen Antheil nehmen, sondern ein Theil derselben, die Centralfasern, obwohl sie gegen die Achse centrirt sind, doch keine Anordnung zu Lamellen erkennen lassen, so bilden doch die radiären Lamellen eine so hervorstechende Eigenthümlichkeit im Bau einer jeden gut entwickelten Linse, dass wir sie mit Fug und Recht in den Vordergrund unserer Betrachtung rücken dürfen. Wir haben sesehen, dass diese radiären Lamellen nicht von allem Anfang an, so lange überhaupt Linsenfasern existiren, in der Linse vorhanden sind, sondern dass sie erst allmählich entstehen, und dass ihre Ent- stehung an eine Eigenthümlichkeit des Linsenepithels gebunden er- scheint. Diese Eigenthümlichkeit besteht darin, dass zu einer be- stimmten Zeit der Entwicklung die Zellen an der Epithelgrenze sich zu meridionalen Reihen an einander fügen. Einmal gebildet, bleiben die meridionalen Reihen während des ganzen Lebens erhalten. Es braucht nicht erst darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass keine der Thatsachen, die uns der Bau der fertigen Linse vor Augen führt, auf Grund der vergleichend-anatomischen Kenntnisse verstanden oder auch nur dem Verständnisse näher gerückt werden kann. Wie will uns der vergleichende Anatom ohne Kenntnis der Entwicklungs- geschichte die Thatsache erklären, dass die Linse an ihrer äußeren Fläche von einem Epithel überzogen ist? Wie will er uns den Auf- bau der Linse aus Fasern verständlich machen? Wie will er uns eine Einsicht in den Bau der radiären Lamellen vermitteln, wenn er die genetischen Beziehungen derselben zu den meridionalen Reihen nicht kennt? Wie wili er uns den Ringwulst der Linse der Reptilien und Vögel erklären? Alle diese Thatsachen werden aber verständlich, wenn sich uns ein Einblick in die Entwicklung der Linse eröffnet hat. Nach ihrem anatomischen Bau können wir vier Typen oder Grundformen der Linse unterscheiden. Die erste Form findet sich bei den Fischen und bei den Amphibien, so lange diese im Wasser leben; sie ist dadurch charakterisirt, dass die beiden Flächen der Linse gleich stark gewölbt sind und dass die Epithelgrenze mehr oder weniger weit jenseits des Äquators an der hinteren Fläche liegt. Das Epithel ist in der Mitte der Vorderfläche am dünnsten und wird 7* 100 Carl Rabl, gegen den Äquator und darüber hinaus bis zur Epithelgrenze allmäh- lich dieker. — Die zweite Form findet sich bei den Amphibien, wenigstens nach ihrer Verwandlung, und bei den Säugethieren; außer- dem kommt sie bei einigen Schlangen vor (Eryx). Sie ist dadurch charakterisirt, dass die beiden Flächen gewöhnlich eine verschieden starke Krümmung besitzen, und dass die Epithelgrenze mehr oder weniger genau am AÄquator liegt. Auch bei dieser Form ist das Epithel in der Mitte der Vorderfläche am dünnsten, an der Epithel- grenze am dicksten. Ob auch bei den Gymnophionen und den perenni- branchiaten Urodelen das Epithel nur bis zum Äquator oder aber, wie bei den Fischen und Amphibienlarven, darüber hinaus auf die Hinterfläche der Linse reicht, werden erst speciell darauf gerichtete Untersuchungen zu etweisen haben. Was die Krümmung der Linsen- Hlächen betrifft, so ist dieselbe in weitaus der Mehrzahl der Fälle vorn eine schwächere, als hinten; doch finden sich Ausnahmen von dieser Regel. — Die dritte Form findet sich bei den Reptilien, mit Ausnahme der Schlangen, und bei den Vögeln, also bei der Mehrzahl der Sauropsiden. Sie charakterisirt sich dadurch, dass die beiden Flächen der Linse meist mehr oder weniger verschieden gewölbt sind, dass die Epithelgrenze weit hinter dem Äquator liegt, und dass vor der Epithelgrenze die Zellen sich zur Bildung eines Ringwulstes ver- längert haben. Die Epithelgrenze liegt um so weiter hinter dem Äquator, je stärker der Ringwulst ist. Das Epithel ist auch bei dieser Form in der Mitte der Vorderfläche am dünnsten, nimmt dann gegen den Ringwulst, indem die Zellen in die Länge wachsen, an Höhe allmählich zu, um aber gegen die Epithelgrenze wieder niedriger zu werden. Wenn auch in der Mehrzahl der Fälle die Krümmung der beiden Flächen der Linse eine verschiedene und dann gewöhnlich jene der Vorderfläche geringer ist, als jene der Hinterfläche, so kommen doch auch Fälle vor, wo beide Flächen gleichmäßig oder fast gleichmäßig plan sind; dies geht in den meisten Fällen, vielleicht immer, mit einer starken Ausbildung des Ringwulstes einher. Im Zusammenhange damit kann auch die radiäre Symmetrie der Linse mehr oder weniger stark gestört und die ganze Form der Linse verändert werden.. — Die vierte Form endlich wird durch die Linse der Nattern und Vipern repräsentirt. Die Linse gleicht mehr oder weniger einer Kugel, die Epithelgrenze liegt in der Nähe des Äquators und das Epithel ist gerade dort am dicksten, wo es bei den anderen drei Formen am dünnsten ist, nämlich in der Mitte der Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 101 Vorderdäche. Von hier gegen die Epithelgrenze nimmt die Höhe der Zellen allmählich ab. Aber nicht bloß die einzelnen Klassen und Ordnungen, sondern auch die einzelnen Familien und Arten unterscheiden sich im Bau ihrer Linsen von einander. Wir können nicht bloß eine Amphibien- linse mit voller Sicherheit von einer Reptilienlinse unterscheiden, sondern auch eine Urodelen- von einer Anurenlinse. Wir wissen, dass die Linse der Urodelen aus viel weniger Radiärlamellen besteht, als die der Anuren. Auch innerhalb der Urodelen können wir wie- der die Linse eines Triton cristatus von der einer Salamandra ma- culosa oder eines Axolotl unterscheiden. Die Tritonlinse besitzt im Mittel 100, die Axolotllinse etwa 150 und die Salamanderlinse 221 Radiärlamellen, und es genügt daher ein einziger Äquatorialschnitt, um uns ein bestimmtes Urtheil zu ermöglichen. Ja selbst die ein- zelnen Arten einer und derselben Familie sind von einander verschie- den; wir sind nicht bloß im Stande, die Linse einer Kröte von der eines Frosches, sondern auch die Linse von Rana fusca von der von Rana esculenta zu unterscheiden. Und was von den Amphibien gilt, gilt auch von allen anderen Wirbelthieren. Die Linse eines Primaten, des Menschen oder eines Affen, wird Niemand mit der Linse eines Hundes oder einer Katze und diese Niemand mit der eines Kanin- chens verwechseln können. Jede Art hat ihre eigene, speci- fische Linse; mit derselben Sicherheit, mit der ein geübter Syste- matiker aus dem Zahn eines Säugethieres die Art zu bestimmen ver- mag, der dieser Zahn angehört, wird ein geübter Histologe aus dem Bau einer Linse auf die Art schließen können, von der dieselbe stammt. In manchen Fällen wird ein Äquatorialschnitt genügen, um sich ein bestimmtes Urtheil bilden zu können; in anderen werden Äquatorial- und Meridionalschnitte hierzu nöthig sein. So wird man, wenn man bloß einen Meridionalschnitt vor Augen hat, in Versuchung kommen können, die Linse einer Eidechse mit der eines Wellen- papageis zu verwechseln; ein Äquatorialschnitt wird aber sofort die viel größere Lamellenzahl der letzteren erkennen lassen und dadurch einem Irrthum vorbeugen. : Wenn ich sage, ein Meridionalschnitt werde uns zu einem Fehlschluss verleiten können, so bedarf dies einiger Einschränkung; denn so ähnlich die Linsen der beiden ge- nannten Arten auf Meridionalschnitten sind, so lassen sich doch bei aufmerksamer Untersuchung auch hier specifische Unterschiede er- kennen. Wir finden, dass bei der Eidechse die Kerne der Ringwulst- fasern viel weiter von der Kapsel entfernt sind, als beim Wellen- 102 Carl Rabl, papagei, und dass auch die Zellen an der Epithelgrenze in beiden Arten anders beschaffen sind. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Linsen zweier Arten einander in ihrem Bau um so ähnlicher sind, je näher verwandt diese beiden Arten sind. Jedoch spielt hier- bei die Lebensweise der Thiere eine sehr wichtige Rolle; sie bedingt mehr oder weniger tiefgreifende Verschiedenheiten des feineren Baues und es können daher in Folge der verschiedenen funktionellen Beziehungen selbst sehr nahe verwandte Formen sehr verschieden gebaute Linsen besitzen. Ich erinnere in dieser Beziehung an das Chamäleon unter den Sauriern und an die Eulen unter den Raub- vögeln. Die Thatsache, dass jede Art ihre specifische. Linse hat, ist von der größten allgemeinen Bedeutung, von einer Bedeutung, welche weit über das engbegrenzte Gebiet, auf das sie sich bezieht, hinaus- seht. Unwillkürlich drängt sich uns die Frage auf, ob nicht auch die anderen Organe der verschiedenen Wirbelthierarten ähnliche Un- terschiede in ihrem Bau aufweisen, wie die Linsen. Und in der That führt jede genauere Untersuchung zur Bejahung dieser Frage. Wenn wir uns zunächst nur an das Auge halten, so lehrt uns ein Vergleich der Retina der verschiedenen Thiere Unterschiede kennen, die eben so groß sind, wie die Unterschiede zwischen den Linsen. Die Retina eines Triton lässt sich von der eines Salamanders mit der gleichen Sicherheit unterscheiden, wie die Linsen der beiden Thiere. Dasselbe lehrt die Untersuchung der Retina anderer Thierklassen. Ein Hund hat eine andere Retina als eine Ratte, eine Ratte eine andere als eine Fledermaus, eine Fledermaus eine andere als ein Affe. So hat jedes Thier seine eigene, specifisch charakterisirte Retina. Und was von Linse und Retina gilt, gilt sicher auch von den anderen Theilen des Auges, gilt aber auch von den anderen Organen des Körpers. So führt jede Detailuntersuchung zu der Über- zeugung, dass die homologen Organe der verschiedenen Thierarten specifische Unterschiede aufweisen, eben Unterschiede je nach den einzelnen Arten. Jede Art hat ihre speecifischen Organe. Wenn aber die Organe solche Unterschiede zeigen, so müssen sie auch in den Geweben bestehen und eben so auchin den die Gewebe zusammensetzenden Zellen. Wir werden so zu dem Schlusse geführt, dass die speeifischen Unterschiede schon im Bau der Eizelle begründet sind, dass schon das Ei bei den verschiedenen Thierarten einen specifisch verschiedenen Bau besitzt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 103 Zu demselben Schluss ist man in jüngster Zeit auch auf ganz anderem Wege, nämlich durch kritische Prüfung und Beurtheilung der chemischen Vorgänge, welche sich im Organismus der verschiedenen Thierarten abspielen, gelangt. In seiner am 16. November 1895 ge- haltenen Rektoratsrede hat Hurppert'! die Frage nach der Erhaltung der Arteisenschaften vom Standpunkte des physiologischen Chemikers aus beleuchtet. Er hat zunächst den Nachweis zu erbringen gesucht, dass die erwachsenen Individuen der verschiedenen Thierarten aus eigenartigen chemischen Stoffen aufgebaut sind und dass sie, in Ab- hängiskeit hiervon, ein eigenartiges chemisches Leben führen. Unter Anderem hat er darauf aufmerksam gemacht, dass die Hämoglobine der verschiedenen Thierarten einen verschiedenen chemischen Bau - besitzen, dass das Hämoglobin des Menschen ein anderes ist, als das des Hundes, dass dieses wieder eine andere elementare Zusam- mensetzung hat, als das des Pferdes, dass auch im Blute des Hamsters, des Eichhörnchens, des Meerschweinchens, der Gans, des Truthah- nes etc. eigenartige Hämoglobine vorkommen, kurz, dass wir mit sutem Grund annehmen dürfen, dass jede Thierart ihr specifisches, wohl charakterisirtes Hämoglobin besitze. Er hat dann weiter auf die Verschiedenheit der Stoffwechselprodukte selbst einander nahe- stehender Thierarten hingewiesen und als ein specielles Beispiel die verschiedenen Arten der Cholsäure des Rindes, des Schweines und des Menschen angeführt. Endlich hat er die Verschiedenheit in Be- ziehung auf die »chemischen Reaktionen des Organismus« gegen Gifte und gegen pathogene Mikroorganismen hervorgehoben und aus allen diesen Thatsachen den Schluss gezogen, dass jede Thierart ihr eigenes chemisches Leben führe. Diese Eigenart bewahre der Organismus sein Leben lang. Erstrecke sich aber »die Kontinuität der Eigenart vorwärts durch alle Stufen der Entwicklung, so wäre es widersinnig, Anderes anzunehmen, als dass diese Kontinuität schon im Keime selbst ihren Anfang genommen hat«. Es ist immer erfreulich, wenn zwei Reihen von Untersuchungen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus unternommen und mit ver- schiedenen Methoden durchgeführt, zu dem gleichen Ergebnisse ge- langen. Die chemischen Vorgänge, die sich in einem Organismus abspielen, sind an ein bestimmtes anatomisches Substrat — in letzter Linie an den Bau der Zelle — geknüpft, und sie machen einen Theil i HUPPpERT, Über die Erhaltung der Arteigenschaften. Vortrag, gehalten bei der Installation des Rektors der k. k. Deutschen Carl-Ferdinands-Universität in Prag am 16. November 1895. 104 Carl Rabl, dessen aus, was wir als Leben bezeichnen. Gerade so, wie die che- mischen Vorgänge bei den verschiedenen Organismen von einander verschieden sind, ist auch das anatomische Substrat ein verschiedenes. Und diese Verschiedenheit beschränkt sich nicht auf den Bau der Organe und den Bau der Gewebe, sondern sie hat ihren Grund in der Verschiedenheit des Baues der Zellen selbst. So führen uns also unsere anatomischen Betrachtungen genau zu demselben Schlusse, zu dem uns unsere entwicklungsgeschicht- lichen Betrachtungen geführt haben. Wie jeder Organismus seine specifische Entwicklung, so hat er auch seinen spe- cifischen anatomischen Bau; er bewahrt seine Eigenart sein ganzes Leben lang, vom Beginn seiner individuellen Existenz bis zu seinem Untergange. Man hat diese Eigenart der Zellen und Gewebe in neuerer Zeit als »Speecifität« 1 bezeichnet. Nun hat aber unlängst O0. HERTWIG zwischen dieser Specifität und der »specifischen Energie« im weiteren Sinne des Wortes einen Unterschied machen zu müssen geglaubt. Er schreibt?: »Der Ausdruck ‚specifische Energie‘ besagt so viel als be- sondere Funktion auf Grund besonderer Struktur. In diesem Sinne sind alle Organe und Gewebe vermöge der ihnen eigenthümlichen Organisation und Struktur mit ihren besonderen, nur ihnen eigenen Energieen ausgestattet, mit welchen sie im Organismus wirken, und durch welche sie mit der Außenwelt in Verkehr treten.< Er spricht sich für die specifische Energie aber gegen die Speecifität der Zellen und Gewebe aus. Der Widerspruch, in den er hierdurch geräth, wird einigermaßen verständlich, wenn man seine Grundauffassung der Entwieklungsvorgänge, die sich mit der »Speeifität« der Zellen und Gewebe nicht verträgt, in Rechnung zieht. Nun mag man ja immer- hin den Ausdruck »Speeifität« in rein morphologischem, den Aus- druck »specifische Energie« in rein physiologischem Sinne gebrau- chen; aber irgend einen Nutzen oder Fortschritt kann ich in einer solchen Scheidung nicht erblicken und zwar schon desshalb nicht, weil die Zelle und die Gewebe keine todten Körper sind. Jede Zelle ist ein specifisch energisches Gebilde, und da ein Organismus seine Eigenart während seiner ganzen Entwicklung, wäh- ı Wie BARFURTH unlängst mit Recht hervorgehoben hat, ist das Wort »Speeifität« ganz schlecht gebildet; richtiger wäre »Specietät«. Vgl. BARFURTH, Regeneration und Involution.e MERKEL u. BONNET, Ergebn. d. Anat. u. Entw. Litt. 1897. Wiesbaden 1898. ?2 O0. Hrrrwis, Die Zelle und die Gewebe. Zweites Buch. Jena 1898, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 105 rend seines ganzen Lebens, bewahrt, und diese Eigenart in der spe- eifischen Thätigkeit der Zellen zum Ausdrucke kommt, so erblicke ich in der ganzen Entwicklung, in dem ganzen Leben eines Orga- nismus, nichts Anderes, als den Ausdruck der Erhaltung der spe- cifischen Energie der belebten Materie. Für die Beurtheilung des verschiedenartigen Baues der fertigen Linse kommen in erster Linie physiologische Momente in Be- tracht. Nun wissen wir, dass die Accommodation bei den Wirbel- thieren in zweierlei Weise erfolgt: entweder durch eine Ortsverände- rung der Linse oder durch eine Krümmungsänderung der brechenden Flächen!. Den ersten Fall sehen wir bei den Fischen, den Amphi- bien und den Schlangen verwirklicht; bei allen anderen Wirbelthieren erfolgt die Accommodation durch Zunahme der Brechkraft der Linse in Folge einer Krümmungsänderung der brechenden Flächen. Bei den Fischen ist die normale Refraktion des Auges eine mäßige Myopie; sie müssen also aktiv für die Ferne accommodiren und haben dem- nach eine negative Accommodation. Die Ortsveränderung der Linse erfolgt durch Kontraktion eines Muskels, des von BEER sogenannten Retraetor lentis, der früheren Campanula Halleri. — Bei den Am- phibien ist die Refraktion des Auges für Luft nicht weit von Emme- tropie entfernt; die Accommodation ist eine positive und kommt durch Vortreten der in ihrer Form unveränderten Linse zu Stande; ein eirkulärer, zwischen Sclera und Corpus ceiliare eingelassener Muskel bewirkt bei seiner Kontraktion eine Drucksteigerung im Glas- körper und drängt dadurch die Linse nach vorn. — Ähnlich ver- halten sich die Schlangen. Die normale Refraktion ihres Auges ist leichte Hypermetropie bis Emmetropie; sie müssen also aktiv für die Nähe accommodiren. Aber diese ihre positive Accommodation er- folgt nicht, wie bei den übrigen Wirbelthieren mit positiver Accom- modation — die Amphibien ausgenommen — durch Formveränderung der Linse, sondern, wie bei den letzteren, durch Ortsverschiebung derselben. Der Accommodationsmechanismus ist dem der Amphibien ähnlich; ein in die Iriswurzel eingelagerter, ceirkulärer Muskel be- 1 Ich folge in der Darstellung den Untersuchungen TuEoDor BErRr’s. Seine Hauptarbeiten über die Refraktion und Accommodation in der Thierreihe sind im Archiv für die ges. Physiologie erschienen; es sind folgende: 1) Die Ac- commodation des Vogelauges. Bd. LIII, 1593, p. 175—237; 2) Die Accommo- dation des Fischauges. Bd. LVIII, 1894, p. 523—650; 3) Die Accommodation des Auges bei den Reptilien. Bd. LXIX, 1898, p. 507—568; 4) Die Accommo- dation des Auges bei den Amphibien. Bd. LXXIII, 1898, p. 501—034, 106 Carl Rabl, wirkt bei seiner Kontraktion eine Drucksteigerung im Glaskörper und zwingt dadurch die Linse, nach vorn zu rücken. — Bei allen übrigen Wirbelthieren, also den Krokodilen, Schildkröten, Eidechsen, Vögeln und Säugethieren, erfolgt die Accommodation durch Form- veränderung der Linse. Das Auge ist im Ruhezustande für die Ferne eingestellt, muss also für die Nähe accommodiren. Durch Kontrak- tion des Ciliarmuskels wird die Zonula entspannt und die Linse geht in ihre stärker gewölbte elastische Gleichgewichtslage über. Obwohl auch der Bau jener Linsen, welche bei der Accommo- dation keine Formveränderung erfahren, sondern einfach nach hinten (bei den Fischen) oder nach vorn (bei den Amphibien und Schlangen) verschoben werden, welche also ihre Brechkraft nicht ändern, man- ches interessante Detail bietet, und obwohl namentlich die Linse der Schlangen merkwürdige Besonderheiten zeigt, so wendet sich doch unser Hauptinteresse denjenigen Linsen zu, deren Brechkraft sich bei der Accommodation für die Nähe durch Zunahme der Krümmung ihrer Flächen erhöht. Bei der Accommodation haben wir stets, gleichviel in welcher Weise sie erfolgt, zwischen Accommodationsbreite und Ac- commodationsgeschwindigkeit zu unterscheiden. Die Physio- logen haben ihr Augenmerk bisher in erster Linie der Accommo- dationsbreite zugewendet und dies wohl einerseits desshalb, weil sich dieselbe leichter und sicherer bestimmen lässt, als die Accommo- dationsgeschwindigkeit, dann aber wohl auch desshalb, weil ihr eine ungleich größere praktische Wichtigkeit zukommt. Dass die Accom- modationsgeschwindigkeit große Unterschiede aufweisen müsse, lehrt schon die Thatsache, dass der Accommodationsmuskel bei den Vögeln und Reptilien aus quergestreiften, bei den übrigen Wirbelthieren, so weit ein soleher überhaupt vorkommt, aus glatten Muskelfasern be- steht. Nun dürfen wir mit einigem Recht aus der Geschwindigkeit, mit der sich ein Thier bewegt, einen Schluss auf die Schnelligkeit der Accommodation ziehen. Die schnellsten Wirbelthiere sind zwei- fellos die Vögel. Unsere Untersuchungen haben nun aber einen merkwürdigen Parallelismus zwischen der Stärke des Ringwulstes ihrer Linse und der Fluggeschwindigkeit ergeben, einen Parallelismus, der so weit geht, dass wir aus dem Bau der Linse einen sicheren Schluss auf die Fluggeschwindigkeit zu ziehen vermögen!. Obwohl i Nach dem Erscheinen des zweiten Theiles dieser Arbeit (Linse der Rep- tilien und Vögel) wurde ich durch die Freundlichkeit H. E. ZIEGLER’s auf seinen interessanten Aufsatz über »die Geschwindigkeit der Brieftauben« in den Zool. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 107 wir das Detail der Funktion des Ringwulstes nicht kennen, so haben wir doch allen Grund, ihn für ein Accommodationsorgan der Linse zu halten. — Den Vögeln reihen sich — zwar nicht, was die abso- lute, wohl aber, was die relative Geschwindigkeit betrifft, die Rep- tilien an, und nun treffen wir auch bei ihnen einen Ringwulst, der je nach der verschiedenen Schnelligkeit der Bewegung, also wohl wieder je nach der verschiedenen Geschwindigkeit der Accommo- dation, verschieden stark entwickelt ist. Die scheinbare Ausnahme, die das Chamäleon macht, hat sich uns aus der Schnelligkeit seiner Beute und der Eigenthümlichkeit seiner Lebensweise erklärt. Aber auch Beziehungen zwischen Accommodationsbreite und Bau der Linse haben wir gefunden. Gerade so, wie bei den Vögeln und Reptilien ein Parallelismus besteht zwischen Accommodationsge- schwindigkeit und Stärke des Ringwulstes, besteht bei den Säuge- thieren ein Parallelismus zwischen Accommodationsbreite einerseits und Anordnung der Radiärlamellen und Form der Faserquerschnitte andererseits. Wir haben gesehen, dass sich die Primaten in Beziehung auf ihre Accommodationsbreite weit über alle anderen Säugethiere erheben und dass sich eben so beträchtliche Differenzen zwischen dem Bau ihrer Linse und dem der Linse der übrigen Säugethiere finden. Auch hier haben wir in den biologischen Momenten den Schlüssel für ein Verständnis dieser Eigenthümlichkeiten gefunden. In der Linse spiegelt sich eben die ganze Lebensweise eines Thieres. Dieser Satz scheint indessen manchen bekannten Thatsachen zu widersprechen. Ein Frosch springt nach seiner Beute und vermag sie mit ziemlicher Sicherheit zu erhaschen; und doch ist seine Ac- commodationsbreite — wenn überhaupt hier von einer solchen ge- sprochen werden kann — und seine Accommodationsgeschwindigkeit nur eine sehr geringe. Ja, BEER spricht den Fröschen die Accom- modation geradezu ab. Ihre Linse besitzt keinen Ringwulst, wie ein solcher die Reptilienlinse auszeichnet, und ihre Radiärlamellen und die Jahrbüchern, Abth. f. Systematik, Geographie und Biologie, X. Bd., 1897, auf- merksam gemacht. ZIEGLER setzt die mittlere Geschwindigkeit der Brieftauben niedriger an, als dies bisher gewöhnlich geschehen ist, indem er sie auf etwa 66—69 Kilometer in der Stunde veranschlagt. Die Geschwindigkeit der Nebelkrähe berechnet er auf Grund der Angaben H. GArTKE’s (Die Vogelwarte Helgoland) zu 150—183 Kilometer in der Stunde. Vgl. außerdem die Angaben über die Ge- schwindigkeit der Raubvögel, Singvögel, Schwalben und Wildenten. Ich bin erfreut, zwischen diesen Angaben und meinen Befunden betreffs der Stärke des Ringwulstes die vollste Übereinstimmung konstatiren zu können. 108 A Carl Rabl, Faserquerschnitte derselben sind von großer Regelmäßigkeit. Bei der Beurtheilung derartiger Fälle kommt nun aber der Unterschied zwi- schen Formensehen und Bewegungsehen in Betracht. Ein Frosch sieht die Bewegung seiner Beute, aber er nimmt ihre Form nicht deut- lich wahr. Es hat darauf erst kürzlich BEER mit Recht aufmerksam gemacht. Ich eitire die betreffende Stelle in extenso, sammt den Citaten aus BReHum’s Thierleben, weil sie einen für uns sehr wichtigen Gegenstand betrifft. »Vielen niederen Thieren — schreibt BEER — ist höchst wahrscheinlich nicht ein solches Formensehen, wie uns mit Hilfe der Fovea centralis gegeben, sondern ihr Sehen ist eher vergleichbar unserem Bewegungsehen mit Hilfe der Netzhautperi- pherie. Man kann sich durch einen einfachen Versuch überzeugen, wie sicher man einen nicht zu kleinen Gegenstand erhascht, den man in der Peripherie des Gesichtsfeldes baumeln lässt, auch wäh- rend man accommodationslos in die Ferne blickt; hingegen gelingt es viel schlechter, unter analogen Bedingungen ein kleines ruhendes ‚Objekt, etwa einen in der Peripherie des Gesichtsfeldes in der Wand steckenden Reißnagelkopf mit dem Finger zu treffen. Der erste Ver- such gelingt auch einem Presbyopen leicht, und ein solcher kommt überhaupt, so lange es sich nicht um feine Arbeit oder Lesen klei- nen Druckes handelt, auch ohne Brillen aus. So kann auch das Fliegenfangen der accommodationslosen Frösche nicht Wunder neh- men, zumal sie fast nur nach Thieren schnappen, die sich bewegen. BrREHM sagt z. B. vom Laubfrosch ausdrücklich: » Alle Beute, welche er verzehrt, muss lebendig sein und sich regen; todte oder auch nur regungslose Thiere rührt er nicht an... .« Vom Teichfrosch: » Wie geistig tiefstehende Geschöpfe insgemein, erkennt er ein lebendes Wesen erst an dessen Bewegung. Er genießt nur selbsterworbene Beute und bloß lebende Thiere; was sich vor ihm nicht bewegt, reizt ihn nicht zum Sprunge. ..c — Das Beispiel vom Frosch ist sehr lehrreich, denn es zeigt, dass Schnelligkeit der Bewegung nicht noth- wendig und unter allen Umständen mit einer schnellen Accommo- dation einhergehen muss. Nur dann, wenn ein Thier während der Bewegung auch genau accommodirt, muss diese Accommodation mit der Fortbewegung gleichen Schritt halten. Von den Schwalben sagt BREHM!: »Ihre Jagd geschieht nur im Fluge«; sie müssen also da- bei rasch accommodiren. Ein Frosch dagegen sieht seine Beute sich bewegen und springt danach; er accommodirt aber weder vorher, noch während des Sprunges. | AR BREHM, Illustr. Thierleben, 1, Aufl. Bd. III. p. 628. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 109 Von diesen Gesichtspunkten müssen wir auch die Linse der Säugethiere beurtheilen. Ich muss gestehen, dass ich einigermaßen betroffen war, als ich bei der Untersuchung der Linsen des Pferdes, der Gemse, des Hasen und anderer schnellfüßigen Thiere so ganz und gar nichts finden konnte, was ich mit der Schnelligkeit ihrer Bewegung hätte in Beziehung setzen und woraus ich auf eine ent- sprechende Schnelligkeit ihrer Accommodation hätte schließen kön- nen. Aber dieser Mangel jeglicher Vorrichtung, welche eine schnelle Accommodation ermöglichen könnte, erklärt sich eben daraus, dass diese Thiere bei ihrer Fortbewegung, wenn überhaupt, nur in sehr serinsgem Grade accommodiren. Mit Ausnahme der Primaten be- sitzen eben die Säugethiere, um mit Hess und HEINE zu reden, nur »eine ganz rudimentäre Accommodation«.. Es ist überhaupt ganz irrig, wenn zuweilen gesagt wird, dass die niederen Säugethiere, vor Allem die jagdbaren Thiere, »besser sehen« als wir. Man muss eben auch hier wieder zwischen Formensehen und Bewegungsehen unterscheiden. In letzterer Hinsicht mögen uns vielleicht manche Säugethiere überlegen sein; in ersterer sind wir und die Affen ihnen sicher sehr weit überlegen. Dies scheint mir schon aus der anato- mischen Thatsache hervorzugehen, dass unter den Säugethieren nur der Mensch und die Affen eine Fovea centralis besitzen, dass diese aber allen anderen Säugethieren und also auch den jagdbaren Thieren vollständig fehlt. Die Fovea centralis brauchen wir zum Formen- sehen, eine bloße Area centralis hat anatomisch und physiologisch wesentlich nur die Bedeutung der Netzhautperipherie!. S. EXxNER, der uns zuerst auf die Bedeutung der Netzhautperipherie für das Be- wegungsehen aufmerksam gemacht hat, sagt: »Rehe kennen den Jäger, so lange er sich ruhig verhält, nicht. Eine Rehgais mit ihrem Jungen weidete einmal eine Viertelstunde lang vor mir, indem sie mich häufig fixirte. Ich saß ganz frei auf einem Baumstrunk, und war ihr offenbar auffallend. Schließlich legte sich das Thier sogar - vor mir nieder. Bei meiner ersten leisen Bewegung entfloh es. — Man beobachte eine Katze, wie stumpfsinnig sie für ruhende Objekte ist, und wie scharf sie die geringste Bewegung: auffasst?.« 1 Damit soll natürlich nicht bestritten werden, dass eine Bewegung im Bereiche der Area centralis viel deutlicher gesehen und sicherer abgeschätzt werden kann, als in der Netzhautperipherie. 2 8. Exner, Über das Sehen von Bewegungen und die Theorie des zu- sammengesetzten Auges. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.- naturw. Klasse. 3. Abth. Bd. LXXII, 1875, p. 165. Außerdem: Ders., Ein Ver- 110 Carl Rabl, Wenn nun aber die niederen Säugethiere überhaupt nur eine sehr »rudimentäre« Accommodation besitzen, wenn ihr Auge in erster Linie nur auf ein Sehen einer Bewegung eingerichtet ist — wozu sie keiner Accommodation bedürfen —, so werden wir uns nicht wundern, wenn ihre Linse keine Vorrichtung besitzt, welche einen besonders raschen Ablauf der accommodativen Veränderungen er- möglieht. — Im Anschlusse an diese Erörterungen möchte ich einem Gedan- ken Raum geben, der mir im Laufe meiner Arbeit aufgestoßen ist und der vielleicht einer Prüfung von Seiten der Physiologen oder Ophthalmologen werth ist. Er betrifft die vielumstrittene Frage nach dem Einfluss der Accommodation auf den intraoculären Druck. Wenn ich, dem keine eigene Erfahrung über diesen Gegenstand zu Gebote steht, mir ein paar Worte darüber erlaube, so geschieht dies ledig- lich in der Überzeugung, dass eine, von anatomischen Erwägungen ausgehende Beurtheilung eines Vorganges auf keinen Fall von nach- theiligem Einfluss auf den Fortgang unserer physiologischen Kenntnisse sein kann. | Wie Hess und HEINE in ihrer neuesten Arbeit! über diesen Ge- genstand, in der auch die darüber vorliegende Litteratur zusammen- getragen ist, bemerken, wird »auf Grund experimenteller Unter- suchungen, wie theoretischer Spekulationen auf der einen Seite eine accommodative Drucksteigerung im Auge mit aller Bestimmtheit be- hauptet, auf der anderen eben so bestimmt in Abrede gestellt<. Sie selbst sind durch ihre sorgfältigen, auf die verschiedenste Weise variirten Versuche zu der Überzeugung gelangt, dass die »Kontraktion des Ciliarmuskels weder bei Hunden und Katzen, noch bei Affen und Vögeln irgend einen messbaren Einfluss auf die Höhe des intraocu- lären Drukes« hat. Den Anatomen muss dieses Ergebnis im ersten Augenblick etwas befremden, da er nach der ganzen Anordnung des Ciliarmuskels gerade das Gegentheil hätte erwarten sollen. Und doch ist, wie mir scheint, auch vom anatomischen Standpunkte aus kein Grund vorhanden, an der Richtigkeit desselben zu zweifeln. Es brauchen nur Vorrichtungen vorhanden zu sein, welche den intra- oculären Druck mit der nöthigen Präcision zu reguliren vermögen. An solehe Vorrichtungen hat man auch wiederholt gedacht. So schreibt such über die Netzhautperipherie als Organ zur Wahrnehmung von Bewegungen. Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. XXXVIII, 1886, p. 217. 11.,8..C. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 111 z. B. Fuchs!: »Eine Regulirung des Druckes findet dadurch statt, dass der Abfluss von Augenflüssigkeit durch die Lymphwege (Ex- kretion) sich entsprechend verändert, so dass Druckschwankungen sofort wieder ausgeglichen werden.« Ich möchte es bezweifeln, dass der Abfluss der Augenflüssigkeit durch die Lymphwege mit solcher Promptheit und Raschheit erfolgen könne, als es zur Regulirung des Druckes nothwendig wäre. Es handelt sich hier um Vorgänge, welche ungemein rasch, in Bruchtheilen von Sekunden, ablaufen; namentlich bei den Vögeln und Reptilien, wo der Accommodations- muskel aus quergestreiften Fasern besteht, wird der Druck fast blitz- artig schnell an- und abschwellen. Ich halte vielmehr in erster Linie die Ciliarfortsätze für Regulatoren des intraoculären Druckes. Bekanntlich wird denselben von vielen Seiten die Funk- tion der »Sekretion« oder der »Transsudation« des Kammerwassers und der Glaskörperflüssigkeit zugeschrieben. Nun kann aber von einer »Sekretion«e schon vom anatomischen Standpunkte aus gar keine Rede sein. Die Zellen, welche secerniren sollen, sind die Epithelzellen der inneren Lamelle der Pars ciliaris retinae. Wie an allen Epithelzellen haben wir auch an ihnen eine freie und eine ba- sale Seite zu unterscheiden. Aus der Entwicklung der Pars eiliaris retinae geht hervor, dass die freie Seite der Zellen dem Tapetum nigrum, die basale dem Glaskörper zugewendet ist. Nun kann aber bekanntlich eine Zelle nur von ihrer freien Seite aus secerniren, nie von ihrer basalen; hier soll es aber gerade umgekehrt sein. Eine »Sekretion« von Seiten dieser Zellen ist also geradezu eine anato- mische Unmöglichkeit. Wohl aber muss man eine Transsudation gelten lassen; für eine solche liegen die anatomischen Verhältnisse in der ‘ That sehr günstig? Aber trotzdem kann ich in der Transsudation von Augenflüssigkeit zum mindesten nicht die einzige Funktion der Ciliarfortsätze erblicken, und zwar auf Grund der vergleichend-anato- mischen Thatsache nicht, dass Kammerwasser und Glaskörper auch bei solchen Thieren vorkommen, denen die Ciliarfortsätze fehlen. Auch sollte man erwarten, dass die Menge der Augenflüssigkeiten in einem bestimmten Verhältnisse zur Ausbildung der Ciliarfortsätze stünde; dies ist aber keineswegs der Fall. Dagegen eignen sich die Ciliar- 1 ERNST FucHs, Lehrbuch der Augenheilkunde. 6. Aufl. 1897. p. 293. 2 Vgl. darüber vor Allem: Tr. LEBER, Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse vom Flüssigkeitswechsel des Auges. MERKEL u. BONNET, Ergebn. d. Anat. u: Entwicklungsgesch. Bd. IV. 1894. Wiesbaden 1895. Auch LEBER nennt die Ciliarfortsätze das »Sekretionsorgan der intraocularen Flüssigkeit«. 112 Carl Rabl, fortsätze in ganz vorzüglicher Weise zu Regulatoren des intraoculären Druckes. Sie bestehen der Hauptsache nach aus Gefäßen und müssen an- und abschwellen, je nachdem der intraoculäre Druck sinkt oder steigt. Sie müssen abschwellen gleichzeitig und in demselben Maße, als bei der Kontraktion des Ciliarmuskels der intraoculäre Druck steigt, und sie müssen anschwellen, sowie der Ciliarmuskel erschlafft ‚und im Zusammenhange damit der intraoculäre Druck sinkt. Mit dieser Auffassung stehen die vergleichend-anatomischen That- sachen im vollen Einklang. Schon die Thatsache, dass die Ciliar- fortsätze sich in nächster Nähe des Ciliarmuskels finden, möchte ich im Sinne einer funktionellen Beziehung zwischen beiden deuten. Namentlich fällt aber in die Wagschale, dass, allem Anscheine nach, die Existenz der Ciliarfortsätze an die Existenz eines Ciliarmuskels gebunden erscheint. Bei den Fischen scheinen sie zu fehlen!. Erst bei urodelen Amphibien beginnen sie, allerdings noch ganz schwach, aufzutreten; viel besser sind sie bei den Anuren entwickelt. Noch stärker ausgebildet sind sie bei der Mehrzahl der Reptilien und am stärksten wohl bei den Vögeln; hier treten sie zuweilen in großer Ausdehnung direkt an den Äquator der Linse heran. Übrigens würde man fehl gehen, wenn man annehmen wollte, dass sie um so zahl- reicher und stärker entwickelt sein müssten, je größer die Ac- commodationsbreite ist. Wir wissen vielmehr, dass ihre Ausbildung mit der Accommodationsbreite nicht gleichen Schritt hält. Beim Menschen beträgt ihre Zahl durchschnittlich 70 (ScHwALBE); beim Seehund zählte EscHricHr etwa 100; und auch bei den Hausthieren ist ihre Zahl durchschnittlich größer als beim Menschen. So zählte KoscHEL? beim Pferd 120—124, beim Rind 108—110, beim Schaf 96, beim Schwein 78—81, bei der Katze 76, bei großen Hunden 70—80, bei kleinen endlich 83. Es kommen offenbar besondere Momente in Betracht, welche die Zahl und Größe der Ciliarfortsätze beeinflussen. Sie müssen um so stärker entwickelt sein, je größer, starrer, unnach- giebiger, je weniger elastisch die Linse ist. Eine kleine, sehr elastische Linse, wie die des Menschen und der Affen, wird auf eine Kontrak- tion des Ciliarmuskels schneller und leichter antworten, als eine große, verhältnismäßig starre Linse, wie die des Kaninchens oder Hundes. ! Man darf natürlich nicht jede Falte der Ciliargegend für einen Ciliar- fortsatz halten. Es wird daher auch erst eine genauere histologische Unter- suchung zu zeigen haben, ob die von CuvIer und Anderen bei Selachiern gesehenen Falten den Bau von Ciliarfortsätzen haben. 2 ]. s. c. — ESCHRICHT ist nach LEUCKART eitirt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 113 Je stärker sich der Ciliarmuskel kontrahiren muss, um eine Wirkung von bestimmter Größe zu erzielen, um so mehr muss bei der Accommo- dation der intraoculäre Druck steigen, um so besser entwickelt, um so größer und zahlreicher müssen daher auch die, zur Regulirung. dieses Druckes dienenden Ciliarfortsätze sein. So erklärt es sich, dass bei den meisten niederen Säugethieren, obwohl ihre Accommo- dationsbreite eine geringe ist, doch die Zahl der Ciliarfortsätze eine srößere ist als beim Menschen. Man wird also bei der Beurtheilung der uns beschäftigenden Frage stets auch die Größe und Elastieität der Linse im Auge zu behalten haben. Es wurde früher erwähnt, dass die Accommodation bei den Schlan- sen in anderer Weise erfolgt, als bei den übrigen Reptilien. Nun fehlt denselben, wie BEER! angiebt, der Ciliarmuskel und, wie schon CuvIER? gefunden und später LEUCKART? bestätigt hat, fehlen ihnen auch die Ciliarfortsätze. Allerdings muss ich erwähnen, dass BEER auf einem Meridionalschnitt durch die Ciliargegend einer Schlange (Coelopeltis?) einen, allerdings nur sehr niedrigen und plumpen Ciliar- fortsatz zeichnet. Aber wir wissen, dass z. B. auch der Maulwurf rudimentäre Ciliarfortsätze besitzt, obwohl ihnen auf keinen Fall noch eine funktionelle Bedeutung zukommen kann. Überhaupt wird jeder einzelne Fall, welcher der Annahme zu widersprechen scheint, dass die Ausbildung der Ciliarfortsätze bis zu einem gewissen Grade der- jenigen des Ciliarmuskels gleichen Schritt hält, noch speciell geprüft werden müssen. Als Beispiel hierfür führe ich Folgendes an. HEIN- RICH MÜLLER? giebt an, dass dem Chamäleon die Ciliarfortsätze fehlen. »Statt solcher« sagt MÜLLER, »sind nur kleine warzige Un- ebenheiten und, weiter vorn, ganz schwache, meridional gestellte Leistehen vorhanden, welche jenen Namen kaum verdienen.« Nun finde ich allerdings, dass eigentliche Ciliarfortsätze beim Chamäleon fehlen; aber ich sehe in der Ciliargegend einen ringförmig die Linse umgebenden Wulst, von dem man sich ganz wohl vorstellen kann, dass er funktionell den Ciliarfortsätzen entspreche. Er könnte ge- radezu als aus der Verschmelzung von Ciliarfortsätzen entstanden a 2 G. CuviEr, Vorlesungen über vergl. Anatomie. 2. Theil. Übersetzt von J. F. Mecker. Leipzig 1509. p. 384. 3 R. LEUCKART, Organologie des Auges. GRAEFE-SAEMISCH, Handbuch d. ges. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. 4 HEiNR. MÜLLER, Über das Auge des Chamäleon. Gesammelte Schriften, herausgeg. von O. BECKER. Bd. I. Leipzig 1872. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. S 114 | Carl Rabl, angesehen werden. Übrigens wird die Ciliargegend des Chamäleon, wie auch jene der Eidechsen, noch genauer untersucht werden müssen. Nun ist es in hohem Grade auffallend, dass gerade bei jenen Thieren, welche sich durch eine besonders schnelle Accommodation auszeichnen und bei welchen, im Zusammenhange damit, der Ciliar- muskel aus quergestreiften Fasern besteht, also bei den Reptilien und Vögeln, noch ein zweites Gebilde vorhanden ist, das in den Glas- körper vorspringt und sich durch einen ähnlichen Gefäßreichthum auszeichnet, wie die Ciliarfortsätze. Ich meine den Fächer oder Pecten. Es ist vielleicht nicht ganz zufällig, dass ich ihn unter den Sauriern gerade bei jenen von besonderer Größe gefunden habe, bei welchen der Ringwulst der Linse am stärksten entwickelt ist: beim Scheltopusik und Chamäleon. Beim ersteren stellt er einen stift- ähnlichen Fortsatz vor, der vom Optieuseintritt in den Glaskörper eindringt, beim Chamäleon ein dreieckiges, lanzettförmiges Blättchen. Bekanntlich erreicht er aber erst bei den Vögeln eine mächtigere Aus- bildung. Es wäre von Interesse zu untersuchen, ob und welche Be- ziehungen zwischen der Ausbildung dieses Fächers und der Entwick- lung des Ringwulstes bestehen. Über die funktionelle Bedeutung desselben sind bekanntlich zahlreiche Vermuthungen aufgestellt worden. LEUCKART! hat ihn mit der Ernährung der Linse und des Glaskörpers in Zusammenhang gebracht. ScHLEICH? hat kürzlich die Vermuthung ausgesprochen, dass er eine Trennung der Gesichtsfelder für den monoeularen und den binoeularen Sehakt bewirke, eine Vermuthung, die, wie mir scheint, schon desshalb nicht das Richtige treffen kann, weil er sich auch dann findet, wenn nur eine Fovea vorhanden ist. Der außerordentliche Gefäßreichthum des Fächers hat mich auf den Gedanken gebracht, ob derselbe nicht ähnlich, wie die Ciliar- fortsätze, ein Regulator des intraoculären Druckes sein könnte. Es wäre denkbar, dass bei den Reptilien und namentlich bei den Vögeln, deren Accommodation so außerordentlich rasch erfolgt, die Ciliarfort- sätze allein nicht mehr genügen, um die Schwankungen des intraocu- lären Druckes, welche den Accommodationsvorgang begleiten, mit der nöthigen Schnelligkeit und Präeision auszugleichen. Ob in der That die Ciliarfortsätze und der Fächer die Bedeu- tung von Regulatoren des intraoeulären Druckes haben, wird natür- 11.6: 2 GUSTAV SCHLEICH, Das Sehvermögen der höheren Thiere. Antrittsrede bei Ubernahme der Professur der Augenheilk. zu Tübingen. 1896. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. IH. 115 lich nur das Experiment entscheiden können. Ich wollte damit keine Theorie, auch nicht einmal eine Hypothese, sondern nur eine Ver- muthung aussprechen, zu welcher die anatomischen Thatsachen Raum seben. Ich denke mir die Prüfung dieser Vermuthung nicht sehr schwierig. Das An- und Abschwellen des Fächers im. Vogelauge wird sich, wenn es überhaupt stattfindet, ophthalmoskopisch leicht nachweisen lassen und die Veränderungen der Ciliarfortsätze dürften vielleicht an albinotischen Augen zu beobachten sein. Ein bloßes Vorrücken der Ciliarfortsätze bei Reizung des Oiliarmuskels beweist natürlich noch kein Anschwellen. Natürlich wird man gut thun, die Versuchsanordnung so zu treffen, wie dies von Hess und HEINE ge- schehen ist. — Vielleicht erklären sich manche Widersprüche be- züglich des Verhaltens des intraoculären Druckes bei der Accommo- dation aus der nicht immer ganz rationellen Versuchsanordnung. Als einen Umstand, der für meine Vermuthung zu sprechen scheint, möchte ich anführen, dass man zuweilen eine Drucksteigerung gefunden hat, wenn man an exstirpirten Augen den Ciliarmuskel reizte; hier fällt eben die Regulirung von Seiten der außer Cirkulation gesetzten Ciliarfortsätze weg. Die anatomischen Verhältnisse sind meiner Vermuthung entschie- den günstig. Wie wir durch die ausgezeichneten Untersuchungen LEBeEr’s über die Cirkulationsverhältnisse des Auges wissen, treten die Arterien, welche die Ciliarfortsätze versorgen, zwischen den Bündeln des Ciliarmuskels hindurch. Wenn sich diese kontrahiren, so müssen sie, wie alle Muskeln, kürzer und dicker werden, sie müssen also die Arterien komprimiren und das Einströmen des Blutes in die Ciliarfortsätze hindern oder erschweren. Da gleichzeitig der Abfluss des venösen Blutes ungehindert erfolgen kann, so müssen die Ciliar- fortsätze bei der Kontraktion des Ciliarmuskels und der dadurch be- wirkten Steigerung des intraoculären Druckes abschwellen, im ent- sesengesetzten Falle aber anschwellen. Es hat darauf schon LEBER in der Besprechung der von Coccıus mitgetheilten Ergebnisse über das Anschwellen der Ciliarfortsätze bei der Accommodation für die Nähe hingewiesen. Während aber Coccıus ein Anschwellen der Ciliarfortsätze wahrgenommen zu haben glaubte, ist O. BECKER bei seinen Beobachtungen an iridektomirten Augen zu dem genau ent- gegengesetzten Resultate gelangt. Hier werden also nur neue Unter- suchungen Klarheit bringen können!. — ! Tu. LEBER, Die Cirkulations- und Ernährungsverhältnisse des Auges. g* 116 Carl Rabl, ‘Aber nicht bloß in physiologischer und in allgemein biologischer Hinsicht ist die neue Lehre vom Bau der Linse von Interesse; auch die Pathologie wird sich ihrem Einfluss nicht entziehen können. Viele Erfahrungen der Kliniker, die bisher keine oder nur eine ge- zwungene und ungenügende Erklärung fanden, werden durch sie ins volle Licht gestellt. Ich erwähne u. A. die Thatsache, dass bei der Cataracta senilis ineipiens die Form der Trübung »am häufigsten die von Sektoren ist, deren Basis dem Linsenrande, deren Spitze den Linsenpolen zugewendet ist«. Ich erwähne ferner die sogenannten Reiterchen, jene kleinen, undurchsichtigen Zacken, welche vom Rand eines Schichtstaars »gleich den Handhaben am Steuerrade eines Dampfschiffes« (Fuchs) in die durchsichtige Peripherie hineinragen. Es braucht wohl nicht erst betont zu werden, dass die Form eines Schichtstaars nicht etwa im Sinne der alten Lehre vom Aufbau der Linse aus koncentrischen Schichten gedeutet werden darf, sondern dass sie ungezwungen in den Rahmen der neuen Lehre hineinpasst. Wenn die Ernährung der Linse in einem bestimmten Stadium ihrer Entwicklung daniederliegt und sich während dieser Zeit nur trübe Fasern bilden, so werden diese eben auch nur Bestandtheile von radiären Lamellen bilden; da aber die gleichaltrigen Fasern aller radiären Lamellen setrübt sind, so werden sie in ihrer Gesammtheit eine trübe Schicht bilden. Auch gewisse Eigenthümlichkeiten der vorderen und hinteren Corticalcataracta lassen sich in durchaus befriedigender Weise er- klären. — Übrigens überlasse ich es den Pathologen, die Konse- quenzen aus der neuen Lehre zu ziehen. — Zum Schlusse will ich noch ein paar Betrachtungen über einige neue Probleme der vergleichenden Histologie folgen lassen. Sie betreffen die Fragen nach der Lage, Zahl und Größe der Zellen eines thierischen Organismus. Nicht als ob ich zu diesen Betrachtungen erst durch meine Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Linse angeregt worden wäre: ich bin dazu viel- mehr schon vor länger als zwanzig Jahren durch die histologischen Untersuchungen, mit welchen ich damals in Brücke’s Laboratorium beschäftigt war, geführt worden, und habe auch zu jener Zeit einen Vortrag über diesen Gegenstand im physiologischen Klub in Wien gehalten. Seither habe ich diese Probleme nie aus dem Auge ver- loren; nur wusste ich ihnen im Detail nicht beizukommen und habe GRAEFE-SAEMISCH, Handbuch der ges. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. Vgl. p. 360—361. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 117 es daher unterlassen, darüber etwas mitzutheilen. Meine Arbeiten über die Linse haben mich wieder auf dieselben zurückgeführt; ich glaube hier ein Organ gefunden zu haben, an welches sich die Erörterungen anknüpfen lassen. Die Linse ist eben ein in histo- logischer Beziehung ganz einzig dastehender Körper: vollkommen abgeschlossen gegen die Umgebung, ohne Gefäße, Nerven und Binde- sewebe, ein rein ektodermales Organ, von einer in vielen Fällen seradezu mathematisch regelmäßigen Form. — Übrigens will ich auch heute die erwähnten Probleme nicht in ihrem vollen Umfange aufrollen, sondern nur die Wege zu weisen versuchen, auf denen sie einer Lösung entgegengeführt werden können. Die erste Frage lautet: Ist die Lage der Zellen eine bestimmte ? In meinem, auf der dritten Versammlung der anatomischen Ge-- sellschaft in Berlin im Jahre 1589 gehaltenen Vortrag über die Prin- eipien der Histologie! und dann später im Anschluss an einen von MARTIN HEIDENHAIN auf der zehnten Versammlung gehaltenen Vor- trag über »das Spannungsgesetz der centrirten Systeme« ? habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass die Zelle ein polar-differenzir- ter, bilateral-symmetrischer Organismus sei. Sowohl die Polarität, als die bilaterale Symmetrie sind bestritten worden. Gegen die Polarität und gegen meine Zellachse hat sich namentlich Her- DENHAIN in seiner umfangreichen Arbeit über die Centralkörper® eingehend ausgelassen. Die »organische Achse der Zelle«, wie er sie nennt, soll durch eine Linie gegeben sein, welche die Mitte des Mikrocentrums mit der Mitte des Zellkerns verbindet. HEIDENHAIN übersieht aber dabei, dass die Richtung einer Achse eines organischen Körpers nicht dadurch gefunden wird, dass man die Mittelpunkte zweier Organe verbindet, sondern dass eine Achse eine ideelle Linie vorstellt, deren Lage durch die Gesammtorganisation des Kör- pers gegeben ist. HEIDENHAIN verbindet zwei Organe der Zelle, das Mikrocentrum und den Zellkern mit einander und nennt diese Linie die organische Achse?; ich dagegen richte mich nach der Gesammt- i Über die Prineipien der Histologie. Verh. d. anat. Gesellsch. Berlin 1889. 2 Verh. d. anat. Gesellsch. Berlin 1896. 3 MARTIN HEIDENHAIN, Neue Untersuchungen über die en alkärnen und ihre Beziehungen zum Kern und Zellenprotoplasma. Arch. für mikrosk. Anat. Bd. XLIII. 1894. 4 FLEMMING hat noch eine andere Zellachse unterschieden, nämlich »eine verlängert gedachte Linie, die die beiden Centralkörper mit einander verbindets. »Sie kann durchaus beliebig liegen, sowohl in Bezug auf die Gestalt der Zelle und die Massenvertheilung von deren Protoplasma, als in Bezug auf den Kern.« 118 Carl Rabl, organisation der Zelle, indem ich freie und basale Seite mit einander verbinde. Ich unterscheide diese beiden Seiten, weil ich finde, dass sich alle Zellen in Beziehung auf ihre Organisation auf Epithelzellen zurückführen lassen, dass sie aus Epithelzellen hervorgehen und dass während ihres ganzen Lebens der typische Unterschied zwischen diesen beiden Seiten erhalten bleibt. Wie sehr die Auffassung HEIDEnHAIN’s den Prineipien der Pro- morphologie widerspricht, ersieht man daraus, dass sie sofort zu Widersinnigkeiten führt, wenn man sie auf Individuen höherer Ord- nung, etwa auf Personen, anzuwenden sucht. Es wird wohl kaum einem ernstlichen Widerspruch begegnen, wenn ich z. B. beim Men- schen die Hauptachse vom Scheitel zum Steiß ziehe; ich richte mich dabei nach der Gesammtorganisation des Körpers und verbinde nicht zwei Organe mit einander, sondern zwei Körperregionen. Wollte man nach den Prineipien vorgehen, denen HEIDENHAIN gefolgt ist, so müsste man etwa die Mitte des Gehirns mit der Mitte des Afters verbinden. Es kann wohl nicht zweifelhaft sein, welche Auffassung den Vorzug verdient. — So sehr sich aber auch meine Zellachse im Prineipe von derjenigen HEIDENHAIN’s unterscheidet, so fällt sie doch thatsächlich oft mit ihr zusammen oder weicht wenigstens nicht sehr von ihr ab. HEIDENHAIN hat gefunden!, dass die Centralkörper in Epithelien stets an der freien Seite der Zellen liegen, und da sich andererseits die Kerne meistens an der basalen finden, so stimmt seine Achse in Beziehung auf ihre Richtung in der Hauptsache mit meiner überein. | In der erwähnten Entdeekung HEıDEnHAmn’s erblieke ich einen sroßen Fortschritt unserer Kenntnisse vom feineren Bau der Zellen. Wie wichtig dieselbe ist, wird sich erst zeigen, wenn man sie in ihren Konsequenzen weiter verfolgt und namentlich bei der Unter- suchung der Entwicklung der Gewebe auf die Lage der Centrosomen achtet. Es wird sich dann auch zeigen, ob meine in den »Principien der Histologie«e zum Ausdrucke gebrachte Überzeugung, dass freie Da FLemnming selbst seiner Zellachse »nach der Entdeckung HEIDENHAIN’s von der oftmaligen Drei- und Vierfachheit der Centralkörper keinen besonderen Werth mehr beilegen kann«, so will ich auf eine Kritik derselben verzichten. (Vgl. FLemming, Morphologie der Zelle In: MERKEL u. BONNET, Ergebn. der Anat. u. Entw. Bd. VII. Litteratur 1897. i MARTIN HEIDENHAIN, Über die Mikrocentren in den Geweben des Vogel- embryos, insbesondere über die Cylinderzellen und ihr Verhältnis zum Span- nungsgesetz. SCHWALBE, Morphol. Arbeiten. Bd. VII. 1897. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 119 und basale Seite der Zellen in ihrer typischen Verschiedenheit stets erhalten bleiben, richtig ist. Ich sehe in den Untersuchungen HEIDENHAIN’s, deren Werth ich unumwunden anerkenne, wenn ich mich auch mit seinen Schluss- folgerungen nicht einverstanden erklären kann, eine sehr willkom- mene Stütze für meine Auffassung vom Bau der Zelle. HEIDENHAIN! hat sich auch, obgleich weniger entschieden, gegen die Annahme einer bilateralen Symmetrie der Zelle ausgesprochen. Zu dieser Anschauung bin ich vor Allem durch meine Studien über Zelltheilung gelangt. Ich habe mich gefragt: Warum theilt sich eine Zelle nieht in beliebig viele Stücke, warum nicht heute in zwei, morgen in drei, ein andermal in sechs oder zehn? Gerade über Er- scheinungen, welche wir täglich unter unseren Augen ablaufen sehen, glauben wir meistens gar nicht nachdenken zu müssen; wir sind an sie gewöhnt und sie erscheinen uns daher ganz selbstverständlich. Und doch ist es nichts weniger als selbstverständlich, dass sich eine Zelle unter normalen Umständen immer nur in zwei Zellen theilt. Die Thatsache wird aber verständlich, wenn man annimmt, dass die Fäden der Filarmasse oder die Gerüstbalken des Zellleibes oder, wie wir uns sonst ausdrücken wollen, von zwei Seiten her in gleicher Stärke an das Centrosoma angreifen. Bei dieser Anordnung wird es verständlich, warum sie, wenn sie sich kontrahiren, das Centrosoma nach zwei Richtungen aus einander ziehen und damit auch die Zwei- theilung des Zellkerns einleiten. Den Grund der Zweitheilung sehe ich also in der Organisation der Zelle; diese Organisation kann, wenn sie eine Zweitheilung bewirken soll, nur eine bilateral-sym- metrische sein. Wird die bilaterale Symmetrie gestört, greifen die Gerüstbalken nicht mehr von zwei, sondern von drei oder mehr Seiten in gleicher Stärke an das Centrosoma an, so werden sogenannte pluripolare Theilungsfiguren die nothwendige Folge sein. Auch Roux? hat sich gegen die Annahme einer bilateralen Sym- metrie der Zelle ausgesprochen. Er hat gesagt: »Es ist nicht richtig, dass nur zur Theilungsfläche in ihrem Protoplasmatheil bilateral-sym- metrisch gestaltete Zellen selbsttheilungsfähig wären; das geht schon aus der Bildung der Mikromeren und der Richtungskörper hervor und hat auch theoretisch keine Unterlagen.<« Was hier die Richtungs- körper zu thun haben, ist mir ganz unverständlich, man müsste sie ı Vgl. die Diskussion zu seinem, im Jahre 1896 in Berlin gehaltenen Vor- trag über »ein neues Modell zum Spannungsgesetz der centrirten Systeme«. ?2 Vgl. dieselbe Diskussion. 120 Carl Rabl, denn für Gebilde halten, die den Mikromeren verwandt wären; was aber die Bildung der Mikromeren betrifft, so widerspricht dieselbe, wie kürzlich FıscHEL'! in einer Kontroverse mit H. E. ZIEGLER ge- zeigt hat, auch nicht im allergeringsten der Annahme einer bilateralen Symmetrie. Diese hat vielmehr gerade durch die »entwicklungs- mechanischen« Arbeiten der letzten Jahre immer mehr an Festigkeit sewonnen. So ist FISCHEL auf Grund seiner experimentellen Unter- suchungen am Ctenophorenei zu der Überzeugung gekommen, dass wir den Eitheilchen, eben so wie den Elementen aller Zellen »ein allgemeines Gerichtetsein« zuschreiben müssen, »und zwar im Sinne einer Polarität und Bilateralität«. Ich habe daher keinen Grund, an meiner Auffassung des Baues der Zelle-etwas zu ändern, sondern darf vielmehr hoffen, dass sie sich immer mehr Bahn brechen wird. Dagegen muss ich an meinem Schema der Zelle?, den neueren Erfahrungen Rech- nung tragend, eine kleine Modifikation anbringen. Ich entwerfe jetzt das in nebenstehender Figur zum Ausdrucke gebrachte Schema (Textfig. 42). Im Anschluss daran will ich ein paar Worte über die Promorphologie der Zelle einfügen®. Nach dem früher Gesagten halte ich die Zelle für einen bilateral symmetrischen, polardifferenzirten Organismus. Ich unterscheide an ihr drei auf ein- ander senkrecht stehende Achsen: die Hauptachse, Textfig. 42. welche die freie Seite mit der basalen verbindet, ist ungleichpolig, die beiden Nebenachsen sind gleichpolig. Als stereometrische Grundform würden wir eine rhombische Doppelpyramide mit heteropoler Hauptachse ansehen können. Diese Form können wir uns aus zwei einfachen rhom- ! ALFRED FISCHEL, Experimentelle Untersuchungen am Ütenophorenei. (Fortsetzung.) Archiv für Entwicklungsmechanik. Bd. VII. 1898. 2 C. RagBL, Über Zelltheilung. Briefliche Mittheilung an v. KÖLLIKER. Anat. Anz. A. Jahrg. 1889. 3 HAECKEL hat den Begriff der Promorphologie folgendermaßen definirt: »Die Promorphologie oder Grundformenlehre der Organismen ist die gesammte Wissenschaft von der äußeren Form der organischen Individuen, und von der stereometrischen Grundform, welche derselben zu Grunde liegt und auf deren Erkenntnis durch Abstraktion sich jede wissenschaftliche Darstellung einer organischen Form stützen muss.< Was mich betrifft, so lege ich in der Pro- morphologie, wie in der Morphologie überhaupt, weniger Nachdruck auf die »äußere Form«, als auf die innere Organisation. (E. HAECKEL, Generelle Morpho- logie der Organismen. Bd. I. Allgemeine Anatomie. 1866.) Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 121 bischen Pyramiden von gleicher Grundfläche, aber von verschiedener Höhe zusammengesetzt denken. Die nebenstehende Figur (Textfig. 43) würde uns eine solehe Form vor Augen führen!. Sie ist aus den einfachen Pyramiden abedP und abedP’ zusammengesetzt. Die Hauptachse PP’ ist ungleichpolig, die durch die rhombische Grund- fläche abcd (Textfig. 44) gezogenen Nebenachsen sind unter einander verschieden, aber beide gleichpolig. Nun muss ich aber das Gesagte gleich einschränken, indem ich bemerke, dass von allen Eigenthümlichkeiten der stereometrischen Grundform einer Zelle nur die Ungleichpoligkeit der Hauptachse und die Gleichpoliskeit der Nebenachsen wesentlich und unveränderlich Textfig. 43. Textfig. 44. sind. Zunächst kann die gegenseitige Länge der Achsen eine sehr . verschiedene sein. In einer Cylinderepithelzelle übertrifft die Haupt- achse an Länge mehr oder weniger beträchtlich die Nebenachsen; umgekehrt sind in einer Plattenzelle die Nebenachsen viel länger als die Hauptachse. Ferner kann eine Zelle in der Richtung einer der beiden Nebenachsen mehr oder weniger in die Länge wachsen. Diesen Fall sehen wir z. B. bei den Muskelzellen realisirt. Wie ich in meiner »Theorie des Mesoderms« gezeigt habe?, entwickeln sich 1 Ich könnte auch die halbe oder einfache rhombische Pyramide als stereo- metrische Grundform wählen. Auch sie hat eine heteropole Hauptachse. Ich ziehe aber eine heteropole Doppelpyramide vor, obwohl. ich weiß, dass sie in der Natur unter den Krystallformen nicht realisirt ist. 2 C. RApu, Theorie des Mesoderms. I. p. 127ff. Hinsichtlich der Diffe- renzirung der Visceralmuskulatur vgl. meinen Vortrag über die Prineipien der Histologie. 122 Carl Rabl, die Muskelfasern der Seitenrumpfmuskulatur aus den Zellen der medialen Lamelle des Urwirbels in der Weise, dass zunächst bloß an der basalen Seite der zu dieser Zeit noch rein epithelialen Zellen Muskelfibrillen zur Ausbildung kommen. Diese Muskelfibrillen ver- laufen also senkrecht auf die Richtung der Hauptachse; sie folgen in ihrem Verlaufe einer der beiden Nebenachsen. In der Richtung der Fibrillen, also in der Richtung der betreffenden Nebenachse, wachsen nun die Zellen mehr und mehr in die Länge. Hier übertrifft also eine Nebenachse in Beziehung auf ihre Länge weitaus die beiden anderen Achsen. Dasselbe, was von den aus den Urwirbeln sich entwickelnden Fasern der Seitenrumpfmuskeln gilt, gilt auch von den Fasern der aus den Seitenplatten entstehenden visceralen Mus- keln. Auch hier bilden sich die Fibrillen an der basalen Seite der Zellen, und auch hier wachsen diese in der Richtung einer der bei- den Nebenachsen in die Länge. — Ein zweites Beispiel für das Aus- wachsen der Zellen in der Richtung einer Nebenachse bieten uns die Zellen des fibrillären Bindegewebes. Wie bei der Entwicklung der Muskelfasern bilden sich auch hier die Fibrillen an der basalen Seite! und folgen in ihrem Verlaufe einer der beiden Nebenachsen. Es können sich aber auch in der Richtung der anderen Nebenachse Fibrillen ausbilden. Dies sehen wir z. B. in den Lamellen der Cornea, wo innerhalb einer Schicht die Fibrillen sich in rechten Winkeln kreuzen; dies sehen wir auch in der Cutis des Amphioxus, der Cyelostomen, der Selachier und der Amphibien. Überall treffen wir Fibrillen, die sich in rechten Winkeln kreuzen; die Fibrillen folgen der Richtung der beiden Nebenachsen. Sekundär kann es dann wohl auch zu einer Verschiebung kommen, so dass die Fibrillen nicht mehr genau rechte, sondern mehr oder weniger spitze Winkel einschließen. Ähnliche Bilder von sich kreuzenden Fibrillen sieht man bekanntlich auch in der Substanz der Knochenlamellen. | Alle diese Thatsachen weisen darauf hin, dass der Differenzirung der Zellen ein ganz festes Achsenverhältnis zu Grunde liest. Ganz anders als beim Muskelgewebe und den Geweben der Binde- substanzen geht die Differenzirung der Zellen bei der Entwicklung des Nervengewebes vor sich. Aber auch hier lässt die Art, wie sie erfolgt, auf ein ganz festes Achsenverhältnis schließen. Während beim Muskel- und Bindegewebe die Differenzirung in der Richtung i Vgl. den eitirten Vortrag. Keiner der Autoren, die sich später mit der Entwicklung des fibrillären Bindegewebes beschäftigt haben, hat auf diese prin- cipiell sehr wichtige Frage geachtet. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 123 einer oder beider Nebenachsen erfolgt, geht sie beim Nervengewebe in der Richtung der Hauptachse vor sich. Es gilt dies sowohl von jenen Zellen, welche später die Neuroglia aufbauen, wie von den eigentlichen nervösen Elementen. Wenn sich eine ursprünglich epitheliale Zelle des Medullarrohres zu einer Nervenzelle umbildet, so wächst sie an der basalen Seite zu einem langen Achsencylinder- fortsatz aus, während sie sonst nur Protoplasmafortsätze treibt. Wir können sagen, die Zelle wachse in der Richtung der Hauptachse in die Länge. Hier ist also die Wachsthumsrichtung der Zellen eine sanz andere als im Muskel- und Bindegewebe. Es ließen sich noch leicht zahlreiche andere Beispiele aus der Entwicklungsgeschichte anführen, aus denen hervorgeht, dass der Diffe- renzirung der Zellen ein ganz bestimmtes Achsenverhältnis zu Grunde liest. Das Gesagte mag aber genügen, um zu zeigen, dass der längste Durchmesser einer Zelle durchaus nicht die promorphologische Haupt- achse zu sein braucht, dass vielmehr im Gegentheil eine Nebenachse an Länge die Hauptachse sehr bedeutend übertreffen kann. Was nun die Frage nach der Orientirung der Zellen, nach der Stellung, welche ihre Achsen in den verschiedenen Geweben und Organen des Körpers einnehmen, betrifft, so wird wohl hinsichtlich der Linse Niemand daran zweifeln, dass ihre Zellen eine ganz ge- setzmäßige, in der Grundform und Bedeutung des Organs begründete Lage haben. Die Hauptachse steht in den Zellen des Linsenepithels, wie in Epithelzellen überhaupt, senkrecht auf der Oberfläche; die Stellung der Nebenachsen ist aus der äußeren Form der Zellen so lange nicht mit Sicherheit zu entnehmen, als die Zellen in der Rich- tung dieser Achsen keine Differenzirung erfahren. Sowie sie sich aber zur Differenzirung anschicken, also schon an der Grenze des Linsenepithels, ist auch die Stellung der Nebenachsen sofort deutlich markirt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass innerhalb der meri- dionalen Reihen die eine Nebenachse meridional, die andere äquatorial verläuft. Die Polarität ist an den Zellen des Linsenepithels schon dadurch unverkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem basalen Pol die Linsenkapsel zur Ausbildung bringen; aber auch in der Lage der Kerne giebt sich dieselbe, wenn die Zellen höher werden, deutlich zu erkennen. Ganz besonders aber tritt sie dann in die Erscheinung, wenn die Zellen eine weitere Differenzirung erfahren, wie vor Allem bei der Bildung des Ringwulstes der Rep- tilien und Vögel. Freier und basaler Pol sind hier stets typisch und in sehr charakteristischer Weise von einander verschieden. — An 124 Carl Rabl, der Epithelgrenze ändert sich die Stellung der Hauptachse, sie neigt sich gegen die Oberfläche und krümmt sich schließlich so, dass sie ihre Konkavität der Linsenachse zukehrt. — Dass auch die Linsen- fasern polar-differenzirte Zellen sind, hat uns die Entwicklung der- selben ganz unzweideutig gelehrt. Die Polarität giebt sich bei ihnen in der verschiedenen Färbbarkeit der beiden Enden der jungen Fa- sern zu erkennen. Die eigenartige Veränderung, welche das Proto- plasma bei der Umwandlung der Zellen zu Linsenfasern erfährt, be- ginnt, wie bei allen Epithelzellen, an dem freien Pol und schreitet von da gegen den basalen Pol weiter. Wenn die Umwandlung voll- . zogen ist, also auch den basalen Pol ergriffen hat, scheint die Faser an beiden Enden gleich differenzirt zu sein, und doch ist die Pola- rität nicht einen Augenblick verloren gegangen. Es liegen hier ähn- liche Verhältnisse vor, wie etwa bei Pigmentepithelien, wo gleichfalls die Polarität im vollkommen ausgebildeten Zustande ganz oder fast sanz verdeckt sein kann. Sehr lehrreich sind in dieser Beziehung die Bilder, welche das Tapetum nigrum während der Entwicklung zeigt. Wie bekannt, entwickelt sich dasselbe aus dem äußeren Blatte der sekundären Augenblase; von den beiden Flächen dieses Blattes ist jene, welche der Retina zugewendet ist, als freie, die äußere als basale aufzufassen. Wie in allen pigmentirten Epithelien, tritt nun auch in den Zellen des Tapetum nigrum das Pigment zunächst nur an der freien Seite auf; sowie es sich dann mehr anhäuft, schiebt es sich neben dem Kern vorbei gegen die basale Seite, und schließ- lich erfüllt es mit Ausnahme des Kerns die ganze Zelle. Und doch ist, wie die Erfahrungen an »Dunkel- und Lichtthieren« lehren, auch im entwickelten Zustande die Polarität noch erhalten. Sie kann hier nur mehr aus der Funktion der Zellen erschlossen werden. — Eben so instruktiv sind auch die Bilder, welche man von der inneren La- melle der Pars ciliaris und Pars iridica retinae auf Meridionalschnitten durch die Augen erwachsener Thiere erhält. Sie lehren gleichfalls, dass die Differenzirung der Zellen genau an die Achsenverhältnisse derselben gebunden ist. Die genannte Lamelle ist ein Theil des inneren Blattes der sekundären Augenblase; ihre freie Seite ist also nach außen gegen das Tapetum nigrum gewendet, ihre basale ist dem Glaskörper, beziehungsweise der hinteren Augenkammer zuge- kehrt. Die Pigmentirung dieser Lamelle beginnt nun nicht erst an der Iris, setzt auch nicht ganz plötzlich ein, sondern nimmt ganz langsam und allmählich an der vorderen Grenze des Ciliarkörpers den Anfang. Während die Zellen an der Iris vollkommen mit Pig- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 195 ment erfüllt sind und daher die polare Differenzirung ganz verdeckt ist, sieht man dort, wo die Pigmentirung noch nicht so weit fortge- schritten ist und vor Allem dort, wo sie eben erst beginnt, die Pigment- körnchen ausschließlich an der äußeren Seite der Zellen auftreten. Jeder Kern ist an der dem Tapetum nigrum zugewendeten Seite von einer Pigmentmütze bedeckt. Während also in den den vorderen Theil des Tapetum bildenden Zellen der äußeren Lamelle der Pars eiliaris und Pars iridica retinae das Pigment an der dem Glaskörper zugewendeten Seite auftritt, tritt es in den Zellen der inneren La- melle an der entgegengesetzten Seite auf, ein Verhalten, welches einzig und allein aus der Polarität der Zellen verständlich wird. Das Beispiel der Pigmentepithelien lehrt, dass in Folge der für eine bestimmte Zellart charakteristischen Umwandlung des Proto- plasmas die polare Differenzirung schließlich ganz verdeckt werden kann, trotzdem die Art und Weise, wie die Differenzirung erfolgt, gar keinen Zweifel an dem Bestehen derselben zulässt. Die Linsenfasern sind gegen die Achse der Linse centrirt; sie sind dies nicht bloß mit Rücksicht auf die Lage ihrer Hauptachse, sondern auch mit Rücksicht auf die Lage der Nebenachsen. Es tritt dies am deutlichsten an den am höchsten differenzirten Fasern, jenen, welche die radiären Lamellen aufbauen, hervor. Wir können durch den Querschnitt einer jeden Linsenfaser zwei senkrecht auf einander stehende Achsen ziehen H (vgl. Textfig. 45), von denen die eine äqua- Ä torial, die andere radiär verläuft. Die bei- den Achsen sind gleichpolig; sie sind auch a meistens von ungleicher Länge. Indessen Textfig. 45. hat uns der Querschnitt durch die Linsen- fasern der Gemse gezeigt, dass die beiden Nebenachsen auch von gleicher Länge sein können. Ferner ist aus dem früher über die Jungen Linsenfasern Gesagten hervorgegangen, dass das Längen- verhältnis der beiden Nebenachsen an einer und derselben Faser an verschiedenen Stellen ein verschiedenes sein kann. Am hinteren Ende der Faser können die beiden Nebenachsen von gleicher Länge sein, je weiter nach vorn, um so mehr kann sich die radiäre Achse verkürzen, während die äquatoriale unverändert bleibt. Das Wesent- liche ist eben die Gleichpoligkeit der beiden Nebenachsen, und diese bleibt im ganzen Verlauf der Faser erhalten. Im Ganzen und Großen dürfen wir also sagen, dass die die Linse aufbauenden Elemente nach der Achse der Linse orientirt sind. 126 Carl Rabl, Die Linse bietet besonders einfache, übersichtliche Verhältnisse, da sie ein Organ rein epithelialer Natur ist, in das keine Nerven und Gefäße eindringen und in welchem keine, die einzelnen Zellen von einander trennenden oder sie mit einander verbindenden Elemente vorhanden sind. Wenn wir aber auf die, die schematisch einfache Orientirung störenden Momente Rücksicht nehmen, so finden wir, dass auch in allen anderen Organen des Körpers die Orientirung der Ge- webselemente eine ganz gesetzmäßige ist. Denken wir uns, wir hätten es mit irgend einem Hohlorgan, etwa mit einem Stück Darm, zu thun, und wollten an demselben die Orientirung der Zellen stu- diren. Der Einfachheit halber wollen wir zunächst annehmen, das betreffende Stück Darm wäre ohne Drüsen, ohne Nerven und Ge- fäße. Wir würden dann finden, dass alle Zellen, welche die Darm- wand aufbauen, gegen die Achse des Darmes in bestimmter Weise orientirt sind. Und zwar würde die Hauptachse aller Zellen senk- recht auf der Achse des Darmes stehen. Die die innere Oberfläche bekleidenden Zellen, also die Epithelzellen der Schleimhaut, würden alle mit ihrer Hauptachse senkrecht auf der Oberfläche, also auch senkrecht auf der Achse des Darmes stehen. Dasselbe würde von den äußeren Oberflächenepithelien, den Endothelien der Serosa, gelten. Aber auch die Muskelzellen würden mit ihrer Hauptachse senkrecht auf die Achse des Darmes gestellt sein; da aber diese Muskelzellen nach dem früher Gesagten in der Richtung einer der beiden Neben- achsen die Fibrillen zur Ausbildung gebracht und sich daher in eben dieser Richtung verlängert haben, so würde die längste Achse der- selben, welche aber nicht die Hauptachse, sondern eine Nebenachse wäre, entweder quer oder parallel zur Achse des Darmes gestellt sein. Das Bindegewebe, welches die einzelnen Gewebselemente mit ein- ander verbände, müsste sich der Orientirung derselben fügen, müsste also gleichfalls nach der Achse des Darmes orientirt sein. Nun liegen aber die Verhältnisse in der That nur bei niederen Thieren so einfach, wie wir hier angenommen haben; bei allen höheren komplieiren sie sich durch das Auftreten von Drüsen und das Eindringen von Gefäßen und Nerven. Die Drüsen sind Ober- flächenvergrößerungen der inneren Epithelbekleidung, in sie setzt sich das Lumen des Darmes hinein fort, und nun sind die sie zu- sammensetzenden Zellen mit ihrer Hauptachse senkrecht auf das Lumen der Drüsen, also senkrecht auf die secernirende Oberfläche gestellt. — Größer sind schon die Modifikationen oder Störungen der typischen Orientirung, welche durch die Gefäße hervorgerufen wer- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 197 den. Die Gefäße sind wieder Organe sui generis, in welchen die betreffenden Elemente eine, in der Natur derselben begründete Orien- tirung zeigen. Auch sie sind Hohlorgane, deren einzelnen Elemente segen die Achse centrirt sind. Dies gilt von den Endothelien der- selben eben so wie von den Muskel- und Bindegewebszellen. Da- dureh nun, dass diese Hohlorgane in die Wand eines anderen Hohl- organs, eines Darmstückes, eingeschoben sind, werden die Elemente der Darmwand in ihrer Orientirung beeinflusst und mehr oder weniger gestört. Ähnliches gilt von dem Einfluss, welchen die in den Wän- den des Darmes sich verzweigenden Nerven ausüben. So sehen wir, wie mannigfaltig die Faktoren sein können, welche die Orientirung der Zellen eines Organs zu beeinflussen, zu modificiren oder zu stören vermögen. Was ich hier von einem Stück Darm gezeigt habe, ließe sich mit geringen Änderungen auch von irgend einem anderen Organ, einem Knochen, Muskel ete. zeigen. Immer würde sich herausstellen, dass die Zellen eine ganz bestimmte und gesetzmäßige Lage haben, mit anderen Worten, dass ihre Achsen in bestimmter Weise orien- tirt sind. | Auch für so komplieirte Organsysteme, wie es das Centralnerven- system ist, ließe sich dieser Beweis erbringen. Auch hier haben wir es mit einem Hohlorgan zu thun, aber einem Hohlorgan, das in seinem proximalen Abschnitt eine sehr weitgehende Komplikation erfahren hat; das Lumen hat sich hier zu einem viel verzweigten Ventrikelsystem umgebildet. Nun besitze ich aber Präparate von jungen Embryonen, namentlich solchen von Amphibien, und hier wieder vor Allem von Necturus, welche keinen Zweifel darüber auf- kommen lassen, dass alle das Hirnrohr konstituirenden Elemente in sanz bestimmter Weise orientirt sind; alle sind so gestellt, dass ihre Hauptachse senkrecht gegen die innere Oberfläche gerichtet ist. Ich habe nicht die Absicht, hier noch weiter ins Detail dieser interessanten Frage einzugehen, sondern begnüge mich für jetzt da- mit, gezeigt zu haben, dass in der That die Annahme, dass die Lage aller Zellen des Körpers eine durchaus gesetzmäßige und bestimmte sei, volle Berechtigung hat. Aber nicht bloß die Lage, auch die Zahl der Zellen eines Organismus und seiner Organe ist eine bestimmte; sie ist eine be- stimmte innerhalb gewisser Grenzen. Auch hierfür bietet die Linse ein lehrreiches Beispiel. Wir haben gesehen, dass die Zahl der kadiärlamellen bei den verschiedenen Arten eine verschiedene ist, 128 Carl Rabl, dass sie aber bei einer und derselben Art innerhalb gewisser Grenzen konstant ist. Da die Radiärlamellen weitaus die Hauptmasse der Linse aufbauen, so dürfen wir daraus schließen, dass dies auch für die Zahl der Linsenfasern und wohl überhaupt für die Zahl aller die Linse zusammensetzenden Elemente gilt. So leicht und sicher es gelingt, die Zahl der Radiärlamellen festzustellen, so schwierig ist es, die Zahl der eine Radiärlamelle aufbauenden Fasern auch nur mit annähernder Genauigkeit zu be- stimmen. Das einzige sichere Mittel wäre, sie, wie die Radiärlamellen, direkt zu zählen; dabei stößt man aber in den meisten Fällen auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Man ist daher fast immer auf mehr oder weniger zutreffende Schätzungen angewiesen. Bei derartigen Schätzungen bin ich folgendermaßen vorgegangen. Ich habe zunächst den Radius eines Äquatorialschnittes durch eine Linse bestimmt und dann in einer vorher genau gemessenen Strecke einer Radiärlamelle die Fasern gezählt; durch einfache Multiplikation konnte ich nun die Zahl der eine Radiärlamelle zusammensetzenden Fasern finden. Da- bei hatte ich aber schon mehrere Fehler gemacht: erstens hatte ich angenommen, jede Radiärlamelle verliefe ungetheilt bis zur Oberfläche, zweitens hatte ich die Thatsache vernachlässigt, dass die Radiär- lamellen nicht bis an die Achse der Linse heranreichen, und drittens hatte ich von den Variationen in Beziehung auf die Dieke der Fasern abgesehen. Die Schätzungen mussten also immer ungenau ausfallen. Bis zu einem gewissen Grade würden sich allerdings die Schwierig- keiten überwinden lassen; aber das würde wieder eine Arbeit für sich seben, für welche ich vor der Hand weder die Zeit, noch die Lust aufbringen konnte. Was für uns von besonderem Interesse ist, ist die Variations- breite, der wir in Beziehung auf die Zahl der Lamellen begegnen. Freilich reichen auch in dieser Hinsicht meine Zählungen bei Weitem nicht aus, um uns ein sicheres Urtheil zu ermöglichen; immerhin aber lassen sie, wie mir scheint, erkennen, dass die Variationsbreite bei den verschiedenen Thieren eine verschiedene ist. Wir haben vor Allem zwischen absoluter und relativer Variationsbreite zu unterscheiden. Die absolute Variationsbreite ist um so größer, je größer die Zahl der Lamellen ist; dagegen kann die relative Varia- tionsbreite bei kleiner Lamellenzahl größer sein als bei großer. Die absolute Variationsbreite ist daher z. B. bei den Säugethieren, deren Lamellenzahl durchwegs eine sehr große ist, eine sehr viel größere als bei den Reptilien und Amphibien. Während wir z. B. finden, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 199 dass bei der Katze die Zahl der Lamellen zwischen 3411 und 3623 schwankt, sehen wir beim Salamander, dessen Lamellenzahl eine viel geringere ist, nur Schwankungen zwischen 216 und 224, oder beim Triton zwischen 98 und 103. Einige Fälle mögen genügen, um das Verhältnis zwischen absoluter und relativer Variationsbreite zu illustriren. Kleinste Größte Relative Zahl der Lamellen Variationsbreite einmal). 95.97522:103 —_ 1008 =: 105 Salamander . ..... 216: .:.: 224 — 1006.2:.103 Bidechse...... 414, 434r:198 — 00.32 12 Blindschleiche. .. 93 : 102 = 100 : 109 Eichhörnchen . . . 1286 : 1332 == 1005.93 108 Beweins in.) s- 2503:.424.2722 — 100. 3,1108 Beh ni. ABl 7 023623 — 1003235; 106 Ich bemerke nochmals, dass meine Zählungen durchaus nicht hinreichen, um uns ein sicheres Urtheil über -die Variationsbreite zu gestatten. Sieben Linsen von Triton, drei vom Salamander, vier von der Eidechse, zwei von der Blindschleiche, vier von der Katze ete. sind selbstverständlich viel zu wenig, um auch nur einigermaßen sicher eine obere und eine untere Grenze für die Lamellenzahl an- geben zu können. Die angeführten Zahlen haben also nur in so fern einen Werth, als sie zeigen, wie groß zum mindesten die Variationsbreite ist, sie zeigen aber nicht die wirkliche, die maxi- male Breite. Sehr interessant ist, dass selbst bei sehr großer Lamellenzahl die Unterschiede zwischen den beiden Linsen eines und desselben Thieres nur sehr geringe, fast verschwindende sind. So habe ich, wie früher angegeben wurde, in der einen Linse eines Meerschwein- chens 1131, in der anderen 1123 Lamellen gezählt; bei einem Kanin- chen betrug die Zahl in der einen Linse 2551, in der anderen 2569; bei einer Katze endlich zählte ich sogar in beiden Linsen eines und desselben Thieres genau gleich viel, nämlich 3411 Lamellen. Es setzt dies natürlich eine ungemein genaue Arbeit während der Entwicklung voraus. | Es wurde früher erwähnt, dass schon durch eine einzige Zell- theilung, welche in früher Zeit in der Zone vor den meridionalen Reihen erfolgt, die Zahl dieser Reihen und damit auch die Zahl der Radiärlamellen vergrößert werden kann. Es ist daher auch klar, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 9 130 Carl Rabl, dass relative und absolute Variationsbreite der Gesammtzahl der Linsenfasern sehr viel größer sein müssen, als die Variationsbreite der Radiärlamellen. Ich habe in mehreren Fällen versucht, in der oben angegebenen Weise die Gesammtzahl der Fasern einer Linse zu berechnen, oder, richtiger gesagt, zu schätzen. So unsicher diese Schätzungen sind, so will ich doch ein paar davon mittheilen. | Beim Eichhörnchen kommen in einer Radiärlamelle ungefähr 350 Fasern auf eine Strecke von 1 mm Länge; bei einem Radius von 2,1 mm würde also die Faserzahl einer Lamelle 735 betragen; bei 1286 Lamellen würde das eine Gesammtzahl von 945210 Fasern geben. In der Eichhörnchenlinse mit 1332 Lamellen, deren Äqua- torialdurchschnitt einen Radius von 2,16 mm hatte, würde die Zahl der Fasern einer Lamelle 756, die Gesammtzahl der Fasern also 1006992 betragen. Bei der Katze kommen ungefähr 290 Fasern auf 1 mm einer Radiärlamelle. Unter Zugrundelegung dieser Zahl und bei Berücksichtigung der Länge des Radius eines Äquatorial- schnittes habe ich für die Katzenlinse mit 3411 Lamellen 4945950 und für die Linse mit 3623 Lamellen 5778685 Fasern berechnet. Nun vergleichen wir wieder relative und absolute Variationsbreite mit einander: Kleinste Größte Relative Faserzahl Variationsbreite Eichhörnchen 945210 "7,7006 992°7 2100ER Katzen 02 4945950 7:1.9778685 — EV Vielleicht sind derartige Berechnungen oder Schätzungen, so un- sicher sie sind, doch geeignet, zum Nachdenken und zur weiteren Verfolgung dieser Fragen anzuregen. Die Zahl der Zellen eines Organismus oder eines Organs hängt natürlich mit der Theilungsfähigkeit derselben aufs innigste 'zu- sammen. Sie kann nur so lange zunehmen, als die Zellen theilungs- fähig sind. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass das Wachs- thum aufhören müsse, wenn die Theilungsfähigkeit der Zellen er- lischt. Vielmehr kann ein Organ oder auch ein ganzer Organismus noch lange wachsen, wenn auch seine Zellen die Fähigkeit, sich durch Theilung zu vermehren, längst verloren haben. Die Vorgänge, welche sich beim Wachsthum der Zellen abspielen, sind eben andere als die, welche wir bei einer Theilung ablaufen sehen. Es ist oft gesagt worden, die Fortpflanzung — und hierher gehört doch auch die Vermehrung der Zellen durch Theilung — sei ein Wachsthum Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 131 über das individuelle Maß hinaus. So richtig dieser Satz für ge- wisse Vermehrungsarten der Organismen höherer Ordnung, nament- lich der Personen sein mag, so trifft er doch für die Organismen erster, niedrigster Ordnung, für die Zellen, nur unter der Voraus- setzung zu, dass sie ein selbständiges Leben führen, wie etwa die einzelligen Organismen; er trifft aber nicht mehr zu, wenn es sich um Zellen handelt, welche einem höheren Ganzen untergeordnet sind. Das Wachsthum einer Zelle kann hier die Theilungsfähigkeit lange überdauern. | Auch hierfür bieten die Linsenfasern ein sehr lehrreiches Bei- spiel. Ihre Wachsthumsenergie ist mit dem Erlöschen der Theilungs- fähigkeit noch keineswegs erschöpft. Auf Grund meiner Beobach- tungen an Amphibien glaubte ich zu der Annahme berechtigt zu sein, dass das Aufhören des Wachsthums der Linsenfasern mit dem Kernschwund in causale Beziehung zu setzen sei. Meine weiteren Untersuchungen haben aber gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Wir haben einen Fall kennen gelernt, wo die Kerne erhalten bleiben, obwohl die Fasern aufgehört haben, zu wachsen. Beim Chamäleon enthalten auch die innersten Linsenfasern noch sehr chromatinreiche Kerne, und auch sonst sind bei den Sauriern und Vögeln sehr häufig Kernreste, allerdings ohne chromatische Substanz, auch in den Cen- tralfasern noch nachweisbar. Die Kerne werden daher wohl nicht in erster Linie mit dem Wachsthum, sondern mit gewissen Stoffwechsel- vorgängen in Beziehung zu bringen sein, welche vom Wachsthum unabhängig sind. Übrigens will ich auf diese Frage hier nicht näher eingehen. Man ist sehr gern geneigt anzunehmen, dass die Zellen des Körpers sich fortwährend ersetzen, dass während des ganzen Lebens alte gegen neue ausgetauscht werden. Ein solcher Wechsel, ein sol- cher Ersatz, findet aber gewiss nur in beschränktem Maße statt. Er betrifft zunächst die Oberflächenepithelien, welche in der That wäh- rend des ganzen Lebens durch neue ersetzt werden können; er be- trifft wohl auch die Blutkörperchen, von denen immer ein großer Theil zu Grunde geht und daher durch neue ersetzt werden muss; er betrifft aber gewiss nur einen verhältnismäßig kleinen Theil der Zellen, welche den Körper aufbauen. Von den Linsenfasern können wir sagen, dass wir dieselben Zellen, welche wir schon als ganz junge Embryonen besessen haben, durch das ganze Leben mit uns tragen. Zu den alten Zellen sind zahlreiche neue gekommen, aber die alten sind nicht abgestoßen und durch neue ersetzt worden. Und 9* 132 Carl Rabl, ganz dasselbe gilt wohl auch von zahlreichen anderen Zellen des Körpers, von Knochen-, Knorpel-, Bindegewebszellen ete. Vor Allem aber kommen hier die Nervenzellen in Betracht. Eine Nervenzelle, welche sich bereits vollständig differenzirt hat, bleibt durchs ganze Leben erhalten; daher ist auch, wie OBERSTEINER Sagt, »eine Rege- . neration von Ganglienzellen an Stellen, wo sie durch irgend einen . krankhaften Process zerstört wurden, mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen.< Nur unter pathologischen Verhältnissen kann es noch zu Theilungen bereits bestehender Nervenzellen kommen, aber diese werden nicht in der Weise leitungsfähig und können nicht jene Funktionen übernehmen, welche normale Nervenzellen ausüben. Ich möchte mit diesem Verhalten der Nervenzellen eine That- sache in Zusammenhang bringen, welche von jeher die Embryologen beschäftigt hat und schon wiederholt zum Ausgangspunkt für ver- schiedene entwicklungsgeschichtliche Hypothesen genommen worden ist. Es ist dies die außerordentliche Mächtigkeit und der geradezu kolossale Zellenreichthum der Anlage des Centralnervensystems junger Embryonen. Die Bausteine, welche das Nervensystem zusammen- setzen und seine komplieirten Leistungen später übernehmen sollen, müssen schon früh herbeigeschafft werden, schon zu einer Zeit, in welcher die Zellen noch theilungsfähig sind, wo also die Differenzi- rung der Elemente noch nicht begonnen hat, da später eine Ver- mehrung ausgeschlossen erscheint. So wird also beim Nervensystem die definitive Zellenzahl verhältnismäßig früh erreicht, früher als bei den meisten anderen Organen. — Auch diese mächtige Entfaltung des Centralnervensystems jüngerer Embryonen kann ich nicht als den Ausdruck einer »Zielstrebigkeit« anerkennen, sondern ich möchte vielmehr annehmen, dass individuelle Variationen der Zellenzahl in frühen Stadien der Entwicklung die unmittelbare Veranlassung zur Weiterbildung des Nervensystems gegeben haben. — Jeder weiß, was für ein wichtiger formgebender und formbestimmender Faktor das Centralnervensystem der Embryonen ist; die ganze Körperform wird bis in eine relativ späte Entwicklungsperiode hinein davon be- einflusst. Den Grund davon erblicke ich also in der Thatsache, dass die Zellen nur bis zu einem gewissen Stadium der Entwicklung ihre Theilungsfähigkeit bewahren. Ganz dasselbe gilt auch von der Retina; auch hier muss erst das Rohmaterial herbeigeschafft werden, bevor mit der weiteren Be- arbeitung desselben begonnen werden kann. Erst wenn die defini- tive Zellenzahl erreicht ist und keine weiteren Theilungen mehr Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 133 nöthig erscheinen, beginnt die Differenzirung der die Anlage zu- sammensetzenden Elemente. Ganz anders verhalten sich in dieser Hinsicht solche Organe, deren wichtigster und wesentlichster Bestandtheil Oberflächenepithe- lien sind. Sie sind durch lange Zeit ungemein zellenarm, sie können sich, wenn ich so sagen darf, mit ihrer Entwicklung Zeit lassen, denn ihre Zellen sind theilungsfähig bis ins späte Alter. Es ist im höchsten Grade auffallend, wie wenig umfangreich und zellenarm durch lange Zeit der Darm im Vergleich mit dem Üentralnerven- system ist und wie spät z. B. auch die Diflerenzirung der Haut und ihrer Anhänge beginnt. Mit der Zahl der Zellen hängt ihre Größe oft so innig zu- sammen, dass es kaum möglich ist, beide Fragen getrennt zu be- handeln. Jeder Histologe weiß, wie außerordentlich verschieden die Größe der Zellen bei verschiedenen Thieren ist; jedem ist die That- sache geläufig, dass unter allen Wirbelthieren die urodelen Amphibien weitaus die größten Zellen besitzen und dass sie sich gerade durch diese Eigenthümlichkeit in so vorzüglicher Weise zu histologischen Untersuchungen eignen. Es ist gewiss sehr auffallend, dass inner- halb einer so eng begrenzten Klasse, wie es die Amphibien sind, die einen sehr große, die anderen sehr kleine Formelemente besitzen. Da die Urodelen zweifellos die tiefer stehenden, die Anuren die höher stehenden Formen repräsentiren, so könnte man sich leicht zu dem Schlusse veranlasst fühlen, dass große Gewebselemente für tiefer stehende, kleine für höher stehende Formen charakteristisch sind. In dieser Allgemeinheit wäre aber dieser Satz gewiss nicht richtig. Wir wissen, dass sich der Amphioxus durch ganz besonders kleine Formelemente auszeichnet und dass auch die Cyclostomen und Fische in Beziehung auf ihre Zellgröße weit hinter den urodelen Amphibien zurückbleiben. Aber es wäre doch immerhin möglich, dass innerhalb einer sehr eng begrenzten Gruppe auch sonst — also abgesehen von den Amphibien — bei gleicher Körpergröße die tiefer stehenden Formen sich durch größere Gewebselemente von den höher stehenden unterschieden. Die Zellen sind Arbeiter; je größer ihre Zahl, um so größer wird, ceteris paribus, auch die Summe der Arbeit sein, welche sie zu leisten vermögen. Nun kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Summe von Arbeit, welche das Leben eines Pferdes repräsentirt, außerordentlich viel größer ist als etwa die, welche das Leben eines Eichhörnchen oder einer Maus repräsentirt. Um diese Summe von Arbeit zu leisten, ist eine gewisse Zahl von Zellen nöthig. So- wer- 134 Carl Rabl, den wir schon a priori erwarten dürfen, dass ein größeres Thier von bestimmter Organisation, d.h. von einer bestimmten Differentiation seiner Zellen, im Allgemeinen aus mehr Zellen bestehen wird, als ein kleineres Thier von derselben Organisationshöhe; die Größe der Zellen wird aber in beiden Fällen die gleiche oder nahezu die gleiche sein. Stehen dagegen zwei Formen, die wir mit Rücksicht ' auf die Zahl und Größe ihrer Zellen mit einander vergleichen, auf verschiedener Organisationsstufe, mit anderen Worten, ist die Diffe- rentiation ihrer Zellen eine verschiedene, so werden wir, wenn beide Formen die gleiche Körpergröße besitzen, bei der tiefer stehenden weniger, aber größere, bei der höher stehenden mehr, aber kleinere Zellen erwarten dürfen. — Diese Erwartungen treffen in der That vollkommen zu. Eine Salamandra maculosa hat ungefähr dieselbe Körpergröße wie eine Zauneidechse; sie steht aber auf einer viel tieferen Organisationsstufe, d. h. ihre Gewebe sind viel weniger differenzirt als bei der Eidechse. Die Zellenzahl eines Salamanders ist daher auch eine sehr viel geringere als die einer Eidechse. Maus und Pferd dagegen stehen in Beziehung auf ihre Gesammt- organisation ungefähr auf gleicher Höhe; ihre Körpergröße ist aber sehr verschieden. Nun ist die Größe der Zellen bei beiden ungefähr die gleiche und nur die Zahl ist eine außerordentlich verschiedene '!. Ich habe auf die Beziehungen zwischen Zahl der Zellen einer- seits und Funktion andererseits schon vor drei Jahren bei Gelegen- heit meiner Untersuchungen über die Entwicklung des Urogenital- systems der Selachier? hingewiesen und gezeigt, dass von der Vorniere zur Urniere und von dieser zur Nachniere die Größe der Harnkanälchen konstant ab- und die Zahl derselben und damit auch die Zahl der Zellen konstant zunimmt. Bei der Untersuchung des Baues der Linse habe ich auf diesen Gegenstand wieder mein Augenmerk gerichtet und bin in dieser Beziehung zu einigen interessanten Ergebnissen gelangt. Um zu sehen, ob und welchen Einfluss die Körpergröße eines Thieres auf die Zahl und Größe seiner Zellen nimmt, habe ich vor Allem die Linsen von Hunden verschiedener Rasse und verschiedener i Ich habe hier in Betreff der Linse die Größe der Zellen des Linsen- epithels und nicht die Länge und Breite der Fasern im Auge. Die Linsen- fasern sind bei der Maus nicht bloß schmäler, sondern namentlich viel kürzer als beim Pferd. 2 Vgl. Morph. Jahrb. Bd. XXIV oder III. Abhandlung der Theorie des Mesoderms. Leipzig 1897. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. Ill. 135 Körpergröße untersucht. Nun hat sich freilich herausgestellt, dass die Linse in dieser Hinsicht nicht ganz so günstig ist, als ich erwartet hatte, und zwar desshalb nicht, weil ihre Größe bei Hunden ver- schiedener Rasse nicht in dem Grade verschieden ist, als man nach der Verschiedenheit der Körpergröße erwarten sollte. Schon KoscHEL hat auf diese Thatsache, wenigstens, was die ganzen Bulbi betrifft, aufmerksam gemacht; er sagt: »Es ist erstaunlich, wie wenig die Bulbi kleiner Hunderassen denen sehr großer nachstehen; so stellen sich die verschiedenen Durchmesser: horizontal, vertikal und Augen- achse, bei kleinen (Dachshunden, Pinschern, Möpsen) auf 19,7, 18,7 und 20,0 mm, während die entsprechenden Linsen bei großen 24,0, 23,0 und 24,2 mm messen !«. Immerhin sind aber Unterschiede vor- handen und, wenn sie auch nicht sehr groß sind, so werden wir doch auch entsprechende Unterschiede in der Zahl der Linsenfasern erwarten dürfen. Wie früher mitgetheilt wurde, habe ich nun bei einem Hund von 5220 & Körpergewicht 2915 Radiärlamellen gezählt, bei einem solchen von 5920 & Körpergewicht 2894, bei einem dritten von 9500 & 3190, und endlich bei einem vierten von 20200 & 3330. Die beiden Hunde kleiner Rasse hatten also die geringste Zahl von Lamellen, dann folgte der Hund der mittelgroßen Rasse, und die größte Zahl besaß der Hund der großen Rasse. Was von den Ra- diärlamellen gilt, gilt natürlich auch von den Linsenfasern, ja, es müssten die Unterschiede hier noch mehr in die Augen springen, als es bei den Radiärlamellen der Fall ist. Nun handelte es sich noch darum, die Größe der Linsenfasern zu bestimmen. Ich habe in untenstehender Figur je 30 Faserbreiten der vier untersuchten Hunde neben einander gestellt. Die beistehen- 2915 (9,7 mm) 2894 (8,7 mm) 3190 (10,0 mm) —— 3330 (10,2 mm) Textfig. 46. den Zahlen geben die Zahl der Radiärlamellen, und die in Klammern beigefügten den Äquatorialdurchmesser der Linsen (nach dem Sehnitte gemessen) an. Es ist auffallend, dass der kleinste Hund die breitesten Fasern hatte; seine Linsen waren aber auch erheblich größer als die des nächstgrößeren Hundes. Im Ganzen und Großen sind aber die il. e. p. 66. 136 Carl Rabl, Breitenunterschiede der Fasern so gering, dass man sie, wenn man es mit einzelnen Fasern zu thun hätte, kaum bemerken würde. — Nun ist natürlich auch die Länge und Dicke der Fasern zu beachten. Was die Dicke betrifft, so dürften kaum irgendwelche Unterschiede vorhanden sein; die Länge muss natürlich je nach der Größe der Linsen etwas verschieden sein. Da aber die Größenunterschiede der ‘Linsen im Ganzen nur unbedeutende sind, so werden auch die Längen- unterschiede der Fasern nur geringe sein. Ich glaube, dass wir nicht weit fehl gehen, wenn wir sagen, dass die Größe der Linsenfasern bei den verschiedenen Hunden ziemlich die gleiche ist. Ich habe nun von jedem der Hunde noch Stücke der Leber und der Niere untersucht und auf die Größenunterschiede der Zellen geachtet. Manchmal schien es mir, als ob die Zellen bei dem größten Hunde srößer wären als bei den kleineren Hunden; aber andere Stellen der Präparate zeigten wieder andere Bilder und ließen eher das Gegentheil vermuthen. Es ist in der That ungemein schwer, zu einem absolut sicheren Urtheile zu gelangen; aber jedenfalls darf man sagen, dass, wenn überhaupt Größenunterschiede vorhanden sind, dieselben nur ganz unbedeutend sein können. Ich gelange da- her zu dem Schlusse, dass kleine Hunde weniger Zellen besitzen als sroße, dass aber die Größe der Zellen bei allen die gleiche oder doch nahezu die gleiche ist. Nach den in der vorliegenden Arbeit mitgetheilten Ergebnissen könnte ich hier noch zahlreiche andere Beispiele anführen, welche zeigen, dass innerhalb einer eng begrenzten Gruppe die Größe der Zellen eine bestimmte ist, dass aber ihre Zahl je nach der Körpergröße der einzelnen Arten schwankt. Von zoologischer Seite scheint man diesen Fragen bisher wenig oder gar keine Beachtung geschenkt zu haben. Dagegen haben die Botaniker bereits begonnen, sich mit denselben zu beschäftigen. So hat im Jahre 1893 JuLıus Sacus eine Arbeit über die Beziehungen der specifischen Größe der Pflanzen zu ihrer Organisation! veröffent- licht, in welcher er auf die physiologische Bedeutung der Größe und Zahl der Zellen hinwies. Schon ein Jahr vorher war auf Veran- lassung Sacus’ in Würzburg die Preisfrage gestellt worden: »Es sind zahlreiche Messungen anzustellen, welche Auskunft darüber geben, ob und in wie fern Beziehungen zwischen dem Volumen der Zellen ! Jur. SacHus, Physiologische Notizen. Flora oder allg. botan. Zeitung. Jahrg. 1893. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. 137 und dem Volumen der Pflanzenorgane bestehen?« Der Lösung dieser Frage hat sich E. AmELuNG ! unterzogen; ich will von seinen Resul- taten nur dasjenige hervorheben, das für uns nach dem früher Mit- getheilten das interessanteste ist. Es lautet: »Verschieden große Organe gleicher Art desselben Pflanzenindividuums bestehen aus Zellen von gleicher oder nahezu gleicher Größe.« Zu ähnlichen Resultaten ist STRASBURGER? gelangt. Er sagt: »Nicht die Zellen- größe, nur die Zellenzahl wird durch die verschieden kräftige Aus- bildung eines Individuums und seiner Glieder beeinflusst.< Es braucht nicht erst betont zu werden, dass diese Resultate, was ihre physio- logische Bedeutung betrifft, in vollem Einklang mit unseren eigenen stehen. Eine solche Übereinstimmung zwischen thierischen und pflanz- lichen Zellen in Beziehung auf ihre Größe und Zahl lässt den Schluss zu, dass wir hier einer Erscheinung von prineipieller Bedeutung gegenüber stehen. Prag, im Juli 1899. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Entwicklung der Linse des Kaninchens. Fig. 1—10 bei 260facher, Fig. 11 bei 183facher Vergrößerung. Elf auf einander folgende Stadien der Linsenentwicklung. Tafel II. Entwicklung der Linse des Kaninchens, Fortsetzung; Mensch; Entwicklung und Bau der Linse des Maulwurfs. Fig. 1—3 Kaninchen. Fig. 1 u. 2 bei 186facher, Fig. 3 bei 65facher Vergr. Fig. 4. Linse eines 30—31 Tage alten menschlichen Embryo. 260fache Vergrößerung. Fig. 5. Linse eines 9,7 mm langen Maulwurfembryo. 260fache Vergr. Fig. 6. Linse eines 10,8 mm langen Maulwurfembryo. 260fache Vergr. Fig. Linse eines I4 mm langen Maulwurfembryo. 260fache Vergr. Fig. 8. Linse eines 19 mm langen Maulwurfembryo. 260fache Vergr. Fig. 9. Linse eines 25 mm langen Maulwurfembryo. 260fache Vergr. Fig. 10. Meridionalschnitt durch die Linse eines erwachsenen Maulwaurfs. 260fache Vergr. —1 . ! ERICH AMELUNG, Über mittlere Zellengrößen. Flora oder allg. botan. Zeitung. Jahrg. 1893. 2 ED. STRASBURGER, Histologische Beiträge. Heft V. Über das Saftsteigen. Über die Wirkungssphäre der Kerne und die Zellgröße. Jena 1893. 138 Carl Rabl, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. III. Fig. 11. Schiefer Äquatorialschnitt durch eine ebensolehe Linse. 260fache Vergr. Tafel III. Zur Entwicklung der Linse des Schwein». Fig. 1—4 bei 63facher Vergr. Fig. 5 stärker vergr. Fig. 1. Linse eines 26 mm langen Embryo. Fig. 2. Linse eines 36 mm langen Embryo. Fig. 3. Linse eines 50 mm langen Embryo. Fig. 4. Linse eines 68 mm langen Embryo. Fig. 5. Achsenfasern eines Embryo von 101 mm Länge. Tafel IV. Zum Bau der entwickelten Linse. Fig. 3 bei 260facher Vergr., alle anderen Figuren bei 520facher Vergr. Fig. 1. Linsenepithel des Rindes von der Epithelgrenze mit sechs meri- dionalen Reihen. Fig. 2. Dasselbe vom Hund mit zehn meridionalen Reihen. Fig. 3. Dasselbe vom Schwein mit 18 meridionalen Reihen. Fig. 4—8. Meridionalschnitte durch die Epithelgrenze und den Anfang der Kernzone, und zwar Fig. 4 vom Schaf, Fig. 5 von der Gemse, Fig. 6 vom Eich- hörnchen, Fig. 7 von der Ratte, Fig. 8 von Inuus. Fig. 9—14. Schnitte durch das Linsenepithel und die Kapsel in der Nähe des vorderen Linsenpoles, und zwar Fig. 9 vom Pferd, Fig. 10 vom Schaf, Fig. 11 vom Reh, Fig. 12 vom Eichhörnchen, Fig. 13 von der Ratte, Fig. 14 von Inuus. Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko (Epi-, Para- und Hypophyse). Von Fritz Melchers, Thierarzt aus Verne (Westfalen). Mit Tafel V und VI. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) Die Deutung der obliterirenden Ausstülpungen am Dach und Boden des Hirnrohres ist immer noch keine ganz klare. Nach den Ergebnissen bei Hatteria hätte man erwarten dürfen, dass auch bei den Ascaloboten, die wie die Rhynchocephalen im Gegensatz zu den übrigen Reptilien noch die primitiven, amphicölen Wirbel mit inter- vertebral persistirender Chorda besitzen, jene Hirnanhangsgebilde sich in phylogenetisch ursprünglicheren Formen darbieten würden. Eine genaue Untersuchung dieser Organe beim Gecko dürfte über- dies schon aus dem Grunde ein besonderes Interesse beanspruchen, weil das Material überaus selten und schwer zu beschaffen ist und in lückenloser Reihe auf einander folgender Embryonalstadien bisher wohl überhaupt keinem meiner Vorarbeiter zur Verfügung gestan- den hat. Die Litteratur über den Bau und die Entwicklung der rudimen- tären Hirnanhangsgebilde bei Platydactylus ist daher ganz unbedeu- tend. Über Gecko mauretanieus und verus macht W. BaLpw. SPENcER'! in einer kurzen, etwa eine halbe Seite füllenden Besprechung ohne Beigabe von Zeichnungen folgende, allgemeinen und theilweise un- richtigen Angaben: »Neither in the adult nor in the embryo is the slishtest external trace of the organ.ce Wie nachher jedoch ge- zeigt wird, bildet'in einem gewissen Embryonalstadium die i On the Presence and Structure of the Pineal Eye in Lacertilia. Quart. Journ. of Microse. Science. Vol. XXVII. p. 192. New Ser. London 1887, 140 Fritz Melchers, Epiphysis eine Hervorragung, und es sind die Epi- und Paraphysis als helle Stellen unverkennbar zu bemerken. Ferner sagt SPENCER, dass die Haut leicht abhebbar ist, und dass keine besondere Verbindung, wie bei den Eidechsen, besteht. »Dections show that the epiphysis is a well-marked structure in Platydactylus arising from the roof of the thalamencephalon and ‚running straight upwards till it comes into contact with the roof of the eranial cavity.c Vom Schädeldach bleibt die Epiphyse nun aber durch die übergelagerte Paraphyse und durch die venösen Blutleiter getrennt, ferner trifft man den geraden Verlauf aufwärts nur ineinem ganz bestimmten Stadium an. Dieses Gebilde entspricht, wie der genannte Autor fortfährt, dem proximalen Theil bei anderen Formen; der Pinealstiel und das Pineal- auge sollen beim Gecko fehlen. »The epiphysis is hollow and its cavity gradually increases in size as it passes further from the roof of the brain and approaches the skull, against which it ends blindly.« Kurz vor der Reife des Embryo wird dem entgegen der Epiphysenstiel solid und die eiförmige Höhle der Epiphyse schnürt sich vom UI. Ventrikel vollständig ab. Weiter bemerkt SPENCER, dass in den Epiphysenwänden keine so klare Differenzirung eintritt, dass eine Augenblase zu unterschei- den wäre. Übereinstimmend mit SPENcCER macht LeypiG!, der ein Exem- plar von Platydactylus mauretanicus mit Messer und Schere unter- sucht, die Beobachtung, dass ein Scheitelauge fehlt, und der braun- pigmentirte Zirbelknopf sich jederseits in mehrere Spitzen auszieht. Ferner hat LeypıG? den Kopf eines schon lange in Spiritus gelegenen Platydactylus muralis in senkrechte Längsschnitte zerlegen lassen und kommt nun in der drei Seiten umfassenden Beschreibung unter Beifügung einer Figur (ungefähr einem durch Taf. V, Fig. 10 dargestellten Stadium entsprechend) zu folgenden Schlüssen: Das einheitliche Gebilde besteht aus eigentlicher oder hinterer Zirbel, Epiphysis posterior, und vorderer oder Nebenzirbel, Epiphysis anterior oder Paraphysis. Die Epiphyse hat die Form eines gestielten Säck- chens, in der Lichtung mit hohen, gekörnelten Zellen. Der unten sekrümmte Stiel ist abgerissen, aber es ist anzunehmen, dass er von ! Parietalorgane der Amphibien und Reptilien. SENCKENBG. naturf. Ges. 1890. p. 514. 2 Zirbel und JAcoBson’sche Organe einiger Reptilien. Archiv für mikr. Anat. und Entw. Bd. L. 1897. p. 386—388 u. 394. Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 141 der Commissura posterior ausgeht. »Und da man ferner im Inneren des unteren Theiles des Stieles außer rundlichen Kernen noch fein- streifige, in der Abbildung nicht ausgedrückte Züge zu erkennen im Stande ist, so wird so gut wie gewiss, dass das nervösstreifige Wesen von der bezeichneten Kommissur kommt und sich eine Strecke weit in das Innere des Zirbelstieles erhebt.« Ich sah auf diesem Stadium immer nur die feinstreifige, von der hinteren Kommissur zum Zirbelkörper ziehende, bindegewebige Scheide mit verstreuten, länglichen Kernen; Nervenfasern waren im Zirbelstiel nicht nachweisbar. Die Paraphyse ist, wie Leypıe fortfährt, umfangreicher als die Epiphyse, »ferner hängt ihre Wurzelstelle deutlich mit der Höhlung des III. Ventrikels zusammen, derart, dass ihre Lichtung in jene des Ventrikels sich fortsetzt, also nicht mit einer Gewebsmasse ausge- füllt ist. Man könnte sagen, das epitheliale Dach des III. Ventrikels habe sich einfach zu einem Sack erhoben, der mannigfach gebuchtet ist, was auch den Grund abgiebt, warum das Durchschnittsbild so wechselnd sich ausnehmen kann. Hierbei zeichnet sich gern ein größerer, weiter Raum ab mit Gerinnungsflocken der ihn ausfüllen- den Flüssigkeit. Daneben sieht man Durchschnitte von Schläuchen, bald rein quer, dann wieder nach der Längsrichtung getroffen; es legen sich auch nach oben und rückwärts dergleichen Schläuche über die hintere Zirbel hin.« Leyvie beschreibt hier die Wölbung des Zwischenhirn- daches und hält sie für die Höhlung der Paraphyse. Dess- halb betont er auch besonders den deutlichen Eingang. Die davorliegende Mündung der Paraphyse und der lange Hohl- stiel werden selten auf einem Schnitt getroffen und treten auf diesem Stadium nicht mehr so klar hervor. Die Nebenzirbel hat nach Levpis kubisches, niedriges, helles Epithel; die gemeinsame, bindegewebige Hülle hängt mit der harten Hirnhaut zusammen und nimmt von letzterer theils strahlen-, theils ballenförmiges Pigment mit. Auffällig ist der Gefäßreichthum in Hülle und Umgebung des Organs. Von seinem Rande zur harten Himhaut verlaufen Blutgefäße tragende Bindegewebszüge, welche Leyvie früher als die mit dem Nebenschlauch des Zirbelbläschens von Petromyzon zu vergleichenden Spitzen des Zirbelknopfes aufge- fasst hat. Jetzt hält er die Zusammenstellung der bänderartigen Ausstrahlungen mit den epithelialen Schläuchen bei Petromyzon nicht mehr’ für angängig. 142 Fritz Melchers, Am Schluss wiederholt LEeyvıG zusammenfassend, dass beim Gecko wie bei anderen Sauriern der große Unterschied zwischen vorderer und hinterer Zirbel sehr in die Augen fällt. Die vordere Zirbel »ist ein vielfach gebuchteter Schlauch, der mit hohler Wurzel in den Raum des III. Ventrikels führt; die hintere oder eigentliche Zirbel hingegen stellt ein Säckchen dar, dessen Stiel nicht hohl ist, ‘sondern sich mit nervöser Substanz von unten her auf eine Strecke weit erfüllt zeigt. Auch die zellige Auskleidung ist in beiden Or- sanen verschieden. Fürs freie Auge freilich gewähren vordere und hintere Zirbel, indem sie dicht zusammengeschoben, von gemeinsamer Hülle umfasst werden, den Anblick eines einheitlichen Organs«. HOFFMANN! folgert aus den Mittheilungen SPENcER’s, »dass die Verhältnisse einerseits am einfachsten sind bei Platydactylus, dessen Schädel ein Foramen parietale fehlt, und wo die Epiphyse einfach einen hohlen Auswuchs des Daches des Zwischenhirns darstellt«. Letzteres ist nur bei jüngeren Embryonen richtig. HErRTwIG? behauptet sogar im Gegensatz zu den vorhandenen richtigen Beobachtungen Folgendes: »Bei manchen Reptilien, wie bei Platydactylus, ist die Zirbeldrüse wie bei den Haien beschaffen: ein peripheres, kleines Bläschen, das im Foramen parietale einge- schlossen und von flimmernden Cylinderzellen ausgekleidet ist, hängt durch einen langen, hohlen Stiel mit der Decke des Zwischenhirns zusammen. « Die Epiphyse beim Gecko ist nun aber ein verhältnis- mäßig großes Bläschen mit einem kürzeren Stiel, der nicht hohl bleibt, sie ist also nicht wie beiden Haien beschaffen. Ein Foramen parietale fehlt. Übereinstimmend mit HerrwıgG schreibt auch SeLExkA® dem ‚ Platydaetylus ein im Foramen parietale eingeschlossenes Bläschen als Zirbel zu. Über die Hypophyse giebt Gaupp* an, dass bei einem von ihm untersuchten Platydactylus mauretanicus von 49 mm Länge die Seiten- sprossen der Hypophyse dem Gehirn sich eng anlehnten. Zu den nachfolgenden Untersuchungen wurden im Ganzen ! Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs.. Bd. VI. III. Abth. III. Schlangen und Entw. der Reptilien. Leipzig 1890. p. 1983. * Lehrbuch der Entwicklungsgesch. des Menschen. VI. 1898. p. 433/434. 3 Zool. Taschenbuch. IV. Leipzig 1897. p. 175. 4 Über die Anlage der Hypophyse bei Sauriern. Archiv für mikr. Anat. XLll. Bd. Bonn 1893. p. 569. Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 143 47 Exemplare von Platydactylus facetanus Ald., dem gemeinen Mauergecko, nämlich 39 Embryonen und acht ältere Thiere ver- wandt, und zwar fortlaufende Stadien vom ersten Auftreten der in Frage stehenden Bildungen beim 4,5 mm langen Embryo bis zur Ausbildung und theilweisen Verkümmerung derselben beim 124 mm langen, ausgewachsenen Gecko. Zum Vergleich wurden auch andere Formen unter den Reptilien: Tropidonotus, Anguis, Lacerta u. a. be- arbeitet. Durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. WırL wurde mir das lückenlose, werthvolle Material zur Verfügung gestellt, wel- ches er selbst 1890 auf Menorka gesammelt und konservirt hatte. Es ist mir eine angenehme Pflicht hierfür und Herrn Prof. Dr. SEE- LIGER für das Interesse, welches er dem Fortgange der Arbeit ent- segengebracht, nochmals meinen Dank abstatten zu können. Die Köpfe der theils in Ohromosmiumessigsäure, theils Chrom- säure konservirten und in Alkohol aufbewahrten Embryonen und Thiere wurden in Alaunkarmin gefärbt, in frontale und mediane Längs- und in Transversalschnitte, meist zu 10 u Dicke, zerlegt und mit koncentrirtem, wässerigen, schwach sauren Orange-G nachgefärbt, wodurch die histologischen Elemente sehr gut hervortraten. Die älteren Thiere wurden vorher in 1°/,iger Salzsäurelösung oder in 70%/,igem Alkohol mit 3°/,iger Salpetersäure entkalkt. Von den drei Nebengebilden des Gehirns tritt zwar die Aus- sackung zum Infundibulum, dem sich die Racheneinstülpung zur Bildung der Hypophyse anlegt, zuerst auf, darauf folgen dann die Epiphyse und bald nachher die Paraphyse, aber es soll hier die Epiphyse zuerst besprochen werden, da sie wegen ihrer Variabilität bei den Reptilien das meiste Interesse beansprucht. 1. Die Epiphyse. Die Zirbel ändert mit dem Wachsthum des Thieres stets ihre Stellung, Gestalt und Struktur. Desshalb lässt sich im Allgemeinen nicht viel mehr von ihr sagen, als dass sie einen medialen Aus- wuchs des Zwischenhirndaches darstellt. Für die eingehendere Schilderung erweist es sich als nothwendig, die verschiedenen Alters- perioden besonders zu beschreiben. In der Epiphysenentwicklung kann man zwei Hauptabschnitte unterscheiden: den des zunehmen- den Wachsthums und den des Stillstandes, resp. der Rückbildung, die ungefähr durch den Zeitpunkt des Auskriechens des jungen Thieres sich scheiden. Der erste bis zur Höhe der Ausbildung der Zirbel beim älteren Embryo reichende Abschnitt lässt sich der Über- 144 Fritz Melchers, sichtlichkeit halber wiederum in zwei Stufen trennen, in die der ein- fachen Hohlknospe und die der gestielten, flaschenförmigen Bildung. Der zweite Hauptabschnitt des fertigen Gebildes gestattet ebenfalls die Unterscheidung zweier Stufen, einer, in welcher der Blasentheil sich abschnürt und der zweiten, in der dieser selbst eine Umbildung erfährt. Diese vier Stufen, welche durch die Abbildungen 1—6, 7—8, 9—10 und 11 auf Taf. V illustrirt werden, sollen nun in Folgendem eingehend morphologisch und histologisch besprochen werden. A. Periode der fortschreitenden Entwicklung der Epiphyse. Die erste Stufe der Hohlknospe ist charakterisirt durch die wagerechte, nach vorn gerichtete Stellung und durch die oberfläch- liche Lage unmittelbar unter der embryonalen Schädeldecke. Das Zwischenhirndach ist flach gewölbt und wächst so auffallend in die Länge, dass die Epi- und Paraphyse, obschon sie sich entgegen- wachsen, trotzdem immer weiter von einander abrücken. Die erste Anlage der Epiphyse findet man bei Embryonen, die ungefähr eine Gesammtlänge von 4,5 mm und eine Kopflänge von 1,7 mm haben und bei denen die Grenzen des Zwischenhirns an- fangen, sich schärfer zu markiren. Da Zeitangaben unmöglich sind, und Größenmaße bei jüngeren Embryonen schwanken und schwer genau anzugeben sind, so mag hinzugefügt werden, dass der Em- bryo noch flach zwischen den Eihüllen scheibenartig auf dem Dotter liest. Der Hautnabel ist noch nicht verengt, der Schwanz noch stummelartig, die Fußhöcker treten kaum hervor, die Kopfbeuge ist aber schon vorhanden. Auf dem Medianschnitte durch die Zwischenhirndecke befindet sich etwas vor der Mitte die Ursprungsstelle der Epiphyse. Als erste Andeutung bemerkt man in dem nach vorn sich nur schwach verjüngenden, einschichtigen, flimmernden Ventrikulareylinderepithel eine etwas abweichende Gruppirung der Zellen. Die sonst parallel stehenden, kubischen Zellen sind an der betreffenden Stelle strahlig nach außen gerichtet und etwas verlängert, so dass sich das Ganze als eine unregelmäßige Verdieckung (Taf. V, Fig. 1) ansprechen lässt. Öfter bekommt man aber schon das Stadium der ersten, bläs- chenförmigen Auswölbung zu sehen. Die Kuppe ist aber von An- fang an unregelmäßig, indem sie seitlich, wie der Flachschnitt (Taf. VI, Fig. 23) zeigt, zusammengedrückt ist und vorn steiler ab- fällt (Taf. V, Fig. 2 und 3). Das Bläschen mündet, wie auch der Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 145 Querschnitt ergiebt (Taf. VI, Fig. 12), noch mit weiter Öffnung in den III. Ventrikel. Die Epiphyse tritt im Gegensatz zur Paraphyse von Anfang an scharf umschrieben und einheitlich, ohne Nebenzweiggebilde oder Divertikel auf. Hinter der Bildung sieht man (Fig. 3, Taf. V) schon den Durchschnitt eines Gefäßes, eben so zu beiden Seiten (Taf. VI, Fig. 15). Es wurde besonders darauf geachtet, ob die Epiphyse sich nicht, wie bei den Lacertiliern, als Doppelblase entwickelt; aber es konnte eine dahingehende Anlage mit Deutlichkeit nicht nachgewiesen werden. Weiterhin zieht sich die Epiphyse taschenartig aus, der Taschen- zipfel stellt sich nach vorn, so dass die untere Wand mit scharfer Einknieckung sich vom Hirndach abgrenzt, während die obere nach hinten allmählich ausläuit (Taf. V, Fig. 4). Die Epiphyse bekommt nunmehr eine vollständig horizontale Lage, die untere Wand klebt an der Hirndecke, die obere wendet sich mit ihrer Fläche dem Integument zu. Es tritt alsdann auch ein Unterschied in der Dicke der Wände auf. Die obere Wand ist erheblich stärker, als die übrigen Theile und aus schmalen, hohen, dichtgedrängten Zellen zusammengesetzt. In dieser Außenwand stehen auf dem Schnitt (Taf. V, Fig. 5) die Kerne nicht mehr einreihig neben-, sondern schon unregelmäßig über einander. Trotzdem bleibt aber die obere Wand einschichtig, da ihre Zellen in einfacher Lage vom Lumen der Epiphyse zur Außengrenze derselben durchgehen. In diesem Stadium wird auch die äußere Schädeldecke an die- ser Stelle hügelartig emporgehoben (Taf. V, Fig. 5). Zu dieser Zeit ist bereits die Epiphyse wegen -ihrer peripheren Lage unmittelbar unter der membranösen, durchsichtigen Schädeldeeke auch äußerlich an dem konservirten Embryo als weißer Punkt deutlich zu sehen. Etwas später wird auch die Paraphyse vor ihr sichtbar. Wenn die Epiphyse durch das Schädeldach als weißer Fleck hindurchscheint, ist der Embryo ca. 13 mm lang bei einer Kopf- länge von 3,5 mm. Er zeigt ein deutliches Ohrbläschen, Riech- gruben, - weit offene Mundbucht, Kiemenspalten, Choroidealspalten. Der obere Lidrand ist schon scharf kontourirt, die Fußstummel zeigen. noch keine Längengliederung oder verbreiterte Enden, die Haut ist noch glatt. Die Kopfbeuge, der Winkel am Mittelhirn, ist zu dieser Zeit am spitzesten. In der ersten Periode sind die beiden Gebilde am weitesten von einander entfernt. Das Zwischenhirndach hat kein gleichmäßiges Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 10 - 146 Fritz Melchers, Wachsthum hinter sich, indem die vordere Hälfte zwischen Epi- und Paraphyse mehr an Länge, die hintere, rückwärts von der Epiphyse, mehr an Dicke zunahm, so dass die Epiphyse im Zwischenhirn jetzt an die Grenze zwischen mittleres und hinteres Drittel rückwärts verschoben erscheint (Taf. V, Fig. 6). Die Epiphyse misst auf diesem Stadium in der Länge 0,18, in der Breite 0,1 mm, während die Dicke der oberen Wand 0,06 mm beträgt. Mit dieser ersten Stufe der ontogenetischen Entwicklung, in der das Organ als wagerechtes Bläschen mit höher differenzirter, oberer Wand unmittelbar unter der dünnen und durchsichtigen Körperdecke, welche in Folge dessen äußere Einwirkungen, z. B. Licht- und Wärmeeindrücke noch durchlässt, gelegen ist, dürfte die phylo- genetische Periode angedeutet sein, in der das Gebilde wenigstens der Lage nach zu Sinnesperceptionen am geeignetsten war. Da nun, wie schon hier vorweggenommen sein mag, bei Platydactylus kein besonderes Pinealauge sich anlegt, so muss die Epiphyse allein die fragliche Funktion übernommen haben. Nach dieser Periode stellt sich das Organ aber mit dem verjüngten, spitzen Ende senkrecht sesen die Oberfläche des Schädels und rückt immer mehr, durch die Schädeldecke abgeschlossen, in die Tiefe. Außerdem obliterirt alsdann noch die Verbindung mit dem Gehirn, alles Anzeichen, dass in den weiteren Stadien eine Thätigkeit als Sinnesorgan nicht mehr wahrscheinlich ist. Zwar vergrößert sich das Organ mit dem Wachs- thum des Thieres noch einige Zeit, aber es unterbleibt die histo- logische Ausgestaltung, die es zum Licht pereipirenden Apparate geeigneter machen würde. Die Höhe der Ausbildung der Embryonen am Ende der ersten Stufe ist folgende. Die Gesammtlänge (Nasen-Schwanzspitze) be- trägt 15 mm, die Kopflänge 4 mm. Der Zwischenhirntheil des Kopfes ist stark vorgewölbt, eben so der Linsentheil der noch kreisrunden Cornea. Die Extremitätenstummel sind schon kurz ge- stielt und die abgesetzten Enden paddelartig, halbrund verbreitert. Die Herzwölbung tritt noch auffallend hervor. Der Embryo ist stark eingerollt. Die zweite Entwicklungsstufe (Taf. V, Fig. 7 und 8) ist ad ch gekennzeichnet, dass sich die hintere Kommissur mit dem Ursprung der Zirbel herabsenkt, der Zwischenhirnmantel davor hochwölbt, die Zirbel selbst stark in die Länge wächst, sich aufrichtet und so auch nach hinten sich scharf vom Gehirn absetzt, was übrigens schon auf der vorigen Stufe (Taf. V, Fig. 6) angebahnt war. Gleich- Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 147 zeitig tritt die Differenzirung der Epiphyse in ein distales Bläschen und einen dieses mit dem Zwischenhirndach verbindenden, langen Stiel mit engem Lumen ein, so dass sie eine ballonförmige Gestalt annimmt und einer hohlen Keule oder gestielten Birne gleicht. Auf dem Anfangsstadium der zweiten Stufe (Taf. V, Fig. 7) hat nun die ganze Epiphysenanlage eine andere Richtung bekommen. Früher nahezu horizontal und dem Zwischenhirndach parallel ge- lagert, hat sie sich aufgerichtet und eine Stellung angenommen, die ungefähr senkrecht zum hinteren Theil des Zwischenhirndaches gerichtet ist, so dass damit die ursprünglich untere Wand der Epi- physe zur vorderen, die ursprünglich obere zur hinteren geworden ist. Der Diekenunterschied der. Wände ist, wie sowohl Fig. 7 wie Fig. 8 erkennen lassen, von nun an definitiv ausgeglichen. Die sanze Stufe ist aber außerdem durch die bedeutende Größenzunahme _ der ganzen Epiphyse charakterisirt, die mit der zunehmenden Vor- wölbung des Zwischenhirndaches gleichen Schritt hält und ihren Höhepunkt auf Taf. V, Fig. 8 erreicht. Das Gesammtwachsthum der Epiphyse wird von einer Diekenzunahme 'ihrer Wände, sowie einer Erweiterung der Lichtung begleitet. Ferner geht Hand in Hand hiermit eine Differenzirung der Zir- bel in zwei Abschnitte einher, ein Process, der in Fig. 7 bereits erkennbar, in Fig. 8 aber zur Vollendung gelangt ist. Die Epiphyse hat sich in einen peripheren, blasenförmigen, doch etwas in die Länge gestreckten Abschnitt und einen proximalen, dünnen Stiel mit engem, kanalartigem Lumen gegliedert, so dass das ganze Organ nunmehr die Gestalt einer Kolbenflasche besitzt. Während der blasenförmige Theil des Epiphysenkörpers etwa ?/, der Gesammt- länge der Zirbel ausmacht, kommen die übrigen ?2/, auf den Stiel. Als Endstadium dieser Stufe müsste nach der früher gegebenen Eintheilung ein Stadium gelten, auf dem die geschilderte Anlage durch den zwar engen Stielkanal noch mit der Hirnhöhle kommuni- eirt. Der Raumbeschränkung wegen ist eine solche Abbildung nicht besonders gegeben. Der in Fig. 8 zur Abbildung gewählte Schnitt greift in so fern bereits in die zweite Hauptperiode über, als der Stiel an seiner Ursprungsstelle schon solid geworden ist, so dass hiermit bereits die in die nächste Stufe fallenden Rückbildungs- erscheinungen eingesetzt haben. Abgesehen von diesem einen Punkte zeigt Fig. 8 die Epiphyse durchaus auf der Höhe ihrer Entwicklung, die am Ende der zweiten Stufe erreicht wird. Aus einer Querschnittserie durch eine Epiphysenanlage vom 10* 148 Fritz Melchers, Alter der Fig. 8, Taf. V gebe ich in den Fig. 16—21, Taf. VI, eine Anzahl von Schnittbildern, von denen die Fig. 16 durch die Stiel- basis geht, deren solide Beschaffenheit damit erwiesen ist. Die Fig. 17 und 18 gehen durch den hohlen Stielabschnitt, die Fig. 19 durch den Übergang des Stiels zur Blase und Fig. 20 und 21 durch verschiedene Theile der Blase selbst. Aus der zuletzt angeführten Fig. 21 ergiebt sich zugleich, dass der blasenförmige Abschnitt noch in anderer Beziehung seine Form geändert hat. Während die Epiphyse auf der ersten Stufe sich lateral komprimirt erwies (Fig. 23, Taf. VI), dann aber im Quer- schnitt des nun regelmäßig ovoiden Blasentheils kreisrund wurde, hat sie am Ende der zweiten Stufe eine abermalige Kompression erfahren (Fig. 21), diesmal aber in nasocaudaler Richtung. Die Vorder- wand des Epiphysenkörpers hat sich mit dem in enger Verbindung zu ihr verbleibenden hinteren Schenkel des Zwischenhirngewölbes, vielleicht durch den Druck im III. Ventrikel, dellenförmig nach hin- ten ausgehöhlt. In Folge stärkerer Entwicklung der Commissura superior ist vor dem Zirbelstiel ein mit embryonalem Bindegewebe mit wenig Kernen ausgefüllter Raum entstanden, in dem oben der Durchschnitt eines Gefäßes zu sehen ist (Taf. V, Fig. 8 und Taf. VI, Fig. 18). Venen umziehen und begleiten die Epiphyse bis zu dem Längsblutsinus, der sich über ihr in dem Gefäßplexus der Paraphyse verliert. Die Para- physe, die sich auf der ersten Stufe immer weiter von der Epiphyse nach vorn entfernte, nähert sich jetzt der Zirbel immer mehr und lagert sich mit ihren Sprossen über dieselbe. Das lockere Binde- sewebe mit verstreuten Kernen bildet das Füllmaterial zwischen Schädeldecke und Gehirn. An verschiedenen Stellen verdichtet es sich zu parallelfaserigen Zügen mit gehäuften Bindegewebskörper- chen. Es umgiebt die Gefäße, bildet eine Kapsel um die Zirbel und formt sich zu selbständigen Bändern, die vom Zirbelkörper nach rückwärts zum Längsblutleiter und nach unten zur vorderen Um- biegung des Mittelhirns ziehen (Taf. V, Fig. 7a). Entgegengesetzt nach vorn zieht ein Bindegewebsband von der Übergangsstelle des Stiels in die Zirbel nach der Commissura superior. Die Innen- und Außenflächen der Zirbelwand sind glatt, von den peripheren und centralen Enden der durchgehenden Cylinder- zellen gebildet. Auch auf der zweiten Stufe ist die Zellwand noch einschichtig. Mit zunehmender Wandverdickung tritt eine vermehrte lokale Zelltheilung ein und die Zellen schieben sich spindelförmig Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 149 in einander, so dass auch die Kerne etwas länglich sich ausziehen und unter Freilassung von helleren, streifigen Randzonen sich in der Mitte der Wand in mehreren Reihen über einander stellen. Diese Wandverdickung tritt besonders in der mittleren Ringzone des Hohl- körpers ein. Die Wandstärke nimmt nach dem Stiel hin immer mehr ab, so dass sie an dessen Ursprung nur mehr den fünften Theil beträgt. - Die Liehtung der Zirbel ist wie die ganze Gehirnhöhle mit Flimmerung versehen. In der Zirbelhöhle findet sich oft auch schon auf der ersten Stufe eine formlose Masse, die sich von dem Flimmer- besatz streifig bis in den III. Ventrikel fortsetzt. Sie scheint von der Innenwand abgesetzt oder abgeschieden zu sein (Taf. V, Fig. 5; Bar yR Hie. 13 und» 23). Die Zirbel ist auf diesem Höhepunkt ihrer Ausbildung und Größe auf den Schnitten bereits mit bloßem Auge zu sehen; sie ist 0,65 mm lang und 0,15 mm breit (Taf. V, Fig. 8). Ä Die betreffenden Embryonen haben eine Länge von 33 mm, eine Gesichtslänge von 6,5 mm. Die Füße sind bis zur Basis der Pha- langen tief gespalten, die Klauen an den beiden mittleren Zehen gut entwickelt. Die scharf begrenzte Mundspalte hat die definitive Form, Zunge und Unterkiefer haben das endgültige Längenverhältnis zum Oberkiefer erreicht. Die Längsreihen der Höckerschuppen treten scharf hervor. Der Schwanz ist eben so lang wie der Körper. Der Embryo erscheint ausgebildet und reif zum Ausschlüpfen. B. Periode der Rückbildung der Epiphyse. Die dritte Stufe, welche den ersten Abschnitt dieser zweiten Entwieklungsperiode ausmacht, umfasst den Rückbildungsprocess des Stieles der Epiphyse, der zur vollständigen Abschnürung des craniel- len Theils derselben führt. Durchgreifende Lage-, Wachsthums- und wesentliche Größenveränderungen treten gegenüber dem Endstadium der zweiten Stufe kaum mehr zu Tage. Dagegen vollziehen sich Formveränderungen, die zum großen Theil wenigstens in histologi- schen Umbildungsprocessen ihren Grund haben. Letztere betreffen vor allen Dingen den Stiel des Pinealorgans. Die Rückbildung des Stiels beginnt mit Verhältnissen, wie sie be- reits in Fig. 38 hervortreten. Obwohl hier derselbe seine höchste Ausbildung erlangt hat und ein von Cylinderepithel gebildetes Rohr mit engem, kanalartigen Lumen darstellt, so steht doch dieses Kanal- lumen nicht mehr mit der Hirnhöhle in Verbindung, indem, wie 150 Fritz Melchers, bereits früher erörtert wurde, der Stiel an seiner cerebralen Wurzel solid geworden ist (Taf. VI, Fig. 16). An diesem Ende schnüren die obere und hintere Kommissur (Comm. superior. sive habenulae und posterior) den Stiel immer mehr zusammen. Die Anfangs dicht um ‘die Lichtung stehenden kubischen Epithelzellen werden verschoben und aus einander gezerrt, indem der Hirnstamm sich senkt und die oben und unten festgeheftete Zirbel streckt. Der sich im Lumen verengende Stiel verliert von der ventrikularen Mündung fortschrei- tend auch oben allmählich die Höhlung, er wird vollständig solid und die bindegewebige Scheide zieht sich eng um die verstreuten Überbleibsel des sich auflösenden Epithelstrangs zusammen (Taf. VI, Fig. 16). Die zellige Natur, die runden Kerne treten unter Ver- stärkung der Bindegewebskapsel immer mehr zurück. Der epithe- liale Theil des Stiels verschwindet in dieser Periode schließlich voll- ständig; es bleibt nur der ganz leere, oder nur im oberen Theile noch Zellen einschließende Bindegewebsstrang übrig (Taf. V, Fig. 9). In Fig. 10, Taf. V, sieht man auch die bindegewebige Scheide des Stiels unten von der Kommissur losgelöst. Ob diese Trennung nun durch natürlichen Schwund, durch Herabsenkung des Hirnstammes oder durch künstliche Zerreißung bei der Behandlung (Entkalkung) des Präparates erfolgt ist, wage ich nicht zu entscheiden; sie findet sich aber auf diesem Stadium fast immer. Nervösstreifige Züge, die LeypIG in dem unteren Theile des Stieles sah, aber nicht zeichnete und, da der Stiel abgerissen war, als von der hinteren Kommissur herstammend ansah, konnte ich nicht nachweisen. Ich sah nur einen Strang specifisch bindegewebiger Natur, der in den feinen Längszügen längliche Kerne in mäßiger Menge einschloss. Diese Bindegewebsfasern zeigten ganz denselben Charakter, wie die Hülle, von der sie nach unten ziehen. Quer- schnitte des Stieles bei Embryonen zeigen, dass der zellige Inhalt m unteren Stielende schon früh verschwindet (Taf. V, Fig. 16). Es finden sich höchstens vereinzelte Kerne, aber keine Nervenfasern. Auch der Umstand, dass der Stiel so leicht abreißt (Taf. V, Fig. 10) und die Epiphyse in späteren Stadien, wie hier vorweg bemerkt sein mag, unten losgelöst frei schwebt, deutet auf keine deutliche, nervöse Verbindung (Taf. V, Fig. 11). Wie bei der ersten Stufe ausgeführt wurde, liegt die funktionelle, phyletische Periode der Epiphyse viel- leicht viel früher, als die Umwandlung in Nervenfasern im Stiel auftreten soll. In dem Stadium, wo Leyvıc diese bei Platydactylus beobachtete, ist die Epiphyse bereits der Degeneration verfallen, die Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 151 Entwicklung von zuleitenden Nervenstämmchen für ein bereits rudi- mentär gewordenes Organ ist aber unwahrscheinlich. Der Blasentheil der Epiphyse erleidet auf der dritten Stufe folgende Veränderungen. Während auf der zweiten Stufe die Binde- gewebskapsel der glatten Außenzirbelfläche noch flach anliegt, ver- lieren sich nunmehr die ebenen Oberflächen der Wände; diese wer- den runzlig, faltis, buchtig, es entstehen Furchen und Wüste, jedenfalls, weil das Wachsthum der Kapsel mit dem der Zirbel nicht gleichen Schritt hält (Taf. V, Fig. 9 und 10). Hohlknospen, wie bei der Para- und Hypophyse entstehen hier aber nicht. Nur an den Seiten sacken sich vom unteren Ende des Epiphysenkörpers Neben- taschen aus, wodurch derselbe sich an dieser Stelle erheblich er- weitert und in die Breite geht. Umgekehrt, wie in früheren Perioden hat hiermit nun das untere Zirbelkörperende die größte Ausdehnung erlangt (Fig. 10, Taf. V). In den Medianschnitten treten diese Ver- hältnisse kaum hervor. Zwischen der Zirbelblase und dem Stielreste setzt sich durch eine scharfe Einschnürung ein trichterförmiges Schalt- stück deutlich ab (Fig. 9, Taf. V). Über die gewebliche Beschaffenheit des Epiphysenkörpers auf der dritten Stufe ist Folgendes zu sagen. Das feste Gefüge des Gewebes der Wände lockert sich. Es treten Intercellularräume auf, über deren Bedeutung sich Bestimmtes nicht sagen lässt. Die ander- weitige Auffassung solcher Lücken und Spalten als Lymphräume soll hier nur angeführt werden. Die Lagerung der Zellen verändert sich sonst im Wesentlichen nicht. Es findet aber ein Übergang zur Mehrschichtigkeit statt. Die Zellen sind noch mehr in die Länge gestreckt. Die Zellbäuche mit den Kernen liegen in ver- schiedener Höhe und reichen mit ihren beiden fadenförmigen End- fortsätzen meistens bis zur inneren und äußeren Wandoberfläche (Taf. V, Fig. 9a). Zwischen diesen Zellen liegen aber andere zum Theil kegelförmige, welche mit ihrer Basis der inneren Oberfläche des Organs anliegen, von denen sich nicht nachweisen lässt, dass sie die ganze Wand durchsetzen. Späterhin nimmt die Wand in Folge der fadenförmigen Gestalt der Zellen, die nur an der Stelle, wo der Kern liegt, eine Anschwellung zeigen, ein deutlich streifiges Aussehen an (Fig. 10, Taf. V). Diese Mehrschichtigkeit ist besonders an den Ausbuchtungen zu sehen. | Bei der beschriebenen Buchtenbildung und der beginnenden Schichtung der Zellen hat die Epiphyse in ihrem Blasentheile noch eine kleine Größenzunahme erfahren. Wenn man von der angeführten 152 | Fritz Melchers, Auflockerung des Zellenmaterials der Zirbelwand absieht, kann man von einer eigentlichen Degeneration des Zirbelkörpers auf diesem Stadium noch nicht reden. Am Ende der dritten Stufe haben die Thiere eine Länge von ca. 100 mm. Die Hautschuppen, die knöcherne Schädelkapsel sind vollkommen ausgebildet und das Thier ist ziemlich ausgewachsen. Auf der vierten Stufe zeigt die Zirbel nur noch ein passives Verhalten und wird vollständig von den Nachbartheilen beeinflusst (Taf. V, Fig. 11). Die ganze Zirbel wird nur noch von dem Zirbel- körper mit ihrem unteren Trichter repräsentirt, welche als ein läng- liches Gebilde von der Bindegewebskapsel umhüllt werden, die nach unten keinerlei Anheftung mehr erkennen lässt. Die Zirbel hat eine fast wagerechte Stellung angenommen, indem sich das obere Ende unter dem weiten Sinus longitudinalis nach hinten gesenkt und das untere vordere gehoben hat. Die Zirbel ist nur noch ein zwischen Mittelhirn und Oceipitalwölbungen des Vorderhirns über den Seh- hügeln an dem Gefäßplexus hängendes Gebilde, das von seiner ner- vösen Ursprungsstelle losgelöst ist. Das vorherrschende und maßgebende Moment bei der Gestalt- veränderung der Epiphyse auf dieser Stufe ist die außerordentliche Ausbildung der Blutgefäße. Die Grundlage für die reiche Ausbil- dung dieses Gefäßnetzes bildet das Bindegewebe der Umgebung. Dieses gefäßhaltige Bindegewebe erfährt nun zunächst eine bedeu- tende Zunahme durch Verdickung der Zirbelkapsel. Die vorhandenen Gefäße erweitern sich in erheblichem Grade, am meisten der schon aus Fig. S, Taf. V, ersichtliche, über der Zirbel sich hinziehende, dem Längsblutleiter entsprechende starke Gefäßstamm. Neben dieser Vergrößerung setzt nun auch noch eine vielfache Vermehrung und Verzweigung der Gefäße ein, die selbst in die Kapsel eindringen. Die in der Fig. 11 auf zahlreichen Durchschnitten zu sehenden, intra- kapsulären Gefäße sind nun das Formgebende und Bestimmende für das weitere Schicksal des Zirbelepithelgewebes. Einerseits drücken die Gefäßwände das Zirbelepithel von außen her nach dem Lumen hin flach zusammen, so dass die Wand da- durch an Dicke noch abnimmt, andererseits drängen sie es zwischen sich zu langen, nach außen gerichteten Fortsätzen aus, so dass sich die Zellen gegen einander zu einer erheblichen Höhe mehrschichtig verschieben (Fig. 11a, Taf. V). Die bedingende Ursache für die Veränderungen in der Zirbel- wand sehe ich nicht in physiologischen Wachsthumsvorgängen, son- Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 153 dern in mechanischen Verlagerungen. Eine Zunnahme des Wand- epithels scheint dabei kaum stattzufinden. Man findet in Folge dessen unter der Kapsel zwischen den größeren Gefäßen Haufen von Zellen mit deutlichen Kernen zusammengedrängt (Fig. 11 «). Andererseits sieht man in der Zirbelwand die dem Lumen zugewandte Partie von einer Schicht mit großen Kernen eingenommen, in der Zellgrenzen nicht mehr nachzuweisen sind. Die runden Kerne haben Gestalt- veränderungen erfahren, man trifft längliche, geknickte und verschie- den veränderte. Im Übrigen ist das ganze Zellstrukturbild verblasst und verschwommen. Hellere Stellen wechseln mit dunkleren, strei- figen Zügen von Zellen ab. Außerdem zeigen sich helle, glänzende und pigmentartige Ein- lagerungen, die in der Zirbelkapsel und in der Umgebung, in der Dura und im Integument zu Schichten oder strahligen Gebilden sich anhäufen. In der Zirbel selbst fand ich weder Pigment noch andere Einschlüsse. Diese Durchdringung der Zirbel Seitens der Blutgefäße, die Lockerung des Zellverbandes und Verlagerung der Zellen selbst, die Verwischung der Zellkontouren, die Veränderung der Kerne, die Einlagerung von Pigment in ihre Kapsel und endlich der Schwund des Stieles dürften wohl dazu berechtigen, den ganzen Vorgang als einen Rückbildungsprocess und das Organ als ein Rudiment, als ein funktionsloses Überbleibsel einer früheren Periode anzusehen. Wenig- stens lässt sich nicht nachweisen, dass die Zirbel an Stelle der zu vermuthenden, phyletischen Funktion auch jetzt noch irgend eine Thätigkeit, z. B. als secernirende Drüse auszuüben geeignet oder be- stimmt wäre. Allerdings findet sich in ihrer Höhlung jene früher erwähnte formlose Masse, die jedoch kaum für eine besondere drü- sige Funktion des Organs in Anspruch genommen werden kann, da die gleiche Substanz auch im Gehirn selbst angetroffen wird. Auf dieser letzten Stufe hat sich auch die Paraphyse losgelöst und in Verbindung mit dem Zwischenhirndach und der Epiphyse von der Umgebung abgegrenzt. Beide, Epi- und Paraphyse und das Zwischenhirndach bilden ein Anhängsel der inneren Fläche der Dura, an der das Gefäßkonglomerat in mehrere bindegewebige Zipfel ausläuft. Das der Beschreibung dieses Stadiums zu Grunde liegende Thier hat eine Länge von 124 mm und ist hiernach, sowie nach dem Aus- sehen der Schuppen, sicher ein mehrjähriges, altes Exemplar. Die. Zirbel ist somit beim Gecko ein unpaares, medianes, extra- cerebrales, aber intracraniell bleibendes Organ. Es degenerirt im 154 Fritz Melchers, Stiel, löst sich von den Zwischenhirnkommissuren los, erleidet ver- schiedene formelle und strukturelle Rückbildungen und ist beim aus- gewachsenen Thiere somit außer Stande, irgend welche selbständige Funktion auszuüben. Ein Pinealauge und besondere Nervenstränge bilden sich nicht aus. Die Zirbel ist beim Platydactylus also noch weniger entwickelt, als das Gebilde beim Chamäleon, aber mehr, als . die der ersten Stufe entsprechende Ausstülpung bei Cyelodus. Außer- dem scheint die Epiphyse beim Gecko am meisten Ähnlichkeit mit der bei den Schildkröten zu haben, die nach LEypıc in ihrem End- stück zu einem verhältnismäßig sehr großen, keulenförmigen Körper verdickt ist. Die Epiphyse beim Platydactylus mit ihren Bestandtheilen, dem Stiel und der Blase, ist ein allen Wirbelthieren gemeinsames Organ, das nur in einigen Gruppen bei den Sauriern zur weiteren Ausbil- dung von Parietalorganen vorschreitet. Wie bereits angeführt wurde, dürfte nur das Stadium der ersten Stufe der ontogenetischen Ent- wicklung dem Zustande entsprechen, in dem es als Sinnesorgan früher einmal thätig war. Es scheint, dass die Zirbel beim Gecko auf einem sehr einfachen Stadium verharrt und schon verhältnis- mäßig früh außer Funktion getreten ist. Für eine specielle Thätig- keit als optisches oder Wärmeorgan zu irgend einer Zeit lassen zwingende Gründe sich weiter nicht anführen. 2. Die Paraphyse. Die Paraphyse oder die vordere der beiden Ausstülpungen am ‘ Hirndach hat bisher nicht die gleiche Beachtung gefunden, wie die Epiphyse. Desshalb herrscht in Bezug auf sie noch keineswegs die nöthige Klarheit. Schon der Name ist noch nicht bestimmt feststehend. Leypıc ! nennt das Gebilde vordere Zirbel (Epiphysis anterior), SELENKA? dagegen Paraphysis (Nebenzirbel). Die alten Bezeichnungen: Ader- geflechtknoten, Gefäßplexus, Plexus des III. Ventrikels, Plexus cho- roides medialis werden von LEYpvıG auf Einstülpungen beschränkt, wie sie als Plexus der Seitenventrikel und der Rautengrube vor- kommen, während die Paraphyse als Ausstülpung eine besondere Stellung verlangt. BURCKHARDT? schlägt den alten GarLEn’schen Namen der hinteren Zirbel, nämlich Conarium vor. 1 Biol. Centralblatt 1890. p. 284. 2 Ebenda. Bd. X. Das Stirnorgan der Wirbelthiere. 3 Das Centralnervensystem von Protopterus annectens. 1892. Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 155 Die Paraphyse ist kein so markantes und konstantes Gebilde, wie die Epiphyse, sondern zeigt sich individuell variabler und un- regelmäßiger. Desshalb sind bisher auch vielfach Verwechselungen vorgekommen. Es sind Partien des Zwischenhirndaches ihr zuge- rechnet (FRANcoTTE) oder Theile von ihr der Epiphyse (OwsJAnNI- KOW, SPENCER) oder einem Nachbargebilde zugeschrieben worden. Auch die Ursprungsstelle ist zweideutig, da erst nach Auftreten der Paraphyse die Grenze zwischen Vorder- und Zwischenhirn be- sonders deutlieh wird. LEypıe lässt die Anlage vom vorderen Ende des Zwischenhirns und SELENKA vom sekundären Vorderhirn ent- stehen. Dass unter diesen Umständen auch die Homologisirung bei den verschiedenen Thierklassen und die physiologische Deutung noch unklar sind, lässt sich begreifen. Die Paraphyse ist auch eben so, wie die Hypophyse keine für den Gecko so specifisch eigenthümliche Bildung, wie es die Epiphyse ist und beansprucht desshalb nicht ein solches Interesse. Von den drei hier in Frage stehenden Ge- bilden tritt die Paraphyse zuletzt auf. Auch bei ihr empfiehlt es sich, für die Beschreibung verschiedene Entwicklungsstufen zu unter- scheiden. Es sollen drei Perioden angenommen werden: 1) die Paraphyse als einfacher Hohlschlauch, 2) als gestielte, knospenbildende Anlage, 3) als ein vaskularisirtes, drüsiges Organ. Die Fig. 1—6, 7—8, 9—11 auf Taf. V entsprechen diesen Stufen. Auf der ersten Entwicklungsstufe ist die Paraphyse noch ziem- lich einfach und ihre Gestalt auch in der Beschreibung noch an- nähernd genau wiederzugeben. Bald nach dem Auftreten der Epi- physe, sobald diese die Form einer Aushöhlung erlangt hat (Taf. V, Fig. 3), stülpt sich auch die Paraphyse aus dem Hirndach aus. Der Embryo hat zu dieser Zeit eine Länge von 7/mm. Bei Tropidonotus soll nach HorFFMmAnNn! die hintere Zirbel später aus dem Zwischen- hirn entstehen, als die vordere. Wie die Epiphyse stellt sich auch die Paraphyse schräg, aber im Gegensatz zur Epiphyse nach hinten gerichtet. Dadurch setzt sich der hintere Theil des basalen Um- schlagrandes als schärfere Kniekung vom Zwischenhirn ab, während der vordere allmählich ausläuf. Außerdem senkt sich der Hinter- rand, in dessen sich verbreiterndem Winkel mit dem Zwischenhirndach alsbald ein Gefäß sich etablirt, deutlich in den III. Ventrikel hinab i Weitere Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Morph. Jahrb. Bd. XI. 156 Fritz Melchers, (Taf. V, Fig. 4). Indem so der Hinterrand eine schärfere Grenze markirt, ist man berechtigt, auf diesem Stadium die Ursprungsstelle der Paraphyse zum Vorderhirn zu rechnen, während doch das spä- tere Schicksal die Paraphyse aufs innigste mit dem Zwischenhirn verknüpft und vom Vorderhirn ganz ablöst. Die Paraphyse tritt von Anfang an nicht so scharf umschrieben, so einheitlich auf, wie die Epiphyse. Die Wände sind nicht glatt, sondern wellenförmig ausgebuchtet. Es legen sich in der Umgebung sekundäre Ausstülpungen an, kommen aber nicht zur weiteren Ent- faltung. So ist in Taf. V, Fig. 5 vor und hinter der Paraphyse eine Erhebung zu sehen. Bei anderen Sauriern, bei Lacerta und Anguis, entsteht nach Leypıe die vordere Epiphyse als eine Gruppe von Blasen, die sich zu Schläuchen ausziehen. Bei Platydactylus scheint also nur eine Andeutung dieser vielgestaltigen Anlage vorzukommen, wie ja auch die Epiphyse sehr einfach bleibt. Die Mündung ist An- fangs sehr weit, schräg, wenig scharf; die Vorderwand reicht weiter ventral herab und bildet eine nach hinten zu offene Rinne. Erst weiter dorsal zeigen die Schnitte ein mehr in die Länge gezogenes, vorn und hinten mit engeren, flügelartigen Ansätzen versehenes Lu- men. Das ganze Gebilde hat jetzt die Form einer schrägen Tüte, oder einer seitlich etwas flacheren, phrygischen Mütze. Dabei sind aber die Wände nichts weniger als glatt, sondern ganz auffällig har- monikaartig zusammengefaltet, so dass tiefe Querringfalten entstehen. Die Umgebung des Organs weist jetzt schon zahlreiche Gefäßdurch- schnitte auf (Taf. V, Fig. 6). Das Wandepithel ist etwas höher, als das des benachbarten Zwi- schenhirns, aber es bleibt ein einschichtiges Flimmerepithel und wird nie so diek, wie bei der Epiphyse. In dieser Periode ist das Gebilde, wenn auch nicht als Hervor- wölbung, so doch deutlich durch die durchscheinende Decke am Em- bryo zu sehen. Die Paraphyse wird erst nach der Epiphyse sicht- bar und verschwindet auch später, außerdem bildet sie einen etwas größeren Fleck. Der Mesoblast bildet noch eine so wenig mächtige Schicht, dass die in ihr liegende Paraphyse sowohl das Nervenrohr, mit dem sie zusammenhängt, als auch das Hornblatt berührt (Taf. V, Fig. 5). Die Größe der Anlage am Ende dieser Stufe lässt sich nur ungefähr angeben, sie beträgt in der Länge 0,35 mm. Die Embryonen haben zu dieser Zeit eine Kopflänge von 3mm und eine ganze Länge von 14mm. Die Gesichtskopfbeuge fängt schon an flacher zu werden. Die Fußpaddeln sind kreisförmig, ohne Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 157 jede Zehengliederung, oberer Lidrand scharf kontourirt, die Mund- spalte verengt sich. | Auf der zweiten Stufe wächst die Anfangs mit breiter Basis aufsitzende, schief kegelförmige Bildung schlauchartig in die Länge, dem Zwischenhirndach entlang (Taf. V, Fig. 7). Während ihre Rück- wand zuerst noch vom Gehirn durch einen mit gefäßhaltigem Binde- gewebe gefüllten Raum getrennt war, der bei anderen Species unter den Ophidiern z. B. bei Tropidonotus zu einem Gefäßplexus sich entwickelt, lest sich jetzt der untere, gerade gestreckte Schlauch eng an das Zwischenhirn an. Die Mündung und die untere Partie ver- engen sich, es bildet sich ein im Querschnitt meist rundlicher Stiel aus. Im Gegensatz zur ersten Stufe wird jetzt der obere Theil der ausgedehntere und treibt unregelmäßige Knospen, Sprossen und Ne- benschläuche. Nur das äußerste, blinde Ende bleibt zuerst noch flachgedrückt zu einer feinen Spitze ausgezogen und ragt über den gelappten Theil empor. Wenn die Paraphyse nun die Epiphyse er- reicht hat und sich darüber lagert, ist das ganze obere Ende zu einem unentwirrbaren Konglomerat von Schläuchen, zu einem kol- bigen Knäuel ausgebildet (Taf. V, Fig. 8). Es ist vergebens, Stetig- keit in die Zahl und das Auftreten dieser Zweigbildungen, wie in ihre Gestalt und Form bringen zu wollen, nur scheint es, als ob die unteren Zweige zuerst von der Vorderseite entständen. Offenbar ist die Paraphyse, jedenfalls in Folge der dünnen Wan- dungen, sehr von dem Druck der Umgebung beeinflusst. Auf Quer- schnitten zeigen die zahlreich getroffenen Haupt- und Nebensprossen die vielgestaltissten Umrisse, meist ein vieleckiges oder rundliches, im Stiel querovales, dem Zwischenhirndach flachgedrückt anliegendes Lumen. Die Paraphyse wächst schneller, als die Epiphyse und er- reicht eine um die Hälfte größere Länge. Der vordere und hintere Mündungsrand senken sich lippenartig herab, vom vorderen entstehen die Seitenplexus und in der hinteren Umschlagsfalte die Anlage einer Kommissur. Ganz auffallend ist der Gefäßreichthum in der Um- gebung und zwischen den Sprossen der Paraphyse. Die Embryonen haben eine Kopflänge von 4,5 mm und eine Ge- sammtlänge von 23mm. Die Kopfbeuge ist ausgeglichen, die Schnauze zugespitzt. Auf der Cornea befindet sich ein Ring epithelialer Er- hebungen, der Lidrand ist auch unten scharf, oben doppelt kontourirt, die Haut schwach gekörmelt. Die Extremitäten sind in Obertheil und Untertheil geschieden, die Fußenden in fünf Zehen gegliedert, die aber noch wie mit halben Schwimmhäuten zusammenhängen. 158 Fritz Melchers, Auf der dritten Stufe treten nur unwesentliche Abänderungen an der bereits in der vorigen Periode erlangten definitiven Form der Paraphyse ein. Die hervorstechendsten Veränderungen betreffen noch das Bindegewebe und die Gefäße. Wie bei der Epiphyse findet auch bei der Paraphyse eine nachträgliche, stärkere Entwicklung des Bindegewebes und zwar zwischen den Epithelknospen statt. Im Zu- sammenhange damit erfährt auch das Gefäßnetz innerhalb dieses Bindegewebes noch eine reichere Entfaltung. Der beim lebenden Thiere röthliche Körper macht ganz den Eindruck eines strotzend blutgefüllten, drüsigen Organs, er ist vollständig vaseularisirt und tritt mit den Gefäßen, die ihn durchsetzen und umziehen, in enge Be- rührung. Die Paraphyse hat zu keiner Zeit ein anderes, als einschich- tiges Cylinderepithel von kubischen, ziemlich regelmäßig neben einan- der stehenden Flimmerzellen. Dies tritt auf den beiden ersten Stufen am prägnantesten hervor. Die Höhe der Zellschicht dürfte Anfangs am beträchtlichsten sein und vermindert sich mit dem Weiterwachsen, besonders bei der Streckung des Stiels. Die Sprossen behalten die- sem gegenüber ein etwas mächtigeres Epithel. Auf der dritten Stufe sind die Gewebsbilder nicht mehr so scharf. Die Zellgrenzen sind verschwommen, die Kerne sind verschiedener gestaltet. Die regel- mäßige Anordnung in den Schnittreihen der Zellstränge ist öfter gelockert. Die Sprosslumina sind jetzt vielfach mit Sekretmassen ausgefüllt. Bei dem ungleichen Wachsthum der Hirndecke tritt der Unter- schied der Hemisphären, der hinteren Kommissur und des Mittel- hirns gegenüber dem dünneren Zwischenhirndach immer greller her- vor. Dieses wird zu vielfachen Falten immer enger zusammen- gedrängt und schiebt sich zwischen Para- und Epiphyse hoch hinein. Diese drei letzteren Organe bilden nun zwischen den genannten, diekwandigen Hirntheilen einen durch Bindegewebe und Gefäße zu- sammengehaltenen Körper, der an den oberen Rändern durch vier Bindegewebszipfel mit der Dura verbunden ist. An die Epiphyse lagert sich die Paraphyse eng an und zieht sich darüber hin, ohne dass aber weitere Beziehungen zwischen den beiden Organen auftreten. Inniger ist schon die Verbindung mit dem Zwischenhirn. Das Zwischenhirndach zeigt auf Frontal- und Quer- schnitten den mannigfaltigsten Verlauf. Es hat aber auch eine be- sonders auffallende Einstülpung hervorgebracht. Von der höchsten Wölbung lässt es jederseits neben der Mitte eine Doppelfalte in den Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 159 III. Ventrikel herabhängen (Längsschnitt Taf. V, Fig. 9, Querschnitt Taf. VI, Fig. 15). Auf genauen Medianschnitten (Taf. V, Fig. 8) wer- den diese Falten nicht getroffen und sind erst in den Nebenschnitten zu verfolgen. Diese Bildung erreicht keine erhebliche Größe, macht aber ganz den Eindruck der Plexuseinstülpungen in der Rauten- grube. Bei diesen mancherlei Falten ist es auf einzelnen Schnitten schon schwer, die Zugehörigkeit der so verschieden getroffenen Gänge, Blindschläuche, Kreisschnitte zur Paraphyse oder dem Zwischenhirn aus einander zu halten. Nun löst sich außerdem die Mündung der Paraphyse, sei es durch die Präparation bei der Entkalkung, sei es durch das ungleiche Wachsthum des Hirnstammes gegenüber dem Dache, leicht los und der Stiel wird in diesem Stadium selten in der sanzen Länge getroffen (vgl. Taf. V, Fig. 11). Desshalb ist der Irrthum Leypie’s, dem nur ein Stadium zur Verfügung stand, leicht erklärbar. Er sah die Wölbung des Zwischenhirns für das Lumen der Paraphyse an, zumal sich auch hier oft die bereits besprochenen ungeformten Inhaltsmassen finden. In Fig. 11, Taf. V, ist aber der Ausführungsgang der Paraphyse daneben zu sehen, wenn auch die Mündung nicht mitgetroffen ist. Auch besteht eine andere Kommuni- kation, die man nach LeyvıG zwischen Paraphyse und Zwischen- hirndach annehmen müsste, nicht, wie man aus Schnittserien nach- weisen kann. Über die frühere und heutige Bedeutung der Paraphyse, über ihre Funktion ist nicht viel Bestimmtes zu sagen. Die stammes- geschichtliche Thätigkeit dieses Hirntheils könnte man nach Analogie der Epiphyse, deren komplieirtere Ausbildung bei anderen Species deutlich auf ein lichtempfindliches Organ hinweist, ebenfalls auf eine Sinneswahrnehmung beziehen. Nun geben aber die anatomischen, die Gestalt- und Strukturverhältnisse zu keiner Zeit, weder beim Gecko noch bei anderen Arten deutliche Anhaltspunkte für eine be- stimmte Sinnesanlage. Die histologische Beschaffenheit der Wände der Paraphyse ist dieselbe, wie beim Zwischenhirn. Der Form nach ist allerdings die Paraphyse gegenüber der fast regellosen Falten- bildung und den Einstülpungen am Zwischenhirn eine wenn auch komplieirte Ausstülpung, so doch aber von besonderer Gestaltungs- weise. Aber bestimmte Schlüsse lassen sich nieht machen. Nur die der Außendecke genäherte Lage auf der ersten Stufe lässt der Ver- muthung Raum, dass damit ursprünglich für das Gehirn ein besserer Verkehr mit der Außenwelt erreicht werden sollte. SELENKA hält die 160 Ä Fritz Melchers, Paraphyse für ein Gehörorgan, giebt aber zu, dass diese Annahme auf schwachen Füßen steht. Eben so ungewiss ist die gegenwärtige, physiologische Bedeutung der Paraphyse. Levvie hält sie für ein Lymphorgan. Die sekret- ‚artigen Inhaltsmassen der Knospen, das Offenbleiben des Ausführungs- ‚schlauches, der Gefäßreichthum konnten zu einer solehen Annahme hinführen. Es ist aber durchaus nieht nothwendig, für ein rudimen- täres Organ eine vikariirende Thätigkeit anzunehmen, so lange man nichts Genaueres über die Art derselben weiß. Bemerkenswerth ist das pathologische Verhalten beim Pferde. Beim Hydrops ventrieulorum chronieus sind die Plexus (Adergeflechte) mitergriffen. Man könnte versucht sein, einen Einfluss des Organs auf die Zusammensetzung und Menge der Ventrikelflüssigkeit daraus herzuleiten. Dabei finden sich zuweilen Verkalkungen (Cholesteatoma) darin. 3. Die Hypophyse. Während beim Gecko die Epi- und Paraphyse nur Gebilde des Gehirns sind, ohne besondere Betheiligung der entsprechenden Körper- decke, ist die Hypophyse eine Doppelbildung des Gehirns und der Mundbucht: Neuro- und Orohypophyse. Beide treten in innige Be- ziehung, aber nicht in offene Verbindung zu einander. Auch hier sollen drei Entwieklungsstufen unterschieden werden: 1) Die einfachen Ausstülpungen, die cerebrale oder der Trichter und die orale oder die Raruke’sche Tasche begegnen sich und lagern sich an einander. Ä 2) Die Neurohypophyse treibt den Infundibularfortsatz, die Oro- hypophyse schließt sich und treibt Knospen. 3) Die Neurohypophyse bildet Stiel und Höhle, die Orohypophyse wird solid. Dazu gehören die Abbildungen Taf. VI, Fig. 31 und 32, 33—37, 38 und 39. | Die erste Stufe umfasst die Entwicklung des Organs bis zum Ver- schluss der Mundhöhlenöffnung. Gehirn und Mundbucht wachsen gegen einander zu, indem ersteres den Trichter aus-, letztere die RATHKE- sche Tasche einstülpt. Unter dieser finden sich Anfangs noch wei- tere Einkerbungen, von denen besonders eine. hervortritt (Taf. VI, Fig. 31). Der Trichter ist eine weite, seitlich etwas zusammengedrückte Ausbuchtung des Zwischenhirns nach unten. Die Raruke’sche Tasche ist eine flache, breite Hohlzunge, die Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko etc. 161 sich vom Gaumen schräg rückwärts und aufwärts quer unter die Auswölbung des Hirnbodens schiebt. Zur besseren Veranschaulichung der weiteren Beschreibung des räumlich sich etwas komplieirenden Gebildes soll das Bild der Hohlzunge mit den von ihr zu entnehmen- den Bezeichnungen beibehalten werden. Das Verhalten der Spitze, des Körpers und der Wurzel der Zunge ist ein verschiedenes. Die Zungenspitze vermittelt eine außerordentlich innige Berührung mit der Neurohypophyse. Zu diesem Zwecke knickt sie sich gegen den Körper hin ein, legt sich horizontal, höhlt sich entsprechend der Hirnwölbung rinnenförmig aus und verklebt mit dem Trichter (Taf. VI, Fig. 28). Die Zungenmitte bildet einen geräumigen Hohlkörper, der an den Seitenrändern weit flügelartig ausgreift und Nebentaschen bildet, die aber den Hirnboden noch nicht berühren. Die Zungen- wurzel verenst sich zu einem Hohlstiel. Um die gegenseitige Be- rührungsfläche möglichst zu vergrößern, flacht sich das untere Ende des sich immer mehr verengenden Trichters unter zweimaliger ring- förmiger Einschnürung etwas ab. Auf dieser Stufe bildet der Trichter hinter der Stelle, wo später der Infundibularfortsatz sich ausstülpt, eine leichte Ausbuchtung, den Recessus infundibuli, von dem aus der Sacceus vasculosus und die Infundibulardrüse (RABL-RÜCKHARDT) bei niederen Vertebraten entstehen (% in Taf. VI, Fig. 31, 32, 33, 36 und 38). In diesem Stadium, das sich bei den Selachiern erhält, besteht also ein offener Zugang von der Rachenhöhle bis in die unmittelbare Nähe der trichterförmigen Gehirnausbuchtung. Eine Funktion dieser letzteren als Sinnesorgan ist also nur jetzt vor dem Verschluss der Mundhöhlenöffnung denkbar, denn später wird das Organ von der Außenwelt abgesperrt. Allerdings erreicht das Gebilde erst in der zweiten Stufe seine größte Ausdehnung und Ausgestaltung, erscheint aber alsdann nicht mehr geeignet zur Ausübung einer Sinnesfunktion. Die fortgesetzte Sprossbildung ist nur durch das Weiterwachsen des Embryo erklärbar, oder der Verschluss der Orohypophyse ist durch cänogenetische Verschiebung verfrüht eingetreten. Histologisch ist auch nicht mehr zu sagen, als dass der zellige Charakter der Ausstülpungen sich gegenüber dem der Ursprungs- epithelien nicht verändert, höchstens dass das Organ durch größere Mächtigkeit seiner Wandungen sich auszeichnet. Der Embryo am Ende dieser Epoche hat eine Kopflänge von 3,2 mm, eine Gesammtlänge von 14 mm, die Mundbucht ist noch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 11 162 Fritz Melchers, weit offen, die Nasengruben grenzen sich ab, die Kopfbeuge ist noch ziemlich scharf, die Fußstummel bilden bereits breite Scheiben. Auf der zweiten Stufe hat sich die Wurzel der Orohypophyse bis zur Abschnürung verengt, die Öffnung ist vollständig geschlossen, und ein solider Epithelstiel bezeichnet die Spur der einseitigen, offenen Verbindung. Der Zungenhohlkörper treibt die beiderseitigen Nebentaschen zu gehörnartig geschweiften, aufwärts bis zum Hirn- boden reichenden Hohlsprossen aus. In der Medianebene, an der unteren vorderen Grenze, erhebt sich senkrecht auf dem Rücken, ebenfalls bis zum Hirndach reichend, eine quergestellte Hohlknospe, die aber schmäler ist als die Zunge selbst. Der Trichter hat inzwischen den ersten Ansatz des Infundibular- fortsatzes (Processus infundibuli) zur Zungenspitze vorgeschoben (Taf.VI, Fig. 33). Die Zungenspitze höhlt sich an dieser Stelle zu einer Delle aus und umgreift die Hirnausstülpung. Je mehr der Fortsatz sich beutelartig ausstülpt, um so mehr wird er von der ringwallartig hoch hinauf bis zum Hirnboden sich erhebenden Zungenspitze eingeschlos- sen. Dadurch hat sich auf dem Zungenrücken, an der Grenze zum Zungenmittelkörper eine zweite Hohlfalte hinter der ersten vor dem Infundibularfortsatz gebildet (Taf. VI, Fig. 33). Hiermit steht die Orohypophyse auf der Höhe ihrer Ausbildung. Im weiteren Verlauf collabiren nun zunächst die Nebentaschen, die zwei seitlichen und die mittlere vordere; auch der Zungenkörper wird solid und nur die doppelbecherförmige Zungenspitze bleibt noch hohl. Der Epithel- strang des Stiels zeigt nur noch vereinzelte, verstreute Zellen, bis er zuletzt nicht mehr zu erkennen ist. Der Embryo ist zu dieser Zeit vollständig ausgebildet, steht also kurz vor dem Auskriechen. Auf der dritten Stufe beschränkt sich die Weiterbildung in der Hauptsache auf die Neurohypophyse. Die Orohypophyse erzeugt nur noch sekundäre Sprossungen ohne regelmäßige Anordnung, besonders an dem vorderen Ende, so dass eine Vielheit von Schläuchen ent- steht, derselben Art wie bei der Paraphyse. Auch hier trägt die bindegewebige Außenschicht Blutgefäße, du sich zwischen den solid werdenden Epithelzügen durchziehen. Dieser vordere Theil erfährt eine schnelle Obliterirung. Auf Schnitten durch das Organ sieht man viele quer und längs getroffene Blutgefäße und die in mäandrischen Windungen hinziehenden, blassen Epithel- züge. | Andererseits erfährt die Neurohypophyse eine weitere Ausgestal- Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko ete. 163 tung. Der gleich weite, sackartige Infundibularfortsatz bekommt die Form eines gestielten Bläschens (Taf. VI, Fig. 38). Der Infundibular- stiel verlängert und verengt sich immer mehr. Ein Solidwerden habe ich bei den von mir untersuchten, alten Gecko-Exemplaren nicht nach- weisen können, es ist aber wohl nicht ausgeschlossen. Die Infundi- bularhöhle ist Anfangs ein nasocaudal abgeflachtes Bläschen (Quer- schnitt, Taf. VI, Fig. 29), das später unter Buchtenbildung geräu- miger wird (Taf. VI, Fig. 39) und wechselnde Umrisse zeigt. Die Infundibularhöhle hat eine stärkere ependymatöse Wand, als der Stiel. Es ist möglich, dass auch hier noch Rückbildungsprocesse sich ein- stellen, die ich aber an den mir zur Verfügung stehenden, aus- gewachsenen, älteren Exemplaren nicht beobachtete. Besonderheiten gegenüber den anderen Reptilien sind mir bei der Hypophyse nicht aufgefallen. Eine Thätigkeit der Hypophyse in ihrer jetzigen Form ist nicht mit Bestimmtheit anzunehmen, da keine festen Anhaltspunkte dafür vorliegen. Resultate. 1) Die Epiphyse bei Platydactylus ist eine einfache, mediale, intrameningeale Zwischenhirndachausstülpung, im ausgebildeten Zu- stande solid gestielt, von birnförmiger Gestalt, ohne andere Neben- gebilde. 2) Die Paraphyse ist eine eben solche, etwas später auftre- tende Ausstülpung, aber in der Form eines langen, offen bleibenden Schlauches, der sich mit seinem. vielfach verzweigten, blinden Ende von vorn über die Epiphyse lagert. 3) Beide Gebilde sind in einer gewissen Embryonalperiode äußerlich sichtbar und dürften nur in der entsprechenden phylo- genetischen Epoche eine etwaige Funktion als Sinnesorgane ausgeübt haben. 4) Beim jungen Thier sind die beiden Anlagen vascularisirt, die Epiphyse verfällt der Rückbildung und die Paraphyse macht den Ein- druck eines drüsigen Organs. 5) Die Hypophyse ist eine vor den beiden anderen auftretende Doppelbildung: eine Hirnausstülpung und eine Racheneinstülpung; beide lagern sich innig an einander und scheinen so stammesgeschicht- lich zu einer Sinnesthätigkeit bestimmt gewesen zu sein. 6) Die Orohypophyse schnürt sich vollständig ab und bildet einen 11* 164 Fritz Melchers, Knäuel von Sprossen, wie die Paraphyse. Die Neurohypophyse erreicht die Form eines lang gestielten, mehrfach ausgebuchteten Bläschens. 7) Über die heutige physiologische Bedeutung der Hypophyse lässt sich nichts Sicheres sagen; das Organ erscheint physiologisch bedeutungslos. Rostock, im Mai 1899. Erklärung der Abbildungen. Die Zeichnungen sind mit Hilfe des Zeichenprismas angefertigt und her- nach auf ?/3 verkleinert. Sämmtliche Figuren behandeln den Platydaetylus, und zwar: Taf. V, Fig. 1 bis 11 die Epiphyse, Fig. 3—11 die Paraphyse; Taf. VI, Fig. 12—23 die Epi- physe, Fig. 24—26 die Paraphyse und Fig. 27—39 die Hypophyse. Die Vergrößerung ist folgende: ZEISS Oc. 2, Obj. CC mit 160 mm Tubus- länge; nur Taf. V, Fig. 9a und 11a sind mit Obj. F und Taf. VI, Fig. 16—26 mit Obj. DD gezeichnet. Durchgehende Bezeichnungen: E, Epiphyse; P, Paraphyse; 7, Hypophyse; Z, Integument; C, Cranium; D, Dura mater; Z, Zwischenhirn; V, Vorder-, M, Mittelhirn; Cs, Commissura superior; S, Schaltstück; Cp, Commissura posterior; 7, Trichter; N, Neuro- hypophyse; O, Orohypophyse; R, Recessus infundibuli; F, Infundibularfortsatz; B, Bindegewebe; Ch, Chorda. Die Gefäße sind durch eingezeichnete Blutkörperchen oder durch ihr Endo- thel kenntlich gemacht. Das äußere Hautepithel und das innere Flimmerepithel sind vielfach abgefallen. Tafel V. Fig. 1—11 mediane Sagittalschnitte durch Epi- und Paraphyse in fort- laufender Entwicklung. Fig. 1. Embryo 4,5 mm lang; erste Anlage der Epiphyse als Verdickung. Fig. 2. Embryo 5 mm lang; beginnende -Aushöhlung. Fig. 3. Embryo 7 mm lang; erste Paraphysenanlage, Epiphyse nach vorn gerichtet. Fig. 4 Embryo 10 mm lang; Epiphyse und Paraphyse einander entgegen- gerichtet und wachsend. Fig. 5. Embryo 13 mm lang; Epiphyse und Paraphyse dem Integument am nächsten. Fig. 6. Embryo 14 mm lang; Epiphyse bildet einen Stiel, Paraphyse Falten. Über rudimentäre Hirnanhangsgevilde beim Gecko etc. 165 Fig. 7. Embryo 21mm lang; Epiphyse richtet sich gerade, Paraphyse treibt Knospen. Fig. 7a. Embryo 20 mm lang; Epiphyse ist durch Bindegewebsbänder fixirt. Fig. 8. Embryo 33 mm lang; Epiphyse und Paraphyse in größter Aus- bildung; Epiphyse hat eine Bindegewebskapsel. Fig. 9. Junges Thier 55 mm lang. Stiel der Epiphyse degenerirt, es bildet sich eine Aussackung an der unteren Epiphyse, am Zwischenhirn der Gefäß- plexus. Fig. 9a. Stück der Epiphysenwand aus Fig. 9 stärker vergrößert. Fig. 10. Thier von 100 mm Länge, Stiel der Epiphyse abgerissen, Schrum- pfung, Vacuolisirung. Fig. 11. Thier von 124 mm Länge, Epiphyse und Paraphyse durch Binde- gewebe verbunden. Vascularisation. Fig. 11a. Stück der Epiphysenwand aus Fig. 11 stärker vergrößert. Tafel VI. Fig. 12—14 Transversalschnitte. Die Epiphyse längsdurchschnitten von rechts nach links, nach dem Alter, allmählicher Verschluss und Differenzirung in Stiel und Körper. Embryo 8, 12, 18 mm lang. Fig. 15. Embryo 30 mm lang. Frontalschnitt. Epiphyse, Gefäßplexus und Paraphyse quer getroffen. Fig. 16—20. Frontalschnitte eines Embryo von 32 mm Länge. Epiphyse in verschiedener Höhe durchschnitten vom soliden Stiel bis zum zusammen- sedrückten Körper. Fig. 21. Junger Embryo 11 mm lang. Frontaler Epiphysen-Körpergquer- schnitt noch rund. Fig. 22. Jüngerer Embryo 9 mm lang. Frontaler Epiphysen-Körperquer- sehnitt länglich. Fig. 23. Embryo 15 mm lang. Medianschnitt durch die Epiphyse mit streifigem Inhalt. Fig. 24-26. Embryo von Fig. 24 ist mit Fig. 23, von Fig. 25 mit Fig. 22 identisch; Embryo von Fig 26 ist 283 mm lang. Frontalschnitte durch Paraphyse nach Alter mit weitem, länglichem, dann rundlichem, später querovalem Lumen. Fig. 27. Embryo wie Taf. V, Fig. 8. Seitlicher Sagittalischnitt der Hypo- physis. Neurohypophysensäckchen seitlich und die Seitenknospe der Orohypo- physe mitten getroffen. Fig. 28. Embryo mit dem von Fig. 12 identisch. Transversalschnitt von frühem und ausgebildetem Stadium. Fig. 29. Embryo mit dem von Fig. 15 identisch. Transversalschnitt von frühem und ausgebildetem Stadium. Fig. 30. Embryo wie von Fig. 16—21. Frontalschnitt. Neurohypophysen- säckchen und die mittlere und Seitenknospe der Orohypophyse quer ge- troffen. Fig. 31—39. Medianschnitte durch die Hypophyse beim jüngeren Embryo bis zum älteren Thier. Fig. 31. Embryo 12 mm lang. Orohypophyse offen und einfach. Fig. 32. Embryo 14 mm lang. Beginn des Verschlusses und der Knospen- bildung. 166 Fritz Melchers, Über rudimentäre Hirnanhangsgeb. beim Gecko ete. Fig. 33. Fmbryo wie Taf. V, Fig. 7. Orobypophysenstiel solid, Bildung des Infundibularfortsatzes. | Fig. 34. Embryo mit dem auf Taf. V, Fig. 7a identisch. Knorpelige An- lage der Schädelbasis. Fig. 35. Embryo 23 mm lang, deutlichste Ausbildung der Knospen. Fig. 36. Embryo 29 mm lang. Bildung der vorderen Sekundärsprossen. Fig. 37. Embryo mit dem von Fig. 27 identisch, Orohypophyse bis aufs ‚hintere Ende solid. Fig. 38. Thier mit dem von Taf. V, Fig. 9 identisch, Neurohypophyse ge- stielt. Fig. 39. Thier mit dem von Taf. V, Fig. 10 identisch, Neurohypophysen- höhle vielfach ausgebuchtet. Anm.: Die Figuren: Taf. V, Fig. 11 und Taf. VI, Figg. 32 und 34 sind irrthümlich nicht als Spiegelbilder gegeben. Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). Von Dr. Reinhard Gast. Mit Tafel VII und VII. (Aus dem zoolog. Institut der Universität Leipzig.) Im Sommer 1898 beobachtete Herr SCHMIDTLEIN, Assistent am zoologischen Institut zu Leipzig, in seinem Zimmeraquarium an den Glaswänden und Pflanzen desselben verstreut eine große Anzahl klei- ner ovaler und fast durchsichtiger Thiere, die sich als eine Art Apsilus herausstellten. Da es wünschenswerth erschien, eine genauere Kenntnis von der Anatomie und Entwicklung dieses seltenen und abweichend gestalteten Räderthieres zu erhalten, betraute mich Herr Professor Cuun mit der Untersuchung dieses Materials. Für diesen und für die anderen die Arbeit betreffenden werthvollen Rathschläge, sowie für die freundliche Vermittelung eines Theiles der einschlägigen Litteratur sage ich meinem hochverehrten Lehrer auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank. Eben so danke ich Herrn SCHMIDTLEIN für die zeitweilige Überlassung seines Aquariums. | Aus unbekannten Gründen trat leider kurze Zeit nach der Auf- findung der bis dahin sehr zahlreichen Apsilen ein plötzliches Ab- sterben ein, so dass ich genöthigt war, möglichst schnell die über- lebenden Thiere zu konserviren, um Material für die Untersuchung zu behalten. Für mich war dieses überraschende Absterben um so unangenehmer, als ich bei der Untersuchung der lebenden Thiere zunächst mein Augenmerk auf den Bau der erwachsenen Apsulen ge- richtet, auf die Entwicklungsgeschichte aber nur gelegentlich geachtet hatte, weil ich das Studium derselben erst nach der erlangten ge- nauen Kenntnis der Anatomie in Angriff nehmen wollte. Desswegen habe ich die geringen entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse nicht Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 12 168 Reinhard Gast, in einem besonderen Kapitel niedergelegt, sondern die einzelnen Beobachtungen bei der Besprechung der einzelnen Organsysteme ein- gestreut. Da Dauereier nicht gebildet wurden, das Wiedererscheinen der Apsilen in dem Aquarium desshalb sehr zweifelhaft ist, so scheint es mir geboten, die Veröffentlichung meiner Untersuchung nicht länger hinauszuschieben. Bisher sind folgende Beschreibungen von Apsılus-Arten erschie- nen: Im Jahre 1857 veröffentlichte LEIDy (6) eine kurze Notiz ohne Zeichnungen über ein Räderthier ohne Räderorgan, das er Dictyo- phora vorax nannte. Wenige Jahre später fand MEcZNIKow (9) in Gießen ebenfalls dieses seltene Räderthier. Da er indessen die Notiz Leipy’s nicht kannte, gab er dem Thier wegen des Mangels eines Räderorgans und wegen der linsenförmigen Gestalt des kontrahirten Thieres den Namen Apselus lentiformis. 1882 beschrieb FORBES (2) in einer Arbeit, die mir nur im Auszuge zugänglich war, ein ganz ähnliches Rotator unter dem Namen Oupelopagus bucinedar. LEIDY rief in demselben Jahre seine Entdeckung von Dietyophora vorax in ausführlicherer Schilderung in die Erinnerung zurück (7) und hielt es für wahrscheinlich, dass Cupelopagus und Dietyophora identisch seien. Zwei Jahre darauf gab Miss FoULkE (3) eine Zusammenstellung der drei bis dahin beschriebenen Arten, für die sie den Gattungsnamen Apsilus wählte. (Der Name Dietyophora musste fallen gelassen wer- den, da er schon vergeben war.) Die vorliegende Art ist sicher identisch mit Apsilus voraz und Apsilus lentiformis, und ich folge hierin der in dem Rotatorienwerk von Hupson und Gosse (4) vollzogenen Vereinigung der beiden Arten zu einer Species, die indessen nach dem Prioritätsgesetz den Namen Apsilus vorax führen muss. | Biologie. Apsilus schwimmt nur eine Zeit lang nach der Geburt frei im Wasser umher und setzt sich dann fest, worauf die Larvenaugen rückgebildet werden. Aus dem geringen Größenunterschied der völlig entwickelten Embryonen und der kleinsten festsitzenden Thiere, die ich gefunden habe, schließe ich, dass das Festheften sehr bald nach der Geburt stattfindet. Leider ist es mir niemals gelungen, Thiere bei der Festheftung oder unmittelbar danach zu beobachten. Ich hatte an den Stellen, an denen zahlreiche Apselen an der Wand des Aqua- Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 169 riums festsaßen, parallel mit dieser dicht über den Thieren Deck- gläschen im Wasser aufgehängt, um auf diese Weise möglichst junge Thiere zu erhalten. Aber niemals habe ich an ihnen Apsilen gefun- den, woraus ich schließe, dass rauhe Flächen, wie Blätter und die von Algen und Diatomeen überzogenen Glaswände des Aquariums, das Festheften der Apsilen erleichtern. Erwähnenswerth ist, dass sich die Apsilen stets auf der von dem Licht abgewendeten Wand des Aquariums und auf der Unterseite der Blätter fanden, dass sie demnach lichtscheu sind. Nach MEcZNIkow wird die Befestigung bei Apsilus durch einen etwa in der Mitte des ausgestreckten Thieres auf der Bauchfläche liegenden besonderen »Chitinring« vollzogen. Von den früheren Autoren erwähnt nur LEipy die Art und Weise der Be- festigung, indem er von einem »small disk or sucker« als Anhef- tungspunkt schreibt, ohne eine nähere Erklärung über die Bedeutung dieses Organs zu geben. Bei der Besprechung dieses Haftorgans werde ich näher auf die Art und Weise der Befestigung eingehen. An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass ein Thier, das sich einmal festgeheftet hat, nicht die Fähigkeit besitzt, sich selbständig von seinem Platz zu entfernen; eben so wenig ist es im Stande, sich wieder anzuheften, wenn es von seinem Anheftungspunkte durch fremde Eingriffe entfernt ist. Da die Verbindung der Apsilen mit ihrer Unterlage sehr fest ist, so ist das Loslösen der Thiere trotz großer Sorgfalt ohne Verletzung nur selten möglich. Aber auch wenn sie ganz unverletzt waren, so gingen sie doch in der Regel innerhalb eines Tages zu Grunde. Versuche, ältere Apselen in kleineren Gefäßen zu isoliren und zu Zuchtver- suchen zu verwenden, misslangen desshalb regelmäßig. Eben so hatten die Versuche, Blattstückchen mit den auf ihnen sitzenden Apsilen zu isoliren, in so fern keinen Erfolg, als auch in diesem Falle die Thiere sehr bald abstarben, trotzdem immer für reichliche Nah- rung gesorgt war. Allerdings ist das Nahrungsbedürfnis der Apsilen ein ganz außerordentliches. Schon Leıpy hebt die Gefräßigkeit dieses käderthieres hervor und erwähnt, dass er im Kaumagen einzelner Thiere bis zu 50 kleinere Infusorien gefunden habe. Auch die von mir beobachteten Apszelen zeichnen sich durch eine für ein Rotator außergewöhnliche Gefräßigkeit aus. In der Hauptsache bestand die Beute in jungen Cypriden, von denen ich sogar nicht selten drei im Kaumagen gefunden habe. Außerdem fanden sich im Kaumagen ver- schiedene Arten von Rotatorien, Infusorien, Diatomeen und, wenn auch seltener, von jungen Hydrachniden. In einem Falle fand ich 12* 170 | Reinhard Gast, darin einen Nematoden, der mehr als die doppelte Länge des größten Durchmessers des Kaumagens hatte. Da ein Organ, das zum Her- beistrudeln der Nahrung dienen könnte, fehlt, sind die Apszlen darauf angewiesen, dass die ihnen zur Nahrung dienenden Thiere in den Bereich des ausgebreiteten »Rüssels« gelangen. Sobald auf diesen durch irgend ein kleineres Thier ein Reiz ausgeübt wird, wölbt er sich plötzlich über der Beute zusammen und wird nun durch kräf- tige Muskeln in den Körper zurückgezogen, wo die Beute an den Kaumagen abgegeben wird. Dadurch, dass die den Vorderkörper bedienenden Längsmuskeln, welche auf der Haftscheibe oder seitlich in der Nähe derselben ihren Insertionspunkt haben, sich auf der einen oder anderen Seite stärker oder schwächer kontrahiren, kann der Vorderkörper geringe Bewegungen nach den Seiten ausführen. Abgesehen von diesen Bewegungen und dem Ein- und Ausstülpen des »Rüssels« ist Apsilus unbeweglich. Methoden der Untersuchung. So lange lebendes Material vorhanden war, habe ich dasselbe bei meinen Untersuchungen so weit wie möglich benutzt. Sehr hinder- lich war die schon von LEipy betonte Empfindlichkeit der Apsilen. Bei noch so vorsichtiger Ablösung der Thiere durch einen feinen Pinsel oder eine feine Pipette waren sie doch häufig verletzt oder wenigstens so beeinflusst, dass sie ihren Vorderkörper nicht mehr aus- streckten. In diesem Zustande sind aber einzelne Organe, wie Ner- vensystem und ein großer Theil des Exkretionssystems überhaupt nicht sichtbar, da die vordere Hälfte des Thieres von einem unent- wirrbaren Knäuel von Falten, dem eingezogenen »Rüssel«, erfüllt ist. Auch bei unverletzten, unter dem Deckglas befindlichen Thieren bleibt der Körper niemals längere Zeit ausgestreckt, wie bei den in ihrer Lage ungestörten Apsden, sondern der »Rüssel« wird fortwährend ausgestreckt und eingezogen, so dass eine eingehendere Untersuchung sehr erschwert, theilweise auch unmöglich gemacht wird. Versuche, die Thiere durch allmählichen Zusatz von Cocain oder Hydroxyl- amin zu betäuben und dadurch zum Ausstrecken des ganzen Körpers zu veranlassen, misslangen stets. Die genauere Anatomie des Vorder- körpers wurde desshalb an konservirten Exemplaren festgestellt. Damit die Apseen während der Abtödtung sich nicht kontrahirten, war es nothwendig, die Thiere in vollständig ausgestreektem Zustande mit einer heißen Flüssigkeit zu überraschen. Die besten Resultate lieferte Sublimat-Alkohol und Sublimat-Pikrin-Essigsäure. Bei Be- Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 171 handlung ausgestreckter Thiere mit diesen Mischungen zeigte der »Rüssel« nur leichte Einkrümmungen an der Öffnung, die bei der Un- tersuchung nur wenig störten. Für die Färbung erwiesen sich am besten: Hämatoxylin, Hämalaun, Alaunkarmin und Parakarmin, letz- teres besonders für die Färbung der Muskulatur. Die gefärbten Ob- jekte wurden in Glycerin oder in Kanadabalsam eingeschlossen. Um die sehr störenden Schrumpfungen zu vermeiden, war es nothwendig;, die Objekte möglichst langsam aus dem Alkohol in Glycerin oder in Nelkenöl zu überführen. Für das erstere Verfahren fand ich es zweck- mäßig, eine Mischung von 10 Theilen 96% ,igen Alkohols und 1 Theil Glycerin vor Verstaubung geschützt offen stehen zu lassen; auf diese Weise wurde durch langsame Verdunstung des Alkohols das Objekt in reines Glycerin überführt, ohne dass irgend welche Schrumpfungen eintraten. Bei der Überführung aus dem absoluten Alkohol in Nel- kenöl ließen sich die Schrumpfungen der Objekte vermeiden, wenn über einer Schicht reinen Nelkenöls verschieden starke Mischungen von Nelkenöl und Alkohol ausgebreitet wurden. Die in die oberste aus reinem Alkohol bestehende Schicht gebrachten Objekte sanken in Folge ihrer Schwere langsam von Schicht zu Schicht, so dass die Diffusionsströmungen keinen Schaden anrichteten. Das Einbetten der Apsilen in Paraffın wurde dadurch sehr er- leichtert, dass dieselben bei der Abtödtung an den Blättern festhaften blieben. Die einzelnen Blattstüickchen wurden entsprechend der Längs- und der Querachse des auf ihnen sitzenden Thieres recht- eckig: zugeschnitten, so dass die Auffindung und Orientirung der Ob- jekte in dem Paraffin keine Schwierigkeiten machte. Leider drang das Paraffıin durch die feste Cxtieula der Apsilen schlecht ein, so dass die Schnittmethode meist keine guten Resultate lieferte. Körpergestalt. Die Beschreibungen der Körpergestalt, abgesehen vom »Rüssel«, lauten bei den früheren Autoren fast gleich, und da sie richtig sind, kann ich auf ihre Arbeiten verweisen. Der bewegliche Vorderkörper wird von LEIDy, ForBEs und Miss FOULKE als eine dem Körper des Thieres vorn aufsitzende, retraktile, becherförmige Membran beschrie- ben, während Mecznıkow das Wesen und die Bedeutung des »Rüs- sels«, wie er den Vorderkörper benennt, richtig auffasst. Die Be- zeichnung »Rüssel« für den retraktilen Theil des Körpers will ich in Mundtrichter umwandeln, da bei verschiedenen Rotatorien ein an- deres Organ des Vorderkörpers die Bezeichnung »Rüssel« führt und 172 Reinhard Gast, weil der Name »Mundtrichter« zugleich die Bedeutung des so be- nannten Körperabschnittes erläutert. Über das Wesen des Mundtrichters siebt uns die Entwicklungs- geschichte Aufschluss. Bei älteren Embryonen ist der dem Mund- trichter der erwachsenen Thiere entsprechende Abschnitt des Kör- pers nur durch eine schwache Ringfurche abgetrennt. Der Mund liegt an dem vorderen Körperende etwas ventral, die Mundhöhle geht in der Höhe der Ringfurche vermittels eines kurzen Ganges in den Kaumagen über. Die spätere Entwicklung des Vorderkörpers beruht hauptsächlich in einer Ausweitung der Mundhöhle und beson- ders starkem Wachsthum der dorsalen Wandungen. Zugleich erwei- tert sich der ursprüngliche Mund zu der umfangreichen Mund- trichteröffnung, behält aber seine Lage annähernd bei, nur ist die Öffnung etwas stärker ventralwärts gerichtet. Im Grunde des Mundtrichters bildet sich an dem Übergange desselben in den Kau- magen sekundär eine zweite von Sinnesborsten umstellte Mundöft- nung. Innerhalb der ursprünglichen Mundhöhle und ebenfalls an ihrem vorderen Rande stehen bei älteren Embryonen lange Cilien, über deren Anordnung indessen keine Klarheit zu erlangen war. Sie sehen vermuthlich unmittelbar nach der Festheftung des jungen Thieres verloren, nachdem sie für die kurze Zeit, die zwischen Ge- burt und Festheftung liegt, als Bewegungsorgan gedient haben. Älte- ren Thieren fehlt irgend eine äußere Bewimperung vollständig. Der Mundtrichter von Apszlus entspricht demnach seiner Ent- wicklung nach dem Mundtrichter der Floseularien. In seinem Bau unterscheidet er sich von dem Trichter der Floseularien durch die Verschiebung der Mundtrichteröffnung auf die Bauchseite und durch das Fehlen aller Anhänge an dem vorderen Trichterrande. Sehr ähnlich der Mundtrichterbildung von Apselus ist die von Acyclus ingwietus Leidy, dessen Öffnung nach der Bauchseite gerichtet ist und welcher ebenfalls keine Anhänge an dem Triehterrande trägt. Auch scheint nach Leıpy’s Abbildungen (7) der Mundtrichter von Aecyelus ähnliche Bewegungen ausführen zu können wie der von Apsilus, in so fern sich die dorsale Wandung einwölben kann. Auch bei Apselus wölben sich die Trichterwandungen nach innen. In dieser Lage wird dann der Mundtrichter durch kräftige Retraktoren in den Körper ge- zogen, während das Hervorstülpen durch den Druck der Körper- höhlenflüssigkeit bewirkt wird, welche zwischen die Triehterwan- dungen durch Kontraktion des übrigen Körpers gepresst wird. Ich werde nach der Beschreibung der Muskulatur auf die Bewegungen Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 173 des Mundtrichters zurückkommen, da ohne die Kenntnis der Muskeln die Bewegungen des Mundtrichters nicht zu verstehen sind. Mit dem Mundtrichter werden bei der Retraktion desselben die seitlich dicht vor der Ringfurche des Körpers liegenden lateralen Taster in den Körper gezogen. Bei eingestülptem Mundtrichter ist der Körper, von der Fläche gesehen, oval und ohne jede Gliederung. Am Vorder- ende auf der Bauchseite liegt die Einstülpungsöffnung, von der radiär zahlreiche Falten ausstrahlen (Fig. 12). Es sind an dieser Stelle noch einige konstante Faltenbildungen zu erwähnen. Bei ausgestreck- tem Mundtrichter bilden sich auf dem Rücken unmittelbar vor der oben erwähnten Ringfalte jederseits zwei nach der Mitte konver- sirende Falten. Die mittleren stoßen in der Medianlinie des Mund- trichters zusammen und lassen dadurch zwischen sich eine dreieckige Vorwölbung der Haut hervortreten, der Miss FOoULKE als »pointed projeetion« irrthümlicher Weise eine besondere Festigkeit zuschreibt. Sie hat übersehen, dass diese Faltenbildung bei der Kontraktion des Thieres sofort verschwindet. Auf der äußeren dorsalen Trichterwan- dung verläuft parallel mit dem vorderen Rande eine Falte, welche die Fläche des Mundtrichters in einen schmalen vorderen Streifen und einen größeren hinteren Abschnitt zerlegt. Miss FOULKE, die, wie schon erwähnt, den Mundtrichter als triehterförmige Membran beschreibt, ist der Ansicht, dass dieser hintere von der Ringfalte ab- segrenzte Theil der dorsalen Triehterwandung ein besonders durch Ringmuskeln befestigtes Schild sei, das als Stütze der »trichter- förmigen Membran« aufliege; sie ai demnach die doppelte Wan- dung des Mundtrichters gesehen, ohne aber dessen Bau im Übrigen richtig zu erkennen. Faltenbildungen finden sich sonst nur auf der Bauchseite und zwar dicht vor der Haftscheibe; diese Falten ver- laufen jederseits in flachem Bogen fast parallel nach hinten, um sich bald auszuglätten. Außerdem strahlen von dem ebenfalls auf der Bauchseite liegenden After kurze radiäre Falten aus. Ich füge hier die Maße für einen erwachsenen Apsilus an: Länge des ausgestreckten Thieres 0,8mm, des kontrahirten 0,6mm; Breite des ausgestreckten Thieres 0,4mm, deskontrahirten 0,46mm. Länge der ventralen Mundtrichterwandung 0,1 mm, der dorsalen 0,33 mm. Die Maße der kleinsten festsitzenden Thiere, welche ich gefunden habe und bei denen ich leider das Ausstreeken des Mundtrichters niemals habe beobachten können, sind 0,22 mm Länge und 0,18 mm Breite. 174 | Reinhard Gast, Haftscheibe (Fuß). (Bier, Oel 28) Etwa in der Mitte der Bauchfläche liegt eine Haftscheibe, nach M&czuıkow ein Chitinring, von LEıiDy und Miss FoULkE als »sucker« bezeichnet. Nähere Angaben über Bau oder Bedeutung dieses Or- ‚gans fehlen bei den Autoren. Das Organ stellt eine runde Scheibe von etwa 0,06 mm Durchmesser dar, welche kaum merklich über das Niveau der Bauchfläche hervorragt. In der Aufsicht erkennt man an dieser Scheibe ein centrales, rundes, vollständig ebenes Feld (Durch- messer — 0,027 mm), das von einem radıär fein gefältelten Rand umgeben wird. Schon bei schwacher Vergrößerung fallen auf der inneren Scheibe vier regelmäßig angeordnete, stark lichtbrechende Punkte auf, unter denen man bei genauerer Beobachtung an gün- stigen Präparaten je eine Zelle erkennen kann. In den Bau der Haftscheibe erhält man erst durch Schnittserien genaueren Einblick. Fig. 10 stellt einen Querschnitt durch die Haftscheibe eines noch am Blatt festsitzenden Apsilus dar. Durch eine ringförmige Furche wird die Scheibe von der übrigen Körperhaut etwas abgesetzt. In der Peripherie der Scheibe schiebt sich die Cutieula, welche dieselbe Stärke und Beschaffenheit wie die Körpereutieula besitzt, faltenförmig nach außen vor und bildet auf diese Weise den etwas abstehenden gefältelten Rand der Haftscheibe. An der Stelle der hellglänzenden vier Punkte bildet die Cutieula vier kurze röhrenförmige Einstülpungen (Durchmesser derselben 0,005 mm, Länge 0,004 mm), denen je eine sroße Zelle aufsitzt. Diese Zellen, bei erwachsenen Apsilen von un- regelmäßiger Gestalt mit körnigem Plasma, stellen, wie sich bei äl- teren Embryonen nachweisen lässt, Drüsenzellen dar, die bei fest- sitzenden älteren Thieren ihre Funktion verloren haben. Nur in der Jugend der Apsilen sind sie kurze Zeit in Thätigkeit. Betrachtet man die Zellen bei älteren kurz vor der Geburt stehenden Embryo- nen, so zeigen sie eine birnförmige, pralle Gestalt (Länge 0,018, Dicke 0,012 mm). Ihr feinkörniges Plasma, in dem am freien Ende der Zellen der runde Kern liegt, ist vollständig durchsetzt von Se- kretvacuolen. Bei dem Festheften des jungen Thieres ergießt sich das Sekret durch die kurzen cuticularisirten Ausführungsgänge der Drüsen nach außen, wo es sich auf der Haftscheibe als eine bis 0,005 mm starke Schicht ausbreitet. Nach der Abgabe des Sekretes, die wahrscheinlich ziemlich schnell vor sich geht, schrumpfen die Drüsenzellen stark zusammen (Länge 0,01 mm, Dicke 0,005 mm). Das Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 175 Sekret, das sich der Unterlage dicht anschmiegt, erhärtet und hat in diesem Zustande ein grünliches glänzendes Aussehen. Die Verbin- dung mit der Unterlage ist in der Regel sehr fest, so dass die er- härtete Sekretschicht bei dem gewaltsamen Loslösen der Apstlen von der Haftscheibe sich ablöst. Nur in den kurzen Ausführungsgängen der Drüsen bleibt je ein Sekretpfropfen, der in der Aufsicht als hell- slänzender Punkt erscheint. | Da nach der Festheftung der Apsilen die Drüsen funktionslos werden, ist es erklärlich, warum von ihrem Platz entfernte Thiere sich nieht wieder anheften können. Eben so ist es einem Apszelus nach dem Erhärten des Sekretes unmöglich, sich selbständig von seinem Platze zu entfernen. Zu erwähnen ist noch, dass die Haftscheibe für eine Anzahl von Muskeln als Ansatzpunkt dient. Auf die näheren Einzelheiten werde ich bei Beschreibung der Muskulatur ein- sehen. Was die Deutung der Haftscheibe betrifft, so ist sie als Fuß aufzufassen. Bei den in ihrer Entwicklung fortgeschritteneren Em- bryonen zeigt sich zunächst an dem Hinterende terminal eine ring- förmige, wulstige Verdickung der Haut, an deren innerem Rande ein Kranz von lebhaft sich bewegenden Cilien aufsitzt. In der Auf- sicht sieht man unter der Haut innerhalb des Ringes die vier groben zunden Drüsenzellen liegen. Bei der weiteren Entwicklung der Em- bryonen rückt der Fuß, denn als solcher ist die terminale Scheibe aufzufassen, mehr und mehr auf die Bauchseite und mit ihm der dorsal dieht neben dem Fuß liegende After. Die weitere Umbildung zur Haftscheibe habe ich nicht verfolgen können. Jedenfalls braucht die Fußscheibe keine bedeutendere Metamorphose durchzumachen, um aus dem wulstigen Ring den gefalteten Rand der Haftscheibe zu bilden. Das von dem Ring eingeschlossene Feld entspricht dem un- sefalteten centralen Felde der Haftscheibe Die dieses Feld um- sebenden Cilien fallen wahrscheinlich bald nach der Geburt des Thieres ab. Meczxıkow erwähnt diese Fußbildung, ohne sie in- dessen mit der späteren Haftscheibe, die nach ihm ein Chitinring ist, in Zusammenhang zu bringen. Er schreibt (9) p. 352 von jungen eben ausgeschlüpften Weibchen, dass »das hintere Körperende des Weibchens von einer ringförmigen euticularen Membran umgeben ist, an derem Grunde eine Anzahl Flimmerhaare sitzen«. Irrthümlicher Weise verlegt er den After in das von der Membran umschlossene Feld. Ich habe mich indessen überzeugt, dass der After bei Apsılus- Embryonen außerhalb der Fußscheibe liest und zwar entsprechend 176 Reinhard Gast, der Lage des Afters bei anderen Rotatorien auf dem Rücken. Erst sekundär kommt er wie die Haftscheibe auf die Bauchseite zu liegen. Die beiden großen mit Kern versehenen Zellen, welche MECZNIKOwW in seiner Fig. 16 an dem Hinterende zeichnet und als Anlagen der Magendrüsen deutet, sind wohl sicher als zwei der Fußdrüsenzellen aufzufassen. | Entspricht also die Haftscheibe dem Fuße anderer fußtragender 'Rotatorien, so sind auch die vier auf der Haftscheibe mündenden ein- zelligen Drüsen den Kittdrüsen anderer Rotatorien homolog. Auch wird durch die Auffindung des Fußes die Kluft zwischen den Flos- cularien und Apsilus, die wegen des vermeintlichen Fehlens des Fußes bei letzterem noch bestand, überbrückt. Haut. Die Haut besteht aus dem am ganzen Körper gleich starken Chi- tinpanzer (Dieke etwa 1—-2 u) und der Matrix desselben, der Hypo- dermis. Ä An bestimmten Bezirken ist der Panzer nicht glatt, sondern zeigt eine besondere Skulptur. Betrachtet man den Rücken bei schwächerer Vergrößerung, so erhält man etwa ein Bild, wie es MECZNIKOW in seiner Fig. 12 entworfen hat. Die Haut ist dicht bedeckt mit klei- nen Verdiekungen des Chitins, die als »Wärzchen« von MECZNIKOW, als »granules or minute tubereles< von LEıDy bezeichnet werden. Miss FOULKE deutet in ihrer Zeichnung ebenfalls diese Erhebungen an, erwähnt sie aber im Text nicht. Bei starker Vergrößerung erkennt man, dass sie nicht oval sind, wie sie MECZNIKOW zeichnet, sondern durch feine Fortsätze stern- förmig erscheinen (Fig. 22 w).. Auf dem Rücken, wo sie dicht und regellos verstreut sind, fehlen diese Wärzchen nur im Bereich des Mundtriehters, auf dem Bauche sind sie überhaupt nicht vorhanden. An den Seiten lässt sich oft eine reihenförmige Anordnung erkennen. Außer diesen äußeren Verdiekungen des Panzers sind noch zwei innere zu erwähnen. Sie liegen an der dorsalen äußeren Wandung des Mundtrichters seitlich in der vorderen Hälfte desselben und wer- den von einer linsenförmigen Verdiekung mit einem ihr nach innen aufsitzenden Chitinstäbehen gebildet. Da an die unter diesem Ge- bilde in besonderer Weise angeordneten Zellen ein Nerv herantritt, so ist anzunehmen, dass ein Sinnesorgan vorliegt, wesshalb in dem Kapitel über Sinnesorgane darauf zurückgekommen werden soll. Die Hypodermis ist bei den erwachsenen Thieren nicht immer Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 177 leicht zu erkennen. In der Regel sieht man nur an gefärbten Präpa- raten die in sehr weiten Abständen vertheilten Kerne der Hypoder- mis und um diese einen kleinen Hof von körnigem Plasma. Nur an der Haftscheibe und an der vorderen Mundtrichterbegrenzung ist die Hypodermis leichter erkennbar und ihr Charakter als Syneytium deutlich. An dem Mundtrichterrande bildet die Hypodermis nach innen vorspringende Verdickungen von 0,022 mm Stärke, während sie sonst vollständig flächenhaft unter der Cutieula ausgebreitet ist. Die Kerne (Fig. 22 Ak) sind stark abgeplattet und von der Fläche gesehen oval (Durchmesser 6:7 u). Unter der Haut, dieser mehr oder weniger dicht anliegend, doch niemals so dicht, wie es nach MEczxıkow’s Darstellung in Fig. 1 und 2 anzunehmen wäre, finden sich die von allen Autoren erwähn- ten bräunlich schimmernden Körper. Sie sind diehte Ansammlungen von feinen Körnchen, die in eine stark färbbare Plasmamasse ein- sebettet sind. Die Körnchen lösen sich leicht, wie auch MECZnIKkOW erwähnt, in Säuren, und es bleibt bei so behandelten Präparaten nur die Plasmamasse in ihrer ursprünglichen Anordnung übrig. Diese selbst wechselt sehr und erscheint als oval, rund, gelappt ete. Bei Jungen Thieren fehlen diese Körper und treten erst allmählich wäh- rend des Wachsthums auf. Ihrer Lage nach sind sie auf den mitt- leren und hinteren Körpertheil beschränkt, dem Mundtrichter fehlen sie stets. Die Plasmamassen sind auf dem Bindegewebe des Körpers suspendirt, über ihre Bedeutung soll in dem Kapitel über das Ex- kretionsorgan gesprochen werden. Bindegewebe. Im Körper von Apsilus spannt sich ein Netzwerk von Zellen zwischen der Haut und den einzelnen Organen aus. Dieses Binde- gewebe steht, wie wir später sehen werden, in direkter Beziehung zum Exkretionsorgan, wesshalb ich die Bezeichnung »Exkretions- bindegewebe« wähle. Das Exkretionsbindegewebe erwähnt MEcznıkow als ein die Wandungen des Mundtrichters verbindendes aus »verästelten Zellen zusammengesetztes maschiges Gewebe«. Es ist indessen nicht nur auf den Mundtrichter beschränkt, wo es allerdings am stärksten aus- gebildet ist, sondern findet sich im ganzen Körper. Es besteht aus einer anscheinend sehr beschränkten Anzahl von Zellen, die als ein Netzwerk feiner plasmatischer Fäden erscheinen, welche unter ein- ‚ander, mit der Haut und den verschiedenen Organen in Verbindung 178 Reinhard Gast, stehen. Bei älteren Thieren ist dieses maschige Gewebe stärker aus- gebildet wie bei jüngeren. Das Plasma der Zellen ist fast homogen, die spärlichen Kerne sind rund (Durchmesser 0,002 mm). Sehr oft finden sich in dem Plasma kleine bräunliche Körnehen, die vollstän- (dig denen der Körneransammlungen unter der Haut gleichen, seltener sich vergrößernde Flüssigkeitströpfchen. Ein derartiges Bindegewebe wird auch für andere Rotatorien beschrieben von ECcKSTEIN (1), PLATE (11), ZELINKA (15). PLATE er- wähnt auch, dass bei größeren Formen, namentlich Asplanehna-Arten, »die Zellen, von denen Fäden ausgehen, amöboide Bewegungen zeigen«. Bei näherer Betrachtung zeigt sich auch in dem Exkretions- bindegewebe von Apsilus eine deutliche Bewegung. Auf diese Ver- hältnisse werde ich indessen erst bei der Besprechung des Exkre- tionsorgans eingehen. Muskelsystem. Von den Autoren geht nur MEczuıkow näher auf die Muskula- tur von Apselus ein, ohne indessen eine erschöpfende Darstellung derselben zu geben. Er unterscheidet Ring- und Längsmuskeln. Von den ersteren erwähnt er drei den Körper umgürtende Bänder. Von der Längsmuskulatur führt er vier dorsale Muskeln an, die von dem mittleren Theil der Rückenfläche an das obere »Rüsselende« ziehen. Sie werden als Musculi retractores proboscidis bezeichnet; außerdem beschreibt er von der Bauchseite vier von der Haftscheibe zu dem „unteren Rüsseltheil« verlaufende Bänder. Lerıpy schreibt von einem unregelmäßigen Muskelnetz, das meist von Längsmuskeln gebildet werde, und erwähnt Retraktoren des Rüssels, während Miss FOULKE sich mit der Angabe begnügt, dass das Muskelsystem bei Apszlus bipera sehr stark ausgebildet sei. Dass die Muskulatur von den genannten Autoren so wenig ein- gehend beschrieben worden ist, erklärt sich daraus, dass die Unter- suchungen von ihnen nur an lebenden Thieren angestellt worden sind. Das Studium der Muskulatur wird aber am lebenden Thier außer- ordentlich erschwert durch das lebhafte Ausstrecken und Einziehen des Mundtrichters.. Der Verlauf einzelner seitlicher Muskeln konnte am lebenden Thier überhaupt nicht festgestellt werden, da die Thiere in der Seitenlage, in der sie nur durch leichten Druck erhalten wer- den können, den Mundtrichter niemals vollständig ausstreckten. Die Untersuchung der Muskulatur wurde desshalb von mir in der Haupt- sache an gefärbten in Glycerin oder Kanadabalsam eingeschlossenen Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 179 Thieren vorgenommen. Für die Färbung der einzelnen Muskelbänder eignet sich besonders Parakarmin und Alaunkarmin. Bei der Beschreibung der Muskulatur folge ich der Eintheilung der Rotatorienmuskulatur in Haut- und Leibeshöhlenmuskeln, wie sie ZELINKA (13) aufgestellt hat. Die Hautmuskeln zerfallen in Quer- und Längsmuskeln. Ich verwende die Bezeichnung Quermuskel für Ringmuskel nach dem Vorgange von ZELINKA (14), weil ein großer Theil der als Ring- muskeln wirkenden Bänder auf dem Rücken, dem Bauche oder auf beiden Flächen unterbrochen sind, demnach keine geschlossenen Muskelringe darstellen. Ein Hautmuskel ist hier wegen seines auffälligen Verlaufes zu erwähnen. Er verläuft jederseits auf dem Rücken bis in die Mitte des ausgestreckten Thieres als Längsmuskel, biegt dann in flachem Bogen nach den Seiten und dem Bauch, wo er als Quermuskel er- scheint. Der auffällige Richtungswechsel im Verlauf dieses Muskels hat vermuthlich seinen Grund in der erst in späterer Embryonalzeit, oder erst nach der Geburt eintretenden mächtigen Entwicklung des Vorderkörpers zum Mundtrichter. Die bei der Beschreibung angefügten Maße der Stärke der ein- zelnen Muskelbündel beziehen sich auf vollständig erwachsene Thiere. Die Quermuskulatur ist nur im Bereich des Mundtrichters kräftig entwickelt. Sie besteht hier aus theils geschlossenen, theils auf dem Rücken oder dem Bauche unterbrochenen flachen Muskeln von verschiedener Breite, von denen nur die an der Basis des Mund- trichters liegenden Bänder annähernd senkrecht zur Längsachse des Körpers verlaufen. Da die dorsale Triehterwandung die ventrale an Länge bedeutend übertrifft, so ist der Abstand der einzelnen Muskel- bänder auf dem Rücken weiter wie auf dem Bauche. Während sie auf diesen Flächen einander fast parallel laufen, verlaufen sie an den Seiten, vom Rücken aus gesehen, konvergirend. Mit der Längs- achse des Körpers bilden die vorderen Quermuskeln des Mund- trichters in ihrem Verlauf an den Seiten desselben einen mehr oder weniger spitzen Winkel. Unmittelbar an der vorderen Mundtrichteröffnung, also dem ur- sprünglichen Mund, verläuft ein rings geschlossener Muskel als Sphinkter (Fig. 1 und 2 rm, a) (Breite 4—5 u), der auf dem Rücken eine Duplikatur aufweist (Fig. 2 rm, b) (Breite 4 u). Diese Dupli- katur schneidet den Bogen zwischen den Insertionspunkten der beiden mittleren Retraktoren des Mundtrichters ab. In kurzem Abstande von 180 ’ Reinhard Gast, diesem Muskel folgt ein zweiter etwas stärkerer Quermuskel (Fig. 2 7m;) (Breite 6 u), welcher sich halbkreisförmig über den Rücken spannt und nur wenig auf die Seiten übergreift und dort unmittelbar an dem Insertionspunkt eines Leibeshöhlenmuskels (Z/ms) endet. Hinter der Ringfalte des Mundtrichters verläuft ein 0,011 mm breiter Quermuskel (Fig. 2 rm; a), welcher sich dadurch auszeichnet, dass er vor den lateralen Tastern einen schwächeren Ast abgiebt (Fig. 2 rn; b) (Breite 0,003 mm). Dieser Zweig wendet sich nach dem Rücken, verbindet sich aber nicht mit dem entsprechenden Muskel der Gegenseite, son- dern endet nicht weit von der Medianlinie an einem Hautlängsmuskel (dim,). Ein vierter Quermuskel (Fig. 2 rm,) verläuft als geschlos- sener Ring dicht vor dem dorsalen Taster und eben so noch vor den lateralen Tastern vorüber. Bei einer durchschnittlichen Breite von 0,012 mm verschmälert er sich auf einer kurzen Strecke vor dem dorsalen Taster bis auf 0,003 mm. Die beiden folgenden Quermuskeln des Mundtrichters ziehen hinter den lateralen Tastern vorüber. Der vordere vollständig geschlossene Ringmuskel (Fig. 2 rm;) erreicht auf dem Rücken seine größte Breite von 0,015 mm. An den Seiten des Mundtrichters theilt er sich in zwei gleich starke Äste, von denen der vordere als Fortsetzung des Muskels verläuft, der hintere aber von der Hauptriehtung abbiegt und in den nächsten dicht anliegen- den Quermuskel übergeht. Dieser Muskel (Fig. 2 rn,) (Breite 0,012 mm) zeigt dorsale und ventrale Unterbrechung. Im Verhältnis zu der Quermuskulatur des Mundtrichters ist die Quermuskulatur des übrigen Körpers schwach ausgebildet. Vollstän- dig geschlossene Ringmuskeln kommen hier nicht vor; die Muskeln zeigen auf dem Rücken, auf dem Bauch oder auf beiden Flächen Unterbrechungen. Zwischen der Körperfurche und der Haftscheibe liegen drei bis 0,003 mm breite Quermuskeln. Der vordere verläuft etwa in der Mitte zwischen der Ringfurche und der Haftscheibe senkrecht zur Körperlängsachse und ist nur auf dem Rücken nicht geschlossen (Fig. 1 und 2 rm;). Die beiden anderen Quermuskeln (Fig. 1 und 2 rınz und rm,) sind dem vorderen Muskel parallel und sowohl auf der Bauchfläche wie auf dem Rücken unterbrochen. An dieser Stelle füge ich die Beschreibung eines ie: an, dessen Zugehörigkeit zur Quermuskulatur nicht zweifellos ist(Fig. 1 rm; ,). Er entspringt jederseits an dem vorderen Rande der Haftscheibe und wendet sich schräg nach hinten. Auffällig ist es, dass dieser Muskel unter einem Hautlängsmuskel vorbeizieht, während sonst Quermuskeln Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 181 stets über den Längsmuskeln liegen. Unter diesem Längsmuskel (Fig. 1 o/m,) theilt sich der Quermuskel (Breite 0,009 mm) in drei gleich starke divergirende Äste (Breite eines Astes 0,004 mm); der vordere Ast (Fig. 1 rm,, a) wendet sich nur wenig nach hinten und sreift auf den Rücken über. Der mittlere Ast (Fig. 1 rmı, d) wendet sich ebenfalls nach den Seiten und dem Rücken, aber etwas weiter dem hinteren Körperende zu. Der dritte Ast endlich (Fig. 1 rmıo e) verläuft nur auf der Bauchseite bis fast an das Körperende. Die Längsmuskulatur des Rückens ist schwach ausgebildet und besteht aus drei Muskelpaaren, von denen zwei im Dienste des Mundtrichters stehen. Die Ursprungspunkte des vordersten Muskel- paares (Fig. 2 d/m,) liegen dicht neben einander hinter dem vierten Quermuskel unmittelbar vor dem dorsalen Taster. Die Muskeln (Breite 0,003 mm) verlaufen divergirend in flachem Bogen nach vorn, wo sie an dem zweiten Quermuskel enden. In der Höhe der Ringfurche inseriren an der Haut zwei stärkere Längsmuskeln (Fig. 2 d/m;) (Breite 8 «), welche bis zum fünften Quer- muskel konvergiren, dann aber parallel verlaufen und nicht weit von den Ursprungsstellen der vorderen Längsmuskeln wie diese am vier- ten Quermuskel endigen. Für eine sroße Strecke seines Verlaufes als Längsmuskel zu bezeichnen ist ein schon im Eingange dieses Kapitels (p. 179) er- wähnter und in seinem Verlaufe kurz geschilderter Muskel. Das Muskelpaar verläuft auf dem Rücken von dem hinteren Körperende bis etwa in die Mitte des ausgestreckten Körpers (Fig. 1 und 2 d/m,), biegt dann in flachem Bogen jederseits nach den Seiten und dem Bauche; dort verläuft jeder der beiden Muskeln parallel mit dem siebenten Quermuskel zwischen diesem und der Ringfurche. Die Bezeichnung »Längsmuskel« hat demnach bei dem erwachsenen Apsilus für die- sen Muskel nur für die dorsale Strecke seines Verlaufes Berechti- gung (Breite des Muskels 0,003 mm). Auf der Bauchfläche ist die Längsmuskulatur kräftiger entwickelt wie auf dem Rücken, aber nur in der vorderen Körperhälfte. Der hinteren Körperhälfte fehlt auf der Bauchseite die Längsmuskulatur vollständig. Auffällig ist es, dass von den vier Längsmuskelpaaren der Bauch- seite sich jederseits die beiden inneren Muskeln in ihrem Verlaufe kreuzen, während die beiden äußeren normaler Weise annähernd parallel verlaufen. Als Ansatzpunkt für das mittlere Paar (Fig. 1 v/m,) dient das 182 | Reinhard Gast, innere Feld der Haftscheibe. Von dort ziehen die beiden 0,015mm breiten Muskelbänder zunächst nur wenig divergirend nach vorn bis zur Körperringfurche, um dort ziemlich scharf nach den Körperseiten umzubiegen, wo sie vor den lateralen Tastern enden. Ein zweites Paar (Fig. 1 oZm,) nimmt dicht vor dem zehnten Quermuskel seitlich von der Haftscheibe seinen Anfang und verläuft konvergirend bis vor den siebenten Quermuskel in einer Stärke von 0,025 mm. Der größere Theil der diese Muskelbänder zusammensetzenden Fibrillen endet vor dem genannten Quermuskel, während die übrigen und zwar die inneren unter dem Längsmuskel vo/m, vorbei als 0,007 mm breites Band bis zu dem vorderen Mundtrichterrande verlaufen. In der Nähe desselben theilt sich der Muskel in zwei Äste, von denen der innere mit dem der Gegenseite in der Medianlinie zusammentrifft, während der äußere am Mundtrichterrande endet. Die beiden anderen Längs- muskelpaare treten nicht mit dem Mundtrichter in Verbindung. Das dem Körperrande am nächsten liegende Paar wird jederseits von einem 0,018 mm breiten Bande gebildet (Fig. 1 voZm,), dessen hinteres Ende ungefähr in gleicher Höhe wie das des Muskels v/m, liest. Vorn endigt der Muskel dieht an dem siebenten Quermuskel. Zwischen den vierten und zweiten Längsmuskel schiebt sich ein kurzer Längs- muskel ein (Fig. 1 vZm;), dessen vorderes Ende vor dem neunten Quermuskel, dessen hinteres Ende hinter dem zehnten Quermuskel liegt. Wie schon erwähnt, zieht der zehnte Quermuskel unter diesem Längsmuskel vorbei (Breite des Längsmuskels 0,018 mm). Die den Körper durchziehenden Muskeln, die sogenannten Lei- beshöhlenmuskeln, zerfallen in zwei Gruppen. Die einen ver- laufen im Körper der Längsachse desselben annähernd parallel und werden als Längsmuskeln bezeichnet, die anderen verbinden die Bauch- und Rückenfläche fast senkrecht zur Frontalebene des Thieres und werden als dorsoventrale Muskeln angeführt werden. Es sind vier Paar Längsmuskeln vorhanden, die alle den Mund- trichter mit dem übrigen Körper verbinden und als Retraktoren des Mundtrichters wirken. | Das mittlere Paar (Fig. 1, 2 Zim,) entspringt auf dem Rücken über dem Kauapparat und zieht parallel flach unter der Haut bis zu dem Gehirne, durchbohrt dieses und tritt an die innere dorsale Wan- dung des Mundtrichters.. Hinter dem Gehirne giebt jeder Muskel auf seiner äußeren Seite einen kurzen, in spitzem Winkel sich abzwei- senden Ast ab, der auf der inneren dorsalen Mundtrichterwandung Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 183 sich anheftet. Der Hauptstamm der beiden Muskeln theilt sich etwa unter der Ringfurche des Mundtrichters in zwei gleich starke Äste, von denen der innere der Medianlinie des Thieres zustrebt, der äußere nach den Seiten abbiegende Ast sich wieder in zwei Äste spaltet. Mit diesen Verzweigungen inserirt jeder Muskel an dem vorderen Mundtrichterrande (Breite des Muskels Z/m, 0,012 mm, seiner Ver- zweigungen 0,005 mm). Die beiden folgenden Muskelpaare inseriren dicht neben einander an den Seiten des Mundtrichters, verlaufen aber divergirend, das eine zum Bauch, das andere zum Rücken. Das ven- trale Muskelpaar (Fig. 1 Z2ms) entspringt vorn unmittelbar an den End- punkten des zweiten Quermuskels (Fig. 1 rma), so dass es als Fort- setzung desselben erscheint, und zieht flach unter der Haut nach hin- ten, wo sich jeder Muskel hinter dem sechsten Quermuskel (Fig. 1 »m,) in zwei Äste spaltet. Der innere Ast inserirt dicht an dem vorderen Endpunkt des vierten ventralen Längsmuskels (Fig. 1 v/m,), der äußere Ast seitlich neben diesem (Breite des Muskels Z/m, 0,011 mm). Das dorsale Muskelpaar (Fig. 2 Z/m,) entspricht in seinem Verlaufe dem eben geschilderten ventralen Paar Z/m,. Die vorderen Insertions- punkte der beiden Muskeln liegen neben den Endpunkten von Zims, die hinteren auf dem Rücken unmittelbar vor dem Hautmuskel dim; (Fig. 2) an der Biegung desselben nach den Körperseiten (Breite von Lim, 0,011mm). Das vierte Längsmuskelpaar endlich (Fig. 2 Lim,) wird jederseits von einem kräftigen bis 0,013 mm breiten Muskel ge- bildet, der vorn an den Seiten des Mundtrichters unmittelbar vor den lateralen Tastern endet und auf dem Rücken seitlich in der Höhe des vorderen Kaumagenrandes seinen Ursprung nimmt. Die dorsoventralen Muskelzüge werden von vier Paaren brei- ter Bänder gebildet, die ihre Fläche, wie die beiden vorderen Paare, den Körperseiten oder, wie die beiden hinteren, den Körperenden zukehren. Die Haftscheibe wird durch zwei bis 0,031 mm breite Bänder (Fig. 1, 2, und 10 dv,) mit dem Rücken verbunden. Wäh- rend diese Muskeln an der Haftscheibe selbst inseriren, endigen die beiden eben so breiten äußeren Bänder am Boden der Ringfurche (Fig. 1, 2 und 10 dov,). Zwischen dem Kaumagen und den seitlichen Ausbuchtungen des Blasendarmes zieht auf jeder Seite ein 0,025 mm breiter Muskel hindurch (Fig. 1 und 2 dv,), dessen dorsaler Ursprungs- punkt etwas nach hinten verschoben liegt. Parallel mit diesem Muskel, ‚aber der Mittellinie des Körpers näher verläuft hinter dem Magen und Blasendarm ein 0,015 mm breiter Muskel (Fig. 1 und 2 dv,), der sich kurz vor seiner Insertion in zwei ungleich starke Aste spaltet. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 13 184 Reinhard Gast, Der äußere stärkere Ast verläuft in der Richtung des Muskels, der innere schwächere liegt medianwärts nach dem After und vereinigt sich mit dessen Sphinkter. Ich füge an dieser Stelle die Beschreibung einer Anzahl von Muskeln hinzu, die sich durch ihre Endigungsweise und ihren auf- fälligen Verlauf vor den Haut- und Leibeshöhlenmuskeln auszeich- nen. Um die gesonderte Stellung dieser Muskeln im Muskelsystem hervorzuheben, sind sie auf der Taf. VII in den Figuren 1, 2 und 3 srau gehalten. Während die Haut- und Leibeshöhlenmuskeln an ihren Endpunkten die gleiche Stärke behalten, sich also weder ver- breitern noch verschmälern und eben so wenig ihre histologische Beschaffenheit ändern, weisen die vorliegenden Muskeln an ihren Endpunkten fast durchgängig eine mehr oder weniger starke Ver- breiterung auf, die in einzelnen Fällen (Taf. VII, Fig. 3 am Endpunkt von mb, und md,) einen ovalen Kern enthält. Dieser verbreiterte Ansatz wird von körnigem Plasma gebildet, ist demnach nicht kon- traktil, und geht allmählich in die homogene stark färbbare kontraktile Substanz über. Auf dem Rücken des Thieres findet sich nur ein zu dieser Gruppe sehöriger Muskel (Taf. VII, Fig. 2 md), der sich bogenförmig quer über die Trichterwandung ausspannt und jederseits an der Ringfalte des Mundtrichters endet. Seitlich von den Muskeln d/m, giebt er jeder- seits einen kurzen Ast nach hinten ab. Zwischen dieser Spaltung und dem Endpunkt liegt auf jeder Seite ein Kern. Auf der inneren dorsalen Triehterwandung liegt hinter der Ga- belung der beiden mittleren Retraktoren ein ovaler Ring von kon- traktiler Substanz (Taf. VII, Fig. 1 mör), dessen Längsdurchmesser parallel der Querachse des Körpers ist. Von diesem Ring verlaufen jederseits drei etwa 3 «u breite Muskeln nach den Seiten und nach hinten. In der Medianlinie der Mundtrichterfläche zieht ebenfalls ein Muskel von ihm aus nach hinten, der wie die übrigen von dem Ring ausstrahlenden Muskeln in einiger Entfernung von seinem Ur- sprung mit schwacher Verbreiterung an der Haut inserirt. Die vor- deren beiden Muskeln geben nach vorn einen nicht kontraktilen Zweig ab, der mit den mittleren Retraktoren in Verbindung zu treten scheint. Zwei weitere Muskeln nehmen an dem vorderen dorsalen Mund- trichterrande ihren Anfang und verlaufen, die inneren Äste der mitt- leren Retraktoren kreuzend, bis zur Medianlinie des Mundtrichters, wo sie zusammentreffen und ein kurzes Stück gemeinsam neben einan- der hinziehen (Taf. VII, Fig. 1 nd). Dann weichen sie aber bald Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 185 wieder aus einander und endigen an den seitlichen ventralen Re- traktoren. | | Von der Bauchfläche sind drei Paar zu dieser Gruppe gehörige Muskeln zu erwähnen. Zwei von ihnen nehmen ihren Ursprung an dem hinteren Rande der Haftscheibe und ziehen von dort im Bogen bis zu dem zehnten Quermuskel. Hier endet der innere Muskel, nachdem er vorher nach hinten einen schwächeren Ast abgegeben hat. Der äußere (Fig. 1 und 3 md,) verläuft unter dem Quermuskel und dem zweiten Längsmuskel vorbei gestreckt schräg nach vorn, wo er sich unter dem siebenten Quermuskel stark verbreitert und in zwei Äste theilt, von denen nur der innere kontraktil ist, der äußere als Fortsetzung des Hauptstammes in körniges, einen Kern enthal- tendes Plasma übergeht. Der innere Ast zieht schräg nach der Mittellinie, wo er mit dem entsprechenden Muskel der Gegenseite etwa zwischen dem dritten und vierten Quermuskel zusammentrifft. Unmittelbar nach seiner Trennung von dem Hauptstamm giebt dieser innere Ast nach der Seite einen sich verästelnden Zweig ab. An der Stelle, an der der zehnte Quermuskel an dem Endpunkt von vlmz vorüberzieht, inserirt jederseits ein schwacher Muskel (Taf. VII, Fig. 1 und 3 md;) mit nicht kontraktiler, kernhaltiger Verbreiterung und verläuft senkrecht zu den Körperseiten, wo er endigt. Funktion der Muskulatur. Was die Funktion der einzelnen Muskeln betrifft, so stehen die- selben mittelbar oder unmittelbar mit den Bewegungen des Mund- trichters in Verbindung. Wie schon erwähnt, bestehen die Be- wegunsen des Mundtrichters, abgesehen von geringen Biegungen nach den Seiten, zunächst darin, dass sich die Trichterwände einwölben. In diesem Zustande wird dann der Trichter in den Körper gezogen. Das Einwölben der Trichterwandungen wird durch die kräftig ent- wiekelte Ringmuskulatur und die schwächeren Längsmuskeln der Haut bewirkt, während die Retraktion durch die vier Paare den Kör- per in der Längsrichtung durchziehenden, zur Gruppe der Leibes- höhlenmuskeln gehörigen Längsmuskeln vollzogen wird. Über das Ausstülpen des Mundtrichters äußert sich von den Autoren nur MEcZ- nıkow. Nach ihm ist es »zweifellos, dass dieses Ausstülpen des Rüssels durch die Aufnahme von Wasser zu Stande kommt, welche Erklärung auch mit der Thatsache übereinstimmt, dass im ausgestülp- ten- Zustande der Rückentheil des Rüssels an Dicke sehr bedeutend zunimmt«. Allerdings ist es MEcznıkow nicht gelungen, »irgend eine 13* 186 Reinhard Gast, für die Wasserzufuhr bestimmte Öffnung zu finden< (9, p. 348). Diese Beobachtungen stimmen mit meinen Untersuchungen in so fern über- ein, als das Hervorstülpen des Mundtrichters wirklich durch Auf- nahme von Flüssigkeit zwischen die Trichterwandungen erfolgt. Aber Mecznıkow’s Annahme, dass diese Flüssigkeit Wasser sei, ist falsch. Es ist die Körperflüssigkeit, deren Einströmen zwischen die Wan- dungen des Mundtrichters durch die Kontraktion der vier Paar dorso- ventralen Muskeln bewirkt wird, welche in ihrer Funktion durch die Quermuskulatur des Körpers unterstützt werden. Durch die Kon- traktion der genannten Muskeln werden die Wandungen des Körpers einander genähert, wodurch auf die Körperflüssigkeit ein Druck aus- geübt wird. Diesem Druck kann die Flüssigkeit nur nach vorn aus- weichen, indem sie zwischen die Wandungen des Mundtrichters ein- strömt und diesen selbst zum Ausstülpen bringt. Nach Erschlaffung der dorsoventralen Muskeln und gleichzeitiger Kontraktion der Mund- trichter-Muskulatur kann die Körperflüssigkeit wieder in den hinteren Theil des Körpers einströmen und die Retraktion des Mundtrichters ermöglichen. Histologie der Muskeln. Histologisch sind die Gruppen der Haut- und Leibeshöhlenmus- keln scharf von einander zu unterscheiden. Die ersteren bestehen aus einer je nach ihrer Breite größeren oder geringeren Anzahl von Fibrillen, welche dicht neben einander liegen. Bei kürzeren Längs- muskeln zeigen die Fibrillen während ihres Verlaufes keine Unter- brechungen; die längeren Längsmuskeln sind, wie es auch ZELINKA für die Quermuskulatur von Callidina symbiotica festgestellt hat (13, p. 68 und Taf. XXVI, Fig. 5), »aus mehreren auf einander folgenden Bandstreifen von Fibrillen« zusammengesetzt. Die breiten Bänder der Quermuskeln zeigen den gleichen Bau. Muskelkörperchen habe ich an keinem der zahlreichen Hautmuskeln der Mundtrichterwan- dungen gefunden. Als Muskelbildungszellen für einen Theil der Hautmuskeln der Bauchfläche spreche ich eine Anzahl mit einander in Verbindung stehender Zellen an, die ich in Fig. 3 wiedergege- ben habe. | Das Plasma der Leibeshöhlenmuskeln ist in kontraktile Substanz und diese einhüllendes körniges Plasma differenzirt. Im einfachsten Falle bildet das körnige Plasma eine Scheide um die kontraktile Substanz (Fig. 28). An einer bestimmten Stelle liegt in einer Vor- wölbung des niehtkontraktilen Plasmas ein Kern. Eine andere Art Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 187 der Differenzirung veranschaulicht Fig. 27. In diesem Falle ist die kontraktile Substanz innerhalb des körnigen Plasmas als zwei Längs- stränge ausgeschieden, die, durch nicht kontraktiles Plasma getrennt, parallel neben einander verlaufen. Bei den breiten dorsoventralen Leibeshöhlenmuskeln ist die Abscheidung der kontraktilen Substanz in derselben Weise erfolgt, wie es PLATE von Asplanchna myrmeleo Ehr. beschreibt (11, p. 81). Die kontraktile Substanz hat sich in einzelne in einer Ebene neben einander liegende Fibrillen von homogener Be- schaffenheit differenzirt, während das Sarkoplasma die Zwischen- räume ausfüllt und die Fibrillen auch nach außen umgiebt. Das körnige Plasma bildet wie bei den übrigen Leibeshöhlenmuskeln eine den ganzen Muskel einhüllende Scheide (Fig. 30). Bei den dorso- ventralen Muskeln ist die kernhaltige Vorwölbung des körnigen Plas- - mas besonders stark ‘entwickelt (Fig. 29). Sie erreicht eine Länge von 0,031 mm, eine Dicke von 0,02 mm. Der runde Kern hat einen Durchmesser von 0,008 mm. Bei gestrecktem Muskel ist die Plasma- scheide oft schwer zu erkennen. Bei der Kontraktion des Muskels lest sie sich in feine Querfältchen, die bei schwacher Vergrößerung eine Querstreifung des Muskels vortäuschen können. Die zellartige Vorwölbung der Muskelscheide ist natürlich als Muskelbildungszelle aufzufassen. Nervensystem und Sinnesorgane. A. Nervensystem. Die Untersuchung des Nervensystems bereitet manche Schwierig- keiten. Das Oentralnervensystem liegt im Bereich des sehr beweg- lichen Mundtrichters und lässt sich aus dem Grunde selten am leben- den Thiere beobachten. Seine Anatomie wurde desshalb in der Haupt- sache nur an gefärbten Totalpräparaten oder Schnitten festgestellt. Was das periphere Nervensystem betrifft, so muss ich leider auf eine Schilderung desselben verzichten; ich habe zwar einzelne Zellen und Fasern im Körper an verschiedenen Stellen gefunden, die ihrer Beschaffenheit nach dem Nervensystem anzugehören schienen, aber ich habe ihre Verbindung mit dem Gehirn nicht feststellen können. Von den früheren Autoren, die ja nur lebende Apselen unter- sucht haben, hat nur Mecznıkow das Gehirn gesehen und mit vier von diesem abgehenden Nerven kurz beschrieben. Auf den feineren Bau des Gehirns konnte aber auch er nicht näher eingehen, da zu 188 Reinhard Gast. der Erforschung desselben geeignete Färbungen und die Zerlegung in Schnittserien unbedingt nothwendig sind. Färbungen mit Hämatoxy- lin, Hämalaun und Alaunkarmin ergaben die günstigsten Resultate, da sie die Kerne der Ganglienzellen am deutlichsten hervortreten ließen. Das Gehirn liegt beim ausgestreckten Thier dorsal auf der Grenz- furche zwischen Vorder- und Hinterkörper, zwischen den beiden Triehterwandungen, der inneren Wandung dicht angeschmiegt (Fig. 2 und 11 G). Von der Fläche gesehen (Fig. 2 und 13) hat das Gehirn etwa die Gestalt eines Rechteckes, dessen kürzere Seiten (bei er- wachsenem Thier 0,02 mm lang) parallel der Längsachse des Körpers, die längeren (0,05 mm lang) parallel der Querachse des Körpers ver- laufen. Der Hinterrand des Gehirns zeigt eine flache Einbuchtung. Von der Seite betrachtet hat das Gehirn eine birnförmige Gestalt, das stärkere Ende nach vorn, das zugespitztere nach hinten wendend. Auffällig ist der Umstand, dass das Gehirn rechts und links von den beiden mittleren Retraktoren des Mundtrichters durchbohrt wird. Die- selben treten an dem hinteren Rande des Gehirns ein, ziehen durch die Punktsubstanz ziemlich dicht über der Ventralfläche derselben hin und treten unterhalb des Vorderrandes wieder aus der Gehirn- masse. Die Masse des Gehirns wird von der Punktsubstanz und von Ganglienzellen gebildet, deren Plasma allerdings sich so wenig von der umgebenden Punktsubstanz abhebt, dass ihre Zahl und Lage nur nach den ovalen Kernen, die durch ihre stark färbbaren Kernkörper- chen auffallen, festgestellt werden konnte. An Medianschnitten (Fig. 11) erkennt man, dass die dorsale Fläche des Gehirns von einer gleich- mäßigen Lage von Ganglienzellen bedeckt wird, während auf der ventralen Fläche nur etwa die vordere Hälfte von Ganglienzellen eingenommen wird. Zwischen die dorsale und ventrale Schicht von Ganglienzellen schiebt sich eine mittlere Schicht von geringer Aus- dehnung ein. An Querschnitten lässt sich nachweisen, dass diese mittlere Schicht jederseits von etwa vier oder fünf Zellen (die Zahl habe ich nicht genau feststellen können) zusammengesetzt wird, welche in zwei Reihen angeordnet liegen. Die vordere Reihe lässt in der Mitte einen breiten Zwischenraum frei, während die hintere aus je einer dicht neben der Medianlinie liegenden Zelle besteht (Fig. 14). Der Querschnitt, der diese beiden ziemlich isolirt in der Punktsub- stanz liegenden Zellen trifft, hat in so fern Ähnlichkeit mit einem Quersehnitt durch den mittleren Theil des Gehirns von Discopus sy- naptae, wie ihn ZELINKA in seiner Fig. 34 auf Tafel XXXIV (14) Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 189 abbildet, als auch dort symmetrisch zwei Zellen in der Punktsubstanz isolirt sich finden. Auch die Ganglienzellen der dorsalen äußeren Schicht sind, wie sich bei genauerem Studium an günstigen Totalpräparaten feststellen lässt, nicht nur symmetrisch angeordnet, sondern auch auf eine be- stimmte Zahl beschränkt. Sie lassen eine Anordnung in einzelnen hinter einander liegenden Reihen erkennen (Fig. 13). Die hinterste Reihe bilden jederseits drei Zellen, von denen die äußerste über dem Eintritt des Retraktors Z/m, in das Gehirn liegt; zwischen den in- neren Zellen dieser Reihe bleibt ein weiter Zwischenraum. Vor diesen hinteren Ganglienzellen liegt eine zweite Reihe von je vier Zellen; der mittlere Theil dieser lückenlosen Reihe ist etwas nach hinten verschoben. Seitlich von diesen Reihen liegt jederseits eine Zelle. Die dritte Reihe besteht ebenfalls aus jederseits vier Zellen, von denen die äußerste weit nach der Seite des Gehirns verschoben liegt. Alternirend mit diesen Zellen, etwa den Zellen der hintersten Reihe entsprechend, liegen nahe dem Vorderrande je drei Zellen. Von der vordersten Reihe habe ich die Zahl der sie bildenden Zellen nicht mit Sicherheit feststellen können, da an dem Vorderrande des Ge- hirns die drei vertikalen Schichten sehr dicht an einander liegen, wesshalb die Vertheilung der Zellen auf die einzelnen Schichten auch bei stärkster Vergrößerung mir an Totalpräparaten nicht klar gewor- den ist. Nur zwei unmittelbar neben der Medianlinie liegende Zellen der vordersten Reihe sind desshalb besonders auffällig, weil sie etwas über das Niveau der Gehirnoberfläche hervorragen. Sie sind in die beiden mittleren Wurzeln des zum dorsalen Taster führenden Ner- ven eingeschaltet (Fig. 13). Die Zellzahl der ventralen Schicht habe ich bei der Schwierigkeit, die isre Erforschung macht, ebenfalls nicht feststellen können. Vermuthlich ist aber auch dort eine bilateral symmetrische Anordnung der Zellen vorhanden. MECZNIKOW hat nur die vier kräftigsten, an den »Ecken« des Gehirns entspringenden Nerven beschrieben. Zu diesen vier Nerven kommen noch fünf, so dass die Zahl der vom Gehirn ausgehenden Nerven neun beträgt. In der Medianlinie verläuft ein Nerv, welcher den dorsalen Taster mit dem Gehirn verbindet. Dieser Nerv (Fig. 13 mN) entspringt in der Mitte der vorderen dorsalen Fläche des Gehirns mit sechs symmetrisch neben einander liegenden Fasern, in die je eine Ganglienzelle eingeschaltet ist. ‘Die beiden mittleren Zellen, die in die Oberfläche des Gehirns etwas eingebettet sind, habe ich oben schon erwähnt. Das zweite Zellpaar zeichnet sich 190 | Reinhard Gast, dureh seine, die Kerne der übrigen Ganglienzellen etwas an Größe übertreffenden Kerne aus; die äußeren Zellen zeigen keine Besonder- heiten. An den vorderen Ecken des Gehirns entspringt jederseits ein starkes Nervenbündel (Fig. 13 v.8»), in das etwa fünf Ganglien- zellen eingeschaltet sind. Bald nach dem Austritt aus dem Gehirn _ theilt sieh jeder Nerv in zahlreiche Fasern, von denen die der Medianlinie am nächsten liegende in gerader Linie zu einem zwi- schen den Insertionspunkten der beiden seitlichen Retraktoren des Mundtrichters liegenden Sinnesorgan zieht (Fig. 2). Die Endigungen der übrigen Fibrillen habe ich nicht beobachten können. Auf der Unterseite des Gehirns entspringt jederseits in der Nähe der hinteren Ecken des Gehirns ein schwacher Nerv, der senkrecht zur Körper- längsachse verlaufend an dem seitlichen dorsalen Retraktor des Mundtrichters endet (Fig. 13 m.Sr). Die Endigung geschieht in der Weise, dass sich der Nerv zu einer niedrigen Plasmapyramide er- weitert, die sich mit ihrer Basis dem Muskel anschmiegt und einen Kern enthält, der sich von den Kernen der Ganglienzellen nicht _ unterscheidet (Fig. 2). Ein kräftiger Nerv entspringt an den hinteren Eeken des Gehirns neben der Eintrittsstelle der Retraktoren(Fig.13%87). Nicht weit von seiner Ursprungsstelle löst er sich in zwei Äste auf, von denen sich der vordere in drei Nervenfasern spaltet. Den Ver- lauf des hinteren Astes, der sich etwas nach dem Bauche zu wen- det, habe ich nicht erforschen können. Von den Fibrillen des vor- deren Astes ist mir die Endigung der ersten nach vorn verlaufenden Faser unbekannt. Die mittlere Faser tritt in kolbiger Anschwellung (Fig. 2) in die innerhalb des Mundtrichters an der Seite über dem lateralen Taster liegende Papille. Die hintere Nervenfaser verläuft zu dem lateralen Taster, dort ebenfalls eine Anschwellung bildend. Am Hinterrande des Gehirns entspringen noch zwei schwache Ner- ven, in welche je eine Ganglienzelle eingeschaltet ist (Fig. 13 AN). Da die Nerven in ihrem Verlaufe sich der Unterseite der mittleren Retraktoren dieht anschmiegen, sind sie schwer zu verfolgen. Zwi- schen diesen beiden Nerven und eben so seitlich von dem Gehirn liegen verstreut einzelne periencephalische Ganglienzellen (Fig. 13 2.G). Dem hinteren eingebuchteten Gehirnrande liegt eine große ceylin- drische Zelle an (Fig. 13 und 15 P/m), die sich zwischen den beiden mittleren Retraktoren Z/m, ausdehnt. Betrachtet man das Gehirn mit der ihm anliegenden Zelle von der Fläche (Fig. 13), so bildet die hintere Begrenzung der letzteren eine gerade Linie, während die vordere entsprechend der konkaven Einbuchtung des hinteren Ge- Beiträge zur Kenntnis voh Apsilus vorax (Leidy). 191 hirnrandes konvex erscheint. Die Breite der Zelle, deren Plasma feinkörnig ist, wird durch den Abstand der beiden mittleren Retrak- toren bestimmt, der Längsdurchmesser beträgt 0,011 mm. In der Medianlinie liest ein großer querovaler Kern mit scharf hervortreten- dem Kernkörperchen (Maße des Kernes 0,012: 0,004 mm). Wenn sich auch diese Zelle, abgesehen von ihrer Größe, durch die geringere Färbbarkeit ihres Plasmas und die Struktur ihres Kernes von den Ganglienzellen etwas unterscheidet, so liegt in Folge der engen Lage- beziehung der Zelle zum Gehirn doch die Vermuthung nahe, dass wir sie als Riesenganglienzelle aufzufassen haben. B. Sinnesorgane. Bei der Betrachtung des lebenden Thieres fällt in der Mitte der dorsalen äußeren Triehterwandung unmittelbar hinter dem vierten Quermuskel eine kleine kreisrunde Verdickung der Cutieula auf, die durch ihr glänzendes Aussehen scharf von der Umgebung absticht. An Schnitten und guten Totalpräparaten lässt sich der Bau dieses Sinnesorgans genauer erforschen. Die runde Verdiekung, welche einen Durchmesser von 4—5 u hat, bildet einen Wall (Fig. 9 Cw) um eine Einsenkung von etwa 0,002 mm Durchmesser. Unter der Haut löst sich der mediane Nerv in der Nähe der Verdiekung der Cutieula in einzelne Fibrillen auf, die in einer flächenartig unter der Haut ausgebreiteten, nach vorn von rm,, an den Seiten von den bei- den Hautlängsmuskeln d/m, begrenzten großen Ganglienzelle enden (Fig. 9 Pl). Unmittelbar hinter der Hautverdickung liegt in dem Plasma ein ovaler Kern, von derselben Beschaffenheit und gleichen Dimensionen wie die der übrigen Ganglienzellen. Nach vorn ent- sendet die Zelle zwei zellartige Ausläufer (Fig. 9 Gz), die sich dicht der äußeren Kante der Muskeln d/m, anlegen, indem sie sich in einen feinen Fortsatz verlängern. Wenn auch Tastborsten vollständig fehlen, so ist doch das eben beschriebene nervöse Organ als »dorsaler Taster« aufzufassen. Die Ansicht PLare’s (11, p. 93), dass bei Apselus sich der dorsale Taster in die weiter unten als laterale Taster beschrie- benen Organe getheilt habe, wird demnach hinfällig. Dicht hinter den vorderen Insertionspunkten der beiden seitlichen Retraktoren Z/m, und Lim, liegt ein eigenthümliches Sinnesorgan, für das ein Analogon bei anderen Rotatorien zu fehlen scheint. An der genannten Stelle verdickt sich die Cuticula zu einer flachen Linse (Fig. 21 Owl), der nach innen ein Chitinstäbchen senkrecht aufsitzt. Dieses Stäbchen erreicht eine Länge von 7—8 u, eine 192 Reinhard Gasi, Stärke von I—2 u und ist in der Regel schwach wellenförmig ge- bogen. Das freie Ende des Stäbchens ist abgerundet und etwas verdickt, so dass dort der Durchmesser etwas über 2 u beträgt. In seiner ganzen Ausdehnung ist das Stäbchen (Fig. 21 St) von einer zarten Plasmascheide umhüllt, die an dem freien Ende des Stäbehens in eine meist birnförmig gestaltete Plasmamasse übergeht (Fig. 21 Pbm). Bei erwachsenen Thieren beträgt die Länge der Plasmamasse vom Ende des Stäbchens bis zu dem freien Ende durchschnittlich 0,023 mm, die größte Breite etwa 0,014 mm. (In einem Falle waren die Plasma- körper sehr stark entwickelt, ihre Länge betrug 0,038 mm, ihre größte Breite 0,026 mm.) In der Mitte des Plasmakörpers liegen vier runde Kerne (Fig. 21 A) dieht zusammengedrängt (Durchmesser der Kerne 0,005 mm). An das freie Ende der Plasmabirne tritt eine sich von dem vorderen seitlichen Nerven abzweigende Nervenfaser heran. Da diese Sinnesorgane an einer Stelle liegen, die ungefähr dem Platze entspricht, den die Augen bei den Larven einnehmen, so liegt der Gedanke nahe, dass wir in den Organen die metamorphosirten Augen vor uns haben. Da Pigment fehlt, ist wohl eine optische Funktion der Organe ausgeschlossen. Die lateralen Taster werden von MEcznıkow und Miss FOULKE erwähnt; von Leipy und Forses sind sie nicht beobachtet worden. Sie liegen rechts und links, der Bauchfläche näher wie dem Rücken, im Bereich des Mundtrichters zwischen dem vierten und fünften Quer- muskel. An dieser Stelle bildet die Cutieula eine röhrenförmige Ausstülpung von ungefähr 0,009 mm Durchmesser, die an der nach hinten gewendeten Seite eine Vorwölbung zeigt. Die Chitinröhre bildet an ihrem freien Ende eine nach innen sich napfförmig erweiternde Einstülpung (Fig. 20 cu), deren dem Inneren zugewen- deter Rand fein gezähnt ist. Der von dem hinteren seitlichen Nerv hSn sich abzweigende Tasternerv schwillt bei seinem Eintritt in den Taster (Fig. 20 Nr) etwas an, so dass sein Durchmesser dem der napfförmigen Einstülpung der Tasterröhre gleichkommt. In der Anschwellung liegt ein ovaler Kern (Fig. 20 X). Durch die Öffnung der Röhre tritt der Nerv halbkugelig hervor und trägt etwa 10 bis 15 lange, glashelle und unbewegliche Sinneshaare (Fig. 20 Fb). Sehr auffällig ist die direkte Verbindung der lateralen Taster mit dem Gehirn, da bei anderen Rotatorien die Tasternerven stets unter dem Ösophagus ihren Ursprung zu haben scheinen (PLArE, 11, p. 94). Augen sind nur bei jungen noch nicht festsitzenden Apselen aus- gebildet und von MECZNIKOW und Miss FOULKE erwähnt. Sie liegen Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 193 an den Seiten des Vorderkörpers vor dem Gehirn, dem Rücken näher wie dem Bauch, und bestehen aus einer kugeligen, stark lichtbrechenden Linse, welche auf einem napfförmigen rothen Pig- mentkörper aufliegt. Darmkanal (Fig. 1, 2 und 11). Bis auf einzelne Abweichungen, über die ich noch zu sprechen haben werde, lauten die Beschreibungen des Darmkanals bei den früheren Autoren fast gleich. Die Zugehörigkeit des Mundtrichters zu dem Darmkanal hat, wie schon erwähnt, nur Meczwıkow erkannt. Der Mundtrichter steht durch einen kurzen Ösophagus (Oe) mit dem sehr weiten, sackförmigen Kaumagen (Fin) in Verbindung, an dessen Grunde dorsal die Kauwerkzeuge liegen. Auf den Kaumagen folgt der diekwandige Magen (Ma), dem auf der Bauchseite der dreithei- lige Blasendarm (Bld) dicht anliegt. Die beiden seitlichen Aus- sackungen des letzteren werden von allen Autoren irrthümlicher Weise als dem Magen zugehörig beschrieben, obwohl sich die Wandungen der Aussackungen histologisch auffällig von der Magen- wand unterscheiden. Durch einen sehr kurzen Enddarm (Ed) führt der Blasendarm in die zweitheilige Kloake (X?) über. Die Mundtrichterhöhle ist von einer Chitinhaut ausgekleidet, die etwas zarter wie die Köpereutieula ist. Die Matrix der Auskleidung stellt wie die der Körperhaut ein sehr dünnes Syneytium dar, dessen wenig zahlreiche Kerne in Gestalt und Beschaffenheit denen der Hypodermis gleichen. In der Aufsicht erscheint die Chitinhaut der Mundhöhle fein punktirt. Diese Punktirung rührt davon her, dass sich die Haut in zahlreichen soliden Papillen erhebt, die zum größten Theil das Niveau der Haut nur wenig überragen (Fig. 23 P), in der Gegend des Gehirns aber eine Länge von 0,006 mm (Fig. 24 P) er- reichen. Um die im Grunde der Mundtrichterhöhle liegende Mund- öffnung erhebt sich die Haut jederseits in zwei buckelförmigen Er- höhungen, von denen die ventrale die dorsale etwas überragt. An ihrer Oberfläche sind diese vier Wülste mit langen, unbeweglichen Sinneshaaren besetzt. Rechts und links neben diesen Wülsten be- findet sich je eine flache, seitlich vor den lateralen Tastern je eine halbkugelige, ebenfalls Sinneshaare tragende Erhöhung. In der letz- teren endet mit kolbiger Anschwellung eine von dem hinteren seit- lichen Nerven sich abzweigende Nervenfaser (Fig. 2). Auch in den übrigen Wülsten liegen Ganglienzellen; doch habe ich deren Verbindung mit dem Gehirn nicht beobachten können. ia Reinhard Gast, Ösophagus (Hier, 142 Fund 21202) Die Auskleidung der Mundtrichterhöhle geht in die des Ösopha- sus (Oe) über. Im ruhenden Zustande stellt der kurze etwa 0,06 mm in der Länge messende Ösophagus einen engen, stark gefalteten Schlauch dar. Sein Lumen ist fast erfüllt von den radiär nach innen vorspringenden Falten der Cuticula. Die Matrix derselben, in der ich Zellgrenzen nicht habe finden können, erreicht eine Dicke von 0,022 mm. Ihre runden Kerne, die einen Durchmesser von 4—5 u haben, sind durch ihr 0,031 mm großes rundes Kernkörperchen auffällig. Dicht unterhalb des Mundes liegt ein kräftiger Ringmuskel (Fig. 1 und 2), der 2—3 u stark ist und als Sphinkter das Zusammenfalten des Ösophagus bewirkt. Irgend welche Dilatatoren fehlen dem Ösophagus. Die zur Nahrung dienenden ' 'Thiere werden vermuthlich durch den Druck des eingezogenen Mund- trichters durch den Ösophagus gepresst. Erwähnenswerth sind einige, gewöhnlich in Gruppen von zwei oder drei angeordnete, kernartige Gebilde, die auf dem Rücken der Matrix des Ösophagus dicht aufliegen. Sobald sie, was seltener der Fall ist, einzeln liegen, haben sie runde Gestalt mit einem Durch- messer von 4—5 u, während sie dort, wo sie in Gruppen zusammen- liegen, sich gegenseitig abplatten. Bis auf ein stark färbbares centrales Körperchen von 1—2 u Durchmesser nehmen diese »Kerne« die Farbe (Hämatoxylin) nicht an (Fig. 13 X). Die Bedeutung dieser Gebilde ist mir unbekannt. Kaumagen (Km in Fig. 1, 2, 11 und 12). Der Kaumagen füllt als weiter dünnwandiger Sack fast !/; des sesammten Körpers aus. Durch die vorderen dorsoventralen Muskeln dv, und dv, wird der Kaumagen stark eingeengt. Bei ausgestreckten Thieren kann sich der vor den genannten Muskeln liegende Abschnitt des Kaumagens ebenfalls sackartig erweitern, so dass der Eindruck erweckt wird, als ob ein besonderer Kropf zur Ausbildung gekom- men wäre. Auf diese nicht konstante Bildung ist vermuthlich der vordere Kropf, den Miss FOULKE von Apsilus bipera beschreibt, zurückzuführen. Wie die Wandung des Ösophagus besteht die des Kaumagens aus zwei Schichten, einer auskleidenden Chitinhaut und der nach der Körperhöhle zu aufliegenden Matrix derselben. Die letztere ist auf Sehnitten sehr leicht dadurch festzustellen, dass bei heißer Konser- Beiträge zur Kenntnis von Aspilus vorax (Leidy). 195 virung die Chitinmembran sehr stark zusammenschnurrt, während die plasmatische Matrix von der auskleidenden Membran losreibt und ihre ursprüngliche Lage beibehält. Am lebenden Thiere ist die Matrix in der Regel nur in der Nähe der runden Kerne (Durchmesser 0,005 mm) zu erkennen. Zellgrenzen fehlen. Die Intima besitzt trotz ihrer Feinheit eine außerordentliche Festigkeit, so dass sie den oft sehr kräftigen Angriffen der verschlungenen Thiere widerstehen kann. Ich habe Hydrachniden im Kaumagen beobachtet, die diesen fast ausfüllten und demnach mit ihren krallenbewehrten Beinen eine ziem- liche Kraft entwickeln konnten, habe aber niemals irgend eine Ver- letzung der Chitinhaut des Kaumagens wahrnehmen können, trotzdem die Hydrachniden oft stundenlang (in einem Falle über 6 Stunden) sich abmühten, mit Hilfe ihrer Krallen die Freiheit zu erlangen. Der Kaumagen ist von einem stark ausgebildeten Netz von Muskeln überzogen, das aus etwa vier in unregelmäßigen Abständen durch schwächere Muskelfasern verbundenen Ringmuskeln besteht. Durch diese Muskeln, von denen die Ringmuskeln eine Breite von 0,005 mm erreichen, wird die Verengerung des Kaumagens bewirkt, während die Erweiterung nach Erschlaffung der Muskulatur vermuthlich nur eine Folge der Elastieität der auskleidenden Membran ist. Kauwerkzeuge (Ka, Fig. 2 und 4 bis 8). Im Grunde des Kaumagens dicht unter der Rückenhaut liegen die kräftigen Kauwerkzeuge. Die früheren Autoren, die den Bau des Kauapparates nicht eingehender untersucht haben, geben in ihren Zeichnungen nur die dem Beobachter sofort auffallenden Stücke, die Mallei, wieder, während der umfangreiche Ineus, der bei der Betrach- tung vom Rücken aus von den Mallei verdeckt wird, weder gezeich- net noch erwähnt wird. Bis in alle Einzelheiten ist auch mir der Bau der Kauwerkzeuge nicht klar geworden, da ich die schalen- förmigen Rami des Incus mit ihren zahlreichen Leisten und ihren Zwischenwänden trotz vieler Mühe in ihrer Struktur nicht vollständig habe erkennen können. Ich verzichte desshalb auf eine bis in alle Einzelheiten genaue Beschreibung der Kauwerkzeuge und verweise auf die Fig. 4—8. Die Haupttheile des Kauapparates sind der Incus und der . Malleus. Der Incus besteht aus dem unpaaren Fulerum und den beiden Rami. . Das Fulerum (fm) ist ein etwa 0,02 mm langer Chitinstab, der 196 Reinhard Gast, in der Medianlinie des Thieres senkrecht zur Längsachse liegt und nach dem Rücken zu sich in zwei Äste spaltet, mit denen die Rami des Incus gelenkig verbunden sind. Die Rami (rs) sind sehr kräftig entwickelt. Sie stellen kugelige Schalen dar, die durch Leisten und Querwände verstärkt sind und an ihrer dem Hinterende zugewendeten Fläche zahnartige Vorsprünge tragen. Der dorsalen Fläche von jedem Ramus liegt je ein mit ihm ge- lenkig verbundener Malleus auf (ms), an dem ein seitliches Manu- brium (mm) und ein plattenförmiger Uneus (ws) zu unterscheiden ist; beide Theile sind allerdings fest mit einander verbunden. Das Ma- nubrium trägt den kräftigen stark gekrümmten Hauptzahn (72), der Uncus die geraden schwächeren Nebenzähne (Nz). Die Zahl der letzteren schwankt zwischen 5 und 3 und zwar kann an demselben Thier die Zahl auf den beiden Seiten verschieden sein. Die Masse, aus der die Zähne bestehen, unterscheidet sich in so fern von den übrigen chitinigen Stücken des Kauapparates, als diese die Farbe annehmen, während jene stets glashell bleiben. Über die Muskulatur und die Anordnung der den Kauapparat zum Theil einhüllenden Zellen gaben nur Schnittserien genügenden Aufschluss. Die Muskeln zerfallen in zwei Gruppen. Für die eine Gruppe dient das Fulerum einerseits und die Rami und seitlichen Enden der Mallei andererseits als Ansatzpunkt (mö). Durch Kon- traktion dieser Muskeln werden die Rami und die mit ihnen verbun- denen Mallei nach den Seiten bewegt, wodurch der Kauapparat zum Durchtritt der Nahrung geöffnet wird.- Das Schließen des Kauappa- rates wird durch die zweite Gruppe bewirkt. Der kräftigste Muskel derselben verbindet die äußeren Enden der Mallei mit einander, in- dem er sich auf der dorsalen Seite quer über den Kauapparat aus- spannt (mschl,), während die übrigen Muskeln dieser Gruppe und zwar jederseits zwei sich zwischen der Haut und den Mallei aus- spannen (mschl, und ,). Zwischen den Mallei und den Rami des Ineus spannt sich ebenfalls ein schwacher Muskel aus (m), der die Annäherung der beiden Chitinstücke durch seine Kontraktion bewirkt. Außer der in der Richtung der Querebene des Thieres erfolgen- den Bewegung des Öffnens und Schließens führen die Rami und Mallei eine drehende Bewegung aus, die in der Richtung der Fron- talebene vor sich geht. Von den Muskeln, welche diese Bewegungen leiten, habe ich nur die beiden in Fig. 6 mit m bezeichneten Mus- keln gefunden. Von den verschiedenen Bindegewebssträngen ist ein Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 197 dorsaler desshalb hervorzuheben, weil er den Kauapparat mit dem dorsalen Hautlängsmuskel d/m; verbindet (Fig. 2 mb). Die Kauwerkzeuge liegen in ihrem hinteren Theile in ein Pol- ster von symmetrisch angeordneten Zellen eingebettet, die zum Theil, nach ihrem vacuolisirten Plasma zu schließen, Drüsen darstellen (Fig. 6 dr). Die Bedeutung der übrigen kleinen, dieht gedrängten Zellen (Fig. 5 und 6 Z) ist mir unbekannt. Zwischen Kauapparat und Magen schieben sich Kerne von der- selben Beschaffenheit ein wie die oben (p. 194) beschriebenen dorsal der Ösophaguswandung aufliegenden Kerne (Fig. 5 2.). Aus dem Kaumagen gelangen die durch den Kauapparat zer- kleinerten Nahrungsbestandtheile in den Magen. Der Magen ist von dem Rücken aus betrachtet rund. In der Seitenansicht erscheint er im optischen Längsschnitt als Kreisausschnitt, indem seine Ventral- fläche durch den dieht anliegenden Blasendarm, die vordere Fläche durch den Kaumagen abgeplattet wird, während er sich dorsal- und eaudalwärts vorwölbt (Fig. 11 Ma). Bei eingezogenem Mundtrichter ist die Oberfläche des Magens glatt. Wird aber der Mundtrichter ausgestreckt, so wird der Magen ebenfalls etwas nach vorn gezogen, wodurch sich seine Oberfläche in Längsfalten legt. Die Magenwan- dung besteht aus einer Lage polygonaler Zellen, die, wie auch MEcz- NIKOW erwähnt, auf einer äußeren Membrana propria liegen. Sehr deutlich auch am lebenden Thiere sind die mit 0,002 mm großen centralen Kernkörperchen versehenen runden Kerne (Durchmesser 0,01 mm). Das Plasma dieser Zellschicht, die eine Dicke von 0,02 mm erreicht, neigt sehr zur Bildung von Vacuolen und ist mehr oder weniger stark durchsetzt von kugeligen Körnchen (durchschnittlich 0,006 mm im Durchmesser), die im Leben braun erscheinen und in Totalpräparaten und Schnitten durch ihre starke Färbbarkeit auf- fallen (Fig. 25 Tr). Die dem Magenlumen zugewendete Fläche der Zellen ist dieht mit langen, sehr feinen Cilien besetzt, die durch ihre lebhafte Bewegung den Mageninhalt beständig durch einander treiben. Blasendarm (Bid). Etwa in der Mitte seiner ventralen Fläche geht der Magen un- mittelbar in den dicht anliegenden Blasendarm über. Dieser sack- förmige Darmabschnitt schiebt sich zwischen den Magen und die Bauchwand ein und wird vorn durch den Kaumagen, dem er in sei- ner Breite gleichkommt, begrenzt, während er nach hinten sich bis fast zum Körperende erstreckt. Durch zwei in der Längsrichtung 198 Reinhard Gast, des Thieres um den Blasendarm verlaufende flache Furchen wird der- selbe in drei fast gleiche Abschnitte zerlegt, von denen der mittlere in der Dorsalansicht fast vollständig durch den Magen verdeckt wird. Da er auch in der Ventralansicht schwer zu beobachten ist, weil der Magen das Gesichtsfeld verdunkelt, so sind, wie schon erwähnt, die früheren Autoren zu der irrthümlichen Ansicht gekommen, dass die seitlichen Abschnitte des Blasendarmes Anhänge des Magens seien. Die Wandung des Blasendarmes ist sehr fein und aus Zellen zusam- mengesetzt, deren Grenzen nicht sichtbar sind. Die spärlichen Kerne sind etwas abgeplattet und von der Fläche gesehen rund (Durch- messer 0,011 mm). Die Wandung dieses Darmabschnittes ist von einem Netz feiner Muskelfasern umsponnen. Der sehr kurze Enddarm entspringt am vorderen ventralen Rande des Blasendarmes in der Medianebene, nimmt den Uterus auf und mündet in die Kloake. Kloake (Al und cKl, Fig. 1, 11, 12 und 19). Die Kloake hat die Gestalt einer Spindel, deren Längsachse in der Medianebene des Thieres liegt. Durch eine scharf ausgeprägte Ringfurche wird die Kloake in zwei Abschnitte getheilt. Der vordere kürzere Abschnitt nimmt von vorn das unpaare Gefäßendstück des Exkretionsorgans und auf der Dorsalseite den Enddarm auf. Da dieser Abschnitt kontraktil ist, rechnet ihn MEczZnıKow zu dem Ex- kretionsorgan. Dass aber diese kontraktile Blase nur ein Abschnitt der Kloake ist, beweist die Einmündung des Enddarmes. Die Kon- traktion erfolgt normaler Weise etwa jede Minute einmal und zwar ziemlich schnell, worauf die langsame Erweiterung wieder vor sich seht. In der Wandung des kontraktilen Abschnittes der Kloake, in der sehr zahlreiche Kerne symmetrisch angeordnet liegen, habe ich keine Muskelfasern finden können, welche die Kontraktion der Blase bewirken könnten. Die Erweiterung wird durch eine Anzahl Binde- sewebsstränge bewirkt, die schwer zu beobachten sind, wesshalb ich ihren Verlauf nicht feststellen konnte. Die einzelnen Stränge sind in der Fig. 19 angegeben (Bg). Zu erwähnen ist ein Ringmuskel, der die Mündung des Enddarms in die kontraktile Blase verschließen kann (Fig. 19 rm). Als Antagonisten dieses Muskels verlaufen jeder- seits zwei schwache Muskeln schräg nach vorn und hinten (Fig. 19 m). Der hintere nicht kontraktile Abschnitt der Kloake, in dessen Wandung ebenfalls symmetrisch angeordnete Kerne liegen, mündet auf der Bauchfläche zwischen den beiden ventralen Insertionspunkten Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 199 der dorso-ventralen Muskeln dv, (Fig. 1) durch den After nach außen. Diese beiden Muskeln geben auf ihrer Innenseite je einen Ast ab, der mit dem den After umgebenden Ringmuskel in Verbindung tritt. Magendrüsen (Fig. 1, 12, 26 Md). Als Magendrüsen sind zwei große spindelförmige Drüsen zu be- zeichnen, die auf der Bauchseite dem Blasendarm dicht anliegen, mit ihren hinteren verschmälerten Enden, die in den Furchen zwischen den seitlichen Aussackungen des Blasendarmes und dessen mittlerem Theile liegen, den Blasendarm umgreifen und dersal mit dem Magen in Verbindung treten. In der Regel ist die Gestalt der Magendrüsen spindelförmig, seltener zeigen sie eine Gestalt, die in Fig. 26 wieder- gegeben ist. Die äußere Begrenzung wird von einer feinen Membran gebildet, die sich auf der Bauchseite nach vorn in ein bis zu der Haftscheibe verlaufendes Ligament fortsetzt. Dieses Ligament steht durch einen Seitenast mit der Kloakenwandung in Verbindung. An dem hinteren dorsalen Drüsenende verlängert sich die Drüsenmembran zu einer feinen Röhre, die in den Magen mündet. Diese Einmündung ist nur an günstigen Längsschnitten gut zu erkennen (Fig. 25 Mdm), sie er- folgt zwischen den Magenzellen durch einen Spalt, der indessen nicht immer offen zu sein scheint. In dem grobkörnigen Plasma der Drüse liegen auf der Bauchseite ziemlich dieht zusammengedrängt sechs runde Kerne (Durchmesser 0,01 mm), deren centrales Kernkörperchen einen Durchmesser von 0,005 mm erreicht. Ich will an dieser Stelle noch mit einigen Worten auf die Funk- tion einzelner Darmabschnitte eingehen. Die durch den Mundtrichter in den Kaumagen beförderten Thiere werden, so weit sie zarter Na- tur sind, in kurzer Zeit durch die lebhafte Thätigkeit der Kauwerk- zeuge zerfleischt und gelangen durch Kontraktion des Kaumagens in den Magen, wo sie verdaut werden. Anders verhält es sich mit Thieren, die einen festen Panzer besitzen, wie Hydrachniden oder Cypriden. Die Kraft der die Kauwerkzeuge bewegenden Muskeln genügt nicht, die Zähne in die harten Chitintheile zu treiben. In Folge dessen sterben die widerstandsfähigeren Thiere im Kaumagen erst nach längerer Zeit; die plasmatischen Bestandtheile werden ver- muthlich durch den aus dem Magen in den Kaumagen eindringenden Magensaft aufgelöst und in diesem Zustande in den Magen überführt, während die Schalen und Panzer ete. im Kaumagen zurückbleiben, um wahrscheinlich ausgespieen zu werden. Aus dem Magen gelangen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 14 200 | Reinhard Gast, die kleineren unverdaulichen Theilchen in den Blasendarm, von dort durch die Kloake nach außen. Exkretionsorgan. Nur Meczuıkow giebt eine Schilderung des Exkretionsorgans von Apsilus. Nach diesem Forscher mündet in die kontraktile Blase, die er als dem Exkretionsorgan zugehörig beschreibt, ein unpaarer Kanal, der sich in zwei nach vorn divergirend verlaufende Äste theilt. Die Wandung dieser Äste ist diek und mit braunen Körnchen erfüllt. Jedes der Gefäße geht in drei Knäuel über, von denen der vorderste einen dünnen nach dem »küssel« ziehenden Zweig abgiebt, der »bis zum vorderen oberen Ende des Rüssels<« verläuft, »wo er dann mit dem Kanale der anderen Seite in einen Bogen zusammenfließt«. An diesem vorderen Theil werden »jederseits zwei in die Leibeshöhle ausmündende Trichter« beschrieben. Auch vom untersten Gefäß- knäuel entspringt »jederseits ein dünner Kanal, welcher ebenfalls mit dem der andern Seite in der Mitte sich verbindet und auch je einen frei ausmündenden Trichter zeigt«. »Unter diesem Trichter findet sich in der Wand des Kanals ein großer, mit einem Nucleolus ver- sehener Zellenkern.« Dieser Schilderung MEcznıkow’s von dem Exkretionsorgan, die ich kurz wiedergegeben habe, habe ich einige Ergänzungen zum Theil berichtigender Art hinzuzufügen. Dass die kontraktile Blase nicht ein Abschnitt des Exkretions- organs ist, ist in dem Kapitel über den Darmkanal hervorgehoben worden. Das unpaare kurze Gefäß mündet von vorn in die Kloake. Der das Gefäßstück der Länge nach durehbohrende Kanal bildet einige schwache Windungen. In dem Plasma liegen symmetrisch vier Kerne, zwei in der Mitte, die beiden anderen unmittelbar an dem Übergang des Gefäßes in die Blase. Nach der Ansicht von PLATe (11) bildet sich die kontraktile Blase bei den meisten Rotatorien in der Weise, dass die unteren Enden der Exkretionskanäle zu einem sich erwei- ternden Abschnitt verschmelzen. Als Stütze für seine Ansicht führt Pate das Verhalten der Wassergefäße bei Apsilus an (11, p. 101): »Hier verschmelzen die unteren Enden der beiden Kanäle nach MEcz- NIKOW zunächst zu einem kurzen Rohr, das sich gleich darauf zu einer kontraktilen Blase erweitert. Denkt man sich hier die letztere bis zu dem Punkt ausgedehnt, wo die beiden Gefäße zusammen- treten, diese selbst sodann etwas aus einander gerückt, so wird der Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 301 Zustand resultiren, den man als den für die Rotatorien typischen anzusehen hat.« Die kontraktile Blase bei Apsilus entspricht aber nach dem oben Gesagten der ebenfalls nur einen Theil der Kloake darstellenden kontraktilen Blase der Philodinüen und des Conochilus (11, p. 101). Das unpaare Gefäß von Apsilus würde demnach der kontraktilen Blase der »meisten Rotatorien« entsprechen, die Erwei- terung ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, unterblieben, da ein Theil der Kloake die Funktion der kontraktilen Blase übernom- men hat. Das unpaare Gefäß teilt sich in zwei Kanäle, die zunächst nur wenig divergiren und zwischen den dorsoventralen Muskeln dv, hin- durchziehen. Vor diesen Muskeln biegen sie, der Bauchfläche im- mer noch ziemlich dicht anliegend, nach den Seiten ab und ziehen fast senkrecht nach den Körperseiten, wo sie dicht an der Haut jederseits wieder nach vorn biegen. An dieser Biegung entsendet die Kanalwandung auf ihrer hinteren Seite einen plasmatischen Fort- satz nach der Haut, der sich dort meist in schwacher Verästelung festheftet. Von der Biegung der Kanäle nach den Seiten bis zur Verbindung mit der Haut sind die Gefäßwandungen auffällig ver- diekt, so dass der Durchmesser der Gefäße bis 0,022 mm beträgt, während bis zur Biegung der Durchmesser der Kanäle nur 0,006 mm erreicht. Auch dadurch fallen die Gefäßstücke, die den Körper in der Querrichtung durchziehen, auf, dass sich in ihrer Wandung je nach dem Alter des Thieres mehr oder weniger zahlreiche, bräun- liche, glänzende Körperchen ablagern, und zwar meist an ihrer Ober- fläche. Zwischen diesen Exkretionen und den dicht unter der Haut liegenden Ballen, deren Bestandtheile den in der Gefäßwandung aus- seschiedenen Körnern vollstäudig gleichen, besteht eine gewisse Re- lation, in so fern bei starker Ausscheidung an dem Gefäß auch die Körnerballen unter der Haut reichlich entwickelt sind. Dass der plasmatische Strang, der das Gefäß mit der Haut verbindet, nicht bindegewebiger Natur ist, beweist der Umstand, dass sich in ihm dieselben Ablagerungen vorfinden, wie in der Wandung der Gefäße. Da in den eben beschriebenen Gefäßabschnitten Zellgrenzen nicht sichtbar sind, lässt sich die Zahl der sie zusammensetzenden Zellen nur durch die Anzahl der Kerne bestimmen, die an gefärbten Prä- paraten durch ihr großes, stark färbbares Kernkörperchen auffallen, während sie am lebenden Thier schwer aufzufinden sind. Die Zahl der je nach der größeren oder geringeren Dicke der Gefäßwandung 14* 202 | Reinhard Gast, runden oder ovalen Kerne beträgt auf jeder Seite drei oder vier, genau habe ich sie nicht feststellen können. Hervorzuheben ist, dass wie bei Apsilus auch bei Calhdinen und Discopus synaptae (14, p. 210) eine Verbindung der Hauptgefäße mit der Haut an ganz bestimmten Stellen stattfindet. Nach der seitlichen Umbiegung der Gefäße nach vorn gehen diese, nachdem ihre Wandung bedeutend schwächer geworden, in die Gefäßknäuel über, von denen jederseits drei dieht über einander liegen. Der Ausdruck »Gefäßknäuel« ist nicht ganz zutreffend. Be- trachtet man diesen Abschnitt des Exkretionsorgans am lebenden Thier, so erhält man allerdings den Eindruck, als ob ein dünnwan- diges enges Gefäß in zahlreichen Windungen sich aufgeknäuelt habe. Ein ganz anderes Bild bieten die »Gefäßknäuel« in Präparaten kon- servirter Thiere und auf Sehnittserien dar. Zunächst fallen die voll- ständig glatten Begrenzungslinien der Aufknäuelungen auf, während am lebenden Thiere die äußeren Windungen des Kanals nach der Körperhöhle zu sich vorbuchten. Da außerdem in jedem »Gefäß- knäuel« etwa in seiner Mitte ein Kern liegt, so erscheinen sie als drei Zellen, deren feinkörniges Plasma von einem fortlaufenden dün- nen Kanal in zahlreichen verschlungenen Windungen durchzogen wird, so dass das Zellplasma auf dünne, die einzelnen Windungen des Kanals trennende Wände verdrängt wird (Fig. 17 Pl). Diese drei Gefäßzellen zusammen entsprechen einem Gefäßstück, dessen Kanal nicht wie der des Hauptgefäßes den Zellstrang der Länge nach in annähernd gerader Linie durchzieht, sondern in stark gewundenem Verlaufe das Plasma der Gefäßzellen durchbohrt. Sehr auffällig ist der Umstand, dass die an den Hauptgefäßen so zahlreichen Ausscheidungen den »Gefäßknäueln« vollständig fehlen. Was die Gestalt der drei Gefäßzellen betrifft, so ist zu erwäh- nen, dass die mittlere Zelle im Frontalschnitt spindelförmig erscheint, während die beiden genannten Zellen rundliche Gestalt haben. Die mit großem Kernkörperchen versehenen runden Kerne erreichen einen Durchmesser von 0,005 mm. Durch einen plasmatischen Fortsatz, den ich aber nicht immer habe auffinden können, stehen die ventralen Gefäßzellen auf ihrer äußeren Seite mit der Haut in Verbindung. In der Nähe der »Gefäßknäuel«, ihnen mehr oder weniger dicht anliegend, liegen einzelne kleine Zellen, die ihrer Beschaffenheit nach als Ganglienzellen aufzufassen sind. Da sie schwer erkennbar sind Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 203 und ihre genaue Anordnung mir nicht klar geworden ist, habe ich sie in den Abbildungen nicht angegeben. Von der dorsalen Gefäßzelle trennt sich auf ihrer Innenseite das Exkretionsgefäß, das von hier an in seinem weiteren Verlaufe, ab- gesehen von den wenigen Verdickungen, die durch die in der Ge- fäßwandung liegenden Kerne bedingt werden, einen Durchmesser von 1—2 u beibehält. Das Gefäß wendet sich nach vorn und verläuft, der dorsalen inneren Mundtrichterfläche ziemlich dicht anliegend, parallel mit der Längsachse des Thieres etwa bis in die Höhe des fünften Quermuskels (bei ausgestrecktem Mundtrichter beobachtet), wo es rechtwinklig nach der Mitte umbiegt und mit dem Gefäß der Ge- genseite verschmilzt. In diesem queren Verbindungsstück findet sich rechts und links von der Mittellinie je eine einen Kern enthaltende Verdiekung der Gefäßwandung, die durch einen kurzen fadenförmigen Fortsatz mit der dorsalen inneren Mundtrichterwandung in Verbin- dung steht. Die in den Wimpertrichtern endigenden Kapillaren haben sehr verschiedene Längen. In das vordere Gefäßstück münden jederseits drei Kapillaren, von denen die vordere (Fig. 1 und 2 Wtr,) an der Biegung des Gefäßes an dessen Außenseite aufsitzt und sofort in den Wimpertrichter übergeht. Die beiden anderen Kapillaren zweigen sich etwa in der Höhe des Gehirns von dem Gefäß ab und verlaufen in entgegengesetzter Richtung. Die vordere, vor deren Ursprungs- stelle in der Gefäßwandung ein Kern liegt, legt sich dem Gefäß nach vorn dicht an und endet ebenfalls nach kurzem Verlauf in einem Wimpertrichter (Fig. 1 und 2 Wtr,). Die hintere, die bei den starken Bewegungen des Kaumagens sehr schwer zu erkennen ist, wendet sich nach dem Rücken und nach hinten, wo sie über dem Kaumagen endet. Kurz vor dem Übergang macht diese Kapillare eine Biegung nach der Mitte; an dieser Stelle verdickt sich ihre Wandung und enthält einen Kern (Fig. 2 Wtr,). Eine vierte kurze Kapillare mündet in den hintersten »Gefäßknäuel« auf dessen Innen- seite. Ihr Trichter (Fig. 2 Wtr,) liegt bei ausgestrecktem Thier etwa in der Höhe des lateralen Tasters. Zwei weitere Kapillaren münden in die Hauptgefäße an deren seitlicher Biegung nach vorn und zwar an der dem Rücken zugekehrten Fläche der Gefäße. Die eine Ka- pillare ist kurz und wendet sich schräg nach der Mitte und nach vorn. Betrachtet man das Hauptgefäß an seiner Biegung nach vorn von der Bauchseite, so ist von dieser Kapillare nur der Trichter (Fig. 2 Wtr,) sichtbar. Die andere längere Kapillare mündet un- 204 Reinhard Gast, mittelbar neben der ersteren, hier in ihrer Wandung einen Kern ent- haltend, und schmiegt sich in ihrem ganzen Verlauf dem Haupt- sefäß auf dessen Vorderfläche dicht an. Sie endet kurz vor der Biegung des Gefäßes nach hinten in einem Trichter (Fig. 2 Wtr,). MECZNIKOW hat zwar beide Kapillaren gesehen, ist aber der irrthüm- lichen Ansicht, dass die dem Hauptgefäß dicht anliegende Kapillare den Trichter der kurzen äußeren Kapillare mit dem der Gegenseite verbände. Die Wimpertrichter sind schwache Erweiterungen des geschlos- senen Kapillarenendes. Sie zeigen eine schmälere Kanten- und breitere Flächenansicht (Breite der Trichter in der Kantenansicht 0,003 mm, in der Flächenansicht 0,006 mm). In dem Lumen des Trichters liegt eine der Gestalt desselben entsprechende dreieckige Membran mit ihrer Basis dem breiten geschlossenen Triehterende dicht an. Bei lebenskräftigen Thieren sind die wellenförmigen Bewegungen der Wimperflammen so lebhaft, dass der Bau der letzteren nicht näher erforscht werden kann. Nur an ermatteten Thieren, bei denen die Bewegungen der Wimperflammen langsamer werden, lässt sich er- kennen, dass jede Wimperflamme aus fünf oder sechs neben einander liegenden und verschmolzenen Cilien besteht. Jede Cilie sitzt auf einem gleich breiten Basalkörperchen (Fig. 32 5A). Diese Basal- körperchen verschmelzen ebenfalls und bilden so eine schmale, leichtgefurchte Leiste, die der abschließenden Trichterwandung un- mittelbar anliegt. Die Trichterwandung verdickt sich über der Basis der Wimperflamme zu einer kleinen Plasmahaube, die eine verschie- dene Ausbildung zeigt. In dem einen Fall (Fig. 31 Witr,) enthält die Plasmahaube einen Kern und zieht sich in einen plasmatischen Zipfel aus, der sich an dem Hauptgefäß anheftet. In den Plasma- hauben der übrigen Wimpertrichter habe ich niemals Kerne gefunden. Sie unterscheiden sich auch dadurch von der eben beschriebenen Plasmahaube, dass sie nach allen Seiten plasmatische Ausläufer ent- senden, die mit dem in dem Kapitel über Bindegewebe beschriebenen Exkretionsgewebe in Verbindung treten. Dieses Gewebe scheint überhaupt nur ein Theil des Exkretionsorgans zu sein. Diese Ver- muthung ist durch die Beobachtung begründet, dass in dem Plasma des Gewebes häufig dieselben bräunlichen Körperchen liegen, wie sie in den Plasmahauben der Wimpertrichter und in den übrigen Gefäßwandungen zu finden sind. Außerdem habe ich, wenn auch seltener, in dem Plasma sich vergrößernde Vacuolen beobachtet. Das Gewebe scheint demnach auch selbst die Funktion zu haben, Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 205 wie die Wandung der Exkretionsgefäße flüssige und feste Exkretions- produkte auszuscheiden. Diese Exkretionsprodukte werden durch Strömungen, die in dem Gewebeplasma stattfinden, durch den Körper transportirt und es liegt die Vermuthung nahe, dass die Flüssigkeits- tropfen den Exkretionsgefäßen, die Körnchen aber den unter der Haut liegenden Körnchenballen zugeführt werden. Wahrscheinlich ist dieses Exkretionsgewebe bei Rotatorien weiter verbreitet. Es finden sich, wie oben erwähnt, in verschiedenen Arbei- ten Angaben, dass das »Bindegewebe« amöboide Bewegungen zeige. Ich vermuthe, dass in diesen Fällen das Bindegewebe in derselben Beziehung zu dem Exkretionsorgan der betreffenden Rotatorien steht, wie das Exkretionsgewebe bei Apszlus. Es ist hervorzuheben, dass auch für einige Plattwürmer, deren Wimpertrichter denen der Rotatorien auffällig gleichen, ein plasma- tisches, von den Ausläufern der Wimpertrichterwandung gebildetes Netzwerk beschrieben wird, so von Lang (5) für Gunda segmentata, von PINTNer (10) für Cestoden. Im Anschluss an dieses Kapitel will ich auf eine Eigenthümlich- keit von Apsilus bipera eingehen. Miss FouLke beschreibt für diese Species zwei sich etwas nähernde, auf dem »Rüssel« in der Längs- richtung des Thieres verlaufende Furchen, die mit Cilien besetzt sind, und betont, dass diese Furchen nur bei sorgfältiger Einstellung des Spiegels sichtbar sind. Ich bin der Überzeugung, dass Miss FouLkz, die das Exkretionsorgan nicht erwähnt, die beiden seitlichen zwi- schen den dorsalen Trichterwandungen verlaufenden dünnen Gefäß- stücke, die bei bestimmter Beleuchtung als hellglänzende Streifen erscheinen, für Furchen angesehen hat. Durch die flackernde Be- wegung der beiden dort befindlichen Wimperflammen (Wtr, und Wtr;) ist dann die genannte Forscherin zu der irrthümlichen Ansicht ge- kommen, die »Furchen« seien mit Cilien besetzt. Geschlechtsorgane. Unmittelbar hinter der Fußscheibe etwa in der Medianlinie ganz nahe der Bauchfläche findet sich ein in der Regel fast kugeliger Körper. Es ist dies die Keimdrüse. Nur wenn das Thier mehrere Embryonen beherbergt, wird die Kugelgestalt stark beeinträchtigt, indem der der Keimdrüse zunächst liegende Embryo einen nicht un- beträchtlichen Druck auf sie ausübt. In diesem Falle liegt die Drüse schalenförmig über dem Embryo. 206 Reinhard Gast, Mecznıkow hielt die Keimdrüse einfach für ein Ovarium, eine Ansicht, die sich aber keinesfalls aufrecht erhalten lässt. Denn wie bei den übrigen Rotatorien ist dieses Organ eine Vereinigung von Dotterstock und Keimlager. Bei der Beobachtung des lebenden Thieres fallen zunächst nur die großen Kerne des Dotterstockes auf, die kleinen Kerne des Keimlagers sind nur an gefärbten Präparaten gut zu erkennen. Das Keimlager sitzt dem Dotter- stock auf dessen rechter Seite kappenförmig auf, ohne dass aber eine scharfe Grenze zwischen beiden zu erkennen wäre, viel- mehr scheinen die dem Dotterstock unmittelbar anliegenden Zellen des Keimlagers in das Plasma des Dotterstocks etwas eingesenkt zu sein. Die Dotterstockskerne, die MEczuıkow irrthümlicherweise für Keimbläschen hält, sind oval und liegen regellos in dem srobkörni- sen Dotterplasma verstreut (Längsdurchmesser der Kerne 0,015 mm, Querdurchmesser 0,011 mm). Bei Färbung mit Hämatoxylin, Häm- alaun und Alaunkarmin tritt innerhalb des Kernes ein großer ovaler oder runder Kernkörper hervor, in dem eine kleine Vaeuole sichtbar ist. Auch an der Peripherie der Kerne liegen stark färbbare Körper- chen. Die Zahl der Dotterstockskerne schwankt zwischen 8 und 14. Es ist dieser Umstand desshalb auffällig, weil die Zahl der Dotter- stockskerne bei der Mehrzahl der Rotatorien auf 8 beschränkt ist. Vermuthlich werden aber etwa acht Dotterstockskerne angelegt und in einzelnen Fällen durch spätere Theilung bis zu 14 vermehrt. Das Keimlager sitzt, wie erwähnt, dem Dotterstock auf seiner rechten Seite kappenförmig auf. Die Grenzzone wird von den klein- sten Eizellen gebildet, die allmählich an Größe zunehmen. Es ist mir nicht gelungen, zwischen den äußeren dicht liegenden Keimzellen Grenzen zu finden. Erst bei den heranwachsenden Keimzellen wird ein deutlicher Zellkörper von feinkörnigem Plasma sichtbar. Da das Wachsthum der durch die äußeren Keimzellen etwas eingeengten Zellen in der Hauptsache nur in einer Richtung erfolgen kann, so wird dadurch zunächst eine säulenförmige Gestalt der heranwachsen- den Zelle bedingt (Fig. 16 £2). Die zur Reifung und Ablösung be- stimmte Zelle zeichnet sich vor den noch im Verbande des Keimlagers bleibenden Zellen durch plötzliches starkes Wachsthum aus. Wie die Aufnahme des Dotterplasmas in den Zellkörper erfolgt, habe ich nicht feststellen können. Eine direkte Kommunikation der Zelle mit dem Dotterstock durch einen Fortsatz desselben, wie sie LENSSEN (8) von Hydatina senta beschreibt, habe ich nicht gefunden. Während des Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 207 Heranwachsens der Keimzellen gehen in deren Kernen bestimmte Veränderungen vor sich. In den Kernen der äußersten Zelllage ist das Chromatin zu einem den Kern fast ausfüllenden Körper zu- sammengeballt. Dieser Chromatinballen zerfällt zunächst in gröbere, dann in immer feinere Brocken, die bei den reiferen Zellen im Kern gleichmäßig vertheilt sind. Über die intimeren Vorgänge geben meine Präparate keinen Aufschluss. | | Der Keimdotterstock ist von einer sehr feinen zelligen Membran eingehüllt, die sich auf der vorderen Seite in einen Zipfel verlängert, der sich an der Haftscheibe anheftet und als Aufhängeband dient. In selteneren Fällen finden sich zwei solcher Ligamente. An der Stelle, wo dieses Ligament in die Zellscheide übergeht, liegt in der Regel ein Kern, der wie die übrigen wenigen Kerne der umhüllen- den Zellscheide stark abgeplattet ist. Auf der rechten Seite des Keimdotterstockes setzt sich dessen Wandung unmittelbar im die des Uterus fort. An dieser ist aber eine zellige Natur sehr schwer zu erkennen, wenigstens wenn der Uterus durch zahlreiche Embryonen stark erweitert ist. Es sind in diesem Falle nur an günstigen Präparaten einige wenige die feine Uteruswandung linsenförmig auftreibende Kerne aufzufinden. Über die Uteruswandung ziehen auf ihrer Außenseite feine anastomosirende Fäden, die als Muskeln anzusehen sein dürften. Bei jungen Thieren, bei denen Eizellen noch nicht zur Ablösung von dem Keimlager ge- kommen sind, stellt der Uterus einen faltigen Schlauch dar, der von dem Keimdotterstock in fast gestrecktem Verlauf zu dem Enddarm zieht, in den er von vorn dicht vor dessen Einmündung in die Kloake einmündet. Bei älteren Thieren kann der Uterus bis fünf Embryonen in verschiedenen Entwicklungsstadien enthalten. Die Uteruswandung bildet in diesen Fällen seitliche taschenförmige Ausbuchtungen, in denen die Embryonen liegen. Ich habe noch auf eine Arbeit von Dr. ALFRED Ü. Stokzs, be- titelt: Notes on the Genus Apsilus and other American Rotifera (16), näher einzugehen, die mir leider erst nach Fertigstellung meiner Arbeit in die Hände gekommen ist. Der genannte Verfasser hat Apsilus bucinedaz und Apsilus bipera in einem klaren Teiche in der Nähe von Trenton, N. J., an den Blätt- chen von Utrieularia und an Riceia fluitans festsitzend gefunden. STOKES sucht nachzuweisen, dass sämmtliche bis jetzt beschrie- bene Arten des Genus Apselus als solche bestehen bleiben müssten, und führt als wichtigsten Artunterschied die verschiedene Gestalt des 208 | Ä Reinhard Gast, Mundtrichters an. Von A. bucinedax beschreibt er denselben als »obliquely truncate and without the ventral, lobe-like enlargement characteristie of A. biperas. Der Mundtrichter von A. lentiformis ist nach Stores durch seine kappenförmige Wölbung charakterisirt, . während das Organ bei A. vorax vorn quer abgeschnitten ist. Was A. vorax betrifft, so scheint mir sicher das von LEıpy gegebene Bild nach einem gequetschten Präparat gezeichnet zu sein, wie ja auch Leipy selbst der Ansicht ist, dass mit A. vorax A. lentiformis iden- tisch sei. Die von MEeczxnıkow wiedergegebene kappenförmige Gestalt des Mundtrichters von A. lentiformis entspricht nur einem Kontrak- tionszustande, bei vollständiger Ausbreitung ist der Rand eben so flach wie bei A. bucinedax und A. bipera. Von dem ersteren unter- scheidet sich der vorliegende Apsilus durch die größere Ausdehnung der dorsalen Mundtrichterwandungen, von dem letzteren durch das Fehlen des lappenförmigen Vorsprunges der ventralen Mundtrichter- wandungen, wenn er auch angedeutet ist. Die von ForRBES bei seiner Beschreibung des A. bucinedax über- sehenen lateralen Taster findet STokes an derselben Stelle und in gleicher Ausbildung wie bei A. lentiformis. Der Darmkanal beginnt bei A. ducinedax mit einem kräftigen muskulösen Ösophagealring, wie ihn Stores bezeichnet, der in den Kaumagen kragenförmig herabhängt. Für die systematische Stellung von Apsilus ist von großer Wichtigkeit »a long membranous tubular body«, der von dem Ösophagealring frei in den Kaumagen herabhängt. Wie STOKEs betont, hat dieses Organ die gleiche Struktur und gleiche Bedeutung, wie das entsprechende Organ bei den Floscularien, wo- durch die Verwandtschaft des Genus Apselus mit den Hloscularien bewiesen ist. Da das Organ bei A. lentiformis fehlt, so ist dadurch ein sicherer Artunterschied zwischen A. lentiformis einerseits und A. bucinedax und A. bipera andererseits gegeben. Der Kaumagen (Proventrieulus) ist sehr kräftig entwickelt, sicher aber von STORES in seinen Dimensionen übertrieben, da ja bei der in den Zeichnungen von SrokEs angegebenen Ausbreitung des Kau- magens kein Platz für die dorsoventralen Muskeln bliebe. Die mit Muskulatur versehene Wandung des Kaumagens zeichnet sich dadurch aus, dass auf ihr, der Körperhöhle zugewendet, eine Schicht »of somewhat scattered cells, oval nucleated, and usually filled with dark-bordered granules and refractive bodies, probably oildrops« liegt. Vermuthlich haben wir diese Zellschicht als die stark aus- sehildete Matrix der Kaumagenauskleidung anzusehen. Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 209 Da der Inhalt der Zellen bei starker Füllung des Kaumagens zu- nimmt, glaubt Stoxes, dass sie bei der Verdauung thätig sind, ob bei der Auflösung oder der Absorption der Nahrung, das lässt STOKES unentschieden. Als Beweis für die verdauende Thätigkeit des Kau- magens führt STorzs das Ööftere Vorkommen von Kauwerkzeugen und Panzern fremder Rotatorien in dem Proventrieulus an, deren plas- matische Körperbestandtheile vollständig gelöst sind. »That what I have called the proventriculus has digestive power, there can be no doubt.«c Dass in dem Kaumagen die Plasmatheile von Thieren, die für den Durchtritt durch die Kauwerkzeuge zu groß sind, aufgelöst werden, das bezweifle ich ebenfalls nicht (siehe p. 199). _Dass aber die Wandung des Kaumagens »digestive power« besitzt, glaube ich nicht, da ja, wie auch in dem Kapitel über den Darmkanal hervor- sehoben ist, die Auskleidung des Kaumagens sehr fest und elastisch ist, Eigenschaften, die sicher gegen eine verdauende Kraft der Proventrieuluswandung sprechen. Sicher wird diese Auflösung der im Kaumagen befindlichen Thiere von dem aus dem eigentlichen Magen herausdringenden Magensaft bewirkt. Als Stütze meiner An- sicht mag folsender Satz Stores’ dienen: »The granular, fluid contents of the posterior stomach (= Magen) are often to be seen flowing forward through the mastax into the proventrieulus, and back into the stomach, with which the mastax eommunicates directly.« Der Kauapparat soll sich nach SToXkEs von dem von A. lenti- formis sehr unterscheiden. Die Zeichnung MEcznIıRkow’s giebt aber nur die stärker liehtbrechenden Theile wieder, deren Anordnung fast genau mit der in StoREs’ Abbildung wiedergegebenen übereinstimmt, Die letztere ist bedeutend vollständiger wie Meczwikow’s, richtig ist sie aber auf keinen Fall. Der als »posterior stomach« bezeichnete Magen gleicht vollstän- dig dem von A. lentiformis, eben so der Blasendarm und die diesem aufliegenden Magendrüsen, deren Einmündung in den Magen Stores allerdings nicht gesehen hat. Das Reetum soll in den hinteren Theil der Kloake einmünden, während der vordere kontraktile Theil der Kloake als »contractile vesicle« nach Stokzs dem Exkretionsapparat zugehört. Diese Beobachtungen beruhen aber sicher auf einem Irrthum. | | Von dem Exkretionssystem wird die Ähnlichkeit mit dem von A. lentiformis hervorgehoben. Wie Mecznıkow hat auch Srokes die Verbindung der beiden Hauptkanäle mit der Körperwandung über- sehen. 210 | Reinhard Gast, Die Innenfläche des Mundtrichters ist auch bei A. bueinedaz dicht besetzt mit kurzen Hautauswüchsen, während die Mundöffnung von mit Sinneshaaren besetzten »cushionlike elevations« umgeben ist, deren Anordnung mit den von mir angegebenen übereinstimmt. Die Muskulatur ist bei A. bucinedaz stark entwickelt; die Muskeln sind schwach, aber sehr zahlreich und komplieirt angeordnet. Da- durch unterscheidet sich A. ducinedax von A. bipera, bei dem nur wenige, aber kräftige Muskelbänder in einfacher Anordnung vor- handen sind. Ein Vergleich der Muskulatur von A. bucinedax und A. lentiformis lässt sich nicht durchführen, da Stoxss’ Abbildungen keinen Aufschluss über die genaue Lage der einzelnen Muskeln geben. Die von STOKES erwähnte Querstreifung der breiteren Körper- muskeln ist wohl auf die Fältelung der Muskelscheide zurückzu- führen. Das Exkretionsgewebe fasst STORES als »a network of fine nerve-fibres, a minute ganglionie enlargement being present at the point of each anastomosis« auf. Dass diese kleinen »Ganglien« wandern, ist ihm entgangen. »The primary or central nervous gan- glion« liegt dorsal über dem Ösophagus. Der Keimdotterstock, von STOKES als Ovarium erwähnt, zeichnet sich durch seine außerordentliche Breite aus, die fast der Körper- breite entspricht. Der als Haftscheibe ausgebildete Fuß wird von STORES nicht erwähnt. Apsilus bipera unterscheidet sich, wie StokEs betont, in der Anordnung und Ausbildung der Organe nur durch den Mundtrichter und dessen Muskeln von A. bucinedax. Demnach besitzt auch diese Art den für Floscularien wichtigen Fortsatz des Ösophagus und eben so den breiten Keimdotterstock, wodurch die beiden Arten, 4. bipera und bucinedax sofort von A. vorax zu unterscheiden sind. Das Genus Apsilus würde demnach in zwei Gruppen zerfallen: A. Ösophagealfortsatz fehlt; Keimdotterstock klein, kusele...n matt A. voraz. B. Ösophagealfortsatz vorhanden. Keimdotterstock fast so breit wie der Körper. a. Ventrale Mundtrichterwandung einen vor- springenden Lappen bildend........ A. bipera. b. Ventrale Mundtrichterwandung quer abge- n Sehnitten \.u. nen a A. bucinedaz. Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 311 Systematische Stellung von Apsilus. In dem Rotatorienwerk von Hupsox und GossE (4) ist die Gat- tung Apsilus ohne nähere Begründung zu den Floseularien gestellt, trotzdem diese vermittels eines langen Fußes festsitzen, während für Apsilus der Fuß als solcher noch nicht bekannt war. Die Auffindung des Fußes bei Apselus, die allgemeine Anordnung der Organe und die Umbildung des Vorderkörpers zu einem weiten Trichter recht- fertigen aber die Einreihung von Apsdlus unter die Floseularien. Die nähere Verwandtschaft mit den Floseularien wird dadurch be- stätigt, dass der für diese Rotatoriengruppe charakteristische, in den Kaumagen hineinhängende Fortsatz des Ösophagus bei A. bipera und A. bucinedax vorhanden ist, Apsilus würde zusammen mit Atrochus tentaculatus (12) in eine engere Gruppe gehören, die sich von den übrigen Floseularien durch den redueirten Fuß und durch das Fehlen der Gallerthülle unterscheidet. Leipzig, im August 1899. Litteratur, 1. C. Ec&stem, Die Rotatorien der Umgegend von Gießen. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 2. S. FoORBES, A remarkable new Rotifer (Cupelopagus bueinedax). Amer. monthly mier. Journ. Bd. III. 1882. 3. 8. FOULKE, On a new species of Rotifer of the genus Apsilus. Proc. of the Acad. of nat. science. of Philadelphia. 1884. 4. C. T. Hupsox and P. H. Gosse, The Rotifera. London 1889. A. Lang, Der Bau von Gunda segmentata und die Verwandtschaft der Plathelminthen mit Coelenteraten und Hirudineen. Mittheilungen aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. III. 1862. 6. J. Ley, Dietyophora vorax. Proc. of the Acad. of nat. se. of Philadel- phia. 1857. 7. —— Rotifera without rotatory organs. Proc. of the Acad. of nat. se. of Philadelphia. 1882. 8. LENSSEN, Contribution a Tetude du developpement et de la maturation des aufs chez I’Hydatina senta. Zool. Anz. Bd. XXI. Nr. 575. 1898, 9. Er. MECZNIKOW, Apsilus lentiformis, ein Räderthier. Diese Zeitschr. Bd. XVI. 1866. 10. TH. PinTner, Untersuchungen über den Bau des Bandwurmkörpers mit be- sonderer Berücksichtigung der Tetrabothrien und Tetrarhynchen. Ar- beiten aus dem zool. Inst. der Univ. Wien und der zool. Sal in Triest. Bd. III. 1. Heft. 1880. or DR Reinhard Gast, 11. Lupw. PLATE, Beiträge zur Naturgeschichte der Rotatorien. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft. Bd. XIX. N. F. XII. 12. A. WIERZEJSKI, Atrochus tentaculatus, n. g., n. sp. Ein Räderthier ohne Räderorgan. Diese Zeitschr. Bd. LV. 1893. C. ZELINKA, Studien über Räderthiere. 13. ——- 1. Über die Symbiose und Anatomie von Rotatorien aus dem Genus Callidina. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. 1 14. —— II. Der Raumparasitismus und die Anatomie von Discopus synaptae. Ebenda. Bd. XLVII. 1888. 15. —— III. Zur Entwicklungsgeschichte der Räderthiere nebst Bemerkungen über ihre Anatomie und Biologie. Ebenda. Bd. LIII. 1892. 16. A. C. STOKES, Notes on the Genus Apsilus and other American Rotifera Journal of the Royal Mier. Society. 1896. Erklärung der Abbildungen. Die Abbildungen sind mit Hilfe eines Zeıss’schen Zeichenprismas entworfen. Tafel VII. Fig. 1. Vollständig ausgestrecktes Thier von der Bauchseite gesehen. Vergrößerung etwa 170:1. Muskulatnr (roth): Leibeshöhlenmuskeln: Zn, Längsmuskeln; de, dorso- ventrale Muskeln. Hautmuskeln: »n, Quermuskeln; vn, Längsmuskeln des Bauches; dim, Längsmuskeln des Rückens; mbr und md, die p. 184 angeführten Muskeln (grau). 4, After; Bid, Blasendarm; eX/, kontraktiler Theil der Kloake; d7', dor- saler Taster; G, Gehirn; Gf%, Gefäßknäuel; ZH, Haftscheibe; 47gf, Hauptgefäß; Ka, Kauwerkzeuge; Ad, Keimdotterstock; X/, hinterer Kloakenabschnitt; Am, Kaumagen; Amm, Kaumagenmuskulatur; Xö, Körnerhaufen; /7', lateraler Taster; Ma, Magen; Mad, Magendrüsen; Oe, Ösophagus; Si, Sinnesorgan; Ut, Uterus; Wtr, Wimpertrichter. Das Exkretionsbindegewebe ist nur in der Nähe der tr, und » angedeudet. Fig. 2. Ausgestrecktes Thier vom Rücken gesehen. Vergrößerung etwa 170:1. Bezeichnungen wie zu Fig. 1. Fig. 3. Hautmuskeln mit Muskelbildungszellen. Die auf p. 1S4 angeführ- ten Muskeln grau gehalten. Die Haftscheibe ist nicht eingezeichnet. Der Pfeil giebt die Medianlinie an. Gezeichnet nach einem mit Hämatoxylin gefärbten Präparat. Zeiss F, Oc. 4. Bezeichnungen wie zu Fig. 1. Fig. 4—6. Drei auf einander folgende dicke Querschnitte durch die Kau- werkzeuge. Färbung: Hämatoxylin. Zeıss F, Oe. 1. dr, Drüsenzellen; fm, Fulerum; X, Kerne; Ami, Kaumagenwandung; m, Muskeln; mm, Manubrium; »nö, Muskeln, die Kauwerkzeuge Öffnend; ms, Malleus; mschl, Muskeln, die Kauwerkzeuge schließend; Mw, Magenwandung; rs, Ramus des Inceus; vs, Uncus; Z, Zellen unbekannter Bedeutung. Fig. 7. Kauwerkzeuge von hinten gesehen nach Behandlung mit Kali- lauge. Zeıss F, Oe. 1. Bezeichnungen wie zu Fig. 4—6. Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). 313 Fig. 8. Linke Hälfte der Kauwerkzeuge vom Rücken gesehen, ebenfalls nach Behandlung mit Kalilauge. Zeıss F, Oe. 1. Hz, Hauptzahn; Nz, Nebenzähne; rs, Ramus des Incus. Fig. 9. Dorsaler Taster vom Rücken gesehen, nach einem mit Häma- toxylin gefärbten Präparat. Die Haut ist bis auf die kreisförmige Verdiekung Co vollständig durchsichtig gedacht. Zeiss F, Oe. 4. dim, und »m;, Muskeln; @z, Ganglienzellen (?); ?/l, Plasmamasse, in die der Nerv mN übergeht. Fig. 10. Querschnitt durch die Haftscheibe eines noch an einem Blattstück festsitzenden Thieres, etwas schematisirt. Färbung: Hämatoxylin. Zeıss F, Oe. 1. Bl, Blattstück; Cu, Cutieula; Ak, Hypodermiskern; Drz, Drüsenzelle mit Mündung nach außen; Secr, Sekretschicht; dv, und dvs, dorsoventrale Muskeln; cs, kontraktile Substanz; A Pl, körniges Plasma. Tafel VIII. Fig. 11. Längsschnitt durch einen Apsilus mit halb eingestülptem Mund- trichter, etwas schematisirt. ZEISS D, Oc. 1. Eö, Einstülpungsöffnung; £d, Enddarm; F, Falten des Mundtrichters. Die übrigen Bezeichnungen wie zu Fig. 1. Fig. 12, Ansicht eines Thieres mit eingezogenem Mundtrichter von der Bauchseite. Zeiss C, Oe. 4. Bezeichnungen wie für Fig. 1 und 11. Fig. 13. Gehirn nach einem mit Hämatoxylin gefärbten Präparat vom Rücken gezeichnet. Zeıss F, Oec. 4. mN, medianer, zum dorsalen Taster führender Nerv mit sechs Wurzeln; vSn, vorderer, msn, mittlerer, % Sn, hinterer Seitennerv; AN, hinterer Nerv mit eingeschalteter Ganglienzelle nur schwach durch den Muskel Z/m, durchschim- mernd; X, Kerne; pGz, periencephalische Ganglienzellen; Gz, Kerne der Gan- glienzellen; P/, Plasmamasse unbekannter Bedeutung mit Kern; Ps, Punktsubstanz... Fig. 14. Querschnitt etwa durch die Mitte des Gehirns, die beiden sym- metrischen hinteren Zellen der mittleren Schicht zeigend. Färbung: Hämatoxylin. Zeiss F, Oc. 4. Bezeichnungen wie für Fig. 13. Fig. 15. Querschnitt durch den hinteren Theil des Gehirns etwas schräg zur Querebene. Zeıss F, Oc. 4. Bezeichnungen wie für Fig. 13, Fig. 16. Dieker Frontalschnitt durch den Keimdotterstock. Färbung: Hämatoxylin. Zeıss F, Oc. 4. E.K, Kerne der jüngsten Zellen des Keimlagers; Zz, Eizelle; D%, Dotter- stockskern; Dpl, Plasma des Dotterstockes; 7%, Kern der Wandung; X%, Kern- körperchen; Va, Vacuole. Fig. 17. Schnitt durch die drei Gefäßknäuel. Färbung: Hämatoxylin. Zeiss F, Oe. 4. Ca, Schnitte durch den durchbohrenden Kanal; Cap, Kapillare zum vierten Wimpertrichter führend; X, Kerne; Pl, Plasmawände. Fig. 18. Längsschnitt durch einen Embryo. Der Pfeil giebt die Längs- achse an. ZEISS F, Oec. 1. F, wulstige Falte der Haftscheibe; Drm, Drüsenmündung. Die übrigen Bezeichnungen wie für Fig. 10 und 1. Fig. 19. Kloake mit Muskeln und Bindegewebszügen von der Bauchseite. Färbung: Hämatoxylin. Zeiss F, Oec. 1. Lig, Aufhängeband der Magendrüsen; »m, Ringmuskel, den Enddarm bei 214 Reinhard Gast, Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy). der Mündung ‚in die Kloake umgebend; dg, Bindegewebe. Alle anderen Be- zeiehnungen wie für Fig. 1. Fig. 20. Lateraler Taster nach dem Leben. Zeıss F, Oe. A. N, Nerv; 70, Tastborsten; cu, euticulare Einstülpung; X, Kern. Fig. 21. Sinnesorgan von der dorsalen äußeren Mundtrichterwandung. Färbung: Hämatoxylin. Zeıss F, Oe. 4. Cul, eutieulare Linse; Si, Chitinstäbchen; 77, Plasma; X, Kerne; N, Nerv. Fig. 22. Stück Haut vom Rücken. Zeıss F, Oec. 4. W, wärzchenartige Verdickungen; hk, Hypodermiskern. Fig. 23. Stück von der inneren dorsalen Mundtrichterwandung aus der Mitte. ZEISS F, Oe. 4. Fig. 24. Dessgleichen aus der Gegend des Gehirns. ZEıss F, Oe. 4. Fig. 25. Schnitt durch die Magenwandung mit der Mündung einer Magen- drüse. Färbung: Hämatoxylin. Ci, Cilienrest; X, Kern; Va, Vacuolen im Plasma; Mem, Membran, auf der die Zellen ruhen; 7r, Tröpfehen; Mdm, Magendrüsenmündung. Fig. 26. Seltenere Form der Magendrüsen vom Bauch gesehen. Fig. 27—30. Leibeshöhlenmuskel. Zeıss F, Oec. 4. cs, kontraktile Substanz; % Pl, körniges Plasma. Fig. 27 nach dem Leben, Fig. 28—30 nach konservirten, mit Hämatoxylin gefärbten Thieren, und zwar Fig. 28 Querschnitt durch einen Muskel, Fig. 29 - Längsschnitt durch einen dorsoventralen Muskel senkrecht zur breiten Fläche, Fig. 30 dessgleichen, aber parallel mit der breiten Fläche des Muskels. Fig. 31. Wimpertrichter , nach konservirtem mit Hämatoxylin gefärbten Präparat. Zeıss F, Oe. 4. Pih, Plasmahaube; WA, :Wimperflamme mit 2%, Basalkörper; X, Kern; Agf, Hauptgefäß. Fig. 32. Wimpertrichter , nach lebendem aber ermattetem Thier. Zeus F, Oe. 4. Bezeichnungen wie für Fig. 31. Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. Von Dr. Otto Maas in München. (Aus dem zoologischen Institut der Universität.) Mit Tafel IX—X11. In der Stufenreihe steigender Komplicirtheit, die das Kanal- system der Spongien durchmacht, ist der wichtigste Schritt jedenfalls der, dass die gastralen Geißelzellen nicht mehr einen einheitlichen Raum auskleiden, sondern sich in besondere Kammern resp. Tuben vertheilen, zwischen denen Strecken mit Plattenepithel übrig bleiben. Bei den erwachsenen Kieselschwämmen, auch denen einfacheren Baues, wird ein Stadium eines solchen einheitlichen Gastralraums nicht mehr wahrgenommen, und auch in ihrer Ontogenie ist es sehr verwischt; bei den Kalkschwämmen dagegen bewahrt eine Gruppe, die Homocoela (Asconen HAEcKEL’s) zeitlebens diesen Zustand, eine andere, die Syconen, durchlaufen ihn wenigstens in ihrer Entwicklung und sind längere Zeit funktionirende Asconenschwämme, ehe sie all- mählich in den Syconzustand übergehen. Hier kann also, wenn man das allerdings schwierig zu erlangende Material besitzt, die Entwicklung der inneren Hohlräume und ihrer Auskleidung Schritt für Schritt verfolgt werden; ich konnte in einer früheren Mittheilung (98) zeigen, dass letztere nicht durch Abplattung von Geißelzellen, sondern durch Einwachsen von dermalen Elementen gebildet wird, so dass nur die Kammern (resp. die Tuben) selbst sastrale Räume mit gastraler Auskleidung sind. Dies ausführlicher zu begründen, insbesondere mit den gleichzeitig stattfindenden Ände- rungen im Nadelarrangement und der äußeren Form abzubilden, soll die eine hier vorliegende Aufgabe sein. Die andere wäre die, das Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVIL Bd. 15 2 | Otto Maas, Zustandekommen des funktionirenden Asconschwämmehens aus den umgekehrten Schichten der Larve genauer zu studiren. Denn wenn auch sichergestellt ist, dass aus deren Geißelzellen die Gastralaus- kleidung und aus den Körnerzellen die Epithel- und Spieulaschicht hervorgeht, so wird doch das einfache Becherstadium nicht ohne Weiteres erreicht, sondern es geht ihm eine Periode scheinbaren chaotischen Durcheinanders der Zellen und komplieirter histologischer Veränderungen voraus, ähnlich wie es bei wirklichen Asconen in einer vorläufigen Mittheilung von MincHin (98ß) beschrieben wird, indem sich die Zellen bei der Metamorphose nicht schichtweise ord- nen, sondern, je nach ihrer histologischen Ausprägung, zu ihrer Funktion und Stelle kommen. Es gliedert sich demnach meine Arbeit in zwei Theile: A) Die Beschreibung der Umwandlung der angesetzten und umgekehrten Larve in die einfachste Form des funktionirenden Schwammes, das Asconstadium, wobei insbesondere die histologischen Veränderungen der vorher indifferenten Larvenkörnerzellen zu Poren-, Deck- und Spieulazellen, sowie deren wechselnde Lagebeziehungen zu betrach- ten sind, B) die Umbildung des schlauchförmigen Ascons in den tuben- tragenden Sycon, wobei insbesondere die Komplikationen im Kanal- system und im Nadelarrangement Darstellung finden sollen. Da letztere Veränderungen längere Zeit (nach meinen Erfahrungen viele Monate) in Anspruch nehmen, so war es mir bei einem Herbst- aufenthalt (1897) in der Zoologischen Station zu Rovigno nicht mög- lich, beide Perioden von einer Species zu erhalten. Ich habe von einer im Hafen sehr häufigen Art, die ich als Sycandra setosa nach LENDENFELD’s Beschreibung (91) bezeichnen möchte, und deren Lar- ven im September ausschwärmten, junge Schwämmchen gezüchtet, von 0,06 mm im Durchmesser großen Stadien mit wirr liegenden Nadeln und geschlossenem Gastralraum bis zu 0,5 mm hohen Ascon- schläuchen mit Poren, Osculum und charakteristisch angeordnetem Skelett. Zum Studium der Weiterentwicklung dienten mir dann Exem- plare, die von Sycandra raphanus stammten (deren Larven im Mai ausschwärmen), und die in Zuchtgläsern des Herrn Kosser theils an der Glaswand, theils auf Foraminiferen angesetzt sich sehr gut ge- halten hatten. Manche. derselben zeigten bereits zahlreiche Tuben- kränze, manche nur zwei oder einen; die jüngsten, von etwa 0,5 mm Höhe, noch keine Spur eines Tubenkranzes. Es wird auf diese Weise Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 947 mit der anderen Art zusammen, zumal ja beide Species nicht so sehr von einander verschieden sind, eine vollkommene Entwicklungsreihe hergestellt, wie dies schon aus der Betrachtung der Totalpräparate siehe Taf. IX und X, Fig. 1—7) hervorgeht. Die technische Behandlung der Objekte bietet manche Be- sonderheiten, auf die ich im Interesse anderer Untersucher etwas genauer eingehen möchte. Der erste Umstand, der Schwierigkeiten bereitet, ist die Ge- winnung der Larven selbst. Sie sind mikroskopisch klein (0,06 mm im Längsdurchmesser), so dass sie nicht einzeln aus den Zuchtagua- rien herausgefischt werden können. Ich habe desswegen die reifen Schwämme in sehr weite, aber niedrige Schalen mit leicht überseh- barer Wandung vertheilt und diese Schalen so aufgestellt, dass das Tageslicht in bestimmter Richtung einfiel. Dann sammelten sich die ausschwärmenden Larven in der Richtung dieses Lichtes an der Oberfläche des Wassers und konnten in Masse gleichsam abgerahmt werden. Ein Tropfen der Pipette konnte so ein Dutzend oder hundert Larven enthalten. Die zweite Schwierigkeit liegt in der normalen Züchtung der Larven, nicht nur bis zur Metamorphose, sondern auch darüber hinaus, so dass sie zugleich in jedem Stadium eben sowohl der direkten Beob- achtung zugänglich als auch zu konserviren sind. Ich vertheilte dazu solche Tropfen »Larvenrahm« mit der Pipette in eine größere Reihe von Uhrschälchen und setzte tropfenweise nur so viel Seewasser hinzu, dass ein aufgelestes Deckglas nicht schwamm, sondern mit seinen Kanten auf das Uhrschälchen zu liegen kam, um damit das Unter- sinken zu verhüten. Der Verdunstung in Folge zu geringer Wasser- menge kann dadurch etwas vorgebeugt werden, dass man sehr gewölbte Uhrgläser nimmt; ferner dadurch, dass man die Uhrschälchen selbst in Gefäßen mit Seewasser schwimmen lässt und diese Gefäße mit einem Deckel möglichst luft- und staubdicht schließt. Es ist mir auf diese Weise gelungen, die jungen Schwämmchen, die sich manchmal in ganzen Massen an die Deckgläser angesetzt hatten, einige Wochen lang lebend und wachsend zu erhalten. Die Beobachtung des Lebenden unter dem Mikroskop ist auf diese Weise sehr leicht, indem man das ganze Uhrschälchen auf den Objekttisch bringt und dann an das Deckglas mit den stärksten Systemen heran kann; für die Konservirung liegt ein besonderer Vortheil darin, dass man, nur das Deckglas mit der Pincette fassend, ohne die Sehwämmchen zu 15* 218 Otto Maas, berühren, alle Proceduren der Färbung und Härtung bis zum Ein- schluss in Kanadabalsam ausführen kann. Ich besitze Präparate, wo an einem Deckglas von 12 qmm gegen 100 wohlgefärbte Schwämm- chen sitzen. Eine dritte Schwierigkeit liegt darin, dass gerade diejenigen Reagentien, die gute histologische Bilder, besonders für Kernstruktur geben, wie z. B. Chromosmiumessigsäure, die Nadeln zerstören, andererseits die nadelerhaltenden Konservirungsmittel, wie absoluter Alkohol für die Histologie meist zu wünschen übrig lassen. Man kann sich da nur durch Anwendung mehrerer Methoden und Ergän- zung der Bilder der einen durch die der anderen helfen. Auch die meisten Farbstoffe wirken ungünstig oder gar zerstörend auf die Nadeln. Die schönsten Aufsichtsbilder erhielt ich mit Alk. abs. und ammoniakalischem Karmin, die besten Schnittbilder mit FLEMMING- scher Lösung und Pikrokarmin. Auch Sublimatalkohol mit Para- karmin (P. MAYER) oder Hämatoxylin lieferte, wenn es weniger auf Nadeln ankam, sehr schöne Ergebnisse, besonders für Kernstrukturen und Plasmaverschiedenheiten. Zum Schneiden benutzt man der Klein- heit der Objekte wegen am besten ganze Kolonien, wodurch man auch zeitlich verschiedene Bilder neben einander erhält. Um deutliche einzelne Zellbilder zu erhalten, ist Schnittdünne bis zu 3 u nothwendig; zu anderen Zwecken sind dickere Schnitte bis zu 15 « vortheilhaft. Auch Flächenbilder, nach MincHin’scher Methode hergestellt, in Glyce- cerin montirt (98«), sind namentlich zur Beobachtung junger Spieula unerlässlich. In dem Laboratorium zu Rovigno habe ich alle Hilfsmittel und die freundlichste Förderung gefunden und freue mich, auch an dieser Stelle Herrn Dr. Hermes und Herrn KosseL meinen besten Dank sagen zu können. A. Die Weiterentwicklung der Larve von Sycandra setosa nach dem Ansetzen bis zum Asconstadium. Die Larve von Sycandra setosa ist vom bekannten sog. Amphi- blastulatypus und besteht aus zwei Sorten von Zellen, Geißelzellen an der vorderen, Körnerzellen an der hinteren Hälfte. Wenn noch weitere Zellarten in ihr unterschieden werden können, so bilden diese doch keine besondere Kategorie, sondern sind frühzeitige Diffe- renzirungen von Körnerzellen, insbesondere Spiculabildner, die manch- mal in größerer Menge schon in der freien Larve sich unter den Körnerzellen aussondern. Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 319 Die Metamorphose geht eben so vor sich, wie es F. E. Schuuzs in seiner bekannten Arbeit für Sycandra raphanus am lebenden Objekt verfolgen konnte. An Schnitten zeigen sich die beiden Zellsorten in veränderter Lagerung, aber noch mit ihren histologischen Charak- teren wie früher, wie ein Vergleich mit einem Schnittbild durch die Larve lehrt (Taf. XI, Fig. 9), auf dem Kernstruktur und Größe einer Reihe von Zellen mit dem Zeichenapparat eingetragen ist. Nach außen zu bilden jetzt (Fig. 10) die körnigen Zellen (4) die Bedeckung; sie haben noch ihren großen blasigen Kern mit Nucleolus und feinem Chromatingerüst; nach innen liegt die Masse der Geißelzellen (g), die ihre eylindrische Form zwar eingebüßt haben, aber an ihrem tief tingirten, im Längsschnitt spitzovalen Kern und an ihrem schaumigen Plasma kenntlich sind. Ein innerer Hohlraum, der aus der Einstül- pung übrig geblieben wäre, ist auf diesem Stadium meist nicht zu erkennen, sondern es bilden die Geißelzellen eine kompakte Masse, deren einzelne Elemente, wie sich an den ganz verschieden getrof- fenen Kernen zeigt, auch nicht auf einen virtuellen Hohl- oder Spalt- raum zu orientirt sind, vielmehr wirr durch einander liegen. Bei flüchtiger Betrachtung könnte es scheinen, als bestehe aus ihnen das ganze Schwämmchen; es haben nämlich die äußeren Körnerzellen, die früher kubisch waren, sich zu flachen Elementen abgeplattet, um die Geißelzellen ganz umgeben zu können, und da sie im Verhältnis zu letzteren überhaupt nur sehr gering an Zahl sind, so kommen manchmal nur sehr wenig Kerne (zwei bis drei) und ein dünner Plasmastreif auf einen ganzen Querschnitt, so dass die sanze Deckschicht übersehen werden könnte. (Wer aber aus einem solchen Bild irrthümlicher Weise vom Untergang einer Larvenschicht reden wollte, der müsste gerade umgekehrt wie GOETTE die Körner- schicht untergehen, und aus der Geißelzellenschicht das ganze Schwämmchen hervorgehen lassen.) An gut konservirten Totalpräpa- raten wird man sich aber bei verschiedener Einstellung immer über- zeugen können, dass die ehemaligen Körnerzellen der Larve jetzt ein kontinuirliches Lager um das Schwämmchen bilden, die ein- zelnen Zellen allerdings von sehr verschiedener Gestalt, manche flache Pflasterquader bildend, manche mit amöboiden Ausläufern (s. auch Fig. 16 am) und manche von ganz unregelmäßiger Form von außen nach innen durch die Masse der Geißelzellen gehend. Sehr gut kann man sich auch über das Verhältnis der beiden Zellsorten an solchen Larvenexemplaren orientiren, die schon anor- maler Weise im Kanalsystem des Mutterthieres, ehe sie ins freie 220 | | Otto Maas, Wasser gelangt sind, den Umlagerungsprocess ihrer Schichten voll- zogen haben und neben anderen unveränderten Larven in Schnitt- serien durch die mütterlichen Schwämme getroffen werden. Hier sieht man (Fig. 11), namentlich bei Ohromosmiumfixirung, die die Körner graugrün imprägnirt, sehr deutlich, dass die früheren Körnerzellen jetzt Außenzellen geworden sind, und dass die Zellen im Innern nichts Anderes sind als die Geißelzellen mit eingezogenem Flagellum, so dass die Kontinuität beider Zellsorten durch die Metamor- phose hindurch leicht und sicher festzustellen ist. Jetzt aber treten Umstände ein, die dies erschweren würden, wenn man nicht Schritt für Schritt die Umwandlungen verfolgen könnte. Bisher war stets außer dem Plasma und der Kernstruktur auch die relative Größe des Kerns ein guter Anhaltspunkt zur Identifieirung der Schwammschichten gewesen; man konnte geradezu von den Dermalzellen als der großkernigen, den Gastralzellen als der kleinkernigen Schicht reden. Dies Verhältnis würde auch weiter erkennbar bleiben, wenn die letzteren sich bei Streckung und Wachs- thum des jungen Schwämmchens durch Theilung weiter vermehren würden. Dessen bedarf es aber einstweilen nicht, sondern, da sie sehr gedrängt liegen, braucht es für sie nur einer loekereren Anord- nung und Ausweitung eines inneren Hohlraums, um dem Wachsthum des Schwämmchens gerecht zu werden. Die wenigen Dermalzellen aber müssen sich dabei vermehren, um die Außenfläche bedecken zu können, und zu gleicher Zeit beginnen in ihnen auch weitere sewebliche Veränderungen. Es erfolgt jetzt nämlich rapid die Aus- prägung der Spiculabildner aus der bisher einheitlichen Dermalschicht heraus, ein Vorgang, der in kleinem Maßstabe schon in der Larve begonnen haben kann, und der auch im erwachsenen Schwamm an den Oberflächenzellen, namentlich an bestimmten Stellen, stets fort- dauert. Es ist dies also, wie auch MıncHin (96«) hervorgehoben hat, keine Bildung eines Keimlagers, eines »Mesoderms«, sondern ein histogenetischer Vorgang, ein Subtraktionsprocess so zu sagen, indem sich aus den indifferenten Dermalzellen, die auch noch zu weiteren Sonderungen fähig bleiben, nadelbildende Zellen abscheiden. Es können so Nadeln von Zellen gebildet werden (über die Einzelheiten der Nadelentstehung s. u.), die noch durchaus an der Oberfläche liegen; wenn aber die Abscheidung der Nadeln massenhaft wie hier, so zu sagen vorrathsweise, geschieht, so bildet sich ein ganzes Lager von Spieulazellen neben und unter den eigentlichen Dermalzellen. Eingeleitet wird der Vorgang durch eine sehr deutliche Karyo- Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. - 221 kinese in den Dermalzellen. Da von Mıncum bei der Theilung der Spieulazellen keine .Mitosen gesehen wurden, überhaupt über die Zelltheilung bei Spongien bis zu meiner jüngsten Mittheilung (99), wo ich diese Erscheinungen bei der Reifung, Befruchtung und Furchung beschreiben konnte, so gut wie nichts bekannt war!, so verdienen auch die Karyokinesen hier eine kurze Erwähnung. Der Plasma- leib der Zelle zieht sich zusammen, etwa vorhandene Pseudopodien werden eingezogen, und die Zelle erhält eine gedrungene Spindel- form. Im Kern verschwindet der vorher so charakteristische Nucleolus, dagegen wird das Chromatin um so deutlicher; in der Spindel, die einen großen Theil der Zelle ausfüllt (Fig. 17 und 19 !), sind die einzelnen Chromosomen als sehr kurze Stäbchen zu erkennen. Die aus der Theilung hervorgehenden Nadelbildner sind merk- lich kleiner als die gewöhnlichen Dermalzellen, fast ohne Körnelung; ihr Kern zeigt ein sehr dichtes Chromatinwerk, so dass er fast homogen erscheint, zumal auch er sehr viel kleiner ist. Er ist so- gar geringeren Umfangs, wie der der innen liegenden Gastralzellen, und es könnte, namentlich weil, wie schon oben bemerkt, der Belag der Dermalzellen sehr dünn und am Schnitt oft fast verschwindend ist, leicht ein Bild vorgetäuscht werden, wo kleinkernige Zellen srößerkernige umgeben, was zu einer ganz falschen Deutung und serade umgekehrten Ableitung von den Larvenschichten führen könnte, wenn nicht alle Zwischenstufen vorlägen. Zudem ergiebt sich auch eine Schwierigkeit daraus, dass die Kerne der Dermal- zellen in Folge der Theilung ihr so charakteristisches Bläschen- stadium mit Nucleolus (s. o.) verlieren, und auch nachher mehr und mehr eine längsovale Form, parallel der Oberfläche, annehmen. Eine weitere Komplikation liegt darin, dass jetzt einige amöboide Wanderzellen sichtbar werden. Manchmal sind dieselben schon in der Larve aufgetreten und liegen da den Geißelzellen benachbart (sie sind also nicht mit dem Zelllager, das manchmal unter den Körner- zellen liest und frühzeitig differenzirte Nadelbildner darstellt, zu verwechseln). Sie gehören keiner bestimmten Zellschicht an, und sind auf diesen Stadien nur in sehr beschränkter Zahl vorhanden; wenn sie sich vermehren, bieiben sie in kleinen Häufchen zusammen liegen. Ihr Kern gleicht dem Eikern, ihr Plasma zeigt eine gleich- 1 WELTNER hat zuerst Mitosen bei Schwämmen gesehen, aber nur eine sehr kurze Textmittheilung hierüber gemacht. (Gesellschaft naturf. Freunde. Berlin 1886.) In der Zwischenzeit sind auch von Evans (Quart. Journ. of Mier. Sc. 1899) Karyokinesen bei Spongien beschrieben worden. 229. Otto Maas, mäßige dichte Körnelung (Fig. 12 w), so dass sie weder mit den schaumigen Gastralzellen noch mit den grobkörnigen Dermalzellen zu verwechseln sind. Da nun außerdem einige Dermalzellen nicht parallel der Ober- fläche liegen, sondern fast senkrecht von außen nach innen reichen, beziehungsweise gleich innen liegen blieben [letzteres sind diejenigen Elemente, die auch später zwischen Außenfläche und inneren Hohl- raum vermitteln, die Porenzellen (p)], so kommt bei der Kompakt- heit des Schwämmchens und raschen Folge der Vorgänge ein sehr komplieirtes Bild, geradezu ein Chaos von Zellsorten zu Stande (Fig. 12), in dem die Beziehungen zu den Keimlagern unentwirrbar wären ohne Kenntnis der histologischen Zwischenvorgänge. Es ent- spricht dieser Zustand dem, was ich bei Kieselschwämmen »Durch- wachsungsstadium« beider Schichten genannt habe (93), indem zur Bildung des Kanalsystems und zu seiner Verbindung mit der Außen- welt, die dermalen Elemente an zahlreichen Orten in Berührung mit den gastralen treten müssen. In dieses scheinbare Durcheinander zusammengedrängter Zellen wird nun auch äußerlich erkennbare Ordnung dadurch gebracht, dass sich allmählich ein größerer eentraler Hohlraum ausbildet, das Schwämmchen somit sich aufbläht und an Volumen zunimmt. Der Hohlraum ist zuerst nur spaltförmig und wird, abgesehen von den wenigen Dermalzellen, die hier innen liegen geblieben sind, von Gastralzellen begrenzt, die aber dann noch nicht zu einer einschich- tigen epithelialen Wandung sich angeordnet haben, sondern eine massige, mehrschichtige Lage bilden (Fig. 13 g), so wie es beim ent- wickelten Ascon, wenn er sich stark kontrahirt, der Fall ist. In den Gastralzellen zeigen sich auf diesem Stadium eigenthüm- liche Veränderungen, über die ich mir nicht ganz klar geworden bin. Sie scheinen nämlich in ihrem schaumigen, vacuolenreichen Plasma zwei Kerne zu besitzen (Fig. 21), erstens den schon immer vorhandenen, durch dichte Chromatinordnung dunkel tingirten, und außerdem einen srößeren, bläschen- oder vacuolenartigen mit einem dunklen Korn in der Mitte (Fig. 21 v). Da dieser zweite Körper nicht immer so scharf umschrieben ist, und das Plasma schon vorher mehr oder minder sroße Vacuolen aufwies, so könnte man daran denken, in ihm die sich bildende große basale Vacuole zu sehen, die später jeder Kragen- zelle zukommt, oder vielleicht bei der starken Kontraktion auch daran, ihn für den optischen Ausdruck des sich bildenden Kragens und das Korn in der Mitte für die zukünftige Geißel zu nehmen. Die Weiterentwieklung der Syconen nach der Metamorphose. 223 Bei der Kleinheit und Veränderlichkeit der Gebilde dürfen solche unbestimmten Anschauungen nicht verwundern; ich hoffe an günsti- seren Objekten hierüber Klarheit zu bekommen. Mit weiterer Aufblähung des Schwämmchens ordnen sich die Gastralzellen dann zu einer einschichtigen Lage epithelial an; an wohlerhaltenen Präparaten haben die Geißelzellen eine cylindrische Form und einen etwas verbreiterten Fußtheil. Sie scheinen in kleinen Abständen von einander zu stehen (s. Schnittbild 15), doch lehrt die Ansicht von der Basalfläche (z. B. Fig. 22), dass ihre Fuß- theile doch nahe zusammenschließen. Sie sind auf den Hohlraum zu so orientirt, dass ihr Kern centralwärts, ihre konstante Vacuole - basalwärts liegt, eine Thatsache, die laut MıncHuın (96%) von syste- matischer und phyletischer Bedeutung ist, und neben anderen An- zeichen die Syconen von einer ganz bestimmten Gruppe der Homo- cölen, den Leucosoleniiden und nicht von den Clathriniden, ableiten lässt. Bei dieser Auflockerung werden natürlich auch die anderen Elemente deutlicher. Im dermalen Lager sieht man die Theilung in bedeckende und nadelbildende Elemente an vielen Stellen scharf durchgeführt (Fig. 13 u. 14d, s); in den ersteren kann man sehr ver- schiedene Zellformen wahrnehmen, von richtigen platten Epithelien bis zu hammerförmigen Zellen, die aber, wie die Übergänge und be- sonders auch die Beobachtungen am Lebenden ! lehren, nur Kontrak- tionszustände der anderen sind. Auch die Porenzellen (p) beginnen jetzt deutlicher zu werden und ihre definitive Anordnung einzunehmen. Es sind eigentliche Dermalzellen mit besonders starker Granulirung und von ganz unregelmäßiger Form; sie zeigen eine Durchbohrung, die sich zu einer namentlich außen sehr weiten Öffnung vergrößern kann (Fig. 20 P); nach innen führt dieser »Zelltrichter« (oder besser diese Trichterzelle) zu einer intercellularen Lücke, um die fünf bis acht Gastralzellen herumstehen. Weniger häufig kommen die amöboi- den Wanderzellen, die keine epitheliale Beziehung haben, zur Beob- achtung; wenn aber, dann gleich mehrere auf einmal. Ganz beson- ders hervortretend durch quantitative Entfaltung sind die Spieula, die mittlerweile massenweise produeirt worden sind. Es sind zunächst Einstrahler, die schnell eine bestimmte Länge erreichen, und dann kleinere und größere Dreistrahler. Der Schwamm ist also auf diesem Stadium ein”geschlossenes ! Besonders eignen sich hierzu die flach an der Wasseroberfläche ange- setzten Exemplare. 224 | | Otto Maas, Säckchen, in dem sich fünferlei verschiedene Elemente unterscheiden lassen: a) zum Gastrallager gehörig: 1) die Kragengeißelzellen, in bereits typischer Gestalt, mit kleinem apiealem Kern und basaler Vacuole; b) zum Dermallager gehörig: 2) die epithelialen Deckzellen in verschiedenem Zustand (flach, kontrahirt ete.), 3) die Porenzellen, 4) die Nadelzellen mit den Nadeln (Ein- und Dreistrahlern); c) zu keinem Keimlager gehörig: 5) die amöboiden Wanderzellen (spätere Genitalzellen). Damit sind die wesentlichen histologischen Elemente des Schwam- mes (d. h. des Ascon) gegeben; mit dem Funktioniren der Geißeln und dem Inkrafttreten der Poren tritt bei weiterer Streckung das Oseulum auf, und wir haben ein wasserstromleitendes Schwämmehen ‘vor uns. Bevor jedoch die mit der Streckung verbundenen Ände- rungen im Geißelzellenlager, in der Gesammtform und namentlich in der Nadelanordnung, die jetzt noch ganz wirr ist, besprochen werden, ist noch auf die Genese der Nadeln selbst und ihre Beziehung zu den Bildungszellen etwas ausführlicher einzugehen. Die zuerst und manchmal schon in der Larve auftretenden Nadeln sind gewöhnliche dünne, an beiden Enden gleichmäßig zugespitzte Einstrahler. Ihre Mutterzellen differenziren sich nach einer typischen Kerntheilung aus gewöhnlichen Dermalzellen; ihrer histologischen Eigenthümlichkeiten ist schon oben gedacht worden (s. auch Fig. 18). Das erste Auftreten eines Kalkkonkrementes zeigt sich in unregel- mäßiger Form, sehr bald aber als ein kurzes Stäbchen (Fig. 23 s7), das sich dann schnell in die Länge streckt, so dass ihm die vorher un- regelmäßig geformte Zelle jetzt gestreckt anliegt (Fig. 23 s;)). Dann beginnt aber die Nadel aus dem Schwammkörper herauszuwachsen, zunächst noch von Plasma überzogen, dann aber so weit heraus- ragend, dass ihr freier Theil um das Vielfache länger wie der im Parenchym steckende, bekleidete ist. Bei dem außerordentlich schnel- len und massenhaften Auftreten der Nadeln!, die das kleine, noch oseulumlose Schwämmchen ganz stachelig erscheinen lassen (Fig. 1 und 2), kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hierbei, nachdem einmal der Anfang der Nadelbildung als organi- 1 Auch bei der Beobachtung am Lebenden erscheint die Bildung dieser herausragenden Nadeln überraschend plötzlich. Die Weiterentwieklung der Syeonen nach der Metamorphose. 295 scher, cellulärer Vorgang erfolgt ist, beim Weiterwachsen um einen rein chemischen Vorgang handelt, indem an das schon gebildete kohlensaure Kalkstück der Rest der Nadel krystallähnlich anschießt (vgl. auch Bınper [98]. Hierin bestärkt mich auch das Verhalten verschiedener Reagentien, z. B. manchen Farbstoffen gegenüber, die sonst die Nadeln intakt lassen, die aber diesen herausragenden Theil zerstören, während der innere bekleidete erhalten bleibt. Da das Reagens doch auch die umhüllende Zelle durchdringt, so kann der Unterschied nicht auf einer Schutzwirkung von dieser, sondern nur auf einer strukturellen resp. chemischen Verschiedenheit des frei ins Wasser ragenden Nadeltheils beruhen. Mehr wie eine Zelle und einen Kern habe ich bei diesen Einstrahlern, die eine gewisse Länge und Dicke niemals überschreiten, nicht zu Gesicht bekommen. Etwas anders geschieht die Entstehung der Vier- resp. Drei- strahler (da alle Vierstrahler zuerst als Dreistrahler vorgebildet wer- den). Sie erscheinen immer später und auch in viel geringerer Zahl, wenn schon eine ganze Menge wirrer Einstrahler vorhanden sind. Auch ihre Bildung zeigt sich zunächst in einer Zelle als ein un- regelmäßiges Konkrement; wie viel allerdings von einer solchen Form bei einem so kleinen und empfindlichen Gebilde auf Reagen- tienwirkung zu setzen ist, ist schwer zu sagen. Sehr bald hat das Kalkstück eine bestimmt dreieckige Gestalt (Fig. 24,); die Zelle theilt sich aber vor der Hand noch nicht, und selbst dann, wenn die Enden eine gewisse Länge erreicht haben, d. h. schon wirkliche Strahlen und Winkel vorhanden sind (Fig. 247,,,), ist nur eine ein- zige, im Kreuzungsplatz liegende Bildungszelle zu sehen. (Es ist dies kein Widerspruch zu den MincHzv’schen Angaben, wonach die Drei- strahler aus drei Stücken, jedes von einer, resp. einer Doppelzelle gebildet, sich zusammenfügen; denn diese Angaben betreffen Qlathri- niden, bei denen die Dreistrahler anderer Abkunft wie bei Leuco- soleniiden und den sich von ihnen ableitenden Syconiden sind; eben so wie die eine Gruppe basalkernige, die andere apicalkernige Kragenzellen besitzt.) Später lassen sich mehrere Zellen in unregel- mäßiger Vertheilung erkennen, die an einem Strahl liegenden meist spindelförmig gestreckt, die in der Mitte oder am Ende liegenden meist von amöboider Gestalt. Ein schnelles, krystallähnliches Wachsen habe ich an diesen Nadeln niemals beobachten können; sie ragen auch niemals aus dem Schwämmchen heraus, sondern liegen immer in der Wandung und schließen sich in Form und Strahlenbiegung deren Krümmung an. Sie sind offenbar keine ganz 226 Otto Maas, starren Gebilde, sondern etwas biegsam; denn ihre Strahlen sind, dem Wachsthum des Schwämmchens folgend, in älteren Stadien viel weniger gekrümmt wie in jungen (vgl. Fig. 1—6). Die Bildung des vierten Strahls geschieht viel später, und zwar dadurch, dass, wenn der Dreistrahler schon eine gehörige Ausbildung und namentlich ein Strahl (Basalstrahl) eine besondere Länge erreicht hat, von weiteren Zellen, die sich aus dem Dermallager ausscheiden (und die unter Umständen schon ganz differenzirt waren, sogar als Poren funktioniren konnten), der fehlende vierte Strahl am Kreuzungs- punkt der anderen aufgesetzt wird. Man erkennt gewöhnlich zwei Zellen an diesem vierten Strahl (Fig. 27 s!); da ihnen noch eine weitere Bedeutung bei der späteren Ausbildung des Kanalsystems zukommt, so wird von der Bildung des vierten Strahls noch unten zu reden sein. Noch etwas anders geht die Hervorbringung einer besonderen Kategorie von auffallend großen Einstrahlern vor sich, die nur in . beschränkter Anzahl vorhanden sind, und später senkrecht in der Öseularkrone stehen. Hier sind außer der ersten Bildungszelle sehr bald mehrere andere an der Nadel zu erkennen, die nicht durch Thei- lung der ersten entstanden, sondern neu aus dem Dermallager dazu getreten sind, so dass manchmal eine ganz epitheliale Bildungsweise vorzuliegen scheint (Fig. 25). Mindestens vier bis fünf, manchmal auch ein Dutzend Bildungszellen sind an einer solchen Nadel, die allerdings die gewöhnlichen Einstrahler um ein Vielfaches übertrifft, zu zählen. Die äußerlich so ähnlichen Kalknadeln weisen also in ihrer Entstehung recht wesentliche Verschiedenheiten auf und sind auch wohl phylogenetisch nicht einheitlich zu erklären. Alle diese Nadeln liegen wirr und unregelmäßig in dem kuge- ligen Schwämmchen und beginnen ihre Anordnung erst dann einzu- nehmen, wenn sich das Schwämmchen in die Länge streckt, d. h. in die Höhe richtet, und auch das Osculum gebildet wird. Die Masse der kleinen dünnen Einstrahler wird dadurch gewissermaßen in zwei Theile aus einander gezogen; der eine Theil bleibt basal stehen und bildet hier schräg herausragende Schutznadeln, spitzwinkelig stehende Haftnadeln, und einen sog. Wurzelschopf (Fig. 3); der andere Theil rückt nach dem Oseulum zu und bildet hier eine doppelte Krause, in- dem die einen Nadeln mehr schräg abstehen, nach Art eines Stuart- kragens, die anderen mehr senkrecht in die Höhe gerichtet sind. Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 227 Zwischen den letzteren stehen genau senkrecht in beschränkter Zahl die besonders starken Einstrahler, die wie Strebepfeiler weit über das Osculum empor und weit in den Schwamm hinunter ragen (Fig. sp!.. Je mehr sich das Schwämmchen in die Höhe richtet, desto weniger kleine Einstrahler bleiben im Schlauchtheil übrig (Fig. 4 und 5 von S. raphanus); hier liegen alsdann nur Dreistrabler (deren Strahlen in gleichem Winkel von 120° zusammenkommen), zunächst noch in wirrer Lage, dann aber bald so orientirt, dass ein Strahl parallel der Längsachse des Schwammes steht. Dieser Strahl, der Basalstrahl, gewinnt auch bedeutend an Länge gegenüber den beiden anderen, den Apicalstrahlen, so dass wir hiermit den Typus der un- gleichen vorläufigen Dreistrahler vor uns haben. Die Fläche, in der diese drei Strahlen liegen, ist keine Ebene, sondern entspricht der Krümmung der Röhrenwandung, die mit dem Wachsthum sich natür- lich verringert (s. o. p. 226). Der vierte Strahl kommt genau senk- recht darauf zu stehen. Die Anordnung dieser Drei- resp. Vierstrahler ist nachher eine sehr regelmäßige. Sie stehen in Spiralen um den Stamm, d.h. Schlauch herum, und zwar so, dass die Dreistrahler eines jeden Spiralkranzes immer senkrecht unter den entsprechenden des voran- gehenden, also die Basalstrahlen in einer Linie liegen, und ferner so, dass die Richtung der Apicalstrahlen die Spiraldrehung angiebt, so dass innerhalb ein und derselben Spirale die entsprechenden Api- calstrahlen zweier auf einander folgender Nadeln in eine Linie fallen (Fig. 3). [Noch besser tritt dies bei den etwas größeren Exemplaren hervor, die ich von Sycandra raphanus erhalten habe (Fig. 5, 6).] Nieht unwichtig, wegen verschiedener Theorien, die die Nadel- entstehung in Verbindung mit den Poren bringt, ist es, zu bemerken, dass die Poren und die Drei- resp. Vierstrahler (noch weniger natürlich die irregulär liegenden Einstrahler) hier in absolut keiner Beziehung stehen. Es geht dies schon daraus hervor, dass diese Nadeln regelmäßig stehen und in verhältnismäßig kleiner Zahl nur vorhanden sind, die Poren aber (Fig. 3 und 5) ganz unregelmäßig vertheilt und schon auf diesem jungen Stadium in Vielzahl da sind, so dass oft sieben bis acht in einen Apicalwinkel fallen können. Was die genauere Histologie der Poren anbetrifft, so kann ich der oben gegebenen Beschreibung und den ausführlichen Angaben MincHin’s für Asconen (98«) auf diesem Stadium nichts hinzufügen. Im Schnitt werden wohl die entsprechenden Lücken zwischen den Gastralzellen 338 Otto Maas, leicht gesehen, eben so leicht aber die dermalen Öffnungen übersehen, weil diese nur Durchbohrungen je einer, noch dazu sehr formver- änderlichen Zelle sind. Desshalb bedarf es der Aufsichtsbilder gut konservirter Exemplare (Fig. 20). Die Gastralzellen, die zuerst noch an Zahl genügten, haben, um der Streckung des Schwämmchens gerecht zu werden, ebenfalls eine starke Vermehrung erfahren, und man kann auch an ihnen auf solchen Stadien, namentlich nach Behandlung mit FLEMMIng’scher Lösung, die schönsten Karyokinesen sehen, besonders an Flächen- bildern, wie sie durch Anschnitt erzeugt werden (Fig. 22), Die Chromosomen sind kugeliger wie in Dermalzellen, die Spindeln sehr sedrungen und der ganze Kern im Theilungsstadium auffallend groß im Vergleich zum Ruhestadium. Zellen, die sich theilen, treten etwas aus dem epithelialen Rahmen heraus, wie man namentlich an den zwei daraus hervorgehenden Gastralzellen öfters erkennt (Fig. 26). Sie verlieren dabei auch zeitweise ihren Kragen und überhaupt ihre charakteristische Form, werden aber dann wieder typische Geibel- zellen mit apicalem Kern und basaler Vaeuole. Das Gastrallager reicht nicht bis zum Mundrand, sondern hier schlägt sich das dermale Lager ein Stück weit nach innen, so dass (wie übrigens auch am Fuß, s. Fig. 3 u. a.) hier die Schwämmchen- wandung aus einer Duplikatur von Dermallager besteht. Es wird also der für alle Asconen charakteristische »osceular rim« auch für dieses Durchgangsstadium der Syconen gebildet; dieser Rand kann auch noch ins Innere sphinkterartig vorspringen und von ausspannen- den Nadeln gestützt sein. Hiermit ist ein, wenn auch vom erwachsenen Sycon noch ent- ferntes, doch durchaus funktionsfähiges Asconstadium erreicht, das seinem Wasserstrome nach zu schließen auch eine lebhafte Thätigkeit entfaltet. B. Sycandra raphanus vom Ascon- bis zum Syconstadium, Da diese Etappe der Entwicklung an einer anderen, wenn auch sehr nahe verwandten Species beschrieben werden soll, wie die bis- herigen Vorgänge, so ist es nothwendig, die entsprechenden Ascon- stadien, die beiden Species gemeinsam sind, mit einander zu ver- gleichen. An Umfang und Höhe ist das jüngste von mir gesehene Ascon- stadium von S. raphanus schon merklich größer, wie das zuletzt betrachtete von $. seiosa, nicht aber an innerer Ausbildung weiter Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 339 vorgerückt; es schließt sich vielmehr an das letztere unmittelbar an, wie schon ein Vergleich der Habitusbilder zeigt (Fig. 3 und 4). Durch die Streekung sind die kleineren Nadeln noch etwas mehr aus ein- ander gerückt, und die Trennung in Wurzelschopf und Oscularkrone ist noch deutlicher geworden. Die Dreistrahler sind bei raphanus weni- ser gekrümmt als bei sefosa, liegen aber auf diesem Stadium noch etwas unregelmäßig, namentlich die kleineren mit gleich langen Strahlen, während die mit längerem Basalstrahl bereits orientirt sind. Einige der erwähnten starken Einstrahler sind auch hier in der Oseu- larkrone bemerklich. Der Größenunterschied des ganzen Schwämm- chens ist mehr im Speciesunterschied (wie auch beim Erwachsenen) als im Ausbildungsgrad begründet. Denn während sefosa schon jetzt Ausbuchtungen des Schlauches zu zeigen beginnt, wächst raphanus noch zu einem viel längeren Asconstadium aus, ehe sich die ersten Andeutungen der Tuben zu zeigen beginnen. Die histologische Aus- prägung ist ganz die gleiche wie bis eben betrachtet; ich gebe, um dies zu zeigen, einen Querschnitt (Fig. 26) zum Vergleich mit dem früheren von seiosa (Fig. 15): spärliche dermale Deckzellen, Spiecula- zellen, zum Theil noch oberflächlich liegend, Gastralzellen in der bekannten Weise den Hohlraum auskleidend, Poren ete., sind zu er- kennen, so dass ein vollkommener Anschluss hergestellt ist. Es wächst der junge Sycon noch als Ascon beträchtlich weiter, ehe er sich zu seiner definitiven Gestaltung anschickt. Formen, wie die in Fig. 5 abgebildete, habe ich am allerhäufigsten gesehen, so dass es scheint, als dauere dies Stadium auch zeitlich länger an, während der Beginn der Tubenbildung schwerer zu erlangen ist. Die einzige Weiterbildung, die man vorher noch wahrnehmen kann, ist die, dass die meisten Dreistrahler jetzt zu Vierstrahlern werden; der vierte auf dem Kreuzungspunkt aufgesetzte Strahl ist zunächst noch klein, oft hakig gebogen und in den meisten Fällen gastral gerichtet. Die Ausbildung der Tuben beginnt etwas oberhalb der Mitte des ganzen Schwammes, und da am Fuß dessen Form, namentlich im Gastraltheil schlanker ist, wie oben, so kann man sagen, dass die Erscheinung in der Mitte der Menge der Gastralzellen auftritt. Die ersten Tuben zeigen sich in fast genau gleicher Höhe, also in Form eines Kranzes, jedoch treten nicht alle ganz gleichzeitig auf. Ich besitze Stadien, die zwischen Fig. 5 und 6 liegen, und wo nur zwei oder drei Ausbuchtungen, resp. spitze Tuben im Umkreis zu sehen sind, zwischen denen noch der gewöhnliche Schlauchtheil erhalten ist. 230 Otto Maas, Trotzdem also die Tuben eines Kranzes sich einzeln ausbuchten, so hängen sie doch, wenn derselbe gebildet ist, unter einander derart zusammen, dass ihre dermalen Theile, sich gegenseitig prismatisch abplattend, mit einander verwachsen oder fast eins sind (Fig. 32), und nur ihre Enden frei herausragen; später werden sie wieder freier, indem sich die zu den Poren führenden Räume mehr ausbilden. Ein instruktives Bild der Lager am ersten Tubenkranz ergiebt sich aus der Betrachtung eines mit Chromosmiumessigsäure fixirten (und desswegen entkalkten) Totalpräparates, das etwa die Gestalt eines südtiroler Weinglases mit Buckeln aufweist (Fig. 8), und wo man das Verhältnis der Tubenhohlräume zum Hauptraum, ihre jetzt noch weite Einmündung und ihren noch nicht unterbrochenen epi- thelialen Zusammenhang deutlich erkennen kann. In diese Wandausbuchtungen werden auch die Nadeln mit aus- sestülpt, aber nicht die schon gebildeten Drei- resp. Vierstrahler, die ja eine bestimmte Orientirung zur Achse der Röhre zeigen und diese Orientirung auch immer beibehalten, selbst wenn der ganze Schlauch- theil mit Tuben besetzt ist, also gar keine eigentliche kontinuirliche Längswand mehr vorhanden ist. Dadurch, dass in diese Tuben keine Vierstrahler zu liegen kommen, wird es auch bewirkt, dass ihre gastrale Auskleidung, nicht wie die des Hauptraumes von Nadel- spitzen und Zubehör durchbohrt wird, sondern die Geißelzellen, von Porenstellen abgesehen, kontinuirlich stehen. Die Einstrahler, die schon in den jungen Tuben sehr reichlich liegen, sind theilweise schon von früher im Schlauchtheil vorhanden gewesen, theilweise aber neugebildet. Sie nehmen bald eine sehr charakteristische An- ordnung ein, indem sie die Tube seitlich stützen und sich zeltstangen- artig so kreuzen, dass ihre Enden weit über das Weichkörperende der Tube hinausragen (Fig. 6 und 33 sp,). Außerdem zeigt sich jetzt eine neue, nur zu den Tuben gehörige Kategorie von Nadeln, nämlich ankerartige Dreistrahler, die stets Dreistrahler verbleiben. Sie liegen so, dass ihr Hauptstrahl in der Wand der Tube in deren Längsrichtung fällt, und ihre beiden anderen Strahlen den Grund der Tube umgreifen. Die Biegung dieser beiden Strahlen richtet sich nach der Basis der Tubenausbuchtung, so dass, weil diese rund ist, hierdurch ankerartig gekrümmte Formen (Fig. 6 s»;) hervorgebracht werden. Zuerst sind es nur wenige, dann mehrere dicht neben einander, so dass der gebogene Strahl des einen Ankers den des nebenliegenden umgreift (Fig. 7). Die wichtigste Frage ist nun die nach dem Zusammenhang der Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 2331 Tubenauskleidung mit der Auskleidung der centralen Röhre, resp. nach den Veränderungen, die die Auskleidung der Röhre bei der Ausbildung der Tuben durchmacht. Das Stadium, auf dem der Geißel- zellenbelag einer Tube mit dem des Hauptraums noch in konti- nuirlichem Zusammenhang steht, wie es ja bei ihrer Entstehung als Ausbuchtung nothwendigerweise der Fall ist, geht bald vorüber. Am Grund der Tube wächst nämlich, gerade durch die von der Aus- buchtung herrührende Knickung begünstigt, das Dermallager herein und drängt sich zwischen die Geißelzellen des Hauptraums und die der Tube hinein (Fig. 28 und 29). Man könnte zuerst daran denken, dass ein solches Bild dermaler Kontinuität von außen nach innen nur scheinbar wäre und durch Biegung der Wand sowie durch An- schnitt vorgetäuscht würde, aber man überzeugt sich durch die Re- konstruktion lückenloser Serien bald, dass es ein thatsächliches Verhalten ist, und dass am Grund jeder Tube, wenn sie sich auszu- buchten beginnt, die Dermalzeilen eine Richtung nach innen annehmen; öfters kann man sogar eme einzelne Zelle, von außen, wo sie noch deckt, bis nach innen reichend, wahrnehmen (s. Fig. 28). Die zuerst weite Tubenmündung wird dadurch verengert, und für jede Tube so zu sagen ein dermaler Halstheil gebildet, da wo sie aus dem Hauptraum abgeht. Bei stärkerer Vergrößerung kann man besonders an Enkkalkion Exemplaren (Fig. 28) sehen, dass es nicht nur dermale Hautzellen (von denen ja die speciell ausgebildeten Porenzellen so wie so von außen nach innen reichen können) sind, die an dieser Einwachsung Theil nehmen, sondern das dermale Lager in seinem weitesten Um- fang, und zwar theilweise noch in wenig differenzirtem Zustand, namentlich was den Unterschied von Dermal- und Spiculazellen be- trifft. Öfter kann man allerdings schon Nadelbildner deutlich er- kennen an ihrem kleineren Kern und an der Art ihres Zusammen- liegens; aber eine besondere Lage unterhalb der Deckzellen haben sie nicht eingenommen, sondern wachsen mit diesen in jeder Rich- tung, neben und über diesen ein. Manchmal sind sie auch noch histologisch indifferent, so dass man noch in einer bedeckenden Zelle schon die Nadel auftreten sieht, und dieser Process kann mit dem Einwachsen zugleich weiter gehen. Auch ist die sogen. Zwischen- substanz noch schwach entwickelt, und man kann im Ganzen sagen, dass die Einwanderung der dermalen Schicht auf einem frühen Stadium erfolgt, ehe noch die Arbeitstheilung in eine bedeckende Epithelschicht und ein stützendes, nadelführendes Parenehym, das Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bad. 16 232 2 Otto Maas, alte »Mesoderm«, recht im Gange ist, eine Arbeitstheilung, die ja übrigens auch im erwachsenen Schwamm immer noch weiter statt- haben kann. In einer Beziehung scheinen die Nadeln und die mit ihnen zu- : sammenhängenden Zellen für diese Unterbrechung des gastralen Zu- sammenhangs und die spätere epitheliale Auskleidung des Hauptraums noch eine besondere Bedeutung zu haben. Wenn nämlich die vor- gebildeten Dreistrahler sich in Vierstrahler umwandeln, d. h. von Zellen, die sich am Kreuzungspunkt befinden, der vierte Strahl aus- geschieden wird, so sind für dessen Richtung senkrecht auf den Kreuzungspunkt zwei Fälle möglich: er kann frei nach außen, oder er kann in die gastrale Höhlung hineinragen. Im ersten Fall sind die Zellen des vierten Strahls in nichts von allen anderen dermalen Spiculazellen unterschieden, bleiben auch im Dermallager liegen, das sie höchstens mit der Nadel etwas vorgewölbt haben. Im zweiten Fall jedoch gerathen sie mit ihrem Spieulastrahl in den Gastralraum hinein, ihr Gastralstrahl unterbricht die Kontinuität des Geißelzellenlagers und erleichtert so dessen Zerlegung bei der Tubenbildung. Wie viele Zellen bei der Bildung des Gastralstrahls thätig sind, habe ich nicht sicher entscheiden können. Nach manchen Bildern zu schließen ist es ursprünglich wohl nur eine; an den hereinragenden Strahlen habe ich meistens zwei erkennen können (Fig. 27 s!). Da nun nach ScHULZE (75) auch später sich an diesen Nadelspitzen mit- unter ein sehr dünner epithelialer Überzug erkennen lässt, und auch an anderen Strahlen, wie namentlich MıncHin bei Asconen beschrie- ben hat (98 «), die Bildungszellen abgleiten und wieder epitheliale Ver- wendung finden können, so ist auch hier — und alle Bilder stimmen damit überein — anzunehmen, dass diese Zellen des vierten Strahls, der später nackt erscheint, abgeglitten sind und an der epithelialen Auskleidung des Hauptraums, die das Dermallager liefert, mit Theil nehmen. Die wichtige allgemeinere Folgerung hieraus ist also die, dass weder vor noch nach der Bildung der Nadeln ein prin- cipieller Gegensatz zwischen Deckzellen und Spieulabild- nern besteht, dass aus den einen die anderen werden können und auch vice versa. Bei der Bildung des zweiten Tubenkranzes wird der beschrie- bene Vorgang der Einwachsung der Dermal- und Spieulaschicht weiter fortgesetzt. Dieser zweite Kranz entsteht oberhalb des ersten; das Geißelepithel seiner einzelnen Tuben steht zunächst noch mit dem Geißelzelllager des Hauptraums und dem des ersten Kranzes Dıe Weitereutwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 333 in Zusammenhang; eben so ist dies der Fall bei dem dritten Tuben- kranz, der sich wieder unterhalb des ersten anlegt. Die Durch- trennung des Gastrallagers tritt aber alsbald wieder mit der Ein- wanderung der Dermalschicht ein. Alsdann ist schon auf eine ziem- liche Ausdehnung des Schlauches das Geißelepithel in die einzelnen Tuben vertheilt und das Schlauchinnere ebenfalls in ziemlicher Aus- dehnung von der Dermalschicht besetzt. Histologisch hat mittlerweile die Dermalschicht eine größere Differenzirung und auch quantitativ eine viel stärkere Entfaltung ge- wonnen. Letzteres wird besonders bewirkt durch die reichliche Ausbildung der »Zwischensubstanz«, in welcher Zellen und Nadeln eingebettet liegen, aber auch durch massige Ausbildung der Nadeln selbst. Ersteres geschieht durch schärfere Trennung der bedeckenden und stützenden Elemente, nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Schlauchinnern. Es wird das tubentragende Stück des Schlauches von den bekannten Nadeln gestützt (Fig. 6 und 7) und nach der Innen- fläche tritt dann ebenfalls eine reguläre Bedeckung von Plattenzellen auf, die sog. »Gastralmembran«. Der Name ist nicht glücklich; denn dieselbe ist, wie aus der obigen Beschreibung hervorgeht, und wie ich schon in meiner früheren Mittheilung (98) erörtert habe und hier noch einmal nachdrücklich betonen möchte, nicht gastraler Ab- kunft, nieht durch Abplattung von Geißelzellen entstan- den, zwischen denen Tubenzellen als nicht abgeplattet übrig blieben, sondern sie ist durchaus ein Theil des Dermallagers, das die Gastralzellen aus der Kontinuität ihres Asconstadiums in einzelne, beim Sycon noch regu- lär und radiär angeordnete Räume, gedrängt hat. Es finden sich auch absolut keine histologischen Übergänge zwischen Plattenepithelien und Geißelzellen, die doch sonst vorhan- den sein müssten; nicht nur nicht beim Erwachsenen, wo schon F. E. SCHULZE (75, p. 251) auf den scharfen und unvermittelten Gegensatz hingewiesen hat, sondern auch bei den Jugendstadien hier fehlen sie vollständig. Selbst dann, wenn die Kragenzellen, sei es durch Konser- virung oder durch freiwillige Kontraktionszustände sich ziemlich verändert haben und anstatt der typischen Cylindergestalt runde oder Spindelform aufweisen (Fig. 28 und 35), lassen sie keine Ver- wechslung mit Plattenepithelien und verwandten Elementen zu. Eben so ist stets der scharfe Gegensatz erkennbar, wenn im Schlauchtheil auf späteren Stadien mit zunehmender Tubenausbildung, nachdem nahezu 16* 334 Otto Maas, alle Geißelzellen in die Tuben hineingerückt sind, doch noch nahe dem Oseularrand einige Reste, »Inseln«, von Gastralzellen zwischen dem Plattenepithel übrig bleiben (Fig. 36 und 37 g). Die Ausbildung weiterer Tubenkränze schreitet nach oraler und . basaler Richtung gleichmäßig fort. Die entsprechenden Veränderungen, sowohl der äußeren Form, wie die des Nadelarrangements zeigt ein Totalpräparat (Fig. 7), wo das mittlere Drittel bereits syconartig um- gestaltet ist, und nur ein oberes weites und ein’ schlankes unteres Stück des Schlauchtheils noch die Asconnatur bewahrt haben. Man kann an diesem Stadium ziemlich genau vier fertige Tubenkränze unter- scheiden, zu denen sich noch einer oben und ein anderer hinzuzu- fügen beginnt, von denen aber erst wenige Tuben angelest sind; namentlich am jüngsten, untersten sieht man noch den Zusammen- hang mit der centralen Asconhöhlung und der Tube des vorher- tehenden Kranzes. Man erkennt, dass auf diesem späteren Stadium allerdings die Eintheilung in bestimmte auf einander folgende Kränze ‚etwas willkürlich ist; vielmehr gruppiren sich die Tuben nicht mehr senau in gleicher Höhe radiär um den Schlauch herum, sondern stehen etwas unregelmäßig, wie es ja auch beim erwachsenen Sycon der Fall ist. Interessant ist das Verhalten der Nadeln. Die Vierstrahler haben sich stark vermehrt, zeigen aber noch immer ihre regelmäßige Anordnung, die darin besteht, dass in einer Spiraltour der eine Apicalstrahl immer in die Verlängerung des vorhergehenden fällt (vgl. auch Fig. 5, 6 und 7). Dadurch, dass nun diese Nadeln sehr zahlreich geworden sind, legen sich solche Strahlen parallel neben einander, und es kommt auf diese Weise in der Oberflächenansicht ein zierliches Gitterwerk zu Stande. Man kann von außen betrachtend deutlich zwei Kategorien Vier- strahler, höher, also dermale, und etwas tiefer nach dem Schlauch- hohlraum zu liegende, gastrale erkennen, die je ein besonderes Gitter- werk für sich bilden; bei den ersteren ist der vierte Strahl nach außen gerichtet, bei den letzten ragt er in den centralen Hohlraum, den Pseudogastralraum, hinein. Da, wo die Tuben ausgebildet sind, wer- den natürlich diese letzteren Vierstrahler etwas verdeckt, doch sind sie bei tiefer Einstellung als Wandungsstrahlen, die nichts mit den Tuben zu thun haben, zu erkennen. In den Tuben selbst sind nur Dreistrahler und Einstrahler zu erkennen, mit zusammen zeltstangenartiger Anordnung; eine gitter- artige Anordnung (gegliedertes Tubarskelett) wird noch nicht erreicht. Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 235 Zwischen den Tuben stellen sich sehr große runde oder ovale Lücken im dermalen Lager- ein (s. Fig. 7); es sind dies keine gewöhnlichen Poren, sondern es handelt sich hierbei um ein Auseinanderweichen der früher sich berührenden Tubenwandungen (s. o.), um dadurch das intertubare, resp. einführende Kanalsystem herzustellen. Es sind also Dermalporen im Gegensatz zu den eigentlichen Kammerporen. Der Wurzelschopf ist sehr entwickelt, auch ist eine breite mit amöboiden Haft- und Randzellen versehene Fußplatte erkennbar. Das Osculum zeigt gegen früher eine viel größere Menge von Einstrahlern; die großen in regelmäßigen Abständen senkrecht stehend, die kleineren in zwei schönen Krausen angeordnet oder auch feder- artig an den großen ansitzend. Dazwischen sind Vierstrahler einer neuen Kategorie, nämlich kleiner bleibende und hakenartige zu er- kennen (Fig. 5 und 7), die auch sonst in der Wandung vereinzelt auf- treten, hier aber für die Spannung der Oscularmembran ihre besondere Bedeutung haben. Von hier bis zum ausgebildeten Zustand sind jetzt nur noch quantitative Veränderungen, keine neuen Ausbildungsvorgänge mehr zu verzeichnen. Es wird allmählich der ganze Schlauchtheil des Ascons in der beschriebenen Weise umgebildet, so dass endlich alle Kragengeißelzellen in die Tuben gerückt sind, und die ganze innere Auskleidung des Hauptraums vom Dermallager gebildet wird. Be- sonders hervorzuheben sind die starken Gewebsbalken, die sich je- weils am Tubengrund zeigen (Fig. 35); ferner ist zu bemerken, dass das dermale Epithel auch noch vom Hauptraum aus in jede Tube ein Stück weit hineinreicht, und somit ein Halstheil der Tube gebildet wird. Die Tuben selbst ragen mehr oder minder frei heraus; so weit Gewebsbrücken zwischen ihnen vorhanden sind, stellen diese noch Reste eines früheren, von der Ausstülpung herrührenden, Zusammen- hangs dar und sind keine Neubildungen. Die distalen Enden ragen sanz frei heraus; zur Bildung einer sie verbindenden »Dermalmem- bran«, durch die erst das Wasser in die: intertubaren Räume gelangt, kommt es hier noch nicht. Eine solche Membran und demzufolge ein massiges Aussehen des Schwammes wird öfters nur dadurch vorge- täuscht, dass die äußere Wand voll Fremdkörper steckt und mit Algen und Diatomeen dicht bewachsen ist, so dass man die einzelnen Tuben gar nicht mehr erkennt. Bei Exemplaren, die man im Aquarium züchtet, ist es möglich den Außenrand ziemlich rein, die Tuben also frei und ganz deutlich (auch mit bloßem Auge bei durchfallendem Licht) einzeln erkennbar zu erhalten; ich habe von Herrn KossEL 336 | Otto Maas, derartige blendend weiß aussehende Syconen erhalten, die über 1 em hoch und etwa 0,65 em im Durchmesser sind. Die Tuben bleiben nicht regelmäßig radiär, sondern können sich krümmen, seitliche Ausbuchtungen bilden, und dementsprechend muss :sich auch das bisher einfache Tubarskelett zerlegen, in mehrere auf einander folgende Reihen von Ankernadeln etc. gliedern. Auch die Vierstrahler nehmen weiterhin Theil an der Wandung. Da diese Dinge aber von den Beschreibern des ausgewachsenen Schwammes, eben so wie von den Systematikern schon eingehend gewürdigt worden sind, so ist unsere Aufgabe hier zu Ende. Es bliebe nur noch zu betonen, dass sich im Innern die amöboiden Wanderzellen mehr und mehr bemerkbar machen, sich öfters zu Gruppen zusammenlegen, aus denen dann je nachdem Spermaballen oder Eizellen hervorgehen können. Die Reife- und Befruchtungs- erscheinungen derselben sind in jüngster Zeit von mir geschildert worden (99), die Furchung und Larvenausbildung und Metamorphose ‘ist durch F. E. ScHuLze (75 u. 78) genau bekannt geworden, und somit wäre der Entwicklungseyklus eines Sycons in unserer Kennt- nis geschlossen. München, im September 1899. Litteraturverzeichnis. 1872. E. HAECKEL, Die Kalkschwämme. Berlin. 74. E. METSCHNIKOFF, Zur Entwicklungsgeschichte der Kalkschwämme. Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 75. F.E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung von Sycandra rapha- nus. Ibid. Bd. XXV. 78. —— Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Ibid. Bd. XXXI. 87. V. v. EBNER, Über den feineren Bau der Skeletttheile der Kalk- schwämme etc. Sitzungsber. K. Akad. Wiss. Wien. Bd. XCV. 91. A. Denpy, A Monograph of the Vietorian Sponges. I. Trans. R. S. Vie- toria. Vol. III. 91. R. v. LENDENFELD, Die Spongien der Adria. I. Die Kalkschwämme. Diese Zeitschr. Bd. XLIIl. 92. G. P. BiDDER, Note on Exeretion in Sponges. Proc. Roy. Soe. Vol. LI. 92. A. Denpy, A Synopsis of the Calcarea Heterocoela. Proc. Roy. Soc. Vietoria. 92. O. Maas, Die Auffassung des Spongienkörpers ete. Biolog. Centralbl. Bd. X. Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. IT 1892«. E. A. MincHin, The Oscula and Anatomy of Leucosolenia elathrus. Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. XXXII. 923. —- Some points in the histology of Leucosolenia elathrus.. Zool. Anz. Bd. XV. 92. E. Topsent, Notes histologiques au sujet de Leueosolenia coriacea. Bull. Soc. Zool. France. XVII. 92. G. C. J. VosMAER, On the Canal system of the homocoela and on the morphological value of the terms Porus and Oseulum. Tijdschr. Nederl. Dierk. Ver. 93. A. Denpy, Studies etc. V. Observations on the Structure and Classi- fieation of the Calcarea Heterocoela. Quart. Journ. Mier. Se. n. s. XXXV. 93«. O0. Maas, Über die erste Differenzirung von Generations- und Somazellen bei Schwämmen. Verh. Deutsch. Zool. Gesellsch. Jahrg. 3. 933. —- Die Embryonalentwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. Zoolog. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ontog. Bd. VII. 96«.E. A. Mınchm, Note on the larva and the postlarval development of Leucosolenia ete. Proc. Roy Soc. Vol. LX. 96 3. — Suggestions for a natural classification of the Asconidae. Ann. and Mag. Nat. Hist. Vol. XVII. 6. Ser. 98 c. Materials for a Monograph of the Ascons. I. On the Origin ..... of the ..... Spieules ete. Quart. Journ. Mier. Sc. New ser. Vol. XL. 983. —— Discussion on Sponges. Proc. of the Intern. Zoolog. Congress. Cam- bridge. 98. G. P. Bipper, The Skeleton and Classification of Calecareous Sponges. Proc. Roy. Soc. Vol. LXIV. 98. O. Maas, Über die Ausbildung des Kanalsystems und Kalkskeletts bei jungen Syconen. Verh. Deutsch. Zool. Gesellsch. 8. Jahrg. 99. —- Über Reifung und Befruchtung bei Spongien. Anat. Anz. Bd. XVI. Erklärung der Abbildungen, Auf allen Figuren bedeutet: O, Oseulum; s, Spieulazelle; P, Porus; sp, Nadel, und zwar H, centraler Hohlraum; spı, Einstrahler, T, ausgestülpte Tube; spa, Dreistrahler, d, Dermalzelle; spa, Vierstrahler; 9, Gastralzelle; sp!, starke bes. Einstrahler; p, Porenzelle; w, neutrale Wanderzelle. Die jeweilige Vergrößerung ist neben jeder Figur angegeben. Tafel IX und Tafel X, Fig. 7. Eine Serie von Totalpräparaten von Sycandra setosa (Fig. 1—3) und $S. raphanus (Fig. 4—7), die zusammen eine vollständige Entwicklungsreihe vom Stadium nach dem Festheften bis zum jungen Syconstadium ergeben. Umrisse, Nadelvertheilung, Kerngröße, Poren ete. sind mit der Camera eingetragen, und 938 | Otto Maas, die Bilder selbst von Herrn Maler G. KELLER nach Skizzen von mir und nach dem Mikroskop weiter ausgeführt worden. Fig. 1. Sycandra setosa. Stadium bald nach dem Ansetzen; reichliche Bil- dung von Einstrahlern, spärlichere von Dreistrahlern. Gastraler Hohlraum be- reits deutlich; einige Poren sind bereits aufgetreten. Fig. 2. Streckung des Schwämmchens, Vermehrung der Nadeln, eben so auch der Poren; das Osculum ist noch nicht gebildet. Fig. 3. Aufrichtung des Schwämmchens, Durchbruch des Osculums; die Dreistrahler beginnen sich allmählich regelmäßig in der Wandung anzuordnen; die Einstrahler bilden Wurzelschopf und Osecularkrause. Fig. 4 Das jüngste hier anschließende Stadium von S. raphanus, das trotz bedeutenderer Gesammtgröße doch in Nadeln etc. verhältnismäßig geringere Ausbildung und etwas weniger Ordnung zeigt wie das letzte von $. setosa. Fig. 5. Ein bedeutend gewachsenes und mit regelmäßig geordneten Na- deln ausgestattetes Stadium, das aber noch durchaus die Asconnatur bewahrt hat. Der gastrale Hohlraum ist einheitlich, mit sehr zahlreichen Poren und einem weiten Osculum versehen. An letzterem ist ein dermaler Umschlagsrand und die Anordnung der Nadeln in bestimmten Krausen deutlich erkennbar. Die Dreistrahler des Schlauchtheils beginnen zu Vierstrahlern zu werden; die Einstrahler sind fast gänzlich nach dem Osculum und dem Wurzelschopf aus einander gerückt. | Fig. 6. Weiteres Wachsthum des ganzen Schwämmchens und starke Ver- mehrung aller Nadeln. Die regelmäßige Anordnung der Wandungsvierstrahler ist besonders ins Auge fallend. Das Wichtigste ist die Ausbildung des ersten Tubenkranzes; in den Tuben befinden sich zeltstangenartige Einstrahler und ankerartige Dreistrahler. Tafel X. Fig. 7. Stadium mit mehreren Tubenkränzen, die nicht mehr.so regel- mäßig erscheinen. Am obersten und untersten ist der ursprüngliche Zusammen- hang der Tuben mit dem gastralen Hauptraum noch erkennbar. Das Nadel- skelett ist bedeutend verstärkt. | Fig. 8. Stadium des ersten Tubenkranzes von einem mit FLEMMING’scher Lösung behandelten und darum entkalkten Exemplar von S. raphanus (bei etwas schwächerer Vergrößerung). Die Nadeln sind aufgelöst, desto besser ist das Verhältnis der dermalen und gastralen Schicht zu einander zu sehen. Am Osculum der einspringende Rand (o. r.). Tafel XI. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Sycandra setosa und sind nach Schnittbildern ausgeführt. Fig. 9—15 Schnitte durch auf einander folgende Stadien von der freien Larve bis zum Ascon; es soll hieran besonders das Verhältnis der verschiede- nen Zellsorten, ihre Kerngröße und ihre histologische Ausbildung gezeigt werden. Fig. 9. Freie Larve (es sind nur einige Zellen zum Vergleich ausgeführt. F, von der Furchungshöhle stammender Hohlraum der Larve. Fig. 19. Stadium nach dem Ansetzen; Umwachsen der zahlreichen und gedrängten Gastralzellen durch die spärlichen Dermalzellen, Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. 239 Fig. 11. Ein ähnliches Stadium, das aber schon bei einer Larve, die lange im Kanalsystem des Mutterthieres verblieben, zu Stande gekommen ist. Fig. 12. Ein Stadium, bei dem die dermale Schicht sich weiter ausge- bildet hat, und Spieulazellen deutlich erschienen sind (die Spicula selbst durch die Konservirung mit Sublimat-Alkohol aufgelöst). Die Gastralzellen noch dieht gedrängt, der Hohlraum noch klein; Porenzellen von außen nach innen reichend; dadurch ein scheinbares Durcheinander aller Zellen hervorgebracht. Fig. 13. Aufblähung des Schwämmchens, Ausbildung des gastralen Hohl- raums (einige Dermalzellen (d!) in Karyokinese. Alle diese Stadien liegen noch vor dem Stadium des Totalpräparates Die 1. Fig. 14. Weitere Ordnung in den Zellschichten; gastraler Hohlraum epi- thelial ausgekleidet; der Schnitt entspricht ungefähr dem Stadium des Total- präparates Fig. 1. Fig. 15. Schnitt durch ein asconartiges Stadium mit Osculum, etwa auf Stadium wie Fig. 3. Gastralzellen zeigen Kragen, Geißel und charakteristische Anordnung. Fig. 16. Die dermalen Körnerzellen eines angesetzten Exemplars bei sehr starker Vergrößerung. In allen der charakteristische Kern mit Nucleolus (m), einige zeigen scharfen Rand, andere amöboide Fortsätze. Fig. 17. Dermale Zellen vom Rand eines Schwämmchens, eine Anzahl von ihnen in Theilung (Karyokinese) (d!), die mit der Bildung von Spiculazellen einhergeht. Fig. 18. Karyokinetische Figuren in solchen aus dem Dermallager (d) entstandenen Spiculabildnern (s!}). Fig. 19. Die daraus resultirenden Elemente eines späteren Stadiums in starker Vergrößerung; auch eine Porenzelle erkennbar. Fig. 20. Weitere histologische Ausprägung. P, Porus in einer weit ge- öffneten Porenzelle (p); daneben eine davon abgetrennte Nadelzelle mit jungem Spiceulum. Fig. 21. Ausbildung der Gastralzellen mit Kern und einem weiteren eigen- thümlichen Körper (v, Vacuole?), s. p. 222. Fig. 22. Karyokinesen von Gastralzellen, die bei einem flächenhaften Anschnitt des Gastrallagers getroffen sind. Fig. 23. Verschiedene Bildungsstadien des kleinen Einstrahler mit an- liegender Zelle (s, syn Sıır)- Fig. 24. Verschiedene Bildungsstadien eines Dreistrahlers vor dem mehr- zelligen Stadium. Fig. 25. Bildungszellen (s!) eines der Rieseneinstrahler bei viel schwäche- rer Vergrößerung. Daneben ein gewöhnlicher Einstrahler bei gleicher Ver- srößerung zum Vergleich. Tafel XII. Alle Figuren beziehen sich auf Sycandra raphanus. Fig. 26. Querschnitt durch ein asconartiges Stadium, um zu zeigen, dass zwischen den Stadien von setosa (s. Fig. 15) und raphanus, auch was inneren Bau und Histologie betrifft, keine Lücke besteht. Fig. 27. Schnitt durch den Röhrentheil eines späteren Stadiums, auf dem wie in Fig. 6 bereits ein Tubenkranz weiter oberhalb gebildet ist. Die Vierstrahler (sp,) zeigen am Umkreis abwechselnd den vierten Strahl dermal- 240 Otto Maas, Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorph. wärts oder in die Gastralhöhlung gerichtet. In letzterem Fall ragen auch die Bildungszellen (s!) des Strahls mit ihm zwischen dem Geißelepithel hindurch. Sehr deutlich sind hier Poren im Schnitt zu sehen. Fig. 28. Stück eines Längsschnittes von einem entkalkten Exemplar. Einwanderung des Dermallagers (Epithel sammt Spiculabildnern), da wo sich Tuben gebildet haben. Fig. 29. Längsschnitt durch ein entsprechendes Stadium (doch nn wei- ter wie Fig. 6 und 8), um am Gesammtbild einen Überblick vom Einwachsen der dermalen Schicht und der dadurch erfolgten Zerlegung des Gastrallagers zu geben. T'!, eine sich bildende Tube. Fig. 30—35. Ausgewählte Querschnitte durch ein ähnliches Stadium, aber mit erhaltenen Nadeln (entsprechend etwa Fig. 6), und zwar Fig. 30 in der Oscularregion, Fig. 31 im oberen Schlauchtheil, Fig. 32 in der Tubenregion, Fig. 33 im unteren Aufhören der Tubenregion, Fig. 34 im unteren Schlauchtheil. Fig. 35. Stück eines Querschnittes von einem späteren Stadium. Stärkere Entwicklung der Dermalschicht mit Nadeln ete., auch nach dem Hohlraum zu. Scharfe Grenze der dermalen Deckzellen gegen das Gastralepithel. Fig. 36. Stehen gebliebene »Inseln< von Gastralepithel (g!) im oberen Schlauchtheil. Fig. 37. Dasselbe von einem anderen Präparat bei stärkerer Vergrößerung, um die scharfe Grenze gegen das innere Dermallager zu zeigen. Über die Aufnahme fester Theilchen durch die Kragenzellen von Sycandra. (Aus dem zoologischen Institut der k. k. deutschen Universität in Prag.) Von Stud. phil. Fr. Zemlitschka. Mit 2 Figuren im "Text. GRANT, LIEBERKÜHN und CARTER haben Fütterungsversuche an Spongien mit festen Farbstoffen vorgenommen, und es ist diese Me- thode auch von zahlreichen, neueren Forschern in Anwendung ge- bracht worden: Unlösliche, fein verriebene Farbstoffe werden in das Wasser gebracht und in dieses die Versuchsspongien eingesetzt. Die letzteren werden dann nach kürzerer oder längerer Zeit untersucht. LiEBERKÜHN (1856, p. 497) »fütterte« soleher Art Spongilla mit Karmin und machte die Entdeckung, dass Karminkörnchen von den Zellen aufgenommen werden. CARTER (1857, p. 574) erkannte, dass die Kragenzellen die Elemente seien, welche den Farbstoff aufnehmen. Diese wurden daher von HAEcKEL (1872, I, p. 372) und Anderen als die Organe der Nahrungsaufnahme angesehen. In der Folgezeit wurde auf Grund weiterer Untersuchungen die Behauptung aufgestellt, dass auch die Zellen der Zwischenschicht an der Farbstoffaufnahme betheiligst seien. Einige Forscher, vor allen METSCHNIKOFF (1879, p. 371), meinen, dass nicht die Kragen- zellen, sondern die amöboiden »Mesodermzellen« die Aufnahme der (festen) Nahrung besorgen. Nach METSCHNIKOFF dringen die Körn- chen des Farbstoffes theils durch das Plattenepithel der Kanal- auskleidung ein, theils verlieren die mit Fremdkörpern erfüllten Kragenzellen ihre Kragen und Geißeln und sinken in die Zwischen- schicht hinab, wobei sie sich in Wanderzellen verwandeln. Bipper (1888, p. 1) nennt die Zellen der Zwischenschicht, welche er für umgewandelte Kragenzellen hält, »Metschnikoffzellen«. v. LENDEN- 212. Fr. Zemlitschka, FELD (1889, p. 674), VOSMAER, PEKELHARING (1898, p. 173) und viele andere Forscher halten an der Ansicht fest, dass bei der Aufnahme von Fremdkörpern die Kragenzellen die Hauptrolle spielen. Nach diesen würden die Kragenzellen feste Partikelehen aufnehmen und an die amöboiden Zellen der Zwischenschicht abgeben. v. LENDEN- FELD zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass die Kragen- zellen zwar alle feste Körperchen aufnehmen, aber nur die verdau- lichen an die Zwischenschichtzellen abgeben, die unverdaulichen jedoch bald wieder ausstoßen. Neuerlich hat auch Lo1sseL (1898, p. 187) Untersuchungen über die Aufnahme von Farbstoffen durch Spongien angestellt. Er wandte jedoch hauptsächlich gelöste Farbstoffe (Anilinfarben) an. Seine Ergebnisse bestimmten ihn, sich der Meinung METSCHNIKOFF’S anzu- schließen, dass bei den Spongien nicht die Kragenzellen, sondern Elemente der Zwischenschicht die Nahrung-aufnehmenden Theile seien. Zweck meiner eigenen Untersuchung war es, durch erneute Ex- perimente Licht über diese strittigen Fragen zu verbreiten und wo- möglich festzustellen, 1) welche Elemente feste, im Wasser suspendirte Partikel aufnehmen, und 2) was mit diesen im Spongienkörper dann geschieht. Ich verwendete zu meinen Versuchen Sycandra raphanus. Das Seewasser, in welchem sich die Versuchsspongien befanden, wurde durch einen starken Luftstrom ständig in lebhafter Bewegung erhal- ten. Diesem Wasser wurden dann unlösliche Farbstoffe als »Futter« beigemengt. Am besten bewährte sich feinverriebene Kohle (Tusch): die im Folgenden geschilderten Ergebnisse wurden durchwegs an Tusch-Spongien gewonnen. Ich setzte dem Wasser so viel Tusch zu, dass dasselbe grau gefärbt erschien. Fixirt wurden die Spongien theils in absolutem Alkohol, theils in 1%/,iger Osmiumsäure. Zur Beobachtung kamen Handschnitte von lebendem und gehärtetem Material, sowie Mikro- tomschnitte.e. Hin und wieder wurde mit Anilinblau nachgefärbt. Schon nach einem Verweilen von einer Viertelstunde im Tusch- wasser hatten gesunde Exemplare Tusch aufgenommen. Die Menge desselben wuchs von Stunde zu Stunde, bis die Schwämme außen und im Querschnitt ganz schwarz erschienen. Nach mehrstündiger Fütterung zeigte sich die Innenfläche der Radialtuben dicht besäet mit schwarzen Punkten, das sind die jetzt Tusch-erfüllten Kragen- zellen. Die Betrachtung mit starken Systemen zeigte, dass die Tusch- Über d. Aufnahme fester Theilehen durch d. Kragenzellen v. Sycandra. 243 körnehen im Inneren der Leiber der Kragenzellen liegen. Sie sind nicht, wie ToPpsEnt angiebt, nur in der Kragenhöhle angehäuft, sondern im Gegentheil besonders im Basalende der Zelle zahlreich: der Kern wird durch sie verdeckt. Den Kragen vermochte ich leicht nachzu- weisen, eben so die Geißeln, obzwar die letzteren an ihren Enden meist mit einander verwirrt waren. Bemerkenswerth ist es, dass sich verschiedene Exemplare in Bezug auf die Tuschaufnahme sehr verschieden verhalten. Manche, und zwar die Mehrzahl, der auch äußerlich frisch aussehenden Sycandren füllen ihre Gewebe schon nach einer Stunde mit dem Tusche an. Bei anderen nehmen nur einzelne Bezirke die Farbe auf. Dass die Eizellen und Embryonen keine festen Farbstoffe aufnehmen, ist durch zahlreiche Versuche er- wiesen und wird auch durch meine Untersuchungen dargethan. Ab- weichend von den Berichten Anderer vermochte ich aber auch in den übrigen Elementen der Zwischenschicht keine Kohlenpartikel nachzu- weisen. Bei Exemplaren, die nur kurze Zeit — !/, bis !/, Stunde — im Tuschwasser verweilt hatten, haben die Kragenzellepithelien größten- (jo Ne/@/®/®) Y > l ye IC) IC N SG HOT N r So [@\6) OO ©88S IC N@X Her IN Ser ol®) III E09 D ) SIEAMISETIEO SD Oo I DOT oO I/ OO TION Sr ,O009 yo) ©o (€ O,.®o oo9 Eis], Harrnack, Ocular 3, Objektiv 7. Asge’scher Zeichenapparat. Vergrößerung 280. Flächenansicht eines rechteckigen Stückes vom Kragenzellenepithel aus der Innenwand einer Radialtube. Nach !/, Stunde »Fütterung« mit Tusch. Die Tusch-erfüllten Zellen bilden Kreise um die Kammer- poren. Zerstreute Bezirke von schwach Tusch - erfüllten Zellen. theils nur wenig Tusch aufgenommen. Bei solchen Spongien sind nur die, die Kammerporen umgebenden Kragenzellen Tusch-erfüllt, und diese 244 / Fr. Zemlitschka, treten, wenn man die Kammerwand mit einer schwächeren Vergröße- rung betrachtet, als deutliche, schwarze, die Poren einfassende Ringe aus der lichten Fläche hervor (Fig. 1). Alle Exemplare, welche die angegebene Zeit in Tuschwasser ge- halten worden waren, zeigten diese Erscheinung deutlich. Es ist hieraus zu schließen, dass die in nächster Nähe der Poren befind- lichen Kragenzellen früher als alle anderen Nahrungspartikel aufneh- men und anzunehmen, dass die Nachbarzellen der Poren durch gewisse physikalische Verhältnisse des Wasserstromes bei der Aufnahme fester Theilehen begünstigt sind. Die Breite dieser, die Poren einfassenden Tuschringe beträgt Anfangs nur eine Zellreihe. Die Bezirke, welche sich nach und nach mit Tuschkörnchen füllen, entstehen nieht durch ent 3/5 4% aönaip" [2 L we 2 N X x 2 & ‘ = » « WR en - En „er 4 ro > ie, 2 HARTNAacK, Ocular 3, Objektiv 7. Asse’scher Zeichenapparat. Vergrößerung 280. Flächenansicht eines rechteckigen Stückes vom Kragenzellenepithel aus der Innenwand einer Radialtube. Nach 4 Stunden Fütterung mit Tusch. Alle Kragenzellen haben bereits Tusch gespeichert. ein regelmäßiges, koncentrisches Anwachsen, Breiterwerden der ersten Tuschringe. Es erscheinen vielmehr unregelmäßig begrenzte Gebiete von Kragenzellen in der Nähe der ersten Ablagerungen, zunächst schwach mit Tuschkörnchen durchsetzt (Fig. 1). Diese Tuschfelder nehmen dann an Zahl und Größe zu und verschmelzen endlich mit einander (Fig. 2). Die Zeit, nach welcher die Tuschringe in der Masse der Tusch- Uber d. Aufnahme fester Theilchen durch d. Kragenzellen v. Sycandra. 245 speichernden Kragenzellen zu verschwinden beginnen, ist bei ver- schiedenen Exemplaren verschieden. Manche zeigten selbst nach vierstündiger Fütterung noch die schwarzumsäumten Poren deutlich. Bei anderen waren schon nach einer Stunde alle Kragenzellen dicht mit Tuschkörnchen gefüllt. Bemerkenswerth ist es, dass ich bei der »Fütterung« mit Karmin ähnliche Verhältnisse nicht habe nachweisen können. Eine andere Erscheinung von einiger Bedeutung ist die, dass die proximalen Theile der Radialtuben, das sind die dem Oscularrohre zugekehrten Enden derselben, viel früher und viel mehr Tusch spei- chern als die distalen. Über das Verhalten von »gefütterten« Spongien in reinem See- wasser haben neuerlich VOsMAER und PEKELHARING (1898, p. 174) Mittheilungen gemacht. Diese Forscher stellten ihre Versuche an Spongilla lacustris und Sycon eiliatum an, und sie fanden, dass sich die Kragenzellen dieser Spongien nach einem Bade in frischem Wasser des vorher gespeicherten Farbstoffes entledigen. Weiter stellten die Genannten fest, dass bei so behandelten Spongien die amöboiden Zellen der Zwischenschicht reich an dem zur Fütterung verwendeten Karmin waren, reicher als die gleichen Zellen jener Exemplare, die unmittelbar nach der »Fütterung« untersucht worden waren. In der Zwischenzeit mussten also die Kragenzellen Karmin- körnchen abgegeben, die Zwischenschichtzellen dieselben aufgenom- men haben. Bei Tusch-Sycandren vermochte ich Ähnliches nicht nachzu- weisen. Eine Anzahl von Exemplaren wurde nach einer »Fütterung« von mehreren Stunden in reines Wasser zurückversetzt und nach einem Aufenthalte von 2 bis 12 Stunden lebend und gehärtet unter- sucht. Es war zu erkennen, dass sich der Schwamm theilweise des Farbstoffes entledigt hatte; der Unterschied zwischen den Exempla- ren, welche unmittelbar nach der »Fütterung« getödtet worden waren, und solchen, die ein Bad in reinem Seewasser durchgemacht hatten, war schon makroskopisch auffallend, indem die Schnittflächen der letzteren viel lichter erschienen. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigte es sich, dass die Kragenzellew zwar den früher gespeicherten Farbstoff großentheils abgegeben, die Zwischenschichtzellen aber keine Kohlentheilchen aufgenommen hatten. Die Kragenzellen mussten ihren Inhalt an Fremdkörpern an das die Radialtuben durchströmende Was- ser abgegeben haben. | 346 Fr. Zemlitschka, Über d. Aufnahme fester Theilchen durch d. Kragenz. ete. Dieses Verhalten ließe sich wohl ungezwungen mit der Theorie v. LENDENFELD’s erklären: die Tuschkörnchen wurden zwar aufge- nommen und reichlich gespeichert, da sie aber keinen Nährwerth für die Spongie besitzen, nicht an die Zwischenschichtzellen abgegeben, sondern ins Wasser ausgestoßen. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1) Bei Sycandra raphanus nehmen ausschließlich die Kragen- zellen feste, im Seewasser suspendirte Partikel auf. | 2) Die Kragenzellen geben aufgenommene Kohlenpartikel nicht an die Zwischenschichtzellen ab, sondern stoßen sie wieder in das Wasser aus. 3) Die Nachbarzellen der Kammerporen füllen sich früher als die anderen mit den im durchströmenden Wasser enthaltenen Kohlen- partikeln. Zum Schlusse sei es mir gestattet, Herrn Prof. R. v. LENDENFELD, in dessen Institut diese Untersuchung durchgeführt wurde, meinen herzliehsten Dank für die Unterstützung, die er mir dabei gewährt hat, auszusprechen. Prag, im Juli 1899. Benutzte Litteratur, 1888. G. BIDDER, Note on excretion in Sponges. Proc. R. Soc. London. Vol. LI. p. 474. 1857. H. J. CARTER, On the ultimate structure of Spongilla and additional Notes on Freshwater Infusoria. Ann. and Mag. Vol. XX. p. 21—41. Dark 1872. E. HAECKEL, Die Kalkschwämme. 1889. R. v. LENDENFELD, Experimentelle Untersuchungen über die Physiologie der Spongien. Diese Zeitschr. Bd. XLVIII. p. 406—700. Taf. XXVI bis XL. 1856. N. LIEBERKÜHN, Zusätze zur Entwicklungsgeschichte der Spongillen. Mürer’s Archiv. Jahrg. 1856. p. 496—514. Taf. XVIII. 1898. G. LoıseL, Contribution ä l’histo-physiologie des &eponges. Journ. de l’anatomie. Jahrg. 1898. p. 187—234. Taf. V. 1879. E. METSCHNIKOFF, Spongiologische Studien. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 349—387. Taf. XX—XXL. 1898. G. ©. J. VOSMAER u. C. A. PEKELHARING, Über die Nahrungsaufnahme bei Schwämmen. Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1898. Phys. Abth. p. 168—186. Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. Von F. Vejdovsky, Prag. Mit Tafel XII. In meinen früheren Arbeiten habe ich gezeigt, dass das Nephri- dium der Annulaten aus einem präseptalen Trichter (fehlt nur bei Chätogastriden), einem postseptalen Lappenabschnitte, einem Aus- führungsgange und einer mehr oder weniger entwickelten Endblase besteht. Entwicklungsgeschichtlich glaube ich über jeden Zweifel nachgewiesen zu haben, dass die kontraktile Endblase durch die Einstülpung der Hypodermis zu Stande kommt. Die Beweisgründe für diese Deutung sind so überzeugend, dass ich in meinen »Ent- wicklungsgeschichtlichen Untersuchungen« es für nicht besonders nöthig hielt, nochmals eingehend und ausführlich zu beschreiben und abzubilden, auf welche Weise die bekanntlich mächtige Endblase der Lumbrieiden zu Stande kommt. Meine Darstellung wird neuerdings von R. S. BERGH! sehr scharf bekämpft, indem sich der genannte Verfasser auf seine em- bryologischen Beobachtungen an Criodrilus und Lumbricus beruft, »bei welchen ein derartiger Vorgang nicht annehmbar« sein soll. Er glaubt nachgewiesen zu haben, »wie der von dem ‚Nephridio- blasten‘ produeirte Zellstrang ins Ektoderm hinauswächst und hier nach außen durchbricht«. Meine Gegenbeweise sollen in der ge- nannten Beziehung »sehr schwach« und wenig »beweiskräftig« sein. In wie fern die Angaben BEersH’s über die Entstehung der kon- traktilen Endblase bei Oriodrilus richtig sind, vermag ich allerdings nicht zu entscheiden, zumal ich die in Rede stehenden Vorgänge bei dieser Gattung aus eigener Anschauung nicht kenne. Was aber die i Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Diese Zeitschr. Bd. LXVI. p. 435—449. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 17 248 / F. Vejdovsky, Lumbrieiden anbelangt, welche BERGH ebenfalls untersuchte und auf die er sich gleichfalls beruft, so muss ich seine Angaben für nicht bewiesen und die Argumente, mit denen er seine Beobachtungen begleitet, für nicht annehmbar betrachten. In der angezogenen Ar- beit! finde ich überhaupt keine nähere Nachricht von der Entstehung der Endblase und es wundert mich daher die apodiktische Behaup- tung des Verfassers, dass hier keine hypodermale Einstülpung statt- findet. Er sagt ja doch: »Die weiteren specielleren Umbildungen habe ich nicht verfolgt. namentlich nicht wie die Sonderung in die drei Abtheilungen des Schleifenkanals zu Stande kommt; nur das vermag ich zu sagen, dass die Epidermis an der Bildung derselben durchaus keinen An- theil nimmt, dass dieselben im Gegentheil allein auf Grundlage der ursprünglichen, einheitlichen Anlage entstehen. « Im Nachfolgenden versuche ich also den endgültigen Nachweis zu führen, dass die diesbezüglichen Angaben BERGH’sS aus entschieden unvollständigen und unrichtigen Beobachtungen resultiren. Zunächst benutze ich die Gelegenheit zu wiederholten Malen den Ausdruck BERGH’s »Endabschnitt« näher zu beleuchten. Obwohl ich schon früher 2 darauf hingewiesen habe, dass unter dieser Bezeichnung vielleicht nur die kontraktile Endblase von BERGH gemeint wird, so reagirt der genannte Forscher durchaus nicht auf diesen Einwand, und unterscheidet nach wie vor an dem Nephridium nur den Trich- ter-, Schlingen- und »Endabschnitt«. So lange nämlich der Begriff des »Endabschnittes« nicht näher: präeisirt ist, muss man die von BERGH angewandte Unterscheidung vom morphologischen Standpunkte aus als unrichtig bezeichnen. Denn der »Endabschnitt« BERGH’s besteht aus einem »mesoblastischen« Verbindungskanale zwischen dem Schlingentheile und der Endblase selbst, welche letztere nur in dem Epiblaste (Hypodermis) ihren Ursprung hat. | Zwar habe ich diese Auffassung der Nephridiumbestandtheile in meinen früheren Arbeiten aus einander gesetzt und namentlich in den »Entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen« eingehend be- sprochen, indessen muss ich in Anbetracht der neuesten Arbeit BergH’s nochmals und speciell auf diese Verhältnisse bei den Lum- 1 Neue Beiträge zur Embryologie der Anneliden. I. Zur Entwicklung und Differenzirung des Keimstreifens von Lumbrieus. Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. ?2 Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. p. 348. Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. 349 brieiden eingehen. Und hier muss ich mit Nachdruck betonen, dass BERGH die Entstehung der Endblase der Lumbrieiden überhaupt nicht beobachten konnte, indem ihm nur ganz junge Embryonen zu Ge- bote standen, in denen noch keine Spur von den in Rede stehenden Komponenten der Nephridien nachweisbar ist. Die Endblasen der Lumbrieiden legen sich nämlich sehr spät an. In meinen alten Notizen hierüber finde ich, dass die Embryonen oder eher junge Würmer von Lumbricus rubellus 12 mm, die von Allolobophora putris 11 mm, Dendrobaena S—9 mm Länge erreichen, in denen man sich verlässlich von der Anlage der Endblase überzeugen kann. Trotzdem fungirt das Nephridium der Lumbrieiden sehr frühzeitig, d.h. die Triehter solcher jungen Nephridien öffnen sich in die Segmenthöhle und auch der Nephridiallappen ist mit mehr oder weniger entwickel- ten Kanälen versehen. Auch der Theil, den ich als Ausführungsgang bezeichne, kann ebenfalls bereits »durehbohrt« sein, aber das Nephri- dium steht dennoch in keiner Kommunikation mit der Außenwelt, da die Endblase bisher nicht funktionsfähig ist, oder aber auch noch fehlt. Und wenn sie vorhanden ist, so ist es nicht immer leicht, die ersten Anfänge derselben zu erkennen, da sie bald zu funktio- niren anfängt. Das, was ich über die Entwicklung der Endblasen der Lumbri- ciden mitzutheilen beabsichtige, ist gar nicht neu; die Angaben darüber finden sich schon in meinen »Entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen«. Es fehlen hier nur die Abbildungen, welcher Umstand BERGH veranlasst hat, mir darüber einen Vorwurf zu machen und die mitgetheilten Thatsachen einfach zu ignoriren. In der angezogenen Schrift pag. 348 bespreche ich die Entstehung der Endblasen von Lumbrieus rubellus folgendermaßen: »Die hintersten Segmente enthalten die fast vollständig herausdifferenzirten Nephri- diallappen, in denen die Kanäle verlaufen. Aber der Ausführungs- sang ist noch nicht durchbohrt und ist an dem Hautmuskelschlauch angebracht, ohne mit der Außenwelt zu kommunieiren.« Zu dieser Mittheilung liefere ich eine Abbildung in Fig. 8. Es ist dies der Ausführungsgang, bei « an den Hautmuskelschlauch an- gebracht, bei 5 in die sogenannte zweite Schlinge (BENHAMm) oder besser in den kleinen Lappen übergehend. Die Zellen sind bisher solid, geldrollenartig angeordnet, von einem inneren Kanälchen ist keine Spur nachweisbar. In den Segmenten, wo solche Stadien der Nephridien vorkommen, findet man noch keine Spur der Endblasen- Anlagen, was um so sicherer nachweisbar ist, als die jungen Würmer 112 350 | | F. Vejdovsky, von Lumbrieus rubellus der erwähnten Länge ganz weiß, oder besser farblos sind und zur Untersuchung in dieser Beziehung sich sehr geeignet erweisen. Weiter heißt es in der erwähnten Schrift: »In den mittleren Segmenten findet man schon die Anlagen der Endblasen. Bekannt- lich münden dieselben bald vor einer der Bauchborsten, bald vor den Rückenborsten oder selbst auf der Rückenseite nach außen ..... Die dorsal entstehenden Hypodermiseinstülpungen sind selbstverständ- lich die längsten und daher ziemlich leicht zu beobachten, wozu noch der Umstand beiträgt, dass sie dicht unterhalb der Hypodermis ver- laufen und aus klaren Zellen bestehen. Ein kaum sichtbarer, aber doch deutlich hervortretender Porus befindet sich in der Hypodermis, deren Zellen sich in einem langen, scheinbar soliden Strange nach innen fortsetzen. Von seiner Ursprungsstelle ausgehend ist der Strang schwach, erweitert sich bald weiter nach innen und biegt sich dann in gerader Richtung, stets dicht unterhalb der Hypodermis verlaufend, zu der früher erwähnten, bisher soliden Ausführungsgangs- Anlage (Fig. 2). In seiner Ursprungsstelle hat der Strang die Gestalt eines Vogelkopfes (Fig. 3) und ist in der Anschwellung bereits hohl (Fig. 2 7). Die Wandungen des Stranges bestehen aus kubischen, mit klarem Cytoplasma und runden Kernen versehenen Zellen (st). Sowohl diese Eigenthümlichkeit als auch der Umstand, dass der Strang viel schmäler ist als die Anlage des Ausführungsganges (Fig. 2 ag), weisen darauf hin, dass die beiden Theile nicht von einer einheitlichen An- lage herstammen können. So weit ich an lebenden Embryonen sicher- stellen konnte, besteht der hypodermale Strang im optischen Längs- schnitte aus zwei so dicht an einander sich anlegenden Lamellen, dass ein dazwischen verlaufender Kanal kaum sichtbar ist. In weiteren Stadien werden aber die Zellen flacher, das Centrallumen ist zwar noch unbedeutend, tritt aber ganz deutlich in dem äußeren Anfangs- theile und namentlich in der Endanschwellung hervor (Fig. 4, 5, 6). Schließlich werden die Epithelzellen der so angelegten Endblase ganz abgeplattet, die Wandungen sind verhältnismäßig dünn und man kann von den Zellgrenzen nichts mehr wahrnehmen (Fig. 6). In dieser Gestalt (Fig. 7) verharrt die Endblase — besser der Endkanal — ziemlich lange; in den vorderen Körpersegmenten findet man die fungirenden Nephridien nur mit diesen Endkanälen ausgestattet (Fig. 7). Erst in größeren jungen Würmern schwillt der Endkanal zu der bekannten sackartigen Blase an, deren größter Theil sich in der Segmenthöhle befindet und von hier durch eine sehr enge Röhre Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. 351 innerhalb der Hypodermis mit dem Exkretionsporus sich nach außen öffnet. Was den Ausführungsgang anbelangt, so sieht man in Fig. 7 (ep), dass in demselben bereits ein wimpernder Centralkanal verläuft. Von einer »Durchbohrung der Zellen« kann hier offenbar keine Rede sein, da die Zellen zu beiden Seiten des Ganges epithelartig an- seordnet sind. Noch mehr überzeugend ist die Besichtigung des Ausführungsganges von der Oberfläche (Fig. 9). Hier sieht man, dass er aus geldrollenartigen Abschnitten besteht und jeder von den letzteren mehrere (wenigstens 4) Kerne enthält, welche der Quere nach in gleichen Abständen gelagert sind und der Länge nach in regelmäßigen Reihen hinter einander folgen. Der Centralkanal des Ausführungsganges ist daher nicht intra- sondern intercellular. Die Endblase von L. rubellus entstand also durch die Ein- stülpung, oder, wenn man will, durch Wucherung der Hypodermis- zellen, welche epithelartig angeordnet, in zwei Lamellen bis zu dem distalen Ende des früher angelegten Ausführungsganges hinziehen und mit ihm in Verbindung treten. Bis zu Ende der Entwicklung bewahren diese Zellen einen anderen histologischen Charakter als die Zellen des Ausführungsganges; sowohl die Anordnung der Zellen als ihre Struktur und Gestalt weisen darauf hin, dass sie einen anderen Ursprung haben als die Zellen des Ausführungsganges, be- ziehungsweise des Nephridiums selbst. Trotz dieser Thatsachen könnte man dennoch einwenden, dass sie nicht ausreichend sind, um den hypodermalen Ursprung der End- blasen über jeden Zweifel zu beweisen; die Anlage dieser Kompo- nenten könnte man vielleicht als bloße Verlängerung der Nephridial- anlage deuten. Auf Grund derartiger möglichen Einwände führe ich daher noch andere Argumente ins Feld, welche allerdings nichts Anderes sind als einfache Wiederholung der Verhältnisse, welche ich bereits vor Jahren für Tubifex und Rhynchelmis dargestellt habe. Nur betreffen meine jetzigen Angaben die Lumbrieiden-Gattungen Dendrobaena und Allolobophora. Die beiliegenden Abbildungen Figg. 10 und 13 dürften schon belehren, auf welche Art und Weise die Endblasen zu Stande kommen. Es sind thatsächliche Einstülpungen von Hypodermis in der Gestalt mächtiger Säcke mit dieken Wandungen. Die Einstül- pung von Dendrobaena (Fig. 13) ist ebenfalls wie bei L. rubellus schnabelförmig gekrümmt, nach innen blind geschlossen, obwohl in dem bereits bedeutend verengten Distalende des Ausführungsganges 359 | F. Vejdovsky, der innere Kanal verläuft. Nach außen mündet die Endblase mit einem ziemlich unbedeutenden Porus. Dasselbe wiederholt sich auch bei der Anlage der Endblase von AZ. putris (Fig. 10). Die histo- logischen Merkmale dieser hypodermalen Einstülpungen sind noch augenfälliger als bei L. rubellus. Während die Wandungen des Aus- führungsganges von Dendrobaena aus schön durchsichtigen Zellen bestehen, sind die letzteren der eingestülpten Endblase dunkel, ihr Cytoplasma ist dicht und fein gestreift, die Kerne dadurch nur schwierig nachweisbar. Natürlich bezieht sich diese Darstellung auf die Beobachtung im lebenden Zustande. Gelingt es aber die End- blase im optischen Querschnitte zu Gesicht zu bekommen, wie Fig. 11 veranschaulicht, so gelangt man zur Überzeugung, dass die Kerne sehr spärlich sind und nur zu zwei in jedem Querschnitte vor- kommen. Diese Thatsachen stimmen daher mit den bei L. rubellus erkannten Verhältnissen überein, wo die Anlage der Endblase eben- falls aus nur zwei Zellreihen besteht. Die Entwicklungsgeschichte erklärt nebstdem die Verhältnisse bei den völlig fungirenden End- blasen, wo BENHAM! nur sehr selten Kerne in dem »lining epithe- lium of this region« gefunden hat. »Frequently in a section, or even in several consecutive sections, no nucleus appears; then perhaps a section will show only one, or others show two, and very rarely three«. BENHAM erwartete, wie er angiebt, dass die Endblase (mus- cular duct) mit dem normalen Epithel ausgekleidet ist; nach den wenigen hier vorhandenen Kernen, welche »appear to be embedded in a finely granular though very thin layer of protoplasm, in which, however, I can detect no cell boundaries«. Zwar folgert BEnHAM, dass das Lumen der Endblase »is inter- cellular«, schließlich aber kommt er zu dem sonderbaren Resultate, dass man es hier mit einer »transition between perforated cells and a more definitive epithelium« zu thun hat. Die Entwicklungs- seschichte der Endblasen erklärt nun sehr schön, wie aus dem normalen Epithel jene Zustände entstehen, wo die Zellgrenzen ver- schwinden und die Kerne in einer gemeinschaftlichen Protoplasma- schicht eingebettet erscheinen (vgl. Fig. 4, 6, 7). Es geschieht dies während des Wachsthums der Endblase, welche tief in die Segment- höhle eindringt, ihre Wandungen platten sich in Folge der mäch- tigen Anschwellung stark ab, bei welchem Vorgange sich die Kerne 1 The nephridium of Lumbricus. Quart. mierosc. Journal. Vol. XXXI. N. S. p. 307—309. Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. . 353 wahrscheinlich nieht weiter vermehren. Die sehr früh birnförmig angeschwollenen Endblasen von Dendrobaena und Allolobophora sind in jugendlichem Zustande auf der ganzen Oberfläche mit ziemlich sroßen Zellen (Fig. 12 x) belegt. Es sind dies wahrscheinlich Muskel- zellen, aus denen die bekannte mächtige Muskulatur der fertigen Endblasen zu Stande kommt. Durch die voranstehende Darstellung habe ich also meine frü- heren diesbezüglichen Angaben bestätigt, nach welchen die Endblase der Lumbrieiden wie die von Tubifex und Rhynchelmis durch Ein- stülpung der Hypodermis zu Stande kommt und somit mit der ein- heitlichen Anlage des Nephridiums nichts zu thun hat. BerGH bestreitet zwar den epidermalen Ursprung der Endblase bei den letztgenannten Gattungen und glaubt meine Gegenbeweise in ge- nanntef Beziehung als »sehr schwach« bezeichnen zu können. Ich weiß wirklich nicht, ob man einen noch eklatanteren Beweis für die Bildung der Endblase aus der Hypodermis liefern kann, als wie ich sie bei Tubifex beschreibe und abbilde. Gegenüber der Behaup- tung BERGH’s, dass man in meinen Abbildungen »bereits eine fast fertig ausgebildete Endblase sieht«, muss ich den genannten Verfasser auf- merksam machen, dass er gewiss meine Fig. 2, Taf. IX (System und Morphologie der Oligochäten) übersehen hat. Es ist dies ein junges Nephridium, dessen Ausführungsgang noch gar nicht durehbohrt er- scheint und die Endblase — als ein blindgeschlossener Hypodermis- divertikel — in der Bildung begriffen ist. Und dasselbe gilt für die Endblase von Rhynchelmis, die ich auf der Taf. XIII, Fig. 5 ver- anschauliche. Diese Darstellung widerspricht der jüngsten Angabe BErRGH’s, dass die Nephridiumanlage direkt nach außen durchbricht, ohne jede Theilnahme der Hypodermis bei diesem Vorgange. Ob aber seine Abbildungen in dieser Beziehung »beweiskräftiger« sind, als die meinigen, muss ich Anderen zur Entscheidung überlassen (vgl. BERGH, 1. c., Figg. 23, 26, 27). Ich erwähne nur, dass BERGH die vermeintlichen äußeren Poren nur an gefärbten Präparaten ent- deckt zu haben glaubt, dieselben aber »in vivo« sicherzustellen vernachlässigte. | | Nach allen meinen früheren und jetzigen Erfahrungen findet die Ausmündung der Nephridien nach außen erst sekundär statt, indem sich die hypodermale Endblase mit der Nephridialanlage ver- bindet.- | Ich schließe diese kleine Mittheilung mit der Bemerkung ab, 254 F. Vejdovskf, Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. dass BERGH völlig im Rechte ist, wenn er eine Revision seiner und Anderer Untersuchungen über die Entstehung nicht nur des Trich- ters, sondern auch des ganzen Nephridialapparates der Annulaten überhaupt für nothwendig erachtet. Prag, den 10. Oktober 1899. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Sämmtliche Figuren sind nach dem Leben gezeichnet. Fig. 1. Zwei Segmente (VI und VII) eines weißen, 14 mm langen Em- bryo von Zumbricus rubellus, um den Verlauf der dorsal ausmündenden End- blasen zu veranschaulichen. Fig. 2—9. Lumbricus rubellus. Fig. 2. Der angelegte Hypodermisstrang (st) verbindet sich mit der soli- - den Anlage des Ausführungsganges. %, distale Anschwellung. Fig. 3. Seitenansicht des Distalendes des Stranges. Fig. 4 Weiteres Stadium mit dem sich bildenden Centralkanal. Fig. 5. Distalende desselben Stadiums im Profil. Fig. 6. Weiteres Stadium, in welchem die Zellgrenzen nicht mehr wahr- nehmbar sind. Fig. 7. Fungirende Endblase (oder Endkanal) und Ausführungsgang (ep). Fig. 8. Der Ausführungsgang bei a an den Hautmuskelschlauch angebracht, bei d in die kleine Schlinge übergehend. Fig. 9. Theil des fungirenden Ausführungsganges (Fig. 8 ep), von der Oberfläche betrachtet. | Fig. 10, 11. Allolobophora putris. Fig. 10. Die durch Einstülpung der Hypodermis entstandene Endblase. Fig. 11. Der optische Querschnitt der letzteren. Fig. 12. Der kleine Lappen eines jugendlichen Nephridiums von Allolo- bophora putris. ag, Ausführungsgang; eb, fertige Endblase mit den Muskelzellen m; vi, v2, Bauchborsten; d’, Rückenborste. Fig. 13, 14. Dendrobaena octaedra. Fig. 13. Die mächtige Hypodermiseinstülpung als Anlage der Endblase. ag, Ausführungsgang. Fig. 14. Der proximale Theil des Ausführungsganges mit der intracellu- lären Verzweigung des Centralkanals. Zur Anatomie der Vogelcestoden. 1. Von Dr. Ludwig Cohn. (Aus dem Zoologischen Museum in Königsberg i. Pr.) Mit Tafel XTV und XV. Amabilia lamelligera (Owen). Es lagen mir zwei große Exemplare vor, die Herr Dr. M. Lüne in Tunis gesammelt und mir freundlichst zur Untersuchung über- lassen hat. Die äußere Form entsprach vollkommen der von DIAMARE segebenen Beschreibung der Proglottiden; die Länge des größeren Exemplars, das ich auf Schnittserien untersuchte, betrug ca. 12 cm. Zunächst handelte es sich darum, den Bau des Scolex fest- zustellen, über den bisher nur eine Notiz von OwEn vorlag: »taenia inerassata, eapite subgloboso, rostello eylindrico obtuso, collo nullo ete.« Bei v. Lınstow findet sich zwar eine eingehendere Beschreibung des Sceolex und der Haken eines Cestoden, den er für A. lamelli- sera hielt; es liegt aber ganz offenbar eine Verwechslung vor. Er beschreibt kurz einen Cestoden aus dem Darme von Phoenicopterus, der 3,5 cm lang und 0,66 mm breit ist. Die Gliederung beginnt sleich hinter dem Scolex: »dieser ist herzförmig in der seitlichen Ansicht, das Rostellum ist sehr lang, vorn kugligs verdickt; hier stehen 8 Haken von 0,098 mm Länge; dieselben sind schlank mit wenig; entwickeltem Hebelast; die Körperkontouren sind sägeförmig, Geschlechtsorgane noch nicht entwickelt. Diese Art galt bisher als hakenlos; die Haken fallen nämlich sehr leicht ab und sind nur dann erhalten, wenn das Thier, was sehr selten vorkommt, im Augenblick des Todes das Rostellum eingezogen hat«. Diese An- saben stimmen alle nicht mit A. lamelligera überein. Diese ist gleich hinter dem Scolex, wo sie noch relativ am schmalsten ist, bedeutend breiter als 0,66 mm, und die Ränder der Kette können 256 Ludwig Cohn, mit sägeförmig absolut nicht bezeichnet werden. Die angegebene Form des Rostellums widerspricht der Beschreibung Owen’s. Die Haken in Form, Zahl und Größe sowie das Rostellum entsprechen hingegen vollkommen denen der Drep. megalorchis (Lükr), für welche auch die Größenverhältnisse des Cestoden und das Fehlen eines Collums zutreffen. v. Linstow ist also augenscheinlich durch das Wirthsthier zu einer irrigen Bestimmung der Tänie verleitet worden. Es bleibt also über den Scolex nur die eine authentische Notiz Owen’s, die DIAMARE, der nur kopflose Exemplare zu besitzen glaubte, in Zweifel zieht: »Sehr wahrscheinlich — meint er — hat Owen die ersten Glieder für Köpfe gehalten, welche an der zusammengezogenen Strobila als in die folgenden Glieder eingesenkte Warzen erscheinen. < Von meinen beiden Exemplaren zeigte nun das eine (das kleinere) einen vorgestreckten Scolex, und dieser stimmte in der äußeren Form vollkommen mit Owen’s Angabe »capite subgloboso« überein. Das zweite Exemplar war scheinbar scolexlos und zeigte das von DIAMARE erwähnte Verhalten; aus Schnitten durch das Vorderende ergab es sich aber, dass hier der Scolex nur tief zurückgezogen war, und hier konnte ich auch die Übereinstimmung in der Form des Rostel- lums mit Owen feststellen. Ich konnte nur das eine Exemplar mit eingestülptem Scolex schneiden, und hier war leider das Vorderende schlecht erhalten, so dass meine Angaben über den Bau des Seolex unvollkommen bleiben müssen, zumal ja auch die Einstülpung die Untersuchung erschwert. Haken habe ich nicht mehr auffinden können. Dass die Tänie aber bewaffnet ist, beweisen Hakentaschen, die ich noch feststellen konnte und die eine Länge von 0,013 mm hatten; die Haken müssen also relativ recht klein sein. Das Rostellum ist etwa eben so lang wie breit, nämlich ca. 0,1 mm, während die Saugnäpfe 0,08 : 0,06 mm messen. Ein Collum ist nicht vorhanden. Dieht unter der sehr dünnen Cuticula der Proglottiden liegt eine schwache Längsmuskelschicht, der sich nach innen zu eine feine Lage von Ringmuskeln anschließt. Eben so wie diese Schichten ist auch die subeutieulare Schicht im Verhältnis zur Größe der Proglottiden nur schwach entwickelt und nur 0,02 mm stark. Die Subeuticula zeigt eine eigenartige Entwicklung, indem die Elemente derselben überaus klein und dicht bei einander gelagert, dabei aber in mehreren Reihen angeordnet sind. Die innere Muskulatur ist recht stark entwickelt. Es besteht eine Längs- und eine Transversalmuskelschicht. Die Längsmuskeln sind in einzelnen Bündeln angeordnet und bilden nicht Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 234 eine zusammenhängende Schicht; es tritt vielmehr meistentheils eine Spaltung in dorso-ventraler Richtung auf, so dass man auf Quer- schnitten oftmals zwei Muskellagen, eine innere und eine äußere, zu sehen glaubt, die nur hier und da in einander übergehen. Die Längsmuskeln umgeben das Mittelfeld in geschlossenem Kreise, der allerdings nach den Seiten zu an Stärke bedeutend abnimmt. Nach innen zu schließt sich an die Längsmuskeln eine schwächere, 0,035 mm starke Transversalmuskulatur an, die an den Proglottidengrenzen unterbrochen ist. Die dorso-ventralen Parenchymmuskeln sind nicht stark entwickelt, was in Zusammenhang mit der dünnen Cuticula und der schwachen Subeutieularschicht stehen mag. Das Wassergefäßsystem erfährt eine eigenartige Ausbildung in Folge des abweichenden Verhaltens der Querkommissur, die bei den Tänien am Hinterende jeder Proglottis die Längsstämme ver- bindet. Wie bei den meisten Tänien ist der ventrale Wassergefäß- stamm jederseits von bedeutend größerem Durchmesser, als sein Begleitgefäß. Der Hauptstamm zeigt dabei die typische, dünne Wandung, während der dorsale schmälere Stamm eine diekere Wan- dung hat, der Muskeln eingelagert sind und das Parenchym ver- dichtet anliegt, so dass sich im Querschnitt eine stark gefärbte strahlenförmige Figur um das mit dieker Cuticula ausgekleidete Lumen zeist. Am hinteren Ende jeder Proglottis geht nun von dem ven- tralen, weiteren Gefäße eine Kommissur zum dorsalen Stamme ab, die beide verbindet; dann setzt sich der verbindende Kanal in der Querachse der Proglottis in das Innere des Mittelfeldes fort und er- reicht den dorsalen Stamm der anderen Seite und über diesen hinaus den ventralen. Anstatt nun aber zwischen den Längsstämmen gerad- linig zu verlaufen, wie bei den meisten Tänien, bildet die Kommissur hier — wie schon DiamarE angab — eine Reihe von Windungen in der Querschnittebene der Proglottis; sie ist dünnwandig, wie das ventrale Hauptgefäß. Außerdem kommt aber noch ein eigenthüm- licher Kanal hinzu, den ebenfalls DıiamarE bereits beschrieben hat: ein gerader, dorso-ventral verlaufender Kanal, der beiderseits am vorderen Ende der Proglottis auf deren Flächen in der Mittellinie ausmündet, und mit diesem tritt die Querkommissur in offene Kom- munikation (Fig. 6. Die Windungen der Kommissur sind so ange- ordnet, dass die mittelste mit ihrer Spitze der dorsalen Fläche zu- gewendet ist; innerhalb des Mittelfeldes der Proglottis kreuzt sie sich mit dem dorso-ventralen Kanal und bildet mit ihm am Schnitt- punkte ein gemeinsames Lumen. Der dorso-ventrale Kanal hat in 258 Ludwig Cohn, seinem ganzen Verlaufe im Mittelfelde der Proglottis, also auch an der Kreuzungsstelle, die einfache Struktur der ventralen Wasser- sefäße und der Kommissur. Nur die beiden Ausmündungen und die in der Rindenschicht liegenden Enden zeigen eine stärker ausge- bildete und mit einem besonderen Muskelapparat versehene Wandung. Von außen her biegt die Cuticula kontinuirlich in beide Mündungen hinein und kleidet den Kanal bis etwa zu der Längsmuskelschicht aus. Von hier aus ist der Kanal mit einem Epithelbelag versehen, der am ventralen Ende bis kurz unter die Einmündung. der Vagina reicht, i. e. bis wenig über die Transversalmuskulatur hinaus nach innen, dorsal hingegen etwa bis zur Kreuzungsstelle des dorso-ven- tralen Kanals mit der Querkommissur reicht. Das Epithel, das an meinem Material leider meistentheils sehr schlecht erhalten ist, ist sehr hoch und erreicht im dorsalen Mündungsabschnitte eine mittlere Höhe von 0,03 mm; doch werden auch excessiv lange Zellen von 0,056 mm gemessen. Die Wandung des dorso-ventralen Stammes zeigt an den Mündungsabschnitten, wie die dorsalen Längsgefäße, ein verdichtetes Parenchym, und in diesem verlaufen dorso-ventrale Pa- renchymmuskeln, stärker ausgebildet, als die der übrigen Proglottis. Außerdem inseriren sich aber noch an der Kanalwandung in diesem Abschnitte specifisch ausgebildete Parenchymmuskeln. Diese sind im Kreise um den Kanal angeordnet (Fig. 2). Sie nehmen von ihrer Ansatzstelle in der Subeuticula aus nicht den geraden Verlauf der anderen dorso-ventralen Parenchymmuskeln, zu denen sie eigentlich gehören, sondern biegen zuerst von dem dorso-ventralen Kanale fort, | um ungefähr in der Höhe der Transversalmuskeln wieder unter spitzem Winkel umzubiegen und auf den Kanal zuzulaufen, an dessen Wan- dung sie sich inseriren. Diese Muskeln treten sowohl an der dor- salen, wie an der ventralen Mündung auf. Bei ihrer Kontraktion werden sie eine Erweiterung des Kanals bewirken. Ich will schon hier erwähnen, dass der dorso-ventrale Kanal eben so wie die Quercommissur bereits in ganz jungen Proglottiden, wo überhaupt noch keine anderen Organe, als Nervensystem und Wassergefäß- system ausgebildet sind, typisch ausgebildet sind und auch schon mit einander kommunieciren; ich komme darauf weiter unten bei Besprechung der Genitalorgane nochmals zurück. Das Nervensystem konnte ich im Scolex, weil er eingezogen und schlecht erhalten war, nicht verfolgen. In der Proglottidenkette ist es durch alle zehn Längsstämme, die für die gesammten Tänien typisch sind, vertreten. Am Hinterende jeder Proglottis sind sie durch Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. | 259 eine Kommissur verbunden, die in der Höhe des Querwassergefäßes einen Ring bildet. Beim Passiren der Cirrusbeutel biegt der Haupt- längsnerv mit dem einen Begleitnerven ventralwärts aus, während der andere Begleitnerv dorsal vom Cirrusbeutel verläuft. Der männliche Genitalapparat! zeigt eine vollständige Ver- doppelung. Auf jeder Seite der Kette mündet in jeder Proglottis ein Cirrus, zu dem ein separirtes Hodenfeld gehört. Die zahlreichen Hoden liegen am Vorderende der Proglottis in einer der Längsachse des Cestoden nach sehr flachen, meist nur ein, stellenweise zwei Hodenbläschen dieken Schicht, die in der Querschnittebene ca. drei Hodenbläschen neben einander aufweist. Nach der Mitte zu nähern sich die beiderseitigen Hodenfelder einander bedeutend, fließen aber niemals zusammen, sondern bleiben immer durch die dazwischen drängende obere Spitze des Ovariums getrennt (in meiner vorläufigen Mittheilung über A. lamelligera sprach ich irrthümlich von der dazwischen tretenden Spitze des Dotterstocks). Die Hodenbläschen in jedem Felde zählen etwa 70—80 und messen im Mittel bei im Einzelnen wechselnder Größe 0,11 m: 0,05 m: 0,015 mm in den drei Dimensionen. Die einzelnen Bläschen sind in dem 0,55 m breiten und 1,5 mm langen Hodenfelde traubenförmig an das langgestreckte Vas deferens angeordnet. Vom vorderen Ende des Hodenfeldes verläuft das Vas deferens noch 0,7 mm in geradem Zuge, nur in einer Kniekung sich etwas ventralwärts wendend, bis zur Vesicula seminalis als ein sehr dünner, zartwandiger Kanal. Die Vesicula liegt dem hinteren Ende des mächtig entwickelten Cirrusbeutels dicht an. Sie ist langgestreckt und wendet sich von der an der ventralen Seite erfolgenden Ein- mündungsstelle des Vas deferens dorsalwärts um den Cirrusbeutel herum in einer Länge von 0,3 mm (Fig. 3). Dann wendet sie nochmals um und geht dicht am Rande des Cirrusbeutels wieder nach der ven- tralen Seite desselben zurück, so dass ihr enger Ausführungsgang von der ventralen Seite her in den Cirrusbeutel eintritt. Die Wandung der Vesieula ist sehr dick, so dass das Lumen nur unbeträchtlich ist, - — 0,085 mm. Nach der Einmündung in den Cirrusbeutel bildet das Vas deferens mehrere, aber wenige Windungen, die sich gelegentlich bei starker Füllung mit Sperma weit ausdehnen können. _ Eine mächtige Entwicklung, wie sie wohl selten wieder zu finden ist, weist der Cirrusbeutel auf. Seine Wandung besteht der Hauptsache 1 Siehe hierzu meine Textabbildung in der vorläufigen Mittheilung über A. Iamelligera in dem Zool. Anz. Bd. XXI, Nr. 571. 1898. 260 Ludwig Cohn, nach aus. zwei Muskelschichten: einer äußeren longitudinalen und einer inneren Ringmuskulatur. Im hinteren Theile, der, kolbenförmig erweitert, den mit Parenchym erfüllten Hohlraum enthält, in dem die Windungen des Vas deferens liegen, sind beide Muskelschichten, insbesondere aber die Ringmuskelschicht, recht dünn. Dann verengt sich aber nach vorn zu, nachdem das Vas deferens nach einigen Windungen in einen verhältnismäßig engen, geraden Kanal über- gegangen ist, der mit Parenchym ausgefüllte innere Raum, in welchem auch Prostatazellen liegen, und zwar entwickelt sich auf seine Kosten kurz hinter der Mitte des Cirrusbeutels insbesondere die Ringmuskel- schicht, die hier ringwallartig vorspringt. Von hier ab verjüngt sie sich dann wieder allmählich nach der Spitze des Cirrusbeutels zu, um dann in dessen vorderstem Theile der Längsmuskulatur ganz zu weichen; nur eine dünne einschichtige Lage von Ringfasern ist hier zuletzt noch den Längsmuskeln aufgelagert. Die äußere Längsmuskel- schicht verläuft ununterbrochen um den ganzen Cirrusbeutel herum. Nach innen zu von der Ringmuskulatur befindet sich noch eine zweite, bedeutend schwächere Längsmuskelschicht; weiter hinten, dort, wo das Vas deferens seine Schlingen bildet, ist sie noch am stärksten, nimmt dann aber nach vorn zu sehr schnell an Stärke ab und ver- schwindet noch früher, als die Ringmuskeln auf die einschichtige Lage redueirt sind. Der lange Cirrus, der eingestülpt bis über die Mitte des Cirrusbeutels hinabreieht, ist dieht mit kräftigen Stacheln besetzt. — Die Oberfläche des Cirrusbeutels ist mit einer Schicht großer, abgeflachter Zellen bedeckt, die bis an die Vesicula seminalis heranreicht; auf diese folgt dann eine dieke Schicht aus großen, rundlichen Zellen, die eben so wie die vorige sich durch ihr Ver- halten den Tinktionsmitteln gegenüber als aus Myoblasten bestehend verräth. Von der Cirrusbeutelwandung strahlen stark entwickelte Muskelfasern und -Bündel nach hinten zu nach dem Proglottiden- rande aus, so dass sich ein mächtiger Retraktor von konischer Form, in dessen Spitze der Cirrusbeutel eingesenkt ist, bildet. Der Cirrus- beutel liegt so, dass er zwischen die Wasserlängsgefäße tritt; wir haben also dorsal von ihm das engere dorsale Gefäß und den einen Begleitnerven, ventral das weitere Gefäß, den Hauptlängsnerven und den zweiten Begleitnerven. Was den weiblichen Genitalapparat anbelangt, so giebt bereits DIAMARE eine in der Hauptsache zutreffende Beschreibung, so dass ich mich nicht auf alle Einzelheiten einzulassen brauche ; ich hebe nur hervor, worin ich mich mit ihm in Gegensatz setze, und bringe Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 261 weiteres Detail bei. Im Gegensatz zum doppelten männlichen Genital- apparate sind die weiblichen Geschlechtsdrüsen streng einfach und liegen median angeordnet. Das Ovarium (Fig. 1) ist aus zahlreichen, fingerförmig verzweigten Schläuchen, die auch ihrerseits wieder unter einander in Verbindung treten können, gebildet; die Schläuche sind in allen Radien einer Halbkugel angeordnet. Das Ovarium hat die Gestalt eines abgeflachten Ellipsoides; seine größte Achse liegt in der Flächenschnittebene quer zur Proglottis, kleiner ist die dorso- ventrale Achse, während das Organ in der Richtung der Längsachse des Cestoden am meisten abgeflacht ist. Die oberen Spitzen der nach beiden Brennpunkten des Ellipsoides konvergirenden Schläuche ragen in der Mittelebene bis nahe an das Vorderende der Proglottis hinauf, so dass sie, wie gesagt, im Querschnitte noch zugleich mit den Hoden- feldern zu sehen sind. Die beiden Hälften des Ovariums kommuni- ciren durch einen beide Brennpunkte verbindenden Querkanal. Im Inneren des vom Ovarium umschlossenen, nach dem Hinterende der Proglottis zu geöffneten Hohlraumes liegen nach hinten zu die Schalen- drüse und der untere Theil des Dotterstockes, während dessen oberer Theil dorsalwärts aus dem vom Ovarium umschlossenen Raume her- vortritt; der ganze Dotterstock ist dorsoventral orientirt. Von der Querbrücke zwischen beiden Flügeln des Ovariums geht der Oviduct ab. Nachdem er den Ausführungsgang des Receptaculum seminis aufgenommen hat, worauf ich weiter unten zurückkomme, mündet in ihn kurz vor dem Emtritt in die Schalendrüse der Aus- führungsgang des Dotterstockes, der in dorsoventraler Richtung an ihn herantritt (Fig. 2). Dann zieht er in wenigen Windungen durch die Schalendrüse in der Richtung der Längsachse der Proglottis und tritt als relativ sehr enger Uterusgang aus ihr heraus. Dieser nimmt nun einen überaus gewundenen Verlauf. Er wendet sich zunächst in zahl- reichen, engen Kurven der ventralen Fläche zu und nähert sich dabei bis um ein Geringes dem einen ventralen Stamme des Uterus, mündet aber nicht, wie DIAMARE angiebt und meiner entgegengesetzten Behaup- tung und Zeichnung gegenüber in seiner Erwiderung wiederholt, in diesen Stamm ein. DIAMARE hat vielmehr wohl übersehen, dass er, nachdem er so weit in ventraler Richtung gelangt, nochmals der dorsalen Fläche zu umwendet und nunmehr in gestrecktem Verlaufe an einen der dorsoventralen Verbindungsstämme des Uterus herantritt und hier ausmündet. Der betreffende Stamm ist immer von relativ beträcht- licher Breite. Der Oviduct nimmt, wie gesagt, kurz vor der Einmündung des 369 Ludwig Cohn, Dotterganges den seitwärts und von hinten her an ihn herantretenden Ausführungsgang des Receptaculum seminis auf. Dieser kommt von dem dem ventralen Proglottidenrande genäherten Receptaculum her und zeigt, je nach dem Füllungszustande, mehr oder weniger stark ausgesprochene Windungen, die jedoch immer vorhanden sind. Das Receptaculum ist ein grobes, eiförmiges Organ mit mehreren unregel- mäßigen Ausbuchtungen und ist meist, wie die Vagina, mit Sperma gefüllt; es bleibt auch in älteren Proglottiden relativ lange erhalten. Die Vagina, die das Receptaculum mit dem dorsoventralen Gange verbindet, dessen ventraler Endabschnitt quasi als Vorhof der Vagina funktionirt, hat recht dieke muskulöse Wandungen und kann stark gsewunden sein. Sie mündet etwa in der Höhe der Vereinigung von Oviduct und Spermagang in das dorsoventrale Wassergefäß mit einer breiten, trichterförmigen Öffnung. Da die Vagina in ihrem ersten Abschnitte ventralwärts zieht, so ist der Trichter immer dorsalwärts, nach der Mitte der Proglottis zu geöffnet. Das Wassergefäß bildet also hier in seinem Endabschnitte auch einen integrirenden Theil des weiblichen Genitalapparates. Dennoch möchte ich dem dorsoventralen Kanale, wie ich DiAmArE bereits erwiederte, die Bezeichnung als Wassergefäß bewahren. Um nicht alles bereits in meiner Erwiederung Gesagte hier zu wiederholen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass es nicht unwahrscheinlich wäre, dass das Foramen secundarium des Wassergefäßsystems und die Vaginalöffnung früher einmal neben ein- ander mündeten und das weitere Hineinrücken der zweiten erst nach- träglich erfolgte. Dafür spricht auch die absolut selbständige Anlage des dorsoventralen Kanals in den jüngsten Proglottiden. Zudem zeige ich weiter unten bei einem andern Cestoden, der ein ähnliches Ver- halten aufweist, dass dort die ventrale Mündung des dorsoventralen Kanals als Vagina funktionirt, die auch bei A. lamelligera der Vaginalöffnung näher liegt. Es liegt also, ganz abgesehen von der Struktur der Wandung, die mit den Wassergefäßen übereinstimmt, absolut kein Grund vor, den Kanal, der mit dem Quergefäß kommuni- eirt und dadurch eigentlich genügend charakterisirt wird, nur wegen der gemeinschaftlichen ventralen Öffnung nunmehr zum Genitalapparate zu zählen. Eine überaus starke mia ke: weist der Uterus (Fig. 5 u. 6) auf, dessen Form DiAMARE treffend mit einem zusammengedrückten Käfige vergleicht. Er besteht in der Hauptsache aus einer dorsalen und einer ventralen Platte, von denen die eine nach einer reifen Proglottis in Fig. 5 abgebildet ist. Die Platten gehen einerseits an Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 363 den seitlichen Rändern der Proglottis direkt in einander über, anderer- seits stehen sie durch dorsoventrale Stränge in Verbindung. Jede der beiden Platten, die im Flächenschnitte den größten Theil der Proglottis einnehmen und beiderseits direkt an die Längsmuskulatur angrenzen, besteht aus einer Anzahl von Schläuchen, die in der Flächenebene verlaufen und in der Fünfzahl jederseits, wenn man schematisirt, um einen nur undeutlich ausgeprägten mittleren Längs- stamm angeordnet sind. Die einzelnen Schläuche biegen an ihren äußeren Enden zum Theil um den Proglottidenrand um, so dass sie die erwähnte direkte Verbindung der Platten herstellen, und geben außerdem den dorsoventralen Strängen den Ursprung. Diese letzteren verlaufen vollkommen unregelmäßig. Sie sind in der Längsachse der Proglottis in den verschiedensten Ebenen des Querschnitts angeordnet und verlaufen zum Theil auch schief zum Querschnitte. Unter ein- ander sind sie nicht parallel, sondern konvergiren zum Theil so stark, dass gelegentlich dorsal respektive ventral zwei, auf der anderen Fläche gesondert ausmündende Stränge mit einer gemeinsamen Wurzel aus der Uterusplatte entspringen (siehe Fig. 6). Die dem seitlichen Rande der: Proglottis genäherten Kommissuren nehmen zudem eine nach außen hin gewendete Konvexität an, so dass sie den Übergang von den gerade verlaufenden inneren Kommissuren’ und den bogenförmigen Verbindungen der Uterusplatten bilden. Der Uterus zeigt sich in der ersten Anlage, deren Stränge noch solid sind, erst relativ spät, zur Zeit, wo die Genitalorgane bereits eine hohe Reife, wenn auch die weiblichen noch nicht den Höhepunkt der Entwicklung erreicht haben; hierbei treten die Schläuche der Platten und die dorsoventralen Kommissuren etwa gleichzeitig auf. Die Erweiterung der Schläuche geht ganz allmählich und parallel der fortschreitenden Füllung vor sich. Die von DIAMARE angegebene Unterscheidung in diekere und dünnere Bögen des Uterus an den Seitenflächen ist nicht eine allge- meine Erscheinung, sondern gilt nur für jüngere Proglottiden, wo die dorsoventralen Kanäle noch nicht stark gefüllt sind und ihre Ansatz- stellen sich daher stärker abheben; sobald die Füllung stärker wird, verstreicht die genannte Regelmäßiskeit. Der Wandung des Uterus liegt eine einreihige Schicht langgestreckter Zellen mit großen Kernen auf. Bei dem excessiven Wachsthum des Uterus werden diese An- fangs recht hohen Zellen immer flacher, so dass sie zuletzt nur mehr einem endothelialen Belage gleichen. Die Eibildung geht auf eigenartigem Wege vor sich, indem wir Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 18 264 | Ludwig Cohn, zwei Typen der Entwicklung unterscheiden müssen: den in jungen Proglottiden und den während der höchsten Reife der Genitalorgane. In jenen Proglottiden, wo der Uterus erst aus ganz engen Röhren besteht, geht die Füllung aus den noch jungen Keimorganen erst ‚langsam vor sich, denn wir sehen schon nahe an der Einmündungs- stelle des Uteringanges im dorso-ventralen Stamme des Uterus reife Eier mit ausgebildeter Schalenanlage. Späterhin wird aber die Pro- duktion der Genitalorgane stärker, der Zufluss rascher: die ge- sammten Produkte füllen dann den Uterus mit einer kompakten Masse an, in der zwar Eier und Dottermaterial meist schon gruppirt sind und wohl auch bereits einen Anfang der Schalenbildung auf- weisen mögen, wo man aber noch keine Spur von Schale zunächst dem Uteringange nachweisen kann, die Eier vielmehr noch keine Spalträume zwischen einander zeigen. Erst auf bedeutend späterer Reifestufe sehen wir die voll ausgebildeten, mit der typischen Schale versehenen Eier einzeln im Uterus, zwischen ihnen aber eine reich- . liche, detritusartige Masse von unbestimmbarer Provenienz. Ob es Reste vom Dottermaterial sind oder ob es ein Sekret der Uterus- wandung ist, unternehme ich nicht zu entscheiden. Die Eier sind lang und spindelförmig. Die lang ausgezogenen beiderseitigen Anhänge der Schale treten in der verschiedensten Form auf, bald beide nach einer Seite, bald in verschiedener Richtung ab- gebogen. Das reife Ei ist schwach elliptisch; der Embryo hat eine stark verlängerte Embroynalschale und sechs Haken von 0,014 mm Länge. Der Embryo selbst misst 0,1 mm : 0,024 mm. Die beigefügte Zeichnung (Fig. 7) von Eiern ist mir von Herrn Dr. M. Lüne überlassen worden, der Gelegenheit hatte, sie nach lebendem Material anzufertigen. Nach meiner oben gegebenen Beschreibung der A. lamelligera muss ich die Diagnose, die DIAMARE in seiner zweiten, ausführlichen Mittheilung aufgestellt hat, für das Genus Amabilia abändern; zu- gleich möchte ich sie auch etwas einschränken. Ich bin dafür, falls ein Genus bereits durch einige Hauptcharaktere genügend ge- kennzeichnet ist, nicht zu viel Detail in die Diagnose aufzunehmen, und der Species innerhalb des Genus möglichst freien Spielraum zu lassen. So würde ich die käfigartige Form des Uterus bei A. la- melligera z. B. aus der Diagnose des Genus fortlassen; ein solches Merkmal hat doch den wichtigeren Merkmalen gegenüber, wie Zahl und allgemeine Anordnung der Genitalorgane, nur sekundäre Be- deutung und sollte eher als Speciesmerkmal dienen. Können sich doch innerhalb desselben Genus in Bezug auf die Form einzelner Zur Anatomie der Vogelcestoden. 1. 2365 Organe weitgehende Verschiedenheiten finden, wie z. B. bei den Drepanidotänien die Dotterstöcke weitaus nicht überall nach dem gleichen Typus gebaut sind. Allerdings zeigt sich hier wiederum die Unzulänglichkeit von Genusdiagnosen an sick, die nur rein rela- tiven Werth haben, indem doch eine größere Anzahl von sonst un- bedeutenderen Specialcharakteren andererseits genügen muss, ein be- sonderes Genus zu begründen. Die Kürze der Diagnose empfiehlt sich aber besonders bei Genera, die einstweilen nur eine Species aufweisen, um der späteren Aufnahme verwandter Arten, die in Einzel- heiten abweichen, in keiner Weise zu präjudieiren. Die Diagnose des Genus Amabilia würde nunmehr lauten: Bewaffnete Cystoido- tänien mit doppeltem, beiderseits ausmündendem männlichem und einfachem, centralem und auf der Ventralfläche median ausmündendem weiblichem Genitalapparate. Ein dorso-ventraler auf beiden Flächen ausmündender Kanal steht mit einer Querkommissur der Wasser- gefäße in Verbindung. Schistotaenia (n. g.) scolopendra (Diesing). Das Material aus den Dissin@’schen Originalexemplaren des Wiener Hofmuseums, das mir zur Verfügung stand, war eine von Herrn Dr. M. Lüne angefertigte Flächenserie durch ein jüngeres Exemplar, das noch wenig entwickelte Genitalorgane hatte, und zwei weitere Cestoden, von denen ich ein etwas älteres Thier auf Schnitten unter- suchen konnte. Die Cestoden waren, wie vorauszusehen war, leider sehr schlecht erhalten, so dass histologische Untersuchungen unmöglich waren, und auch das topographische Detail nur in sehr beschränktem Maße festgestellt werden konnte. Die Originale ergaben beim Ver- gleiche, dass Dıesing’s Abbildung sehr ähnlich ist und dass KraBgBr’s Versuch, wenn auch mit Vorbehalt Sch. scolopendra als Synonym mit Am. acanthorhyncha (Wedl) zu bezeichnen, trotz einer großen Ähnlichkeit in der äußeren Form nicht aeceptabel ist, da das Rostel- lum einen ganz anderen Bau aufweist; weitere noch schwerwiegen- dere Gründe gegen KrAsBeE’s Vermuthung gebe ich weiter unten. Bei einer Gesammtlänge von 11 mm misst mein zweites Exem- plar 2,1 mm in der Breite, nach Abzug der seitlichen Anhänge jedoch nur 1,355 mm, was ungefähr mit Dissine’s Angaben übereinstimmt. Der Seolex ist sehr groß und im Verhältnis zu der geringeren Breite (0,325 mm) von ganz beträchtlicher Länge, — 0,9 mm. Leider ist ge- rade mein ganzes Exemplar hakenlos, während ich es verabsäumte, an dem zweiten vor dem Schneiden die Haken zu messen. An den ichs 266 Ludwig Cohn, Sehnitten konnte ich keine unversehrten Haken mehr auffinden und kann daher nur angeben, dass dieselben gabelförmige Gestalt mit langem vorderen und kurzem hinteren Wurzelfortsatz haben, wie sie RAILLIET für die Dieranotänien als typisches Merkmal aufstellen wollte. Der oberste Theil des Rostellums, dem sie locker aufsitzen, hat einen Querdurchmesser von 0,295 mm. Daran schließt sich, wie es für die Tänien mit doppeltem Rostellarsack typisch ist, ohne deut- liche Abgrenzung der innere Sack an, der 0,155 mm lang ist; das gesammte innere Rostellum hat eine Länge von 0,460 mm Dicke. Der innere Sack besteht aus einer schwächeren Längsmuskulatur und einer mächtigen Ringmuskelschicht von 0,040 mm Dieke. Der äußere Sack geht weit über den inneren hinaus nach hinten zu, um 0,350 mm, so dass von seinem Hinterende bis zur Rostellumspitze 0,710 mm sind. Zwischen den beiden Rostellarsäcken verläuft eine kräftige Längs- muskulatur, die sich vorn an der Vereinigungsstelle der beiden Säcke inserirt und nach hinten zu, wo sie den äußeren Sack durchbricht, in die Längsmuskulatur des Körpers übergeht. Auf das nähere Verhal- ten der Muskulatur, die eben so gebaut scheint wie bei Sch. maecro- rhyncha, komme ich bei Besprechung dieser zurück, da dort der etwas bessere Erhaltungszustand und die günstigere Schnittrichtung die Untersuchung erleichterten. Die Differenzirung von Längsmuskeln der Proglottidenkette zu Retraktoren des Rostellums bei Tänien im Allge- meinen und die besonders starke Entwicklung dieser Retraktoren bei Sch. scolopendra betont schon LüHE in seiner Vornotiz über die Muskulatur des Tänienkörpers. — Die Saugnäpfe sind sehr lang ge- streckt; sie sind 0,225 mm lang bei nur 0,135 mm Breite. Ihre Tiefe beträgt nur 0,065 mm, die Dicke der Wandung 0,035 mm. In Bezug auf die Innervation des Scolex kann ich nur sagen, dass dicht unter dem hinteren Ende des äußeren Rostellarsackes eine Querkommissur der beiden Hauptganglien auftritt; im Übrigen wird wohl bei dem sonst so ähnlichen Bau des Rostellums hier das Nervensystem den gleichen Typus aufweisen, wie bei der im Nachstehenden beschriebenen Sch. macrorhyncha. An den Scolex schließt sich die Proglottidenkette ohne jeden Übergang an. Die Glieder sind sehr kurz und zeigen jederseits einen spitz auslaufenden Fortsatz, so dass beide Ränder der Tänie wie ausgefranst sind. Die Genitalorgane treten sehr früh auf, entwickeln sich aber dann nur recht langsam. Ihr Typus ist ein sehr merk- würdiger, der einerseits von allen anderen Tänien, andererseits auch von der nächstverwandten A. lamelligera bedeutend abweicht. Zur Anatomie der Vogelcestoden. 1. 267 Schon mit bloßem Auge unterscheidet man, besonders auf der einen Körperfläche, eine Reihe von segmentalen Papillen in der Mittellinie. Es erweist sich denn auch, dass die Sch. scolopendra seitlich, und zwar unregelmäßig abwechselnd ausmündende männliche Genital- poren hat, dass aber die Vaginalöffnung flächenständig und median ist und zudem mit einem seltsamen medianen, longitudinalen Kanale in Verbindung steht. Während sie sich also von der A. lamelligera schon dadurch unterscheidet, dass sie nicht doppelten männlichen Genitalapparat hat, geht die Ähnlichkeit in Bezug auf den weiblichen noch weiter, indem der Kanal mit dem die Vagina gemeinsam auf der ventralen Fläche ausmündet, nach innen zu die ganze Proglottis in dorsoventraler Richtung durchsetzt und auch auf der dorsalen Fläche ausmündet; wir hätten hier einen Kanal, der dem dorso- ventralen Wassergefäße der A. lamelligera direkt analog ist. Ab- weichend von dieser verhalten sich aber in ihrem weiteren Bau so- wohl die Genitalorgane, als auch das Wassergefäßsystem (Fig. 3). Das Wassergefäßsystem besteht aus jederseits drei Längsstämmen, von denen auf beiden Seiten je ein Paar weit nach innen zu ver- lagert ist, so dass die beiden” innersten Gefäße nur etwa 1/, der Gesammtbreite der Proglottis von einander entfernt sind. Die anderen Gefäße liegen alle in derselben Flächenschnittebene mit den innersten, und zwar sind die mittleren den innersten stark genähert. Der Ver- lauf ist aber kein paralleler, so dass bei wechselnder Entfernung manchmal mittlere und innerste Gefäße dieht an einander gelagert sind. Auch das äußerste Gefäß liegt immer noch nach innen zu vom Hinterende des Cirrusbeutels. Eine scharf ausgesprochene Haupt- kommissur am Hinterende jeder Proglottis fällt auf Grund dieser Lagerung fort und es treten an ihre Stelle zahlreiche feine Kommissuren zwischen den sechs Stämmen, so dass ein unregelmäßiges Netzwerk entsteht. In der Beschreibung der Genitalorgane (Fig. 9) muss ich mich leider auf die hauptsächlichsten Angaben beschränken; feineres Detail, wie z. B. Vasa efferentia und weibliche Genitalleitungswege, konnte ich an dem schlecht erhaltenen Material nicht verfolgen. Der männliche Genitalapparat ist einfach. Die zahlreichen Hoden (?4—28), von je 20:14 u, liegen dorsal und nehmen beiderseits von dem ventralen Kanal, auf den ich gleich zurückkomme, fast das sanze Dorsalfeld bis zum Cirrusbeutel ein. Diesem liegt eine mächtige Vesicula semimalis dicht an. Der Cirrusbeutel ist 0,09 mm lang und wenig stark entwickelt; der Cirrus ist mit kräftigen Stacheln 368 Ludwig Cohn, bewaffnet. Die Cirrusbeutel münden dem Vorderende der Proglottis genähert an deren Seitenrändern und wechseln unregelmäßig ab, doch ist eine Tendenz zur Regelmäßigkeit nicht zu verkennen, so dass kürzere Bruchstücke oft täuschen können. Die weiblichen Genitalorgane zeigen eine ganz eigenthümliche Entwicklung. Das Ovarium ist ein langgestrecktes, kompaktes ‚Organ, nicht, wie bei A. lamelligera, in einzelne Schläuche finger- förmig aufgelöst, und liegt der ventralen Seite von allen Genital- organen am nächsten, zugleich auch dem Vorderrande der Proglottis senähert. Hinter ihm in der Längsachse der Proglottis liegt der Dotterstock median, ein hufeisenförmiges Organ mit kolbenförmig aufgetriebenen freien Enden. In seiner dem Ovarium zugekehrten Konkavität liegt die Schalendrüse. Der Uterus, ein querverlaufender Sack mit unregelmäßigen Ausbuchtungen, nimmt in Proglottiden mit noch thätigen weiblichen Genitalorganen den hintersten Theil der Proglottis ein; in ganz reifen Gliedern, wo die Genitalorgane sonst ‚bis auf die am längsten persistirende Vesicula seminalis geschwunden sind, füllt er das ganze Mittelfeld aus. Die runden Uteruseier messen hier ca. 10 u im Durchmesser. Auf der ventralen Seite sieht man genau in der Mittellinie am Vorderrande jeder Proglottis und noch vor dem Ovarium eine ovale Öffnung, die in einen dorsoventral verlaufenden Kanal führt. Der Kanal läuft am Ovarium vorüber und mündet dorsal von demselben in einen breiteren, in der Längsrichtung der Kette ziehenden Hohl- raum aus, der in Form eines ceylindrischen Rohres die Proglottis von dem vorderen bis zum hinteren Ende durchzieht und der dorsalen Fläche genähert ist. In direkter Fortsetzung der ersten Hälfte tritt dann der dorsoventrale Kanal wieder aus dem Längshohlraume heraus und gelangt bis zur dorsalen Proglottidenfläche, wo er ebenfalls offen ausmündet. Die ventrale Öffnung dieses Kanals funktionirt als Vaginal- porus. Ich konnte zwar den Zusammenhang dieses dorsoventralen Kanals resp. des Längsganges mit der Schalendrüse nicht feststellen, da die weit vorgeschrittene Maceration jedes Detail verwischt hat; ein Zweifel über die Funktion kann aber nicht bestehen, da ich so- wohl im Kanale selbst als auch in dem längsliegenden Hohlraume reichlich Sperma vorfand, so dass ich den ersteren als Vagina, den zweiten als Receptaculum seminis bezeichnen könnte, — das Letztere bleibt aber noch zweifelhaft, da damit vielleicht nur ein Theil der Funktion bezeichnet würde. Das Vorhandensein des Sperma würde an sich schon zur Feststellung genügen; nun kommt aber noch hinzu, dass Zur Anatomie der Vogelcestoden. 1. 269 durch einen Zufall in einer Proglottis der in die Vagina tief eingeführte Cirrus abgebrochen und, mit den kreisförmig angeordneten, kräftigen Haken festhaftend, stecken geblieben ist, — die Haken sind dabei im Gegensatz zum Ruhezustande aufgerichtet, so- dass sie fast senk- recht zur Oberfläche stehen. Die ventrale Öffnung des dorsoventralen Kanals ist dadurch ganz zweifellos als Vaginalporus charakterisirt. Ob dieselbe Funktion auch der dorsalen Öffnung zukommen mag und ob hier, wie bei der A. lamelligera, eine Kommunikation zwischen dem dorsoventralen Kanale und dem Längskanal einerseits, dem Wassergefäßsystem andererseits besteht, kann ich nicht angeben. Am vorderen und am hinteren Ende des längsverlaufenden Kanals sehen aber an den vier Ecken dünne Kanäle in der Flächenschnitt- ebene ab, die sich ein Stück weit verfolgen lassen. Da nun solche Nebenkanäle absolut keinen Werth hätten, wenn der Längskanal nur ein Spermabehälter wäre, ihre Struktur außerdem die einfache der Wassergefäße ist, so glaube ich mit einiger Wahrscheinlichkeit an- nehmen zu können, dass diese Nebenkanäle mit den Längswasser- sefäßstämmen in Verbindung treten, und die Kreuzungsstelle des dorsoventralen Kanals mit dem Längskanal mithin der Kreuzung der Wassergefäße bei A. lamelligera homolog ist. Alsdann wären auch hier also die Öffnungen auf den Proglottidenflächen als Foramina secundaria aufzufassen. Wir haben also in Sch. scolopendra den bisher noch unbe- kannten Typus einer Tänie mit randständigen, unregelmäßig ab- wechselnd ausmündenden männlichen Genitalorganen und flächen- ständigen, medianen weiblichen Genitalporen. Auf die systematische Stellung der Species komme ich später zurück. Schistotaenia macrorhyncha (Rudolphi). Diese Species, von RUDOLPHI zuerst aufgestellt, wurde seitdem nur von WepL beschrieben, dessen Angaben aber in einigen Einzel- heiten mit denen RuporLrHrs nicht übereinstimmen. Der allgemeine Typus ist bei beiden der gleiche, doch bildet WenpL die seitlichen Anhänge etwas anders ab: nach RUDOLPHI müssten diese, wie WEDL selbst sehr richtig bemerkt, eher denen der T. acanthorhyncha Wedl ähneln, während WEpL Anhänge zeichnet, die lebhaft an die- jenigen der A. lamelligera erinnern. Ich glaube aber, dass dieser Unterschied, auf den sich die Abweichung auch beschränkt, zu ge- ringfügis ist, um die Identität in Frage zu stellen, zumal die Anhänge der Sch. macrorhyncha, wovon ich mich überzeugen konnte, oft 9710: Ludwig Cohn, umgebogen sind und dann mit denen der A. lamelligera einige Ähnlichkeit haben. Außer WepL kam noch DiamArE auf die Sch. macrorhyncha zu sprechen und vermuthete deren Identität mit A. lamelligera. Die jetzt folgende ausführliche Beschreibung wird die einzelnen Punkte, die ich bereits gegen DıamArE’s Annahme ins Feld “führte, vervollständigen und wohl auch DIAMARE überzeugen, dass die Sch. macrorhyncha, weit davon entfernt, mit A. lamelligera identisch zu sein, sogar keine Amabilia ist, sondern mit Sch. sco- lopendra nahe verwandt ist, mit der ich sie in ein neues Genus, Schistotaenia, zusammengestellt habe. Der Sicherheit halber zog ich es der oben erwähnten gering- fügigen Unterschiede wegen vor, die Originalexemplare von RUDOLPHI, die mir Herr Geheimrath Prof. Mögıus freundlichst zur Verfügung stellte, zum Vergleich heranzuziehen. Die Originale (in einem Glase) enthalten drei Exemplare aus Colymbus minor, darunter eines mit abgerissenem Scolex und Vorderende. Mein Material stammte aus den von MÜHLIne in Rossitten gesammelten Cestoden und war in Podieeps auritus gefunden worden. Es erwies sich nun, dass zwischen meinen Exemplaren und denen RUDOLPHTS ein gewisser Unterschied bestand, indem die letzteren größeren Scolex hatten und auch bedeutend größere Haken trugen (Fig. 16). Nun stimmten aber beide Reihen in allen sonstigen Einzelheiten überein: Form und Bestachelung des Scolex und des Rostellums, Form der Kette, An- satz derselben, — es war, mit einem Worte, kein Unterschied sonst nachzuweisen. Ich zweifele daraufhin nicht, dass ich meine Exem- plare trotz des Größenunterschiedes von Scolex und Haken als T. macerorhyncha Rud. bestimmen kann, denn die Haken waren bei meinen Tänien nicht auch relativ kleiner, sondern standen zum Scolex in demselben Verhältnis wie bei RuDoLPHT’s Exemplaren: die Haken waren um ein Drittel kleiner, aber um genau eben so viel auch der Durchmesser des Scolex und der Saugnäpfe. Zudem sind ja geringfügige Variationen in der Hakengröße auch in dem bekannten Falle der T. echinococeus konstatirt, so dass ich wohl berechtigt bin anzunehmen, dass mir RUDOLPHIs Species, nur in einer etwas kleineren Varietät, vorlag. Das längste der Ruporpar'schen Originale ist ca. 41/, em lang. Ich gebe in Fig. 11 seine Habituszeichnung und daneben in Fig. 10 den dazugehörigen, abgetrennten Scolex in stärkerer Vergrößerung. Meine Exemplare (eben so wie die zwei anderen in den Originalen) sind bedeutend jünger und etwa 1/, so lang. Die Theilung in Pro- Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 271 slottiden beginnt unmittelbar hinter dem Scolex. Die ersten Glieder sind sehr schmal, und späterhin treten, ganz wie RUDOLPHI es an- giebt, auch bei meinen Exemplaren hier und da zwischen den etwas breiteren Proglottiden schmälere auf. Die seitlichen, spitz aus- laufenden Anhänge sind, mit T. acanthorhyncha verglichen, relativ kurz, da sie immer nur einen geringen Bruchtheil der gesammten Proglottidenbreite bilden. Auffallend ist die bedeutende Größe von Scolex, Rostellum und Haken, die bei den kleinen Cestoden ganz inkongruent scheinen; be- merkt doch schon RuDoLpHI, dass er bei keiner Tänie mehr ein solches Rostellum gefunden hat, und vergleicht die Haken mit denen der Echinorhynchen: »cur quaeso taenia in ave tantilla habitans tantis instrueta est armis?« Die Basis des Scolex ist sehr breit (Fig. 18); kurz oberhalb der Saugnäpfe verläuft eine tiefe Ringfurche, welche den unteren Theil von dem konischen Rostellum trennt. Die dem letzteren aufsitzenden Haken zeigen eine typische Form; im Ganzen gehören sie zu den von RAILLIET als Drepanidotänienhaken gekennzeichneten. Der hintere Wurzelfortsatz ist (Fig. 16) bei Wei- tem der längste, der vordere ist aber immerhin auch noch etwas länger, als der Hakenfortsatz; bei den RupoLpar’sschen Exemplaren ist das letztere stärker ausgeprägt, als bei den meinen. Der vordere Wurzelfortsatz tritt an den hinteren im Winkel von ca. 90° heran und zeigt regelmäßig an seinem äußeren Rande nahe der Spitze eine kleine Wulstung; der hintere Wurzelfortsatz ist schlank und an seinem hinteren Ende kolbig verdickt. Die Größe der Haken meiner Exem- plare beträgt 0,105 mm. Eine Eigenthümlichkeit der Sch. macro- rhyncha, deren WEpL Erwähnung thut, RupoLpuı aber nicht, ob- gleich auch seine Exemplare sie wie die meinen aufweisen, ist eine Bestachelung des Scolex, der auf seiner ganzen Peripherie von der Höhe der rinsförmigen Einschnürung des Rostellums hinab bis kurz vor die Einschnürung oberhalb der Saugnäpfe mit kleinen, dreieckigen Haken dicht besetzt ist. Die Haken sind gekrümmt und mit der Spitze nach hinten zu gewendet, so dass sie wohl bei der Befestigung des Scolex eine ganz bedeutende Rolle spielen. Das Rostellum besitzt eine überaus mächtig entwickelte Musku- latur. Es besteht aus zwei in einander geschachtelten Muskelsäcken, die am Vorderende an einander stoßen. Die Wandung des inneren Rostellarsackes (Fig. 18) besteht aus zwei Schichten: einer inneren Ringmuskelschicht von ansehnlicher Dieke und einer äußeren Längs- muskellage, — beide aus derben Muskelfasern gebildet. Der innere 372 Ludwig Cohn, Sack ist 0,375 mm lang. Am hinteren Ende 0,09 mm breit, ver- breitert er sich nach vorn zu konisch und setzt sich durch eine kreis- förmige Einschnürung von dem vordersten, die Haken tragenden Theile ab; hier ist er 0,35 mm breit. Im Inneren des parenchyma- tösen Theils des Rostellums zieht ein starkes System von schief ver- laufenden Längsmuskeln, dessen Fasern von der Apicalfläche des Rostellums ausgehen und seitwärts zu den Wänden gehen, wo sie sich zwischen den Fasern der Ringmuskulatur des inneren Sackes inseriren. Wir erhalten also einen flachen Konus mit nach vorn zu gekehrter Basis, der bei seiner Kontraktion eine kräftige Verkürzung des Rostellums bewirken wird. Der äußere Muskelsack ist bei einer Gesammtlänge von 0,33 mm (bis zur Insertionsstelle gemessen) weniger kräftig entwickelt. Er besteht aus einer inneren Ring- und einer äußeren Längsmuskulatur, welch letztere sich an der Einschnürung des Rostellums inserirt. Nach hinten zu geht ein Theil dieser Längs- muskeln direkt in die Längsmuskulatur der Kette über, so dass er als Retraktor des Rostellums dient. Von der Längsmuskulatur des Körpers treten aber außerdem noch weitere Muskeln an das Rostellum heran. Diese, stärker entwickelt, als die Längsmuskeln des äußeren Sackes, durchbrechen von hinten und der Seite her den äußeren Rostellarsack und ziehen im Zwischenraume zwischen beiden Säcken nach vorn, um sich oben an der Verbindungsstelle beider Säcke zu inseriren. Diese Muskeln, die ich zum Unterschiede von den erst genannten Retraktoren die inneren Retraktoren nennen will, ziehen nicht in geschlossenem Mantel um den inneren Sack, sondern sind in vier gleiche Bündel getheilt, so dass sich im Querschnitt das in Fig. 12 u. 13 eingezeichnete Bild ergiebt. Zwischen den Bündeln dieser Retraktoren liegen mit Hämalaun sich intensiv färbende Zell- haufen, die auch vorn im Rostellum zwischen den schiefen Längs- muskeln auftreten. Die Saugnäpfe sind rund und relativ klein; sie messen an meinen Exemplaren nur 0,16 mm: 0,21 mm im Durchmesser. Sie sind eben- falls bestachelt, doch sind die Haken des dichten Besatzes überaus klein, so dass man eher von einer Beborstung sprechen kann. Entsprechend der mächtigen Entwicklung der Muskulatur des Rostellums finden wir auch ein bedeutend differenzirtes Nervensystem, das aber, trotz der Abweichungen, die durch die Anwesenheit eines doppelten Rostellarsackes bedingt werden, im Grunde genommen den gleichen Typus aufweist, wie er für die Oystotänien konstatirt ist. Dicht hinter dem Hinterende des äußeren Sackes verläuft die Haupt- Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 273 kommissur, die sich mit ihrer Konkavität dem Rostellarsacke anlegt und die beiden höher zu beiden Seiten des Sackes liegenden Gan- slien der Hauptlängsnerven verbindet. In der Höhe der Hauptkom- missur sieht man auch die den Saugnäpfen genähert liegenden Quer- schnitte der dorsalen und ventralen Mediannerven, die mit den Haupt- längsnerven durch eine typische oktagonale Kommissur verbunden sind. Weiter nach der Scolexspitze zu verhalten sich die Nerven abweichend vom Cystotänientypus. Der Hauptlängsnerv spaltet sich oberhalb der Ganglien nicht in zwei, sondern in drei Apicalzweige, und zwar in zwei äußere und einen inneren. Die beiden äußeren übernehmen die eine Hälfte der Funktion der Apicalnerven, wie ich sie bei den Cystotänien dargestellt habe, indem sie die Saugnäpfe versorgen und außerdem wohl auch die Längsmuskulatur des äußeren Sackes und die äußeren Retraktoren innerviren. Der unpaare innere Apicalzweig, der stärkste der drei und die eigentliche Verlängerung des Hauptlängsnerven, erfüllt die zweite Funktion — die Bildung des Rostellarringes und die Innervation des Rostellums. Diese Trennung der Funktion und die Bildung eines separaten inneren Astes ist hier augenscheinlich dadurch nothwendig geworden, dass der Rostellarring um die Basis des eigentlichen Rostellums, also des inneren Sackes, zu liegen kommen muss, so dass die ihn bildenden Nerven, die zu- dem noch weiter nach vorn zu die mächtigen inneren Retraktoren versehen müssen, nicht zugleich auch die Saugnäpfe außerhalb des äußeren Sackes versorgen können. Der innere Apicalzweig setzt jederseits gleich nach der Trennung von den äußeren, mit denen er aus gemeinsamer Wurzel entspringt, quer nach oben und innen auf- steigend durch die beiden Muskelschichten des äußeren Rostellarsackes und nimmt seinen Verlaufim Zwischenraume zwischen beiden Säcken nach der Spitze zu. Gleich nach dem Eintritt in diesen Raum giebt er einen senkrecht abgehenden, radiär im Rostellum verlaufenden Zweig ab (Fig. 13), der zusammen mit dem entsprechenden Aste des gegenüberliegenden inneren Apicalzweiges um den inneren Sack an dessen Basis einen mächtigen Rostellarring bildet. Weitere Nerven, die von diesem Rostellarringe sicher in das Rostellum hineingehen, konnte ich nicht auffinden, obgleich sie nach dem Vorbilde der Cysto- tänien sicher da sein müssen; eben so wenig waren die Beziehungen der Mediannerven zum Rostellarringe festzustellen, da die Färbung mehr auf Muskulatur, nicht speciell auf Nervensystem gemacht war und feinere Äste dann nicht zu verfolgen sind. Der im Zwischen- arume der Rostellarsäcke weiter aufsteigende innere Apicalzweig 274 | Ludwig Cohn, nimmt oberhalb des Rostellarringes bedeutend an Breite zu und ent- hält zahlreiche Ganglienzellen; etwa um die Mitte des inneren Sackes erreicht er sein Maximum und nimmt dann rasch ab. Weiter oben scheint er nochmals einen zweiten Ring zu bilden, der alsdann dem Apiecalringe der Cystotänien entsprechen würde; sicher behaupten kann ich das nicht. Im obersten Theile des Rostellums, noch unter- halb der Ringeinschnürung vor dem hakentragenden Theile, ent- schwanden mir die inneren Apicalzweige. Nach unten zu von der Hauptkommissur setzen sich außer den Hauptlängsnerven auch die dorsalen und ventralen Mediannerven fort; auch Begleitnerven spalten sich vom Hauptnerven ab. Wir haben hier also alle 10 Nerven, die für die Oystotänien typisch sind. In der Proglottidenkette waren diese Nerven nicht weiter zu verfolgen, doch führe ich das einzig und allein auf den Erhaltungszustand zu- rück. Dass sie alle auch in der Kette vorhanden sind, steht mir außer Zweifel. Das Wassergefäßsystem zeigt ebenfalls eine recht starke Aus- bildung und zugleich einen eigenartigen Typus. Im Scolex findet sich um den unteren Theil des äußeren Sackes in der Höhe der Saugnäpfe ein umfangreicher, langgestreckter Plexus, von dem aus dann Längsstämme nach der Spitze des Scolex aufsteigen, um weiter oberhalb zu einem Ringe zusammenzutreten. In der Proglottiden- kette sind sechs Längsstämme vorhanden, die keine bedeutenderen Unterschiede im Durchmesser zeigen und alle in einer Flächenschnitt- ebene im Mittelfelde der Proglottis gelagert sind (Fig. 17). Unter einander stehen sie durch feine, schief und unregelmäßig verlaufende Kommissuren in Verbindung und theilen sich auch gelegentlich, so dass in Folge der Inselbildung und des Kommissurenwerkes ein recht dichtes unregelmäßiges Netzwerk von Wassergefäßen entsteht. Die der Mitte der Proglottis nächstliegenden beiden Gefäße sind regel- mäßig am Vorder- und Hinterende jeder Proglottis mit einander ver- bunden. Die schiefverlaufenden sonstigen Kommissuren verbinden die Längsstämme nicht nur im Bereiche derselben Proglottis, sondern setzen manchmal auch über die Proglottidengrenze hinweg und durch- laufen zwei Nachbarglieder. In Betreff der Genitalorgane kann ich leider nur eine allgemeinere Darstellung des Typus geben, da das feinere Detail, dessen Ent- wirrung, was die weiblichen Genitalorgane z. B. anbelangt, schon der Kürze der Proglottiden wegen schwierig genug wäre, durch den schlechten Erhaltungszustand unmöglich wurde. Jedenfalls genügen Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. 2375 aber meine Befunde, um die systematische Stellung der Sch. macro- rhyncha zusammen mit dem vorher beschriebenen Cestoden in einem neuen Genus zu erweisen. Der männliche Genitalapparat ist einfach. Die Cirri münden einseitis und unregelmäßig abwechselnd aus und zwar am vordersten Ende der Proglottis in den Winkel, den diese mit der vorangehenden bildet. Eine Tendenz zur Regelmäßigkeit in der Abwechslung ist auch hier, wie bei Sch. scolopendra, nicht zu verkennen. Ich muss hierin einen Irrtbum, der mir im Schlusssatze meiner Mittheilung »zur Systematik der Vogeltänien II« unterlaufen ist, redressiren; ich hatte damals eine Querschnittserie eines stark gekrümmten Exemplares untersucht, und bei der bedeutenden Kürze der Glieder täuschten mir Schnitte, die durch zwei Proglottiden zugleich gegangen waren, zwei Cirrusbeutel quasi in demselben Gliede vor, zumal ja die An- hänge der Proglottiden, wie aus meiner nach RupoLepars Original gezeichneten Abbildung in Fig. 11 ersichtlich ist, sehr häufig auf der einen Seite nicht ausgebildet sind. Der Cirrusbeutel ist nicht stark entwickelt, nur 0,125 mm lang und ist, bis auf die äußere Längs- muskellage, wenig muskulös. Das Vas deferens ist, wie ich schon früher im Gegensatz zur A. lamelligera betonte, im Cirrusbeutel recht stark gewunden, eben so wie bei Sch. scolopendra. Die Hoden nehmen, der dorsalen Fläche genähert, die ganze hintere Hälfte der Proglottis ein und zeigen Samenmutterzellen von ganz be- deutender Größe, so dass sie auf den ersten Blick leicht für das Ovarıum zu halten sind. Die zahlreichen Bläschen sind ungefähr kuglig und messen ca 15 « im Durchmesser. Der weibliche Genitalapparat ist mir, auch abgesehen von den Gängen, an meinem Material nicht ganz klar geworden. Die Drüsen zeisen denselben Typus, wie ich ihn für Sch. scolopendra be- schrieben habe, und auch ihre Lagerung zu einander ist ganz dem entsprechend, so dass ich sie nicht nochmals zu beschreiben brauche und auf die dortigen Angaben verweisen kann. Auch hier zieht in der Mittellinie der Proglottis ein Längskanal, der eben so, wie bei Sch. scolopendra, so lang ist, dass die betreffenden Kanäle zweier benachbarter Proglottiden nur noch durch eine dünne Scheidewand getrennt sind; niemals treten sie hingegen in offene Kommunikation. An den blinden Enden sieht man stets ein hohes Epithel. Aus der Mitte des Längskanals geht ein weiterer Kanal ab, — die Vagina, oder vielmehr deren innerster Theil — der Samengang. Der Längs- kanal steht mit der ventralen Proglottidenfläche in direkter Ver- 270: Ludwig Cohn, bindung durch einen sich hier öffnenden Kanal, der in der Mittellinie ausmündet, — die Vagina. Vagina und Längskanal (Receptaculum seminis) fand ich in weiter in der Entwicklung fortgeschrittenen Proglottiden mit Sperma gefüllt. Ob der von der ventralen Fläche den Längskanal erreichende dorsoventrale Gang sich über den ersteren hinaus bis zur Dorsalfläche fortsetzt, wie ich es für Sch. seolependra konstatiren konnte, kann ich für Sch. macrorhyncha nicht an- . 17. WOLFFHÜGEL, Vorläufige Mittheilung über die Anatomie der T. polymorpha Rud. Zool. Anz. XXI. 1898. p. 211. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnung. Or, Ovarium; U, Uterus; Sch, Schalendrüse;" Yg, Vagina. Ord, Oviduct; HA, Hoden: D, Dotterstock; Tafel XIV und XV. Amabilia lamelligera. Fig. 1. Querschnitt durch eine Mittelproglottis. Verbindungsgang der bei- den Ovarialflügel und Schalendrüse. Der Uterus ist noch ganz jung. Fig. 2. Sagittalschnitt. Dg, Dottergang; De%k, Dorsoventralkanal; Utg, Uteringang; Rm, Ringmuskulatur; Zm, Längsmuskulatur. Fig. 3. Längsschnitt durch den Cirrusbeutel. Ric, Retraktor; V.s, Vesi- eula seminalis; V.d, Vas deferens; v.Wg, ventrales Wassergefäß; d.Wg, dorsa- les Wassergefäß; N, Nerv. Fig. 4. Querschnitt mit Rekonstruktion des jungen Uterus (Dorsoventral- kommissuren). Fig. 5. Rekonstruktion einer Seitenplatte des reifen Uterus nach Flächen- schnitten. Fig. 6. Querschnitt einer jungen Proglottis. Dm, dorsale Mündung des dorsoventralen Kanals; DevXÄ, dorsoventraler Kanal; @%, Querkommissur der Wassergefäße. Kommunikation beider Kanäle. Fig. 7. Reife Eier, nach lebendem Material gezeichnet von Dr. M. Lüne. Schistotaenia scolopendra. Fig. 8. Querschnitt mit dorsoventralem Kanal und quergeschnittenem me- dianem Längsgefäß. Fig. 9. Flächenschnitt durch reife Proglottiden; das vordere Ende ist näher der Dorsalseite geschnitten. Schistotaenia macrorhyneha. Fig. 10. Habitus des Scolex nach RupoLpur's Originalexemplar. Fig. 11. Habitus der Proglottidenkette nach demselben Exemplar. 3mal vergrößert. Fig. 12. Querschnitt durch den Scolex kurz oberhalb der Hauptnerven- kommissur. AR, äußerer Rostellarsack; MN, Mediannerven; IRt, innerer Re- traktor; BN, Begleitnerven; 7G, Hauptganglion. Fig. 13. Querschnitt durch den Scolex in der Höhe des unteren Endes des inneren Sackes und des Rostellarringes. AR, äußerer Rostellarsack; IR, innerer Rostellarsack: RR, Rostellarring; AA, äußere Apicalzweige. Fig. 14. Querschnitt einer mittleren Proglottis. Crh, Cirrus. 399 Ludwig Cohn, Zur Anatomie der Vogelcestoden. 1. -Fig. 15. Querschnitt durch dieselbe Proglottis. Z%, medianer Längskanal. Fig. 16. Haken der Schistotaenia macrorhyncha. a, 5, e nach RuDoLPpHr’s Originalen; d, nach meinem Material, beides bei der gleichen Ver- srößerung gezeichnet. Fig. 17. Flächenschnitt durch mittelreife Proglottiden. ZK, medianer Längs- kanal; Wg, Längswassergefäßstämme. Fig. 18. Sagittalschnitt durch den Scolex. . JR, innerer Rostellarsack; AR, äußerer Rostellarsack; ARt, äußerer Retractor; ZRt, innerer Retractor. Taenia polymorpha. Fig. 19. Flächenschnitt. N, Nerv; Wg, Wassergefäßkommissur. Fig. 20, 21, 22. Drei Sagittalschnitte durch den Scolex. Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. Von Friedrich Merkel. Aus dem zoologischen Institut zu Heidelberg.) Mit Tafel XVI, XVII und 2 Figuren im Text. Vorliegende Arbeit versucht eine Darstellung des Aufbaues der Schale von Polytrema miniaceum Pallas sp., ihrer Struktur, des Protoplasmas und der Kernverhältnisse dieses Rhizopoden zu geben. Die Anregung dazu erhielt ich von meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. BürscHLi. Ich fühle mich verpflichtet, ihm für seine stete Theilnahme an dieser Arbeit und seine Mithilfe bei den Untersuchungen auch an dieser Stelle meinen besten Dank zu sagen. Eben so danke ich Herrn Professor Dr. SCHUBERG, der mir mit Rath und That zur Seite stand, namentlich für seine Mittheilungen über die verschiedenen Methoden. Il. Geschichtliches. Trotz der reichhaltigen Litteratur über Rhizopoden findet sich verhältnis- mäßig nicht viel über Polytrema miniaceum. Eine Reihe älterer Forscher schenkten dem eigenthümlichen Organismus ihre Aufmerksamkeit, gaben kurze Beschreibungen von ihm, beschäftigten sich auch mit seiner Einreihung in das System, kannten aber die Bauverhältnisse nicht genügend. Die große äußere Ähnlichkeit von Polytrema mit der Edelkoralle hatte zur Folge, dass man erste- rer eine ganz falsche Stellung im System gab. Allgemein zählten die älteren Forscher den Organismus zu den Thierpflanzen und gesellten ihn den Korallen zu. Als solehe beschrieb sie PALLAS (1787) in seiner Charakteristik der Thier- pflanzen unter dem Namen Millepora miniacea. Unter dem gleichen Namen nahm sie auch J. F. GmELIn 1788 in die XIII. Ausgabe des Natursystems von Linse auf. Eine kolorirte Abbildung und genauere Beschreibung der äußeren Ver- hältnisse findet sich in E. J. EsPER’s Werk von 1791: »Die Pflanzenthiere in Abbildungen nach der Natur nebst Beschreibung«. Er bezeichnet merkwürdiger- weise nur die an den Enden der Ästchen befindlichen Öffnungen als echte Poren, 299 Friedrieh Merkel, alle auf der Oberfläche des Stammes und der Äste sich findenden dagegen als unechte. Als Millepora rubra beschreibt sie alsdann LAmArk (1816). Die Gattung Polytrema errichtete Rısso (1526). Seine Polytrema coral- lina ist identisch mit der von PALLAS beschriebenen Millepora miniacea. BLAINVILLE (1834) endlich verband den Gattungsnamen Polytrema mit dem von PALLAS aufgestellten Speciesnamen miniaceum. Sämmtliche Forscher hatten also die wahre Natur von Polytrema nicht er- kannt. Alle zählten sie zu den Pflanzenthieren, deuteten sie als Koralle. Die Beobachtung des plasmatischen Inhalts der Schale des Thieres führte zuerst F. DUJARDIN (1841) zur Erkenntnis, dass Polytrema den Rhizopoden zuzurechnen sei. Nachdem er die Rhizopodennatur von Rotalia, Planorbulina ete. ge- schildert hat, fährt er fort: »J’ai bien constat& que toutes les loges des Rota- lies et d’autres genres de Rhizopodes libres sont oceupees & la fois par la sub- stance glutineuse; mais je n’ai point vu les expansions, non plus que dans le Polytrema rubra, que je conjeeture appartenir & cette m&me famille d’apres la nature de la partie vivante.« DUJARDIN’S Ansicht wurde in der Folge von zahlreichen Forschern bestä- tigt, die sich auch bemühten, die Verwandtschaft mit andern Rhizopodenformen aufzufinden. Hierher gehören die Untersuchungen von GRAY, W. B. CARPENTER, M. SCHULTZE, ALLMAN, CARTER, BÜTSCHLI, MöBıus und BRADyY. CARPENTER (1862) liefert eine eingehendere Beschreibung der äußeren Form, erwähnt das Vorkommen eines parasitischen, häutigen Schwammes auf der Schalenoberfläche, dessen Spieula radienförmig von den Zweigenden auszugehen scheinen. Die baumartigen Formen führen in der axialen Partie längliche Kanäle, von denen jeder durch Vereinigung mehrerer Segmente gebildet zu sein scheint. Die Kanäle kommunieiren mit einander durch große runde Öffnungen. Die ersten Kammern bilden eine Spirale, was sich aber nach meinen Untersuchungen nur für die mikrosphärische Form nachweisen lässt. Die neu hinzutretenden Kammern häufen sich nach oben hin an. Eine größere Arbeit lieferte MAx SCHULTZE (1863), der nach einer kurzen Beschreibung der äußeren Verhältnisse den Nachweis führt, dass Polytrema so- wohl hinsichtlich des Baues als des Inhalts der Schale sich den Polythalamien anschließe. Die Kalkmasse besteht aus »Lamellen« (die Wände der Kammern), welche ein System unter einander anastomosirender Kammern umschließen und diese Lamellen zeigen Ähnlichkeit mit der Struktur der Kalkwände dickwan- diger Polythalamienschalen. Die Wände sind geschichtet und von Porenkanäl- chen durchsetzt, welch’ letztere von einer häutigen Röhre ausgekleidet sind. Die ersten Kammern sind spiralig angeordnet und stehen in Verbindung mit einander durch »Siphonen«. Die Zusammenordnung der späteren Kammern zeigt durch- aus keine Regelmäßigkeit. Bei Behandlung mit Salzsäure bleibt eine organische Substanz zurück, bestehend aus einer äußeren Hülle und einer zähen, ziemlich festen Zusammenhang zeigenden bräunlichen Substanz, reich an lichtbrechenden Körnchen und Tröpfehen. Den Kieselnadeln im Innern von Polytrema wird sanz besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie gelangen durch einen parasi- tischen Schwamm in das Innere der Schale. Die Ansicht MAx ScHuLrtze’s von Polytrema als Polythalamie (speeciell verwandt mit den Globigeriniden) theilte auch G. J. ALuman (1870). Die Schale ist nach ihm gebildet aus einer Menge unregelmäßig über einander liegender Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 293 Kammern, welche durch große Öffnungen unter einander in Verbindung stehen. Neben den großen Öffnungen existiren noch sehr viele »Kapillarkanälchen«. Einen großen Aufsatz über Polytrema veröffentlichte H. J. CARTER im Jahre 1876. Die kalkigen Kammerwände werden von hohlen Gebilden, die ich später als Pfeiler anführe, getragen. Die Stellung der Pfeiler wird durch kreis- förmige Vertiefungen auf der Oberfläche der Schale angedeutet. Die Pfeiler dienen als Stütze der fast koncentrischen, von Poren durchsetzten Kammer- wände, sind dagegen nie als Grenzen von Kammern aufzufassen. Sie sind hohl, um den größten Betrag von Kraft mit der geringsten Menge von Material zu verbinden. In späteren Lebensperioden werden sie massiv. Das Innere der Schale stellt ein labyrinthartiges Netzwerk von Hohlräumen dar. Polytrema kommt bald verzweigt, bald unverzweigt vor. Die Exemplare, welche keine Verzweigung an ihrem oberen Ende zeigen, scheinen aus verzweigten Exempla- ren einfach dadurch entstanden zu sein, dass die Äste derselben abgebrochen wurden. Eine spiralige Anordnung der Kammern an der Basis kann CARTER nieht erkennen, obgleich ihm gelegentlich ein Exemplar den Eindruck machte, als ob die Kammern Anfangs spiralig und erst später koncentrisch angeordnet wären. Die Schwammspicula im Innern rühren von einer Clionide her, welche in die Schale hineinwachsen soll. BÜTScHLI widmete im I. Band der 2. Auflage von Broxn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs (1880-—1882) Polytrema einige Worte und gab auf Taf. IX, Fig. I1a und 5 zwei Originalfiguren. Die Anfangskammern an der Basis finden zum ersten Mal eine etwas genauere Beschreibung. Das Weiter- wachsthum geschieht durch eine unregelmäßige Aneinanderhäufung von Kam- mern, welche sehr breit und nieder werden. An einzelnen Stellen senkt sich die Schalenwandung ein und bildet die Pfeiler, welche die Perforation verloren haben und bald hohl, bald solid erscheinen. Häufig findet sich an der Basis der Pfeiler eine größere Öffnung. Durch die hohlen Pfeiler können die Hohl- - räume der sich überlagernden Kammern mit einander und mit der Außenwelt kommunieiren. Die Äste scheinen sich so zu bilden, dass eine oder mehrere Lamellen in einen astartigen Fortsatz auswachsen, wobei sich die Pfeiler gegen einander stützen. Die Zweigenden sind geöffnet. Nach der Ansicht von K. MöBıvus (1880) enthalten alle Stämme und älteren Zweige von Polytrema eine centrale Kammer, um welche sich die übrigen kreis- förmig oder spiralig herumlegen. Die Centralkammer ist meistens größer als die sie umgebenden. Die Ausdehnung der Kammern ist in der Richtung der verti- kalen Achse am bedeutendsten. Die Kammern stehen durch Röhren, welche sich an den Einmündungsstellen trichterartig erweitern, in Verbindung. Er be- zeichnet diese als Kammergänge; sie sind identisch mit den von BÜTScHLI und in meinen Untersuchungen als Pfeiler bezeichneten Gebilden und besitzen keine Porenkanäle in ihrer Wand. Die äußeren Mündungen der Pfeiler werden oft durch Kammerwandschichten, welche Porenkanäle enthalten, siebartig bedeckt. Bei Behandlung mit schwachen Säuren wird der Kalk der Schalensubstanz leicht aufgelöst und die chitinigen Auskleidungen der Kammern und Kammergänge sowie der Porenkanäle bleiben zurück. In älteren Zweigen sind die Chitinhäute stärker. Sehr zart sind die Auskleidungen der Porenkanäle. Von letzteren nimmt er an, dass sie durch Resorption entstehen. Die merkwürdigen kugelförmigen oder halbkugeligen Anfangskammern scheint MögBıus nicht gesehen zu haben; er bildet sie auf seinen Tafeln nicht ab und gedenkt ihrer nicht. 294 Friedrich Merkel. Auch H. B. BrApy (1884) will in der Achse der Zweige röhrenförmige Hohl- räume gesehen haben, von denen die oberen Enden deutlich wahrnehmbar sind. Einer kurzen Angabe über die geographische Verbreitung folgt eine Notiz über das fossile Vorkommen der Art und deren Verwandtschaft mit einer Form aus den »Carboniferous Limestoneschales« von Schottland und Nordeng- land. »Die Natur des rothen Farbstoffs von Polytrema«, schreibt Brapy, »scheint nicht besonders untersucht worden zu sein, doch zeigen einige Experi- mente, dass er eine organische Substanz ist und wahrscheinlich identisch ist mit dem von MEREJKOWSKY in einer Anzahl mariner Organismen aufgefundenen Stoff, der als Zoonerythrin bezeichnet wurde.« Über das Vorkommen zweier, durch ihren Aufbau sich unterscheidenden Formen der Polytrema miniaceum wurde bis jetzt nirgends berichtet und eben so werden die Kernverhältnisse nirgends erwähnt. Il. Material und Methoden. Die der Untersuchung dienenden Exemplare von Polytrema stammten zum Theil von einem trockenen Korallenstück aus dem Mittelmeer, auf welches sie aufgewachsen waren, zum Theil aus dem Golfe von Neapel. Einige Exemplare, die in Villefranche gesammelt waren, stellte mir mein Freund Herr stud. W. REDI- ' KORZEW zur Verfügung. Zur Konservirung des Materials waren verschiedene Flüssigkeiten verwendet worden. Durch die Zoologische Station in Neapel wurden mir Exemplare geliefert, welche in Alkohol absol., in Sublimat, FLEM- MING’scher Flüssigkeit und in Sublimateisessig konservirt waren. Die Exemplare aus Villefranche waren in Alkohol absol., konservirt. Zu Schnitten eignen sich die mit FLEMMInG’scher Flüssigkeit und Sublimat- eisessig konservirten Exemplare ganz gut, da die harte Kalkschale völlig aufgelöst ist und nur die Schalenhäutchen und das Protoplasma zurückbleiben. Zur Entkal- kung verwendete ich Alkohol mit sehr wenig Salpetersäure. Es ist dabei zu beachten, dass der Säuregehalt sehr gering ist, da sonst ein Zerreißen der zar- ten Plasmamassen leicht eintritt. Es empfiehlt sich 50%%igen Alkohol mit 1/90/y Salpetersäure anzuwenden. In etwa 24 Stunden ist die Entkalkung vollendet, so dass mit dem Auswaschen begonnen werden kann. Querschnitte und Längsschnitte eignen sich zum Studium der Verhältnisse, wie sie der centrale Theil zeigt, viel besser als Schliffe, deren gute Her- stellung schwieriger ist. — Die zu Schliffen bestimmten Exemplare wurden aus Alkohol absol. in Xylol, dann in mit Xylol stark verdünnten Kanadabalsam übergeführt. Letzterer wurde hierauf auf dem Wärmschrank so stark als mög- lich eingediekt. Die in ihm liegenden Exemplare wurden dann auf einen Ob- jektträger mit zähem Kanadabalsam gelegt und letzterer so lange erwärmt, bis er hart geworden war. Wenn genügende Härte erreicht war, so konnte das in Balsam eingeschlossene Material geschliffen werden, und zwar geschah dies auf einem feinen Schleifstein. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die auf dem Objektträger in hartem Kanadabalsam eingeschlossene Kalkschale möglichst gleichmäßig abgeschliffen wird, was durch fortwährendes Drehen des Objekt- trägers bewirkt werden kann. Ein nur mäßiges Drücken beim Schleifen auf den Objektträger führt leicht zum Zerbrechen der Schale. Der Einschluss in Kanadabalsam ermöglicht eine genaue Orientirung des zu schleifenden Objekts. Doch ist bei den besten Schliffen immer ein Übelstand vorhanden, nämlich der, dass die Plasmamassen der Kammern nicht vollständig zum Verschwinden Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 295 gebracht werden können. Durch das Vorhandensein dieser plasmatischen Sub- stanz im Innern der Kammern wird die Beobachtung erschwert, zumal auch noch Sehleifpulver in die immerhin weicheren Massen eindringt und die Durch- sichtiekeit in hohem Maße beeinträchtigt. Soll daher ein klarer Überblick über die Bauverhältnisse gewonnen werden, so ist es unbedingt nothwendig, Quer- und Längsschnitte durch die entkalkten Exemplare zum Vergleich heranzu- ziehen. Ä | Auch die Herstellung von Schnitten, namentlich solcher von geringer Dicke, hat ihre Schwierigkeiten. Hauptsächlich sind dünne Schnitte in der Gegend der Basis nur mit größter Sorgfalt zu bekommen. Es ist daher sehr vortheil- haft, das entkalkte Material lange Zeit in Chloroform liegen zu lassen und die Überführung in Parafin möglichst langsam vorzunehmen, am besten dadurch, dass man Paraffıin in Chloroform löst und erst, nachdem das Objekt längere Zeit in dieser Lösung gelegen hat, in den Wärmschrank bringt in Chloro- foryparaffin. Dann darf das so behandelte Exemplar nur kurze Zeit im Wärmschrank verbleiben, damit es nicht zu hart wird. Es empfiehlt sich, das in Paraffın befindliche Exemplar höchstens 4 Stunden im Wärmschrank zu lassen. — Die Schnitte in der Dicke von 3—15 u wurden nach der Wasser- methode auf dem Objektträger befestigt. Da das Protoplasma des in Alkohol, Sublimat oder Sublimateisessig kon- servirten Materials auf den Schnitten sehr durchsichtig und gar nicht diffe- renzirt erscheint, so empfiehlt es sich Färbungen anzuwenden, die einmal die’ plasmatischen Massen deutlicher hervortreten und die aufgenommenen Nahrungs- bestandtheile unterscheiden lassen. Außerdem sollte dadurch der Zellkern deut- lich gemacht werden. Zahlreiche Färbungsmethoden wurden daher auf ihre Wirkung versucht. Sehr verdünnte Hämatoxylinlösung erwies sich als besonders geeignet, die Schalenhäutchen, welche bei der Entkalkung unzerstört blieben, zu studiren. Die häutigen Auskleidungen der Porenkanäle und Kammern nehmen dabei eine intensiv violette Farbe an. Aber auch das Protoplasma wird sehr stark mit- gefärbt, eben so die in ihm liegenden Nahrungskörper. Weniger different, fast kaum bemerkbar, färbte sich der Kern. Da auch die Färbung mit Alaunkarmin keine besonders günstigen Resultate hervorzubringen schien, vor Allem keine deutliche Differenzirung von Proto- plasma, Kern und Nahrungskörpern beobachten ließ, so wurden Doppelfärbungen angewendet. So färbte ich Schnitte ungefähr 50 Minuten lang mit unverdünntem Alaun- karmin. Nachdem sie gut ausgewaschen, wurden sie 10—15 Minuten lang in Bismarekbraun nachgefärbt. Das Schalenhäutehen hob sich sehr scharf von dem . protoplasmatischen Kammerinhalt ab, indem ersteres dunkelroth, letzterer in dunkelbrauner Färbung erschien. Bessere Erfolge lieferten die folgenden Färbungsmethoden. Es wurden Schnitte mit Methylenblau gefärbt und hierauf mit Pikrinsäure fixirt. Es ist dabei darauf zu achten, dass die Schnitte möglichst rasch durch Alkohol geführt werden, damit ein erhebliches Ausziehen des Farbstoffes nicht stattfindet. Die häutigen Massen erscheinen stark gelb, die plasmatischen, sowie die Einschlüsse blau. Der Kern ist wohl zu erkennen, eignet sich aber nicht gerade besonders für die Untersuchung. | Sehr ungünstig fiel ein Versuch mit einer wässerigen Safraninlösung aus. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. - 20 296 Friedrich Merkel, auch ein solcher mit FLEmMınG'schem Safranin. Eben so eignet sich 10/yiges Säurefuchsin in koncentrirter Pikrinsäurelösung nicht für die Kernfärbung. Der Güte des Herrn Professor SCHUBERG verdanke ich ein gutes Ver- fahren, um Schalenhäutchen, Protoplasma und Kern deutlich zu machen. Die mit destillirtem Wasser aufgeklebten Schnitte werden in eine 1/g0/yige wässerige Methylengrünlösung etwa 7 Minuten lang gebracht. sodann vorsichtig mit Wasser ausgewaschen, um nach dieser Manipulation 31/5 Minuten lang mit einer 1/50/,igen Eosinlösung nachgefärbt zu werden. Dem abermaligen Auswaschen mit Wasser folgt eine Fixirung, die Herr Professor SCHUBERG demnächst veröffentlichen wird. Der Kern wird deutlich, färbt sich aber sehr intensiv und hebt sich nicht sehr bestimmt von der eben so intensiv gefärbten Umgebung ab. Gute Ergebnisse für die Deutlichmachung des Kerns lieferten mir die Färbung mit Thionin und eine solche mit Boraxkarmin. Als Material wurden Objekte ausgewählt, die mit Sublimat und Alkohol absol. konservirt und mit Salpetersäurealkohol entkalkt waren. Zur Verwendung gelangte eine 10/,ige wässerige Thioninlösung. Die sehr dünnen Schnitte (3—5 «) wurden etwa 10 Minuten lang auf dem Objektträger mit der erwähnten Lösung gefärbt, und zwar so lange, bis eine vollständige Überfärbung zu Stande gekommen war. In 700/,igem oder noch besser 96°%/,igem Alkohol wurde der Farbstoff so weit ausgezogen, bis eine möglichst deutliche Unterscheidung von Protoplasma, Kern und Einschlüssen erzielt war. Das Protoplasma zeigt eine tiefblaue bis hell- blaue Farbe, die Verbindungen der plasmatischen Massen der einzelnen Kam- mern erscheinen intensiv dunkelblau /bei Material. das mit FLEMMINE’scher Flüssigkeit konservirt war, grün), die Schalenhäutchen blieben ungefärbt. Auf solchen Präparaten trat der Kern mit violetter Farbe ganz deutlich hervor. Auf dünnen Schnitten lässt sich der Farbstoff sehr leicht ausziehen, bei diekeren dagegen nur bei Anwendung von Säuren. Die beste Kernfärbung erzielte ich mit GRENACHER’schem Boraxkarmin. das in der gewöhnlich üblichen Weise angewendet wurde. Ill. Eigene Untersuchungen. 1. Allgemeine Beschreibung von Polytrema. Bei oberflächlicher Betrachtung von Polytrema könnte man zur Ansicht gelangen, dass man es mit einem der Edelkoralle (Corallium rubrum Lam.) verwandten Organismus zu thun habe. Die Ähnlichkeit mit dieser Koralle in Bezug auf Ge- sammtform und Farbe geht so weit, dass die frühere Zureehnung zu dieser Gruppe sehr erklärlich ist. Wie die Edelkoralle, besitzt Polytrema eine baum-. förmige Gestalt (Textfig. 1 und Fig. 1, Taf. XV]). wu extfig. 1. Exemplar mit schön entwickeltem Stamm Der basale Theil ist ein mächtig entwickelter (st) und verzweigten & - Stamm (st) von eylindrischer Form und annähernd Asten (ae). Vergr. 6. N? kreisförmigem Querschnitt, dessen Höhe etwa zwi- schen 1—4 mm schwankt. An seinem oberen Theile verzweigt sich der Stamm und bildet in der Regel mehrere cylindrische Aste aus, Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 297 die sich selbst wieder verzweigen können. Diese Äste erreichen eine Länge von 1—4 mm. An ihrem Ende tragen sie eine, zwei oder mehrere größere Öffnungen (o, Fig. 1 und 2, Taf. XVI). Keines- wegs ist aber die Sonderung in Stamm und Äste immer so deutlich ausgeprägt. Es existiren Formen, bei denen sich der Stamm ganz flach entwickelt hat, so dass von einer ganz flachen, breiten, kuchen- förmigen Basis drei oder mehr unverzweigte oder verzweigte Äste (ae) abgehen (Textfig. 2). Von einem eigentlichen Stamm kann bei den Formen mit flacher, breiter Basis kaum mehr die Rede sein. Dagegen zeigen Formen mit nur mäßig breiter Basis fast immer einen ziemlich hohen Stamm. Es scheint daher die Entwicklung des Stammes abhängig zu sein von der Ausbildung seiner Basis. Der basale Theil des Stammes ist stets fest aufgewachsen auf Korallen, Mu- scheln, Seegras oder Meeresboden. Diese Unterlagen haben auf die Aus- bildung der Basalfläche (d, Textfig. 2) erheblichen Einfluss und bewirken oft, dass eine Wölbung der Basis zu Textlig. 2. Stande kommt, welche die Unter- Exemplar mit sehr breiter und flacher Basis (b), e Von ihr erheben sich zahlreiche Astchen (ae) suchung zuweilen erschwert. nach verschiedenen Richtungen. Vergr. 6. Schon bei Beobachtung mit der Lupe erkennt man eine Menge von gröberen und feineren Poren, die über die Oberfläche der Schale verbreitet sind, sowohl über den Stamm als über die Äste. Während die feinen Poren in überaus reicher Zahl vorkommen, sind die gröberen nur spärlich vorhanden. Die letzteren oder die »Pfeilerporen« zeisen stets eine wesentliche Verschiedenheit von den feinen Poren, da sie stets einen doppelten Kentour von in der Regel elliptischer Form aufweisen und sich fast nur auf den Stamm beschränken (po in Fig. 2, Taf. XVI). Auf die Bedeutung dieser Verhältnisse werde ich erst weiter unten eingehen, da sie in Beziehung stehen zu den später zu besprechenden Pfeilern im Innern der Schale. Doch sei gleich noch beigefügt, dass man bei mäßiger Vergrößerung in der Tiefe dieser Pfeilerporen feinere Poren beobachten kann (Fig. 2 po). Größere Öffnungen o finden sich, wie gesagt, in größerer oder seringerer Zahl an den Enden der Ästehen; auch in der Wand der Äst- chen sind außer den Poren größere Öffnungen zu beobachten. Unter- sucht man die Astchen bei schwacher Vergrößerung, so findet man, dass sie sich aus einer Anzahl hinter einander gereihter Abschnitte oder 20* 298 Friedrich Merkel. Glieder zusammensetzen, welche sich ziemlich deutlich von einander absetzen. Sie sind auf Fig. 2, Taf. XVI an den Ästehen I7 und 171 mit den arabischen Ziffern 7, 2 und 3 bezeichnet. Es kann dabei vorkommen, dass sich die Wandung des folgenden Gliedes (3 von Ästchen I7I ) auf den Rand des vorhergehenden (2) so aufsetzt, dass nicht der ganze Rand des letzteren (2) von der sich später bildenden Gliedwand (3) geschlossen wird, dass vielmehr an einer Stelle eine freie Mündung (oe) nach außen bleibt. Weiter kann dann an dem in Nelkenöl aufgehellten Objekt (Fig. 2) im Innern des Stämmchens ein mehr oder weniger deutliches System von Balken (5%) erkannt werden, welches sich in die Äste fortzusetzen scheint. Es sind dieses offenbar die Ansatzstellen der später zu besprechenden Kalkwände im Innern. Dann erblickt man in den Ästehen mehr oder weniger breite Scheidewände (s), auf die ich später ebenfalls noch zurückzu- kommen habe. Schließlich ist noch der Färbung der Polytremaschale zu ge- denken. Die Exemplare, welche mir zur Verfügung standen, zeigten zum Theil eine karminrothe, einige eine mehr hellrothe bis röthlich- weiße Farbe. Bei flüchtigem Betrachten lässt sich auch leicht be- ‚merken, dass nicht alle Stellen eines Exemplars gleich stark gefärbt sind; einzelne entbehren der rothen Farbe, andere zeigen eine hel- lere Färbung als die Umgebung. Jedenfalls ist die Färbung keine gleichartige und es lässt sich so viel sagen, dass sie heller ist an den Ästen und dunkler wird am Stamme. Über die Natur des rothen Farbstoffs der Schale. Über den rothen Farbstoff der Polytrema theilt Brapy mit, dass er eine organische Substanz sei, die auf Grund einiger Experimente identisch scheine mit dem von MEREJKOWSKY beschriebenen Zoonery- thrin. — Es unterliegt keinem Zweifel, dass der rothe Farbstoff organischer Natur ist; denn wenn man die getrockneten Exemplare von Polytrema in einem Platinschälchen nur wenig erhitzt, so ver- schwindet die rothe Farbe vollständig und das Objekt erscheint weiß; dasselbe zeigt auch die Edelkoralle beim Erhitzen. Doch kann ich nach den wenigen Versuchen, die ich anstellte, die Anwesenheit von Zoonerythrin nicht bestätigen. Die für diesen Farbstoff charakte- ristischen Reaktionen konnte ich nicht erhalten. Wenn man die roth- sefärbte Kalkschale trocknet, alsdann pulverisirt und mit Alkohol längere Zeit kocht, so löst sich nicht eine Spur von dem rothen Farbstoff, und eben so wurde beim Kochen in Äther eine Lösung Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 299 nicht erzielt. Selbst wenn man das Pulver längere Zeit (etwa 1 Stunde) in einem kleinen Reagensglas in Wasser, dem man drei Tropfen Natronlauge zugesetzt hatte, kochte, die Natronlauge alsdann abgoss und das Pulver gut ausgewaschen hatte und hernach in Al- kohol etwa 2 Stunden lang kochen ließ, konnte keine Lösung er- zielt werden. | Ich kann daher kaum annehmen, dass der rothe Farbstoff Zoonerythrin ist, für welches von MEREJKOWSKY und KRUKENBERG angegeben wird, dass es sich leicht in Alkohol und Äther löse. Auch bei Behandlung mit einigen Tropfen koncentrirter H,SO, konnte die für das Zoonerythrin charakteristische Blaufärbung nicht beobachtet werden. 2. Aufbau der Schale in dem Stamm. Aufbau des eentralen basalen Theils. Will man sich ein klares Bild vom Aufbau des Stammes ver- schaffen, so ist es nothwendig Serien von Quer- und Längsschnitten senau zu untersuchen und mit Dünnschliffen zu vergleichen. Beob- achtet man eine solehe Querschnittserie, so wird man den Eindruck bekommen, dass die plasmatischen Massen in eigenthümlich geform- ten Kammern eingeschlossen sein müssen. Nur die organische Sub- stanz der Schale, die zarten Schalenhäutchen mit dem protoplasma- tischen Inhalt, sind auf den Schnitten zu sehen. Auf einem basalen Querschnitt (Fig. 4) findet man in der Regel eine ansehnliche kugelige Kammer (a), die an Größe die zunächst folgenden jüngeren Kammern übertrifft. Sie ist von einem dicken gelblichen Schalenhäutchen be- srenzt und hebt sich daher scharf von den folgenden, namentlich von den peripheren ab. Diese Kammer « ist als Embryonalkammer zu betrachten. Um sie herum legen sich dann kreisförmig einige längsgestreckte schmälere Kammern, die ebenfalls noch von einem kräftigen derartigen Häutchen umgeben sind. Die Embryonalkammer steht mit letzteren auf dem vorliegenden Schnitt (Fig. 4) an drei Stellen in direkter Verbindung; diese Ver- bindungsstellen sind wegen ihrer dunkleren Färbung auf dem Schnitte deutlich wahrzunehmen. Alle folgenden, später angelegten Kammern lagern sich kreisförmig um die schon vorhandenen herum, so dass eine ziemlich einfache Anordnung der Kammern zu Stande kommt. Doch ist hervorzuheben, dass alle Kammern außer der Anfangskam- mer mehr und mehr in koncentrischer Richtung in die Länge wach- sen und in ihrer viel geringeren Radialausdehnung schwanken. Je 300 Friedrich Merkel, weiter man nach der Peripherie fortschreitet, um so mehr nehmen die Kammern an Länge zu und können zum Theil fast völlig kon- centrische Ringe darstellen (Fig. 20, //). Charakteristisch für die peri- pher gelegenen Kammern ist, dass ihr Schalenhäutehen viel weniger - entwickelt ist als das der centralen Kammern. — Natürlich stehen auch die peripherischen Kammern mit einander in Verbindung (v), und diese Verbindungsstellen sind auf den Querschnitten Fig. 3, 4 und 20 stets mit dunklerer Farbe angedeutet. Dieselben Verhältnisse hinsichtlich der Anfangskammer und der darum folgenden lassen sich auch auf Längsschnitten erkennen. So zeigt Fig. 5 eine verhältnismäßig große Anfangskammer « von nicht ganz kugelförmiger Gestalt mit dickem Schalenhäutchen. Um sie herum lagern sich dann eine Anzahl etwas kleinerer, länglicherer Kammern mit kräftigem Häutchen, welches auf dem in FLENUMING- scher Flüssigkeit konservirten und mit Thionin gefärbten Schnitt (Fig. 5) grünlich gefärbt war. Auch hier lassen sich die dunkler ge- färbten Verbindungsstellen (v) der Embryonalkammer («) mit den sie umgebenden leicht feststellen und eben so die der letzteren unter sich selbst. Bei Vergleichung der Querschnitte und Längsschnitte kommt man also zur Ansicht, dass die Embryonalkammer («) umgeben wird von einer Anzahl länglich gestreckter, schmaler Kammern mit kräftig entwickelter Schalenhaut, die durch diese Auszeichnung von den peripher folgenden Kammern sich ziemlich scharf unterscheiden. Man könnte leicht vermuthen, dass die Embryonalkammer («) als die erstgebildete am basalsten liege und der Unterlage direkt aufgewachsen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein Blick auf den Längsschnitt Fig. 5 zeigt klar, dass die Embryonalkammer keines- wegs am tiefsten liegt, sondern sich etwas über der Basalflläche, im Centrum der oben durch ihre stärkere Chitinhaut charakterisirten Centralkammern befindet. Die Embryonalkammer muss sich also bei der Bildung der nächstfolgenden Kammern etwas gehoben haben, so dass einige jüngere Kammern sich unter ihr anlegen konnten. Diese Anschauung wird durch die Längsschliffe bestätigt. Schwieriger ist es an Schliffen den Aufbau der centralen basa- len Kammern festzustellen. Es ist nicht möglich von einem und demselben Exemplar mehr als einen Schliff, der den basalen Theil zeigt, zu erhalten. Schliffe müssen von verschiedenen Exemplaren hergestellt werden, um überhaupt zu einem Schluss gelangen zu können, und da der Aufbau bei dem einen oder anderen schließlich Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 301 Verschiedenheiten zeigt, so kann man wohl kaum mit Sicherheit aus den Schliffen die Anordnung der centralen Kammern feststellen. So können Schliffe höchstens als Vergleichsobjekte dienen, um die Form der Kammern besser zu erkennen, da bei den Schnitten das orga- nische Kammerhäutehen sowie der Plasmainhalt der Kammern in den Konservirungsflüssigkeiten meist stark schrumpfen, wodurch die ur- sprüngliche Kammerform häufig stark beeinträchtigt wird. Auch sind die Schliffe in so fern nicht so klar als Schnitte, weil sie die Ver- bindungen der Kammern nicht deutlich erkennen lassen; wenigstens konnte ich auf meinen Schliffen eine Verbindung zweier Kammern nur selten sicher nachweisen. Den geschilderten Aufbau des centralen Theiles besitzen die meisten Exemplare, und er ist offenbar als der gewöhnliche zu be- trachten. Nun bemerkte aber schon ÜARPENTER, dass die ersten Kammern eine Spirale formirten. Diese spiralige Anordnung der ersten Kammern kommt nun auch wirklich vor, ist aber selten. Wirft man einen Blick auf Fig. 3, so bemerkt man ohne Weiteres, dass die Kammern keine gleichartige Anordnung besitzen, sondern dass die centralen anders angeordnet sind als die peripherisch darauf folgenden, gleichzeitig aber auch, dass die Form dieser centralen Kam- mern eine ganz andere ist, als die der peripherischen. Während die centralen Kammern scharf und deutlich von einander abgegrenzt sind und immer eine mehr regelmäßige, gewöhnlich etwas halbkugelige Form erkennen lassen, zeigen die darum liegenden eine unregelmäßige Form und heben sich auch nicht mehr so scharf von einander ab. Verrathen die äußeren plasmatischen Kammerinhalte des Querschnit- tes (Fig. 3) mit ihren unregelmäßigen, bisweilen sogar merkwürdig tief ausgebuchteten Formen eine mehr koncentrische Anordnung, so lassen die inneren centralen Kammern keine Spur von einer solehen Anordnung mehr erkennen, dagegen eine regelmäßig spiralige. Die Angaben CARPENTER’s und SCHULTZE’sS über die spiralige Anordnung der basalen Anfangskammern wird demnach durch diesen Fall be- stätigt. Keineswegs ist aber diese Spiralanordnung die gewöhnliche, sondern viel seltener als die erstbeschriebene. Nicht nothwendig erscheint es, nochmals die Frage näher zu erörtern, die MAx SCHULTZE aufgeworfen hat, ob die spiralen An- fangskammern auch wirklich demselben Rhizopoden angehören, denn es ist kein Zweifel, dass sie die Anfangskammern der Polytrema sind. »Die übereinstimmende feinere Struktur der Haut und des Inhaltes der Kammerfüllungen« (nach ScHUuL'TtzE) sowie die in der 302 Friedrich Merkel, Fig. 3 eingetragenen Verbindungen des centralen Theiles mit dem peripherischen bürgen für die Richtigkeit dieser Auffassung. Nach Fig. 3 ist die mit « bezeichnete Kammer, also die kleinste, als Embryonalkammer zu bezeichnen; an sie legen sich dann die folgen- den, halbkugelförmigen an, und zwar in Form einer deutlichen Spirale. Zwölf Kammern («—m), welche die spiralige Anordnung zeigen, sind auf dem Schnitte deutlich wahrzunehmen. Sie stehen an der Basis der einzelnen Kammern unter einander in Verbindung. Auch hier zeichnen sich die Verbindungsröhren durch intensiv dunkle Thioninfärbung aus. An den jüngeren Kammern lassen sich außer der basalen Verbindung zwischen zwei benachbarten Kam- mern bisweilen noch mehr Verbindungen nachweisen (Fig. 3 Z und m). Außerdem konnte ich bei der Durchsicht der Schnitte eine weitere Verbindung der Kammer 7 mit einer höher gelegenen feststellen, die aber nicht mehr der Spirale angehört und daher nicht eingezeich- net werden konnte. Die geschilderte Anordnung der Kammern er- innert an jene der Gattung Rotalia und anderer spiraler polythalamer Rhizopoden. Auch zeigen die einzelnen Kammern der Spirale, wie alle spiral gebauten Rhizopoden, dass die nachfolgende Kammer die vorhergehende an Größe übertrifft. Bald hört aber das spirale Wachs- thum auf und macht einem anderen Modus Platz. Die Schalenhäut- chen dieser äußeren Kammern sind von äußerst zarter Beschaffenheit und färben sich daher kaum. Stets sind die Schalenhäutehen der Kammern. welche am weitesten nach außen liegen, am feinsten und fast ungefärbt; sie nehmen dagegen an Dieke zu und erscheinen gefärbt, je mehr man sich dem Centrum nähert. Die Verdün- nung der Häutchen nach außen ist keine plötzliche, sondern eine ganz allmäh- liche. Charakteristisch ist das Verhalten des Häutchens gegen gewisse Farb- stoffe. Auf Präparaten, welche in Alkohol konservirt waren und dann mit Boraxkarmin gefärbt wurden, behalten die Schalenhäutchen ihre natürliche gelb- liehbraune Farbe, färben sich also nicht. War das Material in Sublimateisessig konservirt und die Schnitte mit Thionin gefärbt, so. zeigen sie im centralen, namentlich im centralen basalen Theil, eine dunkelblaue Farbe. Intensiv grün sind die Häutchen der centralen Kammern auf Schnitten, die mit Thionin ge- färbt waren und von Material stammten, welches mit FLEMMING'scher Lösung konservirt worden war. Aber auch hier nimmt die Grünfärbung ab, je weiter die Kammern der Peripherie zu liegen. Ich habe mir beim Abschleifen eines Stämmchens die Mühe ge- nommen, auf einander folgende Schliffflächen aufzuzeichnen, um aus den so erhaltenen Figuren eine etwaige spirale Anordnung der Kammern herauszufinden. Es scheint auch thatsächlich in einem Fall Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 305 eine derartige Spirale bestanden zu haben, doch will ich das nicht mit Sicherheit behaupten. Meine späteren Untersuchungen ließen mich an dieser Thatsache zweifeln. Man könnte nun vermuthen, dass die Centralkammern genau im Centrum der Basis des Stämmchens sich befänden. Meine Unter- suchungen haben jedoch gezeigt, dass die Centralkammern meist eine excentrische Lagerung haben; dies ergaben sowohl die Längs- schnitte wie die aufgehellten Totalpräparate. Nach den dargelegten Verhältnissen bestehen bei Polytrema zwei von vorn herein verschiedene Typen im Aufbau. Der häufiger vor- kommende beginnt mit großer Embryonalkammer, um die sich die folgenden Kammern etwa koncentrisch lagern, so dass ein Aufbau zu Stande kommt, der im Wesentlichen denselben Modus von Anfang bis zu Ende verfolgen lässt, also als uniform nach RHUMBLER (Syst. der Thalamoph.) zu bezeichnen wäre. Der zweite Typus ist durch eine sehr kleine Embryonalkammer charakterisirt, durch die spiralige Anordnung der darauffolgenden Anfansskammern, worauf erst die koncentrischen, peripheren Kam- mern folgen. Dieser Aufbau wäre als biformer zu bezeichnen, weil nach RHUMBLER die ersten Kammern nach einem höheren Modus sich aufbauen als die Endkammern. Nun haben MUNIER-ÜHALMAS, SCHLUMBERGER, LISTER und SCHAU- DINN für eine Reihe von Rhizopoden nachgewiesen, dass sie diese Erscheinung des Dimorphismus zeigen. Meine Schnitte zeigen in der That, dass auch bei Polytrema ein Dimorphismus besteht, wie er von den oben genannten Forschern für Milioliden, Penero- plis, Orbitolites ete. nachgewiesen worden ist. Man kann also auch hier eine megalosphärische Form (A-Form nach MUNTER-CHALMAS und SCHLUMBERGER) mit großer Anfangskammer (Fig. 4) und eine mikrosphärische Form (B-Form nach obengenannten Forschern) mit sehr kleiner Anfangskammer (Fig. 3 und 20) unterscheiden. Ich werde auf die weiteren Eigenthümlichkeiten beider Formen bei Be- sprechung der Kernverhältnisse nochmals zurückkommen. Fernerer Aufbau des Stammes. Es wurde bereits bei Besprechung der megalosphärischen Form darauf hingewiesen, dass die Anordnung aller die Embryonalkammer umgebenden folgenden Kammern eine gleichförmige ist, durchweg eine koncentrische, dass die direkt auf die Embryonalkammer folgen- den von etwas geringerer Größe sind als erstere, dass sie sich aber 304 Friedrich Merkel, von den mehr peripheren dadurch auszeichnen, dass bei ihnen die Chitinhäutchen auf Schnitten (Fig. 4) noch ziemlich dick sind. Erst allmählich nimmt die Dieke des Schalenhäutchens ab, um so mehr, je weiter man gegen die Peripherie fortschreitet. Dabei zeigt sich gleichzeitig, dass die Kammern um so größer werden, je weiter man nach außen kommt, dass die Länge der Kammern in koncentrischer Richtung proportional wächst mit dem Größerwerden des Radius. Ganz dieselben Verhältnisse bieten auch die außerhalb der Spirale gelegenen Kammern der mikrosphärischen Form. Es kann vorkom- men, dass die langgestreckten peripheren Kammern eine so beträcht- liche Ausdehnung erreichen, dass sie beinahe geschlossene koncen- trische Ringe bilden (Fig. 20, 77). Eigenthümlich ist die Gestalt dieser Kammern. Stets zeigen ihre Querschnitte vielfach ausgebuchtete, unregelmäßig verlaufende Begrenzungen. Es lässt sich aber erken- nen, dass eine Gesetzmäßigkeit zwischen den Ausstülpungen der einen Kammer und den Einbuchtungen der benachbarten besteht, dass der Einstülpung e (Fig. 20) der einen Kammer eine Ausstülpung (as) der innen oder außen gelagerten entspricht, die alsdann in diese Einbuchtung sich hinein erstreckt. — Die Verbindungen (v) der Em- bryonalkammer der megalosphärischen Form mit den ihr direkt an- selagerten, kreisförmig angeordneten sind klar auf dem Querschnitt (Fig. 4) wie auf dem Längsschnitt (Fig. 5) wahrzunehmen als beson- ders dunkle Röhrchen, wie schon oben geschildert wurde. Stets sind diese Verbindungen in der Mehrzahl vorhanden (3 in Fig. 4 und 4 in Fig. 5). — Bei der mikrosphärischen Form (Fig. 3) konnte ich mit Sicherheit nur zwei Verbindungen der spiralen Anfangskammern mit den peripheren feststellen, von denen aber nur eine auf dem Quer- schnitt eingetragen werden konnte, nämlich die der Kammer g mit dem außerhalb der Spirale gelegenen benachbarten Theil. Zweifellos existiren jedoch noch mehr Verbindungen, die aber auf dem Schnitte nicht so klar erscheinen wie die erwähnten. Die Verbindung der Kammer Z mit einer höher gelegenen, nicht mehr der Reihe der spiral angeordneten zugehörigen, konnte in dem Querschnitt nicht ein- setragen werden. Auf Längsschnitten (es sind nur solche von megalosphärischen Formen beobachtet worden) zeigen die Kammern, dass sie im Ver- hältnis zu ihrer Radial- oder Diekenausdehnung (Fig. 5) sehr hoch seworden sind. Daher kommt es, dass man langgestreckte, von mehr oder weniger feiner Schalenhaut umgebene Kammerdurchsehnitte findet. Bei größeren Exemplaren lässt sich beobachten, dass die Plasmabänder Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 305 an der Basis seitlich ausbiegen und dadurch eine Vergrößerung der Anheftungsstelle bewirken (Fig. 5). Bei Vergleichung der Quer- und Längsschnitte gelangt man daher zum Schlusse, dass die koncentrisch angeordneten Kammern flache, koncentrisch gekrümmie, kuchenartige Gebilde sind, deren Grenzflächen vielfach.ausgebuchtet erscheinen, also einen wellenförmigen Charakter haben. Diese Kammern legen sich so um einander herum, dass ihre allgemeine Anordnung stets eine koncentrische bleibt, wenn auch die Kammern keine vollständigen Hohleylinder bilden, die sich als geschlossene Ringe im Querschnitt darzustellen hätten. Erwähnung verdient noch die Thatsache, dass die dunklen Ver- bindungsstellen der einzelnen Kammern die einzigen Anhaltspunkte abgeben, die zu beurtheilen ermöglichen, was als eine Kammer aufzu- fassen ist und was daher zu einer Kammer gehörig zu betrachten ist. Es wäre schließlich noch hervorzuheben, dass im Inneren der plasmatischen Kammermassen auf Schnitten kreisförmige oder ellip- tische Hohlräume auftreten, welche in ihrem Centrum ein Proto- plasmaklümpchen ? liegen haben (Figg. 14 und 20). Diese Verhält- nisse können aber erst durch die Schliffe verstanden werden. Die jetzt zu besprechenden Dünnschliffe bieten neue, wichtige Verhältnisse, die sich auf Schnitten nicht studiren lassen, weil die kalkigen Wände der Kammern durch die Behandlung mit Säuren aufgelöst und von ihnen nur das Schalenhäutchen und die häutigen Auskleidungen der Porenkanäle übrig geblieben sind. — Untersucht. man die Kalkwände der Centralkammern, so findet man sie eben so beschaffen wie die der peripheren Kammern. Beachtenswerth er- scheint immerhin, dass die Wände der Centralkammern recht dick sind und gerade so reich von Poren durchsetzt werden, wie die der übrigen Kammerwände. Hinsichtlich der Färbung lässt sich kein Unterschied zwischen ihnen und den anderen Kammern wahrnehmen. Auch zeigt die Embryonalkammer der megalosphärischen Form, dass ‚sich ihr keine Pfeiler, die weiter unten besprochen werden, aufsetzen. Es möge hier angefügt werden, dass ich auf meinen Schliffen als Embryonalkammer auch stets die größte Kammer ansehen musste, dass ich eine mikrosphärische Form in Schliffen nicht finden konnte. — Die Kammerwände (kw, Fig. 6) erreichen eine Dicke von’ 0,034 bis 0,125 mm; an ein und derselben Kammerwand ist sie nicht gleich- mäßig. Es lässt sich keine Gesetzmäßigkeit erkennen in der Art, wie die Dicke der einzelnen Wände zu- oder abnimmt. Von Max SCHULTZE wurde bereits darauf hingewiesen, dass die 306 Friedrich Merkel. Kammerwände geschichtet sind. Fig. 6 zeigt diese Schichtung und eben so ist sie an einer dieken Kammerwand auf dem Querschlift Fig. 9 deutlich zu sehen. Auch die Zahl der Schichten ist keine übereinstimmende; doch kann so viel gesagt werden, dass sie im Allgemeinen in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis steht zur Dicke der Wände, indem sie größer wird bei dickeren Kammerwän- den. Besonders deutlich tritt die unterste oder innerste Schicht der einzelnen Kammerwände hervor. Sie geht auch in die äußerste Schicht («) der Pfeiler (p, Fig. 6) direkt über. Diese innerste Schicht ist jedenfalls diejenige, welche besonders reich an organischer Sub- stanz ist und daher bei der Entkalkung als das sogenannte Schalen- häutchen zurückbleibt. Alle Kammerwände sind von Porenkanälchen durchsetzt (»%, Fig. 6). Die verlaufen radial und durchsetzen unter normalen Verhältnissen die Kammerwand auf dem kürzesten Weg. Außerden finden sich in den Kalkwänden hier und da auch größere Öffnungen (2%, Fig. 8), die unabhängig von Pfeilern und Porenkanälen auftreten und eine direkte weitere Verbindung zwi- schen den zwei über einander liegenden Kammern herstellen. Pfeiler. Eine hervorragende Rolle auf Dünnschliffen spielen die Pfeiler (p, Fig. 6, 7, 8,9). Es sind dies cylindrische Kalkstützen, bald hohl, bald massiv, die sich an ihrem basalen Ende und an dem gegenüber- liegenden peripherischen trichterartig erweitern. Man könnte zur An- sicht gelangen, dass die erwähnten Pfeiler die Begrenzungen ein- zelner Kammern darstellen. Das ist aber, wie schon CARTER zeigte, nicht der Fall. Die ausgedehnten peripheren Kammern werden von zahlreichen derartigen Pfeilern durchsetzt, die offenbar ihre Haupt- bedeutung darin haben, die äußere Kammerwand zu stützen, niemals dagegen treten sie als Abgrenzungen zweier Kammern auf, was ja auch schon durch ihren Bau ausgeschlossen ist. Wie schon früher er- wähnt, setzen sich auf die Embryonalkammer direkt keine Pfeiler auf, sie treten erst bei späteren Kammern auf, und zwar finden sich die ersten auf den peripheren Kammerwänden der die Embryonal- kammer direkt umgebenden Kammern. Aus Fig. 6 geht klar hervor, wie sie ihre Entstehung genom- men haben. Sie entstehen einfach dadurch, dass sich die Kam- merwand an einer Stelle einsenkt und die eingesenkte Stelle sich auf die unter ihr liegende Wand aufsetzt. Dafür spricht der Längs- Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 307 schliff Fig. 6 sehr deutlich, der diese Verhältnisse an einigen ange- schliffenen Pfeilern » und p, deutlich wahrnehmen lässt. — Die räumlichen Ausdehnungen der Pfeiler sind sehr variabel. Ihr Durch- messer an der Basis wechselt zwischen 0,031—0,078 mm, der an dem der Basis gegenüberliegenden Ende zwischen 0,043 und 0,081 mm; in der Mitte beträgt er 0,025 — 0,059 mm. Verschieden ist auch die Höhe der einzelnen Pfeiler, sie schwankt zwischen 0,01—0,09 mm. Die meisten Pfeiler sind hohl, wie Fig. 6 zeigt. Der Hohlraum ist natürlich am unteren und oberen Ende in Folge der eigenthüm- lichen Ausbildung der Pfeiler am weitesten. Doch existiren auch Pfeiler, die keine Spur eines Hohlraumes erkennen lassen, sondern vollständig massiv sind. Jeder Pfeiler zeigt deutlich zwei Kalk- schichten seiner Wand, eine äußere «, Fig. 6 und 7, die etwas heller sefärbt ist, und eine innere $, welche etwas dunkler erscheint. Erstere geht, wie oben erwähnt, in die innerste Schicht der über- liegenden Kammerwand über, letztere in den übrigen geschichteten Theil dieser. Dementsprechend ist die innere Schicht ($) dieker als die äußere («). An der Pfeilerbasis bemerkt man, dass die äußere Schicht («) und die innere (%) sich zuschärfen (Fig. 6 und 7 d), mit einer scharfen. Kante (a) in die unterliegende Kalkwand einsenken. BürscHLı wies in seinem Protozoenwerk schon darauf hin, dass die Pfeiler an ihrem unteren Ende ein verhältnismäßig großes Loch (2, Fig. 6) besitzen. Ich habe mich überzeugt, dass sich dies bei den verschiedensten Pfeilern nachweisen lässt. In Fig. 75 sind zwei benachbarte Pfeiler p, und », aufgezeichnet, welche so angeschliffen sind, dass sie den von der Kammer X in die Pfeilerhöhle führen- den Kanal %p erkennen lassen. Der eine dieser Kanäle (Pfeiler p,) steigt verhältnismäßig steil gegen die Pfeilerhöhle empor, der andere (Pfeiler »,) läuft mehr horizontal und etwas gekrümmt und besitzt an seiner Einmündung in die Höhle eine birnförmige Anschwellung. Die Biegung dieses Kanals wird hier bedingt durch die basale Zu- schärfung der Pfeiler vand. Fig. 8 zeigt ein Stück eines Längsschliffs, der einige periphere Kammern tangential getroffen hat. Man sieht zwei über einander liegende Kammerwände, von denen die untere heller, die obere dunkler gezeichnet ist. Die Kammerwände sind von der Fläche zu sehen, die Pfeiler zum Theil quer getroffen. Man bemerkt, dass die Pfeiler aus den beiden Schichten bestehen, die eine Höhle umschließen. Die Querschnitte der Pfeiler sind elliptisch bis kreisförmig. Weiter lässt sich bestätigen, dass die Pfeiler » nicht porös sind. Auch das 308 Friedrich Merkel, basale Pfeilerloch tritt an Pfeilern auf, die an der Basis getroffen sind. Einer dieser mit dem basalen Loch 7 veranschaulicht, wie die äußere und innere Kalkschicht nach der Pfeilerhöhle einbiegen, was den Kanal / hervorruft. Es erübrigt noch, den häufigen äußeren Verschluss der Pfeiler- höhle durch eine eigens dazu entwickelte Kalkplatte op, Fig. 6 und S, zu besprechen. Schon Mösıus erwähnt das Vorhandensein dieser Einrichtung und bezeichnet die zum Abschluss dienende Platte als Siebplatte, weil sie von feinen Poren durchsetzt ist. Nicht alle Pfeiler sind durch eine solche Siebplatte abgeschlossen; es finden sich viele, die nichts davon zeigen. Der Längsschliff Fig. 6 zeigt 7. B. zwei Pfeiler (p,, 22), welche eine Verschlussplatte (op) besitzen. Diese letztere überdeckt den gesammten äußeren Eingang der Pfeiler- höhle. Sie wird von mehr oder weniger zahlreichen Poren durch- setzt, welche mit denen der Kammerwände übereinstimmen. Bei der allsemeinen Beschreibung der Polytrema wurde auf das Vorhanden- sein von gröberen, nur spärlich vorhandenen Poren von elliptischer Form auf der Oberfläche der Schale aufmerksam gemacht, die sich außer durch ihre Größe und Zahl von den anderen feineren Poren noch dadurch unterscheiden, dass sie stets doppelt kontourirt er- scheinen (Fig. 2 po). In der Tiefe dieser größeren Poren waren als- dann noch feinere zu beobachten. Die Bedeutung dieser Verhältnisse wird jetzt klar. Die doppelt kontourirten großen Poren entsprechen offenbar den Stellen der äußersten Kammerwand, an denen die Pfei- ler der zuletzt entstandenen Kammer nach außen münden. Die feineren Poren in der Tiefe der gröberen sind dann diejenigen der Verschluss- oder Siebplatte dieser Pfeiler. Sie erscheinen von oben gesehen als kreisförmige kleine Löcher (Fig. 8 auf der Verschluss- platte op). Die Verschlussplatte op der Fig. 8 gehört einem Pfeiler an, der nach abwärts steigt und eine weitere interessante Beobachtung machen lässt. Der Pfeiler ist nämlich hier durch die Siebplatte nicht völlig gegen die überliegende Kammer abgeschlossen, da die Platte brückenartig erscheint und zwei seitliche ansehnliche Ver- bindungsstellen offen lässt. Das Studium der Pfeiler auf Schnitten ist keineswegs so einfach wie das auf Schliffen. Hier können nur die protoplasmatischen Ausfüllungen der Pfeilerhöhlen beobachtet werden. Besonders eignen sich Längsschnitte für diese Untersuchungen. Eine Partie eines sol- chen, welche die Pfeilerverhältnisse deutlich zeigt, ist auf Fig. 10 abgebildet. Die weißen Stellen innerhalb der Plasmabänder waren Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 309 früher die jetzt aufgelösten Kalkwände, von denen nur noch die Schalenhäutehen der Porenkanäle restiren. Mehrere Pfeiler (P, P,) treten deutlich hervor. Es sind offene, so dass die plasmatischen Ausfüllungen ihrer Hohlräume mit dem Inhalt der überliegenden Kammer X direkt zusammenhängen. Man beobachtet ferner, dass eine ziemlich ansehnliche Plasmabrücke A» an der Basis des Pfei- lers ? den plasmatischen Inhalt mit dem ihn umgebenden Proto- plasma der Kammer, welche er durchsetzt, in Verbindung bringt. Diese Plasmabrücken, d. h. die plasmatische Erfüllung der basalen Pfeilerlöcher sind in so klarer Weise nicht überall anzutreffen, in der Regel sind sie erst durch Vergleichung mehrerer auf einander folgender Schnitte einer Serie zu ermitteln. Diese Schnitte zeigen auch klar, wie sich die Pfeiler zu den überliegenden und unterliegen- den Kammern verhalten. — Wie bereits oben erwähnt, stehen die plasmatischen Erfüllungen der Pfeilerhöhlen mit dem Protoplasma der überliegenden Kammer meist in direktem Zusammenhang. Durch Porenkanäle (»%), die sich zum Theil vollständig auf Schnitten (Fig. 10) erkennen lassen, wird das Pfeilerinnere mit der unterliegenden Kam- mer in Verbindung gebracht. Etwas schwieriger sind die Pfeilerverhältnisse auf Querschnitten zu verfolgen, weil die schief zur Stammachse geneigten Kammern nicht quer geschnitten werden und daher auch die Pfeiler fast stets in Schiefschnitten vorliegen. Man ist darauf angewiesen, ent- sprechende Stellen auf einander folgender Schnitte zu verfolgen. In Fig. 14a—c sind drei sich entsprechende Partien auf einander folgen- der Querschnitte abgebildet und die entsprechenden Stellen durch gleiche Zahlen angedeutet. Wenn man die drei Querschnitte ver- gleicht, so fallen sofort die eigenthümlichen inneren Lücken A in der Protoplasmaerfüllung der Kammern auf, die in ihrem Centrum ein kleines Protoplasmaklümpchen (?) erkennen lassen. Diese Lücken entsprechen offenbar den Pfeilern. Sie präsentiren sich auf Schnit- ten als solche eigenthümliche Lücken, weil die Kalkwände der Pfeiler aufgelöst sind. Die Protoplasmaklümpchen im Centrum der Hohl- räume sind die plasmatischen Erfüllungen der Pfeilerhöhlen. Verfolgt man die Pfeiler 7, 2 und 3 auf Fig. 14a, so findet man ihre verschieden geformten in den Lücken gelegenen Protoplasma- klümpehen im Innern der protoplasmatischen Substanz der Kammer 7. Auf Fig. 145 finden sie sich schon außerhalb der Kammer 7 in halb- kreisförmigen Buchten der letzteren, auf Fig. 14c endlich sind sie bereits mit der aufliegenden Kammer Ä in Zusammenhang getreten. 310. Friedrich Merkel, Diese Verhältnisse wiederholen sich an allen eingetragenen Pfeilern der drei Querschnitte. Sie sind leicht zu verfolgen, da die ent- sprechenden Stellen in den auf einander folgenden Schnitten — sie sind mit dem Zeichenapparat aufgezeichnet — immer mit den gleichen Zahlen angedeutet sind. Außer den Pfeilern existiren auch noch andere Stellen in den Kammerwänden, an welchen eine Verbindung benachbarter Kammern bewirkt wird. Ein Blick auf den tangentialen Längsschliff Fig. 8 lehrt, dass größere Öffnungen (7%) in der Kammerwand vorkommen, die in keiner Beziehung zu den Pfeilern stehen und eine direkte Verbindung der Kammerräume unter einander herstellen. Die Form dieser Öft- nungen ist sehr mannigfaltig, bald regelmäßiger, kreisrund, bald mehr in die Länge gezogen, unregelmäßiger. Besonders auf, Schnitten lassen sich Verbindungen der Kammern ‚unter einander leicht nachweisen (Fig. 3 » und 20 v). Hier sind es kräftige Plasmaverbindungen, die ganz direkt den Inhalt zweier Kammern mit einander verbinden. Die Porenkanäle. Früher wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Kalkwände der Kammern von feinen Poren durchsetzt werden und dass diese nur den Pfeilerwänden fehlen. Sie lassen sich schon auf der Ober- fläche der Schale bei Betrachtung unter der Lupe beobachten und treten noch deutlicher auf den Schliffen und an den Ästchen hervor. Sie stehen in mehr oder weniger gleichen Abständen von ca. 0,01 mm von einander. Ihr Durchmesser ist‘ verschieden und beträgt ca. 0,003 - bis 0,009 mm; selten trifft man Poren von 0,012 mm. Die Poren- kanäle durchsetzen die Kammerwände nicht immer senkrecht, sondern weichen namentlich in der Nähe der Pfeiler von der senkrechten Richtung ab. Sie nehmen hier eine geneigte Stellung gegen einander ein (Fig. 7a), der Art, dass die Porenkanäle der Kalkwand an der Stelle, an der sich diese zum Pfeiler einsenkt, sich strahlig gegen einander neigen, so dass in der Flächenansicht auf die Pfeilermün- dung eine strahlige Figur hervortritt (Fig. 8). Bisweilen kommt es vor, dass in Folge der verschiedenen Neigung zwei Porenkanäle zusammentreffen, um gemeinsam nach außen zu münden (Fig. 6 p%,). Hier und da vereinigen sich auch bis zu vier Poren (Fig. 6 pA,) vor ihrer Ausmündung in die überliegende Kammer. Die Schichtung der Kammerwände spricht sich auch an den Porenkanälen aus und bedingt, dass sie deutlich gegliedert sind. Es Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 311 finden sich an der Grenze der einzelnen Schichten jeweils kleine Erweiterungen der Porenkanäle (Fig. 7a). M. ScHULTZE erwähnt die Gliederung der Porenkanäle schon und hat sie auf einem Schliff ge- zeichnet, allerdings nicht ganz der Natur entsprechend. Nur auf sanz dünnen Schliffen lassen sich diese Verhältnisse gut erkennen; viel besser kann man die eigenartigen Erweiterungen der Poren- kanäle jedoch auf Schnitten beobachten. Man sieht dort wie sie (Fig. 11) von der das Kammerprotoplasma begrenzenden zarten Schalenhaut eine kurze Strecke eylindrisch in die Höhe steigen, sich dann trichterartig erweitern (£, Fig. 11), dann wieder eine Ver- engerung erfahren und dass diese Erweiterungen und Verengungen in unregelmäßigen Abständen sich wiederholen. Wie Schliffe zeigen, liegen die Erweiterungen jeweils an den Schichtgrenzen der Kammer- wände. Mit DELAF. Hämatoxylin gefärbte Längsschnitte zeigen die Bau- verhältnisse der Porenkanäle sehr prägnant. Die die Porenkanäle auskleidenden zarten Häutchen sind besonders stark gefärbt und lassen einiges Weitere erkennen. Zunächst kann man sich über- zeugen, dass die Poren nicht an allen Stellen gleich weit sind, dass sie an der Basis und an ihrem Ende einen geringeren Durchmesser haben als in ihrer Mitte (Fig. 11). Ihre Form ist eine cylindrische, die der Erweiterungen eine linsenförmige. Die Abstände zwischen den einzelnen Erweiterungen sind sehr verschieden. Es ist daher offenbar auch die Dicke der Kalkschichten verschieden. Bei Beobachtung der Kanäle solcher Präparate mit Ölimmersion 1/12 (SEIBERT) bemerkt man, wie zwischen den Porenkanälen ein Netz feinster Fäden (f, Fig. 11) ausgespannt ist, die besonders deut- lich an der Basis der Kanäle hervortreten. Diese Fäden bestehen wahrscheinlich aus organischer Substanz. Bei genauerer Musterung erscheinen sie feingekörnelt. In Folge ihrer Feinheit kann man sie leicht übersehen, namentlich die ganz feinen, welche kaum eine Spur von Färbung mehr aufweisen. Man bemerkt auch, dass diese feinen Fädehen hauptsächlich an den linsenartigen Erweiterungen der Porenkanälchen entspringen, dass zwischen je zwei entsprechen- den derartigen Erweiterungen zweier neben einander liegender Poren- kanäle an einigen Stellen eine direkte Verbindung durch ein der- artiges feines Fädchen besteht. Man wird wohl nicht irren, wenn man diese charakteristischen Gebilde als Reste organischer Substanz betrachtet, die bei der Auflösung der Kalkwände zurückbleiben. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 31 12% Bu Friedrich Merkel, Bau der Astchen. Bei der Beschreibung der allgemeinen Form von Polytrema wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Stamm an seinem obe- ren Ende eine mehr oder weniger reiche Verzweigung erfährt. Diese Verzweigungen werden als Ästchen (ae, Fig. 1 und 2) bezeichnet. Die Form der letzteren ist im Allgemeinen eine cylindrische. Eigenthümlich ist der Übergang des Stammes in die Ästchen. Zum Verständnis dieser. Verhältnisse muss auf die Ausbildung des Stammes nochmals zurückgegriffen werden. MöBIus giebt an, dass im Centrum der Stämme und Äste centrale Kammern enthalten seien, um welche sich die anderen kreisförmig oder spiralig herumlagern. Für die Stämme lassen sich nun thatsächlich solche Verhältnisse nachweisen, für die Äste dagegen fand ich die Ansicht nicht bestätigt. Eine centrale oder axiale Kammer des Stammes steigt in vertikaler Richtung in die Höhe. Auf Schliffen, besonders auf Querschliffen, tritt sie ziemlich scharf gegen die anderen sie umgebenden Kammern hervor (z, Fig. 9 und 15a). Was sie besonders auszeichnet ist das eigenartige Auftreten von Pfeilern (p), welche in den Hohlraum die- ser Kammer vorspringen und unter einander in direkte Verbindung treten, ein förmliches Geflecht im Innern der Kammer bilden, wel- ches durchsetzt wird von einer größeren oder kleineren Anzahl mehr oder weniger runder Löcher. Die Pfeiler stützen sich so gegen einander und erzeugen ganz charakteristische Verbindungen mit ein- ander. Diese merkwürdig entwickelte Kammer z braucht nicht genau im Centrum des Stammes zu liegen, sie findet sich sogar gewöhnlich etwas excentrisch, wie es die Figg. 9 und 15 zeigen. Die merkwürdige Erscheinung des Zusammentretens der Pfeiler und ihrer eigenartigen Verschmelzung findet sich nun nicht nur in dieser Axialkammer des Stammes, sondern setzt sich in die Ästchen fort. Dabei zeigt es sich in den Ästchen, dass die Pfeiler allmählich ihre eylin- drische Form verlieren und immer mehr und mehr zusammengedrückt erscheinen, dabei ihren Hohlraum verlieren, wobei sie an Flächenaus- dehnung gewinnen, so dass sie schließlich zu breiten, dünnen Kalk- platten werden, die keine Ähnlichkeit mit den Pfeilern des Stammes mehr zeigen. Ich bezeichne diese Kalkplatten der Äste, die aus Pfei- lern hervorgegangen sind, als Scheidewände (s, Fig. 155, 17 a—e, 18). Die erwähnte Verschmelzung der Pfeiler (2) an ihrem inneren Ende zeigt auch Fig. 13. Diese Figur stellt ein Ästchen dar, welches zum Theil längs angeschliffen ist. Der Theil, mit dem es an dem Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 313 Stamme angewachsen war (da), zeigt nur die äußere Schalenwand und einige quer getroffene Pfeiler. Der quergetrofiene (etwas nach abwärts gebogene) Theil dagegen lässt noch deutlich poröse Kammer- wände erkennen, welche sich in das Ästchen hinein fortgesetzt haben. Drei Kammern (/, 2, 3) sind angeschliffen. Die Figur veranschau- lieht, dass die Kammerbildung sich offenbar in die Äste hinein fort- setzt, dass sie aber bald aufhört. Während die Wände der Kammer 1 noch vollständig ausgebildet sind, sieht man wie die der Kammer 2 und 3 gemeinsam angehörigen in die Pfeiler übergehen, welch letz- tere zusammentreten und die eigenartige Verschmelzung eingehen. Dieselbe Erscheinung zeigt auch der Schliff Fig. 15, der den Stamm quer getroffen, das Ästchen aber, das ziemlich horizontal vom Stamme abging, längs geschliffen hat. Die Perforation der Kammerwandungen geht an den Stellen, wo sie in die Pfeiler übergehen, verloren. Gleichzeitig möge noch darauf hingewiesen werden, dass man auch an einem in Nelkenöl aufgehellten Totalpräparat (Fig. 2) den Übertritt der Kammerwände in die Basis des Ästchens II gut beob- achten kann. Es erscheinen diese Kammerwände in Folge der ge- ringen Durchsichtigkeit des Präparates als eine Art Balkenwerk (54), das immer verschwommener wird, je weiter man gegen die Basis des Stammes fortschreitet. Der weitere Aufbau der Ästchen lässt sich am besten an ab- gebrochenen Ästen studiren, die man in Kanadabalsam ‘derart auf- stellt, dass das Objekt gedreht werden kann. Ohne Weiteres wird man sich von der ceylindrischen Form dieser Gebilde überzeugen können. Man wird ferner erkennen, dass jedes einzelne Ästchen (Fig. 2 und 17 a—c) aus meist drei bis vier gliederartigen Abschnitten besteht. Diese Glieder lassen sich recht deutlich unterscheiden, da der ‚distale Rand der einzelnen nach außen etwas umgebogen ist, so dass es den Eindruck macht, als bestehe die Schale an diesen Stellen aus zwei dieken Schichten (Fig. 17a bei 7 und 15). Das letzte Glied (Fig. 2 Glied 2 des Ästehens I/) trägt sehr gut wahrnehmbare größere Öffnungen (0) am Ende. Auch hier tritt der scharf kontourirte Rand auf. Ich kann daher nicht die Ansicht von M. ScHuLtze theilen, der die Öffnungen am Ende der Ästchen durch Abbrechen der Spitzen entstanden dachte. Wäre Letzteres der Fall, so könnte der Rand keine so regelmäßige und scharfe Begrenzung zeigen und wäre nicht so charakteristisch nach außen umgebogen. Er müsste scharfe; 2: 314. Friedrich Merkel, zackige, unregelmäßige Begrenzungen zeigen. Einige Öffnungen am Ende der Ästchen sind sodann in Fig. 16a —d dargestellt. Im ein- fachsten Falle sieht man eine große Öffnung (Fig. 16 a). Das ist aber selten, in der Regel beobachtet man am Ende der Zweige mehrere, die bisweilen merkwürdig gestaltet sein können. Fig. 165 und _ zeigen beispielsweise zwei Öffnungen, und Fig. 16d bietet drei Öff- nungen o dar. Bisweilen ragen aus der Tiefe der Öffnungen eigen- thümliche Balken hervor, die wohl als Auszweigungen der Scheide- wände (s) anzusehen sind (Fig. 16 c). Größere Öffnungen lassen sich sodann noch an der Grenze zweier Glieder (Fig. 2 oe) und an anderen Stellen der Schalenwand des Äst- chens (Fig. 17a, lo und Stelle 70) beobachten. Im Inneren jedes Gliedes eines Ästchens beobachtet man eine eigenthümliche Scheidewand (s), die, wie früher gezeigt, durch Um- bildung der Pfeiler entstanden zu denken ist (Fig. 17a—c). Insbe- sondere ist das jüngste Glied al die Verhältnisse dieser Scheide- wand zu studiren. Die Scheidewand 2 des obersten Gliedes des Ästchens Fig. 17a ist sehr stark gekrümmt und ragt ziemlich weit über den Rand des Gliedes heraus. Sie hat eine löffelförmige Gestalt. Nach unten ver- schmälert sich dieser Löffel. Auf der Figur erscheint der Löffel so, dass man die konvexe Fläche desselben sieht. Gleichzeitig bemerkt man, wie die Mündungsränder (3 und 7) des obersten Gliedes nach oben steigen und sich mit der Scheidewand vereinigen. Fig. 175 zeigt dasselbe Ästehen um 90° gedreht. Man erblickt jetzt nicht mehr die konvexe Seite der löffelartigen Scheidewand 2, sondern sieht jetzt den Löffel von der Seite. Gleichzeitig beobachtet man, dass die Scheidewand nach unten zu an Breite zunimmt. Zwei sroße Öffnungen (ls) lassen sich in derselben wahrnehmen, die auf Fig. 17a nicht zu sehen waren. Fig. 17c zeigt das Ästchen volle 180° gegen Fig. 17a gedreht. Man hat jetzt die konkave Seite der Scheidewand vor sich, schaut in den Löffel hinein und beobachtet, wie die Scheidewandhöhlung nach unten sich rinnenartig ausgestaltet. Außerdem kann man wahr- nehmen, wie die Schalenwand mit der Scheidewand in Verbindung tritt, indem die erstere nach oben steigt und dann wieder umbiegt, um dann der Scheidewand Gelegenheit zum Ansetzen zu geben. Sehr gut lässt diese letztere Darstellung auch eine der beiden Öffnungen (0) am Ende des Ästchens beobachten. Durch die Scheidewand ist das oberste Glied in drei Räume Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 315 getheilt, welche durch Löcher (Zs) in der Scheidewand in direkter Verbindung stehen. Die Entstehung von drei Räumen ist aber nur möglich, wenn die Scheidewand gekrümmt ist, was auch thatsächlich der Fall ist. So zeigt Fig. 17c einen mittleren Hohlraum, der durch die löffelartig ausgehöhlte Scheidewand 2 und die Schalenwand be- srenzt ist und zwei seitliche Räume o, und 03, von welchen auf der Figur nur der eine (o,) deutlich hervortritt. Die Scheidewand s, des Gliedes 2 steigt ebenfalls über den Rand des Gliedes empor, der Scheidewand (s,) des Gliedes / entgegen, geht aber mit dieser keine Verbindung ein. Im Allgemeinen hat sie einen schrägen Verlauf, steigt ziemlich tief nach’unten und biegt dann scharf um, um (Fig. 17 b) sich an die gegenüberliegende Stelle an der Schalenwand anzusetzen. Sehr scharf ist der Rand // (Fig. 17a) dieses Gliedes ausgeprägt. Löcher (ls) lassen sich auch in dieser Scheidewand bemerken. Der Verlauf der Scheidewände im Inneren der Glieder ist in den einzelnen Ästen immer ungefähr derselbe. Die Scheidewände können allerdings sehr nahe zusammentreten, so dass es den Anschein er- weckt, als bildeten sie eine Röhre im Inneren. Dreht man aber das Ästchen nur ein wenig, so sieht man, dass diese Vorstellung irrig ist, dass die Scheidewände gar keine Verbindungen mit einander ein- gehen. Ein solches Ästchen ist in Fig. 18 dargestellt. Die Scheide- wände im Inneren schienen bei einer Lage des Ästchens wirklich eine Röhre zu bilden, zeigten aber, sobald man es in die Lage brachte, in der es dargestellt ist, dass von einer Röhre im Inneren, gebildet durch Scheidewände, nicht die Rede sein konnte, indem jede einzelne sich von der anderen deutlich gesondert erwies. Zum Schluss möchte ich noch kurz das Verhältnis der Kammern des Stammes zu den Ästen beleuchten. Wenn man etwas im Ästchen als Kammer auffassen will, so muss man das ganze Ästchen, wenig- stens in seinem distalen Theil, als einzige Kammer bezeichnen, da die Räume im Inneren der Ästchen absolut nichts Abgeschlossenes sind und von Kammerwänden im Sinne der des Stammes nicht be- grenzt werden. Struktur der Schale. Wenn man die Schalenwand zertrümmert und ganz feine, dünne Splitter mit sehr starken Vergrößerungen untersucht, so erkennt man eine eigenartige Struktur (Fig. 19). Zunächst sieht man die Porenkanäle (p%) und von diesen ausgehend eine radiäre Anordnung der Kalkmasse. Dann erblickt man eine ausgesprochen netzförmige 316 Friedrich Merkel, oder wabige Struktur der Schalensubstanz. Die Knotenpunkte_des Netzes erscheinen dunkel, dazwischen liegen hellere Räume. Protoplasma. Auf Längsschnitten, welche von Material herstammen, das mit FrLemming’scher Flüssigkeit konservirt wurde, lässt sich beobachten, dass der protoplasmatische Kammerinhalt sehr dicht erfüllt ist mit schwarzen, kugeligen Körnchen, die man offenbar als Fetttropfen aufzufassen hat, welche durch die Osmiumsäure geschwärzt wurden. Diese schwarzen Fettgebilde sind sehr zahlreich in den die Anfangs- kammern umgebenden Kammern vorhanden und werden spärlicher in den peripherischen Kammern. Nahrungskörper, namentlich Diatomeen sind in ungeheurer An- zahl im Protoplasma vorhanden (D, Fig. 21), außerdem eine Menge von Einschlüssen, die auf den ersten Blick das Aussehen von Kernen haben und auf Thioninpräparaten durch ihre intensiv blaue Farbe auffallen. Es mögen auch in der That Kerne oder Kernsubstanzen sein, aber solche, die der beschriebenen Form nicht eigen sind, son- dern von Nahrungskörpern herrühren, die das Thier aufgenommen hat. Eine Menge Kieselnadeln von Spongien (%s) finden sich eben- falls im Protoplasma vor. M. ScauLtze glaubte annehmen zu müs- sen, dass sie von einem parasitischen Schwamme herrühren (1863, p- 92). Die Kammern der Peripherie (Fig. 21) sind es vor Allem, welche dicht mit Nahrungskörpern vollgepfropft sind; in den centralen Kam- mern dagegen findet sich fast keine Spur mehr davon. Sehr instruk- tiv ist ein solches Thioninpräparat, indem sich die Inhaltskörper ganz verschieden gefärbt zeigen (Fig. 21). Die schwarzen Körnchen sind offenbar als Fetttropfen anzusehen; die intensiv blauen möglicher- weise als Zellkernsubstanz von Nahrungskörpern (sie lassen bisweilen eine gewisse Struktur erkennen); die grünen Einschlüsse sind als Nahrungskörper zu deuten; außerdem existiren noch eine Menge bräunlicher Körperchen, die vielleicht als Nahrungskörper aufgefasst werden können, bei welchen die Verdauung bereits sehr weit ge- sangen ist. Merkwürdig erscheint auch, dass sogar die Diatomeen (D) im Inneren die schwarzen Körnchen zeigen, die man daher auch wohl als Fetttröpfehen deuten muss. Im Sublimat oder Alkohol konservirtes Material lässt auf Schnit- ten eine ganz schwach gelbliche Färbung des Protoplasmas erkennen. In einem mit Thionin gefärbten Präparat lässt sich beobachten, Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 317 dass das Protoplasma der inneren Kammern einen mehr vacuolären Bau hat, das der äußeren dagegen mehr körniger Natur ist und deut- lich wabige Struktur zeigt. Diese Verhältnisse sind aber nur mit ganz starken Vergrößerungen, mit Ölimmersion 1/12 oder Apochro- mat 2 mm, wahrnehmbar. Bei scharfer Einstellung werden in dem wabigen Protoplasma (Fig. 22) Körnehen wahrnehmbar, die ebenfalls eine feinere wabige Struktur sehen lassen. Kernverhältnisse. Die Auffindung des Zellkerns war mit Schwierigkeiten verbun- den, da, wie schon bemerkt, eine Menge kernähnlicher Gebilde im Protoplasma sich vorfinden, die mit den Kernen der Polytrema nichts zu thun haben. Erst durch eine Thioninfärbung und dann durch Boraxkarminfärbungen wurde der eigentliche Kern aufgefunden. Auf der Querschnittserie einer megalosphärischen Form, die mit Thionin gefärbt war, fand ich ihn (Fig. 24) in der Embryonalkammer. Er zeigte eine violette Farbe im Gegensatz zum Protoplasma, welches blau gefärbt erschien. Ich konnte den Kern sodann bei drei megalo- sphärischen Formen durch Färbung mit GRENACHER’schem Borax- karmin nachweisen. Immer kam er in der Einzahl vor und zeichnete sich durch intensiv rothe Färbung aus. Die früher beschriebene mikrosphärische Form mit den spiraligen Anfangskammern dagegen ließ ganz deutlich vier Kerne (Fig. 3 z) wahrnehmen, von denen je einer in der V., VIII., IX. und X. Kammer lag. So scheinen für die mikrosphärische Form mehrere Kerne charak- teristisch, für die megalosphärische ein einziger. Dieselben Verhält- nisse hat Lister bei Polystomella und ScHAUDINN für eine Reihe anderer dimorpher Rhizopoden nachgewiesen, wodurch dies auch für Polytrema wahrscheinlich wird. Was die Lage des Kerns (x) der megalosphärischen Form be- trifft, so konnte ich in einem Falle (Fig. 4) mit Sicherheit die Em- bryonalkammer als diejenige bezeichnen, in der er lag. In anderen Schnittserien schien er in einer der Embryonalkammer benachbarten zu liegen. Es wäre möglich, dass er aus einer Kammer in die an- dere übertreten kann, wenigstens ist diese Thatsache für Polystomella ebenfalls von Lister erkannt worden. Bisweilen kommt es vor, dass sich der Kern nicht bloß auf eine Kammer beschränkt, sondern dass er sich sogar in die beiden benachbarten Kammern (Fig. 4 Kund X,) noch hineinerstreckt. Die Verbindung der Embryonalkammer mit diesen beiden Kammern X und X, ist auf der Figur nicht eingetragen, 18 Friedrich Merkel, doch legt sich die Kammer X an einer Stelle der Sehnittserie so hart an die Embryonalkammer, dass dort die Verbindung beider anzu- nehmen ist, durch welch letztere auch der Kern in die benachbarte Kammer übertreten kann. Erwähnenswerth erscheint ferner die Thatsache, dass sich die beiden Kammern X und X, der Fig. 4 noch dadurch auszeichnen, dass ihr Protoplasma stark durch Boraxkarmin mitgefärbt ist, während das der übrigen Kammern bei der Färbung fast keine Spur von Roth er- kennen lässt. Der einfache Kern (») der megalosphärischen Form erreicht eine bedeutende Größe (Fig. 23 und 24). Er besitzt eine mehr oder weniger kugelige Gestalt und besteht aus drei kugeligen Zonen, die kon- centrisch in einander liegen. Die drei Theile sind ziemlich scharf von einander abgesetzt. Im Centrum des Kerns erkennt man auf dem Schnitt Fig. 23 eine schwach oder kaum gefärbte Partie, welche auf Thioninpräparaten (Fig. 24) kleine, kugelige, stark violett gefärbte Körperchen enthält (n,). — Diese centrale Schicht wird umgeben von einer intensiv gefärbten (chr.. Da sie sich mit den angewendeten Farbstoffen so stark färbt, so muss sie wohl hauptsächlich aus sog. Chromatin bestehen. Auf dem Schnitt Fig. 23, der mit Boraxkarmin sefärbt wurde, erscheint dieser Binnenkörper bandartig verschlungen. Er lässt eine feinwabige Struktur deutlich wahrnehmen. — Umgeben wird dieser Binnenkörper von einer schwächer gefärbten äußeren Partie (%s). Diese enthält bisweilen vacuoläre Räume (Fig. 23 ve). Nach außen ist sie etwas unregelmäßig begrenzt. Sie hebt sich aber von dem sie umgebenden Protöplasma immer ziemlich scharf ab, ob- gleich ich eine Kernmembran nicht sicher nachzuweisen vermochte. Die Kerne der mikrosphärischen Form (Fig. 3) zeigen im Wesent- lichen dieselben Bauverhältnisse wie die der makrosphärischen. Parasitische Fäden in der Schalensubstanz. Die mit Hämatoxylin gefärbten Schnitte zeigen sehr gut das häufige Vorkommen eines eigenthümlichen parasitischen Organismus in den Schalenwänden. Bei Betrachtung einzelner Stellen mit mäßig starker Vergrößerung wird man auf ein Gewirr von ungegliederten Fäden aufmerksam (d, Fig. 5). Untersucht man eine möglichst geeignete Stelle, wo nur einzelne Fäden liegen, so erkennt man, dass eine Menge feiner Fäden (Fig. 12 b) sich vorfindet, die ursprünglich in der aufgelösten Kalkschale gelegen haben müssen. Bei Beobachtung mit dem Apochromat 2 mm überzeugt man sich, dass die Fäden unver- Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 319 zweigt und ungegliedert sind. Sie erscheinen gelblich und heben sich von den violett gefärbten Porenkanälen sehr deutlich ab. Ich habe sie in etwas hellerer Farbe dargestellt. Die Fäden sind wohl bakterienartige Organismen, denen die Eigenschaft zukommt, die Kalkschale aufzulösen und in den erzeugten Hohlraum einzudringen. Kerne oder kernartige Gebilde wurden in ihnen nicht beobachtet. Heidelberg, im November 1899. Litteraturverzeichnis, 1870. G. J. ALLmAn, Note on Polytrema miniaceum. Ann. and Mag. of nat. Bis IV. Ser. Vol: V. p.312. 1880—81. O0. BürscHLı, Bronn’s Klassen und Ordnungen. I. Bd. Protozoen. Leipzig. p. 92 und 208. 1886. O. BürscaLı, Kleine Beiträge zur Kenntnis einiger Rhizopoden. Mit 2 Tafeln. Morphol. Jahrb. Bd. XI, 1. Heft. p. 78—101. 1873—76. H. Brapy, Report on the Scientific Results of the Exploring Voyage H. M. S. Challenger 1873—76. Report on the Foraminifera, London. p. 719— 1722. 1834. H. M. DE BLAINVILLE, Man. d’Actinologie ou de Zoophytologie. Paris. p- 410. 1862. W.B. CARPENTER, W.K. PARKER and F. R. JonEs, Introduction to the Study of the Foraminifera. London. Ray Society p. 235. 1876. H. J. CARTER, On the Polytremata (Foraminifera) especially with Refer- ence to their Mythical Hybrid Nature. (With 1 Plat.) in: Ann. and Mag. of nat. hist. Ser. IV. Vol. XVII. p. 185—214. 1841. M. F. Dusarpın, Hist. nat. des Zoophytes Infusoires. p. 259. 1791. E. J. CH. EspEr, Die Pflanzenthiere in Abbildungen nach der Natur. I. p- 225. Millep. Tab. XV. 1788. J. F. GmELIn, Linnaeus Carol., Systema naturae. Vol. VI. p. 3784. 1857. J. E. GRAY, On Carpenteria and Dujardinia, two Genera of a New Form of Protozoa with attached Multilocular Schells filled with Sponge, apparently intermediate between Rhizopoda and Porifera. Proc. Zool. Soc. London. p. 270. 1882. C. Fr. KRUKENBERG, Vergl.-physiolog. Studien. Heidelberg. II. Reihe. Abth. 1. p. 165. 1816. J. B. P. A. LAMARcK, Hist. nat. des animaux sans vertebres. Vol. I. p- 202. | 1895. J. J. LiSTER, Contributions to the Life-History of the Foraminifera. Proc. Roy. Soc. London. Vol. LVI. p. 155—160. 1897. J. J. Lister, A possible explanation of the quinqueloculine arrangement of the chambers in the young of the mierospherie forms of Triloeulina and Biloculina. Proc. Cambridge Phil. Soe. Vol. IX. p. 236— 240. 320 Friedrich Merkel, 1883. C. MEREJKOWSKY, Nouvelles recherches sur la Zoonerythrine et autres pigments animaux. Bulletin de la societe zool. ‚de France. T. VO. p. 81—97. 1880. K. MöBıus, Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mauritius und der Sey- . chellen. 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SCHLUMBERGER, Monographie des Miliolid&es du Golfe de Marseille. | Mem. Soc. Zool. de France. T. VI. p. 57—80. 1863. M. 8. Schutze, Über Polytrema miniaceum, eine Polythalamie. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. XXIX. p. 81—102. Taf. VII. Auszug in: Ver- handlungen des naturhist. Vereins der Rheinlande und Westfalens. Jahre. XIX. 1. Häliter p=12. Erklärung der Abbildungen, Bedeutung der öfters wiederkehrenden Buchstaben: a, Embryonalkammer; - ae, Ästchen; d, parasitische Fäden ;’ chr, Binnenkörper des Kerns; D, Diatomeenschalen; K, Kı, Ka, Kammern; kp, Kanäle, welche die Kammern mit dem Hohlraum der Pfeiler verbinden; Kp, Protoplasma dieser Kanäle; kw, Kammerwand; l, Loch an der Basis der Pfeiler; Ik, Loch in der Kammerwand; lo, Loch auf der Schalenoberfläche der Ästchen; !s, Lochin der Scheidewand der Ästchen; me, Membran aus organischer Substanz, die quer durch das Protoplasma der Kammern geht; n, Kern; N, Nahrungskörper; 0, Öffnungen. am Ende der Ästchen; oe, größere Öffnungen. an der Grenze zweier Glieder eines Ästchens; P, Pı, P2, P3; Pfeiler, P, Protoplasma im Hohlraum der Pfeiler; pk, Porenkanal; po, Poren auf der Oberfläche des Stam- mes; pr, Protoplasma; . 5, $1, 59, S3, Scheidewände der Ästchen ; sch, Schalenhäutchen; st, Stamm; v, Verbindungsröhren der Kammern; vp, Verschlussplatte der geschlossenen Pfeiler; 7, eentrale Kammer im Stamm. Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. 321 Tafel XVI. Fig. 1. Verzweigtes Exemplar mit Basis d, den Ästchen ae und den Een ma: Verer. 12. Fig. 2. Theil eines Polytremastammes mit Ästehen (drei aufwärtssteigende I, II und III und ein horizontal abstehendes ZV')), 1, 2, 3 die Glieder der Äst- ehen ZI und /7/I. Kammerwände bilden eine Art Balkenwerk 5A. Einschluss in Nelkenöl. Vergr. 24. Fig. 3. Partie eines basalen Querschnittes des entkalkten Polytremastam- mes, zusammengestellt aus sechs auf einander folgenden Schnitten einer Serie. Mikrosphärische Form. Nur die Schalenhäutchen (sc?), die innerhalb dieser liegen- den Protoplasmamassen und die Kerne sind dargestellt. Kammern a—m bilden eine deutliche Spirale. Peripherische Kammern koncentrisch angeordnet; stehen mit den spiralig angeordneten und unter einander in Verbindung. me, Membran aus organischer Substanz. Sublimateisessig, Thionin, 5P/yige Salpetersäure, Boraxkarmin. Vergr. 70. Fig. 4. Querschnitt der basalen centralen Partie des entkalkten Stammes einer megalosphärischen Form. Aus einer größeren Anzahl auf einander folgen- der Schnitte einer Serie zusammengestellt. Lagerung der Kammern von Anfang an koncentrisch. a, Embryonalkammer. Alkohol abs., Boraxkarmin. Vergr. 305. Fig. 5. Theil eines Längsschnittes eines entkalkten Stämmchens einer megalosphärischen Form. Schalenhäutchen und Protoplasma sind dargestellt. Exemplar mit breiter Basis, auf Seegras (se) aufgewachsen. D, bakterienartige Fäden. FrLemumin@'sche Flüssigkeit, Thionin. Vergr. 70. Fig. 6. Partie aus einem Längsschliff durch den Stamm. Vier Längsreihen ‚von Kammern sichtbar. %a, Kante der sich am unteren Ende zuschärfenden Pfeiler. pı und ps, zwei Pfeiler durch Verschlussplatte (vp) verschlossen. p3, rudi- mentärer Pfeiler; p%,, gemeinsame Ausmündung zweier Porenkanäle; p%a, solche von vier. ee der äußeren Schicht der offenen Pfeiler in die übergelagerte Kammerwandschicht an einigen Pfeilern klar. Einschluss in Kanadabalsam. Vergr. 70. Fig. Ta. Geschlossener Pfeiler, fast ganz massiv. Aus einem Längsschliff. Vergr. 305. Fig. 7b. Zwei offene Pfeiler, so angeschliffen, dass die aus der Kammer in den Hohlraum der Pfeiler führenden Kanäle (Ap) freigelegt sind. «, äußere Schicht; 8, innere Schicht der Pfeilerwand. Aus einem Längsschliff. Vergr. 305. Fig. 8. Stück eines Längsschliffes des Stammes. Zwei über - einander liegende Kammerwände von der Fläche gesehen, die untere heller, die obere dunkler angedeutet. Pfeiler zum Theil quer getroffen, etwa in der Mitte oder an der Basis. Die an der Basis angeschliffenen Pfeiler zeigen zum Theil den in das ‘ Innere führenden Kanal (l. Behandlung wie Fig. 6. Vergr. 150. Fig. 9. Querschliff eines Stämmchens dicht über der Basis, von einem seitlich an einem Korallenstück (AZ) aufgewachsenen Exemplar. Axiale Kammer des Stammes (2) excentrisch gelegen. Behandlung wie Fig. 6. Vergr. 45. Fig. 10. Stück eines entkalkten Längsschnittes. Kammern mit Protoplasma erfüllt. FLemming’sche Flüssigkeit, Alaunkärmin, Kanadabalsam. Vergr. 70. Fig. 11. Häutige Auskleidungen der Porenkanäle (pk) von einem Längs- schnitt durch ein entkalktes Stämmehen. Zwischen den Porenkanälen Fäden von wahrscheinlich organischer Natur (f). FLEMMInG’sche Flüssigkeit, Häma- toxylin, Kanadabalsam. Vergr. 580. 3932 Friedrich Merkel, Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema ete. Fig. 12. Porenkanäle (pk) aus einem Längsschnitt durch ein entkalktes Stämmehen. Zwischen ihnen unverzweigte und ungegliederte bakterienartige Fäden (d) in hellerer Farbe angedeutet. FLEemmiıng’sche Flüssigkeit. Hämatoxy- lin. Vergrößerung 1500. Fig.,13. Ein Astchen, längsgeschliffen. 1, 2, 3, Kammern. Basaler Theil (ba) des Astchens so abgeschliffen, dass nur die unten liegende Wandung noch übrig. Zeigt, wie die Kammerbildung aufhört und die merkwürdige Verschmel- zung der Pfeiler zu Stande kommt. Endtheil des Astchens nach abwärts ge- bogen. Behandlung wie Fig. 6. Vergr. 45. Tafel XVII. Fig. 14a, b, ce. Drei entsprechende Stellen dreier auf einander folgender Schnitte einer Querschnittserie. Schalenhäutehen und Protoplasma. Hohlräume, die durch Auflösung der Kalksubstanz der Pfeiler entstanden sind. Die einan- der entsprechenden Stellen der drei Schnitte a, 5, ce sind mit gleichen Zahlen be- zeichnet. Sublimateisessig, Thionin. Vergr. 70. Fig. 15a, d. Stämmcehen mit einem horizontal davon abgehenden Ast; so angeschliffen, dass das Stämmchen (st) quer, der Ast ae längs getroffen ist. Fig. 5 die Fortsetzung von a. Ubergang der Kammern des Stammes in den Hohlraum des Astchens, an dessen Basis und Umbildung der Pfeiler zu Scheidewänden am Ende des Astchens. Behandlung wie Fig. 6. Vergr. 30. Fig. 16a, 5, c, d. Darstellung einiger Öffnungen am Ende der Ästchen; a zeigt eine, b zwei, ce eine mit aus dem Inneren hervortretender Scheidewand s, d drei deutliche Offnungen; bei d in der Tiefe eine undeutliche Scheidewand s. Vergr. 100. Fig. 17a, 5b, c. Ein Astchen in drei verschiedenen Ansichten. 5 gegen a um 90° gedreht; ce gegen 5 in der gleichen Richtung wie vorher um 90° gedreht. Die entsprechenden Stellen sind mit gleichen Zahlen bezeichnet. Einschluss in Kanadabalsam. Vergr. 150. Fig. 18. Ästchen eines reich verzweigten Exemplars mit breiter Basis. Fünf Öffnungen o am Ende der Ästchen. sp Schwammspicula. Einschluss in Kanada- balsam. Vergr. 45. Fig. 19. Splitter der Schalenwand bei sehr starker Vergrößerung. Ein- schluss in Wasser. Vergr. 1160. Fig. 20. Querschnitt der Basis des Stammes einer mikrosphärischen Form. Protoplasma und Schalenhäutchen. as Ausbuchtungen und e Einbuchtungen der Kammern X. Behandlung wie Fig. 3. Vergr. 68. Fig. 21. Partie des Protoplasmas einer entkalkten, peripherischen Kammer eines Stämmehens. Aus einem Querschnitt. As, Kieselnadeln; D, Diatomeen- schalen; verdaute Nahrungskörper braun angedeutet und weniger verdaute mit srünlicher Farbe bezeichnet, in Menge vorhanden. Hantelförmiger Körper, mit blauer Farbe bezeichnet, vielleicht Kernfragmente eines aufgenommenen Organis- mus. Alkohol abs., Thionin, Kanadabalsam. Vergr. 580. Fig. 22. Stückchen einer Protoplasmapartie einer axial gelegenen Kammer. Alkohol abs., Thionin, Kanadabalsam. Vergr. 2250. Fig. 23. Anfangskammer mit Kern einer megalosphärischen Form. n,, wenig gefärbter centraler Theil des Kerns; chr, Binnenkörper; ns, äußere Schicht des Kerns; ve, Vacuolen. Sublimat, Boraxkarmin, Kanadabalsam. Vergr. 1500. Fig. 24. Kammer mit Kern einer megalosphärischen Form. Alkohol abs., Thionin, Kanadabalsam. Vergr. 580. Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. Von Dr. Franz Ladewig. Mit Tafel XVII. Die erste eingehendere Bearbeitung des Bryozoenstammes ist noch nicht sehr alten Datums: sie stammt her von ALLMAN, der 1856 in seinem »Monograph of the fresh water-Polyzoa« ein für die damalige Zeit epochemachendes Werk schuf und in vollendeter Dar- stellung den Stand der Kenntnisse über die Organisation der Bryo- zoen darleste.e. Diese Arbeit bezog sich freilich nur auf die rein morphologische und systematische Untersuchung, eine Richtung, wie sie zu jener Zeit bei Weitem vorherrschte. Die feineren anatomischen _ und entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse der Bryozoen klarzu- legen, blieb NırscHe in seinen bahnbrechenden Monographien über diese Klasse vorbehalten. Dass hierin manche hochwichtige Frage noch nicht ihre Erledigung fand, kann bei dem damaligen Stande der Technik keineswegs verwundern. NITSCHE! selbst sagt in seiner Abhandlung: »über die Knospung der Polypide der phylaktolaemen Süßwasserbryozoen<: »dagegen blieb die Frage unentschieden, in welcher Weise die verschiedenen Schichten des Mutterthieres an dem Aufbau der verschiedenen Schichten, in die man das Polypid histogenetisch und morphogenetisch zerlegen kann, Theil nehmen. - Die Schuld hieran trägt der Umstand, dass die verschiedenen Schich- ten der Endocyste bei den erwachsenen Chilostomen so schwer von einander zu trennen sind, dass man dieselben auf das allerleichteste übersieht«. | Gerade die im Vorstehenden berührte Frage erfuhr erst 15 Jahre ı H. Nırschz, Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. V. Über die Knospung der Bryozoen. Diese Zeitschr. Bd. XXV. Suppl. 1875. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 22 3934 | Franz Ladewig, später ihre Lösung im Jahre 1890 durch die Arbeit von SEELIGER »Bemerkungen zur Knospenentwicklung der Bryozoent«. Der Verfasser wies darin nach, dass, wie schon NITscHE? und auch CLAPAREDE> vermuthet hatten, zwei Keimblätter des Mutterthieres es sind, die sich an dem Aufbau der Knospe betheiligen, das Ekto- derm und das Mesoderm; das erstere bildet die Leibeswand der Knospe, sowie durch eine Gastrula-ähnliche Einstülpung das Polypid, welches sich in die Tentakelscheide, Tentakelwandungen, sowie den Darmkanal differenzirt. Das Mesoderm des Mutterthieres liefert das Gewebe im Innern der Tentakelhöhle, sowie das den Verdauungs- tractus umgebende Plattenepithel. | Diese Darstellung erfuhr im Jahre darauf eine weitere Bestäti- sung durch DAvVENPoRT!, der in einer umfassenden Arbeit über die _Knospung wesentlich dieselben Anschauungen darlegte. Die mannig- fachen Kontroversen, die sich an die Frage der Betheiligung der Keimblätter bei der Entwicklung der Bryozoen geknüpft hatten, schienen durch die SEELIGER’SCHE Monographie ihre Erledigung ge- funden zu haben, bis im vorigen Jahre CALvET diese Frage noch einmal zum Gegenstand einer kurzen Abhandlung machte: sur l’origine du polypide des Bryozoaires ectoproctes marines°. Verfasser theilt die in den obigen Arbeiten ausgesprochenen An- schauungen über die Entstehung des Polypids keineswegs. Nach seiner Meinung, die er durch Untersuchungen an verschiedenen Gat- tungen der Chilostomen und Ütenostomen gewonnen haben will, baut sich das Polypid immer auf Kosten der mesenchymatösen Elemente auf, die in dem Inneren des Zooeeiums eingeschlossen sind und hervorgehen sollen zum einen Theil aus der Wucherung des Ekto- derm, zum anderen aus Derivaten des mittleren Blattes des Embryo. Diese Elemente rundeten sich ab und gruppirten sich in der Weise, 1 0. SEELIGER, Bemerkungen zur Knospenentwicklung der Bryozoen. Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. 2 H. Nırsche, Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. III. Über die Anato- ‘mie und Entwicklungsgeschichte von Flustra membranacea. Diese Zeitschr. BA. IXRXI 71871? | 3 ED. CLAPAREDE, Beiträge zur Anatomie und Entwickiung der Seebryo- zoen. Diese Zeitschr. Bd. XXI. 1871. 4 6. B. DAVENPORT, Observations on Budding in Paludicella and some other Bryozoa. Bull. Mus. Comp. Zool. Harvard College. XXII. 1891. 5 L. CALVET, Sur l'origine du polypide des Bryozoaires ecetoproetes mari- nes. Travail de la stat on zool. de Cette. 1898. Comptes rendus. Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 335 dass sie einen kleinen kompakten Zellhaufen bildeten, in welchem sich frühzeitig ein Lumen bemerkbar mache. Die Gruppirung setze sich fort, und allmählich sehe man die zwei klassischen Zellschichten sich differenziren, aus denen sich das Polypid: vollständig bilde. Im Gegensatz zu den Beobachtungen SEELIGER’S und DAVENPORT’S bildet sich nach ihm das Polypid niemals in der Form einer Ein- stülpung des Ektoderms, um das sich dann mesenchymatöse Elemente in epithelialer Anordnung gruppirten. Er fasst zum Schluss seine diesbezüglichen Bemerkungen dahin zusammen, dass das Polypid bei diesem Knospungsprocess in einer »massiven Form« auftritt, und dass die Höhlung, sowie die beiden Zellschichten der Knospe erst sekun- däre Bildungen seien, die dem »stade massif« folgen. Wenn auch CAaLvEr in der Schilderung des Knospungsprocesses mancherlei neue Details vorbringt, so stimmt doch seine Auffassung im Wesentlichen mit einer Ansicht überein, die JoLIET! bereits zwanzig Jahre früher vertreten hat. Bei so einander entgegengesetzten Anschauungen aber, wie sie sich in den angeführten Arbeiten geltend machen, musste es wünschens- wert erscheinen, eine erneute Durchsicht der betreffenden Verhält- nisse vorzunehmen. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen möchte ich im Folgenden näher darlegen. Dieselben erstrecken sich auf verschiedene Gattungen; insbe- sondere lag mir aber daran, die Beobachtungen wenigstens an einer Art in lückenloser Aufeinanderfolge der in Betracht kommenden Stadien durchzuführen. Ich habe zu diesem Zweck die Gattung Bugula avicularia gewählt, schon aus dem Grunde, weil es mir da- durch zugleich ermöglicht wurde, die Entstehung der Avicularien, die ich im zweiten Theil meiner Arbeit behandle, an den knospenden Spitzen der Stöcke studiren zu können. Konservirt war das Ma- terial mit Sublimat-Essigsäure, die sich gerade für die fein-histolo- gischen Verhältnisse der Bryozoen weit besser zu eignen scheint, als die Konservirung mit Alkohol, bei der ich eigentlich nie recht be- friedigende Resultate erzielte. Ich habe in Fig. 1 eine Gesammtskizze des oberen Stockendes von Bugula avicularia gegeben, die zugleich das Auftreten und die Lagebeziehungen der Knospen am Stock näher veranschaulicht. Die 1 L. JoLıeT, Contributions & l’histoire naturelle des Bryozoaires des cötes de France. Arch. zool. exper. Tom VI. 1877. — Sur le bourgeonnement du polypide chez plusieurs ectoproctes marins. Arch. zool. exper. (2) Tom. II. 1885. 22° 336 Franz Ladewig, erste Knospenanlage findet man ein wenig über der Ausmündung der Tentakelscheide und zwar in Form einer starken Verdickung des Ektoderms. Die flacheylindrischen Epithelzellen desselben nehmen hier fast ohne jeden, oder doch nur in ganz kurzem Übergang eine hocheylindrische Gestalt an uud bedingen dadurch eine ansehnliche Erhebung des äußeren Keimblattes. In Fig. 2 ist ein solches Stadium wiedergegeben, man sieht jederseits von der Verdickungsstelle eine Gruppe von zwei bis drei Mesenchymzellen auf dem Querschnitte liegen, welche aber weder ihrer Lage noch ihrer Gestalt nach den Gedanken nahelegen, als entstammten sie dem ektodermalen Epithel. Die beiden nächsten Stadien sind in den Fig. 3 und 4 anschau- lich gemacht. Die Verdickung des Ektoderms hat in Folge fortgesetzter Zelltheilung erheblich zugenommen und liefert damit das Zellmaterial, aus dem sich die folgenden Stadien aufbauen und entwickeln (Fig. 3). Aus der folgenden, in Fig. 4 wiedergegebenen Entwick- lungsstufe sehen wir zum ersten Mal die beginnende Einstülpung. Ein Lumen lässt sich allerdings in ihm zunächst noch nicht nach- weisen und die junge Polypidanlage erweist sich als eine solide Einwucherung des ektodermalen Epithels. In der Mitte der Ein- stülpungszone zeigt aber eine feine Einkerbung bereits die Stelle an, an welcher auf dem folgenden Stadium der Durchbruch der Polypid- höhle nach außen erfolgen soll. Auf beiden Stadien sehen wir dem Ektoderm wieder eine Anzahl Mesenchymzellen anliegen, die sich aber noch nicht epithelial angeordnet haben, überhaupt noch ohne Verbindung unter einander sind und bezüglich ihrer äußeren Form, wie das auch schon aus dem früheren Stadium ersichtlich war, recht - wenig Einheitlichkeit erkennen lassen. Vergleicht man diese Entwicklungsvorgänge mit der von CALVET gegebenen Darstellung, so dürfte es schwer fallen, auch nur ein Moment anzuführen, welches für die Deutung des französischen For- schers spräche. Wenn man auf den erwähnten Stadien bemerken würde, dass einzelne Zellen aus dem Epithelverband der Einstülpungs- zone in die Tiefe zu rücken beginnen und nur noch zum Theil mit der Mutterzellenschicht zusammenhängen, dann könnte man wohl an eine derartige Möglichkeit denken. Davon ist aber auf allen diesen Stufen niehts zu sehen, sondern wir haben stets einen scharfen Kon- tour, der die ektodermale Einstülpung von den Mesenchymelementen trennt und, auf den ersten Blick einen Zusammenhang der beiden Lagen als unmöglich erscheinen lässt. Der Verfasser der eitirten Arbeit spricht ferner also von einem Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 327 »petit massif cellulaire, dans lequel se creuse de tres bonne heure une cavite« und betont weiter unten nochmals, indem er seine Beob- achtungen zusammenfasst: »le polypide debute sous une forme mas- sive et la cavite, ainsi que les deux couches cellulaires du bour- seon ne sont que des formations secondaires, succedant au stade massif«. Abgesehen von den Worten »ainsi que les deux couches cellu- laires du bourgeon« findet sich in dieser Darstellung nichts, was nicht mit der Auffassung einer ektodermalen Einstülpung in Einklang gebracht werden könnte. Denn dass das Polypid Anfangs in einer »massiven Form« auftritt, zeigt auch meine Fig. 4 in hinreichender Weise, und dass erst sekundär sich darin ein Lumen ausbildet, möchte ich im Folgenden an der Hand der Zeichnungen weiter darlegen. Die beiden Fig. 5 und 6 gehören derselben Knospenanlage an und zwar bilden sie den zweiten und vierten Schnitt durch dieselbe. Auf dem letzteren ist bereits ein Lumen erkennbar, dessen Anlage aber erst im Entstehen begriffen ist; denn auf dem anderen Schnitt gewahrt man schon nichts mehr davon. Die Einstülpung des Ekto- derms ist jedenfalls auch bei diesem Stadium ganz unverkennbar, man sieht recht deutlich sowohl die Stelle des Blastoporus! als auch Jen Übergang des äußeren Keimblattes in die Knospe, der hier in ganz typischer Form in die Erscheinung tritt. Dass auf diesen beiden Stadien die Mesenchymzellen noch einzeln verstreut liegen, das dürfte kaum als regelmäßig zu betrachten sein. In Fig. 7 habe ich eine Knospe wiedergegeben, die auf ziemlich der gleichen Stufe steht, wie die eben erwähnten, bei der man aber, wenigstens auf der einen Seite, diese Zellen schon zu einem epithelialen Strang sruppirt dem Polypid anliegen sieht. Um letzteres im Verhältnis zur ektodermalen Schicht, aus der es hervorgegangen, zu zeigen, habe ich hier das Ektoderm in seinem weiteren Verlauf an der Wan- dung des Zooeciums wiedergegeben. Die Stelle des Blastoporus, die auch auf dieser Figur noch deutlich zu erkennen ist, ist schon auf dem nächsten Stadium, Fig. 8, nieht mehr sichtbar; die Knospe hat hier bereits sich vollkommen abgeschlossen, ohne aber die Ver- bindung mit dem Ektoderm aufzugeben; hier liegt auch schon eine fast kontinuirliche Mesenchymschicht dem Polypid an. Die Auffassung, welche CALvET vertritt, mag wohl nieht zum ! Als.Blastoporus bezeichne ich die Mündungsstelle des embryonalen Poly- pids nach außen. 328 Franz Ladewig, wenigsten der Beobachtung dieses Stadiums ihren Ursprung ver- danken. Ich habe in Fig. 9 einen Schnitt abgebildet, der eine der- artige Knospe in schiefer Richtung getroffen hat. Es ist dies bei Bugula avicularia um so leichter möglich, als die Zweige derselben in spitzem Winkel nach oben divergiren. So kommt es, dass, wenn man die eine Hälfte der Zooecien in gerader Richtung erhält, die andere schief zu der Führung des Messers eingestellt it. Um möglichst genau kontrolliren zu können, ob die Knospenspitzen voll- kommen im rechten Winkel getroffen wurden, habe ich stets das nächstälteste ausgebildete Polypid mit in meine Schnittserien einbe- zogen, da sich hier, besonders in der Höhe der Spitze, sowie der Basis der Tentakel, jeder schiefe Schnitt mit Sicherheit nachweisen ließ. Und einem solchen Serientheil entstammt auch der Schnitt in Fig. 9. Die Knospe, die also einen fast kugelig angeschwollenen Anhang des Ektoderms darstellt, steht mit letzterem durch einen ver- hältnismäßig schmalen Strang in Verbindung. Geht nun der Schnitt in etwas schräger Richtung über oder unter, rechts oder links von jenem Strang vorbei, so erhält man zwischen dem Polypid und dem Ektoderm einen Spalt, der beide von einander trennt, also ein Bild, wie es die genannte Figur darstellt. Die Linie «d, die durch die Fig. 8 hindurchgelegt ist, mag zur Erläuterung dafür dienen, wie Schnittrichtungen, die nur wenig von der geraden Führung ab- weichen, zu einer falschen Deutung Veranlassung geben können. Die Untersuchung der übrigen Arten, von der ich im Anfang gesprochen, haben nur das bestätigen können, was ich bei Bugula avicularia beobachtet und im Vorhergehenden beschrieben habe: dass wir es bei der Anlage des Polypids mit einer Einstülpung des Ekto- derms zu thun haben. Von Nordseeformen nenne ich außer Bugula noch Aötea, von Bryozoen der Ostsee Valkeria (Vesicularia) cuscuta und Gemellaria loricata, die mir zu meinen weiteren Untersuchungen dienten. Die letztere Art eignet sich durch ihre Größe und Form besonders zum Studium der Knospungserscheinungen, sie zeigt aber auch andererseits, dass es einer äußerst vorsichtigen Behandlung be- darf, um zu einem befriedigenden Resultat zu gelangen. Ich habe bei Untersuchung dieser Form wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass schon wenige Stunden, während deren sich ein solcher Stock unter ungünstigen Verhältnissen befunden haben musste, ge- nügten, um eine geradezu erstaunlich schnelle Rückbildung und De- seneration des Zellmaterials nach sich zu ziehen. Den Stock aber andererseits im Aquarium regeneriren und von Neuem Knospen treiben Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 3939 zu lassen, das ist bei so empfindlichen Arten, wie die erwähnte, durchaus nicht unbedingt aussichtsvoll und so erfolgreich, wie es zu- nächst scheinen möchte. Dazu kommt der Umstand, dass nicht nur an ein- und demselben Stock, — was ja noch nicht so auffällig wäre — sondern auch an einem Zweig die einzelnen Knospenspitzen sehr beträchtliche Unterschiede bezüglich ihrer Erhaltung und ihrer Lebensfähigskeit zeigen. Ich hatte mieh auch desshalb der Vorsicht bedient, die einzelnen Spitzen der Zweige nicht nur bei Lupenvergrößerung, sondern unter dem Mikroskop lebend zu prüfen und die für die Beobachtung sünstigsten auszuwählen. Dann bemerkte ich leicht, dass einzelne Individuen, wenn sie auch noch nicht den für die Rückbildung typi- schen »gelben Körper« zeigten, doch sehr wenig für die weitere histo- logische Untersuchung geeignet erschienen. Lässt man derartige Vorsichtsmaßregel bei der Auswahl der Ob- jekte außer Acht, so erhält man nur zu häufig trotz der subtilsten Behandlung Schnitte, die eben zu verkehrten Auffassungen veran- lassen können. Gerade an der Übergangsstelle des Ektoderms in die sich einstülpende Polypidknospe treten bei der Konservirung, beim Einbetten und Schneiden von nicht ganz frischem und lebensfähigem Untersuchungsmaterial regelmäßig sehr beträchtliche Schrumpfungen und Verzerrungen ein. Überdies erscheinen dann oft die epithelialen Gefüge der Blätter mehr oder minder stark gelockert, die Zellen zu- weilen vollständig dissociirt. Nur die in durchaus frischem kräftigen Zustand konservirten Objekte erweisen sich, — auch wenn sie in Schnitte von 5 u Dicke zerlegt werden, als resistent genug, um klare Bilder der histologischen Struktur zu liefern. Hauptsächlich aber diese Stellen im knospenden Stock, die durch eine nicht ganz zweck- entsprechende Behandlung am stärksten in Mitleidenschaft gezogen werden, sind für die Entscheidung der uns hier beschäftigenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Die unmittelbare Folge einer solehen Gewebstrennung ist die, dass der ektodermale Wand- beleg ganz getrennt von der Knospenanlage erscheint, und dass dies zu Deutungen, die mit den oben geschilderten Befunden in direktem Widerspruch stehen, führen muss. Ich habe diese Thatsachen aus dem Grunde angeführt, um zu zeigen, worauf eine derartige Verschiedenheit der Anschauungen in erster Linie zurückzuführen sein möchte. Den sichersten Beweis jedenfalls, dass die Thiere noch in keiner Weise gelitten haben, liefern sie selbstverständlich dadurch, dass sie sich auszustrecken 380 Franz Ladewie, beginnen. Ich habe bei Gemellaria loricata die Individuen in diesem Zustand zu fixiren gesucht. Mit Chloralhydrat, das man zuweilen als dafür geeignet empfohlen hat, gelang dies nicht; bessere Resul- tate erzielte ich mit, einer 1°/,igen Cocainlösung in Seewasser, das tropfenweise und sehr behutsam dem umgebenden Wasser zugesetzt werden muss, da die Individuen bei der leisesten Erschütterung des Gefäßbes sämmtlich und fast genau gleichzeitig in die Zooeceien zu- rückschnellen. Tritt dann wieder eine Beruhigung ein, so treten die Polypide in ganz kurzen Intervallen fast alle wieder hervor, so dass man bei eintretender Narkose eine verhältnismäßig große Anzahl in ausgestrektem Zustand erhält. In Fig. 10 habe ich ein solches In- dividuum wiedergegeben. Den Abbildungen, welche die erste Anlage des Polypids dar- stellen, habe ich noch einige von Schnitten der übrigen Formen (Fig. 11—15) hinzugefügt. Wenn dieselben auch im Wesentlichen die gleichen Bilder ergaben, wie sie die Untersuchung von Bugula erbracht hat, so lag mir doch daran, die besonders typischen Stadien, durch die Zeichnung festzuhalten. Die Modifikationen, denen die- selben unterliegen, beruhen natürlich in erster Linie auf morpholo- sischen Unterschieden, namentlich in Bezug auf die Größenverhält- nisse. So zeigen sowohl Gemellaria wie A&tea besonders umfang- reiche Knospenanlagen, bei ersterer kommt sögar auf einem ziemlich frühen Stadium, wie aus Fig. 14 hervorgeht, der Umfang der Poly- pidanlage dem des Zooeciums sehr nahe, so dass dasselbe auf dem Querschnitt fast ganz von der Knospe eingenommen erscheint. Ge- wissen Schwankungen unterliegt ferner die Höhe der Ektoderm- Elemente, die den Wandbeleg bilden, besonders derjenigen Zellen, die der Einstülpung unmittelbar benachbart sind; nicht weniger vari- irt auch der Zeitpunkt des Zusammenschlusses der Mesenchymzellen zu einem zusammenhängenden Epithel, der bei Gemellaria bereits sehr früh in die Erscheinung tritt. Ein weiterer Unterschied lässt sich bezüglich der Mündungsstelle der Polypidanlage nach außen konstatiren. Während dieselbe bei den einen in einem deutlichen Kontour auftritt, erscheint sie z. B. bei Valkeria nur als ein äußerst feiner Kanal, der dann freilich wohl sehr leicht übersehen werden und somit Veranlassung geben kann zu der irrthümlichen Auffassung, dass es sich auf diesem Stadium um einen kompakten ganz in sich abge- schlossenen Zellkomplex handle. Diesen Modifikationen gegenüber tritt gerade um so deutlicher die konstant wiederkehrende Erscheinung der ektodermalen Einstülpung bei der Anlage des Polypids zu Tage. Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 331 Der Entstehung des Polypids, wie wir sie im Vorhergehenden betrachtet haben, kann man den Entwicklungsgang eines anderen Organs an die Seite stellen, der Avicularien. Meine Beobachtungen darüber habe ich, wie ich schon im ersten Theil gelegentlich erwähnte, speciell bei der Gattung Bugula avicu- laria ausgeführt. Vorweg möchte ich bemerken, dass sich zur Unter- suchung — außer Totalpräparaten — besonders die Längsschnitte eignen. Und zwar sind die Verhältnisse am besten zu studiren, wenn die Schnittrichtung eine derartige ist, dass die Avicularien sa- gittal getroffen werden. Die richtige Orientirung ist dadurch wesent- lich erleichtert, dass beim Einbetten in Paraffin sich die Avicularien in Folge ihrer Schwere so zur Seite neigen, dass sie von oben ge- sehen über den sie tragenden Ast hinüberragen und somit im Profil erscheinen. Man hat nachher die Schnitte nur parallel der Boden- fläche des Paraffins zu führen. Bevor ich auf den Entwicklungsprocess dieser Organe näher eingehe, dürfte es wohl zweckmäßig erscheinen, über den Bau und die Struktur derselben einige Worte vorauszuschicken. Die Avicularien verdanken ihren Namen ihrer Ähnlichkeit mit einem Vogelkopf und stellen Anhänge einiger Arten unter den Chilo- stomen dar, die das Prineip der Arbeitstheilung in der vollkommen- sten Weise verwirklichen. Solche Anhänge sind ferner die Ovicellen, die zur Aufnahme der befruchteten Eier dienen, sowie der Vibracu- larien, die als Tastorgane des Stockes funktioniren. Die Avicularien sind als Fangapparate für den Stock von großer Bedeutung, und in wie zweckmäßiger Weise ihr Bau dieser Funktion angepasst ist, mag die folgende kurze Beschreibung ihrer Organisa- tion darlegen. Das ganze Gebilde besteht aus 2 Theilen, aus Hals und Kopf (Fig. 16). Als Hals können wir einen kurzen Auswuchs des Zooeciums betrachten, auf dessen Spitze der eigentliche Kopf selenkig eingelassen ist. Letzterer ist nach vorn in einen haken- artig gekrümmten Oberkiefer ausgezogen, dem ein beweglicher Unter- kiefer entgegenwirkt, so dass sofort die Ähnlichkeit mit einem Schnabel gegeben ist. Die Thätigkeit dieses Unterkiefers wird durch zwei Muskel bewirkt, die fast die ganze Region des Kopfes ein- nehmen; sie nehmen beide ihren Ursprung vom Inneren des Schädel- daches und inseriren am Unterkiefer an zwei Punkten, deren Lagebeziehung der Funktion der Muskel entspricht: Der Öffnungs- muskel setzt sich an der hinteren unteren Ecke an, so dass bei seiner Kontraktion der Kiefer nach hinten und unten abgezogen wird, 339 | | Franz Ladewig, der Schließmuskel inserirt am oberen Rande desselben, zieht ihn also nach oben gegen den Oberkiefer zu herauf. Die gesammte Höhlung des Kopfes ist vor dem Kieferapparat nach außen hin durch eine Membran abgeschlossen. Ungefähr in der Mitte derselben liegt ein weit in die Kopfhöhle hineinragendes Organ, das das Nervensystem der Avicularien darstellt und wohl zu- gleich als deren Sinnesorgan angesehen werden kann. Es besteht aus einem napfförmigen Körper, der am Grunde seiner Aushöhlung einen Komplex von Sinneshaaren trägt, die mit ihren Spitzen die Membran zu durchbohren scheinen. In Wirklichkeit geht aber die Wandung dieses Organs in die Membran über, so dass dasselbe durch seine vordere Öffnung mit der Außenwelt in Kommunikation tritt, und daher seine Wandungen sich an der hauptsächlich durch die Membran gebildeten vorderen Begrenzung der Kopfhöhle bethei- ligen. Nach innen zu ist das Organ noch von einem zelligen Kopf überdeckt. In den Fig. 16 und 17 habe ich zwei Avicularien in verschie- dener Stellung wiedergegeben; die eine mit geschlossenem, die andere mit geöffnetem Kiefer. Die Verschiedenheit der Kieferstellung be- dingt aber, wie aus den Figuren ersichtlich ist, auch eine ganz ver- änderte Haltung des Kopfes. In letzterem Falle ist die Stellung desselben jedenfalls wesentlich verschieden von dem ersteren, denn während dort dieselbe etwa der natürlichen Haltung eines Vogel- kopfes entsprechen würde, erscheint er hier in einer Drehung von fast 90° zurückgelegt. In allen Fällen, wo ich eine Avicularie mit offenem Kieferapparat fixirt sah, fand ich diese Stellung wieder und somit möchte ich es keineswegs als eine zufällige Erscheinung be- trachten, die ohne alle Bedeutung wäre. Denn hierdurch wird ein viel weiteres Klaffen der Kiefer ermöglicht, und die Avicularie ist so besser dazu geeignet, vorbeischwimmende Körper zu ergreifen. Über den Verlauf der Sehne des Sehließmuskels machen sich in der Litteratur zwei widersprechende Ansichten geltend. Nach einigen Autoren soll dieselbe, um sich am Unterkiefer zu inseriren, die Membran durchbohren, während andere sie hinter dem unteren Rande derselben, also an der Übergangsstelle der Membran in das Hautepithel des Unterkiefers verlaufen sahen. Ich habe die letztere Ansicht in allen Fällen bestätigt gefunden. Die Membran verläuft nämlich an ihrem unteren Rande nicht in gerader Linie, sondern zeigt hier eine Einbuchtung, und durch die so entstandene rinnen- förmige Vertiefung zieht die Sehne des Schließmuskels nach vorn Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 333 hindurch, um sich an der Innenseite des Hautepithels des Unter- kiefers zu inseriren. In ihrem histologischen Bau zeigt die Muskulatur der Avicularien eine typische Querstreifung, die stärker lichtbrechenden Streifen zeigen sich scharf abgesetzt gegen die helleren. Erwähnung ver- dienen ferner die Kerne. Jeder einzelnen Fibrille gehören zwei an- sehnliche Kerne an. Dieselben sind in ihrer gegenseitigen Lage ziemlich konstant: da sie eben so weit von einander wie jederseits vom Ursprungs- und Insertionspunkt entfernt sind, so zerlegen sie die Fibrille gewissermaßen in drei annähernd gleiche Theile. Die Kerne sind umgeben von einer Schicht körnigen Protoplasmas, das sich beträchtlich über die Fibrille erhebt. Jedoch setzt sich diese Protoplasmaschicht nicht kontinuirlich über die ganze Fibrillenober- fläche fort; vielmehr konnte ich mich durch die Untersuchung von Querschnitten überzeugen, dass jene Protoplasmamasse sich nur um die Kerne herum gelagert findet, während die kontraktile Faser in ihrem weiteren Verlauf nackt erscheint. Das nervöse Organ nimmt vor Allem hinsichtlich seiner Ent- wicklung ein besonderes Interesse für sich in Anspruch; ich werde daher im Folgenden des Nähern noch auf diese Verhältnisse einzu- sehen haben. Die erste Anlage der jungen Avicularienknospe sieht man in Form einer buckelartigen Ausstülpung der Cuticula und des Ekto- derms vor sich gehen. Die Zellen des letzteren, die auch hier ihren einschichtigen Charakter bewahren, erscheinen protoplasmareich und hocheylindrisch, eine Gestalt, welche die Zellen der Leibeswand an dieser Stelle schon vor dem Beginn der Ausstülpung angenommen haben. Die erste Anlage der Avicularienknospe und ihr Verhalten zu den in ihrer Nachbarschaft sich entwickelnden Organen sieht man in Fig. 18, während die in Fig. 19 gegebene Skizze die Lagebezie- hung des fertig ausgebildeten Organs zum Stock selbst darstellt. Es lässt sich aus den Abbildungen entnehmen, dass ein Zooecium ungefähr zu der Zeit mit der Knospung der Avicularie beginnt, wenn in seinem Polypid die Tentakelbildung vor sich geht. In das Lumen der Avicularienausstülpung sind eine Anzahl von Mesenchymzellen von der Leibeshöhle eingewandert; dieselben zeigen auch hier wieder, worauf schon im ersten Theil bei der Polypid- anlage hingewiesen wurde, eine sehr verschiedene Gestalt, bald spindelförmig, bald eylindrisch oder auch kugelig. Bei weiterem Sau. Franz Ladewie, Wachsthum tritt eine Sonderung in zwei Abschnitte ein. Beide Theile verhalten sich weiterhin ganz entgegengesetzt. Schon früh- zeitig sieht man, wie der distale Theil sich nach und nach kugelig zu erweitern beginnt auf Kosten der nach dem Zooecium zu gelegenen - Partie, deren Lumen in Folge dessen an Umfang einbüßt. In Fig. 20 sieht man die erste Andeutung dieser Sonderung in die beiden Ab- schnitte.e Am proximalen Theil ist die Verengerung bereits erfolgt, jedoch besteht immer noch ein Kanal, in welchem einzelne ver- streute Mesenchymzellen angetroffen werden. Der distale Abschnitt ist nur mäßig kolbenförmig erweitert und führt zahlreiche Mesoderm- Elemente. In Fig. 21 beginnt sich die Ausstülpung schon vom Mutterzooe- cium abzuschnüren. Das frei emporragende blinde Ende schwillt stärker kolbenförmig an, während das entgegengesetzte zu einem stielartigen Gebilde sich verjüngt hat, das den Zusammenhang mit dem Zooeeium herstellt. Die Verjüngung dieses proximalen Theiles ist bereits so weit vorgeschritten, dass das Lumen vollständig ge- schwunden und die Kommunikation zwischen der Leibeshöhle des Mutterstockes und der Avicularienknospe aufgehoben erscheinen. Die anfänglich im hohlen Stieltheil gelegenen Mesenchymzellen sind nun- mehr in das Lumen der kolbigen Anschwellung übergetreten. Fast gleichzeitig spielt sich an dem distalen Ende der Ausstül- pung ein ähnlicher Vorgang ab, wie wir ihn bei der Entstehung des Polypids beobachten konnten. Unter allmählich fortschreitender Thei- lung der Zellen beginnt sich das Ektoderm an jener Stelle einzu- stülpen (Fig. 22). Die gesammte Knospenanlage ist zugleich etwas in die Länge gewachsen, so dass zunächst durch die polypide Ein- stülpung das Lumen derselben nicht wesentlich gegen das vorher- gehende Stadium eingeengt erscheint. In ihm liegen die mesoder- malen Elemente nicht mehr ganz regellos verstreut, sondern haben sich mehr dem Ektoderm angelagert, freilich noch ohne gegenseitige Verbindung unter einander. In Fig. 23 liegt ein Stadium vor, auf dem das Wachsthum der Einstülpung der äußeren Entfaltung der gesammten Avicularienknospe etwas vorausgeeilt ist, denn das Lumen der letzteren erscheint bis auf einen schmalen Spalt ausgefüllt zum größten Theil eben durch die Einstülpung und nur zum kleineren durch eine Anzahl Mesen- chymzellen. Dies Stadium ist in mannigfacher Beziehung bemerkens- werth. Zunächst machen sich am Verbindungsstiel, der noch die Verbindung der Knospe mit dem äußeren Keimblatt des Zooeciums Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 335 unterhält, die ersten Zeichen der beginnenden- Abschnürung bemerk- bar, und zwar unmittelbar unter dem kolbigen freien Ende. Es ist dies die Stelle, wo später die Grenze zwischen Avicularienkopf und -hals und die gelenkige Verbindung zwischen beiden gelegen ist. Im unteren Theil des Kopfabschnittes finden sich auch zum ersten Mal die Mesenchymzellen zu einer epithelialen Platte vereinigt. Dieselbe liest der Einstülpung an der dem Blastoporus gegenüberliegenden Seite an, und wird, im Querschnitt betrachtet,. erst von sechs Zellen gebildet, während zwei andere noch einzeln daneben liegen. Die weitere Entwicklung der Knospe zeigt die Fig. 24: mit dem beträchtlichen Wachsthum derselben hat auch die Einstülpung wesent- lich an Umfang zugenommen und umschließt jetzt ein ansehnliches Lumen. Gleichfalls einen erheblichen Fortschritt lassen die Mesen- chymzellen erkennen, denn ein fast geschlossenes mesodermales Epi- thel findet sich sowohl der Einstülpung wie der übrigen ektodermalen Wandung angelagert. Einzelne gesonderte zellige Elemente habe ich auf diesem Stadium überall nicht mehr angetroffen. Unter fortgesetzter Theilung und Vermehrung der Zellen, sowohl der ekto- wie der mesodermalen rückt die polypide Einstülpung immer mehr in die Tiefe, und es bildet sich füglich ein Strang aus, der als eine Fortsetzung des Ektoderms die Verbindung zwischen der späteren Endocyste und der Einstülpung herstellt, andererseits aber auch ein gewisses Reservematerial für die letzte Phase des Knospen- wachsthums darstellt (Fig. 25). Dies Material gelangt dann auch alsbald zur Benutzung, wie aus dem im Fig. 26 dargestellten Stadium hervorgeht. Gegen das zuletzt beschriebene zeigt dasselbe eigentlich nur einen Fortschritt darin, dass gleichzeitig mit einer beträchtlichen Längsstreckung histologische Differenzirungen erfolgt sind. Die Ektodermzellen zunächst haben sich beträchtlich gestreckt, sie haben von ihrer hocheylindrischen Gestalt erheblich eingebüßt und erscheinen nunmehr weit flacher ge- worden. Und eben diese Streckung und die damit verbundene In- anspruchnahme des zelligen Wandbelegs hat auch das Verschwinden des Verbindungsstranges hervorgerufen. Ein weiterer Fortschritt, den dies im Gefolge hat, ist der, dass zunächst die Polypideinstülpung nunmehr weiter nach vorn verschoben ist, und dass dann unter dem Einfluss der durch das Wachsthum bedingten Gewebespannung die Stelle des alten Blastoporus eine mehr und mehr zunehmende Er- weiterung erfährt. Die Muskulatur erscheint auf dieser Entwicklungsstufe fertig 336 | Franz Ladewig, ausgebildet, in der betreffenden Figur ist die Lage derselben in so fern etwas schematisirt, als man eine so große Anzahl Fibrillen schwerlich in ihrer ganzen Längsausdehnung auf einem Schnitt treffen würde. Da die Muskelfibrillen, wie oben erwähnt, zweikernig er- scheinen, so dürften wohl je zwei Mesodermzellen sich zusammen- schließen und an ihrer Basis die beiden Zellen gemeinsame kon- traktile Substanz ausscheiden. Dadurch gewinnt auch der Umstand an Bedeutung, dass, wie in Fig. 25 ersichtlich, das mesodermale Epithel sich mehr und mehr vom Ektoderm zurückzieht, um sich nach der Mitte hin zusammenzuschließen. Da auf diese Weise die Zellen der äußeren, dem Ektoderm anliegenden und die der inneren, die polypide Einstülpung umgebenden Mesodermschicht dichter an einander rücken, so ist für die Bildung der mesodermalen Muskula- tur die Vorbedingung gegeben: ich glaube annehmen zu dürfen, dass jede Muskelfaser aus je einer äußeren und inneren Mesodermzelle sich zusammensetzt. Damit ist die definitive Ausbildungsstufe der Avicularie erreicht. Die zuletzt besprochene Fig. 26 stellt die Knospe gewissermaßen von der »ventralen Seite« d. h. vom Unterkiefer her betrachtet dar: in der Einstülpung selbst haben wir eben das nervöse Organ des fertig ausgebildeten Thieres vor uns, und der die distale Wand der Knospe bekleidende Abschnitt des äußeren Keimblattes, aus dem eben die polypide Einstülpung hervorgegangen ist, stellt die spätere Membran dar. Die hier beschriebene Entwicklung der Avicularien ist noch nach einer anderen Seite hin von Bedeutung. Wie schon NITSCHE. in seiner Betrachtung über die »Morphologie der Bryozoen«! ver- muthete, haben wir es bei der Entstehung derselben mit einem Vor- gang zu thun, der ein Analogon zur Entwicklung des Polypids bietet. Man kann demnach die Avicularie an sich mit einem Zooecium, das nervöse Organ mit dem Polypid in Vergleich stellen, und man darf wohl auf Grund der entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse die Avicularie als ein aberrant gestelltes Individuum betrachten, das nur noch zu einer ganz speciellen Arbeitsleistung befähigt ist. Wenn also die im ersten Theil erwähnte CAatLvEr'sche Ansicht sich be- stätigte, dann müsste man auch im Knospungsprocess der Avicularien einen Anhalt für diese Behauptung erwarten dürfen. Ich glaube ı H. Ninschr, Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. IV. Über die Morpho- logie der Bryozoen. Diese Zeitschr. Bd. XXI 1871. Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 337 aber nach dem Vorstehenden gezeigt zu haben, dass auch bei der Entwicklung dieses Organs nicht der geringste Grund für jene An- nahme spricht. Im Gegentheil wird auch der Vorgang bei der Avi- eularienknospung ein Beweis dafür sein, dass wir es bei der Ent- stehung eines Polypids einzig und allein mit einer Einstülpung aus dem Ektoderm zu thun haben. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen möchte ich im Folgen- den kurz zusammenfassen: 1) Bei der Anlage des Polypids haben wir es stets mit einer Einstülpung des äußeren Keimblattes zu thun. 2) Von der Ausbildung eines »stade massif« kann nur in so fern die Rede sein, als die Verdickungszone des Ektoderms durch Thei- lung und Vermehrung der Zellen beträchtlich nach der Tiefe an Umfang zunehmen kann, bevor sich die Einstülpung geltend macht, ohne dass aber die verdickte Schicht dabei ihren einschichtigen Cha- rakter verliert. 3) Die Einstülpung erscheint zunächst als eine Einkerbung, die bei weiterem Wachsthum der Knospe tiefer ins Innere vorrückt und bald als ein feiner Kanal, bald als schärferer breiter Kontour hervor- tritt. Die Bildung eines Lumens braucht nicht gleich Anfangs zu er- folgen, wenn die Einkerbung aufzutreten beginnt. 4) Die Avicularienanlage geht als eine Ausstülpung des Ekto- derms vor sich, die sich ziemlich gleichzeitig mit der ersten Aus- bildung der Tentakeln im zugehörigen Polypid hervorwölbt. 5) Die Ausstülpung differenzirt sich zu einem distalen kolbigen Theil, durch dessen Lumen Mesenchymzellen aus der Leibeshöhle des Mutterzooeciums hinüberwandern. Später aber schließt es sich ab, um auf einem dann folgenden Stadium sich vollends vom Kopf der Avicularie abzuschnüren. 6) An der distalen Seite der Ausstülpung entsteht in gleicher Weise, wie dies bei der Polypidknospenanlage gezeigt ist, eine Ein- stülpung des äußeren Keimblattes. | 7) Aus dem Mesoderm, das sich durch Vermehrung der Mesen- chymzellen zu einem zusammenhängenden Endothel ausgebildet, ent- steht die Muskulatur der Avicularie. | 8) Die Einstülpung selbst wird zum nervösen Organ, der vor- dere Abschnitt des Ektoderms zur Membran der ausgebildeten Avi- eularie. 338 | Franz Ladewig, Vorliegende Arbeit habe ich auf Anregung des Herrn Professor Dr. SEELIGER im zoologischen Institut der Universität Rostock unter- nommen. Ich erfülle eine sehr angenehme Pflicht, wenn ich meinem hoch- verehrten Lehrer an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aus- spreche sowohl für diese Anregung als auch für die Liebenswürdig- keit, mit der er mich durch seinen Rath nach jeder Richtung zu unterstützen die Güte hatte. Auch Herrn Professor WırL danke ich für das freundliche Interesse seinerseits. Rostock, im November 1899. Erklärung der Abbildungen, Die Abbildungen wurden durchweg mit der Camera lueida ausgeführt. Fig. 2—9 und 11—15 sind Zeichnungen nach Quer-, Fig. 18 und 20—26 nach Längsschnitten, sämmtlich von 5 « Dicke, alle übrigen stellen Totalpräparate dar. Die Schnittzeichnungen sind, wo nicht anders angegeben, unter Vergr. 810 (WINKEL, Oec. V, Obj. 9) hergestellt. Die Färbung erfolgte in toto mit Alaun- karmin, bezw. in einigen Fällen mit Boraxkarmin (nach GRENACHER). Mit Aus- nahme von Fig. 10—15 nehmen die Abbildungen auf Bugula avicularia Bezug. Buchstabenbezeichnung: ah, Hals der Avicularien; mb, Membran; apk, Polypidanlage innerhalb der Avi- mpe, Musc. parieto-vaginalis; cularienknospe; mr, Musc. retractor; av, Avicularie; i ms, Mesodermzellen; avk, Avicularienknospe; nv, nervöses Organ; bl, Mündungsstelle der Polypidanlage op, Operculum; nach außen; pk, Polypidknospe; cu, Cuticula; tz, Abschnürungsstelle zwischen Kopf ek, Ektoderm; und Hals der Avicularie; m, Muskulatur der Avicularien; uk, Unterkiefer; mi, Schließmuskel des Unterkiefers; vs, Verbindungszellstrang. m2, Offnungsmukel des Unterkiefers; Tafel XVIII. Fig. 1. Spitze des Stockes mit Anlage mehrerer Knospen. Vergr. 120. Fig. 2. Querschnitt durch die beginnende Verdickung des Ektoderms. Fig. 3. Ein weiter fortgeschrittenes Stadium der Knospungszone. Fig. 4. Querschnitt durch eine Knospe mit der ersten Andeutung einer Einstülpung. Fig. 5 u. 6. Zwei Schnitte derselben Serie, auf dem letzteren die beginnende Ausbildung eines Lumen in der Knospe. Fig. 7. Stadium von ziemlich der gleichen Entwicklungsstufe wie Fig. 5 u. 6. Fig. 8. Kennzeichnu Fig. 9. Fig. 10 Uber die Knospung der ektoprokten Bryozoen. 339 Querschnitt durch eine ältere Polypidanlage; die Linie ab zur ng einer schiefen Schnittführung. Schiefer Querschnitt durch eine Knospe. . Polypid von Gemellaria loricata in ausgestrecktem Zustand. Ver- größerung 120. Kie. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. dermepithel. Fig. 15. Fig. 16. ie. 17; Fig. 18. Valkeria euscuta, Anfangsstadium der Knospung. Gemellaria, erste Andeutung der Einstülpung und des Blastoporus. Valkeria, fortgeschrittenere Ausbildung der Knospe. Gemellaria, Knospenanlage mit ganz zusammenhängendem Meso- Aetea truncata, Querschnitt durch ein älteres Stadium. Avieularie mit geschlossenem Kiefer. Vergr. 370. Dasselbe mit geöffnetem Kiefer. Vergr. 370. Längsschnitt durch eine Zweigspitze mit einer Polypid- und Avi- cularienknospe. Vergr. 370. Ke..19 Fig. 20 Fig. 21 Fig. 22 Fig. 23 unterhalb de Fig. 24 Fig. 25 . Zooecium mit ausgebildeter Avicularie. Vergr. 120. . Erste Ausstülpung der Avicularienanlage. . Kolbige Anschwellung des distalen Theils der Knospe. . Beginn der Verdickung des Ektoderms am distalen Ende. . Einstülpung der polypiden Anlage und Abschnürung am Stiel r Gesammtknospe. . Weiter vorgerücktes Stadium der Knospung. . Ausbildung des Verbindungsstranges und Tieferrücken der poly- piden Anlage. Fig. 26 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. . Schnitt durch das fast ausgebildete Organ. Vergr. 745. DD Se) Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. Von eand. rer. nat. Otto Babes aus Osterhausen. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Mit Tafel XIX und 1 Figur im Text. Die Eiröhren von Rhizotrogus solstitialis zeichnen sich vor den- jenigen anderer Insekten durch das auffallende Verhalten aus, dass vom Follikelepithel jüngerer und älterer Eifächer Falten in diese, d. h. in den Eidotter hineinwachsen, wie dies seiner Zeit von KorscHELT beschrieben wurde!. Es erinnert das stark an die eigen- thümlichen Verhältnisse, wie sie bei den Chephalopoden und Sela- chiern vorkommen (Ray LANKESTER, GIACoMINI)2. Auch bei diesen bilden sich an den jüngeren Eifollikeln Falten, die in die Tiefe bis in das Centrum des Eies hineinwachsen können. Da ich bei orien- tirenden Untersuchungen den von KorscHELT beschriebenen und meines Wissens seither bei den Insekten nicht wieder beobachteten Vorgang an den Eiröhren von Rhizotrogus ebenfalls auffand und außerdem noch einige andere mittheilenswerthe Beobachtungen an den Eiröhren dieses Käfers machte, so möchte ich dieselben hiermit zur Kenntnis bringen. Die Ovarien von Rhizotrogus gehören zu dem Typus mit end- ständiger Nährkammer. Die Eiröhre besteht nur aus wenigen Folli- keln; an ihrem vorderen Ende liegt die sehr umfangreiche Endkammer, die wohl einen Theil des Nährmaterials für die wachsenden Eier zu ! KORSCHELT, Über einige interessante Vorgänge bei der Bildung der Insekteneier. Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1887. 2 E. Ray LANKESTER, Contributions to the Development of the Mollusca. Phil. Transaetions Roy. Soc. 1875. — E. GIacominI, Contributo all’ istologia dell ovario dei Selaei ete. Ricerehe Lab. Anat. Roma. Vol. V. 1896. Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. 341 liefern hat. Vor Allem betrifft dieses die jüngeren Eianlagen, welche sich am Grunde der Endkammer finden. An der Spitze, d. h. an ihrem vorderen Ende erscheint die Endkammer etwas verjüngt und rundet sich kuppenförmig ab. Hier zeigt sich der Endfaden stets scharf und deutlich gegen die Endkammer abgesetzt, was sich durch die Art seines zelligen Inhaltes zu erkennen giebt. Die in ihm ent- haltenen Kerne sind kleiner und weniger stark gefärbt als die der benachbarten Endkammer; auch besitzt die ganze Struktur des End- fadens auffallende Übereinstimmung mit derjenigen der Peritoneal- hülle, so dass die schon von früheren Beobachtern angenommene Gleichartigkeit beider durch das Verhalten der ausgebildeten Eiröhren von Rhizotrogus bestätigt wird. Die Endkammer ist mit äußerst zahlreichen Kernen angefüllt; am vorderen Ende sind sie kleiner, nach hinten gegen den Grund der Endkammer nehmen sie etwas an Größe zu. Die jungen Ei- zellen treten erst an der Basis der Endkammer auf; sie liegen stets in der Mitte des unteren Theiles, denn auf tangentialen Schnitten sind sie niemals anzutreffen. Es ist anzunehmen, dass sie auf Kosten von Endkammerzellen heranwachsen. Dies scheint schon daraus hervorzugehen, dass eine Anzahl Kerne von den übrigen sich durch ihre gleichmäßig dunkle Färbbarkeit unterscheiden, die ihnen das Aussehen degenerirender Kerne giebt. Die von Kernen freien und durch Auflösung der Zellen zu Stande kommenden Räume, wie sie z. B. von Hydrophilus und anderen Insekten (Zhynchoten) beschrie- ben wurden, konnte ich bei Rhizotrogus nicht wahrnehmen, was freilich immerhin noch nicht das vollständige Fehlen derselben be- weist. Ä Die jungen Eier zeichnen sich durch ihren umfangreichen Proto- plasmaleib und hellen Kern aus; sie werden von zahlreichen klei- neren Zellen umlagert. Diese sind so zu sagen in Querzügen ange- ordnet. Die von Epithelzellen dicht umgebenen Eianlagen schieben sich dann nach einander in die Eiröhre hinein. Eine Darstellung _ dieser Verhältnisse ist bereits von KorscHeur! (Fig. 57, Taf. XXI) gegeben worden, auf die ich verweisen kann, da sie mit den von mir erhaltenen Bildern übereinstimmt. Die jüngsten Eier sind noch von einem dichten Kranze von Epithelkernen umgeben; bei jungen Eiern liegen sie immer noch in zwei bis drei Reihen neben einander, ı Über: die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen Zellenelemente des Insektenovariums. Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1886. 23* 349 ; Otto Rabes, während sie sich erst bei den reiferen in einer einschichtigen Lage anordnen und Zellgrenzen zwischen sich erkennen lassen (Fig. 1). Bei reifen Eiern erscheinen dann die Kerne etwas aus einander ge- rückt und lassen so die einzelnen Zellen der umhüllenden Eikammer klar erkennen. Dem entsprechend kommen auch die zur Trennung der Follikel dienenden Scheidewände erst etwas später zur Aus- bildung. Über das weitere Heranwachsen der Eifollikel bis zur defini- tiven Reife der Eier ist nichts Besonderes zu sagen, da ich diese Verhältnisse bei Rhizotrogus so fand, wie sie von anderen Insekten beschrieben wurden. Dies im Allgemeinen zur Eibildung bei Rhizotrogus. Von beson- derem Interesse aber war mir das schon Eingangs erwähnte Vorhanden- sein von Einstülpungen des Follikelepithels in das Innere des Ei- plasmas. Fig. 2—4 steilen solche Verhältnisse dar. Fig. 3 zeigt ein junges Ei mit fünf Falten, von denen die obere mehr nur einer Erhebung des Follikelepithels gleicht und wohl eine erst sich bildende Falte anzeigt. Das Ei erhält dadurch eine ganz unregelmäßige Begrenzung. Das Eiplasma erscheint als eine, das Innere dicht er- füllende, sehr fein granulirte Masse. Die Fig. 2 und 4 stellen Sta- dien mit nur einer Falte dar, die in beiden Fällen sehr deutlich hervortritt, in Fig. 2 aber sich besonders tief bis über die Mitte des jungen Eies hineinschiebt und es fast halbirt. Diese drei Figuren zeigen Formen von wenig bis sehr tief einschneidenden Falten und mit der Tiefe der Einfaltung steht wohl ihre Anzahl in Wechsel- beziehung. In ähnlicher aber doch immerhin recht mannigfaltiger Weise zeigen sie sich auch auf anderen Schnitten, beschränken sich jedoch meiner Beobachtung nach zumeist auf junge und mittlere Eier. Da diese Bilder sich besonders auf Querschnitten zeigen, so ist wohl der Schluss berechtigt, dass die Falten meist in Form von zapfenförmigen Hervorwölbungen seitlich am Ei auftreten, doch kommen auch Fälle vor, in denen sie sich vom Grunde des Eies in das Innere erheben. Durch äußere, mechanische Eindrücke können die Falten nicht entstanden sein; denn dagegen spricht nicht nur ganz augenfällig die tadellose Beschaffenheit des Epithels, sondern auch der Umstand, dass die Peritonealhülle (»2), die besonders an jungen Eiern relativ dick ist, stets ganz unverletzt und ohne die geringste Spur eines äußeren Druckes erscheint. Fragen wir nun nach dem Grunde dieser Einfaltungen, so kann Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. 343 er für die betreffenden Eier doch wohl nur der sein, eine Ober- flächenvergrößerung des Nährepithels behufs besserer und reich- liceherer Ernährung der in schnellem Wachsthum befindlichen Eier zu schaffen. An reifen und nahezu reifen Eiern habe ich niemals eine Einfaltung beobachtet, und das ist ja auch, wie schon KORSCHELT (a. a. O.) ausgeführt hat, sehr einleuchtend, da in älteren Stadien das Epithel beginnt das Chorion als eutieulares Gebilde auszuschei- den; dieses immerhin schon etwas starre Cutieulargebilde aber würde von einem so tief eingreifenden, wenn auch vorübergehenden Vor- sange nicht ohne späterhin noch sichtbare Eindrücke bleiben, wenn nieht eben beim Beginne der Ausscheidung des Chorions die Falten schon wieder zurückgezogen wären. Auffallenderweise lässt sich die Faltenbildung nicht an allen jüngeren Follikeln der Eiröhre beobachten, wenigstens vermochte ich dieses an meinen Längs- und Querschnitten nicht zu konstatiren. Ob dieselben noch aufgetreten wären, oder ob der Vorgang (an schon etwas älteren Eifächern) bereits abgelaufen war, lässt sich natürlich schwer entscheiden. Für eine pathologische Bildung, wie man viel- leicht vermuthen könnte, vermag ich die Erscheinung nicht zu halten, da die betreffenden Eiröhren in jeder Beziehung sonst eine normale Beschaffenheit zeigen, was besonders auch für die jüngsten und ältesten in diesen Eiröhren gelegenen Follikel gilt. Man muss also wohl an ähnliche Verhältnisse denken, wie sie nach den oben an- seführten Autoren bei den Cephalopoden und Selachiern obwalten; indess wäre es von Interesse, zu erfahren, ob derartige Erscheinun- sen auch in den Ovarien anderer Insekten vorkommen. Wie man die Faltenbildung des Follikels mit der Ernährung des wachsenden Eies in Verbindung zu bringen hat, so ist dieses auch der Fall mit gewissen Vorgängen, die man am Keimbläschen beob- achten kann. Sie beziehen sich vor Allem auf Lagerungsverhältnisse des Kernes, die bei jüngeren Eiern mittlerer Größe häufig auftreten. Man findet das Keimbläschen nämlich nicht, wie man erwarten sollte, inmitten des Eies, sondern in auffälliger Weise stark randständig und in vielen Fällen sogar dicht an das Follikelepithel angedrängt. Einige von der großen Anzahl beobachteter Follikel, in denen derartige Lagerungsverhältnisse des Keimbläschens sich zeigten, finden sich in . den beigegebenen Figuren (Fig. 1, 5 und 6) dargestellt. Fig. 1 zeigt drei auf einander folgende jüngere Follikel, in denen die Keimbläschen ganz im der Nähe des Epithels liegen. Diese Figur lässt gleichzeitig erkennen, dass oft auch eine Abplattung des . 344 Otto Rabes, Keimbläschens an der gegen die Follikelwand gerichteten Seite auf- tritt, welche Erscheinung in älteren Eifächern noch weit häufiger und in höherem Maße zu beobachten ist. In den jüngeren Eifächern, wie in denjenigen der Fig. 1, ist dieses Verhalten viel weniger auf- fällig, weil dieselben eben noch weniger umfangreich sind, mit dem Größerwerden der Follikel hingegen tritt diese eigenthümliche Lage- rung des Keimbläschens immer deutlicher hervor (man vergleiche die nebenstehende Textfigur). Zwei derartig sgelagerte Keimbläschen mit ihrer Umgebung sind in den Fig. 5 und 6 dargestellt. Beide zeigen das Keimbläschen dem Epi- 2080 EBEN thel dieht angelagert und die Ge- 0 000000 stalt entsprechend verändert. Eine solche Lagerung des Keimbläs- chens ist von KORSCHELT! bei verschiedenen Insekten ebenfalls und in Verbindung mit anderen von ihm aufgefundenen Vorgängen als bedeutungsvoll für die Ernäh- rungsverhältnisse des Eies gedeutet worden. Ähnliche Lageveränderun- sen der Kerne wurden auch sonst z. B. bei Furchungszellen beob- achtet. Ich möchte nur auf das bei Limax maximus von MEISENHEIMER? beschriebene Verhalten hin- weisen, wo die Kerne äußerst dicht an den zwischen den Furchungs- zellen befindlichen Hohlraum heranrücken, welche Vorgänge auch von MEISENHEIMER auf »eine Betheiligung des Kernes an der nutritiven und secernirenden Thätigkeit der Zelle« bezogen werden. Für die Richtigkeit der gegebenen Deutung dürften auch ge- wisse Struktur- und Gestaltsveränderungen des Keimbläschens wäh- rend des Wachsthums des Eies sprechen. Von der Abplattung des Kernes war bereits die Rede (Fig. 1, 5 und 6). Damit verbunden zeigt sich oftmals eine Unregelmäßigkeit in der Begrenzung, die Do (=) 100% O2 OD 0,» 70590900 o ! Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkernes. Zoologische Jahrbücher. Bd. IV. 1889. 2 Entwicklungsgeschichte von Zimaxz mazximus L. 1]. Theil. Furchung und Keimblätterbildung. Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. 345 Bildung kleiner Ausbuchtungen und Fortsätze, und vor Allem das Undeutlichwerden und fast völlige Schwinden der im übrigen Um- fange scharfen Kernbegrenzung. Es deutet dies gewissermaßen auf ein Vermischen der Kernsubstanz mit dem Cytoplasma an diesen Stellen hin. Zwischen Keimbläschen und Follikelwand findet man häufig eine dichte Anlagerung feiner und gröberer Körnchen, die sich von den- jenigen im übrigen Eikörper unterscheiden und von denen man an- nehmen muss, dass sie von den Epithelzellen ausgeschieden wurden. Man hat den Eindruck, dass der Kern an ihrer Verarbeitung be- theilist sei, wie dieses in einem ganz übereinstimmenden Fall für Dytiscus beobachtet und entsprechend aufgefasst wurde (KORSCHELT, 2 0 ie. 110, Taf. IV): Der Inhalt des Keimbläschens selbst ist sehr fein granulirt; in ihm liegt ein Nucleolus, der entweder wie ein einheitlicher Körper oder aus einer größeren Zahl feinerer und gröberer Körnchen zu- sammengesetzt erscheint. Im ersteren Falle lässt er in sich Vacuo- len erkennen, im letzteren kann ein centraler, eigentlicher Nucleolus von den schon erwähnten Körnchen umlagert werden. Außer dem Nucleolus treten im Keimbläschen gelegentlich geformte Substanzen auf, die hier und da in Körnerform vertheilt sind. Ich möchte sie denjenigen Gebilden vergleichen, die von KORSCHELT, St. HILAIRE! und KouJawskı? in den Keimbläschen der Eier von Dytiscus be- schrieben und schon von dem erstgenannten Autor, wie auck in neuester Zeit von KOUJAWSKI zur Ernährung des Eies in Beziehung gesetzt wurden. In ähnlicher Weise wie KORSCHELT für verschie- dene Formen und speciell für Dytiscus dies annimmt, deutet auch hier bei Rhizotrogus die Kernstruktur in verschiedenen Stadien des Keim- bläschens darauf hin, dass ein Austausch zwischen den Substanzen des Cytoplasmas und des Kernes stattfindet, der sich dann eben im Auftreten und Schwinden jener körnigen Ablagerungen zu erkennen giebt. | Aus den mitgetheilten Beobachtungen über das Verhalten des Keimbläschens dürfte sich ergeben, dass der Kern in irgend einer Weise an der Thätigkeit der Zelle betheiligt ist. Eine solche direkte Antheilnahme des Kernes an der Zellthätigkeit wird ganz neuerdings i Über die Entstehung des Eies bei Dytiseus. Protokolle Naturforsch. Gesellsch. St. Petersburg 1895. Nr. 314. 2 Note sur les transformations dans les oeufs d’inseets lors de leur deve- loppement. Bibliographie anatomique. 1898. 346 Otto Rabes, wieder von Hesse! und KouJawsk1 (a. a. O.) beschrieben, und zwar an ganz verschiedenartigen Zellen. Bei dem letztgenannten Autor handelt es sich, wie schon erwähnt, um die Eier von Dytiscus, an denen er die schon früher von KoRSCHELT beschriebenen Erschei- nungen wieder feststellte, während Hesse's Angaben sich auf secer- nirende Zellen beziehen. Hesse beschreibt ebenfalls Veränderungen der Gestalt und Struktur des Kernes an der Glaskörperdrüse der Alciopiden. Diese stehen nach seiner Darstellung in ganz direktem Zusammenhang mit der Betheiligung des Kernes an der Zellthätig- keit. Nach Hesse »nimmt der Kern auf der einen Seite aus dem Zellplasma Stoffe auf, die er in seinem Inneren umwandelt und dann nach der anderen Seite als Sekret abgiebt«. Auch vAn BAMBERE? hat vor Kurzem sehr interessante Ge- stalts- und Strukturveränderungen des Kernes, und zwar an dem 'Keimbläschen von Pholcus phalangioides beschrieben. Seine Befunde zeigen, wie er ausdrücklich hervorhebt, eine große Analogie in dem . Verhalten der Keimbläschen in den wachsenden Eiern von Pholcus mit dem von KORSCHELT speciell an Dytiscus beobachteten; van BAu- BEKE hat an lebendem und fixirtem Material ebenfalls gefunden, dass das Keimbläschen sehr mannigfach gestaltete Pseudopodien, welche an die einer Amöbe erinnern, aussendet, und zwar in der Richtung nach den Anhäufungen der »fettartigen Körnchen«. Da- durch kommt auch er zu der Annahme, dass zwischen den Form- veränderungen des Kernes und den angehäuften Nährkörnchen eine Beziehung bestehen müsse, die nicht durch von außen kommende und 'sich bis auf den Kern erstreckende mechanische Einflüsse er- klärt werden kann. Der Kern befindet sich in dem oben ange- gebenen Stadium nach seiner Meinung »dans un Etat special d’acti- vite«, in sehr inniger Beziehung zum Zellkörper und die Speecial- thätigkeit des Kernes besteht in der direkten Antheilnahme an der Ernährung, in einem deutlich ausgesprochenen Einflusse auf die Zellthätigkeit. So kommt van BAMBERE zu dem Schlusse, dass das Keimbläschen (der Kern) »joue un röle dans ce processus d’elabo- ration, ou, pour nous servir d’une expression de KORSCHELT, qu’elle partieipe direetement ä T’assimilation«. ! Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen T'hieren. V. Die Augen der polychäten Anneliden. Diese Zeitschr. Bd. LXV. 1899. 2 Contributions & l’histoire de la constitution de l’oeuf. III. Recherches sur l’oocyte de Pholcus phalangioides (FuEssL.). Extrait des Archives de bio- logie. 1898. Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. 347 Ahnliehes hat auch DE Bruyne! bei seinen Untersuchungen der Oyvarien verschiedener Insekten und besonders desjenigen von Dytis- cus beobachtet. Seine Befunde zeigen ganz deutlich, dass das Ei bei seiner Ernährung durch Substanzen, die ihm vom Follikelepithel und den Nährzellen zugeführt werden, entschieden eine Betheiligung des Kernes an dieser aufnehmenden und ernährenden Thätigkeit der Eizelle erkennen lässt. Anführen ließe sich hier wohl auch die von WOoLTEREcK ? über das Schicksal der Nucl&olen ausgesprochene Ansicht. Er nimmt für die Eier der Cypriden an, dass der Nucleolus nur ein amorphes, nicht strukturirtes »Stoffwechselprodukt« sei, der besonders im blasi- sen und vacuolenhaltigen Stadium »eine weitere Stufe der Umbil- dung im Sinne eines Auflösungsprocesses darzustellen scheine<. Von der Nucleolarsubstanz nimmt WOLTERECK als fast selbstverständlich an, dass sie aus dem Kern in das Cytoplasma gelangt und meint, dass man sich diesen Vorgang als diosmotische Durchwanderung der Nueleolarstoffe durch die Kernmembran vorstellen müsse, so etwa, wie die Stärkekörner durch Pflanzenzellen wandern. Also würde auch hier ein Austausch von Substanzen zwischen Kern und Cyto- plasma stattfinden und wie in den von mir und Anderen beobachte- ten Fällen eine Antheilnahme des Kernes an der Zellthätiskeit festzustellen sein. Ich begnüge mich, auf diese oben genannten Beispiele hinzu- weisen, die sich mit dem Verhalten des Keimbläschens von Rhizo- trogus vergleichen lassen. Weiter auf die Litteratur einzugehen ist nicht meine Absicht, zumal diese in der früher erwähnten Arbeit von KORSCHELT zusammengestellt und eine ganze Reihe ähnlicher Erschei- nungen nach den Beobachtungen an verschiedenen Objekten beschrie- ben worden ist. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass in der Eizelle, besonders in der Zeit ihres Wachsthums, eine ungemein innige Wechselbeziehung zwischen Kern und Zellplasma besteht, die sich am auffallendsten in den Form- und Lageveränderungen des ersteren zu erkennen giebt. Marburg, im November 1899. 1 Recherches au sujet de lintervention de la Phagocytose dans le deve- loppement des Invertebres. Arch. de Biologie. Vol. XV. 1898. ?2 Zur Bildung und Entwicklung des Ostrakodeneies. Diese Zeitschr. Bd. LXIV. 1898. 348 Otto Rabes, Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L. Erklärung der Abbildungen, Bedeutung der Buchstaben für alle Figuren. d, Dotter; ep, Follikelepithel; pt, Peritonealhülle; sch, Scheidewand. Tafel XIX. Fig. 1. Schnitt durch drei jüngere Eifollikel von Rhizotrogus. Periphere Lage der Keimbläschen (an der Follikelwand). Vergr. 70. Fig. 2—4. Querschnitte durch jüngere Eifollikel, um die Faltenbildung des ‚Epithels zu zeigen. Vergr. 220. Fig. 5 u. 6. Keimbläschen mit umgebendem Eidotter und der Follikel- wand. Das Keimbläschen liegt in beiden Fällen sehr nahe an dem Follikel- epithel. Vergr. 450. Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. Von Prof. A. S. Dögiel und Stud. K. Willanen (St. Petersburg). Mit Tafel XX. Die ganze ausgiebige Litteratur dieser Frage wollen wir hier nicht berühren, da dieselbe genügend ausführlich bei SchwALBE! und in den Abhandlungen von A. DOGIEL?, GEBERG? und zum Theil SZYMoNo- wıcz! dargelegt ist, sondern verweilen hier bloß bei den Arbeiten der drei letzteren Autoren, die die neuen Methoden der Nervenfärbung angewandt haben. A. DoGIEL kam, nach Färbung der Nerven mit Methylenblau, zum Resultat, dass die Tastscheiben der GRANDRY- schen Körperchen aus Fibrillen und einer interfibrillären Substanz bestehen, wobei die ersteren einen Ring an der Peripherie der Scheibe bilden, die letztere dagegen vorwiegend die centrale Partie der Scheibe einnimmt. A. GEBERG, der die GranprY'schen Körperchen nach der Me- thode EHRLICH’s und zum Theil nach Gorcr’s Methode untersuchte, fand, dass sich auch im centralen Theil der Tastscheibe Fibrillen in geringer Zahl vorfinden, dass dieselben jedoch am Rande der Scheibe zahlreicher sind und hierselbst frei endigen. Die genannten - freien Endigungen bedingen, nach den Beobachtungen GEBERE'S, das gezähnte Aussehen des Randes der Tastscheibe. SZYMONOWIcZ bediente sich zur Untersuchung der GRANDRY- schen Körperchen der EHruicH’schen Methode und der Vergoldung und wandte außerdem versc"iedene Arten von Fixirungsflüssigkeiten 1 Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. 2 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1891. 3 Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 1893. * Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XLVIIL 1897. 3500 A. 8. Dogiel und K: Willanen, (Sublimat, ZENKER'sche Mischung u. a.) an mit nachfolgender Fär- bung nach M. Hrıpex#Aamn. In seiner Abhandlung beschreibt er ausführlich sowohl den Bau der Tastzellen als auch die Beziehungen der Nerven zu den Tastscheiben. Auf Längsschnitten durch die Zellen ist es, nach der Beschreibung Szymoxowıcz’s ersichtlich, dass die Mitte und die beiden peripheren Theile einer jeden Zelle eine verschiedene Struktur haben. Die Mitte erscheint aus vier bis acht dünnen bogenförmigen (hyperbolisch gebogenen) Streifen zusammen- gesetzt, deren Konvexität zum Kern der Zelle gerichtet ist. Die genannten Streifen oder Fäden werden durch eine interfibrilläre Sub- stanz vereinigt, durch welche äußerst dünne Fibrillen hindurchziehen und die Fäden mit einander verbinden. In der interfibrillären Sub- stanz sind außerdem noch Gruppen von stark lichtbrechenden Körn- chen wahrnehmbar, die sich in Hämatoxylin mit Eisenalaun färben. Was die Seitentheile der Zelle anbelangt, so sind dieselben dess- eleichen aus sehr dünnen Fäden zusammengesetzt, die in Form von Parabeln verlaufen, wobei sie durch zahlreiche feine Fibrillen ver- bunden werden, in Folge dessen die genannten Theile der Zelle eine Art Netzstruktur erhalten. Auf Querschnitten haben die Zellen das Aussehen von Kreisen, in denen leicht ein peripherer und ein centraler Theil unterschieden werden kann. Der erstere besteht aus feinen, unter einander ana- stomosirenden, Fäden, die radienförmig vom Centrum zur Peripherie ziehen, der zweite erscheint aus koncentrisch angeerdneten Körnchen zusammengesetzt. SZYMONXow1Icz vergleicht die Bilder, die von Längs- und Querschnitten der Tastzellen erhalten werden und nimmt an, dass die Zellen aus feinen, anastomosirenden Fäden bestehen, die in bogenförmigem Verlauf von der oberen Fläche einer jeden Zelle zur unteren ziehen, wobei sie in dem centralen Theile der Zelle dicht bei einander gelagert sind. Die Nerven- (Tast-) scheibe erscheint in ihrem mittleren Theil um Einiges dicker als am Rande, in Folge dessen sie auf Längsschnitten ein spindelförmiges Aussehen hat. Der Achseneylinder tritt zwi- schen den Tastzellen ein, erhält die Form einer Tastscheibe und entsendet gleichzeitig ins Innere der letzteren ein Bündel Fibrillen, die sich fächerförmig in der Scheibe ausbreiten. Die Fibrillen dringen in die Scheibe von der Eintrittsstelle des Achseneylinders zwischen den Tastzellen ein, ziehen bis hart an den Rand der Scheibe und vereinigen sich netzförmig unter einander. Nach der Ansicht Szymowowiıcz’s sind die Nervenscheibe und die Tastzellen Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. 351 scharf von einander abgegrenzt und es besteht zwischen ihnen keine organische Verbindung: sie sind unter einander nur »per contigui- tatem« verbunden. Die Resultate, zu denen Szymoxowicz in Betreff der Beziehung der Nerven zu den Granpry’schen Körperchen gelangt ist, stimmen auf diese Weise eigentlich mit den Resultaten überein, zu denen bereits lange Zeit vorher andere Beobachter gelangt sind (RANVIER, G. Rerzıus u. A.). Die von mir und Stud. K. WILLANEN angestellten Untersuchungen haben gezeigt, dass die Beziehungen der Nerven zu den GRANDRY- schen Körperehen durchaus nicht so einfach sind als sie bisher vor- ausgesetzt wurden Zum Studium dieser Beziehungen wurde die Methode angewandt, die ausführlich in meiner Abhandlung »Zur Frage über den Bau der Hergsr’schen Körperchen« im Bd. LXVI, 3. Heft dieser Zeitschr. dargelegt ist, wesswegen wir hier nicht weiter auf dieselbe eingehen wollen. Es ist nur hinzuzufügen, dass Zwecks Isolirung der Tastzellen Zupfpräparate aus der Haut des Enten- schnabels, die in Methylenblau gefärbt und darauf in pikrinsaurem Ammonium fixirt worden war, angefertigt wurden. Auf Quer- und Flachschnitten durch die Schnabelhaut der Haus- ente, welche in Methylenblau gefärbt und nach dem, von mir modi- fieirten, Verfahren von BETHE oder in pikrinsaurem Ammonium fixirt worden waren, zum Theil auch auf Zupfpräparaten, ist es nicht schwer zu konstatiren, dass die Tastzellen, je nachdem ob ihrer zwei oder mehr an der Zusammensetzung des Körperchens Theil nehmen, eine andere Form haben. Wird das Körperchen von zwei Zellen ge- bildet, so hat jede von ihnen die Form eines Kugelsegmentes, wo- bei die zu einander gewandten Flächen dieser Zellen, in einer ge- wissen Entfernung von der Peripherie, mehr oder weniger konkav erscheinen. Wird jedoch das Körperchen von mehreren Zellen zu- sammengesetzt, so behalten nur die an den Polen des Körperchens gelagerten Zellen die oben geschilderte Form, alle übrigen zwischen - diesen eingeschobenen Zellen erscheinen in Form ziemlich dicker bikonkaver Scheiben. Die genannte Form von Zellen trat besonders deutlich in Isolationspräparaten hervor, in denen es nicht selten gelang zwei und drei derartiger Zellen zu sehen, wobei es bei einem leichten Druck mit einer Nadel auf das Deckglas möglich war den Zellen eine verschiedene Lage zu geben und dieselben von der Fläche und der Seitenansicht zu betrachten. Dabei waren jedoch in den Präparaten äußerst selten vereinzelte Zellen anzutreffen, unge- 892 A. 8. Dogiel und K. Willanen, achtet des ziemlich lang dauernden Verweilens der Hautstücke des Schnabels in einer Lösung von pikrinsaurem Ammonium — gewöhn- lich waren die Zellen zu zwei und zu drei verbunden, was, nach . unserer Meinung, auf eine sehr feste Verbindung der Zellen mit den Tast- (Nerven-) scheiben der Autoren hinweist. Zu Gunsten dieser Ansicht sprechen auch noch andere Befunde, die weiter unten erwähnt werden sollen. Das Verhalten der Zellen zum Methylenblau ist ein verschie- denes, je nach der Dauer der Einwirkung und der Koncentration der Lösung: entweder werden sie intensiv blau gefärbt, oder sie bleiben fast vollkommen ungefärbt, während nur die Kerne gefärbt erscheinen, oder endlich die Kerne nehmen in den gefärbten Zellen keine Farbe an. Häufig kann man in einem Körperchen neben gefärbten Zellen vollkommen ungefärbte finden. Auf Schnitten, die durch die ganze Dieke der Zelle (Längsschnitten) oder parallel der Oberfläche (Quer- schnitten) gefallen sind, kann man in Fällen nicht zu intensiver Fär- bung, d. h. nach einer kurzdauernden Einwirkung des Methylen- blaus leicht konstatiren, dass in jeder Zelle eine Menge feiner dunkelblau gefärbter Granula eingelagert ist (Fig. 1. Nach einer verhältnismäßig langandauernden Einwirkung des Färbemittels er- scheinen in den Zellen statt Granula Gruppen von Körnchen, die vollkommen identisch sind mit den Nısst’schen Schollen oder Körper- chen (Fig. 1). Im ersteren Falle sind die Granula in der Zelle in einer gewissen Regelmäßigkeit gelagert: auf Querschnitten sind die- selben in der peripheren Zone einer jeden Zelle in regelmäßigen parallelen Reihen angeordnet in der Richtung zum centralen Theil des Zellleibes, woselbst die Granula ihre regelmäßige Anordnung einbüßen und augenscheinlich ohne jede Ordnung zerstreut bis dicht an den Zellkern gelagert sind (Fig. 1). Auf Längsschnitten durch die Zellen ist es ersichtlich, dass die Granula in bogenförmigen Parallelreihen angeordnet sind, die an die Anordnung der Zellfibrillen erinnern. Im zweiten Fall, d. h. wenn statt der Granula in den Zellen srößere Körner und Schollen auftreten, konnte keine Regelmäßigkeit in der Anordnung derselben, weder in dem peripheren noch im cen- tralen Theil konstatirt werden. Die erwähnten Befunde legen den Gedanken nahe, dass die Tastzellen mit den Nervenzellen identisch sind und geben Veranlassung einige Worte in Betreff der unlängst erschienenen Arbeit von E. SJOoVALL! auszusagen. Genannter Autor ! Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. Anat. Hefte, herausgeg. von Fr. MERKEL u. R. BoxxEr. Heft 40. 1899. Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. 353 erwähnt unter Anderem auch den Einfluss der Methylenblaulösungen auf die Bildung von Tigroidkörnern in den Nervenzellen. Wie früher, so auch jetzt bin ich nichtsdestoweniger davon überzeugt, dass eine kurzdauernde Einwirkung schwacher Methylenblaulösungen nicht der- maßen schädlich auf die Nervenzellen einwirken kann, wie es SJo- VALL voraussetzt. In Folge dessen sind, nach meiner Meinung, die Körnchen, die sich in der ersten Periode der Einwirkung des Me- thylenblaus färben, Gebilde, die in den lebenden Zellen vorhanden sind. Darauf weist auch die durchaus regelmäßige Anordnung der Körner hin, die dem Verlauf der Fibrillen oder von Bündeln der- selben in der oder jener Form der Nervenzellen entspricht, da die Körnchen selber, nach meiner Meinung, in der imterfibrillären Sub- stanz eingelagert sind. Was jedoch die Periode der Einwirkung des Farbstoffs anbelangt, wenn die Körnchen sich zu Schollen gruppiren — echte Tigroidkörner, so halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass eine derartige Verlagerung der Körnchen das Resultat der in der Zelle erfolgenden postmortalen Veränderungen ist, oder irgend welcher anderer uns wenig bekannter Bedingungen ist; das Methylen- blau selber übt dabei keine aktive Rolle aus. An jedes Körperchen treten je nach dessen Zusammensetzung ein oder zwei markhaltige Nervenfasern verschiedener Dieke heran, welche in größerer oder geringerer Entfernung vom Körperchen, ent- weder dicht bei seiner Hülle oder gar innerhalb der Hülle (zwischen ihr und den Zellen) die Markscheide verlieren und in Form von nackten Achseneylindern in die Zwischenräume zwischen den Zellen eindringen. Hier wird jeder Achseneylinder durch den Druck, den die Tastzellen au ihn ausüben, abgeplattet und nimmt die Form einer mehr oder wenige runden oder ovalen Scheibe an, die schon längst unter dem Namen Tastscheibe bekannt ist. Die genannte Scheibe hat, wie es auf Längsschnitten durch die Körperchen zu sehen ist, eine ungleiche Dieke: ihr mittlerer Theil, der den Zwischenraum zwischen den konkaven Flächen zweier Zellen einnimmt, erscheint dicker als die periphere Zone, die zwischen den sich berührenden flachen Rand- theilen der Zellen gelagert ist. Die Tastscheibe erhält auf diese Weise das Aussehen einer bikonvexen Linse und nimmt auf Längs- schnitten eine Spindelform an. — Der Rand einer jeden Tastscheibe erreicht nie die Rän- der der Zellen, zwischen ihm und den letzteren bleibt stets eine schmale Zone, in welcher die Zellen sich mit ihren planen Flächen unmittelbar berühren. Da die freien Ränder 354 A.-S. Dogiel und K. Willanen. der Tastzellen abgerundet erscheinen, so ist es klar, dass zwischen zwei sich berührenden Zellen eine flache Kreisrinne entstehen muss, die von feinen Bündeln der bindegewebigen Hülle der Körperchen ausgefüllt wird; zwischen den zu einander ge- kehrten planen Flächen der Zellen selbst dringt die Kapsel nie en. Auf Flachschnitten durch die Haut des Entenschnabels gelingt es nicht selten GrAnprY’sche Körperchen anzutreffen, die genau im Niveau eines Zwischenraumes zwischen den Zellen durchschnitten sind und auf diese Weise sowohl die Struktur der sog. Tastscheibe als auch die Beziehungen des Achsencylinders zu ihr erkennen lassen. Auf derartigen Schnitten zeigt es sich, dass der Achseneylinder, nach seinem Eintritt zwischen den Zellen, sich in geringer Entfernung vom Rande der Zellen zu der obenerwähnten Scheibe abflacht, welche aus einer Menge äußerst feiner Nervenfibrillen und einer interfibrillären Substanz zusammengesetzt ist. Die ersteren färben sich gewöhnlich bedeutend intensiver als die letztere und treten in Folge dessen sehr deutlich hervor. Die Fibrillen weichen, angefangen von der Ein- trittsstelle des Achsenceylinders in den Zwischenraum zwischen den Zellen, fächerförmig aus einander und ziehen in leicht divergirender Richtung zur Peripherie der Scheibe, wobei sie in der peripheren Zone der letzteren bis dicht an den Rand derselben sich durchkreuzen und verflechten; hier bilden sie nicht selten einen dichten Plexus, wie einen Kranz, der die Scheibe umsäumt (Fig. 2 u. 3). In einigen Fällen divergiren die Fibrillen von der Eintrittsstelle des Achsen- cylinders und verlaufen gleichzeitig parallel dem Rande der Scheibe selber (Fig. 2 A). Die beschriebene Vertheilung der Fibrillen in dem zu einer Scheibe abgeplatteten Achseneylinder erscheint als Resultat des von den Tastzellen auf ihn ausgeübten Druckes. Stellen wir uns in der That vor, dass irgend ein Gebilde von bandförmiger oder cylindrischer Gestalt aus mehr oder weniger festen Fäden und einer zwischen denselben gelagerten halbflüssigen Masse besteht, so müssen, im Fall sein Ende zwischen zwei runden Scheiben gedrückt wird — die ihn zusammensetzenden Fäden einen divergirenden Verlauf zum Rande des zu einer Scheibe komprimirten Gebildes annehmen. Dasselbe betrifft im gegebenen Falle auch den Achseneylinder, auf den die Tastzellen gleichmäßig von unten und von oben drücken. Darf man jedoch den. derart komprimirten Achsencylinder als eine Endigung desselben in Form einer »Tastscheibe« der Autoren be- trachten? Fast alle Beobachter mit Ausschluss von F. MERKEL be- Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. 355 antworten diese Frage bejahend. Uns erscheint jedoch eine derartige Antwort nicht vollkommen gerechtfertigt. Vor Allem ist sie schon aus dem Grunde ungerechtfertigt, dass der Achseneylinder nicht selten, nachdem er die Form einer Scheibe angenommen, am freien Rande einer der Zellen hervortritt, um dieselbe herumbiegt und in einen anderen Zwischenraum zwischen zwei Zellen eintritt, wo er wiederum zu einer Scheibe abgeflacht wird (RETZIUS, DOGIEL, SZYMONOWIcz). Ja, der Achseneylinder tritt bisweilen, wie unsere Beob- achtungen gezeigt haben, nach Bildung einer Scheibe in einem Körperchen am Rande der Zellen und aus dem Be- reich des Körperchens heraus, wobei er in Form eines nackten Achsencylinders zu einem anderen näher oder weiter gelegenen Körperchen hinzieht, in dem er wiederum eine neue Tastscheibe bildet (Fig. 4). Wir konnten sogar der- artige Fälle beobachten, dass ein und derselbe Achsencylinder auf die eben geschilderte Weise nicht in zwei, sondern in drei verschiedenen GranDry’schen Körperchen Tastscheiben bildete. Auf diese Weise erscheinen nicht nur die Scheiben eines Körperchens, sondern sogar einige Körperchen eng mit einander verbunden. Außerdem jedoch besteht nach unseren Beobachtungen zwischen den eine Scheiben- form annehmenden Achseneylindern und den Tastzellen eine viel engere Verbindung als eine einfache Berührung. Darauf weist der Umstand hin, dass die Tastzellen bisweilen von der Einwirkung des molybdänsauren Ammoniums und des Alkohols mehr oder weniger schrumpfen, wobei, wie es auf Längsschnitten durch die Körperchen (Fig. 5) ersichtlich ist, die Spalte zwischen den Zellen bedeutend srößer wird. In diesen Fällen ist die eine oder die andere Tast- scheibe nicht frei in der erwähnten Spalte gelagert und löst sich nicht von der Oberfläche der Zellen ab, sondern bleibt stets in enger Verbindung mit der Oberfläche einer von ihnen. Viel häufiger zerreißt die Tastscheibe derart, dass ein Theil derselben mit der Oberfläche einer Zelle, der andere mit - der Oberfläche der anderen Zelle verbunden bleibt, wobei zwischen den zerrissenen Theilen der Scheibe feine quere Fäden ziehen, die die genannten Theile verbinden (Fig. 5). Dieses Verhalten spricht nach unserer Meinung zu Gunsten dessen, dass die Tastscheiben sehr fest mit den Zellen verbunden sind und bei der Isolirung der Zellen entweder mit einer von ihnen in Zusammenhang bleiben oder jedoch selber zerreißen. Dasselbe lässt sich auch auf Isolationspräparaten beobachten, in denen, wie Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 24 356 A. 8. Dogiel und K. Willanen, oben erwähnt wurde, die Zellen in der Mehrzahl der Fälle zu- sammen mit den Scheiben isolirt werden. Ein derartiges Verhalten könnte durch die Anwesenheit einer’besonderen Kittsubstanz zwischen einer jeden Scheibe und den Zellen erklärt werden; die Anerken- nung einer derartigen Substanz erscheint jedoch überflüssig in An- betracht der folgenden Befunde. Auf Querschnitten durch die Körperchen, welche durch die Tast- scheibe näher oder weiter von ihrer Oberfläche gefallen sind, erscheint die Scheibe selber rund, der von ihr nicht bedeckte periphere Theil der Zelle in Form eines Gürtels, der die Scheibe ringförmig umgiebt. In der Regel ist es auf derartigen Schnitten nieht schwer zu beob- achten, dass von dem um Einiges dunkler gefärbten Rande der Scheibe sich eine Menge äußerst feiner, stellenweise wie verdiekter Fibrillen absondert, die radiär zum freien Rande der Zelle ziehen und in der Substanz der letzteren eingelagert sind (Fig. 6). Zu Gunsten dieses Verhaltens spricht unter Anderem auch der Umstand, dass auf welcher Höhe der Schnitt durch die Scheibe auch gefallen ist (in der Höhe des Zwischenraumes zwischen den Zellen oder um Einiges tiefer oder höher), stets sind die vom Rande der Scheibe abgehenden Fibrillen sichtbar — es ändert sich nur ihr Durchmesser. Bisweilen ist die Mehrzahl der Fibrillen nur auf einem geringen Theil ihres Verlaufs gefärbt — in diesem Falle geht vom Rande der Scheibe eine Reihe feiner Dornen ab, in Folge dessen derselbe uneben, wie ge- zähnt erscheint (Fig. 3 D). Beim Vergleich des Verlaufs der Fibrillen in der peripheren Zone der Zelle mit der Vertheilung der Körnchenreihen in derselben (siehe oben) ist es nicht schwer sich davon zu überzeugen, dass so- wohl die ersteren als auch die letzteren in einer Richtung verlaufen, wobei die Körnchenreihen, nach unserer Meinung, zwischen den Fi- brillen oder Fibrillenbündeln in der interfibrillären Substanz der Zelle gelagert sein müssen. Auf Längsschnitten durch die GrAnDrY’schen Körperchen kann man in gewissen Fällen wahrnehmen, dass von der durchschnittenen Scheibe, in ihrer ganzen Ausdehnung, eine Menge Fibrillen in die Sub- stanz der einen oder der anderen Zelle abgehen, woselbst sie entweder sich leicht windend und augenscheinlich sich theilend einander mehr oder weniger parallel verlaufen, oder aber nach Art eines Spring- brunnens nach verschiedenen Seiten aus einander weichen, sich nicht selten auf ihrem Verlauf winden, und auf eine größere oder geringere Entfernung von der Scheibe verfolgt werden können (Fig. 6). Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. 357 Auf Grund aller angeführten Befunde sind wir zum Schluss gelangt, dass die Tastscheiben der Autoren nicht als End- apparate angesehen werden können; von jeder Scheibe sondert sich eine Menge Nervenfibrillen ab, die in das Protoplasma der Tastzelle eindringen und in derselben springbrunnenartig nach verschiedenen Seiten aus einan- der weichen, wovon zum Theil auch der fibrilläre Bau der Zelle und die eigenthümliche Vertheilung der Fibrillen in ihr abhängt. In den GrAaxpry'schen Körperchen endigen jedoch, abgesehen von den eben beschriebenen Nerven, noch eine andere Art Nerven- fasern, welche, so weit uns bekannt ist, bisher noch von Niemand beschrieben worden sind. Sie sind, sowie auch die Nervenfasern der ersteren Art von einer Markscheide umgeben, verlaufen mit ihnen in den Nervenstämmcehen und sondern sich alsdann, noch in der tiefen Schicht der Schnabelhaut von den Stämmchen, worauf sie in schrä- ser oder senkrechter Richtung zu der derben bindegewebigen Schicht der Schnabelhaut aufsteigen, in welcher die GRANDRY’schen Körper- chen eingelagert sind. Auf ihrem Verlauf gehen die genannten Fasern winkelige Theilungen in mehrere markhaltige und sogar marklose Zweige ein. Auf Flach-, sowie Quer- und Längsschnitten durch die Schnabel- haut ist es leicht wahrzunehmen, dass die genannten Fasern bald ihre Markscheide verlieren und in Form verschieden dicker markloser Fasern weiterziehen. Die letzteren lagern sich mehr oder weniger parallel der Oberfläche der Schnabelhaut und zerfallen auf ihrem Verlauf allmählich in verschieden dicke Nervenästchen und -Fäden, welche in der Ein- oder Mehrzahl zu einem GRANDRrY’schen Körper- chen herantreten und durch dessen Hülle hindurchtreten (Fig. 7, 8, 9,10 und 11). Nicht selten theilt sich ein derartiges Ästchen dicht am Körperchen in zwei bis drei Fäden, die alsdann durch die Hülle des Körperchens hindurchtreten. In der Regel treten die erwähnten Fäden zu dem Körperchen entweder von der Seite heran, von wel- cher die markhaltige, in den Tastzellen endigende, Nervenfaser in das- selbe eindringt oder von irgend welcher anderen Seite des Körper- chens.. Nach dem Eintritt unter die Hülle des letzteren dringen die Nervenästehen nicht zwischen den Tastzellen ein, sondern lagern sich auf ihrer äußeren Fläche zwischen ihnen und der Kapsel des Körper- chens. Hier zerfällt ein jedes Ästchen in eine Menge feiner, nicht sel- _ ten mit großen Varicositäten besetzter Fäden, wobei dieselben sich 24* 358 | A. S. Dogiel und K. Willanen, mehrfach theilen, und indem sie sich unter einander ver- binden, auf der Oberfläche der Tastzellen ein dichtes Netz bilden (Fig. 7, 8, 9, 10 und 11). Auf Flachschnitten durch die Schnabel- haut kann man ersehen, dass die Fäden sich häufig auf verschiedene Weise um die Zellen winden, nicht selten dieselben mehrfach um- kreisen, in Folge dessen ein Bild entsteht, das an einen Nervenknäuel erinnert (Fig. 9 C). Ein derartiges Verhalten der Fäden tritt beson- ders klar auf Flachschnitten durch die Schnabelhaut hervor, wie solche in den Fig. 7, 8, 9, 10 und 11 dargestellt sind. In der Mehrzahl der Fälle färben sich mit den die pericellulären Netze bildenden Nervenfäden mehr oder weniger intensiv auch die Tastzellen, nicht selten außerdem auch noch die sog. Tastscheibe mit den markhaltigen Fasern. In Folge dessen gelingt es die Beziehungen der Fäden selber zu den Zellen mit noch größerer Sicherheit festzu- stellen. Auf denselben Flachschnitten ist es ferner nicht schwer sich davon zu überzeugen, dass eine Nervenfaser, indem sie in eine Menge von Ästehen zerfällt, die Zellen vieler, nicht selten zehn und mehr GRANDRY’scher Körperchen mit pericellulären Netzen versorgt. Das- selbe, wenn auch schwieriger, lässt sich auf Längs- und Querschnitten durch die Schnabelhaut wahrnehmen. Fig. 10 stellt einen derartigen Schnitt dar, auf welchem eine markhaltige Nervenfaser sichtbar ist, die sich gabelförmig in zwei marklose Fasern theilt, wobei die eine von diesen sich in ihrem Verlauf windend zu einer Reihe GRANDRY- scher Körperchen hinzieht und auf diesem Wege ihnen feine, varicöse Seitenästehen abgiebt, welche alsdann auf der Oberfläche der Tast- zellen endigen. Die erwähnte Faser, die nur zum Theil auf Fig. 10 dargestellt ist, konnte auf eine weite Strecke hin verfolgt werden, wobei sie, an Dicke abnehmend, mit ihren Ästchen noch einige Körper- chen versorgte und alsdann selber auf den Zellen eines Körperchens in ihre Endäste zerfiel. Nicht immer stellt jedoch das pericelluläre Netz das Ende eines Nervenästchens dar: häufig sondern sich von demselben 1—2—3 feine Zweige ab, die zu einem oder mehreren benachbarten Körper- chen hinziehen und um die Zellen desselben ein neues pericelluläres Netz bilden (Fig. 8 und 11), oder sich bloß zu den Netzen zugesellen, die von anderen Ästchen gebildet werden. Im letzteren Fall dienen derartige Ästchen der gegenseitigen Verbindung pericellulärer Netze. Die hier angeführten Beobachtungen weisen darauf hin, dass in den Granpry’schen Körperchen zweierlei Arten markhal- tiger Nervenfasern endigen: die einen dringen zwischen Die Beziehungen der Nerven zu den Grandry’schen Körperchen. 359 den Tastzellen ein und senden, nach Bildung einer Tast- scheibe, feinste Fibrillen ab, die augenscheinlich in das Protoplasma der Zellen selber eindringen; die anderen endigen in pericellulären Netzen auf der Oberfläche der Zellen. Es ist unzweifelhaft, dass derartige Beziehungen überall da vorhanden sein müssen, wo Tastzellen zu finden sind, unter Anderem auch in der Haut des Schweinsrüssels und in der äußeren Wurzel- scheide der Tasthaare. St. Petersburg, November 1899. Erklärung der Abbildungen, Tafel XX. Alle Figuren, ausgenommen Fig. 10 und 11, sind bei einer Vergrößerung mit Objektiv 8a von REICHERT gezeichnet worden. Fig. 1A, B und C. Querschnitt durch ein GranpryY'sches Körperchen (Flachsehnitt durch die Schnabelhaut der Ente). a, Hülle; 5, Tastzelle mit Kern und eingeschlossenen Körnchen. 2, Längsschnitt durch ein Körperchen, in einer Tastzelle (5) sind in Reihen angeordnete Körnchen sichtbar. C, Längsschnitt durch ein Körperchen. a, Hüllen; d, Tastzellen mit Tigroidkörnern. Fig. 2A, Bund ©. A, ein nicht durchschnittenes GrRAnDrY’sches Körperchen in der Seitenansicht. Bei einem gewissen Focalabstand sind zu sehen der Achsen- eylinder (a) mit der von ihm gebildeten Tastscheibe der Autoren und die Zu- sammensetzung der Scheibe aus Fibrillen und interfibrillärer Substanz; db, Tast- zellen; e, Hülle. 2 und C‘, Querschnitte durch GRAnDrRY’sche Körperchen auf der Höhe der Tastscheibe. a, markhaltige Nervenfaser, deren Achsencylinder die Tastscheibe bildet; es ist die Vertheilung der Fibrillen im centralen und peripheren Theil der Scheibe sichtbar;-d, der periphere Theil einer Tastzelle. Fig. 34, B, C und D. Querschnitte durch GRAnDrY’sche Körperchen in der Höhe der Tastscheibe. A, eine markhaltige Nervenfaser (a), deren Achsen- eylinder eine Tastscheibe bildet; man sieht die Vertheilung der Fibrillen in letz- terer; 5, Randtheil einer Tastzelle.e. B und C, vom Rande der Tastscheibe, welche von einer Nervenfaser (a) gebildet wird, gehen Fibrillen zum Randtheil einer Tastzelle () ab; c, Hülle. D, ein Achseneylinder (a), welcher in eine Tast- scheibe übergeht; vom Rande der letzteren gehen Fibrillen zur peripheren Zone (4) der Tastzelle ab, wobei der größte Theil der Fibrillen sich nur auf kurzen Strecken gefärbt hat, in Folge dessen der Rand der Scheibe gezähnt erscheint; c, Hülle. Fig. 4. Eine markhaltige Nervenfaser (a), deren Achseneylinder eine Tast- scheibe jbildet; von der letzteren geht ein feiner Ast ab (b), welcher in eine zweite Tastscheibe übergeht. Fig. 5A und 2. Tastzellen, welche durch die Einwirkung von Reagentien etwas geschrumpft sind, wobei die Tastscheiben zerrissen erscheinen. a, Nerven- fasern; d, Tastzellen; c, Hülle. 360 A.S. Dogiel und K. Willanen, Die Beziehungen der Nerven etc. Fig. 64, B, C und D. GrANnDRY’sche Körperchen im Querschnitt. Es sind Fibrillen wahrnehmbar, die von den Tastscheiben aus in die Substanz der Tastzellen eindringen. a, Nervenfasern; 5b, Tastzellen; c, Hülle. Fig. 7. Flachschnitt durch die Schnabelhaut der Ente. a, Nervenfaser, die sich in viele feine Zweige (5) theilt, welche ihrerseits in pericellulären Netzen um die Tastzellen GrRAnDRY’scher Körperchen endigen. Fig. 8. Flachschnitt durch die Schnabelhaut. a, eine Nervenfaser theilt sich in mehrere Zweige, welche in pericellulären Netzen endigen; vom pericellulären Netz des Körperchens 5 gehen drei feine Nervenäste ab, die ein pericelluläres Netz um die Zelle e bilden; d, Hülle. Fig. 9A, B und C. A, eine markhaltige Nervenfaser (a), die eine Tast- scheibe bildet; 5, eine Nervenfaser zweiter Art, welche in einem pericellulären Netz endigt; c, Tastzelle; d, Hülle. 2, von einer Nervenfaser (a) gehen feine Aste ab, welche in einem pericellulären Netz um die Tastzellen eines GRANDRY- schen Körperchens endigen. C, eine Nervenfaser (a), deren Zweige die Zellen GRANDRY’scher Körperchen mehrfach umkreisen. Fig. 10. Querschnitt durch die Schnabelhaut. 7, Bindegewebe, 2, Epithel. a, eine markhaltige Nervenfaser verliert die Markscheide und theilt sich in zwei Äste, von denen der eine zu sieben GRAnDrY’schen Körperchen hinzieht und auf seinem Verlauf denselben Seitenäste (b) abgiebt; die letzteren endigen in pericellulären Netzen um die Tastzellen; ec, Tastzellen und Tastscheiben. Reı- CHERT Obj. 6, halbausgezogener Tubus. Fig. 11. Ein Graxpry’sches Tastkörperchen aus einem Querschnitt durch die Schnabelhaut der Ente. a, Nervenfaser, die eine Tastscheibe bildet; 5, Nerven- faser, die in einem pericellulären Netz endigt, von welchem Zweige (c) abgehen, die ihrerseits ein pericelluläres Netz um die Zellen eines anderen GRANDRY’schen Körperchens bilden. REICHERT Obj. 6, halbausgezogener Tubus. Alle Zeichnungen sind mit Hilfe eines OÜBERHÄUSER’schen Prismas ange- fertigt von Präparaten, die in Methylenblau gerärbt und nach dem von mir modificirten BETHE’schen Verfahren fixirt worden waren. Einige Bemerkungen über den Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. Von Oswald Seeliger (Rostock). Mit Tafel XXI—XXIH und einer Figur im Text. In mehreren kleineren Mittheilungen! habe ich im Laufe der letzten Jahre Beobachtungen über den Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien veröffentlicht und im Besonderen versucht, die Frage nach der Segmentation dieses Körperabschnittes zur Entscheidung zu bringen. Wenn ich hier nochmals auf diese Verhältnisse zurück- komme und eine eingehendere Darstellung gewisser Organisations- eigenthümlichkeiten der Copelaten auf Grund eines neuen und um- fassenderen Beobachtungsmaterials vorbringe, so geschieht es nicht zum wenigsten aus Rücksicht auf die Ausführungen, die GEGENBAUR? in seiner neuen »Vergleichenden Anatomies der Muskulatur der Appendicularien widmet. Da diese Darstellung den Thatbestand nicht zutreffend wiedergiebt, ist bei dem hohen Ansehen und der weiten Verbreitung, deren sich das Werk mit Recht erfreut, zu be- fürchten, dass die richtige Auffassung nicht leicht zur Anerkennung gelangen werde. Ich habe daher mein älteres Material an Appendicularien, das vornehmlich aus Triest und Villafranca stammt, einer erneuten Unter- suchung unterzogen, wäre aber nicht in der Lage gewesen, meine Beobachtungen in der gleichen Vollständigkeit, wie es hier geschehen 1 SEELIGER, Die Bedeutung der »Segmentation« des Ruderschwanzes der Appendicularien. In: Zoolog. Anz. 1894. p. 162—165. — Die Tunicaten. In: Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. III Suppl. 1895. p. 103 bis 108, 120—126. — Die »Segmentation< des Ruderschwanzes der Appemdicu- larien. Referat im Zoolog. Centralbl. Bd. U. 1895. p. 609—614. ?2 GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. 1898. p. 603 ff. 362 “ Oswald Seeliger, ist, auszuführen, wenn nicht im vorigen Jahre ein mehrwöchiger Aufenthalt auf der Biologischen Anstalt Helgoland mich in den Stand gesetzt hätte, namentlich junge Appendicularien in genügender Zahl zu konserviren. An einigen Tagen der Pfingstwoche erschienen vor Helgoland, zwischen der Insel und der Düne, ziemlich große Appendicularienschwärme, die zumeist aus Oikopleura dioica be- standen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Direktor der Anstalt, Herrn Prof. HEImCKE, und den wissenschaftlichen Beamten für ihr freundliches Entgegenkommen auch an dieser Stelle verbind- lichen Dank zu sagen. Größere Mengen des reichhaltigen Planktons hatte ich in Formol konservirt. So vorzüglich dieses Mittel sich auch in manchen Be- ziehungen erwies, so waren doch gerade die Muskelkerne, die für die hier zu behandelnden Fragen von der größten Wichtigkeit sind, weniger günstig erhalten als nach Konservirung mit anderen Rea- gentien. Ich habe mich daher vorwiegend an das Material gehalten. das mit Sublimat und Platinchloridgemischen behandelt worden war, wenngleich der Gesammthabitus der Thiere sich oft weniger getreu bewahrt zeigte. Einige mir wichtig erscheinende Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung habe ich kürzlich in einem kleinen Vortrag! veröffent- licht, da ich nicht gewiss war, ob ich in der allernächsten Zeit würde dazu kommen können, die Abbildungen fertig zu stellen und meine Beobachtungen ausführlicher niederzuschreiben. Meine letzte Publikation beansprucht daher lediglich den Werth einer kurzen vor- läufigen Mittheilung. Auch an dieser Stelle beabsichtige ich keineswegs, eine voll- ständige Darstellung des histologischen Baues des Appendieularien- schwanzes zu geben, sondern ich möchte bloß die Eigenthümlich- keiten hervorheben, die mir geeignet zu sein scheinen, darüber Aufklärung zu geben, ob das Ruderorgan einen gegliederten Leibes- abschnitt darstellt oder nicht. Zu diesem Zwecke ist es ausreichend, die Muskulatur und das Nervensystem zu betrachten. I. Die Muskulatur. So wie die Ascidienlarven sind auch die Appendieularien in einen Rumpf- und Schwanzabschnitt gesondert, und die Übereinstim- ! Über Segmentation und Verwandtschaftsbeziehungen der Appendieularien. Sitzungsber. der naturf. Gesellsch. Rostock. 1899. Nr. 3. p. 2—10. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 363 mung im Bau des Ruderorgans ist bei beiden so groß, dass LEUCKART! noch Mitte der fünfziger Jahre — wie vor ihm auch JoH. MÜLLER? — die Copelaten nicht als eine selbständige Tunicatengruppe, sondern als Aseidienlarven ansehen konnte, die auf einer frühen Entwicklungs- stufe geschlechtsreif werden, ohne vermuthlich jemals ihre Metamor- phose zu vollenden. In der Achse des Schwanzes verläuft die Chorda. Bei den Appendicularien erweist sie sich in so fern höher entwickelt, als der protoplasmatische, die Kerne führende Theil nur noch peripher be- stehen bleibt und eine Art Chordascheide bildet, während das ganze Innere zu einem homogenen elastischen Stab umgeformt erscheint. Dorsal? von der Chorda verläuft das Nervensystem und seitlich je ein Muskelband. Die äußere Begrenzung wird bei den Appen- dieularien durch ein einschichtiges von einer Cuticula überdecktes plattes Ektodermepithel dargestellt, während bei Ascidienlarven über dem Epithel noch der äußere Cellulosemantel ausgeschieden ist. Die zwischen den inneren Organen bestehende primäre Leibes- höhle ist mit einer gallertartigen, zumeist gänzlich zellfreien Sub- stanz erfüllt; nur an bestimmten Stellen bleiben Lückenräume er- halten, die als Blutbahnen funktioniren und bei Appendicularien die zellenfreie Blutflüssigkeit führen. Somit sind die Lagebeziehungen aller Organe genau die gleichen, nur dass Chorda und Muskelbänder bei den Larven mehr oder minder weit in den Rumpfabschnitt hinein- reichen, bei den Appendicularien aber ganz auf den Schwanz be- schränkt erscheinen. Das Ruderorgan erweist sich daher bei den Cope- laten als ein viel schärfer abgegrenzter und selbständigerer Leibes- abschnitt als bei den Ascidienlarven. (Vgl. über die gegenseitigen Lagebeziehungen der Organe im Schwanz die Querschnitte in Fig. 3, Taf. XXI; Fig. 27 u. 28, Taf. XXI; über die Beziehung zwischen Rumpf und Schwanz Fig. 33, Taf. XXIL) Im lebenden Thier erstrecken sich die Muskelbänder kontinuir- lich, ohne jede Unterbrechung oder trennende Querlinien durch die ganze Länge hindurch, und in dieser Form beobachteten sie alle 1 LEUCKART, Zoologische Untersuchungen. 2. Heft. Salpen und Verwandte. 1854. 2 MÜLLER, Bericht über einige neue Thierformen der Nordsee. Archiv für Anat., Physiol. u. wiss. Mediein. 1846. p. 106. 1847. p. 158. 3 Der Appendicularienschwanz sitzt bekanntlich an der Ventralseite des Rumpfes und erscheint um 90° in der Weise um seine eigene Achse gedreht, dass seine Dorsalseite nach links gerichtet ist. 364 | | Oswald Seeliger, älteren Autoren, auch noch FoL!. Erst LANGERHANS? fand, dass bei Oikopleura velifera und einigen anderen Formen jedes Band nach Be- handlung mit 30—33 procentiger Kalilauge in zehn hinter einander ge- legene Stücke zerfiele, die er als »Muskelsegmente« deutete. Unter An- deren haben später auch VAn BENEDEN und Ju? diese Angaben bestätigt und noch andere Agentien erwähnt (z. B. 20 procentige Sal- petersäure), die die gleiche Erscheinung hervorrufen; auch beim Tode des Thieres trat eine Auflösung der Muskelbänder in einzelne Seg- mente ein. Den meisten Beifall aber fand vielleicht eine kleine Untersuchung von RAY LANKESTER?, in der für Fritillaria furcata sieben Muskelsegmente beschrieben werden. Jedem Segment sollte genau ein Ganglion und ein Paar motorische Nerven entsprechen, und damit schien es endgültig bewiesen zu sein, dass sich der Appendicularienschwanz aus einer Anzahl echter Segmente zusam- mensetze. Gegen diese Auffassung habe ich mich bereits früher in den Eingangs angeführten Abhandlungen gewendet. Auch LEFEVRE5 und RAnKkın6 kommen zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Abschnitte der Schwanzmuskulatur nicht als echte Muskelsegmente betrachtet werden dürften, weichen aber im Einzelnen nicht unerheblich von meinen Befunden ab. LEFEVRE fand, dass die Muskelbänder einer nicht näher bestimmten Appendicularie durch acht an bestimmten Stellen auftretende Rupturen der Fibrillen in neun hinter einander liegende Abschnitte zerfielen. Die Trennungslinien sind ihm aber nur durch die angewendeten Reagentien hervorgerufene Kunstprodukte. Allerdings vermag er es nicht genügend aufzuklären, warum die acht (Juerlinien jederseits immer an den bestimmten Stellen auftreten, aber er glaubt — aus nicht näher erörterten Gründen —, dass dies durch den Verlauf der peripheren Nerven bedingt werde. Er nimmt ı For, Etudes sur les Appendiculaires du detroit de Messine. M&m. Soc. de Phys. et d’hist. nat. Geneve. T. XXI, 2. 1872. 2 LANGERHANS, Zur Anatomie der Appendieularien. Monatsber. preuß. Akad. Wiss. Berlin. 1877. p. 561. 3 VAn BENEDEN et JULINn, Recherches sur la Morphologie des Tuniciers. Arch. de Biolog. T. VI. 1886. p. 393. 4 Ray LANKESTER, The Vertebration of the Tail of Appendieulariae. Quart. Journ. Mier. Se. Vol. XXI. 1882. p. 387. 5 LEFEVRE, The Vertebration of the tail of Appendiculariae. John Hopkins Univ. Cire. Vol. XIII. 1894. p. 57. 6 RankIn, On the supposed Vertebration of the tail in Appendicularia. Zool. Jahrb. Abth. für Anatomie. Bd. VII. 1894. p. 289. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 365 nämlich an, obwohl er das Nervensystem nicht näher untersucht hat, dass dem caudalen Hauptstrang in regelmäßigen Abständen paarweise Muskelnerven entspringen. Damit stimmt RANKIN in so fern überein, als auch er die trennenden Querlinien bei Orkopleura dioica lediglich für Kunstprodukte hält, die in keiner Weise auf eine Segmentation bezogen werden könnten. Dies ergäbe sich schon daraus, dass außer den regelmäßig gelagerten Rupturstellen in den Fibrillen ganz unregelmäßige aufträten, die sich nur über einen Theil der Breite des Muskelbandes erstreckten. Bei Fritillarıa furcata gelang es ihm überhaupt nicht, Querrupturen aufzufinden. — Wie jeder Querschnitt sofort lehrt, lassen sich in jedem Muskel- bande zwei Schichten unterscheiden: die tiefere, der Chorda an- liegende Fibrillenschicht und die oberflächliche, vom Ektoderm bedeckte Sarkoplasmaschicht (vgl. Fig. 3 u. 4, Taf. XXI; Fig. 27 bis 29, Taf. XXI). Die feinere Struktur der Fibrillenschicht ist zur Entscheidung der uns hier in erster Linie beschäftigenden Frage von nur weniger erheblicher Bedeutung und durch die älteren Unter- suchungen von RETZIUS! und von mir wenigstens so weit aufgeklärt, dass weitere Details zu keinen neuen Schlussfolgerungen über die Bedeutung der Segmentation führen dürften. Von Wichtigkeit ist es, dass die Fibrillen im lebenden Thier ohne jede Unterbrechung durch die ganze Länge des Muskelbandes sich hindurch erstrecken. Im Sarkoplasma, das als eine kontinuirliche Lage die Fibrillen bedeckt, liegen die Kerne. Sie wurden zuerst von RETZIUS beobachtet, aber irrthümlicher Weise als »eine baumförmige Zeichnung« gedeutet, die vielleicht mit den Nervenendigungen im Zusammenhang stehe. Der Nachweis der Muskelkerne ist für die Beurtheilung der Frage nach der Segmentation des Schwanzes von ausschlaggebender Be- deutung. Denn die Zahl und Lage der Kerne sind im ausgebildeten Muskel zumeist die einzigen Anhaltspunkte, um die Art und Weise der Zusammensetzung der Muskelbänder aus Zellen festzustellen. So gewinnt man auch die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, was denn die »Segmente< im Appendicularienschwanz eigentlich bedeuten. 1. Die Muskulatur der Fritillaria. Den einfachsten Bau zeigen die Muskelbänder bei den Fritillarien. Ich habe sie bei der nämlichen Form untersucht, die auch Ray Lax- KESTER beobachtete, bei Fritillaria furcata Fol. Obwohl bei allen 1 RETZIUS, Biologische Untersuchungen. Neue Folge. I. 1890. Die Muskel- fasern von Appendieularia. p. 81. 366 Oswald Seeliger, Arten jener Gattung der gesammte Schwanz verhältnismäßig breit und kurz ist, erscheinen doch in der Regel die Muskelbänder nur sehr schmal, zuweilen kaum breiter als die Chorda, um bei unserer Art bis auf etwa !/, der ganzen Schwanzbreite sich auszudehnen. Die Muskelzellkerne. Nach geeigneter Konservirung und Färbung treten sofort die Kerne der Muskelzellen hervor. Am vortrefflichsten erwiesen sich die Thiere, die mit Platinosmiumessigsäure oder anderen Platinchlorid- gsemischen behandelt worden waren. In EnurrLic#'schem Hämatoxylin färben sich die Kerne sehr gut, wenngleich es nur schwer gelingt, aus den übrigen dicken Theilen des Muskel- und Chordagewebes den Farbstoff vollständig auszuziehen und so die Kerne allein zur deutlichen Anschauung zu bringen. In Fig. 1, Taf. XXI habe ich das gesammte Muskelband der linken Seite eines kleineren Thieres abgebildet; die benachbarten Drüsen- zellen, Chorda und Schwanzganglien sind mit eingezeichnet worden. Im Sarkoplasma fallen sofort die zehn in einer Reihe hinter ein- ander gelegenen Muskelkerne auf. Ihre Gestalt ist allerdings sehr eigenartig und weit verschieden von der, der man sonst gewöhnlich in Epithelmuskelzellen begegnet; sie findet aber eine ausreichende Erklärung in der außerordentlich flächenhaften Ausbreitung einer jeden an der Bildung des Muskelbandes sich betheiligenden Zelle. Die Kerne erscheinen im Wesentlichen als siebförmig durchbrochene Platten oder flachausgebreitete Netzwerke. Am ursprünglichsten und nur wenig verändert trifft man die Muskelkerne im hintersten Schwanzabschnitt auch noch bei älteren Thieren an. Der letzte Kern erscheint auf jeder Seite als eine kleine, unregelmäßig kontourirte, zumeist ein wenig längsgestreckte Platte, in der nur wenige siebförmige Durchbrechungen aufgetreten sind (Fig. 23, Taf. XXI). Am peripheren Rand erheben sich, unregel- mäßig vertheilt, eine Anzahl scharfer Spitzen und Zacken. Die vorhergehenden Kerne, den achten und neunten jeder Reihe, erkennt man bereits als ein plattes Netzwerk (Fig. 1). Es entstand dadurch, dass einmal in der Platte des Kernes neue siebförmige Poren auf- traten, sodann die Randzacken unter dichotomischen, später wieder mit einander in Verbindung tretenden Verästelungen weiter wuchsen. Weiter nach vorn zu. nehmen die Kerne an Größe zu; das Netzwerk bleibt zwar stets flach ausgebreitet, ist aber viel reicher verzweigt als im hintersten Schwanzabschnitt. Nur der vorderste oder die Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 367 beiden vordersten Kerne jeder Seite sind in der Regel wieder etwas kleiner. Eine besondere Erwähnung verdienen die symmetrischen, schmetterlingsförmigen, wie aus zwei Hälften zusammengesetzt er- scheinenden Kerne, die sich häufig im mittleren und vorderen Schwanzabschnitt finden (vgl. besonders Kerne ZZ, III, IV in Fig. 1). Raukıy hat ähnliche Kernformen gesehen und angenommen, dass sie in der That auch durch Verschmelzung zweier ursprünglich setrennt neben einander liegenden Kerne entstehen. Untersucht man aber jüngere Thiere, so kann man sich unschwer davon überzeugen, dass eine derartige Verschmelzung hier nicht vorkommt, denn man findet auch bei diesen nur eine Kernreihe. Fig. 2 zeigt die vordere Hälfte (nur der erste Muskelkern ist nicht eingezeichnet worden) des linken Muskelbandes eines noch recht jungen Thieres bei stärkerer Vergrößerung. Durch Vergleichung mit Fig. 1 erhält man ein hin- reichendes Bild von der Entwicklung der Kernformen. Da, wo im älteren Thiere die »bilateralen Kerne« liegen, sieht man im jüngeren Stadium entweder noch ein ziemlich gleichartiges Netzwerk oder die Schmetterlingsform erst dadurch angedeutet, dass die dorsalen und ventralen Kernränder einmal durch ein dichteres Maschenwerk, sodann auch durch eine weitere Ausdehnung nach vorn und hinten ausgezeichnet sind. In den Kernmitten finden sich zwar weitere Maschen, dafür aber zumeist auch ein kräftigeres Faden- oder Balkenwerk. Kern V in Fig. 2 zeigt sich in der Umbildung zum »bilateralen Kern« bereits ziemlich weit vorgeschritten. Im vollendetsten Stadium erscheint die Mitte des Kernes im Verhältnis zu den dorsalen und ventralen Par- tien noch mehr eingeengt, und sie besteht aus einem nur so lockeren Maschenwerk, dass der Anschein erweckt wird, als ob zwei Kerne mit einander sich zu vereinigen im Begriffe wären. Übrigens zeigen die Kernformen auch gleich alter Thiere ziem- lich beträchtliche individuelle Verschiedenheiten, und nicht immer entwickelt sich die typische Schmetterlingsform. In Fig. 21 und 22 habe ich den 6. und 7. Muskelkern eines Thieres abgebildet, das etwas jünger war als das in Fig. 1 gezeichnete. Beide Kerne stellen unregelmäßig geformte Siebplatten dar, die namentlich in den mitt- leren Theilen von großen Öffnungen insehbröchen erscheinen; von einem bilateralen Bau aber lassen sie noch keine Andeutne er- kennen, während dieser in Fig. 2 in einem beträchtlich jüngeren Stadium bereits lange erreicht ist. Im Alter verfallen die Kerne überaus häufig einer weitgehenden 368 Oswald Seeliger, kückbildung. Das Netzwerk wird fein und zeigt sehr unregelmäßig vertheilte Nodositäten und gröbere Verdickungen. An verschiedenen Stellen erscheint der Zusammenhang unterbrochen, und füglich löst sich das ursprünglich einheitliche Kernreticulum in eine sehr wech- selnde Zahl verschieden großer getrennter Theile auf. Sowohl an der Peripherie als in der Mitte des Kernes können umfangreichere Resorptionen eintreten, so dass das Volumen der senil degenerirten Muskelkerne zuweilen nur sehr gering ist (vgl. Fig. 24, Taf. XXI). Bei Fritillaria furcata habe ich auch in den jüngsten mir zur Verfügung stehenden Thieren, deren Schwanzlänge kaum mehr als »/, mm betrug, die Kerne bereits stets als durchbrochene Platten angetroffen; eine Ausnahme machten höchstens die letzten Kerne der Reihe, die in den kleinsten Thieren noch undurchbohrte Scheiben darstellten. Bei anderen Fritillarien scheinen sich die scheiben- oder linsenförmigen Muskelkerne, ja zuweilen sogar fast kugelähnliche, zeitlebens auch bei der geschlechtsreifen Form zu erhalten. Wenig- stens bilden sie in dieser Weise ab LoHmann?! bei seiner neuen Fritillaria fraudaxz und Fritillaria gracılis?, FoL bei Fr. urticans. Andererseits entfernen sich bei Fritillaria borealis im vollkommen entwickelten Thiere die Muskelkerne am weitesten von dem ursprüng- lichen Typus. Während in ganz jugendlichen Formen die Kerne bläschenförmig sind und in einer Reihe hinter einander liegen, lösen sie sich später, wie LOHMANN angiebt, in einer ähnlichen Weise wie bei den Oikopleuren in ein weitverzweigtes Netzwerk auf. Über den feinsten histologischen Bau der Muskelkerne habe ich nur wenige Bemerkungen zu machen. Eine besondere Kernmem- bran vermochte ich nur in den jüngsten linsenförmigen, noch un- durchbrochenen Kernen mit Sicherheit nachzuweisen. Wenn später eine von Poren immer reichlicher durchbohrte Siebplatte oder ein Reticulum sich entwickelt, scheint die Membran allmählich immer feiner zu werden und füglich vielleicht gänzlich zu schwinden, wenigstens konnte ich sie nicht neben der Randschicht des Kernes selbst gesondert unterscheiden. Das Kernnetz besteht aus einem sehr 1 LOHMANN, Die Appendicularien der Plankton-Expedition. Ergebn. der Plankton-Expedition der Humboldtstiftung. Bd. I. E. ce. 1896. ?2 Ich kann mein Bedenken nicht unterdrücken, ob die von LOHMANN auf Taf. III, Fig. 35 gezeichneten Muskelkerne von Fritillaria gracilis überhaupt Kerne darstellen. So viel bisher bekannt, liegen ausnahmslos die Muskelkerne in der äußeren Sarkoplasmaschicht, niemals aber, wie in jener Abbildung zu sehen ist, direkt der Chorda an. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 369 diehten unregelmäßigen Wabenwerk protoplasmatischer Substanz, die sich in Hämatoxylin etwas stärker färbt als das umgebende Sarko- plasma. Die Wabenwandungen, die den Kern gegen das Sarko- plasma abgrenzen, schienen mir etwas stärker zu sein als die anderen. Eingebettet in die Wabenwände finden sich sehr zahlreiche, äußerst kleine chromatische Mikrosomen, und neben diesen liegen beträcht- lich größere, in ihren Dimensionen aber schwankende Chromatin- körner unregelmäßig vertheilt (Fig. 4). Bei nur mäßig starken oder schwachen Vergrößerungen scheint daher die gesammte Substanz des Kernes aus einer gleichartigen chromatischen Masse zu bestehen, die sich äußerst scharf von dem nur schwerer färbbaren Sarkoplasma der Muskelzellen abhebt (vgl. besonders Fig. 3). Die Muskelzellen. Nachdem nunmehr der Beweis geführt worden ist, dass bei den Fritillarien alle Muskelkerne jeder Seite in einer einzigen Reihe angeordnet sind, die die Mitte des Muskelbandes von vorn nach hinten zu durchzieht, erscheint auch bewiesen, dass die gesammte Schwanz- muskulatur auf jeder Seite nur aus einer Zellreihe besteht. Jede Zelle erstreckt sich durch die ganze Breite eines Muskelbandes und besitzt demnach eine verhältnismäßig sehr bedeutende Größe. Ziem- lich genau in der Mitte jeder Zelle liegt der Kern. Die Zehnzahl der Kerne lässt darauf schließen, dass in die Bildung eines jeden Muskelbandes der Fritillaria furcata 10 Zellen eingegangen sind. Ob diese Zahl aber ein durchaus konstantes Merkmal dieser Species darstellt, ist mir nicht ganz gewiss. Ich zählte zuweilen auch nur neun Kerne, doch war dann gewöhnlich die Konservirung und Färbung nicht durchweg so günstig ausgefallen, um mit Sicherheit das Über- sehen eines Kernes auszuschließen; und ferner ist eine absolut zu- verlässige Zählung nur dann möglich, wenn der gesammte Ruder- schwanz flach ausgebreitet daliegt und dem Beobachter eine Breitseite zukehrt, was bei den konservirten Thieren nicht zu häufig ein- tritt. Bei einer jugendlichen Fritillaria borealis zeichnet LOHMANN (Taf. VIII, Fig. 3) mit vollster Deutlichkeit jederseits neun Muskel- kerne. | Lässt sich schon aus der Zahl und Anordnung der Kerne mit vollster Sicherheit auf die Zusammensetzung der Muskelbänder. aus 10 hinter einander gelegenen Zellen schließen, so kann man sich überdies davon auch durch direkte Beobachtung überzeugen, wenn bei günstiger Konservirung und Färbung die Zellgrenzen erkennbar 370 Oswald Seeliger, werden. Sie erscheinen als feine zackige Linien, die natürlich die Richtung des Fibrillenverlaufs senkrecht kreuzen und die ganze Breite der Muskelbänder quer durchsetzen. In Fig. 1 sind die Grenzen sämmtlicher Muskelzellen, in Fig. 2 nur die der fünf vorderen eines beträchtlich jüngeren Thieres einge- zeichnet. Man entnimmt leicht, dass so wie die Breite der einzelnen Zellen auch die Länge verschieden ist, ohne dass aber in diesen Be- ziehungen eine Gesetzmäßigkeit bestände, die von Wichtigkeit wäre. In beiden Abbildungen sind die Zellgrenzen im linken Muskelband durch stärker hervortretende, die im rechten durch schwächere Quer- linien angedeutet. Man erkennt daraus, dass die Zellen des rechten und linken Bandes einander nicht genau gegenüberliegen; nur ein- zelne Zellgrenzen liegen so nahe an einander gerückt, dass sie sich zum Theil überdecken. Es gelang mir nicht, mich davon zu überzeugen, dass die Zell- grenzen durch echte Zellmembranen gebildet werden. Noch weniger handelt es sich um Septen, die senkrecht die gesammte Dicke des Muskelbandes und damit auch die Fibrillenschieht durchsetzen würden, wie ja auch bereits RAY LANKESTER keine Septa zwischen den »Myomeren« nachweisen konnte, sondern nur annahm, dass höchstens sehr feine Trennungsmembranen vorhanden sein möchten. RANKIN konnte bei Fritillaria furcata die Grenzen zwischen den Muskelzellen nicht auffinden, er stellt sie aber mit Unrecht in Abrede, wie schon aus meinen früheren Untersuchungen klar hervorging und wie auch hier Fig. 1 und 2 deutlich beweisen. Der Verlauf der Zellgrenzen ist nicht überall der gleiche. Zu- meist verläuft die Linie, wie bereits erwähnt wurde, nicht in einer einfachen Geraden quer durch die Breite des Muskelbandes, sondern unter scharfen, nach vorn und hinten zu gerichteten Zacken. In Fig. 6 habe ich ein Stück einer solchen Grenzregion bei stärkerer Ver- srößerung gezeichnet, und man sieht da, wie die Trennungslinie in wechselnden Richtungen die quergestreiften Längsfibrillen schneidet, an manchen Stellen mit diesen nahezu parallel läuft. Der Verlauf der Fibrillen erscheint nirgends gestört, denn in ganz gleichmäßiger Weise ziehen diese durch alle Muskelzellen hindurch. Dasselbe zeigt sich auch da, wo die Zellgrenze genau senkrecht die Fibrillen kreuzt (Fig. 5). Ich nehme daher an, dass die die einzelnen Muskelzellen begrenzenden Querlinien dadurch entstehen, dass die Substanz der Sarkoplasmaschicht an den Stellen, an welchen zwei benachbarte Zellen zusammenstoßen, ein wenig verändert wird. Im lebenden Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 371 Gewebe unmerklich, äußert sich dies bei geeigneter Konservirung und Färbung im Auftreten einer dunklen Querlinie. Im Gegensatze zu den Oikopleuren treten bei Fritillaria furcata an den Zellgerenzen auch bei der Konservirung mit den verschiedensten Reagentien keine regelmäßig verlaufenden Rupturen der Fibrillen auf. Gelegentlich finden sich zwar Defekte in der Fibrillenschicht, sie sind aber durchaus inkonstant sowohl in Bezug auf die Gestalt als auch auf den Ort, an dem sie auftreten, und ich glaube, dass es sich lediglich um senile Degenerationserscheinungen, zuweilen vielleicht auch um Verletzungen beim Fange handeln möchte. RANKIN hat ganz richtig erkannt, dass bei Fritillaria segmental auftretende Rupturen im Muskelband nicht vorkommen, da er aber überdies niemals die Zellgrenzen nachweisen konnte, mussten ihm die Muskelbänder stets, auch im konservirten Thier, als durchaus einheitliche Gebilde erscheinen, die jede Andeutung eines segmen- talen Baues vermissen lassen. Ich konnte, nachdem ich die ver- zweigten Muskelkerne und bei besonders geeigneten Exemplaren auch noch die Zellgrenzen aufgefunden hatte, zuerst nachweisen, dass jedes Band aus einer Zellreihe besteht, die sich aus 10 Elementen zusammensetzt. Das Vorhandensein der Muskelkerne ist seither von RANKIN und LoHMAnN bestätigt worden, und nachdem ich oben Rankın’s Einwand, dass die vorderen schmetterlingsförmigen Kerne durch Verschmelzung zweier ursprünglich getrennten hervorgehen, widerlegt habe, ist die morphologische Bedeutung der Muskelbänder der Fritillaria als eine einfache Zellreihe erwiesen. Mit meinen Befunden lassen sich die älteren Angaben von LANGERHANS sehr wohl in Einklang bringen. Dieser Forscher fand, dass die Schwanzmuskeln von Pritillaria furcata und Fr. fusiformis nach Einwirkung gewisser Agentien in zehn durch zackige Ränder ge- trennte Platten zerfielen. Die Trennung bezieht sich allerdings nicht nur auf das Sarkoplasma, sondern auch auf die Fibrillenschicht. In so weit es sich um die Fritillaria furcata handelt, wäre in dieser Beziehung ein Beobachtungsfehler leicht entschuldbar, bei Fritllaria Fusiformis könnte aber immerhin vielleicht in der That auch eine Trennung der Fibrillen eintreten. Bei der kurzen Fassung der LANGErHANs’schen Mittheilung wäre aber auch daran zu denken, dass die Beobachtung des Zerfalls der Fibrillenschicht sich überhaupt nicht auf Fritillaria, sondern nur auf die Oikopleuren bezieht. Jedenfalls sehe ich keinen Grund, der uns abhalten könnte, die zehn »Muskelsegmente«, die LANGERHANS bei der Fritillaria beobachtet Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 25 372 Oswald Seeliger, hat, vollkommen mit den von mir nachgewiesenen zehn Muskelzellen zu identifieiren. Unvereinbar dagegen mit den thatsächlichen Ver- hältnissen ist die Darstellung, die RAY LANKESTER vom Bau des Ruderschwanzes der Zritillaria furcata gegeben hat, und es ist nicht leicht zu erklären, wie sieben gesonderte Muskelsesmente beobachtet werden konnten. 2. Die Muskulatur der Oikopleuren. Die Muskelbänder der OQikopleuren verhalten sich etwas anders als die der Fritillarien. Im lebenden Thiere sind zwar ebenfalls keinerlei Andeutungen einer Gliederung zu erkennen, und die Fi- brillen ziehen ohne Unterbrechung durch die ganze Länge hindurch; nach geeigneter Reagentienbehandlung aber ist die Sonderung der einzelnen »Muskelsegmente« in der Regel eine viel schärfere als bei Fritillaria, und sie erstreckt sich zumeist nicht nur auf das Sarko- plasma, sondern betrifft auch die Fibrillenschicht. Überdies ist der Formwerth der einzelnen Muskelabschnitte bei den meisten Oiko- pleuren ein anderer, indem in ein Segment mehrere Zellen einbezogen werden können. Die Zahl der auftretenden Abschnitte im Muskel- band beträgt zumeist neun oder zehn, aber sie unterliegt selbst indivi- duellen Schwankungen, da ein größeres Segment gelegentlich in zwei bis drei kleinere zerlegt sein kann. Die Bedeutung dieser Segmente erhellt auch hier aus den Muskelkernen. Die Muskelzellkerne. Nach den Angaben von RAnkın würden die Muskelbänder der Jugendlichen Orkopleura dioica Verhältnisse darbieten, die im Wesent- lichen mit den Erscheinungen bei Fritillarıa übereinstimmen, denn so wie hier soll bei dieser Orkopleura jedes Band aus einer Reihe hinter einander gelegener Muskelzellen bestehen. Es konnten ungefähr 12 Zellen auf jeder Seite gezählt werden; aber die Zellgrenzen sollen — wie RAnkIn besonders hervorhebt, ohne allerdings dafür einen Beweis anzuführen — mit den Segmentgrenzen der alten Thiere durchaus nicht übereinstimmen. Dass es Oikopleuren giebt, bei denen im jugendlichen Alter der geschilderte Bau der Schwanzmuskulatur sich deutlich wird nachweisen lassen, darf man wohl als gewiss an- nehmen, allein ich glaube nicht, dass die von RAnkın beobachtete Jugendform Otkopleura dioica sein könne. Denn bereits in dem Jüngsten, kaum 0,6 mm langen Thier, das ich im pelagischen Auf- trieb fand, konnte ich in jedem Muskelbande, mit Ausnahme des Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 373 - hintersten Endes, zwei Längsreihen von Kernen nachweisen (vgl. Fig. 56, Taf. XXI). Vielleicht stellen sich aber in den Jugendstadien der Oikopleura spissa Fol die Muskelbänder als einfache Zellreihen dar, und wir müssten dann das Verhalten der ausgebildeten Form, bei der im Sarkoplasma eines jeden Bandes ein kontinuirliches Kernnetz sich findet (Fig. 45, Taf. XXI), als eine direkte Weiterentwicklung eines Fritillaria-ähnlichen Stadiums auffassen. Die Weiterbildung würde dann in einer beträchtlicheren Ausdehnung und füglich ein- tretenden Vereinigung der ursprünglich getrennten verzweigten Kerne bestehen. Ob aber in der That das Kernnetz im Sarkoplasma der Oikopleura spissa auf diese Weise entstanden sei, vermag ich, da mir Jugendstadien nicht begegnet sind, nicht zu entscheiden. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass auch bei dieser Form, so wie es weiter unten für andere Oikopleuren erwiesen werden soll, ursprünglich in jedem Muskelband eine zweireihige Anordnung der Kerne vor- handen ist. Eine einfache Zellreihe stellt nur das hinterste Ende eines jeden Muskelbandes bei Orkopleura diorca dar. Im jüngeren Thieren lässt sich leicht feststellen, dass — ähnlich wie bei Fritillari« an allen Stellen der Schwanzmuskeln — hier nur im hintersten sehr stark verschmälerten, muskulösen Schwanzabschnitt mehr oder minder reich verzweiste Muskelkerne in einer Reihe hinter einander angeordnet sind (Fig. 49, Taf. XXI). Die Zahl dieser letzten, in der Mittellinie des Bandes einreihig stehenden Kerne dürfte wohl niemals vier oder höchstens fünf übertreffen; weiter vorn verschieben sich die Kerne abwechselnd nach dem dorsalen und ventralen Rand der Sarkoplasma- schicht zu, und die einreihige Anordnung geht in eine zweireihige über (Fig. 52), die im ganzen Muskelbande bis zum Vorderende un- verändert bestehen bleibt. Die Umbildung der Muskelkerne habe ich am genauesten bei Oikopleura dioica verfolgen können. In jungen 0,6 mm langen Thieren sind die Kerne flache, sehr unregelmäßig umgrenzte Scheiben. Die größten erscheinen unregelmäßig sternförmig, die kleineren zeigen beginnende oder weiter vorgeschrittene Lappenbildung, so dass die verschiedenen Kerne verschiedenen Formzuständen einer sich be- wegenden Amöbe ähnlich sehen (Fig. 56, Taf. XXXII). Etwas vorgeschritten zeigt sich die Entwicklung der Kerne bei 0,8 mm großen Individuen. In Fig. 57 ist die Übergangsstelle der einreihigen Kernanordnung in die zweireihige dargestellt, und in Zar 374 | Oswald Seeliger, Fig. 55 sieht man zwei Partien aus dem mittleren und vorderen Ab- schnitt desselben Thieres. Es fällt nicht schwer, alle Übergänge von den für das vorhergehende Stadium beschriebenen Kernformen bis zum typisch verzweigten Kern aufzufinden, wie er aus den MALPIGHI- schen Gefäßen der Insekten bekannt ist. In Fig. 37 habe ich zwei Kerne, die verschiedene Stadien der Verzweigung darstellen, bei starker Vergrößerung gezeichnet. Bei zunehmendem Alter der Thiere gestalten sich rasch die Verzweigungen der Muskelkerne immer reicher und mannigfaltiger, und wenn der Schwanz eine Länge von circa 2—2,5 mm erreicht hat, findet man bereits sehr komplieirte dendritische Formen. Sowie bei Fritillaria bestehen auch bei Oikopleura im hintersten Schwanz- abschnitt, namentlich da, wo nur eine Kernreihe vorhanden ist, ein- ‚fachere und ursprünglichere Kernformen. In Fig. 36 Taf. XXI z. B. sieht man den vorletzten Kern auf einem Stadium, wie wir es oben bei 0,8 mm langen Thieren nachweisen konnten, während im vorderen Abschnitt bereits eine reiche Verzweigung eingetreten ist (Fig. 50, Taf. XXIH). In einem anderen Thier wiederum (Fig. 49) ist der letzte Kern jedes Bandes fast fadenförmig umgestaltet, während weiter vorn immer reicher verzweiste Muskelkerne sich finden, die uns eine zusammenhängende Entwicklungsreihe bis zu den komplicirte- sten Formen vorführen (Fig. 52). Zwei solcher Zwischenformen sieht man in Fig. 34 und 35, Taf. XXU bei stärkerer Vergrößerung ge- zeichnet. In alten Thieren gestalten sich die Kernverzweigungen noch etwas reicher als bei dem in Fig. 50 abgebildeten Stadium, und es können die Kerne sowohl ein und derselben Reihe als die der dor- salen und ventralen mit einander in Verbindung treten, indem die äußersten Gabeläste mit einander verwachsen. Doch habe ich nie- mals ein so dichtes Maschenwerk angetroffen wie es Fig. 45, Taf. XXIII für eine Olkopleura spissa zeigt. In ganz ähnlicher Weise wie bei Fritsllaria treten auch bei Oikopleura dioica Rückbildungen in den Kernverzweigungen auf. Zuweilen beginnen die Degenerationserscheinungen sehr früh, lange bevor die betreffenden Thiere ihre volle Größe erlangt haben. »o zeigt Fig. 54, Taf. XXIII einen Theil des Schwanzes eines jungen nur 1,5 mm großen Individuums mit weit vorgeschrittener Reduktion der Kernverästelungen. Frühere Stadien der Auflösung sieht man bei einem älteren 3 mm langen Thiere in Fig. 47, während in Fig. 53 die Rückbildung so weit gelangt ist, dass sich nicht mehr feststellen Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 375 lässt, welche der isolirten Stücke früher ein und demselben Kern angehört haben. Einen höheren Grad der Ausbildung erlangt die Kernverzweigung, bei Oikopleura cophocerca Fol. Die sich gabelnden Äste eines Kernes endigen nur zum Theil mit freier Spitze, zumeist verwachsen sie mit einander in verschiedener Weise, so dass frühzeitig ein echtes Netzwerk entsteht, dessen Maschenräume sehr verschiedene Weiten besitzen. Indem einzelne Zweige des Kernes nicht genau in der sleichen Ebene bleiben, sondern tiefer oder höher ins Sarkoplasma vorwachsen, entwickelt sich der Kern zu einem flachen Gerüst- oder Balkenwerk. Nur in jüngeren Thieren bleiben alle Kerne isolirt (Fig. 46). In älteren sieht man die Kerne, die einer Reihe, der dorsalen oder ventralen, angehören, mit einander in Verbindung treten (Fig. 48), und eben so entstehen, bald früher bald später, Quer- brücken, die die dorsalen und ventralen Kerne mit einander ver- einigen (Fig. 51). Die Vereinigung der Kerne erfolgt nicht an allen Stellen eines Muskelbandes gleichzeitig; bald sieht man die dorsalen, bald die ventralen Kerne in den verschiedenen Abschnitten des Schwanzes in der Entwicklung voraneilen. Auf diese Weise treten bei Orkopleura cophocerca eine Anzahl benachbarter Zellkerne zu einer enger verbundenen Gruppe zusam- men. Zumeist sieht man sechs bis acht Kerne vereinigt, zuweilen aber auch nur zwei, einen ventralen und einen dorsalen. Die Zahl der Kerne, die eine Gruppe bilden, ist nur auf den ersten Stadien der Ver- einigung mit Sicherheit festzustellen; ist die Verbindung weiter vor- seschritten und ein großes einheitliches Kernnetz entstanden, so lässt sich eine zuverlässige Zählung nicht mehr vornehmen. Ob bei dieser Orikopleura in der That, wie ich früher angenommen hatte, eine voll- ständige Vereinigung sämmtlicher Muskelkerne eines Bandes ein- treten kann, vermag ich jetzt nicht mehr sicher zu entscheiden. Sowohl bei Orkopleura cophocerca wie bei Olkopleura dioica liegen die Kerne in der dorsalen und ventralen Reihe eines Muskel- bandes nicht immer genau neben einander, und häufig stimmen sie auch innerhalb kleiner Strecken in der Anzahl nicht überein, so dass neben zwei oder drei Kernen in der einen Reihe drei oder vier in der anderen gelegen erscheinen. Schon in jungen Stadien machen sich diese Ungleichmäßigkeiten bemerklich, wie sich aus der Vergleichung der Fig. 55 u. 56 mit Fig. 57 ergiebt. Diese Lage- >10, k Oswald Seeliger, verschiedenheiten erklären es, dass häufig eine ungerade Zahl Kerne sich zu einer Gruppe vereinigen, indem dorsal oder ventral ein Kern mehr oder weniger zu zählen ist. Bei beiden eben genannten Oikopleuren fand ich nur auf jugendlicheren Stadien alle Muskelkerne vollkommen getrennt, ohne jede Verbindung unter einander, und ganz ähnlich verhält es sich nach LOHMANN! bei Oikopleura Vanhöffen: Loh. In alten Thieren dürfte die Kernvereinigung vielleicht bei Oikopleura cophocerca sich vollständiger gestalten als bei Olkopleura diorca, immerhin ist es bei beiden oft nicht ausführbar, die den verschiedenen Kernen zu- gehörenden Theile scharf aus einander zu halten. Der feinere histologische Bau der Muskelkerne der Oiko- pleuren stimmt nicht vollkommen mit dem oben für Fritillaria ge- schilderten Verhalten überein. Bei Oikopleura dioica bieten die noch unverzweigten Kerne in jugendlichen Stadien nichts Besonderes dar. Es lässt sich eine feine achromatische Kernmembran unterscheiden, und in der achromatischen Substanz sind gröbere und kleinere Chromatinkörner suspendirt. Einen besonderen Nucleolus vermochte ich nicht zu unterscheiden (Fig. 56). Je mehr sich die Kerne ver- zweigen, desto mehr schien mir die Membran als ein besonderes, von der achromatischen Substanz des Kerninneren unterscheidbares Gebilde zu schwinden (vgl. Fig. 34—37). In den feinen, fadenartig ausgezogenen Kernästen älterer Stadien liegen dann die chromatischen Körner entweder nur einzeln in einer Reihe hinter einander oder zu sehr wenigen neben einander (Fig. 38). Bei den in Rückbildung begriffenen Kernnetzen machte es mir dagegen zuweilen den Eindruck, als ob die Kernbruchstücke von einer besonderen, feinen Membran umschlossen wären, während die Chromatinkörnchen zu größeren oder kleineren unregelmäßigen Klümpchen sich zusammenballen. Bei Orkopleura velifera (Fig. 44, Taf. XXII) und besonders bei Orkopleura cophocerca, bei der im vollentwickelten Thier ein be- deutend gröberes Kernnetzwerk vorhanden ist, schien mir dagegen jederzeit eine achromatische Kernmembran erkennbar zu sein, die auch in den feinen Querschnitten durch den Ruderschwanz deutlich hervortritt (Fig. 29, Taf. XXID). In der achromatischen Substanz, die die Chromatinkörnchen trägt, lässt sich an manchen Stellen eine 1 LOHMANN, Zoologische Ergebnisse der Grönlandexpedition. III. Die Appen- dieularien der Expedition. Bibliotheca Zoologica. Heft 20. 2. 1896. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 377 ziemlich deutliche Längsfaserung nachweisen, die sich in die seitlich entspringenden Nebenbalken fortsetzt (Fig. 43, Taf. XXI). Die Muskelzellen. In meiner ersten Mittheilung, in der ich das Vorkommen von verzweisten Muskelkernen bei Appendiecularien nachwies, glaubte ich annehmen zu können, dass so wie bei den Fritillarien auch bei den Oikopleuren jederseits nur eine einzige Kernreihe vorhanden wäre. Aus der oben gegebenen Darstellung geht jedoch hervor, dass diese Auffassung für Orkopleura dioica und Otkopleura cophocerca nicht zutreffend ist, denn bei diesen Formen besteht im ganzen Muskelbande — ausgenommen das äußerste Hinterende — eine doppelte Längsreihe von Kernen. Die Muskelbänder sind also hier nicht eine, sondern zwei Zellen breit, und die durch das Auftreten der Querlinien oder Querrupturen zur Erscheinung gelangenden »Muskelsesgmente« können daher auch nicht aus einer Zelle bestehen, sondern müssen mindestens aus zweien sich zusammensetzen. Wie es sich in dieser Beziehung mit Orkopleura spissa (Fig. 45, Taf. XXIII) und Orkopleura velifera (Fig. 26, Taf. XXII) verhält, vermag ich nicht anzugeben, da mir jüngere Stadien, in denen das Kernnetzwerk erst in Bildung begriffen war, nicht zur Verfügung standen. Die nach der Konservirung zumeist auftretenden Segmentgrenzen haben bei den von mir untersuchten Oikopleuren nicht immer die gleiche Ursache. Häufig sind sie, so wie bei Fritillaria, einfache dunkle Querlinien, die über den Fibrillen zickzackförmig im Sarko- plasma verlaufen. Es lässt sich unschwer feststellen, dass die an bestimmten Stellen regelmäßig auftretenden Querlinien nicht die Kerne durchsetzen, sondern genau zwischen zwei benachbarten Kernnetzen sowohl in der ventralen, wie in der dorsalen Reihe hindurchgehen, Damit das bei den oft sehr unregelmäßigen Kernformen möglich werde, verläuft die Linie oft unter weiten nach vorn oder hinten gerichteten Aus- und Einbuchtungen (Fig. 39, Taf. XXII, Fig. 46. Taf. XXI). Schon dieser Verlauf deutet mit Sicherheit darauf hin, dass die Querlinien als die Grenzen zwischen zwei vorderen und hinteren Muskelzellen zu deuten seien. Zuweilen bemerkt man über- dies, dass im Sarkoplasma der vorderen und hinteren Zellen Unter- schiede in der Färbbarkeit auftreten, die namentlich an der Grenz- linie schärfer hervortreten können (Fig. 39). Es ist kaum anzunehmen, dass eine derartige Differenzirung innerhalb des Sarkoplasmas einer Zelle sich entwickeln möchte. 873 | Oswald Seeliger, Sowohl bei Orkopleura dioica als auch Oik. cophocerca und Oik. velifera findet man gelegentlich an Stelle der einfachen Grenzlinien quer verlaufende Spalten im Sarkoplasma, unter welchen die Fibrillen, ohne irgend eine Störung zu erfahren, erhalten bleiben. Die Spalten erscheinen bei Flächenansicht der Muskelbänder als schmale weiße Querstreifen zwischen den verzweigten Kernen. Fig. 38, Taf. XXII zeigt einen Theil einer solchen Spalte von Oikopleura dioica, und in Fig. 44 sieht man die Verhältnisse auf einem lateral durch den Ruderschwanz von Oikopleura velifera geführten Längsschnitt. Zumeist, und wie mir schien bei etwas länger dauernder Ein- wirkung der betreffenden Reagentien, machen sich die Segmentgrenzen auch durch Veränderungen in der Fibrillenschicht bemerkbar. Man kann unschwer eine kontinuirliche Reihe verschieden weit vorge- schrittener Störungen und Veränderungen im Verlauf der Fibrillen feststellen. In Fig. 42, Taf. XXII sieht man im Bereiche der Seg- mentgrenze einer Orkopleura dioica zwar noch alle Fibrillen erhalten, wenngleich sie beträchtlich dünner geworden sind und nicht mehr an allen Stellen die regelmäßige Querstreifung erkennen lassen. Überdies erscheint der gerade Verlauf dadurch gestört, dass in un- regelmäßiger Weise dorsal oder ventral gerichtete Ausbuchtungen aufgetreten sind. In Fig. 41 findet man einzelne Fibrillen an dieser Stelle bereits zerrissen, während andere nur die eben beschriebenen Veränderungen erkennen lassen. Bei manchen Individuen kann an den Segmentgrenzen eine Ruptur sämmtlicher Längsfibrillen des Muskelbandes eintreten, und es hat dann den Anschein, als ob das Zerreißen durch starke, nach entgegengesetzten Richtungen wirkende - Zugkräfte, denen die Fibrillen nicht Stand zu halten vermochten, ver- ursacht worden wäre. Diese quer durch die ganze Breite des Muskelbandes sich er- streckenden Trennungslinien oder Rupturen treten — von sofort zu erwähnenden Ausnahmen abgesehen — immer an ganz bestimmten Stellen auf. Bei Orkopleura cophocerca zerlegen in der Regel acht Rup- turen jedes Muskelband in neun Segmente (Fig. 25, Taf. XXII). Häufig erscheint das letzte Segment durch eine in der nächsten Nachbar- schaft des Chordaendes auftretende Querlinie noch einmal getheilt, so dass zehn Segmente gezählt werden können. Die Segmentgrenzen der beiden Muskelbänder eines Thieres liegen einander nicht immer so genau gegenüber, wie es in Fig. 25 zu sehen ist, und namentlich im hinteren Schwanzabschnitt finden sich oft beträchtlichere Ver- schiebungen. Sehr konstant in der Lage sind die vorderen Segment- Einige Bemerk. über d: Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 379 grenzen. Die erste liegt auf jeder Seite des Schwanzes stets im Bereich des ersten großen Caudalganglions (vgl. hier auch Fig. 46, Taf. XXI), und die zweite und dritte sind zumeist so angeordnet, dass dem zweiten Segment außer dem Hintertheil des großen Cau- dalganglions noch zwei weitere kleinere, dem dritten Segment in der Regel drei Ganglien zukommen. In diesem Fall liegt dieht vor und hinter der zweiten Segmentgrenze je ein Ganglion, und es be- darf nur einer sehr geringen Verschiebung, sei es eines Ganglions, sei es der Segmentgrenzen, um eine Veränderung in der Vertheilung der Ganglien auf die Bereiche der einzelnen Muskelsegmente her- beizuführen. Liegen die zweiten Segmentgrenzen des linken und rechten Bandes nicht genau einander gegenüber, so findet sich das- selbe Ganglion auf der einen Seite im Bereich des zweiten, auf der anderen in dem des dritten Segmentes. Weiter hinten im Schwanze ist ein derartiges wechselndes Verhalten die Regel (vgl. Fig. 25). Bei Orkopleura velifera zählt man zumeist zehn Abschnitte in jedem Muskelbande. Innerhalb des großen achten Abschnittes können aber wiederum ein oder auch zwei Querlinien auftreten und diesen in zwei oder drei kleinere zerlegen, so dass die Segmentzahl auf elf und zwölf steigt (vel. Fig. 26, Taf. XXII, woselbst im Segment VIII die drei Theile 7, 2, 3 wahrzunehmen sind). Dazu kommt gelegent- lieh noch ein weiteres »Segment«, wenn der letzte Abschnitt (X in Fig. 26), wie es auch häufig bei Orkopleura dioica eintritt, durch eine hinter dem Chordaende auftretende Querlinie ebenfalls in zwei kleinere Theile zerlegt wird. So wie bei Oikopleura cophocerca ist die Lage der Sesmentgrenzen im vorderen Schwanztheil ziemlich fest bestimmt. Die erste Grenzlinie liegt immer im Bereich des großen Caudalgan- slions, die dritte und vierte stehen so, dass in dem von ihnen um- schlossenen vierten Segment stets drei eigenthümliche Ganglien (Fig. 30 und 31) angetroffen werden. Schon aus dieser bestimmten Lage der Segmentgrenzen lässt sich schließen, dass die Trennungslinien und Rupturen nicht, wie LEFEVRE ‘ und RAnkIn annehmen, lediglich bedeutungslose Kunstprodukte seien, hervorgerufen durch die angewendeten Agentien. Dazu kommt, dass die Grenzen stets zwischen den Muskelzellkernen verlaufen, an den Stellen also, an welchen die einzelnen das Muskelband bildenden Zellen an einander stoßen müssen. Es liegt demnach durchaus kein Grund vor, die Segmentgrenzen für etwas Anderes zu halten als für Zellgrenzen. Wenn Rankın dem widerspricht, so ist es schwer in eine nähere Erörterung unserer abweichenden Auffassungen einzu- 380. Oswald Seeliger, treten, da nicht recht ersichtlich ist, worauf jener Einwand sich gründet. Aus den von RAnKIn gegebenen Abbildungen wenigstens lässt sich kein Beweis für seine Anschauung herleiten. Da, wie oben ausgeführt wurde, bei den hier beschriebenen Oikopleuren nur im hintersten Schwanzende eine Kernreihe vor- handen ist, sonst aber überall zwei, könnte nur die letzte Segment- grenze, So wie es durchweg bei Fritillaria der Fall ist, der Grenze zwischen zwei einfachen Zellen entsprechen. Erscheint das letzte Segment, wie z. B. in Fig. 25 und 26, Taf. XXI, von ansehnlicher Länge, indem es ein beträchtliches Stück vor dem Chordaende be- ginnt, so kann man es im Hinblick auf das in Fig. 49, Taf. XXIU gezeichnete Verhalten, mit Bestimmtheit einer aus wenigen Elemen- ten bestehenden Zellreihe gleichwerthig betrachten. Da, wo hinter dem Ohordaende noch eine weitere Segmentsrenze auftritt, wird durch diese die Terminalzelle des gesammten Muskelbandes als »Endseg- ment« abgegliedert. Dieses Endsegment der Oikopleuren hat dem- nach den gleichen Formwerth wie alle Muskelsegmente der Fritillaria. Dass zwischen den zwei oder vielleicht auch drei vorderen Zellen des großen letzten Segmentes (Z/X in Fig. 25, X in Fig. 26) in der Regel keine Rupturen oder Trennungslinien auftreten, scheint mir darauf zurückzuführen zu sein, dass hier die reicher verzweigten Kerne frühzeitig zu einem einheitlichen Kernnetzwerk sich zu ver- binden beginnen (vgl. hier Fig. 49, Taf. XXIII), welches von »Seg- mentgrenzen« nicht mehr durchsetzt werden kann. Während im hintersten Schwanzabschnitt das kleinste Muskel- segment nur aus einer Zelle bestehen kann, ist es weiter vorn, wo das Muskelband zwei Zellen breit erscheint, mindestens aus zwei Zellen, einer dorsalen und einer ventralen, zusammengesetzt. Dieses einfachste Verhalten tritt aber wohl nur dort ein, wo ein normales srößeres Segment in mehrere kleinere aufgelöst wird, oder ein be- sonders kleines sich abtrennt (vgl. in Fig. 26 Abschnitt VZIT). Auch dafür möchte ich als Ursache das Verhalten der Kernnetze ansehen: wenn nämlich nur zwei neben einander liegende Kerne in mehr oder minder innige Verbindung getreten sind und von den vorhergehenden und nachfolgenden derselben Reihe sich so unabhängig erhalten haben, dass sie von diesen durch eine vom Kernnetz nicht durchzogene (Juerzone im Sarkoplasma getrennt bleiben. In dieser kernfreien Sarkoplasmazone kann die eine Segmentgrenze bedeutende Ruptur leicht auftreten. Weitaus die meisten Segmente der Oikopleuren bestehen aber Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 381 aus zahlreicheren Zellen, die — entsprechend der oben beschriebenen Anordnung der Muskelkerne — in zwei Reihen, einer dorsalen und ventralen, gelagert erscheinen. Zellgrenzen habexich zwischen der ventralen und dorsalen Reihe nie mehr wahrnehmen können, und auch zwischen den vorderen und hinteren Zellen derselben Reihe fehlen sie im Bereiche eines jeden größeren Kernnetzwerkes, das durch Ver- bindung; mehrerer (sechs bis acht) ursprünglich getrennten Kerne ent- standen ist. Nur zwischen diesen Gruppen vereinigter Kerne können die ursprünglichen Zellgrenzen als Segmentgrenzen auftreten, sei es als einfache Querlinien oder als Rupturen (Fig. 48 und 51, Taf. XXI). Die Sesmentgrenzen sind also hier nicht nur, wie bei Fritillaria, Grenzen zwischen zwei, sondern zwischen vier Zellen, zwei vorderen und zwei hinteren. Von diesen an ganz bestimmten Stellen auftretenden, die ganze Breite des Muskelbandes quer durchsetzenden Trennungslinien und Rupturen müssen andere Risse und Defekte wohl unterschieden wer- den, die regellos an allen beliebigen Stellen im Sarkoplasma und in der Fibrillenschicht auftauchen können. Man wird selten eine alte Orkopleura cophocerca finden, bei der nicht mindestens ein, in der Regel mehrere Defekte in der Schwanzmuskulatur zu beobachten wären. Auf bestimmt geformte Rupturen (Inselbildungen) hat bereits LEFEVRE aufmerksam gemacht, und RAnkın weist auf solche neben den Segmentgrenzen auftretende Rupturen hin, um zu beweisen, dass auch jene Grenzen lediglich zufällige, durch die Reagentien künst- lich hervorgerufene Bildungen seien. Im Besonderen führt er die unregelmäßigen Rupturen an, die nur durch einen Theil der Breite des Muskelbandes sich hindurch erstrecken und nur auf einer Seite des Schwanzes sich finden. Solche unregelmäßig auftretende Querrupturen können auf die Sarkoplasmaschicht beschränkt erscheinen, so dass der Fibrillenver- laufin der Tiefe gar nicht oder doch nur sehr wenig merklich gestört - wird, oder es erfolgt auch eine ganz ähnliche Dehiscenz der Fibrillen wie in den Segmentgrenzen. So besteht zwischen Segmentgrenzen und Rupturen oft eine auf den ersten Anblick besonders auffallend erscheinende Ähnlichkeit. Der wesentliche Gegensatz aber liegt darin, dass die accessorischen Rissstellen nicht zwischen den Kernnetzen auf- treten, sondern an beliebigen Stellen diese durchsetzen. Dabei wer- den die Äste der verzweigten Kerne zumeist vollständig durchschnitten und getrennt; zuweilen bleiben aber auch einige Zweige vollständig 382 Oswald Seeliger. erhalten und durchsetzen dann die Rupturstellen, um die Zusammen- gehörigkeit des Kernnetzwerkes wenigstens theilweise noch zu er- halten (Fig. 40, Taf. XXIII. In dem abgebildeten Falle verläuft die Ruptur so wie eine Segmentgrenze senkrecht zur Längsachse des Schwanzes, oft ist sie aber auch mehr oder minder schräg gestellt und unregelmäßig gekrümmt. Vor Allem fallen aber die »Inselbildungen« im Muskelband auf. Es sind das kreisförmige oder länglich elliptische Rupturen, die ein vom übrigen Muskelband völlig abgetrenntes Mittelfeld umschließen. Oft sind diese Inseln nur sehr klein, 0,05—0,08 mm oder noch weni- ger im Durchmesser; zuweilen aber erlangen die längselliptischen in ihrer Längsachse eine Ausdehnung von über 1 mm und erstrecken sich dann weit über den Bereich eines Segmentes hinaus. In Fig. 32, Taf. XXI habe ich eine Inselbildung von Oxkopleura cophocerca ab- sebildet, die desshalb besonders bemerkenswerth erscheint, weil das Centrum des hier nur sehr kleinen Mittelfeldes aufgelöst ist und, wie die Ringrupturstelle selbst, weder Fibrillen noch im Sarko- plasma ein Kernnetz erkennen lässt. Ich glaube, dass man diese Erscheinungen kaum anders als senile Degenerationsvorgänge wird auffassen können. In wie weit sie aber vielleicht doch erst direkt durch die Reagentienbehandlung hervorgerufen werden, vermag ich nicht zu bestimmen, da ich darauf hin früher lebendes Matefial nicht geprüft habe. Il. Das Nervensystem. Eine ausführliche Darstellung des gesammten Baues des Nerven- systems der Appendicularien giebt es bisher nicht, und auch ich bin hier nicht in der Lage, diese recht fühlbare Lücke in der zoologi- schen Litteratur ganz auszufüllen. Zur genauen Untersuchung des Nervensystems bedarf es einer reichlicheren Menge lebenden und in sanz bestimmter Weise konservirten Materials. Das seiner Zeit von mir zu anderen Zwecken gesammelte Material reicht daher in dieser Beziehung nicht ganz aus. Immerhin geben mir aber meine Präpa- rate vollkommen hinreichenden Aufschluss über das Verhalten der Caudalganglien, über deren Bau und über deren Anordnung und Ver- theilung in den einzelnen Muskelsegmenten. Damit sind wir in den Stand gesetzt, ein zweites wichtiges Moment, das als Beweis für das Vorkommen einer echten Segmentirung bei den Appendicularien an- geführt wurde, eingehend zu prüfen. Die Frage nach dem Ursprung, Verlauf und der Endigung der peripheren Nerven bleibt hier uner- Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendieularien. 383 örtert, da ich sie in befriedigender Weise an meinem Material nicht zu beantworten vermochte. Die Ganglien im Schwanznervenstrang hat zuerst HuxLey! richtig als »ganglionähnliche Anschwellungen des Nervenstranges« gedeutet und namentlich das erste größere zutreffend beschrieben. Zehn Jahre später erwähnt KowALEVSKY?, dass NoGIn im Appendicularienschwanz eine Reihe paariger Ganglien beobachtet hätte. For anerkennt aber nur das vorderste große Caudalganglion als ein aus Ganglienzellen zusammengesetztes Organ, während er die hinteren, von denen er 20 bis 40 zählen konnte, nur als einfache Anschwellungen des Faser- stranges deutet, die nicht den Werth von Zellen besitzen. Dem gegenüber hat Ussow:® durch eine Reihe vorzüglicher Abbildungen bewiesen, dass die angeblichen Anschwellungen in der That aus Gan- glienzellen bestehen, und es ist wohl nur dem Umstand, dass er seine Untersuchungen in russischer Sprache veröffentlichte, zuzuschreiben, dass seine Angaben keine Anerkennung und Verbreitung gefunden haben. Ussow beschreibt 10 bis 18 dem Caudalstrang aufliegende Ganglien. Erst nachdem LANGERHANS die Lehre vom segmentalen Bau des Appendicularienschwanzes im Jahre 1877 begründet hatte, legte man dem Vorkommen und der Vertheilung der Caudalganglien größere Bedeutung bei. Es verdient aber als besonders bemerkenswerth hervor- gehoben zu werden, dass LANGERHANS selbst durchaus keine streng seg- mentale Anordnung der Ganglien im Schwanze festzustellen vermochte, vielmehr ausdrücklich erwähnt, dass diese ganz unregelmäßig auf die einzelnen Abschnitte des Muskelbandes vertheilt seien. Für Oiko- pleura velifera im Besonderen giebt er das folgende Verhalten an: I. Muskelplatte großes Caudalganglion. 1. > meist kein Ganglion, selten drei kleine. I00R » meist ein Ganglion. IV. > drei Ganglien. V. > ein bis drei Ganglien. MI: > drei bis vier Ganglien. VII. > drei Ganglien. 1 Huxtey, Further Observations on the Structure of Appendieularia flabel- lum (Chamisso). Quart. Journ. Mierose. Seiene. Vol. IV. p. 181. 1856. 2 KOWALEVSKY, Entwicklungsgeschichte der einfachen Asceidien. Me&m. Acad. Seienc. St. Petersbourg. VII. Ser. T. X. No. 15. p. 13. 1866. 3 Ussow, Beiträge zur Kenntnis der Organisation der Tunieaten. M&m.'So- eiete Seienc. natur. de Moscou. T. XVII. 1876. 384 | Oswald Seeliger, VII. Muskelplatte zwei oder vier Ganglien. URS je ein Ganglion. Regelmäßig dagegen sollen aus dem caudalen Faserstrang — nicht aus den Ganglien — paarige motorische Nerven entspringen und je eine Muskelplatte versorgen; nur vom fünften oder sechsten Segment an wird die Symmetrie dadurch gestört, dass die Nerven der rech- ten und linken Seite nicht mehr genau einander gegenüber entspringen. Später fügt LANGERHANS! noch hinzu, dass er nur acht derartige Nervenpaare im Schwanze beobachtet hätte; bei Oikopleuren seien sie im Bereiche der beiden letzten, bei Fritillaria formica im achten und neunten Muskelsegment nicht nachweisbar gewesen ?. Von allen späteren Beobachtern hat meines Wissens nur Ray LANKESTER in der bereits oben erwähnten Mittheilung eine mit den Muskelsegmenten genau übereinstimmende Gliederung des Caudal- nervenstrangs in Ganglien behauptet, indem er bei Fritillaria furcata sieben Schwanzganglien, eines in jedem Myomer, zählte. 1. Die Caudalganglien der Fritillaria. So wenig es sich oben bestätigt hat, dass bei Fritillaria furcata sieben Muskelsesmente vorkommen, so wenig finden sich auch sieben regelmäßig vertheilte Schwanzganglien. Es ist allerdings richtig, dass — namentlich im vorderen Theil des Ruderorgans — sog. Muskelseg- mente vorkommen, in deren Bereich ein Ganglion liegt, und man wird bei Betrachtung der Figuren 1 und 2 auf Tafel XXI mehrere soleher Abschnitte leicht auffinden (77, ZZ/ und IV in Fig. 2). Findet sich außer dem Ganglion noch ein Chordakern im Bereiche einer Muskelzelle, so hat es bei rascher Betrachtung freilich den Anschein, als ob hier eine in allen Organen durchaus sich entsprechende Gliederung vorhanden sein möchte. Ich halte es daher auch für wahrscheinlich, dass Ray LANKESTER einen oder den anderen dieser kleineren Schwanzabschnitte beobachtet, das Ergebnis aber verallge- meinert und auf alle Theile des Schwanzes übertragen habe. Aller- dings bleibt selbst dadurch die von RAY LANKESTER angenommene Siebenzahl unerklärt. Im Bereiche der ersten Schwanzmuskelzelle fällt sofort ein ! LANGERHANS, Über Madeiras Appendicularien. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. p. 144. 1880. 2 Vgl. über die Kontroversen, die über den Verlauf und die Bedeutung der peripheren Schwanznerven herrschen, meine Darstellung in »Tunicaten«, BRONN’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendienlarien. 385 Caudalganglion auf, das an Größe alle anderen weit übertrifft. Es besteht aus einer größeren Anzahl verhältnismäßig großer Ganglien- zellen, denen einige wenige beträchtlich kleinere vorgelagert sind (Fig. 7, Taf. XXI. Das ganze Ganglion erscheint mehr birnähnlich als spindelförmig; das verdiekte Ende ist nach vorn gerichtet, wäh- rend das Hinterende sich zuspitzt und füglich in eine kleinere Ganglienzelle ausläuft. Dieses Ganglion pflegt man das erste zu nennen; fast immer findet sich aber in einer beträchtlicheren Ent- fernung von ihm, ganz nahe dem vordersten Schwanzende, eine kleine Ganglienzelle (9, in Fig. 7 und Fig. 1), die man nach der bei Appen- dieularien üblichen Auffassung als erstes einzelliges Ganglion be- zeichnen müsste. Im Bereiche der zweiten Muskelzellen liegt in der Regel ein zweizelliges Ganglion, eine Ganglienzelle rechts, die andere links am Nervenstrange (Fig. 8). Zuweilen rücken aber die Zellen so weit aus einander, dass der sie trennende Zwischenraum !/, der Länge der zweiten Muskelzelle betragen kann und es dann fast richtiger er- scheinen möchte, nicht nur ein mehrzelliges Ganglion, sondern zwei einzellige zu zählen (Fig. 2). Die beiden folgenden Ganglien bestehen gewöhnlich aus dreiZellen und liegen jedes zwischen dem dritten resp. vierten Paar Muskel- zellen. Die Größe und die Anordnung der einzelnen Zellen zum Ganglion zeigen zahlreiche individuelle Verschiedenheiten (vgl. Fig. 9 und 10). Das hintere Ganglion (g,) liegt zumeist dem Hinterende der vierten Muskelzelle sehr nahe und kann zuweilen, zumal wenn die Muskelzellenden rechts und links erheblich verschieden weit nach hinten reichen, auf der einen Seite ganz im Bereich des fünften Muskelelements gelagert sein. Diesen Fall ausgenommen fand ich im fünften Segment kein Ganglion. Dagegen liegen im sechsten Segment fast immer zwei zweizellige Ganglien, das hintere davon in der Regel durch besonders kleine Zellen ausgezeichnet (Fig. 11 und 12). So wie im Ganglion des zweiten -_ Muskelzellpaares können auch hier die im typischen Fall neben einander liegenden Zellen mehr oder minder weit aus einander rücken. Die größten Mannigfaltigkeiten zeigt jedoch das folgende Ganglion sowohl in seinem Bau als seiner Lage. Fast stets besteht es zwar aus sechs, selten aus fünf Zellen; deren Anordnung aber zeigt beträchtliche Verschiedenheiten. Als typisch dürfte wohl das Verhalten anzusehen sein, das durch eine symmetrische Stellung der sechs Ganglienzellen in drei auf einander folgende Paare ausgezeichnet ist (Fig. 13 4). In diesem 386. 4 Oswald Seeliger, Fall liegen zumeist alle Zellen ziemlich dicht hinter einander; zuweilen finden sich aber auch die Paare weiter von einander entfernt. In vielen Fällen verschieben sich die paarweise neben einander liegenden Zellen so weit, dass sie hinter einander zu liegen kommen. Am häufig- sten beobachtet man das im vordersten Zellpaar (Fig. 13 Z), zuweilen auch im zweiten oder dritten, und endlich findet sich das auch bei allen gleichzeitig, so dass an Stelle eines etwas kompakteren Ganglions sechs in einer Reihe hinter einander liegende Zellen angetroffen werden (Fig. 13 C). Dabei können einzelne Zellen sich so weit nach vorn oder hinten verschieben, dass sie von den benachbarten durch weite, die Länge einer Ganglienzelle um ein Mehrfaches übertreffende Zwischenräume getrennt werden. So wie in den schon oben erwähnten Fällen würde man auch hier, ohne Kenntnis aller die Extreme ver- bindenden Zwischenstadien, kaum die Reihe Ganglienzellen zu einem - Ganglion zusammenfassen. Schon diese Verschiedenheiten des Baues, die gelegentlich zu einer Streckung des Ganglions auf das Dreifache der Länge führen, bedingen es, dass in den Lagebeziehungen zu den Muskelzellen weit- gehende individuelle Unterschiede vorhanden sein müssen. Während ich im siebenten Segment niemals ein Ganglion beobachtete, liegt in dem folgenden das eben beschriebene entweder ganz oder doch min- destens zum Theil. Da gerade an diesen Stellen die Muskelzellen der rechten und linken Seite nicht genau einander gegenüber liegen, sondern recht verschieden weit nach hinten und vorn reichen, kann, so wie wir es bei manchen vorderen Ganglien fanden, auch hier der Nervenknoten trotz seiner größeren Ausdehnung rechts ganz in den Bereich des achten, links des neunten Segmentes fallen (Fig. 1). Da, wo das Ganglion bei einreihiger Zellanordnung über eine größere Strecke sich hinzieht, kann es auf einer Seite (Fig. 13 C) oder auch auf beiden von je zwei Muskelzellen begrenzt sein. Das letzte Ganglion findet sich stets dem Chordaende nahe, zwischen den zehnten Muskelzellen und besteht zumeist aus zwei ziemlich kleinen Ganglienzellen (Fig. 14). Alle Ganglienzellen im Schwanz zeigen die bekannten typischen Verhältnisse. Die kleinsten sind zumeist bipolar; die größeren be- sitzen oft Fortsätze, die sich leicht bis zur Endigung am Muskel verfolgen lassen. Die Kerne sind bläschenförmig und in den klein- sten Ganglienzellen natürlich von außerordentlicher Kleinheit; stets sind sie alle strukfurirt, mit deutlichem Nucleolus und mit achroma- Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 387 tischem Gerüstwerk versehen, niemals, wie RAnKIn behauptet, voll- kommen homogen (vgl. hier Fig. 7—18, Taf. XX]). Im großen Caudalganglion liegen die Ganglienzellen im Wesent- lichen in einer Schicht peripher um die sehr spärliche Fasersubstanz angeordnet. Nur hin und wieder erscheint im vorderen verdickten Abschnitt eine oder die andere Zelle nach innen zu so verschoben und zwischen die Nachbarzellen eingekeilt, dass es den Anschein hat, als ob sie überhaupt nicht bis zur Peripherie reichen könnte. Während man hier acht und mehr Ganglienzellen auf einem Durch- ‘ sehnitt findet (Fig. 15), sieht man weiter hinten im Ganglion nur drei bis vier (Fig. 16) und füglich eine dem Faserstrang aufliegende Zelle. In allen hinteren Schwanzganglien der Fritillaria liegen höch- stens zwei Zellen neben einander. In den Querschnitten sieht man diese Zellen dem Nervenfaserstrang auf- und anliegen, so dass bei hinreichender Größe der Ganglienzellen die Fasern zwischen ihnen eingeschlossen erscheinen können (Fig. 17 und 18). Der caudale Nervenfaserstrang ist bei Frrtillaria sehr fein und besteht aus nur wenigen feinsten, längsverlaufenden Fibrillen, die bei der Präparation sehr leicht mit einander verquellen und daher nicht leicht aus einander zu halten sind. Wie schon LEUCKART! ganz richtig beobachtet hat, wird »die streifige Masse des Nervenstammes« von einer Scheide umhüllt. Bei unserer Zrrtillaria ist sie außer- ordentlich zart und fein (Fig. 19); bei Oikopleura cophocerca dagegen, bei der das gesammte Nervensystem viel umfangreicher entwickelt ist, erscheint sie als eine deutliche doppelt kontourirte Scheide. Ich glaube, dass sich daraus auch die Beschreibungen For’s für Oiko- pleuren und Cnun’s? für Megalocercus verstehen lassen, die den Hauptnervenstamm als eine Röhre darstellen, die ein deutliches Lumen umschließe. 2. Die Caudalganglien der Oikopleuren. Das Schwanz-Nervensystem der Oikopleuren zeigt gegenüber dem für Fritillarien geschilderten Verhalten keine wesentlichen Gegensätze, nur dass es, wenigstens bei den größeren Formen, einen höheren Grad der Ausbildung erreicht. Die Zahl der gesonderten Ganglien ist beträchtlich größer als bei Fritillaria und kann, wie schon For wusste, bis auf 40 und 1 LEUCKART, Zoologische Untersuchungen. 2. Heft. p. 85. ?2 Cuun, Die pelagische Thierwelt in größeren Meerestiefen und ihre Be- ziehungen zu der Oberflächenfauna. Bibliotheca Zoolog. Heft 1. 1888. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 26 388 Oswald Seeliger, mehr steigen. Die Vertheilung auf die einzelnen Segmente zeigt noch weitgehendere Verschiedenheiten, als wir sie oben kennen ge- lernt haben. Das große Caudalganglion liegt in der Regel so, dass es in den Bereich der beiden ersten Segmente fällt. Es setzt sich bei den verschiedenen Arten aus einer sehr wechselnden Zahl Zellen zusammen, die bei den großen Formen recht ansehnlich werden kann. Eben so wenig wie bei Fritillaria ist dieses Ganglion das erste des Schwanzes, sondern weiter vorn liegen noch ein oder mehrere kleinere, die sich zumeist nur aus sehr wenigen, zum Theil auch nur aus einer Zelle aufbauen (Fig. 1 und 2). Neben den Unter- schieden, die verschiedene Arten hierin erkennen lassen, kommen auch individuelle Variationen vor. Da die Zahl der Ganglien die der Segmente beträchtlich über- trifft, müssen sich im Bereiche eines jeden der letzteren mehrere Nervenknoten finden. Gewöhnlich zählt man bei Orkopleura cophocerca zwei, drei oder auch vier; bei Orkopleura velfera, bei der die Ge- sammtzahl der Ganglien geringer ist, fast stets nur zwei oder drei und ganz ausnahmsweise vier. Das von mir in Fig. 26, Taf. XXII gezeich- nete Verhalten stimmt mit der oben erwähnten Darstellung von LANGERHANS nicht genau überein, denn ich finde die Ganglienzahl etwas größer. Abgesehen davon, dass LANGERHANS das vorderste kleine Caudalganglion des 1. Segments nicht bemerkt hat, scheinen ihm auch weiter hinten einige entgangen zu sein. Übrigens lässt sich auch mit der oben mitgetheilten kleinen Tabelle nur schwer in Einklang bringen, wenn LANGERHANS später die Gesammtzahl der Schwanzganglien bei Orlkopleura velifera auf 12—16 angiebt. Ich konnte wenigstens stets eine größere Anzahl zählen. Allerdings be- segnen wir bei den Vikopleuren den gleichen Schwierigkeiten, die wir bei Fritillaria fanden, wenn wir die Zahl der Ganglien fest- stellen wollten. Denn sehr häufig rücken die Zeilen, die bei dem einen Individuum zu einem kompakteren Ganglion verbunden er- scheinen, bei einem anderen so weit aus einander, dass es kaum noch angeht, sie zu einem Nervenknoten zusammenzufassen. Bei der genauen Durchsicht der Figuren 25 und 26 wird man sich davon leicht überzeugen können. In den beiden in Fig. 48 und 51 ge- zeichneten Segmenten von Oktkopleura cophocerca wird sich, wenn man nicht jede der kleinen Zellen oder Zellenpaare besonders zählen will, ebenfalls schwer eine jeden Widerspruch ausschließende Ganglienzahl feststellen lassen. Nicht anders liegt es bei Orkopleura spissa (Fig. 45) und den verschiedenen älteren und jüngeren Indivi- Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 389 duen der Oikopleura dioica, wie die Vergleichung der Figuren 50, 54—57, Taf. XXIII sofort ergiebt. Auch bei solchen Verhältnissen, die Fig. 44, Taf. XXII für Oikopleura velifera zeigt, wird nicht ein Jeder sich entschließen wollen, alle Ganglienzellenpaare, die das Bild erkennen lässt, kurzweg nur als ein einziges Ganglion zusammen- zufassen, zumal hier die vorderen und hinteren Zellenpaare im Be- reiche verschiedener Segmente gelegen sind. Zuweilen erhält man allerdings durch Vergleichung verschiedener Individuen ganz zuverlässige Anhaltspunkte darüber, wie viel Ganglien zu zählen seien. So finden sich bei Oikopleura velifera im vierten Segment in der Regel drei Ganglien, deren jedes sich aus vier Zellen in ganz symmetrischer Weise zusammensetzt, indem immer ein Paar großer und kleiner Ganglienzellen zu einer Gruppe sich vereinigt zeigen. In den beiden vorderen Ganglien liegen die großen Elemente vor den kleineren, im hintersten ist es umgekehrt (Fig. 30, Taf. XXII). Oft rücken auch hier die einzelnen Ganglienzellen mehr oder minder weit aus einander, und es treten überdies Störungen der Art auf, dass an Stelle eines Paares kleiner eine einzige größere Ganglienzelle liest (Fig. 31). Da sich bei der Vergleichung zahlreicher Individuen zwischen den Extremen alle Übergangsformen auffinden lassen, wird man wohl stets diesem Segment drei Ganglien zuerkennen müssen, auch da, wo die Dissociation der Ganglien sehr weit vor- geschritten ist. Wahrscheinlich würde auch in manchen anderen Fällen, in denen die Zählung der Ganglien unsicher erscheint, durch Vergleichung zahlreicher Individuen und Feststellung der individuellen Variations- grenzen Gewissheit zu erlangen sein. Allein es ist nicht immer möglich, das nothwendige Vergleichsmaterial zu beschaffen, und in vielen Fällen würde trotzdem — wie wir ja auch oben für gewisse Regionen des Caudalstranges bei Fritillaria feststellen konnten — der Zweifel bestehen, ob sich nieht ein Ganglion in der That auch in mehrere auflösen könne, die jedes für sich besonders gezählt werden ' müssten. | So wenig wie die Zahl der Ganglien, sind auch deren Lage- beziehungen zu den Muskelsegmenten stets an allen Stellen unver- änderlich. Indem sowohl die Ganglien als auch die Segmentgrenzen nach vorn oder nach hinten zu sich verschieben können, gehört das- selbe Ganglion zuweilen in dem einen Thier diesem in dem anderen dem benachbarten Segment an. Da, wo die Segmentgrenzen rechts und links sich nieht genau gegenüber liegen, beobachtet man die 26* 390 Oswald Seeliger, gleiche Erscheinung wie bei Fritillaria, dass nämlich dasselbe Ganglion auf der rechten und linken Seite von verschiedenen Muskelsegmenten begrenzt wird. Das histologische Verhalten der Ganglienzellen und des Nerven- faserstranges ist das gleiche wie bei Fritillaria. Bei den großen Oikopleuren sind die Ganglienzellen im Allgemeinen vielleicht etwas größer und namentlich die Kerne deutlicher strukturirt; die die Nervenfasern umhüllende Membran ist — worauf oben schon hin- gewiesen worden ist — stärker entwickelt und deutlich doppelt kontourirt. Das geschilderte schwankende Verhalten der Caudalganglien aller Appendicularien, die ungleichmäßige Vertheilung auf die einzelnen Muskelabschnitte und die Auflösung mancher Ganglien in einzelne Gruppen oder sogar in eine Zellreihe, deren Elemente sich nicht einmal mehr berühren, müsste in der ontogenetischen Entwicklung eine genügende Erklärung finden. Da aber jüngere Entwicklungs- stadien von Appendicularien bisher so gut wie ganz unbekannt sind, bleibt nur der Weg, aus der Embryologie der Ascidien Rückschlüsse zu ziehen. Danach aber dürfte es kaum einem Zweifel unterliegen, dass entwicklungsgeschichtlich alle Caudalganglienzellen der Appen- dieularien aus einem zelligen primären Nervenrohr hervorgegangen sein müssen, das allerdings bisher durch direkte Beobachtung nicht nachgewiesen worden ist. Im Appendicularienrumpf bleiben die Zellen nur im Bereiche des Gehirnganglions bestehen, und wahr- scheinlich dürfte auch die Otolithenblase und so wie bei den Ascidien . die Flimmergrube aus dem primären Nervenrohr hervorgehen; im Verlaufe aber des Hauptnervenstranges fehlen im ausgebildeten Zu- stand, wie es scheint überall, zwischen Gehirn und erstem Caudal- sanglion nervöse zellige Elemente durchaus. Es sind demnach im Rumpfe alle Zellen des Nervenrohres, in so fern sie nicht theilweise vielleicht resorbirt worden sein sollten, zur Bildung des Gehirns und der benachbarten Organe zusammengetreten, nachdem sie sich vom Nervenfaserstrang zurückgezogen haben. Im Ruderschwanz der Appendieularien entwickeln sich aus den Zellen des Nervenrohres die Ganglienzellen. Im Larvenschwanz der Aseidien werden bekanntlich während der Metamorphose alle Zellen des primären Nervenrohres resorbirt. Im Appendieularien- schwanz scheint eine Rückbildung von solchen Zellen überhaupt nicht vorzukommen, wenigstens liegen keine Gründe vor, sie anzunehmen, Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 391 und es dürften sämmtliche Elemente bei der Entwicklung des Caudal- stranges zu Ganglienzellen werden. Bei dieser Umwandlung erfolgen Lageveränderungen der Zellen. Denn während sich im Nervenrohr in gleichmäßiger Weise die Elemente an einander reihen, gruppiren sich die Ganglienzellen nach Ausbildung des Faserstranges in unregel- mäßiger und wechselnder Weise zu Ganglien. Dabei können, wie es scheint bei allen Arten, vereinzelte Zellen auf dem Nervenstrang an verschiedenen Stellen liegen bleiben. Danach wird es vielleicht zweifelhaft erscheinen können, ob man überhaupt, wie es z.B. oben p. 389 bei der Darstellung des verschiedenen Verhaltens der Ganglien im vierten Segment der Orkopleura velifera geschehen ist, von einer Auflösung der Ganglien sprechen dürfe, wenn Ganglienzellen mehr oder minder ungeordnet dem Faserstrang aufliegen, ohne zu einer Gruppe inniger verbunden zu sein. In der That bin ich auch geneist, alle die erwähnten Ver- schiedenheiten im Verhalten des Nervensystems nur dadurch zu er- klären, dass die Differenzirung zu einem eine bestimmte Anzahl Sesonderter Ganglien tragenden Faserstrang auf verschiedenen Ent- wicklungsstufen stehen bleibt. Eine typisch segmentale Gliederung des Nervensystems ist bei keiner der von mir untersuchten Appen- dieularien bereits erreicht, und selbst die verschiedenen Individuen einer Art erweisen sich in Bezug auf diese Entwicklung verschieden weit vorgeschritten. Zur Annahme, dass ursprünglich bei den Appendicularien eine schärfer ausgeprägte Segmentation des Nervensystems bereits vorhanden gewesen, später aber wieder verloren gegangen sei, scheint mir jede Grundlage zu fehlen. Von Wichtigkeit ist jedenfalls das Ergebnis, zu dem die direkte Beobachtung mit Sicherheit uns führt, dass bei keiner Fritillaria und Oikopleura die Zahl der Ganglien und Muskelsegmente übereinstimmt. Im Bereiche jedes aus zahl- reicheren Zellen sich zusammensetzenden Muskelabschnittes der Oikopleuren finden sich auch mehrere Ganglien, aber deren Zahl - ist keineswegs stets ganz fest bestimmt, sondern vorn und hinten sowie auch bei verschiedenen Individuen verschieden. Auch in solehen Segmenten, in denen keine isolirten Ganglienzellen vorkom- men, sondern alle Elemente zu mehrzelligen Ganglien fest verbunden sind, finden sich derartige Verschiedenheiten. 92 | Oswald Seeliger, Ill. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen. Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass der Bau und das Verhalten der Muskulatur und des Nervensystems im Ruder- schwanze der Fritillarien und Oikopleuren im Wesentlichen übereinstimmen, und das Gleiche gilt auch von den anderen bisher bekannt gewordenen Gattungen der Appendicularien. Überall stellt das Muskelband eine einschichtige frei in der primären Leibeshöhle liegende Zellplatte dar, die bei Fritillarien sich lediglich aus zehn großen in einer Reihe hinter einander angeord- neten Muskelzellen aufbaut, bei den meisten Oikopleuren dagegen, mit Ausnahme des äußersten Hinterendes, zwei Zellen breit ist. Die zehn Segmente entsprechen daher bei Fritillaria den zehn Muskel- zellen; die Segmentgrenzen sind einfache Zellgrenzen. Bei den Vikopleuren besteht aber jedes Segment aus mehreren, im ein- fachsten Fall aus zwei neben einander liegenden Zellen, deren Kerne zumeist zu einem Kernnetzwerk mehr oder minder innig verwachsen sind; die Segmentgrenzen sind daher die Grenzen zwischen einem vorderen und hinteren Zellenpaar. Bei allen Appendicularien zeigt der caudale Nervenfaserstrang eine Reihe gangliöser Anschwellungen, die aus einer sehr wechselnden Zahl von Ganglienzellen bestehen, zuweilen nur aus einer einzigen. Die Feststellung der Ganglienzahl bietet häufig desshalb Schwierig- keiten, weil es sich bei gewissen Anordnungen der Ganglienzellen nicht sicher entscheiden lässt, welche von den etwas weiter zer- streuten Elementen zu einem Nervenknoten gehören. Bei Fritillaria findet sich an mehreren Stellen des Schwanzes im Bereiche einer Muskelzelle auch ein Ganglion, und da zuweilen auf derselben Strecke nur ein Chordakern liegt, wird der Eindruck einer sehr regelmäßigen segmentalen Gliederung hervorgerufen (Fig. 2).. Das Segment besteht demnach aus einem Ganglion, einer Chordazelle und auf jeder Seite aus einer Muskelzelle. Doch findet sich dieses Verhalten niemals auf der ganzen Länge des Schwanzes, sondern stets nur streckenweise. Die Gesammtzahl der Ganglien und Muskelabschnitte stimmt nicht überein. In noch erhöhtem Maße ist das bei den Oikopieisen der Fall, bei denen im Bereiche von annähernd zehn Muskelsegmenten un- sefähr die drei bis vierfache Ganglienzahl zu finden ist. Auch in den einzelnen Segmenten ist die Zahl der Ganglien verschieden, und eben so kommen individuelle Schwankungen in den gleichwerthigen Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 393 Segmenten vor. Auch wenn man in der Erwägung, dass bei Pritillaria zuweilen im Bereiche einer Muskelzelle ein Ganglion liegt und bei den Oikopleuren das Muskelsegment aus zahlreicheren Zellen sich zusammensetzt, die Zahl der Ganglien einer O:rkopleura mit der der Muskelzellen oder Muskelzellpaare vergleicht, gelangt man höchstens zu einer nur ganz annäherungsweisen, niemals zu einer vollständigen Übereinstimmung. Es entspricht daher durchaus nicht dem thatsächlichen Ver- halten, wenn GEGENBAUR behauptet: »Bei den Appendicularien, deren Schwanz bestehen bleibt, nimmt diese zu einer breiten band- artigen Masse gestaltete Muskulatur allmählich einen metameren Cha- rakter an. Solcher scharf abgegrenzter Myomeren sind zehn bei Oikopleura und Fritillaria unterschieden (LANGERHANS). Jedes Myo- mer korrespondirt mit einem der Ganglien, welche aus der Fortsetzung des Centralnervensystems auf die Länge des Schwanzes entstanden sind, und empfängt von daher einen Nerv.« (Vgl. Anatomie der ‚Wirbelthiere p. 604.) Wie hier ausführlich von mir dargethan wurde, besteht nirgends eine derartige Übereinstimmung zwischen der Glie- derung des Nervensystems und der Muskulatur. In allen diesen wichtigen Zügen stimmen die am einfachsten und komplicirtesten gebauten Appendieularien, die daraufhin bisher überhaupt untersucht worden sind, vollkommen überein. Es ist frei- lieh nieht unwahrscheinlich, dass die von der deutschen Tiefsee- expedition erbeuteten riesigen Appendicularien, deren Ruder- schwanz 9 em misst, noch verwickeltere Verhältnisse darbieten werden!. Ich glaube aber nicht, dass der Bau dieser großen Formen von dem geschilderten typischen Verhalten in wesentlichen Zügen abweichen werde. 2 Als eine der wichtigsten allen Appendieularien gemeinsame Eigen- thümlichkeit im Bau der Muskulatur betrachte ich die, dass das ge- 1 Über diese Appendieularien liegt bislang nur der kurze Bericht Chuux’s vor: »Unter den in der letzten Zeit« (auf der Fahrt Kamerun — Kap) »erbeute- ten pelagischen Tiefsee-Organismen sei speciell noch einer Appendicularie ge- dacht. Die bisher bekannten Vertreter dieser Ordnung besitzen mikroskopische Größe mit Ausnahme einer relativ großen Art, die früherhin in den tieferen Schichten des Mittelmeeres nachgewiesen wurde. Die letztere ist ein Zwerg im Vergleich mit den neuerdings erbeuteten Riesenformen, deren Körper Nussgröße aufweist und deren mit einer Rückensaite (sie besitzt die Dicke der Rückensaite von Neunaugen) ausgestatteter Ruderschwanz eine Länge von 9 cm erreicht.« (Die Deutsche Tiefsee-Expedition. 1898/1899. Sonderabdr. aus der Zeitschr. der Gesellsch. für-Erdkunde Berlin. 1899. Bd. XXXIV. p. 17.) 394 | Oswald Seeliger, sammte Muskelband auf jeder Seite nur eine einschichtige Zellplatte darstellt, die ganz in der primären Leibeshöhle liest und kein Enterocoel begrenzt. Das gesammte Mesoderm des Schwanzes wird durch diese beiden Muskelzellplatten gebildet; nur bei einigen Formen finden sich überdies einzelne oder in Gruppen angeordnete Mesenchym- zellen, die man Subchordalzellen genannt hat. Es fehlt daher allen Appendicularien durchaus ein der enterocoelen Leibeshöhle der Vertebraten vergleichbarer Raum und die Sonderung des Mesoderms in ein äußeres und inneres Blatt. Es ist nicht die geringste Aus- sicht vorhanden, dass wir, wenn die Entwicklung der Appendicularien erforscht sein wird, auf frühen embryonalen Stadien auch nur An- deutungen einer sekundären Leibeshöhle antreffen werden. Dieser Gegensatz im Verhalten des Coeloms und des Mesoderms bei Vertebraten und Copelaten scheint mir ein so bedeutungsvoller zu sein, dass sich dadurch der Versuch von vorn herein verbietet, die einzelnen Abschnitte im Ruderschwanz der Appendieularien mit den Ursegmenten des Amphioxus und der übrigen Wirbelthiere zu homo- logisiren. Jedenfalls ist es unzutreffend, wenn GEGENBAUR der oben 'p. 393) bereits angeführten Beschreibung des Baues des Appendieu- larienschwanzes hinzufügt: »In der Gesammtheit dieser Einrichtungen bieten die Organe eine in allen Hauptzügen mit dem Verhalten der niedersten Zustände der Wirbelthiere übereinstimmende Disposition.« Ich kann demnach in den einzelnen Abschnitten der Schwanz- muskulatur der Appendicularien keine echten, den Ursegmenten oder Urwirbeln der Vertebraten vergleichbaren Myomere erblicken. Jedes Muskelband bildet vielmehr ein durchaus einheitliches, ungetheiltes und daher unsegmentirtes Organ. Das beweist schon der im leben- den Thiere stets kontinuirliche durch die ganze Schwanzlänge sich hindurch erstreckende Verlauf der Fibrillen. Das Auftreten der Quergrenzen, das eine Gliederung vortäuscht, ist ursächlich bedingt durch die Anordnung der Muskelzellen in einer oder zwei Reihen und dadurch, dass entweder nur die Zellgrenzen nach Anwendung geeigneter Reagentien sichtbar werden oder der Fibrillenverlauf in Folge der Behandlung eine Störung erfährt. Bei den Aseidien- larven, bei denen das Muskelband drei Zellen breit ist und die spindelähnlichen Elemente so angeordnet sind, dass die Zellenden der mittleren Reihe in denselben Querebenen liegen, wie die Zell- mitten der dorsalen und ventralen Reihe, fehlt auch die segmen- tale Gliederung der Muskulatur (vgl. die nebenstehende Textfigur). Eben so wenig ist auch im Nervensystem der Ascidienlarven bisher Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 395 eine echte Gliederung nachgewiesen worden, obwohl sich mehrfach in der Litteratur die Angabe findet, dass schon längst durch KUPFFER dafür der Beweis erbracht worden sei. Indessen hat KuprrEr! bei der Larve der Ascidia mentula lediglich im vordersten Schwanzabschnitt drei Paar flache Fibrillenbündel aus dem Nervenrohr austreten sehen. Die Entfernung zwischen dem ersten und zweiten und diesem und FÜR Seitliche Ansicht des Muskelbandes einer Clavelina lepadiformis. Nur die äußeren Fibrillen sind eingezeichnet worden; sie werden von den basalen im spitzen Winkel gekreuzt, dem dritten Paar war nur unbedeutend verschieden. Segmental an- geordnete Ganglien wurden überhaupt nicht beobachtet. Wenn sich nun auch nirgends bei den Tunicaten eine mit den Vertebraten übereinstimmende Myomerie und Neuromerie findet, bleibt doch noch die Möglichkeit bestehen, dass das Verhalten bei den Mantelthieren als ein sekundär erworbenes zu betrachten und von einer ursprünglich vorhandenen echten Segmentirung abzuleiten sei. Wir kennen ja genugsam Fälle, in denen die Zahl der gesondert nachweisbaren Ganglien von der ursprünglichen, in anderen Organen bewahrten Segmentzahl nicht unerheblich sich unterscheidet. Doch handelt es sich dann in der Regel um eine mehr oder minder erheb- liche Reduktion der gesonderten Ganglien, indem diese in mehr oder minder großer Anzahl nachträglich mit einander verschmelzen. Für die Annahme, dass die Appendieularien derartig rückgebildete For- men seien, fehlt aber bisher jeder Anhaltspunkt, und ich habe oben bereits aus einander gesetzt, dass wir das Verhalten des caudalen Nervensystems wohl in einer ganz anderen Weise zu erklären haben dürften. Meiner schon früher geäußerten Auffassung, dass die Or- sanisationseigenthümlichkeiten des Appendieularienschwanzes durch Rückbildung aus einem höheren segmentirten Vorfahrenstadium nicht erklärt werden könnten, haben sich neuerdings sowohl LEFEVRE wie RANKIN angeschlossen. | Beide Forscher stimmen mir auch darin bei, dass die einzel- nen Abschnitte der Schwanzmuskeln der Appendicularien überhaupt nicht als echte Muskelsegmente betrachtet werden dürften, LEFEVRE ! KuPFFER, Zur Entwicklung der einfachen Asecidien. Archiv für mikr. Anat. Bd. VIII. 1872. 396 Oswald Seeliger, glaubt aber allerdings, dass die Querrupturen in den Muskelbändern wenigstens als der phylogenetische Anfang einer sich ausbildenden Segmentation zu deuten seien. Meine oben (p. 390) mitgetheilten Er- örterungen über die caudalen Ganglien lassen sich mit einer der- artigen Auffassung sehr wohl in Einklang bringen, denn es erscheint durchaus annehmbar, dass die phylogenetische Entwicklung der Appendicularien dahin ziele, einen Caudalstrang zu schaffen, der in gleichmäßigen Abständen wohl differenzirte vielzellige Ganglien trägt. Ob aber eine ähnliche Annahme in Bezug auf die Muskulatur ge- rechtfertigt sein möchte, ist mir doch einigermaßen zweifelhaft. Ich meine dabei allerdings nicht die schärfere Sonderung der einschich- tigen Muskelplatten in mehrere hinter einander gelegene Abschnitte, denn eine solche könnte vielleicht schon bei den neuerdings aufge- fundenen Riesenformen vorhanden sein und sich lediglich im Zu- sammenhang mit der bedeutenden Schwanzlänge entwickelt haben. Nur das halte ich für sehr unwahrscheinlich, dass im Appendieularien- schwanz eine enterocoele Leibeshöhle mit nach Art der Urwirbel segliedertem Mesoblast zur Ausbildung gelangen könnte. Geht man von der nunmehr allgemein anerkannten Voraussetzung aus, dass die Appendicularien die ursprünglichsten aller Tunicaten seien und demnach deren Stammform am nächsten stehen, so ergeben sich ohne Weiteres aus den hier mitgetheilten Thatsachen wichtige Schlussfolgerungen für die Beurtheilung der Verwandtschaftsbeziehungen der Vertebraten und Mantelthiere. Sind die Appendieularien und damit auch die Tunicaten als ursprünglich ungegliederte, eine entero- coele Leibeshöhle entbehrende Formen erwiesen, so können die Ver- wandtschaftsbeziehungen zu den Wirbelthieren keine so innigen sein, als man zumeist annimmt. Alle Wirbelthiere stammen von einer gegliederten, mit enterocoeler Leibeshöhle ausgestatteten Stammform ab, die sich eben durch diese Gliederung und das Coelom wesentlich über die Urform der Tunicaten erhebt. Die letzte gemeinsame Vor- fahrenform dieser beiden Thierstäimme muss daher noch ungegliedert gewesen sein und eine so einfache Organisation besessen haben, dass der Wirbelthiertypus in ihr höchstens erst angedeutet, keineswegs aber bereits vollkommen entwickelt gewesen sein konnte. Rostock, im December 1899. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 397 Erklärung der Abbildungen, Sämmtliche Abbildungen wurden mit der Camera entworfen. Aus den Bildgrößen lassen sich durch entsprechende Division durch die für jede Zeich- nung angegebene Vergrößerung sofort die wahren Größen der Objekte be- stimmen. Buchstabenbezeichnung: db, Blutbahnen im Appendicularien- gt, Gallerte, die primäre Leibeshöhle schwanz; erfüllend; e, euticulare Bildung im Ektodermepi- gz, Ganglienzellen; thel der Haut; mb, Muskelband, auf jeder Seite des ch, Chorda; Schwanzes gelegen; chk, Chordakern; mk, Muskelzellkerne; chz, Chordazellen;; | ms, Mesenchymzellen; dr, Drüsenzellen ; mz, Muskelzellen; ec, ektodermales Hautepithel; n, dorsaler Nervenstrang des Schwan- eck, Ektodermkerne; zes; f, Fibrillen und Fibrillenschicht der nf, Nervenfasern des dorsalen Nerven- Schwanzmuskelzellen ; stranges; 9, Ganglien des Schwanznervenstranges; s, Sarkoplasmaschicht der Muskelzellen; sg, Sog. Segmentgrenzen. Tafel XXI. | Sämmtliche Abbildungen (Fig. 20 ausgenommen) beziehen sich auf Fritilla- ria furcata Fol. Fig. 1. Chorda, Nervenstrang und Muskulatur des Ruderschwanzes von der linken Seite aus gesehen. Mit Z7—X sind die auf einander folgenden Muskel- zellen bezeichnet; die Grenzen zwischen den zehn Muskelzellen der rechten Seite sind durch schwächere Linien angedeutet. 144/1. Fig. 2. Stück aus dem linken Muskelband einer ganz jungen Fritillaria, um die Beziehungen der Ganglien zu den auf einander folgenden Muskelzellen (I—7) zu zeigen. Die Muskelzellgrenzen der rechten Seite sind durch schwächere Linien bezeichnet. 450/1. Fig. 3. Querschnitt durch die Mitte des Ruderschwanzes. 396/1. Fig. 4. Stück aus einem anderen Querschnitt derselben Serie, um die Struk- tur des Muskelbandes zu zeigen. 1500/1. Fig. 5 u. 6. Zwei sog. Segmentgrenzen, in Wirklichkeit Grenzen zwischen zwei Muskelzellen, bei Flächenansicht des Muskelbandes. 1500/1. Fig. 7. Das Vorderende des Schwanznervenstranges mit dem ersten großen Schwanzganglion eines mittelgroßen Thieres. 500/1. Fig. 8. Das zweite Ganglion desselben Thieres. 1000/1. Fig. 9. Das dritte Ganglion desselben Individuums. 1000/1. Fig. 10—12. Das vierte, fünfte ‘und sechste Ganglion desselben Thieres. 1000/1. Fig. 13. Das siebente Ganglion von drei verschiedenen Thieren, um die auffallenden individuellen Variationen zu zeigen. 1000/1. 398 Oswald Seeliger, Fig. 13 A stammt von demselben Individuum wie die vorhergehenden Ab- bildungen, Fig. 135 von einem gleich großen Thier, + Fig. 13 C von einem etwas größeren Individuum. !sg, linksseitige | Zellgrenze zwischen der achten und neunten Muskel- rsg, rechtsseitige | zelle jedes Muskelbandes. Fig. 14. Terminales Schwanzganglion desselben Thieres, dem Fig. 7—12 entnommen sind. 1000/1. Fig. 15 u. 16. Schnitte durch die Mitte und das Ende des ersten großen Schwanzganglions. 1500/1. Fig. 17. Schnitt durch das hinterste Ende des ersten Ganglions nahe der Übergangsstelle in den dorsalen Nervenfaserstrang. 1500/1. Fig. 18. Schnitt durch das vierte Ganglion desselben Thieres. 1500/1. Fig. 19. Aus derselben Serie, Schnitt durch den Nervenstrang zwischen zwei Ganglien. 1500/1. Fig. 20. Schnitt durch den Nervenstrang zwischen zwei Ganglien einer alten Orkopleura cophocerca Fol. 1200/1. Fig. 21 u. 22. Zwei Muskelkerne (sechster und siebenter der Reihe) aus der hinteren Hälfte eines Muskelbandes einer jungen Fritillaria. 500/1. Fig. 23. Letzter (zehnter) Muskelkern desselben Thieres. 500/1. Fig. 24. Senil degenerirter Kern der achten Muskelzelle eines älteren Thieres. 500/1. Tafel XXTII. Sämmtliche Abbildungen beziehen sich auf die Gattung Orkopleura. Fig. 25. Ruderschwanz einer 'alten Oikopleura cophocerca Fol von rechts gesehen. Nach der Konservirung sind in jedem Muskelband neun Abschnitte zu unterscheiden; die der linken Seite sind durch schwächere Linien angedeutet. Ca. 24/1. Fig. 26. Muskulatur, Chorda und Nervensystem des Ruderschwanzes einer Oikopleura velifera Lang. von links gesehen. Die Trennungslinien im Muskel- band traten nach Konservirung mit Sublimatessigsäure hervor. Nur auf der linken Seite war das achte »Muskelsegment<« (VIII) durch zwei schwächere Quer- linien in drei kleinere Abschnitte (7, 2, 3) zerlegt. 144/1. Fig. 27. Querschnitt durch den vorderen Schwanzabschnitt einer alten Oikopleura cophocerca. 62/1. Fig. 28. Querschnitt durch den hinteren Schwanztheil von Oikopleura cophocerca. 85/1. Fig. 29. Stück aus einem Querschnitt durch die Mitte des Ruderschwanzes einer alten Oikopleura cophocerca, um das Verhalten der Muskulatur und der Leibeswand zu zeigen. 1000/1. Fig. 30. Nervenstrang mit Ganglien aus dem Bereiche des vierten Muskel- segmentes einer kleinen Oikopleura velifera. Stück aus einem frontalen Längs- schnitt durch den Ruderschwanz. 1500/1. Fig. 31. Dieselbe Region aus einem anderen jungen Individuum, um die Variabilität der Ganglienzellengruppirung zu zeigen. 1000/1. Fig. 32. Inselbildung in der Schwanzmuskulatur einer mittelgroßen O:ko- pleura cophocerca. Stück aus dem dritten Segment; das vierte desselben Thieres zeigt Fig. 51. 267/1. Einige Bemerk. über d. Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. 399 Fig. 33. Lateraler Längsschnitt durch die Mitte des Vorderendes eines Ruderschwanzes von Orkopleura velifera. 500/1. | Fig. 34 u. 35. Zwei Muskelzellkerne aus dem hinteren Abschnitt des 2,5 mm messenden Ruderschwanzes einer Orkopleura dioica Fol. 550/1. Fig. 36. Vorletzter Muskelzellkern des linken Muskelbandes einer jüngeren Orkopleura dioica (aus demselben Thier stammt auch Fig. 50). 550/1. Fig. 37A u. B. Zwei Muskelzellkerne einer jungen 0,8 mm langen Oiko- pleura dioica. Dasselbe Individuum wie in Fig. 55. 1000/1. Fig. 38. Stück aus der Grenzregion zwischen zwei sog. Muskelsegmenten einer Oikopleura dioica. Die scharf hervortretende Segmentgrenze ist hier durch einen feinen Spalt im Sarkoplasma bedingt. 1000/1. Fig. 39. Die Region einer Segmentgrenze im Muskelband einer Orkopleura dioica. Das Sarkoplasma der vorderen Zellen zeichnet sich im unmittelbaren Bereich der Grenze durch stärkere Tinktionsfähigkeit aus. 500/1. Fig. 40. Querspalt im Sarkoplasma innerhalb eines »Segmentes«. Die Kern- netze erscheinen nur an einigen Stellen durch dieses Artefakt bereits gespalten. Die Grenzregion zwischen erstem und zweitem Segment ist in Fig. 46 abgebildet. Orkopleura cophocerca. 261/1. Fig. 41 u. 42. Stücke aus zwei »Segmentgrenzen« aus Muskelbändern einer Oikopleura dioica. Der Fibrillenverlauf erscheint an den betreffenden Stellen gestört. 550/1. Fig. 43. Stück aus einem Kernnetz einer alten Oikopleura cophocerca bei Flächenansicht. 1000/1. Fig. 44. Lateraler Längsschnitt durch die Grenzregion zweier Muskelseg- mente (zweites und drittes) von Orkopleura velifera; Spaltung im Sarkoplasma. 500/1. Tafel XXIII. Sämmtliche Abbildungen beziehen sich auf das Genus Orkopleura. Fig. 45. Stück aus der Mitte eines Muskelbandes mit einheitlichem Kern- netz von Otkopleura spissa Fol. 267/1. Fig. 46. Die Grenzregion zwischen erstem und zweitem Muskelsegment von Otkopleura cophocerca. Demselben Thier entstammt Fig. 40. 267/1. Fig. 47. Stück aus dem Muskelbande einer Orkopleura dioica. Beginn der Auflösung der verästelten Kerne. 267/1. Fig. 48. Das fünfte rechtsseitige Muskelsegment einer erwachsenen Oiko- pleura cophocerca. Verschmelzungen der verästelten Kerne besonders auf der dorsalen Kernreihe vorgeschritten. 85/1. Fig. 49. Hinterende des rechten Muskelbandes einer jungen Otkopleura dioica. 396/1. Fig. 50. Stück aus der Mitte des linken Muskelbandes von Orkopleura dioica. 396/1. Fig. 51. Das vierte Muskelsegment der linken Seite einer mittelgroßen Oikopleura cophocerca. Kernverschmelzung in der ventralen Kernreihe vorge- schrittener als in der dorsalen. 144/1. Fig. 52. Aus dem Hinterende eines Muskelbandes einer 2 mm langen Oikopleura dioica. Übergang der zweireihigen Muskelkernanordnung in die ein- reihige des äußersten Endstückes. 396/1. Fig. 53. Stück aus dem Muskelband von Orkopleura dioica Fol. Weit vor- 400 Oswald Seeliger, Einige Bemerk. über den Bau des Ruderschwanzes ete. geschrittene Auflösung eines einheitlichen Kernnetzes in isolirte Bruchstücke. 550/1. Fig. 54. Aus dem Muskelbande einer jungen Orkopleura dioica; ein etwas weniger weit vorgeschrittenes Stadium der Muskelkernauflösung, die gleichmäßig beide Kernreihen betrifft. 396/1. Fig. 55. Zwei Partien aus dem Muskelband einer jungen 0,8 mm langen Orkopleura dioica, um die zweireihige Anordnung der nur Me verästelten Muskelzellkerne zu zeigen. 550/1. Fig. 56. Stück aus dem Muskelband einer ganz jungen 0,6 mm langen Oikopleura dioica. Die zweireihig angeordneten Muskelkerne sind erst sehr wenig verändert und stimmen in der Vertheilung mit den Ganglienzellen des Nervenstranges durchaus nicht überein. 1000/1. Fig. 57. Hintertheil eines Muskelbandes einer jungen 0,8 mm langen O:ko- pleura dioica. Übergangsstelle der zweireihigen Anordnung der Muskelkerne in die einreihige. Die vorderen Kerne zeigen etwas stärkere Tendenz zur Veräste- lung als die hinteren. 550/1. EEE GREEN WERE EL | | | | Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. Von Dr. phil. W. Hein. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) Mit Tafel XXIV, XXV und 5 Figuren im Text. Die mannigfachen Kontroversen, welche in der Litteratur be- züglich der Embryologie der Seyphopolypen sich finden, sowie be- sonders die mehrfachen Streitfragen über die Entwicklung von Aurelia aurita ließen eine erneute genaue Untersuchung der entwicklungs- Seschichtlichen Verhältnisse derselben wünschenswerth erscheinen. Dieser Aufgabe unterzog ich mich auf Anregung meines hoch- verehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. SEELIGER, dem ich für seine liebenswürdige Unterstützung und wohlwollende Förderung bei meiner Arbeit zu aufrichtigem Dank verpflichtet bin. Das den vorliegenden Untersuchungen zu Grunde liegende Ma- terial wurde auf den Entwicklungsstadien der Blastula und Gastrula den Subgenitalhöhlen soeben eingefangener Mutterthiere entnom- men, und theils sofort zur Untersuchung dieser Stadien konservirt, theils in gut durchlüfteten Aquarien zur Aufzucht eingesetzt. Zur Konservirung wurde Alkohol abs., Formol, Chromosmiumessigsäure und Sublimatessigsäure angewandt. Besonders letzteres (Sublimat in Seewasser koncentrirt gelöst 100 Theile + Essigsäure 2 Theile) lieferte morphologisch und histologisch durchaus gut erhaltene Em- bryonen und Larven, welche dann mit alkoholischem Boraxkarmin in toto gefärbt zu Totalpräparaten Verwendung fanden, oder in Schnitt- serien von 3 bis 5 «u zerlegt mit Hämatoxylin gute Schnittpräparate abgaben. Wegen der gänzlichen Unmöglichkeit einer Orientirung der jüngeren Stadien mussten Massenschnitte der Embryonen dieser Stufen hergestellt werden, während die älteren Stadien (nach der Anheftung) entweder nach vorsichtigem Ablösen derselben oder mit 402 | W. Hein, der Unterlage in Schnitte zerlegt wurden. Da die Untersuchungen der älteren Entwicklungsstufen an Thieren ausgeführt wurden, welche auf jüngeren Stadien in die Aquarien eingesetzt waren, und die Re- sultate theilweise so ganz verschieden von denen früherer Autoren waren, so erschien es rathsam, um mit Sicherheit event. in den Aquarien entstandenen pathologischen Erscheinungen aus dem Wege zu gehen, sämmtliche Entwicklungsvorgänge an frischem Material aus der Ostsee zu revidiren. Die Resultate, welche an den natür- lichen Bedingungen ausgesetzten Larven gewonnen wurden, fielen mit den Ergebnissen der Untersuchung der Larven aus den Aquarien zusammen. 1. Blastulastadium. Zur Untersuchung des Blastulastadiums sowie der Gastrulations- verhältnisse war es erforderlich, die fast durchweg kugeligen Em- bryonen in großer Anzahl in Schnitte zu zerlegen, da das Fehlen äußerlicher Anhaltspunkte eine Auswahl der verschiedenen Stadien selbst unter stärkeren Vergrößerungen unmöglich machte Die Blastula- und eben so die jungen Gastrulastadien sind durch Dotter- anhäufungen in ihren Zellen trüb und fast undurchsichtig, sie ge- statten daher lebend oder als Totalpräparate nur einen äußerst un- vollkommenen Einblick in ihre gewebliche Beschaffenheit. Nur das Studium einer großen Anzahl von Schnittserien und ein möglichst lückenloses Aneinanderreihen der auf einander folgenden Entwicklungs- stufen können hier zu einer klaren Vorstellung der zum Theil recht komplieirten Entwicklungsvorgänge führen. Erschwert wird die Untersuchung durch die große Variabilität der Größe, welche die Embryonen zeigen, indem häufig gleich große Larven verschiedene Entwicklungsstufen, oder umgekehrt dieselben Stadien bedeutendere Größenunterschiede aufweisen, eine Erscheinung, welche auch an älteren Individuen häufig noch festgestellt werden kann. Bei Aurelia aurita zeigt die Blastula eine kugelige Form; sie schwimmt mit Hilfe feiner Wimpern in rotirender Bewegung frei im Wasser umher. Bei Betrachtung im lebenden Zustande lassen sich nur die Wimpern und das im optischen Durchschnitt als heller nicht scharf umschriebener Fleck im Inneren des Körpers hervortretende Blastocoel nachweisen. Alle weiteren Untersuchungen dieses Stadiums sind auf Schnitte angewiesen. Hier zeigt sich die Blastula mit einem mehr oder minder großen Blastocoel ausgestattet, welches fast voll- kommen central im Körper des Embryos gelegen ist. Die Blasto- Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 403 dermzellen grenzen das Blastocoel in gleichmäßiger Weise nach außen hin ab, ohne einen irgendwie bedeutenderen Unterschied in ihren »Größenverhältnissen bemerken zu lassen ‘Fig. 1 und 2). Eine Differenzirung in zwei entgegengesetzte Pole, einen animalen und einen vegetativen, ist hierdurch unmöglich gemacht. Die einzelnen Blastodermelemente sind hochprismatische Zellen, deren Kerne bei jüngeren Entwicklungsstufen fast ganz am äußeren Rande gelegen sind, während die Zellräume meist fast vollständig mit Dottermassen erfüllt sind. Nach meinen Beobachtungen an Larven von Aurelia aurita kann ich mich daher den Ansichten früherer Autoren nicht ganz an- schließen. Während HaEckEr größere und Craus kleinere Dimen- sionen des Blastocoels angeben, als meine Präparate es zeigen, so muss ich andererseits die Anschauung GoETTE’s, dass die Zellen (5, p. 3) »vielmehr nur in einer Hemisphäre lang und schmal, in der anderen kürzer und dieker« sind, nach meinen Beobachtungen als nicht allgemein zutreffend betrachten. Von Aurelia flavidula berichtet SuitH über diese Verhältnisse (7, p. 116): »the cells of the blasto- sphere are usually somewhat shorter at one pole than elsewhere« und Hype bestätigt dies durch die Untersuchungen an Aurelia marginalis, Aurelia flavidula und Cyanea arctica. Trotzdem glaube ich bei Aurelia aurita an der obigen Beschreibung der Verhältnisse festhalten zu müssen; die Unterschiede der einzelnen Blastodermelemente er- scheinen mir zu gering, und die verschieden geformten Zellen sind niemals auf bestimmte Regionen beschränkt, so dass es mindestens gewagt erscheinen dürfte, eine polare Differenzirung des jungen Keimes anzunehmen. Die ersten Anzeichen einer Weiterentwicklung glaube ich darin erblicken zu müssen, dass einige Kerne aus dem Kreise der übrigen, ganz peripher gelegenen, herausrücken und mehr in die Mitte ihrer Zellen eintreten, um alsbald diese zu überschreiten und sich dem Blastocoel zu nähern. In Fig. 1 ist ein solcher wandernder Kern dargestellt. Bei Beginn dieser Wanderung lässt sich fürs Erste eine Veränderung der in Frage kommenden Zellen nicht feststellen, ist aber der Kern in der Nähe des Blastocoels angelangt, so beginnt die an den inneren Hohlraum angrenzende Zellwand sich gegen diesen hervorzuwölben, um dann, bei weiterem Vorrücken des Kernes, zuerst blasig, dann halbkugelförmig in das Blastocoel hineinzuragen. Das Protoplasma und die in der Zelle angehäuften Dottermassen machen die Bewegung des Kernes langsam mit, so dass bald die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. i 27 404 Een Zelle ihre zuerst langprismatische Gestalt aufgiebt und nun keil- fürmig zwischen den übrigen Zellindividuen des Blastoderms einge- lagert erscheint. In Fig. 2 ist dies näher erläutert. Im weiteren Verlauf der Wanderung dringen die einzelnen Zellpartien immer mehr nach innen vor, indem ihre der Furchungshöhle zugekehrten Theile sich dem Vordringen entsprechend von ihren Nachbarzellen ablösen, und hierdurch der Moment vorbereitet wird, in dem die Zelle frei in das Blastocoel hineinfällt. Hier nimmt die Zelle bald mehr oder minder kugelige Form an, da ein seitlicher Druck nicht mehr auf sie einwirkt, und ihr Kern löst sich nach kurzer Zeit in ver- schiedene kleinere oder größere Theilchen auf, welche durch geeig- nete Färbemittel längere Zeit noch konstatirt werden können. Da die Zellwände bald unkenntlich werden, und die angehäuften Dotter- massen in Form kleinerer Klümpchen oder größerer Schollen frei im Blastocoel anzutreffen sind, intakte Kerne nicht mehr nachgewiesen werden können, sondern nur Chromatinkörnchen in größerer Anzahl sich zeigen, so glaube ich mit Bestimmtheit annehmen zu können, dass die eingewanderten Zellen einer raschen Degeneration im Blastocoel anheimfallen. Eine bestimmte Region, aus der die Zellen aus dem Blastoderm einwandern, ließ sich nicht feststellen, da ich meist nur eine einzige Zelle auf der Wanderung antraf. HypE ver- sucht bei Aurelia marginalis die Einwanderung der Zellen auf eine Delamination zurückzuführen und glaubt, dass die Zellen (8, p. 534) ‚nicht einfach aus der Keimblasenwand herausgelöst« werden: »denn die verschiedenen Zustände einer solchen Einwanderung werden nie- mals angetroffen«e. Bei Aurelia flavidula sollen (8, p. 538) die. »kleinen Zellen von der Wand abgeschnürt« werden, »während die sroßen aus der Gegend der kurzen Zellen (Poldifferenzirung d. V.) ganz einwandern«e. Die Einwanderung der Blastodermzellen konnte ich bei Aurelia aurita in den verschiedenen Phasen genau beobachten, eine Delamination, wie von HypE bei Aurelia marginalis oder eine Absehnürung und Einwanderung bei Aurelia flavidula mitgetheilt wird, ist nicht zur Beobachtung gelangt. Die einzige Art und Weise, wie die Zellen in das Blastocoel gelangen, ist auf eine einfache Ein- wanderung mit successiver Loslösung von den Nachbarzellen zurück- zuführen. Die von mir aufgefundenen Übergangsstufen lassen bei Aurelia aurita wohl kaum einen Zweifel aufkommen. Was die Zahl der in die Centralhöhle eintretenden Zellen anbetrifit, so ist durch die baldige Degeneration und das successive Nachfolgen neuer eine annähernd genaue Fixirung derselben unmöglich gemacht; doch Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 405 scheint es, dass die von SmitH für Aurelia flavidula angegebene Zahl von zwei, höchstens drei, bei Aurelia aurita um ein Mehrfaches über- troffen wird, da die großen Dottermassen und zahlreichen Chromatin- körnehen, welche häufig in dem Blastocoel zu finden sind, in den meisten Fällen wohl mindestens dem Inhalt von fünf bis sieben Blastodermzellen entsprechen mögen. Auch scheint das Auftreten dieses Einwanderungsprocesses bei Aurelia aurita häufiger aufzu- treten, als bei Aurelia flavidula, da bei Aurelia aurita meistens ein mit desenerirtem Zellmaterial versehenes Blastocoel angetroffen wurde, wenn auf der andern Seite auch Blastulae ohne diese letztgenannte Erscheinung nicht zu den Seltenheiten gehörten. Die Größe des Blastocoel scheint bei älteren Stadien etwas mehr zuzunehmen, als die der ganzen Embryonen. Eine in sehr extremer Weise vergrößerte Centralhöhle einer älteren Blastula ist in Fig. 3 zur Abbildung gebracht. Die Zellen des Blastoderms sind hier viel weniger lang und verhältnismäßig schon sehr dotterarm, wäh- rend eine große Masse von Nahrungsmaterial im Innern der Larve angehäuft ist. Eingehende Untersuchungen über die weitere Ent- wicklung dieser verhältnismäßig seltenen Blastulaformen blieben resultatlos, so dass hier der Vermuthung Raum gegeben werden könnte, dass entweder das reiche Dottermaterial dem Blastoderm zur normalen Auskildung seiner Zellen wieder verhelfen könnte, oder, dass pathologische Momente die Ursache der übergroßen Einwande- rung von Blastodermzellen gewesen sind. Die Berichte von früheren Autoren gehen über diese Erscheinung sehr aus einander. Während HAEckEL (1) noch diesbezügliche An- gaben vermissen lässt, und CLaus (3 und 4) von »gelegentlich ein- zelnen isolirten Zellen«, die später degeneriren, Mittheilung macht, glaubte GoETTE gerade auf diese Erscheinung der Einwanderung die Gastrulation von Aurelia aurita zurückführen zu können und beschrieb die Einwanderung von Blastodermzellen in viel größerem Maßstabe, so dass er dann im Anschluss hieran ein Stadium einer Sterrogastrula ‘ als Zwischenstufe zwischen Blastula und Gastrula beschrieb (5). SMITH, dessen Anschatungen ich mich in diesem Punkte anschließe, hält bei Aurelia flavidula die Einwanderung der Zellen für eine Er- scheinung, welche der Degeneration vorausgeht (7, p. 119): »Soon after the ingression of a cell its nucleus undergoes changes which result in its disappearance as such, for instead of a nucleus there can be seen only one or more small, isolated, deeply stained par- ticles, which I judge to be scattered portions of the nuclear chro- 27% 406 | W. Hein, matine.<« Im der Entwicklung von Aurelia aurita scheint die Ein- wanderung nur in höherem Maße und häufiger aufzutreten, als bei Aurelia flavidula. Hype berichtet von den Einwanderzellen von Aurelia flavidula außer einer baldigen Theilung, welche kurz nach dem Eintritt in das Blastocoel nachgewiesen worden sein soll, ganz meinen Unter- suchungen entsprechend (8, p. 539). »Später verwandelt sich der Kern in viele kleine Chromatintheilchen, die in der Zelle zerstreut sind.«< Eine Degeneration der Zellen scheint hier jedoch nicht beob- achtet worden zu sein, denn mit Zuhilfenahme von Analogien bei Aurelia marginalis und Cyanea arctica wird von Aurelia flavidula (p. 541) der Satz aufgestellt: »Das Gerinnsel im Blastocoel beider Arten« (Aurelia und COyanea) »muss desshalb aus einer anderen Ursache ab- geleitet werden, als aus der Auflösung von eingewanderten Zellen. Darum ist der Schluss gerechtfertigt, dass das Gerinnsel in dem Blasto- coel von Aurelia flavidula auch nicht nothwendiger Weise durch die Auflösung von eingewanderten Zellen entsteht.« Ich sehe in der Auflösung der Kerne die Einleitung einer vollkommenen Degeneration der Zellen, welche auch durch weiteren Zerfall zu dem »Gerinnsel« führten, welches dann im Blastocoel zu finden ist, und einzig und allein seine Existenz diesen Einwanderzellen verdankt. Das Schwin- den der Zellwände und der Nachweis freier Dottermassen im Blasto- coel scheinen mir nicht ungeeignet, meine Auffassung zu bestätigen. In einem gewissen Zeitpunkt dieser Entwieklungsperiode, noch bevor anderweitige Fortbildungen an der Blastula in die Erscheinung treten, wird die Einwanderung neuer Zellen sistirt; das im Blastoeoel aufgespeicherte Dottermaterial beginnt sich zu vermindern und scheint von den Blastodermzellen resorbirt zu werden. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der Dotter- gehalt der einzelnen Embryonen sroßen individuellen Schwankungen unterliegt, ohne dass damit irgend welche Modifikationen im weiteren Gang der Entwicklung verbunden wären. Es fällt daher nicht schwer, Blastulae aufzufinden, in denen kaum mehr Dotter nach- zuweisen ist, als in Larven höherer Entwicklungsstufen — eine Thatsache, welche bei der Untersuchung ganzer Embryonen leicht zu irrthümlichen Anschauungen Anlass geben kann. Wie oben erwähnt, war es mir unmöglich, auf dem Blastula- stadium von Aurelia aurita zwei Regionen zu unterscheiden, die durch verschiedene Formen der Blastodermzellen oder durch die Lage des Blastocoels gekennzeichnet waren. Die Larve zeigt bei Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 407 vorgeschritteneren Stufen dieser Entwicklungsperiode noch immer kugeligen Bau und lässt, auch nachdem die Einwanderung der Zellen beendet, noch keine Differenzirung der beiden Pole erkennen. Die ersten Anzeichen einer Fortentwicklung der Blastula treten daher an einer Stelle des Blastoderms auf, welche vorher nicht bestimmt werden kann. 2. Periode der Gastrulation. _ Nachdem die Zellen des Blastoderms sich durch radiale Theilung stark vermehrt haben, sieht man die zuerst ganz peripher gelagerten Kerne etwas mehr in die Tiefe rücken und sich im äußeren Theil ihrer Zellen, den Raumverhältnissen entsprechend, in scheinbar un- regelmäßigen Reihen anordnen. Durch die Wachsthumszunahme des ganzen Blastoderms erscheint das Blastocoel, kurz bevor die Larve in ein weiteres Entwicklungsstadium eintritt, etwas vergrößert. Einzelne Blastodermzellen einer scharf markirten Stelle der Blastula besinnen gemeinsam sich gegen die Centralhöhle einzusenken und rücken bald in die Tiefe. Rasche Zelltheilungen führen dann zu einer nur kurze Zeit anhaltenden Zapfenbildung, welche in das Innere der Centralhöhle hineinragt. Sobald die Formverhältnisse es jedoch gestatten, weichen die Zellen, indem sie sich dem nun als Ektoderm zu bezeiehnenden Blastoderm successive anlegen, aus ein- ander und geben so dem Archenteron den Ursprung. Durch diesen Entwieklungsgang kommt ein Blastoporus zu Stande, der schon gleich bei seiner Entstehung nur ein kleines Feld der Larvenoberfläche in Anspruch nimmt. Bald legen sich die eingestülpten Zellpartien unter rascher Zelltheilung an das Ektoderm an und bilden so das Entoderm. Kleine Reste des ursprünglichen Blastocoels lassen sich noch einige Zeit beobachten, da das Aneinanderlegen der beiden Keimblätter nicht immer ganz gleichmäßig geschieht; in der großen Mehrzahl der untersuchten Fälle verschwinden sie aber immerhin bald; auf die einzelnen Beobachtungen, welche hierin andere Ver- hältnisse zeigen, komme ich weiter unten zurück. Die Gastrulation geschieht mithin bei Aurelia aurita in Form einer typischen Invagination, welche an der Blastula an einem vor- her scheinbar indifferenten, eng begrenzten Feld des Blastoderms ansetzt und durch Einstülpung das innere Keimblatt liefert. Das hiermit verbundene gleichzeitige Auftreten eines Blastoporus führt eine feine Kommunikation des entstehenden Archenterons mit dem umgebenden Medium herbei. As | W. Hein, Einige Abbildungen von Schritten durch Gastrulationsstadien sind in Fig. 4—7 wiedergegeben. Die beiden ersteren Abbildungen sind nach Schnitten durch dotterärmere Individuen gezeichnet. Die Dotterkörnchen haben sich hier zu größeren vereinzelten Schollen in dem Zellinneren angesammelt und gewähren dadurch einen genaueren Einblick in die protoplasmatische Struktur der einzelnen Zellkörper. Fig. 6 u. 7 zeigen noch immer, obwohl die Entwicklung hier weiter vorgeschritten ist, die Dottermassen in Form feiner Körner in dem sanzen Zellraum fast gleichmäßig vertheilt. Weiter oben wurde bereits auf die individuelle Verschiedenheit der einzelnen Em- bryonen bezüglich des Dottergehaltes hingewiesen. Fig. 4 stellt einen Längsschnitt durch ein Gastrulationsstadium dar. Die Ento- dermbildung ist etwa bis zur Mitte vorgeschritten, so dass ein großer Theil des Blastocoels noch zu konstatiren ist. Die einge- stülpten Zellpartien sind in rascher Theilung begriffen und haben sich zum Theil, so weit ihre bis jetzt gewonnene Ausdehnung es ge- stattet, von innen an das Ektoderm angelegt; in ihrer Mitte wird ein Lumen sichtbar, welches die ersten Anfänge des späteren Ar- chenteron darstellt. Ein feines kanalartiges Lumen bildet die Ver- bindung mit dem Blastoporus. Einen Querschnitt durch ein fast gleich altes Stadium der Entwicklung zeigt Fig. 5. Zugleich sieht man hier eben so wie in den beiden folgenden Zeichnungen, dass die in Bildung begriffene Entodermschicht sich nicht sofort kontinu- irlich an das Ektoderm anlegt, sondern dass kleine Theile des Blastocoels zwischen beiden Keimblättern noch eine Zeit lang per- sistiren, bis auch sie sich allmählich verringern, um bei der aus- gebildeten Planula gänzlich zu fehlen. Fig. 6 bringt einen Längs- schnitt einer Larve nach im Wesentlichen beendeter Gastrulation. Das Archenteron zeigt sich hier als weiter, nach dem aboralen Pol etwas an Durchmesser zunehmender Kanal, während es in der fol- senden Abbildung, Fig. 7, sich als großes Lumen im Inneren der Larve zu erkennen giebt. Eine auffallende Erscheinung zeigt sich bei der Entodermbildung bezüglich der Form und Größe der das innere Keimblatt darstellenden Zellen. Die verschiedenen Schnittserien lassen so große Schwankungen in diesen Verhältnissen erkennen, dass man zuerst leicht zur An- nahme verleitet werden könnte, dass die Schnittpräparate von Embry- onen ganz verschiedener Entwicklungsstufen herstammten. Bald nach vollendeter Invagination entwickelt sich das Entoderm in Bezug auf die Form und Größe seiner Zellen bei den einzelnen Embryonen in Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 409 verschiedener Weise. Fig. 8 u. 9 stellen solche extreme Entoderm- bildungen dar. Einerseits erscheinen die Entodermzellen fast in kubischer Gestalt mit mittelständigem Kern, während andererseits die einzelnen Zellen an Größe und Volumen so zugenommen haben, dass sie durch gegenseitigen Druck sich gegen das Archenteron vor- schieben und dessen Lumen in auffallender Weise verkleinern. Wie eigenthümlich diese Erscheinung auch sein mag, so glaube ich sie dennoch — da es gelang, die mannigfachen Übergangsstufen beider Extreme aufzufinden — auf gewisse Ursachen zurückführen zu können, welche in erster Linie in dem individuell verschiedenen Dotterreich- thum der Embryonen und in der hierdurch bedingten Ernährungs- weise zu suchen sind. Bei älteren Entwicklungsstufen scheinen sich die Formdifferenzen der entodermalen Zellen mehr und mehr aus- zugleichen, so dass es schwer fällt, ältere Stadien aufzufinden, welche in den besprochenen Verhältnissen irgendwie bedeutendere Unter- schiede nachweisen lassen. Nieht allzuselten findet man bei Embryonen, welche bereits ein typisches Gastrulastadium repräsentiren, Reste der Furchungs- höhle erhalten und diese mit kleineren und größeren Dotterkügel- chen erfüllt (Fig. 10). Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich die Dotterklümpchen als noch nicht der Resorption anheimgefallene Rückstände des Nahrungsmaterials in der Centralhöhle der Blastula anspreche. Wenn der Dotter bei Eintritt der rasch vorschreitenden Invagination nicht bereits völlig resorbirt war, liegt es auf der Hand, dass dann durch die sich einstülpende Zellschicht die noch vor- handenen Reste des Nahrungsmaterials zwischen beide Keimblätter gerathen müssen und kleine Reste des Blastocoels so lange zu persistiren veranlassen, bis ihre vollständige Resorption stattgefun- den hat. | Aus dem Gesagten erhellt, dass die Entodermbildung durch eine typische Invagination zu Stande kommt; die eingewanderten Zellen, welche aus dem Blastoderm austreten, haben keineswegs die Aufgabe, sich an dem Aufbau des inneren Keimblattes zu betheiligen. Wie gezeigt wurde, zerfallen sie in ihre Bestandtheile, welche dann von den intakten Zellen der Larve resorbirt werden. Die Resultate, welche GOETTE, gestützt auf seine Untersuchungen an denselben Larven, fand, scheinen daher in keiner Weise bestätigt. Die augenscheinliche Degeneration der in das Blastocoel eingewan- derten Zellen und ihr baldiger gänzlicher Zerfall machen an und für sich schon eine Theilnahme an der Bildung des inneren Keim- 0 | | W. Hein, blattes unmöglich, und die bald eintretende Invagination, welche in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien mit Sicherheit festgestellt wurde, giebt Momente genug an die Hand, um eine Entodermbildung durch eingewanderte Zellen mit nachträglicher Entwicklung eines Blastoporus, wie sie GOETTE beschrieb, als in der That nicht vor- handen zu betrachten. Der Blastoporus kommt nicht durch einen Durchbruch zu Stande, sondern er verdankt seinen Ursprung den sich zu Beginn der Invagination nach innen einstülpenden Blasto- dermzellen. Spätere Untersuchungen von SmItH an Larven von Aurelia flavidula hatten denn auch andere Resultate zur Folge, welche im Wesentlichen mit den von mir an Aurelia aurita gewonnenen über- einstimmen. Er beschrieb eine Degeneration der wenigen Einwander- zellen und glaubt, eben so wie ich, dass sie nicht an der Entoderm- bildung Theil nehmen, sondern dass nur eine Invagination die Bildung des inneren Keimblattes herbeiführe. In Bezug auf eine Inyagination schließt sich Hype zwar in ihrer Ausführung ziemlich den SMmitH- schen Anschauungen an, scheint aber in Betreff der Einwanderzellen eine andere Auffassung zu vertreten. Obwohl (8, p. 539) mitgetheilt wird, dass bei Aurelia flavidula »die Kerne in viele, kleine Chromatin- theilchen, die in der Zelle zerstreut sind, verwandelt« werden, scheint dieser Vorgang dennoch nicht als die Einleitung eines gänzlichen Zerfalls betrachtet worden zu sein. Auch bei Aurelia marginalis soll eine Veränderung der Kerne vor sich gehen (8, p. 533). »Aber in der Regel zerfällt der Kern in kleine chromatinähnliche Theile. Es wäre möglich, dass dies eine Theilung des Kernes ist, ohne eine folgende Theilung des Protoplasmas.«< Da die Präparate (wohl sehr verschieden von den meinen, wo sich die Invagination mit fest an einander liegenden Zellpartien zeigt) die Stadien der Einstülpung mit lose an einander liegenden Zellen zeigten, so schien hier der Schluss gerechtfertigt (8, p. 539): »Folglich können sich einige kleine oder große isolirte Zellen, welche gerade zur Zeit der Einstülpung in der Höhle sind, mit den ein- wuchernden vereinigen, sich zwischen diese fügen, oder auch durch dieselben in die Höhle gedrängt werden, sobald diese groß genug ist, um sie aufzunehmen. « Die Möglichkeit eines Durchtritts der Einwanderzellen ist durch die feste Schicht, welche sich bei der Invagination einstülpt, ausgeschlossen; ich glaube in dem oben Gesagten den Verbleib der Zellen und ihrer Bestandtheile genügend beschrieben zu haben, um darauf verweisen zu können. Auch eine Erscheinung, welche ich in Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 411 einen weiteren Abschnitt meiner Darlegung verweisen zu. müssen glaube, dass sich nämlich im Archenteron der Planula ebenfalls, wenn auch äußerst selten, Einwanderzellen auffinden lassen, glaubt Hype auf das Durchtreten der Einwanderzellen durch die sich ein- stülpende Schicht zurückführen zu können. Allerdings scheint diese Anschauung mindestens nicht vollkommen unanfechtbar, besonders da dadurch eine Theilnahme der eingewan- derten Zellen an der Entodermbildung wahrscheinlicher gemacht werden soll (8, p. 540). »In einigen Schnitten befand sich in der Höhlung (Coelenteron d. V.) eine große Zelle oder zwei bis drei kleinere oder auch Bruchstücke von solchen. In anderen Fällen lagen große Zellen im Entoderm selbst als Theile desselben. Daher kann man sagen, dass wenigstens einige von den eingewanderten Zellen an der Bildung des Entoderms Theil nehmen.< Am Ende des dritten Abschnittes werde ich zeigen, wie die Zellen in das Coelen- teron gelangen. Aber ein Beweis, dass Zellen, welche in das Blastocoel eingewandert sind, in der That an der Entodermbildung Theil nehmen, kann doch wohl kaum damit erbracht sein. 3. Bildung der Planula. Ist die Gastrulation beendet, dann beginnt die Larve unter all- mählicher Resorption des in ihren Zellen noch reichlich vorhandenen Dotters ihre bis jetzt meist noch kugelige Gestalt aufzugeben und durch Wachsthum in die lang-ovale Form der Planula überzugehen. Der durch das Prostoma bestimmte orale Pol der Larve ist meist etwas spitz-oval im Gegensatz zu dem stumpferen Aboralpol. Die Planula schwimmt, mit Hilfe feiner Cilien um ihre Längs- achse rotirend, mit ihrem aboralen, breiteren Pol nach vorn frei im Wasser umher. Bei den Wachsthumsvorgängen der noch kugeligen Gastrula zur ovalen Planula scheinen schon frühzeitig besonders die- jenigen Regionen des Entoderms in Anspruch genommen zu sein, welche am oralen Pol gelegen sind; wenigstens legen die histolo- ‘ gischen weiter unten zu besprechenden Befunde diese Annahme durchaus nahe. BEER In Folge der starken Zellvermehrung während des Überganges zur Planula und bei der augenscheinlich stärkeren Zelltheilung am oralen Pol wird der Blastoporus mehr und mehr eingeengt, bleibt aber immerhin noch deutlich genug, um auch auf älteren Stadien mit Sicherheit nachgewiesen werden zu können. Den äußerst subtilen Verhältnissen entsprechend ist hier die 412 : W. Hein, Untersuchung naturgemäß auf feinste Schnittserien angewiesen, um die Persistenz des Prostomas nachweisen zu können. Da der feine Kanal, welcher beide Keimblätter durchsetzt und den Urdarm mit der Außenwelt verbindet, im Verhältnis zu seiner Länge sehr fein ist (durch die allseitige Pressung der ihn umgebenden rasch wach- senden Zellelemente), so sind nur durchaus gut orientirte Schnitte im Stande, ihn kenntlich zu machen (Fig. 13 und 14). Auf solchen Schnitten sieht man, wie das Coelenteron sich nach dem oralen Pol hin rasch verjüngt und in einen äußerst feinen Kanal ausläuft, welcher mit dem Prostoma nach außen mündet. Diese Verbindungsröhre ist häufig so fein, dass ein Lumen nicht mehr in ihr erkannt werden kann, und nur ein scharfer Kontour, welcher beide Keimblätter durchsetzt, das Vorhandensein einer Kommunikation des Coelenterons mit dem umgebenden Medium dokumentirt. Ich glaube an dieser Stelle besonders darauf aufmerksam machen zu müssen, dass die zwischen beiden Keimblättern sich erstreckende Schicht, die Stütz- lamelle, nicht bis zu diesem Verbindungskanal, dem Prostoma, herantritt, sondern kurz vorher abbricht. Diese Thatsache scheint mir ein sekundäres Auftreten des Prostomas an und für sich schon auszuschließen und vielmehr nur auf die ursprüngliche Invagination zurückzuführen zu sein. Bei weiterer Entwicklung machen sich bedeutendere Verände- rungen in den beiden Keimblättern bemerkbar. Das Ektoderm der ausgebildeten Planula besteht aus lang-prismatischen Zellen, deren Protoplasma feingekörnte Struktur erkennen lässt. Die Kerne liegen etwas der Außenseite genähert in verschiedenen Abständen von derselben unregelmäßig angeordnet, während die noch übrigen Dottermassen, zu größeren einzelnen Schollen vereinigt, in dem der Stützlamelle zugewandten Theil der Zellen zu finden sind. Meist beginnt bei der jungen Planula eine große Produktion von Nessel- kapseln, welche zwar auf früheren Stadien überall anzutreffen waren, nun aber in großer Menge, besonders am oralen Pole, zu Tage treten. Hype beschreibt zwar das erste Auftreten von Nesselkapseln auf späteren Stadien; die ersten Anlagen der Cnidoblasten waren bei Aurelia aurita schon auf ganz jungen Blastulastadien nachzuweisen. An etwas älteren Planulalarven hellen sich die ektodermalen Zellen des aboralen Pols mehr und mehr auf und zeigen, bei fast vollständigem Mangel an Nesselorganen, eine fast wässrige bis gallert- artige Konsistenz. Das Feld dieser Aufhellung ist recht scharf um- Untersuchungen über die Entwieklung von Aurelia aurita. 413 srenzt und giebt die Stelle zu erkennen, mit der die Planula sich anheften wird. Anders verhalten sich die Zellen im inneren Keimblatt. Dort finden sich weniger prismatische und protoplasmareichere Zellen, als im Ektoderm, welche an Größe vom oralen zum aboralen Pole hin kontinuirlich zunehmen. Die verschiedene Größe der Zellen scheint weniger auf eine Zu- nahme der protoplasmatischen Substanz, als auf das Auftreten von Vaeuolen im Inneren der Zellen zurückzuführen zu sein, da sich in den aboralen Entodermzellen große wässrig bis gallertartig erschei- nende Vacuolen finden, welche nach dem oralen Pole, der allmäh- lichen Abnahme der Zellen an Größe folgend, mehr und mehr ab- nehmen, um am oralen Pole ganz zu verschwinden. Die Kerne des entodermalen Keimblattes liegen fast in der Mitte einer jeden Zelle, meist etwas dem Archenteron genähert; dort jedoch, wo die Zellen durch rasche Theilung nur geringere Dimensionen annehmen, am oralen Pol, sieht man auf Schnitten die Kerne in unregelmäßigen Reihen in ihren Zellen gelagert, da die Raumverhältnisse ihnen nicht gestatten, in der normalen Lage zu verharren. An Größe übertreffen die Entodermkerne diejenigen des Ektoderms um ein Erhebliches. Das Protoplasma liegt in den Entodermzellen meist an der dem Ur- darm zugekehrten Wand in größerer Menge und zeigt eine körnige Struktur, welche sich besonders am aboralen Pol ziemlich scharf von den hellen großen Vacuolen abhebt (Fig. 14). Da ich glaube, die auffallende Thatsache, welche sich in der verschiedenen Größe der Entodermzellen kund giebt, auf bestimmte Wachsthumserscheinungen der Gastrula zurückführen zu müssen, da ferner die oralen Regionen des inneren Keimblattes sich rascher theilen, als die des entgegengesetzten Pols, so halte ich die Annahme für durchaus berechtigt, dass schon hier, bei dem Auswachsen der mehr kugeligen Gastrula zur lang-ovalen Planula, die ersten Anfänge eines Entwicklungsvorganges zu erblicken sind, welche auf späteren "Stadien zu weitgreifenden Veränderungen des larvalen Körpers An- lass geben. Weiter unten werde ich auf die Verhältnisse zurück- greifen müssen. | Nach der Besprechung der ausgebildeten Planula bleibt noch einer Erscheinung Erwähnung zu thun, welche bei Aurelia aurita zwar selten zu finden, aber immerhin auffallend genug ist, um ein näheres Eingehen zu erfordern. Ich fand auf einem Querschnitt durch 414 : W. Hein, eine Planula, welche sowohl äußerlich als auch in ihrem inneren Bau durchaus normale Entwicklung zeigte (Fig. 12), eine etwas ge- trübte, hyaline Masse im Archenteron. Kleinere und größere Körner waren in dieser Substanz unregelmäßig zerstreut, während die ein- gelagerte Substanz selbst das Archenteron zum größten Theil aus- füllte. Eine gewisse Konsistenz der Masse verhinderte ihr gleich- mäßiges Ergießen im ganzen Hohlraum und ließ noch gewisse Grenzen erkennen, welche die freien Theile des Archenterons von den trüberen Theilen der Einlagerung sich abheben ließen. Die erwähnten zer- streut liegenden Körnchen erinnern lebhaft an eine Erscheinung, welche auf früheren Stadien zu beobachten ist, wenn die Kerne der eingewanderten Blastodermzellen allmählich zerfallen und sich in ihre Bestandtheile auflösen, so dass die Annahme hier nahe tritt, dass die Körnchen Reste früherer Kerne von eingewanderten Zellen ‚seien. Das eigenartige Aussehen der Grundsubstanz, welches von dem der eingewanderten Blastodermzellen recht verschieden ist und eine homogenere Struktur zeigt, lässt sich ungezwungen so deuten, dass die großen Dottermassen, welche auf jüngeren Stadien den Zellen allgemein eigen waren, nun allmählich geschwunden sind und naturgemäß die Restbestände der später in das Archenteron eintreten- den Zellen an einen mehr protoplasmatischen Bau erinnern. Diese Auffassung gewann sehr an Sicherheit, als es mir gelang, Zellen auf- zufinden, welche innerhalb des Archenterons fest der entodermalen Zellenschicht angeschmiegt lagen und den Anschein erweekten, als ob sie aus dem Entoderm auszuwandern im Begriffe ständen (Fig. 11). Es wäre hier also eine analoge Erscheinung zu konstatiren, wie sie in viel größerem Maße auf dem Blastulastadium eintritt. Dort traten dotterreiche Blastodermzellen in das Blastocoel über, um einer baldigen Degeneration anheimzufallen, hier würde sich derselbe Vor- sang abspielen, indem einzelne nun dotterärmere Zellen des Ento- derms aus ihrem Verbande sich loslösten und in das Archenteron ge- langten. Das verhältnismäßig seltene Auftreten dieser Zellen im Urdarmlumen der Larven von Aurelia aurita erschwert eine genaue Untersuchung ungemein. Dass die Zellindividuen, welche in das Coelenteron gelangen und degeneriren, noch Restbestände der blastu- lären Einwanderzellen vorstellen und sich während der Invagination durch die sich einstülpende Schicht hindurchdrängen, halte ich für ausgeschlossen, wie es SmrrH und dann auch HypE annehmen zu können glaubten; die sich einstülpende Zellschicht zeigt ihre Zellen während dieser Periode so nahe und fest an einander gepresst, dass Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurıta. 415 sie wohl schwerlich irgend welchem Fremdkörper Durchlass gewähren kann. Weiter glaube ich durch das Auffinden von Resten des Blastocoels mit Dottergehalt zwischen den beiden Keimblättern die Lösung der Frage erbracht zu haben, wo der zur Zeit der Invagi- nation noch im Blastocoel aufgespeicherte Dotter verbleibt. Mithin bleibt für Aurelia aurita bezüglich der Zellen im Coelenteron nur die eine Annahme bestehen, dass die Zellen dem Entoderm entstammen und sich von ihm ablösen, um im Lumen einer baldigen Degeneration entgegen zu gehen. Die eine Möglichkeit, dass die Dotterreste im Blastocoel während der Invagination von den sich einstülpenden Zellen aufgenommen und nach innen wiederum in das Archenteron abgeschieden werden, wie dies bei einigen Arthropoden beobachtet wurde, scheint hier durch den Nachweis thatsächlicher Einwanderung in das Archenteron ausgeschlossen. 4. Anheftung der Larve und Mundbildung. Verfolgen wir nun das weitere Schicksal der freischwimmenden Planula, so erfolgt nach kurzer Zeit die Anheftung der Larve. Die Dauer der Schwärmperiode ließ sich nach den angestellten Beobach- tungen nur schwer annähernd bestimmen, da die Embryonen auf den verschiedensten Stadien, zum Theil schon als Blastulae, das Mutter- thier verlassen, und dann die weiter zu durchlaufende Entwicklung die Anheftung verzögert. Jedoch wird man kaum mit der Annahme fehlgehen, dass nach sechs bis sieben Tagen auch die letzten der auf frühen Entwicklungsstadien freigewordenen Embryonen so weit in der Ausbildung vorgeschrittten sind, um zur Anheftung sich an- schieken zu können. Die Festheftung erfolgt unter Absonderung eines klebrigen Se- krets durch die drüsig differenzirten Ektodermzellen des aboralen Pols der Planula. Während bald die Konvexität des Polscheitels nachlässt, wird es der ganzen secernirenden Region ermöglicht, sich flach der Unterlage anzuschmiesen und so zur stärkeren Befestigung des Thieres beizutragen. In keinem Falle konnte bei Aurelia aurita beobachtet werden, dass die die Festheftung bewirkenden Ektodermzellen pseudopodien- ähnliche Fortsätze aussenden, oder dass der aborale Pol bei der An- heftung zu einem saugnapfähnlichen Gebilde sich einstülpt. Durch diese Anheftungsweise wird der aborale, beim Schwimmen nach vorn gerichtete Pol der Planula zum Fuße des späteren Seyphostoma. 416 W. Hein, Häufig erscheinen die Larven schräg oder fast ganz seitlich fest- geheftet, so dass sie geeignet sind, auf den ersten Bliek eine andere Festheftungsweise vorzutäuschen; eine genaue Durchsicht von Schnitten solcher Individuen zeigt aber sofort, dass die Anheftungsstelle, die drüsige ektodermale Aboralregion, dann nicht ganz terminal am Pole lag, sondern, wie das auch häufig am Prostomialende der Planula festzustellen ist, etwas nach der Seite verschoben war. Die Larve liegt dann mit ihrer ganzen Längsseite der Unterlage mehr oder minder dicht an, ist mit dieser aber nur an der hinteren Fest- heftungsstelle inniger verbunden. Die Abbildungen (Figg. 15, 17, 19) zeigen die Anheftung in verschiedener Lage und Stellung zur Fest- heftungsfläche. So angeheftet, verbleibt die Larve an der einmal gewählten Stelle in der Regel zeitlebens. Nur mechanische Reizungen oder ge- waltsames Ablösen können sie zwingen, auch auf vorgeschritteneren Entwicklungsstufen den Ort ihrer Niederlassung aufzugeben und die Festheftung, somit auch die Sekretion der drüsigen Ektodermzellen, zu wiederholen. Diese Zellen behalten die auf dem Planula-Stadium gewonnene Struktur bei, sie bleiben bis zu den ältesten Seyphostoma- Stadien größer, heller und histologisch scharf differenzirt von ihren ektodermalen Nachbarzellen der seitlichen Umgebung (Figg. 15, 71999), Über die weitere Entwieklung der angehefteten Larve gehen nun die Ansichten vieler Autoren sehr aus einander, und selbst ein- gehende Untersuchungen haben bis jetzt eine einheitliche Anschauung der thatsächlichen entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse nicht zu bringen vermocht. Bis zum Erscheinen der Gorrtre’schen Monographie (1887) war die Auffassung fast allgemein, welche HAEckEL (1881) und nach ihm in modifieirter Weise CLAus (1883) vertreten hatte. HAECKEL hatte in seinen Ausführungen hervorgehoben, dass die Larve der Scypho- medusen sich von der Polyp-Generation der Oraspedoten durch den Besitz der vier Magenfalten als dem wichtigsten morphologischen Differentialcharakter unterscheide Als gemeinsame Stammform der Cnidarier erkannte er die Hydropolypen und leitete von ihnen einer- seits die Craspedoten, die Siphonophoren und Ctenophoren, anderer- seits durch das Auftreten der Magenfalten veranlasst, die Seypho- polypen und -Medusen und die Anthozoen ab. Cuaus schloss sich im Wesentlichen diesen Ausführungen an, betonte aber, dass die Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 417 Seyphozoen nicht durch die Existenz der Magenfalten allein charakte- risirt seien, da solehe auch bei gewissen Tubulariden und Nährpolypen einiger Siphonophoren bekannt wären, sondern hauptsächlich durch die Verbindung der Magenfalten mit den sie durchsetzenden Längs- muskeln. Beide Autoren hielten den Mund und das denselben um- - kleidende Blatt für entodermal, wenn auch ihre Ansichten über die Entstehung des Mundes zu Kontroversen Veranlassung ‚gaben. Ganz andere Gesichtspunkte eröffnete dann GOETTE in seiner Monographie in Bezug auf entwicklungsgeschichtliche und morpho- logische Momente, welche geeignet erscheinen, die älteren Unter- suchungen ganz zu widerlegen. Während beide Autoren ein zeitweises bydropolypen-ähnliches Stadium bei Scyphopolypen annahmen, zeigte GOETTE, dass die Scyphopolypen-Larve niemals ein solches Stadium durehliefe, der Mund als Neubildung in der Tiefe einer Ektodermein- stülpung entstünde, diese Ektodermpartien in der Tiefe verharrten, um ein ektodermales Schlundrohr entstehen zu lassen; hiermit seien die ersten Anlagen geliefert, welche mit den Magenfalten zusammen einem komplieirten System von Magentaschen den Ursprung gäben. Er konnte nach seinen Untersuchungen zu dem phylogenetischen Sehluss gelangen, dass als Grundform aller Cnidarier nur die Planula aufzustellen sei, welche einerseits durch das Stadium seiner »Seyphula« die Scyphomedusen, Anthozoen und Ctenophoren zu einem gemein- ‚samen Stamm verbinde, andererseits Hydropolypen, Hydromedusen und Siphonophoren als verwandt erkennen lassen. Die GorrrEe’schen Anschauungen schienen durch die von HypE angestellten Beobach- tungen eine weitere Bestätigung gefunden zu haben. Nach den von mir angestellten Untersuchungen, welche sich über mehrere hundert Embryonen frisch konservirten Materials sofort und kurz nach der Anheftung erstreckten, zeigt sich nun der Entwick- lungsgang in einem ganz anderen Lichte. Die GorrrTE’schen Be- obachtungen konnten nicht bestätigt werden, während meine Unter- suchungen vielfach mit denen der älteren Autoren zusammenfallen. Unmittelbar nach der Anheftung der Planula am aboralen Pol zeigt die Larve kaum eine morphologische oder histologische Ver- änderung, abgesehen von der verhältnismäßig kleinen Zellregion des Ektoderms, welche durch die Sekretion die Festheftung auf der Unterlage bewirkte. In Abbildung 15 ist ein Längsschnitt einer soeben festgesetzien Larve gegeben. Das Ektoderm der seitlichen Partien und des oralen Pols zeigt prismatische nach dem Scheitel hin an Nesselkapseln reicher werdende protoplasmatische Zellen. Die 18 | WeHein, Kerne derselben liegen zum Theil aus ihrer normalen Lage durch den gegenseitigen Zelldruck verschoben in verschiedenen Höhen, entweder der Mitte nahe, oder in den äußeren oder inneren Zell- theilen. Die schon bei der Planula eingetretene Differenzirung des Ektoderms zeigt sich auch hier in erhöhtem Maße. Aboral, jetzt basal gelegen, finden sich die großen hellen mit umfangreicheren Vacuolen erfüllten Entodermzellen der Planula wieder, welche, je weiter man nach dem oralen Pole zu schreitet, um so mehr kleineren vacuolenärmeren prismatischen Zellen den Platz räumen. Die Kerne der Entodermzellen liegen fast in der Mitte der Zellkörper, gewöhn- lich etwas dem Gastralraume genähert. Doch finden sich auch, be- sonders am oralen Pol, mehr hervortretende Lageverschiebungen der Kerne. So wie im Ektoderm liegen dann auch im Entoderm die Kerne dem äußeren oder inneren Zellende genähert, scheinbar in mehrschichtigen Lagen unregelmäßig angeordnet. Das Protoplasma, welches vor der Anheftung noch deutliche Dotterkugeln und Klümp- chen erkennen ließ, scheint nach kurzer Zeit freier von diesen, um bald ganz des Dotters zu entbehren. Die planulären großen Dotterkugeln zerfallen zumeist in kleinere Theilstüicke, um dann eänzlich vom Plasma resorbirt zu werden. Das Protoplasma der ‘ntodermzellen zeigt an den dem Centralmagen zugewandten Enden eine stärkere Körnchenanhäufung, als in den an die Stützlamelle angrenzenden Zelltheilen. Der Urdarm spitzt sich nach dem oralen Pol kurz konisch zu und läuft in einen dünnen Kanal aus, welcher beide Keimblätter durchsetzt, um dann durch eine kleine ganz loka- lisirte Vertiefung des Ektoderms mit der Außenwelt in Kommuni- kation zu treten: eine Erscheinung, welche mit der der ausgebildeten Planula durchaus identisch ist und auch als das frühere Prostoma der freischwimmenden Larve angesprochen werden muss. Eine Ver- gleichung der beiden Abbildungen Fig. 14 und 15 wird die Verhält- nisse näher erläutern. Während Fig. 14 das planuläre Prostoma zeigt, welches das Archenteron mit der Außenwelt in Verbindung bringt, so ist in Fig. 15 ein medianer Längsschnitt durch eine Larve wiedergegeben, welche kurz nach der Festheftung zur Untersuchung selangte und bis auf geringfügige individuelle Unterschiede an ihrem oralen Pole ganz dieselben Verhältnisse zeigt, wie vorher der Längs- schnitt der Planula in Fig. 14. Wenn hier der feine Spalt, welcher vom Archenteron nach außen zieht, etwas weiter geöffnet ist, so liegt der Grund hierfür in der verhältnismäßig raschen Mundbildung der jungen Larve. Wenn daher schon HAEcKEL »die wichtige Frage, Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 419 ob hier der sekundäre Nachmund der Ascula mit dem primären Ur- mund der Gastrula identisch ist — oder vielmehr durch eine Wieder- eröffnung des letzteren an derselben Stelle entsteht — mit Sicherheit bejahen zu können« glaubte (1, p. 12), so findet diese Ansicht durch die vorliegende Untersuchung ihre Bestätigung, wenn auch besonders darauf hingewiesen werden muss, dass eine vollkommene Schließung und Verwachsung des planulären Prostoma niemals zu Stande kommt, wie sie HAECKEL sowie CLaus und GOETTE beobachtet haben wollen. Der Urmund der Gastrula bleibt vielmehr immer erkennbar, wenn auch auf älteren Gastrula-Stadien nur als sehr feiner Kanal, so doch deutlich sichtbar genug, um auf feinen Schnittserien mit Sicherheit nachgewiesen werden zu können. CLAus fand die neue Mundbildung an der alten Stelle des Prostoma auf einem Stadium der Larve, auf dem das orale Ektoderm sich etwas nach dem Darm hin eingestülpt hatte, er macht sodann die Angabe, dass durch Wiederaufrichtung der eingestülpten Theile nach Durchbruch des Mundes das Ektoderm wieder an die Spitze des Mundaufsatzes kommt; demnach die innere Bekleidung desselben entodermaler Natur sei (3). Trotz eingehender tudien konnte ich kein Belegobjekt für diese Anschauung auffinden. In wie weit die große Kontraktilität der Larve, oder die spätere histo- logische Veränderung des Entoderms, die ich weiter unten klar zu legen versuchen werde, zu dieser Auffassung Veranlassung gegeben haben, wird sich wohl kaum entscheiden lassen. Wenn aber schon die Craus’sche Auffassung durch meine Präparate sich nicht be- stätigen ließ und eine Einstülpung des terminalen Endes nicht zu finden war, so ist es von vorn herein ersichtlich, dass meine Unter- suchungen die Ausführungen GoETTE’s über dieses Stadium durch- aus abweisen mussten, obwohl gerade die jüngsten Stadien kurz nach der Anheftung zur Beobachtung herangezogen wurden. Weiter unten werde ich versuchen, meine Befunde den von GOETTE gegen- überzustellen, hier sei nur bemerkt, dass es in der That unmöglich war, Stadien und Schnitte aufzufinden, die GoETTE’s Ausführungen _ über die Seyphula gerechtfertigt erscheinen lassen konnten. Bald nach der Anheftung machen sich geringe Formveränderungen an der Larve schon äußerlich bemerkbar, der freie Pol plattet sich allmählich etwas ab, während der basale Theil sich etwas verlängert; und so der planuläre Habitus durch eine Reihe von Übergangsstufen zu der Becherform sich umwandelt. Diese Formveränderungen lassen sich jedoch auf geeigneten Schnittserien in ihrem causalen Zusammen- hang leicht erklären. Wie schon bei der Planula die verchiedene Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 28 420 W. Hein, Größe der entodermalen Zellschicht klar zu Tage trat, so beobachtet man nun, dass gerade die Zellen, welche dem früheren oralen Pol — nun der entstehenden Mundscheibe — angehören, die schon in früheren Stadien begonnene Theilung in erhöhtem Maße fortführen. Die Litteratur lässt hier Angaben über das histologische Verhalten des Entoderms fast ganz vermissen, nur vereinzelt finden sich Mit- theilungen wie bei CLAus, welcher jedoch die thatsächlichen Unter- schiede in den verschiedenen Polen der ausgebildeten Planula nicht als solche erkannt zu haben scheint, sondern annimmt, »dass bei der Planula die Aufhellung an dem bei der Körperbewegung nach vorn gerichteten Körperende (aboraler Pol) beginnt, während die dem entgegengesetzten Pol zugekehrten Zellen (oraler Pol) in ihrem Zell- inhalt die dichte Häufung von Körnchen bewahren« (4, p. 10). Eine »Aufhellung« der entodermalen Zellen konnte hier nicht nachgewiesen werden, vielmehr ist es die verschiedene Gestalt der Zellen beider Pole und die große Anhäufung der nach Schwinden des Dotter- gehalts auftretenden Vacuolen einerseits, die stark seitlich kompri- mirten Zellen andererseits, welche, besonders durch ihren allmählichen Übergang in einander geeignet sind, eine »beginnende Aufhellung« vorzutäuschen. | Aber gerade hier in der histologischen Differenzirung des Ento- derms scheint mir ein die Entwicklung der jungen Larve bestimmendes Moment vorzuliegen, welches uns für eine Reihe späterer Entwick- lungsstadien eine ausreichende Erklärung zu geben vermag. Die oralen Entodermzellen fahren fort, durch stärkere Theilung ihre im Verhältnis zum aboralen Pol relativ große Zahl an Zellindividuen noch zu erhöhen, während die seitlichen und basalen Entodermpartien und das äußere Keimblatt ihre Zellenzahl und ihr Volumen nur in geringem Mab zu erhöhen streben. Dies eigenthümliche Verhalten der oralen Entodermregion muss naturgemäß weitgreifende Konsequenzen nach sich ziehen. Die be- treffenden Zellen nehmen immer mehr prismatische Form an, wäh- rend ihre Kerne mehr und mehr durch den gegenseitigen Druck in mehreren unregelmäßigen Reihen sich anordnen müssen. Gleich- zeitig macht sich eine Volumvergrößerung der ganzen Entodermregion bemerkbar, die allerdings nicht auf eine Volumzunahme der bereits gebildeten Zellindividuen zurückgeführt werden kann, sondern auf der Produktion neuer prismatischer Zellen beruht. Hierdurch ent- steht eine Spannung der beiden Schichten, da das Ektoderm in seiner Zelltheilung derjenigen des inneren Keimblattes nicht nachzukommen ; ] “ Ä Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 421 im Stande ist. Man beobachtet daher, dass die oralen Ektoderm- zellen sich durch die Erweiterung der sie stützenden entodermalen Zone sich gezwungen sehen, ihre bisher eingenommene prismatische Form aufzugeben, sich abzuflachen beginnen, um in extremen Fällen dem beobachtenden Auge nur noch als dünne plattenepithelartige Schicht zu imponiren. ° Zugleich kommt durch weitere Wwuche- rung der das Prostoma umschließenden Zellen eine kleine Erhöhung im terminalen Theil der Larve zu Stande, so dass der frühere Ur- mund der Planula sich über das in Entwicklung begriffene Mundfeld erhebt und die Anlage der Proboseis bemerkbar wird. Gleichzeitig mit diesem Auftreten der Proboscisanlage erfolgt eine Erweiterung der überaus feinen Urmundöffnung zum definitiven Mund des Scypho- polypen. Ursächlich führe ich diese Munderweiterung auf gewisse Wachsthumsvorgänge und Zelltheilungen im Entoderm zurück. Da das Prostoma auf einem früheren Stadium überhaupt nicht voliständig oblitterirte, sondern stets, wenn auch nur als feiner Kanal persistirte, so findet, streng genommen, auch nicht eine Wiedereröffnung des gastrulären Urmundes statt, sondern dieser geht vielmehr während der Periode der entodermalen Zellwucherung allmählich in den end- gültigen Mund des jungen Scyphostoma über. Zugleich mit diesen Vorgängen im Ektoderm tritt aber noch eine andere Erscheinung zu Tage, welche meines Erachtens, vielleicht in Verbindung mit gewissen Kontraktionszuständen der Larve, dazu ge- führt hat, eine irrthümliche Auffassung der thatsächlichen Entwick- lungsvorgänge nahe zu legen. Hand in Hand mit der starken Zell- wucherung des Entoderms und der damit verbundenen Volumabnahme der Zellen nehmen eben so die Kerne derselben an Größe und Umfang ab. Die Entodermzellen des Oralfeldes und ihrer nächsten Umgebung sind am meisten bei der Zellvermehrung in Anspruch genommen, während nach der Basis diese Neigung zur Theilung rasch abnimmt, um bald unterhalb der entstehenden Mundscheibe ganz nachzu- lassen. Da die Größe der Kerne sich nach der Zellgröße richtet, erscheinen am Mundrand, dort wo das äußere Keimblatt mit dem inneren in Verbindung steht, die Kerne beider Keimblätter fast gleich groß, während am basalen Theil die Entodermkerne diejenigen des Ektoderms in extremen Fällen um das Drei- bis Vierfache an Größe übertreffen. Die verschiedenen Größenverhältnisse in den Entodermkernen lassen sich schon, wenn auch nicht so ausgesprochen, im Entoderm der Planula nachweisen (ef. Fig. 14), treten aber bei weiterer Wuche- 28* 1 | W. Hein, rung des Entoderms immer mehr hervor, um häufig bis zu den oben erwähnten Extremen sich zu steigern. Die Zeichnungen Fig. 15—23 zeigen diese Erscheinungen in klarer Weise. Nimmt man daher mit GOETTE an, dass auch die innen den Mund umgebende Schicht ekto- dermalen Ursprungs ist, so wird es allerdings unmöglich sein, einen nur annähernden Übergang zwischen dem inneren und äußeren Keim- blatt noch festzustellen und die Grenzen zu bestimmen, an denen die beiden Keimblätter an einander stoßen; denn im Innenblatt nehmen die Zellen und Kerne von der Mundöffnung an nach den Seiten und nach der Basis zu ganz allmählich und kontinuirlich so lange an Größe zu, bis sie den großen Elementen des Fußes gleichen. Vergleicht man die verschiedenen Zellformen am Mund, so ge- langt man, wenn man die histogenetischen Entwicklungsstufen beider Keimblätter mit ins Auge fasst, zu ganz anderen Resultaten als GOETTE. Auf Längsschnitten zeigen hier beide Keimblätter in ihren Zellformen eine scharfe Differenzirung. Wenn früher die prostomi- ale Ektodermregion in ihren Zellen einen stark prismatischen Bau zu erkennen gab, so beginnt nun das den Mund umgebende Außen- blatt sich mehr abzuflachen. Die Zellen geben ihre alte Form mehr und mehr auf und gehen allmählich in eine plattenartige Struktur über, während die Entodermzellen derselben Region um so mehr pris- matisch und gepresst erscheinen, je weiter die oben besprochene Wucherung angehalten hat. In den Abbildungen Fig. 21, 23, 24 ist stufenweise die Abplattung zu verfolgen. Durch diese deutliche Ver- schiedenheit der beiden Blätter, welche mehr oder weniger vom An- fang der Entwicklung an bis zu 8- und 16tentakeligen Stadien mit Sicherheit verfolgt werden kann, erscheinen mir die Grenzen der beiden Keimblätter zweifellos sichergestellt. Die Stützlamelle springt scharf gegen den Mund vor, um kurz vor der Mundöffnung, dort wo Ento- und Ektoderm zusammenstoßen, jäh abzubrechen (in den Ab- bildungen Gr), ein Verhalten, welches nach der GoETTE’schen Auf- fassung wohl nicht gut möglich wäre, da sich dann die Stützlamelle vom Mund, dem von ihm beschriebenen »Schlundrohr« folgend, in die Tiefe senken müsste, um so zwischen beiden Keimblättern bis zur »Schlundpforte« und der Grenze der beiden Keimblätter sich fortzusetzen. Allerdings fand ich unter den mannigfachen Serien der ersten Entwicklungsstufen nach der Anheftung einzelne Schnitte, welche zuerst eine gewisse Bestätigung der GoETTE’schen Anschauung nahe zu legen schienen. Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 493 In den Textfiguren 1 und 2 sind die GoETTeE’schen schematischen Zeichnungen der Längsschnitte durch junge Larven vor Durchbruch des Mundes in der »Haupt- und Querebene« wiedergegeben (5, Taf. II, Fig. 18 und 19). | Nach GoETTE vertieft sich nach Abflachung des Anfangs kon- vexen Oralpols »die Mitte des flachen Ektoderms zu einer breiten aber sehr engen Tasche, welche in der Richtung ihrer Breite oder in der senkrechten Querebene der Larve den ganzen Zwischenraum zwischen den gegenüberliesenden ektodermalen Außenwänden aus- Pextfig. 1. Mextiig. 2. Schematische Zeichnungen durch Stadien vor Durchbruch des Mundes. Nach GoETTE. 1, Längsschnitt der Larve in der Querebene. 2, Längsschnitt der Larve in der Hauptebene mit fertiger Schlundtasche und Magentaschen. füllt und folglich den Entodermschlauch hinabdrängt, in der recht- winkelig dazu stehenden Hauptebene aber zwischen sich und der Außenwand einen nach unten offenen Raum frei lässt, in welchem sich je ein schmaler Zipfel des Entodermschlauches einschiebt. Sehr bald wird die Ektodermtasche nicht nur tiefer, sondern erweitert sich auch in der Hauptebene, so dass sie ein Cylinderröhr bildet, dessen Boden mit dem Deckel der centralen Entodermhöhle flach zusammenstößt, während die nunmehr handschuhfingerförmigen Zipfel derselben etwas zur Seite gedrängt erscheinen<« (5, p. 8). In der Tiefe dieser Einstülpung soll dann der Durchbruch des Mundes er- folgen (nach GoETTE »Schlundpforte<); »jenes Cylinderrohr ist der bleibende ektodermale Schlund, seine äußere Einstülpung der Mund, die beiden blindsackartigen Fortsätze des entodermalen Urdarmes aber, welche in der Hauptebene neben dem Schlund bis zur Höhe des Mundes aufsteigen, sind die zwei ersten Magentaschen«. Die erste meiner Zeichnungen (Textfig. 3) könnte nach dieser Auffassung so gedeutet werden, dass der Schnitt zwischen »Haupt- 494 | W. Hein, und Querebene« gefallen wäre, dort wo die Magentaschen der Haupt- ebene in die taschenlosen Theile der Querebene übergehen (etwa 45° zwischen den beiden Ebenen). Die die Magentaschen umgebenden Entodermpartien müssten dann durchschnitten sein, und man dürfte erwarten, auf den Nachbarschnitten ein Lumen oder wenigstens eine Zweischichtigkeit des inneren Keimblattes zu finden. Diese nach der GorrrtEe’schen Auffassung nothwendige Zweischichtigkeit des die Textfig. 5. Längsschnitte durch eine Larve. ur, Urdarm; Pb, Proboseis; O0, Mund; 7a, Tentakelanlage. Fig. 3. Medianer Schnitt. Tentakelanlage durchschnitten. Fig. 4. Zweiter Schnitt. Ektoderm der Ten- takel angeschnitten. Fig. 5. Fünfter Schnitt. Den schon geöffneten Mund zeigend. Magentaschen umgebenden Entoderms war aber auf keinem der Präpa- rate ersichtlich. Ich habe vielmehr mit Sicherheit auf dem skizzirten Schnitt feststellen können, dass ein »blindsackartiger Fortsatz des entodermalen Urdarmes« von irgendwie erheblichem Umfang nie- mals zur Ausbildung gelangen kann, da die Zellen des inneren Keim- blattes sich bald zu einem einschichtigen Strang zusammenfinden und so eine Lumenbildung unmöglich machen. Nach der GoErTE’schen Beschreibung einer centralen Einstülpung des oralen Ektoderms müsste naturgemäß auf allen Schnitten einer Serie, sofern sie nicht ganz seitlich gelegen sind, diese Einstülpung mehr oder minder deutlich zu erkennen sein. Schon der dritte ! Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 495 Schnitt widerlegt aber diese Auffassung (Textfig. 4). Hier sieht man, dass das innere Keimblatt an dieser Einstülpung nicht mehr Theil nimmt, sondern in gleichmäßiger Weise den Urdarm umgiebt. Nach GOETTE müsste man annehmen, dass hier das Ektoderm in zwei Schichten auf einander läge, da dann die Partie der Larve durch- schnitten worden wäre, welche die taschenlose Querebene vorstelle (Textfig. 1. Aber in Wirklichkeit erweisen sich die ektodermalen Zellen tangential getroffen, so dass das Präparat einen typischen Flächenschnitt durch das äußere Keimblatt darstellt. Schließlich schwindet diese Ausstülpung mehr und mehr, so dass man schon nach zwei weiteren Schnitten (Textfig. 5) nur noch ganz geringe Reste von derselben beobachten kann, welche auf den folgenden sich ganz vermissen lassen. | Zieht man das Fehlen eines Lumens in diesen peristomialen Ge- bilden und die Art des Auftretens dieser Bildungen, welche nicht kontinuirlich den ganzen oralen Umkreis umfassen, sondern nur auf bestimmte Stellen beschränkt sind, in Betracht, so ist die Annahme wohl berechtigt, dass wir es mit den Anlagen der primären Tentakel zu thun haben, welche sich hier schon als warzen- bis zapfenförmige Erhebungen zu erkennen geben. Am Grunde der »ektodermalen Einstülpung« müsste nach GOETTE der Durchbruch des Mundes zu erwarten sein. Auf Textfig. 5 ist aber ein Schnitt durch die Larve zu erkennen, der die soeben von mir ausgesprochene Ansicht bestätigt. Es fällt sofort eine Öffnung des Urdarmes auf, welche das Coelenteron mit dem umgebenden Medium verbindet und nichts Ande- res als den Mund bedeutet, welcher schon in einem früheren Stadium zur Entwicklung gelangte und hier etwas excentrisch verschoben er- scheint. Ich muss hinzufügen, dass auf den Nachbarschnitten die Mundöffnung nicht mehr nachweisbar ist, dass mithin die geschilder- ten Verhältnisse nur auf sehr feinen Schnittserien mit Deutlichkeit erkannt werden können. Auch die an diesem Schnitt klar zu Tage tretenden histologischen Details bestätigen die Entwicklungsvorgänge, wie ich sie oben beschrieb. Nach diesen Beobachtungen möchte ich daher annehmen, dass die Anschauung GoETTE’s durch Schnitte hervorgerufen ist, welche vielleicht nicht fein und lückenlos genug waren, um die äußerst sub- tilen Verhältnisse genügend zu erhellen. Ich glaube, dass das von ihm beschriebene »Schlundrohr« nur durch das nach innen die jungen Tentakelanlagen umgebende Ektoderm und durch gewisse peristomiale 426 | W. Hein, Ektodermpartien gebildet wurde, während der schon geöffnete Mund (vielleicht durch ungeeignete Präparation der Larven kollabirt) sich der Beobachtung entziehen konnte. Querschnitte, wie sie GOETTE abbildet (5, Taf. I, Fig. 20—22), blieben daher auch im Laufe meiner mannigfachen Untersuchungen ohne irgend welche Belege. Hype schloss sich den GorTTE’schen Anschauungen an und be- schreibt ebenfalls eine Magentaschen- und Schlundrohrbildung. Im Wesentlichen dürften meine Ausführungen daher auch zu dieser Auf- fassung der Mundentwicklung in Gegensatz gebracht werden. An dieser Stelle würde es zu weit führen, auf die Einzelheiten der Ent- wicklung der verschiedenen nahverwandten Formen (8) einzugehen. Ein Schlundrohr im Sinne GoETTE’s konnte daher hier nicht nachgewiesen werden. Die innere Auskleidung des Mundes ist viel- mehr entodermaler Natur, das Ektoderm reicht in Form flacher Zellen bis zum Munde heran, um dort mit dem inneren Keimblatt in Ver- bindung zu treten. Allerdings ist hiermit auch der GoETTE’sche Satz (5, p. 16), dass »das junge Scyphostoma von Anfang an die Organisation der Anthozoen wiederholt, aber zu keiner Zeit mit einem einfachen Hydropolypen oder einem solchen mit vier Magentaschen übereinstimmt«, nicht in Übereinstimmung zu bringen. Das von ihm beschriebene ektodermale Schlundrohr mit der am unteren Ende des- selben gelegenen Schlundpforte, sowie die durch Septen getrennten Magentaschen konnten nicht zur Beobachtung gelangen. Die phylogenetischen Beziehungen, die GoETTE auf Grund seiner Beobachtungen den Sceyphopolypen zu den Anthozoen zuschrieb, scheinen daher nicht in dem Maße zu bestehen, wie GOETTE es an- nahm. Die junge Larve durchläuft in der That Entwicklungsstufen, die durchaus die Organisation des Hydropolypen rekapituliren, und das Fehlen eines ektodermalen Schlundrohrs, sowie das spätere Auf- treten der Magenfalten und -rinnen dürfte immerhin geeignet sein, die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Sceyphopolypen und Hydropolypen näher erscheinen zu lassen, als es meist ange- nommen wird. 5. Tentakelbildung, Entwicklung der Magenfalten und Längsmuskeln. Bald nachdem die Mundbildung durch die Entodermwucherung ihren Anfang genommen hat, beginnt eine Neubildung der Larve, welche ihr schon äußerlich den Habitus eines Polypen verleiht. Das Mundfeld mit der mittelständigen Proboseis ist schon mehr oder weniger scharf gegen die seitlichen Partien abgesetzt und hier ent- Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 4927 stehen an vier Stellen des Peristoms kleine warzenartige Gebilde, an deren Aufbau beide Keimblätter, ihren Lageverhältnissen entsprechend, Theil nehmen. Die vier Embryonalanlagen liegen einerseits in gleichen Abständen von der Mitte des Mundes, andererseits in gleich großen Entfernungen von einander. Die in ihren Anfangsstadien erst kugel- artigen Ansehwellungen gehen bald in kleine Höcker über, um dann noch weiter in die Länge zu wachsen und so die vier Primärten- takel zu bilden (Fig. 19, 20, 21). Das Ektoderm der Tentakel unterscheidet sich von dem des übrigen Körpers des Scyphostoma durch die außerordentliche An- häufunge von Cnidoblasten, welche kontinuirlich, ohne Knöpfchen- bildung, über den ganzen Teentakel zerstreut liegen und an dessen distalem Ende sich in diehtgedrängten Massen finden. Das Ento- derm springt von der peristomialen Seite und den seitlichen Regionen sesen die Tentakelbasis vor und setzt sich bis zum distalen Ende des Tentakels fort. Hier liegen die Zellen des inneren Keimblattes scheibenartig auf einander, wie die einzelnen Stücke einer Geldrolle, in der Mitte einer jeden Zelle findet sich der Kern. Bemerkenswerth erscheint mir noch, dass die Zellkerne des Tentakels allmählich in distaler Richtung an Größe und Umfang zunehmen (Fig. 29). Die Tentakelanlagen entspringen an den Stellen, an welchen die Kerne des Ektoderms sich bezüglich ihrer Größe deutlicher von denen des Entoderms unterscheiden, als in unmittelbarer Umgebung des Mun- des. Die Kerne der betreffenden Entodermzellen sind größer als die im Ektoderm und halten etwa die Mitte zwischen den beiden ex- tremen Größen, die die Entodermkerne am Mundeingang und der Basis aufweisen. Eben solche Kerne finden sich auch in den proxi- malen Theilen der Tentakel, während sie nach dem distalen Ende bin an Größe und Volumen zunehmen, ohne jedoch ganz an die- jenigen der basalen Entodermregion heranzureichen. Die Anlage der Tentakel und ihr zeitlich verschiedenes oder zu- sammenfallendes Auftreten hat häufig Veranlassung zu Diskussionen gegeben. HAEcKEL (1, p. 12) sagt, »dass bei Aurelia und Chrysaora in der großen Mehrzahl der Fälle die vier primären Tentakel paarweise entstehen, zuerst zwei gegenständige, darauf zwei mit diesen wech- selnde«, glaubt aber noch bemerken zu müssen, »dass in nicht wenigen Fällen alle vier primären Tentakel gleichzeitig entstehen und als gleich große konische Nesselwärzchen in gleichen Abständen um den Mund hervorsprossen<. Weiter bezeichnet er die Frage, ob un- gleichzeitiges oder gemeinsames Emporsprossen der Tentakel statt- 498 | W. Hein, finde, »als schwer oder gar nicht zu entscheiden, weil diese Ex- krescenzen des Peristomrandes anfänglich äußerst kontraktil sind, bis zum völligen Verstreichen eingezogen und häufig paarweise ab- wechselnd ausgestreckt nnd eingezogen werden können«. Anderer Ansicht ist CLaus: Er weist eine Täuschung durch Kontraktilität der Larve zurück und »hält (3, p. 6) seine Angaben über das un- gleichzeitige Auftreten der vier primären Tentakel, sowie die auf dasselbe gestützte Schlussfolgerung von der bilateralen, erst nachher sich durch Egalisirung radiär gestaltenden Grundform aufrecht«. GoETTE hält die Tentakel, seiner komplieirten Theorie des Schlund- rohrs und der Magentaschen folgend, als »sekundäre Anhangsgebilde« und glaubt, dass sie in Zahl und Stellung »die in den Magentaschen vorhandene Gliederung getreu wiederspiegeln« (5, p- 19). Er hält aber — trotzdem er die Magentaschen zuerst in der Zweizahl ent- stehen lässt — eine »vorläufige zweistrahlige Grundform des Scypho- stoma für keineswegs begründet«, sieht vielmehr »in der Vierzahl der primären Magentaschen, welche sich an den Septen und Magen- falten wiederholt, die ursprüngliche Strablgliederung der Sceypho- stomen«. Was nun meine Untersuchung über diesen weiteren Entwick- lungsvorgang anbelangt, so fand ich bei Aurelia aurita, eben so wie das bei Aurelia marginalis von Hype beobachtet wurde, von einigen sehr seltenen Exemplaren mit nur drei Tentakeln abgesehen, stets vier Tentakelanlagen und bei etwas älteren Seyphostomen vier gleich- mäßig ausgebildete Tentakel. Bei Aurelia aurita ist also von vorn herein die radiale Symmetrie durch das gleichzeitige Hervorsprossen | der vier koordinirten Tentakel verbürgt, ohne vorher eine Übergangs- stufe mit bilateralem Bau durchlaufen zu müssen. Die vierstrahlige Anordnung der sofort genauer zu besprechenden Magenfalten scheint durchaus geeignet, diese Auffassung zu bestätigen. Den bis jetzt beschriebenen Entwicklungsvorgängen schließt sich nun eine fast gleichzeitig auftretende tiefgreifende Neubildung am Scyphostoma an, welche trotz mannigfachen Untersuchungen keines- wegs ihre definitive Aufklärung gefunden hat. Es ist dies die Ent- wicklung der Magenfalten mit den später zu besprechenden Längs- muskelsträngen. Noch während die vier primären Tentakel im Wachsthum be- griffen sind, zeigen sich am oberen Theil des Entoderms, dort wo die seitlichen Partien des Innenblattes in die der Mundscheibe übergehen, Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 429 mit den Tentakelbasen alternirend, vier kleine längliche Einstülpungen der entodermalen Zellenfläche, welche bald an Größe zunehmen und faltenförmig von oben nach unten in den Centralmagen vorspringen. Die so gebildeten Entodermfalten setzen sich auf die Randpartie des Entoderms der Mundscheibe fort und verlieren sich rasch gegen den Mund zu. An den seitlichen Partien des Scyphostoma reichen die Gastralfalten auf den viertentakligen Stadien und eben so noch nach Ausbildung der Tentakel zweiter Ordnung, ein verhältnismäßig kurzes Stück in vertikaler Richtung hinab; sie nehmen an Mächtigkeit nach der Fußscheibe hin bald ab und verstreichen dann allmählich ganz in der ursprünglichen Auskleidung des Centralmagens. Die das Entoderm von außen begleitende Stützlamelle betheiligt sich an dieser Faltenbildung und erscheint in jungen Stadien an den be- treffenden Stellen wulsiförmig angeschwollen. Nehmen dann später die Gastralfalten durch weiteres Wachsthum zu, wie es bei achtten- takligen Stadien leicht zu konstatiren ist, so rücken auch die Ver- dickungen der Stützlamelle gegen den Centralmagen vor, hängen aber durch eine dünne Verbindungsleiste mit der ursprünglichen Stütz- lamellenschicht kontinuirlich zusammen. Schon äußerlich dokumentirt sich die Existenz der Magenfalten an dem Polypenkörper, indem der allmählich stark becherförmig gewordene Körper des jungen Scypho- stoma vier längliche flache Furchen zeigt, welche den entodermalen Magenfalten in ihren Lagebeziehungen zum ganzen Polypen ent- sprechen. Die perradialen, unterhalb der Tentakel gelegenen Seiten- partien des Polypenkörpers treten dann als längliche Ausbuchtungen der Seitenpartien hervor. Durch das interradiale Vortreten der Falten in den Centralmagen müssen naturgemäß in den Perradien, in den oberen peripheren Theilen des Gastralraumes, Rinnen entstehen, die durch die einander zugewandten Seiten je zweier benachbarter Gastralfalten und den dazwischen liegenden perradialen Magenauskleidungen umgrenzt wer- den. Nach oben hin wird die Rinne durch die bei normaler Lage . fast horizontal gestellte Mundscheibe stumpf abgeschnitten. Die Bildung der Magenrinnen ist also hier durch die Magenfaltenentwick- lung bedingt und darf daher nicht als eine selbständige Neubildung, wie sie GOETTE beschrieben hat, angesehen werden. Die basalen am Seyphostoma peripher gelegenen Theile der Rinnen verhalten sich bei der Rinnenbildung durchaus neutral; die Magenrinnen sind Bildungen, die erst durch das Hervorfalten des Entoderms in den Interradien als nothwendige Begleiterscheinung zu Tage treten. 430 | W. Hein, Was die Länge der Magenfalten anbetrifft, so fand ich sie bei vier- und achttentakeligen Stadien nur verhältnismäßig gering, so dass die HAECKEL’sche Anschauung, dass die Magenfalten »den becher- förmigen Körper seiner ganzen Länge nach durchziehen« (1, p. 14), nicht bestätigt ist. Die Falten durchsetzen vielmehr nur den obe- ren peripheren Theil des Centralmagens und reichen an den seit- lichen Theilen des Entoderms eine verhältnismäßig kleine Strecke nach der Basis zu hinab, um dann gänzlich zu verstreichen, häufig schon ehe sie das erste Drittel des Centralmagens ganz überschritten haben. Die Abbildungen Fig. 25—28 zeigen dieses Verhalten in deut- licher Weise. Der Polyp hatte bei der Konservirung seine normale Gestalt beibehalten, die Mundscheibe verharrte in fast horizontaler Lage, aus der sich nur die Proboscis etwas hervorhob. In Fig. 25 ist der Magen dort getroffen, wo er sich anschickt, sich eylindrisch einzuengen und in den dünneren Stiel überzugehen. Beide Keim- blätter erscheinen hier in durchaus gleichförmiger Weise. Etwas höher zeigt Fig. 26 die veränderte Form, welche das Entoderm an- genommen hat; die Magenfalten und -rinnen sind in ihrer Entwicklung verhältnismäßig weit vorgeschritten, die interradialen Entodermfalten haben sich von dem äußeren Keimblatt abgehoben und so der Stütz- lamelle Raum zu einer bis jetzt noch wulst- oder wallartigen Ver- diekung gegeben — die erste Anlage einer in Fig. 32 skizzirten und weiter unten noch genauer zu besprechenden Neubildung des Scypho- stoma. Bald stoßen die Magenfalten und -rinnen nach oben in fast rechtwinkliger Richtung auf die Mundscheibe, jene verschmelzen mit dem Entoderm derselben, diese werden von ihr nach oben hin ab- segrenzt. Fig. 27 zeigt einen Schnitt etwas oberhalb dieser Stelle. Das Ektoderm der Mundscheibe ist in tangentialer Richtung durch- schnitten, die Proboscis und die Tentakelbasen heben sich mit scharfem Kontour von diesen ab. Auf einem weiteren Schnitt in Fig. 28 ist die Probosceis noch getroffen, die Tentakel sind sehon isolirt. CLAaus ist also im Irrthum, wenn er (3, p. 6) sagt, dass »die vierarmigen Polypenformen der vier Gastralwülste noch vollständig entbehren, und dass diese in den Radien der vier Zwischententakel erst während des Verwachsens der letzteren zur Anlage kommen«. Wenn auch die ersten Tentakelanlagen früher auftreten als die Ent- wicklung der Magenfalten beginnt, so fällt es dennoch nicht schwer, da das Scyphostoma einige Zeit auf dem Stadium mit vier Tentakeln Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 431 verharrt, Entwicklungsstadien aufzufinden, welche neue Anlagen der Tentakel zweiter Ordnung noch ganz vermissen lassen und trotzdem schon eine relativ weit vorgeschrittene Entwicklung der Magenfalten erkennen lassen. £ Mit den Anschauungen GoErrE’s, welcher die Anlagen der Magenfalten auf einem viel früheren Stadium von der Bildung der »Magentaschen« ausgehend beschreibt, stimmen die oben geschilderten Entwicklungsvorgänge nicht überein. Gewisse, mehr oder minder sroße scheinbare Ausstülpungen des Centralmagens lassen sich aller- dings an einigen wenigen der untersuchten Larven nachweisen. Diese Bildung (Fig. 19 rechts), welche ein Vorhandensein von »Taschen« nahelegen könnte, entspricht aber nicht einer selbständig auftreten- den Erweiterung des Magenlumens, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte, sondern ist auf die oben beschriebenen Wucherungs- vorgänge der peristomialen Entodermregionen zurückzuführen, welche bei einigen wenigen Larven sich in dieser stark ausgeprägten Weise zu erkennen giebt. Im Laufe der Entwicklung tritt diese stellen- weise Verdickung der entodermalen Schicht mehr und mehr zurück. Wenn dann auf späteren Stadien schon Tentakel entwickelt sind, reicht der solide entodermale Tentakelstrang häufig nicht bis un- mittelbar an das Lumen des Centralmagens, sondern er erweitert sich an seiner Basis ein wenig, um trichterförmig sich allmählich in die Auskleidung des Coelenterons fortzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Benennung »Magentaschen« nach den von mir vorliegenden Untersuchungen leicht irreleitend ist, da »Taschen« in Wirklichkeit nicht nachgewiesen werden können; die durch die Gastralfalten hervorgerufenen Bildungen gleichen vielmehr nur »Rinnen« oder Nischen, niemals aber »Taschen«, da ein Schlundrohr überhaupt fehlt und nur ein zeitweises oder durch ungeeignete Konservirung hervorgerufenes Einsinken der in nor- malem Zustand nach oben strebenden Mundscheibe eine Taschen- bildung vortäuschen kann. Mit der Entwicklung der Magenfalten auf dem viertentakeligen Stadium sind nun die Voraussetzungen gegeben, an die die Entwick- lung der intraseptalen Längsmuskel gebunden ist. Nachdem die Gastralfalten eine gewisse Größe erreicht haben, und während das Seyphostoma sich anschickt, die vier weiteren Tentakel zweiter Ord- nung: hervorwachsen zu lassen, beginnt die Mundscheibe im Umkreise der Proboseis sich etwas einzusenken; es entsteht so eine kreisför- a W. Hein, mige Furche, welche zwischen der Proboseis und den Tentakeln erster Ordnung weniger ausgeprägt erscheint, als in den interradialen Theilen des Peristoms. Dort, wo die Magenfalten von unten an die Mundscheibe herantreten, sind die Theile der peristomialen Einsenkung am deutlichsten zu erkennen. Schnittserien in der Richtung der Längsachse durch junge achtarmige Scyphostomen klären bald in deutlicher Weise über die inneren Ursachen dieser Erscheinung auf. Die interradialen Vertiefungen der Mundscheibe entstehen durch eine Ektodermeinstülpung an den betreffenden Stellen des Peristoms. Eine kleine Gruppe von Zellen rückt mehr in die Tiefe und bildet so einen spitzen kompakten Zapfen, der allmählich nach unten in die Stützlamelle der Magenfalten eindringt. Die ektodermalen Zell- elemente geben hierbei ihre alte Form auf und gehen bald in eine faden- bis spindelförmige Gestalt über. Die Zellkerne erscheinen dann in der Mitte einer jeden Zelle gelegen. In Fig. 30 sind die Anfangsstadien dieser Bildung wiedergegeben; das Ektoderm hat hier mit der Einwucherung begonnen, die am weitesten in die Stützlamelle vorgeschobenen Zellen sind im Begriff, ihre sonst fast kubische Ge- stalt zu verlieren und in die Spindelform überzugehen. Bei weiterem Wachsthum des ganzen Scyphostoma nimmt diese Neubildung eben- falls größere Dimensionen an, sie zieht sich durch das kurze Septum hindurch und reicht, nachdem dieses in der ungefalteten Auskleidung des Centralmagens gänzlich verstrichen ist, eine Strecke weit zwischen beiden Keimblättern nach dem basalen Theil des Polypen hin, wie dies in Fig. 31 angegeben ist. Bald nach der Entwicklung der ersten Anlage zu einem längeren zapfenartigen Gebilde gehen in den Ektodermzellen, welche am weitesten nach unten in die Stützlamelle der Magenfalten vorge- schoben sind, weitgreifende Veränderungen vor sich. Fast gleich- zeitig mit dem Übergang der Zellen in die Spindelform verschwindet die den an der Körperoberfläche gelegenen Ektodermzellen eigen- thümliche körnige Struktur des Plasmas. Dasselbe erscheint auf einem Übergangsstadium fast vollkommen homogen, um dann bald darauf eine feine Streifung erkennen zu lassen. Die feinen Streifen verlaufen in leichter wellenartiger Richtung fast parallel der Wachs- thumsrichtung der nunmehr als Muskelstrang zu bezeichnenden Neu- bildung; denn bei genauer Beobachtung dokumentiren sich die feinen Längsstreifen in dem Protoplasma als die Anlagen feiner Muskel- fibrillen, welche innerhalb der Zellen in ihren peripheren Theil aus- geschieden sind. Ganz junge Stadien lassen selbst bei sehr starken Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 433 Vergrößerungen einen genauen Einblick in die Bildungsweise der Fibrillen nur schwer und unvollkommen zu, erst auf weiter ausge- bildeten Stadien erscheinen die Strukturverhältnisse so klar, um mit Sicherheit eine Orientirung zu ermöglichen. Dort sieht man die Muskelfibrillen innerhalb der Zellen in einer verhältnismäßig geringen Anzahl im Protoplasma eingebettet; sie verlaufen am peripheren Theil der lang ausgezogenen Matrixzellen in gewissen Abständen von einander und erweisen sich als glatte Fibrillen. Das Protoplasma der Zellen ist weniger gekörnt und zeigt einen mehr homogenen Bau als die Zellen der äußeren Partien desselben Keimblattes. Die Grenzen der einzelnen Zellen lassen sich auf Längsschnitten kaum nachweisen, während Querschnitte durch die Längsmuskeln einen genaueren Einblick in die Struktur der Muskelzellen leicht gestatten. In Fig. 32 ist eine Abbildung eines Querschnittes eines achtarmigen Seyphostoma gegeben. Die Muskelfibrillen liegen hier innerhalb der Zellen als kleine, das Licht doppelt brechende spitz-ovale Gebilde. Sie sind excentrisch in der Peripherie angeordnet und zwar nur an den Theilen der Zellen, welche an die Stützlamelle der Gastralfalten angrenzen, während die an einander stoßenden Seiten der Muskel- zellen die Fibrillen vermissen lassen. Eine direkte Folge davon ist, dass bei weiterer Ausbildung der Längsmuskelstränge, auch wenn sie mehrere Zellen dick sind, die Muskelfibrillen nur an der Peri- pherie des Gesammt-Muskelstranges zur Erscheinung treten. In der Litteratur erfahren die Längsmuskelstränge verschiedene Deutung. Hinsichtlich ihrer Anlage scheint zwar allgemein von den Autoren die ektodermale Herkunft mit der Zeit bestätigt worden zu sein, jedoch ergeben sich Kontroversen in Beziehung auf gewisse Details. Die von HAECKEL vertretene Anschauung, dass die Längs- muskelstränge (1, p. 14) ektodermaler Natur seien, aber von den seitlichen Wänden des Scyphostoma erzeugt würden, ist eben so wie die GoETTE’sche Beschreibung, dass der Trichter mit einem centralen Lumen eine Strecke weit in die Septen hineinrage, nach meinen . Präparaten nicht haltbar. Der Längsmuskelstrang entsteht vielmehr aus einer Einwucherung gewisser Ektodermzellen des Peristoms in die Stützlamelle der Gastralfalten, aus einer Wucherung, die sich äußerlich durch Bildung einer kleinen muldenförmigen Vertiefung kund giebt. Ein Lumen oder ein Trichter konnte in der That nicht festgestellt werden; die in die Tiefe gerückten Ektodermzellen finden sich bald zu einem kompakten Zapfen zusammen und bilden so den massiven Muskelstrang. 434 | | W. Hein, Auf einen Punkt möchte ich noch verweisen, der bei Vergleichung meiner Abbildungen mit denjenigen von CLAus und GOETTE, weniger mit denen von Hype, sofort ins Auge springen muss. Es ist dies die geradezu enorme Ausbildung der Stützlamelle, die von beiden Autoren häufig in größerer Mächtigkeit wiedergegeben wird, als die verschiedenen Keimblätter. Es war mir unmöglich, sowohl von Larven aus den Zuchtaquarien als von frischen Seyphostomen aus der Ostsee Präparate zu erzielen, die auch nur annähernd eine solche Ausbildung der Stützlamelle erkennen ließen. In meinen zahlreichen Schnittserien markirt sich die Stützlamelle als ein scharfer Kontour, der beide Keimblätter bis zu ihrem Verschmelzungspunkte trennt und nur stellenweise, besonders in den Gastralfalten bis zu einem gewissen Grade anschwillt, niemals aber auch nur annähernd an die Verhält- nisse der oben erwähnten Zeichnungen heranreicht. Zum Schluss möchte ich noch einer Beobachtung Erwähnung thun, welche vielleicht geeignet ist, in rein biologischer Beziehung ein gewisses Interesse für sich in Anspruch zu nehmen. Ich fand in Längsschnitten eines achttentakeligen Scyphostoma die Entoderm- zellen des Centralmagens fasi durchweg mit je einem, seltener mit zwei eigenthümlichen Einschlüssen im Protoplasma versehen, eben so waren im äußeren Keimblatt die Körper, wenn auch weniger häufig, nachzuweisen. Die Einschlüsse sind kugelige bis rund-ovale Körper, welche auch nach der Behandlung mit Alkohol noch eine gelbgrün- liche Färbung zeigen und von einer doppelt kontourirten Membran umgeben zu sein scheinen. Innerhalb dieser Membran lässt sich eine waben- bis schaumartige Plasmastruktur erkennen und ein etwas excentrisch gelagerter Kern. An Größe übertreffen die Körper des Innenblattes die des Ektoderms um das Doppelte, hier liegen sie fast in Höhe der Zellkerne, dort meist an dem Ende der entodermalen Zelle, welches dem Centralmagen zugewandt ist. Die Zellkerne er- scheinen dann aus ihrer normalen Lage herausgedrängt, etwas nach der Stützlamelle hin verschoben zu sein. Schon das Vorhandensein von Kernen in den Fremdkörpern, sowie die Thatsache, dass Kerne zu finden waren, welche karyokinetische Theilungsstadien repräsen- tiren, und dass auch ganze Zellkörper sich schon getheilt hatten, Fig. 33a, ließen mich zu der Auffassung gelangen, dass hier wahr- scheinlich eine Symbiose des betreffenden Scyphostoma mit Algen- zellen (Zoochlorellen) stattgefunden hatte. In gewisser Übereinstim- Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 435 mung scheinen die von mir aufgefundenen Körper mit denen zu stehen, welche die Gebrüder HERTwIe bei Actinien als gelbe Zellen beschrieben (9). Die verschiedene Struktur des Protoplasmas der Zellen, sowie das regelmäßige Auftreten bei Aectinien und die An- häufung der Körper in einer Gewebszelle lassen gewisse Unterschiede zwischen beiden Arten von Zoochlorellen erkennen. Die durch meine Untersuchungen gewonnenen Resultate lassen sich in folgender Weise zusammenfassen: 1) Die Blastula repräsentirt eine aus fast durchweg gleichför- migen Zellen gebildete Hohlkugel mit central gelegenem Blastocoel. 2) Einige Zellen wandern aus dem Blastoderm aus und fallen einer baldigen Degeneration im Blastocoel anheim. Die Gastrulation erfolgt durch typische Invagination; es be- sinnt dieser Process an einer kleinen Fläche des Blastoderms, so dass ein enger Blastoperus sich bildet. Der Blastoporus wird im Verlauf der weiteren Entwicklung niemals ganz ge- schlossen, sondern persistirt als äußerst feiner Kanal bis zur Mundbildung. Selten scheinen auch einzelne Zellen aus dem schon gebil- deten Entoderm sich loszulösen und in das Archenteron zu gelangen, um hier ebenfalls zu degeneriren. Ein Durchtritt von Zellen oder Zellresten aus dem Blasto- coel durch die sich einstülpende Schicht in das Coelenteron ist durch die Beschaffenheit und das feste epithelartige Gefüge der das Entoderm bildenden Zellelemente unmöglich gemacht. Die Degeneration der eingewanderten Zellen im Blastocoel verhindert ihre Theilnahme an der Bildung des Entoderms. Schon während des Auswachsens der häufig noch kugelför- migen Gastrula zur langovalen Planula zeigt das Entoderm am oralen Pol kleinere Zellen als am aboralen Pol. Stärkere Zelltheilung mit allmählicher Verminderung der Zell- und Kernvolumina nach dem oralen Pol hin scheint diese Diffe- renzirung der entodermalen Zellen herbeizuführen. 6) Nach Anheftung der Larve nimmt diese entodermale Zell- wucherung an Umfang zu. Das Prostoma geht in den defini- tiven Mund über, welcher in gleichmäßiger Weise von beiden Keimblättern umgrenzt wird. Schlundrohr und Magentaschen konnten nicht beobachtet werden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVL. Bd. 29 m Q ms Lu a 436 | W. Hein, 8. & 7) Die vier primären Tentakel entstehen gleichzeitig an der jungen Larve bald nach der Mundbildung. 8) An Entwicklungsstufen mit den vier primären Tentakeln zeigen sich in den oberen seitlichen Partien des Entoderms vier kleine längliche interradiale Einstülpungen, welche bald falten- förmig in den Gastralraum vorspringen und die Magenfalten liefern. Die Stützlamelle betheiligt sich an dieser Bildung. 9) Alternirend mit den interradialen Magenfalten kommen Magen- rinnen (perradial) zur Ausbildung, welche nicht als Neubildung eigener Art anzusprechen, sondern ursächlich durch die Magen- faltenentwieklung bedingt sind. 10) Vier interradiale ektodermale Einsenkungen des Peristoms liefern zapfenartige Zellstränge, welche sich bald in die Stütz- lamelle der Gastralfalten fortsetzen und hier peripher gelagerte Muskelfibrillen ausscheiden. Rostock, im December 1899. Litteraturverzeichnis, E. HAECKEL, Metagenesis und Hypogenesis von Aurelia aurita. Ein Beitrag zur Entwieklungsgeschichte und zur Teratologie der Medusen. Jena 1881. C. Craus, Denkschrift der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Wien 1878. »Studien über Polypen und Quallen der Adria.< C. CLAUS, Untersuchungen über die Organisation der Medusen. Prag und Leipzig 1883. C. Craus, Über die Entwicklung des Seyphostoma von Cotylorhiza, Aurelia und Chrysaora. Wien 1890. A. GOETTE, Entwicklungsgeschichte der Aurelia aurita und Cotylorhiza tuber- culata.. Hamburg und Leipzig 1887. A. GOETTE, CLAUS und die Entwicklung der Seyphomedusen. Leipzig 1891. FRANK SMITH, The Gastrulation of Aurelia flavidula. Bulletin of the Mu- seum of Comparative Zoology. At Harvard College. Vol. XXII. No. 2. Cambridge U. S. A. 1891. J. H. Hype, Entwicklungsgeschichte einiger Scyphomedusen. Diese Zeitschr. Bd. LVII. p. 531. | O0. u. R. HERTWwIG, Studien zur Blättertheorie. Die Actinien. Jena 1879. Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. 437 Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnungen: ALgym, Anlage des Längsmuskels; Lgm, Längsmuskel; B, Blastoeöl; „.. Mgf, Magenfalte; Bl, Blastoporus; Mgr, Magenrinne; BR, Reste des Blastocöls; O, Mund; Ce, Archenteron; Pb, Proboseis; ‚Cm, Centralmagen; Pb’, Anlage der Proboseis; Do, Dotter; Pr, Prostoma; Eec, Ektoderm; St, Stützlamelle; ‘ En, Entoderm; T, Tentakel; Fu, Fußscheibe; Ta, Anlage des Tentakels; Gr, Grenze zwischen Ekto- und Ento- 75, Basis des Tentakels; derm; Z, degenerirtes Zellmaterial; K, Kerne; Zo, Zoochlorellen. Tafel XXIV und XXV. Fig. 1. Medianer Schnitt durch eine Blastula. Eingewanderte Zellen. Z’, Kern in Wanderung begriffen. Vergr. 490. Fig. 2. Medianer Schnitt durch eine Blastula. Eingewanderte Zellen und deren Restbestände. Z’, Kern einer in der Wanderung weiter vorgeschrittenen Zelle. Vergr. 490. Fig. 3: Extrem vergrößertes Blastocoel mit auffallend großer Anhäufung von Dottermaterial in demselben. Vergr. 49. Fig. 4 Längsschnitt eines Invaginationsstadiums eines dotterärmeren Em- bryonen. Vergr. 4%. 3 Fig. 5. Querschnitt eines Invaginationsstadiums eines dotterärmeren Em- bryonen. Vergr. 49. Fig. 6 u. 7. Längsschnitte durch Invaginationsstadien dotterreicherer Em- bryonen. Vergr. 490. Fig. 8. Schiefer Schnitt durch eine Gastrula. Links die beginnende Auf- hellung des aboralen Pols schon andeutend. Extrem großes Anreiz mit fast kubischen Entodermzellen. Vergr. 490. Fig. 9. Querschnitt durch eine Gastrula mit auffallend kleinem Archenteron und großen Entodermzellen. Vergr. 490. | Fig. 10. Theil eines Querschnittes einer Gastrula. X, Dottermaterialreste. Vergr. 490. Fig. 11. Theil eines Querschnittes einer Gastrula. X’, eine aus dem Ento- dermverbande sich loslösende Zelle. Vergr. 490. Fig. 12. Querschnitt einer Planula. X”, degenerirtes Zellmaterial mit größeren und kleinen Chromatinkörnchen im Archenteron. Vergr. 490. Fig. 13. Längsschnitt durch den oralen Pol einer Planula. Vergr. 490. Fig. 14. Derselbe Längsschnitt. Vergr. 290. Fig. 15. Larve kurz nach der Anheftung. Längsschnitt. Vergr. 335. Fig. 16. Oraler Pol, stärker vergrößert. Vergr. 550. 295 438 W. Hein, Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita. Fig. 17. Larve ca. 11/, Tag nach der Anheftung. Entodermale Wucherung weiter vorgeschritten. Längsschnitt. Vergr. 335. Fig. 18. Oraler Pol, stärker vergrößert. Vergr. 550. Fig. 19. Larve, ca. drei Tage nach der Anheftung. Weiteres Stadium mit geöffnetem Mund. Anlage der Proboseis. Längsschnitt. Vergr. 335. Fig. 20. Längsschnitt durch ein Entwicklungsstadium, ca. fünf Tage nach der Anheftung. Links Anlage eines Tentakels angeschnitten. Vergr. 335. Fig. 21. Perradialer Längsschnitt durch ein etwas älteres Stadium. Links TFentakelbasis angeschnitten, rechts Tentakel median getroffen. Vergr. 335. Fig. 22. Gleichalteriges Stadium wie Fig. 21 mit ungewöhnlich starker Kontraktion. Längsschnitt. Vergr. 335. Fig. 23 u. 24. Interradiale Längsschnitte durch die Proboseis viertentake- liger Stadien, allmähliche Abflachung der Ektodermzellen des Peristoms. Vergr. 550. Fig. 25—28. Querschnitte durch ein viertentakeliges Seyphostoma. Vergr. 335. Fig. 25. Centralmagen unterhalb der Mitte getroffen. Fig. 26. Centralmagen oberhalb der Mitte getroffen. Anlage der Magen- falten und -Rinnen mit wulstförmiger Verdiekung der Stützlamelle. Fig. 27. Mundscheibe in tangentialer Richtung getroffen. Proboseis und Tentakelbasen durchschnitten. Fig. 28. Proboseis und Tentakel isolirt =etroffen. Fig. 29. Achtarmiges Scyphostoma, zwei primäre Tentakel aediän ge- troffen. Längsschnitt. Vergr. 335. Fig. 30. Älteres viertentakeliges Scyphostoma. Tentakelbasis angeschnit- ten. Furchenartige Einsenkung des Peristoms und Anlage des Längsmuskel- stranges. Vergr. 550. Fig. 31. Junges achttentakeliges Seyphostoma. Längsmuskelstrang weiter ausgebildet. Primärer Tentakel angeschnitten. Vergr. 335. Fig. 32. Querschnitt durch eine Magenfalte eines achttentakeligen Seypho- stoma. Längsmuskelstrang mit peripher gelagerten Muskelfibrillen. ZEıss, Apochr. Vergr. 830. Fig. 33. Zoochlorellen in den Zellen beider Keimblätter eines achttentake- ligen Seyphostoma. ZEISS, Apochr.. Vergr. 830. Fig. 33a. Zoochlorellen in karyokinetischer Kern- und Zelltheilung. Stärker vergrößert. Sämmtliche Zeichnungen sind nach Schnitten von 3 und 5 « mit der Ca- mera lucida (ZEISS) entworfen. Bau und Entwicklung des männlichen Begattungs- apparates der Honigbiene. Von Dr. med. et phil. Georg Michaelis (Berlin). (Aus dem zoologischen Institute der Universität Erlangen.) + Mit Tafel XXV1. Während der Stachel der weiblichen Honigbiene als ein Lieb- lingsobjekt des Studiums erscheint und durch eine große Zahl von Arbeiten wohl bekannt geworden ist, ward der Begattungsapparat der männlichen Honigbiene bisher recht stiefmütterlich behandelt. Neben der Schilderung in SwAMMERDAM’sS »Bibel der Natur«, welche durch mehrere für die damalige Zeit vortreffliche Abbildungen illu- strirt ist, kann eigentlich nur L£ox Durour’s Abhandlung »Recherches anatomiques et physiologiques sur les Orthopteres, les Hymenopteres et les Neuropteres« als wissenschaftliche Quellenschrift demjenigen genannt werden, welcher den Bau des Penis der Drohne, so weit er sich mit freiem Auge oder schwachen Vergrößerungslinsen ergründen lässt, kennen lernen will. Da nun der männliche Begattungsapparat des überall gezüchteten nützlichen Hausthieres durch seine eigenartige Form und Beschaffen- heit eine durchaus isolirte Stellung innerhalb der Ordnung der Hymenopteren einzunehmen scheint, habe ich versucht, die Lücken unserer Kenntnis auszufüllen und die Entwicklung desselben von der ersten Anlage bis zur völligen Chitinisirung theils präparatorisch, theils durch die Schnittmethode aufzuklären. Ich beginne sogleich damit, das Abdominalende des Drohnen- körpers zu schildern. Am Hinterleib der Drohne zählt man bei Lupenbetrachtung sieben Rücken- und sieben Bauchschuppen, allein damit sind die 440 “Georg Michaelis, wirklich vorhandenen Stücke des Hautskelettes nicht richtig bestimmt. Ihre Zahl ist größer, als es den Anschein hat. Das Studium einer sehr vollständigen Reihe von Entwicklungsstadien der Drohne hat mich auf die Fehler aufmerksam gemacht, welche unvermeidlich sind, sobald man nur an geschlechtsreifen Insekten die Stückzahl der Hautskeletttheile festzustellen sucht, denn der Körper aller Bienen, gleichgültig ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechtes sind, besteht während der Larvenzeit außer dem Kopfe aus 13 Segmenten. Alle scheiden auf ihrer einem verschieden großen Abschnitte eines Cylinder- oder Kegelmantels vergleichbaren Oberfläche einen Chitin- gürtel ab, welcher wenigstens in der Abdominalregion sich in je eine Rücken- und Bauchschuppe gliedert. Die drei vorderen durch den Besitz der Beine und Flügel ausgezeichneten Thorakalsegmente ver- wachsen mit dem vierten Körpersegmente zur großen Thoraxregion. Ihre Skelettanordnung bleibt außer Betracht. Die übrigen neun Seg- mente, also das fünfte bis dreizehnte Segment, bilden das Abdomen des geschlechtsreifen Thieres und entwickeln je eine chitinöse Rücken- und Bauchschuppe. In Folge dessen spricht man richtig, wenn man sagt, das Hinterleibsskelett einer Drohne besteht aus neun Rücken- und neun Bauchschuppen. Nur die ungleichmäßige Größenentfaltung, sowie die wechselnde Chitinabscheidung derselben ist der Grund, wesshalb man sie nicht auf den ersten Blick wahrnimmt. Ich will den fertigen Zustand als Ausgangspunkt meiner Schilde- rung wählen. I. Beschreibung des genitalen Hautskelettes der Drohne. Das plumpwalzige Abdomen der Drohne unterscheidet sich auf den ersten Blick von dem spitz zulaufenden Hinterleib der Königin und Arbeitsbiene durch die Eigenthümlichkeit, dass es anal stumpf abgerundet ist und dass eine kleine ventrale Zone um den After etwas vorgewölbt wie ein Höckerchen an dem rundlichen Ende des Abdomens hängt. Sieben breite Rückenschuppen, kräftig nach der Ventralfläche abgekrümmt und mit deutlichen Stigmen versehen, gürten den größten Theil des Hinterleibes und lassen die Bauchschuppen auf einer verhältnismäßig beschränkten Fläche freiliegen. Die letzte, direkt als siebente gezählte Rückenschuppe bildet den dorsal-analen Abschluss und überschirmt das Aftersegment. Ventral sind sechs Bauchschuppen bei Lupenbetrachtung zu sehen, als langgezogene ungefähr rechteckige Chitinplatten, welehe in oro-analer Richtung Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 441 schmal, aber lateral breit entwickelt sind. Am hinteren Rande der letzten Bauchschuppe liegt die männliche Geschlechtsöffnung. Das ist kurz geschildert der Befund, wie er bei wenig eindrin- sender Untersuchung sich ergiebt. Anders stellt sich das Resultat, wenn man durch vorsichtige Behandlung mit Kalilauge das Abdomi- nalskelett isolirt und mit schwachen Mikroskoplinsen betrachtet; dann fallen mehrere, von den früheren Untersuchern ungenügend gewürdigte Chitinstücke auf. Zunächst unter der hintersten sichtbaren Rücken- schuppe das Aftersegment. Dasselbe ist so schwach chitinisirt und wird von der letzten freien Rückenschuppe so sehr überschirmt, dass es bei der Betrachtung des lebenden oder eines unversehrten toten Thieres als Segment überhaupt nicht auffällt. Trotzdem besitzt es eine zarte Bauchschuppe von ungefähr ovaler Gestalt, seine Rückenschuppe ist eine zarte Chitinhaut, deren lateraler Rand etwas verstärkt ist und desshalb wie ein schwacher Saum in die Augen fällt, während die zwischen ihnen ausgespannte eigentliche Rückenschuppe in Folge ihrer Zartheit leicht übersehen wird. Die scheinbar letzte Schuppe der ventralen Reihe (Fig. 2), welche nicht wie bei der Königin mit herzförmiger analer Spitze ausläuft, sondern durch einen queren analen Rand begrenzt wird, erweist sich unter dem Mikroskop als ein aus acht Stücken bestehender Komplex (Fig. 2), den ich Genital- schild nennen will, um den speeifischen morphologischen Werth derselben auch durch den Namen zu charakterisiren. Er hat ungefähr fünfeckigen Umriss, sein oraler Grenzrand läuft quer zur Längsachse und ziemlich parallel dem oralen Rande der vorhergehenden Bauch- schuppe. Die Chitinisirung dieses Komplexes entbehrt der Gleich- mäßigkeit und deutet dadurch an, dass die letzte ventrale Deckplatte aus mehreren ursprünglich getrennten Stücken verschmolzen ist. Die orale Region des Komplexes besteht aus einer dieken Chitinlage, während im analen Bezirke das Chitin zarter, weich und weniger dunkel gefärbt erscheint. Desshalb lassen sich deutlich acht Regionen unterscheiden. Zuvörderst, d. h. oral eine dunkel chitinisirte länglich ' rechteckige Zone mit einem dicken präsegmentalen Rande und ge- raden, oral vorspringenden Präsegmentalhöckern (Fig. 2 Xv). Sie ist als die zehnte Bauchschuppe zu deuten. An den analen Rand derselben stoßen drei Stücke, ein mediales und zwei symmetrische laterale. Die mediale Zone (Fig. 2 XIIlv) ist zwar ziemlich breit und wenig gekrümmt, aber sie reicht doch nicht mehr so weit lateral als die zehnte Ventralschuppe selbst, denn ihr schmiegen sich lateral zwei dreieckige Chitinfelder (Fig. 2 X/v) an und hemmen so die 442 Georg. Michadlis, Breitenausdehnung. Die eben beschriebenen Stücke sind nichts Anderes, als die schwach entwickelten Bauchschuppen des elften und zwölften Segmentes, welche sowohl unter einander, wie mit der analen Randzone des zehnten Segmentes verschmelzen. Dass die beiden durch eine ganz schmale mediale Zone verknüpften dreieckigen Stücke mit Fug und Recht als Theile der elften Bauchschuppe in Anspruch ge- nommen werden, geht unzweifelhaft aus dem Besitze von zwei unter- halb der zwölften Bauchschuppe liegenden langen eylindrischen Chitinfortsätzen (Fig. 2, f) hervor, deren Werth als präsegmentale Höcker bei der Betrachtung von der Dorsalseite nicht verkannt werden kann. Aus dieser Darstellung erhellen die von früheren Untersuchern begangenen Fehler. Es ist in Zukunft nicht mehr zulässig, die Zahl von sieben Abdominalringen als typisch für die Drohne anzu- seben, da diese Angabe nur die Folge einer oberflächlichen Be- trachtung ist. Der hintersten zwölften Bauchschuppe des Genital- schildes sitzen zwei Paare kleiner, etwas gekrümmter Chitinplatten auf: ein größeres mediales und ein kleineres laterales Paar; sie stehen ventral der männlichen Geschlechtsöffnung an. Von ihnen fallen zunächst auf die mittleren Glieder: zwei bilateral symmetrische, rundlich dreiseitige Chitinplättchen (Fig. 2 Dp), welche einen schmalen nicht sehr langen Längsspalt umgrenzen und sich ungefähr in der Wölbung je eines Kugeloktanten dorsalwärts krümmen. So ver- decken sie die weite Mündung des Penisschlauches an der ventralen Bauchhaut und dürfen wohl als Deckplatten bezeichnet werden. Lateral von den Deckplatten liegen zwei ziemlich kleine, in schwachem Bogen gekrümmte Chitinstücke (Fig. 2 Ds), welche ich Deck- schuppen nennen will. Sie sind stärker chitinisirt als die Deck- platten, begrenzen den seitlichen Rand der Geschlechtsöffnung und stoßen dorsal an zwei sehr stark chitinisirte dunkelbraune Chitin- stücke, deren sonderbare, einem Spitzhammer vielleicht vergleichbare Gestalt (Fig. 2 XIId) die Figur besser als die Beschreibung erläutert. Da letztere seitlich und etwas oral vom Aftersegmente dorsalwärts emporragen, von der elften Rückenschuppe überdeckt und selbst durch eine zarte dorsale Chitinhaut vereint werden, sind sie als die stark chitinisirten lateralen Zonen der schwach entwickelten zwölften - Rückenschuppe zu deuten. Deckplatten und Deckschuppen sind durch weiche Gelenkhäute mit der zwölften Bauchschuppe vereinigt und stellen desshalb be- sondere, bewegliche Anhänge derselben dar, welche entwicklungs- Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene 443 geschichtlich als Zapfen entstehen. Sie sind also die wirklichen, von dem Genitalschilde der Bauchschuppenreihe getragenen männlichen Geschlechtsanhänge der Drohne, welche dem Kopulationsapparate der übrigen Hymenopteren zu vergleichen sind. Der Eingang in die Penishöhle ist von ihnen verdeckt und wird erst sichtbar, nachdem ein minutiöses Wattepfröpfehen hinter den Deckplatten und ventral vom Aftersegmente eingeschoben wurde. Im Ruhezustande erscheint er als ein schmaler medianer und ventro- dorsal schräg gerichteter Längsspalt, der ventral vom After gelegen, von den Deckplatten und Deckschuppen ventral und lateral um- randet wird. Er ist jedoch einer außerordentlich starken Erweite- rung fähig, weil das Penisrohr dort ausgestülpt werden muss. Il. Das Kopulationsrohr. Der innere Geschlechtsapparat der Drohne erstreckt sich durch den ganzen Hinterleib des Thieres. Nach der Funktion des Organs sind zwei Abtheilungen desselben aus einander zu halten: zunächst die Stätte der Spermabereitung und die Ausführgänge: die paarigen Vasa deferentia, dann der unpaarige eigentliche Begattungsapparat, der die Überleitung des Spermas in die Vagina der Königin ver- mittel. Demnach sind zu unterscheiden: Hoden, Vasa deferentia, Anhangsdrüsen und Kopulationsrohr. — Den letzteren Namen schlage ich vor, um dadurch in der Nomenklatur den Gegensatz be- stimmt auszusprechen, welcher zwischen der Honigbiene und anderen Hymenopteren besteht. Bei letzteren sind die Begattungswerkzeuge äußere Anhänge des Körpers, die aus mehreren Theilen bestehen und so gelagert sind, dass ein dorsaler Chitinzapfen, vom Ductus ejacu- latorius durchbohrt, den Penis kildet, während zangenartige An- hänge ihn lateral und medial umgeben. Bei der Honigbiene aber werden die kleinen, den Genitalspalt umrandenden Chitinplättchen, die Deckplatten und die Deckschuppen nicht als Haltewerkzeuge für die Kohabitation verwendet. Dafür wird das erweiterte Endstück des Duetus ejaculatorius als sogenannter Penis ausgestülpt. Es ist dess- halb nicht angängig, die zwar gleichen Zwecken dienenden, aber so verschieden geformten und gelagerten Begattungswerkzeuge im Hyme- nopterenstamme mit gleichen Namen zu belegen. Die Hoden sind nierenförmige Gebilde von 2—3 mm Durch- messer und 4,5—5 mm Länge. Sie liegen unterhalb der Dorsalwand des Abdomens so dicht an einander, dass ihre medianen Flächen zusammenstoßen. Ihr Vorderrand steht an der oralen Grenze des 444 : | Georg Michadlis, Abdomens. Die strahlenförmig angeordneten Samenkanälchen sind von einer dünnen Bindegewebsmembran umgeben; sie münden alle in ein im Inneren liegendes epitheliales Becken (Reservoir), welches als Endstück des Samenleiters betrachtet werden muss und direkt in das Vas deferens übergeht. Dasselbe zieht mit gewundenem Ver- laufe innerhalb des Hodens und bildet auch nach seinem Austritt, weleher unterhalb der Mitte des Hodens liegt, einen aus mehreren dicht an einander gedrängten Windungen bestehenden Knäuel. Dann erweitern sich die Vasa deferentia zu länglichen Schläuchen von 3 mm Länge und ca. 1 mm Dicke, den Samenblasen — Vesiculae seminales (Fig. 1 85) — und treten wieder verengt in den unteren Theil der Anhangsdrüsen — Glandulae mucosae — (Fig. 1 A). Letz- tere bestehen aus zwei gabelförmig aus einander gehenden, an der Basis vereinigten secernirenden Schläuchen, welche sich dorsalwärts bis etwas über die Austrittsstelle der Vasa deferentia an den Hoden in einer Länge von ca. 4 mm ausdehnen. Ihr Durchmesser beträgt an ihrem vordersten Theile I mm, an der breitesten Stelle 1,5 mm, an der Vereinigungsstelle ca. 0,75 mm. Der zweite Haupttheil des Geschlechtsapparates ist das im Ruhe- zustande zwischen den beiden Anhangsdrüsen in der Abdominalhöhle liegende Kopulationsrohr (Fig. 1), welches durch den 5 mm langen aber engen Ductus ejaculatorius mit dem Vas deferens und den An- hangsdrüsen in Verbindung steht. Das Begattungsrohr ist ein mehr fach eingeschnürter mit drei Anhängen versehener epithelialer und ganz chitinös tapezirter Schlauch, dessen orales Kuppelende als eine bulbusartige Erweiterung (Fig. 1 3) — Peniszwiebel nach LEUCKART, bulbe de la gaine copulatrice nach L&on Durour, auffällt und in der Leibeshöhle asymmetrisch nach links verschoben liegt. Der Ductus ejaculatorius tritt von unten und links in der Medianebene an die Spitze des Bulbus heran, er biegt desshalb von der Vereini- gungsstelle der Vasa deferentia mit den Anhangsdrüsen in einer Doppelkrümmung zunächst ventralwärts unter den Bulbus durch und dann nach rechts ab. Die Chitintapete des Bulbus ist durch vier dorsale diekere Chitinzonen: zwei mediane lange Platten (Fig. 1 PP), welche Durour den branches du forceps copulateur der übrigen Hymenopteren vergleicht und zwei laterale kleinere dreiseitige Platten (Fig. 1 P,), welche nach Durour der Volsella von Bombus entsprechen sollen, versteift. Der größte Durchmesser des Bulbus beträgt 2 mm, seine Länge ca. 2,5 mm. Parallel der nach links gelegenen Konvexi- tät des Bulbus hängt an der dorsalen Wand analwärts eine gefiederte Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 445 seitliche Ausstülpung (Fig. 1 9). — Borsoufloure laterale de la gaine copulatrice nach Durour und an der ventralen Wand ein scheinbar spiralig gewundener und dunkler gefärbter Streifen (Fig. 1 Sp), der über einer Länge von 1,75—2 mm hinzieht und vier bis fünf durch starken Borstenbesatz ausgezeichnete rechteckige kleine Feldchen aufweist. LEON Durour hat denselben verge oder penis genannt. Er stößt analwärts an eine oblonge, mit Borsten besetzte Chitinplatte (Fig. 1 ») — Rautenplatte — von 1 mm Durchmesser, welche die ventrale Wand des Schlauches in seiner ganzen Breite auf eine Strecke von ca. 2? mm einnimmt. Dorsal ist das Begattungsrohr von einer kleinen intensiver gefärbten und gleichfalls stark behaarten dreieckigen Chitinplatte (Fig. 1 d) gestützt, deren 0,5 mm breite etwas konvexe Basis dem Abdominalende zugekehrt ist, und deren Höhe 1 mm beträgt. Seitlich und etwas unterhalb der letztgenannten Platte und dorsal über der Rautenplatte buchtet das Kopulationsrohr zwei längere, dünnwandige, spitz konische Blindsäcke (Fig. 1 7) — Hörn- chen — Pneumophyses oder vessies a&roferes nach DuFour aus, die mehrfach gewunden ihre Spitzen dorsalwärts richten. Der Mün- dungstheil des Begattungsrohres ist im Gegensatze zu dem oralen Ab- schnitt stark erweitert und während der geschlechtlichen Ruhe in viel- fache unregelmäßige Falten gelegt. Er geht ohne scharfe Grenze in die stärker chitinisirten Stücke der die männliche Geschlechtsöffnung ventral und lateral umfassenden Deckplatten und Deckschuppen über. Nur dorsal unterhalb des Aftersegmentes wird der schmale Rand der Genitalspalte von einer ganz weichen und desshalb nicht so leicht bemerkbaren Chitinmembran gebildet. Der dorsale Spaltenrand stößt nicht direkt an den präsegmentalen Rand der analen Bauchschuppe, sondern wird durch eine schmale Zone der Körperwand von dem- selben getrennt. Diese Zone kann der analen Randzone der übrigen Bauchschuppen verglichen werden. Sie chitinisirt ansehnlich, bleibt jedech immer nachgiebig und biegsam. Das lässt sich leicht be- greifen, weil bei der Ausstülpung des Kopulationsrohres die dorsale Randzone stark gedehnt wird. Ill. Entwicklung des Kopulationsapparates. Ehe ich die Resultate der ontogenetischen Untersuchung zu- sammenfasse, will ich kurz bemerken, dass sich die Behandlung der Untersuchungsobjekte nicht von den bekannten Methoden unterschied. Die Larven und Puppen wurden frisch aus dem Stock heraus- genommen und sofort in kochendem Wasser getödtet. Nach stufen- 446 | Georg Michaelis, weiser Entwässerung durch 35, 50 und 70°/,igen Alkohol und Ent- fettung durch Äther erfolgte die Färbung mit 70°/,iger salzsaurer Karminlösung. Da sich das tägliche Wachsthum der Larven von Witterung und Fütterung sehr abhängig erwies, wurde die Eintheilung des dem Stocke entnommenen Materials nach den Größenverhältnissen vor- genommen. Bei Abmessung der Länge zwischen Kopfende und After blieb die Krümmung der Larve unberücksichtigt; als weitere Bestimmungsmarke wurde der größte Durchmesser genommen. Bei den Puppen gaben Intensität der Pigmentirung und Chitinisirung ein bequemes Kennzeichen ab. Das Ei wird von der Königin senkrecht zum Boden der Zelle abgelegt; am dritten Tage schlüpft aus ihm die Larve hervor. An derselben sind bei genügender Vergrößerung Kopf- und Bauchende zu unterscheiden. Der sackförmige Körper besteht außer dem Kopf aus dreizehn Segmenten, welche durch flache: ringförmige Furchen von einander getrennt sind. Das vorletzte, zwölfte Segment trägt die erste Anlage des männlichen Geschlechtsapparates. Eine eingehende Untersuchung der verschiedenen Entwicklungs- stadien ergab folgende Resultate. Stadium I: Larve schwach gekrümmt, daher gegenüber dem fol- senden Stadium eine Länge von 2,5 mm, Querdurchmesser 1 mm. Geschlechtsanlage noch nicht erkennbar. Stadium II: Larve fast kreisförmig gekrümmt. Länge 1,5 mm Querdurchmesser 2 mm. An der hinteren Grenze des zwölften Segmentes senkt sich eine Ektodermtasche — Genitaltasche — schräg in die Tiefe; ihre vordere, oralwärts konkav gekrümmte Wand zeigt zwei symmetrische, scheibenförmige Zonen, an welchen das Ektodermepithel stark wuchert. Dieselben stoßen median in einem kleinen, schmalen Epithelwulste zusammen. Die vordere Wand der Genitaltasche stößt an zwei kurze, hohle Epithelschläuche, die schräg divergirend in die Leibeshöhle einragen und die Anlage der Vasa deferentia darstellen, die sich schon früher vom Ektoderm der Larvenhaut abgeschnürt haben. Die Tiefe der Grube beträgt 0,077 mm, die Länge der ganzen Anlage von hinten nach vorn 0,165 mm. Stadium III: Länge der Larve 2,5 mm, Durchmesser 3 mm. Die Genitaltasche der Bauchwand hat sich erweitert und zugleich vertieft; ihre mediane Achse ist gegen die ventrale Körperwand schräg dor- sal- und oralwärts geneigt. Die Öffnung an der ventralen Haut- Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 447 oberfläche ist enger geworden; an ihrer seitlichen Wandung finden sich die beiden symmetrischen verdickten Ektodermscheiben. Sie sind etwas größer geworden, haben sich schräger gegen einander geneigt, nehmen jetzt den größten Theil der seitlichen Taschenwand ein und konvergiren gegen den tiefsten Taschengrund. Sie stoßen jedoch median nicht zusammen, sondern lassen einen schmalen, rinnen- förmigen Abschnitt des Taschenlumens zwischen einander bestehen. Der so entstandene, nur nach hinten geöffnete Spaltraum hat ein herzförmiges Lumen; er stellt den Eingang des späteren Kopulations- schlauches dar. Zu beiden Seiten dieses Schlauches und zwar an dessen unterem Ende, stehen die schon im Stadium II erwähnten, hohlen Röhrchen an, welche ebenfalls vergrößert sind und in solide, am apiealen Ende dünner werdende Zellstränge auslaufen. Sie reprä- sentiren die erste Anlage der Anhangsdrüsen und der Vasa deferentia. Die Länge der Anlage ist von 0,165 mm auf 0,240 mm gestiegen. Stadium IV: Länge 3 mm, Durchmesser 3,5 mm. Die Unter- suchung dieser etwas älteren Larve ließ keinen Fortschritt in der Ausbildung der Genitaltasche erkennen. Dieselbe bleibt also etliche Zeit in ihrer Entwicklung stehen, um bei einer Larve — Sta- dium V — von 5 mm Länge, 5 mm Durchmesser weiter zu wachsen (Fig. 3). Die Tasche ist oralwärts in die Länge gestreckt und hat sich allseitig, besonders an ihrer dorsal-analen Region zu einem größeren Sack erweitert, dessen Epithelwand dünn und zart bleibt, mit Ausnahme der seitlichen Zonen, welche bereits in früheren Stadien stärker verdickt waren. Die Länge der Tasche, welche 0,945 mm vom After beginnt, beträgt 0,375 mm; sie ragt also schon ein beträchtliches Stück in den Larvenkörper ein. Ihre Mündung an der ventralen Körperwand ist jedoch ziemlich eng. Die verdickten Seitenwände wulsten sich stärker in das Lumen der Genitaltasche vor und bilden dadurch zwei laterale, ungefähr dreiseitige, von Meso- derm bereits unterlegte Zapfen, welche gegen das hintere Ende der Tasche schmal zulaufen und sich sogar von der Wand ganz eman- eipirend mit einem stumpf abgerundeten Ende frei ins Lumen ragen. Ihre freie Spitze liegt dicht unter der Hautöffnung der Genital- tasche. Gegen den blinden Grund der Tasche, d. h. oralwärts, ver- streichen die Zapfen und laufen als niedrige aber breite Wülste aus. Die medialen Flächen beider Zapfen sind einander fast parallel ge- richtet und so stark genähert, dass zwischen ihnen nur ein ganz schmales Spaltlumen bleibt und die ganze Genitaltasche auf dem Querschnitte einen doppelt T-förmigen Kontour zeigt. In einer Ent- 448 Georg Michaelis, fernung von 0,180 mm vom vorderen Endrand der Tasche liegen den konvex verdickten Seitenwänden derselben die blinden Hinterenden der beiden hohlen Röhrchen an, welche eine Strecke weit längs der oral vorwachsenden Genitaltasche streichen und nur wenig über das orale Vorderende der letzteren hinausragen. Das hintere Blindende beider zeigt kreisförmigen Querschnitt,” weiter nach vorn aber ist das ursprünglich einfache Rohrlumen in zwei scharf gesonderte über einander liegende Hohlräume, einen engen dorsalen und einen weiteren ventralen Gang getrennt, indem etwa an dem Beginn des zweiten Drittels ihrer Gesammtlänge eine schmale Längsfalte der lateralen Epithelwand in das Lumen vorspringt und allmählich zur Scheidewand desselben wird. Von den so entstandenen Kanälen werden die mehr dorsalwärts gelegenen engen Röhrchen zu Anhangs- drüsen, aus den weiten ventralen, seitlich fadenförmig ausgezogenen entstehen die Vasa deferentia. Die Länge der eben beschriebenen Anlage beträgt '0,225 mm, der Durchmesser des noch ungetheilten Rohres 0,180 mm. Die Länge der Gesammtanlage ist von 0,240 mm auf 0,420 mm gestiegen. Stadium VI: Durchmesser 5 mm, Länge 7 mm. Trotz des Längenwachsthums der Larve ruht das Wachsthum der Genitaltasche und schreitet erst im nächstfolgenden Stadium zu weiterer Modellirung. Stadium VII: Durchmesser 6 mm, Länge der Larve 8 mm. Die Genitaltasche hat sich noch mehr erweitert und zwar lateralwärts, so dass sie jetzt breiter erscheint. Außerdem ist sie oralwärts vor- gedrungen, jedoch nicht breit sackförmig, sondern mit einem schmalen medianen Fortsatze. Auch ihre Öffnung an der Bauchfläche des - zwölften Segmentes ist größer geworden. Die beiden Zapfen liegen der Seitenwand an, im vorderen Theil der Tasche, welcher zugleich ihren tiefsten Grund bildet, nur als verhältnismäßig schwache Epithel- platten, nach hinten immer stärker in das Lumen einspringend, ge- winnen sie die Gestalt von konischen Wülsten, deren abgerundetes Ende ganz frei in das Taschenlumen schaut. Sie sind 0,339 mm hoch und haben an ihrer Basis einen Durchmesser von 0,307 mm. In der vorhin beschriebenen Weise 0,255 mm von der Höhe der Zäpfchen entfernt liegt die paarige Anlage der Anhangsdrüsen und der Vasa deferentia der Seitenwand der Zapfen innig an; ihre Ge- sammtlänge beträgt 0,435 mm. Die soliden Ausläufer der dorsalen paarigen Röhren beginnen hohl zu werden und schräg nach vorn und aufwärts zu wachsen. Die Länge der Gesammtanlage ist von 0,420 mm auf 0,690 mm gestiegen, die Breite beträgt 0,630 mm. Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 449 Stadium VIII: Länge der Larve 10 mm, Durchmesser 6 mm. Die Geräumigkeit der Tasche hat sich noch gesteigert und ihre Haut- öffnung stellt jetzt ein weites Loch dar, mit anderen Worten, die Tasche beginnt zu verstreichen und die bisher in ihr verborgenen Zapfen kommen dadurch auf die ventrale Hautfläche des Larven- körpers zu liegen. Die Zäpfehen sind im Allgemeinen wenig vergrößert, ihre freien Spitzen stehen im Niveau des Taschenrandes, während der größere Abschnitt der Zapfen an den beiden Seitenwänden der Tasche stark in das Lumen vorgewölbt ist. Dadurch wird der dorsale Boden der Tasche oralwärts zu einem schmalen vertikal stehenden Spalt ein- geengt. Als neue Differenzirung tritt eine kurze cylindrische me- diane Ausbuchtung am oralen Bezirk der Tasche zwischen der Basis der beiden Zapfen auf, welche in dem Larvenkörper zwischen die epithelialen Rohrarlagen der Vasa deferentia und Anhangsdrüsen als Kopulationsrohr vorwächst. Breite desselben 0,200 mm, Höhe 0,390 mm. Breite des noch ungetheilten Hohlraumes der Vasa defe- rentia und Anhangsdrüsen — 0,230 mm, Durchmesser der Anhangs- drüsen 0,139 mm, der Vasa deferentia 0,075 mm. Stadium IX: Länge 12 mm, Durchmesser 6 mm (Fig. 4). Die Larve beginnt sich zu verpuppen. Man erkennt unter der Oberhaut deutlich das Kopfsegment, eben so auf der Ventralseite der vordersten Segmente die Anlage der Extremitäten. Die nun vorliegenden Ver- änderungen sind gegenüber den früheren Stadien ausgesprochener. Die Öffnung der Tasche ist noch breiter geworden, und die tiefe Einsenkung allmählich zu einer flachen Nische verstrichen, so dass die Zapfen jetzt freier zu Tage liegen und ihre Endspitzen ein klein wenig über die ventrale Körperfläche vorspringen. Die Zapfen (Fig. 4) haben an Volumen zugenommen und eine ungefähr sichel- förmige Gestalt gewonnen. Durch eine seichte Furche wird ihre laterale und vordere Randzone abgegliedert. So entstehen durch Verdickung und Hervorwölbung der Epidermis zwei neue Zäpf- chen. Wir können also jetzt zwei mediane innere (Fig. 4) und zwei laterale äußere symmetrische Zäpfehen unterscheiden und ohne ' Schwierigkeit das mediale Paar als Anlage der Deckplatten, das kleinere laterale Paar: als Anlage der Deckschuppen deuten. Die medianen Ränder der medialen Zäpfehen vereinen sich nahe der Basis. Von dieser Stelle aus springt der oben erwähnte mediale, hohleylindrische Fortsatz der Genitaltasche, das Kopulationsrohr deutlich abgegrenzt in die Leibeshöhle ein und schiebt sich median 450 ” Georg Michaälis, zwischen die paarigen Anlagen der Ausführungsgänge vorwärts; seine Länge beträgt 0,150 mm, sein Durchmesser 0,200 mm, die Dicke der Wandungen durchschnittlich 0,07 mm. Die Länge der Gesammtanlage ist von 0,690 mm auf 0,810 mm gestiegen, die Breite von 0,723 mm auf 0,907. Die Anlagen der Ausführungsgänge finden sich jetzt nicht mehr an der oralen Zone der Zapfenwülste, da sie oralwärts tiefer in den Körper verlagert wurden. Besonders bedeutend gewachsen sind die Anhangsdrüsen und Vasa deferentia, auch der Unterschied der Formen derselben tritt nun sehr klar her- vor. Erstere erscheinen als weite Schläuche, während die dorsalen Vasa deferentia ein enges Lumen aufweisen und ihr vorderes dorsal aufgekrümmtes Ende zu einem sehr feinen Hohlfaden ausziehen. Die Länge der Anhangsdrüsen und Vasa deferentia von hinten nach vorn beträgt je 0,375 mm. Das Lumen der ersteren hat in seiner srößten Ausdehnung einen Durchmesser von 0,370 mm, dasjenige der Vasa deferentia von 0,169 mm; beide endigen blind. Stadium X (Fig. 5): Länge 15 mm; Durchmesser 6,5 mm. Die Genitaltasche ist weiter, die Zäpfchen sind größer geworden. Länge des Kopulationsrohres dieselbe wie bei Stadium IX. Breite von 0,907 mm auf 0,938 mm gestiegen. Wiederum zeichnen sich die Anhangsdrüsen und die Vasa deferentia durch starkes Wachsthum aus. Erstere haben eine Länge von 0,450 mm, die Vasa deferentia sind von 0,370 mm auf 0,600 mm vergrößert. Das Lumen der Anhangsdrüsen hat einen Durchmesser von 0,373 mm, das der Vasa deferentia von 0,172 mm. Stadium XI: Die Puppe hat sich fast gerade gestreckt; durch die Oberhaut ist zu erkennen, dass Thorax und Abdomen sich vom Kopfe abzusetzen beginnen. Die Anhänge des Kopfes und die Beine sind deutlich entwickelt. Die größer gewordenen Deckplatten liegen jetzt auf der Oberfläche, da die Genitaltasche ganz verflacht ist. Das dreizehnte Segment hat sich fast ganz unter das zwölfte zurück- gezogen; das zwölfte und das elfte verkürzen sich nur auf der Ven- tralseite. Die Deckplatten bilden nun unterhalb des Aftersegmentes einen kleinen, vorspringenden Hügel und verdecken den Eingang in das Kopulationsrohr. Dasselbe erscheint als enger dorsal gerichteter Epithelschlauch, der nur von schwachen mesodermalen Tagen um- geben ist, während Anhangsdrüsen und Vasa deferentia von dicken Mesodermhüllen umschlossen werden. Seine Epithelwand ist im Verhältnis zum Lumen sehr diek. Die Innenfläche seiner Höhle ist nicht glatt, sondern durch vier Längswülste etwas gebuchtet, so dass Bau und Entwiekl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 451 der Querschnitt vierkantig erscheint. Das orale Blindende treibt zwei kleine laterale Blindsäckehen gegen den gemeinsamen End- abschnitt der Vasa deferentia und Anhangsdrüsen. Die Dicke der Wandung ist durchschnittlich 0,107 mm, der vertikale Durchmesser des Lumens 0,307 mm, der horizontale 0,072 mm. Die Länge des Kopulationsrohres ist von 0,150 mm auf 0,390 mm gestiegen, hat sich also mehr als verdoppelt. Anhangsdrüsen und Vasa deferentia besitzen auf eine kurze Strecke von 0,105 mm beiderseits einen gemeinsamen Abschnitt mit einfachem Lumen, dessen mediale Wand durch je eine der paari- sen kleinen Blindausstülpungen des oralen Endes des Kopulations- rohres eingedellt wird. Jenseits desselben vergrößert sich das Lumen der Anhangsdrüsen beträchtlich und wird eiförmig. Der vertikale Durchmesser derselben beträgt 0,537 mm, der horizontale 0,184 mm, die Länge 0,475 mm. Die Vasa deferentia sind stark gewachsen und dringen bis zum Hoden vor, ihr Lumen wird dabei immer kleiner und ist an ihrem Endpunkt fast geschwunden; sie erreichen die Länge von 1,755 mm. Stadium XII: Die Abschnürung des Thorax und des Abdomen ist fortgeschritten. Die oberflächlichen Formen der Genitalspalte haben keine Veränderung erfahren, eben so wenig andere Abschnitte. Nur das Kopulationsrohr (Fig. 6), welches noch nicht mit den Anhangs- drüsen und den Vasa deferentia in Verbindung steht, sondern nur in die vorhin erwähnten paarigen kurzen und blinden Ausstülpungen ausläuft, ist bedeutend von 0,390 mm auf 0,765 mm, beinahe um das Doppelte, in die Länge gewachsen; sein Lumen wird allmählich kreis- rund. Die Länge der Anhangsdrüsen ist von 0,475 mm auf 1,260 mm gestiegen. Stadium XII: Die Umwandlung der Larve in die Puppe ist vollendet, Abdomen und Thorax sind deutlich und tief abgeschnürt, Facettenaugen erkennbar, doch völlig farblos. Die Ringe des Ab- domens beginnen sich dachziegelartig über einander zu schieben und - sich in Rücken- und Bauchschuppen zu theilen. Dieses Stadium zeich- net sich durch ein sehr schnelles Wachsthum aus; bei ihm ist nun- mehr die Anlage des vollständigen Geschlechtsapparates vorhanden. Die Zapfen springen stark ventral vor. Das Kopulationsrohr hat in seiner ganzen Länge ein fast kreisrundes Lumen mit dem gleichen Durchmesser von 0,338 mm, seine Länge hat sich mehr als verdrei- facht, indem sie von 0,765 mm auf 2,370 mm gestiegen ist. Die ventrale und laterale Wand des Rohres zeigt hohe Cylinderzellen, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Ba. 30 459 \ Georg Michaelis, die dorsale niedere kubische Zellen. 0,150 mm von der Hautöffnung des Kopulationsrohres werden die Hörnchen angelegt, indem an symmetrischen Stellen der dorsalen Wand des Rohres zwei schräg dorsal gerichtete Blindsäcke von 0,353 mm Länge gebildet werden. Von dieser Stelle zieht der Kopulationsschlauch als verhältnismäßig enges Epithelrohr oralwärts in der Medianebene. Da sein Lumen etwas weiter wird, kann man in einer nur geringgradig aufgeblähten Zone nahe der vorderen Kuppel des Schlauches die erste Andeu- tung der Peniszwiebel erkennen. Das obere Ende des in früheren Stadien blindgeschlossenen Schlauches, welches die beiden kurzen seitlichen Ausstülpungen gegen das gemeinsame Endstück der An- hangsdrüsen und Vasa deferentia ausgebuchtet hatte, ist als ein enger eylindrischer Epithelkanal herausgewachsen, als Anlage des Ductus ejaculatorius, der die Verbindung zwischen Kopulationsrohr, den Vasa deferentia und den Anhangsdrüsen herstellt; der Duetus, wel- cher beim fertigen Imago links asymmetrisch oralwärts emporsteigt, nimmt hier noch einen völlig ungekrümmten Verlauf in der Median- ebene des Abdomens. Durch die mächtige Entwicklung des Kopu- lationsrohres sind die Anhangsdrüsen und die Vasa deferentia tiefer in der Leibeshöhle nach oraler Richtung vorgeschoben worden. Sie liegen 0,461 mm dorsalwärts und 1,350 mm von dessen Ende ent- fernt und bilden an ihrer Vereinigungsstelle einen Hohlraum von 1,169 mm lichter Weite. Die Anhangsdrüsen sind 1,410 mm lang geworden. Die Lumina der Vasa deferentia haben sich stark ver- srößert; ihre Länge ist nicht mehr genau zu messen, da ihr orales Ende gegen die Hoden hin stark geschlängelt verläuft. Stadium XIV: Facettenaugen schwach röthlich gefärbt. Die Zäpfehen ragen nur noch wenig hervor, als niedrige breite Platten die Mündung des Kopulationsrohres lateral umgreifend. Länge des Rohres 2,490 mm. Dasselbe, das an der Mündung eine rundliche, dorsal geöffnete Halbrinne darstellt, verändert in ganz kurzer Ent- fernung von der Hautöffnung sein Lumen, so dass der Querschnitt dreieckig erscheint, die Basis des Dreiecks dorsal, die Spitze ventral gerichtet. An der dorsalen Wand erhebt sich eine schmale, außer- ordentlich kurze mediane Falte, hinter derselben folgen die Seiten- hörner (Fig. 7) als ganz kurze epitheliale Blindsäckchen. Ihrer Mün- dung gegenüber entsteht an der ventralen Schmalkante des Kopu- lationsrohres eine kleine seichte rinnenförmige Ausbuchtung. Hinter den Hörnchen ist das Penislumen rund und eng und erweitert sich erst in der Bulbusregion mächtig. Auch das anale Endstück des Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 453 Duetus ejaeulatorius ist weiter und diekwandiger geworden. Der Ductus selbst bildet eine links von der Medianebene gelegene Schleife, deren Krümmung analwärts schaut. Seine Länge beträgt 1,125 mm. Die Anhangsdrüsen haben eine Länge von 1,470 mm erreicht. Stadium XV: Facettenaugen intensiv roth gefärbt. Der Ge- schlechtsapparat nimmt nun seine endgültige Gestalt an, indem fol- sende Veränderungen an dem Kopulationsrohr vor sich gehen. Während dasselbe bis jetzt im Allgemeinen als ein eylindrischer Hohlschlaueh mit wenigen erweiterten Abschnitten bezeichnet werden konnte, ist seine Gestalt nunmehr durch die mannigfachsten Aus- und Einbuchtungen völlig unregelmäßig geworden. Der Endabschnitt ist bereits außerordentlich erweitert, das Lumen selbst nicht weit, sondern in transversaler Richtung schmal, weil das Rohr in dieser Region stark abgeplattet ist und die dorsale Wand sehr dicht über der ventralen zieht. Die ventrale Wand des Mündungsabschnittes liegt der Bauchwand der Genitalschildregion nahe an und zeigt bereits einen höheren Grad von Chitinablagerung, der zur Bildung der Rautenplatte führen wird. Oralwärts folgt nun derjenige Theil, der durch die Hörnchen sein charakteristisches Gepräge empfängt. Die- selben gehen mit breitem Ansatz dorsal- und lateralwärts von der Wand des Kopulationsrohres aus, verdicken sich, biegen sich me- dianwärts zurück, um wiederum lateral- und dorsalwärts gewandt allmählich spitz zulaufend zu endigen. Der folgende Theil des Rohres ist lateral komprimirt, so dass sein Lumen als ein medialer Längsspalt erscheint, der sich von der ventralen Mittellinie dorsal- wärts ausdehnt. An dem oralen Rande der rautenförmigen Platte schließen sich ebenfalls, der ventralen Wand angehörend, einige von rechts nach links schräg aufsteigende kleine Querfalten der Epithel- wand an, die Anlage der streifenförmigen Wülste. Auf der Dorsal- seite desselben Abschnittes ist das Epithel nur an einem eirkumskripten Bezirke erhöht, der Bildungsstätte der kleinen dreieckigen Platte. Als Neubildung tritt an der Basis des Bulbus die oral gerichtete dorsale - Ausstülpung, der gefiederte Anhang, auf. Die Wand des Bulbus wird jetzt unregelmäßig gewölbt und ventrale Falten stellen die Anlage der lateralen und medianen Chitinplatten dar. Die Vasa deferentia sind bedeutend gewachsen, ihre oralen Erweiterungen, die als Samenbläschen funktioniren, sind gebildet; sie vereinigen sich nicht mehr wie bisher direkt vorn mit den Anhangsdrüsen, sondern sie bilden eine nach hinten gerichtete Schleife und treffen dann mit den weiter nach vorn liegenden Anhangsdrüsen zusammen. 30* 454 Georg Michaälis, Die Länge des Kopulationsrohres ist von 2,490 mm auf 3,705 mm gestiegen. Die nunmehr 1,740 mm lang gewordenen Anhangsdrüsen besitzen sehr dicke Wandungen, ihr Lumen hat sich vergrößert. Der Duetus ejaculatorius, im vorigen Stadium 1,125 mm lang, ist auf 2,850 mm gewachsen. Stadium XVI: Facettenaugen bläulich roth gefärbt, an Kopf und Thorax ist die beginnende Chitinisirung bemerkbar. Schärfer und deutlicher tritt in diesem Stadium die Anlage der beiden medianen länglichen Chitinplatten hervor. Am vorderen Ende des Bulbus, gegenüber der Eintrittsstelle des Ductus ejaculatorius, beugt sich nämlich die linke Seitenwand in starker Krümmung. Der so ent- standene größere Hohlraum wird durch eine in das Lumen hinein- springende Scheidewand in zwei kleinere, längliche Taschen getheilt. Aus ihnen gehen die beiden medianen Chitinplatten des Bulbus hervor, welche die Form eines lang ausgezogenen sphärischen Drei- ecks besitzen. Die Länge des Kopulationsrohres beträgt 3,915 mm, die des Ductus ejaculatorius 3,165 mm, die der Anhangsdrüsen 1,950 mm. Stadium XVII: Chitinisirung ist auf das Abdomen fortgeschritten. Im Allgemeinen ist die Lage wie im vorigen Stadium. Innerhalb des Bulbus sind die länglichen Chitinplatten zu bemerken; als Neu- bildungen haben sich an der unteren Hälfte des Bulbus die beiden kleineren lateralen Chitinplatten, die in ihren medialen Theilen von den länglichen Platten überdeckt sind, gebildet; sie sind flacher, ihre Seitentheile flügelartig geformt und scharf ausgezackt. Die Länge des Kopulationsrohres ist von 3,915 mm auf 4,935 mm gestiegen, die Anhangsdrüsen von 1,950 mm auf 2,355 mm, der Ductus ejaculatorius von 3,165 mm auf 3,975 mm. Hiermit sind nun die endgültigen Formen des Begattungsrohres gegeben; nur das Längenwachsthum und die Chitinisirung schreiten fort. Wir können desshalb von einer weiteren Beschreibung absehen und verweisen auf die vorn schon gegebene Schilderung des Kopu- _ lationsrohres der reifen Drohne. IV. Die Erektion des Kopulationsrohres. Bei der Begattung wird das Kopulationsrohr in seiner gesammten Ausdehnung von der Genitalspalte bis zur Abgangsstelle des engen Ductus ejaculatorius wahrscheinlich durch Blutstauung in der Abdo- minalhöhle, verbunden mit einer gleichzeitig erfolgenden Kontraktion der sämmtlichen Muskeln des abdominalen Hautskelettes aus der l Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene 455 Leibeshöhle hinausgetrieben, so dass er als sonderbar, aber zier- lich gestalteter Anhang das Hinterleibsende der Drohne schmückt (Fig. 10). Bei den oben geschilderten Eigenthümlichkeiten im Baue und in der Entwicklung des Kopulationsrohres kann es sich nicht um einfache Schwellung und dadurch bedingt um einfaches Vor- schieben aus der Leibeshöhle handeln. Das Rohr muss total umge- krempelt und das, was innen lag, nach außen und umgekehrt ge- lagert werden. Der ausgestülpte Begattungsapparat ist demgemäß von einer zarten Chitinhülle umkleidet, welche während des Ruhe- zustandes die innere Lichtung des Kopulationsrohres austapezirte und die epitheliale Rohrwand überdeckte. Nach der Erektion sind die vorher beobachteten Beziehungen aller Theile ganz auf den Kopf sestellt. Nicht als ob das innige genetische und topographische Ver- hältnis zwischen der epithelialen Rohrwand und den von ihr produ- cirten Chitinschichten aufgehoben würde — nur die Lagebeziehungen der Wandschichten zu der idealen Längsachse des Kopulationsrohres sind verändert, indem sie gerade entgegengesetzt wurden. Wäh- rend seit der Entwicklung bis vor dem Beginne des Liebesspieles die Chitintapete die innere und die Epithelschicht die äußere zweier koncentrischer Lagen darstellte, ist mit der Begattung das umgekehrte Verhalten eingetreten, dass nämlich die Chitintapete den äußeren und das Epithel den inneren Mantel — bezogen auf die Längs- achse — des hohlen Kopulationsrohres bildet. Das geschah durch successive Umstülpung der einzelnen Regionen des Rohres, welche in der Richtung von der Genitalspalte bis zum Bulbus allmählich erfolgt. Eine Steigerung des intraabdominalen Druckes ist sicher die Ursache des Vorganges. Obwohl ich keine experimentellen Untersuchungen angestellt habe, darf ich, ohne Widerspruch befürchten zu müssen, diese Behauptung aufstellen, weil jeder Bienenzüchter weiß, dass man durch Quetschen des Abdomens in einer beliebigen Richtung die Ausstülpung des Kopulationsrohres hervorrufen kann. Dieselbe vollzieht sich leicht und rasch; komprimirt man schnell und kräftig, so verläuft sie geradezu wie eine Explosion und erweckt beim erstmaligen Anblick fast den Anschein, als sprühten sämmtliche Eingeweide aus der Hinterleibsspitze des Drohnenkörpers hervor. Besser beobachten sich die Einzelheiten bei zartem Zugreifen und langsam schwellender Steigerung des Druckes. Es wird dadurch das ganze Kopulationsrohr in seiner gesammten Ausdehuung von der Genitalspalte bis zum oralen Ende — der Abgangsstelle des Ductus ejaculatorius — derartig umgestülpt, dass das letztere an der weit ds6 0. @eor& Michaölis, hinter dem Ende des Abdomens hinausragenden Spitze des erigirten Kopulationsorgans zu suchen ist. Die kleine Öffnung dort (Fig. 10) führt nämlich, wie man sich durch einen Scherenlängsschnitt leicht überzeugt, direkt in den engen Ductus ejaculatorius, welcher die innere mit Blut erfüllte Höhlung des umgestülpten Kopulationsrohres entlang gegen die Leibeshöhle zieht. Da der ganze Vorgang aufzu- fassen ist als eine einfache Umstülpung, genau so, wie die Wan- dung eines eingestülpten Handschuhfingers wieder in normale Stel- lung und Krümmung gebracht wird, so werden die topographischen Beziehungen der früher beschriebenen Zonen der Chitintapete des Kopulationsrohres nicht geändert. Die ventralen Zonen: Rautenplatte, Spiralstreif, werden an der ventralen Wand, die dorsalen Anhänge: die beiden Hörnchen, der gefiederte Blindsack und die Chitinplatten des Bulbus werden an der dorsalen Wand des Schlauches beobachtet, nachdem sie successive aus der Genitalspalte vorgeschoben wurden (Fig. 8, 9). Zunächst sieht man bei sanftem Druck die Deckplatten des vorletzten Abdominalsesmentes sich in einem nur für den Geübten bemerkbaren geringen Grade ventral abneigen und die Deckschuppen sich etwas lateral verschieben, dann kommt der Mündungsabschnitt des Kopulationsrohres aus der Genitalspalte. Die dünne, zart be- haarte Membran tritt langsam aus und bildet rasch einen plumpen, sphärischen, äußeren Körperanhang, der die Breitenausdehnung der beiden Deckplatten an Volumen um ein Vielfaches übertrifft und sich hauptsächlich ventral- und lateralwärts ausbaucht. Das große Vo- lumen des basalen Theiles macht es uns verständlich, warum der Mündungsabschnitt des Kopulationsrohres während der Ruhe in so viele Falten gelegt ist. Die Rautenplatte mit ihrem reichen Besatze langer weicher Haare nimmt den größeren Theil der ventralen Wand ein, dorsal über ihr springen die beiden Hörnchen mit eleganter Krümmung vor und oral von der Platte zieht eine schwach gelblich- braun gefärbte Zone mit niedrigen und weniger zahlreichen weichen Zähnchen übersät gegen die beiden Deckplatten. Die letztgenannte Zone fällt schon während des Ruhezustandes auf, da sie an der Innenfläche der Deckplatten liegt und in vielen Fällen als eine kurze, zungenartigse Wulstlippe in dem medianen Spaltraum zwischen den beiden Deckplatten vorspringt. Jenseits der Rautenplatte fällt an der ventralen Wand die oben als Spiralwulst bezeichnete Zone auf. Ihre vier bis fünf Borstenplatten liegen hier aber regelmäßig parallel hinter einander und quer zur Längsachse des Kopulationsschlauches. Daraus lässt sich mit Sicherheit schließen, dass dieselben auch früher Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene 457 an dem sich entwickelnden Kopulationsrohre einander parallel ge- richtet waren und dass der Eindruck ihrer spiraligen Anordnung nur durch die seitliche Kompression und eine geringe Drehung jenes Ab- schnittes hervorgerufen war. Man kann sich von der Richtigkeit des Schlusses leicht überzeugen, indem man das Begattungsrohr einer fertigen Drohne durch einen Längsschnitt der dorsalen Wand spaltet und die Chitintapete flach auf einem Objektträger ausbreitet. In der dorsalen Wand über dem Spiralstreifen und mit ihrer Spitze zwischen die beiden Hörnchen eingeschoben fällt die dreieckige Chitinplatte auf. Ihr reicher Borstenbesatz ist auf der sonst fast slatten dorsalen Wand von feiner malerischer Wirkung. Hinter der dreieckisen Haarzone folgt gleichfalls dorsal der gefiederte Anhang: Wie der Kopulationsschlauch im Ganzen gleich einem Handschuhfinger umgestülpt wird, so geschieht das Gleiche auch mit seinem gefiederten Anhange. Derselbe zeigt nach vollendeter Umkehrung eine konvexe Krümmung seiner analen Fläche, so dass sein blindes Ende oral ge- richtet ist. Über den gefiederten Anhang schiebt sich noch der oberste Abschnitt des Kopulationsrohres, der Bulbus, heraus. Er ge- winnt durch die Umkehrung eine ungefähr eylindrisch wurstförmige Ge- stalt und wird in schwungvollem Bogen dorsal aufgekrümmt. Die Zone, welche am ruhenden Apparate die vorderste Kuppelwölbung seiner Höhle tapezirte, liegt naturgemäß an dem freien oralwärts zurück- sekrümmten Ende des umgestülpten Organs. Hier ist deutlich die frei liegende Mündung des Ductus ejaculatorius zu erkennen. Dass der Bulbusabschnitt nunmehr sichelförmig nach aufwärts gekrümmt liegt, hat er unzweifelhaft den beiden Paaren der früher geschilderten dunklen Chitinplatten zu danken, denn diese stellen eine durchaus unelastische Zone der im Übrigen zarten und elastischen Chitintapete des Abschnittes dar und verhindern es, dass letzterer eine allseitig cylindrisch gekrümmte und gerade gerichtete Gestalt annimmt. Sie sind desshalb als Versteifungszonen zu betrachten, welche bei der Ausstülpung widerspenstig nicht aus einander weichen und dadurch ‘ eine konkave Einziehung ihrer Region und die konvexe Krümmung der ventralen Bulbuswand verursachen. Nach diesem Gesichtspunkte sind wohl auch die übrigen stärker chitinisirten Zonen des Kopula- tionsrohres: die Rautenplatte, die Spiralstreifen und die dreieckige Platte zu beurtheilen. Vertheilt auf Medianzonen der ventralen oder dorsalen Wand liegen sie gerade an solchen Stellen des Rohres, wo eine stärkere Abkrümmung gegenüber den benachbarten Zonen er- folgt (vgl. Spiralstreifen und dreieckige Platte auf Fig. 10), oder 458 Georg Michadlis, wo, wie in der Gegend der rautenförmigen Platte eine Versteifung des ausgestülpten Kopulationsschlauches gegen die Körperwand noth- wendig erscheint. Sie sind also insgesammt Bildungen sui ge- neris und dürfen nicht mit den äußeren Begattungsanhängen an- derer Hymenopteren-Arten homologisirt werden, wie es DUFOUR ein- mal versucht hat. Der starke Haarbesatz der Versteifungszonen mag vielleicht die Bedeutung haben, den die Versteifungsfunktion be- schränkenden Druck des weiblichen Körpers nach der Einführung in die Stachelnische der Königin zu vermindern. Vielleicht sorgt er aber auch dafür, dass diese Zonen sich innig an die Nischenwand an- schmiegen und das Hinausziehen des männlichen Begattungswerk- zeuges während des Hochzeitsfluges verhindern. Dafür spricht die Richtung der Haare z. B. auf der Rauten- und dreieckigen Platte, deren Spitzen nach der Umstülpung oral, d. h. gegen die männliche Geschlechtsöffnung gerichtet sind und indem die beiden gegenüber- liegenden Platten an die Stachelnische angepresst werden, das Hin- ausgleiten des Kopulationsrohres aus der Scheide erfolgreich verhindern können. Unzweifelhaft sind die beiden Hörnchen, sowie der gefie- derte Anhang direkt als Klammerorgane anzusprechen. Jedenfalls werden die Hörnchen in die kleinen Seitenräume der Vagina ein- greifen, welche bei der Bienenkönigin als Begattungstaschen be- schrieben sind. Der gefiederte Anhang dient gleichfalls der Ver- hängung beider Thiereee Das an seiner Spitze befindliche reich selappte Gefieder stellt nach der Umstülpung eine von rundlichen Wärzchen bedeckte Platte dar, welche sich an der Vaginalwand sleichsam festzusaugen im Stande ist. Nach Kenntnisnahme des ausgestülpten Kopulationsrohres leuchtet es ein, dass die Drohne während des Hochzeitsfluges dasselbe nicht frei ausstülpt und dann erst in die Vagina der Königin einzuführen suchen wird, sondern dass sie, ihr Abdomen nach abwärts krümmend, die Genitalspalte an die Hautnische des Stachels drückt und nun das Kopulationsorgan langsam gegen die Mündung der Vagina selbst vor- stülpt. Entsprechend der gemächlichen Umkehrung der Wände des Begattungsschlauches wird zunächst die Stachelnische, dann die Vagina selbst erweitert und setzt dem weichen sich einbohrenden Organe keinen allzugroßen Widerstand entgegen. Der Mündungsabschnitt des Kopulationsrohres drückt wahrscheinlich den Legestachel dorsal, die sroße Bauchschuppe des zehnten Segmentes ventral und füllt so die Hauttasche aus, in der der Legestachel gewöhnlich verborgen liegt, während die Spitzen der Hörnchen in die Begattungstaschen der Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates der Honigbiene. 459 Vagina eindringen. Dann sind die mechanischen Schwierigkeiten der Einführung überwunden. Die übrigen Theile des sich ausstülpenden Rohres werden, da der gefiederte Anhang vor dem Bulbus bohrend und eröffnend auf die inneren Abschnitte der Vagina wirkt, leicht tiefer drin- sen. So wird die Verhängung der beiden im Fluge befindlichen Hoch- zeitsthiere äußerst fest, so fest, dass die Bemühungen der Drohne nach der Kohabitation von der Königin loszukommen, nicht mit der Retraktion des Kopulationsrohres, sondern mit dem Zerreißen desselben an seiner zartwandigen Mündungszone enden. Erst nach der Heimkehr vom Hoch- zeitsfluge, wenn die Samentasche sicher mit Sperma vollgepfropft ist, entledigt sich die Königin, wie mehrere Beobachter berichten, des noch in der Vagina steckenden abgerissenen Kopulationsschlauches. Auf die Litteratur bin ich nicht näher eingegangen, weil die da und dort zerstreuten Angaben über die letzten Hinterleibsringe und das Kopulationsrohr der Drohne einzelne anatomische oder entwick- lungsgeschichtliche Thatsachen nur beiläufig berichten. KRAEPELIN hat in den Untersuchungen über Bau, Mechanismus und Entwicklungsgeschichte des Stachels der bienenartigen Thiere (diese Zeitschr. 1873) die Skelettelemente der letzten Abdominalringe kurz beschrieben und richtig gedeutet. KOSCHEWNIKOFF macht in einer vorläufigen Mittheilung (Zur Ana- tomie der männlichen Geschlechtsorgane der Honigbiene, Zool. Anz. 1891, p. 393), deren ausführliche Abhandlung ich nicht habe auffinden können, kurze Angaben über den histologischen Bau des Hodens und der Ausführgänge nebst Adnexen. Mein verehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. FLEISCHMANN, führte mich in die entwicklungsgeschichtliche Arbeitsmethode ein; er war mir auch auf dem Gesammtgebiet der Zoologie ein Führer, der durch seine stets von gemeinsamen großen Gesichtspunkten ausgehende Art wissen- schaftlicher Betrachtung und durch seine eigenartige Persönlichkeit immer fördernd und anspornend wirkte. Ihm meinen aufrichtigen Dank auszusprechen, ist mir Herzensbedürfnis. Erlangen, im August 1894. 460 Georg Michaelis, Bau und Entwickl. des männl. Begattungsapparates etc. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnung: A, Anhangsdrüsen; a, After; 2, Bulbus des Kopulationsrohres; d, dreieckige Chitinplatte; De, Ductus ejaculatorius; Dp, Deckplatte; Ds, Deckschuppe; f, prä- segmentaler Fortsatz der XI. Bauchschuppe; g, gefiederter Anhang; 4, Hörnchen; P, P,, Chitinplatten des Bulbus; Pr, Kopulationsrohr; r, Rautenplatte; Sb, Samen- bläschen; Sp, sog. Spiralstreifen; 7, Hoden; Vd, Vas deferens; Xv, XIv, XIk, Bauchschuppe des X., XI. und XII. Segmentes; Xld, XIId, Rückenschuppe des XI. und XII. Segmentes. Tafel XXVI. Fig. 1. Das Kopulationsrohr der Drohne nebst dem Duetus ejaculatorius und den Anhangsdrüsen. 12/1 nat. Größe. Fig. 2. Hinterleibsende der Drohne. Ventralansicht. Das Aftersegment ist nicht eingezeichnet. 22/1 nat. Größe. Fig. 3. DieGenitalgrube deszwölften Segmentes. Stadium V. Ventralansicht. Aus der Genitalgrube ragen die Anlagen der Deckplatten vor, sie umgrenzen medial den Eingang in das Kopulationsrohr. An ihrer Basis schimmern die hohlen Anlagen der Anhangsdrüsen und der Vasa deferentia durch. 22/1 nat. Größe. Fig. 4. Die Genitalgrube (Stadium IX). Ventralansicht, aber etwas von hin- ten betrachtet. An der lateralen Seite der Deckplatten sind die Deckschuppen abgegliedert. 22/1 nat. Größe. Fig. 5. Die Genitalgrube (Stadium X). 22/1 nat. Größe. Fig. 6. Anlage des Kopulationsrohres, der Anhangsdrüsen und der Vasa deferentia von der Bauchhöhle aus gesehen. Stadium XII. 20/1 nat. Größe. Fig. 7. Das Kopulationsrohr von der Bauchhöhle aus gesehen. Stadium XIV. Die nach links gekrümmte Spitze setzt sich in den Ductus ejaculatorius fort, der nicht mehr gezeichnet ist. 20/1 nat. Größe. Fig. 8. Der halb ausgestülpte Kopulationsschlauch. Dorsalansicht. 6/1 nat. Größe. Fig. 9. Der halb ausgestülpte Kopulationsschlauch. Ventralansicht. 6/1 nat. Größe. Fig. 10. Der völlig ausgestülpte Kopulationsschlauch von der lateralen Fläche. 6/1 nat. Größe. Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechts- anhänge der Hymenopteren. Von Dr. Enoch Zander (Erlangen). (Aus dem zoologischen Institute in Erlangen.) Mit Tafel XXVII und 13 Figuren im Text. Nachdem ich in einer früheren Untersuchung (15) den Bau des Stachelapparates und seine engen morphologischen Beziehungen zum Hautskelette dargelegt hatte, drängte sich naturgemäß die Frage auf, ob sich beim männlichen Begattungsapparat ähnliche Beziehungen nachweisen lassen, ferner ob den äußeren Geschlechtsanhängen der männlichen und weiblichen Hymenopteren der so oft behauptete gleiche Typus des morphologischen Aufbaues wirklich zukommt oder nicht. Desshalb habe ich die Männchen der früher untersuchten Hautflüglerarten einer genauen Analyse unterzogen, mich jedoch nicht auf das fertige Organ beschränkend. Indem ich die Entwick- lung desselben bei verschiedenen einheimischen Arten, deren Larven verhältnismäßig leicht in größerer Menge zu sammeln sind, in Schnitt- serien und Konstruktionsmodellen verfolgte, ist es mir gelungen, trotz- dem ich es anfänglich bezweifelt hatte, den einheitlichen Stiltypus aller männlichen Anhänge in dieser systematischen Ordnung zu er- kennen, zugleich aber auch die Thatsache festzustellen, dass der Bauplan der weiblichen Anhänge in keiner Weise mit dem des Kopu- lationsapparates übereinstimmt. Bei der Ausführung dieser Untersuchung hatte ich mich der liebenswürdigen Unterstützung verschiedener Herren zu erfreuen. Vor Allen zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN für die vielseitige Förderung meiner Studien und Herrn Lehrer BECKER in Waren (Mecklenburg), der mir bei der Beschaffung des Materials helfend zur Seite stand. 462 . Enoch Zander. Die oben präcisirten Fragen sind bisher wohl manchmal aus- gesprochen, aber von keinem Forscher durch eine eingehende Unter- suchung geprüft worden. Desshalb kommt die vorliegende Litteratur kaum in Betracht. Während der Stachelapparat aus nahe liegenden Gründen recht häufig zum Objekt des Studiums gewählt wurde, sind die männlichen Anhänge nur selten und ungenügend untersucht worden, meist in Hinblick auf ihren Werth als bequeme äußere Er- kennungsmittel für systematische Zwecke. Lxon Durour (2) ist der Einzige, der denselben eingehende Be- achtung schenkte und zugleich in großen Zügen die trotz der spe- cifischen Unterschiede bestehenden gemeinsamen Eigenschaften nach- zuweisen vermochte Nur der Begattungsapparat der Honigbiene nimmt bis heute eine Sonderstellung ein, weil diese Hymenopteren- Art äußerer männlicher Anhänge anscheinend vollkommen entbehrt, und die Kopulation sich mittels des während der Ruhe in der Leibes- höhle liegenden, ausstülpbaren Kopulationsrohres vollzieht. Seitdem sind keine neuen Arbeiten über die Homologie der so verschiedenartig: gestalteten Werkzeuge erschienen. In der Form und Entwicklung der einzelnen Stücke sehr variabel setzt sich der männliche Geschlechtsapparat, die Armure copulatricee, nach LEoN DuFoUrR generell aus folgenden drei Theilen zusammen: piece basilaire, for- ceps und fourreau de la verge, zu denen sich bisweilen eine Volselle und ein Hypotome gesellen. Die piece basilaire, wie der Name sagt, an der Basis des ganzen Apparates gelegen, bildet stets ein einheitliches Stück, an dem man jedoch nicht selten eine mediane vertiefte Furche erkennt. Der stark chi- tinisirte Forceps bedingt in Folge seiner stets mächtigen Entfaltung die Form des Kopulationsorgans und besteht aus zwei wie die Arme einer Zange gegen einander beweglichen branches du forceps, die gelenkig in der piece basilaire stecken. Zwischen den beiden branches du forceps liegt das eigentliche Be- gattungsglied, der fourreau de la verge. Derselbe stellt ein Etui von wechseln- der Länge dar, dessen dorsale und ventrale Wand gewöhnlich dünnhäutig ist, während die lateralen Zonen durch ihre stärkere Chitinisirung auffallen. LEOoN DUFOUr bezeichnet diese daher mit einem besonderen Namen als baguettes du fourreau. Dieselben treten bei manchen Hymenopterenarten als selbständige be- wegliche Stäbe neben dem eigentlichen centralen Penisetui auf und scheinen die Vagina bei der Kopulation gespannt zu erhalten. Für die Artunterscheidung sind sie von großer Bedeutung. Neben diesen fundamentalen Stücken des Begattungsapparates beobachtet man oft, aber nicht immer, an der ventralen oder medialen Wand der branches du forceps ein Paar kleinerer Äste, die Volsellae, deren Ausbildung stark varürt. Das Hypotome, das unterhalb des ganzen Apparates liegt, ist nur selten vor- handen. Ich kann Lxon Durour’s Angaben im Allgemeinen bestätigen und als sicher feststehend folgende Thatsachen hezeichnen: Die Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 463 männlichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren bestehen aus- nahmslos aus drei Theilen, die zu einem eylindrischen Mantel zu- sammengeschlossen den Ductus ejaculatorius umgeben. An der Basis des ganzen Apparates liest der Cardo (Fig. 2 C), eine meist eylin- drische Chitinkapsel, der ventral und lateral die paarigen Valvae (Fig. 2 V) anhängen. Im Cardo und gegen einander beweglich, ver- leihen sie durch ihre Größe und Form dem männlichen Begattungs- organe seinen specifischen, für systematische Zwecke verwerthbaren, Charakter und können ihrerseits wieder reich gegliedert sein, da sie meist auf einem unpaaren, proximalen, Stamm (Fig. 2 S?) einen stärkeren lateralen, die Valva externa (Fig. 2 Ve) und einen schwächeren medialen Ast, die Valva interna (Fig. 2 Fr) unter- scheiden lassen. Mit diesen Haltezangen ist dorsal die Basis des den Duetus ejaculatorius schützenden Penis (Fig. 2 P) innig verbunden. Am fertigen Apparate meist ein einheitliches Rohr bildend, geht derselbe, wie ich später nachweisen werde, stets aus einer paarigen, zapfenförmigen Anlage hervor und ist bei allen Hymeno- pteren durch zwei lange orale, in die Leibeshöhle hinein- ragende, starken Muskeln zum Ansatz dienende, Fortsätze (Fig. 3 F) ausgezeichnet, deren Beachtung für die morphologische Deutung außerordentlich wichtig ist. In dieser allgemeinen Schilderung des Kopulationsapparates’ habe ich mich nur theilweise an die vorhandene Nomenklatur an- geschlossen, weil in neuester Zeit die heterogensten Stücke mit den gleichen Namen belegt worden sind, wodurch eine heillose Ver- wirrung geschaffen wurde. Zum Beispiel haben HoFFER urd SCHMIEDE- KNECHT (6 u. 7) für systematische Zwecke die Theile des Geschlechts- apparates von Bombus mit lateinischen Namen bezeichnet, die wohl für diese Gattung recht passend gewählt sein mögen, bei der ver- gleichenden Betrachtung der ganzen Hymenopterenordnung sich jedoch als unbrauchbar zur Bezeichnung der mannigfaltigen Modifikationen erweisen. Sie nennen die Valva externa Stipes, die beiden Penis- stäbe Sagittae und die zwischen denselben liegende Chitinzunge, welche den Ductus dorsal deckt, Spatha. M. Kruse (11), der das Begattungsorgan von Vespa germanica eingehend studirte, hat ohne Weiteres die HOFFER-SCHMIEDEKNECHT- sche Nomenklatur auf die Wespe übertragen, ohne sich darüber klar zu werden, ob die gleichnamigen Theile in den genannten Hymeno- pterengattungen auch wirklich morphologisch gleichwerthig sind. So bezeichnet er die Valva interna der Wespe als Sagitta und den 464 Enoch Zander. Penis als Spatha. Nun ist wohl die Sagitta bei Bombus der Valva interna bei Vespa physiologisch zu vergleichen, aber beide sind durchaus nicht homolog, denn die Sagitta ist ein Theil des Penis und die Valva interna ein Theil der Valva externa. Eben so wenig entspricht die Spatha allein dem Penisrohre der Vespiden, sondern die Spatha + Sagittae. Diese Verwechslungen sind um so unbegreiflicher, als KLugGe nach seiner eigenen Angabe zu- nächst Bombus untersuchte, um sich erst nach dem Bekanntwerden mit dem Werke SCHMIEDERNECHTs der Wespe zuzuwenden. Um die durch die KLugE’sche Arbeit angerichtete Verwirrung nicht noch zu vermehren, habe ich zwar neue, aber recht einfache Namen ge- wählt und stelle die Synonymik aller vorliegenden Nomenklaturver- suche in der Tabelle I kurz zusammen. Tabelle 1. LEON DUFOUR (2) ' Fourreau ‘Branche du | Volselle Piece basilaire Tforceps Buysson (5 VI) Fourreau Branche du | Volselle Piece basilaire für Chrysiden ı forceps ERNEST ANDRE (5 V) | Valvules geni- Valvule genit. | Valvule genit.) Eeaille für Formieiden talesinternes externe intermediaire ED. AnDrRE (I Penis 'Pince ext£ri- | Pince interi- |7d. eure eure VERHOEFF (10) | Parameren Lamina annu- laris NIOFFER (7) ‚| Spatha + Sa- | Stipes | Cardo SCHMIEDEKNECHT(6) le für Bombus Su | Kruge (11) Spatha Stipes Sagitta Cardo für Vespa germ. uf MICHAELIS (14) ‚Deckplatten | Deckschuppe für Apis | | ZANDER Penis | Valva externa | Valva interna | Cardo | Da die Ausbildung der einzelnen Stücke des Geschlechtsapparates sroßen specifischen Schwankungen unterworfen ist, durch die der allgemeine Bauplan in manchen Hymenopteren-Gruppen mehr oder weniger verwischt erscheint, ist es nothwendig, diese Modifikationen kurz zu skizziren. Ich habe die wichtigsten derselben in der Ta- belle II zusammengestellt, an die ich meine Betrachtung anknüpfen möchte. Am deutlichsten beobachten wir den oben geschilderten Baustil "I.IIZUD.LO LP 9%J -SluuBtu 949 dRJUuTTT; ) 9UuLo8 ‘JoAs ayos ld °q sop JIOLL LT, HOAIO IOBUVY 465 I9p -19[ [980% 9J9deJun) -Iy/) I9UIO JUL [BURN 19.190U9 UI9 [E.IO YOIS 4SJOL[U9S UBIBp ‘1.194 -I9MIO 2.188 4TUU9S -(V 9pu9S91] uoJdez -SIUO] P UOJIOU,T, UO] -BSRA 'P UOLDSIAZ IOA pızup.ınp STuog uop 8Bp ‘Iyoy 895Uud l. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. männ Beitr. zur Morphol. der uossrjum [El -94°] SUNUJFOSITDDOLLOS -94) 9OM 9IP 9UDTOM woJdezZ 9STPWAIP IOMZ JOB uorum yaru 9ounmzun -IUN) SUR] HUT U9004 -SHUNPULATO A UITESIOP u91o9p UOA 9ARIS TOMZ uopung -I9A 9MONIET ofeuyas Hu wpımp [eo puıs 9448 "JOST 9014R.I] TOMZ IZYEB -210,7 OJRIO "pur A 192 -1848.S1E])yu919].8 "ULIUOM IZIRSIIOT O]L.IO "ION 9Z4BS]10,] 9EIO "Sunas ‚ -urpigg) [Sun ıyoy 895uo 9ZIUSIIO ] OTL.IO LIOTTUBLIILOL, 194 OT uo4edso3 'IsIp "u9uoz 'sIOP pun "IJU9A 9.199 -BMUYUDS IL "FRI 9.19.1738 :J81 'STUIJIO N.IBI8 [um puw y Uossop ‘uozyus -119 "IXO "A 9U0yWÄSOS "unuwıs "ULTOFUON "Fur m 'IXO A uruBıgS JIyoF 'yur "A "UI SIZULAIXO "A PIOIPIOA STULIOF -uoddnyas 4x9 "A 'p pue q 9ferpou 91P IST OJ[EIS up -u999.LASIUD I9P UR "IOA IO.LF YOU 4y9Iu IoBı "Jun 'A IKYINASNV 9IRP -UNMOS 'FJO.LI 'IXO "A, 4[9q8S5 uoJ3 IU9S ‘ur "A -9S9PUr Ur 'IXO "A uaddnyas 9uropy "Fu "A uoJdez 9JıBey9g Oydrjurd 'IXO "A urop] +UL "A “PIISIUTIUD 2.1848 eWwU9S SUB] 'IXO "A YIBBL9A "STULIOFIOSFOT "DUBT JUL "A yorpuge-BdsoA Pur MA HEIPAL "U9SOZOISENE SUR] [BUB 'IXO "A I.1BBy94 NIOSFNE zur "A OBUOS HUB] HUT [EIJUOA puv A TOIIZU9LOJIP BIS "TOeıpouu U9IHP UOA "SIULIOFUOPTNUL 'FJOLS "IXO "A OOMIS OA, | SIMEL TOAZ ur "A "uogpedsed.o [EISIp 'ur’A 019 4x9 A ypıynopun uuyg SLIBBÄ "Yu "A SUR] 'IXO "A WUBIS IO]ESTA AOZINN zur A OR 19]BSRA ALT) 9TESRAq JIEBU9G UH9PUNGLIOA LIBIS PULS TOP9IH) "N murRIS 4.19P91.099 HMINIS TIOMZ UT "JUL "A U9PUNAL9A SINUO] -}.10,] UOJEIO HAZITULIJON | -95 'Yur pun 4x9 "A Ju wwuRIg dofeswg IRJUOTUIPN.L "MIOA I89F OBATBA u9p Au [BuL9S Je.ıJuoA "NOLG 'BIOP "STULTOFSULL oddnyag ofusıop SU 19.194191 SEAIO [BSIOP “TOJEWYNDS jewyds JeızuoAf “OT BLOP "STUIOFSULE| SULI -Q[EH -u9A "yorAy9s SULIA[EI] ou | -9yo JESIOp “LOfeıJuoA] jewıDs [E1JU9A "STULIOFOULL OLG "STULIOFOULT yosLıpumko ‘Surf yosııpurkd Sur] STULIOFOULT "OLG STULIOJSULT II9AA DD a 2 ae \snuonaroy KnJouodue‘) Bayıppur sIdYy Bee ee ed suqWLOST “ BIoydoyyuvy "+ TINIBOTUBUL UMMPLUJUN eine ro, BUOLpUVY N EEE ENOENNET “ mmyoLIBd SNIEUAPO uslIy olopur pun OLARII BILLBULIS BÄSO A :8doog BIREISY "BBongRs BiLıydowurny "0 BLSOFUL KOAULIET snywgound-F « " BnOBTA Budo " BIBJound-p BILOOSICT OTULIO f °° ° "sıprgentea xoqwmg \unoods °S '8B3LE XOLIg snrtoyepnowld sngond stuo,T owA BA _ IE troge, u opAr,) Si somadg 466 | Enoch Zander, bei Terebrantiern (Sirex, Cimbex), Formieiden (Camponotus, Formica), Heterogynen (Discolia) und Pompiliden (Pompilus). Bei Terebrantiern ist die Valva interna (Fig. 1 V?), die in zwei gegen einander bewegliche Stücke gegliedert ist (Fig. 1 W717 u. 2) und die Valva externa (Fig. 1 Ve) ihrem gemeinsamen Stamme (Fig. 1 St) gelenkig durch dünne Chitinhaut angefügt. An dem Penis- rohre (Fig. 1 P), das einen engen Ductus ejaculatorius umschließt, kommt die ursprünglich paarige Anlage in der ungleich starken Chitinisirung seiner Wand zum Ausdruck, da wir zwei stärkere laterale und schwächere dorsale und ventrale Chitinzonen unter- scheiden können. Ein kurzer distaler Spalt und zwei lange orale Fortsätze erinnern gleichfalls an die Entstehung des Penisrohres aus zwei Theilen. Der Cardo (Fig. i C) bildet einen breiten Ring. Ganz ähnlich ist der: Geschlechtsapparat der oben genannten Aculeaten gebaut, doch ermangeln die Glieder der Valvae der Be- weglichkeit und hängen starr an einander (Fig. 2 Ve, Vr). Bei Pom- piliden tritt außerdem eine eigenthümliche Bildung an den Valvae auf, der sich, so weit meine Beobachtungen reichen, nichts Ähnliches an die Seite stellen lässt. Jederseits neben dem Penisrohre ragt nämlich dorsal ein langer gekrümmter Fortsatz von dem Stamm der Valvae nach hinten, dessen richtige Deutung sehr schwierig ist, da sich natürlich nur entwicklungsgeschichtlich nachweisen lässt, ob sich derselbe von der Valva externa abgespaltet oder gesondert vorwächst. Die Geschlechtsanhänge der Crabroniden sind nicht nach einem einheitlichen Plane gebaut, da einerseits Beziehungen zu den Pom- piliden ete., andererseits zu den Vespiden auffallen. | Während sich nämlich Bembex in der Gliederung des Geschlechts- apparates an die oben genannten Aculeaten (Fig. 2) anschließt, sind bei Ammophila und Astata besonders die Valvae nach dem Typus der Vespiden gebildet (Fig. 3 S), bei denen Valva externa und interna nicht einem gemeinsamen Stamm aufsitzen, sondern die Valva interna (Fig. 3 Vi) als Anhängsel der mächtigen Valva externa erscheint und von der medialen Wand derselben ihren Ursprung nimmt. Von der inneren Wand der Valva externa erhebt sich bei Vespa germanica eine stark chitinisirte, gewölbte Schuppe (Ms), die den Penis (Fig. 3 P) dorsal übergreift: Die Valvae internae sind im Verhältnis zu den externae klein und in Form und Größe bei den einzelnen Arten großen Schwankungen unterworfen. Der Penis, bei Vespa crabro distal gespalten, bei V. germ. löffelförmig verbreitert, bildet bei allen Vespiden ein völlig einheitliches Rohr mit allseitig gleich Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 467 starker Wand (Fig. 3 P), das zwei lange orale Fortsätze entsendet (Fig. 3 F) und von einem engen Ductus ejaculatorius durchzogen wird. Der Cardo (Fig. 3 C) ist sehr schwach entwickelt und liegt den Valvae als ein dorsal, nicht wie VERHOEFF (10) angiebt, ventral offener Halbring an. Die weitgehendsten Veränderungen erleiden die Theile der Ge- schlechtsanhänge bei den Apiden. Wenn ich zunächst von Apis absehe, lassen sich folgende Eigen- thümlichkeiten feststellen: Vor allen Dingen wird die Valva interna stark reducitt. Während dieselbe bei vielen Apiden (Andrena, Dasypoda, Colletes, Panurgus, Anthidium, Anthophora) zwar sehr klein, aber doch immerhin deutlich als frei vorragendes Höckerchen nachweisbar ist (Fig. 4 Vr), beobachten wir bei Bombus eine vom ventralen medialen Rande der Valva externa sich erhebende Valva interna nicht mehr, wohl aber liegt an der entsprechenden Stelle eine winzige stark chitinisirte Schuppe (Fig. 5 Vi) der Valvawand an, die wir als den letzten Rest einer Valva interna deuten müssen. Am völlig chitinisirten Apparate fällt dieses Gebilde wenig in die Augen, in jüngeren Stadien dagegen hebt es sich deutlich durch seine stärkere Chitinisirung von der helleren Umgebung ab. Der fast völlige Ausfall der Valva interna wird durch die eigen- artige Organisation des. Penis kompensirt. Derselbe erscheint nicht als geschlossenes Rohr, sondern hat seine ursprünglich paarige Natur bewahrt und besteht (Fig. 5 P,, P,) aus zwei stark chitinisirten, am Ende mit Widerhaken und ähnlichen Bildungen versehenen Zapfen, die nur oral durch eine schmale dorsale Brücke (Fig. 5 dd) verbunden werden und je einen oralen Fortsatz (Fig. 5 F) treiben. Bei Bombus ist von dem dorsalen Verbindungsbogen eine lange Chitinzunge nach hinten ausgewachsen (Fig. 5 Sp), an der der Ductus ejaculatorius durch weiche reichgefaltete Membranen aufgehängt ist (Textfig. 1). Wesentlich anders als bei den übrigen Hymenopteren ist schließ- lich auch der Ductus ejaculatorius bei Apiden gebaut. Während derselbe bei allen anderen Hymenopteren als ein in seinem ganzen Verlaufe gleich enges Rohr den Penis durchzieht (Textfig. 1a, c, D.ey), ist er bei Apiden in einen analen erweiterten Abschnitt und einen oralen engeren Kanal, in den die Vasa deferentia einmünden, diffe- renzirt (Textfig. 15, d). Bei Letzteren ist derselbe außerdem stets von einer Chitinhaut ausgekleidet, die bei Bombus dieht mit langen Haaren besetzt ist und bei Anthidium zwei stärkere ringförmige Zonen unterscheiden lässt. ! Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Ba. 31 468 Enoch Zander, Vergleichen wir den Bau der Geschlechtsanhänge bei den bisher untersuchten Apiden mit dem der übrigen Hymenopteren, so ergeben sich folgende Resultate: | c. Textfig. 1. d. Kombinirte Längs- und Querschnitte durch den Penis von Vespa germ. (a, c) und Bombus (5, d). D.ej, Ductus ejaculatorius; P, Penis; Pı, Pe, Penisstäbe; Sp, Spatha; Vd, Vas deferens. 1) Die Valva interna ist bei Bombus fast vollständig redueirt. 2) An Stelle des Penisrohres beobachten wir zwei getrennte Stäbe, die nur durch einen schmalen Bogen zusammengehalten werden. Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 469 3) Der Duetus ejaeulatorius ist anal stark erweitert und mit einer Chitinmembran austapeziert. Ziehen wir diese Eigenthümlichkeiten in Betracht, so ist es nicht schwer, den scheinbar so anormal gebauten Begattungsapparat der Drohne richtig zu beurtheilen. Eine kurze Schilderung desselben wird die Deutung erleichtern. Die im zwölften Segmente Hegenda weite Geschlechtsöffnung umfassen seitlich zwei dreieckige Zapfen (Fig. 6 P,), an die sich lateral und oral zwei kleine, aber stark chitinisirte Schüppchen (Fig. 6 Ve) innig anschmiegen.. Zwischen den beiden medialen Zapfen senkt sich eine tiefe Tasche (Fig. 6 D.ej.) in den Körper hinein, die, im Innern mit einer in den einzelnen Abschnitten ver- schieden stark entwickelten Chitinlage ausgekleidet, oral in den engen Ductus ejaculatorius übergeht (vgl. die Abbildungen von MicHaAruıs Taf. XXV]). Wie sind diese Stücke zu deuten? Da bei allen Apiden die Mündung des Ducetus ejaculatorius zwischen den beiden Peniszapfen liegt, ist a priori anzunehmen, dass bei Apis die medialen Deckplatten (Fig. 6 ?,, P,), welche die Geschlechts- öffnung umgreifen, den Penisstäben der übrigen Apiden zu ver- gleichen sind. Diese Vermuthung wird bei genauerer Untersuchung zur unzweifelhaften Gewissheit. Ich habe wiederholt darauf hinge- wiesen, dass bei allen Hymenopteren zwei orale Fortsätze den Penis als typische morphologische Merkmale auszeichnen. Da wir die- selben, wie Fig. 7 F deutlich zeigt, auch bei Apis gut ausgebildet finden, so können die fraglichen Stücke nur den Penisstäben der übrigen Apiden resp. dem Penisrohr der Vespiden etc. homolog sein. Bei Apis sind dieselben in so fern sehr primitiv gebaut, als ihnen jegliche stärkere Verbindung mit einander fehlt. Hieraus ergiebt sich die morphologische Deutung der zwischen beiden Zapfen eingesenkten Penistasche sehr einfach und konsequent, denn dieselbe kann nichts Anderes vorstellen als den, allerdings außerordentlich stark erweiterten und chitinisirten Endabschnitt des Ductus ejaculatorius, den wir in schwächerer Ausbildung schon bei allen anderen Apiden geschildert haben (vgl. die Abbildungen bei MicHAELIıs). Über die Natur der den beiden Peniszapfen lateral an- liegenden gewölbten Schuppen (Fig. 7 Ve) können wir jetzt nicht mehr im Zweifel sein, da diese den Valvae externae homolog sein müssen, die bei Apis im Wachsthum stark hinter den Peniszapfen zurückgeblieben sind, während die Valvae internae, die schon bei Bombus kaum noch nachweisbar waren, überhaupt nicht mehr an- 31* A470: : Enoch Zander, gelegt werden. Ein deutlich abgesetzter Cardo ist an dem Begat- tungsapparate der Biene nicht zu erkennen, aber die Entwicklungs- geschichte wird später lehren, dass der verdickte orale Rand der Valvae (Fig. 7 C) als solcher zu deuten ist. Für die Richtigkeit meiner Deutung der einzelnen Theile des Geschlechtsapparates von Apis wird die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung weitere unanfechtbare Beweise liefern. Die Drohne nimmt somit keine Ausnahmestellung unter den männlichen Hymenopteren ein, sondern bildet nur das Endglied in der Reihe von Umbildungen, die wir an den Geschlechtsanhängen .der übrigen Hymenopteren beobachten können. Der fremdartige Ein- druck des Apparates wird nur dadurch bedingt, dass sich der Duetus ejaculatorius auf Kosten der äußeren Anhänge mächtig entfaltet hat. Die Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren. Nachdem ich unzweifelhaft festgestellt habe, dass ein einheit- licher Plan die Organisation der männlichen Geschlechtsanhänge be- herrscht, gewinnt das Problem, ob dieselben Bildungen eigener Art sind, oder ob sie, wie der Stachelapparat, Beziehungen zum Haut- skelette aufweisen, erhöhtes Interesse... Trotzdem die Lösung dieser Frage wiederholt versucht worden ist, muss dieselbe auch heute noch als eine offene bezeichnet werden, da den bisherigen Deutungs- versuchen zu wenig exakte Studien zu Grunde liegen. KRAEPELIN (3) und Drwitz (4), denen wir eingehende Arbeiten über den Stachelapparat verdanken, haben die männlichen Geschlechtsanhänge nur bei- läufig untersucht. KRAEPELIN’s morphologische Deutung des Kopulationsappa- rates ist durch sein Bemühen, denselben bei der Biene im Bau und in der Ge- nese als völlig übereinstimmend mit dem Stachelapparat darzustellen, beeinflusst. Über die Entwicklung der männlichen Anhänge macht er folgende kurze An- gaben. Auch die männliche Larve besaß Anfangs 13 Segmentei. Da das 13. zur Bildung des Aftersegmentes verwendet wird und das 12. Rückensegment. wie beim Weibchen, bis auf einen schmalen Streifen schwindet, bildet sieh die elfte Rückenschuppe zu einem Endsegmente aus. Die zehnte Bauchschuppe überwuchert, wie beim Weibchen, wenigstens die elfte, die zu einem schmalen Streifen verkümmert, der keine Zapfen hervortreibt. Die zwölfte Bauchschuppe lässt vier Ausstülpungen erkennen, die aber denen beim Weibchen an Größe bedeutend nachstehen. Die beiden mittleren Zapfen umschließen einen Längs- spalt, die männliche Geschlechtsöffnung. Dewırtz hingegen giebt, ohne morphologische Fragen zu berühren, an, dass die männlichen Geschlechtsanhänge von Bombus und Cryptus migrator aus einem Zapfenpaare der zwölften Bauchschuppe hervorgehen. Mit dem Wachsthum der- ‘ Da KRAEPELIN den Kopf als Segment rechnet, zählt er 14 Segmente. Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 471 selben verkümmern bei Bombus die beiden letzten Segmente und ziehen sich unter die vorhergehenden. Das drittletzte- Segment verkürzt sich nur auf der Bauchseite und rückt nur hier unter die voranliegenden, während beim Rücken- theile eine erhebliche Verkümmerung und Einziehung nicht stattfindet. Bei Cryp- tus vollziehen sich die Veränderungen des Hautskelettes in ähnlicher Weise. Genauer hat Drwıtz die Entwicklung nicht verfolgt. Ohne diese Beobachtungen irgendwie zu berücksichtigen und ohne auch nur den Schein eines Beweises zu erbringen, behauptet AnDr& (5, I) in der Ein- leitung seines großen systematischen Werkes »Species des Hyme&nopteres d’Europe et d’Algerie«x (p. LXXXIV): »Les organes reprodueteures offrent des appendices qui ne sont que ces segments modifiges.« Nach einer Abbildung zu urtheilen betrachtet er den Cardo als siebente Rückenschuppe. Der Auffassung Anpr&#’s tritt VERHOEFF (10) schroff entgegen mit der Be- hauptung, dass Parameren (Valvae) und Ringstücke (Cardo) mit Segmentplatten nichts zu thun haben, sondern Bildungen eigner Art sind; denn bei allen nie- deren und mittleren Hymenopterenordnungen lassen sich alle erforderlichen oder doch wenigstens alle hier in Betracht kommenden Segmentplatten beobachten. Da bei Hymenopteren der Thorax (excel. Phytophaga) aus vier Segmenten be- steht, bleiben nach VERHOEFF für das Abdomen nur noch neun übrig, die er bei Ichneumoniden und Pompiliden nachweisen konnte, während bei höheren Ordnungen, wie Fossorien, Vesparien und Anthophilen das neunte resp. zehnte Abdominalsegment gleichzeitig mit den Cerei in Wegfall komme. Die genauere Begründung dieser Behauptung ist der Verfasser jedoch, so viel mir bekannt, bis heute schuldig geblieben. In neuester Zeit studirte MicHarLıs (14) im hiesigen Institute die Entwick- lung des Geschlechtsapparates der Biene. Da er seine Aufmerksamkeit haupt- sächlich der Bildung der im Körper liegenden Genitaltasche zuwendet, macht er über die Anhänge nur kurze Angaben. Er beobachtete, dass an der zwölften Bauchsehuppe nur ein Zapfenpaar angelegt wird, das durch Spaltung in zwei neben einander liegende übergeht; aus den medialen entstehen die Deckplatten, aus den lateralen die Deckschuppen. Vergleichend-morphologische Fragen hat er nicht berührt. Da es völlig unmöglich war, auf Grund dieser spärlichen und widersprechenden Angaben die Frage nach dem morphologischen Werthe der männlichen Geschlechtsanhänge zu entscheiden, habe ich eingehende entwicklungsgeschichtliche Studien an Vespa germanica, Bombus und Apis angestellt, deren Resultate ich im Folgenden schil- dern will. 1. Die Entwicklung der männlichen Geschlechtsanhänge von Vespa germanica!. An Larven von 15,5 mm Länge (ohne Rücksicht auf die Krüm- mung des Körpers gemessen) beobachtete ich wenige Tage vor dem 1 Das Material wurde folgendermaßen konservirt. Die den Zellen entnom- menen Larven wurden in Wasser durch langsames Erwärmen auf 80°C. getödtet und fixirt. Bei dieser vorsichtigen Behandlung entweicht die Luft aus dem 472 Enoch Zander, Einspinnen an der Ventralseite des zwölften Segmentes die erste Anlage der männlichen Geschlechtsanhänge (Textfig. «, G), indem nahe dem postsegmentalen Rande dieses Segmentes eine mediane, kreis- förmige Partie der Epidermis sich in Gestalt einer unter der Körper- oberfläche allseitig ausgeweiteten Tasche eingesenkt hat, die ich die Genitaltasche nennen will. Von der oralen Wand derselben ist ein l | DR v \ Ber Textfig. 2a. Textfig. 22. Anlage der männlichen Geschlechtsanhänge von Vespa germ. a, Stadium I; d, Stadium II; A, After; G, Genitalanlage; Pz, Primitivzapfen; Ve, Valva externa; Vi, Valva interna. Paar hohler Zapfen, Primitivzapfen (Textfig. 2a, Pz), vorgewachsen, deren Spitzen schräg ventral und anal gerichtet sind. Die beiden Vasa deferentia, die schon früher als kleine Blindschläuche an der Epidermis entstanden sind und sich von ihr abgeschnürt haben, liegen als zwei blind geschlossene, kurze Epithelsäcke nahe der medialen Basis der Primitivzapfen, an die jederseits ein Tracheenast heranwächst. | An dieser Genitalanlage treten bald Veränderungen auf. Die kreisförmige Öffnung der Genitaltasche wird weiter und nimmt die Gestalt eines langgestreckten Ovales an (Textfig. 25, @). Gleich- Tracheennetz in feinsten Bläschen, so dass Zerreißungen der Gewebe durch rasche Ausdehnung der eingeschlossenen Luft in Folge der plötzlichen Einwir- kung hoher Wärmegrade vermieden werden. Der Zusatz einer Spur von For- malin zu dem heißen Wasser erhöht die Festigkeit und Färbbarkeit der Gewebe außerordentlich. Nach dem langsamen Erkalten des Wassers, wenn alle Larven zu Boden gesunken waren, wurden die Objekte durch stufenweise Behandlung mit Alkohol gehärtet und entwässert. Die in Paraffin von 52° eingebetteten Ob- jekte wurden im Schnitt mit Hämalaun gefärbt und lieferten ganz vorzügliche Bilder, an denen kaum eine Schrumpfung zu beobachten war. Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 473 zeitig wird das distale Ende jedes Primitivzapfens durch einen vertikalen Einschnitt gespalten (Textfig. 25), so dass wir jetzt je einen basalen Stamm und zwei distale Äste unter- scheiden können. Wie die weitere Entwicklung lehrt, geht aus dem lateralen Ast die Valva externa (Textfig. 25, Ve), aus dem medialen die Valva interna (Textfig. 25, Y) hervor. Von dem ursprünglichen Tracheenstamm ist inzwischen je ein Seitenast in das cölomatische Lumen der Anhänge hineingewachsen. Während die makroskopische Betrachtung der nächsten Stadien abgesehen vom Größenwachsthum keine Umbildungen der Genital- zapfen erkennen lässt, lehren Schnittserien und Modelle, dass der ungetheilte Stamm jedes Primitivzapfens an seiner medio- dorsalen Wand je einen, zunächst plumpen und platten, Auswuchs treibt, die primitive Anlage des Penisrohres (Fig. Ss P,P,). Die Entwicklungsgeschichte liefert also das inter- essante Resultat, dass der am fertigen Apparate so einheitlich er- scheinende Penis aus getrennten symmetrischen Anlagen her- vorgeht, die jedoch nicht als selbständige Bildungen, sondern als sekundäre Äste der Primitivzapfen auftreten. Mit diesem Stadium haben die Larven ihre volle Größe erreicht und spinnen sich zur Verwandlung in die Nymphe ein. Textfig. 3. Textfig. 4. Textfig. 3. Ursprüngliche- Anordnung der Segmente, sg, Stigma; @, Genitalanlage. Textfig. 4. Verschiebung der Segmente Stadium I. Ve, Valva externa; Vi, Valva interna; P, Penis. Bald hernach erleidet die Anordnung der Segmente merkbare Veränderungen, indem sich die einzelnen, bisher nur durch flache Ringfurchen (Textfig. 3) von einander geschiedenen Segmente in ein- ander zu schieben beginnen. Vor Allem zieht sich das dreizehnte Segment, das den After trägt, mehr und mehr unter die vorher- gehenden, während die dorsale Hälfte des zwölften und die ventrale 474 Enoch Zander, des elften schmäler werden (Textfig. 4). Gleichzeitig wächst die vor der Genitaltasche gelegene Körperwand des zwölften Segmentes (Textfig. 4 XII) analwärts zu einer die basalen Theile der Ge- schlechtsanhänge deckenden Schuppe aus. Hand in Hand mit den Verschiebungen der Segmente gehen wichtige Veränderungen der Genitalanhänge. Die beiden Peniszapfen (Fig.8 P,,P)) verwachsen zu einem einheitlichen breiten und abgerundeten Hohlgebilde (Fig. 9 ?P), an dem die ursprünglich paarige Natur noch durch eine flache, ventrale und dorsale Median- furche zum Ausdruck kommt und das dem distalen Ende des fertigen Penis entspricht (Fig. 9). Ferner wird die erste Anlage des Cardo deutlich (Fig. 10 C). An der ventralen und lateralen Basis der Zapfen wuchert die Epidermis sehr stark und bildet einen ein- heitlichen, allmählich breiter werdenden, verdickten Halbringwulst, dem die Geschlechtsanhänge aufsitzen. Die Ausbildung des Cardo hat eine auffallende Lageveränderung des ganzen Apparates zur Folge. Während bisher seine Hauptachse mit derjenigen des Körpers einen stumpfen Winkel bildete, wird derselbe durch das Wachsthum des Cardo aus seiner schräg ventralen Neigung mehr und mehr auf- gerichtet, so dass er später der Längsachse des Körpers parallel liegt. Da in diesem Stadium sämmtliche Theile des fertigen Apparates angelegt sind, und die weitere Entwicklung nur ihr Wachsthum und die feinere Modellirung fördert, bin ich schon jetzt zu der Behaup- tung berechtigt, dass die männlichen Geschlechtsanhänge von Vespa germanica lediglich durch sekundäre Differenzirung eines einzigen Anhangspaares entstehen. Dass das Haut- skelett keinen Antheil an ihrer Bildung hat, bestätigt die weitere Entwicklung. Unter der Larvenhaut geht allmählich die Vorwandkine in die Nymphe vor sich. Die drei ersten Körpersegmente treten zum Thorax zusammen, mit dem später auch das erste Abdominalsegment ver- wächst. Löst sich dann die Nymphe aus der beengenden Hülle, so dehnt sich die vorher reich gefaltete Wand der Anhänge, so dass die ganze Anlage jetzt bedeutend größer erscheint. Während die Valvae externae sich mächtig entfaltet und lateral und dorsal gewölbt haben, sind die Valvae internae zu langen schmalen Gebilden aus- gewachsen. Am Penis können wir deutlich einen dünneren Stiel und ein breites distales Ende unterscheiden. Die an seiner Ventral- seite verlaufende mediale Furche ist tiefer geworden und lässt an Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 475 ihrem analen Ende eine Einsenkung in die Höhlung des Penisrohres erkennen, die Anlage des Ductus ejaculatorius. Die einzelnen Abdominalsesmente schieben sich immer mehr in einander (Textfig. 5). Die elfte Bauchschuppe ist schr schmal ge- worden (Textfig. 5 X/o), die zwölfte Rückenschuppe kaum noch nach- weisbar (Textfig. 5 X//), während das Aftersegment fast vollständig durch die elfte Rückenschuppe verdeckt wird (Textfig. 5 XIII), so dass die Zapfenanlage jetzt die Hinterleibsspitze überragt. Gleich- zeitig beginnt die Haut der äußerlich sichtbaren Segmente sich in Rücken- und Bauchschuppen zu differenziren (Textfig. 5). 2 Bw Xa 3 Xv BU v XZ v X» LP Al v Textfig. 5. Textüig. 6. Textfig. 5. Verschiebung der Segmente Stadium II. Textfig. 6. Verschiebung der Segmente Stadium II. Während die vorderen Körperabschnitte und ihre Anhänge all- mählich ihre definitive Form annehmen, schreiten die bisher geschil- derten Veränderungen des abdominalen Hautskelettes und der Ge- schlechtsanhänge in der angedeuteten Weise weiter. Die elfte Bauch- schuppe wird zu einem schmalen Halbring (Textfig. 6 X/ov), der sich dem präsesmentalen Rande der zwölften Ventralplatte innig anlegt, um später untrennbar mit ihr zu verwachsen. Der prägenitale Theil der zwölften Bauchschuppe wächst zu einer großen Schuppe aus (Textfig. 6 X/Iv), die das Hinterleibsende ventral abschließt. Die zwölfte Rückenschuppe erkennt man weder auf Medianschnitten noch bei äußerer Betrachtung des Abdomens. Erst am fertigen Insekt finden wir Reste desselben in Gestalt zweier schmaler lateraler Stäbe wieder, die das Aftersegment übergreifen, das jetzt vollständig unter der elften Rückenschuppe verschwunden ist (Textfig. 6 XZIT), so dass diese die dorsale Abschlussplatte des Abdomens bildet. 476 Enoch Zander, Die einzelnen Theile der Anhänge nähern sich in den groben Umrissen ihrer definitiven Gestalt. Der Cardo hebt sich deutlich durch die Dieke seiner Epidermis von der Wand der Zapfen ab; der Duetus ejaculatorius senkt sich tiefer in das Lumen des Penis ein, in dem sich wie in den Valvae zahlreiche. Tracheen und einige Muskelbündel ansgebreitet haben. | Die Chitinisirung des Körpers, mit den Augen und Mundwerk- zeugen beginnend, schreitet während der folgenden Stadien langsam über Thorax und Abdomen hin. In der Anordnung der Skeletttheile tre- ten nur noch geringfügige Änderun- sen auf, nachdem sich die Chitin- ringe der einzelnen Segmente deutlich in Rücken- und Bauchschuppen ge- gliedert haben (Textfig. 7). Die elfte Bauchschuppe ist unter der zehnten verschwunden (Textfig. 7). Die Inter- | Textfie. 7. seementalmembran zwischen der elf- Anordnung der Segmente am fertigen Insekt, ten und zwölften Bauchschuppe senkt sich median in Form einer engen Tasche oralwärts tief in den Körper hinein. In ihr wird ein langer präsegmentaler Fortsatz der zwölften Ventralplatte, das Spiculum gastrale VERHOEFF’s, gebildet. An den Anhängen beginnt die feinere Modellirung. Vor Allem fällt zunächst an der medialen Wand jeder Valva externa eine vom ventral-analen Ende schräg dorsal ansteigende Falte (Fig. 11 u. 12 Ms) auf, die binnen kurzer Zeit zu jener stark chitinisirten und behaarten Schuppe auswächst, welche bei Vespa den Penis dorsal übergreift (Fig. 13 Ms). Eine zweite Neubildung beobachten wir jederseits an der Grenze zwischen Penis und Valvae. Hier senkt sich die Epi- dermis in Gestalt zweier Schläuche tief in die Leibeshöhle ein (Fig. 14 F). Ihre Chitinauskleidung erstarrt zu den beiden für das Penisrohr so charakteristischen oralen Fortsätzen (Fig. 3 F). Der Ductus ejaculatorius ist inzwischen an die beiden Vasa deferentia herangewachsen und liegt denselben im Anfangstheile des Penisrohres (Fig. 14 D.ej.u. Vd) innig an, ohne jedoch mit ihnen zu kommunieiren. Wann und wie sich diese Kommunikation vollzieht, kann ich nicht angeben, da selbst auf den ältesten Stadien, die noch die Mikrom- behandlung gestatten, immer eine deutliche Scheidewand zwischen den drei Kanälen vorhanden ist. Gleichzeitig senkt sich zwischen Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 477 dem Cardo und den Valvae eine Falte ein (Fig. 14 C), durch die beide deutlich von einander abgegliedert werden, um später nur durch eine zarte Membran verbunden zu bleiben. Während sich im Inneren der Anhänge ein reiches Muskelsystem ‚entfaltet, wird schließlich auf ihrer Oberfläche eine starke Chitinlage und an manchen Stellen ein dichtes Haarkleid abgeschieden, beginnend an den Valvae internae und den medialen Schuppen der Valvae externae, deren Wand zuletzt chitinisirt. Damit ist die Entwicklung des Geschlechtsapparates von Vespa beendigt, deren Studium uns zu dem wichtigen Resultate führt, dass die g' Geschlechts- 'anhänge im Gegensatz zum Stachelapparate keine morpholo- sischen Beziehungen zum Hautskelette eingehen, sämmt- liche Theile derselben entstehen vielmehr durch Diffe- renzirung eines einzigen Primitivzapfenpaares, das von der oralen Wand einer dem postsegmentalen Rande der zwölften Bauchschuppe benachbarten Genitaltasche vor- ‚wächst. | Nachdem ich die Entwicklung der männlichen Geschlechtsanhänge der Wespe klargelest hatte, wurde ich durch die Untersuchung von MICHAELIS veranlasst, meine ontogenetischen Befunde mit den Er- sebnissen bei Apis in Einklang zu bringen, in der Voraussetzung, dass die morphogenetische Vergleichung. leicht durchführbar sein würde. Ich wurde jedoch bald eines Anderen belehrt, da es mir absolut unmöglich war, eine auch. nur annähernd befriedigende Deu- tung zu geben. In Folge dessen stellte sich bald das Bedürfnis heraus, die Entwicklung des Geschlechtsapparates bei anderen Apiden zu studiren, um vielleicht so ein vermittelndes Glied zwischen Wespe und Biene zu finden. Da gerade bei Bombus der allgemeine Stil- typus des Begattungsorgans sehr stark modifieirt ist, glaubte ich bei dieser Species den Schlüssel zur Lösung des vorliegenden Problems suchen zu müssen und wurde in meiner Vermuthung nicht getäuscht. 2. Die Entwicklung der männlichen Geschlechtsanhänge von Bombus. Während Wespe und Hummel in der ersten Anlage der Ge- schlechtsanhänge völlig harmoniren, machen sich während der weiteren Entwicklung bei Bombus bald charakteristische Unterschiede geltend. Zunächst unterbleibt die distale Spaltung der Primitiv- zapfen in Valva interna und externa und es wird vom Primi- tivzapfen nur je ein dorsal-medialer Ast zur Bildung des Penis ab- 478 Enoch Zander, gegliedert (Fig. 15 P}). Mit der mächtigen Entfaltung der Valvae (Fig. 16 Ve) hält die Entwicklung der Penisanlagen gleichen Schritt; aber während dieselben bei Vespa frühzeitig zu einem einheitlichen Hohlgebilde verschmelzen, bleiben sie bei Bombus vollständig ge- trennt und wachsen zu zwei langen Zapfen aus (Fig. 16 ?.). Zwischen beiden senkt sich der mediale Grund der Genitaltasche blindsackförmig als erste Anlage des engen Ductus ejaculatorius (Fig. 16 D.ej.) ein. Gleichzeitig bildet sich der Cardo (Fig. 16 C) in ähnlicher Weise wie bei Vespa, aber in Form eines ventral und lateral schmalen, dorsal breiten Ringes, der sich später nur dorsal und lateral deutlich von den Valvae abgliedert. Gegen Ende der Nymphenzeit verschmelzen die basalen Theile der beiden Peniszapfen mit einander. Die dadurch um den Ductus ejaculatorius herum entstehende Höhlung weitet sich allseitig aus und wächst besonders oberhalb desselben zu einer langen gebogenen Zunge aus (Fig. 17 Sp), die später, stark chitinisirt, als Eigenthümlichkeit des männlichen Geschlechtsapparates von Bombus auffällt. HOoFFER und SCHMIEDE- KNECHT nennen sie Spatha. Der diesen Hohlraum durchziehende End- abschnitt des Ductus ejaculatorius (Fig. 17 D.ej.) erweitert sich be- trächtlich und ist in älteren Stadien eben so wie der engere, orale Ductusgang durch eine dicht mit langen Haaren besetzte Chitintapete ausgezeichnet (Textfig. 15). Während der letzten Entwicklungsstadien tritt an der ventral-medialen Wand der Valva externa, etwa an der gleichen Stelle, an welcher bei Vespa die Valva interna ihren Ur- sprung nimmt, eine annähernd quadratische Verdiekung auf, durch deren oberflächliche Chitinisirung jene winzige Chitinschuppe gebildet wird, die ich oben (p. 467) als letzten Rest einer Valva interna gedeutet habe; ihre völlige Funktionslosigkeit am fertigen Apparate erklärt die späte Anlage sehr einfach. Hand in Hand mit diesen Veränderungen der Primitivzapfen gehen die Verschiebungen der Hautskelettelemente. Während die elfte Rückenschuppe auch bei Bombus zur abdominalen Endplatte wird, sind die Bauchschuppen so stark über einander gerückt, dass nicht die zwölfte, sondern die zehnte Ventralplatte das Abdomen äußerlich abschließt. In Folge dessen werden die elfte und zwölfte Bauchschuppe, die nicht mit einander verwachsen, nur sehr schwach entwickelt. Zu den Geschlechtsanhängen treten sie niemals in Be- ziehung. Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 479 ‚3. Die Entwicklung der männlichen Geschlechtsanhänge von Apis. Überraschend leicht und einfach ergiebt sich jetzt die morpho- genetische Deutung des Kopulationsapparates der Biene. Auch bei Apis vollzieht sich in genau der gleichen Weise, wie bei Vespa und Bombus, an der zwölften Bauchschuppe die Bildung einer endständigen Genitaltasche, an deren oraler Wand ein einfaches Primitivzapfenpaar wuchert. Eine distale Spaltung der Anhänge erfolgt hier eben so wenig wie bei Bombus, wohl aber gliedert sich auch bei der Biene von der medialen dorsalen Wand der Zapfen je eine Wulst als Penisanlage ab (Fig. 18 P,, P,). Aber im Gegensatz zu Bombus senkt sich zwischen den beiden Zapfen- paaren der Ductus ejaculatorius frühzeitig von vorn herein als weiter Schlauch tief in den Körper hinein (Fig. 18 D.e.), um erst später einem engeren Gange den Ursprung zu geben Da die Entwicklung dieses Gebildes von MICHAELIS genau untersucht ist, brauche ich auf dieselbe hier nicht weiter einzugehen und kann mich auf die Schilderung des ferneren Schicksals der äußeren Anhänge beschränken, an deren Anlage sich sehr bald auffallende Verschiebungen bemerk- bar machen. Während nämlich bei Bombus die Valvaezapfen sich mächtig entfalten, bleiben dieselben bei Apis in der Entwicklung vollkommen hinter den Penisanlagen zurück, die zu zwei großen, die Geschlechtsöffnung allseitig umfassenden, Zapfen auswachsen (Fig. 19 Veuü. P,, P)). An der Grenze zwischen denselben und den jetzt weit zurückliegenden, winzigen Valvae (Fig. 19 Ve) senkt sich die Epidermis in charakteristischer Weise, wie bei Vespa und Bombus, zur Bildung der oralen Penisfortsätze ein (Fig. 19 F). Gleichzeitig verdickt sich wie bei Vespa und Bombus der orale Rand jeder Valva beträchtlich (Fig. 19 C); diese primitiven Cardoan- lagen gliedern sich jedoch niemals von den Valvae ab, sondern bleiben stets als einfache Randverdiekungen erhalten (Fig. 7 C). Die Chitin- ringe der letzten Segmente betheiligen sich auch bei Apis in keiner Weise am Aufbau des männlichen Geschlechts- apparates. Ihre Verschiebungen gehen in ähnlicher Weise vor sich wie bei den oben genauer geschilderten Arten, da die zwölfte Rückenschuppe bis auf zwei laterale Reste, die Zangenstiele bei MICHAELIS, redueirt wird, bildet die elfte Dorsalplatte die letzte äußerlich erkennbare Rückenschuppe. Ventral schließt die zwölfte Bauchschuppe, von der die Peniszapfen vorragen, das Abdomen ab, während die elfte Ventralschuppe besonders medial stark verkümmert. 480 Enoch Zander, Indem ich hiermit die Reihe der ontogenetischen Studien schließe, kann ich als wichtigste Ergebnisse derselben folgende That- sachen feststellen: 1) Nachdem meine auf vergleichend anatomische Be- trachtungen basirte Deutung des Kopulationsapparates der Biene durch die morphogenetische Vergleichung eine Be- stätigung gefunden hat, ist damit zum ersten Male der ein- heitliche Organisationsplan des männlichen Geschlechts- apparates aller Hymenopteren klar und unzweifelhaft be- wiesen. 2) Zugleich ergiebt sich aber auch das nicht minder interessante Resultat, dass die männlichen Geschlechts- anhänge im Gegensatz zum Stachelapparate nicht die ge- ringsten Beziehungen zum Hautskelette eingehen, sondern durchaus Bildungen eigener Art sind, deren sämmtliche Theile durch Differenzirung eines einzigen Primitiv- zapfenpaares entstehen. Da aus den ontogenetischen Befunden die vollkommene Unab- hängigkeit des Kopulationsapparates vom Hautskelette des vorletzten Körpersegmentes erhellt, lässt sich a priori annehmen, dass auch am fertigen Insekt alle erforderlichen abdominalen Bauch- und Rücken- schuppen vorhanden sein müssen. Wie schon VERHOEFF (8) be- hauptete, ist dies thatsächlich der Fall. Da aber die letzten Segment- ringe der Aculeaten stark redueirt und in einander geschoben sind, müssen wir das Hautskelett der Terebrantier studiren, deren ab- dominale Chitinringe, wenig über einander gelagert, sämmtliche Bauch- und Rückenschuppen deutlich erkennen lassen. An der Hand einer Tabelle, in die ich die wichtigsten Resultate meiner vergleichend- anatomischen Untersuchung eingetragen habe, will ich zum Schluss den Bau des abdominalen Hautskelettes männlicher Hymenopteren in aller Kürze erläutern (Tabelle III, p. 481). Bei Sirex und Cimbex zähle ich sieben deutlich in Bauch- und Rückenschuppen gegliederte Segmentringe. Die elfte Rücken- und zwölfte Bauchschuppe sind als Abschlussplatten des Abdomens charak- terisirt. Letztere bildet eine stark gewölbte, anal spitz ausgezogene sroße Schuppe, welche die Geschlechtsanhänge ventral und lateral umschließt, während die zwölfte Rückenschuppe auf zwei größere laterale, durch einen ganz schmalen medianen Steg verbundene, Plat- ten redueirt ist, an die sich das mit zwei Analtastern bewehrte After- segment anschließt. 481 nnl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. ma Beitr. zur Morphol. der 9qeIS 9STuL uopung.IoA SYnEy uwıp IIX -IOJIIULULEL TIOMZ AJIX | PIX? | -9u OyOnyS IfeLToye] 9AZ sıdy — — yougeBwioJ AIX | ua] Bu9Ipuy ZYESNIOT | IIX 3 wofe Io Jıut yYoıuyB ATX IX -pide] snqwog -9N9P AY9SIIIX — Zy88J10 | WOTRIO Ww | PIX | 9gugdg ofgwyas (BABP) snquog — 989 ATEIIIK] yoıyuye ATX IX snS.murd Z)ES}IOT U9JEIO ULZ = = -InY Jru 99Je]d Oydıppunı | 41OyIpow 1898 vtoydoyguvy YALaS u9pung.IoA uvıg =E = -}10,] Joeugw pun I9feıIo -ON y9ınp OYONIS OMZ | wunıpıyguvy Zy88 IIX ve x dk 2 710, J U9fEIO WOIZINN FI = vpodAseq PIX PA, ZYBSITO,T UO[LUE DIX 4ITOYIPoUL 3.1898} X M | | _ 699894 pun uoBıo woSue] u | SU9IPOF 89991109 94894 zyes | uosyora | g9orıwd SNIAUAPO AIIIX | 9IRIS "my9s 9MZ | -NIO T UOJEIO WmOSUE] ur -I9A AJJK Hu ‘ewyos] 01819 BdsaA — 9789 9TE.I9FE] ULIOFUOM AIX jvwyos pun ur snoreIA snjrdurog 9ZIRSIJIO T I]EIO E 3 9JUR] I9Ip "Oyıpour us | uro] eyeg9und-p BIOASIAT ZYBS}IO,T UO] = -8.I0 - OIPow WOZAINN JUL BOTULIO,T 198%} puıs 'punq.IsA 517 -[euy JwI]IX)| -neyuunp ugıpow HYeIq punı 997015 IX SITTABLIBA XIAWII | ee IATOMIS 1898 ‘5012 | wnı99ds "N SEILS XOILS -2] 9I9JNLS IOMZ vomäng | TIIX p IIX a p IX A A| sopodg HI 211° & 482 Enoch Zander, Die elfte Rückenschuppe der Aculeaten schließt stets das Abdo- men dorsal ab, die elfte Bauchschuppe dagegen zeigt ein sehr wech- selndes Verhalten. Bei Formieiden und einigen Apiden, den vor- herliegenden Schuppen konform, ist sie in anderen Fällen zu einer schmalen Spange redueirt, die bei Vespiden mit der zwölften Bauch- schuppe verwachsen ist. Bei einer javanischen Bombusart, die ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Wırr-Erlangen verdanke, be- obachtete ich dieselbe als selbständigen starken Chitinbogen. In Form zweier lateraler, durch schwächere Chitinhaut verbundene, Plat- ten tritt dieselbe bei Apis und Anthidium auf. Die zwölfte Bauch- schuppe ist meist stark modifieirt und durch einen oder mehrere orale Fortsätze ausgezeichnet. Deutliche Reste der zwölften Rücken- schuppen sind nachweisbar, wie aus der Tabelle III hervorgeht, bei Vespiden, Pompiliden und manchen Apiden. Das Aftersegment ist in Folge seiner schwachen Chitinisirung nur in seltenen Fällen deut- lich zu erkennen. Analtaster fehlen allen Aculeaten mit Ausnahme der Formieiden. Berücksichtigt man die Resultate meiner vergleichend-morpho- logischen Untersuchung des abdominalen Hautskelettes weiblicher Hymenopteren (15), so lässt sich nicht leugnen, dass die starken Mo- difikationen, denen in beiden Geschlechtern die Chitinringe des elften und zwölften Larvensegmentes während der Subimaginalzeit unter- liegen, zum Theil in analoger Weise vor sich gehen. Besonders deutlich tritt dies an der zwölften Rückenschuppe hervor, da die- selbe beim Männchen und beim Weibchen das Bestreben zeigt, in zwei laterale Stücke zu zerfallen. Bei weiblichen Terebrantiern als einheitliches » Epipygium« erhalten, ist dieselbe bei Aculeaten auf zwei laterale, »quadratische Platten« redueirt, die oft durch einen präsegmentalen Bogen zusammengehalten werden. Eben so beobachtet man beim Männchen bisweilen Rudimente der zwölften Rücken- schuppe in Gestalt lateraler Platten und Stäbe, am deutlichsten bei Terebrantiern (Sirex, Cimbex), aber auch bei manchen Aculeaten (Apis, Vespa). In den meisten Fällen ist diese Schuppe jedoch beim Männchen völlig verkümmert, da sie weder zu den Anhängen m Beziehung tritt, noch auch in Folge der mächtigen Entwicklung der elften Rückenschuppe als Endplatte des Abdomens irgend welche Bedeutung hat. Ein anderes Verhalten zeigt aber die elfte Bauchschuppe. Wäh- rend dieselbe im weiblichen Geschlechte stets bis auf die präsegmen- tale und laterale Randleiste, die als Stechborstenbogen und Winkel Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 483 dem Stachelapparate angefügt werden, redueirt ist, erscheint sie bei den Männchen meist ansehnlich, und wenn auch bisweilen (javanische Bombus, Apis, Vespa) schmale präsegmentale und laterale Reste der elften Ventralplatte auffallen, so ist sie doch in der Regel als voll- ständige, wenn auch oft schwach chitinisirte Bauchschuppe vor- handen. Wesentlich verschieden sind ferner die elfte Rücken- und zwölfte Bauchsehuppe beim Männchen und Weibchen gestaltet. Die elfte Rückenschuppe, die bei weiblichen Terebrantiern zwar als äußerlich sichtbare, einheitliche, Schuppe den vorhergehenden angereiht, bei Aculeaten aber sammt dem Stachelapparate in den Körper hineingezogen und mehr oder weniger vollständig in zwei laterale Stücke zerfallen ist, bildet beim Männchen stets die stark entwickelte dorsale Abschlussplatte des Abdomens. Die zwölfte Bauchschuppe weiblicher Hymenopteren ist eben so wie die elfte unter Anpassung an die veränderte Funktion als ein Komplex von unter einander zusammenhängenden Platten und Bogen (oblonge Platten, Rinnenwulst und Schienenbogen) an den Stachel- apparat herangetreten, während im männlichen Geschlechte eine ent- sprechende Gliederung vollkommen vermisst wird und der prägenitale Theil dieser Ventralplatte stark ehitinisirt, um unter mannigfachen specifisehen Modifikationen das Abdomen ventral sichtbar abzu- schließen. Die Homologie der männlichen und weiblichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren. Es erübrigt mir noch, die Frage zu erörtern, ob wir den weib- lichen Stachelapparat und die männlichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren als morphologisch gleichwerthige Bildungen betrachten dürfen. Oberflächliche anatomische Studien oder einzelne, aus dem genetischen Zusammenhange herausgerissene, entwicklungsgeschicht- liche Beobachtungen haben die wenigen Autoren, die diesem Probleme näher getreten sind, verleitet, die Homologie der Gonapophysen in beiden Geschlechtern zu behaupten. BURMEISTER (1) hat nach seiner eigenen Angabe zuerst diese Ansicht vertreten. Die weibliche Scheide werde in allen Fällen eben so. gut wie die männliche Ruthe aus Horngräten und -Leisten gebildet, welche durch weiche Haut verbunden seien. Treten diese Gräten über den Hinterleib hervor, so bilden sie den Legestachel oder die Legescheide, welche in ihrem ganzen Bau die unverkenn- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. : 32 484 Enoch Zander, barste Ahnlichkeit mit dem Penis habe. Ja selbst die männlichen Zeugungstheile der Wespen stimmen sogar in der Zahl und Lage der einzelnen Stücke ganz überein mit dem Stachel der Weibchen, so dass die Behauptung nicht mehr gewagt erscheine, dass der Lege- apparat, als übereinstimmend im Bau mit der Ruthe, der Clitoris höherer Thiere entspreche. Während den phantastisch -theoretischen Betrachtungen Bur- MEISTER S nur ungenügende grob-anatomische Studien zu Grunde liegen, basirt der Versuch KrAEPpELIN’s (3), das vorliegende Problem zu lösen, auf entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen an der Biene, dem denkbar ungünstigsten Objekte für derartige Studien. Ausgehend von der Annahme, dass im männlichen Geschlechte, eben so wie im weiblichen, die elfte Bauchschuppe und der zwölfte Segmentring zum Geschlechtsapparate gehören, ließ KRAEPELIN sich durch die Beobachtung, dass auch an der zwölften Bauchschuppe der Drohne zwei Paar von Zapfen angelegt würden, verleiten, die Homo- logie folgender Theile der männlichen und weiblichen Geschlechts- anhänge zu behaupten: ö| Peniszapfen, | Valvae | XIv XIIv | XHd Ä (Winkel + | a! Q | Stachelrinne, |Stachelscheiden |}Stachelrinnenbogen + Rinnenwulst | hePlatt | | |Stechbortenschenkel, ne: Diese Deutung ist heute nicht mehr berechtigt nach den Ergeb- nissen der Untersuchungen von MICHAELIS und mir, aus denen un- zweifelhaft hervorgeht, dass sich das Hautskelett nicht am Aufbau der männlichen Geschlechtsanhänge betheilist und dass an der zwölften Bauchschuppe bei allen Hymenopteren nur ein Paar An- hänge entstehen, deren weitere Differenzirung allerdings, besonders bei Apis, die Anlage von vier gesonderten Zapfen vortäuschen kann. Damit fallen auch diejenigen Argumente, die KRAEPELIN glaubte aus seinen Befunden an Zwitterbienen ableiten zu können. Herr Prof. Dr. KKAEPELIN war so liebenswürdig, mir die Präparate, die er seinen Abbildungen zwitteriger Apparate zu Grunde legte, zur Verfügung zu stellen, wofür ich demselben auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. So interessant diese Bil- dungen an sich sind, für die Homologie des Stachelapparates und der männlichen Geschlechtsanhänge liefern sie keine schlagenden Be- weise, denn zwei derselben scheinen mir nichts weiter zu sein als mehr oder weniger unvollkommen entwickelte Legestachel, während Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 485 aus dem dritten mit vollständigem Penis und halbem Stachel nichts zu erschließen ist. & In neuester Zeit hat Heymons (13) die vorliegende Frage flüchtig gestreif. Wenn man die Geschlechtsanhänge, so meint er, nicht auf embryonale Extremitätenanlagen zurückführe, sondern als einfache Hautausstülpungen betrachte, so könne man wenigstens in den Grundzügen eine morphologische Übereinstimmung zwischen den Legeapparaten der Weibchen und den männlichen Geschlechts- anhängen annehmen, zumal beide im Wesentlichen aus denselben Hypodermiswucherungen hervorgehen. Da generell alle Anhänge des Insektenkörpers als Hautausstül- pungen angelegt werden, ist es mir nicht recht verständlich, warum HEYMmoNs zu dieser denkbar allgemeinsten Eigenschaft seine Zuflucht nimmt, um, wie es scheint, den Gedanken an eine Homologie der männlichen und weiblichen Geschlechtsanhänge nicht ganz aufgeben zu müssen. Wenn diese Eigenthümlichkeit für die morphologische Übereinstimmung zweier Anhangsbildungen ausschlaggebend sein soll, so steht ja damit auch der Homologisirung der Gonapophysen mit den Extremitäten Thür und Thor offen, denn Epidermiswucherungen sind doch die Brustbeine sicher eben so gut, wie die Geschlechts- anhänge. Daraus geht hervor, dass von den genannten Autoren auch nicht der geringste positive Beweis für die Homologie der männlichen und weiblichen Gonapophysen erbracht ist. Zum Schlusse will ich diejenigen Thatsachen präcisiren, die meiner Ansicht nach wenigstens für die Hymenopteren die morphologische Übereinstimmung dieser Organe unbedingt ausschließen. Da der Stachelapparat, wie ich in einer früheren Arbeit aus- führlich dargelegt habe, zum Theil aus einem Paar Anhängen der elften und zwei Paaren der zwölften Bauchschuppe, zum Theil aus der diesen benachbarten Körperhaut her- vorgeht, während sich aus der vorliegenden Untersuchung ergiebt, dass sich sämmtliche Theile der reichgegliederten männ- lichen Geschlechtsanhänge lediglich auf ein einziges Aus- wuchspaar der zwölften Bauchschuppe zurückführen lassen, so können beide Apparate als Ganzes unmöglich homolog sein. Nichtsdestoweniger ist die Frage berechtigt, ob nicht wenig- stens die Anhänge der zwölften Bauchschuppe in beiden Geschlech- tern homolog sind. Ä Im weiblichen Geschlechte werden, wie Dewırz (4) und KAHLEN- 392 486 Enoch Zander, BERG (12) nachgewiesen haben, an dieser Bauchschuppe vier von Anfang an getrennte Zapfen angelegt, im männlichen dagegen nur zwei unmittelbar neben der ventralen Medianlinie. Da von den vier weiblichen Gonapophysen nur die beiden medialen, die zur Stachel- rinne verschmelzen, hier in Betracht kommen können, so müssen wir untersuchen, ob die Stachelrinne und der ganze männliche Geschlechtsapparat, so heteromorph beide auch im ausgebildeten Zustande sind, nicht vielleicht in der ersten Anlage vergleich- bar sind. Aber schon in den jüngsten Entwicklungsstadien machen sich durchgreifende Verschiedenheiten bemerkbar. Textfig. 8. | Textfig. 9. Textfig. 8. Anlage der männlichen Geschlechtsanhänge von Vespa germ. G, Genitaltasche. Textfig. 9. Anlage des Stachelapparates von Vespa germ. Wie ein Blick auf die Textfiguren 8 und 9 deutlich erkennen lässt, liegt die männliche Genitalgrube bei Vespa durch- aus endständig, d.h. sehr nahe am postsegmentalen Rande, wäh- rend die weibliche Geschlechtsanlage vorderständig ist. Da von GRABER (8) und Haase (9) darauf hingewiesen wurde, dass die wechselnde Lage der Anhänge an den Segmenten ein Hindernis für ihre Homologisirung bilde, glaube ich auch im vorliegenden Falle nachdrücklich auf dieses unterschiedliche Merkmal aufmerksam machen zu müssen. In der Genitalgrube beider Geschlechter entsteht zunächst in genau der gleichen Weise, wie etwa die Thorakalbeine oder die Flügel angelegt werden, durch Epidermiswuche- rung ein Zapfenpaar, indem an diesen Stellen ein der späteren Ent- Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 487 faltung der Anhänge adäquates Baumaterial angehäuft wird. Diese generelle Thatsache berechtigt uns jedoch durchaus nicht, die männ- lichen und weiblichen Gonapophysen zu homologisiren, zumal ihre weitere Entwicklung vollständig differente Wege einschlägt. Während das winzige Zapfenpaar der weiblichen Anlage, neben dem schon frühzeitig je ein selbständiger lateraler Anhang sprosst, zu einer schmalen Stachelrinne verwächst, bildet sich das von Anfang an mächtige Primitivzapfenpaar der Männchen durch sekundäre Spal- tung und Gliederung zu jenem komplieirten Geschlechtsapparate um, den wir am fertigen Insekt bewundern. Endlich ist auch die verschiedenartige Umbildung der zwei vor- letzten Segmente ais ein wichtiger Grund gegen die Homologisirung der Geschlechtsanhänge anzuführen. Ich komme mithin zu dem Schlusse, dass der Stachelapparat und die männlichen Geschlechtsanhänge weder in to0to noch in ihren Theilen irgend welche morphologische Übereinstimmung erkennen lassen. Beide sind total dif- ferente Bildungen. Es war also ein verfehlter Versuch, die bei Säugethieren unzweifelhaft bestehende Homologie der äußeren Ge- schlechtstheile beider Geschlechter ohne eingehende Prüfung auch für die Ordnung der Hymenopteren als gültig zu behaupten. Erlangen, November 1899. Litteraturverzeichnis. 1. BURMEISTER, Handbuch der Entomologie. Berlin 1832. LEON DUFOUR, Recherches anatomiques et physiologiques sur les Ortho- pteres, les Hymenopteres et Neuropteres. M&m. de T’acad. des sc. sav. etrangers. 2e Serie. T. VII. p. 404. 1841. 3. KRAEPELIN, Untersuchungen über den Bau, Mechanismus und Entwicklungs- geschichte des Stachels der bienenartigen Thiere. Diese Zeitschr. Bd. XXIM. p. 289. 1873. 4. Dewirz, Über Bau und Entwicklung des Stachels und der Legescheide einiger Hymenopteren und der grünen Heuschrecke. Diese Zeitschr. Bol ORTES ed leide, ANDRE, Species des Hymönopteres d’Europe et d’Algerie. 1882—1896. SCHMIEDEKNECHT, Apidae europaeae. Berlin 1882—1884. HoFFER, Die Hummeln Steiermarks. Graz 1883. GRABER, Über Polypodie bei Insektenembryonen. Morph. Jahrb. Bd. XII. p. 586. 1888, - nz Ass Enoch Zander, 9. E. Haase, Die Abdominalanhänge der Insekten mit Berücksichtigung der Myriopoden. Morph. Jahrb. Bd. XV. p. 331. 1889. 10. VERHOEFF, Finden sich für die Laminae basales der männlichen Coleo- pteren Homologa bei Hymenopteren? Zool. Anz. XVI. p. 407. 1893. 11. M. Kruse, Das männliche Geschlechtsorgan von Vespa germanica. Arch. für Naturgesch. Jahrg. LXI. p. 159. 1895. 12. KAHLENBERG, Über die Entwicklung des Stachelapparates etc. bei der Honigbiene. Dissertation. Erlangen 1895. 13. HEYMmoNns, Zur Morphologie der Abdominalanhänge bei den Insekten. Morph. Jahrb. Bd. XXIV. p. 178. 1896. 14. MicHAELIS, Bau und Entwicklung des männlichen Begattungsapparates der Honigbiene. Diese Zeitschr. Bd. LXVIH. p. 438—459. 1900. 15. ZANDER, Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der ee Diese Zeitschr. Bd. LXVI, 2. p. 289. 1899. Erklärung der Abbildungen, In allen Figuren bedeutet: blau = Penis, gelb = Valva interna, violett = Ductus ejaculatorius, srün = Cardo. roth = Valva externa, A, After; P, Penis; @, Eardo: Pı, Ps. Peniszapfen ; D.ej, Ductus ejaculatorius; Sp, Spatha; F, oraler Penisfortsatz; Vd, Vas deferens; Gt, Genitaltasche; Ve, Valva externa; Ms, mediale Schuppe der Valva ex- Vi, Vaiva interna. terna; Tafel XXVII. Männliche Geschlechtsanhänge von Sirex gigas, ventral, Discolia 4-punctata, ventral, Vespa germanica, rechte Hälfte von innen gesehen. Valvae von Anthophora, ventral. Männlicher Geschlechtsapparat von Bombus, rechte Hälfte von innen. Fig. Hinterleibsende einer Drohne, anal-lateral gesehen. Fig. Geschlechtsanhänge von Apis, rechte Hälfte von innen. Fig. 8—10, 15—19 sind nach Konstruktionsmodellen gezeichnet. Fig. 8—14, Vespa germanica. Fig. 8. Geschlechtsanhänge von der Dorsalseite, paarige Anlage des Penis 4, P3). 40:1. Fig. 9. Verschmelzung.der Penisanlagen. Dorsalansicht. 25:1. Fig. 10. Die dorsale Hälfte des der Fig. 9 zu Grunde liegenden Modelles abgetragen, um die Anlage des Cardo sichtbar zu machen (C). 25:1. Fig. 11. Mehr N Querschnitt durch die Geschlechtsanhänge, erste An- Fig. 12. Mehr oraler } lage der medialen Schuppe (Ms) der Valva externa. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Seosppb- Beitr. zur Morphol. der männl. Geschlechtsanh. der Hymenopteren. 489 Fig. 13. Querschnitt, mediale Schuppe vollständig ausgebildet. Fig. 14. Transversalschnitt durch den Geschlechtsapparat: Anlage der ora- len Penisfortsätze (F), Beziehungen des Ductus ejaculatorius (D.ej) zu den Vasa deferentia (Yd), Abgliederung des Cardo (C) von den Valvae externae (Ve). Figg. 15—17. Bombus. Fig. 15. Primitivzapfen mit Penisanlage (?}) von der Medialseite gesehen. 40:1. Fig. 16. Zapfen derselben Seite, älteres Stadium. Anlage des Ductus eja- eulatorius (D.ej), des Cardo (C') und des oralen Fortsatzes des linken Penis- zapfens (F). 30:1. Fig. 17. Linke Penishälfte, Verschmelzung der basalen Theile der Penis- zapfen (Sp). Erweiterung des in dieser Höhlung liegenden Ductusabschnittes (D.ej).. 30:1. Fig. 18 und 19. Apis. Fig. 18. Anlage der Peniszapfen (?}, P) an der dorso-medialen Wand der Primitivzapfen, zwischen denen sich der Ducetus als weiter Schlauch (D.ej) ein- senkt. Dorsalansicht. 40:1. Fig. 19. Ventrale Hälfte eines Modelles, das die Verschiebung der Penis- anlagen (?,, P5) und der Valvae, sowie die Anlage des Cardo (C) und der oralen Penisfortsätze (F') zeigt. Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. Cephalopoden. Von Wl. Schimkewitsch (St. Petersburg). Mit Tafel XXVII—XXXI Die hier mitgetheilten Untersuchungen wurden von mir im Jahre 1898 auf der zoologischen Station der Insel Tatihou bei St. Vaast- a-Hougue (Normandie) angestellt. Dem Direktor der Station, Herrn Prof. PERRIER, sowie Herrn Dr. MALARD, dessen Stellvertreter, möchte ich auch an dieser Stelle meine aufrichtige Dankbarkeit für die mir in so liebenswürdiger Weise zu Theil gewordene Gastfreundschaft aussprechen. Als Objekt für meine Untersuchungen dienten Eier von Zodigo vulgaris (Lmk.) und zwar wurden diese Eier im Stadium der Furchung oder der Mesodermbildung dem Wasser entnommen'!. Zwei bis drei Eierschläuche wurden behutsam von der gemeinsamen Masse abge- löst, in bedeckte Gefäße von 700 cem Inhalt übergeführt und dem in diesen Gefäßen enthaltenen Wasser sodann verschiedene Substanzen 1 Der Einfachheit halber nenne ich das innere Blatt der Cephalopoden ein- fach »das Mesoderm«<, obgleich es vielleicht richtiger wäre, dasselbe »Meso-Ento- derm<« zu benennen; die Dotterhaut der Autoren hingegen bezeichne ich als Merocytenhülle oder als Merocytenschicht. Bezüglich ihres Ursprungs schließe ich mich ganz der Ansicht VIALLETON’s an, d. h. ich halte sie für ein Produkt der Segmente oder Blastoconen. Vgl. VIALLETON, Recherches sur les premieres phases du developpement de la Seiche (Sepia officinalis). Ann. d. sc. nat. 7. ser. T. VI, 1888, und ferner WATASE, Observat. on the development of Cephalo- podes etc. Stud. Biol. Labor. J. Hopkins Univ. Baltimore, Vol. VI, 1886 sowie FAussEKX, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Arb. St. Petersburger Naturf. Ges. Vol. XXVIIL Heft 2. 1897 (russisch). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVIL. Bd. Se 492 | Wi. Sehimkewitsch, beigemischt. Die Durchlüftung erfolgte auf eine so primitive Weise, dass sie beinahe als Null betrachtet werden kann. Es war mein ur- sprünglicher Gedanke in erster Linie die Wirkung solcher Substanzen . zu studiren, welche in Organismen selbst vorkommen, wie Guanin und andere; ich überzeugte mich aber bald davon, dass die chemischen Eigenschaften der Substanzen bei diesen Versuchen nur eine unter- geordnete Rolle spielen, in Bezug auf diejenigen Entwicklungsstadien wenigstens, mit welchen ich experimentirte. In gewissen Lösungen schreitet die Entwicklung weiter voran, in anderen hört sie früher auf; in einigen sind die abweichenden Erscheinungen mehr ausgesprochen, in anderen weniger. Häufig aber rufen äußerst verschiedenartige Substanzen das Erscheinen gleicher anormaler Abweichungen hervor, indem gewisse, durch die Einwirkung der Lösungen hervorgerufene Formveränderungen des Eies, augenscheinlich als Hauptfaktoren dieser Abweichungen zu betrachten sind. Die der Eiweißmasse entnommenen Eier wurden in Sublimat oder in Sublimat plus Essigsäure konservirt, und an Schnitten unter- sucht (Boraxkarmin, Xylol, Paraffın). Koncentrirtes Seewasser. (Taf. XXVIIL, Fig. 1, 2, 5; Taf. XXIX, Fig. 22—29 und 31.) Vor Allem sollen die Aberrationen besprochen werden, welche während der Entwicklung in stehendem koncentrirten Seewasser auf- treten. Die Eier wurden in offene flache Schalen gelegt, und das in letzteren befindliche Wasser einer natürlichen Koncentration durch Verdampfen unterworfen. Dabei traten neben normal sich ent- wickelnden Keimen auch abnorme Formen auf. In den ersten Tagen der Entwicklung wurden folgende Aberrationen beobachtet: einzelne Eier zeigten eine Einschnürung längs dem Äquator (Fig. 1 und 2, vgl. auch Fig. 16, 19), oder parallel zu ihm; an anderen bildeten sich am unteren (vegetativen) Pol Extraovate in Gestalt einer größe- ren oder geringeren Menge von ausgetretenem Dotter (Fig. 24, 29). Am achten Tage erwies es sich, dass ein Theil solcher Eier in der Entwicklung aufgehalten war, ein anderer Theil aber fortfuhr, sich weiter zu entwickeln. Eine Untersuchung an der Hand von Schnitten ergab Folgendes: die Ausscheidung einer gewissen Menge von Dotter kann ganz ohne Einfluss auf die Entwicklung bleiben, und es ergiebt sich schließlich doch ein normal entwickelter Keim. An demjenigen Ende des Eies aber, wo das Extraovat entstanden war, bemerkt man, dass die Zellen des Keims in den Dotter einge- Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 493 sunken sind und die nach dem Austreten des Dotters entstandenen Ver- tiefungen und vacuolenartigen Höhlungen ausfüllen, indem sie sich in letzteren in Gestalt kleiner Häufchen ansammeln (Fig. 22). Diese Er- scheinung tritt auch dann ein, wenn dasEktoderm dasEi noch nicht ganz umwachsen hat. Es ist ziemlich schwierig zu entscheiden, welchem Keimblatt diese sich versenkenden, gewöhnlich ovalen oder runden Zellen, zugezählt werden missen. Zu Gunsten ihrer Abstammung von Elementen, aus welchen sich die Merocytenhülle aufbaut, sprechen die Beobachtungen VIALLEToN’s (l. ec. p. 240) bezüglich der Aus- breitung dieser Elemente über die Oberfläche des Eies bei normalem Entwieklungsgang; dagegen lässt sich aber auch die Möglichkeit nicht bestreiten, dass diese Elemente auf Kosten anderer Bestand- theile des Keims entstehen, z. B. des Mesoderms. Werden die nach dem Austreten des Extraovates noch bleibenden Vacuolen neuerdings durch Dotterpartikel angefüllt, so nehmen die in Rede stehenden Zellen eine zusammengedrückte Gestalt an, und erinnern so an typische Merocyten (Fig. 23). Diese Zellen werden bei der Entwicklung des Eies in schwacher Methylenblaulösung sehr deutlich sichtbar. Die Gegenwart des Methylenblaus hindert die normale Entwicklung wäh- rend mindestens einer Woche in keiner Weise, doch zeigen dabei die Chromatinkörnchen der Keimzellen eine vitale Färbung. Die sich am unteren Pol in den Dotter einsenkenden Zellen dagegen — im Process erhöhter Ernährung befindlich — färben sich einigermaßen anders und zwar wird das Plasma der Zelle selbst schwach gefärbt, der Kern hingegen stärker, und dabei färbt sich letzterer gleichmäßig und diffus! (Fig. 24). Was die Eier mit der oben erwähnten Einschnürung betrifft, so beobachtet man an ihnen eine sehr interessante Erscheinung (Fig. 25), i Vgl. ScHIMKEWITSCH, Über einige Anwendungen der Methylenblaufärbung. Arb. St. Petersburger Naturf. Ges. T. XXIX. 1898—1899. (Vgl. auch PRZEMYCKI, Über die intravitale Färbung des Kerns und des Protoplasmas. Biol. Centralbl. XVNH. 1897.) Die vitale Färbung der Kerne bietet einen wesentlichen Vorzug: indem sie die Durchsichtigkeit des lebenden Objektes erhält, gestattet sie das erste Erscheinen der Organanlagen am Keime zu beobachten, wenn diese sich nur erst als einfache Anhäufung von dicht an einander gelagerten Kernen, be- dingt durch den erhöhten Theilungsprocess, bemerklich machen. An dem in Fig. 24 abgebildeten Keim bemerkt man, dass die Anlage des ersten Armpaares in sehr enger Beziehung zu den vorderen Trichterfalten steht, und dass über- haupt die dem Trichter zunächst liegenden Anlagen Anfangs einander mehr ge- nähert sind, als dies bei den übrigen Anlagen der Fall ist. Dieser Umstand spricht wiederum für die Annahme, dass Trichter und Arme ursprünglich jeder- seits eine gemeinsame Anlage besaßen. 33* 494 | WI. Schimkewitsch, indem nämlich die ganze durch die Einschnürung abgegrenzte untere Hälfte des Eies nicht von Zellen bedeckt wird, sondern nackt bleibt. Der ganze Keim wird nur im Bereiche der oberen Eihälfte gebildet, _ wobei fast alle Organe augenscheinlich in der gewohnten Weise an- gelegt werden. Die Anlagen der Arme sind aber nicht von einander getrennt, sondern haben das Aussehen einer einheitlichen, den Keim umfassenden, ringförmigen Verdiekung. Ferner fehlt die Schalen- drüsenanlage, obgleich der Keim eine wohlentwickelte Mantelanlage besitz. Hat die Einschnürung unterhalb des Äquators stattgefunden, so wachsen die Keimblätter bis an die Einschnürung heran, und stellen dann ihr Wachsthum ein (Fig. 1 und 2). Der Keim entwickelt sich beinahe normal, obgleich die Arme in Gestalt einer gemein- samen ringförmigen Anschwellung persistiren, und nicht als iso- lirte Theile. Das Studium von Schnitten ergiebt Folgendes: der Ektodermrand (Fig. 25 A, B) besteht gewöhnlich aus Reihen großer Zellen, welche an Größe immer mehr zunehmen, je näher sie dem Rande kommen, wo dann die allergrößte Randzelle liegt. Das Meso- derm und die Merocytenhülle wachsen bisweilen weiter, über den Rand des Ektoderms hinaus. Das Ektoderm, indem es mit der großen Randzelle an die Vertiefung des Dotters stößt, bildet oberhalb der Einschnürung einen ringförmigen Wulst, dessen Höhlung von stern- förmigen Mesodermzellen angefüllt wird, welche den Charakter eines embryonalen Bindegewebes annehmen. An einzelnen Stellen aber (Fig. 25 CO) überwinden die Ektodermzellen, wenn sie ihre maximale Größe erreicht haben, so zu sagen das Hindernis und lassen eine neue Reihe von Zellen entstehen, doch nehmen die Zellen dieser Reihe mit der Entfernung von der großen Zelle nach dem unteren Pole zu an Größe ab. Die Randzellen des Keimes, der in Fig. 1 und 2 dargestellt ist, weisen ein komplicirteres Bild auf (Fig. 25). Die ektodermale Reihe ist mehr in die Länge gezogen, besonders auf der Seite wo der Trichter liegt, und endet mit der größten Zelle, welche bisweilen zwei Kerne enthält. An diese Reihe schließt sich aber noch eine kleine Anhäufung von Zellen, von denen ein Theil unzweifelhaft mesodermalen Ursprungs ist; es sind dies kleine Zellen von unregelmäßiger Gestalt. Der andere Theil dieser Zellen besteht augenscheinlich aus umgebogenen Ektodermzellen; bisweilen sind sie sehr scharf von den Mesodermzellen gesondert (Fig. 26 A) und meist in einer Reihe angeordnet, deren Zellen allmählich mit ihrer Ent- fernung von der großen Randzelle an Größe abnehmen. Die Kerne aller großen Zellen besitzen zwei bis drei Chromatinkörner von an- Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 495 sehnlicher Größe. Ein solches Verschmelzen der kleinen Chromatin- körnchen zu größeren Massen ist das erste Anzeichen der Degenera- tion!. Ein weiteres Anzeichen der Degeneration ist das Auftreten von Vacuolen in den Zellen, welche ein eigenthümliches und von dunkler Granulation umgebenes Körperchen mit einem inneren, stark liehtbrechenden Körnchen einschließen. Die eben beschriebene Anordnung der Zellen erinnert lebhaft an die teloblastischen Reihen, welche bei vielen embryonalen Processen eine so gewöhnliche Erscheinung bilden. Die Neigung zur Vergrößerung ist den Zellen des Ektoderms, welches den Dottersack der Cephalopoden bedeckt (Blastoderm der Autoren), unzweifelhaft eigenthümlich. KOoRSCHELT? bildet (seine Fig. 20 und 22, Taf. XXXVI) sehr große cylindrische Zellen des Ektoderms in der Nähe der Einschnürung ab, welche den Dottersack von dem Keim selbst trennt. Außer der Bildung von Extraovaten und Einschnürungen kann man bei Eiern, welche sich in koncentrirtem Seewasser entwickeln, auch eine einfache Hemmung in der Entwicklung beobachten. So zeigt die Fig. 27 einen Schnitt durch ein Ei, welches beim Beginne der Mesodermbildung in seiner Entwicklung stehen geblieben ist; am vierten Tage weist ein solches Ei eine nur kleine Ektodermkappe auf, mit Überresten von Segmenten (Blastoconen) und nur wenigen mesodermalen Zellen in ihrem Inneren. Am sechsten Tage unter- liegen alle Kerne eines solchen Keims der Degeneration (Fig. 28), und nehmen eine blasenförmige Gestalt an, mit unregelmäßigen, an der Peripherie des Kernes gelegenen Chromatinanhäufungen. Es wird unmöglich, das Mesoderm von dem Ektoderm zu unter- scheiden und die ganze Keimscheibe bildet einen vielschichtigen Zellhaufen, welcher etwas in den Dotter versenkt ist. Die Degeneration kann auch in älteren Stadien eintreten. Fig. 29 zeigt ein intra vitam mit Methylenblau gefärbtes Ei, an welchem drei Zonen unterschieden werden können: eine untere, mit einer Ansamm- lung von Zellen am Pol, welche in die Tiefe des Dotters eingesunken sind, repräsentirt die Zone der flachen ektodermalen Zellen. Eine höher liegende Zone ist mit dichter gelagerten gewöhnlichen Ekto- 1 Der normale Bau der Kerne in der Keimscheibe der Cephalopoden ist von ERLANGER beschrieben worden (Zur Kenntnis der Zell- und Kerntheilung etc. Biol. Centralbl. XVII. 1897). \ 2 KORSCHELT, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Festschrift zum 70. Geburtstage LEUCKART’s. Leipzig 1892. 496 st WW: Sehinikewitsch, dermzellen bedeckt, und enthält zahlreichere Mesodermzellen; die Zellen liegen in dieser Zone so dicht an einander, dass die den ein- zelnen Kernen angehörenden Chromatinkörnchen eine ununterbrochene . Schicht bilden, nicht aber einzelne Gruppen, welche je einem der Kerne entsprechen, wie dies in der unteren Zone der Fall ist. Die oberste Zone endlich besteht aus Zellen, in welchen das Chromatin einzelne, wenig zahlreiche Anhäufungen bildet, was ein Merkmal für die Degeneration ist. Dabei haben nur verhältnismäßig wenige Kerne die Fähigkeit beibehalten, sich intra vitam zu färben, woher sie auch wie spärlich zerstreut erscheinen. Weiter versuchte ich Eier in Glykogenlösung zu halten (0,5 & auf 700 cem Wasser, d. h. 1/,,°/,ige Lösung); da aber dieser Versuch nicht zu Ende, d. h. nicht bis zu derjenigen Periode, wo die Embryonen die Lösung durch den Darmtractus in sich aufnehmen konnten, ge- führt wurde, so müssen die dabei auftretenden Abweichungen als solche betrachtet werden, wie sie im koncentrischen Seewasser auf- treten. In der That waren diese Abweichungen den soeben beschrie- benen auch ähnlich. | Die Eier wurden nach fünf und sieben Tagen untersucht. Einige Eier entwickelten sich normal und erreichten ein, der Fig. 656 C’ von KOoRSCHELT und HEIDER! entsprechendes Stadium, andere blieben in der Entwicklung stehen. Der obere Theil der Eier war von dem Keim bedeckt, der untere dagegen vollständig nackt, wobei der Keim an seinen Rändern eine wulstförmige Verdiekung bildete (Fig. 5). Die Untersuchung an Schnitten ergab, dass wir es hier mit einer eben solchen Bildung teloblastischer Reihen zu thun haben, wie sie oben beobachtet worden waren. Das Ektoderm, welches einen ringförmigen Wulst bildet, zeigt dabei an einigen Stellen (Fig. 31 A) zahlreiche Faltenbildungen, und endet mit großen, nach innen um- gebogenen Zellen. Bisweilen kommt es nicht zur Bildung von Falten, und der Wulst ist dann einfach durch den Randwulst des Ektoderms (B) gebildet. Der Hohlraum des Randwulstes ist von gewöhnlichen Mesodermzellen ausgefüllt. Bisweilen trennt das Mesoderm, indem es fortfährt nach unten hin sich auszubreiten, die großen Randzellen vom Ektoderm ab (Fig. 31 B und C), so dass die Randzellen eine selbständige Gruppe bilden. Es muss bemerkt werden, dass eine Einschnürung in dem Sinne, wie wir sie im analogen Falle bei einer ähnlichen Anomalie gesehen haben, im gegebenen Falle nicht stattfindet, sondern dass die obere * Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte. Jena 1893. Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 497 Eihälfte im Vergleich mit der unteren gewissermaßen zusammen- gedrückt erscheint, und der Rand der Keimscheibe sich an den da- durch gebildeten Vorsprung des Dotters stützt. Einzelne von den Randzellen weisen ein Zusammenfließen der Chromatinkörnchen in srößere Massen (D) auf, andere dagegen bewahren den normalen wabigen Charakter des Chromatins. In dem Ektoderm des oberen Keimabschnitts, sowie im Mesoderm des Walls wurden karyokine- tische Figuren vom normalen Typus beobachtet. Andere Eier endlich zeigen eine Entwicklungshemmung auf dem unmittelbar nach der Bildung des Mesoderms folgenden Stadium. Nachdem wir nun einiges Vergleichsmaterial gesammelt haben, können wir zur Besprechung derjenigen Aberrationen von der Norm schreiten, welche in Gefäßen mit Beimischung fremder Substanzen beobachtet wurden. Orthochlorphenolum carbonicum. (Taf. XXVIU, Fig. 3, 4 und Taf. XXIX, Fig. 30.) In Anbetracht der geringen Löslichkeit dieser Substanz kamen koncentrirte Lösungen davon zur Verwendung. Die Eier wurden nach elf Tagen untersucht, und die Mehrzahl davon entwickelte sich in normaler Weise; doch wurde die Bildung von Extraovaten und die Hemmung der Entwicklung auf Stadien unmittelbar nach der Bildung des Mesoderms beobachtet, d. h. Aberrationen, wie sie auch bei der Entwicklung im Meerwasser vorkamen. Es traten auch asymmetrische Keime auf, allein die Untersuchung mittels der Schnittmethode ergab stets, dass die Asymmetrie nicht durch un- vollkommene Entwicklung irgend einer Anlage, sondern durch Dege- neration der Zellen an der betreffenden Stelle des Keims verursacht worden war. Die Degeneration selbst war höchst wahrscheinlich durch den Druck der Gefäßwände oder ähnliche Ursachen hervorgerufen. Zwei gleichartige Aberrationen wurden beobachtet. Die eine davon ist in Fig. 3 abgebildet: der ganze Dotter ist von den Zellen des stark ausgebreiteten Keimscheibenrandes (Blastoderm der Autoren) bedeckt. Am oberen Pole bemerkt man die Anlage der Schalendrüse. Das Studium an Schnitten ergab, dass der obere Theil des Eies mit dem stark entwickelten Mesoderm keine bemerkenswerthen Abweichungen aufweist; der untere Theil des Eies ist von der Merocytenhülle, einer Lage von einschichtig gelagerten Mesodermzellen und dem Ektoderm bedeckt, zeichnet sich aber vor normalen Eiern dadurch aus, dass die Ektodermzellen nicht flach, sondern hoch und cylindrisch sind. 498 Ä WI]. Schimkewitsch, Eine andere Anomalie ist in Fig. 4 wiedergegeben. Das äqua- torial eingeschnürte Ei ist hier in der oberen Hälfte etwas breiter als in der unteren; auf der oberen Hälfte befindet sich eine Scheibe, welche von den Anlagen der zehn Arme umgeben ist. Auf diese Weise werden die Armanlagen in außerordentlich starkem Maße in die Nähe des oberen Poles verlagert. Diese Missbildung war zerbröckelt, besaß aber, so weit man aus dem erhaltenen Theile schließen konnte, folgende Eigenthüm- lichkeiten: die erwähnte Scheibe (Mantelanlage?) stellte eine mäch- tige Anhäufung des Mesoderms unter der üblichen Schicht von Ektodermzellen dar und enthielt dabei keine Schalendrüsenanlage. An einer Stelle des Scheibenrandes befand sich unter dem Ektoderm eine ovale Anhäufung von Zellen, welche an die Anlage des Ober- schlundganglions erinnert. Die Koncentration der Organanlagen am oberen Pol ist wahrscheinlich durch Vorhandensein der äquatorialen Einschnürung hervorgerufen worden. Jedoch konnte die Einschnürung das weitere Sichausbreiten der Keimscheibe nicht völlig aufhalten, und auch die untere Hälfte des Eies war von Zellen bedeckt, aber in derselben Weise wie bei der vorhin beschriebenen Anomalie der Ektodermzellen in diesem Theile des Eies, d. h. die Zellen waren nicht flach wie bei normalen Eiern, sondern außerordentlich groß und hoch, mit großen unregelmäßig geformten Kernen (Fig. 30). Die Mehrzahl der Zellen der Merocytenhülle nimmt eine runde, ovale oder sternförmige Gestalt an und versinkt in die oberfläch- lichen Schichten des Dotters; es finden sich aber auch normale flache Zellen. | Bei der normalen Entwicklung findet das Eindringen der Mero- cyten in den Dotter nach KoRsSCHELT nur im Bereich des Mittel- darmes und an der den Embryo vom Dottersack trennenden Ver- tiefung statt (l. ec. p. 357). Das Orthochlorphenol ruft demnach Anomalien hervor, welche kaum von denen verschieden sind, welche wir im koncentrirten See- wasser gesehen haben. Eine Ausnahme bildet nur die Hypertrophie der ektodermalen Zellen an der unteren Hälfte des Eies, wie sie in der Lösung von Orthochlorphenol beobachtet wurde. | Manganum sulphuricum. ‘Taf. XXVIIL, Fig. 6-9; Taf. XXIX, Fig. 32—38; Taf. XXX, Fig. 39—41.) Die Lösung wurde im Verhältnis von 1 g zu 700 cem angefer- tigt (1/,°/,). Die Eier wurden nach zwei und sodann wiederum nach Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 499 fünf Tagen untersucht, und alle zeigten eine Hemmung der Entwick- lung, welche bisweilen mit verschiedenen Aberrationen verbunden war. Der äußerliche Charakter dieser Abweichungen ist in den Fig. 6—9 wiedergegeben. Die Keimscheibe kann auf einen nur kleinen Bezirk am oberen Pol beschränkt sein, wobei sie bisweilen excentrisch liegt und ihre Ränder verschiedenartige Unregelmäßig- keiten aufweisen (Fig. 6 und 7), während am Rande der Keim- scheibe bisweilen isolirt liegende Zellen beobachtet werden können (vgl. VIALLEToON, 1. c. p. 240). In anderen Fällen kann die Keim- scheibe eine pilzhutförmige Gestalt haben (Fig. 8), wobei sie von dem übrigen Theil des Eies durch eine Einschnürung scharf ab- segrenzt ist; dabei bleibt ein Theil des Eies unbedeckt, oder aber auch dieser wird mehr als zur Hälfte von Zellen bedeckt (Fig. 9, sechs Tage). Bisweilen erscheint dieser pilzhutförmige Keimscheiben- abschnitt gleichsam mit seiner Basis in den Dotter versenkt (vgl. Guanin, Fig. 15). Einige Eier zeigen eine äquatoriale Einschnürung, ähnlich wie wir dies bei den Eiern im Seewasser gesehen haben, wobei die Keimscheibe entweder bis zum Äquator anwachsen, oder aber vorher in ihrem Wachsthum aufgehalten sein kann; andere Eier wiederum zeigen Extraovate, meist am unteren Pol, wobei nach der Ablösung des Extraovates eine kraterförmige Vertiefung an der Oberfläche des Eies zurückbleibt (Fig. 9). Wir wenden uns nunmehr zu der Untersuchung dieser Aber- rationen. Einzelne Eier weisen eine einfache Hemmung der Entwicklung auf, welche in dem Stadium eintritt, wo das Mesoderm sich zu bilden beginnt. Liegt die Keimscheibe asymmetrisch, so tritt auch eine Asym- metrie in derBildung desMesoderms ein. Am fünften Tage zeigen solche Eier schon alle Anzeichen von Degeneration (Fig. 32). Gewisse Eier zeigten zwei Tage nachdem sie in die Lösung verbracht worden waren, auf seitlichen Schnitten ein Bild, wie es in Fig. 33 dargestellt ist. Das einschichtig angeordnete Ektoderm zeigt auf seiner ganzen Aus- dehnung, sowohl näher zum Rande als auch auf der Mitte des Schnittes karyokinetische Figuren; dabei sind diese Figuren nach den Radien des Eies angeordnet, d.h. das Ektoderm sondert Zellen nach der Tiefe des Eies zu von sich ab. Unmittelbar unter dem Ektoderm liegen Zellen, welche sich, wie dies ihre Gestalt und diejenige ihrer Kerne zeigt, in das Mesoderm einkeilen. Es ist klar, dass wir es hier mit Zellen zu thun haben, welche sich schon früher vom 500 Wl. Schimkewitsch, Ektodern abgelöst haben und nun in die Tiefe des Dotters ein- sinken. Wir sehen, mit anderen Worten, die Bildung des Mesoderms auf einer sehr bedeutenden Ausdehnung der Ektodermanlage vor sich sehen. Das Mesoderm ist in mehreren Schichten angeordnet und zunächst dem Dotter liegen die bläschenförmigen, unregelmäßig ge- stalteten, riesigen, und chromatinarmen Kerne der ein Plasmodium bildenden Mesdöyten: Andere Eier zeigen ungefähr die gleiche Klon des Ekto- derms und des Mesoderms, allein im Dotter, unterhalb der Keim- anlage, hat sich eine ringförmige Vertiefung gebildet, in welcher nunmehr die Kerne der Merocytenschicht angehäuft liegen (Fig. 34 B). In dem vorhergehenden Fall (Fig. 33) zeigte das Ektoderm die augenscheinliche Tendenz den Dotter -zu umwachsen, während dies in dem gegebenen Fall (Fig. 34) nicht zutrifft, und die Ektoderm- schicht mit ihren Rändern sich an den Dotterrand anlehnt. Die Bildung des Mesoderms erstreckt sich über einen sehr großen Theil der Keimscheibe, doch geht sie an den Rändern am energischsten vor sich; das Auswachsen des Ektoderms in einer der Dotterober- fläche parallelen Richtung schreitet, wie dies die karyokinetischen Figuren (Fig. 34 B) zeigen, dessenungeachtet weiter fort. Das Meso- derm beginnt bereits zu degeneriren. Fast das gleiche Bild zeigt die Fig. 35, mit dem Unterschiede aber, dass das seitlich zusammen- gepresste Ektoderm das sichtbare Bestreben zeigt, eine mehrschichtige Anordnung der Zellen anzunehmen. Die Fig. 36, 37, 38 zeigen Schnitte durch ein weiteres Entwick- lungsstadium (nach fünf Tagen) einer ähnlichen anormalen Keim- anlage. Die Eigenthümlichkeit der sehr bedeutend über die Ober- fläche des Eies hervorragenden Keimanlagen (Fig. 36) besteht darin, dass sich unter dem stark entwickelten Mesoderm eine helle Masse befindet, in welcher eine große Anzahl außerordentlich angewachsener und in Degeneration befindlicher Kerne enthalten ist. Anfangs war ich geneigt, diese Masse für die hypertrophirte Merocytenschicht an- zusehen, überzeugte mich aber bald davon, dass, abgesehen von der Größe, zwischen diesen Kernen und denen des typischen Meso- derms keinerlei Unterschied bestehe, während die Kerne der Mero- eytenschicht sich scharf von den beiden eben genannten Kernformen unterscheiden lassen (Fig. 38). Wahrscheinlich repräsentirt die er- wähnte helle, kernführende Masse zum Theil die deformirte Masse der Merocytenschicht, zum Theil aber Dotter, welcher durch die Thätigkeit dieser Merocyten und der Mesodermzellen selbst umge- Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 501 wandelt worden ist. -Was die Kerne betrifft, so stellt die Mehrzahl derselben die typische Form der Kerne der Mesodermzellen, jedoch von außergewöhnlicher Größe, dar, welche vom Mesoderm aus in diese Masse eingedrungen sind. Es ist leicht möglich, dass einige der in dieser Masse befindlichen hellen Blasen in der That degenerirte Kerne der Merocytenschicht darstellen, doch erscheint es unmöglich, dies zu beweisen. Dass der Dotter von den Embryonalzellen lebhaft aufgenommen wird, beweist die unregelmäßige Beschaffenheit der Dotteroberfläche unter der Keimscheibe, sowie das Versinken des ganzen Keims in die Tiefe des Dotters. Eine weitere Eigenthüm- liehkeit bei allen drei soeben beschriebenen Keimen ist die Erschei- nung, dass das Ektoderm eine mehrschichtige Anordnung seiner Zellen aufweist, an den Rändern aber ohne scharfe Abgrenzung in das Mesoderm übergeht. Endlich weisen alle die drei erwähnten Keime bereits die Anlage einiger Organe auf. So ist aus Fig. 36 zu ersehen, dass das Ektoderm an einer Stelle eingesunken ist und die Ränder der Vertiefung einen niedrigen Ringwall bilden. Diese Einsenkung ist augenscheinlich die Schalendrüsenanlage. Dieselbe Bedeutung hat wahrscheinlich die Ektodermvertiefung rd in Fig. 37, während die daneben gelegene dichte Anhäufung von Zellen (welche wohl ekto- dermalen Ursprungs sind, und ihren Zusammenhang mit dem Ektoderm noch nicht verloren haben) vielleicht der Anlage des Cere- bralganglions entspricht. Es sei hervorgehoben, dass die Schalen- drüsenanlage dieses Keims aus einer Schicht von Ektodermzellen besteht, über welcher eine protoplasmatische Masse mit einem Häuf- chen von Kernen (Fig. 37) liegt. Diese Erscheinung wird weiter unten besprochen werden. Bei dem Keim Fig. 38 ist die Schalen- drüse durch eine spaltförmige Ektodermvertiefung repräsentirt, welche durch eine ganze Reihe von Schnitten zu verfolgen ist und ziemlich tief nach innen eindringt. Näher dem einen Rande des Keims zu befindet sich eine röhrenförmige Vertiefung des Ektoderms, welche wahrscheinlich der Anlage der Speiseröhre entspricht. Was die Degeneration der Zellen betrifft, so zeigt diese sowohl im Mesoderm als bei den Kernen der darunterliesenden hellen Masse denselben Charakter: das Chromatin der Kerne fließt in eine oder mehrere unregelmäßig geformte größere Massen zusammen, doch verlieren die Kerne in diesem Stadium noch nicht die Fähigkeit, sich zu vermehren (Fig. 39). Man trifft hier. Zellen an, welche eine Ein- schnürung zeigen, und auch solche, welche sich soeben getheilt haben. Die Chromatinmassen solcher in Theilung befindlicher Zellen 502 Wl. Schimkewitsch, dehnen sich augenscheinlich in der Längsrichtung der Zelle aus und unterliegen ebenfalls einer Theilung, welche jedoch in jeder ein- zelnen Chromatinmasse nicht immer gleichmäßig erfolgt. Bisweilen theilen sich zwei Chromatinmassen je in zwei un- gleiche Theile, wobei dann eine jede Tochterzelle einen größeren und einen kleineren Theil des Chromatins enthält (Fig. 39, 77). Schließlich verschwindet die Wabenstruktur der Kerne, und das Chromatin fließt in eine einzige, runde, centrale oder sichelförmige, randständige Masse zusammen (Fig. 39, 79 und 20). Neben solchen Zellen des Mesoderms von Keimen, welche in der Lösung von Mang. sulphuricum degeneriren, trifft man auch typische Zellen mit wabigem (netzförmigem) Bau des Kernes an. Diese letzteren Kerne zeigen öfters die Erscheinung der direkten Kerntheilung, oder der Knospenbildung (Fig. 40). Bisweilen erinnern sehr kleine, vom Kerne sich abtrennende Fragmente durch ihr Aussehen an Üentrosome. Einige Kerne degeneriren direkt aus der wabigen Form (Fig. 41). Ihre Chromatinkörner treten dabei aus dem Kern in das Zellplasma über, bisweilen in Körnerform, bisweilen nachdem sie zuvor eine kompakte gleichartige Masse gebildet haben. Diese Masse nimmt fortwährend an Größe zu, während der Kern immer kleiner wird; endlich bleibt in der Zelle nur noch eine homogene Chromatinmasse übrig, welche bald zu zerfließen beginnt. Natrium bromatum. (Taf. XXX, Fig. 42—44.) Es wurden 1,5 & N. bromatum auf 700 cem Wasser genommen (3/,a%/,ige Lösung). Die in dieser Lösung auftretenden Erscheinungen ergaben, eben so wie in den früheren Fällen, eine Hemmung des Wachsthums der Keimscheibe. Ein Theil der Eier war nach vier Tagen von der Keimscheibe bis zur Hälfte umwachsen, während ein anderer Theil derselben dasselbe Bild darbot, wie einzelne der in Manganum sulphuricum entwickelten Eier, und zwar beschränkte sich die Keimscheibe auf den polaren Theil des Eies, erlangte dagegen aber eine bedeutende Dicke und erschien in den Dotter versenkt. Auf Schnitten (Fig. 42 und 43) sieht man, dass die Merocytenhülle unter der ganzen Keimscheibe zur Ausbildung gekommen ist und normale, flache Kerne enthält. Diese Schicht findet sich aber nicht nur unter der Keimscheibe, sondern ist noch auf eine sehr bedeu- tende Strecke außerhalb derselben ausgewachsen und bedeckt einen Theil der Eioberflächke. Das Mesoderm, welches Anzeichen der Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 503 Degeneration aufweist, erscheint als ansehnliche Masse, deren peri- phere Zellen über die Ränder des Ektoderms hinausreichen; stellen- weise hat das Mesoderm diese Ränder umwachsen und bedeckt sie ein wenig von oben. Es ist sehr leicht möglich, dass der auf Fig. 9 abgebildete Keim, welcher sich in der Lösung von Manganum sulphuricum gebildet hatte, aber nicht an Schnitten untersucht wurde (er ging zufällig zu Grunde), kein Anwachsen aller drei Schichten der Keimscheibe zeigte, sondern nur ein solches der Merocytenhülle, während das Ektoderm und das Mesoderm sich auf seinen vorspringenden pilzhutförmigen Theil beschränkten. Das Ektoderm ist an der Peripherie des Keims der Fig. 42 und 43 durch große Randzellen begrenzt, welche oft etwas nach innen umgebogen sind und bisweilen je zwei Kerne enthalten, oder Kerme, welche die Gestalt eines Geldbeutels besitzen (Fig. 44, 7 und $). Das Ektoderm zeigt das Bestreben seine Zellen mehrschichtig anzuordnen. Der Schalendrüsensack hat entweder die Gestalt eines aus dem verdickten Ektoderm gebildeten Hügelchens, welches von einer mäßigen ringsförmigen Vertiefung (Fig. 42) umgeben ist, oder aber er springt nach innen vor, in Gestalt einer schiefen Falte, bestehend aus einer Reihe niedriger ektodermaler Zellen (Fig. 43). Auf diese Weise vereinigt die eben besprochene Anomalie die Eigenthümlichkeiten zweier früher besprochenen Anomalien in sich, nämlich die Bildung von Teloblasten am Rande der Ektodermscheibe, wie sie bei der Entwicklung in Seewasser (Fig. 25, 26, 31) beobachtet wurde, und die Anomalie, wie sie in Lösungen von Manganum sulphuricum auf- trat (Fig. 38). Auch fingen die Kerne des Ektoderms an größere Chromatinanhäufungen zu zeigen, d. h. sie begannen zu degeneriren wie diejenigen des Mesoderms. Unter den letzteren trifft man auch normale Kerne mit wabigem Bau, welche eine Einschnürung auf- weisen, und wahrscheinlich auf direkte Kerntheilung hinweisen (Fig. 44, 7 bis 2). Kalium jodatum. (Taf. XXVIU, Fig. 10—12; Taf. XXX, Fig. 45—47.) Es wurden 3,5 & K. jodatum auf 700 ccm Wasser genommen (!/a/,ige Lösung). Nach zwei Tagen zeigten die Eier verschieden- artige Extraovate am unteren Pol, doch wurde die Entwicklung da- durch nicht aufgehalten (Fig. 10 bis 12), obgleich das Vordringen des Keimscheibenrandes ungleichmäßig und unregelmäßig vor sich ging; an Stelle des Extraovates bleibt oft eine kraterförmige Vertiefung, 504 | WI. Schimkewitsch, in welche vereinzelte Zellen der Keimscheibe eindringen (Fig. 12, 45). Nach sieben Tagen erscheint die Anlage des Schalendrüsensacks in Gestalt einer Schicht von hohen cylindrischen Zellen, welehe Vacuolen enthalten (Fig. 46, 47). Diese sich bisweilen etwas vorwölbende Anlage hebt sich von dem übrigen Ektoderm sehr scharf ab. An ihrem Rande (und zwar auf einer Seite besonders deutlich) zeigt sich eine bemerkenswerthe Erscheinung: Das Ektoderm nimmt wahrscheinlich in Folge der tan- gentialen Theilung der Zellen an Dicke zu, wodurch sich seine der Schalendrüsenanlage anliegenden Kerne in zwei Schichten anordnen (Fig. 46), und einzelne Zellen dringen nach der Oberfläche vor und nehmen eine runde Gestalt an (Fig. 47). Die Bedeutung dieses Pro- cesses soll später erklärt werden. Eine andere Eigenthümlichkeit bei der Entwicklung dieser Keime ist das Auftreten von runden, ovalen und unregelmäßig-sternförmigen Zellen in der Merocytenschicht nahe dem Dotter, welche Zellen bis- weilen in die oberen Schichten des Dotters fast versenkt erscheinen. Neben solchen Zellen findet man in der Merocytenschicht auch typische flache Zellen (Fig. 47). Gleichzeitig mit den sich weiter entwickelnden Eiern findet man auch solche, welche in der Entwicklung aufgehalten wurden und welche an diejenigen Aberrationen erinnern, welche wir bei der Ent- wicklung in Lösungen von Manganum sulphuricum gesehen haben, und in Koffeinlösung noch sehen werden (siehe p. 508). Die Aus- breitung der Keimscheibe ist in solchen Eiern sehr gering und die- selbe erscheint als eine kompakte Masse, welche sich an dem obe- ren Pole koncentrirt hat. Dies Verhalten unterscheidet sich von dem, was wir früher gesehen haben dadurch, dass die Keimanlage trichterförmig und ziemlich tief in den Dotter einsinkt; das Ekto- derm zeigt das Bestreben zu weiterer Ausbreitung (vgl. Koffein, Fig. 56). Lithium chloratum. (Taf. XXVII, Fig. 13; Taf. XXX, Fig. 48—51, 54.) Die Versuche mit diesem Salze erscheinen mir von besonderer Bedeutung mit Hinsicht auf die von anderen Autoren an Eiern an- derer Thiere gewonnenen Resultate. Die Eier wurden in einem Ge- fäß mit 7000 cem 1°/,iger Lösung untergebracht, doch ging hierbei die Entwieklung nicht vor sich, sondern die Eier (an welchen bis- weilen Extraovate auftraten) zeigten nach drei wie auch nach sechs _ Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 505 Tagen immer dasselbe Stadium, und zwar eine mäßige Keimscheibe, welche nur die obere Hälfte des Eies bedeckte. Die Untersuchung ergab, dass die Keimscheibe aus Ektoderm und einer dünnen Meso- dermschicht besteht und keine Merocytenhülle enthält; dagegen liegen an den Rändern der Keimscheibe Ansammlungen von runden Zellen (Fig. 49). Wenn schon die Mehrzahl der Zellen des Keims zu Grunde sesangen ist, bewahren die erwähnten runden Zellen noch immer den Charakter lebender Zellen und ihre Kerne zeigen noch die wabige Struktur. Augenscheinlich repräsentiren diese Zellen die Überreste der Segmente, welche in Folge der Hemmung der Ent- wicklung nicht zur Bildung der Merocytenhülle verwendet worden waren und sich in abgerundete, undifferenzirte Zellen zerlegt haben. Andere Eier (Fig. 48) werden in der Entwicklung aufgehalten bald nachdem ein Theil der auf Kosten der Segmente gebildeten Zellen bereits zur Bildung der Merocytenhülle unter die Keimscheibe ver- lagert ist, der andere Theil aber in Gestalt ovaler Zellen noch außen geblieben ist. | In schwächeren, und zwar 0,1°%,igen Lösungen hält die Ent- wicklung viel länger an und ich traf am zehnten Tage Eier an, welche schon ringsherum von Zellen umwachsen waren. Am oberen Pole eines solchen Eies (Fig. 50) sieht man die Anlage der Schalen- drüse, welche sich durch die Größe der Zellen und derjenigen ihrer Kerne vor den übrigen Zellen des Ektoderms auszeichnet; auf der Oberfläche der Schalendrüse bemerkt man wiederum einzeln liegende kleine runde Zellen von demselben Typus, wie wir sie gelegentlich der Beschreibung der Anomalien in Lösungen von Kalium jodatum gesehen hatten. In dem zu besprechenden Keime geht die Degene- ration energisch vor sich, und die Merocytenkerne sind in der Re- sion der Keimscheibe etwas angeschwollen und blass. Andere Eier waren in der Entwicklung noch weiter fortgeschrit- ten. Ein Ei zeigte die Anlagen der Schalentasche, der Augen, der Arme, der vorderen und der hinteren Trichterfalten. Aber schon bei der Untersuchung von der Oberfläche aus kann man die Asymmetrie im Bau des Keims bemerken. Die linke Seite besitzt keinen Augen- hügel und man kann auf ihr nur die Anlagen zweier Arme mit Deut- lichkeit unterscheiden (Fig. 13); ferner sind die vorderen Trichter- falten hier augenscheinlich nicht völlig oder nur schwach entwickelt. Die Schnitte (Fig. 51) zeigen, dass die Schalendrüse die Gestalt eines vertieften aber noch nicht geschlossenen Säckchens besitzt, dessen Boden aus höheren cylindrischen Zellen besteht. Das einzige vor- 506 WI. Schimkewitsch, handene Auge ist auf dem Stadium eines nach außen weit geöffne- ten Sackes, dessen oberer Theil mehr vertieft ist als der untere, stehen geblieben. Auf der anderen Seite konnte ich keine deutliche Augenanlage finden. Auf der linken Seite findet sich jedoch etwas unterhalb des Auges und von ihm aus nach innen ein räthselhaftes Organ. Dieses Organ liegt im Bereich des verdiekten Ektoderms, unter welchem eine mächtige Mesodermschicht lagert, und erweist sich als ein kleiner kompakter Hügel aus zusammengedrängten Zel- len, welcher auf einem etwas engeren Stiele sitzt. Es ist augen- scheinlich, dass wir es hier mit irgend einem Organ zu thun haben, welches statt zu invaginiren, sich nach außen ausgestülpt hat. Nach seiner Lage und seiner Gestalt entspricht dieses Gebilde einer Oto- cyste, von welcher es sich durch etwas bedeutendere Größe und ferner dadurch unterscheidet, dass es kompakt und nicht hohl ist. Sehr verändert erscheint die untere Hälfte des Keimes. Sie ist von den großen, mit mächtigen, unregelmäßig gestalteten Kernen versehenen Zellen des Ektoderms bedeckt (Fig. 54); diese Kerne be- wahren den wabigen Bau, aber ihre Chromatingranulationen beginnen schon in größere Massen zusammenzufließen. Das Ektoderm hat sich etwas von dem Dotter abgehoben, und der ganze Zwischenraum zwischen beiden ist von vereinzelten sternförmigen Mesodermzellen angefüllt, welche den Charakter von Bindegewebszellen angenommen haben. Die Merocyten haben das Aussehen abgerundeter oder stern- förmiger, in den Dotter versenkter Zellen mit runden Kernen. An der oberen Hälfte des Eies trifft man ebensolche in den Dotter ein- sedrungene Merocyten, aber daneben auch typische flache, mit abge- platteten Kernen. Es ist von Interesse, dass in dem vorliegenden Falle die Hypertrophie des Ektoderms auf der unteren Seite des Eies von der unvollständigen Entwicklung der Arme auf einer Seite begleitet wird. Guanin. (Taf. XX VII, Fig. 14, 15; Taf. XXX, Fig. 52—53.) Zur Verwendung kam eine koncentrirte Lösung. Ein großer Theil der Eier entwickelte sich normal, mit Aus- nahme einzelner, welche nach zwei Tagen eine außerordentlich asymmetrische Ausbreitung der Keimscheibe zeigten (Fig. 14), und es erreichten die normalen Eier im Verlauf von sieben Tagen dasjenige Stadium, welehes KORSCHELT und HEIDER in ihren Fig. 656 A und C abbilden. Andere Eier entwickelten sich nicht ganz normal (Fig. 52), Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 507 indem der untere Theil des Eies am fünften Tage von riesigen Ekto- dermzellen mit großen, unregelmäßig geformten Kernen bedeckt war, wie wir dies bei der in Lithium chloratum aufgetretenen Anomalie sesehen haben. Genau wie in jenem Falle hatten auch hier einige Merocyten, besonders in der unteren Eihälfte, eine abgerundete oder sternförmige Gestalt und erschienen in die obere Schicht des Dotters eingedrungen (Fig. 52). Wiederum andere Eier zeigten eine Ent- wieklungshemmung, und der Keim saß kappenförmig auf dem oberen Eipole. Bisweilen war diese Keimanlage etwas in den Dotter ver- senkt, wodurch sie eine ringförmige Vertiefung auf diesem letzteren hervorrief (Fig. 53). Bisweilen entwickelten sich solche Eier eine Zeit lang weiter fort und zeigten dann am fünften Tage folgendes Bild: An einer Seite (Fig. 53 B) ist das Mesoderm an den Rändern der Keim- scheibe entwickelt, und fehlt in deren Mitte; auf der anderen Seite (Fig. 53 A), wo die Schalendrüse liegt, ist das Mesoderm außerordent- lich stark entwickelt, und dringt tief in das Innere des Dotters ein. Die Kerne der ein Plasmodium bildenden Merocyten sind von un- regelmäßiger Gestalt, leicht angeschwollen und blass. Das Ektoderm ist streng einschichtig und wächst stellenweise über die äußeren Ränder der Mesodermanlage hinaus. Die Schalen- drüse ist durch eine Lage großer, hoher, scharf charakterisirter Zellen gebildet, welche in einer Schicht angeordnet sind, aber über diesen Zellen liegt in Gestalt einer dünnen Deckschicht eine Schicht von wenig zahlreichen, flachen Zellen. An anderen Keimen findet man statt dessen nur Spuren von zu Grunde gegangenen Zellen dieser Deckschicht. Vergleichen wir diese Abweichungen mit den Anomalien der Schalendrüsen, die wir bei Keimen, welche sich in Lösungen von Lithium chloratum und Kali jodatum entwickelten, gesehen haben, so kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass der Process der In- vagination der Schalendrüse durch ein Heraustreten der Zellen aus dem benachbarten Ektoderm nach außen und die Bildung (wenigstens in einigen Fällen) einer später wieder zu Grunde gehenden Deck- schicht ersetzt wird. Bei den Embryonen, welche sich in einer Lösung von Manganum sulfuricum entwickelten, lagert sich über der etwas vertieften Schalendrüsenanlage statt der Deckschicht eine Ansammlung von Zellen, deren Grenzen verloren gegangen sind (Fig. 37). Endlich kann man auf Grund der Fig. 15 annehmen, dass die Hemmung in der Entwicklung der Keimscheibe bisweilen von einem Eindringen der Zellen der Keimscheibe in das Innere des ‘ Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bad. 34 508 WI. Schimkewitsch, Dotters begleitet wird, ähnlich wie dies in Fig. 65 abgebildet ist, doch wurde dieser letztere Keim nicht an der Hand von Sehnitten untersucht. Coffeinum. | (Taf. XXVII, Fig. 16—18; Taf. XXX, Fig. 55—56; Taf. XXXI, Fig. 57—61.) Es kam eine Lösung von 0,5 g auf 700 cem zur Verwendung (= !/ı'h). Im Allgemeinen wurde die Entwicklung aufgehalten. Nach zwei Tagen hatte der Keim die Gestalt einer nur den Pol des Eies bedeckenden Kappe, welche bei einzelnen Eiern eine sehr un- regelmäßige und verschiedenartige Gestalt annimmt (Fig. 18); bis- weilen bemerkte man in der Nähe dieser Kappe einzelne isolirte Zellen auf der Oberfläche des Eies. Nach vier, sechs und acht Tagen hatte sich die Kappe auf einzelnen Eiern fast gar nicht weiter ausge- breitet, auf anderen Eiern dagegen bemerkte man ein gewisses An- wachsen der Kappe. Hierbei wurden Eier gefunden, welche auf den verschiedensten Stadien in ihrer Entwicklung aufgehalten worden waren: 1) während des Segmentationsprocesses (nach zwei Tagen), 2) in der Periode der Bildung des Mesoderms, wobei der Degenerations- process bereits begonnen hatte, obgleich das Mesoderm sich noch nicht unter den centralen Theil der Ektodermscheibe verbreitet hatte (Fig. 55); unter der Keimscheibe bemerkt man blasse Merocytenkerne (achter Tag); 3) in einem etwas späteren Stadium, wenn die aus den typischen drei Schichten bestehende Keimscheibe schon fast das halbe Ei umwachsen hat (sechster Tag). Endlich wurden noch uns bereits bekannte Anomalien beobachtet (Fig. 56, sechster Tag), in Ge- stalt einer kompakten, in den Dotter eindringenden Keimscheibe, welche auf das polare Gebiet des Eies beschränkt ist. Das Ekto- derm einer derartigen Keimscheibe, welche in einer Schicht ange- ordnet ist, zeigt jedoch an den Rändern die Tendenz sich weiter zu verbreiten, und man kann darin eine Gruppe etwas höherer Zellen unterscheiden, welche die noch nicht differenzirte Anlage der Schalen- drüse repräsentirt. Unter dem mächtig entwickelten, bereits degene- rirenden Mesoderm sieht man die Merocytenhülle mit normalen flachen Kernen. Eine andere Anomalie ist sehr eigenartig (Fig. 57, vier Tage): das Ektoderm hat sich ziemlich weit ausgebreitet und umfasst circa !/,; des Eies; das Mesoderm ist durch eine nicht besonders dicke Schicht vertreten, welche nur die mittlere Region der Keimscheibe einnimmt, aber am Pole selbst erstreckt sich das Mesoderm als Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 509 kompakte, halbkugelige Masse in den Dotter hinein; eine Merocyten- hülle mit blassen Kernen ist vorhanden. Die in den Zellen degenerirender Keime vor sich gehenden Pro- cesse verdienen besondere Beachtung. Die Ektodermzellen (Fig. 58) zeigen das Bestreben das Chromatin in größeren Massen zu ver- einigen, was augenscheinlich die Kerntheilung nicht aufhält, welche dadurch den Charakter der direkten Kerntheilung erhält. Aber neben solchen Kernen trifft man sowohl im Ektoderm, wie auch im Meso- derm Kerne an, welche den normalen wabigen Bau bewahrt haben, und verschiedene Figuren, sowohl solche der direkten Theilung, wie auch solche der Knospung aufweisen, wobei ein riesiger Kern bis- weilen drei bis vier Vorwölbungen bildet (Fig. 59, 2, 7, 9, 11). Einige Kerne stoßen kleine Theilchen von sich ab, welche nach ihrer Form bisweilen an Centrosomen erinnern (Fig. 59, 8). Dieses Abstoßen kleiner Partikel stellt augenscheinlich eine weitere Stufe der Degene- ration dar, auf welche dann die Verwandlung des Kernes in eine körnige oder homogene Chromatinmasse folgt, welche mit einem Zer- fließen des Chromatins endet (Fig. 59, 12—15). In den meisten Fällen hat diese Knospung keine Theilung der Zelle zur Folge, in einigen Fällen aber (Fig. 59, 70) konnte neben der großen, in Knospung begriffenen Zelle eine kleine, der großen dicht anliegende und augenscheinlich soeben erst von derselben los- getrennte Zelle beobachtet werden. An Eiern, welche in 1/,,%/,iger Koffeinlösung lagen, wurde in späteren Stadien, wenn der Keim !/;—!/, des Eies bedeckte, schon am darauf folgenden Tage die Bildung dem AÄquator paralleler Ein- schnürungen beobachtet, deren es bisweilen eine, bisweilen zwei waren (Fig. 16, 17). Bildet sich die Einschnürung an der Grenze der Keimscheibe, so tritt der Rand des Dotters in Form eines nied- rigen ringförmigen Walles etwas über den Rand der Keimscheibe hervor. Die Untersuchung solcher Eier (welche am Tage darauf er- folgte) ergab, dass an der Stelle der Einschnürung die Keimscheibe in den Dotter vertieft liegt und in horizontaler Richtung in das Innere des Eies hereinwächst, indem sie den Dotter in zwei Hälften theilt: eine obere, von der Keimscheibe umgebene, und eine untere, unbedeckte (Fig. 60, 61). Nur in der allertiefsten Region des Eies erscheint der Dotter beider Hälften nicht abgegrenzt. Das Ekto- wie das Mesoderm der Keimscheibe bleiben streng einschichtig. In einem Falle (Fig. 60, Einschnürung an der Grenze des oberen Eidrittels) konnte man mit Deutlichkeit eine Merocytenhülle mit flachen | 34* 510 W]l. Schimkewitsch, Kernen unterscheiden; in einem anderen Falle dagegen (Fig. 61, Ein- schnürung unterhalb des Äquators) konnte ich diese Hülle nicht fin- den. Die Scheidewand wird hauptsächlich von dem Ektoderm ge- bildet, obgleich auch Mesodermzellen in ihre peripheren Theile hereinwachsen. | Das Fehlen einer Merocytenhülle im zweiten Falle bedarf einer Erklärung: betrachtet man den Schnitt Fig. 61, so bemerkt man, dass derselbe sich von dem Schnitte Fig. 60 nicht nur durch das Fehlen einer Meroeytenhülle auszeichnet, sondern auch noch durch die ge- ringere Anzahl von Mesodermzellen, sowie dadurch, dass die mehr centralen Partien der Scheidewand durch Zellen gebildet werden, welche mehr Ähnlichkeit mit flachen Merocyten aufweisen als mit den typischen Zellen des Ektoderms. Diese letzteren bewahren auch da, wo sie in den Dotter hineinwachsen, eine Ähnlichkeit mit den Zellen des Ektoderms der Oberfläche, und ihre Kerne bleiben von abgerun- deter oder ovaler Form, während die Kerne der im Centrum der Scheidewand gelegenen Zellen (Fig. 61) abgeplattet und in die Länge gestreckt erscheinen, d. h. den Kernen der Merocytenhülle ähnlich sehen. Aus diesen Gründen halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die Merocyten durch das einwuchernde Ektoderm mit in die Einschnürung fortgerissen wurden, und in die Dottermasse eindrangen wo sie die mehr central gelegenen Theile der Zwischenwand bildeten. Cocainum. (Taf. XXXI, Fig. 62 und 63.) Kam eine gesättigte Lösung zur Verwendung, so erwies es sich, dass am sechsten Tage alle Eier in frühen Stadien in der Entwick- lung stehen geblieben waren. Bei 0,35 g auf 700 cem Wasser (0,2°/,) sing die Entwicklung etwas weiter, doch blieben auch hier alle Eier am vierten Tage in der Entwicklung stehen, die einen unmittelbar nach der Bildung des Mesoderms, während andere Eier eine außer- ordentlich interessante Anomalie zeigten. Das einschichtige Ektoderm war in seinem Wachsthum stehen geblieben und seine Kerne bilde- ten homogene degenerirte Massen. Unter dem Ektoderm lag die gut entwickelte, stellenweise mehrschichtige Mesodermanlage mit eben- solehen Kernen und eine typische Merocytenhülle. Die ganze Keim- scheibe nahm den Platz eines gewissen Theiles des Dotters ein, welchen sie augenscheinlich verbraucht hatte, und stützte sich mit ihren Rändern auf die Vorsprünge der von Zellen unbedeckt ge- bliebenen Dotterpartie. An den inneren Winkeln dieser Vorsprünge Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 511 dringen die Merocytenhülle und das Mesoderm sehr tief in das Innere des Dotters ein, indem sie eine dünne Abgrenzung bilden, welche stellenweise parallel oder unter einem Winkel zur Eiober- fläche verläuft, und die seitlichen Partien des Dotters von den cen- tralen trennt. Am unteren Pole ist diese Abgrenzung nicht geschlossen (Fig. 62). Ähnlichen Erscheinungen werden wir noch später begegnen. Am vierten Tage sind die Kerne des Keimes schon abgestorben, am zweiten Tage aber zeigen sie verschiedenartige Stadien der Degene- ration, welche in Fig. 63 wiedergegeben sind. Natrium chloratum. (Taf. XXXI, Fig. 64—65.) Zur Verwendung kam eine 0,2—0,5°/,ige Lösung in Seewasser. In einer 0,5°/,igen Lösung ergaben ‚sich zahlreiche Extraovate, und es kam zur Bildung einer äquatorialen Einschnürung. Am siebenten Tage waren einzelne Eier auf beinahe ?/, ihrer Oberfläche von dem Keime bedeckt, starben aber trotzdem nach der Bildung des Meso- derms ab. In 0,2°/,iger Lösung bewahren die Eier eine normale Gestalt, bleiben aber doch in der Entwicklung stehen, wobei der Keim die Gestalt einer Kappe besitzt, welche einen nur geringen Theil der Eioberfläche bedeckt. Schnitte ergeben, dass Ektoderm und Mesoderm bereits abgestorben sind; ihre Kerne erscheinen homo- sen. Das Ektoderm ist einschichtig geblieben, während das Meso- derm in verschiedenen Eiern einen verschiedenen Grad der Entwick- lung zeigt (Fig. 64—65). In einigen Eiern stellt das Mesoderm eine kräftig entwickelte vielschichtige Anlage dar; in anderen Eiern ist es schwächer entwickelt, wobei es auf der einen Seite der Keim- scheibe sich auch bis zu deren centralem Theile erstreckt, während es auf deren anderen Seite auf die peripheren Partien der Keimscheibe beschränkt bleibt. In diesen und jenen Eiern aber trifft man öfters dieselben Erscheinungen an, wie wir sie anlässlich der Beschreibung der Anomalien bei in Cocain sich entwiekelnden Eiern gesehen haben, und zwar ragen die Zellen des Keimes, an dessen Rand einiger- maßen vorspringend, in Gestalt einer ringförmigen Scheidewand in den Dotter hinein. An diesem Hineinwuchern nehmen sowohl die Zellen des Mesoderms als auch die Merocyten Theil. Dabei dringt aber diese Scheidewand, welche beinahe parallel zur Oberfläche des Eies verläuft, im Vergleich zu dem, was wir bei der Einwirkung von Cocain gesehen haben, nicht so tief im das Innere des Dotters ein. Die in den Dotter eingedrungenen Mesodermzellen, sowie einzelne 512 Wl. Schimkewitsch, Zellen der Mesodermanlage und die Merocyten besitzen Kerne, welche zwar schon homogen erscheinen, aber noch nicht die Fähigkeit ver- loren haben sich energisch zu färben. Alkohol. (Taf. XXVIIL, Fig. 19, 20; Taf. XXXI, Fig. 66—68.) Zur Verwendung kam eine Mischung von 17,5 cem absoluten Alkohols auf 7000 cem Wasser, d. h. eine !/,°/,ige Mischung. Am Tage darauf zeigte sich bereits die Erscheinung von äquatorialen Einschnürungen und von Vorwölbungen am unteren Pol (Fig. 19, 20). An solchen Eiern, wie auch an solchen, welche eine normale Ge- stalt bewahrten, breitete sich der Keim nicht aus, sondern beschränkte sich auf einen unbedeutenden Bezirk am oberen Pol. Dabei wurden Aberrationen verschiedener Art beobachtet. In Fig. 66 ist eine Keim- anlage abgebildet, deren Zellen noch fast normal sind. Das Meso- derm ist auf den peripheren Theil der Anlage beschränkt; eine Mero- cytenhülle ist nicht vorhanden, da die Segmente, welche auch bei der Untersuchung des Eies von der Oberfläche sichtbar sind, außer- halb der Anlage geblieben sind, und durch Theilung einige Zellen ergeben haben, welche außerhalb der Anlage liegen. Dasselbe Bild stellt auch der Keim dar, welcher in Fig. 67 abgebildet ist, doch sind hier die Zellen des Ektoderms und die muthmaßlichen Abkömm- linge der Segmente bereits abgestorben, während die Kerne des Mesoderms noch ein lebendes Aussehen bewahrt haben. Eine Mero- cytenhülle ist nicht vorhanden, aber die Ektodermzellen sind auf den peripheren Theil der Keimscheibe verschoben, so dass der polare Theil der Eier von Zellen unbedeckt bleibt, und, wenn von der Ober- Näche betrachtet, dunkler erscheint (Fig. 20). Die Wirkung des Alkohols lässt sich demnach als eine für die- oberflächlichen Schichten der Keimscheibe, d. h. für das Ektoderm abtödtend wirkende bezeichnen, wodurch auch die Entwicklung der Merocytenhülle verhindert wird, da die Segmente nicht vom Ektoderm bedeckt werden, sondern nach außen zu liegen kommen. Eine letzte Gruppe von Eiern endlich weist eine dieke Keim- scheibe auf (Fig. 68), welche aus zahlreichen mesodermalen Schich- ten, die ein noch lebendes Aussehen bewahrt haben, ferner aus einer Merocytenhülle mit einer geringen Anzahl von Kernen, und dem ein- schichtigen Ektoderm mit vollständig abgestorbenen Kernen besteht. Die an den Rändern der Keimscheibe beobachteten spärlichen Zellen Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 513 stammen wahrscheinlich von Segmenten ab, welche nicht alle in die Bildung der Meroeytenschicht aufgegangen sind. Chloralhydrat. Es kam eine Lösung von 0,25 g auf 700 cem Wasser (1/33 %/o) zur Verwendung. Die Eier gingen theils zu Grunde, theils wurden sie in der Entwicklung aufgehalten. Nach vier Tagen war das Mesoderm in einzelnen Eiern erst an der Peripherie der Keimscheibe entwickelt, bei anderen auch schon im centralen Theil derselben. Das Ektoderm breitete sich nicht weiter als bis zum Äquator des Eies aus. Abweichende Erscheinungen wurden nicht beobachtet, doch schritt die Entwicklung auch hier nicht weiter voran. Nikotin. (Taf. XX VII, Fig. 21.) Auf 1000 ccm Wasser wurden 0,5 g Nikotin genommen, was einer 0,05% ,igen Lösung entspricht. Ein Theil der Eier ging schon am nächsten Tage zu Grunde, ein anderer bildete Extraovate, ein dritter fuhr fort sich zu entwickeln. Die Eier mit Extraovaten wurden in reines Wasser übergeführt und gingen zu Grunde. Nach drei Tagen zeigten einige der sich weiter entwickelnden Eier eine Keimscheibe, welche sich auf das obere Drittel des Eies beschränkt und am Pole eine beträchtliche Anschwellung aufweist, welche in Gestalt eines halbkugeligen Hügels in den Dotter eindringt (Fig. 21). Zufällig gingen diese Eier zu Grunde, doch lässt sich kaum daran zweifeln, dassowir es hier mit Anomalien zu thun hatten, wie sie uns bei den Koffein- lösungen begegneten und in Fig. 57 abgebildet sind. Sülswasser. Auf 7700 ccm Seewasser wurde 140 cem süßes Wasser genom- men. Die Mehrzahl der Eier bildete Extraovate und Einschnürungen und ging zwei Tage darauf zu Grunde. Bei einigen Eiern dagegen kam es zur Bildung einer Keimscheibe, wobei diese letztere aus den normalen drei Schichten aufgebaut war. Weiter schritten diese Eier in der Entwicklung aber nicht voran. Schlussfolgerungen. Die Wirkung einer jeden Lösung auf ein Ei kann eine zweifache sein: eine mechanische, hervorgerufen durch das Zusammenpressen 514 W]l. Schimkewitsch, oder die Ausdehnung. gewisser Theile des Eies, und eine che- mische. Hat man es mit Eiern zu thun, welche sich schon im Stadium der Furchung befinden, oder in noch späteren Stadien (Bildung des Mesoderms), so kann man annehmen, dass die chemische Einwirkung hierbei eine nur untergeordnete Rolle spielt, auf Grund der Erschei- nung, dass bisweilen Substanzen, die ihrer chemischen Beschaffenheit nach sehr verschieden geartet sind, die gleichen Abweichungen in der Entwicklung hervorrufen. Die chemische Zusammensetzung der Lösung kann vor Allem eine Bedeutung haben bei der Verzögerung oder der Verhinderung der Entwicklung auf irgend einem Stadium, die Mehr- zahl der Anomalien aber muss offenbar durch Veränderungen in der Form des Eies, welche durch die betreffende Lösung hervorgerufen wird, erklärt werden. Das Erste, was bei der Einwirkung sehr vieler Lösungen in die Augen springt, ist die Bildung von Extraovaten und Einschnürungen an den Eiern. Die Extraovate bilden sich in der ungeheuren Mehr- zahl der Fälle am unteren, der Keimscheibe entgegengesetzten Ei- pole, die Einschnürungen de gegen (eine oder zwei) längs dem Äquator, oder parallel zu demselben. Die beiden genannten Erscheinungen sind wahrscheinlich durch die Bedingungen des Druckes zu erklären, welche ihrerseits durch die Gestalt des Eies und die Anwesenheit der Keimscheibe an seinem oberen Pole beeinflusst werden; das Auf- treten selbst der Einschnürungen und Extraovate muss jedoch seinen Grund in der Störung der gegenseitigen Druckbedingungen in den en Theilen des Eies haben. Die Bildung von Extraovaten in koncentrirtem Seewasser an Eiern mit wenig Nahrungsdotter lässt sich durch das Aufquellen des Eiinhaltes unter dem Einfluss der ver- änderten Bedingungen des Diffusionsdruckes erklären!. Doch lässt sich diese Erklärung wohl kaum auf solche Eier anwenden, welche reich an Nahrungsdotter sind. Bei Logo verbleiben die Extraovate in vielen Fällen unter der Eihülle und treten nicht nach außen, wie dies an Seeigeleiern beobachtet wird. Die Ränder der bei der Ablösung des Extra- ovates nachbleibenden Öffnung biegen sich in Form eines Trichters oder Kraters nach innen um (Fig. 9, 12). Dies zeigt an, dass die inneren Theile des Dotters einen Druck von Seiten der äußeren ‘ LoEB, Beiträge zur Entwicklungsmechanik der aus einem Ei entstehenden Doppelbildungen. Arch. f. Entwicklungsmech. I. 1895. Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 515 Theile erleiden. Es drängt sich hier die Frage auf, ob nicht die Bildung der Extraovate und Einschnürungen in dem gegebenen Falle durch die Verdichtung und das Zusammenpressen der peripheren Dotterschiehten und Keimscheiben selbst unter der Einwirkung der Lösungen zu erklären ist? Mit der Veränderung der Gestalt des Eies ändern sich gleich- zeitig auch die Bedingungen des auf den Keim ausgeübten Druckes. Bei der Entwicklung in koncentrirtem Seewasser wächst die Keim- scheibe nur bis zur äquatorialen Einschnürung und hält, indem sie sich in die Einschnürung versenkt, in ihrem Wachsthum inne, so dass die ganze weitere Entwicklung auf der oberen Hälfte des Eies allein vor sich geht (Fig. 1, 5, 16). Da die Keimscheibe eine andere Kon- sistenz besitzt wie der Dotter, so tritt auch sie als Faktor bei der Hervorrufung neuer Bedingungen des veränderten Druckes auf. Unter Sewissen Umständen senkt sich die Keimscheibe so tief in den Dotter ein, dass der ihrem Rand anliegende Dotter der weiteren Ausbreitung der Keimscheibe einen eben so wirksamen Widerstand entgegen- setzen kann, wie eine Einschnürung. Dies sehen wir an den Keimen, welche sich in koncentrirtem Seewasser (Fig. 31) und Kalium joda- tum (Fig. 45 links) entwickelten. Der Stillstand im Wachsthum der Keimscheibe vollzieht sich gewöhnlich auf ganz eigenartige Weise. Die Randzellen des Ektoderms erreichen eine enorme Größe und schließen die Reihe der nach dem Rande hin nicht selten allmäh- lich an Größe zunehmenden, ebenfalls ziemlich großen Ektodermzellen fest ein (Fig. 25, 26, 31). Berücksichtigt man das Vorkommen bald von zwei Kernen, bald von einem Kern mit einer Einschnürung in den Randzellen, so kann man vermuthen, dass letztere neue ektodermale Zellen in der Rich- tung nach dem oberen Pole des Eies zu abgeben. Mit einem Wort, die Zellen des Ektoderms begegnen auf ihrem Wege Hindernissen, serathen dabei in günstigere Ernährungsbedingungen, indem sie den Dotter mit einer größeren Fläche berühren als bei ihrer nor- malen Lage an der Oberfläche des Eies, und gehen in Folge dessen zur teloblastischen Vermehrungsweise über. Wie bei den echten teloblastischen Reihen erfolgt das Wachsthum der Reihe auch hier, wie man annehmen muss, nicht ausschließlich durch Theilung der endständigen Zelle, sondern auch noch durch Vermehrung der übri- gen Zellen der Reihe; daher büßt unser Vergleich nichts an seiner Kraft ein, wenn von den sehr häufig nach innen umgebogenen Ekto- dermzellen sich bisweilen auch Zellen in anderer Richtung ablösen, 516 WI. Schimkewitsch, wobei auch diese Zellen augenscheinlich in den meisten Fällen die teloblastische Art der Vermehrung beibehalten. Der angeführte Versuch zeigt, dass zwischen einer gewöhnlichen embryonalen Zelle und einer Zelle, welche sich teloblastisch ver- mehrt, kein radikaler Unterschied in deren Natur besteht: eine ge- wöhnliche Ektodermzelle geht unter gewissen Ernährungs- und Druck- verhältnissen zur teloblastischen Vermehrungsweise über. Es ist von Interesse zu betonen, dass weder das Mesoderm noch die Merocytenhülle dem Beispiele des Ektoderms folgen. Was das Mesoderm betrifft, so sind seine Zellen zu sehr beweglich, verändern ihre Form zu leicht, und passen sich jeder Lage zu sehr an, als dass die Druckbedingungen eine solch’ energische Wirkung auf sie ausüben könnten, wie auf das Ektoderm. In der That wachsen sowohl die Mesodermzellen (Fig. 25 A) als auch die Merocyten (Fig. 25 BD) sehr häufig über den Rand des Ekto- derms hinaus und kriechen aus der Vertiefung auf die Oberfläche des Eies heraus, obgleich sie doch nicht viel weiter wachsen. Bis- weilen gelingt es auch dem Ektoderm über die Vertiefung hinauszu- wachsen (Fig. 25 C), doch ist dies eine äußerst seltene Erscheinung. Wir sehen im Gegentheil, dass das Ektoderm, nachdem es sich die teloblastische Vermehrungsweise zu eigen gemacht hat, fortfährt an derselben festzuhalten (Fig. 31 A, 42, 43). Wenn demnach auch die Bedingungen des Druckes und der Er- nährung den Übergang der Embryonalzellen zum teloblastischen Wachsthum hervorrufen können, so unterwirft sich dennoch nicht eine jede Zelle der Einwirkung dieser Faktoren, und man wird immer die Natur der Zelle in Betracht ziehen müssen, ja sogar ihren Zu- stand. Die Ektodermzellen von Zoligo gehen leicht zur teloblastischen Vermehrungsweise über, die Zellen des Mesoderms und die Merocy- ten dagegen gar nicht. Aber auch die Zellen des Ektoderms verhalten sich in früheren oder späteren Stadien verschieden zum Auftreten der Einschnürungen und bilden keine Teloblasten (s. weiter unten). Es muss hervorgehoben werden, dass bei Keimen der normale teloblastische Vermehrungsmodus hauptsächlich bei denjenigen Zeilen beobachtet wird, welche im hinteren Theile des Körpers liegen, d. h. da, wo die Bedingungen im Allgemeinen mit denjenigen Bedingungen übereinstimmen, welche wir bei der Vermehrung der Ektodermzellen von Loligo wahrgenommen haben. Nehmen wir zum Beispiel die Urmesodermzellen, so sind dieselben von hinten einem Druck seitens des am hinteren Ende des Embryos gelegenen Ektoderms ausgesetzt, Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 517 und liegen dabei zu gleicher Zeit im Bereich des hinteren Theiles des Darmtractus, wo sich wahrscheinlich der Process der Nahrungs- aufsaugung abspielt. Ich fasse hier natürlich einen der einfachsten Fälle ins Auge, ohne Berücksichtigung der verwickelteren. Den Veränderungen in den Bedingungen des Druckes schreibe ich den Wachsthumsstillstand der Ektodermanlage überhaupt zu, außer- dem aber den Stillstand, wie er bei Keimen beobachtet wurde, welche der Wirkung von Manganum sulphuricum (Fig. 8), Natrium bromatum und noch vielen anderen Stoffen ausgesetzt waren. Das Zusammen- pressen der Keimscheibe erfolgt wahrscheinlich mit mehr Energie als dasjenige des Dotters, und in Folge dessen sinkt die Keimscheibe etwas in den Dotter ein. Jedenfalls ist die Fähigkeit des Ektoderms, sich parallel zur Oberfläche auszubreiten, durchaus nicht unterdrückt, worauf schon die Richtung einiger karyokinetischer Figuren (Fig. 34 B) hinweist, und nur weil das Ektoderm von der Peripherie her zu- sammengepresst wird und sich nicht in der Flächenrichtung ausbreiten kann, bekommen seine Zellen die Tendenz zur mehrschichtigen An- ordnung (Fig. 35—38). Die Erscheinungen, wie sie bei Cephalopoden beobachtet werden, sind demnach ganz anderer Natur als diejenigen, welche von O. HERTwIG und GurwITscH! für Amphibien beschrieben wurden, wo die hemmende Wirkung der Lösungen deutlich zu sehen ist. Das Fehlen von Teloblasten am Rande des Ektoderms in vielen Fällen erkläre ich durch den Umstand, dass die Hemmung hier in viel früheren Stadien eingetreten ist, und zwar während der Process der Absonderung des Mesoderms in vollem Gange war, oder aber im Anfange desselben. In solchen Fällen geht das Ektoderm an seiner Peripherie ohne scharf ausgesprochene Grenzen in das Mesoderm über (Fig. 34, 36, 37 und 38). Ist jedoch die Wachsthumshemmung bei dem Keime nach dem Process der Mesodermbildung eingetreten, so zeigt das Ektoderm die Neigung zu teloblastischem Wachsthum. Wir sahen bereits, wozu die Verzögerung im Wachsthum des Ekto- derms führt. Da die Keimscheibe auf eine geringe Größe beschränkt bleibt, so kommt das Mesoderm in einem sehr bedeutenden Umfange derselben zur Ausbildung, und repräsentirt eine massive, mit der Konsu- 1 GuRWITScH, Über die formative Wirkung des veränderten chemischen Me- diums ete. Archiv für Entwicklungsmech. Bd. II. 1896. — O0. HErTwıcG, Bei- träge zur experimentellen Morphologie und Entwicklungsgesch. Theil I. Archiv für mikr. Anat. XLIV. 1895. — Derselbe, Experimentelle Erzeugung thierischer Missbildungen. Festschrift GEGENBAUR. Leipzig 1897. — Vgl. auch Morcan, The orientation of the frog’s egg. Quart. Journ. Vol. XXXV. 518 WI]. Schimkewitsch, mirung sich immer mehr in den Dotter versenkenden Anlage. Unter dieser Anlage liegen bisweilen die in einer Vertiefung des Dotters angehäuften Kerne der ein Plasmodium bildenden Meroeytenschicht (Fig. 34, 36, 37). Meist hat diese Vertiefung die Gestalt eines Ringes, während die Oberfläche des Dotters dann die Form eines Flaschen- bodens annimmt. In dieser Gestalt bietet der Embryo eine gewisse Ähnlichkeit mit der Gastrula eines Wirbelthieres, z. B. eines Sela- chiers oder noch mehr eines Arthropoden. Unter dem Ektoderm liest die Meso-Entodermschicht, und unter dieser eine Sehieht von Dotter- zellen, welche aus indifferenten Zellen entstanden ist, wie z. B. die Dotterzellen der Arachniden. Der Unterschied besteht darin, dass bei den Arthropoden das Bildungscentrum des Meso-Entoderms in der Mitte der Keimscheibe liegt, hier aber am Rande derselben. ' Schwerer ist es die stellenweise Verdickung der Mesodermanlage am oberen Pole zu erklären, wie sie bei Embryonen in Lösungen von Coffein und Nikotin (Fig. 57 und 21) beobachtet wurde. Sollte die Erklärung dieser Erscheinung nicht in der verminderten Widerstands- fähigkeit des Dotters am oberen Pole gesucht werden, welche durch die Bildung von Extraovaten am unteren Pole hervorgerufen wurde? Für mich bleibt diese Frage einstweilen unaufgeklärt. Was das tiefere Eindringen der Keimzellen in den Dotter in Gestalt eines Trichters betrifft, wie dies in Lösungen von Jodkali beobachtet wurde (s. p. 501), so haben hier vielleicht auch chemo- taktische Einflüsse, von denen weiter unten die Rede sein wird, eini- gen Einfluss. | Wenn die Bildung der äquatorialen Einschnürung in einem noch späteren Stadium stattgefunden hat, so wird (in Coffeinlösung) ein Einwachsen des Ektoderms, des Entoderms, und bisweilen auch der Merocytenhülle längs dem Äquator, oder parallel zu demselben (Fig. 60, 61) sowie die Bildung einer unvollkommenen Scheidewand zwischen der oberen und unteren Eihälfte beobachtet. Augenscheinlich geht die Sache im gegebenen Falle folgendermaßen vor sich: unter normalen Umständen wachsen die Zellen der Keim- scheibe längs der Oberfläche des Dotters, sich allmählich nach unten zu ausbreitend. Die Einschnürung verändert die Wachsthumsrichtung, da der Keimscheibenrand, indem er in diese Einschnürung geräth und damit eine in Bezug auf das Ei radiale Stellung annimmt, sein Wachsthum so fortsetzt, als ob er sich in normaler Lage befände; indem der Rand der Keimscheibe den Widerstand des Dotters endlich überwindet, dringt er nunmehr in dessen Inneres ein. Die Wachsthumsrichtung Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 519 wird demnach in dem vorliegenden Falle durch das Auftreten der Einschnürung und eine gewisse, dem Keimscheibenrand eigene und durch vererbte Eigenschaften bedingte Tendenz zu weiterem Wachs- thum beeinflusst. Der Keimrand fährt fort in Gestalt einer kontinuirlichen Scheibe zu wachsen, d.h. so als ob er sich auf der Oberfläche befände, nicht aber indem seine Zellen sich im Dotter nach verschiedenen Rich- tungen hin ausbreiten. Man ist aber berechtigt zu glauben, dass hier auch die Chemoiaxis eine gewisse Rolle spielt: die Zellen der Keimscheibe verfügen unzweifelhaft über einen gewissen positiv chemo- taktischen Einfluss in Bezug auf den Dotter. Sie streben danach in die Vacuolen zu gelangen, welche nach der Bildung der Extraovate auf der Oberfläche des Dotters zurückgeblieben sind (Fig. 22, 29), aber diese Chemotaxis ist nicht stark genug, um den Widerstand der Dottermasse zu überwinden. Woher wird aber in dem in Frage stehenden Fall dieser Widerstand so leicht überwunden? Sollte hier nicht die negativ-chemotaktische Beziehung zum umgebenden Medium, d. h. zur Coffeinlösung mithelfen, welche die Zellen zwingt in die Tiefe des Dotters einzudringen? Eine derartige negative Einwirkung des umgebenden Mediums (d. h. der Lösung) auf die embryonalen Zellen möchte ich zur Erklärung von zwei Anomalien zulassen, und zwar erstens des Hereinwucherns von Mesodermzellen und Merocyten in den Dotter und der Bildung einer zur Oberfläche des Eies annähernd parallelen Scheidewand unter der Einwirkung von Cocain und Chlor- natrium (Fig. 62, 64), zweitens des Versinkens einzelner, die Gestalt runder und sternförmiger Zellen annehmender Merocyten in die ober- flächlichen Schichten des Dotters, welches in Lösungen von Ortho- chlorphenol, Jodkali, Guanin und Chlor-Lithium (Fig. 46, 47) in viel bedeutenderem Maße vor sich geht als unter normalen Bedin- gungen (siehe p. 498 nach den Untersuchungen von KoRSCHELT). In ersterem Falle wachsen das Mesoderm und die Merocytenhülle in den Dotter ein, indem sie dabei den Charakter einer flachen Scheibe beibehalten, ganz als ob das Wachsthum auf der Oberfläche vor sich ginge, aber die Lage selbst der Scheibe — in der Nähe der Oberfläche und parallel zu derselben — oder ihre Verlagerung in tiefere Schichten des Dotters, wird wahrscheinlich durch negativ- chemotaktische Beziehungen zum umgebenden Medium bedingt. Ist die Lösung an der betreffenden Stelle tiefer in den Dotter einge- drungen, so wird auch die Scheibe bei ihrem Wachsthum nach den tieferen Dotterschichten hin abgelenkt. 520 WI. Schimkewitsch, Die in Frage stehende Erscheinung erweist sich demnach als komplicirt und von einer Reihe von Faktoren abhängig: die Zel- len der Keimscheibe besitzen eine erbliche Neigung zu weiterer Ausbreitung, und zwar zu einer Ausbreitung in scheibenförmiger Ge- stalt. Die Richtung des Wachsthums ist in erster Linie durch die Lage des Keimscheibenrandes bedingt: liegt dieser Rand nicht an der Oberfläche des Eies, aber parallel zu ihr, so erfolgt auch das Wachsthum parallel zur Oberfläche. Steht der Keimscheibenrand aber vertikal zur Eioberfläche, so geht auch das Wachsthum in dieser Richtung vor sich. Was jedoch die Erklärung des Eindringens der Keimscheibenelemente in das Innere des Dotters trotz dem Widerstande der Dottermassen, und eben so die Erklärung des Abweichens von der Wachsthumsrichtung bei den bereits in den Dotter eingedrunge- ‚nen Zellen betrifft, so kann man hier eine Einwirkung negativ-chemo- taktischer Eigenschaften in Bezug auf die Lösungen zulassen. Wir sahen, dass in Lösungen von Jodkali, Chlorlithium und Guanin in gewissen Fällen die Invagination der Schalendrüsenanlage nicht erfolgt, und zwar dann, wenn das Wachsthum des Keimes auf die polare Eiregion beschränkt bleibt und dieser sich in Folge der stärkeren Vermehrung des Mesoderms hügelartig vorwölbt (Fig. 37, 46, 47, 50). Man muss annehmen, dass einerseits der Druck auf die hügelartig vorspringende Anlage der Eihülle, andererseits der Wider- stand, welchen das stark vermehrte Mesoderm ausübt, der Invagi- nation der genannten Anlage hindernd entgegentreten. Die vererbte Tendenz findet aber trotzdem ihren Ausdruck in folgendem Vorgang: die die Anlage umgebenden Zellen theilen sich, wahrscheinlich in tangentialer Richtung, kriechen auf die Oberfläche der Anlage heraus, ordnen sich meist in Gestalt einer Deckschicht von flachen Zellen, und gehen dann zu Grunde. Indem wir die Bedingungen, unter welchen der Druck stattfindet, verändern, lassen wir demnach den Invagi- nationsprocess in einen Delaminationsprocess übergehen!. In 1 Diese Erklärung passt auf die Mehrzahl der oben beschriebenen Fälle von anormaler Entwicklung des Schalendrüsensackes, mit Ausnahme des in den Fig. 46 und 47 abgebildeten Falles (Kali jodatum), wo keine verstärkte Ent- wicklung des Mesoderms statt hat. Die Bildung von Extraovaten an diesen Eiern zeigt jedoch, dass das allgemeine Zusammengepresstwerden der oberfläch- lichen Eischichten auch hier stattgefunden hat. Eine solche Pressung kann zu den gleichen Resultaten führen wie der von dem anwachsenden Mesoderm und der Eihülle ausgeübte Druck. Andererseits, falls der Dotter nachher von den Zellen aufgenommen wird, so können die Druckverhältnisse verändert werden und die Umwachsung des Keimscheibenrandes weitergehen (Fig. 57) und den Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 591 anderen Fällen, wenn es der Tendenz zur Invagination gelingt den Widerstand des Mesoderms zu besiegen, nimmt der Schalensack den- noch die Gestalt einer dieken, ektodermalen, in das Innere des Dot- ters versenkten Falte an (Fig. 38). Die vollkommene Hemmung der Entwicklung des Schalendrüsen- sackes in denjenigen Fällen, wo der Keim sich auf der oberen Eihälfte allein entwickelt (koncentrirtes Seewasser, Fig. 25), wird ebenfalls durch die Anhäufung des Mesoderms am oberen Pol verursacht. Das Mesoderm umwächst die untere Eihälfte nicht, sondern koncentrirt sich ausschließlich auf der oberen Hälfte, woher das Ektoderm auch nicht im Stande ist den Widerstand des Mesoderms zu besiegen und eine Einstülpung nach innen zu bilden. Es ist möglich, dass die Anlage der Schalendrüse auch in diesem Falle auftritt, sie bleibt aber auf der Oberfläche, sinkt nicht ein, wird in der Folge verwischt und ihre Zellen nehmen den Charakter der umliegenden Zellen an. Ist meine Annahme, der knopfförmige Ektodermvorsprung der in Fig. 51 A dargestellten Anomalie (in Chlorlithium) entspreche der nach außen vorgestülpten Otocyste, richtig, so haben wir es hier mit einer Störung in den osmotischen Processen zu thun, welche eine Vorstülpung statt eine Einstülpung hervorruft. Diese Erscheinung zeigt eine vollständige Analogie mit der Bil- dung der Exogastrula an Seeigeleiern unter der Einwirkung des sleichen Lithiumsalzes!. | Unerklärlich bleibt mir einstweilen die Hypertrophie der Zellen des die untere Hälfte des Keimes bedeckenden Ektoderms, bei der Entwicklung in Orthochlorphenollösung, Chlorlithium und Guanin, wobei diese Hypertrophie von einem Einsinken der Merocyten in den Dotter begleitet wird (Fig. 30, 51, 52). Die Tendenz der Ektodermzellen zur Hypertrophie zeigt sich, wie schon früher angegeben wurde (siehe p. 495 über die Beobach- tungen KORSCHELT’s), auch bei ganz normalen Bedingungen, aber nicht in so starkem Maße wie in den von mir angeführten Fällen. Sollte nun nicht die besprochene Hypertrophie eine Folge des oben Vorgang verwischen. Bei allen diesen Erklärungen ist man übrigens einstweilen noch bis zu einem gewissen Grade auf Muthmaßungen angewiesen, und eine definitive Antwort werden erst Versuche geben, bei welchen die Wirkung des Zuges und des Druckes auf das Ei auf rein mechanische Weise erprobt wird. i HERBST, Experimentelle Untersuchungen etc. Diese Zeitschr. Bd. LV. 1892; Mitth. Zool. Station Neapel. Bd. XI. 1893. Arch. für Entwicklungsmech. Bd. II. 1896, 522 WI. Schimkewitsch, erwähnten Einsinkens der Merocyten in den Dotter sein, welches seinerseits durch eine Veränderung der chemotaktischen Beziehungen hervorgerufen würde? Oder sollte die erwähnte Hypertrophie der Ektodermzellen vielleicht noch während des erfolgten Wachsthuns- stillstandes und zwar im Zusammenhang mit dem Auftreten der Vertiefungen auf dem Dotter erworben worden sein, und die Zellen des Ektoderms, nachdem sie einmal eine bedeutendere Größe er- reicht hatten, behielten dieselbe auch dann noch bei, als der Embryo auf der Oberfläche des Dotters sich weiter ausbreitete? Aber auch bei dieser Annahme müssen wir augenscheinlich dennoch eine ge- wisse Abhängigkeit der Hypertrophie der Ektodermzellen von dem Eindringen der Merocyten in den Dotter, welches die Assimilation des Dotters zum Zwecke hat, zulassen. Was die Degeneration der Kerne unter der Einwirkung der Lösungen betrifft, so beginnt dieselbe in den meisten Fällen damit, dass die Chromatinkörner zu einem, zwei, drei oder vier größeren Chromatinbrocken verschmelzen. Dabei verlieren die Kerne augen- scheinlich nicht das Vermögen sich durch direkte Theilung zu ver- mehren, wobei auch die Chromatinanhäufungen sich theilen, wenn auch durchaus nicht immer gleichmäßig (Fig. 39). Diese Erscheinung ist nach meinem Dafürhalten der erste Schritt zur Degeneration, welche in den verschiedenen Lösungen, wie wir sahen, einen etwas verschiedenen Charakter aufweist (vgl. die Degeneration in Man- ganium sulphuricum, in Coffein und in Cocain). Allein diese Ver- schiedenheiten sind von nur untergeordneter Bedeutung und haben kein theoretisches Interesse. | Was die Aufeinanderfolge im Process der Degeneration betrifft, so erscheint dieselbe gewöhnlich der Lagerung der embryonalen Blätter entgegengesetzt: zu allererst treten die Anzeichen von Degene- ration in der Merocytenschicht auf (die Kerne werden blasenförmig und bleich, die Zellen vereinigen sich zu einem Plasmodium, Fig. 33, 34 u. a. m.). Im Mesoderm ist der Degenerationsprocess (die Chro- matinkörner fließen zu runden Klumpen zusammen) zu dieser Zeit erst im Entstehen begriffen. Ist nun der Process im Mesoderm auf seinem Höhepunkt angelangt (Fig. 35, 36, 37, 53, 56 u. a. m.), So fängt er jetzt erst an sich im Ektoderm zu zeigen. Bei der Degene- ration in früheren Stadien erweisen sich die, ihrer Natur nach in- differenten, Segmente (Blastoconen, Fig. 44) bisweilen als am lang- lebigsten. Unter der Einwirkung von Substanzen, welche die Gewebe abtödten (Alkohol), geht das Absterben der embryonalen Blätter Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. 523 naturgemäß in entgegengesetzter Reihenfolge vor sich, d. h. es be- sinnt von außen im Ektoderm und dringt von hier aus nach dem Inneren des Embryos vor (siehe p. 512). Einige Kerne bewahren ihren wabigen (retikulären) Bau und vermehren sich dabei durch direkte Theilung (Natrium bromatum, Fig. 44), oder aber durch direkte Theilung und gleichzeitig durch Knospung (Manganum sulphuricum, Fig. 40, Coffein, Fig. 59), wobei sich von dem Kerne mehrere (drei bis vier) kleinere Kerne ablösen. In einigen Fällen erfolgt auf die Knospung augenscheinlich auch eine Theilung der Zellen. Auf weiteren Stadien der Kerndegeneration (Coffein), zeigt der Process schon einen völlig pathologischen Cha- rakter, indem sich kleine (bisweilen an Centrosomen erinnernde) Bruchstücke vom Kerne ablösen. Es sei hier bemerkt, dass FLEMMInG! und DogiIEL einen entsprechen- den Übergang von der mitotischen zur direkten Theilung in den ober- flächlichen Epithelzellen in der Harnblase von Wirbelthieren be- schrieben haben, wobei von FLEMMInG auf die mögliche Abhängigkeit dieser Erscheinung von einem pathologischen Zustand der Blase hin- gewiesen wurde, während DoGIEL diese Erscheinung für eine normale hält, und es ist wohl möglich, dass auch in diesem Falle der Übergang zur amitotischen Theilung sich durch den Einfluss der im Harne ent- haltenen Salze erklären lässt. Wird nun aber die Vermehrungsweise der Kerne durch die Lösun- sen selbst beeinflusst, oder durch die Substanzen, welche sich wäh- rend der Degeneration unter der Wirkung jener Lösungen in der Zelle ansammeln ? Die letztere Annahme hat mehr Wahrschemlichkeit für sich, da die Einwirkung der Lösungen selbst ein mehr gleichförmiges Bild abgeben würde, als wir es in Wirklichkeit beobachten konnten. Und ist nicht auch unter normalen Bedingungen die eine oder die andere Art der Vermehrung des Kernes durch die Anhäufung dieser oder jener Stoffe im Kern und im Protoplasma bedingt? Ich will die Möglichkeit solcher Abweichungen bei der Ent- wicklung der Cephalopoden, welche durch die hemmende Wirkung sewisser Lösungen auf einzelne Organanlagen verursacht werden, nicht bestreiten. Wenn ich keine derartigen Abweichungen bei meinen Versuchen erhalten habe, so hat dies seinen Grund höchst wahr- 1 FLEMMING, Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXIV. — DociEL, Zur Frage über das Epithel der Harnblase. Ibid. Bd. XXXV. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 35 524 WI]. Schimkewitsch, scheinlich in dem Umstande, dass ich mit Eiern experimentirte, welche sich in späteren Stadien befanden, als zum Erzielen der ge- nannten Abweichungen erforderlich ist. Um die beschriebenen Abweichungen genügend zu erklären, genügt es aber jedenfalls die durch Formveränderungen bedingten veränder- ten Druckbedingungen im Ei, die chemotaktischen Einwirkungen der Lösungen auf gewisse Zellen des Keimes und endlich eine Störung in den osmotischen Erscheinungen (Evagination der Otocyste) zuzu- geben. Einen mehr specifischen Charakter zeigt die Wirkung der \Lösun- sen auf den Charakter der Vermehrung und die Degeneration des Zellkernes. St. Petersburg, im December 1899. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVIII. Fig. 1—2. Im koncentrirtem Seewasser entwickeltes Ei, mit Einschnürung auf dem unteren Drittel, an welcher der Stillstand im Wachsthum des Keim- scheibenrandes eingetreten ist. Anlage der Arme in Gestalt eines ringförmigen Wulstes. Die Einschnürung liegt auf der oralen Seite (2) höher als auf der ent- gegengesetzten Seite (2). Bezeichnungen siehe Fig. 13. Fig. 3. Ei, welches sich während sieben Tagen in koncentrirter Lösung von Orthochlorphenolum earbonicum entwickelt hat. Oben die Anlage der Schalen- drüse. Fig. 4. Embryo, welcher sich in gesättigter Lösung von Orthochlorpheno- lum carbonicum im Verlauf von elf Tagen entwickelte. Anlage der Arme. welche eine scheibenförmige Verdiekung umgeben. Fig. 5. Embryo, welcher sich während fünf Tagen in YP/siger Glykogen- lösung entwickelte; am Rande der Keimscheibe hat sich ein Wulst gebildet. Fig. 6—8. Verschiedene Formen von Embryonen, welche sich während fünf Tagen in !/,/giger Lösung von Manganum sulfuricum entwickelten. Fig. 9. Ei, welches sich während sechs Tagen in 1/a%/yiger Lösung von Manganum sulfuricum entwickelte; unten eine kraterförmige Vertiefung, welche sich nach Ausscheidung der Extraovate gebildet hat. Fig. 10—12. Verschiedene Formen der Keimscheibe von Eiern, welche sich während zwei Tagen in 1/o%/uiger Lösung von Kali jodatum entwickelten. Fig. 13. Asymmetrischer Embryo, welcher sich während zehn Tagen in 0,10/,iger Lösung von Lithium chloratum entwickelte. ma, Mantelanlage; At.f, hintere, vd.f, vordere Trichterfalten; %, Kiemen; ot, Otocyste; oc, Augen; Br, Anlage der Arme. Fig. 14. Ei, welches sich während fünf Tagen in gesättigter Lösung von (suanin entwickelte, mit unregelmäßiger Keimscheibe. Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 525 Fig. 15. Ei, welches sich w ährend fünf Tagen in gesättigter Lösung von Guanin entwickelte. Fig. 16. Ei, welches nach der Bildung des Mesoderms in !/4Joige Lösung von Coffein verbracht wurde und an welchem sich zwei Einschnürungen ge- bildet haben, wobei der Wachsthumsstillstand an der oberen Einschnürung er- folgte. Fig. 17. Ein gleiches Ei. Es ist zur Biden einer Einschnürung gekom- men, und der Keimscheibenrand ist in den Dotter versenkt. Fig. 18. Unregelmäßige Keimscheibe, welche sich nach zwei Tagen in 1/4 /iger Coffeinlösung entwickelte. Fig. 19. Ei, am Tage, nachdem dasselbe in 1/4°/sige Alkohollösung über- geführt wurde. An den Rändern der Keimscheibe sieht man die Überreste der Segmente (Blastoconen), in der Mitte eine Einschnürung. Fig. 20. Ei nach eintägigem Aufenthalt in !/4°/uiger Alkohollösung; ring- förmige Keimscheibe mit Überresten der Segmente am Rande; am unteren Pol Extraovate. Fig. 21. Ei, welches sich während drei Tagen in 0,050/giger Nikotinlösung entwickelte; die Keimscheibe ist mit ihrem centralen Theil in den Dotter ver- senkt. Tafel XXIX. Fig. 22. Unterer Pol eines Eies, welches sich während fünf Tagen in kon- centrirtem Seewasser entwickelte, im Längsschnitt; die nach dem Austritt des Extraovates nachgebliebenen Vacuolen füllen sich mit Zellen (z) an. Fig. 23. Unterer Pol eines anderen Eies, welches sich während fünf Tagen in koncentrirtem Seewasser entwickelte, im Längsschnitt; die Zellen (z), welche nach Austritt des Extraovates in die Vacuolen eingedrungen waren, werden von den die Vacuolen aufs Neue erfüllenden Dotterkörnchen zusammengedrückt. Fig. 24. Embryo, welcher sich während fünf Tagen in Seewasser, welchem Methylenblau beigemischt war, entwickelte; vitale Färbung. Anlage der Schalen- drüse (‚Sd), der Trichterfalten (htf, vdf), der Otocyste (ot), der Augen (auf der entgegengesetzten Seite) und der Arme (Br); unten ein Extraovat (Zx) und die in den Dotter eingedrungenen Zellen (2). Fig. 25. Seitlicher Längsschnitt durch einen Embryo, welcher sich wäh- rend acht Tagen in koncentrirtem Seewasser entwickelte. Die untere Seite des Eies ist unbedeckt geblieben. Links zeigt sich die Anlage des Auges (oc), oben diejenige des Mantels (ma). Fig. 25 A, B, ©. Randzelle der Keimscheibe des in Fig. 25 abgebildeten Embryos im Längsschnitt, bei stärkerer Vergrößerung; A, B, C, an drei ver- schiedenen Stellen; Ec, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocytenschicht; Rz, Randzellen des Ektoderms; D, Dotter. | Fig. 26. Randzellen der Keimscheibe des in Fig. 1 und 2 abgebildeten Em- bryos. 4A, von der oralen Seite; 3 und C, von der analen Seite (wo der Trich- ter liegt). Bezeichnungen wie in Fig 25. Ze2, zweite, nach innen umgebogene Reihe von Ektodermzellen. Fig. 27. Schnitt durch die Keimscheibe eines Embryos, welcher sich wäh- rend vier Tagen in koncentrirtem Seewasser entwickelte. Zc, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Sg, Überreste der Segmente (Blastoconen). Fig. 28. Schnitt durch die Keimscheibe eines Embryos. welcher sich wäh- 35* 526 WI. Schimkewitsch, rend sechs Tagen in koncentrirtem Seewasser entwickelte. Alle Zellen sind in Degeneration begriffen. Fig. 29. Embryo, welcher sich während vier Tagen in koncentrirtem See- wasser, welchem Methylenblau beigemengt war, entwickelte; vitale Färbung. 27, Zone der degenerirenden Zellen; 2,, Zone der stärkeren Entwicklung des Mesoderms; 277;;, Zone der flachen ektodermalen Zellen; z, in den Dotter einge- drungene Zellen; Ex, Extraovat. Fig. 30. Theil.eines Längsschnittes durch den in Fig. 4 abgebildeten Em- bryo, welcher sich während elf Tagen in gesättigter Lösung von. Orthochlor- phenolum carbonicum entwickelte. Br, Anlage der Arme; Ze, Ektoderm der unteren Eihälfte mit hypertrophirten Zellen Fig. 31. Längsschnitt durch den Keimscheibenrand des in Fie. 5 abge- bildeten Embryos, welcher sich während fünf Tagen in 1/,40/jiger Glykogenlösung entwickelte. A, das Ektoderm bildet einen faltigen Wulst; 2, die Randzellen (Rz) sind nach innen umgebogen; C‘, die Randzellen (Rz) sind umgebogen und durch eine Mesodermzwischenschicht von dem äußeren Ektoderm geschieden; D, Kerne der Randzellen; Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocytenschicht; D, Dotter. Fig. 32. Längsschnitt durch eine asymmetrische Keimscheibe, welche sich während fünf Tagen in !/;P/siger Lösung von Manganum sulfuricum entwickelte. Ec, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocyten; D, Dotter. Fig. 33. Seitlicher Längsschnitt durch die Keimscheibe eines Eies, welches sich während zwei Tagen in 1/,%/yjiger Lösung von Manganum sulfuricum ent- wickelte. Bezeichnungen wie bei der vorhergehenden Figur. Zrh, Eihaut. Fig. 34. Längsschnitte durch die Keimscheibe eines Eies, welches sich während zwei Tagen in 1/°/siger Lösung von Manganum sulfurieum entwickelte. Dieselben Bezeichnungen wie Fig. 32. A, näher zum Keimscheibenrand; 2, in der Mitte der Scheibe. Fig. 35. Zwei Längsschnitte durch die Keimscheibe eines gleichen Eies wie in Fig. 34. 4A, näher zum Rande; 2, näher zur Mitte; Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocyten; D, Dotter. Fig. 36. Längsschnitt durch die Keimscheibe des in Fig. 6, Taf. XXVII abgebildeten Eies (fünftägige Entwicklung in 1/,)siger Lösung von Manganum sulfuricum). Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Mes, helle Masse mit degeneriren- den Mesodermzellen; Sd, Anlage der Schalendrüse. Fig. 37. Längsschnitt durch einen gleichen Embryo wie in Fig. 36, aber mit Anlage des Kopfganglions ge. Bezeichnungen wie in Fig. 36. Fig. 38. Längsschnitt durch Jen gleichen Embryo wie in Fig. 36, jedoch mit der spaltförmigen Anlage der Schalendrüse (Sd) und der Anlage des Öso- phagus (oe) und einer schwach entwickelten Merocytenschicht (Me). Tafel XXX. Fig. 39. Verschiedene Formen degenerirender Kerne, welche in der Keim- scheibe Fig. 37 (Manganum sulfurieum in 1/,/iger Lösung, nach fünf Tagen) beobachtet wurden. 1—11 in der hellen centralen Masse; 12—20 im Mesoderm. Fig. 40. Verschiedene Formen degenerirender Kerne aus dem Mesoderm der Keimscheibe eines Eies, welches sich während zwei Tagen in !/,0/siger Lösung von Manganum sulfuricum entwickelte (direkte Theilung und Knospung). Fig. 41. Verschiedene Formen degenerirender Kerne im Mesoderm der Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. 1. 527 Keimscheibe eines Eies, welches sich während zwei Tagen in 1/%/yiger Lösung von Manganum sulfurieum entwickelte. Fig. 42. Längsschnitt durch die Keimscheibe eines Eies, welches sich wäh- rend vier Tagen in einer 3/,40/yigen Lösung von Bromnatrium entwickelte. sd, Schalendrüsenanlage; Ze, Ektoderm; Rz, dessen Randzellen; Ms, Mesoderm; Me, Merocytenschicht; D, Dotter. Fig. 43. Schnitt durch die Keimscheibe eines gleichen Eies wie in Fig. 42, aber die Schalendrüsenanlage (Sd) in Gestalt einer spaltförmigen Vertiefung. Bezeichnungen siehe Fig. 42. Fig. 44. Verschiedene Kernformen aus der Keimscheibe eines Eies, wel- ches sich während vier Tagen in einer 3/,40/yigen Lösung von Bromnatrium ent- wickelte. 1—4, Kerne des Mesoderms, in Theilung begriffen; 5—6, degenerirte Kerne des Mesoderms; 7—8, Randzellen des Ektoderms. Fig. 45. Längsschnitt durch das in Fig. 12 abgebildete Ei, welches sich während zwei Tagen in 1/P/siger Lösung von Kali jodatum entwickelte. Ze, Ektoderm; Ms. Mesoderm; Me, Merocytenschicht; z, Zellen, welche in die nach Ablösung des Extraovates entstandene Öffnung eindringen. Fig. 46—47. Zwei Längsschnitte durch das obere Ende eines Eies, wel- ches sich während drei Tagen in 1/"/iger Lösung von Kali jodatum entwickelte (bei verschiedener Vergrößerung), mit Schalendrüsenanlage (Sd) und Ektoderm- zellen (2), welche an den Rändern der Schalendrüsenanlage an die Oberfläche des Ektoderms hervortreten; einzelne Zellen (Mz) der Merocytenschicht versenken sich in den Dotter. Für die weiteren Bezeichnungen siehe Fig. 45. Fig. 48. Längsschnitt durch eine während vier Tagen in 10/yiger Lösung von Chlorlithium asymmetrisch entwickelte Keimscheibe. Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocytenkerne; 9, Überreste der Segmente (Blastoconen). Fig. 49. Schnitt durch den Rand der Keimscheibe eines Eies, welches sich während sechs Tagen in 1P/yiger Lösung von Lithium chloratum entwickelte. Sg, Reste der Segmente (Blastoconen); Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm. Fig. 50. Längsschnitt durch die Keimscheibe eines Eies, welches sich wäh- rend zehn Tagen in 0,10/yiger Lösung von Lithium ehloratum entwickelte; mit Anlage der Schalendrüse (Sd) und auf der Oberfläche dieser Anlage liegenden Ektodermzellen (#%). Der Hohlraum im Mesoderm (Ms) ist ein Kunstprodukt. Bezeichnungen wie in Fig. 48. Fig. 51. A, Längsschnitt durch einen Keim, welcher sich während zehn Tagen in 0,1%/yiger Lösung von Lithium chloratum entwickelte (in Fig. 13 ab- gebildet. Ma, Anlage des Mantels; Atf, hintere Trichterfalten; of, die nach außen vorgestülpte Otocyste. | B, Anlage des Auges (oc), aus einem anderen Längsschnitte desselben Keimes; C, Anlage der Schalendrüse (Sd) am oberen Pol desselben Keimes. Fig. 52. Längsschnitt durch einen Embryo, welcher sich während fünf Tagen in gesättigter Guaninlösung entwickelte; mit hypertrophirten Ektoderm- zellen am unteren Pol, und Meroeyten (Mz), welche zum Theil in den Dotter versenkt sind. Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Merocytenschicht. Fig. 53 4 u. B. Zwei Längsschnitte durch einen Embryo, welcher sich während fünf Tagen in einer gesättigten Guaninlösung entwickelte. Sd, Schalen- drüsenanlage mit Deckschicht (Ex); die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 51. Fig. 54. Ektodermzellen, welche die untere Fläche des in Fig. 51 und 13 dargestellten Embryos bedecken. Fig. 55. Längsschnitt durch die Keimscheibe eines Eies, nach achttägigem 5238 W1l. Schimkewitsch. Experimentelle Untersuchungen ete. Aufenthalt in 1/4 /oiger Coffeinlösung. Ze, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Me, Mero- eytenkerne. Fig. 56. Längsschnitt durch die Keimscheibe eines Eies, nach sechstägi- gem Aufenthalt in 1/,s"/uiger Coffeinlösung; Schalendrüse (Sd) kaum angedeutet. Bezeichnungen wie in Fig. 55. Tafel XXXT. Fig. 57. Schnitt durch die Keimscheibe eines Eies nach viertägiger Ent- wieklung in 1/4%/oiger Coffeinlösung. Das Mesoderm (Ms) hat eine Verdickung gebildet, welche in den Dotter hineinragt. Ze, Ektoderm; N/e, Merocyten. Fig. 58. Verschiedene Formen degenerirender Kerne der Ektodermzellen einer Keimscheibe nach sechstägigem Aufenthalt in !/,4%/,iger Coffeinlösung. Fig. 59. Verschiedene Formen der Knospung (1—11) degenerirender Zellen des Ekto- und Mesoderms, ferner der definitiven Degeneration der Kerne (72— 75). Keimscheibe der Fig. 55 (acht Tage in !/,4P/,iger Coffeinlösung). Fig. 60. Seitlicher Längsschnitt durch ein Ei mit Einschnürung am oberen Drittel und Scheidewand aus Ektoderm. Das Ei wurde in einem späteren Sta- dium, und zwar nach erfolgter Bildung des Mesoderms, in 1a nige Coffein- lösung gelegt, und den nächsten Tag untersucht. Bezeichnungen wie in Fig. 57. Fig. 61. Ein gleiches Ei, aber die Einschnürung liegt unter dem Aquator dasselbe Ei ist auch in Fig. 17 abgebildet); eine Merocytenhaut ist nicht vor- handen, jedoch bilden die Merocyten augenscheinlich die centralen Theile der horizontalen Scheidewand. Bezeichnungen wie in Fig. 57. Fig. 62. Längsschnitt durch ein Ei nach viertägigem Aufenthalt in 0,020/J,iger Cocainlösung. Die Elemente des Mesoderms (Ms) und die Merocyten (Me) bil- den eine ringförmige Scheidewand im Dotter. Ze, Ektoderm. Die Kerne des Keimes sind abgestorben. Fig. 63. Verschiedene Formen degenerirender Zellen des Mesoderms der Keimscheibe eines Eies nach zweitägigem Aufenthalt in 0,02%/yiger Cocainlösung. Fig. 64—65. Längsschnitt durch ein Ei nach dreitägiger Entwicklung in 0,2°/ iger Lösung von Chlornatrium. Die Ektodermzellen (Ze) und fast alle Mesodermzellen (Ms) sind abgestorben. Ein lebendes Aussehen haben nur die Kerne der Merocyten (Me) und wenige Mesodermkerne, hauptsächlich in den die Zwischenwand bildenden Zellen, beibehalten (vgl. Fig. 62). Fig. 66. Längsschnitt durch die Keimscheibe des in Fig. 19, Taf. XXVIII abgebildeten Eies, welches einen Tag lang in !/4°/igem Alkohol gelegen hatte. Ec, Ektoderm; Ms, Mesoderm; Sg, Überreste der Segmente (Blastoconen). Fig. 67. Längsschnitt durch die Keimscheibe des in Fig. 20 abgebildeten Eies (eintägiger Aufenthalt in !/,0/,igem Alkohol); der Pol des Eies ist von Zel- len entblößt, und die Keimscheibe hat die Gestalt eines Ringes. Das Ektoderm (Ee) und die Reste der Segmente sind abgestorben, das Mesoderm (Ms) ist noch. lebend. Fig. 68. Keimscheibe eines Eies, welches einen Tag lang in 1/,/igem Al- kohol gelegen hatte. Ektoderm (Ze) abgestorben; Mesoderm (Ms) in Degene- ration begriffen; Merocyten (Me) fast normal. Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten von deren Abkühlungsgeschwindigkeit, Von P. Bachmetjew. (Aus dem physikalischen Institute der Hochschule zu Sophia.) Mit 3 Figuren im Text. Unter kritischem Punkt (X,) eines Insektes wird diejenige Tempe- ratur verstanden, bis zu welcher die Säfte im Insekt unterkühlt werden können, ehe dieselben zu erstarren beginnen, worauf die Temperatur des Insektes bis zum normalen Erstarrungspunkt (N) der Insektensäfte steigt (Fig. 1). | Kühlt man dabei das Insekt weiter ab, so gefriert es voll- ständig und stirbt, wenn seine Temperatur eine gewisse Größe | K, erreicht. 2} In meiner Abhandlung: »Über die Temperatur der In- sekten nach Beobachtungen in Bulgarien« ! habe ich auf die Faktoren hingewiesen, welche den kritischen Punkt | der Säfteerstarrung der Insek- Fig. 1. ten beeinflussen; zu densel- ben werden gerechnet: der Nahrungsmangel und das wiederholte Erstarrungsverfahren. Ich will hier noch den dritten Faktor, nämlich die Abkühlungs- geschwindigkeit des Insektenkörpers, betrachten. Temperatur 1 Diese Zeitschr. LXVI. Bd. 4. Heft. 1899. p. 521—604. 530 P. Bachmetjew, - Die Untersuchungen wurden nach derselben Methode ausgeführt, welche ich auch damals angewendet habe. Sal Zur klareren Vorstellung der Abkühlungsgeschwindigkeit kann die Fig. 2 dienen, in welcher der Temperaturverlauf der Puppe von Aporia erataegi als Funktion der Zeit dargestellt ist. Daraus ist ersichtlich, dass die Temperatur der Puppe (in einem kalten Luft- bade bei ca. — 12°C.) z. B. um 4?01 — 2° betrug, um 402 — 4,1° war ete., und dass die Abkühlungskurve sich immer mehr und mehr zu der horizontalen Linie nähert (mit derselben würde sie bei — 12° zusammenfallen, wenn vorher kein »Sprung« statthätte. Da der Betrag, um welchen die Zeit in Minuten. Temperatur pro Minute Rh 401 02 03 04 056 06 07 08 09 mw 11 12 I I =, 4 hinunterfällt, während 21 | verschiedener Zeitinter- A EN | valle verschieden ist, a | kann von einer kon- ea stanten Abkühlungs- Ah geschwindigkeit keine Ak: Rede sein (nach dem ls Gesetze von NEWTON). Desshalb wollen wir als Fig. 2. Abkühlungsgeschwin- ] digkeit die Anzahl von Temperaturgraden bezeichnen, um welche die Insektentemperatur während einer Minute, angefangen von einer willkürlichen Tempe- ratur, hinunterfällt. Als solche willkürliche Temperatur nehme ich — 4° an; eine tiefere Temperatur zu nehmen empfiehlt sich nicht, da es öfters vorkommt, dass der kritische Punkt (A,) bereits bei — 4° liegt. Wenn man eine höhere Temperatur als — 4° als An- fang für die Abkühlungsgeschwindigkeit! nehmen würde, so würde man sich wieder an eine Schwierigkeit stoßen, nämlich die, dass für solche Temperaturen nicht immer Beobachtungsmaterial vor- liegt. Also in dem gegebenen Falle (Fig. 2) beträgt die Abk.-Gschw. während einer Minute, angefangen von — 4°, V_, = 1,7°. SQ DS ' Wir wollen die Abkühlungsgeschwindigkeit der Kürze wegen durch Abk.-Gschw. bezeichnen. Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten ete. 531 Die Abk.-Gschw., welche in nachfolgenden Tabellen angeführt ist, wurde in jedem einzelnen Falle aus der graphischen Darstellung der beobachteten Temperaturen berechnet. Die verschiedenen Werthe für V_, bekam ieh dadurch, dass ich die Temperatur des Luftbades zwischen — 10° und — 20° variirte. Da der Flüssigkeitsgehalt im Insektenkörper nicht ohne Einfluss auf den normalen Erstarrungspunkt der Insektensäfte ist, wie ich es in der oben erwähnten Abhandlung nachgewiesen habe, führe ich hier in einer besonderen Kolonne auch die Werthe für den Säfte- koefficient q = Z auf, wo M das Gesammtgewicht des Insekten- körpers und P das Gewicht des Insektenkörpers, während zwei Stun- den bei 120° getrocknet, bedeutet!. Ich werde zuerst solche Beobachtungstabellen anführen, welche die Resultate nur mit zwei oder drei Exemplaren einer und dersel- ben Insektenart enthalten. an von Deilephila = Datum | Nr. | Kı ıKı -N| K24 | q | Bemerkung 11V: 99 1 |—81/—1,1| 70 0,8 | 0,74 | Bezogen von Herrn 11. V1.99 2 1|—5,3|1—1,0 Vs 11 0,77 | SCHADE, Brünn. Daraus ist ersichtlich, dass, je größer V_, ist, desto kleiner A, wird. Puppen von Vanessa atalanta. Datum | Nr. | Kı | N | K,-N | Er, | q | zer 22. VI1. 99 3 S 10 N) —0,8| 9,2 1,2 | 0,80 Ben von Bern Dr 22. VII. 99 4 —11 5 — 1,0 | 10,5 1,4 0, 17 | E. FISCHER, Zürich. 22. VII. 99 I — 14, ‚0, — 1,1| 12,9 2,0 0, ‚80 Hier ist das za zu beobachten: je größer vi ist, desto srößer ist auch A.. Puppen von Vanessa levana. 30.X. 99 6. 10,6 — 1,5 - 0,8 \Bezogen von Herrn Dr. 30.X. 99 lee al, 20 | — |jE. Fischer, Zürich. 30. X. 99 8 | — 14,5) — 1,6 12, } 3,0 Hier ist dieselbe Regelmäßigkeit wie bei Puppen von V. atalanta. ! Näheres darüber siehe in meiner Abhandlung: »Über Insektensäfte«- 0. KRAncHER’s Entomol. Jahrb. IX (1900). 1899. p. 114—124. 932 P. Bachmetjew, Puppen von Saturnia spini. Datum 1 Nr. | A| en | q | Bemerkung SZ = = = j Fey ae | 5 | N | F 31.1V. 99 10 Bes 14 1.4 | 0,75 0,7 J \Gesammelt in Sophia. Das Verhalten ist dasselbe wie bei Puppen von Deil. galii. Die angeführten Tabellen zeigen also, dass bei einer Puppenart der kritische Punkt mit der Zunahme der Abk.-Gschw. zunimmt, während bei der anderen A, abnimmt. Ich stellte desshalb die Versuche mit verschiedenen Imagines an, um diese Verschiedenheit aufzuklären. Thais rumina. Datum | an = Kı-N| V/4 | q | Bemerkung 19.V.999Q | 11 |—11,5 an “2 % 0,7 — Be von Herrn Re 16.V.999 | 12 |— 3,0 | ol ls 2,5 | 0,63 | LINGER, Wien (Puppen). d.h. X, nimmt mit der Zunahme der Abk.-Gschw. ab. Plusia gamma. Datum “| Nr K, | N IKı-N | VY= | q | Bemerkung EN un Lege re | 4.VLO8 | 13 |— 7,81 —1$6| 62 0,6 —_ A 3 ayL99 | a 2103 | 5085| |Gefangen in Sophia. Hier nimmt X, mit der Zunahme der Abk.-Gschw. zu, d. h. um- gekehrt, wie bei Th. rumina. Die mit mehreren Exemplaren erhaltenen Resultate enthalten folgende Tabellen: Vanessa atalanta. Datum Nr. Kı | N |Kı-N V_ı q Bemerkung IR N Puppe bezogen von Dr. 26.9:11.99 | 1521229, 019, 112.0. 02 H. ee an 22.91.98 | 16 | 81.08 73 | 10.352066 20.58 17 so 23. V1.98 18 —69|—12| 5,7 152 — |}In Sophia gefangen. 22.vI1.98 | 19 1—1,7)—13| 04 | 141 — | 23ya 20 Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, dass X, mit der Zunahme der Abk.-Gsehw. im Allgemeinen abnimmt, wobei jedoch kleine Unregelmäßigkeiten zu beobachten sind (Nr. 16 und 19); eine größere Regelmäßigkeit wird zwischen F_, und AL —-N beobachtet. Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten etc. 533 Da die Größe N den normalen Erstarrungspunkt der Säfte be- deutet, so stellt AA — N den Unterkältungsgrad der Säfte dar. In Anbetracht dessen, dass die Größe N für verschiedene Exemplare und Arten verschieden ist, muss die Abhängigkeit nicht des kriti- schen Punktes, sondern des Unterkältungsgrades von der Abk.-Gschw. gesucht werden, was physikalisch auch viel präciser ist. Somit nimmt der Unterkältungsgrad! der Säfte mit der Zunahme der Abk.-Gschw. ab; eine unbedeutende Ausnahme macht nur Nr. 19. Papilio podalirius. Datum | Nr. | Kı | N IK-N zu q | ; Bemerkung ‘.VIL.98 21 12112 ee 21.vI.98 | 22 |-99|—13| 86 | 08 | — LvV.9 | 23 |—-53/—13| 50 | 1,3 | 0,64 @ es | 34 |—69 20 57 | 135°) 0,70 | Alle in Sophia gefangen. Ts 15,65 | 15 | 088 | 1. V. 99 | 26 Se, Gar 0,63 Daraus ist ersichtlich, dass #,— N mit der Zunahme der Abk.- Gschw. zuerst abnimmt, bei AA—N=4,0 ein Minimum erreicht, um darauf zuzunehmen. Ein ganz unerwartetes Resultat! Pieris rapae. Datum | Nr. | Kı | N KEN Way q Bemerkung Se er Er RE Er Baum dso| 23 67 -13|-54 | 04 | 0,68 Bes >59 | 95 —20| 75 | 05 | 0,50 19.1v.990 | 30 |-11,5|—-35) 80 | 0,7 | 0,68 Be 3 2107 —15| 92 |.0,7 0,68 | Alle in Sophia gefangen. Base 3 133 —15| 11,87| 1,1 | 0,68 53 86 —-82| (04) | 14 | 064 Bi Bo | 3 -861—28| 58 | 25. |-0,68 ITIV.95| 35 6014| 26 30 | 0,67, Wenn man in Betracht zieht, dass bei Nr. 33 der normale Er- starrungspunkt abnorm ist (N = — 8,2°), — was dadurch zu er- klären ist, dass die Unterkältung der Säfte fast gar nicht stattfand, sondern bei X, = — 8,6° irgend ein Bestandtheil der Säfte im mini- men Quantum sich bis — 8,6° unterkühlte und den »Sprung« von — 8,6° bis auf — 8,2° verursachte, — somit die Zahl 0,4 auszu- streichen wäre, dann erhalten wir wieder ein unerwartetes Resultat, dass A, — N mit der Zunahme der Abk.-Gschw. zuerst zunimmt, ! Im Folgenden wird der Ausdruck »Unterkältungsgrad« durch »Uk.-Gr.«< ersetzt. 534 P. Bachmetjew, dann bei Nr. 32 ein Maximum erreicht, um darauf abzunehmen (die Größe 9,9 bei Nr. 27 wäre als eine Ausnahme zu betrachten . Puppen von Aporia crataegi. Datum | Ne),r X, N IK-N v7 | q | Bemerkung 1.v.9 36 10515) a0 172 2 19. V. 99 37 |—80 —12| 6,8 | 22 | 0,68 19. V. 99 33 |-10,61—1,3|- 9,311. .28 1 0622 19:-V.99: | 392 185, 1,81 06710997) VE2BIE pe 19.V.99 | 40 |-11,71—19| 98 | 3,1 | 0,62 | 19.v.99 21 | 117) a1 960) 220 Aus dieser Tabelle ist keine regelmäßige Abhängigkeit der Größe K\—N von V_, zu bemerken. von Vanessa jo. Datum | Nr. Ne N Kı-N| V=4 | q | Bemerkung 22. V11.99 e: m 0,8 | 12,8 0,9 | 0,74 ‚|Bezogen von Herrn Dr. 22. VII. 99 8,5 1.050765 1,0 0.76 E. FISCHER, Zürich. 22.vIL.99 | 41 |-105|—10| 95 | 26 | 0 Hier erreicht A#,—N mit der Zunahme der Abk.-Gschw. ein Minimum (Nr. 43). Puppen von Vanessa polychloros. Datum Nr. | Kı | N IKı-N | Ve 103 | Bemerkung | = | | 22.vIL.99| 45 |-104|—0,8| 96 | 1,4 | 0,80 \Bezogen re 22. VII. 5% 16 |—13,6 Ze 128,6 | 19 | 0,79 ‚j® Fıscuee Zurich. 22.VI.99| 47 |-13,3 |—0,9| 124 | 21 0,70? In dieser Tabelle erreicht X —N mit der Zunahme der Abk.- Gschw. ein Maximum (Nr. 46). Cetonia aurata. Datum | INT | Kı N |\Kı-N | V-ı q Bemerkung 9: vIL9o | 25 | 59 45. a9 07 | oe 9.v1L.98%| 493 |—52|—13| 3,9 0,9 | 0,64 ||Gefangen in Sophia. Alle 9.v1.985| 50 1 —63|1—12) 5,1 0,9 | 0,56 | ‚Exemplare haben 5 Tage oyıL as ae Be 9. VII. 98 59. | 63 Bela ae Daraus ist ersichtlich, dass A, — N mit der Zunahme der Abk.- ;schw. ein Maximum erreicht (bei Nr. 51), um nachher abzunehmen (Nr. 48 stellt eine Ausnahme dar). Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten ete. Datum 3. VI. 98 17. V1. 98 3. VI. 98 28. V. 98 18. VI. 98 4. v1. 98 13. VI. 98 6. V1. 99 6. V1.99 Aporia crataegi. 35 {9) Bemerkung | ‚Ne. N |G-N|vı| e:| a a een. Bo an Bet 7i | 08 eo | me 00 en ara 10 a Eee: oT 55 | 11 0 ee az 6 2014| 06 | 15 | 0,60 00 Alle Exemplare in So- phia gefangen. Hier tritt die Regelmäßigkeit sehr deutlich hervor: AA — N nimmt mit der Zunahme der Abk.-Gschw. zu, erreicht bei V_, = 0,9 ein Maximum, um darauf abzunehmen. Ich will hier noch die Versuche mit Oxythyrea (Leucocelis) cinetella anführen, welche Z Tage gehungert haben. Datum 26. V. 99 16. V. 99 24.V.99 17. V.99 26. V. 99 24. V.99 24.V.99 19. V.99 16. V. 99 14. V.99 22.V.99 22.3. 99 13. V.99 31. V. 99 22. V.99 Wir beobachten hier | Nr. ı 76 Oxythyrea (Leucocelis) einctella Jg. Rei lEN ag tl a 022 Bela) Bley, Be —73|— 28 Be 30 | 59 Zen ZsR REN 40 oe a Er Bemerkung Kı-N\| V% | q | Z | 44 | 08 058 11] 50 | 09 | osolı | Es Wu TE) 8 heran | a4 | 15 | 054 |1ıı 40 | 15 | 053 |9 sg ı 17 0056.19 (45) | 1,8 | 0,0 lı 50) 19 | oe2 lı ıl 5.0 oe ST a7 aaa en | 34 926 6.055 16|| I 3206 2 Alle Exemplare am glei- chen Tage (15. V. 99) in Sophia gesammelt. eine sehr befriedigende Regelmäßigkeit, und zwar nimmt A,—N mit der Zunahme der Abk.-Gschw. ab, nur Nr. 69, 70, 71 und 74 machen davon eine Ausnahme. Oxythyrea (Leucocelis) einctella ©. Datum INr. Kı | N Bar 93 17-721 -33 24.V.99 |78s |—-7,6| — 3,0 v9 |19|-741—25 DEvN.99 |s0| 781 -—-33 N. |81 | —-6,6!—-20 By 9 2681297 16.vV.99 |8s3 | 7,6|— 35! KEN ru| a |2 39 | 045 | os | ı 6 Ko 0 a9 12 os on Aue en A 1 2 a oo e Bemerkung Alle Exemplare am glei- chen Tage (15. V. 99) in Sophia gesammelt. 536 P. Bachmetjew, Datum Nr. X; N ıKı-N| V4 | gq | Z Bemerkung 19.90.99 | 702 19 een 31.v.09 |85| 2 72 36 80,20 or 19.V.99 |86 | — 7,41 — 3,1, (4,3) | 2,3 — 4 |Alle Exemplare am glei- 26.V.99 |871—7,9/—3,8| 4,1 2,4 0,55 |11| chen Tage (15. V. 99) in 24.V.99 |88|—6,0/—1,9| 41 2,4 0,57 | 9//Sophia gesammelt. 24.V.99 189171125! a0)! 25 1058| 9 22. v.09, 90) 80 a8 20 sen Hier wird die folgende Regelmäßigkeit beobachtet: zuerst nimmt K,—N mit der Zunahme der Abk.-Gschw. zu, erreicht ein Maxi- mum (4,9) bei VY_, = 1,2, um darauf abzunehmen (Ausnahmen machen Nr. 84, 85, 86 und 89). Betrachten wir die vorletzte Tabelle mit männlichen Exemplaren, so können wir jetzt sagen, dass dort auch dieselbe Regel vorhanden ist, und zwar nimmt dort AA — N mit der Zunahme der Abk.-Gschw. wenn auch schwach zu, erreicht bei V_,—= 1,4 ein Maximum (5,1), um nachher abzunehmen. Bemerkenswerth ist es, dass das Maximum der Größe X —N bei männlichen und weiblichen Exemplaren bei einer und derselben Größe liegt, und zwar im Durchschnitt bei (4,9 + 5,1):2 = 5,0; auch tritt dieses Maximum bei einer und derselben Abk.-Gschw. ein [im Durchschnitt bei (1,2 + 1,4):2 = 1,3]. Stellen wir die erhaltenen allgemeinen Resultate zusammen: Das Maximum resp. Minimum des Uk.-Gr. der Säfte für ver- schiedene Insektenarten wird bei folgenden Abk.-Gschw. (V_,) er- reicht: u | | Vza ‚Kı-N = | Extrem Leueocelis einctella 53 1,4 5,1 | Maximum » » 6) 1,2 4,9 ı Maximum Cetonia aurata 1.2 5,7 | Maximum Aporia crataegi 1,0 7,8 | Maximum Pieris rapae 1,1 | 11,8 | Maximum Papilio podalirius 1,3 4,0 Minimum Vanessa atalanta | 1,4 0,4 |, Minimum Misteln— 12 Daraus geht hervor, dass die extremen Unterkältungs- srade der Säfte für verschiedene Insekten verschieden sind, und dass diese Extreme bei fast einer und derselben Abkühlungsgeschwindigkeit der Säfte eintreten (im Durch- Behnittn bei nen — 1,2). Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten etc. 537 Sa2 Um die Unterkältungserscheinungen der Insektensäfte klarer vorzustellen und für dieselbe, wenn möglich, allgemeine Gesetze ab- zuleiten, habe ich die nöthigen Versuche mit Flüssigkeiten außer- halb des Insektenkörpers vorgenommen und die vorläufigen Unter- suchungen bereits veröffentlicht!; hier theile ich die definitiven Versuche, welche mit Para-Nitrotoluol angestellt wurden, mit (aus- führlich werden diese Versuche in einer physikalischen Zeitschrift veröffentlicht werden). Para-Nitrotoluol schmilzt bei 54° und besitzt das speecifische Gewicht von ca. 1,2. Ich verfertigte mittels einer besonderen Pipette flüssige Para-Nitrotoluolkügelehen von gleichem Durchmesser und ließ dieselben im Inneren einer wässerigen Chlorkaleium-Lösung schwimmen. Auf diese Art erhielt ich so zu sagen ein denkbar ein- faches Modell von hautloser Zelle der Zeiten von MarPrıGHt (1678), WOoLrr (1759) und Mirger (1809). Die Oberflächenspannung des Kügel- chens ersetzte mir die Zellenhaut, und der Zelleninhalt war nur eine einzige chemische Substanz — Para-Nitrotoluol. Es handelte sich darum, die Unterkältungserscheinungen solcher flüssigen Kügelchen zu studiren, desshalb war die erwähnte wässe- rige Chlorkaleium-Lösung erwärmt, bevor die Kügelchen in dieselbe sebracht wurden. Das Glas mit dieser Lösung und mit schwimmen- den Kügelchen wurde in einem Thermostaten in verschiedenen Tempe- raturen stehen gelassen und die Temperatur der Lösung mittels eines Thermometers beobachtet. | Es ergab sich nun zuerst, dass Nitrotoluolkügelchen wirklich unterkühlt werden, wobei sie nie früher als bei 45° erstarren. Folg- lich beträgt ihr kleinster Uk.-Gr. 54—46 = 8°. Dies wurde sowohl mit großen (?r — 4,58 mm), wie auch mit kleinen {?r — 0,69 mm) Kügelchen konstatirt. | Die Kügelchen von verschiedenem Durchmesser (2r) erstarrten bei verschiedenen Temperaturen, und es ist mir gelungen, festzu- stellen, dass, je kleiner das Kügelchen ist, desto tiefer sein Er- starrungspunkt liegt, oder besser zu sagen, seine Unterkältung; beide Größen sind somit umgekehrt proportional. Wenn wir den Uk.-Gr. mit (N—2,) bezeichnen, wobei N den normalen Erstarrungs- punkt des Para-Nitrotoluols (54°) und /, die Temperatur, bis zu wel- i Diese Zeitschr. Bd. LXVI. 4. Heft. 1899. p. 521—604. 538 P. Bachmetjew, cher die Unterkältung stattfand (worauf das Kügelchen erstarrt), be- deutet, so erhalten wir: By ( wo r Radius des Kügelchens und X eine Konstante bedeutet, welche in erster Linie von der Natur der zu untersuchenden Substanz und des das Kügelchen umgebenden Mediums abhängt (unter sonst glei- chen Umständen). Weil die Oberflächenspannung umgekehrt proportional dem Radius ist, so kann man auch sagen: der Unterkältungsgrad ist der Oberflächenspannung direkt proportional. Außerdem ergab sich, dass z. B. Z gleiche Kügelehen unter allen sichtbar gleichen Umständen nicht bei einer und derselben Tempera- tur erstarren, sondern eine größere oder geringere Temperaturampli- tude zwischen dem ersten und dem Z-ten Kügelchen (nach ihrer Erstarrungstemperatur) aufweisen. Diese Amplitude ist desto größer, je größer Z ist, und strebt zu einer Grenze; sie hängt auch vom Radius der Kügelchen und der Natur des umgebenden Mediums ab. Das Gesetz I ist abgeleitet worden, indem entweder nur die aller- ersten erstarrten Kügelchen in jedem einzelnen Versuche oder nur die allerletzten in Betracht gezogen wurden. Was nun die Abhängigkeit des Uk.-Gr. von der Abk.-Gschw. betrifft, so hat sich ergeben, dass eine mittlere Abk.-Gschw. exi- stirt, bei welcher der Uk.-Gr. der größte ist. Ist die Abk.-Gschw. srößer oder kleiner als dieser mittlere Werth, so ist der Uk.-Gr. stets geringer. | Zur Anschaulichkeit führe ich hier die Versuche mit Kügelchen von je 0,0328 g an, wobei jeder Versuch mit zehn Kügelchen ange- stellt wurde. Dabei erstarrte das erste Kügelchen bei Z,° und zeigte somit den Uk.-Gr. = 54 — ,. Die Abk.-Gschw. V,, bedeutet, um wie viel Grad die Kügelchen innerhalb einer Minute bei 50° ab- wärts sich abkühlten. en. u Sr 0,15 45,5 8,5 0,21 45,2 8,8 0,30 44,0 10,0 0,46 43,5 10,5 0,55 39,9 14,1 0,60 38,3 15,7 0,62 41,7 12,3 0,63 42,5 11,5 065 424 Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten ete. 539 Daraus ist ersichtlich, dass der Un.-Gr. (54 — t,) mit der Zu- nahme der Abk.-Gschw. (V;,) zuerst zunimmt, bei Y,, = 0,60 das Maximum (15,7) erreicht, um darauf abzunehmen. Wir hätten somit bei Nitrotoluolkügelchen in Bezug auf die Ab- hängigskeit des Un.-Gr. von der Abk.-Gschw. dieselbe Erscheinung, welche auch bei Insektensäften beobachtet wird. Eine Ausnahme machen die Säfte bei Papilio podalirius und Vanessa ata- lanta; A,—N erreicht bei ihnen bei der mittleren Abk.-Gschw. (7_,= 1,2) anstatt eines Maximums ein Minimum. Ich will hier erwähnen, dass das Benzol, welches ich vorläufig in kleinen offenen Gläschen auf die Unterkältung untersuchte, ein Minimum bei einer mittleren Abk.-Gschw. zeigte und nicht das Maximum, wie es Para-Nitrotoluol zeigt. Diese Versuche sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Auf diese Weise wäre zu vermuthen, dass Sewisse Flüssigkeiten je nach ihrer Natur bei einer mittleren Abk.- Gschw. entweder ein Maximum oder ein Minimum des Un.-Gr. zeigen würden, wie es die Insektensäfte auch thatsächlich zeigen. Wenn es so ist, dann sind die Säfte bei Papilio podalirius und Vanessa atalanta von ganz anderer Natur als bei den übri- sen untersuchten Imago-Arten. Da, wie &. TAmmAnn! fand, verschiedene Flüssigkeiten bei sonst gleichen Umständen verschiedene Un.-Gr. zeigen, so müssen wir zu- geben, dass auch die Insektensäfte bei verschiedenen Arten verschie- dene Zusammensetzung haben, denn der maximale Un.-Gr. ihrer Säfte ist auch verschieden. Dies ist um so wahrscheinlicher, als die Raupen verschiedener Insektenarten verschiedene Futterpflanzen wählen. Das Gesetz I bei Para-Nitrotoluolkügelehen in Betracht ziehend, können wir schon jetzt sagen, dass bei einer und derselben Zu- sammensetzung der Säfte bei einer Insektenart, aber bei verschie- denen Exemplaren dasjenige Exemplar den größten Un.-Gr. seiner Säfte unter sonst gleichen Umständen besitzen wird, welches die kleinsten Zellen hat. Diese Folgerung wäre mikroskopisch bei folgenden Num- ' mern der untersuchten Exemplare zu prüfen: Nr. 83 und 85 (Oxy- thyrea cinctella @), da hier in beiden Fällen F_, = 2,0 und N = 3,55%, K, aber — 7,6 resp. — 7,2° beträgt. Nr. 49 und*50 (Cetonia aurata 9), da hier in beiden Fällen V_, = 0,9 und ! Zeitschr. für physikal. Chemie. Bd. XXV. 3. Heft. 1898. p. 441. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. 36 540 | P. Bachmetjew, N = — 1,25, K, aber —5;2 resp. — 6,3 beträgt ete. Nach dem Gesetze I soll Nr. 83 kleinere Zellen besitzen als Nr. 85; Nr. 49 größere als Nr. 50 etec. Es kann leicht möglich sein, dass die nicht zahlreichen Aus- nahmen von der Regel der »mittleren Abk.-Gschw.« bei Insekten dadurch zu erklären wären, dass die Zellengröße bei verschiedenen Exemplaren verschieden ist. Da es feststeht, dass bei einer mittleren Abk.-Gschw. der Un.- Gr. der gegebenen Flüssigkeit ein Extrem besitzt, so wollen wir die angeführten Tabellen für Insekten von diesem Standpunkt aus prüfen. Aus der Zusammenstellung der hier erhaltenen Resultate, die Extreme betreffend, ist ersichtlich, dass der extreme Un.-Gr. bei der Abk.-Gschw. im Durchschnitt Y_, = 1,2 erhalten wird. Somit würde ein Extrem der Größe #,—N bei folgenden Puppen und Imagines und Y_, — 1,2.erreieht werden: Puppen von: Saturnia spini, Minimum bei ca K—-N=3 Deilephila galü > ar > 4 Vanessa io » a > 7 » polychloros » 2,03 > 8 » atalanta > 2 > 9,2 » levana > > > 10 Imago von: | Pieris rapae, Maximum » > » 12 Plusia gamma > 30 > 10,5 Aporia crataegi > > > 1,9 Cetonia aurata > > >» 5,7 Oxythyra cinctellag! > a > 5,2 » oe 4,9 Vanessa atalanta, Minimum » > > 0,4 Papilio podalirius > 2 > 3,8 Thais rumina > 0 > >. Wir kommen somit zu dem Schlusse, dass alle (bis jetzt unter- suchten) Puppen ein Minimum des Un.-Gr. bei »mittleren Abk.- Gschw.« zeigen; ob die Imagines dieser Arten auch ein Minimum des Un.-Gr. bei »mittleren Abk.-Gschw.« haben, kann wegen Mangel an Versuchen noch nicht entschieden werden, obwohl der Schmetterling Vanessa atalanta dafür spricht. Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten _ete. 541 Außerdem geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass die großen Puppen, wie z. B. Saturnia spini, Deilephila galii einen kleineren Werth und die kleineren Puppen (Vanessa le- vana) einen größeren Werth für A, — N besitzen. Es ist somit zu vermuthen, dass eine Regel existirt, etwa, dass je größer die Puppe ist, desto kleiner der minimale Un.-Gr. derselben sei. ST Um die erhaltenen Resultate noch mehr zu veranschaulichen, wollen wir die Abhängigkeit des Un.-Gr. von der Abk.-Gschw. gra- phisch darstellen. In der Fig. 3 bedeuten die Abseissen die Abk.-Gschw. (V_,) und die Ordinaten den Un.-Gr. (,—N). VA 4 N) 01 02 03 0% 05 0,6 07 08 09 10 ı7 12 13 14 15 16 18 20 22 2,4 2,6 2,8 30 32 3,4 Az n - 7 I E| Eu 4 | ef 5. 6 7 FE 3 ) 9 ! 10 1 ı 7 N 12 13 Fig. 31. Wie die Kurve für Aporia erataegi, Pieris rapae, Cetonia aurata und Oxythyrea cinctella zeigen, tritt ein Maximum der Größe 4 — N entsprechend bei V_, = 0,95; 1,17; 1,1 und 1,1 ein. Wann die Kurven die Horizontalachse — 0° schneiden, d.h. wann keine Unterkältung der Säfte stattfindet und dieselben bei ihrem Normal- punkte erstarren, kann man nicht genau sagen, da die Versuche bei noch größeren resp. kleineren Abk.-Gschw. nicht angestellt wurden; ! In dieser Figur muss X durch X, oder i, ersetzt werden. ; 36* 542 P. Bachmetjew, die Kurve für Pieris rapae aber zeigt, dass bei größeren Abk.- Gschw. als 1,2 dies der Fall wahrscheinlich bei ca. V_, =5 sein wird. Dies würde bedeuten, dass die Säfte von Pieris rapae keine Unterkältung zeigen würden, wenn der Schmetterling so stark abgekühlt wird, dass die Abk.-Gschw. bei — 4° (die Tempera- tur, welche die flüssigen Säfte natürlich nie erreichen würden) 5° entsprechen würde. Zur Ausführung eines solchen Versuches müsste man den betreffenden Schmetterling in ein solches Luftbad placiren, in welchem die eigene Temperatur des Schmetterlings so stark ab- fällt, dass diese Geschwindigkeit bei — 4° dem Werthe V_, = 5° entsprechen würde. Was nun kleinere Abk.-Gschw. als 1,1 betrifft, so ersehen wir aus denselben Kurven, dass der Un.-Gr. immer geringer und geringer wird; man könnte vermuthen, dass derselbe 0° sein würde, wenn V_, = ist. Die Versuche aber, welche ich mit Nitrotoluol an- stellte, zeigten, dass der Un.-Gr. bei nicht zu großen Kügelehen nie geringer war als 54—46 —= 8°, d. h. sogar bei einer wenn noch so minimalen Abk.-Gschw. erreicht der Un.-Gr. dennoch 8°, wie es auch die entsprechende Kurve (Fig. 3) zeigt. Auch aus der Kurve für Aporia erataegi geht hervor, dass der Un.-Gr. der Säfte dieses Schmetterlings wahrscheinlich nicht geringer ist (bei V_, fast gleich Null) als 31/%2°. Somit können wir sagen: diejenigen Insekten, deren Säfte bei Y_,= 1,1 (im Durchschnitt) ein Maximum des Un.-Gr. be- sitzen, haben bei der Abk.-Gschw., welche fast 0° beträgt, einen Un.-Gr., dessen Werth größer als 0° ist, dagegen wird dieser Werth gleich 0° sein, wenn die Abk.-Gschw. bedeutend größer als 1,1 ist. Betrachten wir jetzt die Kurven, welche ein Minimum auf- weisen. Solche Kurven besitzen Papilio podalirius, Vanessa atalanta und die Puppen von Vanessa io. Wie diese Kurven zeigen, nimmt der Un.-Gr. der Säfte bei diesen Schmetterlingen mit der Abnahme der Abk.-Gschw. (von V_, = 1,3 nach links) zu. Diese Zunahme hat jedoch ihre Grenze, so z. B. liest diese Grenze für Papilio podalirius bei ca 4—N = 12, für Vanessa ata- lanta bei ca. 4— N = 17, für Puppen von Vanessa io sogar bei ca. 4 — N = 50 (vorausgesetzt, dass der Verlauf der Kurven auch weiter regelmäßig sei), wenn die Abk.-Gschw. den Werth fast gleich Null erreicht. Was geschieht nun aber mit diesen Kurven, wenn die Abk.- Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten etc. 543 Gsehw. größer als 1,3 sein wird? Wie die Fig. 3 zeigt, wird der Un.-Gr. in diesem Falle immer größer und größer, und diese Zu- nahme scheint keine Grenze zu haben. Da die Versuche mit sehr großen Abk.-Gschw. fehlen, wollen wir uns zu den Versuchen von TAmMANnN wenden. Dieser ausge- zeichnete Gelehrte giebt uns in einer Reihe von sehr interessanten Arbeiten! den Aufschluss auf die aufgestellte Frage. Seine Versuche zeigen, dass man fast jede Flüssigkeit (von 153 unterkühlte er 131 Flüssigkeiten) mehr oder weniger unterkühlen kann, dabei erscheinen in der unterkühlten Flüssigkeit Kerne (Kıy- - stallembryone), von welchen als Uentren aus eine Krystallisation sich fortpflanzt. Sowohl die Krystallisationsgeschwindigkeit, wie auch die Anzahl der Kerne hänst von der Temperatur ab. Man kann eine Flüssigkeit so schnell unterkühlen, dass die Kerne keine Zeit haben, sich zu bilden, und die wenigen Kerne, welche sich während des Unterkältens der Flüssigkeit gebildet haben, verschwinden; man erhält dann einen Körper, welcher nach dem Aussehen einer Flüssig- keit ähnelt, nach seiner Härte aber den Körper in festem Zustande übertrifft. Tammann bezeichnet desshalb solche Körper als amorph und betrachtet jeden amorphen Körper als eine sehr stark unter- kühlte Flüssigkeit. Gestützt auf diese Versuche können wir nun sagen, dass die Säfte bei Insekten der letzten Kategorie desto stärker unterkühlt werden, je größer die Abk.-Gschw. ist (nach rechts von V_, = 1,3), wobei dem Un.-Gr. keine Grenze gezogen ist. Dabei können die Säfte allerdings amorph werden, da sie nicht erstarren, d. h. nicht krystallisiren können. Es sei hier bemerkt, dass der Un.-Gr. der Säfte bei kleineren Abk.-Gschw. als die »mittlere« viel rascher wächst, als es bei größe- ren Abk.-Gschw. der Fall ist. | SA. Ich habe seiner Zeit? den Satz aufgestellt, dass ein Insekt dann bei der Abkühlung stirbt, wenn seine Körpertemperatur nach dem »Sprunge« (Fig. 1), ungefähr bis zu derjenigen Temperatur, bei 1 Zeitschr. für physik. Chemie: XXIII, 1897, p. 326; XXIV, 1897, p. 152; XXV, 1898, p. 441; XXVI 1898, p. 307; XX VIII, 1899, p. 96; XX VIII, 1899, p- 16; XXIX, 1899, p. 51. WıEDEMm. Ann.: LXII, 1897, p. 280; LXVI, 1898, p- 473; LXVIII, 1899, p. 552; LXVIII, 1899, p. 629, 2 Diese Zeitschr. Bd. LXVI. 4. Heft. 1899. p. 521—604. 544 P. Bachmetjew, welcher dieser »Sprung« stattfand, oder noch tiefer sinkt, d.h. wenn K, ungefähr %, gleich ist. Die Temperatur X, nennen wir den kritischen Punkt, und die Temperatur A, den tödlichen Punkt. Wir wollen sehen, um wie viel X, von #, ihrer absoluten Größe nach abweichen, und wie diese Abweichungen zu erklären sind. Ich werde hier zuerst das dieses Jahr in dieser Richtung ge- sammelte Beobachtungsmaterial anführen. Die ER Datum Name Kı N |K-N Abküh- v23 Bemerkung un dauerte bis: 6. VI1.99 | Aporia crataegi — 2,0/-145| 0,6 |—5,5| 15 |todt 6. VI. 99 > > 2241-154 4,00| Da eend 6. VI. 99 > > —17)-16|) 01 | Teogeaenad 27. Ve: 99 > > \ —44|—11| 33 |—6,7| 0,8 |lebend 7..V1..99 >» » (2 Tageim Exsicceator)| — — — |-11,4| 0,9 |lebend (nicht erstarrt) 7.91.99 >» » (2 Tage gehungert) _ _ — |—74| — |lebend (nicht erstarrt) 7. V.1.99 > »(2 Tage gehungert} |—7,6|—1,5| 6,1 |—15 lebend 19.V. 99 | Thais rumina © —11,5/— 21| 94 |—9,9| 0,7 |lebend 16.9. 99 > » Q —2,9|—12| 1,7 |—13 lebend IR: N. er » » Q —3,0|—13| 17 1—1,5| 2,8 |lebend .V. > > _ — — 110,5 lebend 1.V. 99 |Papilio podalirius —5,3/—1,3| 4,0 — 5.6 1,3 |lebend MVE99 >» » — 7,7\|—12| 6,5 |—1,6| 1,9 [lebend 1.V. 99 > > —17,8|—1,3| 6,5.) Dose beeenend 1.V. 99 > > —6,9)—12) 57 | 1060217 > lebend 17.1V.99 |Pieris rapae —86/1—28| 5,8 I—87| 25 |kaum lebend 17. 1V499 » > —6,91)—1,4| 44 |—26| 3,0 |lebend yo en -115|—35| 80 |- 51) 07 \iobend 19. IV. 99 >» © —5,0[|—1,6| 3,4 |— 2,2 lebend 9. V1.99 | Lasiocampa quereifolia —871—08| 7,9 | — 5,3 lebend 27.V. 99 | Deilephila galii —21|/—1,1| 1,0 |—12| — |lebend 27.3299 >» » (Wiederholung) |—9,8|—1,1| 8,7 |—10,2 todt 2. VI. 99 > > —-11,3|—1,5| 9,8 | SS Su odi 1.V. 99 | Vanessa polychloros —87|—11| 76 |—1,6 lebend 17.1V.99 |Saturnia spini —10,3]—2,0| 83 |1—3,6 lebend Käfer. 16. V. 99 |Oxythyrea einctella © —741—25| 49 |—28| 1,2 |lebend 16.292239 >» >» 6) —73|—28| 45 |—3,0| 1,8 |lebend 22.V. 99 | Melo& spec. —2,9|—1,8| 1,1 1!—2,9| — |lebend 22.V. 99 | Dorcadion spec. —24/—11| 13 | —1,4 lebend 22.V. 99 | Carabus morio —6,11—5,5| 0,6 '—10,2) 0,5 |lebend 22.V. 99 >» » (Wiederholung) |— 5,21 —4,7| 0,5 |—12,9 todt 19. 1V.99 | Carabus intricatus Q —2,9|—2,0| 0,9 |— 2,2 lebend 19. IV. 99 > » (Wiederholung) |—3,8|—1,8| 2,0 |— 2,0 lebend 19. IV. 99 » »& 4,8 lebend 19. IV. 99 > » (Wiederholung) |—4,3)—32| 1,1 |—3,7 lebend Puppen. 17.V. 99 | Aporia erataegi (12 Tage alt} |-1051—1,5| 9,0 |—1,9| 1,7 |lebend 22. VII.99 | Vanessa io | —85/—1,0| 7,5 |—1,1| 1,0 |lebend | | I Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten etec. Datum | Name Kı N Andere Insekten. ze. 1IV.99 | Apis mellifica — 9,3| — 2,4 21.1V.99 | Vespa vulgaris 34, 2,0 Raupen. 19. V. 99 | Lasiocampa quereifolia — el | Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass, Kı-N Die darauf „ folgende Abküh- lung dauerte bis: 945 Bemerkung 0,4 2 296 2177 todt lebend todt wenn die nach dem »Sprunge« stattgefundene Abkühlung nicht tiefer als X,° war, das Insekt nach dem Aufthauen wieder auflebte; war dieselbe tiefer, so starb das Insekt. bereits früher aufgestellten Regel. Auf diese Weise stimmen diese Versuche mit der Nun sind aber einige Ausnahmen sowohl in den gegenwärtigen, wie auch in früheren Versuchen zu bemerken. Ausnahmen folgen: Ich lasse hier diese Todt blieben, obwohl sie nach der aufgestellten Regel wieder hätten aufleben sollen: Die B- Kaleende Nr Datum Name Kı N Kı-N Abküh- Ve, / | lung gauele 1S 1 | 21.IV.99 |Apis mellifica gear 293 09) 3 9 2 ı 10.V1.98 |Aporia erataegii —99|—12| 87 |1—7, 7 3 31.V. 98 |Phalera bucephala —11,0)—14| 96 |—2, 5 4 6. VII.98 | Pieris rapae E20 27 3,3510 35 5 4.VL98 |Plusia gamma ı—78/1—16| 62 |—1, 7 6 4. VI. 98 > ee 8 7 | 21.v1.98 |Cossus cossus |—-83|-12| 71 \—6 Es lebten wieder auf, obwohl nach der aufgestellten Regel hätten todt bleiben sollen: 8 6.V1.99 |Aporia erataegi |— 24 er 14| 1,0 |1—2, 9 1.V. 99 | Papilio podalirius - 5,3 | — 13| 4,0 |—5, 10 22.V. 99 | Carabus morio 6,1 5,5) 0,6 —10, 11 | 6. VIl.98 |Pieris rapae E 86-82 Ar, Also es sind 11 Ausnahmen von 114 alten und neuen Versuchen. Wie kann man diese Ausnahmen erklären? In erster Linie bemerken wir, dass die Größe A, — N bei einigen Exemplaren nicht im richtigen Verhältnis steht, wie die entsprechen- 546 P. Bachmetjew, den Kurven in der Fig. 3 es zeigen. So z. B. hat Aporia crataegi (Nr. 2) bei V_, für K—N auf der Kurve den Werth 6,7, während derselbe in der Tabelle 8,7 beträgt. Pieris rapae (Nr. 4) hat für K,— N auf der Kurve den Werth 6, während derselbe hier 9,9 be- trägt. Eine große derartige Abweichung wird aber bei Pieris rapae (Nr. 11) bemerkt; auf der Kurve ist AA — N=11,5, hier aber ist es nur 0,4. In zweiter Linie sind die Werthe für N bei Carabus morio (Nr. 10) und bei Pieris rapae (Nr. 11) so enorm groß, dass wir daraus auf unnatürliche Beschaffenheit des Körpers sammt den Säf- ten dieser Exemplare schließen können. | Man könnte auf diese Weise die Vermuthung aussprechen, dass nur solche Exemplare der oben erwähnten Regel für den Tod bei der Abkühlung folgen, welche gewöhnliche Zusammensetzung der Säfte haben, und deren Abhängigkeit der Größe A, — N von V_, ihren Ausdruck auf der Normalkurve findet. Unter einer Normalkurve verstehen wir eine solche Kurve, welche aus Versuchen mit vielen Exemplaren einer und derselben Insektenart abgeleitet worden ist. Dann sind höchst wahrscheinlich auch Nr. 3, 5, 6 und 7 un- normale Exemplare. Bei Phalera bucephala beträgt z. B. der Säftekoefficient 9 = 0,75 (wie der Versuch zeigte), wogegen derselbe bei keiner bis jetzt untersuchten Art die Größe 0,71 überschreitet und gewöhnlich 0,66 ist!. Was nun Nr. 8 und 9 anbelangt, so ist bei ihnen die Differenz zwischen X, und der nach dem »Sprunge« folgenden Abkühlung bis {4° sehr klein (bei Nr. 8 beträgt sie 2,7 — 2,4 = 0,3° und bei Nr. 9 auch 0,3°) und könnte desshalb vernachlässigt werden. Durch Studium der Abkühlungskurven der Insekten hoffe ich nächstens auf die theoretische Begründung der ausgesprochenen Be- dinsung des Todes der Insekten bei deren Abkühlung (X = &;) näher zu kommen, indem ich die Abk.-Gschw. des Insektenkör- pers mittels eines Differential-Thermostaten konstant halten werde. 85. In den letzten fünf Jahren beschäftigten sich verschiedene En- tomologen mit einem dankbaren Thema — vermittels Frost Schmet- terlings-Aberrationen aus Puppen zu erzeugen. Obwohl solche Ver- ! P. BACHMETJEW, Über Insektensäfte. KRANCHER’s Entomol. Jahrbuch (1900). IX. 1899, p. 114-124. Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten ete. 547 suche bereits sehr schöne Resultate ergaben, fehlt dennoch die nöthige Theorie für solche Experimente. Als z. B. E. Fıscuer'-Zürich und M. Sranpruss?-Zürich ihre ersten einschlägigen Frost-Versuche angestellt hatten, war vom kritischen Punkte der Puppen noch gar nichts bekannt. Zwar haben beide Forscher den tödlichen Punkt für einige Puppen empirisch festgestellt, aber wie derselbe z. B. von der Abk.-Gschw. abhängt, ist erst in der gegenwärtigen Abhandlung entwickelt wor- den. Wie er vom Säftekoöffieient, resp. von der Metamorphose des Insektes abhängt, habe ich soeben an einem anderen Orte mitge- theilt>. Es wird desshalb nicht uninteressant sein, hier, wenn auch vor- läufig kurz, auf die Anwendung der Kurven der Fig. 3 zu Frost- Versuchen hinzuweisen. Wie wir gesehen haben, zeigt die Abhängigkeit der Größe A, — N von V_, bei einer »mittleren< Abk.-Gschw. ein Minimum des Un.-Gr., wenn man mit Puppen zu thun hat und ein Minimum oder Maximum, wenn es Schmetterlinge sind. In welchem Entwick- lungsmoment und bei welchen Puppen diese Abhängigkeit durch eine Horizontallinie ausgedrückt wird, werden wir vorläufig dahin- gestellt sein lassen. Wir wollen jetzt nur die Anwendung der Kurve für Puppen von Vanessa io betrachten. Man kann bei Experimenten mit Frosteinfluss zwei Wege wäh- len: entweder experimentirt man mit Puppen, welche stets flüssige Säfte haben, oder mit solchen, bei welchen Säfte (wenn auch nicht alle) zum Erstarren gebracht werden. Beide Fälle sind für die Biologie gleich wichtig. Dabei können verschiedene Kältegrade angewendet werden. . Zum Gelingen des Versuches ist in erster Linie erforderlich, dass die Puppe nicht abstirbt. Dies wird dadurch erreicht, dass der 1 »Neue experimentelle Untersuchungen und Betrachtungen über das Wesen und die Ursachen der Aberrationen in der Faltergruppe Vanessa.« Berlin 1896. 67 pag. mit 12 Abbildungen und 2 Tafeln. — »Beitrag für experimentelle Lepi- dopterologie.< Illustr. Wochenschr. für Entomologie. Neudamm: Bd. II: Nr. 33, p. 513; Nr. 37, p. 577; Nr. 38, p. 595; Nr. 44, p. 689; Bd. III: Nr. 4, p. 49; Nr. 12, p- 181; Nr. 16, p. 241; Nr. 17, p. 262; Nr. 18, p. 278; Nr. 23, p. 354; 1898. Bd. IV: BE, p. 33; Nr. 5, p- 67; 1899. 2 »Experimentelle zool. Studien mit Lepidopteren.< Denkschr. der Schweiz Naturforsch. Gesellsch. Bd. XXXVI. 8! pag. mit 5 Tafeln. 1898. 3 Illustr. Zeitschr. für Entomol. V. Nr. 6. p. 86—89 ff. 1900, 948 : P. Bachmetjew, tödliche Punkt (ZA, in Fig. 1) vermieden wird. Will man außer- dem die Säfte nicht zum Erstarren bringen, so muss man darauf Acht geben, dass der kritische Punkt (X, in Fig. 1) nicht erreicht wird. Der kritische Punkt hängt aber von der Abk.-Geschw. (V_,) ab, welche Abhängigkeit die Kurve in der Fig. 3 angiebt. Ich werde hier als Beispiel einige Aufgaben lösen. 1) Man will untersuchen, welche Aberration von Vanessa io erhalten wird, wenn die Puppe geringerer aber dauernder Kälte ausgesetzt ist, wobei ihre Säfte nicht erstarren dürfen ? In diesem Falle wende man Abk.-Gschw. nicht größer als V_, — 1,1 an, wobei zu betrachten ist, dass bei VY_,=1,0 der Un.-Gr. bei — 7,5° liegt (also der kritische Punkt bei — [7,5+N]) und bei ,=-12,5% wenn Ve, — 0, Jist 2) Man will untersuchen, welche Aberration von Vanessa io erhalten wird, wenn die Puppe starker und dauernder Kälte aus- gesetzt ist, wobei ihre Säfte flüssig bleiben müssen. In diesem Falle wende man Abk.-Gschw. nicht größer als V_, —0,7 an, wobei nicht zu vergessen ist, dass bei V_, = 0,7 der Un.-Gr. bei ca. — 23° liegt und bei ca. — 33°, wenn V_, = 0,5 ist. 3) Man will die Puppen von Vanessa io einer geringen und raschen Kälte unterwerfen, ohne dass ihre Säfte dabei erstarren. Welche Abk.-Gschw. müssen angewendet werden? Man,wende die Abk.-Gschw. nicht geringer als V_,=1,4 an, wobei ie: Un.-Gr. bei dieser Geschwindigkeit gleich — 5,5° ist; bei V_,= 2,0 beträgt derselbe ca. — 7,5°. 4) Man will die Puppe von Vanessa io einer starken und raschen Kälte unterwerfen, ohne dass ihre Säfte dabei erstarren. Welche Abk.-Gschw. muss man anwenden? Man wende die Abk.-Gschw. nicht geringer als V_, = 3,2 aı, bei welcher der Un.-Gr. gleich ca. — 12° ist; derselbe wird sehr sroß (z. B. — 100°), wenn die Abk.-Gschw. enorm groß ist. Da- bei können die Säfte sich in eine amorphe Masse verwandeln, ohne jedoch zu erstarren. (Ein sehr interessanter Fall!) 5) Man will untersuchen, welche Aberration die Puppe von Vanessa io ergeben wird, wenn dieselbe einer starken und dauernden Kälte ausgesetzt ist, wobei ihre Säfte (wenn auch theil- weise) fest sein müssen? In diesem Falle wende man die Abk.-Gschw. nieht größer als V_,= 0,8 an, bei welcher der Un.-Gr. ca. — 18° beträgt. Da der Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten etc. 549 normale Erstarrungspunkt der Säfte im Durchschnitte — 1,0° beträgt, so muss die Puppe tiefer als bis zu — (18 + 1,0)= — 19° abgekühlt werden, damit ihre Säfte zu erstarren beginnen. Kühlt man die Puppen z. B. bis — 20° ab, so erstarren noch mehr Säfte in ihrem Körper, bei — 21° abermals mehr ete., bis schließlich die Puppe bei der Abk.-Gschw. V_, = 0,8 bei der eigenen Temperatur = — (18-+1) — — 19° stirbt (nach dem »Sprunge«). Damit aber der Versuch gelingen soll, muss man die Abkühlung nach dem »Sprunge« nicht bis zu — 19° fortschreiten lassen, sondern die Puppe bei geringerer Kälte als — 19° (ihres Körpers) aus dem kalten Luftbade nehmen. Auf diese Art kann man noch mehrere Aufgaben, welche Nr. 5 ähnlich sind, lösen, worauf ich aber nur verweise. Es kann wohl möglich sein, dass die absoluten Größen für X — N bei verschiedenen V_, nicht ganz richtig sind, da die Kurve für Puppen von Vanessa io zu wenig bestimmte Punkte hat, aber die Art und Weise, wie die Theorie für solche Versuche angewendet werden muss, unterliegt keinem Zweifel. Nun wird man fragen: wie kann man den Versuch so anstellen, dass die Abk.-Gschw. die nöthige Größe habe; woher wissen wir, dass die eigene Temperatur der Puppe bereits einen gewissen Grad erreicht hat; wie kann man konstatiren, dass die Säfte zu erstarren begonnen haben ete.? Ich kann darauf nur sagen, dass jeder Versuch seine Mess- Apparate verlangt; die Mess-Methode habe ich bereits angegeben. Ich will hier noch bemerken, dass die Sache sich ungemein verein- fachen würde, wenn ein regulirbares Differential-Thermostat für niedrige Temperaturen gebaut wäre, mit dessen Verwirklichung ich jetzt beschäftigt bin. Fassen wir alles hier Gesagte zusammen, so kommen wir zu folgenden Resultaten: 1) Der Unterkältungsgrad der Insektensäfte hängt von der Ab- kühlungs-Geschwindigkeit ab: bei einer »mittleren« Abkühlungs-Ge- schwindigkeit tritt, je nach der Insektenart, entweder das‘ Minimum oder das Maximum des Unterkältungssrades an. Das Minimum tritt ein bei: Vanessa atalanta, Papilio podalirius und Thais ru- mina, während das Maximum bei: Pierisrapae, Plusia gamma, Aporia erataegi, Cetonia aurata und Oxythyrea cinctella ein- tritt. Die bis jetzt untersuchten Puppen (Saturnia spini, Deile- 550 P. Bachmetjew, Die Abhängigkeit des krit. Punktes bei Insekten ete. phila galii, Vanessa io, polychloros, atalanta und levana) zeigen alle das Minimum. 2) Das Minimum resp. das Maximum des Unterkältungsgrades der Insektensäfte tritt fast bei einer und derselben Abkühlungs- Geschwindigkeit ein (im Durchschnitt bei V_, = 1,2). 3) Die extremen Unterkältungsgrade der Säfte für verschiedene Insektenarten sind verschieden. Das größte bis jetzt beobachtete Maximum besitzt Pieris rapae (11,8), während das kleinste Maxi- mum bei Oxythyrea cinctella © (4,9) beobachtet wurde. Das kleinste Minimum besitzt Vanessa atalanta (0,4). 4) Diese Erscheinungen sind denjenigen analog, welche beim Unterkälten von Para-Nitrotoluol (Maximum) und Benzol (Minimum) beobachtet werden. 5) Die folgende Regel erscheint als eine sehr wahrscheinliche: je größer die Puppe ist, desto kleiner ist der minimale Unterkältungs- grad derselben. 6) Diejenigen Insekten, deren Säfte bei V_,=1,1 (im Durch- schnitte) ein Maximum des Unterkältungsgrades besitzen, haben bei der Abkühlungs-Geschwindigkeit, welche fast 0° beträgt, einen Unter- kältungsgrad, dessen Werth größer als 0 ist, dagegen wird dieser Werth gleich 0 sein, wenn die Abkühlungs-Geschwindigkeit größer als 1,1 ist. 7) Es ist möglich, die Insektensäfte bei denjenigen Insekten- arten, welche das Minimum des Unterkältungsgrades bei einer »mitt- leren« Abkühlungs-Geschwindigkeit zeigen, so stark zu unterkäiten, dass die Säfte als amorph und doch flüssig zu betrachten sind. Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Dr. P. LEVER- KÜHN, Direktor der wissenschaftlichen Institute und der Bibliothek S. K. H. des Fürsten von Bulgarien für das freundliche Durchsehen dieser Abhandlung im Manuskript und bei der Korrektur meinen besten Dank auszusprechen. Sophia, Januar 1900. Berichtigung. | In meiner Abhandlung: »Über die Temperatur der Insekten ete.« (diese Zeitschr. LXVI, 4, 1899) auf p. 600 lese man: 3) Beim Sinken der Temperatur der umgebenden Luft sinkt die Körper- temperatur der Insekten Anfangs gleichmäßig, dann steigt sie plötzlieh....... Untersuchungen über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis und von anderen Arthropoden, Von Dr. Em. Rädl in Pardubitz, Böhmen. Mit Tafel XXXIH. Einleitung. Die Frage nach dem Bau und der Funktion der Augenganglien der Arthropoden verfolgend, habe ich bald meine Aufmerksamkeit auf das eigenthümlich gebaute Auge von Squilla mantis gerichtet, welches bekanntlich in einer Richtung verzogen ist und in seiner Mitte, senkrecht zu der Verlängerung, eine eigenthümliche Einschnü- rung hat. Es haben sich schon Em. BERGER!, G. BELLONCI?, G. Ciaccıo3, S. Exner! mit demselben befasst, und S. Exner hat sogar eine interessante Theorie aufgestellt, welche den Bau dieses Organs mit den biologischen Eigenthümlichkeiten des Thieres in Beziehung bringen sollte. Diese meine Studien sollen eine Fort- setzung meiner Untersuchungen über den Tractus optieus der Arthro- poden bilden; ich will in denselben den Gedanken weiter entwickeln, der mir gleich Anfangs sehr wahrscheinlich zu sein schien, und wel- chen ich schon in meiner ersten Abhandlung® über diesen Gegen- stand ausgesprochen habe, nämlich, dass, um eine Theorie des Sehens zu entwickeln, es nicht genügt, den dioptrischen Apparat zu untersuchen, sondern auch die anliegenden nervösen Centra; dass 1 Arbeiten aus dem Zool. Institut Wien. 1878. 2 Mem. dell. Accad. d. Sc. di Bologna. 1882. 3 Mem. R. Accad. Sc. Inst. Bologna. (5.) T. III. (Diese Abhandlung habe ich nicht gelesen.) 4 Physiologie der facettirten Augen. Wien 1891. 5 Archives d’Anat. microse. 1898. 552 Em. Rädl, zwischen dem dioptrischen Apparate und dessen Innervation ein in- niger, specifischer Zusammenhang besteht. Ein derartiger Zusammenhang zwischen dem äußeren Sinnes- organe und jener Innervation kann zwar aus den Theorien, welche die speeifische Energie des Sehorgans bloß in das Auge (Stäbchen, respektive Rhabdome inclusive) verlegen, nicht gefolgert werden. Denn nach diesen Theorien — wenn ich die gewöhnlich zu allge- mein gehaltenen Erklärungen darüber richtig deute — vollzieht sich die Umwandlung des physikalischen Processes in den physiologischen in oder an den Rhabdomen! und das nervöse Organ, das hinter ihnen liest, hat nur die Aufgabe, das Auge mit dem Sitze des Bewusstseins oder mit irgend einem Muskel u. Ä. leitend zu verbinden. Diese Theorien verlangen eine sehr einfache Korrelation zwischen dem Endapparat und dem Systeme der Nervenfasern, so z. B. für eine doppelte An- zahl der Rhabdome eine doppelte Anzahl der Nervenfasern. Ich habe aber schon früher? auf sehr regelmäßige Anordnungen der Punkt- substanz hingewiesen und habe schon damals und auch später? in einer gesetzmäßigen Verbindung mehrerer Nervenfasern die speeci- fische Thätigkeit dieser Augenganglien gesucht. Es ist wahrschein- lich, dass solche gesetzmäßige Anordnungen, wohl nach einem an- deren Plane aufgebaut, auch anderswo im peripheren und centralen Nervensystem vorkommen; statt aber überall die etwa möglichen Anordnungen zu suchen, habe ich es für besser gehalten, zuerst mir eine Vorstellung darüber zu machen, worin eine solche Anordnung i Ich mache hier darauf aufmerksam, welehe Bedeutung man seiner Zeit dem Sehpurpur zugeschrieben hat. Ferner ist heute sehr viel der Gedanke ver- breitet, dass die Nerven bloße Verbindungsbahnen verschiedener Endstationen behufs besserer Leitung sind, wie es sich z. B. J. LoEB (Einleitung in die ver- gleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie. 1899) vorstellt. Konkreter als in dieser Abhandlung ist dieselbe Überzeugung bei BECHTEREW (Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmarke. 1899) ausgesprochen. Derselbe sagt: »Die Elemente des Nervensystems stellen sich ihren wesentlichen Eigen- schaften nach überall als gleichartige Gebilde dar. Im Übrigen vermag ich an den Elementen des Centralnervensystems keine weiteren Besonderheiten wahr- zunehmen, insbesondere nicht solche, die als qualitative Differenzen den psychi- schen Erscheinungen entsprechend anzusehen wären.... Wenn sich aber dem ungeachtet die aufgenommenen Eindrücke qualitativ von einander unterscheiden, so müssen hierfür augenscheinlich die zur Aufnahme der Reize bestimmten peri- pheren Apparate verantwortlich gemacht werden. Die sensorischen Nerven wer- den bekanntlich nicht direkt, sondern durch Vermittelung besonderer modifieir- ter Epithelien durch äußere Einflüsse in Erregung versetzt.< 2 Arch. d’Anat. microse. 1898. | > Sitzungsber. der k. böhm. Gesellsch. der Wiss. 1899. Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete. 553 im Detail besteht. Darum habe ich die Studien über die Augen- sanglien fortgesetzt, und lege hier die Resultate vor. Ich glaube wieder einen Schritt weiter gethan zu haben, muss aber gestehen, dass ich noch viel zu weit von dem klaren Verständnis dieser Gan- slien so wie des Sehaktes überhaupt bin, ja ich sehe jetzt, dass ich mir, als ich zur Arbeit trat, den ganzen Vorgang des Sehens mit zusammengesetzten Augen zwar sehr komplicirt, aber im Verhältnis zur Wirklichkeit doch viel zu einfach vorgestellt habe. Meine Abhandlung berührt an mehreren Stellen auch physiolo- sische Probleme; darum lasse ich hier einige Bemerkungen zu dem Vorschlag »einer objektivirenden Nomenklatur in der Physiologie« _ von Tu. Beer, A. Berne und J. v. Üxküuut folgen. Die genannten Autoren gehen von der Überzeugung aus, dass die psychischen Vor- sänge der Thiere der Empirie vollends unzugänglich sind, da aber die heutige physiologische Terminologie vorwiegend auf der Annahme solcher psychischer Thätigkeiten aufgebaut ist, schaffen sie dieselbe weg und schlagen eine neue vor,. welche nur auf (physiologische) Thatsachen gegründet ist. Sie kennen also bei den Thieren keine Sinne, keine Empfindungen und Wahrnehmungen, sondern nur den objektiven Reiz und einen darauf folgenden physiologischen Vorgang, welcher in einem bestimmten aufnehmenden Organ (Receptionsorgan — Sinnesorgan) dadurch beginnt, dass dort ein physikalisches oder chemisches Geschehen in einen physiologischen Reiz umgewandelt wird; dieser wird durch die Nerven zu einem Endapparat (Muskel, Drüse ete.) geführt, wo dann eine adäquate Zustandsänderung her- vorgerufen wird. Das Auge ist also ein solches Receptionsorgan, fähig, auf die Lichtwellen zu reagiren und die Autoren nennen es, da der Name Auge mit psychologischen Anschauungen oft verbunden wird, »Pho- toreceptor«. Der Gedanke, den die Autoren auf diese Weise ent- - wiekelt haben, ist gewiss dadurch anziehend, dass es ein Versuch - ist, sieh von jeder unbegründeten Theorie zu emaneipiren; ich glaube aber, dass er doch nicht annehmbar ist. Es hat schon W. NAGEL einige Einwürfe gegen denselben veröffentlicht?; wenn man ihn auf einen speciellen Gegenstand, so z. B. auf das Auge, anwenden will, so wachsen die Schwierigkeiten noch mehr. Wenn man auch den Namen Photoreceptor annehmen wollte, so würde dadurch der Name Auge keineswegs bei Seite gelegt. Denn ! Zool. Anzeiger 1899. Nr. 590. 2 Zool. Centralbl. 1899. Nr. 18/19. 554 | Em. Rädl, zuerst ist dieser Name zu eingebürgert in den verschiedensten Zwei- sen der Wissenschaft, um für dasselbe überall oder in bestimmten Fällen ein neues, gewiss weniger bequemes Wort einzuführen. Es scheint mir aber, wenn ich auch nur theoretische Gründe erwäge, dass der Name Photoreceptor nicht passend gewählt wurde. Es ist erstens daran gelegen, was bei dem Auge (und bei den Sinnesorganen überhaupt) von größerer Bedeutung ist, ob der physikalische Process, die Lichtwellen, im Allgemeinen der adäquate Reiz, den BEER, BETHE und v. ÜxküLz ihrer Nomenklatur zu Grunde gelegt hatten, oder der physiologische Process, der im Organe selbst resp. in den angehäng- ten nervösen Apparaten vor sich geht. Wenn man diese Frage so formulirt, was von dem Auge bloß durch die physikalischen Gesetze des Lichtes und was durch organische struktu- relle Bedingungen gegeben ist, so glaube ich, dass man immer mehr Gewicht auf diese legen muss, sofern man nur die Thatsachen berücksichtigt und sich nicht durch eine philosophische Richtung zur Einseitigkeit verleiten lässt., Es giebt wohl philosophische An- schauungen, welche das Auge, also einen organischen Apparat, aus- schließlich oder überwiegend durch besondere mechanische Reize entstehen lassen; man nimmt in der Evolutionstheorie an, dass die Organismen aus anorganischen Substanzen entstanden sind. Man könnte also auf diese Theorien hinweisen, wo doch den physikalischen Be- dingungen Alles, den organischen nichts zugetheilt wird. Wenn man aber auch das Problem so weit treiben wollte, so bleibt noch immer eine ganz besondere Materie und ganz besondere physikalische Be- dingungen übrig, mit welchen die Entwicklung beginnt; und es bleibt noch immer sehr fraglich, ob diese Entstehungsbedingungen eines Sinnesorgans sich mit seinem adäquaten Reize decken. Es ist aber nicht nöthig, das Problem so in die Spitze zu treiben; man will von der Funktion eines Organs sprechen und man muss wie die physi- kalischen, so die organischen Bedingungen im Auge behalten; na- mentlich gilt dies, wenn man vergleichende Physiologie treiben will; denn man vergleicht dabei nicht die physikalischen Bedingungen, sondern die physiologischen Processe, wie sie in verschieden gebau- ten Augen vor sich gehen. Ich glaube also, dass die Autoren, in- dem sie die Sinnesorgane bloß nach dem adäquaten Reize benannt haben, zu viel Gewicht auf das Physikalische und zu wenig auf das Organische gelegt haben. Man kann zweitens nicht behaupten, dass die Begriffe »Auge« und »Photoreceptor« einander deckten, dass man statt des ersten oder Unters. über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis ete. 555 neben demselben das zweite anwenden sollte. Ein jedes Auge ist ein Photoreceptor, das ist wahr; ob aber alle Photoreceptionsorgane auch Augen sind, das bleibt im günstigsten Falle fraglich, da man heute noch nicht a priori sagen kann, was schon ein Auge und was noch nicht ein solches, sondern nur ein mehr oder weniger lokalisirtes Lichtempfindungsorgan ist. Deutlicher tritt das noch nicht erklärte Verhältnis zwischen dem Organ und der Funktion bei anderen Sinnesapparaten, z. B. bei den Gehörorganen, von den Autoren »Phonoreceptoren« genannt; die Phonoreceptoren der Säuge- thiere (Öhre) beanspruchen doch eine andere Benennung als die der Insekten (chordotonale Organe, die Gehörapparate in den Füßen der Heuschrecken etc... Es wird vielleicht möglich sein, später einmal die Namen Auge, Ohr etc., welche aus der menschlichen Anatomie genommen sind, in der Physiologie durch physiologische ‚Termini zu ersetzen, aber ich fürchte, dass man heute zu wenig von der ver- gleichenden Physiologie dieser Sinnesorgane weiß, um daraus schon solche Verallgemeinerungen zu ziehen, die für eine auf neuen Grund- lagen gegründete Terminologie nöthig sind. Mit welchem Namen werden wir heute den physiologischen Unterschied zwischen dem zusammengesetzten und dem einfachen Auge, zwischen dem Punkt- auge der Insekten und dem Pinealauge der Vertebraten etc. be- zeichnen? man darf doch nicht etwa zusammengesetztes photorecep- torisches Organ sagen, da das Zusammengesetzte sich auf den Bau, auf die Morphologie, kaum aber auf die Physiologie bezieht. Noch etwas habe ich gegen die vorgeschlagene Terminologie anzuführen, und dies gilt nicht nur gegen dieselbe, sondern gegen die ganze Richtung, in welcher sich namentlich BETHE’s Arbeiten über Carcinus moenas! bewegen. Unbeachtet der schönen dort berichteten Beobachtungen scheint es mir, dass Berus sich zu viel von den morphologischen Problemen emaneipirt. A. Berur (auch J. LoEB und Andere) sehen in dem Organismus nur eine Maschine und in den Organen nur physiologische Apparate — Alles mit einer Funktion, welche von ihnen derzeit bekannt ist, oder welche sie ge- rade an ihnen entdeckt haben; bei unseren wohl noch spärlichen Kenntnissen über die vergleichende Physiologie — und diese Unvoll- kommenheit derselben kommt nicht nur daher, dass dies eine junge Wissenschaft ist — muss eine physiologische Vorstellung von einem Organe gegen die morphologische sehr arm und.unklar ausfallen. ! Archiv für mikr. Anat. 1897, 1898. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII, Bd. b 37 556 Em. Rädl, Wohl ist auch morphologisch der Begriff des Auges recht unklar, aber doch unverhältnismäßig breiter und tiefer gegen den Begriff eines Photoreceptoren. H Aus diesen Gründen, nämlich, dass der Name Photoreceptor sich nicht mit dem des Auges deckt, dass er einseitig auf den phy- siologischen Reiz den Nachdruck legt und dass er überhaupt zu we- nig morphologisch ist, glaube ich, dass es nicht passend wäre, den- selben statt des neutralen Namens Auge einzuführen. I. Über die Bedeutung der Einschnürung der Squillaaugen. Die äußere Form der Augenstiele von Squilla veranschaulicht Fig. 8. Der Augenstiel ist von den Seiten ein wenig zusammen- sedrückt, nach unten namentlich in seiner vordersten Partie ver- längert!. In der Mitte der vorderen Fläche läuft horizontal eine Vertiefung, welche das ganze Auge (im Folgenden unterscheide ich immer Auge und Augenstiel) in zwei Hälften, eine nach oben und vorm, die andere nach unten und hinten gekehrte unvollständig theilt. Ich habe Anfangs den Augenstiel nicht in dieser Weise orien- tirt, sondern derart, dass die Einschnürung von oben nach unten lief, dass also die Augen in eine rechte und linke Hälfte getheilt er- schienen. Ich war dazu geführt durch die in diesem Sinne gehalte- nen Beschreibungen?, wo die Augenstiele als in der Horizontalebene verlängert beschrieben werden. Der innere Bau der Augenstiele entsprach aber nicht einer solchen Orientirung, da ich auf den ver- meintlich horizontalen Schnitten, die doch überall sonst vorkommende Nervenkreuzung vermisst habe; ich habe aber dieselbe wohl ent- wickelt auf den vermeintlich vertikalen Schnitten gefunden. Diese Thatsache und die Lage des vierten Ganglion (Lobus optieus) zeigen ganz bestimmt, dass der Augenstiel so zu stellen ist, dass die Ver- längerung vertikal verläuft. Um mir der Sache gewiss zu sein, habe ich mich an den Direktor des k. k. zoologischen Instituts in Triest, Prof. Dr. C. J. Corı, gewendet, da ich selbst keine Gelegenheit ! Behufs besserer Orientirung bezeichne ich die Achsen im Augenstiele folgendermaßen: Die Ebene, welche durch die Einschnürung horizontal läuft, ist horizontal, die auf derselben senkrechte proximaldistale ist vertikal, die auf diesen beiden senkrechte ist frontal. Die Schnittlinien dieser Ebenen geben gleichgenannte Achsen. Dieselben sind nicht den Achsen des Körpers parallel, da der Augenstiel schräg (nach außen) gestellt ist. | ? 7%. B. BRonn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs oder BERGER, Arh. aus dem zool. Inst. Wien. 1878. Unters. über den Bau des Tractus optieus von Squilla mantis ete. 557 habe, das Thier lebend zu untersuchen. Auf seine Veranlassung hat sein Assistent, Herr A. STEUER, mehrere Versuche an Squilla ange- stellt, deren Resultat meine Erwartungen ganz bestätigt hat. Eine solche Stellung der Augenstiele, wo die Verlängerung horizontal ver- lief, wurde nie beobachtet, auch nicht bei den Augenstellungen, welche durch verschieden angeordnete Lichtreize erzielt wurden. Die Normalstellung derselben ist diejenige, bei welcher die Verlän- gerung der Augen ein wenig schief nach unten gerichtet ist. Der Augenstiel hat wohl die Fähigkeit, sich ein wenig zu drehen, aber nur in gewissen Grenzen. Durch die Beobachtungen des Herrn A. STEUER, für welche ich demselben meinen aufrichtigen Dank aus- spreche, ist also die Frage entschieden. Auf den ersten Blick scheint sie zwar wenig Bedeutung zu haben, dem ist aber nicht so; zuerst sieht man, dass die Augenstiele, obwohl beweglich, doch in ihrer normalen Stellung dieselbe Lage zum Kopfe einnehmen, wie die sessilen Augen der Insekten und Edriophthalmen Crustaceen; zwei- tens ist bei dieser Lage die Einschnürung horizontal und die Augen durch dieselbe in einen oberen und einen unteren Theil gesondert; nur bei dieser Stellung ist ein Vergleich dieser Einschnürung mit ähnlichen Erscheinungen an anderen Arthropodenaugen möglich. Die Augenstiele sind mit dem Cephalothorax durch eine schmale, derbe, biegsame Membran verbunden; durch dieselbe geht das dicke Bündel der Nerven hindurch, welche den optischen Tractus mit dem Gehirn verbinden und ferner die Augenstielmuskeln. Der Augenstiel ist von einer harten, dicken, an Kalksalzen rei- chen Schale umgeben, welche auch nach der Entkalkung dem Mi- krotommesser einen starken Widerstand leistet. Der Augenstiel ist aus zwei Theilen zusammengesetzt, der proximale hat eine rundliche Form und enthält das vierte, dritte und zweite Ganglion (also die drei proximalen), der distale sieht wieder wie eine nach. unten ge- richtete Walze aus; der größte Theil seiner Oberfläche ist mit Omma- tidien bedeckt, nur nach hinten ist er von ihnen frei, dort nämlich, wo er mit dem proximalen Theile des Augenstieles verbunden ist. Der Augenstiel kann durch die Vertikalebene in zwei äußerlich sym- metrische Hälften gesondert werden, nicht aber durch einen Hori- zontalschnitt; denn der distale walzenförmige Theil desselben ist nicht senkrecht zu dem proximalen orientirt, wie aus der Fig. 1 zu sehen ist, sondern ist deutlich von vorn oben nach hinten unten geneigt. Die horizontale Einschnürung in der Mitte der Walze be- steht darin, dass die obere und die untere Hälfte des Auges, jede 37* 558 Em. Rädl, ihre besondere Krümmung in der Vertikalebene besitzt; ihre beiden krummen Oberflächen schneiden sich in der Ebene der Einschnürung in einem wohl sehr stumpfen aber doch deutlichen Winkel. Die Ommatidien sind an der Oberfläche des Auges in regelmäßige Reihen angeordnet, die Zahl derselben schätze ich nach mehreren Messungen etwas über 3000. | Was die inneren Theile des Augenstieles von Squilla betrifft, so weichen die drei proximalen Ganglien kaum von der normalen Form, in der sie bei anderen Urustaceen vorkommen, ab. Nur das erste Ganglion zeigt hier etwas andere Verhältnisse, sofern wir nur den Bau im Ganzen, nicht die histologischen Verhältnisse beachten. Das erste Ganglion ist hier nämlich in zwei Ganglien gesondert, ein ‚oberes und ein unteres, jedes einer Augenhälfte angehörend (Fig. 2, 3). Jedes dieser zwei Ganglien hat eine Krümmung für sich, wodurch eine Lücke zwischen denselben in der Ebene der Einschnürung ent- stehen würde. Diese aber besteht nicht, sondern ist durch Nerven- fasern, die aus einem Ganglion in das andere führen, ausgefüllt. Der Fall, dass das erste Ganglion in zwei getheilt ist, kommt nicht nur bei Squilla vor. C. Caunx! hat dieselbe bei den Sergestiden entdeckt, C. CLaus? schon früher bei den Phronimiden und das letzte Mal wieder O. MıLrz3, wohl in einer etwas anderen Anordnung bei den Polyphemiden. Auf den Nervenfaserverlauf hat diese Theilung, wenigstens bei Squilla, keinen Einfluss; das obere Gan- glion gehört zu dem oberen Augenabschnitt, das untere zu dem unteren; trotzdem kann daraus eine Abhängigkeit des ersten Gan- glion von dem Bau des Auges gefolgert werden, welche für die weiteren Ganglien (das zweite bis vierte) nicht mehr gilt; ich sehe darin einen Beweis für meine Annahme‘, dass dieses Ganglion im Zusammenhange mit dem Auge betrachtet werden muss; ich habe es desshalb° mit den Retinulazellen inclusive als Retina bezeichnet im Anschlusse an C. CLaus? und E. BERGER, die es auch für Re- tina erklärt haben. Die gegenseitige Lage und die Umrisse der Augenganglien sind durch Fig. 1 auf einem Horizontalschnitt und Fig. 2 und 3 auf einem Vertikalschnitt wiedergegeben. Wenn ich noch hinzufüge, dass die 1 C. Cuun, Atlantis. 1896. p. 240. 2 C. CLaus, Arb. aus dem Zool. Inst. Wien. 1878. ®» O0. Mıwrz, Das Auge der Polyphemiden. Zoologieca. 1899. * Arch. d’anat. mier. 1898. up, Unters. über den Bau des Tractus optieus von Squilla mantis ete. 559 Augen im Leben grün sind, so habe ich den Bau der Augenstiele im Großen und Ganzen gegeben. Die erste Frage, welche uns bei der Betrachtung der- äußeren Form der Augen von Squilla auffällt, ist, welche Bedeutung wir der horizontalen Einschnürung ihrer vorderen Fläche zuschreiben sollen. Schon S. Exner! versuchte es, diese Frage zu beantworten, und zwar wie folgt: Die Längsachsen der Ommatidien treten im zusammengesetzten Auge im Allgemeinen distal aus einander; nur die Ommatidien, welche bei Squilla an die Einschnürung grenzen, sind von oben und von unten gegen die Ebene der Einschnürung und desshalb auch gegen einander geneigt. Die Folge davon ist, dass ein Gegenstand, welcher annähernd in der Ebene der Einschnü- rung vor dem Auge liegt, im Auge von Squilla zwei Bildchen ent- wirft, das eine in der oberen, das andere in der unteren Hälfte desselben, dem ähnlich, wie ein Punkt in unseren zwei gegen ein- ander geneigten Augen auch zwei Bildchen entwirft. Damit ist bekanntlich bei uns das stereoskopische Sehen verbunden, und bei Squilla soll es ähnlich sein, nur dass sie schon mit einem Auge stereoskopisch sehen kann; dabei sieht sie selbstverständlich noch stereoskopisch mit zwei Augen; sie kann also mit einem Auge wie mit beiden die Entfernungen unterscheiden. | Dureh diese Theorie von S. ExnEr soll offenbar klar gemacht werden, wie die eigenthümliche Augenform von Squilla funktionirt; über die morphologische Bedeutung derselben wird dabei gar nichts ausgesagt. Es müssen aber auch Fragen beantwortet werden, wie die, in welchen Beziehungen diese Augenform zu den Augenformen anderer Arthropoden stehe; wie kommt sie zu Stande, und ob sie nicht auch bei anderen Crustaceen erscheint? Wenn wir auch nur vom physiologischen Standpunkte und mit der Annahme von ExneEr’s Theorie die Sache betrachten, so muss es als wahrscheinlich gelten, dass Squilla mit ihrer wichtigen Einrichtung nicht vereinzelt in der Arthropodenreihe stehen kann?, Notabene, wenn diese in ihrer funk- tionellen Bedeutung so folgenreiche Modifikation der Augen auf eine sehr einfache Weise zu Stande gebracht werden kann, .nämlich durch die Einschnürung des Auges®”. Immerhin dürfen wir nicht bei der lerc. 2 Exner führt noch Asealaphus (Neuroptera) an, bei welchem eine ähnliche Einschnürung des Auges vorhanden ist. 3 Ich bemerke, dass ExnER keinen physiologischen Versuch gemacht hat, um die angegebene Funktion der Squilla- Augen nachzuweisen, vielmehr auf 560 Em. Rädl, physiologischen Erklärung stehen bleiben, welche bei dem jetzigen unentwickelten Zustande der vergleichenden Physiologie kaum etwas über allgemeinere Probleme zu entscheiden vermag, sondern man sollte womöglich auch die morphologische Seite des Problems ins Auge fassen. Die physiologischen respektive biologischen Erklärungen beziehen sich, wie in diesem Falle, so auch in den meisten anderen, nur auf Individuen, auf specielle Bedingungen; versucht man aber eine mor- phologische Erklärung irgend einer Erscheinung zu geben, so arbeitet man fast unbewusst unter dem Gedanken, dass das Morphologische tiefer im Organismus des Thieres und also auch in dem seiner Ver- wandten begründet ist, als das Physiologische. Aus diesem Grunde wird vielleicht die Frage nach einer morphologischen Bedeutung der ‚bloßen Einschnürung an einem so plastischen Gebilde, wie es an- seblich das Auge ist, a priori als ungereimt erscheinen; ich halte aber an der Überzeugung fest, dass erstens eine jede morphologische Erscheinung auch ihre morphologischen Gründe haben muss, und zweitens, wenn unter den mannigfaltigsten Korrelationen, denen das zusammengesetzte Auge bei den verschiedensten Arthropodengattungen unterworfen ist, an demselben in irgend einem Punkte ähnliche Er- scheinung bei verschiedenen Gattungen vorkommt, dass dieselbe in der Morphologie des Organs oder der Gebilde, mit welchen es in Korrelation steht, tiefer begründet werden muss, desto tiefer, je weiter die Gattungen aus einander stehen, bei welchen die Erschei- nung vorkommt; dabei bleibt keineswegs ausgeschlossen, dass diese Erscheinung auch mit physiologischen oder biologischen Eigenthüm- lichkeiten verknüpft werden kann. Die Einwendung, dass solche Kleinigkeiten, wie die Einschnürung am Auge von Squilla nur von den Einwirkungen der Umgebung hervorgebracht worden sind, und mit der eigentlichen Morphologie derselben nichts zu thun hat, ist nichtig; denn es ist bloß Sache der individuellen philosophischen Überzeu- sung, ob man die Umwandlung eines Organs durch den Einfluss veränderter äußerer Bedingungen erklärt, oder ob man umgekehrt der Umwandlung des Organs die Veränderung der Lebensweise fol- gen lässt; solche »Erklärungen«, die eine wie die andere, sind, sofern dieselbe nur aus anatomischen Thatsachen geschlossen hat; obwohl der Bau dieser Augen es mit sich bringt, dass gewisse Punkte der Umgebung in den- selben zweimal abgebildet werden, so steht damit noch nicht als erwiesen fest. dass diese Punkte auch wirklich stereoskopisch empfunden werden. Wir wissen ja nichts von dem inneren physiologischen Vorgange bei dem musivischen Sehen. Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete.. 561 sie sich nicht auf quantitativ untersuchte reciproke Verhältnisse be- ziehen, gar keine Erklärungen. Ich werde versuchen im Folgenden zu beweisen, dass die Ein- schnürung an den Augen von Squilla ein wichtiges morphologisches Problem bildet; also nur auf die Wichtigkeit dieses Problems will ich hinweisen, nicht dasselbe zu lösen; das bitte ich zu beachten. Die behandelte Erscheinung auf den Augen von Squilla ist unter den Arthropoden sehr verbreitet; nur hat man derselben früher wenig Beachtung geschenkt und jetzt beobachtet man wieder nur ihre biologische Seite. Es sind ähnliche Erscheinungen von ©. CLaus!, G. Cıaccıo?, S. Exner, C. CHuun®, C. ZimMmER5, P. SamassA$s, OTTO Mıvrz’, V. L. KEeLLoG® beschrieben worden. CrLaus hat sie bei Phro- nima untersucht, Cıaccıo bei Potamanthus (Ephemeridae), ExNER bei Phronima, einigen Libellen und Ephemeriden, CHun bei den Phronimiden, vielen Gattungen aus der Gruppe der Euphausi- den, Sergestiden und Polyphemiden. Der letzten Gruppe hat eine detaillirte Untersuchung ©. Mırrz und P. Samassa gewidmet; A. KELLOG untersuchte die Augen der Dipteren. Alle diese Auto- ren haben die eigenartigen Modifikationen der Augen, in so fern sie sich auf eine Erklärung derselben einließen, biologisch zu erklären versucht. Die Augen bestimmter Arten in den von den Autoren be- schriebenen Gruppen haben alle das Gemeinsame, dass ihr oberer Theil anders als der untere ausgebildet ist. Alle die genannten Autoren haben nun dem oberen Theile eine andere Rolle im Leben des Thieres ertheilt als dem unteren und glaubten, dass dadurch Alles klar gemacht ist, was in dem Falle erklärt werden soll. Ich will zuerst beweisen, dass diese Eigenartigkeit im Bau der Augen keineswegs auf die genannten Arthropodengruppen beschränkt ist; ich glaube schon aus diesem Beweise einige Resultate ziehen zu können, welche den Bau dieser Augen in noch ein anderes Licht stellen als die Theorien der genannten Autoren. | Alle Augen, von welchen ich reden will, stimmen also darin überein, dass ihr oberer Theil von dem unteren auf irgend eine Art 1 Arbeiten aus dem Zool. Inst. Wien. 1879. 2 Mem. R. Ac. Sc. Inst. Bologna. (5.) T. IH. 3]. ce. * Atlantis 1896. 5 Diese Zeitschr. 1898. 6 Archiv für mikr. Anat. 1891. ” Das Auge der Polyphemiden. Zoologica. 1899. 8 Zool. Anz. 1898. 562 Em. Radl, zu unterscheiden ist, wodurch ein jedes Auge mehr oder weniger deutlich in zwei Augen, ein oberes und ein unteres, gesondert ist, wobei aber die Mittel, durch welche diese Sonderung geschieht, im Speeiellen variiren.. Um mich kürzer ausdrücken zu können, werde ich alle derartige Augen Doppelaugen nennen. Ich gebe jetzt die Liste der mir bekannten Doppelaugen. Unter den Coleopteren habe ich vollständige Doppelaugen zuerst bei Gyrinus gefunden; derselbe hat zwei kleine, wenig ge- wölbte Augen nach oben gerichtet und zwei andere, mehr gewölbte und etwas größere nach unten gewendet; beide Augen jeder Seite sind von einander durch einen breiten Saum der Kopfseiten getrennt. Gyrinus sieht also mit anderen Augen nach oben und mit anderen nach unten; in wie fern sich diese beiden Augen anatomisch von ein- ‚ander unterscheiden, habe ich bis jetzt nicht untersucht. Die Doppel- augen kommen ferner bei sehr vielen Gattungen und Arten aus der Familie der Searabaeiden vor, bei welchen von der Vorderseite des Kopfes eine Leiste sich über die Augen horizontal wölbt, auch in dieselben eindringt und so die Augen in zwei Hälften, eine obere und eine untere, theilt. Auf diese Weise entstehen vollständige Doppelaugen bei Ateuchus (Web.), Gymnopleurus (Il), Odon- taeus (Klug.) und gewiss noch bei vielen anderen, die ich keine Gelegenheit zu untersuchen hatte. Eine ähnliche Leiste findet sich auch bei den Coleopteren aus der Familie der Pimeliiden, wo auf diese Weise Doppelaugen bei Phyllax (Brulle), Opatroides (Brulle) und Microzoum (Redt.) entstehen; ferner bei Anthraeias aus der Familie der Tenebrioniden. Bei den Cerambyciden entstehen die Doppelaugen auf eine andere Weise. Von der Basis der An- tennen reicht hier ein Einschnitt in die Mitte der Augen, wodurch dieselben vollständig in Doppelaugen getheilt werden bei Tetrops (Kirby = Polyopsia Müll.) und Tetropium (Kirby). Im Vorigen habe ich nur die Arten mit vollständigen Doppel- augen angeführt. Es giebt aber eine unübersehbare Reihe von Coleopteren, wo die Augen nur unvollständig in eine obere und eine untere Hälfte getheilt sind, so dass es nur wenig Sinn hätte, sie alle hier anzuführen; ein Jeder hat Gelegenheit dieselben in seiner Sammlung anzusehen. Es giebt nur einige Familien unter den Coleopteren, wo die Augen ganz rundlich sind, ohne jede Spur der Verdoppelung, wie bei den Carabiden; bei anderen sind die Augen ein wenig oval (von oben nach unten verzogen), und man könnte dieselben schon als zwei rundliche mit einander verschmol- Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 563 zene Augen betrachten, namentlich in denjenigen Fällen, wo die Augen in der vertikalen Richtung sehr verlängert sind, so dass die eine Hälfte des Auges nach oben und die andere ganz nach unten gerichtet ist Hydrophilus); diese ovalen Augen haben oft an ihrer Vorderseite einen kleinen Einschnitt, welcher wegen seiner Kleinheit oft kaum zu bemerken ist, in anderen Fällen wieder bis über die Hälfte der Augen reicht oder dieselben bis auf einen schmalen Saum vollständig in zwei Augen theilt; derlei Augen sind regelmäßig in den Familien der Cerambyciden, Bruchiden, Cleriden u. A. vor- handen, wo sie einen guten Art- respektive Gattungscharakter bil- den. In anderen Fällen kommt an die Stelle des nierenförmigen Einschnittes eine Leiste, welche von der Vorderseite des Auges her- vorwächst und entweder als ein kleiner Zahn oder als eine mehr oder weniger lange Leiste in die Mitte des Auges oder noch weiter hineindringt, wie es z. B. bei Lucanus, Melolontha, überhaupt regelmäßig bei den Scarabaeiden ausgebildet ist. In so fern ich beobachten konnte, unterscheidet sich die obere Hälfte des Auges bei den erwähnten Arten von der unteren durch nichts als durch ihre Größe und Wölbung, kaum durch die Form der einzelnen Ommatidien. Ob in der Länge der Ommatidien ein Unterschied vorkommt, habe ich bisher nicht untersucht. | Ob die erwähnten Erscheinungen im Bau des Auges der Oole- opteren mit irgend welchen Eigenthümlichkeiten in deren Lebens- weise zusammenhängen, weiß ich nicht zu sagen; zwar habe ich im letzten Sommer mehrfache Beobachtungen über die Lebensweise der Cerambyciden angestellt, aber alle sind für unsere Frage resultat- jos geblieben. Dass diese morphologischen Eigenthümlichkeiten mit irgend welchen biologischen im Zusammenhang stehen, kann wohl angenommen werden; ich zweifle aber sehr, dass sie durch die Lebensweise der Thiere, bei welchen sie vorkommen, hervorgebracht seien. Dagegen spricht die Thatsache, dass die (theilweise) Doppel- äugigkeit oft an ganze Gruppen von Käfern gebunden ist, in anderen Gruppen wieder völlig fehlt (Cerambyeidae: Carabidae), und sich also nach morphologischen (allgemeinen), nicht biologischen (indi- viduellen) Gesichtspunkten richtet. Ich habe keinen Fall von vollständigen Doppelaugen bei den Hymenopteren gefunden! (ich habe nicht viele von denselben 1 Während des Druckes der Arbeit habe ich Doppelaugen bei Polistes beobachtet. 564 Em. Rädl, untersucht); es kommen hier aber nierenförmig eingeschnittene Augen vor, wie bei den Wespen, wo der Einschnitt von vorn bis über die Mitte des Auges hineinragt. Nierenförmige Augen sind auch bei anderen Hymenopteren zu beobachten. Auch bei den Lepidopteren sind die Augen wenig mannigfaltig in dieser Hinsicht, ich finde hier kein Doppelauge, nierenförmig sind die Augen von Sphinx euphorbiae und von einigen Lycaeniden. Bei den Dipteren sind wieder die Doppelaugen verhältnismäßig sehr häufig, nur kommen sie hier auf eine andere Art zu Stande. Die Chitinhaut ist bei denselben nicht so dick und hart wie bei den Käfern, um die Ausbildung von Leisten zu ermöglichen; die beiden Augenabschnitte stoßen hier unmittelbar an einander, aber der obere Abschnitt (auch hier ist immer der eine oben, der andere unten) ist anders gebaut als der untere, seine Facetten sind gröber, was schon von der Oberfläche mit der Lupe leicht beobachtet werden kann. Auf diese Weise kommen die Doppelaugen zu Stande bei Stratio- mys chamaeleon, bei einigen Tabanus-Arten (z. B. bei Taba- nus bromius), während andere Tabani einfache Augen besitzen. Auch verwandte Gattungen (Theriopleetes luridus, Hexatoma pellucens) besitzen ähnlich gebaute Doppelaugen. Auch bei einigen Gattungen aus .der Gruppe der Asiliden habe ich mit der Lupe einen Unterschied in der Größe der oberen und der unteren Facetten beobachtet. Der Übergang der beiderlei Arten von Ommatidien ge- schieht nicht allmählich, sondern das obere Auge ist von dem unte- ren durch eine sichtbare Linie scharf genug gesondert. Auch nieren- förmige Augen sind bei den Dipteren häufig (Seiara, Scatopse u. A.). In wie fern diese Doppeläugigkeit bei den Dipteren oder auch sonst schon embryonal angelegt ist, weiß ich nicht, ich möchte aber bei dieser Gelegenheit anführen, dass es die Augen von Chironomus- Larven gewesen sind, die mich auf die Frage über die Verbreitung der Doppelaugen geführt haben. Diese Larven haben zu jeder Seite des Kopfes zwei Ocellen statt eines zusammengesetzten Auges; ich habe ferner eine andere nicht näher bestimmbare Culieidenlarve beobachtet, welche zu jeder Seite des Kopfes zwei zusammengesetzte Augen, ein oberes und ein unteres, besaß, welche von einander durch eine pigmentlose, ziemlich breite Zone gesondert waren. Vielleicht wird es mir später möglich sein, in einem solchen Falle tiefer in die morphologische Bedeutung der Doppelaugen hineinzudringen. Bei den Hemipteren habe ich keine vollständigen Doppelaugen gesehen; nierenförmige Augen kommen hier häufig vor: bei den Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 565 Pentatoma-Arten, bei Aelia, Strachia, Phytocoris ete. Die Aphiden habe ich selbst nicht untersucht, finde aber bei E. Wır- LACzIL! folgende Bemerkung über dieselben: »An den großen zu- sammengesetzten Augen setzen sich drei größere Krystallkegel ab, welche bei den in den Gallen bleibenden Pemphigus-Generationen sich allein erhalten, während bei diesen das übrige Auge verküm- mert.« Es giebt also auch bei denselben eine Art von Doppelaugen, wobei in gewissen Fällen eine Hälfte des Auges verkümmert, ähn- lieh einigen Fällen, die ©. Cuun? von einigen Crustaceen anführt, wie wir später sehen werden. Prof. F. V£3povsky theilt mir mit, dass er bei Lecanium eine schöne Form der Doppelaugen beob- achtet habe; die eine Hälfte des Auges steht hier am Scheitel, die andere am unteren Rande des Kopfes. Unter den Neuropteren hat Myrmeleon halbkugelige, sofern mit der Lupe entschieden werden kann, einfache Augen, während die verwandte Gattung Ascalaphus ungemein schön ausgebildete Doppelaugen besitzt, in so fern hier der obere Theil der großen Augen von dem unteren durch eine tiefe Furche getrennt ist. Diese Furche unterscheidet sich von derjenigen der Squilla dadurch, dass sie viel enger und tiefer ist, und dass bei Ascalaphus beide Augenhälften halbkugelig sind. Die Ähnlichkeit der Augen von Squilla und Ascalaphus ist schon S. Exner? bekannt geworden, er hat aber derselben keine Bedeutung zugeschrieben. Bei den Orthopteren pflegt (im Leben) der obere Theil des Auges anders gefärbt zu sein als der untere, jedoch ohne eine scharfe Grenze; sonst habe ich hier weder vollständige noch theilweise an- sedeutete Doppelaugen gefunden. Interessant sind wieder die Pseudoneuroptera. Einige von ihnen besitzen kugelige einfache Augen, ohne sichtbare Einschnitte oder andere Andeutungen von Verdoppelung; andere wieder (Lestes- Arten) haben den oberen Theil des Auges dunkler gefärbt als den unteren; beide Färbungen sind durch eine scharfe horizontale (etwas gebogene) Linie von einander getrennt; wieder bei anderen (Li- bellula, Corduligaster) hat der obere Theil des Auges größere Facetten und auch innen sind seine Ommatidien anders gebaut als die der unteren Hälfte; auch hier sind die beiden Theile durch eine scharfe Grenze von einander gesondert, ein Einschnitt, oder überhaupt 1 Zool. Anz. 5. Jahrg. 1882, Nr. 110, ?l.c. 566 Em. Raädl, eine Anderung der Krümmung an der Grenze der beiden Hälften ist hier nicht zu beobachten. Bei den Ephemeriden endlich sehen wir die schönsten Doppel- augen, welche das Extrem der Differentiation derselben bei den In- sekten darstellen; bei einigen Arten nämlich (Clo@, Potamanthus) stehen zu jeder Seite des Kopfes zwei von einander vollständig ge- trennte Augen, von welchen das obere anders gebaut ist, als das un- tere (Ö. ZIMMER, 1. c.). Aus der angeführten Übersicht kann man sich eine Vorstellung über die Verbreitung der Doppelaugen bei den Insekten machen. Ich bin völlig überzeugt, dass die Verbreitung derselben hier viel weiter geht, als ich mit meinen beschränkten Mitteln auffinden konnte; das Angeführte reicht aber zu dem Beweise, dass es kaum eine oberfläch- liche biologische Eigenart einiger Gattungen ist, welche zur Erklärung der Doppelaugen der im System weit aus einander stehenden Insekten hinreichen würde; auf der anderen Seite ist es wieder ganz gewiss, dass diese Bildungen einen gemeinsamen Grund doch haben müssen. Ich gehe zu den Crustaceen über. Ihr zusammengesetztes Auge ist ähnlich demjenigen der Insekten gebaut, und ich muss mich viel- leicht nicht besonders entschuldigen, dass ich noch andere gemein- same Züge an denselben entdecken will, als bisher bekannt sind. Bei den Amphipoden sind die Augen gewöhnlich rundlich oder oval, bei einigen Gammarus-Arten von hinten unregelmäßig einge- schnitten; es giebt hier aber auch vollständig in Doppelaugen ge- trennte Sehorgane, wie z. B. bei Amphipelisca! mit zwei punkt- förmigen Augen zu jeder Seite und bei Tessarops!, mit einem größeren oberen und einem kleineren unteren Auge. Am schönsten entwickelt sind die Doppelaugen bei einigen Phronimiden?, wo die Augen ganz ähnlich jenen von Clo& und von Potamanthus gänz- lich von einander getrennt und auch durch den Bau ihrer Ommatidien verschiedenartig ausgebildet sind?®. Die nierenförmige Form der Augen ist keine Seltenheit bei den Amphipoden; die Augen pflegen hier von vorn, von hinten oder beiderseits eingeschnitten zu sein, ! Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. V. 2. Abth. 2 CLAus, Arbeiten aus dem Zool. Inst. Wien. 1879. 3 Nach C. Chun (l. ec.) theilen mit Phronima noch die Gattungen Phro- nimopsis (Claus), Dairella (Bovall.) die Zweitheilung der Augen in »Front-< und »Seitenauge«, wie CHun das obere und das untere Auge nennt. Phronima bildet nach Cuun nur ein Extrem der Differenzirung der Augen, wie sie min- der vollständig bei Paraphronima, Phronimopsis, Hyperiidea recti- cornia (Boy.) vorkommt. Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis etc. 567 2. B. bei Maera orchestiipes (Hell), Amphithonotus malm- sreni (Goes.), Gammarus kietlinskii (Dybow.),, Gammarus neglectus (Lillj.) ete. Auch bei den Isopoden sind nierenförmige Augen keine Sel- tenheit; bei den Arten der Gattung Serolis dringt in die Augen von vorn ein Einschnitt, der sie theilweise in zwei Augen spaltet. Die Augen von Asellus aquaticus lassen, trotz ihrer Einfachheit, vielleicht doch eine doppelte Anlage erkennen. Diese Augen sind nur aus vier Ommatidien zusammengesetzt, von denen drei in den Ecken eines Dreieckes stehen, das vierte aber weiter von demselben sestellt ist. Dieses Auge hat auch einen selbständigen Nerv, indem sich das Nervenbündel, welches aus dem optischen Ganglion ins Auge führt, zuerst in zwei Äste theilt, von denen der eine in das isolirte Ommatidium, der andere unter jetzt folgender Theilung in die übrigen drei Ommatidien eintritt!. Unter den Decapoden gelten halbkugelige Augen als Regel, oft sind dieselben aber von der Seite eingeschnitten. Ich weiß nicht, ob in die Reihe der Doppelaugen diejenige Form der Sehorgane passt, die häufig bei den Brachyuren zu sehen ist und die darin besteht, dass die Augen nicht terminal auf dem Augenstiel ausgebil- det sind, sondern mehr oder weniger auf deren untere Seite be- schränkt sind; ich habe bis jetzt zu wenig vergleichendes Material gesehen, um mir darüber klar zu sein. Überhaupt scheinen die Augen der Decapoden in unserer Sache sehr wenig Mannigfaltigkeit dar- zubieten?. Nur bei den Sergestiden ist etwas den Doppelaugen Ähnliches von CHuun beobachtet worden, worüber weiter unten. Sehr interessante Doppelaugen sind bei den Schizopoden von 0. Cuun? beschrieben worden. Ich entnehme seiner Beschreibung folgende Daten. Bei Thysano&össa und Nematoscelis theilt eine tingförmige Einschnürung das Auge in einen kleineren oberen und in einen umfänglicheren unteren Abschnitt. »Das Auge erlangt also eine ungefähre Ähnlichkeit mit demjenigen einiger Libellen (Cor- dulegaster u. A.)<. »Der obere Abschnitt des Facettenauges wird bei normaler Haltung des Thieres schräg nach vorn oder direkt nach oben gewendet.... Ihr Extrem erreicht die Zweitheilung des Auges 1 G. 0. Sars, Hist. natur. des Crustac&s d’eau douce de Norvege. 1867. 2 Zu meiner großen Überraschung habe ich neuerdings schöne Doppelaugen bei Palaemon gefunden. Der obere Theil des Auges ist hier als kleiner schwarzer Punkt, aus etwa 20 Ommatidien bestehend, auf der Oberseite des Augenstieles entwickelt. 3 C. CHun, Atlantis. 1896. 568 Em. Rädl, bei der Gattung Stylocheiron, dessen oberer Abschnitt wie ein Te- leskop über die seitlichen und unteren Partien vorgeschoben erscheint. Die Gliederung des Auges in zwei Abschnitte steht hier keinesfalls in Korrelation mit dem Auftreten der Leuchtorgane; denn die Mysi- deen, welche ja im Gegensatz zu den Euphausiden der Leuchtorgane entbehren, lassen bei einigen Gattungen eine ganz analoge Umbildung der Kugelform des Facettenauges erkennen. G. O. Sars! bildet sie kenntlich von der Gattung Euchaetomera ab, und ich finde sie auch bei Brutomysis ähnlich gestaltet. Auch die Gattung Cae- saromysis besitzt nach der Darstellung von ORTMANN? ein zwei- setheiltes Auge.< Überall hat Cuuw einen Längenunterschied der Ommatidien der oberen und der unteren Augenhälfte konstatirt; die oberen sind immer die längeren. »Bei Arachnomysis (Chun) end- lich ist das Seitenauge vollständig verschwunden und lediglich das Frontauge hat eine mächtige Ausbildung erfahren. « Ich werde weiter unten darauf eingehen, welche Bedeutung CHun den eben erwähnten Doppelaugen zuschreibt; schon jetzt bemerke ich aber, dass Cuun’s Beschreibung der Doppelaugen von Thysa- no&össa und Nematoscelis vollständig dem entspricht, was von der Oberfläche auf dem Augenstiele von Squilla zu beobachten ist, ausgenommen etwa das Größenverhältnis der beiden Augenhälften. CHun hat in derselben Abhandlung auch die Augen mehrerer Sergestiden beschrieben. Es »zeigt schon ein Blick auf die der Monographie von KROYER? beigegebenen Abbildungen, dass sie häu- fig von der Kugelform abweichen. Kuglig gestaltete Augen.... schei- nen sogar seltener vorzukommen als eiförmig gebildete«. Der obere Pol der eiförmigen Sergestidenaugen ist zugespitzt und nach oben oder nach oben und vorn gerichtet. CHun giebt eine Abbildung von dem Sergestidenauge, woraus hervorgeht, dass die oberen Ommatidien viel länger als die unteren sind (die dorsalen sind siebenmal so lang wie die ventralen. Aber abweichend von den Schizopoden gehen hier die verlängerten Ommatidien ganz allmählich in die verkürzten über. Unter den niederen Crustaceen kommen auch sehr häufig Doppel- augen vor. Aus der Familie der Cladoceren weist wieder ©. CHUN !G. O0. Sars, The Voyage of H. M. S. Challenger Report on the Schizo- poda. Vol. VII. 1885. 2 A. ORTMANN, Decapoden und Schizopoden der Plankton-Expedition. Kiel und Leipzig 1893. 3 H. KrovEr, Forsog till en monographisk Fremstilling of Kraebsdyr- slaegten Sergestes in Kong. Danske Videnskab. Selsk. Skrifter. Bd. IV. 1859. p. 219— 303. Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 569 Fälle von vollständiger, wie auch von nur angedeuteter Doppel- äugigkeit auf; jene bei Bythotrephes longimanus (ein Front- und ein Ventralauge), diese bei Leptodora, wo die dorsalen Fa- cettenglieder verlängert sind. Ein vollständiges Doppelauge soll ferner bei Polyphemus und Podon vorhanden sein. Aus ©. CHuun’s Institut ist eine Arbeit von ©. MitTrz ! erschienen, wo die zuletzt genannten Gattungen der Polyphemiden an die histologischen Ver- hältnisse ihrer Augen gründlicher geprüft werden. Mehr oder we- niger vollständige Doppelaugen werden von MıLTrz angeführt bei: Po- Iyphemus, Podon, Evadne, Leptodora, Bythotrephes, also bei allen Gattungen der Polyphemiden. Auch OÖ. MiınTtz sucht diese Ausenform nach Chuun’s Beispiel biologisch zu erklären. Auch die Phyllopoda Branchiopoda weisen einen Repräsen- tanten der doppeläugigen Formen auf und zwar Apus cancriformis. Die Augen sind hier nierenförmig; parallel zur Längsachse des Kör- pers durchschnitten, zeigen dieselben die Verdoppelung in der Weise, dass die vordere Hälfte des Auges höher steht als die hintere und auch die zu der einen und zu der anderen führenden Nerven sind gut genug von einander geschieden. Der äußere nierenförmige Ein- schnitt deutet hier also ganz bestimmt auf die innere Verdoppelung der Augen ?. Ich wage es, noch weiter zu gehen und auf die Innervation der Augen von Limulus? hinzuweisen. Der Augennerv theilt sich, nach- dem er sich von der horizontalen Richtung nach oben gebogen hat, zuerst in zwei Äste (einen dorsalen und einen ventralen); jeder derselben innervirt eine Gruppe der hier bekanntlich eigenartig ge- bauten Ommatidien, indem er sich vor denselben in mehrere Äste weiter zersplittert. Diese Theilungen des Augennerven würde man unter anderen Umständen gewiss als eine sehr nebensächliche Er- scheinung betrachten, aber sie darf hier nicht verschwiegen werden, da sie im Zusammenhange mit den übrigen Thatsachen von Wichtig- ‘ keit sein kann. | | Ich möchte hier noch aus anderen Gebieten Thatsachen anführen, die wohl in die Reihe der Doppelaugen passen würden, ich fürchte 1 0. Mınrz, Das Auge der Polyphemiden. Zoologiea. 1899. ? Ich selbst habe nur einige Exemplare von Apus produetus zur Hand, und auf denselben sind die Verhältnisse, die Nierenform der Augen ausgenom- men, nicht so deutlich wie bei der oben genannten Art. Die Abbildung des Auges von Apus cancriformis steht in BRonn’s Klassen und Ordnungen. Crusta- eea. V.: Taf. XXX, Fig. 11 u. 12. ® BRonNs Klassen und Ordn. des Thierreichs. Crustacea. Va. p. 1097 £. 570 | Em. Rädl, aber, dass ich schon jetzt bei Vielen den Gedanken erweckt habe, »zu viel beweisen zu wollen«; und wer viel beweist, nichts beweist — es soll also den Beispielen ein Ende gemacht werden. Wir sehen aus dem Angeführten, und ich zweifle nicht, dass sich die Beispiele der Doppelaugen am größeren Material verdoppeln wer- den, dass die Doppelaugen — in ihrer vollendeten Ausbildung — bei den verschiedensten Arthropodentypen erscheinen. Wir haben gesehen, dass es bei den mannigfaltigsten Gattungen Augen giebt, die in zwei Theile zerfallen, wobei die Theilung im Speciellen auf verschiedene Weise vor sich geht (Leisten, Einkerbungen, verschie- den ausgebildete Ommatidien, Einschnürungen ete.), woraus zu folgern ist, dass nicht die Art der Theilung, sondern die Theilung als solche die Hauptrolle spielt. Wir haben ferner gesehen, dass die Theilungs- ebene in jedem der sehr vielen und verschiedenartigen Fälle hori- zontal liegt, so dass immer ein oberes und ein unteres Auge entsteht. Von den vollständig ausgebildeten Doppelaugen führen aber ganz allmähliche und ununterbrochene Übergänge zu solchen, wo die Ver- doppelung des Auges nur mehr oder weniger angedeutet ist, und die Reihe solcher unvollständiger Doppelaugen ist so groß, dass diesel- ben nicht nur als Artcharaktere, sondern auch als Familiencharaktere in den Bestimmungstabellen angeführt werden. Betrachten wir also jetzt ein wenig die Theorien, welche die Doppelaugen zu erklären gesucht haben. Zuerst muss es überraschen, dass keiner von den heute schon so zahlreichen Beobachtern durch das Vorkommen der Doppelaugen bei den verschiedensten Arthro- podengruppen stutzig gemacht wurde und ein jeder sich gemüthlich nur in die Erklärung von vereinzelten Fällen einließ; und doch muss es auch bei der einseitigen physiologischen Betrachtung der Sache als unbegreiflich erscheinen, dass man bei den Dipteren, Pseudo- neuropteren und Crustaceen durch doch nur äußerlich ähnliche bio- logische Bedingungen Umwandlungen des Auges sieht, welche nicht nur ähnlich, sondern fast identisch, was ihren Bau betrifft, sind; ich lasse dabei ganz außer Acht Fälle wie die Ephemeriden, bei denen die Entstehung der Doppelaugen sich nur künstlich mit der- Jenigen bei anderen Arthropoden in Übereinstimmung bringen lässt. Überraschend ist zweitens, dass alle Beobachter die Doppelaugen nur biologisch zu erklären versucht haben und das Morphologische ganz außer Acht gelassen haben, Notabene, nicht auf Grund physiologi- scher Experimente, sondern auf Grund anatomischer Zergliederung. Von den Autoren sind nur die Dipteren, Phronimiden, Unters. über den Bau des Tractus optieus von Squilla mantis ete. 571 Euphausiden, Sergestiden, Polyphemiden und Ephemeriden in die Erklärung einbezogen worden. Alle Beobachter nun (NOTT- HAFT, S. ExnER, C. CHun, KELLoG, O. Miıtrz) nehmen an, dass die Doppelaugen nur bei den Raubinsekten, respektive Rauberu- staceen vorkommen. Ausführlicher hat ©. CHuun diesen Gedanken entwickelt und zwar wie folgt. Bei den von ihm untersuchten Cru- staceen (ich habe dieselben oben angeführt), sofern sie Doppelaugen besitzen, besitzt immer das Scheitelauge (so nennt er den oberen Augenabschnitt) bedeutend längere Ommatidien als das Seitenauge (oder noch besser Ventralauge, wie der untere Augenabschnitt von OÖ. Mırrz benannt worden ist); dadurch wird der Krümmungsradius für das Scheitelauge größer als der für das Ventralauge; dadurch ist wieder das Scheitelauge zwar minder fähig geworden die Formen der Objekte zu erkennen, beobachtet aber jetzt besser die Bewegungen der Objekte und zwar auch bei einer sehr spärlichen Belichtung. Da- durch ist der ganze Augenapparat ungemein fähig, den Tiefseeformen bei dem Erhaschen ihrer lebendigen Beute zu dienen. Durch diese Theorie, gegen welche ich nichts einzuwenden habe, ist also eine Beziehung zwischen der Lebensart des Thieres und dem Bau seines Organismus angegeben; es entsteht aber jetzt die Frage, in wie fern diese Erklärung der Doppelaugen auf alle Fälle auch angewendet werden kann; ist dem nicht so, so fällt augenscheinlich der Werth der Theorie von Cuun als Erklärungsprineip für das Wesen der Doppeläugigkeit; denn haben die verschiedenen Doppelaugen ver- schiedene physiologische oder biologische Rollen zu spielen, so kann dieselbe selbstverständlich schon aus diesem Grunde nicht als ihr Er- klärungsprineip gelten. Die Doppelaugen von Squilla mantis, obwohl an ihrer Ana- logie mit den von Cuun beschriebenen Doppelaugen kaum gezweifelt werden kann, haben nicht die Rolle, welche für dieselben CHun postuliren würde. Während bei den Frontaugen der Euphausiden die Facettenglieder zwei- bis dreimal so lang sind als die des Ven- tralauges, ist dieser Unterschied bei Squilla sehr unbedeutend. Ich lasse hier die Verhältniszahlen für die Ommatidienlänge auf einem Vertikalschnitte folgen: (oben) 23, 27, 31, 31,5, 33, 36,5, 36, 39 (Scheitel der oberen Augenhälfte), 39, 42, 42, 45, 46, 47,5, 47,5, 49, 47, 47,5, 46, 48, 47, 47, 46,5, 45,5, 47, 46 (Grenze der beiden Augenhälften), 44, 48, 47, 45, 44, 44, 43, 42, 41, 39,5, 39, 38, 38, 35, 30, 27, 25, 24, 19 (unten); worauf noch einige rudimentäre nicht mehr messbare Ommatidien folgen. Obwohl also die untere Augen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV]1. Bd. ? 38 572 Em. Rädl, hälfte ein wenig kürzere Ommatidien aufweist als die obere, so ist doch dieser Unterschied augenscheinlich zu klein, um im Sinne CHux’s ausgenützt werden zu können. Wohl sieht man einen starken Längen- unterschied der Ommatidien, welche am Rande, und derer, welche in der Mitte des Auges liegen, aber diesen zu erklären bildet eine Frage für sich; denn dieser Unterschied ist nicht für die Doppel- augen charakteristisch, sondern er kommt auch in den einfachen Augen vor, und ist, wie ich nach erweiterten Untersuchungen er- kannt habe, fast allgemein in den zusammengesetzten Augen vor- handen!. Das Frontauge von Squilla ist auch in anderen Eigen- schaften, die CHun für dasselbe als charakteristisch anführt, nicht von dem Ventralauge verschieden. Es fehlt dort nicht das Pigment, die Krystallkegel sind ganz normal ete., wie es schon EXNER in seiner oft eitirten Monographie gezeichnet hat (Taf. IH, Fig. 22). Endlich ist Squilla kein Tiefenbewohner. Die physiologische Erklärung, welche CHun für die Doppelaugen von den Euphausiden, Sergestiden und Polyphemiden giebt, passt nicht auf Squilla, und doch ist gar nicht zu zweifeln, dass das Squilla-Auge ein Doppelauge ist. Es ist also klar, dass das Doppelauge von Squilla physiologisch ganz anders thätig ist, als die Doppelaugen der von Cuun angeführten Arten. Thatsächlich hat auch Exner für die Squilla-Augen eine ganz specifische physiologische Erklärung angeführt; ich habe von derselben gleich am Anfange gesprochen. Die Analogie der Augenform von Squilla und der von CHuN beschriebenen Formen ist zu augenscheinlich, um verneint werden zu können; die Verschiedenheit der Funktion bei der Einförmigkeit des Baues ist hier sehr überraschend; wenn wir aber einmal die Squilla-Augen als Doppelaugen betrachten, dann ist es uns leicht auch andere Doppelaugen als solche anzuerkennen, trotzdem bei den- selben gar nicht an eine gemeinsame physiologische Funktion ge- dacht werden kann (Aphiden, Ascalaphus, Tessarops u. A.). Wenn aber keine physiologische Funktion aufzufinden ist, welche so heterogene Gebilde, wie alle die von mir angeführten Doppelaugen, erklären würde, so folgt, dass die Ursache der Doppeläugigkeit nur morphologischer Natur ist. Ich behaupte also, dass es in den mor- phologischen Verhältnissen des zusammengesetzten Auges oder der ! Ich habe auf denselben, ohne noch von Cuunx’s Abhandlung zu wissen, in meiner Arbeit »Über den Bau und die Bedeutung der Nervenkreuzungen ete.< hingewiesen. Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete.. 573 Organe, mit denen es in Korrelation steht, liegt, dass es eine Nei- gung zu der Theilung in ein Front- und ein Ventralauge zeigt. Ich bitte zu beachten, dass ich keineswegs den von CGHun be- schriebenen Augenformen die Bedeutung abspreche, die er ihnen zuschreibt; es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass er auf die wahre physiologische Bedeutung jener Augenformen gefallen ist. Aber man lässt sich leider gewöhnlich durch evolutionistisches Theoretisiren dazu verleiten, dass man zwischen einer morphologischen und einer physiologischen Erklärung gar keinen Unterschied macht. Ich möchte in dieser Abhandlung allen allgemeinen Theorien aus dem Wege sehen, muss aber trotzdem auf den allgemein vernachlässigten Un- terschied zwischen diesen beiden Arten von Erklärungen hinweisen. C. Cuun sast (in der betreffenden Abhandlung) zum Beispiel: »Bau und Leistung eines Organs verhalten sich wie die Glieder einer Gleichung, welche beide nur eine äquivalente Änderung zulassen, wenn sie Gültigkeit behalten soll« (pag. 248). Ich stimme dieser seiner Meinung: völlig bei und halte sie auch für a priori richtig, be- greife aber trotzdem nicht, wie daraus CHun seine Konsequenzen ziehen kann. Für mich wird durch jenen Satz nur dies ausgesagt: Zwischen dem Bau und der Funktion eines Organs besteht ein der- artiger Zusammenhang, dass zu jeder Art des Baues eine ganz be- stimmte Art der Funktion gehört und umgekehrt, zu jeder Funktion ein ganz bestimmter Bau; man beachte diese a priori gewisse That- sache, dass der Satz von der Korrelation zwischen dem Bau und der Funktion auch umgekehrt werden kann! Man beachte aber ferner, dass durch unseren Satz gar nichts ausgesagt wird über die Art die- ser Korrelation; namentlich kann gar nicht angenommen werden, dass eine bestimmte Quantität der morphologischen Veränderung — wenn ich mich so ausdrücken darf — mit einer eben so großen Quantität der physiologischen verbunden wäre, denn das Maß der Funktion und also auch ihrer Änderung ist ein ganz anderes als das der Struktur. 1 Stellen wir uns unseren speciellen Fall vor: CHun weist auf die Funktion der Doppelaugen, zeigt, dass dieselbe für die Tiefen- bewohner des Meeres von großem Nutzen ist; er hat also das physio- logische Äquivalent zu dem morphologischen Bau der Augen dieser Thiere gefunden; nun aber glaubt er, dass sich der Bau der Augen so umgewandelt hat, damit er jener seiner Funktion gerecht werden kann, und damit glaubt er, dass er die morphologische Seite des Problems erklärt hat. Dass aber eine solche Erklärung gar keine 38* 574 | Em. Rädl, Erklärung ist, geht daraus hervor, dass man dieselbe umkehren kann, und dass sie dann eben so »richtig« ist. Cmun’s Erklärung würde etwa heißen: Zuerst lebten die Tiefseebewohner auf der Oberfläche des Meeres und besaßen normale kugelige Augen; durch eigenthüm- liche Verhältnisse der Umgebung waren sie genöthigt immer tiefere Schiehten des Meeres für ihren Aufenthalt zu wählen, je tiefer sie aber kamen, desto mehr hat sich ihr Auge der dunklen Umgebung angepasst, bis sie in das vollendete etwa Phronima-Doppelauge um- gewandelt worden ist — denn auf dem ganzen Wege der Wanderung in die Tiefe musste das Auge seiner Funktion und eo ipso seiner Umgebung völlig angepasst sein. Man kann aber ganz gut den um- sekehrten Weg gehen: Es haben sich die kugeligen Augen allmäh- lich in die Doppelaugen umgewandelt, und je mehr sie sich der idealen Form des Phronima-Auges näherten, desto mehr waren ihre Träger genöthigt, tiefere Meeresschichten für ihren Aufenthalt zu wählen — denn auch diesmal muss die Äquivalenz zwischen der Funktion und dem Bau erhalten werden. Man sieht, dass beide »Erklärungen«, die CHuun’s wie die meinige, nichts als ein entwickel- ter Ausdruck der a priori gewissen Thatsache der Korrelation zwi- schen dem Bau und der Funktion eines Organs sind. Die erste oder die zweite »Erklärung« würde erst dann etwas erklären, wenn wir thatsächlich wissen würden, woher die Initiative der Veränderung herkommt, was aber, wie in den meisten Fällen, so in unserem spe- ciellen die Doppelaugen betreffend, ganz und gar unbekannt ist. Ich bin auf diese Erörterung nur desshalb eingegangen, damit Jedem klar sei, dass die Doppelaugen morphologisch erklärt werden müssen. Wenn aber schon ein Doppelauge, einzeln betrachtet, ein interessantes morphologisches Froblem bietet, so muss die Wichtig- keit desselben viel größer erscheinen, wenn man die große Verbrei- tung der Doppelaugen betrachtet; es weist diese Thatsache darauf hin, dass der Grund der Doppeläugigkeit tief in der Morphologie, sei es des Auges, sei es des Kopfes überhaupt, wurzelt. Man möchte vielleicht an eine derartige Theilung des Auges denken, wie sie oft 2. B. bei den Planarien vorkommt, wobei selbstverständlich das zu- sammengesetzte Auge als ein einheitliches Gebilde betrachtet würde, welches in toto getheilt werden kann; ich glaube aber, dass diese Analogie hier kaum passen wird; ohne daran zu denken, dass die Verdoppelung des Auges bei den Planarien individuell vorkommt, bei den Arthropoden aber als Art-, Gattung-, ja Familiencharakter gilt, so muss doch als ungemein interessant betrachtet werden, dass die Zwei- Unters. über den Bau des Tractus optieus von Squilla mantis ete. 575 theilung des Auges immer nur m einer Richtung erfolgt, so dass immer ein Front- und ein Ventralauge (in der Nomenklatur Cuun’s) entsteht, und dass ferner nicht mehrfach getheilte Augen vorkommen, wie es bei den Planarien der Fall ist, und endlich, dass die Zwei- theilung des Arthropodenauges auf verschiedene Weise zu Stande gebracht werden kann. Ich kenne den Grund der Verdoppelung bisher nicht; es scheint mir zwar, dass ich wenigstens die Richtung gefunden habe, in der die Antwort zu suchen ist, werde sie aber hier nicht anführen, da ich gewiss bin, dass sie, ohne genug begründet zu sein, die Meisten auf den Gedanken führen könnte, dass mir die Elementarbegriffe aus der Morphologie des Kopfes der Arthropoden unbekannt sind. Das Resultat der obigen Erörterungen ist, dass die horizontale Einschnürung in den Augen von Squilla eine sehr häufig unter den zusammengesetzten Augen der gesammten Arthropoden vorkommende Erscheinung darstellt, woraus auf einen sehr wichtigen Grund der- selben zu schließen ist. In wie fern sie in speciellen Fällen von physiologischer Bedeutung ist, bleibt dahingestellt und muss in jedem Falle besonders untersucht werden!. Il. Der Bau der Ommatidien im Auge von Squilla. In der Beschreibung der Ommatidien — den nervösen Theil der- selben ausgenommen — werde ich mich kurz fassen. Die Omma- tidien sind radial angeordnet, und zwar ist der vertikale Krümmungs- halbmesser für jede Hälfte des Auges viel größer als der horizontale; auffällig ist, dass die Basalmembran des Auges viel flacher ist als die Corneakrümmung; diese Erscheinung muss damit verbunden sein, dass die randständigen Ommatidien kürzer sind als die mittleren. Ich habe auf den Unterschied in der Länge der Ommatidien schon in meiner früheren Arbeit bei anderen Arten hingewiesen und kann diesmal nichts mehr als ihn auch für Squilla zu bestätigen; es ist möglich, dass dieser Längenunterschied der Ommatidien nur mit der verschiedenen Krümmung der beiden Grenzen des Auges (Cornea und Basalmembran) zusammenhängt; die Bedeutung dieses Längenunter- schiedes und der Krümmung der Augen überhaupt werde ich hoffent- lieh in einer besonderen Abhandlung untersuchen. In der Ebene der Einschnürung des Auges giebt es bei Squilla keine Ommatidien; die beiderseitigen sind gegen diese Ebene geneigt, ungefähr unter 1 Dabei habe ich die entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen der Einfach- heit wegen außer Acht gelassen. 576 Em. Rädl, 15°. Durch diese Neigung muss in der Mitte zwischen den angrenzen- den Corneen eine Lücke entstehen; diese wird durch ein dreieckiges keilförmiges Stück der Corneasubstanz ausgefüllt. CHun beschreibt bei den Formen mit Doppelaugen Rhabdome, deren Krystallkegel und Corneen rückgebildet sind; bei Squilla ist nichts Derartiges vorhan- den; alle Ommatidien, sofern ich gesehen habe, sind vollständig ent- wickelt; nur die ganz randständigen sind klein und offenbar außer Funktion. Einen bemerkbaren Unterschied zwischen den Ommatidien der oberen und der unteren Augenabtheilung habe ich nicht beob- achtet; die Zahl derselben scheint im Allgemeinen in der unteren Hälfte etwas kleiner zu sein als in der oberen. Die Cornea der Ommatidien ist nach außen sehr wenig, nach innen gar nicht gewölbt und sehr deutlich geschichtet, wie es für die Crustaceen als gewöhnlich gilt; auffallend ist, dass die Cornea oft nicht in gerader Verlängerung der Achse des Facettengliedes steht, sondern etwas schief gegen dieselbe geneigt ist. Sie färbt sich nicht vollständig homogen, sondern die Ränder derselben sind dunkler ge- färbt als die Mitte; es ist möglich, dass dies mit der von S. ExNER angeführten Beobachtung zusammenhängt, dass die Dichte in der Mitte der Cornea größer ist als an den Rändern. Der Krystallkegel ist ziemlich kurz, aus vier Zellen gebildet, deren Kerne oft noch als zwei dunklere Flecke zu den Seiten des Krystallkegels beobachtet werden können; die Grenzen der einzelnen Theile eines Krystallkegels sind sehr deutlich und ziehen auf einem Längsschnitte durch denselben als zwei dünne Fäden durch seine ganze Länge. Proximal verengen sich die Krystallkegel kegelförmig, ihr Ende ist aber nicht spitzig, sondern erweitert sich in eine kugel- förmige Anschwellung, welche auf dem viereckigen Rhabdom sitzt, an den Seiten aber von dem Iristapetum und den Retinulazellen so bedeckt ist, dass die Anschwellung auf etwas dieken Schnitten gar nicht beobachtet werden kann. Es wäre interessant die physio- logische Rolle dieser Anschwellung zu untersuchen; vielleicht werde ich ein anderes Mal darauf näher eingehen. Das Rhabdom ist gewöhnlich gerade, oft aber mehr oder weni- ger gebogen, oft auch stark wellenförmig gekrümmt, ohne dass ich dessen Ursache angeben kann. Es ist aus zweierlei Substanzen auf- gebaut: in seiner Mitte zieht eine dichtere Achse (Fig. 8), welche sich sehr dunkel färbt und von derselben laufen zu den Seiten mehr oder weniger dünne Fäden, so dass sie auf dem Querschnitte radien- artig angeordnet erscheinen; zwischen diesen Fäden liegt die nicht Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete. 577 färbbare homogene Substanz, in der aber bei darauf gerichteter Auf- merksamkeit noch dünnere Fäden zu sehen sind, welche wohl auch als Wände einer Alveolarstruktur betrachtet werden könnten. Auf den Längsschnitten tritt die Plättchenstruktur des Rhabdoms deut- lich hervor, obwohl sie sehr leicht bei unvollkommener Konservirung verwischt werden kann. H. PARKER! hat unlängst sehr dünne Nerven- fibrillen aus der Retinulazelle in das Rhabdom eintreten sehen; ich habe dieselben umsonst gesucht, denn gewöhnlich ist das Rhabdom, wie die Fig. 9 zeigt, von einer dicken Lage von Pigment umgeben, so dass alle Details der Verbindung desselben mit den Retinulazellen unsichtbar werden. Ich halte es aber auch nicht für wahrscheinlich, dass wenigstens aus der ganzen Länge des Rhabdoms Nervenfibrillen in die Retinulazelle eindringen würden, worauf ich noch weiter unten hinweisen werde. Das Rhabdom steckt distal in der Anschwellung des Krystallkegels und reicht proximal verschieden weit gegen die Basalmembran, niemals aber so weit, dass es dieselbe erreiche. An seinem proximalen Ende ist es sehr verdünnt und endet blind. Das Pigment ist an zweierlei Zellen gebunden; zuerst an be- sondere Zellen, welche zwischen den Retinulen liegen, mit dem dista- len Ende eine Schicht in der Höhe der Krystallkegelanschwellungen bildend und mit den proximalen an die Basalmembran des Auges reichend. Ihr Pigment ist fast schwarz und widersteht sehr ener- sisch den Depigmentirungsmitteln. An ihren distalen Enden scheiden diese Pigmentzellen ein anderes braun gefärbtes Pigment, welches in unregelmäßigen Schollen das hier sehr dicke lristapetum Exnkr’s bilden, welches auf diese Weise eine zusammenhängende Schicht in der Höhe der verdünnten proximalen Enden der Krystallkegel bildet, so dass ihre kugelförmige Anschwellung schon unter der Tapetumschicht liest. Es können also die Lichtstrahlen zu den Rhabdomen nur durch enge Öffnungen des Tapetum, eben nur durch die Kıystall- kegel hindurchdringen, wodurch nur ein Appositionsbild im Sinne Exner’s entstehen kann; es besteht darin kein Unterschied zwischen dem oberen und dem unteren Augentheile. Ähnliche Schollen, wie die des Iristapetum, finden sich auch proximal von der Basalmem- bran, am ersten Ganglion, und auch zu beiden Seiten derselben; ob es auch dort irgend eine physiologische Rolle spielt, ist sehr fraglich. Es ist wahrscheinlich, dass es dort dieselbe Bedeutung hat wie das Pigment, welches so oft in den nervösen Centralorganen vorkommt. ! Mitth. aus der Zool. Station Neapel 1898. 578 Em. Rädl, Die anderen Pigmentzellen des Auges sind die Retinulazellen; das Pigment ist in denselben als schwarze, sehr kleine Kügelchen enthalten, namentlich am distalen Ende; proximal steht es oft in langen Reihen, das Rhabdom von allen Seiten umschließend. Ill. Bau der Retinulazellen. Jede Retinula besteht aus sieben Zellen, welche an den Quer- durehsehnitten radienartig um das viereckige Rhabdom angeordnet sind (Fig. 9). Die Grenzen der einen Zelle gegen die andere sind oft, namentlich in dem distalen breiteren Ende, verschwommen, wie es auch an der Abbildung der Fall ist. Auf dem Längsschnitte sind die Zellen keulenförmig, mit dem Ende die kugelige Erweiterung des Krystallkegels von allen Seiten umschließend, nach unten sich zuerst allmählieh, dann schneller verengend, bis sie — ungefähr in der Hälfte der Länge zwischen dem Conus und der Basalmembran — sich so verdünnen, dass ihr Protoplasma bei kleinen Vergröße- rungen kaum zu sehen ist, bei geeigneter Vergrößerung aber bis an die Basalmembran verfolgt werden kann. Das Protoplasma der Re- tinulazellen ist ungemein stark alveolär, und zwar sind die Alveo- len am distalen Ende größer als proximal, wo sie sich immer mehr und mehr verfeinern. Der Inhalt der Alveolen färbt sich mit Häma- toxylin fast gar nicht, die Wände nur schwach; nur dort, wo mehrere Alveolen an einander grenzen, wo also eine größere Masse der interalveolären Substanz liegt, ist die Färbung dunkler. Überall sind in den Ecken der Alveolen kleine Pigmentkörper zerstreut. Der Kern der Zelle liegt nicht immer auf derselben Stelle, ist aber ge- wöhnlich nicht weit vom oberen grob alveolären Ende entfernt. In diesem Ende selbst habe ich den Kern nie beobachtet. Der Kern färbt sich sehr deutlich, besitzt mehrere dem Chromatingerüst aufge- hängte Chromatinkörperchen. Um den Kern ist eine etwas hellere Zone vorhanden, in welcher das Protoplasma eine ungemein feine alveoläre Struktur zeigt. In jede Retinulazelle tritt eine Nervenfaser ein, so dass die ganze Retinula in die optischen Centra sieben Nervenfasern sendet. O. MiıLTz beschreibt in seiner Abhandlung über das Polyphemidenauge! den interessanten Fall, dass bei dem Doppelauge mancher Polyphemiden die Nervenfaser in die Retinula von der Seite derselben eindringt. Bei Squilla ist für eine derartige Anomalie keine Gelegenheit ge- 171,263 ! Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis etc. 579 geben; die Nervenfasern dringen durch die Basalmembran hindurch und es ist oft zu beobachten, dass an der Öffnung der Basalmembran sich der Durchmesser der Nervenfaser ein wenig vergrößert, viel- leicht darum, dass die Nervenfasern fest mit den Wänden der Basal- membran verbunden sind; weiter distalwärts nehmen sie wieder ihren normalen Durchmesser an. Bei geringen Vergrößerungen scheint es, dass die Nervenfasern nicht gleich hinter der Basalmembran in die Retinulazellen eindringen, sondern man möchte glauben, dass die Nervenfasern hier noch eine Zeit lang frei verlaufen, und erst etwa dort in die Retinulazelle dringen, wo sie keulenförmig anzuschwellen beginnt; es kommt das daher, dass die Nervenfasern sehr dunkel, das Protoplasma der Zelle aber sehr hell gefärbt ist, wodurch das letztere dem Auge des Beobachters leicht entgeht. Über den Verlauf der Nervenfaser in der Retinulazelle, glaube ich, hat sich noch Niemand bestimmt geäußert, trotzdem sich sehr Viele mit dem Problem beschäftigt haben. Das Interesse der Autoren war zuerst auf die Anzahl der Nervenfasern gerichtet, welche an ein Ommatidium kommen und diese Frage kann als definitiv gelöst betrachtet werden, denn es haben sich VIALLAnES!, PARKER? und Mıtrz3 und auch ich‘ Alle in dem Sinne geäußert, dass aus jeder Retinulazelle eine Nervenfaser heraustritt, dass also aus einem Om- matidium sieben Fasern in die optischen Ganglia führen. Es bleibt aber dabei noch eine Frage ungelöst: Wie verhält sich die Retinula- zelle zu der Nervenfaser? Soll die Nervenfaser als ihr Fortsatz betrachtet werden, also in gewissem Sinne als Neurit, wie es für manche Sinneszellen behauptet wurde und wie es auch PArkER an- zunehmen scheint, oder bildet sie ein besonderes »Sinnesepithel«, dessen Zellen von den Dendriten der mehr centralwärts gelegenen Zellen umsponnen werden, wie es z. B. von einem Riechepithel ete. behauptet wird? Weder das Eine noch das Andere ist der Fall. Die - grob alveoläre Struktur der Retinulazellen von Squilla (Fig. 5) lässt den Verlauf der Nervenfasern auch in ihrem Inneren sehr gut ver- folgen, wenigstens in ihrem proximalen Theile, wo das Pigment we- niger angehäuft ist. Die Nervenfaser dringt, so wie sie ist, in die Zelle hinein und läuft durch dieselbe gerade nach oben, biegt um den Kern, dort aber verdünnt sie sich auf einmal und verschwindet 1 Ann. d. seiences naturelles. T. XIV. 1892, 2 Mitth. Zool. Station Neapel. 1897, 31]. €; le. 580 u Em. Rädl, bald den Augen unter dem hier angehäuften Pigmente. Die Umrisse der Nervenfaser sind sehr deutlich, denn sie färbt sich (Hämatoxylin DELAFIELD’s) sehr intensiv blau; es muss aber desto mehr ihr Ver- schwinden hinter dem Kern überraschen ; ich habe zwar in einem Falle sesehen, dass aus derselben dort drei dünne Fibrillen noch mehr distalwärts liefen, es konnten aber auch die Wände der Alveolen sein, die hier oft die Fibrillen vortäuschen. In den Nervenfasern sind bei starken Vergrößerungen deutlich noch einige Fibrillen zu unter- scheiden, tiefblau gefärbt; ich habe deren vier bis fünf gezählt. Ob- wohl sie manchmal sehr deutlich, namentlich in dem proximalen Theile der Retinulazelle hervortreten, so habe ich doch niemals gesehen, dass sie etwa aus dem Verbande der Nervenfaser heraustreten und in das Rhabdom hineingelangen würden; auch ist die Nervenfaser nicht be- sonders dem Rhabdome genähert, sondern hält sich ungefähr in der Mitte der Zelle. Noch besser als bei Squilla tritt dies auf den Querschnitten durch die Retinula von Homarus hervor (Fig. 10). Hier ist das Rhabdom in seinem distalen Theile auch viereckig, proximal aber sieht es auf den Querschnitten sternförmig aus, augenscheinlich desshalb, weil die Retinulazellen die Rhabdomsubstanz nicht nur in der Achse, wo sich alle berühren, bilden, sondern auch auf den Grenzen zwischen je zwei angrenzenden Zellen. Der Raum zwischen den Lamellen des Rhabdoms ist dann selbstverständlich von den Reti- nulazellen ausgefüllt. Auf den Querschnitten sieht man nun, dass die Nervenfaser hier gerade die Mitte der Retinulazelle einnimmt und weder gegen die eine, noch die andere Lamelle, noch gegen die Achse des Rhabdoms sich auffällig nähert, was doch wahrscheinlich sein würde, wenn die Fibrillen derselben in das Rhabdom hineindringen würden. Es ist mir also nicht gelungen, die Beobachtung PARKER’sS (bei Astacus) bei Squilla und Homarus zu bestätigen. Mit den stärksten Vergrößerungen sehe ich an der Nervenfaser (Fig. 11), welche durch die Retinulazelle läuft, dass sie aus drei Ele- menten besteht; zuerst ist die homogene Grundsubstanz, welche sich leicht färbt und welche das darstellt, was man gewöhnlich als eine Nervenfaser betrachtet. In der Grundsubstanz laufen sehr dünne, dunkelgefärbte Nervenfibrillen, welche ich schon oben erwähnt habe; es ist mir nur mit dem DELAFIELD’schen Hämatoxylin gelungen, dieselben sichtbar zu machen, das ich aber länger als gewöhnlich wirken lasse, etwa so lange, bis die Zellkerne eben überfärbt zu sein beginnen. Ich habe bei Squilla auch das Hämatoxylin ApAruy’s versucht, habe aber nicht so deutliche Bilder wie mit dem erwähn- Unters. über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis ete. 581 ten gewonnen; die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass der Augenstiel zuerst durch Salpetersäure entkalkt werden muss, wodurch die Färbung mit Apırny’s Hämatoxylin vereitelt wird. In dem proximalen Theile der Nervenfaser, wo die Fibrillen sehr deutlich hervortreten, kann noch ein dritter Bestandtheil der Nerven- faser unterschieden werden, obwohl es bei dessen Feinheit schwer zu sagen ist, was man eigentlich vor Augen hat; ob sehr dünne Fibrillen, welche quer durch die Nervenfaser laufen, oder die Wände sehr feiner Maschen. Man könnte verleitet sein, falls es Fibrillen sein würden, in denselben die Gliafasern zu sehen, welche Aparny! in einer ähnlichen Form beschrieben hat; in einigen Fällen glaubte ich auch etwas verdickte Stellen der Nervenfibrillen zu sehen, an welche sich dann die quer verlaufenden Fäserchen anschlossen; ich weiß aber nicht zu entscheiden, ob es nicht optische Täuschung ist; es handelt sich dabei ja um die feinsten Details. Es folgt aus dem Angeführten, dass die Nervenfaser keineswegs einen Fortsatz der Retinulazelle darstellt, wie es die GoLGr’sche Me- thode zeigt (cf. PARKER, 1. c.), sondern dass sie neben der Zelle ein selbständiges Individuum bildet; in wie fern sie aber genetisch oder physiologisch zu der Retinulazelle gehört, ob sie centrifugal in die- selbe hineingewachsen ist, wie Arıruy für analoge Fälle es für wahr- scheinlich hält, oder ob sie auf irgend eine Weise sich aus der Retinulazelle selbst differenzirt hat und aus derselben centripetal ge- wachsen ist, das vermag ich nicht zu entscheiden, auch wenn ich die im Folgenden angeführten Thatsachen mit betrachte. Mein Versuch, in den Bau des nervösen Theiles des Squilla- Auges einzudringen, hat, wie aus dem Vorausgehenden zu sehen, wieder unsere Kenntnisse von dem Bau der Ommatidien (oder Fa- cettenglieder) etwas erweitert, namentlich darin, dass ich die Selb- ständigkeit der (fertigen) Nervenfaser gegenüber der Retinulazelle behaupten kann. Ich bin aber noch weit davon entfernt, mir auf Grund meiner und fremder Beobachtungen, ich sage nicht eine klare Vorstellung, aber auch nicht einmal einen groben Begriff von der Art zu machen, wo und wie die Lichtwellen in den physiologischen Reiz umgewandelt werden. | ‚Endlich kann ich nicht unerwähnt lassen, dass ich in dem Squilla-Auge keine Muskelfasern, die etwa die Pigmentbewegung re- suliren würden, beobachten konnte und halte es überhaupt für höchst 1 Mitth. aus der Zool. Station Neapel. 1897. 582 Em. Raädl, unwahrscheinlich, dass sich das Pigment in den Retinulazellen mit Hilfe besonderer Muskeln bewegen würde, wie es ExnEr!, obwohl auch mit einer gewissen Reserve, annimmt. Auch sind keine beson- deren Nervenfibrillen aufzufinden, welche etwa die Pigmentbewegung reguliren würden; giebt es specifische Nervenfibrillen für diese Funk- tion, so laufen sie in den Nervenfasern mit den übrigen Fibrillen in einem gemeinsamen Bündel und trennen sich von demselben erst in dem distalen Theile der Retinulazelle.. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Pigmentbewegung nur in Protoplasmaströmung ihre Ursache hat, wobei das Protoplasma entweder direkt durch die Lichtstrahlen beeinflusst wird, oder es ist diese Strömung sekundäre Folge von chemischen Veränderungen, welche dem eigentlichen Sehakte zu Grunde liegen. IV. Der Bau des ersten Ganglion (Ganglion retinae). Nachdem die Nervenfasern durch die Basalmembran hindurch- getreten sind, müssen sie zuerst einen freien Raum zwischen der Basalmembran und dem Ganglion durchlaufen, ehe sie in dieses ge- langen. Diese Bahn ist nicht an allen Stellen des Auges gleich lang; die Verhältnisse sind hier aber zu komplicirt, um etwa aus der Mes- sung der Längenunterschiede dieser Bahnen einige Resultate zu ziehen. Die Nervenfasern laufen durch diesen Raum bündelartig verbunden; zuerst vereinigen sich die sieben Fasern aus einem Om- matidium, dann auch die Nervenfasern, welche aus benachbarten Ommatidien kommen, in ein größeres Bündel (Fig. 2). In dem ersten Ganglion werden die Nervenfaserbündel aufgelöst und zwar so, dass nicht nur einzelne Nervenfasern ihren gesonderten Lauf einnehmen, sondern auch diese zersplittern sich zuerst in ihre Nervenfibrillen und erst diese laufen durch das Ganglion. Ich habe schon oben erwähnt, dass das Ganglion in zwei Theile, einen oberen und einen unteren, gesondert ist, worin es dem Auge folgt. Es scheint, dass diese Sonderung nur morphologischer Natur ist, denn seine beiden Theile sind mit einander durch ein dickes Bündel von vertikal verlaufenden Fasern verbunden, welche also die Kommunikation zwischen beiden Ganglienabtheilungen herstellen. Das erste Ganglion besteht aus folgenden Schichten, von der Basalmembran an gerechnet: 1) Schicht der Neurogliazellen; 2) Schicht der Zellen mit langen, horizontalen Fortsätzen; 3) innere Schicht der tale, 0.70, Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 583 Neurogliazellen; 4) Punktsubstanzschicht; 5) Schicht der proximalen Neurogliazellen; 6) Schicht der proximalen Zellen mit horizontalen Fortsätzen. / 1) Schicht der Neurogliazellen. Diese Zellen sind schon von PARKER! beschrieben worden und auch ich habe schon früher! auf dieselben hingewiesen. Es bleibt mir also nur übrig, deren Vorhan- densein auch für Squilla zu bestätigen. 2) Zellen mit langen horizontalen Fortsätzen. Auch diese Zellen habe ich bei anderen Arthropoden beschrieben und zwar bin ich der Erste, der auf sie hingewiesen hat. Ihr Protoplasma bildet (bei Squilla) einen breiteren Saum um den Kern, der horizontal, d. i. tangential zu der Ebene des ersten Ganglion, etwas verlängert ist. Diese Zellen senden, den bipolaren Zellen ähnlich, zwei lange horizontale Fortsätze aus, welche mit den Fortsätzen anderer Zellen dieser Art ein diehtes Geflecht über der Punktsubstanz des Ganglion bilden. Ob diese Fortsätze nervöser Natur sind, weiß ich nicht zu entscheiden, auch habe ich vergebens nach ihrer etwaigen Endigung gesucht; nach GorLsT’s Präparaten an Virbius und von Sarcophaga zu schließen, dringen diese Fasern mit ihren Enden in die Punktsub- stanz des Ganglion; auch in ihrem Verlaufe senden sie dorthin kurze verästelte Fortsätze. 3) Die inneren Neurogliazellen sind zwischen den Zellen der vorigen Schicht zerstreut, oder ein wenig tiefer gegen das Gan- glion hin gelegen. Bei Squilla sind diese Zellen nicht ganz deut- lich von den Zellen mit horizontalen Fortsätzen zu unterscheiden; desto deutlicher sieht man dieselben bei Astacus und Homarus. Ich gebe eine Abbildung derselben in Fig. 7. Man sieht auf der- selben, dass ihre Kerne mit einer deutlichen Schicht von Protoplasma umgeben sind, aus welchem dann lange verästelte Fortsätze in die Punktsubstanz des Ganglion hineinreichen. Da in der Punktsub- stanz des Ganglion nur spärliche Kerne ganz unregelmäßig vorkom- men, so ist anzunehmen, dass aus dieser Schicht der Zellen die Neurogliasubstanz der Punktsubstanz herkommt. Auch nach oben, gegen die horizontalen Fasern hin, senden die Zellen ihre Fortsätze, welche dort namentlich um die Fasern ein Geflecht bilden. Diese Zellen habe ich in meiner früheren Abhandlung nicht beschrieben, da ich sie nicht von den bipolaren Zellen unterschieden habe. Ich nenne diese Elemente nur desshalb Neurogliazellen, weil sie nervös, ne 584 | Em. Rädl, d. h. leitend gewiss nicht sind; dagegen spricht ihr ganzes Aussehen, und der Vergleich mit den hier verlaufenden unzweifelhaft leitenden Elementen; und es ist üblich, derlei Zellen, die in dem centralen Nervensystem vorkommen, und den Ganglienzellen etwas ähnlich sind, als Neurogliazellen im Allgemeinen zu bezeichnen, wobei man die Frage nach der vielleicht mannigfaltigen Bedeutung dieser Zellen bei Seite lässt; es soll also durch den Namen Neurogliazellen nichts über ihre Funktion ausgesagt werden. Eine verhängnisvolle Rolle spielen in dem ersten Ganglion von den Dipteren und von Steno- bothrus eigenthümliche Kerne, die ich in Fig. 4 abgebildet habe. Diese Kerne liegen ganz regelmäßig, je einer in jedem Nervenknoten:; ich habe kein Protoplasma als ihre Umrandung beobachten können, und es ist auch schwierig zu entscheiden, ob sie etwa zu der Punkt- substanz dieses Ganglion in irgend einem Verhältnisse stehen. Ihr größter Durchmesser ist immer in der Richtung der Nervenknoten gestellt, was auf irgend eine Beziehung zu den Knoten hinweisen könnte; da aber diese Kerne bei den Crustaceen und anderen Insek- ten als den genannten nicht zu beobachten sind, wo doch die Nerven- knoten auch ganz normal entwickelt sind, so muss ihre Bedeutung eine ganz specielle sein. Noch möchte ich hinzufügen, dass sich diese Kerne weit intensiver färben als die Kerne der übrigen in der Um- gebung liegenden Zellen. 4) Die Punktsubstanz des ersten Ganglion bildet bei Squilla eine etwa so dicke Schicht, wie die bisher beschriebenen zusammen. Sie besteht aus regelmäßig angeordneten Fasern, welche aus zweier- lei Zellen herkommen. Die größte Masse der Punktsubstanz stammt von den Neurogliazellen ab, deren Fortsätze in der Punktsubstanz ein dichtes Geflecht bilden. Bei Squilla sind diese Verhältnisse weniger klar zu sehen als bei Homarus, und ich gebe desshalb eine Abbildung aus dem Ganglion desselben (Fig. 7). Man sieht, dass die Fortsätze der Neurogliazellen sich in diesem Ganglion vielfach verästeln und mit einander wie mit den Fortsätzen anderer Zellen srößere und kleinere Maschen bilden. Es wird auf diese Weise ein Gerüst gebildet, in welchem die leitenden Elemente ihre Bahnen in bestimmten Richtungen durchlaufen können. Dass diese Gerüstsub- stanz eine Funktion der nervösen Veränderungen zu leiten hat, wie etwa die Nervenfibrillen, das kann von denselben kaum angenom- men werden, da in diesem Falle man eine größere Regelmäßigkeit in deren Anordnung erwarten müsste; von einer solchen ist aber nichts zu sehen. Wenn also chemische Veränderungen in derselben Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete.. 585 stattfinden, mit dem nervösen Vorgange verknüpft, was a priori nicht unmöglich ist, so ist es wahrscheinlich, dass diese Veränderung auf diesen Bahnen durch das ganze Ganglion sich verbreitet. Es ist aber auch möglich, dass dieses Punktsubstanzgeflecht nur als Stützsub- stanz fungirt. Sei dem wie es will, gewiss ist, dass in dem Gan- slion zweierlei Substanzen zu unterscheiden sind; die Neurogliasub- stanz, von der eben die Rede war, und die leitenden Fibrillen. Bevor ich diese beschreiben werde, will ich noch etwas von den von mir so- genannten Nervenknoten hinzufügen. Diese sind gewiss der interes- santeste Theil des Ganglion, denn ihr allgemeines Vorkommen, und die Regelmäßiskeit, in der sie bei allen zusammengesetzten Augen vorhanden sind, weisen darauf hin, dass wir es mit einem sehr wichtigen Elemente des Nervensystems zu thun haben. Ich habe sie schon einmal beschrieben!, und zwar namentlich auf Grund von Unter- suchungen mit der Methode von GoLGI; ich habe seitdem diese Me- thode auch bei anderen als den damals untersuchten Arthropoden angewendet, halte mich aber an die Resultate, welche mit gewöhn- lichen Mitteln, namentlich mit Hämatoxylin, zu gewinnen sind. Die Nervenknoten sind dunkle, sehr regelmäßig in dem Ganglion angeordnete, in ihrer Zahl mit den Ommatidien übereinstimmende Partien der Punktsubstanz. Die dunkle Farbe derselben rührt theils von den hier angehäuften Neurogliafasern, welche hier ein dichtes Geflecht um die Nervenfibrillen bilden, theils von einer homogenen Substanz, welche ihrer Färbung nach mit derjenigen übereinstimmt, welche ich oben als den Bestandtheil der Nervenfasern in den Reti- nulazellen erwähnt habe; ob sie mit derselben identisch ist, weiß ich nicht zu sagen. Bei Squilla färbt sich der Nervenknoten zu dunkel und besteht aus sehr dichtem Geflecht von Fasern; am klarsten habe ich die Verhältnisse bei den Dipteren, bei Zygaena und bei Steno- bothrus gefunden. Die Fig. 4 ist eine Abbildung von den Nerven- knoten von Stenobothrus. Man sieht auf derselben die Neuroglia- - fasern als dünnste Fibrillen ein unregelmäßiges Geflecht bildend. In bestimmten Zwischenräumen ist das Geflecht viel diehter, und zwar sind diese verdichteten Stellen aus Gruppen von Nervenfibrillen zu- sammengesetzt, deren jede von sehr dünnen und dichten Fibrillen umsponnen ist. Diese Gruppen der so eigenthümlich beschaffenen Nervenfibrillen nenne ich Nervenknoten. Weniger deutlich sind die Verhältnisse bei Homarus (Fig. 7) zu sehen, obwohl auch dort die Elemente des Nervenknotens beobachtet werden können. 1 Arch. d’Anat. mier. 1898. 586 Em. Rädl, Das wichtigste Element der Knoten sind die leitenden Elemente. Ich habe in meiner früheren Beschreibung dieser Knoten mich nach den Resultaten der GotsrT'schen Methode gerichtet und habe also dafür gehalten, dass in den Knoten, wie es die Silberimprägnation zeigte, die aus den Ommatidien kommenden Fasern unter dendriti- scher Verästelung endigen. Wenn ich diese Beschreibung mit dem vergleiche, was ich an den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten bei starken Vergrößerungen gefunden habe, so sehe ich, dass erstens die aus den Ommatidien kommenden Fasern schon Fibrillenbündel darstellen und nicht also ein einheitliches Element bilden; was ferner die dendritische Verzweigung bedeuten soll, das veranschaulicht die Fig. 6 aus dem Ganglion von Squilla, wo der Eintritt der Nerven- fibrillen in das Ganglion abgebildet ist. Die Fibrillen treten an den Grenzen des Ganglions aus einander, einige dringen geraden Weges in den nächsten Knoten, die anderen machen zuerst eine Biegung und gelangen dann in die seitlichen Knoten. Wenn ich nun das eben Referirte mit dem vergleiche, was ich mit der GotgY'schen Me- thode gefunden habe, so besteht kein Zweifel, dass die Dendriten der Nervenfasern, welehe nach der letzteren Methode sich in den Knoten verästeln sollen, die Fibrillen darstellen, welehe gerade über dem Knoten aus einander gehen; dass ich die dendritische Veräste- lung in die Knoten selbst verlegt habe, ist sehr leicht daraus zu erklären, dass mit der GotgrT’schen Methode die Knoten selbst kaum sichtbar sind, und dass man sich mit derselben über die Lage der Elemente sehr schwierig orientirt, wie ich auch damals erwähnt habe. Es folgt daraus, dass die Gotsr’sche Methode nicht immer einzelne lei- tende Elemente färbt, sondern, wenn sie in ein Bündel (eine Nerven- faser) zusammengehalten werden, so werden sie durch diese Methode auch als eine Fibrille gefärbt; dort, wo die Fibrillen aus einander treten, färbt sich erst jede Fibrille einzeln für sich. Ich habe schon oben erwähnt, dass die Nervenfasern, welche aus dem Ganglion kommen, in größere Bündel zusammentreten, wobei es unmöglich ist eine Regelmäßigkeit in der Anzahl dieser Fibrillen aufzufinden. Aus diesem Grunde ist es auch unmöglich in dem Gan- glion selbst zu erkennen, welche Fibrillen es sind, welche in den nächsten Knoten, und welche in die benachbarten eindringen, obwohl die Lösung dieser Frage sehr interessant sein müsste, denn es lässt sich a priori erwarten, dass in dieser Vertheilung der Fibrillen ein Sinn und desshalb eine Regelmäßigkeit liegt. Nach dem ganzen Habitus der Bilder zu schließen glaube ich, dass die Nervenfibrillen Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete. 587 je eines Ommatidium sich auf mehrere Knoten vertheilen; ob sie nur in die nächst benachbarten, oder vielleicht auch in die mehr entfern- ten eindringen, ist nicht zu eruiren. Trotzdem weist schon das, was ich erwähnt habe, darauf, dass jeder Knoten von den Fibrillen meh- rerer an einander liegenden Ommatidien versehen wird. Das weitere Schicksal der Nervenfibrillen in den Nervenknoten von Squilla habe ich nicht klar gesehen, wegen der hier sich zu dunkel färbenden Grundsubstanz; aber ganz deutliche Bilder habe ich wieder bei Stenobothrus bekommen (Fig. 8). Man sieht an den- selben die Kerne der bipolaren Zellen auf beiden Seiten der Punkt- substanz; ferner sieht man die Punktsubstanz aus diehtem Filz fein- ster sich blass färbenden Neurogliafibrillen bestehend; wegen der Kleinheit des Objektes ist es mir unmöglich gewesen den Zusammen- hang der erwähnten Kerne mit der Punktsubstanz zu verfolgen. Die Knoten sind hier tonnenförmig, und durch dieselben laufen dunkler gefärbte Fibrillen, d. i. die Nervenfibrillen ohne jede Verästelung und ohne jede sichtbare Endigung; zwar ist es an allen abge- bildeten nicht sichtbar, dass sie ohne Endigung weiter laufen, aber wenn man die Lage derselben mit einander vergleicht und dazu noch diejenigen nimmt, welche als durch den ganzen Knoten hindurch- sehend abgebildet sind, so muss man zu dem erwähnten Schlusse kommen; übrigens habe ich an etwas diekeren Schnitten noch meh- rere ununterbrochen durch das Ganglion hindurchlaufende Fibrillen zu verfolgen vermocht. Über das Verhältnis der Nervenfibrillen zu der übrigen Punkt- substanz giebt uns dieselbe Figur eine Anschauung. Um jede Nerven- fibrille ist ein dichtes Geflecht dünnster Fäserchen zu sehen, welche in einer homogenen, auch etwas färbbaren Substanz liegen. So viel ich weiß, hat über ein solches Umflechten der Nervenfibrillen durch einen verdichteten Filz der Gliasubstanz noch Niemand berichtet. Welche Bedeutung dieser Erscheinung zukommen soll, weiß ich nicht zu sagen, gewiss aber ist sie in irgend welcher Beziehung zu der regelmäßigen Anordnung der Nervenfibrillen; gewiss hat sie nicht die Rolle den Reiz in der Art, wie die Nervenfibrillen, zu leiten. Viel- leicht sollte man an eine der Neuroglia specifische Funktion denken, welche nur in dem Ganglion als einem Centralorgane geschieht, im Gegensatz zu den bloß leitenden Verbindungsbahnen. Als die fünfte und sechste Schicht des ersten Ganglion gelten mir die proximalen bipolaren Zellen mit langen horizontalen Fort- sätzen und die proximalen Neurogliazellen. Es gilt von diesen Zellen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bad. SEM 39 588 Em. Raädl. Alles was ich schon oben von den Zellen der distalen Schicht gesagt habe; nur darin besteht der Unterschied, dass diese Zellen weit spärlicher sind als die der distalen Zone. Es hat den Anschein, dass die Neurogliazellen nur desshalb in der Punktsubstanz selbst nicht vorkommen (es giebt nur da und dort eine versprengte Zelle in der- selben), dass sie dort irgend einem physiologischen Vorgange im Wege stehen würden, dass sie desshalb aus der Punktsubstanz aus- geschieden sind, um eine bestimmte Struktur derselben durch ihre Form oder vielleicht auch durch ihre Thätigkeit nicht zu stören. Es wird dadurch, falls meine Erklärung die richtige ist, auf eine ganz specifische Funktion der Ganglien hingewiesen. Ich habe mich viel bemüht mir eine Theorie über die Funktion des eben beschriebenen Ganglion, das ich mit CLAus! und BERGER? als Retina betrachte, zu machen, aber umsonst. Wenn ich meine Beobachtungen über dieses Ganglion bei verschiedenen Arthropoden resumire und das hervorhebe, was in demselben allgemein vorhanden ist, so ist der Bau dieses Ganglion wie folgt: In der Mitte desselben ist die Schicht der Nervenknoten aus palissadenartig geordneten, mit Punktsubstanzgeflecht umsponnenen Nervenfibrillen; mehrere Fibril- len sind immer einander genähert und bilden einen Nervenknoten. In der Schicht der Nervenknoten ist ein dichtes Punktsubstanz- geflecht. Über und unter dieser Schicht liegt eine Zellenschicht, zu wel- cher wahrscheinlich die Punktsubstanz der Nervenknotenschicht gehört. In dieser Zellenschicht oder über derselben sind zu beiden Seiten des Ganglion lange horizontale Fasern, deren Zellen in ihrer Ebene liegen. Zwischen diesen Fasern laufen auch gleichgerichtete Nerven- fibrillen, sowohl über wie auch unter dem Ganglion, welche früher oder später in das Ganglion hineintreten. Wie man sieht, giebt es in dem Ganglion keine Stelle, wo die leitenden Fibrillen etwa endigen würden, oder wo benachbarte Fibril- len auf irgend eine Art auf einander wirken könnten. Eine jede Fibrille läuft entweder geraden Weges oder unter einer Krümmung durch das Ganglion; geschieht also die Leitung nur innerhalb der Fibrille, so kann dem Ganglion keine aktive physiologische Rolle zugeschrieben werden; man wird dadurch an die Theorie von BETHE° unwillkürlich erinnert, welcher den »Nervencentren« jede aktive Rolle 1 Arb. Zool. Inst. Wien. VI. 1886. 2 Ebenda. II. 1879. 3 Biol. Centralbl. 1898. Unters. über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis ete. 589 (etwa der Reservoire der Reize u. A.) abspricht und glaubt, dass zwischen dem Sinnesorgan und dem Muskel (oder anderem Endorgane) eine ununterbrochene Verbindung besteht. Die Fibrillen laufen auch wirklich — BerHe’s Theorie gemäß — der Art, dass andere Kom- binationen derselben in das Ganglion, andere aus demselben heraus führen, dass also wirklich eine Umschiebung derselben in dem Gan- glion geschieht; ob aber Berne’s Theorie in ihrer Generalisirung richtig ist, das als gewiss anzunehmen, kann ich mich doch noch nicht entschließen. Ich glaube, dass hier der Punkt ist, wo man wei- tere anatomische und physiologische Untersuchungen anknüpfen muss. Eines muss ich noch hervorheben. Keine Nervenfaser, welche aus dem Retinalganglion kommt, geht direkt in das Gehirn oder so- gar zu einem peripheren Organ (Muskel, Drüse u. Ä.). Alle Fasern, welche das erste Ganglion verlassen, müssen erst durch ein zweites hindurchgehen, und die größte Zahl derselben noch durch ein drittes und viertes Ganglion. Ich glaube, dass eine Verfolgung der Fibrillen auch in diesen Ganglien viel von dem erklären wird, was mir durch das Studium des ersten nicht klar geworden ist. Etwas habe ich schon früher über diese Ganglien berichtet; es wird mir vielleicht möglich sein, später auch auf dieselben noch einmal einzugehen. V. Die erste Kreuzung der Nervenfasern. Die Fasern, welche aus dem Retinalganglion ins zweite Ganglion laufen, kreuzen sich bekanntlich in jedem zusammengesetzten Auge, und zwar nur in der Horizontalebene, so dass die von rechter Seite des ersten Ganglions zur linken des zweiten und umgekehrt ihre Richtung nehmen. Ich habe darauf hingewiesen!, dass die Bedeu- tung dieser Nervenkreuzung in verschiedener Länge der sich kreuzen- den Fasern besteht, wodurch sich verschiedene Eigenthümlichkeiten bei vielen Arthropoden erklären lassen; ferner habe ich dem Längen- unterschied der Nervenfasern physiologische Bedeutung zugeschrieben. Bereits in jener Abhandlung habe ich auf die eigenartigen Verhält- nisse der Nervenkreuzung bei Squilla mantis hingewiesen; ich will sie jetzt näher beschreiben. Auf einem Vertikalschnitte durch den ganzen optischen Traetus sieht man, dass das Retinalganglion in seiner Form den Umrissen der Basalmembran des Auges folgt; in der Mitte, der Vertiefung des Auges gegenüber, ist es abgeflacht, an den beiden Enden scharf I Sitzungsber. k. böühm. Ges. Wiss. 1899. 39* 590 Em. Rädl, gekrümmt. Das zweite Ganglion (welches ich Ganglion optieum be- nannt habe) ist ungemein stark gekrümmt und mit seiner Achse gegen diejenige des Retinalganglions etwa unter 45° geneigt. Ich gebe von demselben eine in ihren Umrissen nach der Camera gezeichnete, sonst aber schematisirte Abbildung in Fig. 3. Die Fig. 2 zeigt uns auch einen sagittalen Schnitt durch den optischen Tractus von Squilla, aber mehr gegen die innere Seite des Augenstieles hin; es ist dort nur ein Theil des zweiten Ganglions zu sehen. Auf diesen Figuren sieht man, dass an beiden Seiten die Ganglien mit Nervenfasern verbun- den sind, wogegen die Mitte leer bleibt (resp. querdurchschnittene Fasern aufweist). Diese seitlichen Nervenfasern, welche auf den Vertikalschnitten in ihrer ganzen Länge zu verfolgen sind, fehlen bei anderen Arthropoden gänzlich; bei diesen werden durch Vertikal- schnitte alle Fasern mehr oder weniger quer durchschnitten, was leicht zu begreifen ist, da die Vertikalebene die Kreuzungspunkte dieser Fasern enthält; alle sind also gegen dieselbe geneigt; die obe- ren und die unteren Fasern von Squilla machen also kein Chiasma. Betrachten wir einen Horizontalschnitt durch den Augenstiel, und zwar einen Schnitt durch die Mitte des Ganglions (Fig. 1), so finden wir Verhältnisse, welche ganz analog denen sind, welche auch bei anderen Arthropoden zu beobachten sind: man sieht, dass das Retinalganglion in dieser Ebene einen kreisförmigen Bogen bildet, und dass das zweite Ganglion auch in dieser Ebene sehr schief gegen das erste geneigt ist, ihm eine konvex gebogene Fläche zukehrt und auf einer Seite dick, auf der anderen dünner endet. Die beiden Gan- glien sind durch Nervenfasern verbunden, welche ein ganz normales Chiasma bilden. Man sieht auch den ungemein deutlich ausge- sprochenen Unterschied in der Länge der Nervenfasern. Der Traetus opticus von Squilla mantis unterscheidet sich also von demjenigen anderer Arthropoden darin, dass es hier außer dem in der Mitte desselben verlaufenden ganz normalen Chiasma noch zwei Nervenbündel giebt, eines nach oben, das andere nach unten von dem Chiasma, welche ungekreuzt vom ersten zum zweiten Ganglion verlaufen. Es besteht darin also ein morphologisch begründeter Gegensatz zwischen den Augen von Squilla und anderer Arthropoden. Es ist aber nicht zu schwierig, diesen Gegensatz aufzuheben. Man be- achte, dass das erste Ganglion der Form der Basalmembran des Auges folgt, auf Vertikal- wie Horizontalschnitten. Die äußere Form des Auges bringt es nun mit sich, dass das erste Ganglion sehr in die Fläche entwickelt ist; es enthält ja so viele Nervenknoten wie Unters. über den Bau des Traetus opticus von Squilla mantis ete. 591 das Auge Ommatidien, und die Knoten sind ziemlich weit von ein- ander. Das zweite Ganglion dagegen ist sehr zusammengedränst, die Nervenknoten liegen in demselben dicht beisammen, und dess- halb wird dieses Ganglion von dem ersten nach oben und nach unten weit überragt. Die Fasern müssen also aus dem ersten Ganglion in das zweite schief von oben resp. unten gegen die Mitte laufen. Die Kreuzungsebene, wenn sie auch vorhanden wäre, müsste also eine sehr geneigte sein. Das erste Ganglion bildet ferner in seinen obe- ren und unteren Partien auf Horizontalschnitten einen sehr kleinen Kreisbogen, seine rechte und linke Seite sind nahe an einander; wenn also eine Kreuzung der Fasern in diesen Partien stattfinden würde, so könnte sie nur unter einem sehr spitzen Winkel geschehen; falls aber eine solche Kreuzung stattfindet, so ist sie gar nicht zu beobachten, da sie durch den wellenförmigen Verlauf der Nerven- fasern verwischt würde. Es ist aber auch in diesen Randpartien keine Kreuzung der Nervenfasern mehr nöthig, falls durch dieselbe ein bestimmter Längenunterschied der Nervenbahnen zu Stande ge- bracht werden kann; es leistet hier dasselbe die große gegenseitige Neigung der beiden Ganglien, welche an ihren Enden (im Vertikal- schnitte) fast 180° beträgt. Die Längenzunahme von einer Nerven- faser zu einer anderen, mehr nach außen liegenden, ist hier also sroß genug auch ohne jede Kreuzung. Die beiden ungekreuzten Nervenbündel sind also einfach durch die Verlängerung der verti- kalen gegenüber der horizontalen Augenachse zu erklären !. Ich betone im Vorhergehenden immer den Längenunterschied der- Nervenfasern in dem eben besprochenen Chiasma. Ich habe nämlich meine letzte Abhandlung? dem Beweise gewidmet, dass die Nervenkreuzungen in den Augenganglien der Arthropoden darin ihren Grund haben, dass die verschiedenen Nervenbahnen, durch welche zwei Augenganglien verbunden sind, verschieden lang sind, und dass diese Längendifferenzen der Verbindungsbahnen ihre physiologische Bedeutung haben. Obwohl ich den numerischen Betrag dieser Längen- 1 C. Cuun zeichnet in seiner Abhandlung »Leuchtorgane und Facettenauge« Taf. XX, Fig. 8 ähnliche ungekreuzte Nervenbündel von einem Sergestiden. Crun hat sich für die nervösen Centra des zusammengesetzten Auges weniger interessirt und hat also nicht angegeben, ob sich derlei ungekreuzte Fasern auch anderswo finden und welche Bedeutung ihnen zukommt. Mir ist es leider un- möglich, aus der Abbildung, die er da giebt, und aus den sie begleitenden Wor- ten mir eine Anschauung darüber zu machen, ob hier ähnliche Verhältnisse wie bei Squilla vorhanden sind ZI. e. 592 Em. Raädl, differenzen damals anzugeben nicht vermocht habe, habe ich doch nachgewiesen, dass der Bau der Nervenkreuzung überall sich so ver- hält, dass es zu einer frappanten Differenz in der Länge der kürze- sten und der längsten Fasern kommt. Auch diesmal vermag ich noch nicht das Gesetz anzuführen, nach dem die Nervenbahnen an Länge zunehmen. Die große Anzahl der in die Kreuzung eintreten- den Fasern macht jede detaillirte Messung unmöglich. Ich habe bei Squilla gegen 3000 Ommatidien gezählt; wenn im Chiasma eben so viel Fasern vorhanden sind, wie zwischen dem Auge und dem ersten Ganglion, so muss deren Anzahl siebenmal größer sein als diejenige der Ommatidien; man begreift die Komplieirtheit des ganzen Inner- vationsapparates, wo 21000 Fasern vorhanden sind, und die Unmög- lichkeit der Aufgabe in demselben das Gesetz aufzufinden, nach wel- chem die Länge von Faser zu Faser zunimmt. Ich kann also diesmal nichts mehr als wieder auf die großen Differenzen hinweisen, welche zwischen den Extremen bestehen. Auf dem Horizontalschnitte misst die kürzeste Faser (durchschnittlich) 55 Theile, die mittlere 150, und die längste 250 Theile und ist also viermal so lang als die kürzeste. Zwischen diesen Extremen ist dann eine ununterbrochene Reihe von Übergängen. Die Differenz in der Länge besteht aber nicht nur in den Nervenbahnen einer Horizontalebene, sondern ist auch in der Vertikalebene vorhanden, trotzdem hier kein Chiasma zu sehen ist; hier ist sie durch die geneigte Lage der beiden Gan- slien verursacht. Die Längendifferenzen bestehen also nicht nur in der Ebene, sondern im ganzen Raume, und es ist als sehr wahr- scheinlich anzunehmen, dass diese Differenzen andere sind, je nach der Richtung im Raume, in welcher wir sie von einer Nervenfaser aus messen würden, denn die Krümmung ist kaum in allen Ebenen dieselbe; der Übergang von einer Nervenbahn zu einer anderen würde dann also durch einen ganz bestimmten numerischen Beitrag der Längenzunahme resp. der Längenabnahme charakterisirt. Auf Grund eines solchen Baues der Leitungsbahnen können wir uns schon eine allgemeine Vorstellung über deren Funktion machen; ich schließe dabei der Einfachheit wegen die Nervenfasern zwischen den Retinulazellen und dem ersten Ganglion aus, obwohl auch diese ganz bedeutende Längenunterschiede aufweisen. Ich lasse im Folgenden auch ganz außer Betracht, dass die Nervenbahnen kaum im zweiten Ganglion ein Ende haben, sondern dass sie wahrscheinlich — wie es im ersten Ganglion der Fall ist — durch dasselbe in bestimmten Richtungen hindurchgehen und weiter Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 593 laufen, und nach vielen Krümmungen endlich an ein Endorgan, so z. B. an einen Muskel gelangen; denn wenn ein regelmäßiger Längen- unterschied vor dem zweiten Ganglion besteht, so besteht er auch weiter, trotzdem er dort noch anders modifieirt werden kann; es ge- nügt also ihn nur in der Strecke zwischen dem ersten und zweiten Ganglion zu beobachten und das zweite Ganglion als ein Endorgan (resp. als ein Centrum) zu betrachten. Nehmen wir also zuerst an, dass im ganzen Gesichtsfelde eines zusammengesetzten Auges eine und dieselbe Veränderung stattfindet, welche auf das Sehorgan als adäquater Reiz wirken kann (z. B., dass auf einmal die Länge der Liehtwellen sich umgewandelt hat), so wird. dieser Reiz von den Retinulen in demselben Augenblicke aufgenom- men, aber in das zweite Ganglion gelangt er nicht als ein einheit- licher Reiz, sondern als eine Reihe von Impulsen, welche in Inter- vallen hinter einander folgen, die gar nicht durch den Reiz, sondern nur durch die Längendifferenzen der Nervenbahnen bestimmt und ihnen proportional sind. Diese Intervalle sind also nur von dem Bau des Tractus abhängig, sie sind für das Auge speeifisch. Wenn also statt der Lichtveränderung eine elektrische, mechanische oder chemische Veränderung auf die pereipirende Schicht des Auges in einem Momente einwirken würde, so würde diese Veränderung im zweiten Ganglion auf dieselbe Weise empfunden sein, wie die Licht- veränderung; nur etwa die Intensität möchte eine andere sein. Wenn nun nicht im ganzen Sehfelde, sondern nur in einem Theile desselben eine als adäquater Reiz wirkende Veränderung vor sich geht, so wird sie im zweiten Ganglion durch eine Reihe von Impulsen angezeigt, deren Intervalle je nach dem Orte, wo der Reiz stattgefunden hat, sich unterscheiden würden; wenn also die Ver- änderung rechts stattfinden würde, so würden diese Intervalle andere sein als bei einer links, oben oder unten erfolgten Veränderung, da die Längenunterschiede der Nervenbahnen an diesen Orten kaum als gleich anzunehmen sind. Es muss die Anzahl der Ommatidien, die durch den Reiz getroffen werden sollen, nicht gerade groß sein; ja, wenn der momentane Reiz nichts mehr als nur ein Ommatidium treffen würde, so empfindet ihn das zweite Ganglion doch als eine Reihe von Veränderungen, da aus einem Ommatidium sieben Nerven- fasern centripetal den Reiz leiten. Jeder momentane Reiz also, er- streekt er sich über das ganze Auge oder ist er nur auf einen Theil desselben begrenzt, wird im Centrum als eine bestimmte Reihe von Veränderungen empfunden. 594 Em. Raädl, Stellen wir uns endlich den komplieirteren Fall vor, dass sich nämlich ein Punkt vor dem zusammengesetzten Auge bewegt, so kann uns auch in diesem Falle kaum etwas hindern, im zweiten Ganglion (im Centrum, im Endorgane) periodische Veränderungen anzunehmen, welche der lokalen Veränderung des Punktes entsprechen. Denn wie wir oben aus einander gesetzt haben, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Verhältnis, in welchem die Nervenbahnen in allen Richtungen von einer Nervenfaser ab oder zunehmen, je nach der Richtung verschieden ist; wenn sich also ein Punkt mit derselben Geschwindigkeit in verschiedenen Richtungen vor dem Auge bewegt, so gelangen die Impulse nach dem Centrum nicht nur mit einer Phasendifferenz, welche der Geschwindigkeit der Bewegung und der Entfernung der lichtpereipirenden Elemente (Ommatidien) von einander entspricht, welche Bestimmungen in allen Richtungen der Bewegung gleich sind!, sondern die Phasendifferenz ist noch durch das Verhältnis der Längenabnahme resp. Zunahme der Nervenfasern bestimmt, welches Element variabel ist je nach der Richtung der Bewegung. Durch diese Anordnung wird also jede Be- wegung durch zwei Gruppen von Variabeln bestimmt: eine Gruppe von äußeren Bedingungen (Geschwindigkeit, Acceleration) und durch eine der inneren Bedingungen, welche mit der Richtung der Bewe- sung variirt. Dass dabei auch die Bewegung in positiver von der in negativer Richtung von einander zu unterscheiden ist, bleibt bei dieser Erklärung selbstverständlich. Kurz und gut, wir sehen, dass jede äußere adäquate Ver- änderung, die auf das Auge einen Reiz ausübt, als perio- dische (also nicht mehr räumliche, sondern zeitliche) Reihe von Veränderungen in das Ende der nervösen Bahn ge- langt. Obwohl diese meine Theorie nur die allgemeinen Verhältnisse beachtet, erlaubt sie uns doch, glaube ich, den Bau des Arthropoden- auges besser zu verstehen. Auf Grund derselben ist es klar, warum die zusammengesetzten Augen hauptsächlich auf Veränderungen der Umgebung reagiren; es hängt dies also nicht nur mit dem Bau des pereipirenden Apparates, sondern auch mit dem Bau der inneren Centren zusammen. Ich bin auf diese Theorie rein induktiv gekommen; ich habe ! Es könnte hier auch an die Rolle verschieden gekrümmter Augen ge- dacht werden, wodurch das Problem komplieirter wird, ohne aber die Richtig- keit des hier entwickelten Gedankens zu berühren. Unters. über den Bau des Traetus optieus von Squilla mantis ete. 595 die Nervenkreuzungen beschrieben und dabei die Bemerkung gemacht, dass sie doch eine physiologische Rolle spielen müssen; es ist mir dabei der Gedanke eingefallen, ob diese Rolle nicht mit der Längen- differenz der Nervenfasern dieser Kreuzung zusammenhängt. Jetzt habe ich versucht zu zeigen, dass diese Annahme fruchtbar sein kann. Es hat mich bei diesem meinen Gedankengange sehr ange- nehm überraschen müssen, dass ich eine ganz auf denselben Grund- lagen basirende Theorie schon entwickelt gefunden habe. Es ist derselbe S. Exner, der die Physiologie des Facetten- auges fast neu begründet und weiter entwickelt hat, der eine ähnliche Theorie bei einer anderen Gelegenheit! entwickelt hat. S. ExNnER versucht nämlich die Lokalzeichen des menschlichen Auges dadurch zu erklären, dass er annimmt, die Bahnen, welche aus einem jeden Stäbehen im Auge zu den Augenmuskeln führen, seien verschieden lang, so dass die Entfernung eines jeden Stäbehens von allen sechs Augenmuskeln für ein jedes Stäbchen charakteristisch und von den analogen Entfernungen anderer Stäbchen verschieden sei. EXNER ist auf seinen Gedanken aus theoretischen Betrachtungen gekommen; ich bin den umgekehrten Weg gegangen und bin auf einem anderen Gegenstande auf ganz ähnliche Gedanken geführt. Es kann dies, wenigstens subjektiv für mich, auch als ein Grund für die Wahr- scheinlichkeit meiner Theorie dienen. Ein Jeder, der unsere Theorie näher betrachtet, muss auf die Frage kommen, ob die beschriebene Anordnung der Nervenbahnen etwa auch anderswo zutrifft; denn es ist nicht wahrscheinlich, dass von derselben nur in einem einzigen Falle, dem? des zusammen- sesetzten Auges, Anwendung gemacht würde. In wie fern diese Frage aber bejaht werden muss, bleibt speciellen Untersuchungen vorbehalten; man könnte dabei auf die verschiedenen Schichten der dendritischen Verzweigung der Neuriten in der Retina der Verte- braten kommen oder auch auf die Endigung des Opticus im Gehirn, wo R. CAyaL im vorderen Vierhügel z. B. nicht weniger als 15 Scehiehten unterscheidet, die wohl nicht alle für unsere Theorie in Betracht kommen können, doch aber in ihrem Sinne erklärt wer- den könnten; denn bisher ist mir unbekannt, dass Jemand es ver- sucht hätte zu erklären, warum z. B. in der Retina des Menschen die Dendriten der CAsAu’schen Bipolaren mit den Endigungen der Ganglienzellen in mehreren Schichten in Kontakt kommen und nicht ı Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erschei- nungen. I. Theil. Wien 1894. 596 Em. Raädl. etwa diese Endigungen unregelmäßig durch die ganze Marksubstanz zerstreut sind. Sei dem wie es da will, immer muss ich die Frage als der speciellen Lösung werth finden, ob nicht die von mir beschriebene eigenthümliche Anordnung der Nervenfasern unter mehrfachen Modifi- kationen auch für andere Sehorgane, als die zusammengesetzten Augen, charakteristisch sei, und wenn ich schon so weit gekommen bin, so kann ich auch die Frage aufstellen, ob die von mir beschriebenen Längendifferenzen der Nervenbahnen für das Sehorgan speeifisch sind, oder ob sie auch bei anderen Sinnesorganen ihre Rolle spielen. Die Frage nach der specifischen Energie der Sinnesorgane würde hier- durch eine konkretere Basis gewinnen. Pardubitz, im Januar 1900. Erklärung der Abbildungen, Tafel XXXTII. Fig. 1. Die zwei distalen Ganglien von Squilla mantis aus einem Horizon- talschnitte gezeichnet. R.G, Retinalganglion, aus der distalen Zellenschicht und proximalen Punktsubstanz bestehend. Rechts treten aus demselben einige Nerven- faserbündel gegen das Auge. N.K, Nervenkreuzung; auf diesem Schnitte sind überwiegend die rechts distal, links proximal laufenden Nervenfasern getroffen. Zu beiden Seiten der Nervenfasern liegen Ganglienzellen, zu dem zweiten Gan- glion gehörig. Man beachte die geneigte Lage der beiden Ganglien, i. e. den sroßen Längenuntegschied in der Entfernung der gekreuzten Enden der beiden Punktsubstanzmassen! @.O, Ganglion opticum, das zweite optische Ganglion. Auch in demselben sind schon bei dieser Vergrößerung die palissadenartig an- geordneten Nervenknoten sichtbar. Aus dem Ganglion laufen dann proximal- wärts Nervenfasern gegen das dritte optische Ganglion. Nach Camera gezeichnet. Leitz, Obj. 3, Oc 1. Fig. 2. Ein Vertikalschnitt durch das Auge und die beiden distalen Gan- slien von Squilla mantis schematisirt (die Umrisse nach der Camera gezeichnet. Man sieht die Zweitheilung des Auges (Om) durch eine Vertiefung in der Mitte bei 7 angedeutet, die Krümmung der beiden Augenhälften in der Vertikalebene den Verlauf der Nervenfasern zwischen dem Auge und dem ersten Ganglion (Nr), dann derjenigen zwischen dem ersten und zweiten Ganglion; das erste Ganglion (Gr) ist, dem Auge ähnlich, in zwei Hälften gesondert; dieselben sind mit horizontalen Nervenfasern in der Mitte verbunden. Aus dem zweiten Gan- glion (Gr) ist hier nicht die Mitte, sondern eine mehr seitliche Partie getroffen; man sieht auch hier den großen Längenunterschied der Nervenfasern Nrr. Die Punkte im ersten Ganglion sollen die Lage der Nervenknoten in demselben ver- anschaulichen. Etwa 10mal vergrößert. Fig. 3. Die ersten drei Ganglien von Squilla mantis. Die Umrisse Unters. iiber den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis ete. 597 derselben, sowie die Richtung der Nervenfasern nach Camera gezeichnet, sonst schematisirt. @7, erstes Ganglion, welches distal mit einer dieken Schicht von Zellen bedeckt ist (Z.B), proximal von demselben liegt die Punktsubstanz des Ganglions. Das zweite Ganglion (Gr) ist hier in der Mitte getroffen und man sieht seine schiefe Lage gegenüber dem ersten. Auch das dritte Ganglion ist segen das zweite geneigt. 14mal vergrößert. REICHERT, Obj. 1a, Oe. 1. Fig. 4. Drei Nervenknoten (K.n) aus dem ersten Ganglion von Steno- bothrus. Von den Ommatidien kommen die Nervenfibrillenbündel /N.b), welche, nachdem sie durch die Schicht der Zellen (X.o) hindurchgegangen, in die Nerven- knoten eintreten. Dort werden sie von einem diehten Neurogliagespinnst um- flochten; an einigen sieht man, wie sie durch die ganze Punktsubstanz hindurch- laufen, um am anderen Ende wieder herauszutreten, andere sind wieder während ihres Verlaufes in dem Nervenknoten schief durchschnitten. In der Mitte der Nervenknoten liegen die Kerne Am. Am proximalen Ende der Punktsubstanz- masse liegen die Neurogliakerne XK.uv NX.b.u sind die Nervenfibrillen, welche in das zweite Ganglion laufen. Camerazeiehnung. Homog. Immers. REICHERT, Nr. 19, Be: 1: Fig. 5. Eine Retinulazelle aus dem Ommatidium von Squilla. N.f ist die Nervenfaser, welche bis hinter den Kern der Retinulazelle (X) zu verfolgen ist. In dieser Nervenfaser sind bei N.f und auch distalwärts die Fibrillen zu sehen. Um den Kern der Zelle ist ein helles Feld (F) mit einer sehr feinen Maschen- struktur. ?, Pigmentkörnchen, in den Ecken der Maschen angehäuft. Homog. Immers. REICHERT, Nr. 19, Oc. 1. Camerazeichnung. Fig. 6. Eine Partie aus dem ersten Ganglion von Squilla mantis. Die Kerne (resp. Zellen, und die Pigmentschollen sind nicht gezeichnet. Nb, Nerven- fibrillenbündel, aus den Ommatidien kommend, analog den N.b in Fig. 4. An der Stelle Y treten die Nervenfibrillen aus einander, einige nehmen hier eine horizontale Richtung an, andere gehen direkt proximalwärts in den Knoten Kn, um bei N.b.u wieder herauszutreten. Z7.f sind obere Horizontalfibrillen, welche theils aus N.b und anderen analogen Bündeln stammen, theils vielleicht auf be- sondere Zellen zurückzuführen sind (cf. Fig. 7). Bei N.g und K.n ist das Neuro- gliageflecht sichtbar. Homogene Immers. REICHERT, Nr. 19, Oe. 1. Camera- zeichnung. Fig. 7. Eine Partie aus dem ersten Ganglion von Homarus. o.g.z, obere Neurogliazellen, mit langen verzweigten Fortsätzen; o.h.f, obere horizontale Faser (Nervenfaser?), von einem Neurogliageflecht umgeben; :.g.z, innere Schicht der Neurogliazellen, mit dem Neurogliageflecht der darunter liegenden Punkt- substanz zusammenhängend. P.s, Punktsubstanz, welehe aus dem Neuroglia- geflecht, aus den Nervenknoten (n.X), und den dieselben hindurchtretenden Nervenfasern besteht. Distalwärts sind die Nervenfasern abgeschnitten, nur bei H ist eine zu sehen. Proximalwärts treten die Nervenfasern in ein Bündel zu- sammen. Dort sieht man auch eine untere Horizontalfaser (w.h.f) und untere Neurogliazelle (w.g.2).. Homogene Immers. REICHERT, Nr. 19, Oe. 1. Camera- zeichnung. (Die Punktsubstanz ist ein wenig schematisirt.) Fig. 8. Der Augenstiel von Squilla mantis; seitliche Ansicht. Etwa zwei- mal vergrößert. Fig. 9. Querschnitt durch ein Ommatidium von Squilla mantis. N.f sind die Nervenfasern, welche in Fig. 5 im Längsschnitte zu sehen sind; die- selben sind vom schaumigen Protoplasma (P) der Retinulazellen umgeben. Py ist das Pigment, es liegt theilweise in dem Protoplasma der Zellen zerstreut, 598 Em. Rädl, Unters. über den Bau des Tractus opt. von Squilla mant. ete. am meisten aber einen dieken Beleg um das Rhabdom bildend. RA, Rhabdom mit dunkler centraler Achse, von der verzweigte Äste zur Peripherie derselben führen. Der Querschnitt geht durch die Retinulazelle etwa in der Höhe F.G in der Fig.5. Homogene Immers. REICHERT, Nr. 19, Oe. 1. Camerazeichnung. Fig. 10. Drei Retinulen von Homarus im Querschnitte. In der Mitte jeder Retinula liegt das Rhabdom; bei c, welche Retinula mehr distalwärts getroffen ist, laufen aus der Achse des Rhabdoms sieben Äste zwischen die sieben Reti- nulazellen; bei 5), wo der Schnitt die Retinula tiefer getroffen hat, sind diese Äste dünner; auf den Enden dieser Äste sieht man eine Verdiekung oder Ver- zweigung, welche offenbar mit der Abrundung der Retinulazellen an diesen Stellen zusammenhängt. Bei a ist die Retinula am tiefsten getroffen. Von dem Rhabdome sieht man hier nur die Achse und dann dünne Schüppchen an der Peripherie jeder Retinulazelle. Die dunklen Punkte in jeder Retinula sind die quergeschnittenen Nervenfasern. ZEISS, F, Oe. 1. Camerazeichnung. Rio? 11229Die nn aus der Retinulazelle in Fig. 5 (aus der Stelle N.f), mehr vergrößert. N.g, Neuroglia; N,.f, die Nervenfibrillen dieser Nervenfaser. Homogene Tumeis: REICHERT, Nr. 19, Oc. 4. Camerazeichnung. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Termitennestern. I. Theil. Äußere Morphologie und Biologie. (113. Beitrag zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.) Von E. Wasmann, S. )J. (Luxemburg). Mit Tafel XXXII. Dass es auffallend dickleibige (physogastre) Gattungen unter den termitophilen Coleopteren giebt, ist schon seit ScHiöpre’s klassischer Arbeit »Corotoca og Spirachtha, Staphyliner som föde levende Unger, og ere Huusdyr hos en Termit« (Kopenhagen 1854) bekannt. Seither hat sich die Zahl der zu den echten Gästen (Symphilen) der Termiten gehörigen physogastren Aleocharinengattungen bedeutend vermehrt. Hierher zählen außer Corotoca und Spirachtha noch die folgenden Genera: Termitogaster Cas. bei einer nicht näher ange- ebenen Termitenart auf Panama; Termitobia Wasm. bei Termes belli- eosus von der Goldküste; Xenogaster Wasm. bei einer Eutermes-Art in Sta. Catharina und Rio Grande do Sul (Südbrasilien); Termito- chara Wasm. bei Termes Stkorae und bei Capritermes capricornis auf . Madagascar; Termitana Fairm. bei einer nicht näher angegebenen Termite auf Madagascar; Termitomorpha Wasm. bei Eutermes Mei- nerti aus Venezuela; Termitotropha Wasm. bei Termes unidentatus aus der Kapkolonie; Termitophya Wasm. nov. gen. bei einer Euter- mes-Art aus Rio Grande do Sul; vielleicht auch Termitopulex Fauv. aus Termitennestern von Abyssinien, bei welchem jedoch die Physo- gastrie viel schwächer ist als bei den anderen erwähnten Gattungen. Bei der beträchtlichen Zahl der bereits bekannten physogastren Aleocharinengattungen war ich auch gar nicht überrascht, als mein 500 W. Wasmann, treuer Korrespondent in Natal, der ausgezeichnete Termitenforscher G. D. HavıLanD, mir 1898 ein bei Termes latericius in Natal ent- decktes Thierchen sandte, das einer diekleibigen Aleocharine täu- schend ähnlich sah. Auf der Etikette, die dem Tubus beigegeben war, stand die folgende Notiz: »Durban, March 1898, Termitophilous on Termes latericius. Staphylinid.< Da ich damals zur näheren Unter- suchung keine Zeit hatte, hielt ich das Thier wirklich für einen jener Käfer; nur schienen mir die Mundtheile und Fühler äußerst bedenk- lich. Etwas später erhielt ich eine andere Art derselben Gattung, von P. Heım, S. J., in Nestern von Termes obesus in Mittelindien ge- funden; erst jetzt wurde ich darauf aufmerksam, dass das sonder- bare Geschöpf eine Diptere aus der Familie der Stethopathidae WANDOLLEcK’s! sei. Wäre ich Entwicklungsdogmatiker, so hätte ich vielleicht sofort eine romantische »Phylogenese der physogastren Aleo- charinen« geschrieben; aber das Schicksal der Danr’schen Flohphylo- senese war bereits traurig genug?; desshalb wollte ich lieber auf einen derartigen Versuch verzichten. Später erhielt ich eine dritte Art desselben Genus aus Natal, von Herrn G. D. HavıLanD bei Termes vulgaris entdeckt. Zugleich sandte er auch weitere Exemplare und die merkwürdigen Eier der bei Teermes latericius lebenden Art. Endlich fand Herr Dr. Hans BrAuns, damals noch in Bothaville im Oranje-Freistaat, in den Bauten von Termes tubicola Wasm. n. sp. eine vierte Art derselben Gattung und sandte sie mir zu. Auch er hatte sie, durch die Ähnlichkeit des Habitus getäuscht, für eine physogastre Aleocharine gehalten. Da ich nun über ein reiches Material zum Studium dieser höchst interessanten Thiere verfügte, entschloss ich mich, dasselbe in Angriff zu nehmen. Schon die für gewöhnliche entomologische Zwecke er- forderliche Untersuchung war wegen der Kleinheit der Objekte schwierig. Zur Beschreibung der Gattung und der Arten mussten mikroskopische Präparate der Köpfe und Extremitäten angefertigt werden, da man auch mit einer sehr starken Lupe (CODDINGTON- Linse) fast nur einen riesigen weißen Hinterleib mit einem kleinen, schmalen, dunklen Vorderkörper, dem Stiele jenes Sackes, zu sehen bekam. Es wurden daher einige ganze Exemplare mehrerer Arten sowie Köpfe von sämmtlichen Arten nach vorheriger Eosinfärbung ! Zool. Jahrb. Abth. für System. XT. 1898. p. 412—441 u. Taf. XXV u. XXVl. 2 Vgl. B. WANDOLLECK, Ist die Phylogenese der Aphanipteren entdeckt? 700l. Anzeiger 1898, Nr. 533); vgl. ferner das Urtheil J. Mı@’s in der Wiener Entom. Zeitung, 1898, p. 204. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus etc. 601 in Kanadabalsam eingebettet. Zur Untersuchung der Extremitäten wurden theils mit Eosin, theils mit Hämatoxylin (GRENACHER) ge- färbte Präparate verwandt. Die bloße Eosinfärbung hat bei diekeren Übersichtspräparaten den Vortheil, dass sie die Struktur der chiti- nösen Theile nicht verdunkelt, während sie die membranösen Theile scharf sichtbar macht. Endlich wurden mehrere Exemplare von drei Arten nach vorheriger Doppelfärbung (Hämatoxylin — Eosin) in har- tes Paraffin (Schmelzpunkt 56°) eingebettet und in Scehnittserien (theils Sagittal-, theils Transversalschnitte) von !/,.. mm Dicke zerlegt. Zum Schneiden diente das Mikrotom System HATScHEK, mit horizontaler Schlittenführung, das zum Schneiden chitinöser Objekte sich als be- sonders geeignet erwies. Außerdem wurden zum Studium des Materials in Alkohol + Formol konservirte frische Exemplare verwandt, sowie eine Anzahl trocken präparirter Individuen der einzelnen Arten, die nach der für die trockene Präparation der Termiten von mir ange- wandten Methode! (Alkohol absol., dann Alkohol + Xylol, dann Xylol —+- Paraffin, gehärtet worden waren, wodurch die sonst unvermeid- liche Schrumpfung des Hinterleibes völlig verhindert wurde. Ich gebe zuerst die lateinischen Diagnosen der Gattung (T) und der Arten (H.), dann die nähere Beschreibung der Gattung (III), dann Ergänzungen zur Beschreibung der Arten (IV), dann Einiges über die Biologie von Termitoxeni« (V). Die Histologie von Termitoze- nia werde ich in einer späteren Arbeit behandeln, da von Dr. BRAUNS erst ein Exemplar der vierten Art vorliegt, und er mir weiteres Ma- terial, dessen Absendung durch den Ausbruch des Krieges in Süd- afrika sich verzögerte, in Aussicht gestellt hat. I. Termitoxenia nov. gen. Stethopathidarum (Fig. 1 u. 2). Caput et prothorax cornea, picea vel nigropicea, nitida; abdomen album, membranaceum. Caput angustum, oblongum, ante antennarum basin profunde exeisum. Labrum magnum, subeconvexum, antice stilo angusto, mobili, apice membranaceo munitum. Labium biarticu- eulatum, longe productuminstar stili velrostri, art. 2° fisso, apieibus acutis, subeorneis? Palpi maxillares magni, fusiformes, 1_Vgl. Termiten aus Madagascar und Ostafrika (Verh. SENCKENB. Naturf. Ges. XXI. Heft 1. 1897) p. 137, Anm. 1. Die vorhergehende Aufbewahrung der Thiere in einer Mischung von Alkohol + Formol bereitet die Härtung bereits vor. 2 Bei stärkerer Vergrößerung und Druck auf das Endglied zeigen sich: setae corneae acutae inclusae intra vaginam semi-membranaceam. Vgl. die Ab- bildung der Rüsselspitze von Termitoxrenia mirabilis © Fig. 8). 602 E. Wasmann, 1-articulati, seta longa apicali instructi. Antennae 5-articulatae, art. 2° maximo, globoso, 3—5 parvis et angustis, ultimo seta apieali longa vel simpliei vel multifida instructo. Oculi mediocres, infra in lateribus capitis positi. Ocelli minimi!, in capitis vertice sit. Prothorax an- gustus, oblongus, convexus, sub angulo basali externo utrim- que appendice mobili (plerumque erecto), vel stiliformi vel hamiformi munitus. Meso- et metanotum sub abdominis basi oc- eulta. Abdomen infra recurvatum, ano antrorsum directo, peramplum in ©, modice inflatum in g!. Alae nullae in utro- que sexu. Pedes robusti, coxis magnis, conieis, prominentibus; femori- bus subelavatis; tarsis 5-articulatis, art. 1° omnium elongato, anterio- rum 1° insuper dilatato in utroque sexu. Corpus sat longe setosum, setis omnibus nudis praeter setam apicalem antennarum in illis speciebus, quae setam illam habent simplicem (haud multifidam) (Fig. 12—15). — Vietus: in nidis termitum Africae meridionalis et Indiae orientalis; parasiticus, ut ex forma elongata labii, apice fissi et acuti, setas corneas acutas includente, conjicere licet. Il. Conspectus specierum. I. Seta apieali antennarum simpliei (Fig. 1, 4, 5, 12, 13); appen- dices thoracales recti, stiliformes (Fig. 11). a. Caput (e latere visum) latitudine dimidio tantum longius (Fig. 4). Antennarum artieuli 3—5 latitudine sensim decrescentes, 5% duplo longior 4°, apicem versus sensim attenuatus, proin a seta apicali vix distinetus (Fig. 12). Articulus basalis labii longitudine aequalis apieali (Fig. 4). Long corp.: g' 1,5: © 1,6—2 mm. — Habitat in Africa meridionali (Natal): hospes: Termes latericius Havil. . 1. Termitozenia Havilandı. b. Caput (e latere visum) latitudine plus duplo: longius (Fig. 1, 5). Antennarum articuli 3—4 perbreves, 5" multo angustior et triplo longior 4°, apicem versus vix attenuatus, proin a seta apicali distinete divisus (Fig. 13). Articulus basalis labii lon- gitudine subaequalis apieali (Fig. 1, 5). Long. corp.: Q 2— 2,2 mm. — Habitat in India orientali (Ahmednagar-District); hospes: Termes obesus Ramb. .... . 2. Termitoxenia Heimi. II. Seta apicali antennarum multifida (Fig. 2, 6, 7, 14, 15). a. Appendices thoracales apice eurvati, hamiformes (Fig. 2). Minor; caput (e latere visum) latitudine vix longius (Fig. 2, 6). ! Erst bei 50- bis 100facher Vergrößerung deutlich sichtbar. Termitoxenia, ein neues flügelioses, physogastres Dipterengenus etc. 603 Antennarum articuli 3—5 sat robusti, latitudine subaequales; 5" Jatitudine dimidio longior, apicem versus haud attenuatus, a seta apieali distinete divisus (Fig. 14). Articulus basalis labii brevior apieali (Fig. 2, 6). Long. corp.: g' 1, @ 1,5—1,5 mm. — Habitat in Africa meridionali (Natal); hospes: Termes vul- sHaularrn Nase... 3. Termitoxenia mirabilıs. b. Appendices thoracales subrecti, stiliformes. Major; caput (e latere visum) latitudine fere duplo longius (Fig. 7). Anten- narum articuli 3—5 multo tenuiores, latitudine inter se aequa- les; 5% latitudine plus duplo longior, apice sensim attenuato, a seta apicali haud distinetus (Fig. 15). Articulus basalis la- bii longior apicali (Fig. 7). Long. corp.: @ 2 mm. — Habi- tat in Africa meridionali (Oranje-Freistaat); hospes: Termes aaa asin. ia... 4. Termitoxzeria Braunsı. Ill. Äußere Morphologie der Gattung Termitoxenia. Habitus. — Durch die eigenthümliche Form des sehr dicken, ganz membranösen Hinterleibes, welcher nach unten und vorn eingebogen ist, so dass die Spitze desselben mit der Analöffnung zwischen die Hinterhüften hineinragt (Fig. 1, 2), schon auf den ersten Bliek von allen übrigen Gattungen der Stethopathiden leicht zu unter- scheiden. Diese Dipterengattung erinnert lebhaft an die physoga- stren termitophilen Aleocharinengattungen Corotoca und Spirachtha SCHIÖDTE’s, bei denen der sackförmig verdickte Hinterleib ebenfalls stark zurückgebogen ist, aber in entgegengesetztem Sinne, nämlich nach oben und vorn, nicht nach unten und vorn. Die Biegungs- form des Hinterleibes von Termitoxenia hat daher eigentlich noch größere Ähnlichkeit mit der Hinterleibsgestalt des Männchens der merkwürdigen Myrmicidengattung Anergates For., jedoch mit dem Unterschied, dass der Hinterleib auch bei den © von Termitoxenia von derselben Biegungsform wie bei den g', aber bedeutend umfangreicher ist. Zum Habitus von Termitoxenia gehört auch noch die ganz chiti- nöse Bildung von Kopf und Halsschild, wodurch diese Thiere eine neue Ähnlichkeit mit Staphyliniden und Unähnlichkeit mit Dipteren erhalten. Die Form sowie die glänzende glatte Skulptur von Kopf und Prothorax jenes Dipterengenus waren wenigstens für mich ein Hauptmoment, das bei seinem ersten Anblick dazu verführte, das Thier für eine Aleocharine zu halten. Auch die unten näher zu beschreibenden sonderbaren Appen- dices thoracales bilden ein wesentliches Element im Habitus von Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bd. = 40 604 E. Wasmann, Termitozxenia. Sie bieten keine Ähnlichkeit mit Flügeln oder Hal- teren. Ihre Länge und ihre theils kolbenförmige (Fig. 1 und 11), theils hakenförmige (Fig. 2) Gestalt legen die Vermuthung nahe, dass sie als Transportorgane dienen, an denen diese Gäste von ihren Wirthen bequem erfasst und weiter getragen werden können. Färbung. — Kopf und Halsschild sind chitinös, hart, pechbraun bis schwarzbraun, glänzend. Der Mund mit Ausnahme der weißen, pechbraun gerandeten Oberlippe und des pechbraunen Basalgliedes der Unterlippe ist gelb, eben so auch die Fühler. Die Beine sind heller oder dunkler pechbraun, die Tarsen gelb. Der Hinterleib ist sanz häutig, weiß, glanzlos. Kopf. — Er ist schmal, von oben gesehen oval bis langoval oder fast dreieckig, von der Seite gesehen quadratisch, rechteckig, langelliptisch oder fast dreieckig (vgl. die Kopfformen bei der deutschen Beschreibung der Arten [IV] und auf den Abbildungen Fig. 02 3—7). Die relativen Längenverhältnisse des Kopfes geben, wie bereits in der lateinischen Tabelle der Arten angedeutet wurde, wichtige Unter- scheidungsmerkmale der Species ab. Die spitz schnabelförmig ver- längerte, meist nach vorn ausgestreckte und leicht nach oben gebogene Unterlippe, welche nicht gekniet ist, giebt dem Kopfe von Termi- toxenia in der Profilansicht eine sonderbare Ähnlichkeit mit einem Vogelkopfe. Die Augen sind ziemlich groß, aber für eine Diptere auffallend klein und offenbar reducirt, mit zahlreichen, ziemlich gro- ben Facetten. Sie stehen seitlich ziemlich tief unten an der Mitte des Kopfes und haben einen fast rhombischen Umriss und nur eine schwache Wölbung. Nebenaugen fehlen scheinbar; sie sind näm- lich so stark redueirt und so klein, dass sie erst bei starker Ver- srößerung sichtbar werden; sie liegen weit hinten auf dem Scheitel (Fig. 9) und sind schwach gewölbt. Fühler (Fig. 1, 2, 3—7, 12—15). — Dieselben sind ziemlich klein und stehen am oberen Vorderrande des Kopfes, nämlich im hinteren Oberrande eines tiefen Ausschnittes, der die Stirn von der Oberlippe trennt; ihre Basis steht sehr nahe an einander und wird von einem dreieckigen Stirnvorsprunge von oben überragt. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigen sie sich als deutlich fünfgliederig, mit ge- bogenem, stielförmigem Basalglied und großem, kugelförmigem zwei- tem Gliede; die folgenden Glieder sind sehr klein und schmal, bei den verschiedenen Arten verschieden gebildet (vgl. die Tabelle p. 602). Das Endglied trägt eine lange Apicalborste, welche entweder einfach Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus etc. 605 oder verästelt (ährenförmig verzweigt) ist; im ersteren Falle ist sie dieht und fein behaart, im letzteren Falle kahl. Mundtheile (Fig. 1, 2, 3—7). — Das Untergesicht ist vorgezogen. Die Kiefertaster, welche an der Grenze der Wangen und des Unter- gesichtes entspringen, sind groß, eingliedrig, spindelförmig (nicht kolbig wie bei den anderen Stethopathiden); sie tragen eine lange, nackte Endborste und mehrere mittellange, nackte Seitenborsten; bei T. Havilandıi sind sie relativ am größten, bei 7. Heimi relativ am kleinsten. Die Unterlippe weicht ganz ab von den übrigen Stethopathiden; sie ist lang schnabelförmig, leicht nach oben ge- bogen (nicht knieförmig nach unten gerichtet), von der Länge des halben Kopfes oder darüber, zweigliedrig, das Basalglied gleich lang wie das Endglied oder länger oder kürzer, je nach der betreffen- den Species (vgl. die Tabelle p. 602). Das Basalglied ist einfach, nur mit einer Mittelfurche, das Endglied dagegen bis zu seiner Basis gespalten, die Spitzen schwach hornig. Bei Druck auf das Endglied und stärkerer Vergrößerung zeigt sich, dass die beiden Spitzen nicht einfach sind, sondern mehrere längere und kürzere Stechborsten in einer halb membranösen Scheide einschließen (vgl. die Rüsselspitze von Termitoxenia mirabilıs Q Fig. 8). Die Oberlippe ist weiß, breit schildförmig, schwach konvex, mit braunen, dick chitinösen Seiten- rändern. In der Mitte der Basis der Oberlippe entspringt ein schma- ler, beweglicher, griffelförmiger Fortsatz, dessen Spitze häutig ist; er ist nur scheinbar zweigliederig, indem die häutige Spitze schmäler ist und durch eine Ausbuchtung des Vorderrandes scharf abgesetzt erscheint. Der Rücken des Griffels ist chitinös und endigt in eine scharfe Spitze, die unter dem häutigen Ende desselben verborgen ist; die Vorderseite des Griffels ist membranös. Seine Länge beträgt 2/, bis 3/, der Rüssellänge; bei 7. Braunst ist er relativ am längsten. Näheres später bei der Anatomie von Termitozenia. Der Kopf ist hinten stark eingeschnürt und durch einen sehr kurzen, dünnen Hals mit dem Prothorax verbunden. Der Prothorax ist ein wenig länger, bei 7. Heimi dagegen kürzer als der Kopf, und etwas breiter als dieser, oben gleichmäßig schwach gewölbt oder etwas eingedrückt, glatt. Unmittelbar unter den Hinterecken entspringt, am hinteren Ende einer Randfurche des Prothorax, jederseits ein langer, kolbenförmiger oder hakenförmiger Griffel, den ich als Appendix thoracalis bezeichne. Er hat unge- fähr die Länge des Prothorax oder ist (bei 7. mirabilis) sogar be- deutend länger, und in situ steil aufgerichtet. Bei mikroskopischer 40 | 606 E. Wasmann, Untersuchung erweist er sich als aus einem Doppelstiel und aus drei srößeren Stücken bestehend, aus einem inneren und einem äußeren Längsstück und einem kürzeren Basalstück unterhalb des inneren Längsstückes. Das innere Längsstück ist kürzer als das äußere und fein und kurz bewimpert, ähnlich wie ein Dipterenflügel. Das äußere Längsstück ist mit Längsreihen langer schwarzer Borsten besetzt; es ist an der Spitze entweder einfach gerundet oder (bei 7. mirabilis) hakenförmig gebogen. Über die muthmaßliche biologische Bedeu- tung dieser Appendices thoracales siehe oben (p. 604). Vgl. auch die Abbildungen (Fig. 1, 2, 11). Meso- und Metanotum klein, durch das erste Abdominalsegment oben verdeckt. Der sehr dicke Hinterleib (Fig. 1, 2) ist, besonders beim ©, stark quergewulstet. Der erste dieser Wülste ist schmäler als die übrigen und bietet bei oberflächlicher Betrachtung den An- schein, als ob er einen Abdominalstiel bilde. Die Schnittserien be- weisen jedoch leicht die Irrthümlichkeit dieser Auffassung. Auch das ganze Profil des Hinterleibes mit seinen zahlreichen Wülsten und Vor- sprüngen zeigt sich am schönsten und klarsten an Sagittalschnitten. Diese zeigen auch, dass der Hinterleib von Termitoxenia in nach unten vorgebogener Stellung völlig verwachsen ist, eben so wie der Hinterleib von Corotoca und Spirachtha in nach oben vorgebogener Stellung verwachsen ist. Die sackartige Verwachsung beginnt mit dem dritten Segmente und umfasst mehr als 3/, des gesammten Hinter- jeibsvolumens; nur die ersten zwei und die letzten drei Segmente sind deutlicher abgegrenzt. Die drei letzten Segmente bilden die Hinterleibsspitze, welche von der Mitte oder dem vorderen Drittel der Ventralseite aus zapfenförmig gegen die Hinterhüften hin vorragt. Auf die Bildung dieser Segmente werde ich bei den äußeren Ge- schlechtsunterschieden zurückkommen. Die Beine! (Fig. 1, 2, 16—19) sind kräftig und schlank. Die Hüften, besonders die Vorderhüften, ragen lang kegelförmig vor. Die Vorderschenkel sind relativ kurz, fast parallelseitig, die Mittel- und Hinterschenkel viel länger, schwach keulenförmig verdickt. Die Vorderschienen sind kurz, fast parallelseitig, die Mittel- und Hinter- ! Zur mikroskopischen Untersuchung derselben habe ich hauptsächlich Termitoxenia Havilandi gewählt. Aber auch bei den übrigen drei Arten ist die 3ildung der Beine ähnlich. Am längsten und kräftigsten sind sie bei 7. Heimi, bei der auch die Vorderschenkel verdickt und das erste Tarsalglied der Vorder- füße außen länger und dichter hehaart ist (Fig. 1, 19). Die längsten Hüften hat T. Braunsi. Termitoxenia. ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. 607 schienen viel länger, gegen die Spitze schwach verbreitert; die Vorderschienen sind ohne Endsporn, die Mittel- und Hinterschienen mit sehr dünnem, einfachem Endsporn. Die fünfgliederigen, schlan- ken Tarsen haben sämmtlich ein stark verlängertes erstes Glied, das, besonders an den vier hinteren Füßen, fast so lang ist wie alle übrigen zusammen; an den Vorderfüßen ist es überdies verbreitert, und zwar bei beiden Geschlechtern. Glied 2 bis 4 sind länglich viereckig, unter sich an Länge wenig abnehmend. Das Klauenglied ist doppelt so lang als das vorhergehende und trägt an der Spitze zwei kurze, einfache, bis zur Basis weit getrennte, stark gekrümmte Klauen, welche an ihrer Basis schwach zahnförmig erweitert sind; vor der Klauenbasis steht jederseits ein gerader, dicker, kolben- förmiger Haftlappen, welcher so lang ist wie die Klaue (Fig. 18, 19). Die Behaarung des Körpers besteht aus abstehenden braunen oder gelbbraunen Borsten, die am Kopfe spärlich, an den Prothorax- seiten noch spärlicher, an den Beinen, den Tastern, den Appendices thoracales und dem Hinterleibe zahlreicher stehen. Die Börstchen des Hinterleibes sind etwas feiner als die übrigen. Sämmtliche Bor- sten sind nackt, mit Ausnahme der Apicalborste der Fühler bei jenen Arten (7. Havilandi und Heimi), welche eine einfache (nicht verästelte) Apicalborste haben (Fig. 12, 13). Hierdurch wird WANDOL- LECK’S Angabe über die Nacktheit der Borsten bei den Stethopa- thiden bestätigt; es ist unmöglich, dieselbe mit MıX! auf Verlust der Härchen beim Macerationsverfahren zurückzuführen, da ich bei meinen Präparaten keine Maceration angewandt habe, und zudem die Be- haarung der Apicalborste der Fühler bei 7. Havilandı und Heımi stets völlig erhalten blieb. Ich kann daher Herrn Mıx bestimmt ver- sichern, dass die Makrochaeten des Kopfes und der Taster bei Termı- toxenia wirklich absolut nackt sind. — Die Borsten des Hinter- leibes entspringen aus je einer cylindrischen, vorragenden Papille; jene des übrigen Körpers aus Poren des Hautskelettes. Die Beine von Termitoxenia haben außer den langen Borsten noch eine feine, mehr anliegende Behaarung auf der Innenseite der Schienen und Tarsen. An den Mittelbeinen besitzt die Innenseite des ganzen ersten Fußgliedes eine aus dichten, dieken, zugespitzten, fast stachelförmigen Borsten bestehende kammartige Behaarung (vgl. Fig. 17). | Äußere Geschlechtsunterschiede. — Dieselben bestehen ı Wien. Entomol. Zeitung 1898 p. 205 und 1899 p. 96. 608 E. Wasmann, hauptsächlich in dem verschiedenen Volumen des Hinterleibes und der Form der Analsegmente. Der Hinterleib der g' ist relativ viel kleiner als jener der © (Fig. 1) und ist viel schwächer gewulstet. Beim g' ist nur der erste Dorsalwulst hoch und deutlich, alle übrigen verwischt; das @ hat dagegen drei bis fünf hohe Dorsalwülste, die durch tiefere oder seichtere Furchen getrennt sind. Der durch die drei Analsegmente gebildete stumpf kegelförmige Zapfen ist beim g! er- heblich länger und stärker verjüngt als beim ©. Beim © findet sich überdies auf dem hinteren Theile der Ventralseite des Hinterleibes eine lange schmale Hautfalte (vgl. Fig. 1), welche vor der zapfen- förmigen Hinterleibsspitze endigt. Bei jenen ©, welche ein bereits reifes Ei haben, liegt dasselbe auf der Innenseite jener Hautfalte, welche dadurch fast ganz abgeflacht wird. Die Hautfalte dient so- mit zur Vergrößerung des Hinterleibsvolums wegen der relativ riesi- sen Größe der reifen Eier von Termitoxenia. Diese Eier werden in dem Abschnitt über Biologie (V) näher beschrieben werden. Systematische Stellung und Verwandtschaft. — Die Zu- gehörigkeit von Termitozenia zu den Stethopathiden gründet sich auf den Habitus, auf die Reduktion des Thorax, auf die Reduktion der Augen, auf die Bildung der Fühler und der Beine, besonders aber auf die kahlen Makrochaeten. Abweichend ist die Bildung der Unter- lippe, die bei Termitozenia einen langen spitzen, zweigliederigen Rüssel darstellt!, und die Form der Taster, welche spindelförmig, nicht schlauchförmig sind und eine bei den Stethopathiden fehlende lange Apicalborste haben. Ferner weicht sie ab durch den Besitz der Appendices thoracales, die bei den Stethopathiden fehlen, end- lich durch die Bildung des nach unten und vorn eingebogenen, sack- förmig verwachsenen Hinterleibes und. die aus drei Analsegmenten bestehende Hinterleibsspitze. Ob man dennoch Termitozenia bei den Stethopathiden belassen oder eine eigene neue Familie oder Unter- familie auf jene merkwürdige Gattung gründen solle, wage ich nicht zu entscheiden. Wegen des Besitzes von Appendices thoracales könnte man viel- leicht an eine Verwandtschaft von Termitoxenia mit der südafrika- nischen Phoridengattung Psyllomyva H. Loew? denken, welche »Flügel- stummel« besitzt. Eine gewisse Ähnlichkeit findet sich wohl in der ! Einen ähnlichen Rüssel haben unter den Phoriden nur die Gattungen Psyllomyia H. Loew und Dorniphora Dahl. ° Wien. Entomol. Monatsschr. I. 1857. Nr. 2. p. 54—56 u. Taf. I, Fig. 22 bis 25. Termitoxenia, ein neues flügelloses. physogastres Dipterengenus etc. 609 Form des Kopfes, des Rüssels, der Fühler und der Taster; aber zwi- schen den Flügelstummeln von Psyllomyia und den Appendices thora- cales von Termitozenia ist keine nähere Beziehung vorhanden, da erstere die Form kleiner Deckflügel, mit Andeutung von Längsrippen haben und in normaler Stellung auf dem Hinterleibsrücken aufliegen. In der Bildung des Hinterleibes, die bei Psyllomyra normal ist, findet sich nicht die geringste Ähnlichkeit. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei Termitoxzenia die Fühler am hinteren Oberrande eines tiefen Kopfausschnittes stehen, welcher die Stirn weit von der Oberlippe trennt. Das wesentliche Merkmal der Phoriden »antennae ad aper- turam oris insertae« kann daher auf Termitoxenia nicht die ent- fernteste Anwendung finden. Ferner muss auf die Verschiedenheit der Makrochaeten des Kopfes bei Termitozenia und den Stethopathiden einerseits und bei den Phoriden andererseits aufmerksam gemacht werden. Bei letzteren sind sie dicht behaart, bei ersteren kahl. Wenn man auf den Bau der Makrochaeten bei den Dipteren in der heutigen Systematik so großes Gewicht legt, wird man konsequentermaßen auch aner- kennen müssen, dass die Abgrenzung der Stethopathiden WANDOoL- LECK’sS als eigener Familie völlig berechtigt ist. IV. Beschreibung der Termitoxenia-Arten. Als Ergänzung der Diagnosen, die in dem Conspectus spe- cierum (oben p. 602) gegeben wurden, füge ich hier die näheren Be- schreibungen bei. Die bereits in der morphologischen Beschreibung der Gattung erwähnten Merkmale werden hier nicht wiederholt. 1. Termitoxenia Havilandi Wasm. (Fig. 3, 4, 11, 12, 16—18). Peehbraun, mit weißem Hinterleib. Kopf mäßig lang, von der Seite gesehen fast rechteckig, und kaum um die Hälfte länger als breit!. Der Rüssel (die Unterlippe) mäßig verlängert, genau von der halben Länge des übrigen Kopfes; Basalglied der Unterlippe von der Länge des Apicalgliedes. Fühlerborste einfach (nicht verästelt), in ihrer unteren Hälfte sehr fein und kurz behaart. Fühlerglied 3 bis 5 an Länge allmählich abnehmend, 3 quadratisch, 4 um die Hälfte länger als breit, 5 sehr lang und schmal kegelförmig, doppelt so lang als 4, wegen der allmählichen Verschmälerung gegen die Spitze kaum 1 Selbstverständlich ist die Rüssellänge in dieser Längenangabe nicht mitgerechnet. 610 E. Wasmann, sichtbar von der Endborste abgesetzt. Thoracalanhänge gerade, kolben- förmig, von der Länge des Prothorax. Wegen der mäßig dunklen Färbung des Kopfes heben sich die schwarzen Augen an den Präpa- raten des Kopfes bei durchfallendem Lichte scharf ab. 9! 1,5 mm; O 1,6—2 mm lang. 2. Termitoxenia Heimi Wasm. (Fig. 1, 5, 13, 19). Dunkel pechbraun, mit weißem Hinterleib. Die schlankste aller vier Termitoxenia-Arten. Kopf stark verlängert, von der Seite ge- sehen lang elliptisch, reichlich doppelt so lang als breit. Der Rüssel kaum von der halben Länge des übrigen Kopfes, das Basalglied von der Länge des Apicalgliedes.. Fühlerborste einfach (nicht verästelt), in ihrer unteren Hälfte sehr fein und kurz behaart. Fühlerglied 3 und 4 sehr kurz, stark quer, 5 viel schmäler und dreimal so lang als 4, fast eylindrisch, mit nur wenig verengter Spitze, und daher von der Endborste sehr deutlich abgesetzt. Thoracalanhänge gerade, spitz kolbenförmig, kaum länger als der Prothorax. Obwohl der Kopf dunkler pigmentirt ist als bei der vorigen Art, so hebt sich doch das schwarze Auge bei durchfallendem Lichte noch deutlich ab. Nur © bekannt. 2—2,2 mm lang. Bei 7. Heimi ist die Oberfläche des Halsschildes ein wenig ein- gedrückt und hinten in der Mitte der Basis mit einem kleinen Längs- kiele versehen. Wegen der großen Länge des Kopfes stehen die Ocellen bei ihr nicht am Hinterkopfe, sondern etwas hinter der Kopfmitte. 3. Termitoxenia mirabilis Wasm. (Fig. 2, 6, S—10, 14). Dunkel pechbraun, mit weißem Hinterleib. Die kleinste und ge- drungenste der vier Arten. Kopf von der Seite gesehen fast quadra- tisch, kaum länger als breit. Der Rüssel deutlich länger als die Hälfte des übrigen Kopfes, dicker als bei den übrigen Arten, besonders das Basalglied; dieses ist um !/, kürzer als das Apicalglied. Fühlerborste mit langen Seitenästen, unbehaart. Fühlerglied 3 bis 5 relativ größer als bei den übrigen Arten, an Breite kaum abnehmend, 3 schwach quer, 4 quadratisch, 5 um die Hälfte länger als 4, walzenförmig, doppelt so lang als breit, gegen die Spitze gar nicht verengt (©); daher ist die Basis der Fühlerborste hier sehr scharf und deutlich abgesetzt. Thoracalanhänge sehr lang, fast von der doppelten Länge des Prothorax, an der Spitze hakenförmig gebogen. Auch hier sind trotz der ziemlich dunklen Pigmentirung des Kopfes die Augen bei Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. 611 durehfallendem Lichte deutlich sichtbar. 91mm; © 1,5—1,5 mm lang. | Beim g' sind Fühlerglied 3 und 4 etwas mehr quer, 5 an der Spitze etwas verengt, so dass die Basis der Fühlerborste nicht so scharf sich absetzt wie beim ©. Der Hinterleib des © ist fast kugelförmig. 4. Termitoxenia Braunsi Wasm. (Fig. 7, 15). Pechschwarz, mit weißem Hinterleib. Die breiteste und kräftigste der vier Arten. Kopf von der Seite gesehen nicht ganz doppelt so lang als breit, sehr hoch, daher mit fast dreieckigem Profil. Rüssel relativ sehr lang, nur wenig kürzer als der ganze übrige Kopf; das Basalglied fast um die Hälfte länger als das Apicalglied. Fühlerglied 3 bis 5 kleiner als bei 7. mirabelis, an Breite unter sich kaum ver- schieden; 3 und 4 quer, 5 cylindrisch, mehr als doppelt so lang als 4, nahe der Spitze rasch verengt, so dass das Endglied fast unmerk- lich in die Basis der Endborste übergeht. Thoracalanhänge schwach sekrümmt, kolbenförmig, um die Hälfte länger als der Prothorax. Der Kopf ist so dicht und so dunkel pigmentirt, dass man bei durchfallen- dem Lichte die Umrisse der Augen nur dann einigermaßen wahrnehmen kann, wenn man zur Beleuchtung direktes Sonnenlicht oder elektri- sches Licht verwendet. Auch die Beine sind bei dieser Art am dunkelsten, pechschwarz, einschließlich des ersten Tarsengliedes. Bis- her lag nur ein © vor; 2 mm lang. V. Zur Biologie von Termitoxenia. Von den drei Gattungen der Stethopathiden, welche WANDOLLECK beschrieben hat, ist die CooX’sche Gattung! ein Ektoparasit auf 1 Zu dieser Gattung ist zu bemerken, dass dieselbe nach ihrer »Benennung« dureh Herrn Prof. Cook den Autornamen WANDOLLECK’s und nicht jenen CooX’s zu tragen hat. Die »amtliche Instruktion«, nach welcher Cook »gehalten ist, für die Wissenschaft neue Thiere, die er einem fremden Gelehrten zur Bearbeitung . gegeben, selbst zu benennen«<, kann den allgemein angenommenen Nomenklatur- gesetzen gegenüber keine Bedeutung haben, falls die betreffende Gattung that- sächlich durch einen Anderen beschrieben ist. Denn die erste »Originalbeschrei- bung« stammt von WANDOLLECK; Cook’s »amtliche Diagnose< wird nur einen Auszug aus derselben enthalten. Da aber der Autorname, dem Gattungsnamen beigefügt, nichts Anderes bedeutet als ein abgekürztes Citat der Originalbeschrei- bung, so scheint es klar zu sein, dass die neue Gattung, welche Cook mit einem >Namen« belegen will, als Autornamen jenen WANDOLLECK’s zu tragen hat, wenn er nicht etwa »CooOK-WANDOLLECK« heißen soll, wobei »Cook« nur auf den Gattungsnamen, »WANDOLLECK« auf die Gattungsbeschreibung zu beziehen wäre. Dieser Fall ist offenbar ein ganz anderer als jener, wo der von dem ersten 612 E. Wasmann, lebenden Landschnecken in Liberia. Die Parasiten scheinen von dem Schleime ihrer Wirthe sich zu nähren. Sie sind sehr gute Läufer. Bei Beunruhigung verlassen sie schnell ihren Wirth, um später wieder zurückzukehren. Die Gattung sStethopathus Wandoll. (Puhciphora Dahl) wurde von Daur auf Ralum (Bismarckarchipel) »an Aas« ge- fangen; eben so fand sie sich zugleich mit anderen Aasfressern auf der aasduftenden, fast bodenständigen Blüthe von Amorphophallus, einer Aroidee. Auch die dritte Gattung, Chonocephalus Wand., welche DaAur irrthümlich für das g' von Pulciphora ansah, wurde von ihm auf Ralum an Aas gefangen. Dan hält sie daher »entschieden für Aasfresser« !, was sich, wie WANDOLLECK bemerkt, wohl nur auf die Larven beziehen kann. Dagegen sind die vier Arten der Gattung Termitozenia gesetz- mäßige Termitophilen. Die Wirthe der einzelnen Arten sind be- reits in der obigen Bestimmungstabelle (p. 602) angegeben. Diese merkwürdigen Dipteren leben stets im Innern der Termitenbauten bei der Termitenbrut. Herr G. D. HAvILAnD schrieb mir (aus Shivyre, Natal, 10. I. 99) über seine Funde von Termitoxenia Havılandı und mirabilıs: »The Dipterous-like or flea-like insect from nests of Termes latericius and vulgaris is very common. In one of the tubes (ent- haltend Termes latericius mit Termitozenia Havilandı) You will find eggs. The eggs of the termites are shorter and bent and have very large vitelline globules.. There are other eggs, straighter and more elongate;, can these be the eggs of this flea?« Diese Eier müssen in der That der Termitoxenia Hnsland Zu- geschrieben werden. Sie befanden sich leider, da sie durch das Schüt- Beschreiber gegebene Gattungsname von einem zweiten Autor geändert wird, weil der erste Name sich als bereits vergeben und daher unbrauchbar erweist. In letzterem Falle wird der erste Gattungsname mit Recht bloß als Synonymum unter den zweiten gestellt. Aber der Name »Coox’sche Gattung« kann offenbar kein Synonym zu einem anderen Gattungsnamen bilden, da er gar kein Gattungs- name im Sinne der binären Nomenklatur ist. Daher muss der von Cook zu wählende Gattungsname als erster betrachtet und desshalb mit WANDOLLECK als Autornamen verbunden werden. ıi Hier sei eine Bemerkung beigefügt über die von DAHL in den Sitzungs- berichten der kgl. preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, II. III, 16. Jan. 1896, p. 17—30 veröffentlichte Arbeit »Vergleichende Untersuchungen über die Lebensweise der Aasfresser«. Der Inhalt derselben ist trotz ihres an- spruchsvollen Tones recht unbedeutend und bekundet eine große Unkenntnis der entomologischen Litteratur, insbesondere iiber die Biologie der Coleopteren. Die statistische Methode zur Erforschung der Biologie der Insekten ist keines- wegs von DAHL zuerst angewandt worden, sondern bereits von anderen deut- schen Forschern vor ihm, und zwar mit viel nennenswertherem Erfolge. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. 613 teln im Alkohol gelitten hatten, nieht mehr in geeignetem Zustande für mikroskopische Schnitte. Ich gebe daher nur die Abbildung ihrer Umrisse zum Vergleich mit den Eiern von Termes latericius in fünfzig- facher Vergrößerung (vgl. Fig. 20—23). | Maße /mikro- Termitoxenia-Eier (Fig. 20, 21) | Termiten-Eier (Fig. 22, 23) skopisch Länge |1,15mm |1 mm | Länge | 0,75 mm | 0,7 mm gemessen) | Breite |0,4 > 0,43 » || Breite | 0,37 > 0,33 >» j Ihre Färbung ist dunkel dottergelb, während die Termiteneier fast rein weiß sind. Auffallend ist ihre bedeutende Größe im Ver- gleich zur Kleinheit jener Dipteren. Auch Termitozenia Braunsi lebt sehr zahlreich im Innern der Termitennester, bei der wegen ihrer »Schornsteinbauten« als Termes tubicola von mir beschriebenen Art. Dr. Hans Brauns hatte bei Bothaville (Oranje-Freistaat) eines dieser Nester, welches eine Menge Gäste aus den verschiedensten Klassen und Ordnungen der Arthro- poden enthielt, völlig ausgraben lassen. Hierbei fanden sich die Termitoxenia Braunsi besonders zahlreich in der Nähe der königlichen Zelle, wo viele Termiteneier waren. Auch Termitoxenia Heimi hat dieselbe Lebensweise. Sie wurde von meinem Freunde Rev. F. Heim, S. J. im Innern der Nester von Termes obesus Ramb. bei Wallon im Ahmednagar-Distrikt (Mittelindien) sefunden, und zwar bei der Brut der Termiten in Gesellschaft des interessanten scheibenförmigen Staphyliniden Termitodiscus Heimi Wasn.'. | Wie die ganz hornige Struktur des Vorderkörpers von Tu i.- fozenia, So ist auch die rein membranöse Struktur ihres Hinterleibes mit der Einkrümmung und völligen Verwachsung der mittleren Seg- mente und dem namentlich beim © sehr voluminösen Umfang des Abdomens eine Anpassung an die termitophile Lebensweise, welche - diesen Thieren eine so auffallende habituelle Ähnlichkeit mit den physogastren Aleocharinen verleiht. Da ich bereits an anderer Stelle? die biologische Bedeutung der Physogastrie bei Termitengästen, bei denen sie sich in höherem Grade findet als bei irgend welchen ande- ren Insekten, näher erörtert habe, beschränke ich mich hier auf einige 1 Vgl. Neue Termitophilen und Myrmekophilen aus Indien. Deutsche Ent. Zeitschr. 1899. I. p. 145—169 u. Taf. I u. 1. 2 Die Myrmekophilen und Termitophilen. Leiden 1896. (Compt. Rend. III. Congr. Intern. d. Zool.) p. 423—425. 614 E. Wasmann, ergänzende Bemerkungen, die durch den Vergleich der physogastren Aleocharinen mit Termitoxenia nahe gelegt werden. Die Physogastrie bei Termitengästen kann eine doppelte Ursache haben. Entweder beruht sie bloß auf einer Hypertrophie des Fett- körpers oder zugleich auch auf einer Hypertrophie der Sexualdrüsen. Erstens ist der Fall bei den Larven der termitophilen Laufkäfer Orthogonius Schaumi und G/lyptus sculptilis, welche in der ersten Jugend ziemlich schmal und parallelseitig sind wie andere Carabiden- larven, unter dem Einfluss der Termitenpflege aber nach und nach einen immer diekeren Hinterleib bekommen, bis sie schließlich flaschen- förmig werden und jungen Termitenköniginnen gleichen. Die Hyper- trophie der Sexualdrüsen als nächste Ursache der Physogastrie zeigt sich namentlich bei den viviparen brasilianischen Aleocharinengat- tungen Corotoca und Spirachtha, in noch weit höherem Grade jedoch bei den befruchteten Termitenköniginnen selber, deren Hinterleib eine relativ riesige Größe erreichen und Millionen von Eiern produciren kann. Bei den erwähnten physogastren Larven termitophiler Lauf- käfer, wie bei den physogastren Aleocharinen scheint somit die Physo- sastrie eine mittelbare Folge der Ernährungsweise jener Gäste durch ihre Wirthe zu sein. Dass die physogastren Aleocharinen aus dem Munde ihrer Wirthe gefüttert werden, kann man den meisten Arten auch an den Mundtheilen ansehen, indem die Lippentaster reducirt, die Zunge dagegen sehr breit löffelförmig und manchmal noch mit eigenthümlichen zapfenförmigen Anhängseln (bei Termitobia und Termitochara) versehen ist; hierzu kommt noch eine abnorme Größe der Kiefertaster, deren drittes Glied dick kolbenförmig ist und von den sehr stark entwickelten Muskelbündeln des zweiten Gliedes in kräftige Aus- und Einbewegung versetzt werden kann, um durch Schläge mit den Kiefertastern die Termiten zur Fütterung aufzufor- dern!. Da bei diesen Thieren die Physogastrie mit ihrer Symphilie wesentlich zusammenhängt, gewinnt die erstere den Charakter eines morphologischen Kriteriums für die letztere, wie ich bereits früher ausgeführt habe. Bei Termitozenia ist die Verdiekung des Hinterleibes der Weib- chen viel stärker als der Männchen; sie hängt hier offenbar mit der Hypertrophie des Eierstockes der ersteren und mit der ungewöhnlichen Größe ihrer Eier zusammen?. Eine Fütterung dieser kleinen Dipteren ! Vgl. hierzu die Fig. 1 auf p. 422 der »Myrmekophilen und Termitophilen«. 2 An den Schnittserien fünf erwachsener Q@ von Termitoxenia Havilandı waren zwei sehr große Eier (neben anderen kleineren‘ zu sehen. An Schnittserien Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus etc. 615 von Seite der Termiten ist jedoch nicht anzunehmen, da ihre Mund- theile einen Stechrüssel bilden, der mit Sicherheit darauf hinweist, dass sie ihre Nahrung als Ektoparasiten aus der Termitenbrut beziehen. Dass sich bei ihnen trotzdem die Physogastrie so stark entwickelt, dürfte seinen Grund wahrscheinlich darin haben, dass sie dieselben Nahrungsstoffe (hauptsächlich Speicheldrüsensekrete der Ammen), welche die Physogastrie bei den von den Termiten gefütter- ten Thieren bewirken, auf parasitischem Wege aus der Termitenbrut aufnehmen. Die sonderbaren Thoracalanhänge von Termitozxenia, deren biologische Bedeutung darin zu bestehen scheint, dass sie als bequeme und für die Gäste ungefährliche Handhabe beim Transporte derselben durch ihre Wirthe dienen (ähnlich wie z. B. die Fühler- formen der Paussiden), deuten übrigens zugleich mit dem gesammten Habitus dieser Dipteren darauf hin, dass sie trotz ihrer parasitischen Ernährungsweise zugleich auch zu den echten Gästen (Symphi- len) der Termiten gehören. Eine ähnliche Verbindung von Symphilie mit Parasitismus kommt ja auch bei manchen myrmekophilen Mikro- hymenopteren (Solenopsia und Tetramopria Wasm.!) sowie bei einer südafrikanischen Chaleidiergattung nach BrAuns? vor; eben so auch bei den am Fühlerschafte von Myrmecocystus lebenden Arten der Coleopterengattung Thorictus (Th. Forei und pauciseta Wasm.)°. Hoffentlich geben später einmal unmittelbare Beobachtungen näheren Aufschluss über die ohne Zweifel sehr interessante Lebensweise von Termitoxenia, die wir einstweilen nur aus den morphologischen Daten kombiniren konnten. Aus der gelegentlichen äußeren Verbindung der Symphilie mit echtem Parasitismus, wie er in den obigen Fällen uns entgegen- eines @ von 7. Heimi ein Ei von noch bedeutenderer Größe, bereits von läng- lich-elliptischer Gestalt und nur wenig kleiner als die oben (p. 613) erwähnten Eier von 7. Havilandi; außerdem ein etwa halb so großes, mehr kugelförmiges Ei und einige kleinere. An Schnittserien zweier @ von T. mirabilis sah ich bei dem einen ein sehr großes und mehrere kleine, bei dem anderen zwei über mittel- sroße Eier und mehrere kleine. Näheres über die Anatomie später. 1 Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. (Zoologica, Heft 26, 1899) p. 53 bis 58. 2 Vgl. WAsmann, Die Gäste der Ameisen und Termiten. (Illustr. Zeitschr. für Entomol. 1898.) p. 226. 3 WASMANN, Thorictus Foreli als Ektoparasit der Ameisenfühler (Zool. Anz. 1898, Nr. 564, p. 435); Zur Lebensweise von Thorietus Foreli (Natur und Offenb. 1898, 8. Heft); Nochmals Th. Foreli als Ektoparasit der Ameisenfühler (Zool. Anz. 1898, Nr. 570, p. 536—547); K. EscHerich, Zur Biologie von Th. Foreli (Zool. Anz. 1898, Nr. 567, p. 483—1493). 616 E. Wasmann, % tritt, geht hervor, dass diese beiden Beziehungen nicht, wie EscHERIcH! annimmt, in sich selber identisch seien?; denn sonst müssten sie ja stets vereinigt vorkommen, was nicht der Fall ist. Zudem ist die Symphilie ihrem Wesen nach ganz verschieden vom Parasitismus; sie ist ein echtes Gastverhältnis, das auf gegenseitigen biologi- schen Leistungen friedlicher Art beruht, indem die Gäste ihren Wirthen angenehme Exsudate zur Beleckung bieten, wofür diese ihrerseits ihren Brutpflegeinstinkt auf jene fremden Thierarten ausdehnen>. Der Parasitismus dagegen ist umgekehrt ein einseitiges biologisches Verhältnis, das nur dem Schmarotzer, nicht aber dem Wirthe zu Gute kommt. Der Umstand, dass die meisten echten Ameisengäste und Termitengäste zugleich auch andererseits Feinde ihrer Wirthe sind, indem sie namentlich deren Brut oft schwer schädigen, ändert an dem Wesen der Symphilie nichts und berechtigt keineswegs dazu, Symphilie und Parasitismus für gleichbedeutend zu erklären. Der histologische Theil der Arbeit wird aus den oben (p. 601) angegebenen Gründen erst später folgen. ’ Luxemburg, im Februar 1900. Nachschrift. Bei Abfassung dieses Theiles der Arbeit hatte ich erst Schnitt- serien von größeren Individuen der Termitozenia-Arten gemacht, welche sich als © mit stark entwickelten Ovarien und Eiern erwiesen. Da- her hielt ich die bei 7. Havilandı und mirabils außerdem vorliegen- den kleineren Individuen mit schmalerem, stark gebogenem Hinterleib (Fig. 2) für 9. Jetzt sehe ich an Schnittserien der letzteren, dass dieselben Hermaphroditen sind mit noch kleinen Ovarien und gut entwickelten Hoden. Näheres in dem später folgenden anatomischen ' Theile, woselbst auch die morphologische Bedeutung der Appendices thoracales klargestellt werden wird. ı Über myrmekophile Arthropoden mit besonderer Berücksichtigung der Biologie. (Zool. Centralbl. 1899, Nr. 1.) p. 18. 2 Vgl. hierüber auch Aut. FOREL (La Parabiose chez les Fourmis in: Bull. Soc. Vaud. Se. Nat. XXXIV. p. 380—384), der sich ebenfalls gegen die Auffas- sung ESCHERICH’sS ausspricht, dass Symphilie und Parasitismus identisch seien. 3 Siehe hierüber WAsMmAnn, Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Freiburg i. B. 1900. p. 123 ff. Termitoxenia, ein neues flügelloses. physogastres Dipterengenus etc. 617 Erklärung der Abbildungen‘, Tafel XXXIII. Fig. 1. Termitoxenia Heim! Wasm. ©. Nach einem (in Formol, Alkohol, Alkohol + Xylol, Xylol + Paraffin) trocken präparirten Exemplar. Zeıss AA, Oe. 1. Fig. 2. Termitoxenia mirabilis Wasm. 3%. Nach einem mit Eosin gefärbten Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. (Vgl. die Nachschrift. Fig. 3. Kopf von Termitoxenia Havilandi Wasm. ©. Von unten gesehen. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Fig. 4. Kopf von Termitoxenia Havilandı Wasm. ©. Von der Seite (der linke Fühler istfortgelassen). Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, 0e.?. Fig. 5. Kopf von 7. Heimi Q@. Von der Seite. Eosinfärbung. Kanada- balsam-Präparat. ZEISss AA, Oec. 2. Fig. 6. Kopf von T. mirabilis Q. Von der Seite. Eosinfärbung. Kanada- balsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Ä Fig. 7. Kopf von T. Braunsi Wasm. Q. Von der Seite. Be alule Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Fig. 8. Rüsselspitze (zweites Glied der Unterlippe) von 7. mirabilıs Q. Von oben gesehen. Eosinfärbung. Kanadabalsampräparat. Zeiss D, Oe. 2. Fig. 9. Rechtes Stück des Scheitels von 7. mirabilis Q. Schräg von oben gesehen. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss D, Oc. 1. Fig. 10. Spitze der Stirn von 7. mirabilis Q. Schräg von oben gesehen- Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss D, Oe. 1. Fig. 11. Appendix thoracalis von 7. Havilandı Q. Eosinfärbung. Kanada- balsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 4. Fig. 12. Fühler von 7. Havilandı 2. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeiss D, Oe. 2. Fig. 13. Fühler von 7. Heimi ©. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. ZEıss. D, Oe. 2. Fig. 14. Fühler von 7. mirabelis Q. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. ZEISS D, Oe. 2. Fig. 15. Fühler von 7. Braunsi @. Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. ZEISS D, Oec. 2. Fig. 16. Vorderbein von 7. Havilandı @ (ohne die Hüfte). Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Fig. 17. Mittelbein von 7. Havilandı @ (ohne die Hüfte). Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Fig. 18. Hinterbein von 7. Havilandi Q (ohne die Hüfte). Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. Zeıss AA, Oe. 2. Fig. 19. Vorderbein von 7. Heimi Q (mit der Hüfte). Eosinfärbung. Kanadabalsam-Präparat. ZeEıss AA, Oe. 2. Fig. 20 u. 21. Eier von Termitorenia Havilandı (in Alkohol + Formol). ZEISS AA, Oc. 2. Fig. 22 u. 23. Eier von Termes latericius Havil. in Alkohol + Formol). Zeıss AA, Oe. 2. 1 Dieselben sind sämmtlieh mit Mikroskop ZEISS und Camera lucida ABBE gezeichnet. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. Zur Kenntnis der Urnieren von Nephelis vulgaris Mogu. Tand. und Aulastomum gulo Mogu. Tand. Von Boris Sukatschoff stud. rer. nat. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Heidelberg.) Mit Tafel XXXIV—XXXV und 3 Figuren im Text. Einleitung. In folgendem Aufsatze will ich einige Resultate meiner Studien über die Entwicklungsgeschichte der Hirudineen als besonderes Kapitel mittheilen, und zwar diejenigen über den Bau der interessanten lar- valen Exkretionsorgane der Gnathobdelliden, der sog. Urnieren. Diese Untersuchungen, welche sich mit den Urnieren von Nephelis vulgaris Moq. Tand. und Aulastomum gulo Moqu. Tand. beschäf- tigen, bestätigen theilweise Beobachtungen von R. S. BERGH, theil- weise verhelfen sie aber den von BERGH bestrittenen Angaben früherer Forscher wieder zu ihrem Rechte. Die Kokons von Nephelis wurden immer aus den Aquarien genommen, in welchen sie von den Egeln abgelegt waren. Die Ko- kons von Aulastomum wurden am Ufer eines Teiches (bei Hand- schuhsheim) in ca. 1 Fuß unter der Erde, in unmittelbarer Nähe des Wassers gesammelt. Zur Konservirung der aus den Nephelis-Kokons herauspräparirten Embryonen wurden Chromessigsäure, Pikrinschwefel- säure und vorzüglich Pikrinsalpetersäure verwendet. Die für die Kon- servirung der Aulastomum-Embryonen benutzte koncentrirte Subli- matlösung mit Zusatz einiger Tropfen koncentrirter Essigsäure (fünf bis zehn auf ea. 10 cem Flüssigkeit) ließ nichts zu wünschen übrig. Zunächst wurden die Aulastomum-Embryonen aber mit 5—10°/,igem Alkohol getödtet, in dem sie sich viel besser ausstreckten, als bei direkter Einwirkung der Sublimatlösung. Die vorherige Behandlung Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. 619 mit dem schwachen Alkohol hat ferner den Vortheil, dass die Haut des Embryo sammt Keimstreifen und Urnieren sich viel leichter ab- präpariren lässt, ja sich sogar manchmal von dem Entoderm ganz ablöst. Sämmtliche Präparate wurden mit DELAFIELD’schem Häma- toxylin gefärbt, dessen distinkte Tinktion mir besondere Dienste leistete. Die mit anderen Farbstoffen, z. B. Alaun- oder Boraxkarmin, erhaltenen Resultate lassen sich keineswegs den mit Hämatoxylin erzielten vergleichen. Ich glaube sogar, dass ich es dieser Färbung verdanke, wenn ich manchmal etwas mehr sehen konnte als BERGH. Untersuchungen früherer Forscher. Der erste Forscher, welcher die Urnieren der Hirudineen, und zwar die von Nephelis, gesehen hat, war RATHkE (1862, p. 51, 65). Sie sollen nach seinen Beobachtungen in der Zahl von einem Paar, als zarte, blasse Gefäße vorhanden sein. Er hat ihre richtige Be- deutung jedoch nicht verstanden und vermuthete, sie seien die Anlagen der sich erst später entwickelnden lateralen Blutgefäße. R. LEUCKART hat die Organe von Hirudo zuerst richtig erkannt und ihnen den Namen Urnieren, nach der Analogie mit ähnlichen Organen bei Gasteropoden, gegeben (1863, p. 697—699). Trotz der ungenügen- den Beobachtungsmittel und primitiven Konservirungsmethoden ist LEUCKART zu sehr richtigen und schönen Resultaten gekommen, und ihm verdanken wir die erste und, wie es scheint, in gewissen Beziehun- sen bis jetzt, einzig richtige Beschreibung dieser Organe. Er fand drei Paare Urnieren bei Hirudo, doch blieb ihm ihre Entstehung unklar. Auch ihr späteres Schicksal bei der Metamorphose des Embryo hat er nicht gesehen. LEUCKART beschreibt die Urnieren als »drei Paar schlingenförmig zusammengewundener Stränge«, die symmetrisch an den beiden Seiten des Embryo liegen. Weiter sagt er: »man über- zeugt sich«, bei Abpräpariren der Haut, nachdem die Embryonen mit Chromsäure oder Alkohol getödtet waren, »dass es sich hier um Ge- fäße handelt«. Meist konnte er mehrere, zwei oder drei neben ein- ander laufende Gefäße in jeder Urniere beobachten; er findet richtig, dass die Urniere aus einem einzigen Gefäß besteht, welches auf sich selbst zurückgewunden ist, und dessen verschiedene Abschnitte mit einander durch Anastomosen kommunieciren, so, dass bisweilen eine Art Labyrinth &ebildet wird. Endlich fand LEUCKART einen »Aus- sangspunkt« und ein »Ende« der Urniere, die er folgendermaßen beschreibt (1863, p. 697): »Obwohl die betreffenden Gebilde auf den ersten Blick kreisförmig geschlossen erscheinen, kann man durch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. - 41 620 | Boris Sukatschoff, nähere Untersuchung doch einen Ausgangspunkt und ein Ende unter- scheiden. Beide liegen in der Mitte des Innenrandes dieht neben einander. Der Ausgangspunkt wird von einer kolbigen Erweiterung gebildet, die mittels einer kleinen, mitunter aber sehr deutlichen Öffnung nach außen ausmündet. Erweiterung und Öffnung gehören dem Stamme des Gefäßes an, das unter mehrfachen Schlängelungen eine Strecke weit nach hinten verläuft, dann schlingenförmig nach außen und vorn bis über die Höhe der Ausmündungsstelle empor- steigt, um schließlich wieder schlingenförmig sich umbiegend bis in die unmittelbare Nähe des Ausgangspunktes hinzulaufen.< LEUCKART vermuthet, dass sich ähnliche Organe auch bei anderen Hirudineen finden und meint, dass z. B. die von RATHKE angegebenen drei großen Furchungszellen am Hinterende der Embryonen von Nephelis und Clepsine hierher gehören. Er kam aber nicht auf die Idee, die von RATHkE als Anlagen der lateralen Blutgefäße beschriebenen Ge- bilde mit den Urnieren von Hirudo zu vergleichen. Die Beobachtungen LEUCKART'sS sind, wie es scheint, RoBın (1875) vollständig unbekannt geblieben. RoBIn untersuchte die Entwicklung von Nephelis und Hirudo und korrigirte die Angaben RATHRE’s über die Urnieren bei Nephelis in so fern, als die seitlichen Blut- sefäße unabhängig von den Urnieren entstehen (1875, p. 201). Die Bedeutung der letzteren hat auch er nicht verstanden und beschreibt sie als ein Paar sehr blasser dünner, nicht kontraktiler, doppelter Kanäle, die keine Mündung nach außen haben. Er bat sie noch auf einem sehr späten Stadium beobachtet, wo der Embryo (1875, Fig. 161 bis Taf. XVI und p. 236) sehon eine wurmförmige Gestalt angenommen hat. Bei Hirudo scheint er sie sogar ganz übersehen zu haben. SEMPER (1876, p. 368) bemerkt nur ganz kurz, dass der Bau der Urnieren von Nephelis viel komplieirter ist, als es aus den Beob- achtungen von RATHKE, LEUCKART und RoBın hervorgeht. Er ver- muthet weiter (l. c., p. 387), dass die Urnieren mit den drei großen am Hinterende des Embryo liegenden Zellen in Zusammenhang stehen und schließt sich also der LeuckarrT’schen Ansicht an. Die ein Jahr später veröffentlichten »Entwicklungsgeschichtlichen Beiträge« von BürscaLı (1877, p. 251, 254) enthalten nicht viel über diese Organe. Doch verbesserte BürscHLı die RATHKE’schen Beob- achtungen, indem er die richtige Zahl der Urnieren bei Nephe- lis — zwei Paare — feststellte. Er vermuthete, was später von BERGH als nicht zutreffend erkannt wurde, dass die Urnieren bei der genannten Art durch das Zusammentreten wandernder Zellen gebildet Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 621 werden. Eine äußere Öffnung konnte er nicht finden. Er zweifelt nicht, dass die Urnieren von Nephelis den von LEUCKART bei Hirudo beschriebenen gleichzustellen sind und bekämpft die Ver- muthung des letzteren Forschers über die Identität der drei großen, am Hinterende des Embryo von Nephelis liegenden Zellen mit den Urnieren der Blutegel. FÜRBRINGER (1879, p. 677), der nur sehr kurz von den Urnieren der Nephelis spricht, will nicht behaupten, hält es jedoch auf Grund eigener Beobachtungen für sehr wahrscheinlich, dass die Urniere eine äußere Mündung hat, und meint, in diesem Falle müsse sich dieselbe »an der Seite des Körpers befinden. Damit wäre eine Übereinstim- mung mit jenen Formen der einfachen Schleifenkanäle bei Turbel- larien und Trematoden wahrscheinlich gemacht, welche durch seit- liche Ausmündungen gekennzeichnet sind«. Wir kommen endlich zu den schönen Arbeiten von R. S. BERGH, der die Metamorphose von Aulastomum (1885a) und Nephelis (1885b) studirte und die Urnieren beider Hirudineen genauer unter- suchte. Er hat ihre Bildung aus Nebensprossen aus den Keimstreifen, und zwar aus den Rumpfkeimen, festgestellt und damit auch die nicht zutreffenden Vermuthungen von LEUCKART und BÜTscHLI widerlegt. Für Nephelis vermuthet er, dass jede Urniere aus einem ein- zigen auf sich selbst zurückgewundenen Kanal bestehe, dessen dista- ler Abschnitt frei nach hinten als »Gang« zieht und am Ende manch- mal mit einer Erweiterung versehen ist. Die folgende aufgewundene Partie bezeichnet er als »Ring« (1885b, p. 287, 288). Letzterer lässt sich auch bei Aulastomum gulo nachweisen, aber von dem »Gang« konnte BERGH bei dieser Art keine Spur finden. Wie wir schon sahen, hat LEUCKART denselben Bau der Urniere bei Hirudo gefun- den, wie BERGH bei Nephelis, d. h. einen auf sich selbst aufge- wundenen Kanal. Dagegen, scheint es, dass BERGH bei Aulastomum, welches Hirudo in allen Beziehungen sehr nahe steht, nichts Ähn- liches beobachtete, jedenfalls schildert er die jungen Aulastomum- Urnieren als (1885a, p. 243) »kreisförmig geschlossene Organe, die aus zwei Zellreihen zusammengesetzt sind, gewöhnlich jedoch mit Ausnahme des mittleren Theiles vom medialen Rande, wo die Zellen oft dichter gehäuft sind; hinter oder vor dieser Anhäufung findet sich dann oft an einer kurzen Strecke nur eine Reihe von Zellen«. An späteren Stadien, wo die Urniere schon ausgebildet ist, unter- scheidet er einen Haupt- und einen Nebenkanal, weiß aber von ihren 41* 622 Boris Sukatschoff, Beziehungen nicht mehr, als dass der erstere »einen einfachen Ver- lauf hat, während der viel enger bleibende Nebenkanal in zahlreichen Windungen um ihn herumläuft« (l. e., p. 251). Die aufgetriebene Partie der Urniere, die auf der LeuckArrT’schen Abbildung 254 gut zu erkennen ist, und an der LEUCKART eine Öffnung gesehen hat, beschreibt BERGH, wie wir eben eitirt haben, gleichfalls, verneint aber bestimmt die Existenz einer Mündung. Eben so wenig konnte ‚ er eine innere Öffnung finden. BERGH citirt die uns schon bekannte Stelle der Beschreibung LEUCKART’s, stellt die Angaben des Letzteren über die äußere Mündung in Abrede und vermuthet, dass entweder die Verhältnisse bei Hirudo sehr verschieden von denen des Aula- stomum sind, oder, »die Beobachtungen LEUCKART's würden vielleicht so zu deuten sein, dass er wegen Untersuchung mittels zu schwacher Vergrößerung und wegen des Mangels der Schnittserien die von den Urnieren freigelassene Stelle der Haut in der Anschwellung für eine Öffnung gehalten hat. Was er aber als Ausgangspunkt und Ende “versteht, bleibt doch räthselhaft«. Was das schließliche Schicksal der Urnieren betrifft, so werden dieselben nach BERGH bei Aula- stomum und wahrscheinlich auch bei Nephelis rückgebildet, in- dem die Lumina der Kanäle verschwinden und die Organe end- lich von aus dem Keimstreifen herstammenden Zellen resorbirt werden. Die Urnieren von Nephelis vulgaris Moqu. Tand. Fig. 15, Taf. XXXIV. Wir werden hier nicht die Entwicklung der Urnieren bei Nephe- lis besprechen, die mit genügender Genauigkeit von BERGH (1885b) festgestellt ist. Ich möchte der Beschreibung, welche dieser Forscher für die Nephelis-Urniere gab, nur einige Ergänzungen zufügen, welche mir von gewissem Interesse zu sein scheinen. Obgleich das von BErRGH gegebene Schema der Urniere von Nephelis (1885b, Fig. 7 c, Taf. XIII) dieselbe als einen auf sich selbst aufgerollten Kanal darstellt, so wurde dieser Bau von BERGH nicht mit Sicherheit nach- gewiesen, sondern nur als eine Vermuthung (]. e., p. 288) ausgesprochen. Ich bin im Stande seine Vermuthung vollständig zu bestätigen. Es gelang mir nämlich an sehr vielen Urnieren den ganzen Verlauf der Kanäle genau zu verfolgen und, abgesehen von den Fällen, wo die Untersuchung durch das Vorhandensein fremder Gebilde gestört war, konnte ich überall mit vollkommener Deutlichkeit nachweisen, dass die ganze Urniere aus einem einzigen Kanal besteht, der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 623 auf sich selbst zurückgewunden ist (Fig. 1 u. 2, Taf. XXXIV)!. Genau dieselben Verhältnisse finden wir, wie unten gezeigt werden wird, bei Aulastomum (Fig. 6, Taf. XXXIV), und es wäre vortheil- haft die von BERGH vorgelegten Bezeichnungen »Ring« und »Gang« folgendermaßen zu ergänzen und zu verändern: den am Vorderrand jeder Urniere liegenden, blind geschlossenen Kanal, der morpholo- gisch und, wahrscheinlich, auch physiologisch, den inneren Anfang des Organs darstellt, werden wir als den Endtheil der Anfangs- schleife (e.«a.schl, Fig. 1, Taf. XXXIV) bezeichnen. Unter der letz- teren (a.schl) wird der Kanal verstanden, welcher die Fortsetzung dieses Endabschnittes bildet und zuerst dorsalwärts zieht, dann nach hinten umbiegt, hierauf ventralwärts und end- lich nach vorn und wieder dorsalwärts lau- fend zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Von da, d.h. von der Gegend des Endtheils der Anfangsschleife, werden wir die Fortsetzung des Kanals als die Mündungsschleife (md.schl) bezeichnen, bis an die Stelle, wo der Kanal die nebenverlaufende Anfangs- schleife verlässt und sich rückwärts biegt. Diese letzte Partie (e.md.schl, Fig. 1, Taf. XXXIV), die von BERGH als »Gang« genannt wurde, will ich als distalen Endtheil der Mün- dungsschleife bezeichnen. Man kann sich leicht überzeugen, dass die Urnierenkanäle nicht immer einen so regelmäßigen Verlauf haben; nur selten konnte ich einen Embryo beobachten wie den, des- sen linke Urnieren auf der Textfig. 1 dar- gestellt sind. Diese Figur, welche mit dem Textfig. 1. Agpe’schen Zeichenapparat gezeichnet ist, ist ee BERGH’s Schema Fig. Ve (1885 b, Taf. XVIN) s,Schwanzende; », Ventralseite; d, ganz ähnlich. Dagegen findet man nicht sel- Gier zeinhenen a ten, dass der distale Endtheil der Mündungs- schleife der vorderen Urniere bis an den Vorderrand der hinteren 1 Ich konnte nie Anastomosen zwischen den neben einander ziehenden beiden Schleifen des Kanals finden, und desshalb scheint mir die Fig. 1 (Taf. XVII, 1885b) von BERGH nicht der Wirklichkeit zu entsprechen. Man sieht auf dieser Figur nämlich am vorderen Rande der Urniere zwei Kanäle neben einander verlaufen, die sich nicht weit von der Biegung nach hinten vereinigen. 624 Boris Sukatschoff, herantritt und manchmal mit derselben zusammenhängt durch eine ziemlich große Zelle, in welcher der Endtheil der Mündungsschleife sich verliert. Ob in diesem Fall das Lumen der vorderen Urniere mit demjenigen eines der hinteren Schleifenkanäle im Zusammenhang steht und mit welchem der beiden Kanäle, konnte ich nicht entscheiden. Die hintere Urniere zeigt gleichfalls häufig Abweichungen von dem von BERGH geschilderten Schema und zwar, so viel es mir zu be- obachten gelang, viel öfter, als die vordere Urniere. Diese Abwei- chungen ergeben eine noch größere Ähnlichkeit zwischen den Urnieren von Nephelis und denen von Aulastomum. Man sieht dann, dass der Endtheil der Mündungsschleife (Fig. 1,5, Taf. XXXIV), der »Gang«, nicht rückwärts läuft, sondern dass er, nachdem er sich rückwärts sewendet hat, wieder eine Schlinge dorsalwärts bildet, um schließlich in den von den beiden Schleifen gebildeten Ring einzutreten, und zu endigen. Es kommen auch solche Urnieren vor, wie die auf der Fig. 2 (Taf. XXXIV), doch verhältnismäßig selten. Häufig beobachtete ich auch hintere Urnieren, bei welchen der Endtheil der Mündungsschleife einen sehr komplieirten Knäuel bildete, welcher sich aber auf den auf Fig. 1 (Taf. XXXIV) gezeichneten zurückführen ließ. Es ist jedenfalls interessant, dass nur bei der hinteren Urniere, so viel ich es beobachten konnte, sich solche Veränderungen des typischen Baues nachweisen lassen, wobei der Endtheil der Mündungsschleife manch- mal sehr stark redueirt wird. — Dagegen zeigt die vordere Urniere auf meinen Präparaten nur die schon oben erwähnte Abweichung, welehe möglicherweise als Hinweis auf eine Urform betrachtet wer- den könnte, bei welcher beide Urnieren verbunden gewesen wären. Sie entspräche in diesem Fall dem Schema 75 von BERGH (1885 b, Taf. XVII), das eine von ihm vermuthete Zwischenform zwischen der Nephelis- und Polygordius-Urniere darstellt. Die beiden Schleifen der Urniere besitzen fast immer eine ge- wisse Lage zu einander, indem der Kanal der Anfangsschleife an den Kreuzungsstellen mit dem der Mündungsschleife stets nach innen von deren Kanal liest, wie es besonders gut auf Fig. 5 (Taf. XXXIV) zu sehen ist. So verläuft die Anfangsschleife tiefer, die Mündungs- schleife dagegen liegt bei der Kreuzung über derselben. Auch wenn sich zwei oder mehrere Abschnitte derselben Schleife kreuzen is. Fig. 1, 2, 5), so liegt der proximale Abschnitt unterhalb des distalen. Der Endtheil der Anfangsschleife liegt immer an dem Außen- rande des Ringes, wie es schon von BERGH (1885 b, p. 288) be- merkt wurde und wie es auf meiner Fig. 1 (Taf. XXXIV) zu sehen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 625 ist. Eine solche Ausnahme, wie sie die Fig. 2 (Taf. XXXIV) dar- stellt, ist sehr selten. Hier liegt nämlich der Endtheil der Anfangs- schleife am Innenrande des Ringes. Selten liest der Endtheil der Anfangsschleife, also der Anfang der Urniere, ganz frei, um sich erst nach kurzem Verlauf mit dem Ring zu vereinigen. Der Endtheil der Anfangsschleife, der den Anfang der Urniere bildet, ist blind geschlossen und von einer Zelle (z) gebildet, die auf den Fig. 3 und 3a (Taf. XXXIV) bei stärkerer Vergrößerung dar- sestellt ist. Fig. 3a ist nach einem lebenden Embryo gezeichnet. Die Zelle, deren Kern man auf der Fig. 3 (Taf. XXXIV) nicht sieht, er- innert an die Endzellen der Nephridien der Plattwürmer, doch fehlt ihr in unserem Fall ein wesentlicher, wenn nicht hauptsächlicher Bestandtheil, nämlich die »Wimperflamme«. Auf Fig 3 (Taf. XXXIV) liegt die Zelle, sammt dem aus ihr hervorgehenden Anfangsschleifen- kanal, der Mündungsschleife dicht an. Auf der Fig. 3a (Taf. XXXIV) dagegen liegt die Zelle ganz frei. Das Kanalende ist in der Zelle schwach erweitert. Die Zelle läuft in protoplasmatische Fortsätze aus, die wahrscheinlich zur Befestigung dieses Kanalabschnittes am Ektoderm dienen. Solche Fortsätze bemerkt man auf dem ganzen Verlauf des Urnierenkanals, wie wir weiter sehen werden. Flimme- rung konnte ich im Lumen der lebenden Urniere nie nachweisen, eben so wenig Wimpern in den konservirten Urnieren, und hierin stimmen meine Beobachtungen mit den Bergn’schen und früheren überein. Es könnte aber möglicherweise sein, wie es BERGH für die Criodri- lus-Urnieren vermuthet (1888, p. 241), dass die Wimpern nur bei jungen Stadien kurze Zeit existiren, um später zu verschwinden. Er hat nämlich bei dem genannten Oligochäten einmal eine Wim- perung in der Urniere gesehen. Aus diesem Grunde halte ich daher die mögliche Existenz der Flimmerung in den Urnieren von Nephelis für noch nicht sicher widerlegt!, und dies um so weniger, weil die Flüssigkeit in dem Innern des Kanals sich doch wohl bewegen muss und die Urniere zweifellos eine äußere Öffnung besitzt, die wir schon auf Fig. 1,2 und 5 (Tafel XXXIV) sehen konnten. Obgleich das Vorhandensein dieser Öffnung von Bereu und früheren Forschern, abgesehen von FÜRBRINGER, verneint wird, kann es keinem Zweifel 1 Wenn die Wimpern der Nephelis-Urniere so fein sind, wie es HAT- SCHER (1880, p. 5) für die Echiurus-Larve angiebt, dann kann man sie leicht übersehen. Es wäre desswegen sehr wünschenswerth ein rasch abpräparirtes Stück von der Haut des Nephelis-Embryo zu untersuchen; an dem lebenden ganzen Embryo ist eine solche Untersuchung sehr unbequem. 626 Boris Sukatschoff, unterliegen, dass sie wirklich existirt. Ich kann also nur die frühere Angabe FÜRBRINGErR’s (1879, p. 677) bestätigen. Die äußere Öffnung der Urniere (md, Fig. 1, 2 und 5, Taf. XXXIV) liest am Ende der Mün- dungsschleife und ist eine einfache Öffnung von unregelmäßiger Form im Ektoderm des Körpers. Der Kanal besitzt vor der Mündung manchmal eine mehr oder weniger bedeutende Erweiterung, die auch von BERGH gesehen wurde. Die Öffnung selbst liegt meistens in der Mitte einer aus drei Ektodermzellkernen bestehenden Gruppe. Sie ist verhältnismäßig klein, von einem Durchmesser, der etwa zweimal kleiner ist, als der des Kanals, lässt sich aber schon bei mittleren Vergrößerungen (wie z. B. Figg. 1 und 2 Taf. XXXIV) als heller Punkt erkennen. Besonders klar und scharf tritt sie aber bei stärkeren Vergrößerungen auf der abpräparirten Haut des Embyro hervor. Dagegen konnte ich den Ektodermzellenkern nicht finden, welchen BERGH genau über der Erweiterung am Ende des »Ganges« (Endtheil der Mündungsschleife) bisweilen beobachtete und dessen Vor- handensein nach ihm die Existenz einer äußeren Öffnung: der Urniere ausschließen soll (1885 b, p. 287). Was den histologischen Bau der Urniere betrifft, so muss ich mich den Angaben von BERGH anschließen und nur eine kleine Be- merkung machen. Man sieht, wie es schon für die Anfangszelle er- wähnt wurde, hauptsächlich auf den mit der Haut abpräparirten Urnieren, dass die Schleifenkanäle derselben feine, manchmal kaum bemerkbare protoplasmatische Fortsätze aussenden, welche zur Be- festigung der Urniere an der Haut zu dienen scheinen. Sie sind mehr oder weniger dieht neben einander geordnet, fehlen aber an einigen Stellen vollständig. Besonders stark entwickelt fand ich sie an dem äußeren Rande des Urnierenrings (Fig. A und 5, Taf. XXXIV). Was das schließliche Schicksal der Urnieren betrifft, so sollen sie, wie BERGH angiebt, nach Analogie mit denen von Aulastomum zu Grunde gehen, indem sie von wandernden Zellen resorbirt werden. Bis auf so späte Stadien habe ich sie noch nicht verfolgt. Die spätesten Urnieren, welche ich beobachtete, gehören einem Stadium an mit schon deutlich entwickelter Bauchkette, mit Anlagen der Segmentalorgane und mit definitiver Mundöffnung. Die Rumpfkeime haben noch nicht den ganzen Körper umwachsen und die Urnieren lassen sich noch gut erkennen. Eine solche Urniere (die hintere der linken Seite) ist auf der nebenstehenden Textfigur 2 dargestellt. Auf diesem Stadium . ungefähr hat auch Ropın (1875, p. 236 und Fig. 161bis Taf. XVI) die Urniere gesehen und abgebildet. Wie man Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 627 auf der untenstehenden Textfigur sieht, ist merkwürdigerweise der Endtheil der Mündungsschieife stark nach vorn verschoben und nur ein kleiner Abschnitt desselben ventralwärts und nach hinten ge- richtet. Der Endtheil der Anfangsschleife dagegen liegt ganz am Hinterende der Larve und ist stark aufgeknäuelt, doch kann man seinen Verlauf gut unterscheiden. Wahrschein- lich sind die Theile durch das Wachsthum des a Br Embryo so stark verschoben worden. Auch hier liegt der Endtheil der Anfangsschleife (e.a.schl) frei. Das Lumen des Kanals ist nicht verschwun- den. Die Figur ist in so fern schematisirt, als -nur der Verlauf des Kanals dargestellt ist, die übrigen Details, das Lumen etc., sind weggelasssen. Die Urnieren von Aulastomum gulo Mogqu. Tand. Fig. 6—13, Taf. XXX. Die Urnieren von Aulastomum stimmen bis zu Einzelheiten herab ganz mit denen von Nephelis überein. Wie schon LEuckKART (1863, p. 697) für Hirudo angab, dagegen BERGH für Aulastomum nicht entscheiden konnte !, werden die Urnieren von einem auf sich selbst .aschl zurückgewundenen Kanal gebildet. Ich werde Textfig. 2. hier nicht die schon oben eitirte LEUCKART’sche Hintere linke 1,6 mm lange Beschreibung des Verlaufs des Kanals und seines ne verschiedenen äußeren Aussehens wiederholen. a en: Auch BER6GH spricht ausführlich davon. Wir theil der Anfangsschleife, benutzen auch hier die bei Nephelis angenom- °° ı einen Fnanel aufge, mene Terminologie. Den » Nebenkanal« von BERGH bezeichen wir daher, nach Analogie mit Nephelis, als Anfangs- schleife, den »Hauptkanal« als Mündungsschleife. Diese beiden Abschnitte der Urniere (Fig. 6, Taf. XXXIV) wurden von mir auf mehreren Präparaten genau verfolgt und ich konnte da- bei feststellen, dass der erste (a. schl) unmittelbar in den zweiten 1 KORSCHELT und H&EIDER (Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschiehte der wirbellosen Thiere. 1890. p. 219) sagen von der Aulastomum- Urniere: »An der Umbiegungsstelle gehen beide Kanäle in einander über, stellen also in Wirklichkeit nur einen Kanal dar.< Diese Beschreibung ist ganz richtig. Doch bleibt es mir unverständlich, woher sie die Verfasser genommen, da BERGH, so weit mir bekannt ist, seine früheren Angaben nicht verbessert hat. 628 Boris Sukatschoff, (md.schl) übergeht und zwar immer in der Nähe der aufgetriebenen Partie der Urniere (d. h. des Endtheils der Mündungsschleife e.md.schl, die auch von BERGH erkannt war, ungefähr in der Mitte des Ventral- randes; beide stellen also nur einen einzigen Kanal dar. Diese Partie, d. h. wo der eine Kanal in den anderen übergeht, ist die, welche auch von BERGH gesehen (1885a, p. 243 und 1885b, p. 290), aber in ihrer Bedeutung nicht verstanden wurde. Anastomosen zwischen beiden Kanälen konnte ich nie beobachten und halte desshalb die Abbildung Fig. S, Taf. XIII von BErGH (1885 a, auch p. 243) nicht für richtig. Ich bespreche zuerst kurz meine Fig. 7 (Taf. XXXV). Dieselbe stellt einen kleinen Abschnitt der Urniere, die auf der Fig. 6 im Ganzen abgebildet ist, bei stär- kerer Vergrößerung dar. Doch schon bei etwas schwächerer Ver- srößerung, wie etwa auf Fig. 6, kann man eine Art scheinbarer Ver- bindungskanälchen zwischen den beiden neben einander laufenden Kanälen der Anfangs- und Mündungsschleife beobachten. Es wäre aber sehr irrig, diese scheinbaren Kanälchen als solche zu betrachten. An günstigen Stellen bemerkt man, dass diese vermeintlichen Kanäl- chen, welche sehr hell sind, bis an den Rand der Zellenmasse der Urniere gehen und hier auszumünden scheinen. Die Untersuchung bei stärkeren Vergrößerungen bestätigte nun die Vermuthung, dass diese anscheinenden Kanälchen nur die Intercellularräume zwischen den Zellen der Urnierenkanäle sind. Die Zellgrenzen lassen sich an manchen Stellen sehr gut verfolgen. Sie kommunieiren mit ein- ander und theilen die ganze Zellmasse in polygonale Felder, in wel- chen man je einen Kern sieht. An günstigen Stellen, doch verhält- nismäßig selten, kann man feine intercelluläre Brückchen bemerken. Die Zellen der Urniere sind, wie leicht zu sehen ist, sogen. durch- bohrte Zellen und jeder Kanal besteht aus einer Zellreihe. Was die Kreuzungsstellen der Kanäle angeht, so ist es mir unklar seblieben, ob dieselben aus einer oder zwei Zellenlagen bestehen. _ In ersterem Fall muss hier eine Zelle sein, die durch zwei Kanäle durchbohrt ist; dies ist jedoch wenig wahrscheinlich. Ich vermuthe, dass die erwähnten intercellulären Räume von BERGH für Anastomosen zwischen den Kanälen (1885a p. 243) gehalten wurden. Es scheint, dass die von ihm gegebene Fig. 8 (Taf. XIII, siehe oben d. s.) von einem jüngeren Stadium stammt als meine Fig. 6. Dann konnte es wohl vorkommen, dass die entsprechend feineren Kanäle mit den erwähnten scheinbaren Kanälchen zu kommunieiren schienen. Fig. 6 (Taf. XXXIV) stellt ein junges Stadium der Urmniere dar, Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 629 doch sind die Mündungsschleife und die Anfangsschleife schon gebil- det. Beide sind hier von fast gleichem Durchmesser; später wird aber der Durchmesser des Kanals der Mündungsschleife bedeutend größer als derjenige der Anfangsschleife.. Wie wir schon bei Nephelis fanden, haben beide Schleifen eine ganz bestimmte Lage zu einander, was besonders an ihren häufigen Kreuzungsstellen wahrzunehmen ist. An den ganz entwickelten Urnieren sind diese Verhältnisse am besten zu sehen. Die Anfangsschleife (a.schl, Fig. 6, Taf. XXXIV) liegt näm- lich immer tiefer, d.h. nach innen, die Mündungsschleife (md.schl) dagegen oben, oder außen (auf der Fig. 6 ist die Urniere von der Seite des Entoderms dargestellt und die Verhältnisse sind also umge- kehrt). An der Fig. 6 sind verhältnismäßig wenige -— nur sechs — sol- cher Kreuzungsstellen. Meistentheils verlaufen beide Abschnitte des Ka- nals hier neben einander. Das ist aber nur bei jungen Urnieren der Fall. Bei ausgebildeten dagegen läuft die Anfangsschleife fast immer unter- halb der Mündungsschleife und nur relativ selten ziehen beide eine kurze Strecke neben einander. Der Endtheil der Anfangsschleife (e.a.schl) liegt, wie es auch für Nephelis der Fall ist, mit sehr sel- tenen Ausnahmen, nach außen von dem Ring, welchen die beiden Schleifen bilden. Auf Fig. 6 findet man den Kanal der Anfangs- schleife bei e.a.schl blind geschlossen, in der Art ungefähr wie wir es bereits bei Nephelis gesehen haben. Auf späteren Stadien konnte ich diese feinen Verhältnisse nicht so genau ermitteln als bei Nephelis. Auf der Fig. 6 bei e.5l bemerkt man in der Mitte des Ven- tralrandes der Innenseite der Urniere zwei sich schwächer färbende, durch ihre Größe sich auszeichnenden Zellen, welche eine Art Lap- pen bilden und zwischen welchen der distale Endtheil der Mündungs- schleife (e.md.schl) verläuft. Sie sind stark vacuolisirt und mit protoplasmatischen Fortsätzen versehen. Sie können sowohl an der inneren, als der äußeren Seite des Urmierenringes liegen; in vielen Fällen liegen sie auf dem Ring selbst und dann bemerkt man sie nur sehr schwer. Immer aber befinden sie sich an dem Ven- tralrande der Urniere, an der Stelle, wo LEUCKART die äußere Öffnung beschrieben hat und welche Bercu als aufgetriebene Partie bezeichnete. Obwohl der letztgenannte Forscher diese Zellen gesehen und auf seiner Abbildung (1885a, Taf. XIII, Fig. 8, oben links) ge- zeichnet hat, werden sie von ihm nicht näher erwähnt, woraus her- vorgehen dürfte, dass er ihre Bedeutung nicht verstanden hat. Dies kann ich mir nur dadurch erklären, dass BERGH entweder nur frühere Stadien als ich untersuchte, oder dass diese Zellen auf seinen Prä- 630 Boris Sukatschoftf, ‘paraten sich nicht so weit von der Innenseite der Urniere entfernten, so dass der Endtheil der Mündungsschleife wegen der unterhalb liegenden diekeren Zellmasse nicht klar zu erkennen war. Nur auf wenigen Präparaten konnte ich den ganzen Verlauf des Urnierenkanais (besonders der Anfangsschleife) in dieser Region ver- folgen, denn erstens ist die hier liegende Partie der Mündungsschleife sehr dickwandig und besitzt die von BERGH beschriebenen perl- schnurförmigen Anschwellungen, zweitens bildet sie manchmal einen sehr komplieirten Knäuel. Wie schon oben bemerkt liegt der Endtheil der Anfangsschleife nach außen, nicht weit von dem distalen Ende der Mündungsschleife. Es kommt aber vor, dass er ebenfalls einen Knäuel bildet, der unterhalb des distalen Endtheils der Mündungs- schleife liegt, so dass es ganz unmöglich ist, den Verlauf beider Ab- schnitte des Kanals an dieser Stelle zu verfolgen. Solche Bilder sind auf der Fig. 13a und ce (Taf. XXXV) abgebildet. Wir kommen nun zu dem für die Aulastomum-Urnieren sehr charakteristischen Gebilde, nämlich zu der Endblase, welche mittels einer äußeren Öffnung ausmündet!. Als solche bezeichne ich die distale Erweiterung des Endtheils der Mündungsschleife (e.bZ, Fig. 13 a, 5, e). Sie wird von zwei — selten drei oder mehr — Zellen gebildet und hat meistens die Form einer kolbigen Blase, die nach Analogie mit der ihr physiologisch entsprechenden Partie der definitiven Exkre- tionsorgane Endblase genannt werden dürfte. Sie entsteht zweifel- los aus den zwei schon besprochenen Zellen, die auf Fig. 6 (e.bl) (Taf. XXXIV) abgebildet sind. Die Gestalt der Endblase (e.d2), die auf den Fig. 13a, b, und c zu erkennen ist, kann recht verschieden sein. Sie kann, — wie bei Fig. 13a und 13c — eine typische blasige Erweiterung darstellen oder ein einfacher gebauter Kanal ! Ich muss hier einschalten, dass sich BERGH an mehreren Stellen ganz bestimmt für die Nichtexistenz einer äußeren Mündung der Hirudineen-Urnieren ausspricht (1885a, 1885b und 1885c). Er konnte sie weder an Totalpräparaten noch an Sehnittserien trotz der ausführlichen Beschreibung von LEUCKART (siehe oben p. 619) finden. (Ich kann BerGH’s Abbildung, Fig. 12, Taf. XII, nicht verstehen, eben so wenig ihre Erklärung auf p. 252. Von dem freigelas- senen Raum, welcher bei flüchtiger Betrachtung für eine Öffnung gehalten wer- den könnte, sehe ich auf dieser Abbildung eben so wenig, wie von dem zweiten Kanal, der rechts verlaufen soll.) Um so mehr war ich überrascht eine äußere Öffnung, sogar eine Endblase an den Urnieren von Aulastomum an Total- präparaten und an Schnittserien mit Sicherheit nachweisen zu können; nicht weniger als BERGH selbst, als er die Existenz einer Mündung bei den Oligochäten-Urnieren aus VEJDOVSKY’s Angaben erkannte (1888, p. 241). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 631 sein, wie Fig. 13 5, und ist mit seltenen Ausnahmen mit einer kleinen, deutlichen äußeren Mündung (md) versehen. Dass man diese Öffnung manchmal nicht gut, ja selbst gar nicht unterscheiden kann, wird wohl darauf beruhen, dass sie durch die Kontraktion der Hautmus- kulatur des Embryo beim Konserviren geschlossen wird. Dieselbe Erklärung hat BERGH für einen ähnlichen Fall gegeben, indem er die äußere Öffnung der Urniere von Criodrilus (1888, p. 241) an Sehnitten nicht immer finden konnte. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass die Bergnm’sche Abbildung, welche die Mündung der Urniere von Criodrilus darstellt (1888, Fig. 15, Taf. XIV) in auffallender Weise an ein ähnliches Bild bei Aulastomum erinnert, welches ich auf Fig. 12 abgebildet habe. Dasselbe stellt einen Quer- schnitt durch die Urniere mit der im Längsschnitt getroffenen End- blase (e.d2) und dem Endtheil der Mündungsschleife dar. Man be- merkt auch einen Querschnitt durch einen feineren Kanal — die Anfangsschleife (a.schl\. Ein anderer Querschnitt durch den hinteren Theil eines Embryo von Aulastomum mit zwei Endblasen, welche dem letzten Urnierenpaar angehören, ist auf Fig. 11 dargestellt. Wie bei Criodrilus nach BERGH, sehen wir den Endtheil der Mündungs- schleife zu einer Stelle sich hinziehen, wo das Ektoderm durch- brochen ist, und mittels einer einfachen Öffnung nach außen aus- münden. Die in der Fig. 11 im Querschnitt dargestellten zwei Urnierenendblasen liegen zufällig ganz symmetrisch. Die Lage der Endblase ist, wie es schon für die Zellen, aus welchen sie entsteht, angedeutet wurde, sehr verschieden. Sie kann nämlich entweder nach dem Centrum des Ringes gerichtet sein, oder sich nach außen wenden, oder endlich auf dem Ring liegen. Merkwürdiger- weise verhalten sich in dieser Hinsicht die Endblasen jedes Urnieren- paares fast immer gleich, d. h. wenn die Endblase einer rechten Urniere außerhalb liegt, so ist die Lage bei der linken Urniere eine entsprechende. Die Mündung selbst (md, Fig. 13a, d, c, Taf. XXXV) ist von unregelmäßiger Form, manchmal wie auf der Fig. 135 und 13e ist sie hufeisenförmig. In unmittelbarer Nähe von ihr sieht man zwei, selten mehr Kerne, welche zweifellos die Kerne der oben erwähn- ten zwei Zellen sind (e.d/, Fig. 6), von welchen die Endblase gebildet ist. Verschiedene Zwischenstadien, die man beobachtet, geben ge- nügende Beweise hierfür. Die Öffnung führt also in die mehr oder weniger abgeplattete Endblase, deren Größe verschieden sein kann. Ihre Länge schwankt 632 Boris Sukatschoff, zwischen 0,064 und 0,096 mm, die Breite zwischen 0,016 und 0,048 mm. Die protoplasmatischen Fortsätze, welche von den Endblasen Zellen abgeben und bisweilen in großer Menge vorhanden sind, dienen, wie es scheint, zur Befestigung der Endblase an der Haut des Embryo. Diese Fortsätze, welche schon auf dem Stadium der Fig. 6 sich er- kennen lassen, sind auf dem ganzen Verlauf des Urnierenkanals zer- streut, wie wir es weiter sehen werden. Wenn wir den Urnierenkanal weiter verfolgen, so kommen wir zuerst zu der aufgetriebenen Partie, die größtentheils (Fig. 13, Taf. XXXV) von dem aufgeknäuelten Endtheil der Mündungsschleife gebildet ist. Der Kanal ist hier sehr diekwandig und stellenweise angeschwollen. Die charakteristischen »perlschnurförmigen Anschwel- lungen« hat schon BERGH beschrieben. Zwischen zwei benachbarten Anschwellungen kann man feine septenartige Scheidewändcehen sehen, welche von einem Loch durchbrochen sind, so dass alle angeschwol- lenen Partien mit einander kommunieiren. Dass sie nicht völlige Scheidewände sind, kann man ganz gut an den in Längsschnitten getroffenen Urnieren feststellen (sep, Fig. 12, Taf. XXXV). Es ist auch möglich, dass der Kanal an dieser Stelle kontraktil ist, wo- durch die Bewegung der Flüssigkeit bewirkt wird. Die Wände dieses Theiles des Kanals haben manchmal auch viele protoplas- matische Fortsätze (Fig. 13a, 135, Fig. XXXV). Die bis jetzt beschriebenen Theile der Mündungsschleife, d. h. die Endblase und die angeschwollene Partie des Kanals entsprechen wohl dem »Gange« von BERGH bei Nephelis. Dies zeigt die Form der Nephelis-Urniere, wie sie auf Fig. 1 und 5 (Taf. XXXIV) ab- gebildet ist. Die linke, kleinere Schlinge der Urniere, welche von dem Endtheil der Mündungsschleife (e.md.schl) gebildet ist, entspricht vollständig dem Endtheil der Mündungsschleife der Aulastomum- Urniere (e.md.schl, Fig. 13a, Taf. XXXV) und zeigt eine Neigung zu der Form, welche die entsprechende Partie bei Aulastomum ange- nommen hat. Die schon besprochenen protoplasmatischen Fortsätze sind be- sonders stark und schön an dem folgenden Abschnitte der Urniere entwickelt, nämlich an der Mündungsschleife. Fig. 8 (Taf. XXXV) kann als ein schönes Beispiel hierfür dienen. Sie sind jedoch nicht überall gleich stark ausgesprochen und können sogar bisweilen (Fig. 10) fast vollständig fehlen. Die Bedeutung dieser Fortsätze wurde mir nicht ganz klar. Nach den Angaben von BErGH (1885a, p. 252) liegen die Urnieren »frei Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. 633 in der geräumigen Leibeshöhle« (primitiven), und nur die aufgetriebene Partie, also ungefähr die Mitte des Ventraltheils des Urnierenringes, ist »ziemlich fest an die Haut angeheftet«. Diese Stelle betrachtet BERGH als eine mögliche Reminiscenz der Öffnung. Er hat auch an lebenden Embryonen beobachtet, dass »besonders der vordere Schen- kel hin und her schwingen kann«. Letztere Beobachtung von BERGH kann ich weder bestätigen noch widerlegen, weil ich lebende Em- bryonen nicht untersucht habe. Was aber seine Behauptung betrifft, dass die Urnieren frei in der primitiven Leibeshöhle liegen, so möchte ich sie bezweifeln. So viel ich an Totalpräparaten und einigen Quer- schnitten gesehen habe, sind die protoplasmatischen Fortsätze zweifel- los an die Haut befestigt und die Urnieren können also nicht ganz frei sein. Dass der vordere Schenkel sowie andere Theile schwingen können (natürlich abgesehen von dem Theile, wo die äußere Mündung ist), das, meine ich, wird durch die möglichen Kontraktionen der Fortsätze erklärt. Diese Kontraktionen könnten auch die Bewegung der Flüssigkeit in dem Urnierenkanal verursachen. Wie wir bereits bei Nephelis kennen gelernt haben, und oben für die Kreuzungsstellen des Urnierenkanals von Aulastomum kurz erwähnten, liest die Anfangsschleife immer unter der Mündungs- schleife. Eine Ausnahme von dieser Regel konnte ich für Aula- stomum auf keinem Präparat finden. Nur auf verhältnismäßig kur- zen Strecken laufen beide Abschnitte des Kanals neben einander. Beide Abschnitte haben noch je ein charakteristisches Merkmal; die weitere Mündungsschleife bleibt nämlich stets unverzweigt, die engere Anfangsschleife dagegen, die nur da, wo sie in die Mündungsschleife übergeht, gleichen Durchmesser mit ersterer hat, ist sehr häufig ver- zweigt. Ihre Zweige anastomosiren gewöhnlich mit einander und bilden also an der unteren Fäche der Mündungsschleife ein manch- mal sehr komplieirtes Kanalnetz (Figg. 8, 9 und 10, Taf. XXXV). Die Bedeutung desselben besteht wahrscheinlich in der Vergrößerung der Oberfläche des Kanals der Anfangsschleife, der möglicherweise als ausscheidender (drüsiger) Theil betrachtet werden könnte. Die blind bleibenden Zweige der Anfangsschleife ziehen manch- mal zu den protoplasmatischen Fortsätzen, wie es Fig. 8 darstellt, ob sie aber wirklich in sie eintreten, kann ich nicht entscheiden. So viel ich beobachtete, gehören die meisten Fortsätze der Mündungsschleife an, und in diesem Falle wäre es doch kaum anzunehmen, dass die Verzweigungen des Kanals der Anfangsschleife mit diesen Fortsätzen etwas zu thun haben. 634 Boris Sukatschoff, Die Anastomosen sowohl, als die Verzweigungen des Kanals der Anfangsschleife, sind jedoch nicht immer so stark und schön ent- wickelt, wie es auf Figg. 8, 9 und 10 (Taf. XXXV), welche einige der schönsten Stellen meiner Präparate darstellen, abgebildet ist. Bisweilen sind sie ziemlich schwach entwickelt, können sogar an manchen Stellen vollständig fehlen. Was aber immer zu beobachten ist, das sind die schon von BERGH angegebenen Schlängelungen der Anfangsschleife längs der Mündungsschleife, wobei erstere immer unterhalb der letz- teren bleibt. Dadurch wird die Länge der Anfangsschleife mindestens doppelt so groß, als diejenige der Mündungsschleife, was auch zu der Vergrößerung der Oberfläche des Kanals der ersteren dienen muss. Größere Anastomosen, die schon LEUCKART beobachtete, und die ich auch konstatiren konnte, finden sich zuweilen. Sie können sehr komplieirt sein und sind wahrscheinlich so zu deuten, dass kleinere, auf den Figg. 9 und 10 (Taf. XXXV) dargestellte Anastomosen durch das unregelmäßige Wachsthum der Urniere eine außerordentlich starke Ausdehnung erleiden. Wie gesagt, sind jedoch diese großen Anasto- mosen verhältnismäßig nicht häufig. Beim weiteren Wachsthum des Embryo bekommen die Urnieren, besonders die zwei vorderen Paare, eine stark längsgestreckte Form. Nach BERGH gehen sie in derselben Weise zu Grunde wie die von Nephelis. Ich will die Angaben Ber6H’s nicht bestreiten, doch habe ich eine Reihe von Schnitten durch einen ziemlich späten Em- bryo, auf welchen sich die Urnieren erkennen lassen. Ein Stück eines solchen Querschnitts ist auf der nebenstehenden Textfig. 3 gezeichnet. Die Urniere (ur) ist stark m das Innere des Embryo verschoben, doch das Lumen des Kanals nicht verschwunden. Sie liegt nun zwischen dem Entoderm und der Splanchnopleura ein- gepresst. Der Keimstreifen wächst also zwischen den Urnieren und dem Ektoderm vor und verschiebt erstere ganz ins Innere. Jeden- falls muss ich betonen, dass die Lumina des Urnierenkanals auf diesem Stadium ganz gut zu sehen sind und die Kerne, sowie das Protoplasma der Zellen verhalten sich ganz normal, ohne eine Rück- bildung zu zeigen. Von wandernden Zellen, von welchen BERGH spricht, habe ich auf diesen Querschnitten keine gesehen. Die von BERGH beschriebene Rückbildung der Urnieren muss daher erst später auftreten. i Es sei hier erwähnt, dass die Anastomosen, Verzweigungen und beson- ders die protoplasmatischen Fortsätze nur an gut vom Entoderm abpräparirten Urnieren leicht zu bemerken sind. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. 635 Wegen Mangels an Material habe ich vorerst keine lebenden Embryonen von Aulastomum untersucht und die Frage, ob die Ur- nieren von Aulastomum eine Wimperung haben, muss bis auf weitere Untersuchungen, die ich nächstens unternehmen will, offen bleiben. Wie Ber6u konnte auch ich auf konservirten Präparaten keine innere Öffnung: finden, und nach Analogie mit Nephelis möchte ich an- nehmen, dass der Endtheil der Anfangsschleife blind geschlossen ist. zent: N NEE RE ep Textfig. 3. Querschnitt durch einen 6 mm langen Aulastemum-Embryo. zn, Urnieren; en, Entoderm; spZ, Splanchnopleura; ep, Haut; blg, laterales Blutgefäß; so, Segmentalorgane. Obj. 16 mm; Oe. $ (Zeiss). Zeichenapparat. Schluss. Auf den Figg. 7 a—d (1885b, Taf. XVII) hat BereH vier Schemata der Urnieren von Polygordius (a) von Nephelis (c) von Aulastomum (d) und von einer von ihm vermutheten Zwischenform (b) zwischen Nephelis und Polygordius gegeben. Es scheint, dass diese Zwischenform sich in den oben (p. 623, 624) besprochenen anormalen Urnieren von Nephelis angedeutet findet. Diese anormalen Urnieren entsprechen dem BereH’schen Schema in so fern, als sie zwei mit einander verwachsene Urmnieren darstellen. Nun kommunieiren aber ‚nieht ihre distalen Endtheile der Mündungsschleife »Gänge« von Ber6n), sondern der distale Endtheil der vorderen Urniere scheint Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 49 636 F Boris Sukatschoff, in Verbindung zu stehen mit dem vorderen Rande der hinteren Urniere. Wie oben erwähnt, konnte ich einen wirklichen Zusammen- hang der Kanäle nicht feststellen, doch halte ich die Möglichkeit desselbeu nicht für ausgeschlossen. Auch gelang es mir nicht zu beurtheilen, mit welcher Schleife der hinteren Urniere der Endtheil der Mündungsschleife der vorderen verbunden ist. Letztere Frage scheint doch nicht unwichtig zu sein. Was das Schema d von BErcu, das Aulastomum-Urnieren darstellt, betrifft, so muss man natürlich hier die Verhältnisse etwas verändern und beide Kanäle mit einan- der kommunicirend darstellen. Die Ähnlichkeit der Blutegelurnieren und derjenigen von Poly- gordius ist noch größer geworden, als es BERGH (1885, p. 269—271) vermuthete, nachdem wir das Vorhandensein einer äußeren Öffnung bei den ersteren nachwiesen und nachdem FrAıpont (1884, p. 105) und ED. MEYER zeigten, dass die Urnieren von Polygordius keine Trichter und überhaupt keine inneren Mündungen besitzen, sondern, im Gegensatz zu den Angaben von HATsScHER (1878), blind geschlossen sind. Dasselbe ist auch bei den Echiurus-Urnieren nach HATSCHEK (1880) der Fall. Der Vergleich der Aulastomum- und Echiurus- Urniere lässt überhaupt manches Ähnliche zwischen beiden bemerken; so lassen sich die Anastomosen in der verästelten Partie und die End- ästchen der Urniere des letzteren mit den Anastomosen, die wir an dem Kanal der Anfangsschleife bei Aulastomum gesehen haben, und den blinden Zweigen der Anfangsschleife vergleichen. Was aber die Nichtexistenz der Flimmerung bei den Hirudineen betrifft, so halte ich sie für noch nicht sicher festgestellt. Die Beobachtung von BERGH, der nur einmal die Flimmerung bei Criodrilus ge- sehen hat, und das Vorhandensein derselben bei anderen Oligochäten nach den Angaben VEspovsky’s (1884, 1888—1892) sprechen, im Zu- sammenhang mit der Ähnlichkeit der Hirudineen- und Criodrilus- Urnieren dafür, dass sie auch bei ersteren möglicherweise besteht. Es wäre natürlich nothwendig, die Untersuchung an lebenden ab- präparirten Urnieren anzustellen. Die Ähnlichkeit der Urnieren von Nephelis und Aulastomum ist, wie wir fanden, sehr groß. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Urniere von Aulastomum eine höher entwickelte Form darstellt, die sogar mit den definitiven Exkretionsorganen verglichen werden kann, und besonders mit denjenigen, der auf niederer Stufe stehenden Formen (s. z. B. die Fig. 16, Taf. V von VEJDOVsKY, 1884, die ein Segmentalorgan von Chaetogaster diaphanus Gruith. dar- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 637 stellt). Das Vorhandensein einer Endblase und die Differenzirung des Kanals in eine engere, durch Anastomosen und Nebenzweige sich auszeichnende Anfangsschleife, die möglicherweise den drüsigen Theil der Urniere darstellt, und in eine weitere, unverzweigt ver- laufende Mündungsschleife mit Anschwellungen am Ende, sind lauter Merkmale einer höheren Entwicklung des Organs. Mit BERGH muss ich die Urnieren der Hirudineen — besonders die von Aulastomum — für eine phylogenetisch hoch entwickelte Form halten, deren Ausgangszustand bei Polygordius und ähnlichen Anneliden-Larven zu suchen ist. Am Schluss dieser Abhandlung, welche ich nur als eine noth- wendige Ergänzung und Erweiterung der Ber@H’schen Untersuchungen betrachte, fühle ich mich verpflichtet meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. ©. BürscHLuı, für seine stete Unterstützung meiner Arbeit herzlichsten Dank auszusprechen. Gleichen Dank schulde ich auch Herrn Prof. Dr. A. SCHUBERG für seine freundliche Mithilfe mit Rath und That. Heidelberg i. B., im Februar 1900. Verzeichnis der eitirten Litteratur, 1885a.R. S. BERGH, Die Metamorphose von Aulastomum gulo. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. VI. 1885b. —— Über die Metamorphose bei Nephelis. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 1885c.. —— Die Exkretionsorgane der Würmer. Kosmos. Bd. II. 1888. —— Zur Bildungsgeschichte der Exkretionsorgane bei Criodrilus. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. VII. 1877. O. BürscHuı, Entwicklungsgeschichtliche Beiträge. II. Zur Kenntnis des Furchungsprocesses und der Keimblätterbildung bei Nephelis vul- garis Moqg. Tand. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 1884. J. FRAIPONT, Le rein cephalique du Polygordius. Arch. de Biologie. Tome V. 1879. M. FÜRBRINGER, Über die Homologie der sog. Segmentalorgane der Anne- liden und Vertebraten. Morphol. Jahrb. Bd. IV. 1878. B. HATSCHEK, Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arb. aus dem zool. Institut Wien. Bd. 1. 1880. —— Über Entwicklungsgeschichte von Eehiurus und systematische Stellung der Echiuridae. Arb. aus dem zool. Institut Wien. Bd. II. 1863. R. LEUCKART, Die menschlichen Parasiten. Bd. I. 1862. HEINRICH RATHKE, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudi- neen. 42* 638 Boris Sukatschoff, 1875. CH. RoBIn, M&moire sur le developpement embryogenique des Hirudi- .n&des. Mem. de l’Acad. des Sciences. Tome XL. 1876. C. SEMPER, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. 1II. Strobilation und Segmentation. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. IH. 1584. FR. VEJDOVSKY, System und Morphologie der Oligochäten. Prag. 1888— 1892. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Mit Atlas. Prag. Erklärung der Abbildungen, Buchstabenbezeichnung a.schl, Anfangsschleife ; md.schl, Mündungsschleife; e.a.schl, Endtheil der Anfangsschleife; mes.z, Mesenchymzelle; e.bl, Endblase; n.ekt, Kern der Ektodermzelle; ekt, Ektoderm; rm.z, Ringmuskelzelle; e.md.schl, distaler Endtheil der Mün- schl, Schleifenkanal; dungsschleife ; sep, septenartige Scheidewändchen; 9.2, Ganglienzelle; z, Endzelle der Anfangsschleife ; md, äußere Mündung der Endblase; zgr, Zellgrenze. Sämmtliche Abbildungen sind mit Ausnahme der Fig. 3@ mittels des ABBE- schen Zeichenapparates entnommen. Die Figg. 1—7 und Fig. 13a, d, ce sind so gestellt, dass das Kopfende des Embryo oben, das Hinterende unten liegt. Tafel XXXIV. Die Urnieren von Nephelis. Fig. 1. Hintere linke Urmiere von einem ca. 0,8 mm langen Embryo. Der Endtheil der Mündungsschleife mündet mit einer kleinen Öffnung innerhalb des Urnierenringes aus. Pikrinsalpetersäure, DELAFIELD’sches Hämatoxylin. Präpa- rat im Wasser. Obj. 16 mm, Oc. 8 (ZEIsS). Fig. 2. Hintere rechte Urniere von demselben Embryo. Der Endtheil der Mündungsschleife liegt außerhalb des Ringes. Obj. 16 mm, Oc. S (Zeiss). Fig. 3. Vordere Urniere eines etwa 0,8 mm langen Embryo, der Endtheil der Anfangsschleife mit der Stelle, wo die Anfangsschleife in die Mündungs- schleife übergeht. Pikrinsalpetersäure, DELAFIELD’sches Hämatoxylin. Die Haut wurde zuerst abpräparirt. Präparat im Wasser. Obj. 4 mm, Oe. 8 (ZEIsS). Fig. 3a. Hintere Urniere eines ähnlichen Embryo, wie Fig. 3. Nach einem lebenden Präparat im Wasser. Der Endtheil der Anfangsschleife frei außer dem Urnierenring liegend. Obj. S mm, Oe. 12 (ZEısS). Fig. 4. Ein Stück Haut eines ca. 0,8 mm langen Embryo. Pikrinschwefel- säure, DELAFIELD’sches Hämatoxylin. Präparat im Wasser. Obj. 8 mm, Oc. 8 (ZEISS). Fig. 5. Ventraler Theil einer hinteren linken Urniere von demselben. Em- bryo, wie Fig. 3. Die Lage der äußeren Öffnung ist ähnlich wie Fig. 1. Obj. 8 mm, Oc. 8 (ZEISS). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 1. 639 Die Urnieren von Aulastomum. Alle Präparate wurden von in Sublimatessigsäure konservirten Embryonen gemacht, indem die Haut mit den Urnieren abpräparirt, und mit DELAFIELD’schem Hämatoxylin gefärbt wurde. | Fig. 6. Junge, noch nicht vollständig ausgebildete zweite linke Urniere von einem ca. 2 mm langen Embryo. Die Anfangsschleife ist etwas enger als die Mündungsschleife dargestellt; in Wirklichkeit sind aber ihre Lumina von fast gleicher Weite. Obj. 4 mm, Oc. 4 (ZEISS). Tafel XXXV. Fig. 7. Ein Abschnitt von derselben Urniere bei einer stärkeren Vergröße- rung. An manchen Stellen sieht man zwischen den Zellen die sogenannten inter- cellulären Brückchen. Obj. 2 mm (homog. Immers. SEIBERT), Oc. 8 (Zeiss). Fig. 8. Ein Stück der zweiten linken Urniere mit sehr schön ausgesproche- nen protoplasmatischen Fortsätzen. Die dünnere Anfangsschleife ist verzweigt. Obj. 4 mm, Oc. 8 (ZEıss). Fig. 9. Ein Abschnitt der zweiten rechten Urniere mit Anastomosen zwi- schen den einzelnen Zweigen des Kanals der Anfangsschleife. Zwei Zweige desselben bleiben blind; der linke, obere geht zu den protoplasmatischen Fort- sätzen. Obj. 4 mm, Oc. 6 (Zeiss). Fig. 10. Ein Abschnitt der dritten linken Urniere mit sehr stark verzweig- ter Anfangsschleife, deren Zweige mit einander anastomosiren. Obj. 4 mm, Oe. 6 (ZEISS). Fig. 11. Querschnitt durch die Bauchfläche des hinteren Abschnittes eines ca. 6 mm langen Embryo. Die im Querschnitte getroffenen Endblasen gehören dem letzten vierten Urnierenpaar. Obj. 8 mm, Oc. 8 (Zeiss). Fig. 12. Querschnitt durch die Endblase und die ihr anliegende Partie einer ersten, linken Urniere von ca. 5 mm langem Embryo. Das Bild ist aus vier nach einander folgenden 5 « dieken Querschnitten zusammengestellt. Obj. 4 mm, Oc. 8 (ZEISS). Fig. 13. Drei verschiedenartig ausgebildete Endblasen der Urnieren von 3—6 mm langen Embryonen. Obj. 8, Oc. 4 (Zeıss). Fig. 13a. Endblase einer zweiten, linken Urniere. Die Mündung liegt innerhalb des Ringes. Der Endtheil der Mündungsschleife ist scharf von der Anfangsschleife abgetrennt. Der Endtheil der Anfangsschleife liegt in der Nähe des Endtheils der Mündungsschleife. Fig. 136. Die Endblase ist zu einer Art Spritze ausgebildet. Die Anfangs- schleife ist zu einem komplieirten Knäuel ausgebildet, der unterhalb des End- theils der Mündungsschleife liegt. Fig. 13c. Endblase einer zweiten, linken Urniere innerhalb des Ringes. Die Anfangsschleife, wie in Fig. 135, ist stark aufgeknäuelt. Der Knäuel liegt theils unterhalb der Endblase. Weitere Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues einiger Infusorien aus dem Wiederkäuermagen und dem Coecum des Pferdes. Von Dr. Adolf Günther, prakt. Thierarzt in Hann. Münden. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Mit Tafel XXXVI und XXXVIL Einleitung. Anschließend an meine (1) Abhandlung über die im Magen unse- rer Hauswiederkäuer vorkommenden Wimperinfusorien, speciell an die Untersuchungen über den inneren Bau von Ophryoscolex caudatus, habe ich, eingedenk der sehr großen Schwierigkeiten, die sich der senauen Feststellung der Anatomie und speciell des feineren Baues dieses Infusors entgegenstellten, eine nochmalige Prüfung der in obi- ser Abhandlung gemachten Angaben vorgenommen. Diese Unter- suchungen wurden im zoologischen Institut der Universität Marburg unter Leitung des Herrn Professor KORSCHELT ausgeführt. Ich bin hierdurch in die Lage versetzt, manche Angaben, die mit denen an- derer Autoren im Widerspruch stehen, nochmals genau und definitiv festzulegen. Eben so sind mir hierbei Verhältnisse zu Gesicht ge- kommen, auf die ich in meiner ersten Arbeit nicht näher eingegangen bin und die nun an dieser Stelle Erwähnung finden sollen. Endlich habe ich die von BunDLE (2) in seiner Abhandlung gemachten An- gaben über den inneren Bau von Cyceloposthium bipalmatum wegen mancherlei Übereinstimmungen mit Ophryoscolex caudatus zum Ver- gleich herangezogen, worauf ich im zweiten Theile dieser Arbeit ein- gehender zurückkommen werde. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. KoRSCHELT an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das Interesse, das derselbe meiner Arbeit stets entgegengebracht hat, sowie Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 641 für die Förderung derselben durch Überlassung der nöthigen Hilfs- mittel. Material und Untersuchungsmethoden. Was das zu untersuchende Material anbetrifft, so konnte ich mir dasselbe stets sehr leicht im Schlachthof von geschlachteten Schafen und Pferden konserviren und zur Untersuchung vorbereiten. Die besten Resultate in Bezug auf Konservirung von Ophryoscolex caudatus der Wiederkäuer und Cycloposthium bipalmatum der Pferde erzielte ich mit heißer koncentrirter Sublimat-Alkohollösung (!/; absol. Alkohol, 2/, koncentr. Sublimatlösung). Die Wimpern der adoralen Zone er- hielten sich hierbei immer sehr schön ausgestreckt. Gefärbt habe ich die Infusorien, nachdem ich sie ziemlich gut in einem Uhrschäl- chen isolirt hatte, außer mit Eosin, Alaunkarmin, Boraxkarmin haupt- sächlich mit Hämatoxylin und Nachfärbung der Schnitte auf dem ÖObjektträger nach HEIDENHAIN (4). Es giebt diese Nachfärbung stets die schärfsten und klarsten Bilder. Hierbei möchte ich noch er- wähnen, dass ich bei der Konservirung der Thiere und nachherigem Färben derselben in Schnitten auf dem Objektträger mit der pein- lichsten Genauigkeit verfahren bin, so dass nach dieser Richtung hin Versehen nicht denkbar sind. 1. Untersuchungen an Ophryoscolex caudatus und Entodinium rostratum Fiorentini. Meine Beobachtungen über Ophryoscolex caudatus beziehen sich hauptsächlich auf genaue Feststellung der Lage des Makronucleus, Ausbreitung des Entoplasma, die- zwischen Ento- und Ektoplasma befindliche Grenzschicht. Ferner auf den von mir beschriebenen Stützapparat für den Schlund, auf die Beziehung der Wimpern zum Ektoplasma und endlich auf das Auffinden starker Myonemschichten. a. Lage des Makronucleus und dessen Verhältnis zum Ekto- und Entoplasma. Da es recht ungewöhnlich ist, bei den Protozoen auf Thiere zu stoßen, die den Kern im Ektoplasma aufweisen, und sich die Ver- hältnisse auf Querschnitten von Ophryoscolex caudatus durchaus nicht so einfach verhalten, wie sie von EBERLEIN (3), der wohl zuerst eine genauere Beschreibung des inneren Baues obigen Infusors geliefert hat, in seiner Zeichnung dargestellt worden sind, und man ferner wohl im ersten Augenblick recht gut zweifelhaft sein kann, ob der 612 Adolf Günther, Kern nieht doch dem Entoplasma zugehörig ist, so habe ich diesen Punkt nochmals einer eingehenden Prüfung unterzogen. Es bieten sich bei dieser Untersuchung dem Auge des Beschauers ziemlich komplicirte Verhältnisse dar, so dass es sehr schwierig ist, sofort den Kern als im Ektoplasma liegend anzusprechen. Trotzdem bin ich jetzt keinen Augenblick mehr im Zweifel, dass, wie bereits von EBERLEIN und mir angegeben wurde, der Makronueleus von Ophryoseolex cauda- tus wirklich im Ektoplasma liegt; wenigstens vermag ich die in Frage kommende Schicht des Cytoplasmas nicht anders aufzufassen, obwohl ich mir vollständig bewusst bin, wie unwahrscheinlich von vorn herein die Annahme von der Lage des Kernes im Ektoplasma ist. Bei Betrachtung des EBERLEIN’schen Querschnittes von Ophryo- scolex caudatus erkennt man den Makronucleus direkt als im Ekto- plasma liegend. Mir ist es nicht gelungen, derartige von vorn herein jeden Zweifel an der Lage des Makronucleus ausschließende Quer- schnitte zu bekommen, sondern nach meinen Erfahrungen gehört die senaueste Beobachtung dazu, will man die Lage richtig erkennen. Der Makronucleus (Fig. 1 ma) liegt gewöhnlich an der linken Körperseite, und zwar ungefähr stets da, wo die linke Seite der Bauchfläche in die Rückenfläche übergeht, im Ektoplasma (Fig. 1 e4) in einer sehr tiefen Einbuchtung des Entoplasma (Fig. 1 ex). Diese eben genannte Einbuchtung des Entoplasma reicht zuweilen fast bis zur Mitte des Körpers. Es erwecken diese Verhältnisse im ersten Augenblick die Vermuthung, als ob das Entoplasma den Makronu- cleus fast zu ?/; seines Umfanges umschließt. Es gehört nun die allergrößte Aufmerksamkeit dazu, zu erkennen, dass zwischen Kern- membran, und der Ekto- und Entoplasma trennenden Grenzschicht (Fig. 1 g) doch noch ein kleiner Zwischenraum besteht, d. h. noch eine dünne Ektoplasmaschicht vorhanden ist. Sehr oft tritt aber die Kernmembran so dicht an die Grenzschicht heran, dass von einem Zwischenraum nichts mehr zu sehen ist. Die Grenzschicht zieht sich an der linken Kernseite vorbei zu einer langen Spitze aus, die bis zur Alveolarschicht der Pellicula reicht, und zwar trifft diese Spitze die Pellieula fast genau an der Stelle, wo die linke Seite der Bauch- fläche in die Rückenfläche übergeht. Als Bauchfläche (Fig. 1 5f) wird die Partie des Körpers bezeichnet, die am normalen Thier vom queren Membranellenzuge freigelassen ist, als Rückenfläche alles Übrige. Der Makronucleus liegt an der linken Seite der Bauchfläche, der Stützapparat (st) rechts. Da die Rückenfläche im Ganzen gewölbt ist, so ist es unnöthig, noch den linken und rechten Theil ersterer Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 643 vielleicht als Seitenflächen zu bezeichnen. Hierdurch reicht natürlich auch das Entoplasma an die Pellicula, und es muss folglich das Ekto- plasma an dieser Stelle eine Unterbrechung erfahren. Von der rech- ten Kernseite aus wendet sich die Grenzschicht zu dem dicht neben dem Kern liegenden Stützapparat (Fig. 1 st). Das Ektoplasma, das im Alleemeinen das Entoplasma in gleicher Stärke umgiebt, erfährt an der Bauchfläche eine starke Verbreiterung. Der Grund hierfür ist sicher lediglich in der Lage des Kernes und des Stützapparates zu suchen. Entsprechend dieser Gestaltung des Ektoplasmas weicht auch an dieser Stelle das Entoplasma von seiner im Allgemeinen regelmäßigen Form ab. Gerade auf diese Verhältnisse glaubte ich etwas näher eingehen zu müssen, da ich dieselben in meiner ersten Abhandlung nicht eingehender gewürdigt habe, und auch sonst eine senauere Beschreibung obiger Verhältnisse noch nicht geliefert wor- den ist. An dieser Stelle möchte ieh nicht unerwähnt lassen, dass bei der Betrachtung von Längsschnitten ein Erkennen der Verhält- nisse des Kernes durch dessen außergewöhnliche Lagerung tief in einer Einbuchtung des Entoplasmas noch schwieriger ist. Bei anderen Infusorien des Wiederkäuermagens, die ich ein- gehend auf die Lage des Makronucleus untersucht habe, z. B. Ento- dinium- und Diplodiniumarten, lässt sich auf Längs- und Querschnit- ten unschwer erkennen, dass der Makronucleus im Ektoplasma liegt. Es lässt sich nicht verhehlen, dass die Lage des Kernes im Ekto- plasma eines Infusors von vorn herein einen äußerst geringen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich hat. Andererseits sehe ich mich nach den erhaltenen Befunden genöthigt, diejenige Schicht des Protoplasmas, in welcher ich den Kern finde, als Ektoplasma anzusprechen, denn es liegt kein Grund vor, diese peripher gelegene, den Kern enthaltende Schicht als Entoplasma anzusehen. Ich darf hinzufügen, dass ich bemüht war, die Zugehörigkeit des Kernes zum Entoplasma durch meine Untersuchungen zu erweisen, doch ergaben meine Befunde . zweifellos die oben dargestellten Resultate. Der zwischen Ekto- und Entoplasma befindlichen Grenzschicht (Fig 1 g) habe ich ebenfalls nochmals besondere Aufmerksamkeit ge- widmet, da mich immer wieder von Neuem die Beschreibung dieser Schicht von EBERLEIN (l. ec.) stutzig macht. Ich bin auch dieses Mal nicht im Stande gewesen, irgend welchen alveolären Bau an oben genannter Schicht finden zu können, trotzdem ich mit den stärksten Vergrößerungen die aufs sorgfältigste angefertigten und gefärbten Quer- und Längsschnitte gut konservirter Thiere untersucht habe. 644 Adolf Günther, b. Der Stützapparat. Der Beschreibung des von mir gefundenen Stützapparates bei Ophryoscolex caudatus habe ich nur nachzutragen, dass es mir nun- mehr gelungen ist, denselben zu färben. Bei äußerst intensiver Färbung nach HEIDENHAIN (4) nahmen zuerst die die einzelnen Waben trennenden Wände die Farbe an und erst hierauf färbte sich auch der Inhalt der Waben. An einem gut geführten Längsschnitt (Fig. 6 si) ist ohne Weiteres zu erkennen, wie der Verlauf des aus zwei Theilen bestehenden Apparates ist, und dass letzterer thatsächlich einen Stützapparat für den Schlund darstellt. An dieser Stelle möchte ich einfügen, dass mir bei gelegentlicher Untersuchung von Entodinium rostratum Fiorentini, das ich, nebenbei gesagt, nur äußerst selten unter den Infusorien des Schafmagen an- traf, ähnliche Verhältnisse zu Gesicht gekommen sind in Bezug auf ein Organ, das ich bei Ophryoscolex caudatus als Stützapparat für den Schlund angesprochen habe. In der mir zu Gebote stehenden einschlägigen Litteratur konnte ich keine Andeutung oder Beschrei- bung dieses Organs finden. Es ist dies eben so wie bei Ophryoscolex eine ziemlich auffällige Thatsache, da es gar keiner groben Aufmerk- samkeit bedarf, um auf Quer- und Längsschnitten das Organ (Fig. 12, 15 und 14 st) zu finden. Dicht unter der Pellieula im oberen Theil des Thieres beginnend, rechts vom Kern liegend, zieht sich dasselbe (Fig. 13 st) in ziemlich breiter Ausdehnung bis zur Mitte, wo es sich in 3 Theile theilt (Fig. 14 sz), von denen jeder einzeln tief unten im Thier endet, stets der Pellieula anliegend. In Bezug auf Aussehen, Bau und Färbbarkeit ete. verhält sich dieser Apparat eben so wie der Stützapparat bei Ophryoscolex caudatus, so dass ich ihn, wenn auch nicht als einen Stützapparat für den Schlund, doch als einen solchen für die Festigung des ganzen Thieres nöthig, ansprechen möchte. Es dürften die von mir gefundenen Apparate bei Ophryoscolex caudatus und Entodinium rostratum Fiorentini wohl als ähnliche Differenzirungen des Ektoplasma aufzufassen sein, wie sie von v. ER- LANGER (5) und K. M. LEVANDER (6) beschrieben worden sind. Er- sterer hat bei Chlamydodon mnemosyne Stein ein eigenthümliches Band gesehen, das, zwischen Bauch- und Rückenfläche gelegen, den ganzen Körper umzieht und durch Querleisten deutlich quergestreift ist. LEVANDER (l. ce.) beschreibt auf p. 66 und 67 bei Plagiopyla Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 645 nasuta Stein ebenfalls ein quergestreiftes Band als Differenzirung des Ektoplasmas. Ich fasse diese Differenzirungen des Ektoplasma auf theils als Stütze für den Schlund (Ophryoscolex caudatus), theils zur Aussteifung des Thieres dienlich. c. Die Wimpern und deren Verhältnis zum Protoplasma; Myoneme. Schon bei früheren Untersuchungen von Längs- und Querschnitten von Ophryoscolex caudatus glaubte ich öfter an den Wimpern dieses Infusors, speciell was ihre Insertion auf der Pellieula anlangt, Ver- hältnisse erkannt zu haben, die von den bis heute noch gültigen An- nahmen entschieden abweichende sind. Durch neuere Untersuchungen über die Beziehung der Wimpern zum Protoplasma bin ich nunmehr zu der festen Überzeugung gelangt, dass die Wimpern von Ophryo- scolex caudatus die Pellicula durchbohren und mit dem Ektoplasma in innigem Zusammenhang stehen. Diese Thatsache weicht von den herrschenden Anschauungen über die Insertion der Wimpern bei den Infusorien ab. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Cilien der Infusorien die Pellieula nicht durchbohren, aber dass sie trotzdem durch ein feines fädiges Gebilde mit dem unter der Pellieula liegenden Alveo- larwerk verbunden sind. Eine hiervon abweichende Darstellung giebt TÖNNIGES (7) von Opalina ranarum und anderen Infusorien in der folgenden Beschreibung: »Während bislang die Ansicht vertreten wurde, dass die Wimpern der Pellicula aufsäßen, d. h. direkte Fort- sätze derselben seien, durchsetzen sie nach meinen Beobachtungen, welche nicht nur an Opalina ranaram, sondern außerdem noch an einer ganzen Reihe anderer Infusorien gemacht wurden, die äußere Körperschicht und dringen für eine kurze aber deutliche Strecke in die unter der Cuticula liegende Alveolarschicht ein. Sie stehen mit dem Wabenwerk des Ekto- und Entoplasmas ver- mittels feiner protoplasmatischer Fäden im innigsten Zusammenhang. Dicht unter der Pellicula verlaufen außerdem noch sich kreuzende Fibrillen, auf deren Knotenpunkten die Wimpern stehen und deren Kontraktionen vermuthlich die Bewegung der Wimpern verursachen... .« TönnıGEs (l. ec.) hat zu obiger Beschreibung eine Abbildung geliefert, die den Durchtritt der Wimpern durch die Pellieula klar zeigt. Ophryoscolex caudatus besitzt eine Pellicula, die man als starren Panzer bezeichnen kann, deren starre Beschaffenheit nach sehr in- teressanten Versuchen von EBERLEIN (l. c.) durch Einlagerung von 646 | Adolf Günther, - anorganischen Bestandtheilen der Kieselsäureverbindungen (Kiesel- säureanhydrid) bedingt ist. Eine Durchbohrung dieser festen Körper- bedeckung durch die Wimpern wird von vorn herein als wahrschein- lich anzusehen sein. Nach dieser Richtung angestellte Untersuchungen haben zu dem oben bereits angegebenen Resultat geführt, dass die Wimpern von Ophryoscolex caudatus die Pellicula durchbohren und mit dem Ektoplasma in Verbindung stehen (Fig. 2 «). An die Basis der Cilien setzen sich feine Protoplasmafäden an und vermitteln da- durch den innigen Zusammenhang zwischen Wimpern und Protoplas- ma. Dass diese Fäden dem Ektoplasma angehören, braucht kaum be- sonders erwähnt zu werden. Eine weitere Übereinstimmung mit der von Tönnıgzs (l. e.) ge- sebenen Beschreibung der Beziehung der Wimpern zum Protoplasma findet sich auch bei unserem Infusor. Auf Schnitten, die ich eigent- lich zum Studium der Wimpern angefertigt und dementsprechend ge- legt hatte, konstatirte ich sowohl unter der Pellicula der adoralen Wimperzone (Fig. 3 mr) als auch unter der des queren Membranellen- zuges (Fig. 4 mn) starke Züge von Muskelfasern (Myonemen), wie sie wohl bis jetzt in solcher Mächtigkeit bei anderen Infusorien kaum gefunden worden sein dürften. Genau so stark, wie sie in den Fi- suren 3 und 4 Taf. XXX VI ausgeführt sind, boten sie sich dem Auge des Beschauers in den Präparaten dar. Da die Myoneme gerade an den Stellen der Pellicula. zu treffen sind, wo durch die letztere die Wim- pern hindurchtreten, so werde ich wohl in der Annahme nicht fehl gehen, dass durch die Kontraktionen der Myoneme die Bewegungen der Wimpern stark beeinflusst werden. Speciell wird dies zutreffend sein bei den Wimpern und Myonemen der queren Membranellenzone, wo die Myoneme wohl hauptsächlich zu diesem Zwecke vorhanden sein dürften. Was die Myoneme der adoralen Zone anlangt, so ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass diese bei der Einstülpung des Peristoms Verwendung finden. Da diese Myoneme erst nach inten- siver Färbung nach HEIDENHAIN (l. ce.) deutlich sichtbar wurden, so ist es leicht erklärlich, wesshalb sie bis jetzt nicht aufgefunden wurden; in der mir zugängigen Litteratur über die Infusorien des Wieder- käuermagens sind sie jedenfalls nicht erwähnt. Auch noch an dritter Stelle habe ich bei Ophryoscolex caudatus mächtige Myonemschichten entdeckt und zwar in der hinteren Hälfte des Thieres im Ektoplasma unter der Pellieula genau da, wo sich die ringförmig angeordneten Stacheln mit ihrer Basis am Thierkörper anheften bezw. wo sie aus demselben heraustreten (Fig. 5 Taf. XXX VImz). Obwohl eine Beweglich- Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 647 keit dieser Stacheln und Zacken von EBERLEIN (l. ce.) geleugnet wird und von mir nicht gesehen wurde, so gelange ich doch jetzt, nach- dem ich diese äußerst starken Myonemschichten an jener Stelle ge- funden, zu der Annahme, dass doch wohl das hintere Ende des Thieres, abgesehen von der geringen Beweglichkeit des langen pfriemenförmigen Fortsatzes, in engen Grenzen sich zu bewegen im Stande sein muss. Vielleicht wird durch geringe Beweglichkeit dieser Zacken eine ge- wisse Steuerung des Thieres mit herbeigeführt. In der Annahme, dass diese hier gelegenen Myoneme zur Bewegung der Stacheln dienen, werde ich bestärkt durch die Thatsache, dass sie sich nur in dem Umkreise unter der Pellieula finden, in dem die Stacheln angeordnet sind, d. h. dass sie sich an der Bauchfläche des Thieres, die auch von den Stacheln freigelassen wird, nicht finden. Diese eben geschilderten Verhältnisse lassen sich unschwer aus Fig. 5 Taf. XXXVI erkennen. d. Theilung. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einige Beobachtungen ein- zufügen, die ich gelegentlich machen konnte und die sich auf die Theilung des Mikronucleus und auf die Umordnung des Wabenbaues des Plasma bei einsetzender Theilung des Infusors erstrecken. Was die Theilung des Mikronueleus anlangt, so ist es sehr wohl zu verstehen, wesshalb sowohl EBERLEIN als auch ich den Theilungs- vorgang desselben nicht beobachten konnten. In meiner ersten Ab- handlung habe ich mich über diesen Punkt geäußert und ausgeführt, dass die Theilung des Mikronucleus zu einem Zeitpunkte statthaben müsse, wo man dem Infusor selbst ixgend welche Veränderungen oder eine Volumzunahme als erstes Zeichen beginnender Theilung noch nieht anzusehen vermöchte. Ich habe früher den Mikronucleus bei der Theilung nur entweder in vergrößertem oder bereits im getheilten Zustande gesehen. | Im Verlauf meiner neueren Untersuchungen habe ich Gelegen- heit gehabt, einige Stadien aus der Mitose des Mikronuceleus zu finden und zu beobachten. In dem einen Falle handelt es sich um einen Längsschnitt einer Diplodiniumart (Fig. 19, Taf. XXX VII. Das Infusor ist als in Theilung befindlich durch die um das Thier herum laufende Einschnürung gekennzeichnet. Ich habe der Raumersparnis wegen nur die uns interessirende Partie gezeichnet. Den Mikronucleus (Fig. 19 m’, Taf. XXXVII) sehen wir in einer tiefen Einbuchtung im oberen Drittel des Makronucleus liegen. Allem Anschein nach hat auch an dem Mikro- ( 048 Adolf Günther, nucleus eine bedeuteude Volumzunahme stattgefunden. Der Inhalt des- selben hat eine Umwandlung erfahren in der Weise, dass die chroma- tische Substanz sich zu Chromosomen umgebildet hat, die sich als Äquatorialplatte im Mikronucleus eingestellt haben. Von beiden Polen des letzteren gehen feine Fäden spindelförmig zu der Äquatorialplatte. Ein weiteres, mehr fortgeschrittenes, fast zu Ende geführtes Theilungs- stadium des Mikronueleus sehen wir in Fig. 18, Taf. XXXVI. Hier hat der Mikronucleus sich in die Länge gestreckt, wobei das zwischen den beiden Tochterplatten liegende Verbindungsstück zu einem feinen Faden ausgezogen, der schließlich in der Mitte durchgerissen ist. Die zur Beobachtung gelangten Stadien zeigen, dass die Theilung des Mikronucleus ungefähr in derselben Weise verläuft, wie dies von anderen ciliaten Infusorien bekannt ist. An demselben Schnitte (Fig. 18 wa, Taf. XXXVI) sehen wir, dass der sonst unregelmäßig wabige Bau des Ektoplasma regelmäßige Formen angenommen hat. Die einzelnen Waben haben sich hinter einander gelegt und bilden auf diese Weise längsverlaufende Streifen. Die Knotenpunkte, in denen je vier Waben zusammenstoßen, sind verdickt. Die einzelnen longitudinalen Streifen liegen parallel neben einander. Dieses Exemplar von Entodinium rostratum Fiorentini be- findet sich in Theilung. Dieselbe longitudinale Streifung des Ekto- plasmas habe ich bei einem anderen Exemplar desselben Infusors gesehen (Fig. 12 wa, Taf. XXXV). Ob dieses Thier sich im gewöhn- lichen Zustande oder in beginnender Theilung befindet, vermag ich nicht zu sagen. Anzunehmen ist wohl, dass eine derartige Umord- nung des ektoplasmatischen Wabenbaues hauptsächlich wohl bei Thieren eintritt, die sich in Theilung befinden. Auch FIORENTINI (l. e.) berichtet über longitudinale Streifungen, die er bei Cyeloposthium bipalmatum während der Theilung gesehen hat. 2. Untersuchungen an Cycloposthium bipalmatum. Durch Herrn Professor Dr. KORSCHELT auf gewisse Überein- stimmungen aufmerksam gemacht, die sich bei der von BUNDLE (2) gelieferten Beschreibung des feineren Baues von Cyeloposthium bi- palmatum aus dem Coecum des Pferdes mit dem von mir beschrie- benen von Ophryoscolex caudatus aus dem Wiederkäuermagen finden, habe ich, um Vergleiche zwischen den beiden vorgenannten Infusorien anzustellen, Cyeloposthium bipalmatum einer eingehenden Unter- suchung unterworfen. Hierbei haben sich einige derartig charakte- ristische Verschiedenheiten im feineren Bau obigen Infusors von den Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 649 von BUNDLE gemachten Angaben herausgestellt, dass ich mich ge- nöthigt sehe, specieller, als ich ursprünglich beabsichtigte, hierauf einzugehen. Während im Übrigen BuxpLe’s Beschreibung von Cyeloposthium bipalmatum mit den von mir konstatirten Verhältnissen übereinstimmt, habe ich in Bezug auf das von BunpLE als Leiste bezeichnete Organ, die Lage des Kernes, wesentlich abweichende Beobach- tungen gemacht. Ferner konnte ich auch bei diesem Infusor merk- würdig angeordnete, starke Myonemschichten feststellen. Endlich darf ich das Auffinden von Konjugationen dieses Infusors beson- ders hervorheben. a. Material, Litteratur. Die Beschaffung des Materials stieß auch bei diesen Unter- suchungen auf keinerlei Schwierigkeiten. Die Konservirung geschah in derselben Weise wie bei den Infusorien aus dem Magen der Wieder- käuer, d. h. nach Anstechung des gerade aus der Bauchhöhle ent- fernten Coecums ließ ich die Darmflüssigkeit direkt in die vorbereitete Sublimat-Alkohollösung fließen. Auch das weitere Behandeln und Färben des Materials geschah nach früher angegebenen Methoden. Auch hier erzielte ich die klarsten und schärfsten Bilder durch das Nachfärben der Schnitte auf dem Objektträger nach HEIDENHAIR (l. c.). Was die Litteratur über die im Coecum des Pferdes vorkommen- den Wimperinfusorien anlangt, so ist auffällig, dass bis zur Veröffent- lichung der Bunpue’schen Arbeit so äußerst wenige und auch zum Theil nur sehr unvollkommene Untersuchungen hierüber angestellt wurden. BUNDLE (l. ec.) war der Erste, der solche in größerem Maß- stabe gemacht und die meisten im Coecum des Pferdes vorkommen- den Infusorien übersichtlich beschrieben hat. Die wenigen vor ihm über die betreffenden Infusorien handelnden Arbeiten sind von ihm besprochen worden. Hier darf der Hinweis darauf genügen. Es sind dies die Abhandlungen von GruBY et DELAFOND (8), Weiss (9), COLIN (10) und schließlich von FIoRENTInI (11). Auf letztere Arbeit muss ich später nochmals zurückkommen. b. Bau des Körpers. Cyeloposthium bipalmatum ist eine der häufigsten Formen im Pferdedarm. Ich habe sie bei meinen Untersuchungen nicht ein einziges Mal vermisst. Wie schon von BunDLe£ (l. ec.) hervorgehoben 650 Adolf Günther, wurde, dürfte hierin wohl der Grund zu suchen sein, dass dieses Infusor am besten gekannt und beschrieben ist. Der Körper des Thieres ist fast noch einmal so lang als breit und in ganzer Ausdehnung von vorn nach hinten dorsoventral abge- plattet. Wir vermögen an demselben zwei Flächen zu unterscheiden, eine gewölbte Rücken- (d, Fig. 9, Taf. XXX VIu. Fig. 8—14, Taf. XXX V]J) und eine fast völlig ebene Bauchfläche (Fig. 9, Taf. XXX VI und Fig. 8 bis 14 v, Taf. XXXVID. Im hinteren Drittel, vor Allem an der Stelle, wo die beiden Caudalia (Fig. 7 cd) links und rechts aus dem Thier heraustreten, ändert sich die Form des Thieres in so fern, als hier eine tiefe Einschnürung besteht, hinter der der Körper sehr bald mit einer geringen Neigung nach links stumpf abgerundet endet. Dort, wo die beiden Seiten der Bauchfläche, die linke und rechte, in die . Rückenfläche übergehen, befindet sich je ein tiefer Einschnitt, am Collare beginnend und an den Caudalia endend (Fig. 9a und 5, Taf. XXXVI und Taf. XXXVIL Fig. 9—12« und 5b). Da BunDte [(l. ce.) auf diese Verhältnisse wenig oder nur unvollständig eingegangen ist, und da in seinen Zeichnungen nur ein unvollkommener Längsschnitt, aber kein Querschnitt, durch den gerade diese Verhältnisse am klar- sten gezeigt werden, zu finden ist, so habe ich eine ganze Anzahl von Querschnittserien angefertigt. Es ist mir auf diese Weise ge- lungen, die Anatomie des Thieres nach dieser Richtung hin, auch speciell was das von .BunpLE als Leiste, bezw. dritte Kante des Thieres angesprochene Organ anlangt, genau festzulegen. Es sind diese beiden vorgenannten Einschnitte nicht etwa einfache Furchen der Pellieula, sondern wir sehen ganz deutlich, dass sich die Pelli- cula mit der darunter befindlichen starken Alveolarschicht (Fig. 9 av, Taf. XXXVI) der Rückenfläche von jener der Bauchfläche völlig ab- gesetzt hat. Die Pellieula der Rückenfläche biegt sich an den bei- den Längsfurchen nach innen ein und bildet nun die innere Begren- zung der Alveolarschicht der Rückenfläche. Auf diese Weise kommen die beiden Platten des Teguments, die Rücken- und die Bauchplatte, zu Stande. Bei « und 5 (Fig. 9, Taf. XXXVI) stoßen diese Platten mit ihren Enden auf einander, die abgerundet und nach innen um- gebogen sind. Auf diese Weise werden die beiden an den Seiten der Bauchfläche des Thieres bis zu den Caudalia längsverlaufenden Einschnitte bei Cyeloposthium bipalmatum gebildet. | Ich habe unter meinen Präparaten Querschnittserien, bei denen bei « (Fig. 9, Taf. XXXVI) die Rücken- und Bauchplatte nicht ganz an einander stoßen, so dass hier ein kleiner Zwischenraum zu sehen ist. Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 651 Ferner ist stets der Längseinschnitt bei «, das ist der rechten Seite, viel deutlicher ausgeprägt als bei 2. Das Ektoplasma (Fig. S und 9 ek, Taf. XXXV]) schließt das Entoplasma in verschiedener Dieke ein. Seine größte Ausdehnung erfährt es an der rechten Körperseite und dort, wo die Caudalia im hinteren Drittel heraustreten. Auf den Grund zur größeren Ausbrei- tung des Ektoplasma an der rechten Seite werde ich gleich zurück- kommen. Schon oben hob ich hervor, dass sich unter der Pellicula eine starke Alveolarschicht (Fig. S und 9 av, Taf. XXXVI) befindet, die aus großen, länglichen, senkrecht zur Pellicula gestellten Waben be- steht. BUNDLE (l. ec.) beschreibt diese Schicht als eine »breite Zone, welche durch je zwei feine, radiär verlaufende, bald neben einander liegende, sehr häufig aber auch einen kleinen, verschieden großen, sewöhnlich keilförmigen Zwischenraum zwischen sich lassende Fäd- chen in gleich große Abtheilungen getrennt ist. Auf diese Alveolar- schicht folgt wieder eine schmale, hyaline Schicht, welche durch einen gut sichtbaren, dunkel kontourirten »Grenzsaum« vom Ento- plasma getrennt ist«. BuNnDLE spricht übrigens in einer Anmerkung die Vermuthung aus, dass diese Zwischenräume in der Alveolarschicht ein Kunst- produkt sein müssten, und er dürfte hiermit auch wohl das Richtige getroffen haben, denn ich habe sie nie gesehen. Als ein weiteres Kunstprodukt muss ebenfalls die von ihm als zweite hyaline Zone beschriebene Schicht aufgefasst werden, die zwischen Alveolarschicht und der das Ekto- vom Entoplasma trennenden Grenzmembran liegen soll. Ich habe trotz sorgfältigster Beobachtung auch diese nicht entdecken können. An der linken Körperseite stößt nun die Alveolarschicht direkt an den Grenzsaum (Fig. 8 g, Taf. XXXVI), während rechterseits sich zwischen Alveolarschicht und Grenzmembran noch eine breite Schicht . Ektoplasma von wabigem Bau einschiebt (Fig. 8 ek, Taf. XXXV]). Wenn wir demnach alles zwischen Pellieula und Grenzsaum Liegende allgemein als Ektoplasma bezeichnen, so können wir an der linken Körperseite und am Rücken unterscheiden: 1) Pellieula (Fig. 8 p, Taf. XXXV]), 2) die Alveolarschicht (Fig. 8 av, Taf. XXXVI]), 3) die Grenzmembran (Fig. 8 9, Taf. XXXVI) und an der rechten Seite, vornehmlich dort, wo die Bauchfläche in die Rückenfläche übergeht: Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVII. Bad. 43 652 | Adolf Günther, 1) Pellieula, 2) die Alveolarschicht, 3) eigentliches Ektoplasma mit wabigem Bau, 4) Grenzmembran. Weichen schon diese Verhältnisse von den von BunDLE konsta- tirten ab, so steht das im Folgenden Beschriebene im direkten Gegen- satz zu dem von BUNDLE Angegebenen. Der Kern (Fig. 8 und 9 ma, Taf. XXXVI) von Cyeloposthium bipalmatum liegt im Ektoplasma, und nicht, wie BuUNDLE meint, im Entoplasma. So schwer, wie bei Ophryoseolex caudatus, ist bei Cyeloposthium ein Erkennen des Kernes, als im Ektoplasma liegend, nicht. Jeder Querschnitt, abgesehen von den Längsschnitten, die wegen der tiefen Einlagerung des Makronueleus in eine Einbuchtung des Entoplasma, in manchen Fällen täuschen können, zeigt die Lage desselben positiv im Ektoplasma an. Gerade nach dieser Richtung hin genügt die BuxpLe’sche Arbeit nicht, da die für die Beurtheilung von Cyeloposthium so unbedingt nothwendigen Querschnitte vollkom- men fehlen, und auch der nach einem Längsschnitt gezeichnete Theil zu Trugschlüssen verleiten muss. Betrachten wir eine vollständige Serie von Querschnitten von Cyeloposthium bipalmatum (Taf. XXXVIL, Fig. 8—14 und 17—19, es sind aus den beiden Serien die wichtigsten Querschnitte der Raumersparnis wegen herausgegriffen), so sehen wir in Fig. 8, dass dicht unter dem Collare, d. h. im ersten Viertel des Infusors, das Ektoplasma (ek) seine größte Ausbreitung besitzt. Auch auf den Längsschnitten (Taf. XXXVI, Fig. 8 ek und Taf. XXXVL, Fig. 2 ek) sind diese Verhältnisse deutlich zu erkennen. Der Kern liegt mit dem von BunpLe als Leiste beschriebenen Organ dort, wo die rechte Bauchfläche in die Rückenfläche übergeht. Entsprechend dieser Lage zeigt das Entoplasma an dieser Stelle eine Einbuchtung in der Längsrichtung des Thieres. Eine zweite Ver- breiterung des Ektoplasma hat statt an der Stelle, wo links und rechts die beiden Caudalia aus dem Thier heraustreten (Fig. 8, Taf. XXXV]). Um die Lage des Kernes genau festzustellen, ist es unbedingt nöthig, eine Anzahl vollständiger Querschnittserien anzufertigen und zu vergleichen. Übereinstimmend erhielt ich die Bilder, wie ich sie in Fig. 8—14, Taf. XXXVI gezeichnet habe. Gerade Fig. S und 17, Taf. XXXVI sind so äußerst charakteristisch für die Lage des Kernes, da das Entoplasma (ex) in Folge der größeren Ausbreitung des Ekto- plasma (ek) nur einen beschränkten Raum inmitten des Thieres ein- nimmt, während der Kern (a) weit davon außerhalb der Grenzmembran Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 653 (9) im Ektoplasma, dicht an der Alveolarschicht liegend, zu sehen ist. Auf Fig. 9—-13 und 15—17, Taf. XXXVI ist dann genau zu verfolgen, wie das Entoplasma (ex) sich nach hinten zu immer mehr ausdehnt, wobei sich schließlich die Grenzmembran an die Innenfläche der Alveolarschicht anlegt, und nur an der rechten Seite des Thieres sich von letzterer abhebt, um den Raum zur Lage des Kernes und der Leiste (Z) frei zu lassen, so dass auf diese Weise an jener Stelle eine Einbuchtung im Entoplasma besteht, in welcher der Kern, im Ekto- plasma liegend, eingelagert ist, von der Grenzmembran an der Innen- seite direkt berührt. Man ist im Stande, auf den Serien genau zu verfolgen, wie das Entoplasma in den ersten Querschnitten nur einen kleinen Raum einnimmt inmitten des Thieres. Auf jedem folgenden Schnitte nimmt das Entoplasma schon immer mehr an Umfang zu, die Grenzmembran (g) nähert sich immer mehr der Alveolarschicht, überzieht schließlich von innen Kern (ma) und Leiste (2) und legt sich endlich ganz der Alveolarschicht an, nur von dieser an jener Stelle, wo Kern und Leiste liegen, durch letztere von derselben getrennt. Ich möchte die Form des Entoplasma mit einem Kegel mit stumpfer Spitze vergleichen, dessen schmale Partie im vorderen Drittel des Thieres liegt, während die hintere Partie des Kegels die letzten ?/, des Thieres in gleicher Dicke ausfüllt. Wesshalb das Entoplasma nicht in gleicher Stärke das ganze Infusor durchzieht, dürfte damit zu begründen sein, dass im vorderen Drittel des Thieres Platz für das zu retrahirende Peristom bleiben muss, da das Peristom im retrahirten Zustande das Innere des vor- deren Drittels des Thieres einnimmt. Es wird dies durch die Quer- schnitte bewiesen, denn auf dem Schnitte, der das retrahirte Peristom (Fig. 17—18 p) nicht mehr trifft, dehnt sich sofort das Entoplasma bedeutend aus, um so den ganzen Innenraum des Thieres bis zum hinteren Ende auszufüllen (vgl. Fig. s—14 und 15—17 en, Taf. XXX VI). Ich habe geglaubt, die Lage des Kernes eingehender beleuchten - und an der Hand meiner Zeichnungen beweisen zu müssen im Gegen- satz zu der positiven Behauptung Bunnprte’s, dass der Makronueleus von Oyceloposthium bipalmatum im Entoplasma läge. Schon mehrfach habe ich im Vorstehenden ein Organ erwähnt, das von BUNDLE (l. c.) als Leiste bezeichnet ist, das sich aber nach meinen Untersuchungen als etwas ganz Anderes darstellt, als von ihm angegeben worden ist. BUNDLE beschreibt es folgendermaßen: »Diese eben erwähnte Leiste befindet sich auf derselben Seite, auf welcher der Kern liegst und läuft in derselben Richtung wie dieser als eine 43* 654 Adolf Günther, dieht an dem Üollare beginnende, doppelt kontourirte Kante nach hinten. Vorn ist dieselbe scharf abgesetzt und verhältnismäßig breit, verjüngt sich aber in ihrem weiteren Verlaufe immer mehr. An dem rechten der beiden zweckmäßig als »Caudalia« zu bezeiehnenden hinteren Fortsätze biegt sie nach links um, beschreibt einen nach vorn offenen Bogen und verliert sich in der Gegend des linken Cau- dale. Auf diese Weise werden nach hinten zu, von da ab, wo das Thier an Dicke bedeutend abnimmt, zwei verschieden lange, dünne, aber breite Platten gebildet. Zwischen beiden ist ein quer verlaufen- der Einschnitt, aus dem die Caudalia hervorstreben.« Zum besseren Verständnis dieser von BuUNDLE beschriebenen Ver- hältnisse wären jedenfalls Zeichnungen recht erwünscht und nöthig sewesen. Jeder Querschnitt zeigt ganz klar, dass es sich in diesem Falle um etwas ganz Anderes handelt, als was BunpLE und auch vor ihm FIorEnrtint (l. c.) gefunden zu haben glauben, denn wie ich schon an dieser Stelle erwähnen möchte, halten beide diese Leiste für die Vereinigungsstelle der beiden Platten des Teguments. Ich habe gerade nach dieser Richtung hin mit der größten Sorgfalt meine Untersuchungen angestellt, da ich ursprünglich darauf ausging, Ver- gleiche anzustellen zwischen dieser Leiste bei Oycloposthium bipal- matum, und dem von mir bei Ophryoscolex caudatus gefundenen Stützapparat für den Schlund. Da ich nun im Verlaufe meiner Unter- suchungen eine ganz. andere Anschauung von dem feineren Bau des Cyceloposthium erhielt, ließ sich eine solche vergleichende Beschrei- bung nicht durchführen. | Die schon des öftern erwähnte Leiste (Fig. 7 und 9 [2|, Taf. XXXVI und Fig. 1, 2, 5 und 8—13 [7], Taf. XXXVI) ist ein selbständiges Organ, das neben dem Kern etwas mehr nach der Bauchfläche zu selegen ist, genau an der Stelle, wo die beiden Platten der Bauch- fläche und der Rückenfläche an der rechten Seite zusammenstoßen. An der rechten Seite des Thieres dieht unter dem Collare beginnend, erstreckt sie sich genau in der Länge des rechten Längsspaltes bis zu der Stelle, wo das rechte Caudale aus dem Thier heraustritt. Nachdem sie oben unter dem Collare ziemlich breit begonnen hat, endet sie nach allmählicher Verschmälerung spitz am rechten Caudale. Die Leiste liegt im Ektoplasma, dort, wo die weiter oben be- schriebene Verbreiterung des letzteren statt hat, dieht neben dem Kern. Wie auf den Schnitten Fig. 9, Taf. XXXVI und Fig. 8—13, Taf. XXXVII deutlich zu ersehen ist, zeigt die Leiste in ihrem ganzen - Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 655 Verlauf einen nieren- bis sichelförmigen Querschnitt. Die Konvexe Seite ist nach dem Innern des Thieres, die konkave nach außen ge- richtet. Die beiden abgerundeten Enden umgreifen wie eine Spange jene Stelle, wo die beiden Platten der Rücken- und Bauchfläche zu- sammenstoßen. Nach vielen vergeblichen Versuchen ist es mir ge- lungen, ein Thier so zum Schneiden zu orientiren, dass die Längs- schnitte tangential zu der Vereinigungsstelle der rechten Rücken- und Bauchfläche fielen (Fig. 3—5, Taf. XXXVI). Auch hier beobachtet man, dass die Rücken- und Bauchplatte nicht ganz zusammenstoßen und vor Allem, dass die Leiste sich von innen ganz genau vor diese Stelle lest. Fig. 1 und 2, Taf. XXXVII zeigen uns die Leiste (2) im Längs- schnitt. (Das Thier ist ein wenig schräg getroffen, so dass in Fig. 2 der untere Theil des Längsschnittes gelegen ist.) An diesen Schnitten kann man leicht — eben so auch an allen Querschnitten — erkennen, dass die Leiste scharf gegen das umgebende Plasma abgegrenzt ist und sich aus unregelmäßigen vier- bis sechseckigen großen Waben zusammengesetzt erweist. Die Leiste ist recht schwer färbbar. Nur bei intensiver Einwirkung der HEIDENHAIN’schen Methode (1. c.) lässt sich auch eine Färbung der Leiste erzielen, die dann beim nachherigen Ausziehen die Farbe besser anhält als das die Leiste umgebende Plasma. Der Längsschnitt der Leiste (Fig. 2, Taf. XXXVI) unter- stützt meine vorstehende Behauptung im vollsten Maße, dass nämlich letztere nicht weiter geht als bis zum rechten Caudale, wo sie spitz endet. Die Hauptunterschiede aus Vorstehendem gegenüber der BUNDLE- schen Beschreibung der Leiste sind folgende: Die Leiste ist ein selbständiges Organ und nicht, wie außer BuUNDLE auch FIORENTINT (l. c.) angenommen, die Vereinigungs- stelle der beiden Platten des Teguments. Dass hierdurch eine dritte Kante am Thier gebildet werden soll, kann ich nicht finden. Es ist sehr schwer, ohne Zeichnungen sich aus der BunpLe’schen Beschrei- bung über diese Verhältnisse ein klares Bild von dem zu machen, was _ er eigentlich gemeint hat, speciell, was die beiden Platten des Tegu- ments angeht. Wie aus meinen Angaben deutlich hervorgeht, existiren wirklich zwei Platten des Teguments, und es stoßen diese auch rechter- seits in der von mir angegebenen Weise zusammen. Hierdurch wird aber weder eine dritte Kante noch eine Leiste gebildet. Da die Leiste vermöge ihrer Gestalt und Lage wie eine Spange die beiden hier nach innen eingebogenen Platten des Teguments umklammert, so glaube ich, außerdem unter Berücksichtigung der weiter vorstehen- 656 Adolf Günther. den Angaben, dass sich diese Enden des Teguments nicht in jedem Falle berühren, annehmen zu dürfen, dass die Leiste dazu dient, eine an dieser Stelle durch die Unterbrechung des Teguments etwa be- stehende Lockerung der äußeren Ektoplasmaschichten auszugleichen bezw. letztere gegen einander festzuhalten. Bei der starren, spröden Beschaffenheit der Pellicula, die eine Änderung der Körperform von selbst verbietet, muss doch wohl diese Leiste noch anderen Zwecken, als einer einfachen Aussteifung des Thieres, dienlich sein. Die Leiste “endet spitz" am "rechten Oaudalez ne > Taf. XXXVHO und Fig. 7, Taf. XXXV]. Dass sie sich hier um- biegen, sehr fein ausgezogen und einen nach vorn offenen Bogen bildend, am linken Caudale enden soll, habe ich bei meinen vielen und eingehenden Untersuchungen nicht ein einziges Mal feststellen können. Ich bin mir ganz klar darüber, dass dieser von BUNDLE be- schriebene Bogen nichts Anderes vorstellt, als die, das Ekto- vom Entoplasma trennende, beim ganzen Thier an jener Stelle durch- schimmernde Grenzmembran (Fig. 7, Taf. XXXVI g). FIORENTINT (. ce.) hat im Gegensatz zu BUNDLE schon vor diesem richtig beobachtet, dass die Längsleiste nur bis zum rechten Caudale geht. Eine zwischen den beiden Platten bestehende, von BunDLE konstatirte Querleiste, aus der die Caudalia hervorgehen sollen, habe ich in Übereinstimmung mit FIORENTINI nicht gefunden. Auch FioRENTINT hat den wabigen Bau der Leiste erkannt, da er eine charakteristische Abwechselung an der- selben von hellen und dunklen Zonen beschreibt; die dunklen Zonen stellen natürlich die Aneinanderlagerung zweier Wabenwände dar, während die hellen Zonen dem Wabeninhalt entsprechen. Der von mir konstatirten zweiten Längsfurche (Fig.95, Taf. XXXV]), die durch Einbiegung der beiden Platten des Teguments dort entsteht, wo die linke Seite der Bauchfläche in die Rückenfläche übergeht, ist von keinem der früheren Autoren Erwähnung gethan. Diese linke Längsfurche ist aber auch bei Weitem nicht so klar ausgebildet wie die rechte. Vor Allem stoßen hier die beiden nach innen eingebogenen Enden des Teguments stets fest auf einander, so dass von einer direk- ten Unterbrechung hier kaum die Rede sein kann. Von allen Autoren, die sich bisher mit Cyeloposthium bipalmatum beschäftigt haben, sind die starken Myonemschichten, die bei diesem Infusor vorkommen, völlig übersehen worden. Es ist dies recht auf- fällig, da diese Myoneme, wenn auch nicht auf jedem Längsschnitt, ” Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 657 so doch auf jedem Querschnitt direkt in die Augen fallen. Auch die Lage derselben ist eine von der gewöhnlichen ziemlich abweichende, sehr eigenartige. Die Myoneme liegen nicht, wie dies bisher die Regel, unter der Pellieula, oder der Alveolarschicht, im Ektoplasma, sondern wir sehen sie bei Cycloposthium bipalmatum von der das Ekto- vom Entoplasma trennenden Grenzmembran ent- springen und als schmale Leisten gegen das Entoplasma vordringen. Diese vermeintlichen Myonenleisten, die, wie man aus den Figuren sehen kann (Fig. 9 nn, Taf. XXXVI, Fig. 1 und 2, 8S—14 und 17—19, Taf. XXXVI mr), nicht gleich tief gegen das Entoplasma vorragen, entspringen im oberen Theil des Thieres dort, wo das Entoplasma beginnt und enden im hinteren Theil in der Gegend der Caudalia. Aber nicht vom ganzen Umkreis der Grenzmembran entspringen diese Myoneme, sondern sie sitzen etwa nur auf dem dritten Theil des Umfanges derselben. In zwei Partien gehen sie von vorn nach hinten. Die schmälere Partie entspringt dort, wo die Grenzmembran die Längsleiste überzieht, die breitere rechts vom Kern, den größeren Theil der Rückenfläche überziehend. Zwischen beiden Partien der Myoneme bleibt nur die Stelle der Grenzmembran frei, die von innen den Kern überzieht, bezw. in deren Einbuchtung der Kern liest. Je mehr sich die oben beschriebenen Myonemleisten der linken Rücken- fläche nähern, desto mehr nehmen sie an Breite ab, so dass sie schließlich als einfache Stränge in dieser Partie endigen. Die Grenz- membran der Bauchfläche und der linken Seiten- und Rückenfläche des Thieres ist ohne Myoneme. Mit vieler Mühe ist es mir gelungen, Längsschnitte tangential zu jener Rückenpartie des Thieres zu legen, auf deren Grenzmembran die Myoneme sitzen. Fig. 10, Taf. XXX VImn zeist uns die Myoneme als dieke Stränge ziemlich regelmäßig neben einander verlaufend. Welchem Zweck diese Myonemschichten dienlich sind, darüber kann ich nur Vermuthungen aussprechen. Bekanntlich hat Cyelo- posthium bipalmatum ein retraktiles Peristom. Wie wir aus den Fig. 8 und 11, Taf. XXXVI und Fig. 1 und 2, Taf. XXXVII deutlich ent- nehmen können, bildet sich vorn am Entoplasma in Folge der Zurück- ziehung des Peristoms eine tiefe Einbuchtung aus. Es ist nun sehr. wahrscheinlich, dass diese Myoneme (Fig. 8 und 11 mn, Taf. XXXV]) dazu dienen, bei der Retraktion des Peristoms eine gewisse Rolle in so fern zu spielen, als durch ihre Kontraktion diese Abflachung bezw. Einbuchtung des Entoplasmas herbeigeführt, und so dem Peristom, das 658 Adolf Günther, immerhin ziemlich groß ist, im vorderen Theil des Thieres Platz ge- schaffen wird. BUNDLE (l. c.) beschreibt den Vorgang der Retraktion folgendermaßen: »Ciliophor sammt Wimpernkranz können, wie schon erwähnt, eingezogen werden. Dies geschieht aber nicht in der Richtung der Längsachse, sondern die retrahirende Bewegung ist eine schrauben- förmige, in der Richtung von rechts und vorn, nach links und rück- wärts verlaufende.< Gerade durch diese Verhältnisse werde ich in meiner Annahme, dass die Myoneme hierbei in Frage kommen, be- stärkt, denn, da sie nur an der rechten Seite des Thieres vorkommen, so lässt sich sehr leicht vorstellen, dass durch den einseitigen Zug jene eben beschriebene Richtung des Ciliophors bedeutend unter- stützt wird. Auch an den Caudalia konnte ich von der Bunpue’schen Be- schreibung theilweise abweichende Verhältnisse nachweisen. BunDLE will vom Grunde des Basalstückes aus — er unterscheidet bekanntlich am Caudale einen ringförmigen Theil, der das Basalstück umschließt, an welchem je sechs Cilien sitzen — zwei bis drei sehr feine, schwer sichtbare Fädchen (Myophane?) in das Innere des Körpers schend, gesehen haben. Hierzu möchte ich ganz kurz bemerken, dass es sich in diesem Falle ebenfalls um eine ganze Anzahl sehr kräftiger, fast parallel neben einander herlaufender Myoneme handelt, die, wenn auch beim normalen Thier schwieriger zu sehen (Fig. 7mn, Taf. XXXVI), doch an Längsschnitten kaum zu übersehen sind (Fig. 11m», Taf. XXXV]. Dass sich an dieser Stelle derartig starke Myoneme befinden, ist unter Berücksichtigung, dass allein die Caudalia die Bewegungen des Thieres vermitteln, sehr leicht zu verstehen. In jedem Falle sah ich auch mehr als sechs Cilien dem Basalstück des Caudale ansitzen. An den Stellen, wo links und rechts die Caudalia aus dem Thier heraus- treten, ist das Ektoplasma, wie ich schon früher hervorhob, verbreitert. c. Theilung und Konjugation. Ich habe Cyeloposthium bipalmatum in keinem Präparate des Pferdecoecums vermisst. Auffällig war stets die große Anzahl Thei- lungen in den verschiedensten Stadien dieses Infusors, die ebenfalls in keinem Präparat fehlten. Obwohl ich die Theilungen nicht besonders untersucht habe, — BunDLE beschreibt sie als in sechs Stadien ab- laufend — sei es mir gestattet, mit ein paar Worten darauf einzugehen. Ein Moment in der Bunpre’schen Beschreibung über die Theilung dieses Infusors scheint mir nicht ganz unanfechtbar zu sein, dass Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 659 nämlich die Theilthiere nach rechts und links aus einander weichen. Ich habe in jedem Präparat Theilungen gesehen, jedoch nie obigen Vorgang beobachten können. Dadurch, dass sich das neue Peristom des unteren Theilthieres frühzeitig nach links und das neue Caudale des oberen Theilthieres sich nach rechts, wenn auch weniger stark, hervorwölben, kann es wohl aussehen, als ob »die vordere Häfte des Gesammtthieres mehr nach rechts, die hintere nach links gerückt er- scheint!« An der linken Seite des Gesammtthieres kann dieser Zu- stand durch das frühzeitige Hervorwölben des neuen Peristoms vor- setäuscht sein. An der rechten Seite des Gesammtthieres habe ich eine derartig treppenförmige Unterbrechung nicht feststellen können. Ein genaueres Studium dieser Theilungsvorgänge bei Cyeloposthium bipalmatum würde meines Erachtens noch sehr lohnend sein. Mögen meine kurzen Andeutungen nur darauf hinweisen. Wie ich schon in der Einleitung zu diesem Abschnitt der Arbeit erwähnte, fand ich mehrfach Konjugationsstadien dieses Infusors auf. Bisher ist niemals Konjugation weder bei den im Darm der Pferde noch bei den im Wiederkäuermagen vorkommenden ciliaten Infusorien beobachtet worden. Auch mir ist es leider nicht gelungen, mehr als sechs Exemplare, die in Konjugation waren, aufzufinden. Desshalb ist es mir auch unmöglich gewesen, die Vorgänge während der Konjugation zu verfolgen und ich kann daher auch nur wenig über das Faktum, dass ich Konjugation gefunden habe, hinausgehen. Dass Konjugation vorkommen musste, war wohl zweifellos, nur ist es auffällig, dass vor meinem Funde bei den vielen Untersuchungen, die SCHUBERG, EBERLEIN und ich über die Infusorien des Wiederkäuer- magens und FIORENTINI, BUNDLE (1. c.) und ich über diejenigen des Pferdedarmes angestellt haben, solche nie beobachtet wurde. Sie muss also wohl nur unter ganz bestimmten Verhältnissen und Bedingungen stattfinden. Es ist ferner nicht ausgeschlossen, dass sie als Epidemie auftritt und dann nur einige Tage, vielleicht nur Stunden andauert. - Die Konjugation bei Cyeloposthium bipalmatum (Fig. 6 und 7, Taf. XXXVII) ist eine terminale, d. h. beide Konjuganten haben ihre terminalen Mundöffnungen auf einander gelegt und sind mit denselben verwachsen (Fig. 6a, Taf. XXXVII). Dass in diesem speciellen Falle und im Allgemeinen bei solchen Infusorien, die einen derartig harten, spröden Panzer haben, die Konjugation in der Weise vor sich geht, dass die Thiere sich nur mit ihrem Mundende auf einander legen, hier in Gestalt der terminalen Konjugation, ist ja wohl selbstverständlich. Eine weitere Verwachsung ist eben wegen der harten Pellieula un- 660 Adolf Günther, möglich. Ich habe die wenigen, mir zu Gesicht gekommenen Kon- Jugationen stets in der Lage gesehen, wie sie in Fig. 6, Taf. XXXVII im optischeu Schnitt dargestellt ist. Ob sich die in terminaler Kon- Jugation befindlichen Thiere durch Zusammenklappen an einander legen, so dass die beiden Längsachsen nicht mehr zusammenfallen, habe ich nicht gesehen, halte es aber im Interesse der Bewegung auch nicht für unmöglich, da dieses Infusor seine Bewegungsapparate, die Caudalia, am hinteren Körperende trägt. Die Konjuganten von Cy- eloposthium bipalmatum legen sich mit ihren Mundpolen so auf ein- ander, dass die rechte Seite des einen Thieres auf der linken des anderen liegt, und umgekehrt. Es dürfte diese Lage wohl derjenigen bei solchen Infusorien entsprechen, die sich der Länge nach so an einander legen, dass der linke Seitenrand des rechten Individuums dem rechten des linken anliegt. Das Peristom ist, wie aus den Zeich- nungen zu ersehen, während der Konjugation eingezogen; ob es zu Grunde geht und nachher neu gebildet wird, vermag ich bei dem Mangel an Untersuchungsmaterial nicht zu entscheiden. Das aber kann ich trotz des wenigen Materials definitiv behaupten, dass die Konjugation bei Cyeloposthium bipalmatum in wirklicher Verwachsung der Plasmakörper besteht, wobei das Entoplasma des einen Thieres sich in wirklicher Fusion mit dem des anderen Thieres befindet. Sowohl der optische Schnitt (Fig. 65, Taf. XXXVI) als auch der wirkliche Schnitt (Fig. 75, Taf. XXXVI) lassen einen Zweifel an vorstehend geschilderten Verhältnissen nicht aufkommen. Diese Plasma- brücke wird natürlich dem während der Konjugation wandernden männlichen Geschlechtskern als Brücke dienen. Das Aussehen des Makronucleus bei dem einen Konjuganten (Fig. 6ma, Taf. XXXVI) lässt ohne Weiteres den Schluss zu, dass derselbe unmittelbar vor dem Zerfall steht. Hinweisen möchte ich noch auf die vielen im Entoplasma der in Konjugation verharrenden Thiere vorkommenden dunklen Körn- chen, die ich bei normalen Thieren niemals antraf. Bei den ver- schiedensten. konjugirten eiliaten Infusorien sind derartige dunkle Körnchen im Entoplasma konstatirt, die letzteres sogar gegen Ende der Konjugation ziemlich undurchsichtig machen sollen. kürscauı (12) führt diese Erscheinungen auf »einen regen Stoff- umtausch« im Plasma der konjugirten Thiere zurück. Eine große Merkwürdigkeit zeigt Fig. 7, Taf. XXXVI. Wir haben hier einen Längsschnitt vor uns durch zwei in Konjugation be- findliche Exemplare von Cyceloposthium bipalmatum, von denen das Weitere Beiträge z. Kenntnis des feineren Baues einiger Infusor. ete. 661 untere normal, das obere Thier dagegen zugleich während der Konjugation in Theilung begriffen ist. Dass es sich bei dem oberen Thier wirklich um ein Theilungs- stadium handelte, konnte bei Betrachtung des Totalpräparates keinem Zweifel unterliegen, wenn es auch vielleicht aus derjenigen des Schnittes nicht so ohne Weiteres hervorzugehen scheint; dass ferner beide Thiere in Konjugation begriffen sind, wird durch die thatsäch- lich bestehende, wie auf der Zeichnung angegebene Plasmafusion (Fig. 72, Taf. XXXVIU) bewiesen. Eine Erklärung für diese merk- würdigen Verhältnisse ist wohl darin zu finden, dass der eine Kon- Jugant (vielleicht nach Ablauf der Kernumwandlungen) bereits wieder zur Theilung geschritten ist, ein interessantes und auffälliges Verhalten. Hann. Münden, März 1900. Litteratur, 1. A. GÜNTHER, Untersuchungen über die im Magen unserer Hauswiederkäuer vorkommenden Wimperinfusorien. Diese Zeitschr. Bd. LXV.4. 1899. 2. A. BunpLE, Ciliate Infusorien im Coecum des Pferdes. Diese Zeitschr. Bi: EX. 2. 1895. 3. EBERLEIN, Über die im Wiederkäuermagen vorkommenden ciliaten Infuso- rien. Diese Zeitschr. Bd. LIX. 1895. 4. M. HEIDENHAIN, Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLII. .p. 423—728. 5. v. ERLANGER, Zur Kenntnis einiger Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XLIX. 4. 1590. 6. K.M. LevAnner, Beiträge zur Kenntnis einiger Ciliaten. Helsingfors 1894. 1. TÖNNIGEs, Die feineren Bauverhältnisse von Opalina ranarum. Sitzungsber. der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. Nr. 6. Juli 1898. 8. GRrUBY et DELAFOND, Recherches sur des animalcules se d&veloppant en grand nombre dans l’estomaec et dans les intestins, pendant la digestion des animaux herbivores et carnivores (I) in: R&cueil de Medeeine-vöt£ri- naire pratique XXe Vol. Paris 1843 und in: Comptes Rendus des se- ances de l’Acad&mie des Sciences. Tome XVI. 9. Weiss, Specielle Physiologie der Haussäugethiere. Stuttgart 1869. p. 131 bis 132. 10. Com, Traite de physiologie comparee des animaux. 2. Aufl. Paris 1871. 11. FIORENTINI, Intorno ai protisti dell’ intestino degli equini. Pavia. Maggio 1890. 12. BürscaLı, Infusorien in: Bronn’s Klassen und Ordnungen. III. Protozoen. p. 1612. 662 Adolf Günther, Weitere Beitr. z. Kenntn. des fein. Baues einiger Infusor. ete. Erklärung der Abbildungen, Tafel XXXVI. Fig. 1—6. Ophryoscolex caudatus. Fig. 1. Querschnitt, Lage des Makronucleus (ma), Ausbreitung des Ekto- (ek) und Entoplasma (en), Verlauf der Grenzschicht (g), Lage des Stützapparates (st), ma, Makro-, mi, Mikronucleus, df, Bauchfläche. Fig. 2. Längsschnitt (oberer Theil). w, Wimpern (Durchtritt derselben durch die Pellieula und ihre Beziehung zum Protoplasma). Fig. 3. Schrägschnitt durch die adorale Wimperzone. mn, Myoneme. Fig. 4 Schrägschnitt durch den queren Membranellenzug. mn, Myoneme des letzteren. Fig. 5. Querschnitt durch den hinteren Theil des Thieres (Zackenregion). nn, . Myoneme. Fig. 6. Längsschnitt durch den vorderen Theil. sz, Stützapparatfür den Schlund. Fig. 7—11. Cyeloposthium bipalmatum. Fig. 7. Normales Thier. 2, Leiste; na, Makronucleus; mi, Mikronucleus; g, Grenzschicht; cd, Caudalia; mr, Myoneme. Fig. 8. Längsschnitt. ek, Ektoplasma; en, Entoplasma; p, Pellicula; ma, Makronucleus; av, Alveolarschicht; g, Grenzschicht; mn, Myoneme. Fig. 9. Querschnitt (rechts ist die Partie, wo Kern und Leiste liegen, links bei d). mn, Myoneme; ma, Makronucleus; ek, Ektoplasma; en, Entoplasma; «, Umbiegungsstelle der beiden Platten des Teguments der rechten Seite; 5, die- jenige der linken; /, Leiste (roth gezeichnet); av, Alveolarschicht; v, Bauchfläche; d, Rückenfläche. Fig. 10. Längsschnitt (tangential) durch die Myonemschicht. mn, Myoneme. Fig. 11. Längsschnitt, Theilung. mn und mn!, Myoneme. Fig. 12—14. Entodinium rostratum Fiorentini. Fig. 12. Längsschnitt. Fig. 13. Vorderer| Querschnitt. si, Stützapparat; wa, regelmäßige Anord- Fig. 14. Hinterer [| nung des Wabenbaues. Tafel XXXVII. Fig. 1—17. Cyeloposthium bipalmatum. Fig. 1—2. Längsschnitte. /, Leiste (Verlauf in der Längsrichtung); ek, Ekto- plasma; mn, Myoneme. Fig. 3—5. Längsschnitte (tangential zu der Umbiegungsstelle der beiden Platten des Teguments der zeelien Seite). Verlauf des: Längsspaltes und Vor- lagerung der Leiste (2). Fig. 6—7. Konjugationsstadien. Fig. 6. Optischer Schnitt. a, Verwachsungsstelle der beiden Mundöffnungen; b, Plasmabrücke; ma, Makronucleus. Fig. 7. Längsschnitt. d, Plasmabrücke, oberes Thier zugleich in Theilung. Fig. 8-14. Querschnittserie. v, Bauchfläche; d, Rückenfläche; ma, Makro- nucleus; /, Leiste; ek, Ektoplasma; en, Entoplasma; g, Grenzmembran; ma, Myo- neme; a, Umbiegungsstelle der beiden Platten des Teguments der rechten Seite; b, diejenige der linken. Fig. 15—17. Querschnitte aus einer anderen Schnittserie. Bezeichnung die gleiche wie in Fig. 8—14. Fig. 18. Entodinium rostratum Fiorentini. Längsschnitt. Theilung des Mikronucleus mt. wa, Umordnung des Wabenbaues zu regelmäßigen Strängen. Fig. 19. Diplodinium. Längsschnitt. ni, Theilung des Mikronucleus. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. . a y N ” j { 3 n jadı ne : i n m Breals a 3, 1 n Bi 2 um un mn nn an aha ann rnes n n r r n ne n nun a nenne Kar un Se neh ne rein mn ne E = nn —_— —nn — a u a a REED EUER ae nn DE a EN - ‘ Br Bf ; R 2. er gen f vn AUWPLA a N IN 7 | ng N wi MR INN Fa Ye. ve ahlinnen Prandäurn 07 peu ahlanın Prandhurn® Lak Ansen ihren a "® om = um E = = al to Taf. I. Jith.-Anst.v Werner gWinter. FrankfureIM. Gg % a 4 ea Er hr du Ba 27 Zu % “ tt Ze ülschrift £ wiiss. Zoologie BALLKU. | 1 Eu ’ A 7 ee r5 N ‘ 3 Zeitschrift Kwiss. Zoologie Bd.LXUn, 1 | I} } ! } 1 | | sa 1; j | I | I a N N na IE ENT nn EIERN ATS" | BE EOERELD nufın | 1 I i ERaER 1 Jelieke. Hal FE I } i a en ner na EEE ur fen 1 Ic » { N =? IE g - BE Vansehrin Fonse Zoologie BA.DKM. — a5 von Mläelm Engelmann, legst gie. 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Ba.ıNUn. md m Jah Aut a An A Aletıe uskartt ee Eee z 7 Er AS IIE an Zeitschrift Kwiss. Zoologie. Ba. LXVN. | TaENNKUM. | nnd uk Aue sWermur BRNIEN Pirate Ä Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet F von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Siebenundsechzigster Band Erstes Heft Mit 6 Tafeln und 46 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1899. Ausgegeben den 21. November 1899. Inhalts 5 Seite Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. Theil: Die Linse der Säugethiere. Rückblick und Schluss. Von Carl Rabl. (Mit Taf. I—-IV und 46 Fig. im Text.) 2... 01. N es 1 Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko (Epi-, Para- und Hypophyse). Von Fritz Melchers. (Mit Taf. V und VL). ... 13 Mittheilung, Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagahuchhätdien: Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. _ Catalogus Hymenopterorum hucusque descriptorum systematicus et synonymicus Auctore Dr. C. G. de Dalla Torre Professore Oenipontano. Volumen I: Tenthredinidae inel. Uroceridae (Phylliophaga u. Xylophaga). gr. Ss. 1894. U 20.—. » II: Cynipidae. gr. 8. 1893. 4 6.—. » IV: Braconidae. gr. 8. 1898. 4 15.—. » V: Chaleididae et Proetotrupidae. gr.8. 1898. N 28. —. D VI: Chrysididae (Tubulifera). gr. 8. 1892. 4 5.—. » VI: Formicidae (Heterogyna). gr. 8. 1893. # 13.—. » VIII: Fossores (Sphegidae). gr. 8. 1897. MW 33.—. ) IX: Vespidae (Diploptera). gr. 8. 1894. 4 8.—. ) X: Apidae (Anthophila). gr. 8. 1896. 4 28.—. In Vorbereitung befindet sich: Volumen III. Evaniidae, Trigonalidae, Ichneumonidae, Stephanidae, Pelecinidae. Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von kölliker und: Ernst Ehlers . Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Diebenundsechzigster Band Zweites Heft Mit 11 Tafeln und 4 Figuren im Text. u gel.) 17:5 ZA Ian ir 8:7 May 1 1900) Ketionaı ES LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1900. Ausgegeben den 9. April 1900. 1nh237%7 Beiträge zur Kenntnis von Apsilus vorax (Leidy. Von Reinhard Gast. Ich (Mit. Taf. VII us VIEL). 200 Sr ee 167 Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. Von Otto Maas.. (Mit Tafel IX—XIL). 2 2... 27, See 215 Über die Aufnahme fester Theilchen durch die Kragenzellen von Sycandra. Von Fr. Zemlitschka. (Mit 2 Fig.-ım Text.) 2 rs 241 Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. Von F. Vejdovsky. (Mit Tafel XIILE).- . .. 2.222. 0. use 247 Zur Anatomie der Vogelcestoden. I. Von Ludwig Cohn. (Mit Tafel XIV WRV.). 0 32a N ar Se 255 Beiträge zur Kenntnis des Baues von Polytrema miniaceum Pallas sp. Von Friedrich.Merkel. (Mit Taf. XVIL XVII m, 2 Rie7 morae 2777291 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. | Der Gefertigte, mit einem umfassenden Werke über VERGLEICHENDE ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DER SEHORGANE beschäftigt, bittet, ihm gefälligst Separat-Abdrücke von Arbeiten — = eventuell im Austausch — zu senden, die irgendwie, sei es anatomisch, ® embryologisch, zoologisch, pathologisch oder litterarisch die Sehorgane der 'Thiere, das Auge des Menschen oder überhaupt Lichtreaetionen betreffen oder auch nur vereinzelte Angaben über solche Themen enthalten. Dr. Theodor Beer Privatdocent für vergleichende Physiologie an der Universität. "Wien, XVll. Anastasius Grün-Gasse 65. AN. , NT FR > i : Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Siebenundsechzigster Band Drittes Heft Mit 10 Tafeln und 20 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1900. Ausgegeben den 22. Mai 1900. inh3a1t Über die Knospung der ektoprokten Bryozoen. Von Franz Ladewig. u (Mit Taf. XVIIL). . ...........00 So 323 Zur Kenntnis der Eibildung bei Rhizotrogus solstitialis L.L. Von Otto Rabes.. (Mit Taf. XIX und 1 Fie. im Dexter 340 Die Beziehungen der Nerven zu den- Grandry’schen Körperchen. Von A..S. Dogiel und K. Willanen. - (Mit Tags NG 349 Einige Bemerkungen über den Bau des Ruderschwanzes der Appendicularien. Von Oswald Seeliger. (Mit Taf. XXI—XXIll und 1 Fig. im Text.) 361 Untersuchungen über die Entwicklung von Aurelia aurita.. Von W. Hein. Mit Taf. XXIV, XXV und'5 Eige. im. Text) Ey rg 401 Bau und Entwicklung des männlichen Begattungsapparates der Honigbiene. Von Georg Michaelis. (Mit Tat. XXVI)Z Pe 439 Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Hymen- opteren. Von Enoch Zander. (Mit Taf. XXVII und 13 Fig. im Text.) 461 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. | Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. In Kürze erscheint: Der Aufbau der menschlichen Seele. Eine psychologische Skizze von Dr. med. Hermann Kroell Sanitätsrat in Strassburg i/Els. Mit 14 Abbildungen im Text. 8. Etwa 4 5.—. In. Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers ‘Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Siebenundsechzigster Band Viertes Heft Mit 10 Tafeln und 6 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1900. Ausgegeben den 7. August 1900. IinhalrT Seite Experimentelle Untersuchungen an meroblastischen Eiern. I. Cephalopoden Von W1l. Schimkewitsch. Mit Taf. XXVIII-XXXL). . ... 491 Die Abhängigkeit des kritischen Punktes bei Insekten von deren Ab- kühlungsgeschwindigkeit. Von P.Bachmetjew. (Mit 3 Fig. im Text.) 529 Untersuchungen über den Bau des Tractus opticus von Squilla mantis und von anderen Arthropoden. Von Em. Radl. (Mit Taf. XXXIL). . 551 Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Ter- mitennestern. I. Theil. Äußere Morphologie und Biologie. (113. Bei- trag zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.) Von E. Wasmänn. (Mit Taf. XXXII). 202 50 599 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. Zur Kenntnis der Urnieren von Nephelis vulgaris Moqu. Tand. und Aulastomum gulo Moqu. Tand. Von Boris Sukatschoff. (Mit Taf. XXXIVu. XXXV u. 3: Fig. im Text.)...<...- -. 2% Ve 618 Weitere Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues einiger Infusorien aus dem Wiederkäuermagen und dem Coecum des Pferdes. Von Adolf Günther. (Mit Taf. XXXVI u XRXVGE SE 640 Mittheilunsg. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. - Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzuge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch, gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert unter der Voraus- setzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Speyer & Peters, Buchhandlung, Berlin, N.W. u Sun ARE Se nn bieten in einem gleichmässig elegant gebundenen, garantirt a Exemplare zum Kauf an Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. 1—63 m. allen Suppl. u. Reg. Leipzig 1818—1898. — Preis: 3000 Mark. ee See DER 1 Eh: % I > SL , ö $ TEEN 3 9088 01316 6129